Die Mainzer Republik 3: Die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden [3 ed.] 9783110661057, 9783110660821

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Die Mainzer Republik 3: Die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden [3 ed.]
 9783110661057, 9783110660821

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Darstellung
I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik
II. Der Vorstoß Custines in die Pfaffengasse
III. Die Franzosen in Mainz
IV. Der Klub in seinem ersten Monat
V. Die neuen Zentral- und Munizipalbehörden im November/Dezember
VI. Das Dezemberdekret und seine Auswirkungen bis Ende Januar
VII. Die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen im Februar/März
VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent
IX. Die Tätigkeit der revolutionären Staatsorgane unter Belagerungsbedingungen
X. Ausblick
Spezialstudien
Die Mainzer Republik im Spiegel deutscher Geschichtsschreibung
Die Mainzer Republik — Historie oder Politikum?
Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs
Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs
Jakobinismus in Paris und Mainz
Die Begegnung deutscher Aufklärer mit der Revolution4
Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz
Mainzer Jakobiner 1794—1797. Zur Wirkungsgeschichte der Mainzer Republik
Zum Patriotismusbegriff in Deutschland zur Zeit der Französischen Revolution
Das Verhältnis der Klassiker des Marxismus zu den Anfängen der bürgerlichen revolutionären Demokratie in Deutschland
Quellen- und Literaturnachweis
Personenregister
Orts- und Länderregister
Bildnachweis

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Heinrich Scheel D I E M A I N Z E R R E P U B L I K III Die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden

A K A D E M I E D E R WISSENSCHAFTEN D E R D D R SCHRIFTEN DES ZENTRALINSTITUTS FÜR GESCHICHTE BAND 44

Heinrich Scheel

DIE MAINZER REPUBLIK III Die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden

Eine Darstellung mit 54 Abbildungen, 10 Spezialstudien und einer Farbfaltkarte

AKADEMIE-VERLAG BERLIN 1989

ISBN: 3-05-000817-2 Erschienen im Akademie-Verlag Berlin, Leipziger Straße 3—4, Berlin/DDR, 1086 © Akademie-Verlag Berlin 1989 Lizenznummer: 202 • 100/50/89 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg Einbandgestaltung.und Schutzumschlag: Karl Salzbrunn Bestellnummer: 754 995 7 (2083/44) LSV 0265 07000

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

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Darstellung I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik II. Der Vorstoß Custines in die Pfaffengasse III. Die Franzosen in Mainz IV. Der Klub in seinem ersten Monat V. Die neuen Zentral- und Munizipalbehörden im November/Dezember VI. Das Dezemberdekret und seine Auswirkungen bis Ende Januar . . . . VII. Die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen im Februar/März VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent IX. Die Tätigkeit der revolutionären Staatsorgane unter Belagerungsbedingungen X. Ausblick

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Spezialstudien

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Die Mainzer Republik im Spiegel deutscher Geschichtsschreibung . . . . Die Mainzer Republik — Historie oder Politikum? Kritische Anmerkungen aus Anlaß einer Ausstellung . Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs Der Jakobinerklub in Worms 1792/93 Jakobinismus in Paris und Mainz Die Begegnung deutscher Aufklärer mit der Revolution Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz Mainzer Jakobiner 1794—1797. Zur Wirkungsgeschichte der Mainzer Republik ZumPatriotismusbegrif f in Deutschland zur Zeit der Französischen Revolution Das Verhältnis der Klassiker des Marxismus zu den Anfängen der bürgerlichen revolutionären Demokratie in Deutschland

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Quellen- und Literaturnachweis

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Personenregister

555

Orts- und Länderregister

582

Bildnachweis

591

Für Edith, meine Frau

Vorwort

Nachdem im Jahre 1975 „Die Mainzer Republik I" mit den Protokollen des Jakobinerklubs erschienen war, die 1984 bereits ihre zweite und ergänzte Auflage erlebte,1 und 1981 „Die Mainzer Republik II" mit den Protokollen des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents vorgelegt werden konnte,2 folgt nun nach einem längeren zeitlichen Abstand, der sich aus der Übernahme anderer Verpflichtungen durch den Verfasser erklärt, die Gesamtdarstellung als 3. Band, womit das gesamte Unternehmen abgeschlossen wird. Dem Band sind eine Reihe von Spezialstudien zum Thema beigefügt, die bei verschiedenen Gelegenheiten verstreut publiziert wurden und nunmehr geschlossen dargeboten werden können. Diese Studien sind geeignet, die Darstellung sowohl zu ergänzen als auch zu entlasten und einzelne in ihr angesprochene Probleme detaillierter zu verfolgen. Die Bände I und II besitzen als Quelleneditionen ihren Eigenwert; dennoch wurden sie vom Verfasser immer zugleich als unabdingbare Vorarbeiten betrachtet, ohne die eine monographische Darstellung nicht machbar war. Der vorliegende Band III wird sich darum stets auf die beiden vorausgegangenen Bände beziehen, und zwar nicht allein auf die Quellen selbst, sondern zugleich auch auf die dazu gelieferten Kommentare. Der Verfasser hofft so, eine Unzahl Details aussparen zu können, die eine Gesamtdarstellung schwer lesbar machen und die Grundlinien zu verdecken geeignet sind, die zur historischen Ortsbestimmung des Hauptgegenstandes, der Mainzer Republik, gerade herausgearbeitet werden sollen. Einen ähnlichen Nutzen will der Verfasser aus den umfangreichen Einleitungen ziehen, die er den beiden Quelleneditionen damals vorangestellt hat, um jeder von ihnen einen vollgültigen Eigenwert zu verleihen. So wird beispielsweise in der vorliegenden Darstellung auf eine Skizzierung des Schicksals verzichtet, das Mainzer Jakobinerklub und Republik in der Historiographie bisher erfahren haben, weil darüber die Einleitung zu Band I Wesentliches aussagt3 und weil gerade dazu der Verfasser eine Spezialstudie vorlegt. 4 Diese Studie wird durch eine Polemik ergänzt, die sich mit der auf Mainzer Boden allerersten Ausstellung zur Geschichte der Mainzer Republik beschäftigt. 5 Einige Grund1

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Die Mainzer Republik I. Protokolle des Jakobinerklubs, hg., eingeleitet, kommentiert und bearbeitet von Heinrich Scheel, Berlin 1975; zweite, durchgesehene und ergänzte Auflage, Berlin 1984 (Künftig zitiert: MR I). Die Mainzer Republik II. Protokolle des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents mit Quellen zu seiner Vorgeschichte, hg., eingeleitet, kommentiert und bearbeitet von Heinrich Scheel, Berlin 1982 (Künftig zitiert: MR II). MR I, S. 9 - 1 8 . Die Mainzer Republik im Spiegel deutscher Geschichtsschreibung, S. 295 — 335. Die Mainzer Republik — Historie oder Politikum ? Kritische Anmerkungen aus Anlaß einer Ausstellung, S. 3 3 7 - 3 4 9 .

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Vorwort

probleme der Klubgeschichte, die bereits in besagter Einleitung reflektiert wurden, sind natürlich für die Gesamtdarstellung unverzichtbar und werden darum unter Nutzung der älteren Überlegungen auch wieder aufgegriffen. In diesem Zusammenhang ist auf drei Spezialstudien zu verweisen, die in den vorliegenden Band aufgenommen sind. Es handelt sich erstens um die Arbeit über die Mainzer Klubstatuten, die in den Band I nur mit ihrem dokumentarischen Teil Eingang fand.6 Zweitens ist die mit einem reichen Dokumentenanhang versehene Studie über den Wormser Jakobinerklub aufgenommen, der als Filiale des Mainzer Klubs im Band I nur am Rande in Erscheinung trat und auch in einer Gesamtdarstellung der Mainzer Republik keinen anderen Platz einnehmen kann.7 Die dritte Studie bemüht sich um eine saubere Konturierung des Mainzer Jakobinismus auf dem Hintergrund des beispielhaften revolutionären Geschehens in Paris. 8 Die Einleitung zu Band II, der ja anders als der auf den Klub in Mainz zentrierte Band I die Mainzer Republik in ihrer gesamten territorialen Ausdehnung zu erfassen bemüht war, verlangte geradezu nach einer detaillierten Darstellung der territorialen, politischen und sozialökonomischen Verhältnisse in diesem Raum, so daß sich der Verfasser im vorliegenden Band III auf eine knappe Skizzierung dieser Problematik beschränken darf.9 Ein gut Teil der Fragen, die die Einleitung zu Band II aufgeworfen hat, bleiben selbstverständlich Gegenstand der vorliegenden Darstellung, wobei Übernahme und Präzisierungen, aber auch Korrekturen früher geäußerter Auffassungen erfolgen. Im Hinblick auf das für die Geschichte der Mainzer Republik ungemein bedeutsame Teilproblem der Rolle der fortgeschrittenen bürgerlichen Intelligenz sei hier auf die Spezialstudie verwiesen, die die Begegnung der aufgeklärten bürgerlichen Intelligenz mit der Revolution untersucht.10 Die Studie über die Spitzelberichte, die im November 1792 aus Mainz hinausgeschleust wurden, weist umgekehrt gegenläufige Erscheinungen aus; bei aller Fehlerhaftigkeit ihrer Nachrichten verleihen sie bemerkenswerten revolutionsfeindlichen Stimmungen, Hoffnungen und Ängsten unter Angehörigen der Gebildeten Ausdruck. 11 Abschließend ist noch auf drei weitere Spezialstudien zu verweisen, die im vorliegenden Bande Platz gefunden haben. Sie greifen alle über die Mainzer Republik als historisches Ereignis hinaus und beschäftigen sich direkt oder indirekt schon mit ihrer Wirkungsgeschichte. Zum ersten werden revolutionäre Aktivitäten von Mainzer Jakobinern in der Emigration vorgestellt und durch Dokumente belegt, die bis an die cisrhenanische Bewegung heranführen.12 Zum zweiten wird anhand des jakobinischen Patriotismusbegriffs Inhalt und Wandel der nationalen Frage bis in den Beginn des neuen Jahrhunderts verfolgt. 13 Die letzte kleine Studie befragt die Klassiker des Marxismus nach ihrem Verhältnis zu den Anfängen der revolutionären bürgerlichen Demokratie, findet dabei die Mainzer Republik nur beiläufig gewürdigt und gelangt dennoch zu Erkenntnissen, die wieder einmal bestätigen, daß sich die Beratung mit den Klassikern immer lohnt.14 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs, S. 351 —385. Der Jakobinerklub in Worms 1792\93, S. 387-445. Jakobinismus in Paris und Mainz, S. 447—455. MR II, S. 1 7 - 5 5 . Die Begegnung deutscher Auf klärer mit der Revolution, S. 457—471. Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz, S. 478 — 498. Mainzer Jakobiner 1794—1797. Zur Wirkungsgeschichte der Mainzer Republik, S. 499 — 514. Zum Patriotismusbegriff in Deutschland zur Zeit der Französischen Revolution, S. 515—526. Das Verhältnis der Klassiker des Marxismus z» den Anfängen der bürgerlichen revolutionären Demokratie in Deutschland, S. 527 — 537.

Vorwort

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Es versteht sich, daß die vorgelegte Gesamtdarstellung sich nicht nur auf eigene Vorarbeiten stützt, sondern selbstredend auch Arbeitsergebnissen anderer Historiker von der älteren Zeit bis in die Gegenwart verpflichtet ist; mit Dank wird dies gegebenenfalls an Ort und Stelle angemerkt. Es versteht sich allerdings ebenso, daß angesichts der selten freundlichen Behandlung, die die Mainzer Republik in der bürgerlichen Historiographie bis in unsere Tage erfahren hat, die polemische Auseinandersetzung mit solchen Erscheinungen vor allem in der Gegenwart ein unverzichtbares Ingredienz dieser Gesamtdarstellung sein muß. Unverzichtbar wie bei der Erarbeitung der ersten beiden Bände war dem Verfasser auch diesmal die allseitige Hilfe seiner Frau Edith Scheel-Korth, die jeden Schritt bei der Bewältigung der Gesamtaufgabe von der Archivarbeit bis zum letzten Korrekturbogen mitgegangen ist,, wenngleich ihr Anteil ausdrücklich nur in den beiden Registern ausgewiesen wird, die sie wie früher auch für den vorliegenden Band anfertigte. Großer Dank gebührt Herrn Axel Braun für die Anfertigung der beigelegten Karte. Besondere Anerkennung verdient die sachkundige Lektoratsarbeit von Herrn Arthur Isatzky, der wie die voraufgeschickten beiden Bände auch diesen dritten Band vorbildlich betreute. Dank schließlich gebührt dem Akademie-Verlag in Berlin mit seinem Druckhaus „Maxim Gorki" in Altenburg insgesamt, daß zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution das dreibändige Werk über die „Mainzer Republik" nunmehr vollständig vorgelegt werden kann. Heinrich Scheel

Darstellung

I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik

„Wir können noch mehr lebhafte Szenen herbekommen, wenn der Krieg ausbrechen sollte — ich ginge ums Leben nicht von hier — denk nur, wenn ich meinen Enkeln erzähle, wie ich eine Belagerung erlebt habe, wie man einem alten geistlichen Herrn die lange Nase abgeschnitten und die Demokraten sie auf öffentlichen Markt gebraten haben — wir sind doch in einem höchst interessanten politischen Zeitpunkt, und das gibt mir außer den klugen Sachen, die ich abends beim Teetisch höre, gewaltig viel zu denken, wenn ich allein, in meinem recht hübschen Zimmerchen in dem engen Gäßchen sitze und Halstücher ausnähe, wie ich eben tue." 1 Die das schrieb, war Caroline Böhmer, Tochter des angesehenen Göttinger Professors Michaelis, und sie schrieb es am 20. April 1792 aus Mainz an die Freundin Luise Gotter in Gotha. Die verwitwete Caroline, erst 28jährig, war Ende Februar mit ihrem kleinen Töchterchen nach Mainz gekommen, um den befreundeten Forsters nahe zu sein. Sie hatte sich in der Welschnonnengasse wohlfeil eingemietet, denn ihr Witwengehalt war schmal, und jeder Zuverdienst, den die Halstuchstickerei einbrachte, war willkommen. Jeder Abend sah sie in der nur um zwei, drei Ecken entfernten Neuen Universitätsstraße bei den Forsters und deren weltoffenem Freundeskreis. Die zitierte Briefstelle spiegelt die Wirkung der Französischen Revolution wie in einer winzigen Scherbe wider, die zwei kleine Besonderheiten auszeichnet: Zum ersten war es eine Briefschreiberin, die da so reflektierte, also weiblichen Geschlechts, dem nach den bisher geltenden Moralvorstellungen keinerlei intellektuelle Anteilnahme an den großen Weltereignissen zukam; zum anderen wurden diese Reflexionen in Mainz angestellt, das dem damaligen Zentrum des Weltgeschehens — zumal im möglichen Falle kriegerischer Auseinandersetzungen — gefährlich nahe lag. Beides spricht für die Intensität der Wirkung. Alle neuen Gedanken und aufregenden Tatbestände, die die Französische Revolution in Hülle und Fülle produzierte, boten sich der deutschen Gesellschaft ebenso aufdringlich wie eindringlich als Material für Reflexionen in allen Bereichen an und wollten verarbeitet werden. In keinem Falle war es nur die Französische Revolution an sich, die sie für deutsche Zeitgenossen so interessant machte; dahinter verbarg sich, wenngleich in sehr unterschiedlicher Weise, immer die zwingende Notwendigkeit, sich mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen. Die eigenen Nöte und Wünsche erhielten von dem Geschehen in Frankreich ein Licht, das sie transparenter machte und so vornehmlich im Denken, aber verschiedentlich auch im Handeln neue Wege zu beschreiten ermöglichte. Soweit es die gedankliche Verarbeitung anging, galt dies eindeutig für die bürgerliche Intelligenz, die in ihrer Mehrheit der mit dem Bastillesturm eroberten französischen 1

Damm, Begegnung mit Caroline, S. 143.

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Darstellung

Freiheit enthusiastischen Beifall zollte. Bis zu einem gewissen Grade begann auch die herrschende Feudalklasse immerhin zu ahnen, wie brüchig das Fundament geworden war, auf dem ihre tausendjährige Herrschaft ruhte; sie reagierte meist so, daß sie die Zügel fester anzog. Die werktätigen Massen in Stadt und Land schließlich, die die feudale Ordnung zu tragen hatten und ihren antifeudalen Klassenkampf zwar vielgestaltig, aber immer nur mit eng begrenzter Zielsetzung geführt hatten, erhielten durch das französische Beispiel Orientierungen, die sie in ihren eingeschränkten Lebensbereichen von sich aus nicht zu fixieren vermochten. Selbstverständlich erfolgte die Rezeption entsprechend der ideologischen Reife auf unterschiedlichstem Niveau und dem jeweiligen Klassenstandpunkt gemäß mit sehr divergierenden Konsequenzen. Die Häufung und damit auch Intensivierung der Klassenkämpfe seit 1789 war im Rheinischen unverkennbar. Die von Hoscher veröffentlichten „Beiträge zur neuesten Geschichte der Empörung deutscher Untertanen wider ihre Landesherrschaft" signalisierten diesen Tatbestand schon 1790 mit gelindem Erschrecken.2 Selbst wenn sich diese Unruhen von den voraufgegangenen in Methode und Zielsetzung zunächst nicht unterschieden, verriet bereits ihre Häufung die Wirkung des französischen Beispiels. Die Vorbildwirkung lag gleichsam auf der Hand, wo einzelne Losungen oder Symbole entlehnt wurden, was wiederum keineswegs heißen muß, daß es sich hier bereits um einen mehr oder weniger bewußten Versuch handelte, aus der feudalen Vorstellungswelt auszubrechen und den Klassenkampf auf höherer Stufe zu führen. Nichtsdestotrotz hat es unter besonders günstigen Voraussetzungen da und dort auch solche Erscheinungen gegeben. Die bürgerliche Geschichtsschreibung ist diesen Dingen nie ernsthaft nachgegangen, weil die Bourgeoisie — insbesondere in ihrem imperialistischen Stadium — schon immer außerordentlich empfindlich reagiert hat, wenn ihr der Ludergeruch der Revolution selbst aus den fernsten Zeiten in die Nase stieg. Um den Nachweis zu erbringen, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, unterzog sich beispielsweise Anfang der 20er Jahre ein Conrady der Mühe, „von Fall zu Fall" prüfen zu wollen, ob es sich „um spontane Regungen" handelte, die er als bodenständige deutsche Erscheinungen gelten lassen wollte, oder um gewissermaßen artfremden französischen Import.3 Die ganze Fragestellung war natürlich unsinnig, denn auch für Importe war ein aufnahmebereiter Boden Grundvoraussetzung. Immerhin konnten mit dieser Methode alle revolutionären Übel dem Erbfeind angelastet werden, während sich die braven Deutschen nur ein wenig regten. Für die bundesrepublikanische Gegenwart ist solch Nationalismus zumal dem NATOPartner Frankreich gegenüber selbstverständlich untauglich. Da jedoch die Notwendigkeit, Klassenkampf und Revolutionsbereitschaft zu bestreiten, nach wie vor gegeben ist, wird einerseits allen Reformen, Reförmchen und Reformversuchen von oben ein Stellenwert zugemessen, der jedes Aufbegehren von unten überflüssig erscheinen läßt, und werden zum anderen alle nicht zu leugnenden Unruhen als vornehmlich konservativ und restaurativ gedeutet. Als Repräsentant für diese Art Geschichtsklitterung heute kann Blanning gelten, der als Stipendiat des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz auf den unglückseligen Gedanken verfiel, die rheinischen Gebiete im ausgehenden

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Hoscher, Beiträge. Conrady, Rheinlande, S. 78. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß diese Arbeit 1922 bei T. H. W . Dietz Nachf. erscheinen konnte.

I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik

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18. Jahrhundert zu seinem Hauptgegenstand zu machen.4 Franz Dumont, den die bürgerliche Historiographie inzwischen zu dem Fachmann in Sachen Mainzer Republik erhoben hat, kann zwar um der ihm teuren Ausgewogenheit willen Blanning nicht einfach folgen, sondern muß mit vielen Einerseits und Andererseits operieren; im Endeffekt jedoch befindet er sich mit seinem englischen Kollegen im gleichen Boot.5 Innerhalb des Gebietes, auf dem sich Jahre später der Rheinisch-deutsche Freistaat konstituierte, wirkte das französische Beispiel zunächst dort am stärksten, wo die Berührung am engsten war. Es waren dies Landesteile, die dem französischen Elsaß und der Festung Landau, diesem von Reichsgebiet umgebenen Vorposten Frankreichs, nahe lagen. Im pfalz-zweibrückenschen Oberamt Bergzabern hatten die Bewohner der gleichnamigen Stadt über Beeinträchtigung von Stadtgerechtigkeiten und zusammen mit den umliegenden Gemeinden über Verletzung ihrer Waldrechte zu klagen. Nachdem der Schlossermeister Niesal, der sich noch als führender Kopf der entschieden revolutionär Gesinnten beweisen sollte, der Unzufriedenheit seit Ende August durch Unterschriftensammlungen ein organisiertes Gepräge gegeben hatte, wurde am 19. September das Rathaus besetzt, die Sturmglocke gezogen und zusammen mit den benachbarten Gemeinden die Beschwerdeliste diskutiert und formuliert.6 Es war kein Strohfeuer, das nur kurz aufloderte, sondern der Beginn einer über Jahre andauernden, sich radikalisierenden, auf kurpfälzische und reichsritterschaftliche Gebiete übergreifenden Opposition, die bis zu entschiedenen revolutionären Zielen vorstieß. In den zerstreuten Besitzungen des Fürstbischofs von Speyer bildete die Landstadt Deidesheim im Weinbaugebiet an der Haardt 1789 den Ausgangspunkt sich ausweitender Unruhen. Im September legten Deidesheim und Niederkirchen dem Fürsten in seiner Residenz zu Bruchsal eine lange Liste mit Forderungen vor, die von der Aufhebung der Leibeigenschaft, diverser Fronden und Abgaben bis zur Wiederherstellung alter Rechte gingen. 7 Die Zusage einer Prüfung der Forderungen befriedigte so wenig, daß von einem Massenmarsch auf Bruchsal die Rede ging, was den Fürstbischof wiederum veranlaßte, beim Reichshofrat Anfang Oktober ein kaiserliches Mahnschreiben mit der Drohung eines militärischen Einsatzes zu erwirken. 8 Diese Mahnung erregte die Gemüter mehr, als daß sie schreckte. Vielerorts wurde sie abgerissen, so auch im Oberamt Kirrweiler, wo Maikammer mit der Verweigerung des Weinzehnts den Anfang machte.9 Von hier griff die Unruhe auf die benachbarte gräfliche leyensche Herrschaft Burrweiler über, wo sich um den Kern von drei Winzern und einem Gerichtsschöffen ein oppositioneller Konventikel bildete, der auch auf andere leyensche Gemeinden Einfluß nahm.10 Im kurpfälzischen Neustadt an der Haardt verhinderten die Bürger die Getreideausfuhr, die das eigene Brot verteuerte, und im oberen Queichtal schlugen die Bauern für sich Holz in den herrschaftlichen Wäldern, das Holzmonopol des Grafen von Bretzenheim mißachtend, den sein kurfürstlicher illegitimer Vater in jeder Weise begünstigte. 11 4 5 6 7 8 9 10 11

Blanning, Reform and Revolution in Mainz; The French Revolution in Germany. Vgl. dazu die Rezensionen in DLZ, 97. J g . 1976, Sp. 1 4 7 - 1 5 3 , und ZfG, 32. J g . 1984, S. 9 1 2 - 9 1 4 . Dumont, Mainzer Republik. Vgl. dazu die Rezension in ZfG, 32. J g . 1984, S. 71—74. Remling I, S. 136 ff. WinkoppjHöck, Magazin, Bd. 2, S. 159 ff. Politisches Journal, J g . 1789, Bd. 2, S. 1449 f. Remling, Bischöfe zu Speyer, S. 746 f. Eid, Marianne von der Leyen, S. 251 f. Schrepfer, Pfalzbayerns Politik, S. 16 f.

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Darstellung

Im Oberamt Haßloch, in das sich der Kurpfälzer mit dem Fürsten von LeiningenHartenburg-Dachsburg teilte, traf im Oktober der von Mannheim zur Dämpfung der Unruhe abgesandte Regierungskommissar gerade ein, als sich die Bauern anschickten, ihren Amtmann gebunden auf einen Karren an die Grenze zu transportieren.12 Die ebenfalls im Oktober 1789 auftretenden Gärungen in mehreren leiningschen Ortschaften standen wahrscheinlich mit den anderen am Osthange der Haardt beobachteten Unruhen im Zusammenhang.13 Die unmittelbare Berührung mit dem revolutionären Frankreich war demnach schon keineswegs mehr unverzichtbare Bedingung, um aufgestaute Unzufriedenheit in rebellische Aktionen übergehen zu lassen. Wie durch Funkenflug konnten auch andernorts Empörungen ausgelöst werden. In Wörrstadt, in das sich drei Wild- und Rheingrafen teilten, regte es sich14 ebenso wie in Bingen, das dem Mainzer Domkapitel gehörte und über eine despotische Finauzverwaltung klagte, 15 oder wie im kurmainzischen Laubenheim, das sich einem Regierungsbefehl widersetzte.16 Besonders beunruhigend erschien allen zwischen Rhein, Nahe und Queich begüterten Feudalherrschaften die Stimmung im Kurpfälzischen, das hier nicht nur den größten Territorialbesitz hatte, sondern zugleich dank seiner Zersplitterung an unzählige andere größere und kleinste Territorien grenzte. Die Mannheimer Regierung unter Oberndorff sah ihre Aufgabe ausschließlich darin, als „Geldeintreiber des Herrn Kurfürsten" die Pfalz auszuplündern,17 so daß die Bevölkerung nun unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Frankreich vielerorts zu Selbsthilfeaktionen überging. In der Kreuznacher Gegend, wo pfälzische Beamte vor rebellierenden Bauern das Weite gesucht hatten, wurde die von Mannheim abgeordnete Untersuchungskommission mit der Begründung zur Umkehr gezwungen, „daß sie aus ebenso großen Spitzbuben als ihre Beamten" bestünde.18 In Kreuznach selbst stellten sich die Zünfte gegen den Magistrat, wobei sie zu einem förmlichen Kongreß zusammentraten, den jede Zunft mit drei Vertretern beschickte.19 Die Schmiede, die sich als Wortführer hervortaten und vom sogenannten Patriotismus am heftigsten ergriffen waren, regten darüber hinaus auch noch die Gründung einer klubartigen Vereinigung an, deren Mitglieder als Ausdruck ihrer Verbundenheit einen Hammer als Abzeichen trugen. Ein Mannheimer Brief vom 20. Februar 1790 berichtete: „Seitdem tragen daselbst Männer, Weiber, Kinder und Greise und selbst Personen von der Obrigkeit, wenn sie öffentlich erscheinen, einen Hammer zum Zeichen ihres Patriotismus." 20 Im Oberamt Oppenheim war die Opposition stark konfessionell gefärbt, weil — wie auch sonst in der Kurpfalz — die protestantische Bevölkerung unter dem Regiment katholischer Beamter zu leiden hatte.21 Das Holzmonopol des Bretzenheimers und die 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Politisches Journal, Jg. 1789, Bd. 2, S. 1229. Journal von und Jür Deutschland, 6. Jg., 1789, S. 531 ff. Kleinschmidt, Arenberg, Salm und Leyen, S. 132. Politisches Journal, Jg. 1789, Bd. 2, S. 1157. Ve%in, Politik des Mainzer Kurfürsten, S. 25. So Graf Lehrbach, kaiserlicher Gesandter in München, an Kaunitz, 18. 8. 1789, in: Brunner, Humor in der Diplomatie, S. 335. Hansen I, S. 522 Anm. Politisches Journal, Jg. 1789, Bd. 2, S. 1157. Ebenda, Jg. 1790, Bd. 1, S. 348. Springer, Franzosenherrschaft, S. 19.

I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik

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Getreideausfuhren führten in und um Kaiserslautern ebenso zu Übergriffen 22 wie im Oberamt Alzey, wo der Landschreiber es vorzog, nach Mannheim zu flüchten. 23 Hier ging schon das Gerücht, daß „eine Generalunion zwischen allen Oberamtsstädten im Werke" sei.24 Der oberrheinische Reichskreis war höchst beunruhigt und brachte vorbeugend beim Reichstag zu Regensburg den Vorschlag ein, „daß allgemein verboten würde, unrechtmäßige Handlungen der Untertanen gegen ihre Obrigkeiten in den Zeitungen anzuzeigen,... weil solche böse[n] Beispiele immer noch mehrere zum Bösen reizen".26 Mit Ausnahme der Unruhen im Gebiet um Bergzabern, das — zwischen Weißenburg und Landau gelegen — auf effektive französische Rückendeckung bauen konnte, kamen alle anderen Äußerungen des Klassenkampfes von unten nicht über den von der Feudalordnung abgesteckten Rahmen hinaus. Die extreme territoriale Zersplitterung, wie sie gerade für den Raum zwischen Rhein, Nahe und Queich charakteristisch war, hatte eine Vielzahl von Formen der feudalabsolutistischen Herrschaft, eine beträchtliche Differenzierung der objektiven und subjektiven Klassenkampfbedingungen und die unterschiedlichsten Stoßrichtungen der Unruhen im Gefolge, so daß das Aufbegehren insgesamt mittelpunktlos blieb. Infolgedessen war es den Feudalherren immer wieder möglich, durch Nachgiebigkeit da und festes Zugreifen dort auch gefährlich erscheinenden Situationen am Ende Herr zu werden. Es mangelte im Gesamtgebiet an der Klasse, die historisch berufen war, dem Aufbegehren der Werktätigen in Stadt und Land Weg und Ziel zu weisen, d. h. ihrem Klassenkampf einen eindeutig antifeudalen Charakter zu verleihen. Es fehlte die selbstbewußte Bourgeoisie, deren Interessen mit der Feudalordnung insgesamt und der feudalen Zersplitterung im besonderen nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Es gab wohl Manufakturansätze in einigen wenigen Städten, aber beileibe keine Bourgeoisie, denn selbst Frankenthals Manufakturen waren aus merkantilistischen Vorstellungen geborene feudalabsolutistische Kreationen, die vom Wohl und Wehe, von der Gunst und Mißgunst ihres Schöpfers abhingen. Daß solche Gründungen ä la longue dem Übergang zu einer modernen kapitalistischen Produktionsweise zugute kamen, bleibt dabei unbestritten, aber die Entwicklung eines selbstbewußten Bürgertums lag noch in weiter Ferne. Die beiden Reichsstädte in diesem Gebiet, Speyer und Worms, leisteten dazu auch keinen Beitrag. Sie hatten nur eine große Vergangenheit; ihre Gegenwart jedoch war eng und kleinlich. Das verödete Speyer blieb nahezu unbewegt; seine inneren Konflikte erschöpften sich in einem ständigen Kleinkrieg um diesen oder jenen Zipfel des ohnehin zu engen Wirtschaftsraums. Worms war seit Jahrhunderten verschuldet und seit Jahrzehnten faktisch bankrott; seine inneren Querelen beschäftigten das Reichskammergericht pausenlos. Mainz, mit seinen rund 25 000 Einwohnern die bei weitem größte Stadt im Gebiet des späteren Rheinisch-deutschen Freistaates, hatte im Gegensatz zu Speyer und Worms zwar ein Hinterland und nicht zuletzt dank der Universität auch einige Voraussetzungen für die Aufnahme moderner Ideen, aber als Residenzstadt eines zersplitterten geistlichen Kleinstaates kam sie der Entwicklung eines selbstbewußten Bürgertums ebensowenig entgegen. Das zünftlerisch organisierte Kleinbürgertum, das dem handel- und gewerbetreibenden Mainzer Bürgertum das Gesicht gab, konnte diese Führungskraft nicht sein, 22 23 24 25

Küchler, Kaiserslautern, S. 783. Brunner, Humor in der Diplomatie, S. 339. Politisches Journal, J g . 1789, Bd. 2, S. 1157. Journal von und für Deutschland, 6. J g . 1789, S. 533.

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Darstellung

weil es selbst einen integrierenden Teil der Feudalgesellschaft darstellte. Auch die im Großhandel zu einigem Vermögen gelangte Kaufmannschaft, die sich als besonders privilegierter Handelsstand von der Krämerzunft abgesondert hatte, war durch ihre Geschäfte und persönlichen Beziehungen der Feudalordnung noch so sehr verhaftet, daß sie keine eigenen politischen Ambitionen verfolgte. 26 Nur eine einzige gesellschaftliche Schicht existierte vor allem in Mainz, aber auch — wenngleich sehr viel schmaler — anderswo, die unter bestimmten Bedingungen partiell antifeudale Führungskräfte hervorbringen und entsprechende Funktionen übernehmen konnte: die aufgeklärte bürgerliche Intelligenz. Sie fand sich am zahlreichsten, jedoch nicht massenhaft, auf der Mainzer Universität; weniger häufig traf man sie in den Verwaltungen der kleinstaatlichen Territorien, aber sie reichte verschiedentlich eben doch vor allem über den Pfarrer, manchmal auch über den Arzt und sehr viel seltener über den gering geachteten Lehrer sogar bis in kleine Ortschaften hinab. Durchaus eindrucksvoll bewiesen beispielsweise Mainzer Studenten im Herbst 1789 ihre auf moderne philosophische Prinzipien gegründete selbstbewußte Geisteshaltung. Der kursächsische Gesandte Freiherr von Bünau hatte einen Tumult verursacht, als eine harmlose Studentenansammlung in einer engen Straße seiner Kutsche den Weg versperrte und er daraufhin die Durchfahrt mit Gewalt erzwingen wollte. Einer Beschwerde Bünaus folgten umfangreiche Verhöre, die nahezu 300 Blatt füllten27 und damit endeten, daß die fünf Rädelsführer zur Abbitte beim Gesandten und zwei von ihnen darüber hinaus noch zu Karzer und Arrest verurteilt wurden.28 Pasquille, deren das Prorektorat nicht Herr wurde, begleiteten die Strafaktion, und der ehemalige Student der Kameralistik Dittmeier, der Bünaus Kutscher die Peitsche entrissen hatte und nun im Arrest saß, erklärte in seiner Eingabe vom 12. Oktober: „Was mich veranlaßte, dem Kutscher die Peitsche aufzufangen, ist, weil ich glaube, daß das Recht der Selbstverteidigung mir gegen jeden — so hoch auch sein angewiesener Rang sein mag — erlaubt sei, und weil ich mich — ohngeachtet meines Arrestes — nicht überzeugen kann, daß es Fälle geben sollte, wo die Gesetze der Natur der Politik weichen müssen. Diese und ähnliche Grundsätze bewogen mich sogar, nicht allein als Kläger aufzutreten, sondern auch Genugtuung wegen der Mißhandlung zu fordern; statt dieser kündigte man mir einen Stadtarrest an .. ,"29 Dieses Selbstbewußtsein war allerdings noch keineswegs so geartet, daß es mit einer Volksverbundenheit einherging und bei einem Aufbegehren werktätiger Massen diesen zugute kam; im Gegenteil! Es waren nichtige Streitigkeiten beim Tanzvergnügen, bei denen Ende August 1790 Studenten und Handwerksgesellen als erbitterte Gegner aufeinanderstießen. Bei den Schlägereien in den Tagen zuvor waren mal die einen, mal die anderen obenauf, bis am 31. August einige hundert Gesellen die Universität stürmten, die Studenten hinausprügelten — wobei auch der Professor Niklas Vogt einige Stöße abbekam — und ihre Herrschaft über die Straße errichteten.30 „Es wurde kein Obrigkeit mehr gehöret, auch ist das Militär nicht gefürchtet worden von dene Handwerksbursch", wußte Brücken26

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Eine detaillierte Darstellung der territorialen, politischen und sozialökonomischen Verhältnisse im Raum zwischen Rhein, Nahe und Queich wird in der Einleitung zu MR II vorgelegt, so daß die hier gebotene knappe Skizze genügt. Vgl. M R I I , S. 17 — 55. HHStA Wien, MEA, Correspondenz, Fasz. 135a, fol. 5 6 8 - 6 2 0 . Ebenda, fol. 499 f. Ebenda, fol. 523. Berichte des Kurators Heddesdorf, des Vizedominus Bibra und des Stadtdirektors Heimes, 31. 8. 1790, in: HHStA Wien, MEA, Militaria, Fasz. 102b, unfoliiert.

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meister Bahl dem Mainzer Staatsrat Johannes von Müller zu berichten.31 Man war sich der eigenen Kraft bewußt geworden, ohne allerdings etwas rechtes damit anfangen zu können. Um so größeres Gewicht erhielten die äußeren Attribute dieses ungewohnten Zustandes; mit Kokarden geschmückt und geeignetem Handwerkszeug bewaffnet, durchzog man die Straßen: „Das Losungswort war: Patriot! Wer es nicht geben wollte, bekam Schläge." 32 Es waren am Ende die Zunftmeister, die die Situation zu nutzen versuchten, dem Aufruhr ein Ziel und damit auch klare Konturen gaben. Ihnen ging es um die volle Wiederherstellung von Zunftgerechtsamen, die durch die 1782 der städtischen Polizei zugeordnete Oberaufsicht beträchtlich eingeschränkt worden waren. Vizedominus Freiherr von Bibra kapitulierte am 2. September und versprach der auf dem Schloßplatz versammelten Menge nicht nur die Hebung der ultimativ vorgetragenen Beschwerden, sondern auch die Vergütung des Arbeitsausfalls für die vergangenen drei Tage. 33 Es kennzeichnet die aus der rückwärts gerichteten Zielstellung resultierende faktische Perspektivlosigkeit, daß sich der Jubel der Gesellen über den errungenen Sieg im Handumdrehen in eine Dankdemonstration verwandelte und man schon wieder brav seiner Arbeit nachging, als am 3. September das halbe Tausend Darmstädter Truppen zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in der Stadt eintraf. Ein Strafgericht trat an die Stelle der Erfüllung feierlich gegebener Versprechen. Forster war über die feige Wortbrüchigkeit der Regierung nach ausgestandener Gefahr empört, nahm sie aber zugleich auch als Ausdruck der Ratlosigkeit, die die herrschende Klasse bei der Verteidigung ihrer Position bewies: „Mit einem Wort, man hat wieder Mut, und man wird den Deutschen wohl zeigen, daß sie keine Franzosen sind. Die Art zu regieren geht denn, so lange sie gehen kann."84 Noch schärfer allerdings war Forsters Urteil über die Tumulte selbst, die er „ein bloßes Possenspiel" nannte, und ihre Träger, die Handwerksgesellen, die jetzt das Strafgericht widerstandslos über sich ergehen ließen „wie zahme Schafsköpfe und Esel, die sie sind".35 Bei aller Härte traf dieses Urteil präzise den schwachen Punkt der Mainzer Tumulte, die wohl die Brüchigkeit der alten Ordnung demonstrierten, aber keinerlei Alternative zu entwickeln vermochten. Ein ganz kleines Stück Einsicht in die Notwendigkeit, eine Führungskraft hervorzubringen, die den werktätigen Massen aus der Unmündigkeit heraushalf, so daß der bisherigen Art zu regieren ein Ende gesetzt werden konnte, schwang in diesem Urteil ebenfalls schon mit. Mehr allerdings wird man auch einem Forster nicht konzedieren können. Die aufgeklärte bürgerliche Intelligenz auf deutschem Boden verdankte es auch in Mainz ihrer kosmopolitischen Weltoffenheit, daß sie sich über die allgemeine sozialökonomische Zurückgebliebenheit und provinzielle Borniertheit erhob, sich ideologisch auf das die Universalgeschichte bestimmende Geschehen orientierte und so die Französische Revolution als gleichsam ideeller Teilnehmer erlebte. Sie fühlte 1789 mit der Revolution solidarisch und sich selbst durch sie in ihrem aufgeklärten Streben bestätigt. Was der Caroline Böhmer bei ihrer Halstuchstickerei im Welschnonnengäßchen in Erinnerung an den voraufgegangenen Teeabend bei den Forsters so durch den Kopf ging, spiegelte 31 32 33 31 35

Stdtbibl. Schaffhausen, Msc. Müller 150, Nr. 42 undatiert. Politisches Journal, Jg. 1790, Bd. 2, S. 1085. Bericht des Vizedominus Bibra an den Kurfürsten, 3.9. 1790. in: HHStA Wien, MEA, Militaría, Fasz. 102 b, unfoliiert. Forster an Heyne, 7. 9. 1790, in: Forsters Werke, 16. Bd., Nr. 63, S. 184. Forster an J. R. Forster, 18. 9. 1790, in: Ebenda, Nr. 69, S. 189f.

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exakt die Haltung der fortgeschrittenen aufgeklärten Intelligenz zwischen Landau und Bingen wider. Man war am Zeitgeschehen theoretisch außerordentlich interessiert, nahm eindeutig Partei für die Franzosen und träumte sogar von einem möglichen Ubergreifen der Revolution im Falle eines Krieges; aber es blieb beim luftigen Traum, der so wirklichkeitsfern schien, daß man sich ihn nur drollig vorzustellen vermochte. Man war und blieb interessierter Zuschauer und tat zunächst gar nichts, um zu gegebener Zeit auch Akteur werden zu können. In seinen im August und September 1792 niedergeschriebenen „Erinnerungen aus dem Jahr 1790" bezeichnete es Forster immer noch als „unschätzbares Glück" der Deutschen, „bei allen Auftritten jenseits des Rheins unbefangene, parteilose, gleichgültige Zuschauer, mithin desto ruhigere Beobachter bleiben zu können".36 Allerdings sorgten die Ereignisse, die zu reflektieren waren, in zunehmendem Maße selbst dafür, daß das Engagement aufgeklärter deutscher Intellektueller für die Französische Revolution — sofern es nicht preisgegeben wurde — an Unverbindlichkeit einbüßen mußte. Die Revolution in Frankreich vertiefte sich ständig, nicht zuletzt auch dank der zunehmend feindseligeren Haltung maßgeblicher deutscher Feudalmächte, die anfangs den französischen Substanzverlust im Konzert der Mächte — eine Folge der Konzentration auf das revolutionäre Geschehen im Innern — mit sehr unterschiedlichen Augen betrachteten. Wenn der Habsburger die Schwierigkeiten des allerchristlichen Königs, seines Schwagers, nutzen wollte, um die eigene Stellung in der europäischen Politik zu heben, so mußte ihm doch am französischen Bündnis zumindest so lange gelegen sein, wie der Friede mit der Türkei noch ausstand. Preußen wiederum erwartete von den innerfranzösischen Unruhen eine Aushöhlung des österreichisch-französischen Bündnisses von 1756, um Habsburg auf mannigfaltige Weise schwächen zu können. Dazu gehörte auch das Bemühen des preußischen Gesandten in Regensburg, sich den durch Dekret der Pariser Nationalversammlung vom 4. August 1789 im Elsaß-Lothringischen depossedierten deutschen Fürsten als tätiger Verteidiger ihrer Rechte darzustellen und auf diese Weise den preußischen Einfluß im Reich zu stärken. Mit dem Speyrer Bischof Limburg-Stirum an der Spitze, der verbissen um die Erhaltung auch des unbedeutendsten feudalen Privilegs zu streiten pflegte, reagierten auf den preußischen Zuspruch die vielen Kleinen mit entsprechenden Kreisschlüssen und ungezählten Promemorien. Doch steckte hinter diesem verbreiteten Lärmen weder Einigkeit noch Entschlossenheit. Da sich die Pariser Nationalversammlung zu Entschädigungen bereit zeigte, waren solche Einsprüche für manchen Depossedierten nicht mehr als eine Gelegenheit, seine Ansprüche zu formulieren und den Preis womöglich hochzutreiben. Das gilt beispielsweise für den Herzog von Pfalz-Zweibrücken, der zwar auch 1789 eine Reklamationsschrift aufgesetzt hatte,37 aber von französischen Pensionen derart abhängig war, daß ihm eine Entschädigung immer gelegen kam. Gewiß galt dies nicht für den Speyrer Stirum, der als geistlicher Fürst in der Preisgabe des kleinsten Privilegs den Anfang einer Säkularisierung erblickte und darum in immer aggressiverer Tonart einen eigenen Flugschriftenkrieg führte; eine fünfeinhalb Bogen starke „Feierliche Erklärung" vom 16. März 1791 beschimpfte in deutsch und französisch die Mitglieder der Nationalversammlung „als Baumeister eines aufrührerischen Systems, welches Frankreich verwüstet und welches man mit unbeschreiblicher Bosheit auf Europas ganzer Oberfläche zu verbreiten entschlossen ist".88 So laut der 36 37 38

Forster, Erinnerungen aus dem Jahr 1790, in: Ebenda, 8. Bd., S. 280. Politisches Journal, Jg. 1789, Bd. 2, S. 1167 f. Ebenda, Jg. 1791, Bd. 1, S. 414.

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kleine Stirum kläffte, so übervorsichtig bewegte sich der große Herr von Pfalz-Bayern mit Rücksicht auf seinen pfälzischen Besitz im Linksrheinischen; die Mannheimer Regierung verbot, die päpstliche Verurteilung der neuen Zivilverfassung des Klerus in Frankreich von den Kanzeln zu verlesen, und rüffelte den Heidelberger Landschreiber, weil er in einer Warnung an seine Schultheißen es als ein „Kriminalverbrechen" bezeichnet hatte, von der Revolution auch nur günstig zu reden.39 Der Lärm um die Depossedierungen brauchte Frankreich angesichts dieser widerstreitenden Interessen nicht zu beunruhigen, zumal Preußen zunächst eher ein Bündnis als einen Konflikt mit Frankreich für möglich hielt. Auch die erste Welle der Emigration beunruhigte noch niemanden. Sie spülte aristokratische Nichtstuer und politische Abenteurer über die Grenze, die weder eine achtbare zahlenmäßige Stärke erreichten noch über einflußreiche Beziehungen verfügten. Ludwig XVI. distanzierte sich von ihnen und setzte auf die Intervention der Könige. So brachte der Mainzer Kurfürst den ersten Emigranten auch nicht mehr als eine standesgemäße Höflichkeit entgegen.40 Das änderte sich 1791. Im März und April 1791 verdammte der Papst die Grundsätze der Revolution, insbesondere ihre bürgerliche Kirchenordnung und erzwang eine Kirchenspaltung. Fast der ganze hohe und die Hälfte des in seiner Masse bisher revolutionsfreundlichen niederen Klerus beugten sich der Autorität des Papstes. Das hatte einen Religionskrieg zur Folge, der das Volk nicht unbeteiligt ließ und der Konterrevolution eine Massenbasis zu verschaffen drohte. Die Emigrationswelle stieg steil an und erreichte ihren Höhepunkt nach dem mißglückten Fluchtversuch Ludwigs XVI. im Juni 1791, auf den die Nationalversammlung selbstverständlich verschärfte Maßnahmen gegen Aristokraten und eidverweigernde Priester folgen ließ. Das Offizierskorps desertierte in Scharen und ließ sich vorzugsweise am Rhein nieder, während der Klerus meist nach England floh, die vornehme Welt außer London besonders Brüssel und Spa bevölkerte und die Minderbegüterten nach Lausanne gingen. Koblenz, Mainz und Worms wurden die Stützpunkte der militärischen Emigration, die auch sogleich ihrem Metier gemäß daranging, eine militärische konterrevolutionäre Intervention vorzubereiten. Schon am 19. Mai 1791 wußte eine Meldung aus Frankfurt zu berichten: „Die diesseitigen friedlichen Gegenden am Rheine haben seit einiger Zeit ein ganz kriegerisches Ansehn durch die Anstalten bekommen, die von den ausgewanderten französischen Großen sehr tätig betrieben werden und in Verbindung mit andern günstigen Umständen mit der Zeit sehr viel Merkwürdiges erwarten lassen."41 Gewiß hat der Trierer Kurfürst dem Mainzer bei der Begünstigung der Emigranten den Rang abgelaufen, denn der Name Koblenz wurde in Frankreich zum Synonym für die blutrünstige Konterrevolution, die von außen drohte. Doch der Mainzer blieb auch nicht untätig. Als der Prinz von Condé schon Anfang Februar 1791 um eine Aufenthaltserlaubnis bei ihm einkam, pries sich Erthal glücklich, durch solche Anfrage seine Teilnahme am Schicksal des Königs und der Prinzen des Hauses Bourbon anerkannt zu sehen: «Rien ne peut m'être plus agréable que de savoir Votre Altesse dans le voisinage; et si elle préféré le séjour de la ville de Worms à celui de Mayence je lui offre de bien bon cœur la maison, que j'ai dans cette ville.»42 Der Wormser Rat machte zwar den Prinzen darauf aufmerksam, daß der Kurmainzer auch als Bischof von Worms nicht über die 39 40 41 12

Häusser, Rheinische Pfalz, S. 980. Ve%in, Politik des Mainzer Kurfürsten, S. 35. Politisches Journal, Jg. 1791, Bd. 1, S. 558f. Erthal an Cond6, 13. 2. 1791, in: HHStA Wien, MEA, Militaria, Fasz. 113, unfoliiert.

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freie Reichsstadt verfügen konnte,43 aber stimmte schließlich doch dem Aufenthalt in seinen Mauern zu. Mainzer Druck, konterrevolutionäre Sympathien des patrizischen Rates und die Aussicht auf eine zahlungsfähige neue Kundschaft, die zusätzliche Verdienstmöglichkeiten eröffnete, waren dabei am Werke. Für Conde hatte Worms den Vorzug, Werber aus aller Herren Länder zu beherbergen, so daß seine Werbungen für eine Emigrantenarmee nicht so ins Auge fielen. Nachdem Conde samt Sohn, Enkel und Gefolge Ende Februar in Mainz Erthal das erhebende Gefühl vermittelt hatten, Umgang mit Prinzen von Geblüt zu haben und in der großen Politik mitzuspielen,44 wurde der Kurierverkehr zwischen Worms und Mainz zu einer ständigen Erscheinung. Dem Grafen von Artois bereitete der Mainzer am 12. Juni einen Empfang wie einem gekrönten Haupt.45 Nach dem Frieden von Sistowa erwartete er nun vom Kaiser in Pillnitz die Verabredung wirksamer Maßregeln, „wodurch auch im Okzidente endlich einmal wieder Ordnung und dauerhafte Ruhe hergestellt werde", getragen von dem aufrichtigen Wunsche, „etwas zur Ausführung dieser löblichen Absichten beitragen zu können".46 Kein anderer Feudaler am Rhein zwischen Nahe und Queich hatte sich so wie Erthal, Kurerzbischof von Mainz und Bischof von Worms, 1791 in die Emigrantenumtriebe verstrickt. Selbst der Dreizehnerrat von Worms ließ nie alle Vorsicht außer acht, wie selbst aus Böhmers Bericht über jene 36 Stunden um den 24. November 1791 hervorgeht, als die gesamte Emigration am Rhein auf das irrige Gerücht hin von einer gelungenen Flucht des französischen Königs Freudenfeste feierte.47 Bei 30 Gulden Strafe wurde der Wormser Zeitung jede Art Mitteilung über die Festlichkeiten verboten. Dagegen verteidigte der Kurpfälzer seine Neutralitätspolitik gegen alle Anfechtungen auch in der Emigrantenfrage kompromißlos. Er duldete in seinem Gebiet keine Werbung und vermied alles, was einen gegenteiligen Eindruck erwecken konnte. So erlaubte er weder den 27 Offizieren den Aufenthalt in Mannheim, die sich im April vor den eigenen Soldaten des Regiments Lyonnais über die Grenze gerettet hatten, noch dem Grafen von Artois im Juni 1791.48 Ganz zweifellos hat diese neutralistische Politik des Kurpfälzers auch dazu beigetragen, eine solche Mißstimmung in der Bevölkerung zu vermeiden, wie sie dem Kurmainzer zu schaffen machte. Schon Anfang März schrieb der kaiserliche Gesandte in Mainz, Graf Schlick, nach Wien: „Die Erscheinung des Prinzen hat zwar die Aufmerksamkeit hiesiger Politiker ganz auf Frankreichs Schicksal gezogen, dabei aber auch sowohl bei dem Volk als auch andern Leuten die vor ihrer Ankunft schon aufkeimende Unzufriedenheit durch ihr dermaliges Dasein um vieles vermehrt." 49 Die gleiche Beobachtung machte der reisende Däne Sneedorf: „In jedem Gasthof, wohin ich komme, klagt man über die Franzosen."50 Zunächst und vor allem drückten materielle Folgeerscheinungen, denn die ungebetenen Gäste trieben die Preise hoch: „Alles ist hier jetzt teurer als voriges Jahr zur Zeit der Kaiserwahl und -krönung", schrieb Forster Anfang November 43 44 45 46 47 48 49 50

Rat der Stadt Worms an Conde, 16. 2. 1791, in: Ebenda. Hansen I, S. 780. Ebenda, S. 858. Erthal an Colloredo, 29. 8. 1791, in: HHStA Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 3, unfoliiert. MRI, S. 2 7 5 - 2 8 7 . Hansen I, S. 818, 852 Anm. 1. Ebenda, S. 780. Sneedorf, Briefe eines reisenden Dänen, S. 94.

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1791; „das ist der ganze Vorteil, dessen wir uns von den Flüchtlingen zu versehen haben."51 Dann fürchtete man, daß die Parteinahme für die Emigranten dem Lande den Krieg auf den Hals ziehen könnte. Der Frühmesser Philipp Scherer aus Winkel im Rheingau schrieb darüber in seiner Chronik: „Daß unser Kurfürst Karl Friedrich Joseph von Erthal, der gern schön getan hatte und der gern selbst groß tat, durch viele Traktamente, so er den ausgewanderten Franzosen gab, die Landesschulden vermehrt hat, ist leicht zu gedenken. Die Untertanen waren freilich darüber ungehalten, noch mehr aber darum, weil sie befürchteten, daß das Mainzer Land, wenn die französischen) Patrioten Gelegenheit fänden, in Deutschland einzufallen, darunter leiden müßte. Die Mainzer Bürger nahmen gar kein Blatt vors Maul und räsonierten über den Kurfürsten ohne Scheu, daß es ein Spott und eine Schande war." 82 Schließlich taten die Emigranten selbst ein übriges und sorgten durch ihr arrogant aristokratisches Auftreten dafür, daß die Abneigung der Bevölkerung dem revolutionärem Frankreich zugute kam, das sich von diesem Gelichter befreit hatte. Rückblickend faßte Eickemeyer die Situation im Mainzischen folgendermaßen zusammen : „Die Sittenlosigkeit, der Stolz und die Frechheit dieser Fremdlinge, die Auszeichnung, mit der man sie behandelte, waren für das Volk empörend und vermehrten seine Abneigung gegen einen Fürsten, der, wenig um das Wohl seiner Untertanen bekümmert, bloß mit seinen Lieblingsplänen beschäftigt, dabei von Günstlingen und Favoritinnen gegängelt, sein Land dem Verderben immer näher führte." 53 Wenn daraus auch noch kein revolutionärer Wille sprach, so war doch unstreitig eine stärkere Polarisierung der Kräfte eingetreten. Die von der aristokratischen Emigration entwickelten Aktivitäten hatten darüber hinaus indirekte Folgen, die ihren Absichten letztlich ebenso wirkungsvoll entgegenarbeiteten. In dem Bestreben, die deutschen Feudalstaaten um ihres eigenen Überlebens willen von der Notwendigkeit eines Krieges gegen das revolutionäre Frankreich zu überzeugen, hatte die Konterrevolution bereits Mitte 1790 die Mär von der Existenz eines Propagandaklubs in die Welt gesetzt, der von Paris aus weltweit den Umsturz vorbereitete. Die zwei Bogen starke Schrift «Dénonciation à toutes les puisances de l'Empire d'un plan de conjuration contre sa tranquillité générale, suivie d'un discours prononcé au Club de la Propagande» brachte Einzelheiten : Gestützt auf eine angeblich am 12. Juni 1790 beglaubigte Abschrift der angeblichen Statuten und den angeblichen Wortlaut einer angeblich am 21. Mai gehaltenen Rede, wurde hier detailliert mitgeteilt, wie der 600 bis 666 Mitglieder zählende und zur Erfüllung unterschiedlicher Aufgaben in 6 Sektionen untergliederte Propagandaklub die Revolutionierung Europas systematisch betreibe.54 Der Verbreitung dieser Mär kam natürlich zugute, daß das französiche Beispiel als solches objektiv propagandistische Wirkungen zeitigte, wenngleich sich dahinter keinerlei bewußte Absicht verbarg. Auch eine solche Mitteilung wie die des Speyrer Fürsten an den Mainzer vom Mai 1790, wonach „einige in der französischen Nationalgarde wirklich gediente deutsche Untertanen" am Rhein revolutionäre Grundsätze verbreitet hätten,65 bestätigte lediglich die simple Tatsache, daß es im Elsaß angesichts der verForster an Heyne, 1. 11. 1791, in: Forsters Werke, 16. Bd., Nr. 203, S. 363. Scberer, Chronikalische Aufzeichnungen, S. 21. 53 Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 102f. 54 Hansen I, S. 638 ff. ;'5 Schreiber, Französische Ausweisungspolitik, S. 11 Anm. 1. 51 52

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worrenen staatsrechtlichen Verhältnisse, der gemeinsamen deutschen Sprache und des natürlichen nachbarschaftlichen Verkehrs für die Menschen dort keine klar gezogenen und unübersteigbaren Grenzen gab. Auch die Straßburger Presse tat zunächst nichts anderes als zuvor, nämlich das Lesebedürfnis der näheren und ferneren deutschsprachigen Umgebung zu befriedigen. Natürlich hatte sich der Inhalt dessen, was mitteilenswert schien, gewandelt; der Titel des seit 1790 von Johann Friedrich Simon zusammen mit seinem Schwager Andreas Meyer herausgegebenen Wochenblattes „Geschichte der gegenwärtigen Zeit" sagt es. Der revolutionäre Kosmopolitismus, der zweifelsfrei dabei mitschwang, war zunächst rein theoretischer Natur und ausgesprochen pazifistisch geartet. Selbst ein solch extremer Außenseiter wie Cloots befand sich in völliger Übereinstimmung mit der Nationalversammlung, als sie am 22. Mai 1790 den Verzicht auf Eroberungen deklarierte. Bis Varennes im Juni und Pillnitz im August 1791 hat es keine auf eine Revolutionierung fremder Länder abzielende französische Propaganda gegeben.56 Als ein historischer Tatbestand ist darum zunächst festzuhalten, daß die verlogenen propagandistischen Bemühungen der Konterrevolution, eine Föderation der Könige gegen das französische Volk zustande zu bringen, eindeutig den revolutionären propagandistischen Bestrebungen voraufgingen, sich im Kampf gegen die Könige mit den Völkern zu verbünden. Eine gezielte revolutionäre Propaganda über Frankreichs Grenzen hinaus setzte erst ein, nachdem die propagandistischen, diplomatischen und militärischen Aktivitäten der Emigranten beunruhigende Ergebnisse zu zeitigen begannen. Den Auftakt gab der Deutsche Karl von Clauer, der — den Mitteilungen des Publizisten Archenholz zufolge — im Frühling 1791 in Straßburg eintraf, nachdem er zuvor als Advokat in Dresden, Prag und Berlin praktiziert hatte.57 Er brachte anonym als „Extrabeilage zur Geschichte der gegenwärtigen Zeit" vom 19. Juni 1791 eine dreieinhalb Bogen starke Flugschrift heraus, die er „Der Kreuzzug gegen die Franken" nannte.58 Die Schrift warnte vor den Umtrieben der Emigranten schlechthin und vor der konterrevolutionären Propaganda im besonderen, die das revolutionäre Frankreich zur Anwendung vergleichbarer Kampfmittel provozieren könnte. Drei Tage vor Varennes, also in Unkenntnis der beabsichtigten Flucht Ludwigs XVI., konnte Clauer die Grundthese der Emigranten, daß all ihr Tun der monarchischen Idee diente, mit gutem Grund noch rundherum bestreiten: „Was sie die Sache der Könige nennen — das ist ihre eigene Sache."59 Hartnäckig fragte er nach Beweisen für die behauptete Existenz von Emissären der Propaganda, legte den Finger auf die nachweisbare revolutionsfeindliche Propaganda in deutschen Blättern und schlußfolgerte zwingend: „Aber wenn Ihr derartige Mittel gegen die Franken gebraucht oder doch begünstigt, wenn Ihr sie mit einem innerlichen Kriege bedrohet, so dürft Ihr Euch auch nicht wundern, wenn sie Euch das Übel, welches Ihr ihnen bereitet, zurückzugeben suchen, .. ."60 Er argumentierte hieb- und stichfest gegen die fürstlichen Ansprüche auf Feudal- und Diözesanrechte im Elsaß und warnte vor einem Kriege, der die Franzosen zwänge, „ihr politisches Glaubensbekenntnis mit dem Schwerte in der Hand auszubreiten". 61 56 57 58 59 60 81

Mathieu, La Révolution et les Étrangers, S. 59. Engels, Karl Clauer, S. 102 f. Clauer, Kreuzzug. Ebenda, S. 10 f. Ebenda, S. 25. Ebenda, S. 47.

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Der den Fürsten gegebene abschließende gute Rat, nicht an den Dingen zu rühren, da die Zerstückelung des Reichs, der Mangel eines hauptstädtischen Mittelpunktes und die Zurückgebliebenheit der Bürger und Bauern die besten Stützen der Fürstenherrschaft darstellten, hatte gewiß seine Berechtigung, aber war zugleich auch ein vernichtendes Urteil. Zudem verzichtete Clauer bei dieser Gelegenheit nicht auf die Skizzierung der revolutionären Alternative: „Die Bauernkriege des 16. Jahrhunderts und die obgleich vorübergehenden leichten Volksbewegungen unserer Zeiten in Sachsen, am Rhein, in Westfalen, in Schwaben sind Warnungen, die man nicht verachten darf, sind Zeichen eines überall zerstreueten brennbaren Stoffs, der sich leicht entzünden kann, wenn Verzweiflung von innen ihn erhitzen und ein Krieg mit den Franken von außen wie ein Windstoß das verborgene Feuer zur Flamme aufblasen wird." 62 Clauers Flugschrift wurde am Rhein zu einer wahrhaften Sensation. Der preußische Gesandte in Mainz, Freiher von Stein, von Aufklärungs- und Illuminaten-Furcht besessen, bezeichnete die Flugschrift als «la pièce la plus envénimée qu'il soit possible, contre tout ce qui peut être appelé constitutions et droits».63 Männer wie Forster dagegen solidarisierten sich mit ihr und empfahlen ihre Lektüre. 64 Schon 1791 wurden Neuauflagen der Flugschrift notwendig, die in der Regel dabei eine Erweiterung erfuhr und darin das wahr machte, wovon die erste Auflage noch warnend als Möglichkeit gesprochen hatte : „Nebst einem Sendschreiben an alle benachbarte Völker Frankreichs zum allgemeinen Aufstand" hieß es im Titel einer Nachauflage aus dem Jahre 1791.65 1792 kam Clauers Schrift mit neuen Beifügungen abermals heraus, so daß sie in der propagandistischen Literatur eindeutig die Spitze hielt. Dennoch gesellten sich bald andere hinzu. Das von Straßburg und Landau aus im August 1791 verbreitete und mindestens zweimal aufgelegte Flugblatt „Letzter Ruf der freigewordenen Franken an die unterdrückten Deutschen" verlangte für den Kriegsfall, daß die Deutschen zusammen mit den Franzosen die eigene Freiheit erkämpften; andernfalls durften sie keinerlei Schonung erwarten.66 In 20000 Exemplaren soll die in Straßburg Mitte Juli herausgebrachte und sechs Blatt starke Schrift verbreitet worden sein: „Allgemeiner Aufstand oder vertrauliches Sendschreiben an die benachbarten Völker, um sie zu einer heiligen und heilsamen Empörung aufzumuntern". 67 Schon Anfang August 1791 hielt es Graf Schlick in Mainz „bei dem Schwärm von derlei aufrührerischen Schriften, womit man heutzutage ordentlich überschwemmt wird", für wenig sinnvoll, in seinen Berichten nach Wien einzelne Druckerzeugnisse besonders anzuzeigen.68 Lange bevor mit der üblichen Langsamkeit endlich am 3. Dezember 1791 das vom Reichstag bereits im August geforderte kaiserliche Dekret erging, das alle Reichskreise zu wirksamen Maßregeln gegen die Verbreitung aufrührerischer Schriften veranlassen sollte,69 hatte man natürlich schon überall zwischen Rhein und Nahe auf unterer Ebene entsprechende Versuche unternommen. Sehr erfolgreich waren sie allerdings nicht.

62 63 61 65 66 67 6S 69

Ebenda, S. 54. Hansen I, S. 915. Forster an Heyne, 25. 7. 1791, in: Forsters Werke, 16. Bd., Nr. 170, S. 320. Engels, Karl Clauer, S. 118. Das Sendschreiben ist von Engels in vollem Wortlaut im Anhang zu seinem Beitrag wiedergegeben; vgl. ebenda, S. 126 — 144. Hansen I, S. 951 Anm. 3. Boos, Rheinische Städtekultur, 4. Teil, S. 568. Vgl. auch Bahl an J. v. Müller, 14. 10. 1791, in: Stdtbibl. Schaffhausen, Msc. Müller 150, Nr. 32. Hansen I, S. 890 Anm. 3. Ebenda, S. 1049f.

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Der Mainzer Vizedominus Freiherr von Bibra empfand sehr deutlich die Enge des Bewegungsraumes, der den Machtorganen der alten Ordnung unter den gegebenen Umständen verblieb. In einem Bericht, der Anfang August eine Häufung von Streithändeln zwischen Militär und Bevölkerung feststellen mußte, nannte er wohl „eine bloße Spannung zwischen diesen beiden Klassen ... erwünschlich, maßen bei itzigen kritischen Zeiten jede genaue Einig- und Verträglichkeit zwischen Bürger und Soldaten wahrlich bedenklich ist. Da aber diese Spannung in eine allgemeine Verbitterung ausarten zu wollen scheint, so muß dem Übel in Zeiten ein fester Damm vorgesetzt werden, ehe solches unheilbar wird." 70 Die Beobachtungen des Brückenmeisters und Oberzollinspektors Johannes Bahl, der in Mainz als Hauswirt des Staatsrats von Müller Zugang zu diesem als Privatmann hatte und umgekehrt von diesem auch als vox populi — das heißt in diesem Falle als Stimme des durch Amt und Vermögen privilegierten Bürgertums — gehört wurde, können als repräsentativ gelten und haben zudem den Vorzug der Unmittelbarkeit. Bahl hat Müller, seinem „aller liebsten Herrn Geheimte rath", in der Zeit von Mitte 1790 bis Mitte 1792 einige Dutzend Briefe geschrieben, die in eigener Orthographie alles enthielten, was sein Herz bewegte. Seine Mitteilungen machen das eine ganz deutlich, daß nämlich in der werktätigen Bevölkerung die mündliche Verbreitung der revolutionären Propaganda eine ungleich größere Rolle spielte als Flugblatt oder gar Traktat. Der Verbreiter mußte gar nicht unbedingt ein Verfechter der revolutionären Sache sein, und die Mitteilung brauchte auch nicht in vollem Umfange den Tatsachen zu entsprechen, denn das Gerücht tat es auch und oftmals besser, weil es dem Vorstellungsvermögen des Volkes genauer angepaßt war. Mitte August 1791 schrieb Bahl von dem Gerücht, wie es „unter einer gewissen Gattung Menschen, die so mitregieren wollen", umging: „Es würde kein Jahr mehr hier dauern, so müßte der Adel und die Geistlichkeit bürgerliche Lasten mittragen." 71 Ende des Monats wetterte er gegen die Gerüchtemacher, die „bald aussprengen, im Spessart seie schon wirklich Revoit, und Seine Kurfürstliche Gnaden hätten sich in ein Kloster müssen flüchten, bald sagen sie, der Kurfürst von Köln hätte sich eilend in das Münsterland müssen begeben, indem alldorten schon alles revoltierte usw." 72 Vom geheimen Zirkulieren des „Allgemeinen Aufstands" in Mainz wußte Bahl Mitte Oktober zu berichten: „Besagte Schrift gibt einer dem anderen, aber alles in Vertrauen, und dann können sie doch nicht länger schweigen, als man einen Finger im Feuer hält."73 Die mündliche Übermittlung vervielfachte die Wirkung des gedruckten Materials und informierte dann offensichtlich nicht weniger exakt; denn Bahl erzählte, daß die von einer Straßburger Zeitung gegen die Geistlichkeit, den Kurfürsten und die Frau von Coudenhoven ausgestoßenen Verleumdungen in aller Munde wären, und schloß: „Ich habe die Zeitung nicht gelesen, man hatte mir aber alles daraus erzählt."74 Es war natürlich nicht das Ergebnis einer gründlichen Stimmungsanalyse, wenn Reubell aus Colmar im Namen der Departements Verwaltung Haut-Rhin am 4. Dezember 1791 der Nationalversammlung, die ein sofortiges militärisches Vorgehen gegen die Emigrantenzentren am Rhein verlangte, die Auskunft gab : «Le peuple y est entièrement p o u r 70

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Bericht Bibras an den Kurfürsten, 2. 8. 1791, in: HHStA Wien, MEA, Militaria, Fasz. 102b, unfoliiert. Bahl an J. v. Müller, 12. 8. 1791, in: Stdtbibl. Schaffhausen, Msc. Müller 150, Nr. 27. Bahl an J. v. Müller, 31. 8. 1791, in: Ebenda, Nr. 30. Bahl an J. v. Müller, 14. 10. 1791, in: Ebenda, Nr. 32. Bahl an 1. v. Müller. 6. 11. 1791, in: Ebenda, Nr. 33.

I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik

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nous.. .»75 Was er mit dieser Feststellung bezweckte, war die Übernahme der Propagandathese vom gemeinsamen Interesse der Völker in eine verbindliche Proklamation, die die militärische Aktion lediglich begleiten und unterstützen sollte. Daß eine solche offizielle Verlautbarung nicht ohne Wirkung geblieben wäre, duldete nach den bisherigen Erfahrungen keinen Zweifel; daß schon die Möglichkeit einer solchen Verlautbarung insbesondere die Schutzpatrone der konterrevolutionären Emigration beunruhigte, ist ebenso gewiß. Diese Furcht wurde um so größer, als trotz Padua — am 6. Juli 1791 hatte der Kaiser von dort aus ein Rundschreiben an alle Souveräne ergehen lassen, sich der Sache Ludwigs XVI. anzunehmen — und trotz Pillnitz — am 27. August hatten Österreich und Preußen hier alle europäischen Mächte zur Wiederherstellung der monarchischen Ordnung in Frankreich aufgerufen, aber ihre eigene tätige Anteilnahme dabei wiederum von der aller anderen abhängig gemacht — eine Rückendeckung durch Leopold II. oder auch Friedrich Wilhelm II. ausblieb. Es erübrigt sich in diesem Zusammenhang, die widerstreitenden Interessen wie beispielsweise das Gerangel der drei großen Feudalmächte um die polnische Beute zu verfolgen, die jedes gemeinsame Vorgehen im Westen von vornherein unmöglich machten. Es genügt hier die generalisierende Feststellung Mehrings, der an dieser Erscheinung — negativ adäquat der revolutionären Höhe, die Frankreich erklomm — die Tiefe des reaktionären Verfalls der herrschenden Klassen dieser Feudalstaaten maß : „Sie besitzen nicht mehr die intellektuellen und moralischen Kräfte, um einen großen Prinzipienkampf mit derjenigen Ausdauer und Energie, mit derjenigen Disziplin und Opferfähigkeit zu führen, die ihnen allein den Sieg verbürgen könnten. Sie sind viel zu sehr daran gewöhnt, ihre engsten Interessen in kurzsichtigster Weise zu verfolgen, als daß sie einem gemeinsamen Interesse auch nur das Geringste opfern möchten."76 Mochte der Mainzer den Abmahnungen des kaiserlichen Gesandten Graf Schlick noch immer nur widerwillig Gehör schenken,77 so änderte sich das ziemlich schlagartig, als ihm deutlich gemacht wurde, daß es Frankreich ernst war. Am 20. Oktober hatte Brissot in der gesetzgebenden Versammlung gegen die Emigranten und ihre fürstlichen Gönner auf deutschem Boden vom Leder gezogen; die Aussprache endete mit der Annahme von Dekreten, die die Emigranten bei Strafandrohung zur Rückkehr aufforderten. Forster gehörte damals noch zu den wenigen, die dem die gebührende Aufmerksamkeit schenkten: „Die neue Nationalversammlung bekommt allmählich mehr Energie. Es entsteht mehr Reibung, die allein Wärme geben kann. Der Unsinn der Contre-révolutionnaires ist indessen unglaublich! Sie vermehren sich noch immer, glauben noch immer, etwas ausrichten zu können, und insultieren in einem fort die Deutschen, die ihnen Hospitalität erweisen." 78 Vier Wochen später beschäftigte sich die Legislative schon nicht mehr mit den Emigranten, sondern nur noch mit den deutschen Fürsten, die sie unterstützten: «Il s'agit de demander au roi de parler d'une manière impérieuse à ces petits princes d'Outre-Rhin, qui ont la hardiesse téméraire de favoriser des rebelles. ... Disons à l'Europe que, si les cabinets engagent les rois dans une guerre contre les peuples, nous engagerons les peuples dans une guerre contre les rois,» erklärte der Deputierte Isnard.79 Sagnac, Le Rhin français, S. 58. Mehring, Jena und Tilsit, S. 58. " Hansen I, S. 977ff., 1002ff., 1025ff. 78 Forster an Heyne, 1. 11. 1791, in: Forsters Werke, 16. Bd., Nr. 203, S. 363. 7S Hansen I, S. 1046 Anm. 75 76

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Eine Deputation wurde noch am selben 29. November beim König vorstellig, um ihn zu einem ultimativen Vorgehen zu veranlassen, wobei der Trierer, der Mainzer und der Speyrer namentlich genannt wurden. Forster billigte ein solches Auftreten uneingeschränkt: „Frankreich scheint endlich die Maßregel zu ergreifen, die es einzig retten kann vom Bankerott, es will nicht länger umsonst alle seine Kräfte und Schätze aufwenden in der Ungewißheit, ob es angegriffen werde oder nicht. Wenn die Flüchtlinge nicht sogleich von den kleinen Fürsten an der Grenze ihr consilium abeundi erhalten, so können wir eines Angriffs von Frankreich gewärtig sein; denn zu deutlich sieht man in Frankreich ein, daß die Politik der großen Höfe Zögerung ist und Erhaltung der Unruhen und Besorgnisse und Verschwendung der Nationalschätze auf die Verteidigungsanstalten längs der Grenze."80 Obwohl Ludwig XVI. das geforderte Ultimatum nur an den Trierer adressiert hatte, erklärte auch Erthal dem Prinzen Conde bei dessen Durchreise am 25. Dezember von Koblenz nach Worms, daß „er samt seinem Anhange das Wormser Gebiet in Bälde verlassen möge, welches Seine Kurfürstliche Gnaden ebenfalls auf die Hauptstadt und die übrigen mainzischen Lande erstrecken müßten, da sie ihm wegen eintretender ähnlicher Gefahr auch alldort keine Zuflucht gestatten könnten". 81 Der Wormser Dreizehner-Rat beeilte sich ebenso wie der Speyrer Fürstbischof, Paris von ähnlichen Entscheidungen ihrerseits zu unterrichten. „Die Chancen für einen reibungslosen Kreuzzug der internationalen Konterrevolution standen demnach an der Jahreswende 1791/92 schlecht, und der bedachte Kaiser verhehlte sich nicht, daß diesmal der erste, der ihn wagte, Gefahr lief, von den Hunden gebissen zu werden." 82 Das änderte sich dann allerdings in den nächsten Monaten des Jahres 1792. Dem vorsichtig taktierenden Leopold, der aber immerhin schon im Februar eine Allianz mit Preußen geschlossen hatte, folgte am 1. März Franz II., mit dem Österreich nach innen wie außen zu ungehemmten konterrevolutionären Aktivitäten überging. Preußen begann, den patriotischen Aufschwung der Polen, mit ihrer Maiverfassung vor Augen, die Wirksamkeit des französischen Beispiels in unmittelbarer Nachbarschaft zu fürchten. Der vom Papst initiierte Kirchenkampf war in vollem Gange. Ludwigs XVI. und seiner Österreicherin Hilferufe nach einer rettenden Intervention wurden auch immer dringender. Der militärische Beitrag der adligen Emigration war zwar ohne jeden Belang, aber um so mehr tat sie für die Förderung der Kriegsbereitschaft mit der von ihr in die Welt gesetzten Vorstellung, daß der Marsch nach Paris nur ein Spaziergang wäre. Forster schrieb im April seinem Schwiegervater: „Sie werden wohl bald aus unsern Pflugscharen Säbelklingen machen, denn nun spricht man von Tag zu Tag gegen Frankreich eine vernehmlichere und trotzigere Sprache."83 Was sich hier zusammentat, um zwar nicht sofort, aber doch zu gegebener Zeit in die innerfranzösischen Verhältnisse einzugreifen, war ein Torso des einst in Padua von Leopold geforderten konterrevolutionären Konzerts der Mächte. England hielt sich noch zurück, und Katharina von Rußland blies nur kräftig in die Glut, um Wien und Berlin in die französischen Angelegenheiten zu verwickeln, selbst aber die Hände frei zu haben. Dennoch liefen die Vorbereitungen auf den Westfeldzug an, wobei wiederum mit der Eröffnung der Feindseligkeiten von Seiten der Verbündeten nicht vor dem Sommer 1792 zu rechnen war. 80 81 82 83

Forster an Heyne, 10. 12. 1791, in: Forsters Werke, 16. Bd., Nr. 223, S. 396. Hansen I, S. 1081. Markov, 1792. Resümee, S. 13. Forster an Heyne, 21. 4. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 47 (Druckmsc.).

I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik

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Frankreich kam ihnen zuvor, indem es am 20. April dem Habsburger den Krieg erklärte. Hinter diesem Schritt stand natürlich die Hofpartei mit ihren eindeutig landesverräterischen Absichten; dahinter standen auch die konservativen Feuillants, die mit einer im Krieg disziplinierten Armee der Revolution im Innern ein Ende setzen wollten. Beide Gruppierungen hätten jedoch eine Kriegserklärung nie durchsetzen können, wenn nicht auch die Girondisten mit Macht nach dem Krieg gerufen hätten. Brissot trommelte zum Krieg, der den König entweder als Verräter demaskieren oder ihn endgültig an die Revolution binden mußte, in jedem Falle aber die bedrohliche revolutionäre Aktivität der Volkskräfte von den noch ungelösten inneren Problemen nach außen ablenkte; kriegsgewinnlerische Bourgeoisinteressen waren dabei mit Sicherheit auch schon im Spiel, ohne allerdings ausschlaggebend zu sein. Der entschiedenste Widerstand gegen diese girondistische Kriegspolitik ging von der Linken aus und fand in Robespierre seinen tätigsten Anwalt. Es war keinesweg so, daß er die militärische Auseinandersetzung mit der sich rüstenden äußeren Konterrevolution für unbedingt vermeidbar gehalten hätte; aber er durchschaute das Doppelspiel des Hofes und gab darum der Mobilisierung der Volkskräfte zur endgültigen Vernichtung der Konterrevolution im eigenen Lande den eindeutigen Vorrang. Er hatte guten Grund, auf die ungenügende militärische Vorbereitung hinzuweisen und vor ungerechtfertigten Hoffnungen auf den Revolutionsexport zu warnen. Aber Robespierre irrte wie Brissot gleichermaßen in einem: Dieser hoffte und jener fürchtete, daß der Krieg eine demokratische Weiterentwicklung der Revolution hintertreibe, die so auf halbem Wege stehenbliebe; tatsächlich jedoch wurde der Krieg in einem ungeahnten und gewaltigen Ausmaß „zum Integrationsfaktor einer demokratischen Vertiefung der Revolution". 84 Das war keine Angelegenheit von heute auf morgen und setzte militärische Nackenschläge für die Franzosen geradezu mit Notwendigkeit voraus: Die schmählichen Schlappen, die sie schon in den letzten Apriltagen bei ihrem versuchten Vorstoß nach Belgien einstecken mußten, kommentierte Forster sehr gelassen und treffend: „Lehrgeld werden sie wohl geben müssen."85 An revolutionären Proklamationen, die die gegnerischen Soldaten zum Überlaufen und die Bevölkerung zur Erhebung aufriefen, mangelte es nicht.86 Aber ihre Verwandlung in die Tat setzte eine revolutionäre Situation in diesen Gebieten voraus, die bei der unzureichenden Entwicklung des bourgeoisen Elements nirgends gegeben war. Nur eine französische Präsenz im Gefolge französischer Siege hätte die Schwäche der eigenen inneren Voraussetzungen wenigstens zeitweise und partiell ausgleichen und eine quasi Hegemoniefunktion übernehmen können. Doch um zu siegen, fehlte es den Franzosen sowohl an den notwendigen Zurüstungen als auch und vor allem an einem zuverlässigen Offizierskorps. Was nicht den Weg in die Emigration genommen hatte, war unzuverlässig. Zum Glück für die Franzosen brauchten die Verbündeten auch bis zum Spätsommer, ehe eine Truppenmenge auf die Beine und an den Rhein gebracht war, die wenigstens den verstörten Potentaten in Grenznähe wieder etwas Sicherheit geben konnte. Wien und Berlin stießen in dem Bestreben, die französische Kriegserklärung auch gegen das Reich gerichtet verstanden zu wissen, fast nur auf Widerstand oder totales Unvermögen. Der Kurpfälzer, der als Reichsvikar während der Vakanz nach Leopolds Tode die Geschäfte führte, hatte seinen an die Höfe der geistlichen Kurfürsten nach Mainz, 84 85 86

Markov, 1792, Resümee, S. 20. Forster an Heyne, 28. 4. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 50 (Druckmsc.). Vgl. dazu Scheel, Zur revolutionären Propaganda, S. 343 — 351.

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Koblenz und Bonn bestimmten Abgesandten seinen Weg über Landau nehmen lassen, um dem dortigen französischen Kommandanten Kellermann des freundschaftlichsten Verhältnisses Pfalz-Bayerns zu Frankreich zu versichern.87 Die Reichsstadt Speyer versteckte sich hinter der Kurpfalz, 88 der Speyrer Bischof saß fluchtbereit in Bruchsal,89 die Reichsstadt Worms berief sich auf das Ludwig XVI. gegebene Neutralitätsversprechen,90 und Erthals leitender Minister klagte dem Mainzer Residenten in Wien: „Wenn von Wien aus dem pfälzischen Hof der timor panicus nicht benommen und dieser Hof veranlaßt wird, sich in bessere Fassung zu setzen, so macht uns die ohnehin übel gestimmte Pfalz ein übles Spiel. Wie ist da mit Assoziationen fortzukommen!" 91 In der Tat, die gegen Frankreich gerichtete Assoziation der vorderen Reichskreise, über die man am Rhein im April korrespondierte und in Regensburg im Mai debattierte, blieb eine Schimäre. Ende Mai rieten selbst Wien und Berlin dem Mainzer an, auf Zeitgewinn zu spekulieren und bis zum Eintreffen der verbündeten Truppen „die dermalige französische Kriegserklärung wörtlich und utiliter" zu interpretieren.92 Erst Mitte Juli, nachdem man Franz II. in Frankfurt zum Kaiser gewählt und gekrönt hatte, wagte auch der Mainzer die provokatorische Geste, das Emigrantenregiment Garde-du-Corps öffentlich auszuzeichnen. Es hatte sich in Hochheim zur Parade aufgestellt, um den von Frankreich zum Mainzer Fürstentag ziehenden hohen und höchsten deutschen Feudaladel zu grüßen. Der Fürstenkongreß, auf dem sich in den Tagen vom 19. bis 21. Juli um den neuen Kaiser und seinen preußischen Verbündeten ein halbes Hundert Fürsten und eine Unzahl sonstiger hoher Herren in den Mauern von Mainz versammelt hatten, zeigte außer der Fähigkeit zu feudaler Prachtentfaltung nur noch die abstoßende Mischung von feudaler Habgier, Mißgunst und Größenwahn. Relativ handelseinig wurde man bald und allein dort, wo es um das Fell des noch nicht erlegten Bären ging. Im übrigen herrschten Zwietracht und Betrüg. 93 Von Hessen-Kassel abgesehen, das gegen das — allerdings leere — Versprechen einer 9. Kurwürde Preußen 6000 Mann zur Verfügung stellte, lieferte Kurmainz mit ganzen 2000 Mann noch den einzig nennenswerten Beitrag an militärischer Hilfeleistung. Um so großmäuliger war der Ton des in Mainz beschlossenen Manifestes gehalten, das Paris zu zerstören drohte, wenn der königlichen Familie ein Haar gekrümmt würde, und von dem Forster sagte: „Wahrhaftig, wenn man es darauf angelegt hätte, die Franzosen zur Gegenwehr anzuhetzen, so hätte man es nicht klüger anfangen können, jetzt müssen sie Schande halber den Kampf der Verzweiflung fechten, und das werden sie auch tun." 94 87 88 89 90 91 93 93

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Gerstner, Selbstbiographie von Joseph Felix Lipowsky, 12. Bd., S. 92. Remling I, S. 33 ff. Hansen II, S. 155. Boos, Rheinische Städtekultur, S. 559. Albini an Walter, 22. 4. 1792, in: HHStA Wien, MEA, Correspondenz, Fasz. 79, fol. 308. Hansen II, S. 225. Aretin, Heiliges Römisches Reich, S. 265 f. Der Urgroßneffe des kurmainzischen Hofkriegsratspräsidenten Karl Herwig von Zwehl veröffentlichte später aus den Papieren dieses Urgroßonkels Materialien, die belegen, daß selbst die kleinen Räuber nicht leer ausgehen wollten und sollten: „Hier wurde bei der projektierten Verteilung unserem guten Friedrich Karl das pfälzische Oberamt Alzey und Oppenheim zu seinem Anteil zugesichert, wofür die Kurpfalz mit französischen Provinzen entschädigt werden sollte. Alle hierüber entstandene Protokolle habe ich auf Befehl teils selbst verfaßt, teils abgeschrieben". Zwehl, Übergabe, S. 539. Forster an Heyne, 4. 8. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 84 (Druckmsc.).

I. Im zeitlichen Vorfeld der Mainzer Republik

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Der vom Oberbefehlshaber der kombinierten Armeen, dem Herzog von Braunschweig, unterzeichneten und vom 25. Juli datierten Erklärung 95 lag ein von Emigranten fabrizierter Entwurf zugrunde, an dessen redaktioneller Bearbeitung Johannes von Müller zumindest beteiligt war; er sorgte auch für den Druck der endgültigen Fassung in der Mainzer Hofbuchdruckerei und überbrachte persönlich 5000 Exemplare ins Hauptquartier nach Koblenz. Man lohnte seinen Eifer mit einer Horazausgabe, die der preußische König überreichen ließ, und mit 50 Dukaten, die er — wenngleich von ihm als unangemessen empfunden — von Schlick entgegennahm.96 Statt Furcht und Schrecken im revolutionären Frankreich zu verbreiten, beschleunigten diese Drohungen lediglich die unabdingbar notwendige Radikalisierung, durch die im Innern die Voraussetzungen geschaffen wurden, um am Ende auch über die auswärtige Konterrevolution triumphieren zu können. Noch während der Braunschweiger an der Spitze seiner Truppen von Koblenz aus sich schneckengleich in Richtung auf die französische Grenze bewegte und noch bevor die Mobilmachung des Mainzer Häufleins überhaupt in Gang gesetzt war, bereiteten die Pariser Sektionen den Aufstand vor, der am 10. August im Sturm auf die Tuilerien gipfelte und eine weitere Demokratisierung der Revolution im Gefolge hatte: Bildung der revolutionären Kommune, Absetzung des Königs, Einführung des allgemeinen Wahlrechts, Aufnahme der einstigen Passivbürger in die Nationalgarde, Einberufung des Legislative und Exekutive vereinenden Nationalkonvents — das waren die wichtigsten unmittelbaren Folgen. Am 19. August überschritt die preußisch-österreichische Armee die Grenze und betrat französisches Territorium. Am 23. August übergab sich kampflos die Festung Longwy. Am 2. September fiel nach kurzer Beschießung Verdun, die letzte Festung zwischen Paris und der Grenze. Nur Thionville widerstand. Die 2000 Mainzer waren dem kaiserlichen Feldmarschalleutnant Grafen von Erbach zugeteilt, der die österreichischen Magazine in Speyer gegen Landau decken sollte. Das erste Bataillon war am 31. August von Mainz abmarschiert, das zweite folgte am 8. September. Doch kaum am Ziel angelangt, rief ein Befehl des Braunschweigers das Korps Erbach zur Verstärkung der Belagerer von Thionville ab, so daß ab Mitte September das Mainzer Häuflein fast allein die Deckungsaufgaben bei Speyer zu versehen hatte. „Böse Neuigkeiten" nannte es Müller, als er am 14. September davon erfuhr.97 Den bösen folgten die katastrophalen Neuigkeiten von Valmy auf dem Fuße, denn wenn auch die rheinische Presse bis in den Anfang Oktober hinein noch von französischen Niederlagen faselte, so verfügten die Mainzer doch dank der ab- und zugehenden Fuhrleute über eine unmittelbare zuverlässige Kommunikation. Am Tage nach Valmy wurde die erste Sitzung des Konvents eröffnet, der diesen 21. September 1792 zum 1. Tag des Jahres I der Republik erklärte. Eine gute Woche später traten die republikanischen Truppen unter Custine den Vormarsch in die Pfaffengasse an. 95 96 97

Journal von und für Deutschland, 9. J g . 1792, S. 549 — 552. Henking, Johannes von Müller, S. 304f. J . v. Müller an Albini, 14. 9. 1792, in: HHStA Wien, MEA, Correspondenz, Fasz. 136a, unfoliiert.

II. Der Vorstoß Custines in die Pfaffengasse

Die französische Rheinarmee zählte — die Festungsbesatzungen nicht mitgerechnet — insgesamt nur etwa 24000 Mann, von denen 4000 am Oberrhein und 5000 am Mittelrhein standen, um die Neutralität der Schweiz zu sichern und den österreichischen Breisgau zu bedrohen bzw. österreichische Vorstöße aus diesen Räumen abzufangen. Die Masse — also ganze 15000 Mann — kampierte bei Weißenburg und Lauterburg. Der Oberbefehl über diese Rheinarmee war im Mai 1792 vom 70jährigen Luckner an den 85jährigen Lamorliere übergegangen, dessen Nachfolge im Juli nicht der dem alten Mann zur Seite gestellte Custine, sondern Biron, der einstige Günstling Marie Antoinettes, antrat.1 Adam Philipp von Custine war Berufsoffizier, hatte als Oberst am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen, war von seinen Standesgenossen des Metzer Bezirks in die Generalstände gewählt worden, wo er sich den Konstitutionellen zugesellte, und avancierte im Oktober 1791 zum Generalleutnant. Was ihm zur Befriedigung seines brennenden Ehrgeizes noch fehlte, war das Oberkommando über eine Armee. Pausenlos bestürmte er 1792 den Kriegsminister mit Projekten, Klagen, Denunziationen, bis ihm Biron das Oberkommando über die Truppen von Weißenburg und Lauterburg übertrug und ihn zum General der Vogesenarmee ernannte, die allerdings weiterhin dem Oberbefehlshaber der Rheinarmee unterstellt blieb. Biron war auch mit einem Vorstoß auf Speyer einverstanden, der risikolos war, solange er nicht ausgedehnt wurde, sondern sich mit der Eroberung bzw. Vernichtung der dort lagernden österreichischen Magazine begnügte. Als General war Custine durchaus unerfahren, gleichzeitig aber zu eitel, um noch seine Grenzen zu erkennen. Er schreckte nicht vor Verleumdung Gleichgestellter zurück, wälzte Mißerfolge auf Untergebene ab und wurde nie müde, seinen eigenen Ruhm zu verkünden. Eine unbezweifelbare Stärke jedoch, die damals einen besonders hohen Stellenwert besaß, bestand in seiner Fähigkeit, den einfachen Soldaten anzusprechen, ihn anzuspornen, ihn zu begeistern und auch zu disziplinieren.2 Gravierender noch als die zahlenmäßige Schwäche der Revolutionsarmee war ihre durchaus unzureichende militärische Ausbildung. Zwei Drittel des Offizierkorps waren zum Feinde übergelaufen, so daß die Truppe mit gutem Grund in jedem adligen Offizier einen potentiellen Verräter erblickte, dem sich unterzuordnen wiederum Verrat bedeutet hätte. Die Disziplinlosigkeit drang so in die altgedienten Linientruppen ein, und den Freiwilligen war die militärische Disziplin zunächst ohnehin noch ungewohnt; diese aber machten bereits zwei Drittel der Truppe aus und bildeten die Masse der Revolu-

1 2

Chuquet, Custine, S. l f f . Ebenda, S. 36f., 40ff.

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tionsarmee. Die ersten 100000 Freiwilligen, die nach dem Fluchtversuch des Königs 1791 ausgehoben wurden, kamen im wesentlichen noch aus der Nationalgarde, die sich aus Aktivbürgem rekrutiert hatte und bourgeoisen Charakter trug — da sie sich selbst kleiden und equipieren mußte, blieben ihr die Armen fern.3 Die nach dem Sturz des Königtums 1792 erfolgten Aushebungen von Freiwilligen griffen bereits in größtem Umfang auf Passivbürger zurück, auf Gewerbetreibende, Handwerker und Gesellen, so daß sich der Nationalcharakter der Revolutionsarmee vertiefte. 4 Ihre Hauptstärke bestand in der unbedingten Ergebenheit für die Sache der Revolution. Natürlich traf die von den Freiwilligen selbst vorgenommene Wahl ihrer Unter- und Oberoffiziere bis zum Hauptmann nicht immer die Befähigsten, jedoch nie einen Verräter. Aus dem Umstand, daß Subordination und Disziplin nicht auf einen Schlag durchsetzbar waren, zog diese Armee sogar noch einen nicht unwesentlichen Vorteil, nämlich dem seelenlosen Paradieren und Exerzieren, das den Alltag des Soldaten der alten Schule ausfüllte, keinen Raum geben zu können — einen Vorteil, den es allerdings erst noch voll zu erkennen und zu nutzen galt. Überhaupt entwickelte die Revolutionsarmee die ihr gemäße, also auch ihre Ausbildungsmängel berücksichtigende Struktur und Taktik im wesentlichen empirisch, angefangen beim Amalgam von Freiwilligen und Linientruppen über die sich dem Terrain anpassende zerstreute Gefechtsweise in Schützenketten bis hin zu der den Sturmangriff vortragenden Kolonne. Im September 1792 waren solche Grundlagen einer modernen Kampf es weise jedoch nur in allerersten Ansätzen vorhanden. Die Fähigkeit beispielsweise, einen geordneten Rückzug anzutreten, war ein Stück Kriegskunst, an das noch nicht zu denken war; man kannte nur die ziemlich heillose Flucht oder aber den Sieg. Custine führte seine Armee zunächst von Sieg zu Sieg. Am 29. September 1792 brach er von Landau mit über 17000 Mann nach Speyer auf. Die Rede, die er vor dem Abmarsch den Truppen hielt, macht deutlich, daß er die Achillesferse seiner Mannschaft mindestens so gut kannte wie die Quelle ihrer Kraft: Er warnte nachdrücklich vor allen Disziplinverstößen und Übergriffen, die er mit aller Strenge ahnden würde, und er packte sie an ihrer Ehre als Verteidiger der Revolution, die nicht die Völker bekriegten, sondern einzig und allein ihre Despoten und deren bewaffnete Knechte: „Liebt die Ordnung und seid groß im Schlagen, dann ist der Sieg auf unserer Seite!" 5 Nun war allerdings das, was ihm vor Speyer gegenübergestellt werden konnte, alles andere als furchteinflößend. Die Sicherung der österreichischen Magazine oblag dem Mainzer Oberst von Winkelmann, den die Revolutionsfeindschaft um den Verstand gebracht hatte — „er hatte einen Plan ausgedacht, wie man Paris verbrennen könne, ohne daß es auch nur einer menschlichen Seele möglich sei, sich zu retten".6 Ihm standen alles in allem gut 3000 Mann zur Verfügung, davon rund 2000 Mainzer. Ein Offizier, der unter Winkelmann diente, gab in dieser Zeit an Eickemeyer brieflich nach Mainz den folgenden Situationsbericht über die Dinge in und um Speyer: „Unsere Lage wird von Tag zu Tag bedenklicher. Den Franzosen würde es ein leichtes sein, aus den benachbarten Festungen eine beträchtliche Anzahl Truppen zu vereinen und diese noch durch die Nationalgarden zu verstärken. Unser Oberster ist desfalls unbesorgt; er will sie, so viel ihrer auch sein mögen, erwarten und in offenem Felde schlagen. Die Ringmauern von Speyer sind gut; es käme nur darauf an, die Tore durch einige Fleschen 3 4 5 6

Soboul, Les soldats de Pan II, S. 68 f. Ebenda, S. 87. MR II, S. 75 f. Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 112.

II. Der Vorstoß Custines in die Pfaffengasse

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zu decken und die Gemeinschaft mit dem rechten Rheinufer zu sichern, und man würde hier Widerstand leisten, im äußersten Falle aber den Rückzug über den Fluß nehmen können. Der Oberste will von allem dem nichts wissen und begnügt sich, den Soldaten mit unnützen Dingen zu ermüden .. Um so beunruhigter war der Rat der Stadt, der schon Wochen zuvor alles Politisieren in Wirtshäusern und anderswo bei schwerster Strafe verboten hatte, nachdem in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli von Unbekannten verschiedentlich Kokarden angeheftet worden waren. 8 Am 22. September reiste ein Ratskonsulent im Auftrage der Stadt ins kaiserliche Hauptquartier nahe Thionville, um die Zustimmung für den Abtransport der Magazine aus der Stadt über den Rhein zu erwirken. Er war erfolgreich, aber als er — spät abends am 29. September erst zurückgekehrt — sich am frühen Morgen des 30. September mit den Bürgermeistern auf den Weg zum Kommandanten machte, um diesen Bescheid zu überbringen und entsprechende Vorkehrungen zu veranlassen, traf auch schon die Nachricht ein, daß sich Custine nur noch wenige Marschstunden vor der Stadt befände. 9 Winkelmann hatte zwar seine Truppen die ihnen zugewiesenen Plätze am 29. September einnehmen, aber sie am 30. September 7 Uhr früh wieder in ihre Stadtquartiere rücken lassen, um auf die Nachricht vom Anmarsch der Franzosen wieder den entgegengesetzten Befehl zu geben, der natürlich Verwirrung auslöste und darum auch nicht in vollem Umfang befolgt wurde. Custine, auf der Straße von Landau nach Speyer gegen 11 Uhr bis Heiligenstein vorgerückt, teilte hier seine Truppen in drei Kolonnen: während sich die eine mit Oberst Houchard und seinen anderthalb tausend Reitern über Berghausen der Stadt von Süden näherte und zugleich den Fluchtweg nach Rheinhausen bedrohte, die zweite Kolonne unter Meusnier geradewegs weiter auf Speyer zumarschierte, umging Custine mit der dritten Kolonne westlich über Dudenhofen die Stadt und postierte sich nördlich von ihr, indem er zugleich die Rückzugslinie, nämlich die Hauptstraße von Speyer über Oggersheim nach Worms abschnitt.10 Was darauf folgte, war eine Angelegenheit von wenigen Stunden. Zuvor hatte Custine den Rat der Stadt aufgefordert, die Militärs mit Rücksicht auf das Wohl der Stadt zum Verzicht auf jeden Widerstand zu bewegen; ein solcher Versuch wurde auch vom Rat unternommen, aber blieb ergebnislos. 11 Der Angriff begann im Norden, wo die französische Artillerie ein so wirkungsvolles Feuer auf die Stellungen der Verteidiger legte, daß diese sich schleunigst durch das Wormser Tor hinter die Mauern der Stadt flüchteten. Die Franzosen folgten ihnen auf den Fersen, stürmten das Wormser Tor, trieben sie durch die Stadt hindurch und im Süden durch das Weiße Tor zur Stadt hinaus, wo sie Oberst Houchard mit seiner Kavallerie in Empfang nahm. Mit einem Teil der Truppe gelang Winkelmann zwar die Flucht bis zum Rhein, aber das rettete ihn auch nicht vor der Gefangenschaft, da er versäumt hatte, Schiffe für die Überfahrt nach Rheinhausen bereitzustellen. Die Gesamtzahl der Gefangenen betrug über 2500 Mann.12 Die Furcht hat große Augen, und so verwundert es nicht, daß der kaiserliche Gesandte in Mainz, Graf Schlick, angeblich auf Grund von Privatbriefen und Kuriernachrichten 7 3 9 10 11 12

Ebenda, S. 111. Boos, Rheinische Städtekultur, S. 569. Remling I, S. 54 f. Ebenda, S. 61. Vgl. auch Custines Zeugenverhör, S. 81. MR II, S. 76. Remling I, S. 63ff.

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aus Mannheim und der Gegend um Speyer am 2. Oktober nach Wien berichtete, daß „bereits viele speyerische Ortschaften geplündert und verheert" seien.13 In der Stadt ist es tatsächlich zu einigen Übergriffen gekommen. Ein Mannheimer Bericht vom 17. Oktober erklärte dazu: Da Verfolger und Verfolgte unter dem Schutz der Häuser gegenseitig aufeinander geschossen hätten, sei auf beiden Seiten der Verdacht entstanden, daß Bürger der Stadt daran beteiligt gewesen wären ; das hätte den Anlaß zu französischen Plünderungen gegeben. 14 Custine handelte gesetzwidrig und eigenmächtig, als er drei Plünderer, nämlich einen Hauptmann und zwei Füseliere, in flagranti ergreifen und vor den Augen der Armee erschießen ließ; allen anderen an Plünderungen Beteiligten gab er Gelegenheit, sich ihres Raubes zu entledigen und straffrei davonzukommen. Ein gesetzmäßiges Verfahren vor dem zuständigen Militärgericht zu Weißenburg hätte bei der Vielzahl von Schuldigen mit Freispruch oder leichten Strafen geendet und absolut nichts bewirkt, was die Moral der Truppe gehoben hätte. Die Eigenmächtigkeit Custines jedoch — auch wenn sie ein knappes Jahr später im Prozeß gegen ihn zum Anklagepunkt erhoben wurde — festigte die Mannszucht in seiner Armee so schnell und gründlich, daß sich keine andere in dieser Zeit mit ihr messen konnte.15 Schlicks Tatarennachrichten bewahrheiteten sich nicht. Sein preußischer Kollege Stein schrieb am selben 2. Oktober seinem König : «On assure que les Français n'ont d'ailleurs fait aucun dégât ni dans la ville de Spire ni dans les environs.»16 Auch Forster wußte zur gleichen Zeit seinem Berliner Verleger zu berichten: „Die Franzosen okkupieren jetzt Speyer, führen das Magazin unter die Kanonen von Landau, vernichten, was sie nicht wegschleppen können, und bezahlen übrigens alles bar in der Stadt, ohne einer Seele leids zu tun." 17 Von seinem Sohn, der als Küfer in Speyer drei Tage und Nächte lang Wein für den Abtransport fertig machen mußte, erfuhr der Pfarrer von Westhofen — und teilte es seiner Chronik mit — : „Aber keinem Bürger ist nichts genommen worden." 18 Forster traf den Kern der Sache, als er Mitte Oktober seinen Schwiegervater wissen ließ: „Wir haben einige Exzesse, die Custine mit der äußersten Strenge an seinen eigenen Soldaten bestraft hat, erst aus den französischen Zeitungen erlernen müssen, so wenig haben die Deutschen selbst geglaubt, daß diese Ausschweifungen der Rede wert wären,.. ,"19 Wie die Mär von den plündernden Franzosen war auch die Nachricht grundfalsch, die Schlick zehn Tage später — nun schon von Würzburg aus — nach Wien gelangen ließ, wonach die Reichsstadt Speyer, „vom republikanischen Wahn beseelt", schwarzen Verrat geübt hätte: „Die Mainzer und kaiserlichen allda befindlichen Truppen haben nicht nur keine verlässigen Kundschaften erhalten können, sondern jeder Schritt dieser 13 14

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Hansen II, S. 376. Remling I, S. 70 Anm. 77. Der mainzische Leutnant Lientz von Linsingen irrte ebenso, als er am 10. 10. 1792 zu Protokoll gab, sie wären bei der Retirade durch Speyer „von den Franzosen mit Kartätschen, von den speyerischen Bürgern aber mit Musketenfeuer begrüßt worden". HHStA Wien, MEA, Militaria, Fasz. 118, fol. 141. Hennequin, La justice militaire, S. 18f. Vgl. auch Custines Zeugenverhör, S. 29f., 82f. Hansen II, S. 377. Forster an Voß, 2. 10. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 104 (Druckmsc.). Hoffmann, Der 1. französische Revolutionskrieg, S. 265. Forster an Heyne, 16. 10. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 114 (Druckmsc.). Custine hatte durch Depesche vom 2. 10. den Kriegsminister über die von ihm veranlaßten Exekutionen zur Unterbindung der Disziplinlosigkeiten unterrichtet, Baraguay d'Illiers, Denkwürdigkeiten Custines, Teil 1, S. 39f.

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Truppen wurde alsogleich von speyerischen Bürgern dem französischen Kommandanten in Landau ohne Zeitverlust angezeigt." 20 Ganz gewiß hat der Rat der Stadt nach ihrer Einnahme durch Custine die Stadtverfassung als republikanisch dargestellt und auch die ständigen Querelen mit dem in ihren Mauern ansässigen Domkapitel ins Spiel gebracht, um die geforderte Kontribution von der Stadt mit Erfolg ganz auf die Schultern des Fürstbischofs und seines Kapitels abzuwälzen; 21 ganz gewiß empfanden die Speyerer wie ihr Rat die Anwesenheit der Franzosen ungleich weniger drückend als die der kaiserlichen oder gar der 2000 Mann des Emigrantenkorps, die hier Anfang August durch Brutalität und Hochmut exzelliert hatten.22 Aber eine Franzosenpartei, die mit Custine zusammengearbeitet und ihm zum Siege verholfen hätte, hat es in dem verödeten Speyer nicht gegeben. Im übrigen gehörte es zu den selbstverständlichen Pflichten jedes Heerführers, über die Truppenbewegungen des Gegners informiert zu sein. Die Existenz des kaiserlichen Magazins in Speyer war ebensowenig ein Geheimnis wie der Einsatz der Mainzer zu seiner Bedeckung oder der Abzug des Grafen Erbach mit seinem Kontingent nach Thionville. Custine selbst kündigte seinen Marsch auf Speyer sogar unmißverständlich an, indem er am 29. September den kurpfälzischen Amtmann Reibeid in Germersheim offiziell davon unterrichtete, daß er kurpfälzisches Territorium passieren würde, und zwar in der etwas boshaft formulierten Gewißheit, «que son Altesse Sérénissime électorale, l'électeur Palatin, n'approuve pour ses anciens alliés, ce qu'il fait pour nos ennemis, les Autrichiens».23 Dasselbe gilt im Grunde auch für Worms, das weder eigene Verteidigungsanstalten getroffen hatte noch irgendeine Bedeckung besaß, darum jedem Zugriff offen lag und immerhin im Jahr zuvor Condé in seinen Mauern geduldet hatte. Der preußische Gesandte Stein in Mainz wußte am 2. Oktober zu berichten, daß der Wormser Magistrat bereits eine Deputation zu den Franzosen geschickt hätte, um ihnen die Schlüssel ihrer Stadt zu übergeben.24 Georg Wilhelm Böhmer, der seit 1788 als Korrektor des lutherischen Gymnasiums in Worms tätig war und durch seine Freigeisterei schon viel Staub unter den orthodoxen Lutheranern aufgewirbelt hatte, ist mehrfach in Speyer gewesen, um mit Custine zu verhandeln, was Winkopp zu der Überzeugung gelangen ließ, daß er dabei als Sprecher einer Anzahl von Gesinnungsgenossen auftrat, die nach den Franzosen in Worms ver-

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Hansen II, S. 419. Moniteur universell Bd. 14, S. 162. Weiss, Geschichte Speyers, S. 120 f. Remling II, S. 454. Im übrigen wußte man in Mainz nachweislich schon Tage zuvor Bescheid, denn nach dem Zeugnis des kurmainzischen Hofkriegsratspräsidenten von Zwehl ließ ihn der Reichsquartiermeister General Gmelin, der von Frankfurt herbeigeeilt war, aus der Sitzung des Kriegsrats herausrufen, um ihm die „erhaltene sichere Nachricht" zu übermitteln, „daß der General Custine das speyerische Korps überfallen und zusamt dem Magazin aufheben würde; ich eilte mit dieser Nachricht in die Sitzung zurück. Der Herr Gouverneur von Gymnich erkannte die von mir mit Lebhaftigkeit geschilderte Gefahr und äußerte unter anderem die Worte: ,Wenn ich die Gelegenheit zu einem solchen Coup wie Custine hätte, ich gäbe zehn Jahre von meinem Leben darum'. Allein er wollte demungeachtet mit meinem vorgeschlagenen Rückzüge nicht übereinstimmen. Diese Weigerung bestimmte mich, mein Votum zum Protokoll zu diktieren." Zwebl, Übergabe, S. 540f. Hansen II, S. 378. Auf der Ratssitzung vom 1. 10. wurde beschlossen, den Dreizehner Trapp und den Ratsschreiber Kraemer zu Custine zu schicken, Levy, Worms, S. 27.

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langten. 25 Ein Beleg für eine solche Aussage wird nicht geliefert. Tatsächlich belegt ist, das Böhmer Custine in Speyer am 3. Oktober aufsuchte, und zwar als ein Sprecher der Bürgerschaft, die mit dem Magistrat nicht im besten Einvernehmen stand. An diesem Tag war General Neuvinger mit einigen tausend Mann nach Worms aufgebrochen. Die Franzosen waren also schon unterwegs und brauchten von Böhmer nicht gerufen zu werden. In der Frühe des 4. Oktober marschierte Neuvinger in Worms ein und schrieb eine Brandschatzung aus, die den Fürstbischof, das Domkapitel, die Klöster und den Magistrat wegen des den Emigranten 1791 gewährten Schutzes treffen sollte. Als der Magistrat zur Aufbringung der geforderten Summe die Bürger zu belasten begann, legte Neuvinger unverzüglich sein Veto ein und verkündete auch Custine am 7. Oktober aus Speyer die Maxime: „Krieg den Palästen der Übertreter der anvertrauten Gewalten, Friede den ruhigen Hütten und den gerechtigkeitsliebenden Männern!" 26 Am 7. Oktober zogen die Franzosen wieder ab, wobei sie elf Geiseln nahmen, da die Brandschatzung noch nicht voll entrichtet worden war. Eine Wormser Meldung vom selben Tage stellte dazu fest: „Man glaubte, daß die Armee noch weiter vorrücken werde; aber heute morgens gab der Herr Feldmarschall den Befehl zum Rückmarsch zur großen Armee, welcher auch wirklich um 10 Uhr geschah. Die sämtlichefn] Truppen haben die Zeit ihres Hierseins die strengste Mannszucht beobachtet und sämtliche Einwohner sehr leutselig und freundschaftlich behandelt."27 Am 10. Oktober wurde auch Speyer geräumt, und Custines Armee schlug nördlich von Landau auf kurpfälzischem Gebiet bei Edesheim ihr Lager auf.28 Obwohl der mit geringen Kräften durchgeführte und zeitlich engbegrenzte Vorstoß auf Worms nicht ausdrücklich mit Biron als Oberbefehlshaber abgesprochen war, hatte Custine damit dennoch den ihm zugebilligten Handlungsspielraum kaum überschritten. Er hatte nicht kämpfen, sondern nur militärische Stärke demonstrieren müssen, um zusätzlich zu der in Speyer gemachten Beute noch eine schätzbare finanzielle Kontribution heimzubringen. Was Custine nach seinem Sieg in Speyer am 30. September Biron versicherte, nämlich wieder zu ihm zu stoßen,29 galt nach wie vor und bestätigte er mit seinem Abzug ins Lager bei Edesheim. Weder in Speyer noch in Worms sind Republikanisierungsversuche unternommen worden, so daß auch die Böhmer zugeschobene Rolle für jene Zeit durchaus bezweifelt werden muß. Böhmer hat immerhin bei Custine die dem Wormser Magistrat auferlegte Restkontribution auf die Hälfte heruntergehandelt; 30 er trat als Dolmetscher in die Dienste Custines und zeigte dies am 14. Oktober ordnungsgemäß dem Wormser Rat an, verbunden mit der unverzüglich gewährten Bitte um einen ehrenvollen Abschied aus dem Wormser Schuldienst.31 Unbestritten bleibt natürlich die gewaltige propagandistische Wirkung, die mittelbar und unmittelbar von den Aktionen Custines ausging und sich vor allem in zwei Richtungen kundtat: Zum ersten war es die bisher von keiner Armee so geübte, aber von 25

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„Der Professor Böhmer hatte frühzeitig den General Custine in Speyer besucht und ihm die Versicherung erteilt, daß man sich nach seiner Ankunft sehne, um der schweren Ketten entfesselt zu werden, in denen nach seiner Meinung die Bürger von Worms, ganz Deutschlands schmachteten." Winkopp, Französische Eroberungen, S. 44. Hansen II, S. 81 f.; vgl. auch Levy, Worms, S. 27f. W Z M 80. Stück, 10. 10. 1792, S. 323. Remling I, S. 84 f. Winkopp, Französische Eroberungen, S. 37 f. Winkelmann, Beitrag, S. 15. StdtA Worms, Ratsprotokoll 1792, XCVI, 620, S. 385.

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Custine zum Axiom erhobene Rücksichtnahme auf den einfachen Mann, mit der er für die von ihm verteidigte Revolution warb; selbst die bei Speyer gefangengenommenen Offiziere waren des Lobes voll, nachdem sie auf ihr Ehrenwort, nicht weiter in diesem Kriege zu dienen, schon tags darauf entlassen worden waren; 32 wie schließlich dann auch noch die vorbildliche Gefangenenbehandlung propagandistisch ausgeschlachtet wurde, war schon ein kleiner Geniestreich.33 Zum zweiten wurde der militärische Erfolg Custines bei Speyer — es war ja der erste vollständige militärische Sieg überhaupt — derartig überhöht, daß französischerseits ein solches Selbstbewußtsein und auf der Gegenseite eine Furcht entstehen konnte, die zum tatsächlichen Geschehen in keinem Verhältnis mehr standen; Selbst die Besetzung der völlig wehrlosen Stadt Worms verstärkte die beiderseitige Vorstellung von der Unüberwindlichkeit der Revolutionstruppen. Die Befreiungsmission, die in den verschiedenen Verlautbarungen Custines und auch anderswo den französischen Truppen zugeordnet wurde, ging damals über einen reinen Verbalismus nur insofern hinaus, als sie den Truppen moralische Werte abverlangte, die das eigene Selbstbewußtsein erhöhten und wesentlich zu einer Mannszucht beitrugen, die den reaktionären Verteufelungen der Revolution viel Boden entzog. Echte Ansätze zu einer handfesten Republikanisierung besetzter Territorien hätten einer Anleitung bedurft, wie zu verfahren oder zumindest zu beginnen wäre. All das fehlte noch, und so blieb Drohung wie Versprechung verbal. Die Lobreden, mit denen Custine damals im Konvent und allenthalben weit über das zuträgliche Maß überschüttet wurde, hatten zum Ergebnis, daß es ihn nicht mehr lange im Lager bei Edesheim hielt. Er wurde begierig, seinen ersten Erfolgen noch weitere hinzuzufügen, die seinen Ruhm noch heller strahlen ließen. Seine Stellung in der allgemeinen Achtung war so, daß er es sich ohne weiteres herausnehmen durfte, ganz nach eigenem Ermessen zu entscheiden und auf die Zustimmung seines Oberbefehlshabers zu verzichten. Und so handelte er dann eben auch. Am 17. Oktober verließ Custine sein Lager bei Edesheim. Am 18. Oktober teilte er nun schon aus Worms seinem „lieben Kameraden" Biron in Straßburg mit, daß er sich der Festung Mainz zu bemächtigen hoffe; immerhin betonte er, seine Maßnahmen so getroffen zu haben, daß er sich notfalls jederzeit zurückziehen könne.34 2000 Mann unter General Falk ließ er den Weg über Grünstadt und Alzey in Richtung auf den Hunsrück nehmen, während er selbst die Masse über Speyer, Worms und Oppenheim den Rhein hinunterführte. Insgesamt verfügte er über keine 20000 Mann; von diesen blieben 500 in Speyer und Worms und 500 zur Sicherung der Oppenheimer fliegenden Rheinbrücke. Von hier aus wurden 1500 Mann unter Neuvinger zu einem Streifzug nach Frankfurt geschickt, während zur Deckung des linken Flügels die 2000 Mann unter Falk nach Kreuznach und Bingen marschierten. Es waren sicher keine 15000 Mann, die Custine am 19. Oktober vor die Festung Mainz führte. 35 32 33

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Klein, Geschichte von Mainz, S. 37. Vgl. dazu MR II, S. 77 — 80. Forster schrieb seinem Schwiegervater Heyne am 16. 10. 1792: „Über gute Behandlung, die man von den Franzosen erfahren hat, erschallt aus Worms und Speyer nur eine Stimme, selbst von der aristokratischen Partei. Der Kommandant in Straßburg, General Biron, hat auf Vorbitte des Vicarius Dorsch 25 Mainzer Soldaten ihre Freiheit geschenkt, sie sind nun hier und können des Rühmens nicht müde werden, wie man sie und ihre Mitgefangenen auf Händen getragen und als Brüder behandelt habe." Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 114 (Druckmsc.). Baraguay d'Illiers, Denkwürdigkeiten Custines, S. 79 ff. Remling I, S. 87 Anm. 102; Bockenheimer, Einnahme von Mainz, S. 20.

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In seinen Briefen über Mainz, die 1792 in Frankfurt erschienen waren, hatte der Reiseschriftsteller Johann Nikolaus Becker die „Weitläufigkeit und den ungeheuren Plan" der Mainzer Festungswerke bestaunt, in denen er frei und ungehindert umherspazieren durfte; nur Schreiben und Zeichnen war mit der Gefahr verbunden, von der Wache ergriffen zu werden. Im Hinblick auf die Unterhaltung dieser Anlagen urteilte Becker knapp und bestimmt: „Dazu spreche ich dem Mainzer Hofe alles Vermögen ab."36 Das französisch-österreichische Bündnis von 1765 hatte die militärische Bedeutung dieser Festung beträchtlich gemindert, so daß der Kurfürst den Inhalt der Kriegskasse zur Aufbesserung seiner Privatkasse verwenden zu können meinte; die ökonomische Nutzung der Werke beispielsweise für den Gemüseanbau durch die kurfürstliche Hofkammer oder den Gouverneur erhielt so einen beträchtlichen Stellenwert.37 Erst im Spätjahr 1791, als Frankreich gegen die Emigrantenbegünstigung massiv auftrat, beauftragte Gouverneur Gymnich den Oberst Eickemeyer als ersten Ingenieuroffizier, Instandhaltungsarbeiten zur Sicherung der Festung gegen einen Überfall oder offenen Angriff durchzuführen, und der Kurfürst veranlaßte sogar Adel und Geistlichkeit zu einem freiwilligen Beitrag für die Kriegskasse, die leer war. Das Holz für die Palisadierungen lieferte der Kurfürst aus seinen Waldungen im Spessart — allerdings gegen bare Bezahlung. 38 Solche Anstrengungen fanden jedoch schon in der zweiten Julihälfte 1792 wieder ihr Ende; Eickemeyer teilte mit: „Am Tage nach der Abreise des Kaisers (nach dem Fürstentag zu Mainz — H. S.) erhielt ich den Befehl, alle Festungsarbeiten unverweilt einzustellen. Man hielt nun, nach so kräftigen Manifesten jede Verteidigungsmaßregel für überflüssig." 39 Der Zustand der Festung war, als Custine vor Mainz erschien, also gewiß nicht befriedigend. Ebensowenig befriedigend war aber auch das Verhältnis der Besatzung zu der Ausdehnung der Werke. Die Masse der Mainzer Soldaten war bei Speyer in französische Gefangenschaft geraten; es blieben — die Leibgardisten und Landjäger eingeschlossen — ganze 1100 Mann, darunter Rekruten und Kriegsinvaliden, die ihrer physischen Beschaffenheit wegen schon nicht mit nach Speyer geschickt worden waren. Ähnlich sah es bei den rund 1000 Kaiserlichen aus, die recht zusammengewürfelt waren. Die Reichstruppen mit knapp 600 Mann wurden von fünf Reichsständen gestellt. Mit den 200 kurfürstlichen und kaiserlichen Husaren konnte man auch nicht an Ausfälle denken. Das Häuflein der 63 Artilleristen hatte wahrscheinlich noch den relativ größten Verteidigungswert. 40 Unter dem Eindruck des Custineschen Vorstoßes auf Speyer und Worms beabsichtigte der Mainzer Kriegsrat, am 5. Oktober von Gymnich einberufen, das Problem der Disproportion zwischen Anzahl der Verteidiger und Ausdehnung der Werke so zu lösen, daß man die Außenwerke räumte und sich auf die engere innere Festung zurückzog. Als einziger widersprach Eickemeyer, der aber allein blieb, zumal ein unbegründetes

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Becker, Über Mainz, S. 105 f. In der Bestallungsurkunde für den Freiherrn von Gymnich zum Generalfeldzeugmeister und Gouverneur der Stadt und Festung Mainz vom 13. 4. 1779 ist unter Punkt 9 als sein Privileg ausdrücklich aufgeführt: „Die Benutzung sämtlicher Festungswerke mit Ausnahme derjenigen, die die kurfürstliche Hofkammer benutzt." Harms, Landmiliz, S. 418. Klein, Geschichte von Mainz, S. 13. Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 107. Vgl. auch Schaab, Bundesfestung Mainz, S. 299 f. Schaab, Bundesfestung Mainz, S. 314f.

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Gerücht gerade in diesem Moment den Anmarsch der Franzosen ankündigte. 41 Allerdings kam Gymnich mit diesem Kriegsratsbeschluß beim Statthalter Fechenbach — der Kurfürst hatte Mainz am 4. Oktober verlassen — und beim Kanzler Albini, der damals faktisch die Aufgaben eines zivilen Verteidigungskommissars besorgte, nicht durch. Eickemeyer lieferte ihnen eine schriftliche Stellungnahme, die deutlich machte, daß nur bei Besetzung der Außenwerke ein Angriff durch Kreuzfeuer unterbunden werden konnte. „Wolle man die Außenwerke verlassen, so würde der Feind sich in denselben festsetzen und daraus nicht allein die innere Festung aus der Nähe beschießen, sondern auch alles darin zu einem offenen Angriff vorbereiten."42 Der unbefriedigende materielle und personelle Verteidigungszustand war also keineswegs von vornherein mit einer absoluten Verteidigungsunfähigkeit gleichzusetzen. Fechenbach und Albini gaben sich im Rahmen ihrer sehr begrenzten Möglichkeiten zunächst auch Mühe, den Truppenbestand zu erhöhen. Die Hilferufe nach Sukkurs von kaiserlicher Seite waren die lautesten, aber blieben ohne bemerkenswerten Erfolg. Die am 5. Oktober durch 26 Eilboten angesprochenen 26 Kreisstände stellten sich in ihrer Masse einfach taub, und nur eine Handvoll drückte wenigstens ihr Bedauern aus, nicht helfen zu können; von den bereits in der Stadt befindlichen Reichstruppen zogen vielmehr an diesem 5. Oktober mehr als ein halbes Hundert Nassau-Weilburger geschlossen in ihre Heimat mit der Begründung ab, sich nicht für den Kurfürsten totschießen lassen zu wollen.43 Insgesamt eindeutig negativ endeten auch die Versuche, die Landbevölkerung für die Verteidigung zu gewinnen. 44 Die Dörfer im Rheingau, die altes Herkommen dazu verpflichtete, machten größte Schwierigkeiten. Anstatt — wie am 3. Oktober gefordert — in Mainz einzurücken, stellten sie Bedingungen. Die in Eltville beispielsweise verlangten von ihrem Amtmann, daß ihr Aufenthalt in Mainz — selbst wenn er nur Tage dauern sollte — als Ableistung ihrer vierjährigen Dienstpflicht zu gelten habe, und anderes mehr.45 Wenn es hoch kommt, sind einige hundert Rheingauer der Aufforderung gefolgt. Unbedeutend war auch das Ergebnis des Aufrufs vom 7. Oktober an die ehemaligen Soldaten, gegen Verpflegung und wöchentlichen Sold von 2 Gulden als Freiwillige in Mainz zu dienen. Ein größeres Echo fanden offensichtlich die Bemühungen in der Stadt selbst, wo Fechenbach und Albini durch öffentliche Proklamation jedem Bürger, der zur Waffe griff, im Falle der Verwundung eine lebenslängliche Rente von jährlich 100 Gulden versprachen, die im Todesfalle Frau und Kindern zugute kommen sollten.46 Durch Trommelschlag 41 42 43 44

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Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 120. Schaab, Bundesfestung Mainz, S. 302. Klein, Geschichte von Mainz, S. 53, 56. Vgl. dazu Dumoni, Mainzer Republik, S. IQ —12. Der Zeitgenosse Peter Adolf Winkopp faßte die Situation sehr prägnant zusammen: „An alle Landleute des Erzstiftes war eine allgemeine Aufforderung ergangen. Man versprach Geld und alles, wenn sie zur Rettung der Hauptstadt herbeieilen würden. Nicht 50 fanden sich. Sie sind Hausväter, die lieber bei ihrem Herde blieben, besonders da Custine gesorgt hatte, daß ihnen bekannt wurde, der Krieg gelte nur den Fürsten und dem Adel, dem Bewohner der ländlichen Hütte würde kein Haar gekrümmet." Winkopp, Französische Eroberungen, S. 71. Struck, Sozialgeschichte des Rheingaus, S. 159. Hoffmann, Darstellung, S. 67—70, Beilage 1. Der Frühmesser Philipp Scherer aus Winkel notierte dazu in seiner Chronik: „Diese Ermunterung der Mainzer Bürger war um so notwendiger, als viele derselben, über die bisherige Regierung des Kurfürsten mißvergnügt, keine Scheu trugen, öffentlich zu sagen: Laßt nur die Franzosen kommen, wir wollen uns nicht gegen sie wehren, sondern mit Vergnügen unsere Tore eröffnen und den Kurfürsten selbst fortjagen." Scherer, Chronikalische Aufzeichnungen, S. 37.

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wurde am selben Oktobertag bekanntgemacht, daß auf dem Zeughause Waffen an die Bürger verteilt würden. Eine zeitgenössische und keineswegs revolutionsfreundliche Darstellung schilderte die Folgen :„Auf diese Bekanntmachung lief alles nach dem Zeughause, und sogar Lehrjungen von allerlei Handwerken, die kaum 13 bis 14 Jahre hatten, haben auf den Namen ihres Meisters, der oftmals nur erdichtet wurde, auch für dessen Gesellen, fünf auch mehrere Gewehre erhalten. Auf diese Art wurden schon am ersten Tage tausend und auch mehrere Gewehre ausgeteilt, ohne daß dadurch der größte Teil der Bürger gehörig bewaffnet wurde; denn von diesen ausgeteilten Gewehren wurden schon am folgenden Tage mehrere zu verkaufen Juden und Christen angeboten."47 Ungeachtet solch negativer Erscheinungen, ungeachtet auch der Verweigerung jedes Militärdienstes durch den vornehmen Handelsstand,48 ungeachtet schließlich des Tatbestandes, daß die Bürger nur in der inneren Festung verwendet werden wollten und nach dem Zeugnis von Winkopp „zur eigentlichen Verteidigung der äußeren Werke ... nur das Militär zu gebrauchen" war, 49 kamen alles in allem doch gute 2000 Mann zusammen, die den Mannschaftsbestand der Festung auf über 5000 Mann ansteigen ließen. Von dem Kampfwert dieser Mannschaft läßt sich nichts Sicheres sagen, weil er nie auf die Probe gestellt wurde. Georg Forster schätzte ihn offensichtlich gering ein, denn nach der Räumung von Worms durch die Franzosen schrieb er an Huber: „Heute bestätigt sich diese Nachricht, und ich fange an, sie für wahr zu halten, denn die Mainzer sagen schon, daß sie sich bis auf den letzten Mann wehren wollen, welches sie zuvor nicht taten, solange Custine nur fünf Meilen weit von hier war." 60 Die insgesamt geringe Neigung der Bevölkerung in Stadt und Land zur aktiven Mitwirkung bei der Verteidigung der Festung fand ihre vollkommene moralische Rechtfertigung in dem Beispiel, das ihr überall im Mainzischen die herrschende Feudalklasse mit ihrem ganzen Anhang bot: „Unter so bedenklichen Umständen, wo keine Truppen nahe sind, welche die Stadt verteidigen können, ist die ganze courageuse Noblesse und Geistlichkeit samt den Emigrierten und ihren Weibern gestern und vorgestern mit Sack und Pack geflüchtet. Der Kurfürst kam [am] 4., sah einpacken und fuhr

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Hoff mann, Darstellung, S. 31. MR I, S. 401. Winkopp, Französische Eroberungen, S. 72. Forster an Huber, 7. 10. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 109 (Druckmsc.). Unser Zeitgenosse Helmut Mathy beurteilt allerdings die Situation damals ungleich freundlicher. Er war so glücklich, im Mainzer Erzkanzlerarchiv eine Namensliste der Studenten zu finden, die ihre Bereitschaft zur Teilnahme an den Verteidigungsanstalten erklärt hatten. Diese Liste führt 158 Namen auf, während in der Literatur — so bei Bockenheimer und auch Klein — immer nur 101 Studenten unter den Verteidigern gezählt werden. Mathy ist so angetan von seinem Fund, daß er gleich zwei Kunststücke zustande bringt: Erstens erscheint ihm die Zahl 158 verglichen mit 101 „um fast das Doppelte höher", und zweitens sieht er in der Wunschvorstellung der Mainzer privilegierten Zeitung Nr. 161 vom 7. 10. 1792 „den Kern der Ereignisse richtig" widergespiegelt; danach nämlich „ist hier alles, was Mann heißt, unter Waffen getreten; sogar die Akademiker, da sie die Gefahr des Vaterlandes vor Augen sahen, holten sich aus dem Zeughause Gewehre und haben nun mit den Scharfschützen und Jägern die gefährlichsten Posten vor der Stadt übernommen. Auch sind zur Verteidigung unserer Reichsfestung einige 1000 freiwillige Rheingauer ... teils hier eingetroffen, teils auf dem Marsche. Überhaupt strömen aus allen benachbarten kurfürstlichen Ämtern junge im Kriege erfahrene Männer haufenweise herbei, ..." Mathy, Mainzer akademische Legion, S. 563.

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abends 1/2 10 (mit dem Wappen vom Wagen abgekratzt) in der Stille davon" — so Forster am 6. Oktober in einem Briefe an seinen Freund Sömmering. 51 Aus seiner Feder stammt auch die ein Jahr später gegebene treffende Darstellung dieses Exodus: „Was der durch vervielfältigte Zölle und adelige Privilegien gelähmte Handel nie vermocht hatte, das schuf in einem Augenblick die Furcht: unser schöner, ehrwürdiger Rhein gewährte zum ersten Mal den erfreulichen Anblick des lebendigen Fleißes, wozu ihn die Natur so eigentlich hergegossen zu haben scheint. Unzählige Fahrzeuge von allerlei Größe, mit Waren tief beladen, Jachten und Nachen mit Hunderten von Passagieren fuhren unaufhörlich nach Koblenz hinunter. Man zahlte unglaubliche Summen für die Fracht der Personen und Güter, und die zuletzt abgehenden schätzten sich glücklich, um zehnfach den Preis, den es die ersten gekostet hatte, fortzukommen ... Zu Lande ging die Auswanderung nicht besonnener vonstatten; alle Pferde in der Stadt, alle alten und neuen Fuhrwerke fanden ihre Ladung, und die Brücke war mehrere Tage lang vom frühen Morgen bis zum Torschluß mit einer ununterbrochenen Reihe von Equipagen, Phaetons, Wiskis, Kutschen, Chaisen, Frachtwagen und Karren bedeckt. Viele französische Emigrierte, die weder Wagen noch Pferd bezahlen konnten, flüchteten zu Fuß ins Rheingau und in die benachbarten nassauischen und hessischen Gebiete.52 Forster hatte guten Grund zu der Annahme, daß der am 7. Oktober von der Statthalterschaft angeordnete Paßzwang beim Verlassen der Stadt nur noch die Bürger meinte, da der Adel in seiner Masse bereits geflohen war; die Bürger wurden für die Verteidigungsanstalten gebraucht. Forsters Kommentar zu solchem Vorgehen: „Die letzte Zuckung des sterbenden Despotismus war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit mehr." 53 Ebenso treffend ist Eickemeyers Feststellung, daß der Überzeugungskraft Albinis, der sich mit Ansprachen und Proklamationen um die Hebung der Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung besonders mühte, die Nachricht gewiß nicht zuträglich war, „daß des Herrn Kanzlers Packwagen soeben die Rheinbrücke glücklich passiert wären". 54 Was zurückblieb an Exponenten der herrschenden Feudalklasse und Resten ihres staatlichen Machtapparates war nicht besser als das, was sich bereits aus dem Staube gemacht hatte. Ein zweiter Exodus — wenngleich zahlenmäßig natürlich sehr viel bescheidener, weil es hier nur noch um Reste ging — erfolgte mit dem Erscheinen Custines vor Mainz. Der hessen-homburgische Hofrat Wilhelm Ludwig Kämpf, ein aufgeschlossener Kopf, war Augenzeuge: „Auf einem Leiterwagen sah ich Mönche, Damen, besternte Unhelden, Handwerker und Dienstmädchen vereinigt. Totenbleich erzählte mir der Forster an Sömmering, 6. 10. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 108 (Druckmsc.). Der Frühmesser Philipp Scherer aus Winkel wußte von einem Gerücht, wonach der Kurfürst die Bürgerschaft befragt hätte, ob er bleiben oder flüchten sollte. Ganz gewiß war daran kein wahres Wort; dennoch spiegelt die ihm angeblich erteilte Auskunft eine weitverbreitete Stimmung wider: „Der Sage nach soll man ihm geantwortet haben, er habe die Bürgerschaft nicht gefragt, als er die Emigrierten in sein Land aufgenommen; er habe sie nicht gefragt, da er diese Leute immer traktiert hätte; so glaube man es sehr unnötig zu fragen, ob er gehen oder bleiben solle: er könne tun, was er wolle. Der Kurfürst soll hierauf gesagt haben, er überlasse es der Bürgerschaft, ob sie die Stadt verteidigen oder übergeben wolle, und machte sich in der Nacht fort." Scherer, Chronikalische Aufzeichnungen, S. 40. 32 p o r s f e r ^ Darstellung, S. 246f. Ebenda, S. 247f. 54 Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 116.

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Regierungspräsident von Frankenstein, welcher zu Fuß davongelaufen war: .Heute noch rücken sie in Mainz ein, sie morden, sengen und brennen, Erwachsene und Kinder bringen sie um.'" 85 Der dritte Exodus folgte dann schon entsprechend den ausgehandelten Kapitulationsbedingungen. Am 19. Oktober standen sich also gegenüber einerseits mehr als 5000 Verteidiger mit knapp 200 Geschützen, gedeckt durch die immer noch schwer einnehmbaren Festungsanlagen, und andererseits zwischen 13000 und 15000 Franzosen, die bei ernsthafter Gegenwehr mit ihren noch nicht 50 Feldgeschützen zum Brescheschlagen und zur Erstürmung der Festung nicht fähig gewesen wären. An der Spitze der Verteidiger stand der Gouverneur und Generalfeldzeugmeister Freiherr von Gymnich, der nach dem Zeugnis des späteren Maire und Bürgermeisters von Mainz zwar mehrfach feierlich gelobt hatte, „daß er die Stadt eher nicht übergeben würde, bis ihm das Schnupftuch im Sacke brenne", jedoch „selten die am Gautor für ihn zugerichtete Kasematte" verließ, darum natürlich auch seine Gründe hatte, „gegen die feuchte Kasemattenluft eine Schlafkappe und zur Stärkung einige Bouteillen Malaga auf Rechnung der Stadt" anzuschaffen.56 Custine an der Spitze der Franzosen war als Schwadroneur dem Gymnich gewiß sogar noch überlegen; aber seine Überlegenheit erschöpfte sich nicht darin. Als Truppenführer stellte er ganz einfach eine neue Qualität dar, die für die Gegenseite absolut unerreichbar blieb. Gouvion Saint-Cyr, der spätere napoleonische Marschall, hatte als junger Offizier hier am Rhein Custine im Umgang mit seinen Soldaten erlebt, worüber er in seinen Memorien berichtete: „Seine Art, sie anzusprechen, seine Vertraulichkeit, seine militärische Haltung — obgleich ein wenig grotesk wegen des großen Schnurrbartes, den er trug — haben nicht wenig zur Enthusiasmierung der Soldaten für seine Person beigetragen. Ich habe keine Generäle gesehen, die so geliebt wurden. Er war tapfer, aktiv, am Tage des Gefechts sah man ihn überall." 57 Custine war ebenso gewiß kein bedeutender Stratege, aber er war einsichtig genug, um von Anbeginn an sich der Begrenztheit seiner Möglichkeiten, eine Festung wie Mainz zu nehmen, bewußt zu sein; noch vor dem Aufbruch aus dem Lager bei Edesheim schrieb er dem Kriegsminister Pache in Paris: „Ich werde Mainz nicht durch eine reguläre Belagerung nehmen können; meine Hoffnung setze ich nur auf einen käuflichen oder furchtsamen Geist; käuflich, dann werde ich es kaufen, furchtsam, dann werde ich es nehmen."58 Vor den Mainzer Festungsschanzen entschied er sich dafür, auf die Furchtsamkeit zu bauen. In Speyer hatte er persönliche Erfahrungen über den Kampfwert der Pfaffensoldaten gewinnen können. Mit Sicherheit hat Custine selbstverständlich auch versucht, zuverlässige Berichte über die Situation in der Festung Mainz zu erhalten, angefangen bei der Anzahl der Truppen und der Stärke der Artillerie über die eingeleiteten Verteidigungsmaßnahmen bis hin zur Kampfmoral der Verteidiger und zur allgemeinen Stimmung in der Stadt. In seinem Bericht vom 21. Oktober über die Einnahme von Mainz nannte Custine ausdrücklich Daniel Stamm als einen Gewährsmann, dank dessen Intelligenz und Kühnheit wertvolle Einsichten gewonnen werden konnten; 59 der Straßburger Stamm war Küfer und Wein-

55 56 57 58 59

Hurter, Denkwürdigkeiten. S. 17. Bockenheimer, Franz Konrad Macke, S. 14. Gouvion Saint-Cyr, Mémoires, S. 7. Chuquet, Custine, S. 91. Moniteur universel, Bd. 14, S. 301.

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händler, Schriftführer im Jakobinerklub seiner Heimatstadt und seit Ausbruch des Krieges als Freiwilliger bei der Rheinarmee. Im Angesicht der Festung unternahm Custine alle Anstrengungen, um mächtiger zu erscheinen, als er tatsächlich war, und so die Verteidiger in Angst und Schrecken zu versetzen. Er ordnete ständige Truppenbewegungen an und führte Scheinmanöver durch; Zelte über Zelte erhoben sich an den Hängen auf Hechtsheim, Weisenau, Marienborn und Mombach zu; auf jede Tiefe verzichtend, dehnte sich die Armee weit aus; die Infanterie absolvierte von früh bis spät Märsche und Kontermärsche; mit Leitern beladene Wagen kamen und verschwanden auf den Wegen; eine große Anzahl erbeuteter Boote bewegte sich rheinabwärts, um einen möglichen Angriff vom Wasser her vorzutäuschen.60 All diese Manöver wurden begleitet von markigen Aufforderungen zur Kapitulation. 61 Die erste, vom 19. Oktober datiert, wurde von Oberst Houchard am 20. Oktober früh morgens übergeben; sie enthielt sogar ein Verbrüderungsangebot, das einen Gymnich wahrscheinlich mehr verwirrte als schreckte. Die zweite folgte am Nachmittag und drohte nur noch mit Sturm und Plünderung; eine solche Sprache war dem Adressaten sicher verständlicher. Die militärischen Scheinaktionen vor Mainz taten ihre Wirkung. Albini ließ bereits am 19. Oktober durch einen Brief den Kurfürsten wissen: „Wir sind von einem fürchterlichen Heer von allen Seiten belagert." 62 Jedes Mitglied des Kriegsrates hatte die Möglichkeit, sich ein eigenes und auch einigermaßen zutreffendes Bild von der tatsächlichen Stärke des Gegners zu machen, wenn es sogar einem Laien wie Forster gelang, der am 20. Oktober 11 Uhr morgens seinem Schwiegervater schrieb: „Eben komme ich von dem Stephanskirchturm, wo man das französische Lager übersieht. Es liegt in einem halben Monde außer der Schußweite um die Stadt, und man darf es wohl auf 12000 Mann stark schätzen."63 Eickemeyer nahm zwar eine etwas höhere Zahl an, nämlich 20 000,64 aber blieb dennoch derjenige, der als einziger die Kapitulationsbereitschaft der Generäle im Kriegsrat nicht teilte. Ihre angstgeweiteten Augen schätzten den Gegner auf 30000 bis 40000 Mann. 65 Nachdem Gymnich in der Sitzung vom 20. Oktober jedes einzelne Mitglied des Kriegsrates befragt und nicht eines auch nur für den Versuch einer Verteidigung gesprochen hatte, war die abweichende Meinung eines Eickemeyer, der im Kriegsrat nur die Funktion eines Protokollanten innehatte, natürlich ohne Gewicht. Um diese Stimme verstummen zu machen, stellte der Gouverneur und Generalfeldzeugmeister Gymnich dem Stabsoffizier Eickemeyer die unzumutbare Frage, ob er „für die Folgen eines mißlungenen Widerstandes persönlich verantwortlich zeichnen wolle". 66 Die Entscheidung des Kriegsrates wurde der Statthalterschaft zur Kenntnis gegeben 60

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Chuquet, Custine. S. 91 f. Wenn man dem nassauischen Administrator Gagern glauben soll, trieb Custine die List so weit, „daß er die Hühnerleitern auf meinem väterlichen Hof zu Monsheim und anderwärts aufpackte und mit solcher Ware und Apparat Mainz zu bestürmen drohte, ..." Gagern, Mein Anteil, S. 48. MR II, S. 82 f. Hansen II, S. 444. Forster an Heyne, 20. 10. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 116 (Druckmsc.). Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 102. Sich auf eigene Beobachtungen berufend, kam Winkopp übrigens ungefähr auf dieselbe Zahl: „Das Belagerungskorps bestand aus 5000 Mann Reiterei und 13000 Mann Infanterie, wozu sich noch einige tausend Mann Gesindel, im eigentlichen Verstände des Wortes ohne Hosen und Waffen, gesellten." Winkopp, Französische Eroberungen, S. 60. Laut^as, Festung Mainz, S. 50. Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 138.

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und von ihr gebilligt, so daß noch am selben Tage Eickemeyer mit einem Kapitulationsangebot zu Custine geschickt werden konnte. Der ihm nur mündlich gegebene Auftrag, Custine zu bewegen, das besetzte Mainz als neutral zu behandeln, war selbstverständlich nicht durchsetzbar. In Mainz fügte man sich auch sofort darein und sandte noch in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober abermals Eickemeyer — diesmal vom Hofrat Kalckhoff begleitet — ins gegnerische Lager, wo beide bis in die Morgenstunden einen Kapitulationsentwurf aushandelten, der von Gymnich gebilligt, unterschrieben und zur Ratifizierung Custine wieder zugeleitet wurde. Um die Mittagszeit des 21. Oktober war dieser Akt abgeschlossen.67 Wie immer nach einer Niederlage, die ihren letzten Grund in der eigenen Unfähigkeit hatte, suchten die Verantwortlichen und ihre reaktionären Parteigänger die Schuld natürlich anderswo. Die Tatsache, daß sich nach dem Fall von Mainz hier ein Jakobinerklub konstituierte, genügte ihnen als Beweis, um die Legende vom Verrat in die Welt setzen zu können und sie glaubhaft erscheinen zu lassen. Anton Hoffmann, Professor der Rechtswissenschaft in Mainz, war einer der ersten, der nach dem Verlassen der Stadt 1793 in seiner Darstellung diese Mär breit auswalzte.68 Er machte Schule, auf die im einzelnen einzugehen nicht verlohnt. Schon der Zeitgenosse von Zwehl, der keineswegs jakobinische Positionen eingenommen hatte, nannte solche „nachherigen Beschuldigungen" lächerlich.69 Boost, der einstige Jakobiner, wehrte sich rückschauend gegen den reaktionären Versuch, die eigene Schuld durch fremde zu beschönigen, und fand die treffende Formulierung, „daß der nämliche Zeitgeist, der in der Champagne sich den Preußen mächtig entgegenstemmte, hier bloß die erbärmliche Schwäche seiner Gegner überraschte".70 Bamberger nannte später jede Verratsanstrengung den pursten Luxus, 71 und der Franzose Chuquet Anfang des 20. Jahrhunderts erklärte ebenso, daß Custine Gymnich und seinen Kriegsrat nur schalten und walten zu lassen brauchte, um in den Besitz von Mainz zu gelangen. 72 Die Klein, Bockenheimer, Hansen etc. haben es mit Rücksicht auf ihren wissenschaftlichen Ruf dann auch nicht mehr gewagt, die Verratslegende vorbehaltlos zu kolportieren, aber sie haben es nicht versäumt, solche Äußerungen fleißig mitzuteilen73 — auch wenn dabei Zweifel, selbst Widerspruch angemeldet werden und Gegenstimmen zu Worte kommen, bleibt so der Vorwurf lebendig. Für ein anspruchsloses Gemüt wie Adolf Bach stand es darum noch 1962 fest: Mainz „fiel durch Verrat".74 Im übrigen wird diese Methode als Ausdruck einer vorgeblichen Objektivität — so durch Lautzas75 — auch heute noch verschiedentlich angewandt. Die Einnahme von Mainz war keine militärische Glanzleistung Custines, aber hatte natürlich eine beträchtliche militärische und insbesondere politische Bedeutung, die auszunutzen und auszuweiten das erste Anliegen Custines war. Noch in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober, also noch vor der offiziellen Übergabe, ließ er schon 500 Mann 67 68 69 70 71 72 73 71 75

MZ Nr. 168 vom 22. 10. 1792; vgl. auch Eickemeyer, Denkwürdigkeiten. S. 138t. Hoff mann, Darstellung, S. 32 ff. Zwehl, Übergabe, S. 542. Boost, Rheinländer, S. 57 f. Bamberger, Französelei, S. 150. Chuquet, Custine, S. 107. Klein, Geschichte von Mainz, S. 77 ff., 90ff.; Bockenheimer, Einnahme von Mainz, S. 29 ff.; Hansen II, S. 449 ff. Bach, Weihbischof Heimes, S. 106. Lautzas, Festung Mainz, S. 51 f.

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unter Houchard durch die Stadt und über die Brücke nach Frankfurt zur Unterstützung Neuvingers marschieren. Allerdings schien diese Richtung, in der er neue militärische und politische Gewinne zu machen trachtete, schon damals außerordentlich fragwürdig. Als vorteilhaft konnte lediglich gelten, daß hier kein ernsthafter Gegner stand und Brandschatzungen lockten; aber das war zu wenig. Custine ließ am 23. Oktober durch Neuvinger Frankfurt besetzen und wegen angeblich jahrelanger Unterstützung der Emigranten eine Brandschatzung von anderthalb Millionen Gulden ausschreiben, die ausschließlich von den vermögenden Bürgern getragen werden sollte. Custine hoffte dabei auf Sympathie und Zustimmung bei der Masse der Bevölkerung und veröffentlichte auch eine entsprechende Proklamation. Die Situation in Fankfurt war jedoch nicht so geartet, daß solche Hoffnung sich erfüllte. Frankfurt wurde vom Kaufmannskapital beherrscht, das im Rahmen der veralteten feudalen Zustände durchaus florierte. Auf Frankfurt traf exakt das zu, was Marx über die einseitige Entwicklung des Kapitals als Kaufmannskapital sagte: „Selbständige und vorwiegende Entwicklung des Kapitals als Kaufmannskapital ist gleichbedeutend mit Nichtunterwerfung der Produktion unter das Kapital, also mit Entwicklung des Kapitals auf Grundlage einer ihm fremden und von ihm unabhängigen gesellschaftlichen Form der Produktion. Die selbständige Entwicklung des Kaufmannskapitals steht also im umgekehrten Verhältnis zur allgemeinen ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft."76 Die Produktion in Frankfurt bewegte sich noch ganz im Rahmen der zünftlerischen Gewerbeverfassung mit all den Zwängen und Engherzigkeiten, die diese Kleinproduktion in ihrer Endphase charakterisierten. Großhändler und Bankiers einerseits und lokales Kleingewerbe andererseits kamen sich nicht unbedingt ins Gehege. Die Geld- und Handelsbourgeoisie war nicht revolutionär und revolutionierte auch nichts und niemanden; das Kleingewerbe brauchte zahlungskräftige Kunden. So haben dann auch die Frankfurter Zünfte in einem Sendschreiben an Custine ihre Zufriedenheit mit dem gegebenen Stadtregiment bekundet.77 Frankfurt zu besetzen, das selbst die Tore geöffnet hatte, war ein leichtes. Vor Hanau, das dem Landgrafen von Hessen-Kassel gehörte und Widerstand zu leisten versprach, schreckte Custine zurück und ließ es bei einer von Schmähungen strotzenden Proklamation gegen den Landgrafen bewenden. Statt dessen schickte er Houchard mit 2500 Mann zu Fuß und zu Pferd in die Wetterau, wo er die dort ansässigen Feudalherrschaften mit Kontributionen belegte und das in den Nauheimer Salinen gewonnene Salz abtransportierte.78 Der Vorstoß ins Nassau-Weilburgische und die dem Fürsten auferlegte Brandschatzung gaben zwar den Weilburger Bürgern Gelegenheit, „einige patriotische Wünsche ... Unserm gnädigsten Fürsten und Herrn untertänigst" vorzulegen, die in der Forderung gipfelten, die vielen müßigen Edelleute zu entfernen, die nur ungeheure Besoldungen verpraßt, Pensionen erschlichen und den Landesvater in den Krieg gegen Frankreich gehetzt hätten; 79 aber französisch war das wahrlich nicht gesprochen. Die tatkräftige 76 77 78 79

Marx, Das Kapital, Bd. 3, S. 340. Winkopp, Französische Eroberungen, S. 100 — 103. Chuquet, Custine, S. 126 f. Einige patriotische Wünsche bei Gelegenheit der von dem französischen General Custine geforderten Brandschat^ung, Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem regierenden Herrn Fürsten zu Nassau-Weilburg, Unserm gnädigsten Fürsten und Herrn, untertänigst vorgelegt durch die sämtliche Bürgerschaft der Stadt Weilburg im Jahre 1792, in: Genius der Zeit, Bd. 6, S. 4 9 3 - 5 0 0 .

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Unterstützung, die Custine persönlich den nassau-weilburgischen Soldaten angedeihen ließ, entbehrt sogar nicht der Komik: Das kleine Häuflein, das in Mainz Dienst getan hatte und nun das Schloß und die Stadttore Weilburgs bewachte, erhielt nach seiner Entwaffnung von Custine die Montierung, die die Soldaten als Bedeckung ihrer Blöße schlecht entbehren konnten, und die Freiheit geschenkt, sich nach Belieben zu entfernen; wovon diese armen Leute leben sollten, blieb ungesagt. 80 Gewöhnlich beschränkte sich Custines Hilfe auf die Verbreitung allgemein gehaltener Proklamationen — Nikolaus Becker behauptete, daß es „meist Böhmers Werke" gewesen waren —-81, deren Bedeutung und Wirkung er maßlos überschätzte. Am 24. Oktober schlug er allen Ernstes dem Kriegsminister vor, ihn durch den Nationalkonvent bevollmächtigen zu lassen, aus Deserteuren, die er samt und sonders als von ihm gemachte Proselyten betrachtete, eine deutsche Legion aufzustellen: „Es ist um so wesentlicher, daß ich sie zu einem Korps formiere, da es aus einer Menge trefflicher freiheitliebender Offiziere und Soldaten bestehen müßte. Es würde mit ungemeiner Geschwindigkeit errichtet und aus Leuten zusammengesetzt sein, die das Reich aufs beste kennen, überdies uns künftiges Jahr bei weiterer Verbreitung des Krieges bis in das Innere Deutschlands große Erleichterung gewähren." 82 Ende Oktober glaubte er sich gegenüber den Verbündeten schon dadurch geschützt, daß er das Land bis nach Marburg hinauf mit Proklamationen und Bekanntmachungen an ihre Soldaten überschwemmt hätte. Aus dem einfachen Bürger General Custine wurde so allmählich der französische Bürger und Oberkommandierende der Armeen der französischen Republik am Ober- und Niederrhein, im Zentrum des Reiches und in Deutschland, als der er seine Proklamationen unterzeichnete.83 Solche Fanfaronaden standen im umgekehrten Verhältnis zu den tatsächlichen politischen und militärischen Erfolgen, die Custine im Rechtsrheinischen erringen konnte. Gewiß soll darüber nicht vergessen werden, daß die panische Furcht, die sein Erscheinen hier bei der feudalen Gesellschaft bis nach Regensburg, Nürnberg, Gotha, Hildesheim ausgelöst hatte, zur Selbstüberschätzung verleiten konnte; das Geschwänzel um den General, der aus der Fülle seiner Macht Sauvegarden verteilte, war durchaus geeignet, dessen Blick für die Wirklichkeit zu trüben. Ebenso bleibt unbestritten, daß die musterhafte Aufführung der Truppen, insbesondere die Bedürfnislosigkeit der Soldaten und Offiziere nach wie vor Sympathien erzeugte ;84 diese Sympathien im Überschwang mit einer Parteinahme für die Revolution gleichzusetzen, mochte verständlich sein, aber blieb dennoch ein Fehler. Die weitausgreifenden Pläne, die Custine schmiedete — er redete von einer ungeheuren Diversion in südlicher Richtung, um die vorderösterreichischen Besitzungen gleichsam von hinten aufzurollen, was die kaiserlichen Truppen zum Verlassen der Niederlande zwingen könnte, so daß die Chancen für ein französisch-preußisches Bündnis steigen würden —, mußten zudem auch darum Fantasiegebilde bleiben, weil den republikanischen Armeen zum damaligen Zeitpunkt noch ganz wesentliche Erfahrungen für solche Operationen fehlten. Große Operationen setzen die Fähigkeit voraus, große Truppen80 81 82 83 84

Medicus, Historische Nachrichten, S. 407 f. Becker, Beschreibung meiner Reise, S. 22. MNZ Nr. 175 vom 8. 11. 1792. « Citoyen français, général commandant en chef des armées de la République française sur le Haut- et Bas-Rhin, au centre de l'Empire et en Allemagne. » Chuquet, Custine, S. 154. Vgl. beispielsweise Laukhard, Briefe eines preußischen Augenzeugen, S. 9, 13; LautIn und um Wiesbaden, S. 13f.

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massen zusammenzuführen, Schlachten zu schlagen und oft auch geordnete Rückzüge auf feindlichem Gebiet zu meistern — all das wurde von den Revolutionsarmeen damals noch keineswegs beherrscht. Der Sieg, den Dumouriez bei Jemappes davontrug, war die Ausnahme von der Regel. Was die revolutionären Truppen bei guter Führung bereits besser als ihre Gegner bewältigten, gehörte zum kleinen Krieg wie beispielsweise die Verteidigung von Pässen oder Flüssen und die Bewegung in bergigen und waldreichen Gebieten. Gouvion Saint-Cyr, der diese Feststellungen rückschauend in seinen Memoiren traf, verwies dabei auf den Hunsrück als ein Gebiet, das als Kampfgelände sehr genau dem Ausbildungsgrad und Erfahrungsschatz der Revolutionstruppen entsprach.85 Die späteren Marschälle Gouvion Saint-Cyr und Soult haben ebenso wie der Generalstäbler Gay de Vernon den Vorstoß Custines ins Rechtsrheinische einen schweren Fehler genannt, und das nicht nur darum, weil er politisch und militärisch nichts brachte, sondern weil das strategische Interesse Frankreichs unzweideutig den Vormarsch über den Hunsrück an die Mosel forderte, um den Rückzug der Preußen aus der Champagne in Richtung auf Koblenz zumindest zu stören, wenn nicht gar zu unterbinden und ihn die Richtung nach Norden auf Wesel nehmen zu machen.86 Eickemeyer urteilte nicht anders: „Das Unternehmen forderte allerdings einen raschen Entschluß, hätte aber vor Ablauf von elf Tagen, wo der preußische Vortrab bei Koblenz eintraf, ausgeführt sein können. Die Vorteile, welche hieraus für Frankreich erwachsen wären, sind also kaum zu berechnen und würden dem nächsten Feldzuge eine ganz andere Gestalt gegeben haben."87 In der Tat hätte nach dem Fall von Mainz nichts den Marsch auf Koblenz hindern können; man rechnete hier fest mit dem Eintreffen französischer Truppen, und eine landständische Deputation war in Mainz schon vorstellig geworden, um für die Stadt um eine schonende Behandlung zu bitten.88 Custine, dem man nicht nachsagen kann, daß er nicht zu schnellen Entschlüssen fähig gewesen wäre, versagte in diesem Fall. Er wollte die Aufgabe Kellermann übertragen wissen, der den sich inzwischen über Longwy zurückziehenden Preußen am nächsten war. Doch Kellermann hatte andere Pläne. Er dachte überhaupt nicht daran, ins Moseltal vorzudringen und den Preußen den Weg nach Trier und Koblenz zu verlegen, sondern staatsmännerte mit ihnen, um sie von ihrem österreichischen Bundesgenossen zu trennen. Als selbständiger Armeeführer nahm er ebensowenig von Custine wie von Dumouriez Befehle an, der wie Custine Kellermann zu aktiven militärischen Schritten drängte. Wenngleich die Nordarmee des Dumouriez auch nicht eben schnell voranging, errang sie doch am 6. November den überraschenden Sieg über die Österreicher bei Jemappes, der die Eroberung Belgiens im Gefolge hatte. Auch den Vorhaltungen gegenüber, die Paris ihm machte, blieb Kellermann obstinat, so daß der Held von Valmy am 5. November durch den Kommandeur seiner Vorhut, Beurnonville, ersetzt werden mußte. Um einer besseren Koordinierung willen wurde der neue Befehlshaber mit seiner Moselarmee Custine unterstellt.89 Inzwischen hatten die Preußen auf ihrem Rückzug nicht nur Trier, sondern auch Koblenz erreicht. Was knappe zwei Wochen zuvor versäumt worden war, sollte jetzt nach85 86 87 88 89

Gouvion Saint-Cyr, Mémoires, S. 39 f. Ebenda, S. 8; Gay de Vernon, Mémoire, S. 74; Soult, Mémoires, S. 11. Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 161 f. Hansen II, S. 481 ff. Cbuquet, Custine, S. 145 ff.

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geholt werden, allerdings unter sehr viel ungünstigeren Bedingungen. Damals wäre man gleichsam in ein Vakuum vorgestoßen, jetzt hatte es sich mit feindlichen Truppen gefüllt, die erst vertrieben werden mußten. Custine setzte Biron gegenüber durch, daß 15000 Mann aus dem Elsaß abgezogen und zur Verstärkung nach Mainz geschickt wurden. Beurnonville erhielt Order, Trier zu nehmen und moselabwärts nach Trarbach vorzudringen, wo Custine sich mit ihm vereinen wollte, um gemeinsam die Stadt Koblenz zu besetzen. Der nächste Schlag sollte dann gegen das hessen-nassauische Hanau geführt werden, von dem aus zur Aufrollung der vorderösterreichischen Besitzungen im deutschen Süden geschritten werden sollte. Das war nicht nur eine Chimäre, sondern ein schwerwiegendes Hindernis für die Operationen im Linksrheinischen. Nachdem nun einmal den Preußen der Rückzug auf Koblenz gestattet worden'war, verlangte der geplante Vorstoß ins Trierische selbstverständlich die Konzentration aller verfügbaren Kräfte, also die Zurücknahme sämtlicher Truppen aus dem Rechtsrheinischen, die Sicherung der Festung Mainz und die aktive Unterstützung des Vormarsches der Moselarmee durch Custine und seine Armee selbst. Daß Beurnonville Trier nie erreichte, sondern von ganzen 8000 Kaiserlichen zurückgeworfen werden konnte, sprach gewiß nicht für ihn; letztlich hatte es jedoch Custine zu verantworten. 90 Die halben Maßnahmen im Linksrheinischen entsprachen exakt den halben Maßnahmen im Rechtsrheinischen. Was hier an Streitkräften operierte, fehlte dort und war viel zu schwach, um die Preußen nach ihrem Lahnübergang daran zu hindern, sich mit den Hessen zu vereinen. Custine wagte keinen Angriff, sondern zog sich sukzessive zurück und manövrierte dabei so ungeschickt, daß die Frankfurter Garnison am Ende wie in einer Mausefalle saß und nach kurzem heftigem Kampf am 2. Dezember kapitulierte. 91 Custine endete schließlich unter dem Fallbeil. Nicht alle Vorwürfe, die das Revolutionstribunal im August 1793 gegen ihn erhob, waren berechtigt, aber es waren auch nicht alle unbegründet. Die Zeiten waren hart, weil der Revolution solche Gefahren drohten, daß Nachlässigkeit, Unfähigkeit, ja selbst eine bloße Niederlage, die weder Nachlässigkeit noch Unfähigkeit verschuldeten, als Beweis mangelnden Bürgersinnes galten — für Generäle ein todeswürdiges Verbrechen. Custine hat mit seinem Tode ebenso wie Houchard und Biron Platz für bessere Revolutionsgeneräle geschaffen, die aus unteren Chargen nachrückten. So brutal diese Feststellung klingt, so zutreffend bleibt sie. Obwohl das Bild, das'Johann Nikolaus Becker 1799 als ein Verteidiger der Revolution von Custine zeichnete, in vielen Details die Eigenheiten des Porträtierten durchaus traf, wurde es alles in allem dennoch dem Manne und seiner historischen Leistung in keiner Weise gerecht.92 Becker übersah im Nachhinein einen wesentlichen Tatbestand, nämlich daß Custine für einen ganzen Zeitabschnitt zu den besten Generälen zählte, 90 91 92

Ebenda, S. 154ff. Ebenda, S. 184ff. Becker schrieb: „Ewig denkwürdig wird für Mainz der großsprecherische und feige Custine bleiben, der durch seine Gehilfen zuerst am Rhein Furcht und Schrecken verbreitete und allgemeines Freudengeschrei unter den Freunden der Revolution bewirkte. Schade, daß dieser Mann es war, den die ersten Köpfe in Mainz vergötterten und ihm einen Weihrauch streuten, der in Republiken nicht geduldet werden sollte. Seine Proklamationen (meist Böhmers Werke) enthalten alles, was man von der Art lesen kann. Wie staunt man nicht, wenn dieser fahrende Ritter, der nicht einmal Mut hatte, den von der Natur selbst überwundenen Preußen ihre Magazine bei Koblenz wegzunehmen und den unverteidigten Ehrenbreitstein zu besetzen, sich planlos in der Wetterau herumtreibt und gegen den Landgrafen von HessenKassel predigen läßt." Becker, Beschreibung meiner Reise, S. 22.

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über die das revolutionäre Frankreich verfügte. Custine hat einen unverzichtbaren Beitrag zur Herausbildung einer Revolutionsarmee geleistet, die später auch Schlachten zu schlagen, Rückzüge durchzuführen und Siege zu erfechten verstand. Er hat den noch ganz unerfahrenen Revolutionssoldaten mit den überraschenden Erfolgen von Speyer, Worms und vor allem Mainz Selbstvertrauen eingegeben und sie eine revolutionäre Disziplin gelehrt, die ihnen bei der Bevölkerung benachbarter Länder einen Fundus an Sympathie eintrug, der sich erst in Jahren erschöpfte. Custine hatte durch seinen Vorstoß in die Pfaffengasse am Rhein der gesamten selbstherrlichen feudalen Gesellschaft bis tief ins Heilige Römische Reich deutscher Nation hinein das Fürchten beigebracht und zwischen Landau und Bingen Bedingungen geschaffen, die die Gründung der ersten bürgerlichen Republik auf deutschem Boden auf revolutionäre Weise möglich machten.

III. Die Franzosen in Mainz

Nach geschlossener Kapitulation waren die Tore der Stadt für die Bevölkerung geöffnet. Da der 21. Oktober auf den Sonntag fiel, nahm eine große Zahl Mainzer die Gelegenheit wahr, um die Franzosen in ihren Lagern vor der Stadt aufzusuchen. Allen voran stürmten die revolutionsbegeisterten jungen Leute. Der Kaufmannslehrling Johann Alois Becker berichtete: „Sobald man zum Tor hinaus durfte, pflanzten Reichard, Falciola und ich die Kokarden auf und marschierten ins Lager bei Mombach. Wir waren die ersten Mainzer, die da ankamen. Den Franken gefiel unser Besuch außerordentlich, sie reichten uns allen die Hände. Wir hießen sie willkommen und riefen (Vive la Nation!) Sie klatschten uns zu, und das ganze Lager tönte vom @peierf

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im offen Safer« feer Sroitfai * Stopufetif. ,?5 T^o« .Stimmfähigen. Eine Proklamation Custines vom 10. Februar, die angesichts der feindlichen Zurüstungen die Festung Mainz in den Belagerungszustand setzte, hatte das von jedem Einwohner verlangt und den Wohnortswechsel empfohlen, wenn dem nicht entsprochen werden konnte.70 Die Wahlen in Mainz wurden ordnungsgemäß in der Zeit vom 24. bis 26. Februar in den sechs Sektionen durchgeführt und endeten mit der Wahl des Maire Macke, des Gemeindeprokurators Waßmann, eines Prokurator-Substituten, der zwölf Munizipalen, der sechs Munizipal-Suppleanten und der sechs Deputierten zum Rheinisch-deutschen Nationalkonvente. Dieses Ergebnis mit der Namensangabe aller Gewählten verkündete die alte Munizipalität am 28. Februar durch Plakatdruck in der ganzen Stadt.71 Obwohl diese Bekanntmachung zugleich mitteilte, daß sich die neue Munizipalität erst am 3. März — einem Sonntag — feierlich konstituieren würde, begann diese jedoch schon am 1. März mit dem weiteren Ausbau ihrer eigenen Organisation, indem sie vier Komitees einrichtete, deren Mitglieder sich aus ihren eigenen Reihen rekrutierten. Es handelte sich um das Polizei-Komitee, das Justiz- und Kriminalkomitee, das Finanz- und Ökonomiekomitee und das Sicherheits- und Paßkomitee.72 Am 3. März berichtete die neue Munizipalität den Konventskommissären, daß sie vor der Öffentlichkeit „den feierlichen Eid für Freiheit und Gleichheit" geschworen, mithin sich konstituiert hätte; sie dankte den Konventskommissären für die dabei geleistete Hilfe, bat um den „fernem kräftigen Schutz zur Vollendung der Werke, die wir jetzt zum Wohl der Menschheit in unserer Gegend beginnen", und versicherte, „daß wir eher sterben als dem Wohl des Volkes und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit werden untreu werden". 73 Die Zusammensetzung der Munizipalität hatte in der Zwischenzeit eine leichte Veränderung dadurch erfahren, daß drei MunizipalSuppleanten zu Munizipalen aufgerückt waren. Die Wahlbeteiligung war sehr gering gewesen; sie erreichte am 26. Februar nur 372 Stimmen, d. h. etwa 8% der Stimmberechtigten.74 Die bürgerliche Geschichtsschreibung 09 70 71 72 73 71

Cunon>, Parteien, S. 91. MR I, S. 6 9 8 - 7 0 1 Anm. i. MR II, S. 270-272. Ebenda, S. 272f. Ebenda, S. 275 f. Ebenda, S. 277.

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hat diesen Tatbestand gern aufgegriffen, um wilde Berechnungen daran zu knüpfen, die die revolutionären Kräfte auf Null schrumpfen ließen. Was sich in den Tagen vor und nach den Wahlen in Mainz abspielte, war objektiver Klassenkampf, bei dem beide Seiten die Waffen zum Einsatz brachten, über die sie verfügten. Immerhin kam es zu keinem konterrevolutionären Aufstand, obwohl man jenseits des Rheins mit dem Ausbruch von Unruhen gerechnet und preußischerseits militärische Vorbereitungen getroffen hatte, um sie zu unterstützen.75 Natürlich waren die revolutionären Kräfte mit den Wahlergebnissen nicht zufrieden und taten darum eben alles, um sie zu korrigieren. Mit gutem Grund konzentrierten sie sich dabei auf die Bekämpfung solcher Kräfte, die massenhaft konservative Verhaltensweisen pflegten und einer konterrevolutionären Praxis zugänglich waren: Das waren die Zünfte und insbesondere die Zunftvorstände. Als darum am 25. Februar bekannt wurde, daß man in einigen Zünften beschlossen hätte, die den geforderten Eid leistenden Mitglieder aus den Zünften auszustoßen, proklamierten die Konventsund Nationalkommissäre — mit Berufung auf das Dezemberdekret — kurzerhand die Auflösung sämtlicher Zünfte mit sofortiger Wirkung. 76 Da laut Artikel 4 des Dekrets vom 15. Dezember 1792 die Zunftvermögen zu beschlagnahmen waren, machten sich einige Zünfte umgehend daran, die Zunftgelder unter den Mitgliedern aufzuteilen, was wiederum noch die alte Mainzer Munizipalität am 28. Februar zu der Drohung veranlaßte, die eigenen Mittel der Brudermeister einer jeden Zunft zum Ausgleich für das schon verteilte Zunftvermögen heranzuziehen; am Tage darauf bestätigten 31 Brudermeister mit eigenhändiger Unterschrift brav die Kenntnisnahme dieser Verlautbarung. 77 Im Gegensatz zum konterrevolutionären Zunftausschluß, der die Existenz der Eidleistenden ernsthaft gefährden konnte, wurde jetzt mit der Aufhebung der Zünfte eine der wichtigsten Stützen des Ancien régime beseitigt. Es war ein frommer Wunsch der Reaktion, daß mit solcher Maßnahme sich die Abneigung der Bürgerschaft gegen die neufränkische Staatsverfassung noch mehr vergrößern würde. 78 Die Quellen wissen nichts davon. Die Munizipalität war wie die Kommissäre durchaus daran interessiert, die Zahl der Eidesleistungen beträchtlich zu erweitern, ohne daß damit die ordnungsgemäß durchgeführten Wahlen jemals in Frage gestellt worden wären. So gab die Munizipalität am 1. März eine Erklärung heraus, die zum einen mit konterrevolutionären Gerüchten aufräumte, die von der Eidesleistung abhalten sollten, und zum anderen zu nachträglichen Eidesleistungen ermunterte.79 Die konterrevolutionäre Gerüchteküche war außerordentlich erfindungsreich und dabei völlig skrupellos: Die Konventsdeputierten hätten ihre Verfügung zurückgenommen; der Konvent hätte die Verfügung seiner Deputierten kassiert ; die Preußen und Österreicher würden schwere Rache wegen der Eidesleistung an der Stadt nehmen; auf den Eid würde in jedem Falle die Einberufung folgen; der Eid zöge die Trennung vom Papst notwendig nach sich; Eid und Privilegienverzicht unterbänden jede Möglichkeit, außer Landes ein Fortkommen zu finden. Um die durch solche Lügen und Drohungen verwirrten Gemüter zu möglichst schneller Eidesleistung zu bewegen, teilte die Munizipalität mit, daß eine von ihr bestimmte Deputation an den kommenden zwei Tagen auf dem Gemeindehaus die Eide entgegennehme. Außerdem ließ sie sich durch die KonventsEbenda, S. 267. Ebenda, S. 268. " Ebenda, S. 268 f. 78 Hoffmann, Darstellung, S. 758. 79 MR II, S. 2 7 3 - 2 7 5 . 75 76

VII. Die Wahlen im Februar/März

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kommissäre bestätigen, daß sie spätestens am 5. März von det Munizipalität die Listen der Geschworenen wie der Ungeschworenen einfordern würden. 80 In der Tat lieferte die Munizipalität am 5. März eine Liste, die zwar nicht den Erwartungen der Konventskommissäre entsprach, aber eben doch deutlich machte, daß eine nachträgliche Propagierung der Eidesleistung ihre Früchte trug: Vom 28. Februar bis zum 5. März hatten mündlich oder schriftlich weitere 238 stimm- und wahlfähige Bürger den Eid geschworen, so daß die Eidesleistungen auf 610 gestiegen waren, das heißt von 8 auf 13%. 81 Im übrigen blieb selbst der 5. März keineswegs Endtermin für die Eidesleistung, denn Reubell schickte die ihm von der Munizipalität zugestellte Liste postwendend zurück, weil sie viel zu allgemein gehalten war und keine Handhaben bot, um die den Eidverweigerern angedrohten Strafen in die Praxis umsetzen zu können.82 Die von Reubell formulierten ergänzenden Angaben zu machen, ging sicher über die Kräfte der Munizipalität hinaus, die schon mehr als einen Monat gebraucht hatte, um allein die exakte Zahl der Stimm- und Wahlfähigen zu ermitteln. Jetzt wurden diverse namentliche Listen verlangt, die nach Sektionen gegliedert und alphabetisch geordnet enthalten sollten: Erstens die noch ungeschworenen Privilegierten und Nichtprivilegierten, dann die emigrierten bzw. exportierten Privilegierten und Nichtprivilegierten mit Angaben über deren sequestrierte Vermögen, schließlich die geschworenen Privilegierten und Nichtprivilegierten mit Vorschlägen für ihre Verwendung. Es erscheint durchaus fragwürdig, ob die Konventskommissäre tatsächlich die Erfüllung eines derartig komplizierten Auftrages „ohne Aufschub" erwarteten. In jedem Falle aber war mit diesem Auftrag ein nicht näher bezeichneter Zeitraum gewonnen, in dem weitere Eidesleistungen veranlaßt und entgegengenommen werden konnten. Die Klubrede Rougemaitres, die er sicher nicht ohne Wissen der Konventskommissäre am 3. März gehalten hatte, lag Mitte des Monats als gedruckte Flugschrift unter dem Titel vor „Aufruf an die Mainzer Bürger, den Eid für Freiheit und Gleichheit abzulegen". 88 Forster in seinem bemerkenswerten Leitartikel vom 8. März in der Neuen Mainzer Zeitung plädierte ebenfalls dafür, die Möglichkeit für Eidesleistungen zu nutzen, zumal er glaubte, daß bald ein peremptorischer Termin gesetzt würde, der diesen Möglichkeiten ein Ende bereitete.84 Dieser peremptorische Termin wurde allerdings schon nicht mehr von den französischen Kommissären, sondern vom Rheinisch-deutschen Nationalkonvent durch das Dekret vom 27. März gesetzt.85 Allerdings war damit dann doch noch nicht das allerletzte Wort gesprochen, denn der Allgemeine wachthabende Ausschuß der Neuen Allgemeinen Administration unter Joseph Andreas Hofmann ließ noch am 13. April eine geheime Instruktion an die mit den Exportationen befaßten Munizipalen gehen, die ihnen die Möglichkeit einräumte, Exportanten, von deren Rechtschaffenheit und ruhigem Betragen sie überzeugt waren, Erlaubnisscheine zur Leistung des Eides auf der Munizipalität auszuhändigen.86 Nach den im Mainzer Stadtarchiv vorhandenen Unterlagen haben im Februar und März rund 1100 Stimmberechtigte den Eid abgelegt; im April waren es 1400, besonders in der zweiten Monatshälfte; im Mai erhielten nur noch 128 Personen diese Gelegenheit.87 80 81 82 83 84 85 86 87

Ebenda, S. 275. Ebenda, S. 277. Ebenda, S. 277 f. MR I, S. 789-793. MR II, S. 278f. Ebenda, S. 506-510. Ebenda, S. 581. Ebenda, S. 583 f.

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Darstellung

Insgesamt haben also rund 2600 Stimmberechtigte den Bürgereid geleistet, denen nur noch einige hundert Ungeschworene gegenüberstanden; das Verhältnis hatte sich also umgekehrt. 88 Daß die Furcht hier unter den gegebenen Umständen eine maßgebliche Rolle gespielt hat,89 bleibt gewiß unbestritten. Nur kann es nicht angehen, daß bei der entgegengesetzten Entscheidung der großen Mehrheit im Februar der Furcht — damals von der Konterrevolution organisiert — nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wird. A la guerre comme ä la guerre — das gilt auch für den Klassenkampf: Der bürgerlichen Historiographie ist es eigen, jede Form des Drucks, der Lüge und der Drohung ungerührt passieren zu lassen, sofern sie der Konterrevolution dient. Der von Revolutionären ausgehende Druck aber wird moralisch disqualifiziert. Eine merkwürdige Variante verficht Dumont, indem er der neugewählten Mainzer Munizipalität in diesen Auseinandersetzungen um den Schwur auf Freiheit und Gleichheit die Aufgabe zuordnet, „revolutionäre Prinzipientreue und die Interessen der Mitbürger gleichermaßen zu wahren". 90 Ausgangspunkt seiner Überlegungen dazu war sicher der Tatbestand, daß ein maßgeblicher Teil der alten Munizipalität sich in den Tagen vor der Wahl vom Handelsstande für die von ihm betriebene Verzögerungspolitik hatte einfangen lassen. Eine solche Haltung begreift Dumont ganz offensichtlich als Wahrung der „Interessen der Mitbürger". Am Ende seiner Überlegungen steht der Tatbestand eines Zerwürfnisses in den letzten zwei Wochen, die der Kapitulation im Juli 1793 voraufgingen, zwischen der Allgemeinen Administration unter Joseph Andreas Hofmann auf der einen und der Mainzer Munizipalität unter Macke auf der anderen Seite, wobei Dumont wiederum im Verhalten der letzteren eine Interessenvertretung der Mainzer erblickt. 91 Aus der Verbindung beider Punkte ergibt sich für Dumont eine durchgehende Linie für das Verhalten der Munizipalität, die sich gleichsam zwischen den beiden Lagern, zwischen Revolution und Reaktion, bewegt und eine entsprechende Schaukelpolitik betrieben hätte. Es ist dies eine durchaus unzulässige Konstruktion, die im Widerstreit mit allen historischen Tatsachen steht. Die neugewählte Munizipalität war zunächst und vor allem eine auf revolutionäre Weise geschaffene Institution. Natürlich besaß nicht jedes einzelne Mitglied dieses revolutionären Organs die gleiche revolutionäre Reife. Aber als Gesamtheit folgte sie seit ihrer Wahl und insbesondere seit ihrer Konstituierung am 3. März uneingeschränkt der durch das Dezemberdekret und die Konventskommissäre vorgegebenen Linie: „Der edlen, der großmütigen Frankennation hat Mainz dieses glückliche Ereignis, die wichtige Epoche in seinen Jahrbüchern zu verdanken, wo der gekränkte Sklave seine lastenden Ketten abgeschüttelt, ein durch Despotismus sehr gebeugtes Volk seine ursprünglichen Menschenrechte wieder ergriffen und der freie Mann im ganzen Glänze seiner angebornen Würde unter freien Brüdern seine rechtmäßige Stelle wieder eingenommen hat. Doch Ihre rastlosen Bemühungen, Bürger Gesetzgeber, haben nicht wenig zur Vollendung unsers gegenwärtigen Glückes beigetragen." 92 In diesen Worten der eben konstituierten neuen Munizipalität schwang auch nicht mehr die Spur eines Vorbehalts gegen die nunmehr notwendigen Maßnahmen mit, die — wie 88 88 90 91 02

Ein zweites „Verzeichnis der geschworenen Einwohner" im Mainzer Stadtarchiv führt in alphabetischer Reihenfolge 2200 Personen auf. Ebenda, S. 584. Dumont, Mainzer Republik, S. 332. Ebenda. Ebenda, S. 471 f. MR II. S. 275.

VII. Die Wahlen im Februar/März

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Forster in seiner Neuen Mainzer Zeitung vom 8. März zu Recht sagte — nicht ohne Schmerzen durchzusetzen waren, angefangen bei der Kassation aller Privilegien über die Aufhebung der Zünfte und die Eidforderung, die von vielen als „eine Arznei auf Tod und Leben" angesehen wurde, bis hin zu den „Vomitiven und Amputationen", wie Forster die Exportationen bezeichnete. Die Haltung der Mainzer Munizipalität in den kommenden Monaten entsprach durchaus den Umständen, „die man mutvoll ansehen muß, wenn man anders will, daß der sieche Staatskörper endlich einmal kuriert werde, wenn es auch ohne fernere Schmerzen nicht abgehen kann". 93 In Worms stießen die rheinisch-deutschen Revolutionäre zunächst auf ähnliche Schwierigkeiten wie in Mainz. Als erste artikulierte die Geistlichkeit ihren Widerspruch gegen den geforderten Privilegienverzicht, verbunden mit dem Eid für Freiheit und Gleichheit. Die Wormser Munizipalität, der sie am 21. Februar eine entsprechende Vorstellung übergab, reagierte durchaus angemessen: Zum einen äußerte sie ihr Befremden, „daß diejenige Klasse der Bürger, welche vermög ihres Standes die Lehrer des Volkes sein solle, über einen der wichtigsten Gegenstände der Moral und des Menschenrechts, nämlich über Freiheit und Gleichheit, ihre Begriffe zu berichtigen sich die Mühe noch nicht gegeben habe"; zum anderen erklärte sie ihre Unzuständigkeit und überließ es den unterschriebenen Geistlichen, „mit ihrer Erklärung sich hinzuwenden, wo sie es für gut finden werden". 94 Für die innere Festigkeit der Wormser Munizipalität sowohl im Grundsätzlichen als auch im Hinblick auf ihre Verantwortung, die sie weder überschreiten noch geschmälert wissen wollte, steht nicht nur dieses Verhalten. Sie zeigt sich auch im Verkehr mit den von den Konventskommissären vor dem 6. Februar ernannten Subkommissären Betz und Hofmann, die im Wormsischen mit der Sicherstellung von Fourage und feindlichem Eigentum beauftragt waren. Winkelmann ließ, am 12. Februar die Allgemeine Administration wissen, daß die Wormser Munizipalität entgegen vorher geäußerten Rücktrittsabsichten aus Gründen des Broterwerbs — die leeren Kassen machten Gehaltszahlungen unmöglich — geschlossen ihren Pflichten bis zur Volkswahl nachkäme, wenn nicht die Einmischungstendenzen der beiden Subkommissäre in die Justiz- und Munizipalitätsgeschäfte dies unmöglich machen sollten; entsprechende anmaßende Weisungen hatte die Munizipalität bisher den Subkommissären einfach zurückgeschickt. 95 Auf der anderen Seite arbeitete die Munizipalität korrekt mit den gleichen Männern dort zusammen, wo die Kompetenzen sauber geschieden waren. Wenn also beispielsweise Betz als Wahlkommissär am 22. Februar vormittags die Vertreter der 17 Zünfte, der Beisassen und der Judenschaft zu sich rief, um sie auf die Wahlen am 24. Februar vorzubereiten, aber ihnen dann doch einräumte, durch persönliche Vorsprache bei den Konventsdeputierten bis zum 23. Februar abends einen anders lautenden Bescheid zu erwirken, 96 dann setzte sich die Munizipalität nicht einfach über Betz hinweg. Ihre „Ankündigung" vom 22. Februar über den vorgesehenen Wahlablauf in Worms ging eindeutig vom 24. Februar als Tag der Urversammlungen aus, die für einige Stadtteile im Dom, für die anderen in der lutherischen Kirche am Markt stattfinden sollten, ohne daß Gottesdienste sie einleiteten, was bei den vielerlei Bekenntnissen — lutherisch, reformiert und katholisch — schlechterdings auch nicht möglich gewesen 93 91 95 96

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

278f. 257. 217. 257.

Darstellung

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wäre. D i e privilegierten Personen, die keinen eidlichen Verzicht geleistet hätten, mußten bis 7 Uhr früh die Stadt verlassen haben, sofern sie militärischen Zwang vermeiden wollten. Die von Betz den Zünften gemachte Konzession, bei den Konventsdeputierten vorsprechen zu dürfen, um andere Weisungen zu erwirken, wurde von der Munizipalität in der „Ankündigung" kommentarlos in Rechnung gestellt, ohne daß sie sich auch nur im geringsten damit identifiziert hätte. 97 D i e Urversammlungen fanden zwar am 24. Februar statt, aber waren derartig schlecht besucht — die Wormser National-Zeitung sprach von vielleicht 20 Prozent —, daß Wahlen faktisch nicht durchgeführt werden konnten. 98 Das Hauptargument der Boykottierer war die Zusage einer vierzehntätigen Bedenkzeit nach Kenntnisnahme des Dezemberdekrets, das in der Tat durch irgendein Versehen in seinem vollen Wortlaut in Worms nie publiziert worden war. 99 Die Konventsdeputierten reagierten am 25. Februar mit äußerster Schärfe, bestanden auf der Durchführung der Wahlen selbst bei geringster Beteiligung und bevollmächtigten Betz, gegen die Rädelsführer bei Komplotten mit militärischer Gewalt vorzugehen. 1 0 0 Die am selben T a g e vom Zunftdeputierten der gesamten Bürgerschaft formulierte und nach dem Boykotterfolg vom 24. Februar viel weitergehende Bitte an die Munizipalität, bei den Nationalkommissären nicht mehr nur eine Bedenkzeit, sondern den Erlaß des Eides überhaupt zu bewirken, hatte vielmehr die Aufhebung aller Zünfte am 27. Februar zur Folge. 1 0 1 Die Munizipalität machte in diesem Zusammenhang lediglich geltend, daß es ihr nicht angemessen erschiene, alle „Eidscheuen als Feinde und Sklaven zu behandeln". „ D i e Munizipalität hofft mit fester Zuversicht, daß durch diese Sanftmut eine Menge unglücklicher Schlachtopfer der Verführung gerettet und viele im Grunde des Herzens rechtschaffene und würdige Bürger, denen man nichts anderes als Irrtum in den Begriffen vorwerfen kann, für die gute Sache gewonnen werden können." 1 0 2 In diesem Sinne der Berichtigung der Begriffe des großen Haufens war dann auch der Aufruf des Wormser Maire v o m 26. Februar „ A n meine Mitbrüder" abgefaßt, der durch den Druck verbreitet wurde und in der Tat auf eine kluge und zugleich eindrucksvolle Weise die wichtigsten Vorbehalte zu zerstreuen unternahm. 103 Winkelmann kam damit in gewisser Hinsicht sogar der Weisung der Konventsdeputierten vom 27. Februar zuvor, die v o m Maire verlangte, das Seinige zur Realisierung des Dezemberdekrets zu leisten und „ohne alle Rücksicht auf weitere Gegenvorstellung der irregeführten Bürgerschaft die provisorisch anvertraute Gewalt geltend zu machen". 1 0 4 Selbst das Ultimatum des Wahlkommissärs Betz v o m 3. März, das allen privilegierten und nichtprivilegierten Wormser Emigranten bis zum 9. März die Rückkehr unter der Bedingung gestattete, daß sie sich zu Privilegienverzicht und E i d bereit fänden, war schon nicht mehr ganz erfolglos, denn bis zum festgelegten Zeitpunkt trafen immerhin 33 solcher Erklärungen ein. 105 . D i e Proklamation des Stadtkommandanten Dubayet v o m 5. März zeichnete sich zwar nicht durch Originalität aus — Dubayet war ehrlich genug zuzugeben, daß er den Text, 97 98 99 100 101 102 103 104 105

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. 256 f. S. 281. S. 257 f. S. 282. S. 281 f., 283. S. 283. S. 283-285. S. 283. S. 286 f.

VII. Die Wahlen im Februar/März

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der sich vornehmlich gegen den Vorwurf der Gottlosigkeit verwahrte, von einem in den Niederlanden eingesetzten Konventsdeputierten übernommen hätte —, aber erhielt durch ihre beiden Schlußsätze Gewicht: „Das Dekret vom 31. Jänner hat die Frist bestimmt, Euch zu erklären, ob ihr unsere Freunde oder Feinde sein wollt. Diese Frist gehet zu Ende — wir werden Euch alsbald den Tag und den Ort bekanntmachen, wo Ihr Euch vereinigen sollt, um also unabhängig Euer Schicksal selbst zu entscheiden."106 Bereits am Tage darauf nannte Wahlkommissär Betz in einer knapp gehaltenen Proklamation, die auf die bereits am 22. Februar durch die Munizipalität mitgeteilte Organisation der Wahlen verwies, den Termin, der natürlich mit dem Eintreffen des Konventskommissärs Haussmann abends am 5. März in Zusammenhang stand: Der Beginn der Urversammlungen wurde auf den 7. März um 9 Uhr festgesetzt.107 An den Wormser Wahlen in den beiden Urversammlungen nahmen insgesamt 427 Stimmberechtigte teil, die am 7. März bis zur Wahl des Maire Winkelmann gelangten, der auf Anhieb 88 Prozent aller Stimmen erhielt, während Loewer und Kraemer als Kandidaten für das Amt des Gemeindeprokurators nahezu Kopf an Kopf lagen. Da aber keiner von ihnen die absolute Mehrheit erreichte, wurde eine Stichwahl nötig, die am 8. Februar stattfand und zugunsten Kraemers endete.108 Die Wahl Winkelmanns zum Maire am ersten Tage und mit dieser großen Stimmenmehrheit war in der Tat ein überraschend schönes Ergebnis, das die Mainzer National-Zeitung einige Tage später folgendermaßen kommentierte: „Winkelmann, ehemaliger Edelmann, geistlicher Rat, Procurator Cleri und Kanonikus, wurde, welches in hiesiger Stadt, wo der Fanatismus der Lutheraner so groß war, daß man es noch vor wenig Monaten für ein Verbrechen gehalten hätte, einem Katholiken eine Nachtwächterstelle, geschweige denn eine Magistratur anzuvertrauen, gewiß recht viel sagen will, als Maire bestätigt." 109 Am 8. März wurden nach dem Gemeindeprokurator auch die sieben Munizipalen und die drei Suppleanten gewählt, wobei man es für sinnvoll hielt, die weiteren 15 Kandidaten, auf die geringere Stimmenanteile gefallen waren, ebenfalls protokollarisch festzuhalten, um aus dieser Reserve die Ausfälle durch Aufrücken ohne großen Aufwand ersetzen zu können. Die Entlassung der alten und die Installation der neuen Munizipalität erfolgte mit dem nötigen Zeremoniell dann am 16. März.110 Die Wahl der beiden Konventsdeputierten sollte wie in Mainz in der Weise erfolgen, daß jede Urversammlung ihren Deputierten wählte, was jedoch nur in der ersten Sektion bereits am 8. März gelang, wo der Advokat Georg Heisel jun. die meisten Stimmen erhielt. In der zweiten Sektion erhob der reformierte Pfarrer und entschiedene Revolutionär Endemann gegen die Kandidatur des Wahlkommissärs Betz Einwände, die so schwer wogen, daß hier die Deputiertenwahl auf den 17. März verschoben werden mußte. Betz versuchte nun kraft seines Amtes als Wahlkommissär Endemann mit unsauberen Mitteln zum Schweigen zu bringen, aber offensichtlich letztlich ohne Erfolg, denn er brachte es nie zum Deputierten beim Rheinisch-deutschen Nationalkonvent. Der 17. März endete mit einem Patt zwischen Betz und Martin Joseph Schraut, so daß abermals eine Wahl stattfinden mußte, die Schraut — nun schon nicht mehr gegen Betz, sondern gegen Endemann — am 23. März für sich gewann. Es war normal, daß die 106 107 108 109 110

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

287-289. 289. 290f. 290. 291-293.

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Wahlbeteiligung bei diesen Nachwahlen immer weiter absank; am Ende gewann Schraut mit 15 von 23 Stimmen seinen Deputiertensitz.111 Insgesamt jedoch betrug die Wahlbeteiligung in Worms, das etwa 1300 Stimmberechtigte zählte, mit 427 Wählern am 7. März rund 33%, war also relativ hoch und brauchte den Vergleich mit französischen Wahlen durchaus nicht zu scheuen.112 In Speyer lagen die Dinge wieder ganz anders als in Worms oder Mainz. Zunächst spielte die irrige Vorstellung sowohl bei den Franzosen als auch bei maßgeblichen rheinisch-deutschen Revolutionären eine Rolle, daß die Reichsstadt Speyer, in der sich in den vergangenen Jahrhunderten kein Patriziat durchgesetzt hatte, sondern die Zunftoberen den Magistrat beherrschten, so etwas wie eine republikanische Tradition besaß und Begriffe wie Freiheit und Gleichheit zu schätzen wußte. In diesem Sinne war denn auch die Rede angelegt, die Dorsch als Wahlkommissär am 21. Februar in Speyer vor dem Gemeinderat und den Zunftvertretern hielt.113 Das Ergebnis war absolut negativ, denn die Zunftmeister machten noch am selben Tage mobil. Am 22. Februar entstand eine gleichlautende Erklärung aller zwölf Zünfte, worin um die Dispensierung von dem „so nachteiligen Eide" ersucht wurde, und am 23. Februar bevollmächtigten Bürgermeister und Rat der Stadt Speyer eine zweiköpfige Deputation, in diesem Sinne bei den Konvents- und Nationalkommissären in Mainz vorstellig zu werden.114 Natürlich kehrte die Deputation unverrichteter Dinge zurück; um so erfolgreicher dagegen waren die Zunftmeister in Speyer selbst mit den Wahlkommissären Cyrer, Lux, Caprano, Johann Alois Becker und Schlemmer, die mit Dorsch gekommen waren, um die Stadt und das Fürstbistum Speyer zu munizipalisieren. Am 26. Februar vor diese Wahlkommissäre zitiert, handelten sie einen faulen Kompromiß aus, der auf der Fiktion des angeblich republikanischen Charakters der städtischen Verfassung Speyers aufbaute. Die Kommissäre stellten ihnen frei, bei den unabdingbaren Wahlen die gleichen Personen zu wählen, die die gegenwärtige Obrigkeit ausmachten; lediglich der Eid, „Ich schwöre, dem Volke, der Freiheit und Gleichheit getreu zu sein", war eine Conditio sine qua non. Nachdem die Zunftmeister auch darüber beruhigt worden waren, daß sie die beeidete Treue zum Volk nur auf das Volk von Speyer beziehen könnten, Aushebungen jeder Art unterbleiben würden und schließlich Speyer auch nicht zu den Vorreitern bei der Eidesleistung gehören sollte, ging man allerorts befriedigt auseinander.118 Das faktische Überleben des alten Magistrats war der Preis, den die sechs Kommissärs zu zahlen bereit waren, um von einem Wahlerfolg in Speyer berichten zu können, der überdies sich angeblich auch günstig auf die Wahlen in den Ortschaften des Fürstentums Speyer auszuwirken versprach. Der von Mainz aus als unwiderruflich auf den 4. März angesetzte Termin für die beiden Urversammlungen in Speyer konnte nicht gehalten werden, weil sich nach dem Zeugnis des Maire Petersen und des Gemeindeprokurators Reissingers weder in der Lutherischen noch in der Franziskanerkirche mehr als eine Handvoll Stimmfähiger eingefunden hatte. Worms sollte vorangehen und hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschworen. Die sechs nach Speyer geschickten Kommissäre konnten sich über die nunmehr zu ergreifenden Maßnahmen nicht recht einig werden, so daß am selben Tage gegen das 111 112 113 114 115

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

293 f. 294. 252-254. 254f., 297f. 296f.

VII. Die Wahlen im Februar/März

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Votum von Dorsch und Cyrer ein Bericht der übrigen vier Kommissäre nach Mainz abging, der unter allen Umständen die Fortset2ung der bisher geübten Politik der Nachgiebigkeit anriet.116 Der Bericht betonte die grundsätzliche Franzosenfreundlichkeit der Speyrer, ihre innere Bereitwilligkeit zur Wahl, die lediglich durch die panische Furcht vor den Österreichern gehemmt würde, die Nähe der speyerischen Verfassung zur französischen, die notwendige Rücksichtnahme auf die unzureichende militärische Stärke der Franzosen in diesem Gebiet, so daß Gewaltanwendung nicht ratsam erschiene. Alle diese Gründe bestimmten die vier Kommissäre, sich mit einer letztmaligen Absendung einer Deputation der Stadt nach Mainz einverstanden zu erklären, die den Nationalkommissären den notwendigen Aufschub der Wahlen erläutern sollte. Der Bericht machte abschließend nochmals darauf aufmerksam, daß die gutwillige Eidesleistung der Stadt auf die mehr als 40 Dörfer im Speyerischen beispielgebend wirke; weiterhin verwies er auf eine vermutete Konspiration der Gebirgsdörfer in der Haardt mit den Österreichern rechts des Rheins, der man mit bester Behandlung der Gutwilligen begegnen müsse. Schließlich hinge von dem alten Emigrantensammelplatz Worms die Stimmung keines einzigen Dorfes im Wormsischen ab, so daß die Stadt billig mit der Eidesleistung vorangehen sollte. Bericht und Deputation brachten das gewünschte Ergebnis, denn neuer Termin für den Wahlbeginn wurde der 8. März, ein Tag nach dem Beginn der Wahlen in Worms. Die Wahlen verliefen ohne besondere Zwischenfälle, denn mit dem lutherischen Magistrat hatte man eine Übereinkunft getroffen, und der katholische Klerus war in seiner Mehrheit emigriert. Als Einberufer der Urversammlung in der Franziskanerkirche fungierte Gemeindeprokurator Reissinger, während Maire Petersen die andere Urversammlung in der Lutherischen Kirche zusammenrief. Insgesamt fanden sich am 8. März vormittags weit über 500 Stimmberechtigte ein, denn in der Franziskanerkirche allein sollen es etwa 248 gewesen sein,117 während in der Lutherischen Kirche noch am Nachmittag nachweislich 283 von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten.118 Der Vormittag des 8. März verging bei den umständlichen Wahlverfahren, die jeder Urversammlung zu einem gewählten Präsidenten, einem gewählten Sekretär und drei gewählten Stimmensammlern verhalfen.119 Am Nachmittag des 8. März erfolgte die Wahl des Maire und des Gemeindeprokurators, an der sich in der Franziskanerkirche nur noch 199, aber insgesamt in beiden Kirchen 482 Stimmberechtigte beteiligten. Als Maire wurde mit einer absoluten Majorität von 305 Stimmen der 62jährige Speyrer Bürger Johannes Becker gewählt; der bislang als Maire tätig gewesene Petersen, von Custine im November 1792 ernannt, nahm zwar nach Becker mit 46 Stimmen den zweiten Platz ein, aber fiel damit wie ein gutes Dutzend anderer Kandidaten glänzend durch. Dieses Schicksal teilte mit ihm der bisherige Gemeindeprokurator Reissinger, der zwar auch mit seinen 13 Stimmen Zweiter wurde, aber gegenüber dem Speyrer Bürger Karl Anton St. Georgen, der mit 403 Stimmen zum Gemeindeprokurator gewählt wurde, fast zu einem Nichts zusammenschrumpfte. Die Wahlkommissäre aus Mainz — ohne Dorsch und Cyrer — hatten als Beobachter an den Urversammlungen teilgenommen und bestätigten die Gültigkeit ihrer Ergebnisse

116 117 118 119

Ebenda, S. 2 9 9 - 3 0 2 . Remling I, S. 243. MR II, S. 305. Ebenda, S. 3 0 2 - 3 0 4 .

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durch Mitunterzeichnung des Wahlprotokolls.120 Das gleiche geschah am 9. März, als man die acht Munizipalen und vier Suppleanten gewählt hatte, die sämtlich der herrschenden Oligarchie zuzuzählen waren und es auf 158 bis 369 Stimmen für jeden brachten.121 Ebenfalls in Anwesenheit der vier Kommissarien erfolgte bereits am 10. März nach einer Anrede von Lux die feierliche Einsetzung der neuen Munizipalität in ihr Amt, wobei jedes Mitglied — vom Maire und Gemeindeprokurator bis hinunter zum letzten Suppleanten — nochmals dem Volk und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit die Treue schwor. Gleich am Tage darauf meldeten Becker als Maire und St. Georgen als Gemeindeprokurator den Vollzug der Installation den Nationalkommissären in Mainz.122 Man war in Speyer nun wieder ganz unter sich — und das sogar noch mit dem Segen der Mainzer Wahlkommissäre. Das etwas andere Bild, das die Deputiertenwahlen zum Rheinisch-deutschen Nationalkonvent in Speyer wenigstens teilweise boten, änderte an dem genannten Sachverhalt nichts. Es ist richtig, daß der bei der Prokuratorwahl am 8. März so erfolglose Reissinger am 9. März in der Franziskanerkirche bei der Deputiertenwahl auf Anhieb die absolute Mehrheit der 139 anwesenden Stimmberechtigten, nämlich 72 Stimmen, erhielt und mithin einer der beiden Konventsdeputierten Speyers wurde. Aber zum ersten war diese Funktion für die Speyrer Oligarchen keineswegs sehr attraktiv; sie bot dagegen eine günstige Gelegenheit, sich eines wichtigen Mitarbeiters von Petersen zu entledigen. Zum zweiten war durch die Abstimmung in der Lutherir sehen Kirche am 10. März dafür gesorgt, daß der zweite Deputierte von altem konservativen Schrot und Korn war: Max Arnold Fabricius erhielt von 209 Anwesenden 182 Stimmen, während der ebenfalls anwesende Petersen eine einzige Stimme bekam, die wahrscheinlich auch noch von ihm selbst stammte.123 Der Allgemeinen Administration, bei der sich die gewählten Konventsdeputierten nach ihrem Eintreffen in Mainz registrieren lassen sollten, teilte die Speyrer Munizipalität erst am 17. März die Ergebnisse der Wahlen mit, die die Stadt zwischen dem 8. und 10. März durchgeführt hatte. Die Speyrer Munizipalität zeigte nicht die geringste Eile, ihre Deputierten nach Mainz in Marsch zu setzen. Vielmehr sorgte sie dafür, daß der eine, nämlich Reissinger, sich in dem fruchtlosen Bemühen um die Munizipalisierung der bischöflich-speyerischen Ortschaften zerrieb, während sie ihren Fabricius im Comité des logements verwendete, um seine Unabkömmlichkeit zu motivieren.124 Petersens eklatante Niederlage bei diesen Wahlen war zu einem guten Teil selbstverschuldet. Auch er hatte wie Winkelmann in Worms die Möglichkeit gehabt, sich als Maire einen Mitarbeiterkreis zu schaffen, der den revolutionären Grundsätzen anhing und den alten Behörden die Macht aus der Hand nehmen konnte. Er meinte jedoch, an die Spitze des überkommenen Staatsapparates treten und ihn nach seinen sicherlich fortschrittlichen Vorstellungen lenken zu können. Die Probe aufs Exempel lieferten die Wahlen: Die Rücksichtnahme und Nachsicht, die Petersen gegenüber der alten Oligarchie hatte walten lassen, wurde durch absolut nichts gelohnt; der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan und konnte gehen, und die vier rheinisch-deutschen Wahlkommissäre waren in der praktischen Politik so unerfahren, daß sie diesem heimtückischen Streich noch ihren Segen gaben. 120 121 122 123 121

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

304f. 306. 308 f. 306 f. 493.

VII. Die Wahlen im Februar/März

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Nicht so naiv urteilten und handelten dagegen die Konventskommissäre in Mainz. Sie ernannten am 14. März den ehemaligen Maire Petersen zum Nationalkommissär mit dem besonderen Auftrag, in Speyer und Umgegend über das Nationaleigentum zu wachen, gegen Feinde der Republik und Ruhestörer vorzugehen und schließlich Sorge dafür zu tragen, daß die Munizipalität nichts unternehme, was der Republik zum Schaden gereichen könnte. Dem Stadtkommandanten wurde aufgetragen, dem Nationalkommissär gegebenenfalls bewaffnete Hilfe zu leisten.125 Schärfer konnte das berechtigte Mißtrauen in die neugewählte Speyrer Obrigkeit nicht zum Ausdruck gebracht werden. Eine Kopie des Berufungsschreibens für Petersen ging noch am selben Tage an den Außenminister nach Paris, dem in einem Begleitschreiben die Gründe für eine solche Maßnahme erläutert wurden: „Der Bürger Petersen, Maire von Speyer, ist von allen Einwohnern dieser Stadt derjenige, der der Revolution am besten gedient, Patriotismus und wahrhafte Verbundenheit mit den Interessen der Republik bewiesen hat. E s wäre zu wünschen gewesen, daß die Gemeinde ihn in seinen Funktionen belassen hätte, aber der alte Magistrat hat so gut intrigiert, daß es ihm gelang, den einzigen Mann aus der Munizipalität hinauszudrängen, in dessen Patriotismus wir volles Vertrauen haben konnten. Um diesen Intrigen zu begegnen und um nicht die Verwaltung einer wichtigen Stadt Menschen auszuliefern, die sich nicht allein nicht mit unseren Interessen identifizieren, sondern die zudem sehr verdächtig sind, haben wir es für nötig und nützlich gehalten, den Bürger Petersen provisorisch mit den Funktionen des Nationalkommissärs zu betrauen." 126 Bemerkenswert an den Speyrer Wahlen ist schließlich noch, daß sich die Beteiligung mit der in Worms vergleichen ließ; beide Städte hatten etwa 5000 Einwohner, also auch ungefähr die gleiche Zahl stimmfähiger Bürger. In Worms wie in Speyer nahmen rund ein Drittel aller Stimmberechtigten an den Wahlen teil. So weit bestand Übereinstimmung, die allerdings nur äußerlich war. Denn in der Qualität unterschieden sich beide Wahlvorgänge gründlich: In Worms waren es rheinisch-deutsche Revolutionäre, die das Wahlgeschäft steuerten, während es in Speyer vollständig in die Hände des alten Magistrats geraten war. Die zwei Drittel, die in Worms den Wahlen fernblieben, werden in der bürgerlichen Historiographie gern den Gegnern der revolutionären Veränderung zugerechnet. Man strapaziert den Begriff der schweigenden Mehrheit, die sich zum Revolutionsangebot aus diesem oder jenem Grunde nicht äußerte. Folgerichtig müßte nach dieser Methode die schweigende Mehrheit in Speyer — d. h. die zwei Drittel der Stimmfähigen, die hier den Wahlen fernblieben — sich dem alten Magistrat versagt haben, der das Wahlgeschäft leitete und es zugunsten der überkommenen Privilegienwirtschaft lenkte. Wenn auf diese Idee bisher kein bürgerlicher Historiker gekommen ist, so hat das ganz gewiß nicht seinen Grund in der Einsicht, daß unbesehen prorevolutionäre Wertung dieser schweigenden Mehrheit ebenso unsinnig wäre wie die unbesehen konterrevolutionäre Wertung anderer schweigender Mehrheiten anderswo. In Speyer rekrutierten sich die Wähler mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem runden halben Tausend Speyrer, die das Bürgerrecht besaßen, mit der Wahl des alten Magistrats dieses feudale Privileg verteidigten und zudem in der Stimmabgabe auch einigermaßen geübt waren. Mit Sicherheit hat der alte Magistrat nicht den geringsten Wert darauf gelegt, die Zahl der Stimmenden durch Nichtbürger zu vergrößern, und auch keinen Finger dafür gekrümmt. Eben darum ist es auch blanker Unsinn, angesichts der feudalen 125 126

Ebenda, S. 309. Ebenda, S. 309 f.

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Verwurzelung der reichsstädtischen Verfassung von einem „reichsstädtischen Demokratieverständnis" schlechthin zu sprechen und dies sogar noch als „eine echte Alternative zur revolutionären Ideologie" anzupreisen;127 diese angeblich „echte" Alternative hatte nicht die Spur einer Perspektive und war darum auch durch und durch unecht.^28 Obwohl die Wahlen in den großen Städten recht unterschiedlich verliefen, weisen sie dennoch viele Gemeinsamkeiten auf, so daß es gerechtfertigt erscheint, ihnen die Wahlen auf dem Lande in den Dörfern, Flecken und Landstädten gegenüberzustellen. In den großen Städten verfügte die Konterrevolution über soziale Organisationsformen, die in der Feudalverfassung wurzelten und sich für konterrevolutionäre Zwecke mißbrauchen ließen: die Zünfte. Vergleichbares gab es auf dem Lande nicht. Hier hing sehr viel vom Pfarrer und von den Beamten ab, die nicht vor den Franzosen geflohen waren; sie hatten entweder in ihnen die Befreier begrüßt, oder sie sahen ihre Aufgabe umgekehrt darin, die ihnen anvertrauten Landbewohner gegen• revolutionäre Einflüsse zu immunisieren. Beide Typen gab es natürlich auch in den großen Städten, aber ihr Einfluß auf dem Lande war ungleich stärker und vor allem entscheidender. Die Bauern auf dem Lande konnten sich von der Aufhebung der Feudalabgaben einen unmittelbaren handfesten Nutzen versprechen. Für manche Zünfte der Städte dagegen bedeutete die Flucht des Adels und der hohen Geistlichkeit in erster Linie eine Minderung der Kundschaft. Eine bemerkenswerte Bourgeoisie, die aus der Beseitigung der Feudalordnung unmittelbaren ökonomischen Nutzen hätte ziehen können, war nur in Mainz und das auch nur im Ansatz vorhanden. Unter diesen Umständen verwundert es nicht, daß ähnlich wie bei der Dezemberabstimmung die auf dem Lande erzielten Wahlergebnisse alles in allem günstiger als die städtischen ausfielen, obwohl die propagandistische Vorbereitung in den Städten ungleich intensiver war. Diese generelle Aussage schließt nicht aus, sondern bezieht als Tatbestand ausdrücklich ein, daß auch so mancher Ort sich den rheinisch-deutschen Wahlkommissären entschieden verweigerte. Die Gründe waren unterschiedlichster Art: Manches Dorf war durch französische Kontributionen schwer mitgenommen, anderswo fürchtete man die Rache der nahen Preußen, manchmal vermochte auch ein einzelner Geistlicher ein ganzes Dorf mit religiösen Argumenten zur Verweigerung des geforderten Eides zu bestimmen. In jedem Fall stand das gesamte Gebiet, das munizipalisiert werden sollte, unter dem Einfluß einer intensiven konterrevolutionären Propaganda, die vom Rechtsrheinischen ausging und vornehmlich mit heimtückischen Gerüchten, Verleumdungen und Drohungen eine antifranzösische Stimmung zu erzeugen versuchte.129 Der Verlauf der Wahlen auf dem Lande in dem Bereich, der durch Deputierte im Rheinisch-deutschen Nationalkonvent in Mainz vertreten sein sollte, ging in der Regel so vor sich, daß jedem Ort der „Unterricht für die Gemeineversammlungen" und die von Blau verfaßten „Beruhigungsgründe bei den bevorstehenden Wahlen"130 zweifach zugeschickt wurden, damit der Schulheiß im Gemeindehaus und der Pfarrer von der Kanzel die Gemeinde auf die Wahlen vorbereiteten. Das Wahlverfahren, das der „Unterricht" vorsah, war so kompliziert, daß mindestens fünf Wahlgänge nötig wurden, um zunächst zu einem Wahlkomitee zu gelangen, das die Wahlen leitete und die StimDumont, Mainzer Republik, S. 230. MR II, S. 40 f. 128 Ebenda, S. 3 1 1 - 3 1 5 . 130 Ygi_ oben S. 172ff., 178. Außer diesen Flugschriften dienten natürlich noch weitere der Wahlvorbereitung, so die Proklamation Custines vom 16. 2. und die ergänzende der Nationalkommissäre vom 18. 2. 1793. 127

128

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men auszählte, dann den Maire und den Gemeindeprokurator zu wählen, weiterhin in einem gesonderten Wahlgang die Wahl der Munizipalen durchzuführen und schließlich auch noch den Deputierten zum Rheinisch-deutschen Nationalkonvent zu bestimmen. 131 Schon aus zeitlichen Gründen gelang es selten, all diese Wahlen an ein und demselben Tage durchzuführen; außerdem traten häufig zusätzliche Komplikationen auf, wenn keiner der Kandidaten die geforderte absolute Mehrheit erreichte und darum zusätzliche Wahlgänge nötig wurden. Die Entsendung von Wahlkommissären in die einzelnen Orte war unter diesen Bedingungen eine große Hilfe. Sie prüften die Vorbereitung auf die Wahl, bewirkten nötigenfalls auch selbst die Bereitschaft zur Wahl und unterstützten mit Rat und Tat ihre Durchführung. Die Vollmacht, in diesem Sinne tätig zu werden, erteilten ihnen die Nationalkommissäre. Die Masse der Sub- oder Wahlkommissäre stellte Mainz mit seinem Jakobinerklub. Eine bereits Mitte Februar zusammengestellte Liste umfaßte 43 Kandidaten, von denen einer aus der Grafschaft Falkenstein, sieben aus Worms und alle übrigen aus Mainz kamen.132 Nach den bisher bekannten Unterlagen traten nur drei der Genannten nicht als Subkommissäre in Erscheinung, nämlich Martin Krebs, Professor Westhofen und Adam Schalz; alle anderen waren in dieser Funktion tätig. Außer diesen begegnet uns in den verschiedenen Unterlagen noch ein gutes Dutzend neuer Wahlkommissäre. Zum Teil waren es Studenten, die gleichsam als Gehilfen fungierten; zum Teil waren sie offensichtlich auch hinausgeschickt, um sich den einzelnen Gemeinden als Kandidaten für die Wahl zu Konvents deputierten anzubieten; zum Teil kamen sie aus Gegenden, die wie z. B. das Leiningensche erstmals in die Munizipalisierungsbemühungen einbezogen wurden. Im Abschlußbericht der Nationalkommissäre vom 13. August 1793 hieß es darum auch, daß die Zahl dieser Subkommissäre auf 50 stieg, die alle von der Allgemeinen Administration empfohlen worden waren.133 Das Gebiet, in dem diesmal die Munizipalisierung durchgeführt werden sollte, war ungleich größer als jenes, in dem die Dezemberabstimmung stattgefunden hatte; etwa fünfmal mehr Ortschaften als damals waren jetzt einbezogen. Zu dem Gebiet gehörten zunächst die der Allgemeinen Administration unterstellten Landesteile, also das Mainzische, das bischöflich Wormsische und das bischöflich Speyerische — soweit sie auf dem linken Rheinufer lagen — und die Grafschaft Falkenstein, die dem Habsburger gehörte. In völliger Übereinstimmung mit den im Mainzer Klub angestellten Überlegungen, die sogar die pfälzische Neutralität auszuhöhlen trachteten, und natürlich im Einvernehmen mit den Konventskommissären als entschiedenen Verfechtern der Rheingrenze134 wurden in die Munizipalisierungsmaßnahmen zunächst jene Reichsstände einbezogen, die keinerlei politisches Gewicht besaßen, also auch aus einer betont neutralen Haltung kein Kapital schlagen konnten, wohl aber durchaus geeignet waren, als Bestandteile eines angestrebten rheinisch-deutschen Freistaates dessen notwendige räumliche Geschlossenheit zu erhöhen. Unter diesem Gesichtspunkt wurde die Munizipalisierung in den linksrheinischen Besitzungen des Fürsten von Nassau-Weilburg angestrebt, ebenso in dem relativ geschlossenen Gebiet der fünf Linien des Hauses von Leiningen, in der recht zersplitterten Wild- und Rheingrafschaft, in der räumlich einigermaßen geschlossenen, aber von den Besitzverhältnissen her total unübersichtlichen Herrschaft Reipolts131 132 133 131

Vgl. dazu die Wahlen im leiningenschen Albsheim an der Eiß MR II, S. 3 1 5 - 3 1 9 . M R I , S. 722. Ebenda, S. 722f. Ebenda, S. 690f., 693ff. Anm. 1, m, n.

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kirchen, schließlich noch in ein paar Kleinstterritorien und reichsritterschaftlichen Besitzungen, die entweder sich selbst anboten oder gleichsam am Wege oder auch im Wege lagen. Es war keineswegs so, daß dabei die kurpfälzische Grenze „peinlichst respektiert" wurde; 135 allein die häufig genug von zwei und mehr Herren in einer einzelnen Ortschaft beanspruchten unterschiedlichen Feudalrechte sorgten für fließende Grenzen. Der kurpfälzische Resident in Mainz, Freiherr von Reibeid, war keineswegs immer erfolgreich, wenn er im Auftrag seiner Regierung in Mannheim Einspruch gegenüber „Zudringlichkeiten" erhob, denen Orte ausgesetzt wären, über die die Kurpfalz die Oberhoheit ausübte.136 Über die Munizipaüsierungsbemühungen auf dem Lande ist in einer durchaus konterrevolutionären zeitgenössischen Schrift zu lesen: „Die Apostel dieser erbaulichen Sendungen wußten nebst dem Schrecken alles dasjenige, was auf rohe Bauernseelen am sichersten wirkt, Befreiung von allen Abgaben — wie sie nur immer hießen — von allen Fronden, von allen Lasten, vom Rekrutenzuge mit einer solchen Magie vor den Augen ihrer Zuhörer, die mit aufgesperrtem Munde halb betäubt dastanden, vorzuführen, daß sie an verschiedenen Orten ohne weitere Mittel ihren Zweck erreichten, den Freiheitsbaum pflanzten und den Eid durchsetzten."137 So tadelnswert dem Verfasser die Reaktion der Bauern erschien, besaß er doch historisches Verständnis genug, um solches Verhalten als besonders bemerkenswert zu notieren. Bei Dumont ist es genau umgekehrt: Er konzediert zwar auch die „Existenz und Virulenz eines revolutionären Potentials auf dem Lande", aber manipuliert das ihm vorliegende Material in einer Weise, daß der „Widerstand gegen jede Art von Revolution' " am Ende „zum hervorstechenden Merkmal der Munizipalisierung" wird. 138 Wieder einmal ist es die sich jeder politischen Stellungnahme entziehende schweigende Mehrheit, die nach Dumont die Politik macht. Genauso manipuliert er die zeitliche Reihenfolge der Wahlen und erfindet innerhalb der Gesamtwahlkampagne, die sich vom 18. Februar bis zum 30. März hinzog, „einen Höhepunkt" in der Zeit vom 3. bis zum 25. März; 139 da er keinen zweiten Höhepunkt nennt, muß es sich wohl um den Höhepunkt schlechthin handeln. Mit solchem Höhepunkt gelingt es ihm nämlich spielend, das wichtige halbe Hundert Ortschaften aus dem Blickfeld zu ziehen, das sich zwischen dem 18. Februar und dem 3. März oder auch schon früher Munizipalitäten schuf, ohne auf das Beispiel der Städte zu warten. Das nächste halbe Hundert Ortschaften war bis zur Eröffnung des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. März munizipalisiert. Der Rest von rund einem Viertelhundert Ortschaften wählte nur zu einem geringen Teil seine Munizipalitäten erst nach dem 17. März; die meisten von ihnen versagten sich lediglich auf Grund unzureichender Unterlagen einer exakten zeitlichen Einordnung. So etwa muß eine grobe Gliederung des zeitlichen Ablaufs der Wahlen aussehen, wenn sie der historischen Wahrheit entsprechen und nicht ein Wunschbild bedienen soll. Im Mainzischen links des Rheins, das nicht nur die Ortschaften des Kurfürsten und Erzbischofs, sondern auch die reichsunmittelbaren und unter kurmainzischer Oberhoheit stehenden Besitzungen beispielsweise des Mainzer Domkapitels oder der Äbtissin zu Maria Dalheim einbegreift, waren rund 40 Ortschaften zu munizipalisieren, von denen 135 136 137 138 139

Dumont, Mainzer Republik, S. 353. MR II, S. 387f., 390, 394f. Maitis im Genüsse der Freiheit, S. 126. Dumont, Mainzer Republik, S. 353 £ Ebenda.

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nachweislich 29 die Wahlen durchführten; bei weiteren drei Ortschaften spricht die Wahrscheinlichkeit für eine Munizipalisierung. 140 Im Mainzischen bedurfte es nicht des städtischen Vorbildes, um die Munizipalisierung ins Rollen zu bringen, denn an die 20 Ortschaften wählten ihre Munizipalitäten schon vor Mainz. Eine große Bedeutung für das Wahlgeschäft im Mainzischen hatte unzweifelhaft die voraufgegangene Dezemberabstimmung; die Masse der Ortschaften, die damals positiv reagiert hatte, wies auch jetzt gute Resultate auf. Ausnahmen von dieser Regel waren die Orte Ebersheim, Gaubischofsheim und Hechtsheim, die sich jetzt der Munizipalisierung entzogen; zahlreicher jedoch war der umgekehrte Fall, daß Ortschaften wie Gaubickelheim, Marienborn, Neubamberg, Pleitersheim und Zornheim, die sich im Dezember zurückgehalten hatten, nun munizipalisiert wurden. Selbstverständlich sind nicht alle Wahlen im Mainzischen so reibungslos wie in Nackenheim verlaufen, wo sich der Pfarrer an die Spitze stellte und ausnahmslos alle Stimmberechtigten seinem Beispiel folgten. 141 Im Gegenteil, mancherorts mußten wie beispielsweise in Bingen der Pfarrer mit seinen beiden Kaplanen erst über den Rhein gebracht und so die Organisatoren des Widerstandes gegen die Eidesleistung ausgeschaltet werden, ehe man zur Munizipalisierung schreiten konnte.142 Ebenso selbstverständlich wurde in diesem Klassenkampf die Waffe der militärischen Drohung gehandhabt — man befand sich in einem erklärten Kriegszustand. Es gilt dies natürlich für beide Seiten, was die bürgerliche Historiographie immer wieder gern vergessen macht. Von Dromersheim hören wir beispielsweise die schreckliche Geschichte, daß es am 27. Februar „des massiven Einsatzes von mehr als 150 französischen Reitern bedurfte", um wenigstens die Hälfte der Dromersheimer zur Eidleistung zu bewegen". 143 Unter „massivem Einsatz" kann man sich natürlich alles Mögliche vorstellen; ganz gewiß gehört der Tatbestand einer bloßen Machtdemonstration ohne Gewaltanwendung nicht dazu, obwohl gerade dies in Dromersheim praktiziert wurde. Im Mainzischen kam es einzig und allein in Finthen zu einem Truppeneinsatz, den man massiv nennen könnte. Hier wurden sämtliche Stimmfähigen am 15. März unter militärischer Bedeckung nach Mainz geführt, wo man ein knappes Dutzend Rädelsführer über die Rheinbrücke abschob, einige wie den Schullehrer Nuß gefangensetzte und alle anderen mit Zubilligung einer achttägigen Bedenkzeit wieder nach Hause schickte. Dumont behauptet, ohne die Quelle zu nennen, daß Lehrer Nuß noch am 25. März „jeden weiteren Munizipalisierungsversuch für aussichtslos" hielt.144 Dem steht allerdings die Mitteilung von Dorsch gegenüber, die er laut Protokoll am 24. März dem Rheinisch-deutschen Nationalkonvent machte, wonach „der gefangene Bürger Nuß

110 141 142

118 144

MR II, S. 3 1 9 - 3 3 2 . MR I, S. 734f. MR II, S. 3 1 9 f. Dumont leugnet nicht den klaren Sieg der Jakobiner in Bingen, aber reduziert ihn auf das Produkt purer Angst: Angst v o r angedrohter Plünderung, Angst v o r den Subkommissären, die sich als „asiatische Despoten" aufführten, Angst einiger Kaufleute um ihr Eigentum. Die nach Abzug der Franzosen wiedereingesetzten alten Gewalten erhebt Dumont zum Sprecher der Binger Bürgerschaft schlechthin. Bezeichnend ist der feine Unterschied, den Dumont im Hinblick auf die Verfasserschaft der beiden Denkschriften vom 21. 2. macht: „Die Mehrheit der Bürgerschaft verfaßte" die revolutionsfeindliche; „im direkten Gegenzug verfaßten Binger Jakobiner" die revolutionsfreundliche. Dumont, Mainzer Republik, S. 338 f. Dumont, Mainzer Republik, S. 349. Ebenda, S. 351.

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gestern in Gegenwart der Mitglieder der vereinigten Comités den vorgeschriebenen Eid geleistet habe und deswegen auf freien Fuß gesetzt sei".145 Finthen war für den Verlauf der Wahlkampagne im Mainzischen nicht typisch, sondern die Ausnahme. Kennzeichnend vielmehr waren zum ersten der hohe Anteil der munizipalisierten Ortschaften an der Gesamtzahl — rund 75% — und zum zweiten die zügige Durchführung der Munizipalitätswahlen, die in den meisten Ortschaften bereits Ende Februar abgeschlossen werden konnten. Die Vorbereitung auf ein solches Ergebnis durch die vom Klub ausgehende Landagitation und die von der Allgemeinen Administration gesteuerte Dezemberabstimmung liegt auf der Hand und duldet keinen Zweifel. Im Prinzip gilt das gleiche auch für das bischöflich-wormsische Gebiet links des Rheins, nur mit dem Unterschied, daß an den hier erzielten Ergebnissen auch noch die Wormser Munizipalität einen ganz entscheidenden Anteil hatte. Ihr vornehmlich war es zu danken, daß die im Wormsischen zunächst vereinzelt einsetzenden Munizipalisierungswünsche und dann die von der Allgemeinen Administration durch die Dezemberbefragung angeregten Auseinandersetzungen viel weitergetrieben wurden als anderswo. Insgesamt besaß das Hochstift Worms im Linksrheinischen 13 Gemeinden, von denen 7 der Fürst von Nassau-Weilburg zu Lehen genommen hatte, so daß sich Stift und Fürst in die Herrschaft über diese sogenannten Rheindörfer teilten. Von diesen 13 Gemeinden hatten sich bereits im Dezember 1792 und im Januar 1793 nachweislich 9 Gemeinden eine Munizipalität gegeben; von 2 weiteren sind Anstrengungen in dieser Richtung und aus dieser Zeit bekannt ; von Mörsch weiß man nur, daß die Munizipalitätswahlen auf den 24. Februar 1793 angesetzt waren.146 Einzig die Exklave Hettenleidelheim bleibt gänzlich unerwähnt; doch macht die sehr wahlfreudige leiningensche Umgebung es unwahrscheinlich, daß die Wahlbewegung diesen Ort überhaupt nicht berührt haben sollte. Insgesamt wurden also nachweislich 70% der wormsischen Gemeinden munizipalisiert; wahrscheinlich lag die tatsächliche Prozentzahl noch höher. Das Besondere der wormsischen Munizipalisierung war ihre Frühzeitigkeit, wobei die Initiative nahezu durchgängig von den revolutionären Elementen in den Gemeinden selbst ausging, denen die Wormser Munizipalität dann tatkräftige Unterstützung zukommen ließ. Dirmstein, über das ausgiebige Nachrichten vorliegen, kann als ein Musterbeispiel gelten.147 Neuhausen, dessen revolutionärer Impetus nicht hinter dem Dirmsteins zurückstand, ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil hier die Allgemeine Administration vornehmlich durch ihren etwas zwielichtigen Kommissär Betz mit der Wormser Munizipalität in einen zeitweiligen Widerspruch geriet, der jedoch am Ende durch die Eingemeindung Neuhausens in die Stadt Worms gelöst wurde. 148 Der Nachteil der frühzeitigen Munizipalisierung bestand im wesentlichen darin, daß mit ihr noch nicht die Wahlen der Konventsdeputierten verknüpft sein konnten, so daß notgedrungen im Februar/März abermals gewählt werden mußte. Dabei geriet mit Sicherheit einiges durcheinander, denn die Frage, ob zugleich auch die Munizipalitäten neugewählt werden müßten, wurde offensichtlich unterschiedlich beantwortet. Die Wahlen im Bischöflich-Speyerischen links des Rheins waren ganz im Gegensatz zum Mainzischen und Wormsischen ein glatter Mißerfolg. Von den rund 30 Ort145 146 147 148

MR II, S. 480, 494. Ebenda, S. 3 3 2 - 3 4 1 . Ebenda, S. 3 3 3 - 3 3 5 . Ebenda, S. 3 3 6 - 3 3 9 .

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Schäften, über die der Fürstbischof gebot, leisteten nur 5 den Eid und gaben sich Munizipalitäten, also nur knappe 17%. 149 Die Hoffnung des von Mainz nach Speyer geschickten halben Dutzend Wahlkommissäre, daß die Munizipalisierung der Stadt ein Zeichen setzen würde, dem die speyerischen Ortschaften folgten, erwies sich als Trugschluß. Der in der Stadt praktizierte faule Kompromiß, den alten Magistrat faktisch als neue Munizipalität wählen zu lassen, war auf dem Lande nicht nachvollziehbar; ein entsprechender Versuch in Edesheim scheiterte. Auf dem Lande hatten die bischöflichen Beamten das Sagen, angefangen beim Oberamtmann über den Amtmann, Amtskeller, Ausfauth, Amtsschreiber bis hin zu den Stabhaltem, den Ortsvorständen, die alle den feudal Privilegierten zugehörten und die entsprechenden Verzichtserklärungen zu leisten hatten, aber sich ihnen mit Hartnäckigkeit widersetzten. Diese Hartnäckigkeit stand im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie Petersen seine Funktionen als Maire in Speyer und als Kommissär der Allgemeinen Administration im Speyerischen wahrgenommen hatte: Die Zusammenarbeit mit den überkommenen Trägern der staatlichen Gewalt war in beiden Fällen Grundprinzip. In der Stadt Speyer mochte die Illusion vom republikanischen Geist der reichsstädtischen Verfassung manches entschuldigen, nicht so im Speyerischen, wo die bischöflichspeyerische Beamtenschaft ihr Bestes tat, um republikanische Ideen von ihren Amtsbereichen fernzuhalten, was ihnen in den Gebirgsdörfern der Haardt besonders gründlich gelang. Die Fortschaffung leitender Beamte über den Rhein änderte da auch nichts mehr. Hier vermochten selbst militärische Einquartierungen, die mit beträchtlichen Exekutionskosten verbunden waren, nichts auszurichten, zumal die aus dem nahen Landau herangeholten Exekutionstruppen überwiegend lutherisch waren und bei der stockkatholischen Bevölkerung gründlich verteufelt werden konnten. Das Oberamt Kirrweiler blieb gänzlich unbewegt; im Amte Deidesheim leisteten unter massivem ökonomischem Exekutionsdruck außer dem Hauptort gleichen Namens nur Forst und Ruppertsberg den geforderten Eid; im Amt Marientraut waren es Dudenhofen und Harthausen, die kaum anders zu ihren Munizipalitäten gelangt sein werden. Das Regiment des Fürstbischofs Limburg-Stirum war streng und in seiner Strenge konsequent; Mainz war weit und vermochte schon bei der Dezemberabstimmung das Speyerische nicht einzubeziehen; das jakobinische Element war schwach entwickelt und der Leitungsstil des Maires und Kommissärs Petersen nicht geeignet, es zu stärken. Die Wahlen in der habsburgischen Grafschaft Falkenstein fanden fast alle in der ersten Märzhälfte statt und erfaßten etwa die Hälfte aller Ortschaften.150 Die Grafschaft bestand aus einem relativ geschlossenen Teil von 16 Gemeinden mit dem Hauptort Winnweiler und einem halben Dutzend verstreuter Exklaven. Außerdem besaß Falkenstein noch; unterschiedliche Besitzrechte an einer Reihe anderer Ortschaften, darunter an fünf Gemeinden im Stolzenberger Tal, über die zu zwei Dritteln der Herzog von Pfalz-Zweibrücken gebot. Zwei dieser Gemeinden wurden trotz des geringen falkensteinschen Anteils und ohne Rücksicht auf die Zweibrücker Neutralität munizipalisiert. Es entsprach dies der zunehmenden Tendenz sowohl der Franzosen als auch der rheinisch-deutschen Jakobiner, wenig nützliche Neutralitäten im Linksrheinischen zugunsten einer größeren Geschlossenheit des zu republikanisierenden Gebietes zu kassieren; Herzog Karl II. von Pfalz-Zweibrücken war bereits am 9. Februar nach Mannheim geflüchtet. 149

150

Ebenda, S. 3 4 1 — 3 4 6 . Für die Orte Forst u n d Ruppertsberg vgl. Dumont, deutscher Nationalkonvent, S. 146, 175. M R II, S. 3 4 6 - 3 5 0 .

Rheinisch-

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Die Munizipalisierungen, in den verstreuten Ortschaften — unabhängig davon, ob sie sich in ungeteiltem oder geteiltem falkensteinischen Besitz befanden — erfolgten gleichsam en passant. Wahlkommissäre, die dort in Erscheinung traten, hatten kein Mandat des Generalkommissärs der Allgemeinen Administration für das Falkensteinische, Georg Gugel, sondern waren von Mainz aus in der Nachbarschaft eingesetzt, so Fuchs und Falciola in den mainzischen Orten um Wöllstein. Dabei sahen sie auf Forsters Empfehlung auch in der nahen falkensteinischen Exklave Eckelsheim nach dem Rechten. Ebenso verfuhr Pape mit Ott und Fuchs im nassau-weilburgischen Amt Alsenz, von wo sie den Abstecher ins Stolzenberger Tal unternahmen. Über das Wahlgeschehen in den 16 Ortschaften, die den geschlossenen Teil der Grafschaft ausmachten, ist wenig bekannt. Von der Hälfte wissen wir lediglich, daß Wahlen stattfanden und meist lange vor der Eröffnung des Mainzer Nationalkonvents mit der Wahl des Konventsdeputierten endeten. Die große Ausnahme war Winnweiler, der Hauptort, der den anderen bei den Wahlen vorangehen sollte; Winnweiler machte sogar Schlagzeilen.151 Nach der Verhaftung einiger Beamte, die eine Erklärung vorbereitet hatten und angeblich im Namen der Gemeinde die geforderte Eidesleistung verwarfen, hatte Gugel als Wahlkommissär am 23. Februar die Masse der Stimmfähigen in der Kirche versammelt. Präsident und Stimmensammler waren bereits nominiert; Schwierigkeiten machte die Besetzung der Sekretärsfunktion, die anzunehmen der Apotheker sich weigerte. Die dabei entstehende Unruhe nutzte der bisherige Schultheiß Rheinländer, um die Versammlung zu sprengen. Er verurteilte die bisherigen Vorbereitungen als sinnwidrig und forderte die Anwesenden auf, seinem Beispiel zu folgen und die Versammlung zu verlassen. Viele schlössen sich ihm an, der sich nunmehr daran machte, die arretierten Beamten aus ihrem Gewahrsam zu holen, die allerdings „durch stürmende Hand" nicht befreit werden wollten. Als eindeutiger Mißgriff erwies sich dann jedoch Rheinländers Festnahme durch den französischen Leutnant, der in Winnweiler über zwei Dutzend Kavalleristen gebot. Sie wurde der Anlaß zu einem Sturmgeläute, das die benachbarten Walddörfer aufnahmen. Gugels Beruhigungsbemühungen — er hatte übrigens auch die sofortige Wiederfreilassung des Schultheißen verfügt — stießen überall auf Gegenaktionen Rheinländers, der die Unruhe schürte. Die aus den benachbarten Dörfern mit waffenartigem Gerät Herbeieilenden ließ er durch Winnweiler Wirte mit Wein traktieren und gab ihnen sogar einen General in Gestalt des Chirurgus Stumpf aus Lohnsfeld. Rheinländer selbst zog es dann aber vor, seine eigene Sicherheit in der Flucht zu suchen. Natürlich übertrieb die Fama das Ausmaß dieses Aufruhrs ins Maßlose. Ein pfälzischer Bericht aus Alzey vom 27. Februar sprach von Tausenden von Bauern, die alle Anhöhen und Pässe besetzt, alle Hauptstraßen verbarrikadiert hätten und sich auf einen Krieg vorbereiteten. Schon General Landremont, der am 28. Februar von Lautern nach Winnweiler kam, um militärische Macht zu demonstrieren, stieß nirgends auf irgendwelchen Widerstand. Ebensowenig traf Merlin am 1. März auf einen einzigen bewaffneten Gegner, was allerdings seiner Ruhmredigkeit gar nicht behagte; also ließ er in seinem Bericht 4000 Bauern, die die Höhen bei Winnweiler besetzt gehabt hätten, beim bloßen Anblick seiner tapferen Krieger auseinanderstieben. Diese 4000 Bauern geistern seitdem in der bürgerlichen Historiographie als Zeugnis aus berufenem Munde für die Revolutionsfeindlichkeit der ländlichen Bevölkerung im Linksrheinischen bis in die Gegenwart umher. 151

Ebenda, S. 348-350.

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Zweifellos gab es einen Winnweiler Aufruhr, der auf benachbarte Dörfer übergriff und davon zeugt, daß die Bauern in der Tat nicht überall mit dem Revolutionsangebot der Jakobiner etwas anzufangen wußten und sich insbesondere in den zurückgebliebenen Walddörfern auch zu konterrevolutionären Aktionen mißbrauchen ließen. Aber das Ganze war ein Strohfeuer, das die alten Feudalgewalten mehr erschreckte als erfreute und ebenso schnell wieder in sich zusammenfiel, wie es aufgeflammt war. Am 2. März begannen in Winnweiler die Wahlen, die spätestens am 7. März endeten, an dem die Vollmacht des Konventsdeputierten ausgestellt war. Die benachbarten Orte folgten dem Beispiel, so daß am Ende wenigstens 50% der Orte den Eid geleistet hatten und mithin ein gutes Ergebnis erreicht wurde. Das eindeutig beste Wahlresultat wurde jedoch im Leiningenschen erzielt; es übertraf sogar noch das im Mainzischen, obwohl hier die Ausgangsbedingungen alles in allem günstiger waren. Das Leiningensche gehörte zu jenen Gebieten, die zunächst noch nicht als okkupiert betrachtet und darum auch nicht der Allgemeinen Administration unterstellt worden waren. Es gab also hier keinerlei Ansätze zu einer republikanischen Verwaltung, und auch die vom Mainzer Klub ausgehende Landagitation hatte viel eher das Kurpfälzische als das Leiningensche im Visier, sofern sie über den Verantwortungsbereich der Administration hinausging. Die Einbeziehung des Leiningenschen in das zu republikanisierende Gebiet erfolgte erst mit der ernsthaft in Angriff genommenen Umsetzung der Dezemberdekrete in die politische Praxis, d. h. mit der unmittelbaren Vorbereitung der Wahlen im Februar 1793. Dennoch blieb dieses Vorgehen keineswegs eine nur von außen und oben hineingetragene und bestimmte Aktion; nicht allein in den wichtigen Hauptorten wie Dürkheim und Grünstadt, sondern auch in vielen Dörfern gab es rheinisch-deutsche Jakobiner, die von innen heraus und von unten die Munizipalisierungsbestrebungen tatkräftig unterstützten; anders wären die erreichten Resultate nicht zu erzielen gewesen. Günstig wirkte sich auch die relative Geschlossenheit des leiningenschenBesitzes entlang der Weinstraße von Dürkheim über Grünstadt bis Monsheim aus, obwohl sich anderseits fünf leiningensche Linien in diesen Besitz teilten. Er umfaßte 36 Ortschaften, von denen sich 34 im Februar und März Munizipalitäten gaben; das sind 94%. Zusammen mit den leiningenschen Exklaven betrug die Gesamtzahl der Ortschaften 44, von denen 38 munizipalisiert wurden, also 86%. 182 Die Durchführung der Wahlen im Leiningenschen zeichnete sich durch Zielstrebigkeit und straffe Organisation aus. Ein Zentrum der Munizipalisierung wurde Dürkheim, einstige Residenz des Fürsten von Leiningen-Hartenburg-Dachsburg, der sich schon Ende 1792 nach Mannheim abgesetzt hatte. Am 19. Februar trafen in Dürkheim Rompel, Solms und Frank als Wahlkommissäre ein, und schon am 26. Februar nahm eine provisorische Landesadministration unter dem Vorsitz des Pfarrers Franz Anton Zimmermann ihre Tätigkeit auf, nachdem alle den Eid verweigernden fürstlichen Beamten über den Rhein geschafft worden waren. Sie zeigte dies am selben Tage allen inzwischen gewählten Maires und den noch bestehenden Schultheißen an und beauftragte sie, sämtliche Schuldforderungen gegenüber der fürstlichen Beamten- und Dienerschaft aufzunehmen, um aus deren beschlagnahmtem Vermögen die Gläubiger befriedigen zu können. Die Munizipalitätswahlen gingen ohne bemerkenswerte Schwierigkeiten vor sich und waren im wesentlichen bereits Ende Februar abgeschlossen, wobei es sich die drei Wahlkommissäre sogar noch leicht machten und ihre Vollmacht an Einheimische wie den Battenberger Pfarrer Johannes Hoepfner, den Ungsteiner Gerichtsmann Paul RockenEbenda, S. 362 -377.

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bach und an den Präsidenten Zimmermann weiterdelegierten. Nur die drei fürstlichen Exklaven Bechtheim, Waldleiningen und Frankeneck folgten in geringem zeitlichen Abstand erst im März.153 Von dem im ungeteilten Besitz des Fürsten von LeiningenHartenburg-Dachsburg befindlichen Ortschaften hatten faktisch 100% eine Munizipalität gewählt; das in unmittelbarer Nähe Dürkheims gelegene Dorf Grethen, von dem keine Nachrichten vorliegen, gehörte schon zur Kurpfalz. Das andere Zentrum für die Munizipalisierung Leiningens war Grünstadt, das gemeinsam die Residenz sowohl der altleiningenschen als auch der neuleiningenschen Linie der Grafen von Leiningen-Westerburg beherbergte. Jede Linie hatte je 7 Ortschaften in ungeteiltem Besitz; 2 Orte gehörten ihnen gemeinsam, nämlich Grünstadt und Sausenheim, und über die zwei ritterschaftlichen Orte Quirnheim und Wattenheim übten sie gemeinsam die Oberhoheit aus. Von diesen insgesamt 18 Ortschaften wurden 17, also 94%, vermutlich in der ersten Märzhälfte munizipalisiert. Genaue Daten liegen hier in den seltensten Fällen vor. Meist ist nur die Wahl des Konventsdeputierten zeitlich bekannt. Aber sie erfolgte häufig so spät, daß es nicht angeht, die Munizipalitätswahl einfach in die unmittelbare Nähe der Deputiertenwahl zu rücken. Das Beispiel des neuleiningenschen Albsheim an der Eiß belegt diese Feststellung: Während die Munizipalität am 9. März gewählt wurde, erfolgte die Wahl des Konventsdeputierten erst am 26. März.154 Die Erfolge im Leiningen-Westerburgischen sind zu einem wesentlichen Teil dem Wirken Forsters zu verdanken, der zusammen mit Bleßmann am 21. Februar in Grünstadt als Wahlkommissär eingetroffen war und sogleich engen Kontakt zu den dortigen Revolutionsfreunden hergestellt hatte. Am 22. Februar folgte ihnen ein 60 Mann starker Trupp Soldaten, die kurzerhand in die Häuser der gräflichen Beamten und Bedienten einquartiert wurden. Am 23. Februar verlangten Forster und Bleßmann den Privilegienverzicht von den noch anwesenden Mitgliedern der gräflichen Familien mitsamt der ganzen Beamten- und Dienerschaft. Am 24. Februar wurde zwar von Forster noch eine schriftliche Protestation entgegengenommen und an die Konventskommissäre weitergeleitet, aber gleichzeitig trafen neue 150 Mann in Grünstadt ein, die — von einheimischen Republikanern geführt — die beiden Schlösser besetzten, die anwesenden Grafen arretierten und das leiningensche Reichskontingent desarmierten. Am 26. Februar verlangte Forster ultimativ den Privilegienverzicht. Ein Bescheid der Konventskommissäre vom selben Tage wies ihn an, die Grafen als Gefangene zu behandeln und nicht über den Rhein abzuschieben. Am 27. Februar schrieb Forster seiner Frau: „Heute habe ich sie gefangen nach Landau geschickt; die Weiber gehen morgen über den Rhein. So muß uns alles weichen, was der guten Sache widerstrebt." 155 Eine von Merlin und Hofmann am 27. Februar unterzeichnete Proklamation, die am Tage darauf in Grünstadt und darüber hinaus verbreitet wurde, erklärte die Gefangennahme der Grafen als eine Geiselnahme, die den Strafandrohungen beispielsweise des kaiserlichen Abmahnungsschreibens entgegenwirken sollte. Forster und Bleßmann warben für die republikanische Entscheidung mit einer eigenen Proklamation, gegeben in Grünstadt am 28. Februar, worin mit Berufung auf die Dezemberdekrete die Erhebung feudaler Abgaben, von denen mehr als ein Dutzend beispielhaft aufgeführt waren, ein für allemal untersagt wurde.156 153 154 155 156

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

364-370. 315-319. 372. 373 f.

VII. Die Wahlen im Februar/März

203

Der Grünstädter Advokat Parcus, Ende Februar zum Administrator der Staatsgüter bestimmt, gab sich nicht mit dem Titel zufrieden, sondern begann mit der Versteigerung herrschaftlicher Mobilien und Immobilien. Ganz Grünstadt, die geistliche und weltliche Dienerschaft eingeschlossen, war jetzt zum Eide bereit und wählte am 4. März sowohl seine Munizipalität als auch seinen Konventsdeputierten. Dem Beispiel folgten nicht nur sämtliche Ortschaften der beiden Linien Leiningen-Westerburg — Wachenheim einzig ausgenommen —, sondern auch die in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden vier Ortschaften der Grafen von Leiningen-Heidesheim. 1 5 7 Von allen leiningenschen Linien war es allein die der Grafen von Leiningen-Guntersblum, die mit einem schlechten Wahlresultat aufwartete. Eine wesentliche Ursache dafür war zweifellos in der ungünstigen geographischen Lage dieses Besitzes zu suchen: Der Hauptort Guntersblum hatte keinerlei Berührung mit der Masse der Besitzungen der anderen leiningenschen Linien; er bildete zusammen mit zwei anderen Ortschaften einen selbständigen und durchaus unbedeutenden territorialen Komplex. Außerdem gehörten noch drei Exklaven dazu, die vom Hauptort und voneinander weit entfernt lagen. Unter diesen Bedingungen konnte nur in Guntersblum selbst mit Hilfe einer Gruppe entschiedener Revolutionsanhänger die Munizipalisierung durchgeführt werden. 168 Natürlich minderte auch ein Leiningen-Guntersblum das insgesamt hervorragende Resultat der Munizipalitätswahlen im Leiningenschen überhaupt nur ganz unwesentlich. Wenn für das Leiningensche die Zielstrebigkeit und straffe Organisation der gesamten Wahlkampagne charakteristisch war, so daß trotz vergleichsweise geringerer politischideologischer Vorbereitung dort die Ergebnisse sogar die im Mainzischen übertrafen, dann bieten die unmittelbaren Vorbereitungen auf die vorgesehenen Wahlen in den beiden linksrheinischen Ämtern des fürstlichen Nassau-Weilburg das klassische Gegenstück. Sie zeigen, wie Chancen, die selbstverständlich auch hier bestanden, durch ziellose Geschäftigkeit und mangelnde revolutionäre Entschlossenheit restlos vertan wurden. Wie Leiningen gehörte auch der linksrheinische Teil Nassau-Weilburgs zu den Gebieten, die bislang noch nicht als okkupiert betrachtet wurden, aber nunmehr um der größeren Geschlossenheit des zu gründenden deutschen Freistaates willen in die Munizipalisierung einbezogen werden sollten. Beide nassau-weilburgischen Ämter, Kirchheim und Alsenz, waren territorial nicht miteinander verbunden und zählten insgesamt 24 Ortschaften. In Kirchheim trafen am 20. Februar als Wahlkommissäre Forster, Bleßmann, Häfelin und Stumme ein, von denen die ersten beiden allerdings schon am Tage darauf ins Leiningensche weiterreisten. Die verbleibenden Wahlkommissäre zeigten sich ihren Aufgaben nicht gewachsen. Während Häfelin von Ort zu Ort zog und sich darauf beschränkte, die jeweilige Einwohnerschaft mit dem Sinn der Munizipalisierung vertraut zu machen, bewegte sich Stumme nur in der Umgebung Kirchheims; aber keiner von beiden schaffte ein Beispiel, das Schule machen konnte. Den alten Obrigkeiten gelang es nach dem Besuch eines Wahlkommissärs immer wieder relativ mühelos, die jeweilige Gemeinde auf die von Kirchheim bestimmte Linie zu bringen, nämlich eine massive Konfrontation mit dem vom Wahlkommissär geäußerten Begehren zu vermeiden und ihm dennoch nicht zu entsprechen. Stumme in Kirchheim machte noch gute Miene zum bösen Spiel und war ebenso leichtgläubig wie einfallslos, um der Hinhaltetaktik energisch entgegentreten zu können. 159 In dem kleineren Amte 157 158 159

Ebenda, S. 376. Ebenda, S. 377. Ebenda, S. 3 5 0 - 3 5 5 .

204

Darstellung

Alsenz, wo Pape mit Ott als Wahlkommissär seit Anfang März wirkte, sah es nicht anders aus. Allerdings war dieses Gebiet auch von den Revolutionstruppen mit allen Folgeerscheinungen positiv wie negativ so wenig berührt worden, daß die Aufforderung zur Munizipalisierung tatsächlich überraschend kam. Doch nicht diese Situation allein, sondern auch die hektische Betriebsamkeit Papes, der nur als Rhetor extrem radikal auftrat, als praktischer Revolutionär dagegen geradezu hilflos wirkte, machte eine erfolgreiche Munizipalisierung unmöglich; immerhin hatte der Fürst im rechtsrheinischen Weilburg auf Befragen einiger getreuer Beamter im Notfall sogar die Leistung des Eides gestatten wollen, und solche Nachgiebigkeit war selten.160 Daß revolutionäre Entschlossenheit eine ganz entscheidende Rolle spielte, bestätigten die Ereignisse in den drei einzigen nassau-weilburgischen Ortschaften, die tatsächlich munizipalisiert wurden, nämlich in Eisenberg, Göllheim und Kerzenheim. Nicht Stummes Stippvisite am 22. Februar in Göllheim, sondern die von Grünstadt ausgehende Initiative, konkret das Eintreffen Bleßmanns zusammen mit dem bisherigen leiningenschen Regierungsrat Moßdorf am 2. März, brachte die Wahlen in Gang. Auch in Eisenberg und Kerzenheim war es wieder Bleßmann, der am 11. bzw. 12. März zusammen mit Pfarrer Hoepfner aus dem leiningenschen Battenberg den Gemeinden den Eid abnahm. Die Aufsicht über die Wahlen führten dann in Bleßmanns Auftrag am 16. März in Kerzenheim der Grünstädter Advokat Krieger und am 17. März in Eisenberg Pfarrer Simon aus dem leiningenschen Ebertsheim.161 Der erfolgreiche Einsatz leiningenscher Revolutionsfi;eunde als Subkommissäre im nassau-weilburgischen Wahlgeschäft spricht nicht nur für die Stärke der revolutionären Partei im Leiningenschen, sondern erhärtet zugleich die These von der maßgeblichen Rolle der Führungskraft bei der revolutionären Umgestaltung auf zusätzliche Weise. Geradezu überraschend günstig fielen die Wahlen in der Reichsherrschaft Reipoltskirchen aus, denn sie lag zum einen den Zentren der revolutionären Bewegung rein räumlich sehr fern und gehörte zum anderen auch zu den Gebieten, die jetzt erstmalig mit der Notwendigkeit einer Munizipalisierung konfrontiert wurden. Die Herrschaft bildete einen relativ geschlossenen territorialen Komplex mit einer einzigen Exklave in der Nähe; andererseits jedoch waren die Besitzverhältnisse derartig unübersichtlich, daß eine exakte Aufgliederung auch nicht mehr als diese Erkenntnis einbringt. Hauptbesitzer waren die Gräfin Caroline von Isenburg-Büdingen, eine natürliche Tochter des Kurpfälzers, und die Gräfin Hillesheim; aber auch der Grumbacher Wild- und Rheingraf, Pfalzbayern und Pfalz-Zweibrücken erhoben Ansprüche. Als dirigierender Wahlkommissär wirkte hier Anton Fuchs, der am 7. März eintraf, nachdem er zuvor mit Pape und Ott im Stolzenberger Tal Dielkirchen munizipaliziert hatte. Ganz offensichtlich hat er seine Sache in der benachbarten Herrschaft Reipoltskirchen sehr gut gemacht, denn 12 von den 15 Gemeinden — das sind 80% — wählten in der Zeit vom 7. bis zum 11. März sowohl ihre Munizipalitäten als auch ihre Konventsdeputierten. Details über die Wahlen sind nicht bekannt; doch daß Fuchs kaum auf Widerstand, sondern vielmehr auf größte Bereitwilligkeit der Bauern stieß, ergibt sich nicht nur aus dem geringen zeitlichen Aufwand, den er investieren mußte; auch der isenburgische Gefällverweser bestätigte in seinem Bericht vom 6. April, daß das Amt Reipoltskirchen sich in besonderem Maße dem „Freiheits- und Gleichheitsschwindel französischer Freigeisterei" hingegeben habe.162

1.1 1.2

Ebenda, S. 356f. Ebenda, S. 3 5 7 - 3 6 2 . Ebenda, S. 3 8 4 - 3 8 6 .

VII. Die Wahlen im Februar/März

205

Nächst der Reichsherrschaft Reipoltskirchen kann als ein nennenswertes Territorium, das dem zu bildenden rheinisch-deutschen Freistaat eingegliedert werden sollte, höchstens noch der Besitz der Wild- und Rheingrafen zwischen Rhein, Nahe und der Alsenz gelten; insgesamt zählte er ein Dutzend Ortschaften, die jedoch nicht zusammenlagen, sondern sich auf vier voneinander getrennte Gebiete verteilten, die wiederum manchmal noch gedrittelt oder gar geviertelt waren, so daß es vorkam, daß ein Ort mehreren Wild- und Rheingrafen mit unterschiedlichen Besitzrechten gehörte. Infolgedessen sind diese Gebiete auch nicht von einem einzelnen Wahlkommissär oder einer geschlossenen Gruppe bearbeitet worden. In Wörrstadt beispielsweise wirkte der junge Jurastudent Ogg, dem Wedekind zu Hilfe eilen mußte, um die Munizipalisierung durchzusetzen; im benachbarten Obersaulheim genügte dann Oggs Anwesenheit. In Flonheim war Meuth dirigierender Wahlkommissär; nachdem er den Widerstand des dortigen Amtmannes gebrochen hatte, folgten dem Hauptort in der Munizipalisierung auch Bornheim, Uffhofen und Wendelsheim, ohne daß Meuth überall in Erscheinung treten mußte. Merkwürdiges leistete Pape als Wahlkommissär in Gaugrehweiler, wo er bei seinen vielen Reisen mehrfach auftauchte. Ohne seine Anhänglichkeit an die Grundideen der Französischen Revolution preiszugeben, bekam er es fertig, persönliche Freundschaften mit ausgesprochenen Konterrevolutionären zu schließen, ihnen Schutzbriefe auszustellen und schließlich eine Munizipalitätswahl durchzuführen, die nicht nur beträchtliche Abstriche an den dafür erforderlichen Voraussetzungen, sondern ein solches Verfahren auch noch durch seine Wahl zum Konventsdeputierten Gaugrehweilers verdecken wollte. Während die Revolutionsfreunde des Ortes Pape nach vorn zu stoßen bemüht waren, priesen die Feinde ihn noch nachträglich als Schutzengel. Ohne Gaugrehweiler wurde dennoch die Hälfte der zwischen Rhein, Nahe und der Alsenz liegenden wild- und rheingräflichen Ortschaften munizipalisiert.163 Die restlichen nachweisbar munizipalisierten 22 Ortschaften gehörten wirklichen Zaunkönigen oder befanden sich in ritterschaftlichem oder klösterlichem Besitz; in einem Falle nur war es die unhaltbare Exklave eines etwas größeren Feudalherrn, des badischen Markgrafen. Ein Teil von ihnen grenzte an das mainzische Gebiet und wurde darum auch von den dort wirkenden Wahlkommissären in die Munizipalisierung miteinbezogen. Das gilt mit großer Wahrscheinlichkeit auch für das ritterschaftliche Badenheim und die badische Exklave Sprendlingen. Vom klösterlichen Bermersheim ist bekannt, daß hier Meuth zusammen mit dem jungen Falciola das Wahlgeschäft besorgte. Im ritterschaftlichen Hahnheim und in den Ganerbschaften Niedersaulheim und Schornsheim traten als Wahlkommissäre die Mainzer Gaul, Gerhardi und Patocki in Erscheinung.164 Eine andere kleinere Gruppe ritterschaftlicher Besitzungen lag dem südlichen Leiningen mit dem Zentrum Dürkheim nahe, wohin Mainz den Pfarrer Rompel und Solms als Kommissäre schickte, denen sich in Worms noch Ludwig Frank anschloß; für das von dem Kurpfälzer an die Freiherren von Dalberg verlehnte Gerolsheim ist ihre Mitwirkung nicht belegt, wohl aber für Fußgönnheim und Ruchheim, die Frank bzw. Rompel auch als ihren Konventsdeputierten wählten.168 Ein dritter Teil grenzte südlich an die kaiserliche Grafschaft Falkenstein und ist nach dem Winnweiler Spektakel von der sich dort entwickelnden Munizipalisierungsbewegung sicher miterfaßt worden; 163 161

»5

Ebenda, S. 3 7 7 - 3 8 4 . Ebenda, S. 386f., 390f., 394f. Ebenda, S. 392 f., 395.

206

Darstellung

dazu 2ählten die drei Orte der kleinen Grafschaft Wartenberg, nämlich Wartenberg, Rohrbjach und Sembach, und die beiden ritterschaftlichen Ortschaften Münchweiler und Neuhemsbach. Völlig isoliert war einzig der im äußersten Südwesten gelegene sickingische Ort Landstuhl, der dennoch einen Deputierten zum Mainzer Nationalkonvent entsandte.166 Eine sehr viel gewichtigere Sonderstellung als dieses Landstuhl nahmen aber die sieben Ortschaften ein, die im Vorfeld der französischen Festung Landau lagen. Sie standen sowohl unter dem Einfluß der von Landau ausgehenden Propaganda als auch der revolutionären Bewegung, die im zweibrückischen Bergzabern ihren Mittelpunkt besaß und bereits lange vor dem Zusammentritt des Mainzer Nationalkonvents in Paris mit der Bitte um Einverleibung in die Mutterrepublik eingekommen war. Zu den 32 Ortschaften, die diese Bitte äußerten — der im übrigen Paris durch Konventsbeschluß schon am 14. März entsprach —, gehörten fünf Ortschaften, die zugleich Deputierte für den Mainzer Konvent wählten; es waren dies die drei den Grafen von Degenfeld-Schomburg gehörenden Gemeinden Altdorf, Freisbach und Gommersheim, das den Freiherrn von Dalberg gehörende Essingen und schließlich NiederHochstadt, über das der Johanniter-Orden gebot. Diese fünf Gemeinden verkörperten gleichsam den inneren Zusammenhang, der zwischen der Mainzer revolutionären Bewegung und der von Bergzabern bestand. Die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Gemeinden Ober- und Nieder-Lustadt allerdings, die ebenfalls dem Johanniter-Orden zugehörten, munizipalisiert wurden und in Mainz vertreten waren, hatten an der Bergzaberner Aktion keinen Anteil.167 Alle diese Kleinstherrschaften — und die letztgenannte Gruppe bestätigt es im besonderen — sind selbstverständlich nicht nach einem vorbereiteten Plan von Mainz aus in die Munizipalisierung einbezogen worden, sondern mehr oder weniger zufällig dazu gekommen. Zwei Voraussetzungen allerdings waren dabei in der Regel unabdingbar : Erstens eine revolutionäre Gruppierung in jedem Orte, der nach einer Munizipalisierung verlangte; zweitens die örtliche Nähe und die Bereitschaft von Wahlkommissären, dort die nötige Hilfe zu leisten, wo die eigene Kraft nicht ausreichte. Die Wahlen auf dem Lande bestätigten die bereits bei der Dezemberabstimmung gewonnene Erfahrung, daß hier in der bäuerlichen Bevölkerung die entscheidenden Potenzen zu entwickeln waren, die eine revolutionäre Umgestaltung der bisherigen feudalen Verhältnisse zu tragen vermochten. Das Gebiet, in dem die Wahlkampagne sich bewegte, ist etwa durch die Linie Mainz—Bingen—Alsenz—Lauterecken—Landstuhl—Landau—Speyer—Worms—Mainz zu umreißen, aber muß dann um die darin eingeschlossenen neutralen pfälzischen Gebietsteile reduziert werden. Es bleiben so 220 nichtpfälzische Orte übrig, die theoretisch hätten munizipalisiert werden können. Tatsächlich munizipalisiert wurden jedoch nur etwa 140 Orte, aber diese Zahl bedeutete immerhin fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit, gemessen an der Gesamtzahl. Im Vergleich zur Dezemberabstimmung dehnte sich der Aktionsradius der rheinisch-deutschen Jakobiner etwa auf das Fünffache aus. Die Munizipalisierung erweiterte den Kreis der Revolutionsanhänger erheblich.168 Von den 80 Orten, die nicht munizipalisiert wurden, wird vielleicht die Hälfte in irgendeiner Form wegen der Eidesleistung angesprochen worden sein; aber nur die wenigsten haben sich in wirklich harten Kämpfen dem widersetzt. In den meisten Fällen steuerten 166 167

168

Ebenda, S. 386, 394. Ebenda, S. 387, 390, 392 f. Dumont, Mainzer Republik, S. 398.

VII. Die Wahlen im Februar/März

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die alten Obrigkeiten wie beispielsweise im Nassau-Weilburgischen die Gemeinden so, daß sie durch geschickte Hinhaltepolitik der Entscheidung aus dem Wege gehen konnten; dabei leisteten vereinzelt Wahlkommissäre wie im Wild- und Rheingräflichen der weltfremde Pape oder in eindeutig verräterischer Absicht Betz in der Umgebung von Worms169 noch Schützenhilfe. Die andere Hälfte der ungeschworenen Gemeinden ist mit großer Wahrscheinlichkeit gänzlich außerhalb der Reichweite- der Wahlbewegung geblieben. Die Munizipalisierung bis ins letzte Dorf zu tragen, waren die rheinischdeutschen Revolutionäre nicht stark genug. Das insgesamt dennoch erstaunliche Ergebnis insbesondere der Wahlen auf dem Lande — unter Bedingungen erzielt, die schon im Dezember nicht mehr die besten waren, aber sich nun im Februar/März 1793 nur noch weiter verschlechtert hatten — kann niemand leugnen; selbst Dumont nicht, der darum den Sieg in einen „Pyrrhussieg für die frühe deutsche Demokratie" zu verkehren sucht.170 Es lohnt nicht, seinen dabei entwickelten teils skurrilen, teils beamtenhaften Gedankengängen zu folgen. Es genügt, um die erklärte Absicht zu wissen, diesen bürgerlich-demokratischen Wahlen, die nach Jahrhunderten totaler politischer Unmündigkeit und selbst für Generationen danach noch die demokratischsten Wahlen darstellten, die auf deutschem Boden stattfanden, den demokratischen Charakter zu bestreiten. Die Freiheit der Stimmabgabe habe gefehlt, denn Zwang sei im Spiele gewesen. Zwang gegen die Konterrevolution als politische Notwendigkeit, auf die die Mainzer Jakobiner sich beriefen, will Dumont partout nicht gelten lassen.171 Daß die Konterrevolution ebenso mit Zwangsandrohung und Zwang arbeitete, irritiert ihn natürlich überhaupt nicht, denn die Verfechter des Ancien régime vertraten ja auch nicht das Prinzip der Volkssouveränität, waren also keine Demokraten und mußten darum auch nicht seinem liberalen Demokratieverständnis entsprechen. Klio, die Muse der Geschichte, verhüllt hier ihr Haupt. 169 1,0 171

MR II, S. 389. Dumont, Mainzer Republik, S. 398. „Sie beriefen sich damit aber auf eine Situation, wie sie wohl 1789/92 in Frankreich, nicht jedoch 1793 am Rhein gegeben war. Denn eine echte Revolution hätte ja eine Unterdrückung der bislang herrschenden Führungsschicht bedeutet und nicht — wie es in Mainz der Fall war — Repression gegen die Mehrheit der Bevölkerung." Ebenda, S. 395. Mit diesem ex cathedra verkündeten unhistorischen Zerrbild liefert Dumont sein Meisterstück.

VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

Über Zusammensetzung, Aufgabenstellung und Zusammentritt des Nationalkonvents hatte bereits der „Unterricht für die Gemeineversammlungen" vom 10. Februar in seinen Paragraphen 26 bis 32 und 46 das Wichtigste mitgeteilt. 1 Außer Mainz, das zusammen mit Kastel insgesamt sieben Deputierte stellten konnte, und Worms und Speyer, die je zwei Deputierte wählten, stand allen anderen Orten jeweils nur ein Deputierter zu. Als Aufgabe war noch recht allgemein formuliert, über die Verfassung und das Wohl des Landes zu beraten und zu beschließen und eine provisorische Verwaltung einzusetzen. Der Zusammentritt der Deputierten war präzise auf den 10. März festgelegt, aber seine Konstituierung als „Nationalkonvent der mainzischen und angrenzenden diesseits des Rheins gelegenen Länder" von der Anwesenheit von 50 Deputierten abhängig gemacht. Die vorliegenden Akten und andere Materialien erwecken nicht den Eindruck, als ob vor dem geplanten Zusammentritt am 10. März bereits eine gründliche geistige Vorarbeit geleistet worden wäre, im Gegenteil. Selbst die organisatorische Vorarbeit setzte tatsächlich erst im allerletzten Moment ein, indem zum Beispiel die Allgemeine Administration glücklich am 9. März die Mainzer Munizipalität anwies, den großen Saal des Schröderschen Kaffeehauses zu mieten, der aber noch von einquartierten Soldaten frei zu machen war. 2 Erst am 10. März brachte, veranlaßt durch die Konventsdeputierten, die Allgemeine Administration eine Bekanntmachung heraus — zu ihrer Verbreitung durch Verteilen und durch die Presse brauchte sie noch Tage —, wonach die in Mainz eintreffenden Deputierten sich bei der Allgemeinen Administration ausweisen und registrieren lassen sollten. Der Deputierte Kemptens fand am 10. März in Mainz weder einen Versammlungsort noch 50 Deputierte vor, so daß er sich wieder nach Hause begab und auf eine neue Vorladung wartete.3 Die rheinisch-deutschen Revolutionäre hatten in der ersten Märzhälfte noch alle Hände voll zu tun, um die Wahlen zu Ende zu bringen. Der Bericht des Nationalkommissärs Simon vom 9. März an seinen Vorgesetzten, den Außenminister, bestätigte es: Die besten Köpfe waren noch unterwegs, würden aber im Laufe der nächsten Woche zurück sein, so daß er schon eine Verschiebung der Eröffnung des Nationalkonvents auf den 17. März voraussagen konnte.4 Immerhin machten sich dennoch, wenn auch nur vereinzelt, rheinisch-deutsche Revolutionäre schon Anfang März ernsthafte Gedanken über die Aufgaben, die der künftige Nationalkonvent sich stellen müßte. „Was werden die Deputierten in Mainz tun?" 1 2 3 4

MR II, S. 220, 222. Ebenda, S. 401. Ebenda, S. 405. Ebenda, S. 402f.

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fragte eine kleine Flugschrift, die damals beim Buchbinder Zech, in Mainz erschien. Die gegebenen Antworten auf diese Frage erhoben nicht den Anspruch auf Verbindlichkeit: „Prüfet alles, das Gute behaltet."6 Es waren also Denkanstöße, die mit dieser Schrift gegeben werden sollten. Unverkennbar war die Neigung, dem Reich die Zähne zu zeigen. So plädierte der Verfasser nachdrücklich dafür, den Mainzer Konvent als „Nationalversammlung der freien Deutschen" zu bezeichnen, weil ein solcher Name am unzweideutigsten den Kontrast zu „der usurpierenden sogenannten deutschen Reichsversammlung" zum Ausdruck brächte. Weiterhin sollte die Konstituierung nicht nur den Gemeinden zwischen Rhein und Mosel angezeigt werden, die noch keine Deputierten geschickt hätten, um sie zu solchen Entsendungen aufzufordern, sondern auch „den Deutschen jenseits des Rheins mit dem Aufruf, sich an sie anzuschließen, und mit dem Erbieten, diesen Deutschen und den Deputierten, welche sie zu einer eigenen Versammlung ernennen wollen, dazu stets in der Stadt Mainz brüderlich beizustehen". Ein solcher Blick, der mit Erwartung und Bereitschaft auf dem alten Deutschland ruhte, vertrug sich jedoch ohne weiteres mit der dem „Nationalkonvent der freien Deutschen" ebenfalls zugeordneten Aufgabe, „den Bruderbund zwischen den freien Deutschen und den Franken" vorzubereiten und die ersten Schritte zu ihrer Vereinigung zu gehen. In aller Öffentlichkeit und nicht hinter vorgehaltener Hand im vertrauten Kreise hatte hier ein rheinisch-deutscher Revolutionär, dem das Schicksal des rechtsrheinischen Deutschland keineswegs gleichgültig war, ohne den leisesten Skrupel die Vereinigung des Linksrheinischen zwischen Rhein und Mosel mit dem revolutionären Frankreich als unumgänglich angesprochen. Auf französischer Seite war man da sehr viel zurückhaltender, denn kein einziger der massenhaften Erlasse französischer Generale und Kommissäre hat den Anspruch auf Inkorporation erhoben. Simon in seinem Bericht vom 9. März erhoffte und erwartete sie, aber ein entsprechender Beschluß der Deputierten des künftigen Nationalkonvents mußte ihr zugrunde liegen. Die einzige Bedingung, die der rheinisch-deutsche Revolutionär in seiner Flugschrift bei der Übernahme der französischen Gesetzgebung gestellt wissen wollte, war die Berücksichtigung der herkömmlichen Handels-, Post -und gewerblichen Beziehungen, wie sie sich aus den nachbarschaftlichen Verhältnissen entwickelt hatten. Auf französischer Seite war es natürlich vor allem der Nationalkommissär Simon, der sich — wahrscheinlich in engem Konnex mit den besten Köpfen unter den rheinischdeutschen Jakobinern — über die Arbeit des Nationalkonvents Gedanken zu machen hatte. In dem schon mehrfach erwähnten Bericht vom 9. März steht im Zentrum das Problem des Nebeneinanders von Klub und Nationalkonvent. Ungeachtet der Tatsache, daß sich die Masse der Wahlkommissäre aus dem Klub rekrutierte, ging es mit ihm seit etwa Mitte Januar insgesamt bergab. Die spürbare Häufung von Klubaustritten aus Furcht vor den nahen und sich zu einem neuen Waffengang rüstenden Preußen, also vor der möglichen Rückkehr der alten Herrschaften, die Vergeltung nicht nur angedroht hatten, sondern sie auch üben würden, gab dem handgreiflichen Ausdruck. Simon wollte das Problem in zwei Etappen lösen, die er in seinem Bericht vom 9. März dem Außenminister erläuterte.6 Zunächst sollte der Klub beschließen, sich von allen seinen Mitgliedern zu trennen, die an den Wahlen in Mainz nicht teilgenommen hatten. Diese Idee war übrigens nicht neu, denn Cotta hatte diese Forderung bereits am 26.

5 8

Ebenda, S. 399 f. MR I, S. 737, 771.

VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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und 27. Februar im Klub erhoben. 7 Metternich hatte sie am 5. März erneut aufgegriffen. 8 Wedekind schließlich wollte, daß endlich Nägel mit Köpfen gemacht würden, und beantragte am 7. März, die Namen der betreffenden Mitglieder in der nächsten Sitzung zu verlesen. 9 Wahrscheinlich meinte Simon den Wedekind, wenn er in seinem Bericht von einem Freunde sprach, der diese Motion im Klub durchgesetzt hätte, so daß am 9. März mit seiner Realisierung gerechnet werden könnte. Die an diesem Tage im Klub tatsächlich verlesene Liste erregte aber heftigsten Widerspruch, weil sie vorn und hinten nicht stimmte. Deshalb traten die einen für eine Vertagung ein, bis eine zuverlässige Liste erarbeitet wäre, während nach langer Debatte eine Mehrheit die Streichungen zwar durchführen, aber als provisorisch betrachtet wissen wollte, so daß jeder Gestrichene, der den Beweis seiner Eidesleistung erbrachte, wieder in den Klub aufgenommen werden mußte. 10 Solche Prozeduren zogen sich erfahrungsgemäß endlos hin, so daß Simon nach einem anderen legitimen Auskunftsmittel griff und Merlin veranlaßte, den Klub am 14. März aufzuheben, um an seine Stelle eine erneuerte Gesellschaft zu setzen.11 Solche Erneuerungen, Reinigungen, Spaltungen, Neugründungen, verbunden mit der Trennung von einstigen Mitgliedern, gehörten zu den Praktiken nahezu jedes bemerkenswerten französischen Klubs, begleiteten die Geschichte aller und markierten den Aufstieg der Revolution. Die andere Idee dagegen war durchaus neu und kann zumindest im rheinischen Gebiet von Simon für sich beansprucht werden. Cotta zum Beispiel vertrat zumindest noch bei Beginn der Wahlen in der zweiten Februarhälfte die merkwürdige Vorstellung, daß ein Klubmitglied kein öffentliches Amt bekleiden sollte. Er brachte diesen Gedanken am 19. Februar als eine Motion in den Klub ein, über die man deliberieren sollte. Man deliberierte, aber man ging dann doch bald zur Tagesordnung über. 12 Vielleicht läßt sich diese seltsame Auffassung aus der bloßen Verärgerung des Klubpräsidenten Cotta über die überraschende Abwesenheit so vieler wichtiger Klubmitglieder erklären, die als Wahlkommissäre abgegangen waren, ohne an ihre Klubfunktionen zu denken und für Ersatz zu sorgen. Simon jedenfalls verfolgte Pläne, die denen Cottas durchaus entgegenstanden. Er dachte umgekehrt daran, die Nationalkonventsdeputierten für eine aktive Tätigkeit im Klub zu gewinnen, der wichtige Materialien vorbereiten könnte, über die der Konvent dann zu beschließen hätte. Eine Zusammenführung der Deputierten mit den alten Klubmitgliedern, die die Reinigung durchgestanden hatten, garantierte eine gute Zusammensetzung; die Beratungsgegenstände waren von allgemeinem Interesse, so daß der Klub eine große Zuhörerschaft, Vertrauen und Achtung gewinnen könnte. 13 In der Tat wurde der neue Klub, in dem „jeder auswärtige, vom Volk erwählte Beamte . . . bei jeder Anwesenheit in hiesiger Stadt Sitz und Stimme" hatte, am 15. März konstituiert und Georg Forster tags darauf als sein Präsident gewählt. 14 ' Ebenda, S. 794. 8 Ebenda, S. 795. 9 Ebenda. 10 Ebenda, S. 803 f. 11 Ebenda, S. 810. 12 Ebenda, S. 721. 13 M R II, S. 403. 14 M R I, S. 810f. Auch das Munizipalitätspersonal — nicht nur die Konventsdeputierten allein — gehörte gleichsam ex officio dem Klub an. Nach dem Zeugnis Retzers bezeichneten Merlin und Reubell die von ihnen zusammengerufenen Angehörigen der Mainzer Munizipalität als „geborene Klubisten". Ebenda, S. 816.

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Die erste große Rede im erneuerten Klub wurde einen Tag nach der Eröffnung des Nationalkonvents von Charles-Jean Rougemaitre am Montag, dem 18. März, gehalten.15 Sie handelte von der Notwendigkeit der schnellen Auflösung des alten Klubs, der seine Untauglichkeit schon dadurch bewiesen hätte, daß er sich nur zu einer provisorischen Ausstoßung derjenigen bereit fand, die nicht an den Wahlen teilgenommen hatten. Rougemaitre beschuldigte ihn, bei der Mitgliederaufnahme leichtfertig gehandelt, sich mit Kleinigkeiten und Privatzwisten abgegeben und auch den Ton verfehlt zu haben, der das Volk erreichte. „Da aber die Zeit kostbar und äußerst dringend ist; da es notwendig ist, die wichtigen Sachen, die in der Nationalversammlung der freien Deutschen jet2t vorkommen werden, zuvor in einer Gesellschaft freier und aufgeklärter Männer vorzubereiten, damit nicht durch übereilte Vorschläge und enthusiastische Reden dem Bürger nachteilige Schlüsse gefaßt werden, so mußte eine gesetzmäßige Gewalt diese unfruchtbar gewordene Gesellschaft trennen." 16 Was der neugegründete Klub leisten sollte, faßte Rougemaitre in den einen Satz: „Hier ist die Schule, wo die Gesetzgeber der freien Deutschen über das Schicksal des Volkes ihrer ganzen Würde gemäß zu entscheiden lernen!" 17 Das war die Konzeption Simons, die allerdings in den knappen zwei Wochen bis zur Selbstauflösung des Konvents Ende März ganz gewiß nicht mehr voll zum Tragen gebrächt werden konnte. Es ist kein Protokoll überliefert, in dem die Verhandlungen des neugegründeten Klubs festgehalten sind. Immerhin bestätigte der Bauerndeputierte Tischleder aus Dromersheim, daß „alle Beschlüsse", die der Konvent dann faßte, „vorher schon im Klub verabredet worden seien". 18 Der Sekretär des neuen Klubs, Johann Weiß, gab in seiner späteren Untersuchung zu, die im Klub verfaßten „sogenannten Petitionen freier Bürger an die Repräsentanten der rheinisch-deutschen Nation" für die Vereinigung mit der Frankenrepublik mit unterschrieben zu haben.19 Das Mitglied Retzer schließlich erinnerte sich einer im zweiten Klub gehaltenen Rede Wedekinds, „worin er zu beweisen gesucht habe, daß die Güter derjenigen, welche den Konstitutionseid nicht leisten wollten, konfisziert werden mußten,..." 2 0 Wenigstens im Ansatz scheint also der Klub die ihm von Simon zugedachte konzeptionelle Vorarbeit für den Konvent geleistet zu haben. 21 Neben dem Problem des Miteinanders von Klub und Konvent, für das er schon eine akzeptable Lösung anbieten konnte, streifte Simon in seinem Bericht vom 9. März auch die leidige pfälzische Neutralität, die die erstrebenswerte Abrundung des munizipalisierten Gebietes unmöglich machte; aber er erwartete auf diese Frage noch keine unmittelbare Entscheidung. Der Außenminister, der den Bericht erst am 16. März empfing und am 20. beantwortete, hielt jedenfalls die Zeit für noch nicht gekommen

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Ebenda, S. 8 1 1 - 8 1 5 . Ebenda, S. 814. Ebenda, S. 815. Ebenda, S. 816. Ebenda. Ebenda, S. 817. Für das große Programm, das der Konvent in kurzer Zeit zu realisieren hatte, reichte solche Vorarbeit natürlich nicht aus. Schon sehr früh entstand darum ein eigener Konventsausschuß, der sich jeden Abend um 9 Uhr bei Forster versammelte, um die nächste Konventssitzung vorzubereiten. Diese Mitteilung machte Forster am 21. 3. brieflich seiner Frau und bestätigte später auch Simon, der die Idee zu einem solchen Ausschuß entwickelt haben wollte. Ebenda, S. 816.

V m . Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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um mit dieser Neutralität ein Ende zu machen.22 Das hinderte Forster jedoch nicht, am 15. März seiner Neuen Mainzer Zeitung eine achtseitige Flugschrift als Beilage mit auf den Weg zu geben, die sich schon nicht mehr mit solch einer untergeordneten Frage wie der pfälzischen Neutralität beschäftigte, sondern klar und deutlich mit der Notwendigkeit der Rheingrenze und den Vorteilen einer Vereinigung mit Frankreich.23 Der Verfasser sollte angeblich ein fränkischer Bürger sein, der sich an die Deutschen 'diesseits des Rheins wandte. Es gibt gute Gründe, diese Angabe zu bezweifeln, denn Bamberger hatte völlig recht, als er den Reaktionären und Franzosenfressern seiner Zeit die Tatsache entgegenhielt: „In keinem einzigen der massenhaften Erlasse der französischen Generäle und Kommissarien erhebt sich der Anspruch an eine Inkorporation."24 Es wird nicht bestritten, daß die Flugschrift der innersten Überzeugung der in Mainz wirkenden Konventsund Nationalkommissäre Ausdruck gab; aber sie hatten es gar nicht nötig, die ihnen durch Direktiven gezogenen Grenzen zu überschreiten, denn es gab genug rheinischdeutsche Revolutionäre, die fähig und bereit waren, die gleiche Position in der Öffentlichkeit zu vertreten. Georg Forster beispielsweise hatte bereits in seiner ersten großen Klubrede am 15. November 1792 den Rhein die natürliche Grenze Frankreichs genannt, die als billige Entschädigung für den so mutwillig veranlaßten Krieg zu fordern die Republik das Recht besäße.25 Es ist keineswegs auszuschließen, daß der als Beilage zu seiner Zeitung am 15. März verbreitete „Aufruf an die Deutschen diesseits des Rheins von einem fränkischen Bürger" wiederum aus der Feder Forsters stammt, der nicht nur mit den Auffassungen der Kommissäre bestens vertraut war, sondern sie teilte und dabei eine Position einnahm, die er auf den Tag genau vor vier Monaten auch schon mit Entschiedenheit vertreten hatte. Der Verfasser, der sich ja als Franzose gab, leitete die Rheingrenze aus Gründen der notwendigen Verteidigungsfähigkeit ab, die immer noch gefährdet blieb, wenn diesseits der Grenze Menschen hausten, die nicht feierlich anerkennen wollten, „daß man dem Volke treu sein und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit nachleben müsse".26 „Feind ist jeder, der mir schadet. Ich bin befugt, das zu hindern, und alles, was zu dem Zwecke führt, steht mir frei. Nötig ist aber, daß wir solche Menschen hindern, uns zu schaden. Wir begnügen uns nun damit, sie fortzuschaffen. Auf die Art schränken wir niemands Freiheit ein, dringen niemand unsere Überzeugung auf. Wer nicht schwören will, der entferne sich, das ist alles, was wir bisher verlangten. Wir hätten überdem das Recht, jedem der sich entfernen will, sein Vermögen einzuziehen, weil er uns damit schaden kann; wir hätten auch das Recht, ihn schwören zu lassen: daß er niemals die Waffen gegen uns ergreifen oder sonst feindselig handeln wolle. Aber wir sind so großmütig, die Entscheidung hierüber denen zu überlassen, die für die Annahme unserer Grundsätze gestimmt haben. Meiner Meinung nach ist es übrigens nicht hinlänglich, daß Ihr diesen Eid schwört; ich finde es auch Eurem Vorteile wie unserm Interesse nach notwendig, daß Ihr Euch mit uns vereiniget. Euerm Vorteile, weil Ihr ohne unsern Schutz eine Beute der Despoten werden würdet, weil Eure Lage, die an sich zum Handel so günstig ist, die größten Vorteile Euch versichern wird, wenn Ihr mit uns vereiniget seid; unserm Interesse, weil wir die Rheinufer nicht einem kleinen 22 23 24 25 26

MR II, S. 403 f. Ebenda, S. 406 - 4 1 1 . Bamberger, Französelei, S. 173. MR I, S. 226. MR II, S. 408.

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Darstellung

schwachen Volke zur Verteidigung übergeben und ihm die Festung Mainz und Kastel nicht überlassen dürfen usw." 87 Die Vorteile einer Vereinigung mit Frankreich, die ja eine Vereinigung mit der Freiheit bedeutete, führt die Flugschrift noch sehr viel breiter aus, wobei sie einräumt, daß der Krieg so seine Schwierigkeiten mit sich brächte; der dann erkämpfte Frieden jedoch garantierte ihren vollen Genuß. Anlage und Ton dieser Flugschrift entsprachen einer grundsätzlichen Erkenntnis, die Georg Forster im Zusammenhang mit der anfänglichen Widersetzlichkeit der Einwohner Winnweilers und ihrem schnellen Einlenken gewonnen hatte: „Die Leute haben einmütig geschworen, sobald sie sahen, daß man nichts Unbilliges wollte und daß es nicht an Kraft fehlte, das Dekret vom 15. Dezember in Erfüllung zu bringen." 28 Bis zu einem gewissen Grade übernahm die Flugschrift auch die Aufgabe, die Simon wie Forster vom Pariser Konvent geleistet wissen wollten, nämlich der kaiserlichen Reichsachterklärung vom 19. Dezember 1792 in aller Form und mit Entschiedenheit eine offizielle Verlautbarung entgegenzusetzen. Ihre Proklamation vom 17. Februar hatten die Nationalkommissäre als „eine einstweilige Erklärung im Namen der freien fränkischen Nation" betrachtet, dem die gewichtigere des Konvents folgen würde. 29 Noch in seinem Bericht vom 9. März drängte Simon den Außenminister, in dieser Richtung auf den Konvent einzuwirken, der bislang immer noch nicht reagiert hatte.30 Alles in allem und verglichen mit früheren Aktivitäten war die Vorbereitung auf den Zusammentritt des Mainzer Nationalkonvents doch schon etwas kurzatmig. Der Zeitdruck war enorm. Forster schrieb seiner Frau am 17. März: „Die Stadt Mainz ist nur zur Hälfte gut und kaum das. Auch sind noch viele Dörfer zurück. Allein wir fangen einstweilen an; die übrigen werden schon folgen." 31 Eine als Einzeldruck am 16. März verbreitete „Nachricht", die namens der Allgemeinen Administration ihr Vizepräsident Forster und Sekretär Degenhard unterzeichneten, teilte sachlich und nüchtern mit: „Jedermann sei zu wissen, daß die Deputierten der freien deutschen Gemeinden zum Nationalkonvent in Mainz sich morgen, Sonntag, den 17. März, um acht Uhr vormittags in dem Hause der Allgemeinen Administration oder dem ehemals sogenannten Deutschen Hause im großen Saal bei offenen Türen versammeln werden, um in Gegenwart des freien Volks ihr Geschäft anzutreten."32 Die Meldung vom selben Tage, die Forster in seine Zeitung vom 17. März einrückte, hatte für dieses Ereignis sehr viel mehr Pathos übrig: „Hehr und herrlich steht der Genius deutscher Freiheit da; er schüttelt seine Flügel in jugendlicher Kraft und schaut zürnend auf die Feinde umher; eine Träne des Mitleids füllt sein Auge, indem es die verödeten Fluren jenseits unseres Flusses durchirrt, wo Despotenwut noch grinst und mit neuen Ketten droht." 33 Aber es war nicht die Nacheiferung, die der Genius deutscher Freiheit von den noch Verblendeten verlangte, sondern lediglich der Frieden; andernfalls drohte er ihnen mit Vernichtung. Am 17. März war in der Tat auch die letzte Bedingung erfüllt, die der „Unterricht" gesetzt hatte, damit der Konvent sich konstituieren konnte: In der Zeit vom 11. bis 27 28 89 30 31 32 33

Ebenda, S. 409. Ebenda, S. 350. MR I, S. 714. MR II, S. 403. Ebenda, S. 412. Ebenda. Ebenda, S. 411 f.

VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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zum 17. März hatten sich insgesamt 59 Deputierte bei der Allgemeinen Administration als bevollmächtigt ausgewiesen und registrieren lassen.34 Die noch säumigen Ortschaften mahnte am 19. März Dorsch als Präsident der Allgemeinen Administration, die gewählten Deputierten umgehend nach Mainz zu schicken; dabei haben die Munizipalitäten es sicher mit Freude vernommen, daß nicht jede Gemeinde für ihren Deputierten, sondern das ganze Land die Kosten für den Unterhalt aller Deputierten in Mainz trüge. 36 Am 23. März war die Zahl der registrierten Deputierten auf 90 angewachsen, denen in den darauffolgenden drei Tagen noch weitere 8 folgten. 36 Nachdem der inzwischen konstituierte Konvent selbst am 23. März ein Strafdekret für säumige Gemeinden bzw. Deputierte erlassen und die Allgemeine Administration beauftragt hatte, diesen Beschluß gezielt und umgehend bekanntzumachen, trafen bis zum 30. März abermals 27 Deputierte ein.37 Insgesamt wurden nach diesen vorliegenden Listen sukzessive 125 Deputierte von der Allgemeinen Administration registriert; doch bedarf diese Zahl zumindest noch zweier Korrekturen: Obwohl Gerhard Fring als Deputierter Kemptens der erste war, der überhaupt registriert wurde, 38 ist er in der alphabetischen Liste vom 23. März vergessen worden; dem Deputierten von Gauböckelheim, Michael Borck, der am 20. März vom Konvent angenommen wurde, 39 geschah das gleiche. Die Gesamtzahl der Deputierten, die nach Mainz kamen, betrug also 127. Zu den namentlich bekannt gewordenen Deputierten, die ainz aus verschiedenen Gründen nicht erreichten, gehörten die Vertreter Speyers, Friedrich Reissinger und Max Arnold Fabricius, und der in Gaugrehweiler gewählte Pape.40 Dazu kamen der Deputierte aus Ruppertsberg, der seine Reise nach Mainz wegen der sich nähernden Preußen in Worms abbrach, und Georg Resch aus Forst, der dabei in Gefangenschaft geriet und auf den Königstein gebracht wurde; der Deputierte Karst von Gaulsheim erkrankte und schickte als Ersatzmann Barth, den der Konvent nicht akzeptieren konnte,

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Ebenda, S. 413—416. Genaugenommen hatten nur 58 Deputierte das Recht, sich so zu nennen, denn in Bretzenheim hatte man inzwischen zwei Deputierte gewählt, nämlich am 20. 2. Boost, der sich aber schließlich von Wendelsheim deputieren ließ, so daß Bretzenheim am 10. 3. abermals wählen mußte und nun Michel Nunheim zu seinem Deputierten bestimmte. Ebenda, S. 416. Ebenda, S. 4 1 7 - 4 1 9 . Ebenda, S. 485f. Anm. g, 420 —422. In der hier angeführten Liste sind unter Nr. 14, 21 und 22 Isselhard, Gaul und Petri vermerkt, die sich jedoch schon im Nachtrag zur Liste vom 23. 3. finden und nicht doppelt gezählt werden dürfen. An ihre Stelle treten jedoch Bingens Deputierter Bittong und Sausenheims Deputierter Friedrich Schmitt, die in einer zweiten Liste des Konventssekretärs mit demselben Datum aufgeführt sind. Ebenda, S. 521 f. Die Gesamtzahl beträgt also 27. Ebenda, S. 413. Dumont, Rheinisch-deutscher Nationalkonvent, S. 155. Vgl. S. 192, 205. Dumont, Rheinisch-deutscher Nationalkonvent, S. 146, 175. Dumonts Liste von 133 namentlich aufgeführten Deputierten muß, wenn nach den in Mainz tätigen gefragt wird, um 6 reduziert werden. Es sind dies zunächst Reissinger, Fabricius und Resch, die Mainz überhaupt nicht erreichten. Hinzu kommen die Doppelungen Peter Kraus und Martin Haas, die durch Peter Gimbel bzw. Erasmus Müller als Deputierte von Heidesheim bzw. Ockenheim ersetzt waren. Schließlich sollte an die Stelle Heimbachs als Deputierter Marienborns Schwalbach treten, der ihm entweder in der Funktion gefolgt oder — Dumont selbst hält es für möglich — mit Schwalbach identisch war.

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weil die Funktion nicht übertragbar war. 41 Von einem guten Dutzend Ortschaften, die den Eid geleistet und wenigstens zum Teil auch Munizipalitäten gewählt hatten, war über eine Deputiertenwahl nichts zu erfahren. Kaum ein Fünftel der Gesamtzahl der Deputierten entstammte nicht den Orten, die sie vertraten, sondern kam vorwiegend aus Mainz und Worms, vereinzelt auch aus Dürkheim und Grünstadt und hatte sich in verschiedenen Orten als Kandidat für die Deputiertenwahl zur Verfügung gestellt. Dahinter stand natürlich der Wunsch Simons und seiner rheinisch-deutschen Freunde, im Konvent sichere Stützen für die bevorstehende Umwälzung zu gewinnen, was wiederum nicht heißen kann, daß diese Wahlen alle zentral geplant gewesen wären. Schon Forsters Doppelwahl in Wöllstein und Mainz und die des Boost in Bretzenheim und Wendelsheim stehen dagegen. Die allgemeine Popularität, wie sie Forster gelioß, aber auch der Ehrgeiz manches Wahlkommissärs und schließlich auch die Verlegenheit manches Ortes, einen geeigneten und eigenen Kandidaten zu finden, spielten eine Rolle. Diese 127 Deputierten vertraten 126 Dörfer und Städte, wobei Mainz sechs und Worms zwei Vertreter entsandt hatten, während andererseits einige eng beieinanderliegende Landgemeinden, nämlich Bretzenheim/Zahlbach, Battenberg/Kleinkarlbach, Heidesheim/Colgenstein und Wartenberg/Rohrbach, durch jeweils einen Deputierten und das Dorf Neuhausen von der Stadt Worms vertreten wurden. 42 Am 17. März früh um 9 Uhr trafen die Deputierten im Rittersaal der Deutschordenskommende zusammen, um den Konvent zu konstituieren. Entgegen zuvor geäußerten Vorstellungen — beispielsweise des anonymen Verfassers der Anfang März erschienenen Flugschrift über die zu erwartenden Schritte der Deputierten43 — ging diesem Zusammentritt die gemeinsame Teilnahme an einem Hochamt in der benachbarten Peterskirche voraus, die den vom Gegner geäußerten Vorwurf der Glaubensfeindlichkeit entkräften sollte. Der Zinngießer Martin Eckel, mit seinen 81 Jahren der älteste Deputierte, präsidierte in dieser ersten Sitzung, über deren Verlauf am Vormittag ein knappes handschriftliches Protokoll aus der Feder Gerhardis und ein sehr ausführliches gedrucktes Bulletin informieren, das die am Nachmittag ernannten Mitglieder des Unterrichtsausschusses angefertigt hatten.44 Demnach standen dem Alterspräsidenten die vier jüngsten Deputierten, nämlich Fuchs, Schlemmer, Frank und Gerhardi, als Sekretäre zur Seite. Nach einer kurzen Anrede schlug Eckel vor, gleich in medias res zu gehen und einen Konventspräsidenten mit seinen Sekretären zu wählen, stieß damit aber sogleich auf Widerspruch. Die Versammelten nahmen offensichtlich ihre Funktion sehr ernst und setzten durch, daß zunächst und vor allem die Vollmacht eines jeden einzelnen durch die Versammlung selbst geprüft und bestätigt werden müßte. Nach einer umfangreichen Diskussion darüber, wie diese Vollmacht beschaffen sein müßte, die übrigens nicht übertragbar sein sollte, schritt man zur Überprüfung jeder einzelnen Vollmacht in der Reihenfolge, wie die Registrierung bei der Allgemeinen Administration vorgenommen worden war. 64 Vollmachten der 65 Anwesenden wurden bestätigt, während man die von Steingässer aus Weisenau als unzureichend zurückwies; bei ihm hatte nur der

Dumonts „Liste der im Rheinisch-deutschen Nationalkonvent vertretenen Orte" muß um Forst und Speyer verkürzt, aber um Kleinkarlbach, Rohrbach, Zahlbach und Neuhausen erweitert werden; das Ergebnis lautet dann 126 Orte. Dumont, Rheinisch-deutscher Nationalkonvent, S. 184 f. 13 MR II, S. 399 f. « Ebenda, S. 4 2 3 - 4 2 6 . 42

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Maire seine Wahl bestätigt, während zumindest die Unterschriften des Wahlpräsidenten und der Stimmensammler oder die der gesamten Munizipalität gefordert wurden. 45 64 Deputierte erklärten daraufhin den „Nationalkonvent der freien Deutschen" für konstituiert. Noch bevor man zur Wahl des Präsidenten schritt, leisteten alle Deputierten einzeln den Eid in die Hand des Alterspräsidenten: „Ich schwöre, dem Volke und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit treu zu sein und die Pflichten eines Stellvertreters des freien Volks gewissenhaft zu erfüllen." Damit war der Vormittag des 17. März zeitlich ausgeschöpft; man beendete diese erste Sitzung um 12 Uhr 30 und setzte den Beginn der zweiten Sitzung auf den Nachmittag desselben Tages um 3 Uhr fest. Die Nachmittagssitzung, wieder unter dem Vorsitz Eckels, mußte ein größeres Pensum als die erste bewältigen, um die Arbeitsfähigkeit des Konvents herzustellen.46 Nach Verlesung des Protokolls der ersten Sitzung und der Zulassung von vier weiteren inzwischen eingetroffenen Deputierten schritt man zur Präsidentenwahl, die nach kurzer Diskussion in der Weise erfolgen sollte, daß geheim abgestimmt wurde. Der Präsident sollte die absolute Stimmenmehrheit haben und der Nächstplatzierte der Vizepräsident sein. Da beim ersten Wahlgang niemand die absolute Stimmenmehrheit erreichte, folgte eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen. Präsident wurde Andreas Joseph Hofmann, Vizepräsident Georg Forster; beide hatten in der Zeit der Wahlvorbereitungen und der Wahlkampagne zueinander gefunden und ergänzten sich aufs beste, so daß die einstigen Unstimmigkeiten zwischen ihnen von Mitte Januar im Klub nach Forsters eigenem Zeugnis „vorbei und vergessen" waren.47 Die Wahl der Konventssekretäre machte keinerlei Schwierigkeiten; die bisher als Sekretäre fungierenden vier jungen Leute wurden mit Mehrheit wiedergewählt. Die Bildung der Deputation, die den französischen Kommissären die erfolgte Konstituierung des Nationalkonvents mitzuteilen, dessen Dank abzustatten und sie einzuladen hatte, um ihre Anerkennung zu erfahren, löste eine kleine Diskussion aus. Metternich, um die Würde des eben entstandenen Nationalkonvents besorgt, wünschte, daß sich die französischen Kommissäre zuvor als Bevollmächtigte des Frankenvolkes legitimierten, damit tatsächlich Volk zu Volk sprechen konnte. Forster nannte eine solche Haltung einen unzeitigen Stolz und fand damit die allgemeine Zustimmung. Der Präsident ernannte daraufhin eine Delegation, die sich unverzüglich zur Erfüllung ihres Auftrages auf den Weg machte und noch im Verlauf der Sitzung mit der Nachricht zurückkehrte, daß sich die Kommissäre anderntags im Konvent einfinden würden. Die Mainzer Munizipalität wurde vorgelassen, um dem Konvent ihre Huldigung zu überbringen. Der Konvent beschloß dann die Immunität aller seiner Deputierten, womit er den inneren Wert und die Würde der Stellvertreter eines freien Volkes bekräftigen wollte. Schließlich bedurfte es noch einer Geschäftsordnung, die ihr Muster natürlich in der des Pariser Konvents besaß, aber eben auch nur ihr Muster; die Bandbreite, die in Mainz gebraucht wurde, war ganz gewiß geringer. In der Sitzung vom 17. März kam man in dieser Frage nur so weit, daß ein Unterrichtsausschuß mit der Ausarbeitung des Entwurfs einer solchen Ordnung beauftragt wurde. Immerhin war damit schon ein erster wichtiger Schritt in der inneren Organisation getan, denn die Frage der Bildung

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Steingässer durfte der Versammlung nicht beiwohnen, aber sorgte für schnelle Abhilfe. Das Verzeichnis der Konventsdeputierten vom 23. 3. führte ihn bereits als solchen auf. Ebenda, S. 418. Ebenda, S. 4 2 6 - 4 3 1 . Ebenda. S. 431 f. Anm. c.

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Datstellung

von Ausschüssen blieb nicht nur angesprochen, sondern wurde in diesem einen Falle auch realisiert. Es zeichnet den Rheinisch-deutschen Nationalkonvent aus, daß er sich nach den konstituierenden Sitzungen vom 17. März keineswegs zunächst und vor allem mit sich selbst beschäftigte, sondern sich bereits am Tage darauf den großen und entscheidenden Fragen zuzuwenden begann. Am 18. März beschloß er eingangs die Bildung von vier Ausschüssen, deren Mitglieder sich aus den Deputierten rekrutierten, nämlich den Ausschuß des Unterrichts, der Wachsamkeit, der Finanzen und der Petitionen.48 Doch dann nahm Dorsch das Wort, gefolgt von Wedekind und Metternich, deren Ausführungen Forster die Gestalt eines Dekrets gab: „Dekret des zu Mainz versammelten Rheinischdeutschen Nationalkonvents vom 18. März 1793, wodurch in dem Striche Landes von Landau bis Bingen alle bisherigen angemaßten willkürlichen Gewalten abgeschafft werden." 49 Der erste Artikel bestimmte einschränkend und positiv zugleich für den genannten Strich Landes, der Deputierte schickte, die Gründung eines freien, unabhängigen, unzertrennlichen Staates. Der zweite Artikel bekannte sich uneingeschränkt zur Volkssouveränität uncf erklärte folgerichtig allen Zusammenhang mit Kaiser und Reich für aufgehoben. Der dritte Artikel zählte einige zwanzig Feudalherrschaften — allerdings ohne den Kurpfälzer — namentlich auf, um dann doch zusammenfassend von „allen deutschen Reichsständen" zu sprechen, die ihrer Rechte im Bereich des neuen Freistaates für verlustig erklärt wurden. Der vierte Artikel drohte allen einstigen Gewalthabern und ihren Helfershelfern mit der Todesstrafe, wenn sie im Linksrheinischen ihre angemaßten Rechte zu behaupten und durchzusetzen versuchten. Der fünfte Artikel verfügte den sofortigen Druck des Dekretes, seine Versendung an alle Munizipalitäten und seine feierliche Bekanntmachung. Im Namen des souveränen Volkes befahl der Konvent durch seinen Präsidenten Hofmann allen Munizipalitäten, das Dekret nicht nur zu registrieren und zu verkündigen, sondern es als Landesgesetz vollstrecken zu lassen. Dieses Dekret war die Geburtsurkunde der bürgerlichen Demokratie in Deutschland, die sich zur Volkssouveränität bekannte, die Rechtsgleichheit verkündete und für eine politische Freiheit focht, die unter den gegebenen Bedingungen einzig und allein im entschlossenen Kampf gegen die Mächte der Vergangenheit zu erringen war. Das Dekret dokumentierte einen revolutionären Akt, ausgeführt von einem revolutionären Organ, das seine Existenz aus mit unermüdlichem Eifer betriebenen Wahlen ableitete, denen ein Wahlrecht zugrunde lag, dessen bürgerlich-demokratische Qualität in Deutschland nie und nirgends zuvor erreicht worden war und auch ein halbes Jahrhundert danach noch nicht wieder ereicht wurde. Das Dekret war entschieden bürgerlich-demokratisch, denn es richtete seine Spitze kompromißloß gegen die feudale Aristokratie, die existenziell den Gegenpol des bürgerlichen Demokratismus darstellte. Diese unbestreitbaren Tatbestände in Zweifel zu ziehen ist zwar intellektuell ebenso unredlich wie historisch unhaltbar, hat sich dennoch die unter dem Ordinariat Hermann Webers an der Gutenberg-Universität in Mainz entwickelte Geschichtsschreibung zur Aufgabe gemacht. Daß die Bauern über die Hälfte der Deputierten stellten, paßt nicht in dieses Bild; also werden sie in eine rein „statistische Größe" verwandelt, die von der überrepräsentierten bürgerlichen Intelligenz, der Führungskraft, an die Wand gedrückt wurde. 60 Ebenda, S. 432. » Ebenda, S. 434 f. 50 Dumont, Mainzer Republik, S. 421, 423.

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Als Argument dient die geringe Zahl bäuerlicher Wortmeldungen, die natürlich nichts anderes beweist als die Ungeübtheit der Bauern im mündlichen und schriftlichen Ausdruck. Denn die in späteren Vernehmungen von den Bauerndeputierten häufig geäußerte Schutzbehauptung, von den Konventsberatungen überhaupt nichts verstanden zu haben, wagt sogar Dumont nicht ernst zu nehmen. Bezeichnenderweise war die Anteilnahme der Bauerndeputierten an der Ausschußarbeit des Konvents schon sehr viel besser, ohne damit die maßgebende Rolle der Intelligenz auch auf diesem Abschnitt bestreiten zu wollen. Energisch bestritten werden aber muß das Bild von der breiten Kluft, die im Konvent zwischen der oberen Mittelschicht der Beamten, Geistlichen und Intellektuellen einerseits und den Bauern andererseits klaffte, weil die Zunftbürgerschaft dazwischen mit 7% der Deputierten nur unzureichend vertreten wäre. 51 Die feudal gebundenen Zunftbürger stellten in der bürgerlichen Revolution ganz gewiß nicht die wichtigste Schubkraft dar, denn das taten die feudal geknechteten Bauern. Im übrigen besaß die revolutionäre bürgerliche Intelligenz etwa in Gestalt solcher Dorfpfarrer wie Cheüus, Hierthes, Köster, Höpfner und anderer oder einstiger Beamter, die ja schon beim Chaussee-Einnehmer begannen, Sachkundige genug, die mit bäuerlichen Problemen vertraut waren, mit Bauern umzugehen verstanden und ihre Interessen zu formulieren vermochten. Die Annahme des Dekrets vom 18. März über die Bildung eines unabhängigen deutschen Freistaates zwischen Landau und Bingen war ein bedeutsames historisches Ereignis und wurde von den Teilnehmern an diesem Akt auch so empfunden. Alle Deputierten, durchdrungen vom Hochgefühl ihrer Würde, erhoben sich von ihren Sitzen. 30 Kanonenschüsse und Glockengeläut in der ganzen Stadt kündeten davon, so daß viele Menschen zum Sitz des Konvents strömten, denen Hofmann vom Balkon aus den gefaßten Beschluß bekannt machte. In einer bislang unvorstellbaren hohen Auflage von 30000 Exemplaren sollte das Dekret die weiteste Verbreitung finden. 52 Mit dem angekündigten und gewiß auch zeitlich abgestimmten Eintreffen der französischen Kommissäre und Custines, den sein Gefolge umgab, erreichte diese Konventssitzung ihren zweiten Höhepunkt. Als erster nahm Merlin das Wort: 53 Er betonte die Rolle Frankreichs bei der Wiedererringung der Volkssouveränität, sprach von seiner gewachsenen Stärke im Kampf gegen den äußeren Feind und nannte es „Euer Geschäft, ohne alle Besorgnisse dem Volke, das Euch mit seiner vollen Macht bekleidet hat, weise und gemeinnützige Gesetze zu geben". Nur im Schlußsatz berührte er ganz nebenbei und mit großer Zurückhaltung das Problem des Verhältnisses des neuen Freistaates zu Frankreich, indem er daran erinnerte, „daß ein Volk, welches glücklich und mit den Franken verbrüdert sein will, keine anderen Gesetze haben dürfe als solche, deren Grundfesten Freiheit und Gleichheit sind". Auf Merlin folgte Haussmann,54 dessen Grußworte einen stärker kosmopolitischen Zug hatten und die große historische Bedeutung des eben gefaßten Beschlusses würdigten: „Das ganze Land, die ganze Welt hat nun das Aug auf Sie; die Zeit ist gekommen, das Wohl der Menschheit zu entscheiden." Er versicherte die Deputierten in all ihrem patriotischen Tun der Unterstützung durch die französische Nation und ihrer wärmsten Freundschaft. Als Vertreter der Exekutive sprach dann Simon.55 Er verwies auf die Ebenda, S. 416 f. MR II, S. 435. 63 Ebenda, S. 436 f. " Ebenda, S. 437 f. 66 Ebenda, S. 438f. 61 M

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Vorläufer, die wie die Savoyer oder die Nizzer diesen Schritt schon früher getan und sich mit Frankreich vereint hätten, weil „sie durch diese Vereinigung mit natürlichen Grenzen ihren Feinden eine schwer zu überwindende Vormauer darstellen". Trotz dieser kaum noch verhüllten Aufforderung, diesen Beispielen zu folgen, ließ er expressis verbis beide Lösungen gelten: „Sie mögen einen eigenen Freistaat bilden oder einen Teil der Frankenrepublik ausmachen wollen, so vergehen immer einige Monate, bis die neu entschiedene Staatsverfassung in diesen Gegenden eingeführt werden kann." Ganz konkret nannte er die Aufgaben, die der Konvent in nächster Zeit zu lösen hatte: Aufbau einer inneren Verwaltung und einer neuen Justiz, Maßnahmen gegen die Eidverweigerer, Sorge um die Nationalgüter, Säkularisierung der Klöster, Bildung einer provisorischen Regierung, mit der Simon als Vertreter der Pariser Exekutive treu und beharrlich zusammenzuarbeiten versprach. Custine schließlich als letzter Sprecher von französischer Seite sah seine Aufgabe darin, das „von feigen Seelen angesponnene Gewebe der Furcht zu zerstören" und Zuversicht im Hinblick auf den nächsten Waffengang zu verbreiten: „Wir werden als Sieger zurückkehren." 56 Hofmann als Präsident dankte allen vier Sprechern für zugesagte Unterstützung und Schutz mit bewegten Worten: 57 „Nehmt daher für diese großmütige Zusicherung und das uns gemachte göttliche Geschenk aus meinem Munde als dem Organ des noch unmündigen Staats den innigsten wärmsten Dank meiner Mitbürger mit unserer warmen Bruderliebe an." Zum General gewandt, erinnerte er ihn daran, daß es nicht allein um das rheinisch-deutsche Volk gehe, sondern um die Befreiung der Menschheit — eine gewiß zur Unzeit erhobene Forderung an diesen Mann, in der kaum versteckte Kritik an seiner bisherigen Kriegführung lag, aber die aus der allgemeinen Euphorie erwuchs, die ihren Höhepunkt im Bruderkuß erreichte, den Hofmann mit den Kommissären und Custine tauschte. „Eine erhebende dabei abgestimmte Musik gesellte sich zu den hohen Gefühlen dieser erhabenen Szene und rührte alle Anwesenden bis zu Tränen." 58 Die Sitzung vom 19. März begann mit der Behandlung der von Simon zuletzt aufgeworfenen Frage der Einsetzung einer Regierung. Zahlreiche Deputierte ergriffen dazu das Wort, aber von Anfang an war die Neigung unverkennbar, die noch von Custine eingesetzte Allgemeine Administration als Exekutivorgan vorläufig im Amte zu belassen. Sie bestand faktisch nur noch aus Dorsch, Forster, Blau und Boost mit Bleßmann als Generalsekretär, denn drei waren bereits Anfang Januar ausgeschieden und die Wormser immer mehr ab- als anwesend. Man beschloß also die Verlängerung der Amtszeit jener vier um acht Tage; dann sollte eine neue Administration ernannt werden. 59 Hauptgegenstand der Sitzung vom 19. März war jedoch die von einem Mitglied aufgestellte Frage, „ob wir uns vor den äußeren Gefahren schützen können oder ob uns die Franken schützen sollen".60 Von ihrer Beantwortung hing es ab, ob man die Bildung eines selbständigen Freistaates anstreben oder um eine Vereinigung mit Frankreich nachsuchen sollte. Es gab in dieser Hinsicht keine kontroversen Standpunkte, denn die Vereinigung mit Frankreich fand keinen Gegner; dennoch widmete sich der ganze zweite Teil dieser Thematik, die nur unterbrochen wurde, um neu eintreffende Depu56 57 68 59 60

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

440 f. 441 f. 442. 443. 444.

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tierte in den Konvent aufzunehmen und später den Wachsamkeitsausschuß zu konstituieren. Mit der Bildung des vereinten Ausschusses der Gesetzgebung und der Gerechtigkeit schloß die Sitzung. Am 20. März wurde die Debatte fortgesetzt, weil man am 17. März den Vorschlag doch noch zum Beschluß erhoben hatte, die Entscheidung über grundlegende Fragen erst nach dreimaliger Lesung zu treffen. Einleitend waren noch schnell einige Fragen der inneren Ordnung erledigt: Grundsätzlich wurde festgestellt, daß kein Deputierter sich nur als Repräsentant seiner Gemeinde zu verstehen habe, sondern jeder den gesamten Freistaat repräsentiere; jeder neu eintreffende Deputierte hatte allen zuvor gefaßten Konventsbeschlüssen seine nachträgliche Zustimmung zu geben, bevor er aufgenommen werden konnte.61 Unter den Rednern, die am 20. März zu der zentralen Frage das Wort nahmen, befanden sich Wedekind, Metternich, Dorsch und Forster. Sie alle waren sich im Endeffekt einig und unterschieden sich lediglich durch die Aspekte, unter denen sie das Problem betrachteten. Metternichs Rede, die im vollen Wortlaut vorliegt, 62 endete bereits mit dem Vorschlag zu folgendem Dekrete: „I. Der Nationalkonvent des freien deutschen Volkes hat die Notwendigkeit und den Nutzen der Vereinigung unsers deutschen freien Volkes mit der fränkischen Republik erkannt und beschließt, sie zu erwirken. II. Dieser Konvent wird aus seiner Mitte drei Abgeordnete, mit den gehörigen Vollmachten versehen, an den fränkischen Nationalkonvent zu Paris senden, die diese Vereinigung zustande bringen sollen." Die Sitzung endete jedoch keineswegs schon mit der Annahme dieses oder eines ähnlichen Dekrets, denn einem solchen grundstürzenden Schritt mußte je noch eine dritte Lesung vorausgehen. Dafür aber regelte man auf dieser Sitzung ein wichtiges Problem der inneren Organisation, nämlich das der Diäten für jeden Deputierten, die täglich 12 Livres bzw. 5 Gulden 30 Kreuzer betragen sollten. Dieser recht ansehnliche Betrag sollte natürlich auch eine werbende Wirkung auf die Nachzügler haben und insgesamt dem Ansehen der Deputierten zugute kommen. Die Notwendigkeit einer solchen Regelung war so offensichtlich, daß die französischen Kommissäre von sich aus einen Vorschuß zu leisten willens waren, denn weder Konvent noch Allgemeine Administration verfügten über irgendwelche regulären Einnahmequellen, um solche Zahlungen leisten zu können. Die Mitglieder sorgten dafür, daß in dieser Frage saubere Verhältnisse gewährleistet blieben: Es sollte eine ordentliche Kapitalaufnahme erfolgen, „um allen Schein von Anhänglichkeit zu vermeiden"; ein Finanzausschuß wurde gebildet, der sich auch um die Erstattung der Reisekosten für jeden Deputierten zu kümmern hatte.63 Der am 21. März erneut um 8 Uhr zusammengetretene Konvent entschied gleich eingangs, nicht auseinanderzugehen, ohne daß die an den beiden Vortagen sattsam diskutierte Frage der Vereinigung mit Frankreich zu einem Konventsbeschluß geführt hätte. 61 82 63

Ebenda, S. 448. Ebenda, S. 4 5 1 - 4 5 6 . Ebenda, S. 449 f. Es war natürlich leichter, eine Kapitalaufnahme zu beschließen als sie zu tätigen. Als am 23. 3. immer noch nichts erreicht war, schlug eine Konventsdeputation den franzosischen Kommissären vor, von den durch die Ämter eingegangenen Geldern einstweiligen Gebrauch machen zu dürfen. Haussmann riet dagegen, mit den Kriegskommissären zu unterhandeln, die über die Kriegskasse verfügten. Da auch am 24. 3. noch nichts erreicht worden war, verhandelte der Konvent erneut mit den Konventskommissären. Immerhin verfügte der Finanzausschuß am 26. 3. über 3000 Gulden für die Diätenzahlung. Ebenda, S. 479f., 486f., 494, 497 Anm. m. 505.

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Ein entsprechender Dekretentwurf, von einem Ausschuß erarbeitet, lag vor. Der erste Sprecher dazu — es war Professor Westhofen, einer der sechs Mainzer Deputierten — hatte Einwendungen und wollte dem Vereinigungsdekret einige Bedingungen beigefügt wissen. Mit Sicherheit kann davon ausgegangen werden, daß diese Bedingungen nicht solcherart waren, wie er sie später — um seine Haut zu retten — der kurfürstlichen Untersuchungskommission auftischte, der er sich unter anderem als Fürsprech sämtlicher Kategorien von Emigranten empfahl.64 Dennoch hat er zweifellos irgendwelche Einwendungen erhoben, und das kurz vor Schluß der Diskussion, die schon zwei Tage lang geführt worden war, ohne daß er ein einziges Mal den Mund aufgetan hätte. Daß Präsident Hofmann diesen Gymnasialprofessor hart anging, entsprach seinem Naturell, aber erfolgte auch unter dem Zeitdruck, den Vereinigungsbeschluß noch an diesem Tage und natürlich möglichst einmütig durchzubringen. Hofmann sprach vor allem über die Vorteile, die dem Ackerbau, dem Handel und selbst dem Gewerbe aus der Vereinigung erwüchsen.65 Ihm folgte Adam Lux, der nicht von den Vorteilen, sondern von der unumgänglichen Notwendigkeit der Vereinigung mit Frankreich zu reden sich vorgenommen hatte.66 Als unbedingter Anhänger Rousseaus vertrat er zwar prinzipiell die Auffassung, daß kleinere Republiken glücklicher sein könnten, vorausgesetzt, daß die äußere Sicherheit gegeben war. Genau daran aber fehlte es im konkreten Fall, so daß die kleine linksrheinische Republik mit dem großen Nachbarn zumindest eine enge Allianz eingehen müßte, die aber bei der ungleichen Paarung mit Sicherheit zu Reibungen führe. „Mein Votum also ist, daß unser Vaterland einen Teil jener großen Republik ausmachen solle, die in der Geschichte der Welt eine einzige Rolle spielen wird." Die ausgedehnte Koalition der Despoten erzwinge die Vereinigung der freiheitliebenden Völker zu einer großen und mächtigen Masse, was eine zukünftige heilsame Trennung und Zerteilung in mehrere Republiken nach befestigter Freiheit nicht ausschlösse. Nach Lux sprach noch einmal Forster, der in einem großen Gemälde den historischen Ort festhielt, den sie als gewählte Deputierte eines freien Volkes in diesem Moment einnahmen und dem ihre Handlungen zu entsprechen hätten.67 Der Freiheit der Voreltern, die sich unter Arminius erfolgreich der römischen Sklaverei erwehrten, stellte er die über 1200jährige feudale Unterdrückung gegenüber, die von Herrschern geübt wurde, die einst Helden waren, dann aber zu Räubern entarteten und sich zu Fürsten machten. „Umsonst warfen die Schweizer das Joch der Habsburger ab; umsonst erschütterte ein Mönch den Stuhl der geistlichen Tyrannen; umsonst erfanden deutsche Rheinbewohner die unsterbliche Buchdruckerkunst; umsonst fuhr der Schwede Gustav Adolf wie ein leuchtender Blitz durch diese verfinsterte Gegend." Der Mißbrauch der Gewalt mußte erst den höchsten Gipfel erreichen, bevor die Epoche der Befreiung des Menschengeschlechts beginnen konnte. Am Rhein setzte sie mit dem Dekret vom 18. März ein. „Männer! der erste Schritt ist getan, aber der zweite muß folgen, oder, was Ihr tatet, wird die Nachwelt als ein Possenspiel, als ein kindisches Beginnen verachten." Die neugewonnene Freiheit bedurfte des Schutzes, den das rheinisch-deutsche Volk um so weniger gewährleisten konnte, als der Haß und Groll der Tyrannen nur mit ihnen aussterben würde. e4

65 66 67

Ebenda, S. 4 6 3 f f . Anm. b. Seine Kritik am Dekret vom 18. 3. erfolgte ebenso post festum und betraf — wenn er sich dazu geäußert haben sollte — nicht das Wesen der Sache, sondern Formfragen. Ebenda, S. 436. Ebenda, S. 462. Ebenda, S. 4 6 5 - 4 6 7 . Ebenda, S. 4 6 7 - 4 7 0 .

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Forster schloß mit der aufrüttelnden Forderung: „Behaltet Eure Befreier, Eure Beschützer im Lande; schließt Euch fest an sie an, schwört ihnen den ewigen Bruderbund und empfangt ihn wieder von ihnen; sprecht das große entscheidende Wort: Die freien Deutschen und die freien Franken sind hinfüro ein unzertrennliches Volk!" Nach dieser aufrüttelnden Rede wurde von den Deputierten einhellig die Abstimmung gefordert „und durch Akklamation die Vereinigung des freien Teutschlandes mit der Frankenrepublik beschlossen".68 Ein danach vorgenommener namentlicher Aufruf bestätigte die Einstimmigkeit der Anwesenden; die Abwesenden wurden gesondert notiert, um sie unmittelbar vor Sitzungsschluß abermals aufzurufen und zu befragen, ob sie dem Vereinigungsdekret beipflichteten. Laut Konventsprotokoll bejahten sie ihn alle bis auf zwei, nämlich Arand von Nackenheim und Ecker von Rudolphskirchen, die auch jetzt nicht zugegen waren. 69 Dieser Auskunft zufolge hätte also selbst Westhofen seine Zustimmung gegeben. Unmittelbar nach der durch Akklamation erfolgten Annahme wurde eine zwölfköpfige Delegation ernannt und zu den französischen Kommissären geschickt, um sie von diesem Ereignis zu unterrichten. Simon empfand persönliche Genugtuung, als er die Nachricht entgegennahm, und unterrichtete davon unverzüglich seinen Chef, den Außenminister.70 Die Pariser Konventsdeputierten waren nicht weniger erfreut und übermittelten dem Mainzer Konvent den Rat, den Wunsch nach Vereinigung durch eine gehörig bevollmächtigte Deputation dem Konvente in Paris vorzutragen und in einer Adresse die Vorteile darzulegen, die die gewünschte Vereinigung dem französischen Volke brächte.71 Erst jetzt wurde die endgültige und sofortige Formulierung des Dekretes dem Unterrichtsausschuß aufgetragen, faktisch jedoch von Forster besorgt, der ja auch schon die Unabhängigkeitserklärung vom 18. März verfaßt hatte.72 Forster arbeitete den guten Rat der Konventskommissäre in den Text des Dekretes ein, der noch in derselben Sitzung verlesen und angenommen wurde. In Erwägung der Tatbestände, daß der neue Freistaat seine Existenz dem Schutz und der Waffenhilfe der Frankenrepublik verdankte und daß alle Bande der Freundschaft, der Dankbarkeit und des gegenseitigen Vorteils nach Vereinigung beider verlangten, beschloß der Konvent einmütig: „Daß das rheinisch-deutsche Volk die Einverleibung in die fränkische Republik wolle und bei demselben darum anhalte und daß zu dem Ende eine Deputation aus der Mitte dieses Rheinisch-deutschen Nationalkonvents ernannt werden solle, um diesen Wunsch dem fränkischen Nationalkonvent vorzutragen." 73 Die Realisierung dieses Dekretes ging schrittweise vor sich. In der Konventssitzung vom 22. März erfolgte die Wahl der dreiköpfigen Deputation, die nach Paris gehen sollte. Es wurde lediglich die relative Mehrheit der Stimmen gefordert, so daß nur ein Wahlgang nötig war. Gewählt wurden Georg Forster, der Kaufmann Patocki und Adam Lux, die sich keineswegs nur durch die Beherrschung der französischen Sprache auszeichneten, sondern sich auch und vor allem große und größte Verdienste um die revolutionäre Entwicklung im Linksrheinischen erworben hatten.74 68 68

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Ebenda, S. 462. Ebenda, S. 463. Arand und Ecker unterzeichneten dann aber eigenhändig die Adresse, die der Rheinisch-deutsche Konvent an den Pariser richtete, um dessen Zustimmung zur Vereinigung zu begehren. Ebenda, S. 502 f. Ebenda, S. 470f. Anm. g. Ebenda, S. 462. Ebenda, S. 471 Anm. i. Ebenda, S. 473. Ebenda, S. 476.

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Am 23. März wurde der Konvent mit der von Forster verfaßten Adresse bekannt gemacht, die von den französischen Konventskommissären angeregt worden war. Sie sollte namens des Rheinisch-deutschen Konvents durch die Deputation dem Pariser Konvent vorgetragen werden und insonderheit die Vorteile darlegen, die eine Einverleibung des neuen Freistaates für die französische Republik mit sich brächte.75 Als solche Vorteile wurden genannt die Fruchtbarkeit des Landes im allgemeinen und der Weinbau im besonderen, der Rhein als natürliche Grenze, die günstige Lage der Stadt Mainz für die Entwicklung des Handels und ihre uneinnehmbaren Befestigungen. Ohne eine Gegenrechnung im einzelnen aufzumachen, stellte die Adresse sachlich fest: „Diese Vorteile und das Bedürfnis der Vereinigung sind gegenseitig, steht das rheinisch-deutsche Volk nicht an, es Euch zu bekennen." Der Vortrag dieser Adresse löste im Mainzer Konvent keine große Diskussion mehr aus; man akzeptierte sie. Obwohl damit alle Bedingungen erfüllt waren, um die Deputation nach Paris in Marsch zu setzen, beschloß man am selben 23. März, die Abreise bis zum Eintreffen der Speyerer Deputierten zu verschieben.76 Die dritte große Stadt nach Mainz und Worms sollte nach Möglichkeit nicht fehlen, wenn die Abgesandten aller munizipalisierten Ortschaften zwischen Landau und Bingen die Adresse des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents an den Nationalkonvent der Französischen Republik eigenhändig unterschrieben. Forster aber widersprach am Tage darauf diesem Beschluß; er hielt es für unter der Würde der im Konvent versammelten Deputierten, auf längst fällige Nachzügler zu warten, wenn man auch ohne sie beschlußfähig war. 77 Und der Konvent tat gut daran, die am 23. März gefaßte Entscheidung am 24. wieder aufzuheben, denn die Speyerer Munizipalität war dank eines faulen Kompromisses mit dem alten Magistrat identisch und tat alles in ihren Kräften Stehende, um die Absendung der Deputierten zu verzögern; frühestens am 30. März wäre der erste Deputierte eingetroffen, während der zweite am 30. März erst einmal seine Bedingungen stellte, bevor er sich nach Mainz begeben würde. 78 In der Konventssitzung vom 25. März erfolgte die namentliche Unterzeichnung der Adresse an den Pariser Nationalkonvent durch die 90 an diesem Tage anwesenden Deputierten. Den Anfang machten Präsident Hofmann, Vizepräsident Forster, die Konventssekretäre und einige andere; mit der Nr. 12 begann die Eintragung nach der alphabetischen Reihenfolge. 79 Die Delegation wurde nicht nur mit dieser Adresse ausgerüstet, sondern auch mit einer Vollmacht, die aus dem Dekret vom 21. März bestand, das als handschriftlicher Auszug dem Konventsprotokoll entnommen wurde. Hofmanns Unterschrift als Präsident, Gerhardis als Sekretär, datiert vom 25. März, und ein Siegel — die Freiheitsgöttin darstellend mit Pike und Jakobinermütze und der Umschrift „Rheinisch-deutscher Convent 1793" — bestätigten die Echtheit der Vollmacht. Noch am selben Tage reiste die Delegation nach Paris ab, begleitet von dem Konventskommissär Haussmann. Unmittelbar vor Antritt der Reise schrieb Georg Forster seiner Frau: „In drei Wochen werde ich vermutlich wieder hier sein. Unsere Reise geht schnell, Tag und Nacht und den kürzesten Weg ... Meine Ernennung nach Paris ist beinahe einstimmig gewesen. Ich habe große Liebe im Konvent, zumal unter den Bauren. Wie es nun weitergeht, 75 76 77 78 79

Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda, Ebenda,

S. 482, 4 9 1 - 4 9 3 . S. 483. S. 494, 493 Anm. s. S. 5 0 1 - 5 0 3 .

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muß ich dort sehen. Fürs erste kehre ich hierbei zurück, weil man leider mich für unentbehrlich hält. Allein wenn es möglich ist, laß ich mich hernach zum Deputierten, als Sitz und Stimme habendes Mitglied des französischen Nationalkonvents für hiesige Gegend, nachdem sie vereinigt sein wird, wählen. Das kann aber vor drei, vielleicht in sechs Monaten nicht geschehen. So lange müßte ich denn augenscheinlich hier bleiben und die Gefahren der Mainzer teilen, wozu ich auch entschlossen bin." 80 Während der zweite zentrale Beschluß vom 21. März über die Vereinigung mit Frankreich auf diese Weise realisiert werden sollte, geschah gleichzeitig einiges, um die notwendigen Folgerungen aus dem ersten zentralen Beschluß vom 18. März über die Souveränitätserklärung des rheinisch-deutschen Volkes zu ziehen und sie so aus einer Absicht in einen Tatbestand zu verwandeln. Die Konventssitzung vom 22. März beschäftigte sich ausgiebig mit der Frage, wie mit den weiterhin vorhandenen Gegnern — Fuchs sprach von „Hofinsekten und Pfaffenvolk" — zu verfahren sei. Die Meinungen gingen noch beträchtlich auseinander, zumal die sicher notwendige Differenzierung noch unklar war und auch Vorberatungen mit den französischen Kommissären gepflegt werden mußten, da es ja wohl nicht angehen konnte, über Exportation mit dem Ziel der Geiselnahme oder Gefangenschaft ohne solche Rücksprachen zu befinden.81 Bis zur nächsten Sitzung am 23. März konnte das Versäumte noch nicht eingeholt werden; also beschränkte man sich an diesem Tage auf die Diskussion des Emigrantenproblems. Naturgemäß war auch hier zu unterscheiden, wer sich wann, warum und mit welchen Gütern über den Rhein begeben hatte; man hörte zunächst nur verschiedene Meinungen und trug dem Wachsamkeitsausschuß zusammen mit dem Unterrichtsausschuß auf, daraus einen einheitlichen Vorschlag zu formulieren.82 Immerhin wurde die Allgemeine Administration doch schon angewiesen, keine Gehaltszahlungen mehr an Abwesende und Unbeeidete zuzulassen. Eine entsprechende Anordnung ging noch am selben Tag an die Mainzer Munizipalität hinaus, die davon am 25. März die Rente, die Schulkommission, die Universitätsgeneralrezeptur und alle milden Stiftungen — vor allem den Wohltätigkeitsausschuß — unterrichtete.83 Weiterhin befahl Präsident Hofmann im Namen des Konvents der Allgemeinen Administration, die nötigen Maßregeln zu treffen, um die Effekten und Vermögen aller im 3. Artikel des Dekretes vom 18. März genannten Personen und ihrer diversen Dienstleute unter Siegel zu legen. Entsprechende Weisungen ergingen noch am 23. März an die Munizipalitäten.84 Die Mainzer Munizipalität beriet darüber am selben Tage, hatte auch keine prinzipiellen Einwände, aber gewiß gute Gründe für die Feststellung, daß ein solcher Auftrag ihre Kräfte eindeutig überstiege und darum besser eine besondere Kommission zu diesem Zweck geschaffen werden sollte. Die Wormser Munizipalität hatte im Gegensatz dazu die Auflage zunächst einmal nach besten Kräften erfüllt, aber dann doch am 28. März eine eigene Stellungnahme zu dieser gesamten Problematik formuliert. Die Versiegelung selbst begriff sie als einen vorläufigen Akt, der noch keine besonderen Schwierigkeiten bereitete; aber ihm mußten notwendigerweise Schritte folgen, die über die bloße Verwahrung hinausgingen und zur Verwaltung und Verwertung des Nationaleigentums führten. Hier sah die Wormser Munizipalität Probleme, die sie nicht ihrer un80 81 82 83 81

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

503 f. Anm. 1. 4 7 4 - 476. 482. 482, 488 Anm. c. 482, 488f. Anm. p.

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mittelbar vorgesetzten Behörde, der Allgemeinen Administration, sondern direkt dem Konvent in ihrer Stellungnahme vom 28. März vortrug: Erstens erinnerte sie daran, daß die unter Siegel zu nehmenden Effekten und Vermögen bislang schon unter dem Siegel der französischen Kommissäre gelegen hätten; die Munizipalität hatte darum lediglich ihr Siegel den bereits angelegten beizufügen gebraucht. Die Frage, die sich hier erhob, war die nach dem künftigen Wert der französischen Siegel. Die Wormser Munizipalität hatte dazu eine klare eigene Meinung: „Wir können uns nicht überzeugen, daß ein freies Volk, welches sich, wenngleich unter dem Schutz einer anderen Nation, für souverän erklärt hat, den Befehlen dieser Nation oder ihrer Bevollmächtigten noch zu gehorsamen verbunden sei."85 Zweitens machte die Munizipalität den Konvent darauf aufmerksam, daß die Übergabe des Nationaleigentums an das Volk und seine erwählten Vertreter nicht notwendigerweise so aussehen müßte, daß die einzelnen Gemeinden mit der Aufsicht, Verwahrung und Verwaltung betraut würden. Da viele der unter Siegel gelegten Güter selten in den Bereich einer einzelnen Gemeinde fielen, so würde die Übernahme der Güterverwaltungen durch die Munizipalitäten ein „äußerst verworrenes und mühsames Geschäft" sein und zu üblen Streitigkeiten führen: „Um diesen Ungemächlichkeiten zu entgehen, würde vielleicht keine Veranstaltung zweckmäßiger sein, als wenn besonders von Ihnen, Bürger Gesetzgeber, zu erwählenden Distriktkommissarien die Aufsicht, die Verwahrung und die Verwaltung des Nationaleigentums eines jeden Distriktes, welcher vorderhand noch nach der vormaligen Länderabteilung bestimmt werden könnte, anvertrauet würde." 86 Wenn dieses Argument den Konvent nicht überzeugen sollte, so müßte die Munizipalität gestehen, daß eine solche Aufgabe die Kräfte sämtlicher Munizipalitäten weit überfordere. Diese Wormser Stellungnahme bestätigte erneut sowohl die dieser Munizipalität eigene Entschiedenheit, mit der sie auf revolutionäre Veränderungen Kurs nahm, als auch ein perspektivisches Denkvermögen, das die Punkte zu markieren wußte, wo die Hebel dafür anzusetzen waren.87 Natürlich hatte daran einen entscheidenden Anteil Maire Winkelmann, mit dem sich der Mainzer Macke in keiner Weise messen konnte. In der Sitzung des Konvents vom 25. März referierte Dorsch endlich über das Ergebnis, das die bereits am 22. März beschlossene Unterredung einer Konventsdeputation mit den französischen Kommissären im Hinblick auf die zu Exportierenden erbracht hatte. Es lautete: „Man solle nach vorhergegangener Requisition an die Kommissarien die Waffen- und Arbeitsfähigen in das Innere von Frankreich, den Troß aber über den Rhein zu den Feinden bringen lassen und mit den Häuptern der Verschwörung den Anfang machen."88 Der Konvent stimmte dieser Generallinie zu und machte in der Diskussion zahlreiche Zusatzvorschläge, die keineswegs immer die Unterstützung der Mehrheit fanden, aber alles in allem für die endgültige Formulierung wertvolles Grundmaterial abgaben und verschiedentlich auch wortwörtlich genutzt werden konnten. Der Pedant Georg Böhmer — Eickemeyer nannte ihn einen Phantasten —89 forderte ein Sicherheitstribunal, das zuvor die Schuld jedes einzelnen zu Exportierenden untersuchen sollte, und fand natürlich keinerlei Unterstützung für seinen unter den gegebenen Umständen völlig illusionären Vorschlag. Metternich wiederum wollte, daß der Kon85 86 87 88 89

Ebenda, S. 490. Ebenda. Vgl. S. 113ff., 187ff. MR II, S. 498. Eickemeyer, Denkwürdigkeiten, S. 154.

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vent die gesamte Aktion selbst durchführte, indem er dazu Kommissäre aus seiner Mitte zur Verfügung stellte; Blau erinnerte daran, daß die Maßnahme nicht nur für die Stadt Mainz galt, sondern das ganze Land einbeziehen mußte, so daß sämtliche Konventsdeputierte dafür abzustellen waren. Selbst die Konsequenz, daß der Konvent für die Dauer der Exportationen seine Sitzungen unterbrechen müßte, wurde akzeptiert. Man war sich also darüber im klaren, daß die Exportationen einen Kräfteeinsatz forderten, der den bei den Wahlen geleisteten noch überstieg. Wedekinds Einwurf, daß in diesem Fall zuvor eine exekutive Gewalt errichtet werden sollte, die das Provisorium der Allgemeinen Administration beendete, wurde zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter diskutiert, weil zum einen die am 19. März beschlossene Aussetzung der Behandlung dieser Angelegenheit um acht Tage noch nicht abgelaufen war und zum anderen viele Detailfragen, die im Zusammenhang mit den Exportationen standen, auf Diskussion und Entscheidung drängten. Auch die von der Wormser Munizipalität in Gestalt einer Petition eingebrachte Anregung, den Emigranten einen Termin zu setzen, bis zu dem sie zurückkehren konnten, um den Bürgereid zu leisten, gegebenenfalls auch den Privilegienverzicht zu erklären und die Aufhebung der Beschlagnahme ihrer Effekten zu bewirken, wurde noch nicht in die Tagesordnung aufgenommen, sondern vertagt. 90 Im Vordergrund stand die Frage, was mit dem Vermögen der zu Exportierenden geschehen sollte. Man war sich sehr schnell einig, daß zunächst erst einmal das Vermögen aller zu beschlagnahmen war; die Konfiskation sollte auf dem Fuße folgen, sobald ein Einverständnis mit dem Feinde vorlag oder sich herausbildete; die gleiche Strafe traf natürlich auch jeden anderen Bürger, der mit dem Feinde konspirierte. Sehr lebhaft wurde die Diskussion, als sie sich den Besitzansprüchen zuwandte, wie sie Familienangehörige der zu Exportierenden erheben könnten. Metternich war absolut kompromißlos und hielt es für gerecht, „wenn der Konvent verordne, daß die Familie das Schicksal ihres Hauptes teile, so wie sie überhaupt dessen Unfälle in dem Leben und die Folgen seiner Vergehen empfinde". 91 Dieser Rigorismus wurde im Prinzip auch von Wedekind nicht gemildert, wenn er der Frau des zu Exportierenden ihr Vermögen lassen wollte, denn die Bedingung, die zu erfüllen war, bestand in der Scheidung der Frau vom Manne. Die Einbeziehung der 21jährigen Söhne in eine ähnliche Regelung war selbstverständlich ebenso an eine Bedingung geknüpft, nämlich an die Leistung des Bürgereides durch diese Söhne. Dabei handelte es sich natürlich immer um Vermögensteile, die die Frau selbst eingebracht hatte bzw. den Söhnen erbrechtlich zustanden. Jede Modifizierung der Behandlung der Vermögen von zu Exportierenden zugunsten ihrer Familienangehörigen war abhängig von deren offen bekundetem Treuebekenntnis zum neuen Freistaat, das durch die Scheidung bzw. den Bürgereid gegeben war. Dem Konventsdeputierten Horn aus dem leiningenschen Bissersheim gelang es lediglich, durch Berufung auf entsprechende Maßregeln des Pariser Konvents, den über 14jährigen Kindern, die zurückzubleiben wünschten und sich selbst ernähren konnten, ein Vermögensanrecht zu erhalten, das bei Großjährigkeit und nach geleistetem Bürgereid ausgezahlt werden sollte.92 Die Diskussion wurde mit einer Zusammenfassung der bisher erreichten Standpunkte beendet, die nahezu einmütig gebilligt worden waren. Die Debatte am 26. März zu diesem Komplex eröffnete Georg Böhmer mit dem ausformulierten Vorschlag, allen Kindern unter 14 Jahren, die mit ihren Eltern zusammen 90 91 92

MR II, S. 498, 504. Ebenda, S. 498. Ebenda, S, 499.

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exportiert würden, dennoch die Rechtsansprüche auf den ihnen zustehenden Teil des elterlichen Vermögens zu belassen; Böhmer hielt es sogar für zulässig, daß die zu exportierenden Eltern ihre Kinder unter 14 Jahren nicht mit sich nahmen, sondern zurückließen; in diesem Falle forderte er deren kostenlose Erziehung durch den Staat.93 Natürlich stießen derartig phantastische Vorstellungen auf schroffen Widerspruch. Der leiningensche Deputierte und Pfarrer von Colgenstein Köster verlangte, „keine Rücksicht auf die Kinder unter 14 Jahren zu nehmen, sondern dieselben ihren Eltern mitzugeben". 94 Böhmer gefiel sich jedoch in der Rolle des einsamen Kämpfers für die Gerechtigkeit so sehr, daß er trotz Ablehnung seiner Vorschläge sie am 1. April in seiner Mainzer National-Zeitung publizierte, selbstverständlich Widerspruch erfuhr und darum in der nächsten Nummer seiner Zeitung am 6. April seinen Standpunkt nochmals darlegte: Der Staat hätte erst dann Anspruch auf das Vermögen der Eltern, wenn die Erstansprüche der Kinder befriedigt worden wären. Der Konvent war jedoch keineswegs gewillt, sich mit juristischen Finessen herumzuschlagen und in Verfahren einzulassen, die die ohnehin schwierigen Aufgaben noch komplizierten. Er sah einen Hauptzweck darin, die innere Sicherung des neuen Freistaates so schnell und so gründlich wie möglich zu gewährleisten: „Möchten die Kinder immerhin ihren Eltern fluchen; das sei die eigene Schuld und Strafe der Eltern, die sie sich durch Verweigerung des Eides zuzögen; das dadurch gestiftete Elend falle nicht dem Staate, sondern den Eltern selbst zur Last." 95 Es war vor allem Metternich, der — wie aus dem Konventsprotokoll hervorgeht — auf schnelle und kompromißlose Verabschiedung des Dekretes über die zu Exportierenden drängte. Er setzte beim Konvent durch, daß verderbliche Gegenstände aus dem beschlagnahmten Vermögen unverzüglich in Geld verwandelt werden konnten. Von ihm kam die Anregung, dem Dekret die Warnung einzufügen, daß alle, die sich an der Verschleppung von Vermögen der zu Exportierenden beteiligten oder auch nur davon wüßten, ohne dies rechtzeitig angezeigt zu haben, mit der Konfiskation ihres Vermögens bestraft würden. Metternich bewirkte schließlich auch die Entscheidung des Konvents, nicht eher auseinanderzugehen, bis das Dekret ausformuliert und vorgelesen wäre. Allerdings erwies sich dann diese Absicht bei der noch verbleibenden knappen Zeit doch als undurchführbar, so daß die letzte Fassung vom Unterrichtskomitee besorgt werden mußte. Offensichtlich war man sich dabei auch des Verlustes bewußt geworden, der die Abreise Forsters und Lux' für das Komitee bedeutete, denn erst jetzt wurde Ersatz geschaffen durch die Ernennung des Wormsers Loewer, den Roxheim deputiert hatte, und des Grünstädter Deputierten Moßdorf. Über der Sorge um die schnellstmögliche Lösung der Frage, wie die künftigen Exportationen mit allen ihren Folgen zu bewältigen waren, wurde von Metternich nicht vergessen, daß es daneben noch ein Emigrantenproblem gab, das ebenfalls mit Vermögensfragen verbunden war, worüber aber erst zu gegebener Zeit mit den französischen 93

94 95

Ebenda, S. 4 8 7 Anm. m. Die seinerzeit vom Verfasser geäußerte Vermutung, daß Böhmer diese Vorschläge bereits am 23. 3. unterbreitet haben könnte, muß korrigiert werden, denn die Reaktion Kösters auf diese Vorschläge weist ihnen eindeutig ihren Platz im Konventsprotokoll vom 26. 3. zu. Ebenda, S. 504f. Ebenda, S. 505. Ebenda, S. 488. Diese durch Böhmer Forster zugeschriebene Äußerung, der schon seit dem 25. 3. unterwegs nach Paris war und darum kaum der Sprecher sein konnte, ist dennoch für die Haltung des Konvents in dieser Frage durchaus repräsentativ.

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Kommissären verhandelt werden müßte. Bedeutsamer und auch vordringlicher erschien Metternich die Notwendigkeit, daß sich der Konvent über eine Deputation mit dem Nationalkommissär Simon ins Benehmen setzte, „wie die schärfsten Maßregeln zu ergreifen seien, das Dekret in den nicht munizipalisierten, doch dabei unter uns liegenden Ortschaften zu exequieren".96 Eine Deputation, bestehend aus Parcus, Loewer, Solms und Caprano, wurde unverzüglich abgesandt und kam nach kurzer Zeit mit dem Bescheid zurück: Der Konvent möge Kommissäre zur Munizipalisierung der noch übrigen Orte ernennen; für die nötigen Vollmachten und sonstige Unterstützung würde Simon sorgen. Im Grunde sagte Simon damit nichts Neues; er befand sich vielmehr in völliger Übereinstimmung mit seiner Auflistung von Aufgaben, die anzupacken er am 18. März dem eben konstituierten Rheinisch-deutschen Nationalkonvent angeraten hatte: Sowohl einzelne Personen als auch ganze Ortschaften, die den Eid verweigert hatten, waren Feinde der Franken und des neuen deutschen Freistaates, gegen die Maßnahmen zu ergreifen waren.97 Die Unabhängigkeitserklärung des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents vom 18. März hatte es vermieden, das Gebiet des Freistaates unzweideutig zu begrenzen, sondern zog auslegbare Umschreibungen vor. Der „ganze Strich Landes von Landau bis Bingen, welcher Deputierte zu diesem Konvente schickt", war eine geradezu irreführende Kennzeichnung, wenn man von den in Mainz tatsächlich versammelten Deputierten ausging, die natürlich nur einen sehr viel kleineren Teil als den ganzen Strich Landes von Landau bis Bingen repräsentierten. Ganz anders wieder sah die Lage aus, wenn umgekehrt der ganze Strich Landes von Landau bis Bingen „einen freien, unabhängigen, unzertrennlichen Staat" ausmachen sollte, der seine höchste Vertretung im Mainzer Nationalkonvente besaß. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß für die rheinisch-deutschen Jakobiner wie für die in Mainz agierenden französischen Kommissäre — die darin nicht unbedingt mit der von Paris betriebenen Politik konform gingen — diese Lesart als eine unmittelbare Zielsetzung unverrückbar feststand. Wenn also der Pfälzer mit Rücksicht auf Paris unter den destituierten Fürsten im 3. Artikel des Dekrets vom 18. März namentlich ungenannt blieb, so war er doch wieder in „alle deutsche Reichsstände" einzubeziehen, die wie die vorher namentlich genannten ihre Ansprüche auf diesen Staat verloren. Einen unzweideutigen Beweis liefert das vom 27. März datierte Konzept eines Dekretes, das den Kurfürsten von der Pfalz beschuldigte, den Feinden des Freistaates „in dem Lande, das er unter seiner Herrschaft hält und die Natur demjenigen gleichsam einverleibt hat, welches sich seiner Freiheit wieder bemeistert und seine Volksrepräsentanten versammelt hat", öffentlichen Schutz zu gewähren und seine beiden Hauptstädte Heidelberg und Mannheim zu wahren Sammelplätzen der Feinde gemacht zu haben. Das Dekret sollte den Kurfürsten auffordern, innerhalb von 14 Tagen alle aus dem Freistaat ins Pfälzische ausgewanderten Personen auszuweisen; „im Verweigerungsfalle aber erklärt der Nationalkonvent nicht nur alles Eigentum des Kurfürsten von der Pfalz an den Rheinisch-deutschen Freistaat verfallen, sondern wird auch alle anderen Mittel ergreifen, welche er zur Handhabung der allgemeinen Sicherheit notwendig befinden wird". 98 Angesichts der positiven Haltung, die die Konventskommissäre seit ihrem Eintreffen in Mainz zur Rheingrenze mehrfach in schriftlichen Stellungnahmen bekundet hatten, 96 97 98

Ebenda, S. 505. Ebenda, S. 439. Ebenda, S. 510.

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angesichts auch der Forderung Simons im März an den Außenminister, den Weg zur Munizipalisierung der pfälzischen Ortschaften links des Rheins freizugeben, darf angenommen werden, daß das Dekretkonzept vom 27. März im Einverständnis mit den französischen Kommissären, auf jeden Fall aber in der Gewißheit auf ihr nachträgliches Einverständnis zustande kam." Der Außenminister Le Brun-Tondu war der Forderung Simons in seinem Antwortschreiben vom 20. März noch ausgewichen. Aber im Mainzer Nationalkonvent brachte Böhmer am 29. März den Beschluß durch, eine Deputation mit Auftrag an die französischen Kommissäre zu schicken, über diese Frage mit ihnen zu beratschlagen. Sie kehrte noch im Verlauf der Konventssitzung mit dem Bescheid Reubeils zurück, das Dekret umgehend ins Französische zu übertragen und an General Custine gelangen zu lassen.100 Offensichtlich waren die Kommissäre geneigt, vollendete Tatsachen zu schaffen, die Paris dann akzeptieren mußte. Inzwischen hatte das Dekret über die zu Exportierenden seine endgültige Ausformulierung erfahren und war am 27. März durch den Konvent bestätigt worden. Es nannte sich Dekret, „die Nichtschwörenden, ihre Familien und Güter betreffend", und wurde von der Mainzer National-Zeitung, die es am 28. März publizierte, als „ein Werk der traurigen Notwendigkeit des Krieges" charakterisiert.101 Nach Kennzeichnung der Erwägungen, die es veranlaßten — des Konvents Hauptsorge habe der Sicherung des neuen Freistaates vor seinen inneren Feinden gegolten, als die alle Eidverweigerer anzusehen waren, gegen die nach Erschöpfung der gelinden Mittel nunmehr Strenge notwendig wurde —, folgten 13 Punkte, die die zu ergreifenden Maßregeln aufführten. Alle, die nicht innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe des Dekretes den Bürgereid geleistet hatten, wurden mitsamt ihren Familien exportiert; bei Staatsdienern und Privilegierten, die zuvor auf ihre Vorrechte schriftlich verzichtet haben mußten, wurde der Eid auch vom weiblichen Geschlecht verlangt. Dagegen konnten sogenannte Fremde durch die Eidleistung das Bürgerrecht erwerben, sofern sie 12 Fürsprecher fanden. Wer von den Exportanten arbeits- und kriegsdienstfähig war, sollte mit Zustimmung der französischen Kommissäre ins Innere Frankreichs, alle anderen über den Rhein gebracht werden, wobei die Volksaufwiegler den Anfang machten. Ihr mobiles und im-" mobiles Vermögen verfiel der Beschlagnahme und Konfiskation. Einverständnis mit dem Feinde wurde mit unmittelbarer Einziehung des Vermögens zugunsten des Staates gestraft; die Verheimlichung und Verbringung zu beschlagnahmender Vermögen — auch die Beihilfe dazu — hatte den Verlust des eigenen Vermögens zur Folge. Die drei letzten Bestimmungen wiederholten nur die nach der Diskussion am 25. März gefaßten Beschlüsse im Hinblick auf das Vermögen der Frauen, die sich von ihren nichtschwörenden Ehepartnern scheiden ließen, der über 21jährigen Söhne und über 14jährigen Kinder. Der 12. Punkt verpflichtete den Konvent, aus seiner Mitte besondere Kommissarien zu bestimmen, die mit Zuziehung der Munizipalitäten die Vollstreckung des Dekretes besorgen sollten. Der 13. und letzte Punkt ordnete den Druck, die Versendung an alle Munizipalitäten und die feierliche Bekanntmachung des Dekretes an. Schließlich konnte am 28. März auch das Dekret, „die Emigranten betreffend", durch den Nationalkonvent verabschiedet werden.102 Ebenso wie im voraufgegangenen 99 100 101 102

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

512. 516. 508-511. 512-514.

VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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Dekret vom 27. März gab hier die Sicherheit des rheinisch-deutschen Freistaates die Begründung für die Maßregeln her, die in 10 Artikeln dargelegt wurden. Als Emigrierte waren alle Personen beiderlei Geschlechtes zu betrachten, die vor dem Erscheinen der Franzosen zwischen Landau und Bingen ansässig und gegenwärtig außer Landes waren. Ihnen allen wurde aufgetragen, innerhalb von drei Wochen bei der Munizipalität ihres Ortes zu erscheinen, um den Bürgereid abzulegen und, wenn privilegiert, ihren Vorrechten wie ihrem ehemaligen Landesherrn zu entsagen. Im Krankheitsfall war die Einsendung entsprechender schriftlicher Erklärungen möglich. Von der Rückkehr ausgeschlossen waren alle mit dem Feinde Kollaborierenden, deren Vermögen dem Staate anheimfiel, während bei allen anderen Emigranten nach Ablauf der Frist zwar auch die Konfiszierung und Verwendung zum allgemeinen Besten erfolgte, aber bei späterer Rückkehr und Einsicht eine Entschädigung dafür dennoch möglich blieb. Jeder Verkehr mit Emigranten wurde mit Exportation und Konfiskation des Vermögens bestraft; die letzte Strafe drohte auch allen, die Emigranteneigentum auf irgendeine Art verbrachten oder auch nur verheimlichten. Schließlich sollte das Dekret auch für die bisher von den Franzosen Exportierten gelten, die Volksaufwiegler natürlich ausgenommen. Die Todesstrafe sogar wurde allen Emigranten und Exportanten angedroht, die Waffen gegen den rheinisch-deutschen Freistaat und die Frankenrepublik ergriffen hätten. Der 10. und letzte Artikel sah Druck, Versendung und feierliche Bekanntmachung vor. Beide Dekrete, das gegen die Exportanten und das gegen die Emigranten, waren rigoros, denn sie entzogen nicht nur im Bereich des neugebildeten Freistaates allen Nichtschwörenden die Grundlagen ihrer materiellen Existenz, sondern auch anderswo, sofern sie dort nicht ebenfalls begütert waren oder auf eine Beschäftigung hoffen konnten. Die Dekrete waren lückenlos in der Bekämpfung illoyalen Verhaltens und entsprachen so durchaus dem behaupteten Zweck, den Freistaat gegen innere Feinde zu sichern.103 Unausgesprochen blieb dabei eine Tendenz, die womöglich den rheinisch-deutschen Revolutionären häufig gar nicht so bewußt wurde, aber dennoch präsent war: Die Umfunktionierung des Eides aus einem Bekenntnis zu den Grundprinzipien der Revolution in ein Bekenntnis zur strikten Loyalität gegenüber einem revolutionären Staat. Den sprechendsten Ausdruck fand diese Tendenz in einer von Friedrich Cotta am 30. März fertiggestellten Schrift „An die, welche noch nicht geschworen haben".104 Die in den Kriegen der Feudalzeit geübte Praxis, daß der Sieger im eroberten Gebiet den dortigen Untertanen einen Huldigungseid abverlangte, der zum Wohlverhalten gegenüber der Okkupationsmacht verpflichtete, war allgemein bekannt und, weil üblich, auch allgemein als gerechtfertigt anerkannt. Cotta nutzte dieses Faktum und argumentierte folgendermaßen: „Freilich anfänglich, als von diesem Eid gehandelt wurde, da war es ein feierlicher Verspruch, eine Revolution in diesem Lande zu machen, die Landesobrigkeiten abzusetzen, die Landesverfassung umzuändern. Aber das ist

103

104

Franz Dumont urteilt zwar ähnlich, kann sich aber die Unterstellung der persönlichen Bereicherung nicht verkneifen, indem er sie zwar als Hauptabsicht bestreitet, jedoch als Nebenabsicht — wenngleich nicht expressis verbis — gelten läßt: „Hauptabsicht der jakobinischen Führer des Konvents war daher nicht die persönliche Bereicherung durch Konfiskationen. Mit der Androhung existenzgefährdender Strafen wollten sie vielmehr eine möglichst große Zahl von Eidleistungen erzwingen und zugleich jede innere Opposition ausschalten." Dumont, Mainzer Republik, S. 444. M R I I , S. 524 — 527 Anm. h. Als einen halben Bogen starke Flugschrift erschien sie erst Mitte Aripl.

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jetzt anders. Die Revolution ist gemacht ... Jetzt also verlangt man von Euch, indem man von Euch den vorher so gefürchteten Eid verlangt, nichts anders als einen Huldigungseid-. die teutsche Nationalkonvention zu Mainz, welche jetzt die oberste Gewalt im Land ausübt, die Frankenrepublik, deren Truppen Euer Land besetzt haben, fordert von Euch jet^t diesen Huldigungseid gegen die höchste Landesobrigkeit und gegen das jetzige höchste Landesgesetz." Für Cotta war der im Wortlaut unveränderte Eid, jetitf geschworen, etwas grundsätzlich anderes als der, den die aktiven Revolutionäre zuvor geleistet hatten, so daß also auch die kaiserlichen Strafandrohungen die heute und morgen Schwörenden nicht mehr meinen konnten. Das im Hinblick auf den Wortlaut des Eides von Cotta akzeptierte Zugeständnis war durchaus geringfügig, denn er riet abschließend allen, die noch nicht geschworen hatten, vor ihrer Ortsobrigkeit zu erklären: „Ich huldige, ich schwöre dem Volk und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit Treue." Die Rigorosität der Dekrete vom 27. und 28. März hatte schließlich auch noch in einer weiteren Richtung zukunftsweisende Bedeutung, die allerdings womöglich noch weniger ins Bewußtsein der rheinisch-deutschen Revolutionäre gedrungen war als der Bedeutungswandel des Eides. Im Mittelpunkt der Verhandlungen des Nationalkonvents in Mainz standen eindeutig die Fragen der politischen Macht, die es den alten Feudalgewalten zu entreißen und auf der Basis der in Frankreich entwickelten revolutionären Grundprinzipien neu zu gestalten galt, wobei angesichts des unzureichenden Eigengewichts des rheinisch-deutschen Freistaates von Anfang an die Inkorporierung als die zuverlässigste Sicherung des Erreichten ins Auge gefaßt wurde. Der künftige Ausbau sollte bereits ein gemeinsamer mit der Mutterrepublik sein. Natürlich war immer wieder von der Aufhebung der feudalen Lasten die Rede, insbesondere wenn es um die Gewinnung der Bauernschaft für die vorwiegend politischen Zielsetzungen ging. Am weitesten waren Forster und Bleßmann als Wahlkommissäre im leiningenschen Grünstadt gegangen, als sie am 28. Februar kurzerhand alle feudalen Abgaben und Leistungen „gänzlich und für immer" aufhoben und die Ausarbeitung einer neuen Steuergesetzgebung dem einzuberufenden Mainzer Nationalkonvent zur Aufgabe bestimmten.105 Der Konvent hat dann nichts dergleichen getan, weil er in den 14 Tagen seiner Existenz alle Hände voll zu tun hatte, um zunächst und vor allem die Fragen des Überbaus in den Grundzügen zu lösen. Auch in dem Arbeitsprogramm, das der Nationalkommissär Simon am 18. März in seiner Begrüßungsansprache vor dem eben konstituierten Rheinisch-deutschen Nationalkonvent entwickelte, dominierten Probleme des Ausbaus der staatlichen Macht und der Niederhaltung bzw. Liquidierung innerer Feinde.106 Immerhin aber war hier doch auch schon das Problem der Nationalgüter genannt, die durch die Flucht und Destituierung diverser fürstlicher und gräflicher Häuser dem Staate zufielen und für deren Besorgung der Staat bis zur endgültigen Lösung die Verantwortung trug. Beide Dekrete, gegen die Exportanten wie gegen die Emigranten, waren nun so geartet, daß ihre konsequente Durchführung einen erheblichen Zuwachs an Nationaleigentum erbracht und damit die Voraussetzungen geschaffen hätte, um auf Kosten des Feudaleigentums und konterrevolutionären Vermögens zu einer beträchtlichen Umverteilung des Besitzes zu gelangen, die der politischen Revolution zu einer gewissen sozialökonomischen Fundierung verholfen hätte. Inzwischen schufen die sich auf dem Kriegsschauplatz abspielenden Ereignisse eine durchaus neue Situation. Mainz erfuhr von den militärischen Auseinandersetzungen 105 106

Ebenda, S. 373 f. Ebenda, S. 439.

VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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und ihrem für die Franzosen negativen Ausgang bereits am 28. März. Die Mainzer National-Zeitung brachte an diesem Tage die Nachricht von Dumouriez' Niederlage bei Neerwinden, ohne sie allerdings als vernichtende bereits erkennen zu können, und auch die von der Mainz unmittelbar tangierenden Schlappe bei Bingen: „Gestern früh vor Tage drangen die Feinde mit einer sehr überlegenen Macht auf Bingen ein, welches nur durch 1500 Mann unsrer Truppen besetzt war. Nach einer hartnäckigen Gegenwehr, bei welcher auf beiden Seiten Tote und Verwundete blieben, zogen sich die Unsrigen von Bingen zurück, nachdem ein Teil derselben und unter diesen General Neuvinger von den Preußen gefangengenommen war." 107 Eher kopflos flüchtend als zu ernsthaftem Widerstand bereit und fähig, zog sich Custine auf die Festung Landau zurück. Das Amalgam, die Zusammenführung von zwei Bataillonen Freiwilliger und einem Linienbataillon zu einer Halbbrigade — der Schlüssel zur Disziplinierung der Revolutionstruppen und Basiselement für die Entwicklung einer revolutionären Taktik, die auch die Kunst eines Rückzuges beherrschte —, war zwar im Konvent gegen girondistischen Widerstand im Februar beschlossen worden, aber natürlich nicht rechtzeitig genug, um noch vor Wiederaufnahme der Kampfhandlungen in die militärische Praxis überführt und wirksam werden zu können. Die erste Reaktion auf die alarmierenden Nachrichten vom Kriegsschauplatz, die dem Mainzer Nationalkonvent zu Beginn seiner Sitzung vom 29. März vorlag, war „die Petition einiger junger Männer, die vom Konvent begehren, autorisiert zu sein, an der inneren Sicherheit mitarbeiten zu helfen". Der Konvent leitete diese Bitte an den wachthabenden Ausschuß weiter, „damit derselbe dieses Korps organisiere".108 Die nächste Auswirkung bestand in einem vom Wachsamkeitsausschuß geführten Schlag gegen die kurfürstliche Dienerschaft, die seiner Meinung nach samt und sonders umgehend exportiert werden sollte. Im Ergebnis der Diskussion dieses Vorschlages wurde der Kreis der zu Exportierenden noch um die Bedienten des Domkapitels und anderer Stifter und Klöster erweitert. Im endgültigen Dekret vom 29. März hieß es dann, „daß sämtliche Individuen des ehemaligen Hofmarschallamts, alle Pedellen, Kursoren und Bedienten sowohl von der Regierung, dem Hof- und Stadtgericht als vom Vikariat und Domkapitel, Stiftern und Klöstern, alle ehemaligen herrschaftlichen Lakaien, Kammerdiener, Kutscher, Jäger, Reitknecht, Läufer, Heiducken, Gardereuter und ehemalige Mainzer Soldaten, sie mögen wirklich noch in Diensten sein oder nicht, die diesen Eid nicht geleistet haben, bis zum 30. dieses mit ihren Familien sich zur Exportation bereit halten und zu dem Ende am benannten Tag um 8 Uhr morgens sich an der Schloßwache mit ihren Familien einfinden sollen, um sodann exportiert zu werden". 109 Ein gutes Dutzend, darunter auch die drei Stadtgerichtsassessoren, entschloß sich noch schnell am 29. März zu Privilegienverzicht und Eidesleistung, um dem angedrohten Schicksal zu entgehen; die Masse der anderen wurde dem Dekret entsprechend am 30. März über den Rhein geführt und den feindlichen Vorposten übergeben.110 Auch die Huldigungsadresse von Grünstadt, die am 29. März im Konvent verlesen wurde, war eine Treuekundgebung, die auf dem Hintergrund der militärischen Rückschläge erfolgte und dementsprechend vom Konvent gewürdigt wurde, ungeachtet des EinMNZ Nr. 37 vom 28. 3. 1793. los jvlR u ; S. 515. Über die Zusammensetzung des Wachsamkeitsausschusses vgl. S. 516 Anm. a. 109 Ebenda, S. 517. 1 1 0 Ebenda, S. 517f.

107

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spruches des Grünstädter Parcus, der seiner Stadt die Unterstützung der dortigen und seiner Meinung nach unmoralischen Lotterie verargte. 111 Schließlich wurde am 29. März im Konvent nochmals ausdrücklich bestätigt, was bereits im Artikel 9 des Dekretes vom 28. März beschlossen, aber eben noch nicht verkündet worden war, nämlich die Androhung der Todesstrafe gegen jeden seit dem Eintritt der Franken in Deutschland Emigrierten oder Exportierten, der die Waffen gegen den Freistaat ergriffen hatte. Dies und die massiven Drohungen gegen den Kurpfälzer, von dem man die Ausweisung aller Emigranten aus seinen Ländern forderte,112 sind weitere Beweise dafür, daß der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent trotz böser Nachrichten vom Kriegsschauplatz alles andere als mut- und kopflos reagierte. Alle seine Aktivitäten, die er am 29. März einleitete oder durchführte, waren von der Einsicht in die Notwendigkeit getragen, alle Kräfte für die Verteidigung des Erreichten zu mobilisieren, keine Mutlosigkeit aufkommen zu lassen und potentielle Gegenkräfte so schnell wie möglich auszuschalten. Auch die in der Nacht zum 29. März — womöglich mit Beteiligung des Wachsamkeitsausschusses — von den Franzosen durchgeführte Arretierung von 16 namhaften und ungeschworenen Mainzer Bürgern war alles andere als eine nervöse Reaktion. Man hielt die Arretierten im Gasthaus „Zum Römischen Kaiser" fest, bis man sie am frühen Nachmittag in zwei Kutschen als Geiseln nach Landau abtransportieren konnte.113 Es war dies eine Maßnahme, die von beträchtlicher Weitsicht zeugte: Sie sorgte für ein Faustpfand, das zu besitzen sich als außerordentlich nützlich erwies, um von den rheinisch-deutschen Revolutionären, die in die Hände der Konterrevolution fielen, das Schlimmste fernzuhalten. Die Konventssitzung vom 30. März wurde zunächst von dem Eklat beherrscht, den die Anzeige beim Präsidenten bewirkte, „daß einige Mitglieder des Konvents schändlicherweise ihren Posten verlassen und die Flucht ergriffen hätten".114 Metternich war flammende Empörung und schlug vor, die betreffenden ohne Ansehen der Person 10 Jahre für unfähig zur Besetzung irgendwelcher Stellen zu erklären. Böhmer sprach sich für die Unterrichtung des Pariser Konvents aus, um ihn vor diesen Feigherzigen zu warnen. Beiden Anträgen wurde zugestimmt, während man über weitergehende Motionen von Fuchs und Rompel nicht abstimmte und zur Tagesordnung zurückkehrte. Der namentliche Aufruf, der erst am Ende der Sitzung erfolgte, ergab 26 Abwesende, von denen allerdings 13 mit Sicherheit und 2 mit großer Wahrscheinlichkeit zuvor die Genehmigung des Konvents eingeholt hatten, so daß tatsächlich nur 11 unentschuldigt fehlten; unter diesen befanden sich allerdings auch solche führenden Köpfe wie Blau, Wedekind, Dorsch und Bleßmann.116 Ein genauerer Blick auf die Situation am 30. März, der im nachhinein natürlich leichter zu gewinnen ist und von den erregten Teilnehmern ebenso natürlich nicht verlangt werden konnte, läßt jedoch von dem lautstark erhobenen Vorwurf der Desertion nicht allzuviel übrig. Zunächst einmal fällt auf, daß der Konvent am 30. März im Gegensatz zu allen vorausgegangenen Sitzungen nicht am Vormittag zusammentrat, sondern erst am Nachmittag. Ganz offensichtlich hatte der Vormittag von den Konvents deputierten andere Aktivitäten verlangt. Möglicherweise war ihre Mitwirkung bei der schnellen

111 112 113 114 115

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

515. 516. 522 f. Anm. b. 519. 521, 528 Anm. m.

VIII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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Exportation der mehrere Hundert zählenden feudalen Dienerschaft gefragt, die vormittags um 9 Uhr über den Rhein gebracht wurde. Die Marschvorbereitungen der für die Verteidigung der Festung überzähligen Truppen, denen sich die französischen Kommissäre anschlössen, gingen nicht lautlos vor sich und erfolgten auch nicht ohne Kontaktaufnahme mit den führenden rheinisch-deutschen Revolutionären. Dem Präsidenten des Nationalkonvents, Joseph Andreas Hofmann, hatten die sich zur Abreise rüstenden Konventskommissäre nicht nur Hilfsversprechen für die sich zur Freiheit bekennenden Einwohner der Stadt hinterlassen, sondern auch ihm ihre Vollmachten übertragen. 116 Nicht aus eigenem Antrieb, sondern als Adjunkt des Nationalkommissärs hatte Bleßmann die Stadt verlassen; zwar hätte die Menge der damit verbundenen Geschäfte ihn daran gehindert, den Konvent ordnungsgemäß davon zu unterrichten, aber Simon hätte es übernommen, mit Hofmann darüber zu sprechen. Nach Bleßmanns Darstellung wäre im übrigen die Vertagung des Konvents am 30. März bereits am Vortage verabredet worden, so daß er den NichtZusammentritt des Konvents am Vormittag als Beendigung der Konventssitzungen überhaupt auffassen konnte. 117 Auch Dorsch verließ auf ausdrückliches Ersuchen der Konventskommissäre Merlin und Reubell die Stadt, die ihn als zweisprachigen Sekretär gebrauchen wollten, was ihm Merlin schriftlich bestätigte. 118 Schließlich läßt auch das Protokoll der Konventssitzung vom 30. März Metternichs erstes Auftreten zumindest übereifrig erscheinen, denn auf seine leidenschaftliche Philippika mit anschließendem Strafdekret gegen die angeblichen Deserteure folgte sein nächster Auftritt, der faktisch dem Konvent das Ende seiner Geschäfte verkündete und eine provisorische Administration ernannt wissen wollte, die an seiner Stelle agierte; „Metternich hält eine den Umständen angemessene Rede, in der er Aufmunterungsgründe für den Patrioten erschöpfte". 119 Tatsächlich bestand der wichtigste Beschluß, den der Konvent vom 30. März faßte, in der förmlichen Aufhebung des Konvents, die von der Wahrscheinlichkeit einer Vereinigung mit Frankreich ausging. Seine Wiederzusammenberufung wurde der noch zu konstituierenden provisorischen Administration überlassen, wobei im Grunde daran nur gedacht war, wenn der Pariser Konvent die erbetene Vereinigung ablehnen sollte.120 Das Ajournement erfolgte so gründlich, daß man beschloß, alle Deputierten, die noch die Chance besaßen, in ihre Heimat zurückzukehren, ohne von den Preußen ergriffen zu werden, nach Hause zu schicken. Die Munizipalität in Mainz wurde angewiesen, allen Deputierten, die sich als solche ausweisen konnten, auf Wunsch Pässe auszustellen. Den Zurückbleibenden wurden die Diäten auf die Hälfte gekürzt und der Rat erteilt, sich vornehmlich für Aufgaben bereit zu halten, die die allgemeine Sicherheit betrafen. Es blieb buchstäblich jedem einzelnen Deputierten überlassen, ob er an der kommenden Sitzung, die für den 31. März um 16 Uhr angesetzt war und einzig die Konstituierung der neuen provisorischen Administration zum Gegenstand hatte, teilnehmen wollte 116 117 118

119 120

Ebenda, S. 519 f. Ebenda, S. 530ff. Anm. b. Ebenda, S. 528 f. Ob die Dinge bei Blau und Wedekind ähnlich lagen, ist nicht nachprüfbar. Beide konnten gar nicht gegen den Konventsbeschluß vom 30. 3. Einspruch erheben, denn der erste war auf dem Wege nach Landau dem Feinde in die Hände gefallen, und dem zweiten war die Flucht gelungen. Bleßmann und Dorsch dagegen kehrten noch am selben Tage mit den französischen Kommissären und der Masse der Truppen nach Mainz zurück, da ihnen die Preußen den Weg nach Landau inzwischen abgeschnitten hatten. Ebenda, S. 519. Ebenda, S. 520, 527 Anm. k.

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oder nicht; es wurde lediglich gebeten, daß sich die Teilnehmenden ebenso wie die Nachhausegehenden bei Bürger Fuchs melden sollten, um wenigstens einen ungefähren Überblick zu erhalten. Unabhängig von der Zahl der Anwesenden war eigentlich die für den 31. März anberaumte Sitzung im strengen Sinne schon keine Konventssitzung mehr, denn die Aufhebung des Konvents war ja bereits am 30. März dekretiert. 121 Solch eine legere Handhabung der Dinge am Ende der Sitzung paßte in der Tat nur sehr schwer zu dem Rigorismus, den die Deputierten gegenüber den angeblichen Deserteuren eingangs geübt hatten. Rund um die Diskussion, die Metternichs Antrag auf Vertagung des Konvents auslöste, wurden wenigstens kurz auch ein paar andere Fragen aufgegriffen, die nur sehr mittelbar damit zusammenhingen. So wurde Böhmers beruhigende Mitteilung, daß die abreisenden Kommissäre dem Stadtkommandanten Dubayet aufgetragen hätten, die deutschen Patrioten bei einer eventuellen Kapitulation in den ersten Punkt einzuschließen, nicht, wie Frank proponierte, durch den Druck bekanntgemacht; Moßdorf fegte ein solches Ansinnen mit der Bemerkung vom Tisch, „daß kein Patriot ein Patent der Art nötig habe".122 Ein durchaus neues Problem entstand durch die vor den Preußen sich nach Mainz flüchtenden Patrioten vom Lande, die untergebracht werden mußten. Zwar hatten schon die französischen Konventsdeputierten diese Leute dem Stadtkommandanten besonders ans Herz gelegt, aber das schaffte noch keine Quartiere. Fuchs machte auf die Häuser der Emigranten aufmerksam, und Böhmer nutzte die Gelegenheit, um die Publikation der Exportanten- und Emigrantendekrete vom 27. und 28. März vorzuschlagen, von denen nämlich zwar das erste durch die Mainzer National-Zeitung in der Stadt bekannt, aber ebensowenig wie das Emigrantendekret den Munizipalitäten offiziell zugestellt worden war. Es ist bemerkenswert, daß sich nicht Präsident Hofmann und auch nicht Metternich durchsetzte, die beide für einen weiteren Aufschub plädierten, wobei der erste dem Wachsamkeitsausschuß und der zweite der neuen provisorischen Administration die Entscheidung zuschieben wollte: „Die Publikation wurde auf morgen nachmittag festgesetzt und der zu ernennenden Administration aufgetragen." 123 Im übrigen gab es auch Stimmen, die Bedenken gegen die Vertagung des Konvents vorbrachten, weil sie das Ansehen des Freistaates herabsetzte. Schraut aus Worms wies auf den offensichtlichen Widerspruch hin, daß einerseits die noch fehlenden Deputierten gedrängt wurden, sich in Mainz einzufinden — am 29. März hatte deswegen der Konvent noch Speyer mit einer Geldstrafe belegen wollen124 —, und andererseits eine Vertagung beabsichtigt wäre. Das Gegenargument, daß bei Fortbestand des Konvents die Administration und andere Stellen nicht besetzt werden könnten, parierte Parcus mit dem Vorschlag, die Verwaltungsangelegenheiten den bestehenden Ausschüssen zu übertragen. 126 So überzeugend diese Argumente klangen, hatten sie dennoch keine Chance, nennenswerte Unterstützung im Konvent zu finden. Um dieselbe Zeit, da der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent in Erwartung eines positiven Bescheides aus Paris die vorläufige Beendigung seiner Tagungen dekretierte, fand in Paris die entscheidende Sitzung des französischen Nationalkonvents statt, die 121 122 123 124 125

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

520 f., 528 Anm. 1. 519f. 500. 516, 518 Anm. e. 520.

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über den Antrag der rheinisch-deutschen Republikaner auf Vereinigung zu befinden hatte. Die aus Forster, Lux und Patocki bestehende Deputation war, begleitet vom französischen Kommissär Haussmann, am 29. März in Paris eingetroffen. Am nächsten Tage schon konnte Haussmann sie dem Pariser Konvent vorstellen. Er begann mit einem Bericht über die Lage im Linksrheinischen, der allerdings schon nicht mehr auf dem neuesten Stand war urid Unmögliches versprach, wenn er Custine bei ausreichender Unterstützung noch für fähig hielt, das Unglück von Neerwinden und die heillose Flucht der belgischen Armee wiedergutmachen zu können. Weiterhin berichtete er von der erfolgreichen Durchführung des Dekretes vom 15. Dezember im Mainzer Gebiet, von der Formierung einer „Convention des peuples libres de la Germanie", von ihrer Unabhängigkeitserklärung, der Absetzung des Mainzer Kurfürsten und anderer feudaler Herren; « le 21 elle a décrété sa réunion à la France. Ses députés sont ici, je demande qu'ils soient introduits. >>126 Forster, der Sprecher der Deputation, erhielt das Wort. Er begann mit einer kurzen Anrede an den Präsidenten und bewegte sich dabei ganz auf der Linie von Haussmann: Der Rhein als natürliches Bollwerk, das uneinnehmbare Mainz und schließlich die Gegenwart der Konventskommissäre und eines Generals wie Custine nannte er Garanten der Unabhängigkeit und künftiger Siege : « Oui, c'est sur les bords du Rhin que vous allez reconquérir et Liège et Aix-La-Chapelle et que vous fermerez à jamais l'entrée de la terre libre aux myrmidons des despotes. »127 Anschließend verlas er die Adresse des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents vom 25. März, die von 90 Deputierten unterschrieben worden war.128 Der Präsident stellte die Adresse im Konvent zur Diskussion, der ihr durch Akklamation auf der Stelle zustimmte. Das dann formulierte Anschlußdekret berief sich sowohl auf die vorgetragene Adresse als auch auf das vorgelegte Dekret des Mainzer Konvents vom 21. März.129 Im Namen des französischen Volkes wurde die Annahme des frei geäußerten Wunsches der « peuples libres de la Germanie » erklärt und schließlich dekretiert, daß die 88 Städte und Gemeinden, deren Deputierte die Adresse unterschrieben hatten, künftig einen integrierenden Bestandteil der französischen Republik ausmachten.130 Der Schwierigkeit, den eingangs erwähnten freien Völkern Deutschlands eine klare Begrenzung zu geben, ging das Dekret aus dem Wege, indem es, auf Rousseau basierend, jeder einzelnen Gemeinde das Selbstbestimmungsrecht zuerkannte, solange sich noch keine Nation wie die französische Republik konstituiert hatte, die dann natürlich den Anspruch erheben durfte, « une et indivisible » zu sein. Das amorphe Reich beherbergte Völker, aber keine Nation. Die Inkorporierung einzelner Ortschaften hatte darüber hinaus den Vorteil, präzise und darüber hinaus beliebig erweiterungsfähig zu sein. Dieser Beschluß erreichte Mainz nicht mehr und konnte auch nicht vollzogen werden, denn in der ersten Aprilwoche hatten preußische und österreichische Truppen das Gesamtgebiet des rheinisch-deutschen Freistaates besetzt — Mainz mit einigen vorgelagerten Dörfern ausgenommen, um das sich der Belagerungsring äm 10. April endgültig schloß. Unabhängig davon und in festem Vertrauen auf die schließliche Annahme ihres Vereinigungsbegehrens blieben die rheinisch-deutschen Revolutionäre in Mainz 126 127 128 129 130

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

541-543. 543. 501 f. 473 Anm. j. 544.

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bemüht, entsprechend den Beschlüssen ihres Konvents zu verfahren. So trat dann auch der Konvent am Sonntag, dem 31. März, um 16 Uhr zu seiner Schlußsitzung zusammen, die eigentlich schon keine reguläre Sitzung mehr war, da sich der Konvent bereits am Vortage aufgehoben hatte und darum auch die Teilnahme dem Belieben der einzelnen Deputierten überlassen blieb. Faktisch diente diese Sitzung ausschließlich dazu, der Konstituierung der neuen Exekutive einen repräsentativen Rahmen zu verleihen. Während der Konvent noch am 30. März auf Metternichs Vorschlag beschlossen hatte, daß die Administration aus 13 Mitgliedern bestehen und mit einfacher Mehrheit gewählt werden sollte, 131 schlug nunmehr Pfarrer Rompel eine 18köpfige Allgemeine provisorische Administration vor, die zusammenzustellen dem Konventspräsidenten überlassen bleiben sollte, der demnach ex officio auch den Vorsitz zu übernehmen hatte.132 Obwohl Hofmann sich wehrte, wurde Rompels Vorschlag allgemein unterstützt. Der Alleinverantwortung für die Auswahl der Administratoren entging er jedoch dadurch, daß er sich vier Wahlgehilfen ausbedang, die er zunächst selbst ernannte, aber dann von den anwesenden Deputierten einzeln als Mitglieder des Wahlausschusses bestätigen ließ. Es waren das die Konventsdeputierten Metternich, Moßdorf, Loewer und Schlemmer — der letzte mit 25 Jahren einer der jüngsten Deputierten. Nachdem im Plenum zuvor geklärt worden war, daß sowohl Nichtdeputierte als auch Mitglieder des Wahlausschusses zu Administratoren ernannt werden konnten, kam die folgende Allgemeine provisorische Administration zustande: 1. Andreas Joseph Hofmann, 2. Richard Joseph Ratzen, 3. Mathias Metternich — alle drei Deputierte von Mainz — und 4. Joseph Schlemmer, Deputierter des mainzischen Gumbsheim; 5. Stephan Loewer, 6. Christoph Heinrich Clausius, 7. Goswin Schweikard — alle drei Deputierte aus den wormsischen Gemeinden Roxheim, Bobenheim und Wiesoppenheim; 8. Johann Philipp Herrer, 9. Adam Caprano — beide Deputierte aus den speyerischen Orten Harthausen und Dudenhofen; 10. Anton Fuchs, Deputierter aus dem falkensteinischen Eckelsheim; 11. Friedrich Schmitt, 12. August Moßdorf, 13. Carl Parcus, 14. Samuel Koester, 15. Christian Solms — alle fünf Deputierte der leiningenschen Ortschaften Sausenheim, Grünstadt, Altleiningen, Heidesheim und Colgenstein, Dürkheim; 16. Carl Boost, Deputierter aus dem wild- und rheingräflichen Wendelsheim. Hinzu kamen noch die beiden Nichtdeputierten Friedrich Joseph Stumme aus Mainz und Philipp Joseph Kämmerer aus dem mainzischen Bingen als 17. und 18. Administrator.133 Die Zusammensetzung macht zum ersten deutlich, daß diese Allgemeine provisorische Administration keineswegs den Anspruch aufzugeben gedachte, das Exekutivorgan des rheinisch-deutschen Freistaates zu sein, unabhängig davon, wie weit die gegebene militärische Situation ihren Wirkungsgrad zeitweilig einengte. Die wichtigsten Gebiete des rheinisch-deutschen Freistaates waren repräsentiert, wobei es keine Rolle spielte, daß Schlemmer, Caprano, Fuchs, Schmitt und Boost in Mainz ihren Wohnsitz hatten, obwohl sie von anderen Ortschaften als Deputierte gewählt worden waren. Zum zweiten geht aus der Zusammensetzung hervor, daß diesmal die Auswahl der Administratoren in starkem Maße die fachlichen Voraussetzungen berücksichtigte. Über die Hälfte besaß eine juristische Ausbildung, andere hatten in der Verwaltung wertvolle Erfahrungen gesammelt oder verstanden als Pfarrer etwas von Menschenführung. 131 132 133

Ebenda, S. 519. Ebenda, S. 529. Ebenda.

VTII. Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent

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Vor allem anderen aber hatte sich die übergroße Mehrheit in den Kämpfen der Zeit und insbesondere bei den Bemühungen um eine revolutionäre Umgestaltung hervorragend bewährt; die neue Administration hatte keinen Johann Georg Reuter mehr in ihren Reihen wie die alte unter Dorsch; jeder einzelne war verläßlich. Dazu kamen die vergleichsweise beträchtlich erweiterten Befugnisse, die dieser Administration eingeräumt wurden. Sie konnte die Zahl ihrer Mitglieder nach eigenem Ermessen erweitern und völlig selbständig ihre innere Organisation gestalten, die nur insofern vorprogrammiert war, als aus der Mitte der Administration ein Präsident, ein Generalprokurator und ein Sekretär zu wählen waren.134 Der großherzige Vorschlag des Pfarrers Hierthes aus Essingen, den Administrationsmitgliedern die unverkürzten Diäten zuzugestehen, wurde von diesen selbst zurückgewiesen; es blieb also bei der Halbierung der 5 Gulden 30 Kreuzer, wie sie am Tage zuvor Metternich für die nach der Vertagung des Konvents in Mainz bleibenden Deputierten vorgeschlagen hatte, auch für die Administratoren.135 Neben Hofmann als Präsident, dessen Verlautbarungen seit dem 1. April alle „im Namen des souveränen Volkes" ergingen, trat gelegentlich als Vizepräsident Metternich in Erscheinung. Als Generalprokurator der Administration fungierte Boost, als Sekretäre unterzeichneten Heinrich Adam Degenhard und Johann Alois Becker, die beide für dieses Amt außerhalb der Administration gewonnen wurden.136 Den 31. März empfand Hofmann ganz unverkennbar noch als eine Art Zwischenzustand, in dem sich der Präsident des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents allmählich in den Präsidenten der Allgemeinen provisorischen Administration verwandelte, ohne sich innerlich wandeln zu müssen. Als er beispielsweise am 31. März die Mainzer Munizipalität anwies, die Konventsdekrete gegen Exportanten und Emigranten vom 27. und 28. März zu publizieren, firmierte er diesen Auftrag — zu Unrecht — als „Dekret der Rheinisch-deutschen Nationalkonvention", das er dann auch als ihr Präsident unterzeichnete.137 Das Rumpfparlament, das am 31. März nachmittags noch einmal zusammengetreten war, stellte keine solche Konvention mehr dar und hat sich auch inhaltlich überhaupt nicht mit der Veröffentlichung jener Dekrete beschäftigt. Der Konventsabschluß, der die Veranlassung zu jener Anweisung gab, war am 30. März gefaßt worden und hatte ausdrücklich die zu ernennende Administration beauftragt, für die Publizierung der Dekrete zu sorgen.138 Ein zweites Dekret, ebenfalls vom 31. März datiert und die Einsetzung der provisorischen Administration betreffend, wurde von Hofmann offensichtlich genauso gehandhabt, nämlich als vom Nationalkonvent gegeben dargestellt; das Dekret existiert nicht mehr, aber es wird mit seiner Überschrift als Nr. 1 in einer Liste geführt, die alle zwischen dem 1. und 12. April expedierten „Dekrete vom Rheinisch134 135

136 137 138

Ebenda, S. 529 f. Ebenda, S. 530, 520 f., 450, 460 Anm. q. Dumonts Angabe von 5 Gulden 30 Kreuzer = 12 Livres ist falsch, denn sie berücksichtigt nicht die Halbierung auf 2 Gulden 45 Kreuzer = 6 Livres. Dumont, Mainzer Republik, S. 448. Möglicherweise erfolgte für einen Teil der Administratoren am 6. 4. eine Aufstockung der Diäten um einen sogenannten kleinen Taler = 1 Gulden 221/2 Kreuzer = 3 Livres. Böhmer jedenfalls nannte diese Zahl, und auch Höpfner sprach von einer Erhöhung der Diäten, während die Allgemeine Administration zumindest bestritt, daß jedes Mitglied 9 Livres erhielt. MR II, S. 547, 562 Anm. r, 587, 590 ff., 600. Ebenda, S. 533 Anm. f. Ebenda, S. 527 Anm. i. Ebenda, S. 520.

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Darstellung

deutschen Nationalkonvent zu Mainz und der provisorischen Allgemeinen Administration" verzeichnet.139 Man versteht natürlich, daß Hofmann die Allgemeine Administration lieber durch den Konvent eingesetzt wissen wollte und darum als sein bisheriger Präsident so verfuhr; er besaß im übrigen auch das moralische Recht dazu, denn die ihm angetragene Alleinverantwortung für die Zusammensetzung der Administration hatte er ja mit großem Geschick umgehen können. Einmal auf demokratische Weise installiert, lernte es die Allgemeine provisorische Administration unter der Präsidentschaft Hofmanns dann doch relativ schnell, die Macht „im Namen des souveränen Volkes" zu gebrauchen. 139

Ebenda, S. 546.

Abb. 36

General Gustine mit Böhmer vor deutschen Offizieren

Abb. 38

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Kapitulation

IX. Die Tätigkeit der revolutionären Staatsorgane unter Belagerungsbedingungen

Auf der preußisch-österreichischen Kriegskonferenz in Frankfurt im Februar 1793 war beschlossen worden, daß eine Armee unter dem Koburger von den österreichischen Niederlanden aus die Offensive beginnen sollte, während die Preußen die Rückeroberung der Festung Mainz ins Auge fassen würden. Dazu waren 33000 Mann bestimmt, während 40000 Mann in der Pfalz französische Entsatzversuche unterbinden sollten. Die Blockade begann am 14. April, aber noch Mitte Mai hielt man in Mainz eine förmliche Belagerung für unwahrscheinlich. Erst Mitte Juni wurde mit dem Bombardement der Festung begonnen; Mitte Juli erreichten die Bomben auch die Stadt. Zunächst mußte das Belagerungskorps durch Wurmser, der den Preußen gründlich mißtraute, auf 44000 Mann verstärkt werden, um der 23000 Mann zählenden französischen Festungsbesatzung einigermaßen zu entsprechen. Dann fehlte es an dem nötigen Belagerungsgeschütz, das von überall und sogar aus Holland herbeigeschafft werden mußte. Hinzu kamen mangelnde Erfahrungen der Preußen im Belagerungskrieg, persönliche Querelen in der höchsten Spitze — so zwischen den Generalleutnanten Schönfeldt, der das rechtsrheinische Kastel, und Kalckreuth, der die linksrheinische Hauptfestung belagerte —, zunehmende Versorgungsschwierigkeiten einer riesigen Streitmacht bei langer Dauer und auf engstem Räume, wirkungsvolle französische Ausfälle, die der Kampfbereitschaft der Belagerer zusätzlichen Abbruch taten.1 Es war also ganz und gar nicht so, daß mit dem Beginn der Blockade von Mainz schlagartig nur noch rein militärische Gesichtspunkte Geltung gehabt hätten, die keinen Raum mehr für irgendwelche politisch-revolutionären Aktivitäten ließen. Umgekehrt hat vielmehr die gegebene militärische Situation zunächst über viele Wochen — bis in den Juni hinein — als Stimulans gewirkt, um — natürlich auf stark eingegrenztem Raum — wesentliche Beschlüsse des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents unverzüglich in die Tat umzusetzen. Revolutionäre Staatsorgane waren aus den Wahlen vom Februar/März auf zwei Ebenen hervorgegangen: auf lokaler Ebene die Mainzer Munizipalität bei einer sehr geringen Wahlbeteiligung und gleichsam auf Landesebene der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent, der bei seiner Vertagung auf unbestimmte Zeit die Allgemeine provisorische Administration schuf, die die allgemeine Zustimmung der Deputierten hatte. Beide Organe, die Munizipalität unter dem Maire Macke und die Allgemeine Administration unter dem Präsidenten Hofmann, trugen staatliche Verantwortlichkeiten, die für unterschiedliche Ebenen konzipiert waren. Die militärische Situation seit Anfang April schränkte jedoch den Tätigkeitsbereich der Landesbehörde auf nahezu den gleichen Raum wie den der Stadtbehörde ein. Hier ergaben sich Reibungsflächen, die mit absoluter Sicherheit auch zu Auseinandersetzungen führten. 1

Vgl. dazu Laut^as,

Festung Mainz, S. 63 f.

242

Darstellung

Der forsche Ton, den die Administration als Landesbehörde der lokalen Munizipalität gegenüber am 2. April anzuschlagen beliebte, war sicher ganz überflüssig, aber doch auch als ein Bemühen verständlich, ihrer Überordnung sprachlichen Ausdruck zu verleihen. Der Munizipalität war nämlich aufgegeben, die Administration über die Gestaltung ihrer inneren Organisation zu unterrichten und immerwährende Sitzungen zu halten, so daß auch zur Nachtzeit wenigstens zwei Munizipalitätsmitglieder Dienst taten; dem folgte die Bemerkung: „Übrigens erwartet die Allgemeine Administration, daß die Munizipalität ihre Sitzungen in pleno alle Tage spätestens um 8 Uhr des Morgens eröffnen werde, damit die Geschäfte nicht, wie bis hieher geschah, durch eine unverantwortliche Nachlässigkeit verzögert werden mögen." 2 Die Munizipalität reagierte verärgert, bat um die Mitteilung der angeblichen Versäumnisfälle und betonte, daß bereits seit fünf Tagen das Gemeindehaus rund um die Uhr besetzt sei. Die Zähne zeigte die Munizipalität, als die Administration am selben Tage dem Mainzer Bürger und Deputierten des kurmainzischen Zornheim, Johann Baptist Gaul, das Recht zusprach, mit Rücksicht auf die Vertagung des Nationalkonvents als Munizipal tätig zu sein. Die Munizipalität protestierte dagegen, einem einstigen Munizipalsuppleanten, der diese Funktion aufgegeben hatte, um sich als Konventsdeputierten wählen lassen zu können, den Vorzug vor anderen Suppleanten zu geben. Als die Administration auf ihrer These beharrte, daß die Vertagung des Konvents die Wiederaufnahme der alten Stelle rechtfertigte, erklärte sich die Munizipalität allerhöchstens bereit, Gaul als letzten Suppleanten zu akzeptieren. Jetzt argumentierte die Administration nicht mehr, sondern dekretierte am 5. April, daß es bei ihrem am 2. April „mitgeteilten Beschlüsse sein Bewenden habe".3 Die Antwort gab diesmal Munizipal Häfelin, ein gestandener Jakobiner, Gründungsmitglied des Klubs und sein erster Präsident. Sie war geharnischt. Mit Berufung auf die Frankerikonstitution und auf den „Unterricht" widersprach er der ungereimten These def Administration und schloß mit den Worten: „Ich bin nicht Patriot, etwa den Franken zu gefallen — ursprünglich: weil etwa die Franken die beste Pomade zu verfertigen wissen — sondern weil nach ihrer neuen Konstitution alle Vorrechte und willkürliche Gewalt, die bei uns so viel Unheil verursacht hat, aufhören muß. Dieser Machtspruch der Administration hat aber in seinem ganzen Umfang das Gepräg von Willkürlichkeit; es ist die Pflicht eines Patrioten, sich solchen Eingriffen und Willkürlichkeiten zu widersetzen. Ich trage darauf an, daß die Munizipalität diese meine Gründe nochmal an die Administration zur Beherzigung einsende. Mainz den 6. April 1793. Haefelin, Off. Munizipal." 4 Ganz offensichtlich gab die Administration jetzt doch klein bei, denn Gaul fand später in dem von ihr gegründeten Liquidationsausschuß Verwendung. Solche zweifellos nicht gerechtfertigten Ansinnen der Administration waren das eine, das gelegentlich zu Reibereien mit der Munizipalität führte; das andere war eine aus der kommunalen Betrachtungsweise herrührende enge Sicht, die Rücksichtnahmen forderte, wo die Administration mit guteim Grund auf prinzipiellen Lösungen beharrte. Ein solches Beispiel liefert die Denkschrift, die der Gemeindeprokurator Waßmann am 31. März der Munizipalität in der Absicht vorlegte, das Exportationsdekret vom 27. März gründlich auszuhöhlen.5 2 3 4 5

M R II, S. 551. Ebenda, S. 554. Ebenda, S. 555. Ebenda, S. 510 Anm. a. Da das Dekret, das den Ungeschworenen nach seiner offiziellen Bekanntgabe eine dreitägige Frist zur Eidesleistung einräumte, bereits am 28. 3. von der

IX. Die Staatsorgane unter Belagerungsbedingungen

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Waßmann brachte ein einziges Argument vor, das in der Tat im Gefolge der Eingrenzung des Gültigkeitsbereiches dieses Dekrets auf Mainz und Kastel zu gegebener Zeit berücksichtigt zu werden verlangen konnte: Die Exportationen durften zu keiner Situation führen, in der die belagerte Stadt nicht über genügend Hände für Löscharbeiten und dergleichen mehr verfügte. Alle anderen Argumente waren undiskutabel, weil sie auf eine totale Kapitulation vor den Eidverweigerern hinauslief, denen lediglich ein Sicherheitseid abgenommen werden sollte, während der Bürgereid auf unbestimmte Zeit zu verschieben war. Dennoch beschloß die Munizipalität am 1. April, „bei dem gegenwärtigen Zeitpunkte gegen alle Exportationen und Zudringlichkeiten auf Eiden eine Vorstellung bei der Allgemeinen Administration zu übergeben". 6 Diese erklärte sich auch bereit, über diese Problematik mit dem Wachsamkeitsausschuß und der Generalität zu sprechen, aber verlangte zugleich, daß zwei Munizipalen dem für den 1. April vorgesehenen Exportationsgeschäft beiwohnten und insbesondere Munizipal Euler „diesen Auftrag besser als gestern zu vollziehen sich bestreben wird". Die Munizipalität meinte, sich einfach quer legen zu können, sprach von „gegen unsere Überzeugungen laufenden Maßregeln", von „mehr für Polizeisergeanten als Munizipalen schicklichen" Aufträgen, die sie sich verbat, und drohte andernfalls mit geschlossenem Rückritt; 13 Unterschriften trug dieser Protest vom 2. April. Die Reaktion der Administration erfolgte umgehend und war von durchschlagender Wirkung; das Protokoll der Munizipalität vom selben Tage hielt den Vorgang fest: „Am Schluß der Sitzung fand Bürger Präsident Hofmann bei der Versammlung sich ein, brachte die an denselben kurz vorhin übergebene Schrift mit und erklärte: Da der Kriegszustand und die Belagerung der Stadt außerordentliche Maßregeln notwendig mache, so müßten auch zur Vollziehung derselben ungewöhnliche Mittel angewendet werden; er trage also darauf an, daß die Munizipalität die übergebene Schrift zurücknehmen und die gegebene Weisung wegen Exportation vollziehen oder gewärtigen solle, daß alle Munizipalen im Falle weiterer Widersetzlichkeit entweder sogleich mit exportiert oder als Geiseln hier in gefänglichen Haften sollen genommen werden. Nach weiters gepflogener Rücksprache mit dem Bürger Präsidenten wurde beschlossen, die Schrift quästionis zurückzunehmen und Bürger Munizipal Müller einzuladen, das Geschäft der Exportation anheute zu besorgen."7 Hier wurde die Munizipalität mit äußerster Schärfe, aber nicht nur mit guten Gründen, sondern auch dem geltenden Recht entsprechend in die Schranken gewiesen, die ihr zukamen. Der anschließende Versuch der Munizipalität, wenn nicht der Administration, so doch wenigstens deren Wachsamkeitsausschuß gegenüber ihre höhere Wertigkeit als gewählte Behörde herauszustreichen, schlug schon nicht mehr so über alle Stränge, sondern gab sich als eine Anfrage, die zudem aus einem wenig bedeutsamen Anlaß gestellt wurde: „Wir glauben dahero in der Eigenschaft als frei gewählte Volksbeamte, daß wir Leuten, die nicht einmal von der Eigenschaft sind, als solche gewählt werden zu können, nicht zu gehorchen oder Befehle anzunehmen schuldig seien, und fragen dahero bei der Allgemeinen Administration um weitere Verhaltungen hierüber

6 7 8

M N Z publiziert worden war, hielt Waßmann diese Frist schon für abgelaufen, was generell nicht zutraf. Die Frist begann erst mit der offiziellen Bekanntmachung am 1. 4. Ebenda, S. 527 Anm. i. Ebenda, S. 556. Ebenda. Ebenda, S. 557.

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Darstellung

Solche Reibungen gab es, die vereinzelt auch massive Zusammenstöße im Gefolge hatten, bei denen eine Seite sich dann geschlagen geben mußte, um eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu ermöglichen. Dennoch war es nicht der Sand im Getriebe, der das Verhältnis zwischen Administration und Munizipalität unter Belagerungsbedingungen die längste Zeit über bestimmt hätte, im Gegenteil. Es dominierte die echte Zusammenarbeit, und die Administration tat auch einiges, um sie zu fördern. Am 7. April beispielsweise gestaltete sie in Übereinstimmung mit dem französichen Kriegsrat den Sicherheits- und Wachsamkeitsausschuß, den noch der Rheinischdeutsche Nationalkonvent ernannt hatte, dergestalt um, daß ihm unter Hofmanns Leitung vier Administratoren, sechs Konventsdeputierte, drei Munizipalen und vier Mitglieder des alten Ausschusses angehörten. Mit diesem Dekret wurde der Anteil der Munizipalen zwar um einen erhöht; die Praxis allerdings sah dann so aus, daß Hofmann anderer Aufgaben wegen die Präsidentschaft im Ausschuß selten ausübte, sondern sie durch den Munizipalen Falciola sen. wahrnehmen ließ.9 Der Wachsamkeitsausschuß war das wichtigste Organ der Administration. Da seine Arbeiten keine Unterbrechung vertrugen, übernahm sie ihn zunächst unbesehen in der vom Konvent bestimmten Zusammensetzung. Nach wie vor wurde er mit allen Befugnissen ausgestattet, die ihm ein unmittelbares Eingreifen in die Praxis mit dem unbedingten Anspruch auf Folgeleistung möglich machten. Im Dekret vom 7. April erhielt darum auch die Munizipalität ausdrücklich und eindeutig Antwort auf ihre Frage, wie es mit ihrer Gehorsamkeitspflicht stünde: „Der hiesigen Munizipalität und der sämtlichen Einwohnerschaft wird dieses von Administrations wegen mit dem Anhange bekanntgemacht, daß die Munizipalität sowohl als auch jeder Bürger und Einwohner sich allen von diesem Sicherheits- und Wachsamkeitsausschuß zu erlassenden Verfügungen zu unterwerfen und sie genau zu befolgen habe."10 Hand in Hand arbeiteten Administration und Munizipalität beispielsweise in der Frage der Verwertung des Gartenlandes innerhalb der Festung zusammen. Am 1. April hatte die erste die letztere angewiesen, „sämtliche Gärten, welche zeither dem Militaire zur Benutzung gedient, wie auch alle diejenigen, welche von den Geistlichen, Adeligen, Stiftern, Klöstern und sonstigen Emigranten verlassen worden sind, an arbeitsame Personen zum ordentlichen Bau und Besserung ohnentgeltlich abzugeben, damit das notwendige Gemüs für die Bewohner der Stadt daraus erzielt werden möge". Die Munizipalität handelte auftragsgemäß. Doch am 4. April schreckte sie eine Weisung des Kriegsrates auf, wonach alle in der Stadt befindlichen Gärten der Emigrierten und Exportanten für das Militär und auf seine Kosten bebaut werden sollten. Die unverzüglich dem Kommandierenden General d'Oyre gemachte Gegenvorstellung nannte zwar die Idee „nicht ganz zweckwidrig", aber gab doch zu bedenken, daß eine Bewirtschaftung der Gärten durch Tagelöhner für das Militär ungleich weniger ergiebig sein würde als durch Pächter, die auch Diebereien wirksamer begegneten. Im übrigen wollte die Munizipalität ihre Verfügung vom 3. April gern in der Richtung erweitern, „daß die Hospitäler gegen billige Bezahlung vorzugsweise beliefert werden sollten". Die letzte Bemerkung entsprang einem nur der Allgemeinen Administration gegenüber geäußerten, aber begründeten Verdacht, daß die Gartenfrüchte viel mehr den Offizieren als den Hospitälern zugute kommen sollten. Hofmann als Präsident der Allgemeinen Administration gab sofort die erbetene Unterstützung, indem er d'Oyre am 5. April wissen ließ: „Wir finden die Bedenklichkeiten 9 10

Ebenda, S. 550f. Anm. e. Ebenda.

IX. Die Staatsorgane unter Belagerungsbedingungen

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und Vorschläge ... sehr erheblich und unterstützen sie daher mit der Bitte, die von der Munizipalität wegen ersagter Gärten bereits getroffene Verfügung zu genehmigen, damit außer dem Militaire und den Hospitälern auch die hiesige Bürgerschaft mit frischem Gemüse versorgt werden könne." 11 Eine handschriftliche Notiz Simons auf dem Schreiben Hofmanns bestätigte, daß man „am nämlichen Tage im Kriegsrat nach obigem Verlangen beschlossen" hatte. Auch in der vom Gemeindeprokurator Waßmann aufgeworfenen Frage nach der Sicherung der nötigen Anzahl von Handwerkern für spezifische Arbeitsleistungen im Zuge der Belagerung zeigte sich die Allgemeine Administration durchaus einsichtig — und dies wohlgemerkt von vornherein. Am selben 31. März, an dem Waßmann seine Denkschrift verfaßte, hatte Hofmann im Namen des noch vom Konvent eingesetzten Wachsamkeitsausschuß der Munizipalität aufgegeben, sämtliche Schornsteinfeger vorzuladen, um sie zur Leistung des Bürgereides anzuhalten, aber sich im Weigerungsfalle auch mit einem Handgelöbnis und Sicherheitseid zufriedenzugeben. Ein solches Entgegenkommen lief letztlich auf eine beträchtliche Modifizierung von Artikel 3 des Exportationsdekrets vom 27. März hinaus, denn die Masse der Handwerker bildeten Fremde, die sich nur vorübergehend in Mainz aufhielten, kein Stimmrecht besaßen und dies nur durch Leistung des Bürgereides und Stellung von 12 Bürgen erwerben konnten; die Nichterfüllung einer der beiden Bedingungen genügte, um die Exportation zur Folge zu haben. Ausnahmeregelungen im Hinblick auf eine mögliche Belagerung wurden anscheinend notwendig. So stimmte beispielsweise die Allgemeine Administration wohl zu, daß am 3. April 40 fremde Handwerker wegen eingeschränkter Arbeitsmöglichkeiten die Stadt verließen, aber nahm dabei ausdrücklich alle Schmiede-, Zimmer-, Maurer-, Wagner- und Kaminfegergesellen davon aus. Ebenso sollte nach den Weisungen des Wachsamkeitsausschusses die für den 9. April vorgesehene größere Exportation einerseits so rigoros gehandhabt werden, „daß diejenigen Männer, welche ohne Weiber, Kinder und Familie an dem Tor sich einfinden, nicht ausgelassen, sondern mit dem Bedeuten zurückgewiesen werden, daß sie nicht anders als mit Familie ausgelassen werden können"; andererseits aber waren die Aufsichtführenden auch gehalten, „wenn viele Zimmerleute, Schiffsleute, Schuhmacher, Schmiede und Wagner sich zur Exportation melden sollten, sie wieder zurückzuweisen und auf morgen auf den Ausschuß der Allgemeinen Sicherheit zu bescheiden".12 Auf Verlangen des Wachsamkeitsausschusses stellte Munizipalitätssekretär Reussing ein „Verzeichnis der Kunstgewerbe- und Handwerksleute, so den französischen Bürgereid geleistet und in Notfällen ohnentbehrlich sind", zusammen, das bereits am 12. April vorlag und 921 Namen aufführte; die Unterlagen, auf die Reussing bei der Erarbeitung eines solchen Verzeichnisses zurückgreifen konnte, waren für die Mehrzahl der Stadtsektionen lückenhaft, so daß die tatsächlichen Zahlen noch ein wenig höher lagen. In dem für den Präsidenten Hofmann bestimmten Begleitschreiben meinte Reussing, daß die beeideten Handwerker für die Bedürfnisse einer belagerten Stadt teils hinreichten, teils unzureichend waren, wobei er insbesondere die Bauwerkleute, Schiffsleute und Metzger nannte.13 Das Verzeichnis machte in der Tat nur 29 Schiffer namhaft, aber doch über 70 Leiendecker, Maurer und Zimmerleute, die man dem Baugewerbe zurechnen muß, und sogar 11 12 13

Ebenda, S. 558. Ebenda, S. 560 Anm. q. Ebenda, S. 5 6 0 - 5 6 2 .

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61 Metzger, so daß sich Hofmann am 15. April nicht dazu verstehen konnte, der Bitte der Munizipalität zu entsprechen und bei der Exportation von Metzgern Zurückhaltung zu üben, weil der französische Kriegskommissär Blanchard eine Anzahl Metzger für die Bedürfnisse der Armee angefordert hatte: „Wir haben mehr geschworne Metzger als Blanchard verlangt; es ist also ganz überflüssig, darum etwa ungeschworene zurückzuhalten."14 Angesichts der sprunghaft gestiegenen Eidesleistungen von Handwerkern — an die 1000 waren es am 12. April — erscheint es durchaus zweifelhaft, ob es sich tatsächlich als notwendig erwies, die von Hofmann am 31. März ins Auge gefaßte Modifizierung des Artikels 3 des Exportationsdekrets zu realisieren; jedenfalls fehlt es an Unterlagen über geleistete Handgelöbnisse und Sicherheitseide anstelle des Bürgereids. Als die beschränkte Anzahl von Mühlen im zernierten Mainz sich als Engpaß bei der Mehlherstellung auszuwirken begann, verbot zwar am 1. Mai der Wachsamkeitsausschuß dem Paßkomitee bei der Munizipalität die Ausstellung von Pässen für alle Mahlknechte, die Bäckerknechte dagegen ließ er passieren, wenn ein Zeugnis des Meisters ausschloß, daß sich hinter dem Bäckerknecht in Wahrheit ein Mahlknecht verbarg; über die Art der Eidesleistung dieser zurückgehaltenen Mahlknechte wurde in diesem Zusammenhang allerdings nichts ausgesagt. 15 Die Allgemeine Administration fand schließlich auch im Hinblick auf das Schicksal des Stadtgerichts und der von ihm zu bearbeitenden Rechtssachen eine Lösung, die der Munizipalität entgegenkam. Das aus kurfürstlichen Zeiten stammende Stadtgericht hatte Pupillar-, Hypotheken-, Pfand- und andere Justizsachen zu bearbeiten. Anfang März schon beklagte es sich darüber, daß seine Entscheidungen von den Betroffenen zunehmend mißachtet würden. Damals fragte die Allgemeine Administration bei der Munizipalität an, wie lange sie noch des Stadtgerichts bedurfte, und verlangte für diese Zeit auch den Schutz seiner Autorität. Das wurde schwierig, als sich am 22. März Nationalkommissär Simon einschaltete, bei dem die scheidungswillige Frau des exportierten Kammerkanzlisten Grimm das Stadtgericht verklagt hatte, weil es dessen gesamtes Vermögen sofort unter Siegel genommen hatte. Simon ordnete einfach die Kassierung des Stadtgerichts an.16 Der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent annullierte zwar am 23. März diesen willkürlichen Akt, aber widerrief dann seinen eigenen Beschluß noch am selben Tage. Die Munizipalität, die sich mit gutem Grund außerstande erklärte, die Stadtgerichtsgeschäfte einfach zu übernehmen — die zurückliegenden und noch unbearbeiteten Aktenvorgänge beliefen sich auf rund 800, und bei den Pupillarsachen ging es um Werte von rund einer halben Million Gulden —, plädierte für die Einsetzung eines eigenen und besoldeten Komitees.17 Die neue Administration nahm sich am 6. April dieser Frage an. Metternich als Vizepräsident verordnete, daß die drei Stadtgerichtsassessoren, die aus Furcht vor einer Geiselnahme doch noch am 29. März den Bürgereid geleistet hatten, das provisorische Stadtgericht ausmachten und zugleich als Friedensrichter tätig würden. Sie sollten das 14 15 16 17

18

Ebenda, S. 562. Ebenda. Ebenda, S. 479, 483 Anm. b. Ebenda, S. 482, 490f. Anm. q. Auf Antrag von Blau beschloß der Konvent am 25. 3., die entsprechenden Passagen im Protokoll zu löschen, um so die Zwistigkeiten ungeschehen zu machen. Ebenda, S. 497. Ebenda, S. 562 f.

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Pupillarwesen besorgen, die Aufsicht über das Pfandamt führen, alle alten Streitfälle durch Vergleich oder Urteil beenden, neue Streitfälle zu einem Vergleich führen oder, wenn ein solcher nicht erreichbar, an den Justizausschuß der Munizipalität weiterleiten; man erwartete Auskünfte über das benötigte Personal und die Nennung von Subjekten, die allerdings den Eid geschworen haben mußten.18 Statt dessen wußten die Stadtgerichtsassessoren nur von Schwierigkeiten zu berichten, die sie in langen Denkschriften darlegten. Die Administration bewies jedoch Hartnäckigkeit und Flexibilität, um in enger Kooperation mit der Munizipalität auch damit fertig zu werden; das Prinzip, keine Ungeschworenen zu beschäftigen, wurde durchgehalten.19 In Übereinstimmung mit der Munizipalität handelte die Allgemeine Administration über lange Zeit auch in solchen Fällen, wo Übergriffe des Militärs zu befürchten waren oder sogar vorlagen. Bereits am 4. April hatte Metternich als Vizepräsident der Administration die Munizipalität beauftragt, sämtliche zurückgelassenen Lebensmittel der Emigrierten und Exportierten aufzunehmen und mit Beschlag zu belegen, um sie vor jedem Verderb zu sichern. Doch am 10. April folgte ein zweites Dekret gleichsam als Nachtrag zu jenem, das die in den Häusern der Exportierten vorfindlichen Viktualien, Weine und Früchte ausschließlich dem zivilen Bedarf vorbehalten wissen wollte: „Bloß unter ziviler Verwaltung, ohne Anzeige zu machen an das Militaire", sollte die Verwahrung erfolgen.20 Natürlich hatte die Munizipalität dagegen nichts einzuwenden und unterrichtete ihre dafür zuständigen Mitglieder umgehend. Am 12. April protestierte die Allgemeine Administration bei Reubell und Merlin gegen Bestrebungen des französischen Kriegskommissariats, sich am Eigentum der rheinisch-deutschen Republik zu vergreifen, 21 was jedoch Blanchard nicht hinderte, am 15. April von der Munizipalität ein Verzeichnis über die Privatvermögen Emigrierter und Exportierter als auch der staatlichen Vermögen zu verlangen. Die Munizipalität unterrichtete umgehend die Administration und bat sie, diese Operation mit Berufung auf die Kapitulationsbedingungen zu verhindern. Gleichzeitig wurde Blanchard bedeutet, sich mit solchen Ansinnen an die Allgemeine Administration zu wenden, „in welcher das bishero bestandene rheinischdeutsche Nationalkonvent konzentrieret sei". Die Administration zog es zwar vor, eigene Konventsdekrete und das Pariser Dekret vom 15. Dezember heranzuziehen, um das Unstatthafte des Ansinnens von Blanchard zu belegen, aber in der Sache selbst ging sie mit der Munizipalität konform. Ihr wurde ausdrücklich bescheinigt: „Die provisorische Allgemeine Administration habe ihren Bericht mit Zufriedenheit empfangen und versehe sich von derselben, daß sie in allen ähnlichen Fällen das zudringende französische Kriegskommissariat ab- und hierher verweisen werde." Blanchard ließ nicht locker und machte die Munizipalität am 20. April für alle Folgen verantwortlich, die ihre fortgesetzte Verweigerung seiner Wünsche haben könnte. Die Allgemeine Administration in ihrem Rücken wissend, beantwortete sie diese Drohung kurz und knapp: „Da der Gegenstand Ihres Briefes der nämliche ist, so ist unsere Antwort darauf die nämliche, nämlich Sie zu bitten, sich an die Allgemeine Administration zu wenden."22 Dennoch hielt es die Munizipalität je länger je mehr für angeraten, in Sachen des National- und Privateigentums und seiner Sicherung vor unkontrollierbaren Zugriffen einen 19 20 21 22

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

564-567. 568f. Anm. u. 549, 570 Anm. z. 570 f.

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gut begründeten und ausgearbeiteten Standpunkt zu besitzen. Es war natürlich ganz und gar nicht auszuschließen, daß militärische Gesichtspunkte ein zunehmendes Gewicht erhielten, das die Durchsetzung im Normalfall gültiger Prinzipien zunehmend erschwerte. Die Munizipalität beschloß darum am 23. Mai, eine entsprechende Denkschrift anzufertigen, die, von Munizipal Umpfenbach verfaßt, am 25. Mai von der Munizipalität und zu diesem Zeitpunkt auch noch von der Allgemeinen Administration in ihren Grundsätzen gebilligt wurde: Die Munizipalität trage für das Staats- wie für das Privateigentum Verantwortung; auch für das Staatsvermögen müsse der Nachweis der Verwendung zum Besten des Staates erbracht werden, so daß für die in der Vergangenheit dem Kriegskommissariat überlassenen diversen Effekten entsprechende Belege an den Liquidationsausschuß der Munizipalität abzuliefern seien. Das im Prinzip unverletzliche Privatvermögen kenne nur eine einzige Ausnahme, nämlich das an den Staat gefallene Vermögen der nach dem 7. April wegen Verweigerung des Bürgereides Exportierten. Jede weitere Belastung des Privatvermögens, die der Krieg notwendig mache, verlange nach der Sicherheit einer späteren Entschädigung. Aus diesem Grunde müsse der Liquidationsausschuß in alle Vermögensangelegenheiten einbezogen werden.23 Das erklärte Ziel der Allgemeinen Administration und ihres Wachsamkeitsausschusses war es, die durch Dekrete des Nationalkonventes vorgesehenen Exportationen bis Ende April abgeschlossen zu haben. Die Exportationen erfolgten in Gruppen, die anfangs gelegentlich die Hundertergrenze überschritten, später jedoch in der Regel beträchtlich darunter lagen. Massenexportationen erforderten Vorbereitungen, die bei der Kürze der Zeit nie zureichten, und Kontrollen, die über das Machbare hinausgingen. Das Ergebnis waren wechselseitige Beschuldigungen, widerstreitende Anordnungen und im Endeffekt Exportationszahlen, die beträchtlich geringer als geplant waren. Ein Beispiel dafür lieferte die von der Allgemeinen Administration auf den 9. April angesetzte Exportation; sie sollte nicht nur alle nichtgeschworenen Bürger mit ihren Weibern, Kindern und Dienstleuten umfassen, sondern auch alle zurückgebliebenen Weiber, Kinder und Dienstleute aller bereits Exportierten und der nach der Kapitulation ausgezogenen Militärpersonen.24 Mehrere Hundert fanden sich um 10 Uhr an der Brücke ein, aber wurden in die erste Verwirrung gestürzt, als das Militär auf Anweisung des Kriegsrates, der sicher sein wollte, daß keine für die Armee notwendigen Handwerker exportiert wurden, die Passage der Rheinbrücke sperrte. Der Wachsamkeitsausschuß wies daraufhin die Munizipalität an, die Menge zum Gautor zu lenken und bei der Exportation dort gleichzeitig darauf zu achten, daß erstens kein Mann ohne Familie und zweitens kein Zimmermann, Schiffer, Schuhmacher, Schmied und Wagner zuviel exportiert würde. Das Hin und Her und die unpräzisen Auskünfte, die Munizipal Nickhl am Gautor der Menge gab, lösten einen Tumult aus, dessen Opfer Nickhl wurde, der sieben Kopfwunden davontrug, bevor die Torwache ihn seinen Peinigern entriß und die Menge wieder in die Stadt zurücktrieb. Die große Exportation fand also nicht statt, und es waren nicht die etwa 30 am Tumult Beteiligten, die sie verhinderten, sondern die von den Initiatoren verschuldeten Mängel bei der Vorbereitung und Kontrolle. Das gerichtliche Nachspiel bestätigte gleichsam die Einsicht in die eigenen Versäumnisse, denn es wurde mit großer Nachsicht gehandhabt. Man verhandelte überhaupt nur gegen die drei Hauptakteure. Selbst dem Hauptbeschuldigten unterstellte man keine staatsfeind23 24

Ebenda, S. 571 f. Ebenda, S. 576 f.

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liehe Absicht; man belegte ihn als Ruhestörer mit einer finanziellen Strafe. Der zweite Angeklagte wurde lebenslänglich aus der Stadt vertrieben, während der dritte als Fremder an der Schandbühne und einer Tracht Prügel nicht vorbeikam und außerdem für immer aus dem Gebiet des fränkischen und des rheinisch-deutschen Freistaates verstoßen werden sollte. Nickhl tat alles, was in seiner Macht lag, um die Strafen, die die Allgemeine Administration am 6. Mai aussprach und die Munizipalität am 7. verkündete, noch zu mildern. 25 Der angebliche Terror, mit dem die revolutionären Behörden bei den Exportationen zu Werke gegangen seien, fällt angesichts solcher Strafmaßnahmen gegenüber nachweislichen Tumultuanten in nichts zusammen. Dasselbe gilt für die Zahlenangaben, die — von der konterrevolutionären Greuelpropaganda damals erfunden — durch die bürgerliche Geschichtsschreibung treu und brav bis in die jüngste Zeit kolportiert wurden. Anton Hoffmann setzte die Legende von den am 9. April an der Rheinbrücke versammelten 3000 Exportanten in die Welt; Klein und Bockenheimer schrieben die Zahl im 19. Jahrhundert fest; Schmitt übernahm sie ins 20. Jahrhundert, und auch Dumont in unseren Tagen räumt lediglich die Möglichkeit eines kleinen Rabatts ein, indem er von „zwei- bis dreitausend" Personen spricht.26 Dumont macht diesen Unsinn mit, obwohl er die Berechnungen Schreibers sicherlich im Gegensatz zu Hansen gut kennt; letzterer hatte den Titel der Arbeit Schreibers zitiert, aber sie ganz gewiß nie gelesen, denn sonst hätte er nicht Kleins Phantasien von 15000 bis 16000 Exportierten insgesamt unbesehen übernehmen können.27 Schreiber, penetrant chauvinistisch und reaktionär, hatte sich dennoch Ende der 20er Jahre darangemacht, unter Berücksichtigung der damals noch vorhandenen wichtigen Akten des Donnersberg-Departements einigermaßen zuverlässige Exportationszahlen zu eruieren; sein Ergebnis, das ganz und gar nicht verharmlosen will, sondern eindeutig die entgegengesetzte Tendenz verfolgt, lautete: Von den damals knappen 22000 Einwohnern in Mainz und Kastel wurden insgesamt ein Zehntel, also knappe 2200 Personen ausgewiesen. Schreiber zog es darum auch vor, sich hinsichtlich der am 9. April an der Rheinbrücke Versammelten auf die Äußerung eines Mainzer Augenzeugen zu verlassen, der von vielen hundert Bürgern, aber nicht von Tausenden sprach.28 Die heute noch bei den Munizipalitätsakten vorhandenen Exportationsüsten und Versiegelungsanweisungen lassen erkennen, daß im Monat April, in dem die Exportationen am nachhaltigsten betrieben wurden, große Exportationen, die das Hundert überschritten, nur im ersten Drittel vorkamen, die meisten Exportationen unter einem halben Hundert blieben und alle insgesamt eine fallende Tendenz markierten.29 Der letztgenannte Tatbestand hing zweifellos auch mit der zwar nicht laut verkündeten, aber unter der Hand immer noch kräftig praktizierten Eidablegung zusammen. Am 13. April ließ der Wachsamkeitsausschuß die bei den Visitationen der Häuser in den einzelnen Stadtbezirken anwesenden Munizipalen insgeheim wissen: „Wenn der Exportant den Eid zu leisten nachsucht, so kann ihm der Munizipalbeamte einen Erlaubnisschein, auf der Munizipalität den Eid zu leisten, geben; auf den nämlichen Erlaubnisschein wird ihm dann von der Munizipalität bescheinigt, daß er den Eid ge25 26 27 28 29

Ebenda, S. 578. Hoffmann, Darstellung, S. 893; Klein, Geschichte von Mainz, S. 515; Bockenheimer, Klubisten, S. 256; Schmitt, Zunftwesen, S. 93; Dumont, Ende der Mainzer Republik, S. 167. Hansen II, S. 3+ Anm. 1, 852 Anm. 1; Klein, Geschichte von Mainz, S. 533, 579. Schreiher, Ausweisungspolitik, S. 76, 97. MR II, S. 5 7 9 - 5 8 1 .

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leistet habe. Der Munizipalbeamte kann aber diese Erlaubnis nur jenen geben, von deren Rechtschaffenheit und ruhigem Betragen er überzeugt ist." 30 Offensichtlich ist von dieser Möglichkeit in den folgenden Tagen reger Gebrauch gemacht worden, denn bereits am 16. April meldete sich der Wachsamkeitsausschuß abermals zu Wort und kritisierte die Munizipalität, zu viele Bürger ohne Rücksicht auf ihren Lebensmittelvorrat zum Eide zugelassen zu haben. Die Visitatoren müßten darum auch „scharf untersuchen, ob die sich zum Schwören anbietenden — wenn auch wackeren — Bürger mit nötigen Lebensmitteln auf vier Monate versehen seien oder nicht — im letzten Falle sie um ihres eigenen Bestens willen nicht zum Eide mehr zuzulassen wären". 31 Die Fähigkeit zur Eidesleistung wurde also Ende April von einer zusätzlichen und ganz neuen Voraussetzung abhängig gemacht, die es bisher nicht gab und die so wenig mit seinem Inhalt zu tun hatte wie die zunehmend stärkere Beschränkung dessen, was der einzelne bei seiner Exportation mit sich nehmen durfte; am Ende war es „nur an Gepäck so viel, als eine Person tragen kann". 32 Die Ernährungsfrage in einer belagerten Stadt rückte je länger je mehr in das Bewußtsein der Verantwortlichen und beeinflußte ihre Entscheidungen. Am 29. April verließ auch das erste Hundert von 400 Stadtarmen — nur 260 davon waren exportationsfähig — die Stadt, jeder mit einem Geldwert ausgestattet, der zwei Laib Brot entsprach; weitere Schübe erfolgten im Mai. 33 Der 30. April war so etwas wie ein Stichtag für die Abnahme des Eides, es sei denn, daß gute Freunde Ausnahmen durchsetzten. Dies stellte nicht nur der Schützenschreiber Simon in seiner Chronik fest, sondern wird auch durch die reiche Sammlung datierter Eidesleistungen bestätigt, die sich im Würzburger Staatsarchiv befindet: Die meisten der etwa 800 Eidesleistungen vom April erfolgten nach dem 12., also auf der Basis der Instruktion vom 13. April; vom Mai finden sich nur knappe 70 Eidesleistungen. Auch das Mainzer Stadtarchiv verfügt über zwei Verzeichnisse der geschworenen Bürger; ihr Aussagewert ist unterschiedlich: Das eine hat über 2200 Personen in eine alphabetische Reihenfolge gebracht, wobei auch Doppelungen unterlaufen sind; das andere besteht aus einer Reihe von Listen, die nur teilweise schon ins reine geschrieben sind und auch nur einigermaßen chronologisch die Eidesleistungen vom 24. Februar bis zum 10. Mai ausweisen. Demzufolge haben insgesamt 2 600 Personen geschworen, davon rund 1100 im Februar und März; im April waren es rund 1400, von denen etwa 1000 erst nach dem 12. April den Eid leisteten; im Mai folgten lediglich noch 128 Eidesleistungen. Insgesamt haben also rund die Hälfte der stimmberechtigten Einwohner den Eid geleistet.34 Es ging überhaupt nicht mehr um die Gewinnung von Eidwilligen, sondern ausschließlich und ausdrücklich um die auch von französischer Seite betonte Verantwortung der Administration, „daß unsere belagerte Stadt schleunige innere Sicherheit erhalten müsse," wenn sie am 4. Mai dekretierte, in drei Tagen eine Exportation durchzuführen, die die Familien aller Privilegierten, aller kurfürstlichen Bediensteten, aller ungeschworenen Bürger und aller nach dem 6. April Emigrierten bzw. Exportierten umfassen sollte. Männer, die sich dieser Exportation entzogen, sollten zu gefährlichen Festungsarbeiten, Weiber und arbeitsfähige Kinder zum Gassenkehren bei Wasser und Brot verwendet werden.35 30 31 32 33 34 35

Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. 581. S. 583. S. 581. S. 583f. S. 602 f.

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Wie üblich fand sich wieder nur ein Teil der Betroffenen am angegebenen Ort zur angegebenen Zeit ein, so daß der Wachsamkeitsausschuß für den 12. Mai einen neuen Exporttermin festsetzte. Die angedrohten Strafen waren faktisch in den Wind gesprochen, denn die Allgemeine Administration brauchte allein drei Tage, um am 10. Mai den Wachsamkeitsausschuß anzuweisen, eine Liste der „bekannten und vorzüglich Ungehorsamen" der Munizipalität zu übergeben, die wiederum die erforderlichen Besen, Schaufeln und Karren beschaffen sollte, um das Gassenkehren beginnen zu lassen. Den Einsatz der Männer zu Festungsarbeiten ließ man fallen, weil seine Vorbereitungen noch mehr Umstände erforderten. Eine restlose Entfernung aller Ungeschworenen mit Familie aus der Stadt gelang zu keiner Zeit; allerdings stellte dieser Personenkreis ab Mitte Mai höchstens unerwünschte Esser, aber keinerlei politische Gefahr mehr dar.36 Die letzte große Exportation hatte darum auch einen gänzlich anderen Charakter, denn sie war freiwillig und ließ selbst solche Personen zu, die nachweislich den Bürgereid geleistet hatten. Da Mitte Juni die Bombardierung der Festungsanlagen begonnen hatte — die Stadt blieb auch für die größten Geschütze noch unerreichbar —, veranlaßte der Wachsamkeitsausschuß mit Zustimmung des Kommandierenden Generals d'Oyre am 2,0. Juni die Munizipalität, für den Beginn der folgenden Woche, also am 24. Juni, eine freiwillige Auswanderung vorzubereiten.37 Die vorliegenden Zahlen sprechen für eine große Bereitschaft, aber nur ein knappes Viertel der über 1200 listenmäßig erfaßten Personen waren Männer; über drei Viertel bestanden etwa zu gleichen Teilen aus Frauen und Kindern. Einen beträchtlichen Teil der Männer stellten fremde Gesellen und Knechte, denen zum Johannistag aus Nahrungs- oder Arbeitsmangel — so heißt es auf einer Anzahl unnumerierter Zettel, die den Listen beiliegen — gekündigt worden war. Es fanden sich aber darunter auch sieben bäuerliche Konventsdeputierte — einer aus dem Wormsischen, zwei aus NassauWeilburg und fünf aus Leiningen-Hartenburg —, zu denen offensichtlich noch keine Nachrichten über die Racheakte ihrer Zaunkönige gedrungen waren. Der pünktlich angetretene Ausmarsch am 24. Juni über die Brücke und durch Kastel auf Mombach zu endete zwischen den Linien, denn die preußischen Belagerer nahmen die Menge nicht an, sondern trieben sie mit Kanonenschüssen zurück.38 Es ist verständlich, daß die Belagerer eine solche Entlastung der Festung nicht zulassen und die Belagerten sie umgekehrt durchsetzen wollten. Im Ergebnis mußten die Auswanderer etwa 30 Stunden lang auf dem rechten Rheinufer gegenüber der Petersaue ungeschützt im Freien kampieren.39 Am Ende ließen die Franzosen — von den rheinisch-deutschen Behörden gedrängt — alle am Abend des 25. Juni wieder in die Stadt zurückkehren. Die einzige Bedingung, die von französischer Seite gestellt wurde, bestand in der Abstellung von 200 Personen aus der Gesamtzahl der Auswanderer für die 36 37 38 39

Ebenda, S. 603 f. Ebenda, S. 6 2 6 f. Ebenda, 627. In der bürgerlichen Historiographie sind Ströme v o n Tränen über das Schicksal der Unglücklichen vergossen worden, wobei natürlich die Schuld ausschließlich den Franzosen und den rheinisch-deutschen Jakobinern angelastet wurde. Die „Ausgewogenheit", w i e sie D u m o n t in unsern Tagen postuliert und praktiziert, sieht so aus : „Vergeblich versuchte die Munizipalität, ihre Mitbürger durch Eingaben an die deutschen u n d französischen Befehlshaber aus dieser lebensgefährlichen Situation zu befreien." A u f diese w a h r h a f t , a u s g e w o g e n e ' Darstellung folgt die überraschende Mitteilung: „Schließlich gaben die Franzosen nach, und die 1 5 0 0 Mainzer konnten am A b e n d des 25. J u n i wieder in ihre Stadt zurückkehren." Dumont, Ende der Mainzer Republik, S. 168.

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Erledigung von notwendigen Arbeiten, für die bislang französische Soldaten zur Verfügung standen. Merlin präzisierte und reduzierte die Anforderung am 26. Juni, als er im Namen des Kriegsrates die Munizipalität wissen ließ, daß lediglich 100 Männer zu Feuerlöschanstalten und 48 zur Bedienung der Handmühlen für die Mehlherstellung gebraucht würden.40 Das Arbeitsprogramm, das sich die neue Allgemeine Administration im April zur Erfüllung der Beschlüsse des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents gestellt hatte, erwies sich in seinen Folgeerscheinungen allein schon bei der Realisierung der Exportationen als so aufwendig, daß sie auf zuverlässige Helfer zurückgreifen mußte. Es lag nahe, sie unter den Konventsdeputierten zu suchen, die nicht mehr in ihre Heimatorte zurückkehren konnten, in Mainz geblieben und gewissermaßen auf Halbsold gesetzt waren, ohne dafür etwas leisten zu müssen. Aus diesem Grunde erließ die Allgemeine Administration am 16. April ein Dekret, das die Mitglieder des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents zu Mainz direkt ansprach und sie über ihr Verhältnis zur Allgemeinen Administration aufklärte, wie es diese „nach vorgängiger Umstimmung" festgelegt hatte.41 Demnach besaß die Administration Fug und Macht, in Notfällen auf Konventsdeputierte zurückzugreifen, sie zur Übernahme von Arbeiten anzuhalten und im Weigerungsfall auch Zwangsmittel anzuwenden. Die Umstimmung oder Umfrage, die dieser Entscheidung voraufgegangen war, bezog sich mit Sicherheit auf die Mitglieder der Administration, nicht aber auf die Konventsdelegierten, die vielmehr vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, soweit sie nicht selbst der Administration als Mitglieder angehörten. Zur Begründung ihres Anspruches behauptete die Administration, daß „sie an die Stelle des einstweilen auseinandergegangenen Rheinisch-deutschen Nationalkonvents getreten und die einzige ausübende Gewalt sei, auch in allen wichtigen Fällen Beschlüsse machen könne, worauf der Konvent selbst nicht gedacht hat, .. ,"42 Juristisch sauber war eine solche Argumentation ganz gewiß nicht, und der Pedant Georg Wilhelm Böhmer legte dann auch sogleich den Finger auf jede solche Wunde. Noch am selben 16. April — also unmittelbar nach Erhalt dieses Dekretes — ging sein Protest an die Administration. Und er hatte juristisch natürlich durchaus recht, wenn er erklärte: „Mitbürger! Sie sind nicht an die Stelle des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents getreten, wie Sie fälschlich behaupten. Der; Nationalkonvent ist vom Volke berufen, Gesetze zu geben, Sie — wie Sie ja selbst unmittelbar nach jener Behauptung sich bescheiden — sind ausübende Gewalt. Sie haben also, wenn Sie nicht den kaum abgeschafften Despotismus durch eine allen Grundsätzen von republikanischer Verfassung widersprechende Vermischung der Gewalten einführen wollen, nur diesen Beruf, daß Sie die bestehenden Gesetze vollziehen lassen. Wo diese aufhören, bleibt Ihnen keine weitere Pflicht übrig, als von Ihren Kommittenten die nötigen Verordnungen zu begehren."43 Besonders empörend empfand er die Androhung von Zwangsmitteln gegenüber Konventsdeputierten, die laut Konventsbeschluß Indemnität genossen. Selbst wenn die Administration sich auf eine Umfrage bei den Konventsdeputierten stützen wollte, müßte Einspruch erhoben werden, weil „kein gültiger Schluß eines Nationalkonvents ohne vorhergegangene mündliche Diskussion in einem freien Staate denkbar sei".44 40 41 42 43 44

MR II, S. 629. Ebenda, S. 584f. Ebenda, S. 584. Ebenda, S. 585. Ebenda.

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Anscheinend haben die Argumente Böhmers auf die Administration einen gewissen Eindruck gemacht, zumindest in der Verbindung mit der Drohung: „Unterdrücken Sie beifolgendes, wie ich gern glaube, in einem Augenblick der Übereilung abgefaßtes Zirkulare. Wo nicht, so werde ich laut ans Publikum, unsern allgemeinen Souverän, appellieren." 46 Immerhin war Böhmer Herausgeber der Mainzer National-Zeitung, und er hatte auch schon in der Vergangenheit diese Stellung gern genutzt, seine abweichenden Meinungen zur Geltung zu bringen; erinnert sei nur an seine unverständliche Obstruktion gegen die Stimmensammlung in der zweiten Dezemberhälfte 1792 und sein unzeitgemäßes Beharren auf bestimmten Erbrechten Ende März, die ausgerechnet den Emigranten zugute gekommen wären. 46 Dieses Mal wäre seine Position weitaus günstiger gewesen, denn sie war juristisch einwandfrei, und er konnte mit einigem Zuspruch aus den Reihen der Deputierten rechnen. Es existiert nämlich das Fragment eines Memorandums, im April vom Deputierten des leiningenschen Battenberg, dem Pfarrer Johannes Hoepfner, verfaßt, das direkt die Konventsdeputierten ansprach und massiv die Allgemeine Administration angriff, gegen das Gesetz der Gleichheit gesündigt, die Souveränität des Volks verletzt und das Nationalvermögen teils nachlässig, teils eigennützig verwaltet zu haben.47 Hoepfners Memorandum resultierte zu einem guten Teil aus dem Gefühl persönlicher Zurücksetzung und hat im übrigen auch seine Adressaten nie erreicht; dennoch bleibt es ein Zeugnis dafür, daß eine von Böhmer ausgelöste Attacke in der Mainzer National-Zeitung nicht ohne Echo geblieben wäre. Die Allgemeine Administration reagierte prompt, und zwar auf zweierlei Art. Zum ersten dekretierte sie am 17. April die Einstellung des Zeitungs- und Flugschriftendruckes, das Intelligenzblatt ausgenommen, das jedoch vom Polizeiausschuß der Munizipalität jedes Mal durchgesehen sein mußte. Als Begründung für diese Maßnahme dienten nicht nur die kritischen Zeitläufe angesichts des Belagerungszustandes schlechthin, sondern im besonderen die Gefahren, die über die Presse auf „die Gemüter der der guten Sache noch zur Zeit abgeneigten Personen" einwirken könnten.48 Solange noch exportiert werden mußte, war die Erhaltung der öffentlichen Ruhe erstes Gebot. Sämtliche Buchdruckereien wurden noch am selben Tage von dem Dekret in Kenntnis gesetzt, und Böhmer war entwaffnet. Natürlich drohte damit auch der revolutionären Propagandatätigkeit das Ende, aber sie war ohnehin nach der Vertagung des Konvents arg geschrumpft, und für eine belagerte Stadt taugten Äußerungen revolutionärer Machtausübung in Gestalt von Dekreten besser als umfängliche propagandistische Reden und Schriften; Restbestände dieser Literatur wurden auch noch späterhin zum Verkauf angeboten.49 Zum zweiten schlug die Allgemeine Administration auf die Kritik an ihrem 45 46 47

48 49

Ebenda, S. 586. Vgl. oben S. 141, 227 f. MR II, S. 590—593. Der Vorwurf der Souveränitätsverletzung bezog sich auch hier eindeutig auf das Dekret vom 16. 4.: „Vom Konvent kommittiert, von ihm niedergesetzt, die Vollziehung seiner Beschlüsse zu besorgen, wagten sie's im Taumel einer geträumten Gewalt, den Gliedern desselben zu befehlen, Strafgesetze gegen dieselben zu dekretieren und die Erhöhung der Diäten nach Willkür zu beschließen." Ebenda, S. 591. Ebenda, S. 594. Ebenda, S. 595. Eindeutig stärker wurde nun jedoch die kulturelle Propaganda, denn das von Liebhabern bespielte National-Bürgertheater erlebte gerade während der Belagerung seine größten Erfolge: In der Zeit vom 6. 4. bis zum 16. 6. fanden 11 Vorstellungen statt, bei denen 14 verschiedene Stücke gezeigt wurden. Zur Theaterarbeit äußert sich detailliert Steiner, Jakobinerschauspiel, S. 64ff. Noch im Juli veröffentlichte Lehne drei Gedichte, die

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Dekret vom 16. April einen anderen Ton an und unterließ es weislich, Machtansprüche zu stellen und auf Machtansprüche zu pochen, ohne in der von ihr verfolgten vernünftigen Sache, um die es letztlich ging, auch nur ein Jota zurückzustecken. Im Namen des souveränen Volkes dekretierte sie am 19. April: „Da die Geschäfte dergestalt sich gehäufet, daß das bei den dahier wirklich bestehenden Gewalten angestellte Personal, solche zu vollführen nicht imstande ist und ohnedies die hier anwesenden Deputierten beim deutschen Nationalkonvente einige Geschäfte zu übernehmen freiwillig sich anheischig gemacht haben, so werden nachbemeldete Bürger Deputierte — es folgen 24 Namen, unter denen sich kein Böhmer befindet — hiermit eingeladen, heut nachmittag um 2 Uhr auf der hiesigen Munizipalität sich einzufinden, um mit derselben sich zu verabreden, welchem Geschäfte jeder von ihnen sich unterziehen könne. Insbesondere empfiehlt die provisorische Allgemeine Administration ersagten Bürgern Deputierten das Geschäft der Häuservisitation, Exportation, Beschlagnehmung und Inventarisation und demnächstigen Obsignation des zurückgelassenen Vermögens der Exportierten und Emigranten angelegentlichst und wünscht, daß sie solchen ganz vorzüglich sich widmen mögen." 50 Es gab keinen der Genannten, der sich nicht bei der Munizipalität eingefunden hätte. Die Munizipalität machte natürlich von dem Angebot Gebrauch, denn sie fühlte sich nicht nur, sondern war auch in der Tat durch die Vielzahl von Aufgaben überfordert, die mit den Exportationen verbunden waren und gemeistert werden sollten, ohne daß sich die normale munizipale Verwaltungsarbeit verringert hätte. Zum Beispiel teilte sie den sechs Stadtbezirken und Kastel je zwei Konventsdeputierte zu, die sich insbesondere der Inventarisation und Obsignation des zurückgelassenen Eigentums von Exportierten und Emigrierten annehmen sollten.61 Die Verteilung der Arbeit nach unten in die einzelnen Stadtteile war ein gangbarer Weg, aber er verlangte gleichzeitig auch nach einer straffen zentralen Kontrolle, wenn dem Unterschleif nicht Tür und Tor geöffnet werden sollte. Sie zu gewährleisten, war die Munizipalität schon von ihrer Struktur her kaum in der Lage; hinzu kamen subjektive Schwierigkeiten, denn die mißliche Besoldungssituation machte es den Munizipalen nicht eben leicht, über der Sorge um das große Allgemeine die Sorge um die eigene Existenz einfach zu vergessen und jener die gesamte Arbeitskraft zu schenken.52 Metternich hatte die Notwendigkeit einer zentralen Steuerung aller Arbeiten, die mit den beschlagnahmten Vermögen zusammenhingen, als erster begriffen und der Allgemeinen Administration am 6. Mai die „Errichtung eines besonderen Komitees zur Besorgung aller hieher einschlägigen Geschäfte gemacht". Nach gründlicher Beratung beschloß sie am 7. Mai dann auch wie folgt: „1. wird zur Erlangung einer genauen Kenntnis des von den aufgehobenen geistlichen und weltlichen Stiftern, Klöstern und sonstigen Korporationen sowohl als den Emigranten und Exportierten zurückgelassenen Mobiliar-Vermögens und zur Erzielung der genauesten Akkuratesse bei dessen Verwendung wie auch zu dessen Verwahrung gegen alle eigenmächtigen Eingriffe, Verschleppungen, Entwendungen und Beschädigungen ein eigenes Comité unter dem Namen eines Liquidationsausschusses niedergesetzt."53

50 51 52 53

nach bekannten Melodien zu singen waren und darum als „Gesänge der belagerten freien Deutschen" für drei Kreuzer zum Verkauf angeboten wurden. MR II, S. 595 — 598. Ebenda, S. 593 f. Ebenda, S. 594. Vgl. dazu ebenda, S. 599f. Ebenda, S. 604 f.

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Ein zweiter Punkt regelte dessen Vollmachten. Er konnte sämtliche Protokolle von Versiegelungen und Inventarisierungen, die Munizipalität, Finanzkammer, Wachsamkeitsausschuß oder zeitweilige Kommissionen vorgenommen hatten, anfordern, prüfen und — wo nötig — auch korrigieren. Um sich genaue Einsicht in die Vermögen zu verschaffen, hatte der Ausschuß auch das Recht der Siegelabnahme; und selbstverständlich besaß er auch die Befugnis zu eigener Versiegelung und Inventarisation. Der dritte Punkt bestimmte den Aufbau des Ausschusses, der aus einer beratenden Sektion, einer vollziehenden Sektion und einem Generalprokurator bestand. Während die beratende Sektion Beschlüsse faßte, ihre Vollziehung bestimmte, die Rapporte darüber zu Protokoll nahm und der Allgemeinen Administration einschickte, sollte es die erste Sorge der Mitglieder der vollziehenden Sektion sein, „allen fremden Eingriffen in das Staatsvermögen sowohl als in die Rücklassenschaft der Emigranten und Exportierten zuvorzukommen, alle Verschleppungen und Unterschleife des raubgierigen Gesindels aller Art durch genaue Aufsicht und die zweckdienlichsten Maßregeln zu verhindern und, so dergleichen dennoch zu ihrer Wissenschaft gelangen sollte, solches unverzüglich der entscheidenden Sektion anzuzeigen".54 Bemerkenswert ist die Festlegung, daß die Mitglieder der vollziehenden Sektion nur zu zweit, besser noch zu dritt ihre Aufträge durchführen sollten, „damit einer des anderen Verfahrensart kontrollieren könne und der Kredit dieses Komitees beim Publikum desto gewisser aufrechterhalten werde". Der Generalprokurator schließlich hatte zwar ebensowenig wie die Mitglieder der vollziehenden Sektion ein Stimmrecht, aber dennoch eine weitgehende Aufsichtspflicht, die sich sowohl auf die Erhaltung und nützliche Verwendung des Staatsvermögens als auch auf das Vermögen solcher abwesender Personen bezog, deren Ansprüche darauf zur Zeit noch nicht erloschen waren. Demzufolge hatte der Generalprokurator ebenso gesetzwidrige Beschlüsse der ersten Sektion zu unterbinden wie auf strengste Ordnung bei der Tätigkeit der zweiten Sektion zu achten, weil auf das Liquidationskomitee „die Augen des ganzen Publikums gerichtet sind und von ihm ein großer Teil des Ansehens und Kredits der Allgemeinen Administration abhängt". 55 Punkt 4 sagt nochmals mit aller Klarheit, daß der Ausschuß der Allgemeinen Administration unterstand, die ihm Verhaltensrichtlinien erteilte und seine Verfahren gegebenenfalls auch kassieren konnte. Der fünfte Punkt legte die individuelle Zusammensetzung des Ausschusses fest, der aus insgesamt 25 Mitgliedern bestand, wobei die Hilfskräfte des Generalprokurators — ein Sekretär, ein Kanzlist, ein Pedell — noch nicht benannt waren und in der Gesamtzahl auch nicht enthalten sind. Der Ausschuß rekrutierte sich aus den in Mainz anwesenden Konventsdeputierten, der Allgemeinen Administration und der Mainzer Munizipalität. Die beratende Sektion zählte fünf Mitglieder, nämlich drei Administratoren und zwei Konventsdeputierte; den Vorsitz führte der evangelische Pfarrer aus dem leiningenschen Colgenstein, Samuel Koester. Die vollziehende Sektion bestand aus 19 Mitgliedern, nämlich aus 14 Konventsdeputierten — neun von ihnen waren bereits am 19. April von der Allgemeinen Administration wegen ihrer Mitarbeit angesprochen worden —, vier Munizipalen und einem Mitglied des Wachsamkeitsausschusses. Generalprokurator wurde der einstige Binger Maire, das Mitglied der Allgemeinen Administration Philipp Joseph Kämmerer.66 54 55 56

Ebenda, S. 605. Ebenda, S. 606. Ebenda.

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Auffallend bei dieser Zusammensetzung ist der sehr geringe Teil der Mainzei, die sich ausschließlich in der vollziehenden Sektion befanden und nicht mehr als ein gutes halbes Dutzend ausmachten, wenn man Gaul und Gerhardi mitzählt, die zwar aus Mainz stammten, aber als Deputierte anderer Ortschaften in die Zahl der Erwählten gelangten. Ganz offensichtlich war die Allgemeine Administration bemüht, damit dem unter den Deputierten anscheinend verbreiteten Gefühl der Zurücksetzung gegenüber den Mainzern zu begegnen. Der Deputierte aus dem leiningenschen Battenberg, Pfarrer Johannes Hoepfner, hatte diesem Gefühl noch am 4. Mai in einem Briefe an seine Frau erbitterten Ausdruck gegeben. 67 Drei Tage später konnte er seinen Namen unter den zu Mitgliedern der vollziehenden Sektion des Liquidationsausschusses Berufenen lesen. Gleichzeitig bekämpfte die Allgemeine Administration mit einer so zusammengesetzten Truppe und den ihr gegebenen Arbeitsrichtlinien die umlaufenden Verdächtigungen, daß sie allen möglichen Unterschleif duldete oder gar förderte. Von der Sorge um den eigenen Kredit beim Publikum ist im Dekret zweimal die Rede. Der sechste und vorletzte Punkt — der siebente setzte lediglich die Bekanntmachung des Dekretes fest, das übrigens im Auszug auch dem Kriegsrat zugehen sollte — zielte in dieselbe Richtung, indem er die Kompetenzen des Liquidationsausschusses und der Finanzkammer sauber voneinander trennte. Mit Einnahmen und Ausgaben hatte ausschließlich die letzte zu tun, so daß also Verkäufe und Versteigerungen beschlagnahmter Vermögen nicht in den Arbeitsbereich des Liquidationsausschusses fielen. Er konnte lediglich auf die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme aufmerksam machen, aber die entsprechende Weisung zu ihrer Durchführung erfolgte von der Allgemeinen Administration an die Finanzkammer. Am selben 7. Mai, an dem der Liquidationsausschuß gebildet wurde, dekretierte die Allgemeine Administration auch die Einsetzung eines Revolutions- und Kriminaltribunals. Sie folgte damit in erster Linie französischen Forderungen und nicht so sehr einem eigenen Bedürfnis wie im Falle des Liquidationsausschusses. Durch gelegentlichen Aufruhr bei Truppenaushebungen in einzelnen Departements veranlaßt, hatte der Pariser Nationalkonvent am 19. März ein Dekret angenommen, das solche und ähnliche konterrevolutionäre Aktivitäten Sondergerichten zur Aburteilung übergab, die für alle Beteiligten die Todesstrafe bereithielten, die sich nicht innerhalb von 24 Stunden davon lossagten.58 Im Auftrage des Kriegsrates hatten am 27. April Reubell und Merlin dementsprechende Maßnahmen zur Bekämpfung konterrevolutionärer Umtriebe im belagerten Mainz für den militärischen Bereich angeordnet; dabei wurde bereits angekündigt, daß für den zivilen Bereich die Allgemeine Administration ein aus fünf Richtern bestehendes Tribunal schaffen würde, das nach den gleichen Grundsätzen richtete.59 Am 7. Mai kam die Allgemeine Administration dieser Aufforderung nach; sie konnte sich kurz fassen, denn sie betrachtete den Pariser Beschluß vom 19. März ebenso wie Reubells und Merlins Verlautbarung vom 27. April als integrierende Bestandteile des eigenen Dekretes. Es zählte drei Artikel, von denen sich die zwei letzten auf die genannten französischen Dekrete beriefen, während der erste lakonisch mitteilte: „Dieses Kriminaltribunal soll aus fünf Richtern, welche teils aus der Mitte der allgemeinen Ad' o ministration, teils aus der Munizipalität ernannt worden sind, und aus einem öffentlichen Ankläger bestehen. Seine Sitzungen wird es auf dem Gemeindehaus halten."60 « Ebenda, Ebenda, 59 Ebenda, 60 Ebenda, 58

S. S. S. S.

589 f. 609-611. 608 f. 608.

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Das Dekret schloß mit einer Aufforderung an die „guten, patriotisch gesinnten Mitbürger ..., auf alle Ruhestörer ein wachsames Auge 2u richten, die im geheimen angesponnen werden wollenden Meutereien und verräterischen Plane aufzudecken und auf der Stelle anzuzeigen und endlich ihren Brüdern und Verteidigern, den tapfern Soldaten der Frankenarmee,... hülfreiche Hand zu leisten". 61 Am 15. Mai trat das Tribunal zu seiner ersten Sitzung zusammen. Von den fünf ernannten Kriminalrichtern gehörten vier der Allgemeinen Administration und einer der Munizipalität an; dieser eine, nämlich Michael Martin Matthäi, aber wurde zugleich zum ersten Präsidenten gewählt, dessen Amtszeit einen Monat dauern sollte. Als Sekretär wurde der bislang beim Justizausschuß der Allgemeinen Administration tätig gewesene Degenhard verpflichtet. Öffentlicher Ankläger war — wie ebenfalls aus dem Protokoll der ersten Sitzung hervorgeht — das Administrationsmitglied Matthias Metternich. Man beschloß, einmal wöchentlich zu tagen, aber war in außerordentlichen Fällen auch zu weiteren Zusammentritten bereit.62 Die Art und Weise, wie die Allgemeine Administration die französische Forderung nach Errichtung eines Revolutions- und Kriminaltribunals erfüllte, bestätigte die unbedingte Bereitschaft zur Kooperation, aber läßt auch spüren, wie sie es vermied, aufgeregt zu reagieren. Die bisherigen Erfahrungen waren nämlich keineswegs so geartet, daß man tatsächlich konterrevolutionäre Aktionen von irgendwelchem Belang aus der Bevölkerung heraus befürchten mußte. Da gab es beispielsweise den Schutzjuden Majer Loew, der sich der am 2. April um 13 Uhr angesetzten Exportation entzogen hatte, um mit einem erschlichenen Paß zu einer ihm genehmen Zeit mit beträchtlichen Geldern, die er eingetrieben hatte bzw. noch eintreiben wollte, die Stadt zu verlassen. Damit hatte Majer Loew „in jeder Hinsicht alle unerlaubten und sträflichen Ränke zur Illusion des Gesetzes und Bemäntelung seiner intensionierten Betrügereien angewendet" und eigentlich sein Leben verwirkt. Der noch vom Konvent eingesetzte Wachsamkeitsausschuß, der am 2. April den Fall beriet, kam zwar zu dieser Erkenntnis, aber sah sich mehrheitlich nicht in der Lage, eine solche Entscheidung zu fällen.63 Metternich hatte als erster darauf aufmerksam gemacht, daß der Ausschuß als Organ der gesetzgebenden Macht, des Konvents, keine ausübenden Funktionen wahrnehmen könnte und die Entscheidung bei der Allgemeinen Administration läge. Diese betraute dann auch ihr Justizkomitee mit der Untersuchung des Falles, die sich hinzog und am 22. April mit dem Urteilsvorschlag endete, die bei Majer Loew vorgefundenen Gelder zu konfiszieren, „die bisherige Inhaftierung als seine gegen die Verachtung des Gesetzes verwirkte Strafe in Rücksicht seiner augenfälligen Dummheit anzusehen" und ihn unverzüglich zu exportieren.64 Die Bestätigung des Urteils durch die Allgemeine Administration erfolgte schon am nächsten Tage. 65 Sie beweist, daß sich die Administration durchaus in einer Lage zu befinden glaubte, in der sie auf die Statuierung von Exempeln verzichten konnte, die mit der Härte des Gesetzes durchaus im Einklang gestanden hätten. Daß es sich hier um keinen Einzelfall handelte, der sich nicht verallgemeinern ließe, bestätigte das milde Vorgehen gegen die überführten Teilnehmer an dem wirklichen Tumult, zu dem es bei

61 62 63 64 65

Ebenda. Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

611 f. 574-576. 573. 574.

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der für den 9. April vorgesehenen, großen Exportation gekommen war. 66 Schließlich beweisen die vollständig vorhandenen Protokolle des am 7. Mai dekretierten und am 15. Mai erstmals zusammengetretenen Kriminaltribunals — es hielt bis zum 18. Juli zehn Sitzungen ab, also wöchentlich eine —, daß sich an dieser milden Praxis auch durch die Bildung dieses neuen Gerichtshofes nicht das geringste geändert hatte.67 Die von Loewer schon in der Vorbereitungsphase verfaßte Denkschrift über die „Organisation eines peinlichen Gerichts" atmete die gleiche Gesinnung. Das zeigte sich zum einen in der Sorgfalt, die den Rechten des Beklagten gewidmet wurde, und zum anderen hieß es bei der Festlegung des Strafmaßes durch das Gericht in Punkt 20 expressis verbis: „Der Jüngste macht mit dem Votieren den Anfang, und der Präsident gibt seine Stimme zuletzt; sind die Meinungen geteilt, so erhält die mildeste den Vorzug.."68 Kein einziger Fall, den das Tribunal verhandelte, war so geartet, daß die Todesstrafe auch nur entfernt in Erwägung gezogen werden mußte. Es ist keine saubere Methode, im Text „vor allem die Bestrafung aller zur Erzielung einer Gegenrevolution sich zusammenrottierenden Aufwiegler und Rebellen" als die Aufgabe dieses Tribunals erscheinen zu lassen, um dann im nachhinein über eine Anmerkung diese Aussage wieder weitgehend zurückzunehmen;69 die damit verbundene Absicht lautet: Etwas von der insinuierten Vorstellung einer undemokratischen „terreur" wird schon hängenbleiben! Eine ganz besondere Aufmerksamkeit verlangt die Behandlung einer Gesetzesverletzung, die sich bei der Exportation vom 16. April ereignet hatte, durch die Allgemeine Administration. Die Exportation dieses Tages überwachten in Kastel als Kommissäre des Wachsamkeitsausschusses Johann Dominik Meuth und Niklas Müller, als Vertreter der Munizipalität der Polizeikommissärsubstitut Jakob Joseph Brenneisen und der Munizipal Endlich. Der Kaufmann Erwin Pestel wollte mit sieben Koffern, einer Kiste und einem Mantelsack passieren, die er vierspännig auf einem Wagen mit sich führte. Der Paß, den er vorwies und der sowohl die Unterschrift des Maires als auch den Sichtvermerk des Wachsamkeitsausschusses trug, erlaubte ihm in der Tat, eine solche Menge Textilwaren nach Eltville in Sicherheit zu bringen. Aber darüber hinaus enthielt der Paß noch einen Zusatz in französischer Sprache, der ihm die Passage mit Wagen und vier Pferden gestattete und die Unterschrift des Vorsitzenden des Kriegsrates d'Oyre trug. Diese Erlaubnis stand in eklatantem Widerspruch zu dem vom Wachsamkeitsausschuß geforderten und von der Munizipalität auch am 24. und 25. April unter Trommelschlag verkündeten generellen Verbot für alle Emigranten und Exportanten, Pferde mitzunehmen. Darum widersetzte sich Meuth der Passage Pesteis kompromißlos: „Ich bestand darauf," hieß es in dem für den Wachsamkeitsausschuß bestimmten Bericht, „daß wenn auch d'Oyre wirkliche Erlaubnis gegeben zum gänzlichen Fortgang und sich hundertmal unterschrieben, so ließ ich dem ohngeachtet weder Pferde noch Wagen passieren; und auch der Bemerkung des uns begleitenden Chasseur-Capitain, daß er die Order d'Oyres befolgen müsse, widersetzte ich mich von neuem mit der Äußerung, daß d'Oyre fürs erste nichts Gesetzwidriges zu erlauben habe und daß der General ein Schurke sei, welcher seinen Feinden Hilfsquellen zuschicken wolle." 70 66 67 68 69 70

Vgl. oben S. 248 f. MR II, S. 6 1 1 - 6 1 9 . Ebenda, S. 617. Dumont, Ende der Mainzer Republik, S. 164. MR II, S. 600 f.

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Niklas Müller spielte eine weniger aktive Rolle, aber widersprach seinem Konkommissär jedenfalls nicht, während Brenneisen sich zum heftigsten Widersacher von Meuth aufschwang, die Order d'Oyres gelten lassen wollte und einen Streit entfachte, den Pestel zu einem gewaltsamen Durchbruch mit seinem vierspännigen Frachtwagen nutzen zu können meinte. Ein Pferd wurde dabei erschossen, und der Versuch scheiterte. Die Allgemeine Administration folgte unverzüglich dem Ansuchen des Wachsamkeitsausschusses und stellte am 27. April eine Kommission aus ihren Mitgliedern Boost und Moßdorf und dem Munizipalen Umpfenbach zusammen, die die geschilderten Ereignisse untersuchen und Maßnahmen vorschlagen sollte.71 Die Kommission beendete ihre Untersuchungen am 4. Mai und machte folgende Vorschläge: Brenneisen als der Verursacher der Unordnungen war als Untersekretär der Munizipalität und Polizeikommissärsubstitut abzulösen und für ein Jahr dienstunfähig zu erklären. Einen Strafvorschlag für Pestel wegen des erschlichenen Passes und des gewaltsamen Durchbruchversuchs behielt man sich noch vor. Munizipal Endlich, der bei der ganzen Angelegenheit sich durchaus unzureichend für die Einhaltung der Gesetze engagiert hatte, wurde „ernstlich ermahnet". Die Kommissarien des Wachsamkeitsausschusses sollten in Zukunft mit einer französich geschriebenen Vollmacht versehen werden, um sich den Offizieren der Eskorte als solche ausweisen zu können. Schließlich und vor allem sollte d'Oyre durch eine Abschrift der in dieser Sache angefallenen Akten in die Lage versetzt werden, sich zu informieren und entsprechende eigene Schlußfolgerungen aus diesen Vorgängen ziehen.72 Ohne d'Oyres Stellung bei dieser Angelegenheit in ihrer Gesetzwidrigkeit angeprangert zu haben, liegt die von der Allgemeinen Administration an ihm geübte Kritik auf der Hand. Ihr Begleitbrief, der mit den Aktenabschriften am 4. Mai d'Oyre zuging, informierte beiläufig auch über die Kassation Brenneisens, der all die Unordnungen durch den geringen Eifer verschuldet hätte, den er bei der Durchsetzung der Verordnungen des Wachsamkeitsausschusses vom 24. und 25. April an den Tag legte. 73 Man schlug den Sack und meinte den Esel. Diese Rücksichtnahme auf das Ansehen des Oberkommandierenden in einer belagerten Stadt war im Interesse des gemeinsamen Zieles, nämlich ihrer erfolgreichen Verteidigung, nicht nur sinnvoll, sondern unumgänglich. Hart und unbeugsam aber reagierte die Allgemeine Administration in der Sache selbst, nämlich in der Abwehr gesetzwidriger Willkürakte, auch wenn sie von französischer Seite kamen. Die Allgemeine Administration nahm ihre Funktion als ausübende Gewalt im zivilen Bereich des belagerten Mainz durchaus ernst, und sie nahm sie auch wahr. Darum ist die Behauptung grundfalsch, daß „die staatliche Gewalt im belagerten Mainz allein bei der Besatzungsmacht, genauer gesagt: bei dem von ihr unter dem Kommandanten d'Oyre am 2. April 1793 gebildeten Kriegsrat" gelegen habe, die Macht der vom Rheinisch-deutschen Nationalkonvent eingesetzten zweiten Allgemeinen Administration hingegen „mehr theoretisch blieb".74 Die Administration übte handgreifliche Macht aus, und der Kriegsrat war sehr einverstanden mit einem rheinisch-deutschen Staatsorgan, das in allen Grundfragen mit dem Kriegsrat konform ging und den ganzen zivilen Sektor abdeckte. Übereinstimmung ist etwas ganz anderes als Unterwerfung, aber Übereinstimmung schließt in bestimmten Situationen keineswegs eine Unterordnung aus. In dem Maße, wie der Belagerungsring 71 72 73 74

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Dumont,

S. 600. S. 601. S. 602. Mainzer Republik, S. 468 f.

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die Festung immer enger umschloß und militärische Gesichtspunkte ein immer größeres Gewicht auch im zivilen Leben erhielten, fanden sie natürlich auch Eingang in die Überlegungen der Allgemeinen Administration. Im Grunde jedoch war dieser Zeitpunkt — infolge der preußischen Unerfahrenheit im Festungskrieg und den entsprechend mühseligen Fortschritten bei der Belagerung — erst Ende Juni/Anfang Juli erreicht. Jetzt aber wuchs von Tag zu Tag beispielsweise die Sorge um eine wirkungsvolle Bekämpfung der Brandgefahren. Auch mit Brandstiftungen mußte gerechnet werden. Vom Kriegsrat ging am 2. Juli eine zweisprachige Proklamation aus, die zur Verfolgung solcher Soldaten aufforderte, die bei Häuserbränden plünderten; die Allgemeine Administration folgte am 4. Juli diesem Beispiel im Hinblick auf den zivilen Bereich. In diesen Zusammenhang gehört auch das Dekret der Allgemeinen Administration vom 2. Juli zur Sicherung der Löschanstalten, das das Mitglied des Kriegsrates Merlin gefordert hatte. Die Administration beauftragte darin die Munizipalität, einen Löschtrupp von 60 kräftigen Männern aufzustellen, die ausschließlich nachts einzusetzen waren, zur Hälfte mit Äxten ausgerüstet sein und täglich einen halben Laubtaler ausgezahlt bekommen sollten. Der Munizipalität wurde die Verantwortung für das pünktliche Erscheinen der Männer an den ihnen zugewiesenen Standorten jeden Abend nach dem Zapfenstreich übertragen. Das Fernbleiben sollte die härtesten Strafen nach sich ziehen: Beim erstenmal sollte es die öffentliche Ausstellung in Eisen auf der Schandbühne sein, beim zweitenmal die Todesstrafe. Das Dekret schloß, wie es begann, mit einem Hinweis auf Merlin, der die Realisierung des Dekrets aufmerksam verfolgen würde. 75 Die Munizipalität erwies sich durchaus nicht auf der Höhe der Zeit; sie sah keine Notwendigkeiten, sondern nur Schwierigkeiten. Gemahnt, das Dekret endlich zu publizieren, erhob sie am 5. Juli erst einmal Einwände gegen die von der Allgemeinen Administration bestimmte Finanzierung des Löschtrupps durch eine außerordentliche Schätzung sämtlicher Hausbesitzer: Man zog einen Vorschuß von 5 500 Gulden durch die Allgemeine Administration vor, der dann in ruhigeren Zeiten umgelegt werden könnte. Der Wachsamkeitsausschuß reagierte am 7. Juli mit sehr brennenden Fragen. Zunächst und vor allem wollte er wissen, „ob und wieviele Personen aus allen Sektionen zu den nächtlichen Feueranstalten bisher erschienen seien". Andere Fragen verrieten ausgezeichnete Detailkenntnisse über die Möglichkeiten mißbräuchlicher Anwendung des Dekretes: „Ob der alte Mißbrauch des vorigen Pfaffenregiments noch herrsche und eine augenfällige Ungleichheit in Anordnung der bürgerlichen Wachen beibehalten, ob und welche Personen dispensiert, ob außer Witwen, Kranken und legal verhinderten Personen auch von andern Inwohnern die Wache mit Geld reluiert und warum dieser Unfug der Polizeikommissäre geduldet wäre." 76 Die Antworten waren durchaus unbefriedigend und erfolgten, wie der Wachsamkeitsausschuß am 8. Juli feststellte, „nur in allgemeinen Ausdrücken". Am 9. Juli meldete sich die Allgemeine Administration noch einmal zu Wort, verbat sich „unter schärfster Ahndung" für die Zukunft „die geringste eigenmächtige Abänderung unserer Anordnung" im allgemeinen und gebot sowohl den unverzüglichen Druck als auch den Vollzug des Dekrets vom 2. Juli im besonderen. Am 10. Juli lag der Druck als eine Bekanntmachung auf besonderen Auftrag von Munizipalitäts wegen vor.77 In diesem Zusammenhang gehört schließlich auch die Kassierung eines Rechtsurteils der Munizipalität durch Dekret der Allgemeinen Administration vom 9. Juli. Der 75 76 77

MR II, S. 632. Ebenda, S. 633. Ebenda.

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Tatbestand selbst ist bemerkenswert, noch mehr allerdings seine Vorgeschichte und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Am 5. Juli hatte der Schneidermeister Böhmesritter die Munizipalität davon unterrichtet, daß Bewohner der Jesuiten- und Betzelsgasse mit Zustimmung des Stadtbaumeisters eine Scheune abdecken ließen, um die benachbarten Häuser vor Feuer zu schützen. Die Arbeit hatten neun französische Soldaten verrichtet gegen Bezahlung von 3 Livres für jeden. Die Bitte des Böhmesritter, den Betrag von 27 Livres aus der Stadtkasse zu ersetzen, wurde von Umpfenbach mit dem Hinweis abgewiesen, daß die Kasse leer wäre und die Zahlungspflicht denen obläge, die die Arbeit bestellt hätten. Böhmesritter machte sich also zusammen mit dem Präzeptor Tasquin daran, die Summe bei den Nachbarn, die davon profitiert hatten, gegen Quittung einzutreiben, wobei sie sich selbst bei der Zahlung eines Beitrages nicht ausnahmen. Einen Tag später, am 6. Juli, traf um die Mittagsstunde bei der Munizipalität eine Anweisung Merlins ein, die die Verhaftung der beiden Bürger und ihre Bestrafung nach den Gesetzen verlangte, weil sie angeblich ein ganzes Stadtviertel in Kontribution gesetzt und von jedem Hause drei Livres erpreßt hätten.78 Dahinter steckte eine Denunziation der Witwe Berlinger, einer Schwester des emigrierten Professors Spoor, die — wie Böhmesritter zu Recht vermutete — „auf Anstiften ihrer aristokratischen Konsorten" gehandelt hatte. In der Untersuchung, die vom Polizeikommissär Retzer geführt wurde, war die erhobene Umlage selbst schon kein Gegenstand mehr, ganz zu schweigen von der für Merlin typischen Überhöhung, daß ein ganzes Stadtviertel in Kontribution gesetzt worden wäre; es ging nur noch um die Art und Weise, wie insbesondere Böhmesritter sie betrieben hätte. Die Berlinger behauptete, mit Exekution und doppelter Zahlung bedroht worden zu sein. Als Belastungszeugen wurden gehört die Schwester der Berlinger, der Hausmeister des adligen Fräuleins von Lamertz und die Magd des Vikars Johann Rolandi — eine in der Tat merkwürdige Gesellschaft, deren Zeugnis aber ausreichte, um Böhmesritter zu einer 12stündigen Turmstrafe zu verurteilen, die er am 7. Juli antreten sollte. Böhmesritter — wie Tasquin seit November 1792 aktives Klubmitglied und jetzt bei den Löschanstalten im belagerten Mainz rastlos tätig, voller Eigeninitiative, wie die Beseitigung der von jener Scheune ausgehenden Brandgefahr beweist — nutzte die ihm verbliebene Frist zur Abfassung einer Gegenvorstellung, die er unmittelbar an die Allgemeine Administration mit der Bitte gelangen ließ, ihn „gegen das unbillige Verfahren der Munizipalität zu schützen"; die Bitte wurde sehr solide damit begründet, daß es „einesteils gegen die Rechte des Menschen ist, jemanden, ohne ihn verhört zu haben und ohne daß es nötig ist, sich seiner Person auf diese Art und zu einer solchen Zeit, wo seine Gegenwart zu Verhütung eines allgemein drohenden Schadens unentbehrlich ist, zu versichern und in Arrest zu nehmen, wir auch die ganze Sache erst nach gemachter Anzeige bei der Munizipalität unternommen haben, andernteils aber sich die ganze Klage auf Schikanen unserer aristokratischen Nachbarn gründet, denen wir, wie sie bei verschiedenen Gelegenheiten schon nicht undeutlich gezeigt haben, ein Dorn in den Augen sind". 79 Die Allgemeine Administration reagierte prompt, indem sie umgehend des Böhmesritters Brief an die Munizipalität zur Stellungnahme übersandte und zugleich forderte, „bis auf weitere Verfügung mit allem Vorfahren einzuhalten". Der Wachsamkeitsausschuß stellte sich massiv vor diesen wahren Republikaner und verdienten Patrioten, indem er am 7. Juli die Munizipalität wissen ließ, „daß den in hiesiger Stadt bloß 78 79

Ebenda, S. 634. Ebenda, S. 635.

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tolerierten Pfaffenmägden ebensowenig als jedem andern Anhänger der Emigranten und Exportierten ein Recht, vor Gericht zu stehen und zu klagen, eingeräumt, noch weniger aber als Zeugen gegen einen geschworenen Bürger des souveränen Volkes aufgeführt werden dörfen". 80 Es berührt schon einigermaßen merkwürdig, wenn bei dieser Lage der Dinge die Munizipalität noch am 8. Juli den Wachsamkeitsausschuß umstimmen zu können meinte. Die von Loewer am 9. Juli gelieferte umfangreiche juristische Analyse gab ihr die gebührende Antwort; sie stellte fest, daß Böhmesritter keineswegs die Pflichten eines friedlichen Bürgers verletzt hatte, sondern „nach seinen ordentlichen Begriffen vielleicht geschwinder als ein anderer einsah, daß jede Polizeianstalt — besonders zur Zeit einer Belagerung — paratissimae executionis sein muß und die zum Vollzug gebrauchten neun fränkischen Soldaten nicht so lang auf ihren wohlverdienten Lohn warten könnten, bis es den begrifflosen Hausmägden und sogenannten Fräuleins einfallen wird, aus eigenem Willen, der selten sich äußert, ihren schuldigen Beitrag zu leisten". 81 Was die Allgemeine Administration am 9. Juli als Dekret an die Munizipalität gelangen ließ, war nahezu identisch mit dem, was Loewer aus seiner Analyse als Schlußfolgerung gezogen hatte: Sie hob nicht nur das Verfahren gegen Böhmesritter auf, sondern beauftragte die Munizipalität zugleich, „den im Untersuchungsprotokoll genannten Weibspersonen, besonders der angeblichen Bürgerin Lamertz, ihre grundlose Beschwerde gegen ersagten Bürger Böhmetzritter ernstlich zu verweisen, mit der Warnung, daß, wofern sich eine oder die andere nochmals beigehen lassen würde, einen Commissaire der fränkischen Nation mit Umgehung der bestehenden Volksgewalten mit lügenhaften Vorstellungen zu hintergehen und durch falschen Vortrag derselben Gerechtigkeit zu kompromittieren, die verwegene Denunziantin mit vierwöchentlicher Turmstrafe unablässig gestraft werden solle".82 Zum einen dokumentierte dieses Dekret, daß die Allgemeine Administration selbst zu diesem späten Zeitpunkt, da die Stadt bereits unter Artilleriebeschuß lag und die militärischen Belange eindeutigen Vorrang erhielten, keineswegs zu einem willenlosen Werkzeug des Kriegsrates herabsank, sondern die ihr übertragene staatliche Vollmacht uneingeschränkt auszuüben fähig und willens war. Es irritierte die Allgemeine Administration und ihren Wachsamkeitsausschuß in keinem einzigen Moment, daß Merlin in diese Angelegenheit verwickelt war, zumal er wahrscheinlich von der Denunziantin getäuscht worden war. Daß er sich täuschen ließ und dann in seiner raschen Art nicht korrekt reagierte, sondern unter Umgehung der Administration der Munizipalität von sich aus eine Weisung erteilte, konnte man ihm nachsehen; die Kritik konzentrierte sich auf die Denunziantin und ihren aristokratischen Hintergrund. Das Dokument und die Umstände seiner Entstehung widersprachen übrigens zugleich auch der gelegentlich geäußerten Vorstellung, wonach die gegen Ende der Belagerung sich häufenden Zusammenstöße der Allgemeinen Administration und ihrer Ausschüsse mit der Mainzer Munizipalität Richtungskämpfen Ausdruck verliehen, bei denen die Munizipalität als „Hochburg der Gemäßigten" fundamentale demokratische Prinzipien gegen den undemokratischen Rigorismus der Administration verteidigte. 83 Bei der Fixigkeit, mit der man der Anweisung Merlins zu entsprechen bestrebt war, bei der Kritiklosigkeit dem Denunziantenklüngel gegenüber und bei dem Fehlen aller Wertschätzung des Einsatzes 80 81 82 83

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Dumont,

S. 635 f. S. 636. S. 634. Ende der Mainzer Republik, S. 174.

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des Beklagten für den Schutz der Stadt fällt es einigermaßen schwer, die Bürgernähe der Munizipalität zu entdecken, die sich angeblich „in erster Linie an der Schonung von Person und Eigentum der Mitbürger sowie am Schicksal der Stadt" orientierte. 84 Auch wenn es schon Anfang April zwischen Administration und Munizipalität verschiedentlich zu Reibereien kam, so bestimmten sie nicht ihr Verhältnis für die ganze Folgezeit. Über lange Strecken und auf vielen Gebieten gab es eine echte Zusammenarbeit, und wenn es selbst dabei gelegentlich zu scharfem Wortwechsel kam, so lag es zu einem guten Teil an der ständigen Überforderung der Munizipalität, aber auch an einer unverkennbaren Borniertheit, die sie gelegentlich zur Schau stellte. Beispielsweise hatte der Wachsamkeitsausschuß Ende Mai gute Gründe, über die Paßausgabe durch die Munizipalität zum Betreten des Gartenfeldes zu klagen, das außerhalb der Festung, aber noch innerhalb des von den Franzosen kontrollierten Vorfeldes in Richtung Mombach lag. Der Ausschuß hielt es für leichtfertig, Pässe bis zu den Verschanzungen auf dem Hartenberg und der Harten Mühle auszustellen, wo schon feindliche Vorposten standen. Da die Munizipalität die Kritik nicht nur nicht akzeptierte, sondern sich den angeblich beleidigenden Ton verbat, schaltete sich die Allgemeine Administration ein und verfügte am 24. Mai kurzerhand, daß bis zur Klärung der ganzen Angelegenheit die Paßausteilung an den Wachsamkeitsausschuß zu übertragen sei. Die Untersuchung wollte die Allgemeine Administration selbst wahrnehmen. 85 Ein nächstes Dekret vom selben Tage ergänzte das erste : Es forderte von der Munizipalität neben anderen Unterlagen vor allem die seit dem 28. März geführten Paßregister, die der Allgemeinen Administration bis zum 25. Mai 9 Uhr früh auszuhändigen waren. 86 Offensichtlich stellte sich die Munizipalität quer, denn am 25. Mai drohte ein erstes Dekret dem Maire und dem Gemeindeprokurator die Suspendierung an, wenn nicht auf der Stelle die angeforderten Unterlagen übergeben würden. Ein zweites Dekret vom selben Tage verlangte vom Maire Macke, dem Gemeindeprokurator Waßmann und fünf namentlich genannten Munizipalen, am 26. Mai früh 8 Uhr ihr unfehlbares Erscheinen auf der Allgemeinen Administration. 87 Alle Genannten hatten durch Unterschrift die Kenntnisnahme dieses Dekretes bestätigt, aber einzig und allein erschien Maire Macke „in der vollen Überzeugung, daß seine Antworten in vorliegendem Gegenstand hinlänglich Erläuterungen geben werden". Damit die Allgemeine Administration sein Erscheinen auch gebührend würdigte, legte er auf die einleitende Feststellung Wert, daß er als Volksbeamter eigentlich „nämlich begehren könnte, schriftlich gefragt und schriftlich antworten zu dörfen". 88 An der Aussprache mit Macke nahmen 13 Administratoren teil; das Protokoll füllte 18 Seiten und trug Mackes Unterschrift als Beglaubigung. Das Ergebnis der Untersuchung war allerdings keineswegs so, daß der Maire am Ende noch das gleiche Selbstbewußtsein zur Schau stellte wie im Anfang. Macke verteidigte zunächst das Verfahren der Munizipalität, indem er sich auf eine Instruktion des Nachfolgers von Grégoire, des Ludwig Meyenfeld, berief, wonach Gartenfeldpässe die Unterschrift der Munizipalität und des Kommandierenden Generals tragen mußten ; er räumte zwar ein, daß auch noch andere Weisungen ergangen waren, aber er kannte sie nicht. Ebensowenig wußte er über die Zusammensetzung des Paßbüros; nur dunkel erinnerte er sich, daß ihm im 84 85 86 87 88

Derselbe, Mainzer Republik, S. 472. MR II, S. 619f. Ebenda, S. 620. Ebenda. Ebenda. S. 621.

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Anfang Falciola, Bayer, Emmerich und wohl auch Gaul angehört hätten. Über Ufflbesetzungen in der Folge wußte er gar nichts zu sagen, weil ganz offensichtlich das Paßbüro schon seit geraumer Zeit nicht mehr existent war. Macke meinte, daß die geforderte Kontrasignierung durch den General eine strengere Prüfung durch die Munizipalität überflüssig gemacht hätte, „und weil auch überhaupt ein großer Teil der Munizipalitätsmitglieder mit Visitationen, Inventuren, Obsignation, Exportieren p. beschäftigt, folglich die Anzahl der auf dem Gemeindehaus befindlichen Munizipalitätsmitglieder im Monat April und Mai oft sehr klein geworden, so habe ein förmlich Paßbüro nicht mehr bestehen können, sondern es habe vielmehr der notwendige Fall eintreten müssen, daß das erste beste anwesende Munizipalitätsglied oft mit, oft ohne Anweisung des Maire die Pässe unterzeichnet habe".89 Angesichts dieses heillosen Durcheinanders mußte natürlich die Anforderung der Paßregister die Munizipalität in arge Verlegenheit bringen. Das forsche Auftreten hielt Macke nicht durch. Er mußte sich fragen lassen, „ob die Munizipalität, da das Militär die vom General visierten Pässe respektieren müsse, es nicht für ihre Pflicht gehalten habe, dem bekanntlich mit Geschäften überhäuften General, welcher nicht alles, was ihm vorgelegt worden, habe durchlesen können, nichts zur Unterschrift vorlegen zu lassen, was der Ordnung zuwiderlaufe". Macke wußte keinen anderen Ausweg, als sich hinter der Munizipalität zu verstecken, „wovon er nur ein einziges Mitglied" sei; ihr wollte er diese Frage „zur gemeinsamen Beantwortung" mitteilen.90 Eine gehörige Portion Borniertheit von Seiten der Munizipalität äußerte sich auch gegenüber der Forderung des Wachsamkeitsausschusses, einen Einblick in die Unterlagen über die Mehlausteilung zu erhalten, um auf entsprechende Beschwerden reagieren zu können, die den Ausschuß Ende Mai erreicht hatten. Die Munizipalität vertrat in einer Eingabe an die Allgemeine Administration am 5. Juni den Standpunkt, daß „dergleichen lediglich in das Domesticum der Stadt einschlagende Gegenstände" nicht zum Wirkungskreis des Wachsamkeitsausschusses gehörten und daß ihre „aus der Volkssouveränität fließende Autorität ... nicht gleich jedem Denunzianten preisgegeben" werden dürfte. 91 Die Allgemeine Administration reagierte am 7. Juni darauf ganz prinzipiell: Sie erinnerte an die Zusammensetzung des Wachsamkeitsausschusses, dessen Mitglieder sich alle auf dieselbe Autorität berufen konnten; sie kennzeichnete seine umfassende Aufgabenstellung, die nicht zuließ, daß „die sogenannten in die domestica der Stadt einschlagenden Gegenstände" seiner Aufmerksamkeit entzogen würden; es forderte die Munizipalität auf, „durch Aufstellung eines schiefen Prinzips die täglichen Arbeiten des allgemeinen Wachsamkeitsausschusses nicht mehr zu erschweren".92 Dem Ausschuß ging es um mehr als um die Abstellung irgendwelcher Unregelmäßigkeiten bei der Mehlausteilung; es ging ihm um die ausschließliche Berücksichtigung der Geschworenen bei der Lebensmittelverteilung, v/eil den Frauen und Kindern der Exportierten der weitere Aufenthalt nur dann gestattet worden war, wenn sie sich mit Lebensmitteln versehen hatten. Auch die Versorgung der Familien von Emigrierten durch das städtische Magazin sollte ernstlich eingeschränkt werden. „Ist aber wirklicher Überfluß da, so fordert die gesunde Vernunft, daß wir den Überfluß ehender unsern Verteidigern als jenen, die mittel- oder unmittelbar gegen unsere Freiheit streiten, zukom89 90 91 92

Ebenda. Ebenda, S. 621 f. Ebenda, S. 623. Ebenda, S. 622.

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men lassen. Das Comité glaubt also keineswegs, daß unter dem Titel, weil manche Privilegierte, Emigrierte und Exportierte zu dem Fruchtmagazin ein Anlehen hergegeben oder mitgarantiert haben, selben aus dem Magazin solle verabreicht werden." 93 Es handelte sich um eine Kriegsmaßregel, der sich die Munizipalität letztlich auch nicht verschließen konnte. Am 12. Juni gab sie öffentlich bekannt, daß Unordnungen beim städtischen Magazin die Ausgabe neuer Brot- und Mehlbücher notwendig machten, die zu verteilen einer besonderen Kommission aufgetragen wäre. 94 Auf diesem Wege war die vom Wachsamkeitsausschuß angestrebte Neuordnung der Lebensmittelausteilung am zuverlässigsten zu realisieren. Kompetenzstreitigkeiten mit der Munizipalität gab es im Juni auch wegen des Pfandhauses, das laut Dekret der Allgemeinen Administration einer Inventarisierung durch eine Kommission, bestehend aus je zwei Mitgliedern der Administration und der Munizipalität, unterzogen werden sollte.95 Eine Gegenvorstellung der Munizipalität vom selben Tage beharrte nicht nur auf ihrer ausschließlichen Kompetenz, die natürlich bestritten werden konnte, wenn man auf Mainz von der Warte eines rheinisch-deutschen Freistaates schaute. Sehr viel überzeugender waren die praktischen Einwände. Für die dekretierte Maßnahme gäbe es keinen sachlichen Grund, und die damit verbundenen Arbeiten, die sich über Monate erstrecken würden, könnten den benannten Munizipalitätsmitgliedern nicht zugemutet werden, da sie „durch die Übernahme eines solchen Geschäfts ihre übrigen so nötigen Geschäfte zum Schaden der Bürger müßten liegen lassen".9" Diese Argumente hatten Gewicht, so daß sich die Allgemeine Administration doch nicht durchsetzen konnte. Starrsinnig auf dem einmal gefaßten Beschluß beharrend, verlangte sie zwar am 18. Juni abermals, mit den Inventarisierungsarbeiten zu beginnen; Mair e Macke versah jedoch dieses Schreiben am 21. Juni mit der Randbemerkung: „Cessat wegen der jetzt vorgenommenen Ausräumung der Pfänder in sichere Gewölbe, um dieselben bei dem jetzigen Bombardement gegen Feuersgefahr zu schützen."97 Diese Marginalie war kein Vorwand, sondern entsprach der notwendigen Konzentration aller Kräfte auf die vordringlichsten Aufgaben. Am 27. Juni beschloß die Munizipalität unter dem Eindruck des Bombardements, ihre Zusammenkünfte vom Gemeindehaus in das sicherere Kaufhaus zu verlegen und dort permanente Sitzungen durchzuführen, „daß allzeit der dritte Teil der Munizipalitätsglieder, die Suppleanten und Polizeikommissäre mit eingeschlossen, von morgens 6 bis abends 6 und von da bis wieder morgens 6 Uhr abwechseln sollen".98 Maire oder Prokurator sollten immer anwesend sein. Die Allgemeine Administration beschloß am 28. Juni für sich selbst und ihre beiden wichtigsten Ausschüsse, den Liquidationsund den Wachsamkeitsausschuß, nicht nur ebenfalls die Permanenz ihrer Sitzungen, sondern zugleich ihre Zusammenführung unter einem Dach, nämlich in die Räumlichkeiten des ehemaligen Deutschhauses. Darüber hinaus wurden alle Konventsdeputierten, die noch unbeschäftigt waren, zur aktiven Mitarbeit aufgefordert, weil andernfalls ihre Diäten gestrichen würden; im Kriegsrat, bei dem die Administration wieder einen Vorschuß erbitten mußte, hatten d'Oyré und Merlin erklärt, „daß sie niemanden, wel93 94 95 96 97 98

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda,

S. S. S. S.

623 f. 624. 624-626. 626.

S. 630.

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Darstellung

eher nicht tätig arbeite, einige Besoldung zu reichen gesonnen seien".99 Eine solche Auffassung hatte die Allgemeine Administration von sich aus schon einmal Mitte April geäußert, allerdings ohne damals ihre Durchsetzung zu erzwingen. 100 Jetzt war eine andere Situation eingetreten, die den Einsatz aller verfügbaren Kader voraussetzte. Die Fortschritte der Belagerer und insbesondere ihr Bombardement drückten auf die Stimmung. Die Sorge um die Erhaltung des eigenen Besitzes verdrängte die Sorge um das allgemeine Wohl. Der unermüdliche Kern des Wachsamkeitsausschusses — acht seiner Mitglieder — gab Anfang Juli der Administration ein ungeschminktes Bild vom politisch-ideologischen Zustand im allgemeinen und seiner eigenen Arbeitsfähigkeit im besonderen: „Allgemeine Administration! So wenig ein mit 60 Wiener Zentnern beladener Güterwagen mit vier Pferden geführt werden kann, ebensowenig können wir die Last des allgemeinen Sicherheitsausschusses ertragen: Permanente Sitzungen und vorübergehende Mitglieder passen nicht zusammen. Oft hätten unsere Arbeiten ganz aufhören müssen, wenn nicht auf unsere Einladung Bürger Präsident Hofmann, Bürger Administrationsrat Herrer, Solms und andere die gestockten Räder wieder in Gang gebracht hätten. Wir machten der Allgemeinen Administration von dem langsamen Gange der Geschäfte, von Verfassungsmängeln usw. öfters die Anzeige und übergaben Verbesserungsvorschläge; wir überschickten sogar seit dem vorigen Monate einen alle (!) achttägigen Bericht nebst einer beigelegten Tabelle zum augenscheinlichen Beweis, wie wenige besoldete Patrioten den Beruf zeigten, ihre Talente in dem wichtigen Zeitpunkt der Blockade mit den unsrigen zum Wohl des kaum frei gewordenen Volkes zu vereinigen. Alle angewendeten, von der Allgemeinen Administration genehmigten Mittel waren leider, wie die Folge zeigte, nur palliativ, sie kurierten die eingerissene Epidemie nicht: Der Gemeingeist ist beinahe verschwunden, die Nerven sind erschlafft, und der Körper liegt in Zügen. Wenn dieser gerettet und neu beseelt werden will, so muß geschwinde Hilfe verschafft werden. Der Fuhrmann, wenn er bemerkt, daß seine Pferde nicht mehr ziehen wollen, so spannt er sie aus und nimmt frische, oder er nimmt wenigstens einen Vorspann." 101 Die auf den 28. Juni nachmittags im Deutschhaus anberaumte Zusammenkunft sämtlicher Deputierter und der Mitglieder beider Ausschüsse lieferte der Allgemeinen Administration einen ungefähren Überblick über das Potential, auf das sie bei der Besetzung wichtiger Funktionen zurückgreifen konnte. So wurde es möglich, Dinge anzupacken, die bisher vernachlässigt worden waren wie beispielsweise die Sicherung der geistlichen Bibliotheken, womit am 3. Juli das Liquidationskomitee die beiden Deputierten Böhmer und Hierthes betraute.102 Der Wachsamkeitsausschuß plädierte im Prinzip für einen monatlichen Wechsel der Mitglieder, um die Arbeiten unter den Konventsdeputierten möglichst gleichmäßig zu verteilen und alle mit den Geschäften vertraut zu machen; für diesmal aber war er es zufrieden, wenn man ihm einen Vorspann von zehn namentlich aufgeführten zusätzlichen Kräften zugestand, um Liegengebliebenes aufzuarbeiten und das Laufende zu bewältigen. 103 Der entsprechende Beschluß der Allgemeinen Administration wurde am 9. Juli gefaßt, reduzierte allerdings die Zahl der angeforderten Kräfte um zwei auf Ebenda, S. 629 f. Vgl. S. 252f. 101 MR II, S. 637. 102 Ebenda, S. 630. 103 Ebenda, S. 637f. 99

100

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acht.104 Der neue Wachsamkeitsausschuß wählte mit Mehrheit Loewer zu seinem Präsidenten.108 Dieser neugebildete Ausschuß unter Loewer betrachtete sich unzweideutig als ein revolutionäres Organ, als „eine unentbehrliche Gewalt zur Erhaltung der Freiheit bei einem Volke, welches sich kaum aus der Sklaverei herausgewunden hat und bei welchem noch verdächtige Leute genug sind, die bei jedem Kanonenschuß von Kapitulation sprechen und in dieselbe [Sklaverei] wieder zurückzutreten wünschen. Nicht nur diese Betrachtung, sondern auch der Kriegs- und Belagerungszustand gaben dem allgemeinen Sicherheits- und Wachsamkeitsausschuß seine Existenz, und solang der demselben angewiesene Zweck nicht vollkommen erreicht ist, so muß derselbe, als Mittel betrachtet, ohnumschränkt wirken können."106 Diese Feststellungen des Ausschusses vom 10. Juli ließ Loewer zur Belehrung an die Munizipalität gelangen, deren Sorge um die Wahrung ihrer eigenen Kompetenzen allmählich eine neue Qualität bekam. Die Munizipalität entfernte sich in zunehmendem Maße von ihrem revolutionären Ursprung, indem sie sich als eine Volksvertretung immer weniger am allgemeinen Wohl orientierte, sondern sich immer mehr als spezifische Vertretung der Interessen aller begriff, die den Anspruch erheben konnten, als Mainzer Bürger zu gelten. Die Kompetenzstreitigkeiten in den Monaten zuvor lagen entweder in der Natur der Sache oder waren Ausfluß einer lästigen bornierten Überheblichkeit; in jedem Falle aber fand man zu einer gemeinsamen Sprache zurück, wobei es zwar meist, aber keineswegs immer die Munizipalität war, die sich korrigieren mußte. Im Juli jedoch verhärteten sich die Beziehungen der auch räumlich getrennten Behörden — im Deutschordenshaus die Allgemeine Administration mit ihren Ausschüssen und im Kaufhaus die Munizipalität — derart, daß ein Bruch geradezu unvermeidlich wurde. Dahinter stand, wenngleich noch unausgesprochen, die unterschiedliche Haltung im Falle einer möglichen und immer wahrscheinlicher werdenden Kapitulation. Die Zeiten wirkungsvoller Ausfälle der Franzosen aus der Festung wie der in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai, bei dem unter der ortskundigen Führung rheinisch-deutscher Jakobiner in Marienborn der preußische Oberbefehlshaber um ein Haar in französische Hände gefallen wäre,107 waren vorbei. Jetzt galt es, die Festung zu halten und die durch das Bombardement der Stadt zugefügten Schäden möglichst einzugrenzen. Für die Allgemeine Administration und ihre Ausschüsse war diese Aufgabe gleichbedeutend mit der uneingeschränkten Unterstützung der französischen Brüder, die die Festung verteidigten. Was sie beispielsweise Ende Mai durchaus noch akzeptiert hatte — es handelte sich um von der Munizipalität dem Kriegsrat dargelegte Grundsätze zur Sicherstellung des National- und Privateigentums —, das war für sie im Juli infolge des eingetretenen Notfalls gänzlich undiskutabel geworden, weil die Situation für Rücksichtnahme auf spezifische Rechtsvorschriften einfach keinen Raum mehr bot.108 Anders die Munizipalität; hier begannen einige maßgebende Mitglieder wie Maire Macke, Prokurator Waßmann und Munizipal Umpfenbach sich auf die Kapitulation 104 105

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Ebenda, S. 636 f. Ebenda, S. 638. Aus diesem Grunde legte Loewer am 1 1 . 7 . seine Präsidentschaft beim Revolutions- und Kriminaltribunal vorfristig nieder. Ebenda, S. 615. Ebenda, S. 631. Dumont, Ende der Mainzer Republik, S. 6 1 0 f . Der Mainzer Gastwirt Franz Riffel und die beiden Oberolmer Heinrich Schreiber und Michael Lutz gehörten zu den Teilnehmern. Lutz, verwundet, geriet in Gefangenschaft und wurde gehängt; Franz Riffel erhielt auf Vorschlag des Generals Meusnier wegen Tapferkeit den militärischen Rang eines Hauptmanns. MR II, S. 571 f., 640. 643.

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Darstellung

einzustellen, ohne damit schon zu offenen Verrätern zu werden; aber die illusionäre Vorstellung, die sie damit verbanden, nämlich wegen ihrer Bemühungen um die Erhaltung des Eigentums eines jeden auch auf die Dankbarkeit der Zurückkehrenden rechnen zu können, drängte^ie in eine politische Richtung, die nicht mehr ausschließlich von der Identifizierung mit den französischen Verteidigern bestimmt war. So geriet Gemeindeprokurator Waßmann in den Verdacht, von der Armee benötigte Effekten von Emigranten und Exportanten — es handelte sich um Betten und Bettzeug aus dem Bestand des ehemaligen Stadtdirektors Heimes — verheimlicht zu haben. Der Wachsamkeitsausschuß forderte daraufhin am 9. Juli den Kellerschlüssel zum Hause des Heimes, den Waßmann zwar am Tage darauf aushändigte, aber unter Protest, weil sowohl das Munizipalitätsarchiv als auch seine eigenen Effekten in diesem Keller lagerten. Die Munizipalität tat noch ein übriges und verlangte am 11. Juli, daß die Inventarisierung der Effekten des Heimes nur unter Hinzuziehung eines Munizipalen vorgenommen würde. Die Allgemeine Administration hielt es Qunmehr für an der Zeit, solcher anmaßenden Konkurrenz mit der oberen Volksgewalt energisch entgegenzutreten und ein Exempel zu statuieren: am 12. Juli dekretierte sie die Suspendierung des Gemeindeprokurators Waßmann von seinem Amte und die Einsetzung des Substituten Niederhuber als Nachfolger. 109 Als sich die beiden Administratoren und Mitglieder des Wachsamkeitsausschusses, Solms und Hauser, am 13. Juli an die Inventarisierung der Effekten des Heimes machen wollten, traten ihnen Maire Macke und die Munizipalen Umpfenbach und Matthaei entgegen, störten ihre Arbeit, verlangten die Beiordnung des suspendierten Waßmann zur Inventarisierungskommission und drückten am Ende das Munizipalitätssiegel neben das der Kommission, um ihren Anspruch auf Gleichberechtigung zu dokumentieren. Beide Seiten gaben noch am selben Tage eine natürlich gegensätzliche Darstellung dieser Auseinandersetzungen, die Munizipalität der Allgemeinen Administration und Solms dem Wachsamkeitsausschuß. Während die Munizipalen das Befremden über das Auftreten der Kommissäre ausdrückten, die es noch nicht einmal für nötig hielten, sich als solche auszuweisen, klagte Solms über die „Widersetzlichkeit des Maires und seiner Konsorten", insbesondere Umpfenbachs, der wie der Maire suspendiert und in Arrest geführt zu werden verdiente.110 Die Allgemeine Administration machte sich natürlich die Darstellung des Solms zu eigen, aber ergriff noch nicht die geforderten strengen Maßnahmen. In einem Dekret vom 13. Juli verwarnte sie den Maire und die beiden Munizipalen und drohte, „daß im weitern Betretungsfall gegen sie als unruhige Volksbeamte und Gesetzesverächter mit der Kassationsstrafe ohne alle Rücksicht fürgefahren werden solle". Zwei Administratoren wurden beauftragt, das Munizipalitätssiegel von der Kellertür abzureißen; Generalprokurator Boost hatte für den Druck und die öffentliche Bekanntmachung dieses Dekrets zu sorgen, und der Kommission wurde ausdrücklich bestätigt, daß sie ohne Rücksicht auf irgendwelche Einsprüche ihre Inventarisierungsarbeiten fortzusetzen habe.111 Die Suspendierung Waßmanns hatte Folgen, die anfangs sicher noch nicht überschaubar, aber in sich folgerichtig waren. Zunächst versuchte die Munizipalität, die Suspendierung zu verhindern, indem sie die absolute Untauglichkeit Niederhubers für diese Stelle

109 110 111

Ebenda, S. 638£.,641 Ebenda, S. 641 ff. Ebenda, S. 639f.

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behauptete, der angeblich schon Ende März Mainz hätte verlassen wollen. Diese Darstellung der Munizipalität vom 13. Juli veranlaßte die Allgemeine Administration zu einem scharfen Dekret am 14. Juli, das auf Waßmanns Suspendierung und Niederhubers Einsetzung beharrte, darüber hinaus vom Maire verlangte, daß er zusammen mit Niederhuber „als das Organ des Mainzer Volkes zum heutigen Bundesfeste" erschiene.112 Macke befolgte dieses Dekret nur insoweit, als er am Fest des 14. Juli an der Spitze der Munizipalität — allerdings ohne Niederhuber — persönlich teilnahm. Unmittelbar danach jedoch legte er demonstrativ sein Amt mit der Begründung nieder, daß ein oktroyierter Gemeindeprokurator eine Gefahr für den legalen Gang der Munizipalitätsgeschäfte darstellte. Loewer als Präsident des Wachsamkeitsausschusses sprach von einer Handlung „ohne legale Ursachen, die sich zur Zeit, wo das Vaterland in Gefahr ist, nicht denken lassen", und schickte das rapportierende Ausschußmitglied Eisenberg aus, um die Dinge vor Ort zu prüfen. Zwar meinte die Munizipalität, daß in bezug auf Macke das letzte Wort noch nicht gesprochen wäre, aber in ihrer Sitzung am 15. Juni schloß sich Umpfenbach sogar dem Beispiel Mackes an. Die Munizipalität weigerte sich, „bei diesem bedenklichen Zeitpunkte" beide Rücktrittserklärungen zu akzeptieren, hielt aber weiterhin an der Ablehnung Niederhubers fest und meinte, in einem mündlichen Gespräch mit der Allgemeinen Administration „alle Bitterkeiten und Zänkereien" beseitigen, der zu befürchtenden „Anarchie und Mißhelligkeit" begegnen zu können.113 Angesichts solcher Brüskierungen durch einzelne Munizipalitätsmitglieder war die Allgemeine Administration jedoch zu keiner Diskussion mehr bereit; sie wollte, daß nunmehr gehandelt werde. Den Bestimmungen ihres am 15. Juli gefaßten Dekrets gemäß begaben sich Präsident Hofmann, Generalprokurator Boost und Administrator Herrer noch am Abend zur Munizipalität, um durch Aufrücken zweier Munizipalsuppleanten und die Einsetzung des Gemeindeprokurators Niederhuber die Behörde wieder arbeitsfähig zu machen. „Wegen der konstitutionswidrigen Amtsniederlegung" Mackes und Umpfenbachs behielt man sich eine weitere Verfügung vor.114 Der innere Verfall der Munizipalität war jedoch schon weiter fortgeschritten, als die Allgemeine Administration vermutet hatte. Das Protokoll der Munizipalitätssitzung vom 16. Juli, an der immerhin acht Munizipalen, drei Suppleanten und der Sekretär Reussing teilnahmen, ist gekennzeichnet durch Verantwortungsscheu und Unbeweglichkeit: Man kam überein, daß Macke, Umpfenbach und Waßmann unentbehrlich wären; Haefelin, der Mairie-Verwalter, erklärte sich der Funktion des Maire nicht gewachsen. Durch Krankheit und Abstellungen zum Wachsamkeitsausschuß, zu Feuerlöschanstalten und zum Mehl- und Holzmagazin blieben für die gewöhnlichen Sitzungen nur Haefelin, Matthaei, Emmerich und Euler übrig; Munizipalsuppleant Albert würde aus häuslichen und anderen Gründen um seine Entlassung einkommen. Die auf den Wahllisten — die übrigens nicht verfügbar waren — zu Suppleanten nachrückenden Kandidaten würden den Posten entweder nicht annehmen oder unqualifiziert sein. Unter diesen Umständen erklärten auch die Munizipalen Cronauer, Euler und Matthaei, keinerlei Responsabilität mehr tragen zu können. Immerhin waren Haefelin, Matthaei, Euler, Emmerich und Hild bereit, die permanenten Sitzungen der Munizipalität weiterzuführen, bis auf der Basis dieser Vorstellung die Allgemeine Administration für Ab-

113 113 114

Ebenda, S. 642f., 640f. Ebenda, S. 645 f. Ebenda, S. 643.

Datstellung

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hilfe gesorgt hätte. Die Conditio sine qua non blieb die Verschonung der Munizipalität mit Niederhuber.115 Angesichts dieser desolaten Situation konnte die Allgemeine Administration nicht mehr nur dekretieren; es mußte ge- und verhandelt werden, um zu retten, was noch zu retten war. Das Protokoll der Allgemeinen Administration vom 17. Juli beweist, daß sie das begriffen hatte: Sie blieb bei der Suspendierung Waßmanns und weinte auch den beiden Demissionierten Macke und Umpfenbach keine Träne nach. Aber sie versprach tätige Unterstützung durch den Wachsamkeitsausschuß und konzedierte der Munizipalität die Reklamierung ihrer diesem Ausschuß überstellten Mitglieder, wenn sie durch nachgeschobene Suppleanten ersetzt würden. Die drei um ihre Responsabilität besorgten Munizipalen wurden dem Mairie-Verwalter Haefelin besonders ans Herz gelegt. Das Problem Niederhuber löste man so, daß gerade zur rechten Zeit ein Schreiben von ihm bei der Allgemeinen Administration eintraf, worin er die Prokuratorstelle „aus hinreichenden Gründen" ausschlug; natürlich wurde dem bestellten Begehren sofort entsprochen und der Munizipalität aufgegeben, der Administration zwei Kandidaten zur Auswahl für den Gemeindeprokurator zu benennen. Loewer erbot sich freiwillig, neben seinen anderen Funktionen auch noch die eines Prokuratorsubstituten zu übernehmen, um dem Gemeindeprokurator „soviel ihm möglich nach Kräften zu Händen zu gehen". Dem Mairie-Verwalter wurde nicht nur eine Erweiterung seines Büros gestattet, sondern auch die volle Unterstützung der Allgemeinen Administration versprochen.116 Diesen Angeboten entsprechend, wenngleich nicht in jedem Punkte exakt, reagierte die Munizipalität am 18. Juli mit folgenden Beschlüssen: Sie offerierte mit Stimmenmehrheit als Kandidaten für die Stelle des Gemeindeprokurators die beiden Administratoren Loewer und Friedrich Schmitt; sie reklamierte Falciola und Wolf vom Wachsamkeitsausschuß für die Munizipalität und versprach, aus den Wahllisten zwei Suppleanten zur Delegierung an den Ausschuß namhaft zu machen. Neu war die Forderung an die Allgemeine Administration, wie die Munizipalität die Amtsniederlegungen Mackes und Umpfenbachs ausdrücklich zu mißbilligen, da sie sonst Schule machen könnten. Energisch widersprach sie der Behauptung Mackes, der in einem Schreiben an die Allgemeine Administration von einer Billigung seines Schrittes durch die Munizipalität gesprochen hatte, und belegte ihren Widerspruch durch Protokollauszüge und Berichte vom 13., 14., 15. und 16. Juli. Bemerkenswert als Zeichen eines bei allem Durcheinander immer noch ungebrochenen Selbstbewußtseins kann gelten, daß am Ende die Allgemeine Administration um ihr Einverständnis ersucht werden sollte, künftig das Munizipalitätssiegel wieder dem der Allgemeinen Administration an der Kellertür zu den Effekten des Heimes und zum Munizipalitätsarchiv beifügen zu können.117 Das Dekret der Allgemeinen Administration vom 19. Juli setzte hinter den Streit mit der Munizipalität gleichsam den Schlußpunkt.118 Das bedeutet nicht, daß schon sämtliche Fragen einvernehmlich beantwortet worden wären; man war aber entschlossen, aufeinander zuzugehen. Beispielsweise dachte die Allgemeine Administration keineswegs daran, die Amtsniederlegung Mackes und Umpfenbachs als illegal zu verwerfen und auf diese Weise womöglich sogar deren Rückkehr zu betreiben, an der ihr ganz und gar nichts lag. Es war kein wirkliches, sondern ein gewolltes Mißverständnis, wenn die 115 116 117 118

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

646-648. 644. 648. 645.

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Allgemeine Administration im ersten Punkt ihres Dekretes der Munizipalität freistellte, beim Kriegsrat vorstellig zu werden und der ihm von Macke übergebenen Denkschrift zu widersprechen. Nun zählte zwar Mackes Memorandum an den Kriegsrat ein halbes Dutzend ärgerlicher Vorkommnisse auf, die seinen Rücktritt zur Folge hatten, aber nirgends wurde hier von Macke behauptet, daß die Munizipalität diesem Schritt zugestimmt hätte. Eine solche Äußerung gab es eben nur in dem Schreiben Mackes an die Allgemeine Administration, das abschriftlich auch der Munizipalität zugegangen war und ihren Widerspruch hervorrief. Mit der Eliminierung Mackes und Umpfenbachs einerseits^ und der Rückberufung Falciolas und Wolfs in die Munizipalität andererseits, im Dekret vom 19. Juli unter Punkt 3 uneingeschränkt akzeptiert, war zweifellos eine gewisse Umgestaltung der Munizipalität erreicht worden. Der Administration genügte eine mündliche Rechenschaftslegung Mackes und Umpfenbachs, um das Gesicht zu wahren und dieses Kapitel endgültig zu schließen; beide unterzogen sich dieser Aufgabe am 20. Juli vor der Munizipalität.119 Nicht akzeptabel waren die Kandidatenvorschläge für den Gemeindeprokurator, der nicht aus der Administration, sondern aus den Reihen der Bürger kommen sollte, die bei den Wahlen einige Stimmen auf sich ziehen konnten, mithin über ein gewisses Vertrauenskapital beim Volke verfügten. In diesem Sinne war der Punkt 2 des Dekrets vom 19. Juli abgefaßt. In Punkt 4 schließlich schwenkte die Allgemeine Administration jetzt ganz auf die Linie der Munizipalität ein und erklärte nun nach der Neuorganisation alle ihre Bedenken gegen die Beiordnung eines Munizipalitätsvertreters bei der Inventarisierung der Effekten des Heimes für behoben.120 Nach diesen harten Auseinandersetzungen gab es zweifellos einige Voraussetzungen für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Administration und Munizipalität. Die Ansätze gingen insbesondere von den Munizipalen aus, die zuvor beim Wachsamkeitsausschuß tätig gewesen waren. Falciola sen., der schon seit dem 18. Juli an den Sitzungen der Munizipalität teilnahm, hatte 13 Punkte zusammengestellt, die seiner Meinung nach abgearbeitet werden mußten, um die Munizipalität wieder voll aktionsfähig zu machen. Dazu gehörten unter anderem die Aufstellung der Kandidaten für die Bestimmung eines Gemeindeprokurators, die Annahme des freiwilligen Anerbietens von Loewer, die Geschäfte des Prokuratorsubstituts mitzubesorgen, die Unterstützung des MaireVerwalters durch die Schaffung eines eigenen Büros mit einem tüchtigen Sekretär, die Überwindung des Schlendrians unter dem Sekretärs-, Registratur- und Kanzleipersonal durch die Androhung von Gehaltsabzügen. Von ganz besonderer Bedeutung war der Punkt 10, der unter Androhung peinlicher Bestrafung durch das Kriminaltribunal jedem Munizipalitätsmitglied strikt verbot, Akten jeglicher Art „Personen, die weder als Volksbeamte in Diensten stehen oder sich derselben eigenmächtig entzogen haben, mitzuteilen" und auf diese Weise beizutragen, „den bereits eingerissenen Faktionsgeist noch mehr aufzuregen und innere Unruhe zu befördern". 121 Falciola hatte also den durchaus nicht unbegründeten Verdacht, daß Macke, Umpfenbach und Waßmann nach wie vor Parteigänger in der Munizipalität besaßen und trotz Amtsniederlegung bzw. Suspendierung aktiven Einfluß auf ihre Entscheidungen zu nehmen trachteten. Es waren eben nur Ansätze zu einer besseren Zusammenarbeit, die dann auch kaum noch ausgebaut werden konnten, weil schon in den nächsten Tagen militärische Entscheidungen eine vollkommen neue Situation herbeiführten. 119 120 121

Ebenda, S. 648 f. Ebenda, S. 645. Ebenda, S. 649.

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Darstellung

Gerüchte über Kapitulationsverhandlungen verdichteten sich. Sie hatten eine erste Sondersitzung der Munizipalität am 21. Juli nachmittags zur Folge, wo man noch der Allgemeinen Administration antrug, mit der Versteigerung der Emigranten- und Exportanteneffekten zu beginnen — entsprechend dem revolutionären Grundsatz, daß die Kriegslasten von den Feinden der Republik getragen werden müßten.122 Der nächsten Munizipalitätssitzung am 22. Juli früh um 9 Uhr lag zur Beschlußfassung ein Memorandum vor, das Loewer in seiner Eigenschaft als Gemeindeprokuratorsubstitut ausgearbeitet hatte. Es hielt an den revolutionären Prinzipien fest, aber verlor sich dabei streckenweise in Illusionen, die geradezu seltsam anmuten.123 Ausgehend von dem in der französischen Verfassung verankerten Grundsatz, daß keine Kapitulation und kein Vertrag mit einer kriegführenden Macht ohne Ratifikation der gesetzgebenden Gewalt oder deren Stellvertreter abgeschlossen werden kann, schlußfolgerte Loewer, daß der Rheinisch-deutsche Konvent, die Allgemeine Administration mit ihren Ausschüssen, die Munizipalität und alle geschworenen Bürger entweder in die Kapitulation eingeschlossen oder ihnen in einem Separatartikel freier Abzug und eine Generalamnestie gewährt würden. Er forderte weiterhin die Umwandlung von Mainz in eine freie Reichsstadt unter gemeinschaftlicher preußischer und französischer Garantie und die anteilmäßige Heranziehung des Mainzer Kurfürsten, seines Hofadels, der gesamten rheinischen Ritterschaft und Geistlichkeit zur Bestreitung der preußischen Kriegskosten. Loewer empfand selbst das Übersteigerte dieser Vorstellungen und fügte darum noch einige abschließende Bemerkungen an, die bestätigen, daß er die reale Situation durchaus richtig einzuschätzen verstand: Alles hing von der positiven Beantwortung der Hauptfrage ab, „ob die bisher bestandenen öffentlichen Gewalten und sogenannten Patrioten und Konstitutionsfreunde oder Klubisten, da sie nach europäischem und teutschem Völkerrecht in die Kapitulation der kriegführenden Mächte nicht einverleibet werden können, durch einen Artikel oder déclaration séparée befriediget werden dörfen. Kurz, wir müssen unser Schicksal mit den Kommissärs der fränkischen gesetzgebenden Gewalt, Bürger Reubell und Merlin, teilen, indem diese namens der Frankenrepublik allen Völkern, wohin ihre Armeen gekommen sind und noch kommen werden, den allgewaltigen Schutz durch das Nationalkonventsdekret vom 15. Dezember 1792 und vor ihnen der Bürger General Custine öfters mit glänzendem Stammischen und Böhmerischen Wortgepränge angekündiget und durch freigebige Promulgationen versprochen haben. Wir sollten also in allgemeinen Ausdrücken den Schutz der Nation aufrufen und um ihre Verwendung bei dem Kriegsrat, besonders aber bei General d'Oyré anstehen."124 Die Beratung dieses Memorandums durch die Munizipalität erfolgte zunächst ohne Loewer, den andere Verpflichtungen fernhielten; das Ergebnis war doppelt negativ; Es wurde nicht nur abgelehnt, derartige Kapitulationspunkte vorschreiben zu wollen; nach der abschließenden Anmerkung Loewers war diese Entscheidung vorauszusehen. Schwerer wog der zweite Beschluß, daß man nämlich „bei Beratschlagungen, die wegen Übergabe der Stadt die ganze Bürgerschaft betreffen, in Ermangelung des Gemeinderats mehrere Bürger dazu einlade, besonders den Bürger Macke und Umpfenbach wie auch den Bürger Waßmann". 125 Nur notdürftig kaschiert durch den Ausdruck des 122 123 121 125

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

651. 649-651. 650 f. 651.

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Bedauerns über das Fehlen eines Gemeinderates sollte hier auf die bereits hart an Verrat grenzende Linie eingeschwenkt werden. So meinte man, beim siegreichen Gegner durch Wohlverhalten auf eine, schonende Behandlung nach der Kapitulation rechnen zu dürfen. Diesmal konnte solcher Absicht noch ein Riegel vorgeschoben werden: Nach dem Eintreffen Loewers, der vom Generalprokurator Boost begleitet wurde, bekamen die Gegner des zweiten Beschlusses wieder Auftrieb, so daß er nochmals diskutiert werden mußte. Im Ergebnis wurde er jetzt verworfen und statt dessen beschlossen, eine Petition an Merlin und Reubell gelangen zu lassen, die die beiden Konventskommissäre an die Schutzversprechungen des Dezemberdekretes und verschiedener Proklamationen Custines mit dem Ziel erinnern sollte, „daß sie zur Bewirkung eines Separatartikels in Ansehung der bisher bestandenen öffentlichen Gewalt und der gesamten Bürgerschaft sich verwenden wollten".126 Der sofort auf den Weg geschickten Deputation erklärte am Nachmittag Reubell, daß der Kriegsrat sehr wohl an einen Separatartikel dieser Art gedacht habe; eine Kapitulation ohne Einschluß der Mainzer Einwohner würde nicht nur auf ihren energischen Protest stoßen, sondern auch von ihnen als Kommissären der gesetzgebenden Gewalt nicht ratifiziert werden. Am Tage darauf jedoch, dem 23. Juli, war die Munizipalität in ihrer Mehrheit schon nicht mehr aufzuhalten; sie marschierte geradewegs in den opportunistischen Sumpf. Den Tatbestand, daß die Allgemeine Administration die Stelle des Gemeindeprokurators immer noch nicht besetzt hatte, nahm eine Gruppe von Munizipalen zum Vorwand, um eigenmächtig „den Bürger Gemeindeprokurator Waßmann einzuladen, seine Stelle einstweilen zu vertreten"; und nachdem man den Mut zu diesem ersten Schritte gefunden hatte, beschloß man auch, „den Bürger Macke als Maire und Bürger Umpfenbach als ersten Munizipal einzuladen, den Munizipalitätssitzungen beizuwohnen und in ihrer Qualität wie zuvor ihre Dienste zu verrichten".127 Die Allgemeine Administration, von den als erste unterrichteten Konventskommissären ins Bild gesetzt, reagierte unverzüglich, indem sie erstens Ritz sen. zum Gemeindeprokurator ernannte und zweitens die Munizipalität wissen ließ, „daß sie, eine nur von drei Munizipalen ohne Zuziehung des Mairie-Verwalters unterschriebene Vorstellung an die fränkischen Kommissäre namens der ganzen Munizipalität heut zu übergeben und die aus ihrer fonction getretenen Beamten beizurufen, ganz gegen das Ansehen ihrer -Volksgewalt und wahrhaft zwecklos gehandelt habe". 128 Allerdings konnte dieses Verdikt bei den gegebenen Umständen ebenso wenig bewirken wie Waßmann mit der Forderung seiner Rehabilitierung durch die Administration. Dasselbe gilt auch für den nunmehr eindeutigen Versuch der Munizipalität unter Macke und Umpfenbach, ihren revolutionären Ursprung zu leugnen und im letzten Moment noch in die Rolle eines unparteiischen Wahrers sogenannter Bürgerinteressen zu schlüpfen, um so Pluspunkte bei der zu erwartenden Rückkehr der alten Gewalten nach der Kapitulation vorweisen zu können. So forderte sie am 23. Juli vom Kommandanten d'Oyre, Vorsorge zu treffen, „daß hiesige Einwohner unter keinem Vorwande aus der Stadt reisen oder auch als engagierte Militärpersonen mit ihren Truppen fortziehen dürfen, ehe und bevor dieselben ihre Abreise noch nicht bekanntgemacht und sich hinlänglich bei der Munizipalität legitimiert haben, daß sie keine Schulden hinterlassen haben". 129 Die entsprechende und unter den gegebenen Bedingungen absolut lächerlich 126 Ebenda, S. 652. 127 Ebenda. 128 Ebenda. 129 Ebenda, S. 653.

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Darstellung

wirkende Bekanntmachung von Munizipalitäts wegen erfolgte noch am 24. Juli. Nicht viel anders sah es mit ihrer Intervention am 23. Juli auf die Nachricht hin aus, daß im Zeughaus die von den Mainzer Bürgern abverlangten Gewehre an französische Soldaten verteilt würden; sie ersuchte den General, „diesem das Privateigentum des Bürgers verletzenden Betragen Einhalt zu tun". 130 Einer solchen Haltung entsprach das Ergebnis der Umfrage, die auf Grund der Mitteilung der Allgemeinen Administration vom 23. Juli erfolgte, daß allen Munizipalen, die mit der französischen Armee abzuziehen gedächten, von der Finanzkammer das Gehalt ausgezahlt würde. Außer Emmerich, Falciola und Wolf, die durch ihre Mitarbeit im Wachsamkeitsausschuß zu revolutionärer Konsequenz erzogen worden waren, erklärten sich alle anderen für das Verbleiben in Mainz.131 Die Kapitulationsverhandlungen zwischen d'Oyre und Kalckreuth hatten am 18. Juli begonnen. Von Anfang an erhob die französische Seite die Forderung, die rheinischdeutschen Revolutionäre in die Kapitulation einzubeziehen, soweit sie zusammen mit der Armee die Stadt verlassen wollten. Dem preußischen König gegenüber, der zunächst keinerlei Konzessionen in dieser Richtung zu machen gedachte, wurde am 20. Juli mit dem Abbruch der Kapitulationsverhandlungen gedroht. Die Kapitulationspunkte, über die man sich am 22. Juli einigte, enthielten zwar keine besondere Regelung für die zum Abzüge bereiten rheinisch-deutschen Jakobiner, aber waren doch so gehalten, daß sie vielen die Möglichkeit boten, als Armeeangehörige zu gelten. Der Artikel I V beispielsweise, der neben Offizieren und Kriegskommissären auch „Vorsteher und andere zu verschiedenen Verrichtungen bei der Armee angestellte Personen" nannte, denen mit Pferd, Wagen und Effekten der Abzug freistand, gab Joseph Andreas Hofmann die Gelegenheit, als Sekretär des Kriegsrates am 24., und Lehne als Sekretär der Kommission des Vollziehungsrates am 25. Juli Mainz zu verlassen. Ohne es ausdrücklich zu sagen, war der gesamte Artikel X eine einzige Schutzmaßnahme für die rheinisch-deutschen Jakobiner; denn wenn keinem Mainzer, der sich außerhalb der Stadt befand, die Rückkehr vor dem gänzlichen Abzug der französischen Besatzung gestattet wurde, dann konnte der konterrevolutionäre Mob solange in Schach gehalten werden, bis sich die besonders gefährdeten Jakobiner in Sicherheit gebracht hatten.132 In engem Konnex mit diesen ausformulierten Kapitulationsbedingungen standen die zusätzlichen Abmachungen, die — ein Ergebnis der Korrespondenz zwischen d'Oyre und Kalckreuth am 23. und 24. Juli — in brieflicher Form getroffen wurden. Die französische Seite brachte die in Landau und Beifort festgehaltenen Mainzer Geiseln ins Spiel, deren Rückführung von der Gewährung des freien Abzuges der rheinischdeutschen Republikaner aus Mainz abhängig gemacht wurde. Das wai; eine tragbare Brücke, über die auch der preußische König gehen konnte. Kalckreuth gab am 24. Juli an d'Oyre die verbindliche Zusage, daß Majestät sich entschlossen habe, die Untertanen, für die sich d'Oyre verwendete, unter seinen Schutz zu stellen und sie als Geiseln für die in französischen Festungen zurückgehaltenen Personen zu betrachten. Er, Kalckreuth, habe Befehl, sie nach Bingen zu bringen. Darum bat er um die genaue Zeitangabe, wann ein Kavallerie-Detachement sie an einem Mainzer Tor in Empfang nehmen könne; eine Namensliste würde das Ganze erleichtern.133 130 131

132 133

Ebenda. Ebenda. Ebenda, Ebenda, Ebenda,

A m Ende entschloß sich dann allerdings auch Haefelin zum Abzug aus Mainz. S. 656. S. 657. S. 658.

IX. Die Staatsorgane unter Belagerungsbedingungen

275

Die letzten Amtshandlungen der revolutionären rheinisch-deutschen Staatsorgane vom 24. Juli beschäftigten sich ausschließlich mit dieser Problematik. Das letzte Bollwerk des rheinisch-deutschen Freistaates, die Festung Mainz, war im Begriffe, vor dem Feinde zu kapitulieren, so daß es in der Tat nur noch darum gehen konnte, seine besten und eben darum gefährdetsten Verfechter vor dem Zugriff der Konterrevolution zu schützen. Was Loewer und Falciola sen. — letzterer hatte dem jüngsten Kurs der Munizipalität eine entschiedene Absage erteilt und sich wieder dem Wachsamkeitsausschuß voll zur Verfügung gestellt — am 24. Juli namens dieses Ausschusses mit Berufung auf Reubell mitzuteilen hatten, entsprach genau den Zusagen, die Kalckreuth d'Oyre gemacht hatte. Die Aufforderung, sich in eine Liste der Abzugswilligen einzutragen, entsprach ebenfalls seinem Wunsch.134 Das gleiche gilt für die Wiedergabe der Ausführungen d'Oyres durch die noch anwesenden Administrationsmitglieder am 24. Juli; für alle, die nicht schon ihren Platz in den Kolonnen der Armee gefunden hatten, wurde der 25. Juli früh 5 Uhr am Münstertor als Termin und Sammelpunkt für den Abzug unter preußischem Schutz mitgeteilt. Die bis zum 24. Juli zusammengestellte Liste der Abzugswilligen umfaßte 84 Personen, denen die Ausführungen d'Oyres im besonderen bekannt gemacht werden sollten.135 Es ist also eine von der Konterrevolution in die Welt gesetzte und von der bürgerlichen Geschichtsschreibung gern unbesehen kolportierte Lüge, wonach der Sieger im Hinblick auf die rheinisch-deutschen Republikaner keinerlei Verpflichtungen eingegangen wäre. Es war einfach nicht so, daß es den Franzosen überlassen blieb, die einheimischen Jakobiner hinauszuschmuggeln; ebensowenig überließen es die Franzosen den Klubisten, insgeheim zu entwischen; und schließlich ist auch die Behauptung unrichtig, daß den meisten Abzugswilligen „ihr Vertrauen auf die Zusicherungen der Franzosen zum Verhängnis" wurde, denn es handelte sich nicht um französische, sondern eindeutig um preußische Zusicherungen, die von Kalckreuth mit Berufungen auf Entscheidungen des Königs schriftlich gegeben worden waren.136 Nicht französischer Verrat und auch nicht französische Gleichgültigkeit gegenüber den rheinisch-deutschen Jakobinern kennzeichneten das Ende der Mainzer Republik; ebensowenig waren es deren Kopflosigkeit und Verzweiflung. Wie immer in Bewährungssituationen gab es natürlich auch hier Versager. Nach dem Zeugnis Lehnes waren einige nur darauf aus, Geld zusammenzuraffen, und manche hatten nur ihre persönliche Sicherheit im Auge. Die Masse gehörte jedoch nicht dazu: „Viele aber, zu edel und zu mutvoll, um an etwas anderes zu denken, etwas anderes zu fürchten als die Gefahr ihres Vaterlandes, harrten auf die Ankunft Hofmanns, um ihr Schicksal zu erfahren."137 Von den Konventskommissären zurückgekehrt, berichtete er von dem Zusatzabkommen mit den Preußen, das auf einen Geiselaustausch hinauslief. Obwohl er selbst als Sekretär des Kriegsrates eingeschrieben war und mit der Garnison abziehen konnte, erklärte er seine Bereitschaft, das Schicksal der anderen zu teilen, wenn sie es für vorteilhafter hielten. Nach einer langen und teilweise auch heftigen Diskussion beschlossen die zahlreich Anwesenden mehrheitlich, daß Hofmann unverzüglich mit der Armee abreisen möge, und versahen ihn obendrein noch mit einer

134 135

136

137

Ebenda, S. 654. Ebenda, S. 6 5 4 - 6 5 7 . Laut^as, Festung Mainz, S. 7 6 ; Hansen II, S. 8 8 7 ; Dumont, Ende der Mainzer R e p u b l i k , S. 176. M R II, S. 658.

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Darstellung

förmlichen schriftlichen Bevollmächtigung. 138 Man vertraute zu Recht auf den Eifer und die Gesinnungstreue des Präsidenten der Allgemeinen Administration, der auch auf französischem Boden nicht aufhören würde, für die Mainzer Republik und ihre Republikaner einzutreten.139 Exmaire Macke dagegen und seine Anhänger in der Munizipalität, die durch opportunistisches Gehabe in letzter Stunde die alten Gewalten zu beeindrucken hofften, waren bereits am 25. Juli verhaftet und wanderten samt und sonders auf die Festung Königstein. 140 138 139

110

Ebenda, S. 658 f. Seine lautere Gesinnung, verbunden mit berechtigtem Selbstbewußtsein, sprach bereits aus dem Abschiedsbrief, den er nach der Einschließung von Mainz noch am 21. 4. an seine Frau nach Winkel gelangen ließ: „Klagen kann und darf ich aber nicht über mein Schicksal ; denn ich bin alles geworden, was ein Mensch vom ersten Stand werden kann und kein Kurfürst von Mainz noch war, und bleib ich bei der Belagerung, so habe ich doch schon so viel in der Welt getan und um die Menschheit mir das Verdienst gesammelt, daß ich ein großes Volk frei zu machen mit allen meinen Kräften mich bestrebt habe; und sollte es der gegenwärtigen Generation auch nicht gelingen, ihre Freiheit zu behaupten, so werden sich es Deine und meine Kinder doch erinnern und mit dem deutschen freien Volke mein Grab besuchen und mein Andenken segnen." Haasis, Morgenröte, S. 74. MR II, S. 653 f.

X. Ausblick

Mit der Kapitulation der Festung Mainz und dem Abzug der französischen Besatzungstruppen endete die Geschichte der Mainzer Republik. So wie die französische Präsenz in Gestalt ihrer siegreichen Revolutionstruppen die Conditio sine qua non für ihre Entstehung gewesen war, so setzte die französische Kapitulation vor der preußischen Belagerungsarmee ihr ein unvermeidliches Ende. Den Träumen von einer Kompromißlösung, wie sie der rheinisch-deutsche Revolutionär Loewer noch am Tage vor der Unterzeichnung der Kapitulation zu Papier brachte, glaubte er schon selbst nicht mehr, als er sie eben niedergeschrieben hatte. 1 Der Sturz der Feudalität zwischen Bingen und Landau war nur in innigster Verbundenheit mit dem revolutionären Frankreich zu erreichen; ein militärischer Sieg der konterrevolutionären Interventen hatte notwendig die Wiedereinsetzung der feudalen Herrschaften in ihre alten Machtpositionen zur Folge. Mit der Festung Mainz war das letzte Bollwerk eines bürgerlich-demokratischen Staatswesens gefallen, das ein gutes Vierteljahr zuvor bereits sein ganzes Hinterland eingebüßt und selbst nicht die Zeit gehabt hatte, um als solches voll auszureifen. Das verleiht den Anstrengungen der auf den engen Raum einer Festung zusammengedrängten rheinisch-deutschen Jakobiner, den revolutionären Dekreten des Mainzer Nationalkonvents Geltung zu verschaffen, keinen geringeren Wert — im Gegenteil. Sie zeugten erstens von einer hohen revolutionären Moral; aber es war nicht dieser ideelle Wert allein, der zählte. So lange noch eine Chance auf Entsatz bestand, war die Mainzer Republik auch noch nicht verloren, leisteten die in Mainz wirksamen revolutionären Machtorgane Schützenhilfe für die Verteidigung nicht nur dieser Stadt, sondern der Mainzer Republik, die in der Allgemeinen Administration als ihrem Exekutivorgan bis zum Ende präsent blieb. Nach dem Urteil des späteren Marschall Soult wäre Custine in den sechs Wochen, die der Feind auf der Stelle trat, durchaus in der Lage gewesen, über 60000 Mann bei den Weißenburger Linien zusammenzuführen, indem er die Rheinarmee durch Verstärkungen aus dem Oberelsaß auf 36000 Mann gebracht und an ihren linken Flügel die ihm ebenfalls unterstellte Moselarmee mit 25000 Mann herangezogen hätte. Gut geführt, hätten diese vereinten Kräfte das nicht sehr starke preußische Korps unter Hohenlohe, die 10000 Österreicher Wurmsers und das 5000 Mann zählende Emigrantenkorps unter Conde zurückschlagen, die Pfalz zurückgewinnen und Mainz entsetzen können, das ihm noch 22000 Verteidiger zugeführt hätte. Statt dessen — so Soult — hatte Custine keine anderen Sorgen, als durch das Land zu reisen, einige Heerschauen abzunehmen und sich bei den Soldaten beliebt zu machen, oftmals selbst auf Kosten der Offiziere, auf die er seine eigenen Unvorsichtigkeiten und die der Administration zurückführte.2 1 2

Vgl. S. 272. Soult, Memoires, S. 26ff.

278

Darstellung

Als die Aussichten auf Entsatz schwanden und die Belagerer mit ihrem schweren Geschütz bereits die Stadt erreichten, ergab sich zwangsläufig die Frage, ob man einer günstigen Kapitulation den Vorzug vor einer Verteidigung bis zum letzten Mann geben sollte, die zweifellos den Belagerern sehr viel mehr Opfer als den Verteidigern abgefordert hätte. Der Zeitpunkt, zu dem der Kriegsrat die ersten Fühler ausstreckte, um über eine mögliche Kapitulation zu deliberieren, war für die Franzosen durchaus günstig; ihre Lage war keinesfalls verzweifelt, und sie konnten bei unzureichendem Entgegenkommen durchaus glaubwürdig mit dem Abbruch der Verhandlungen drohen. Die haarsträubenden Geschichten, die Merlin im August dem Pariser Konvent auftischte, waren aus der Notwendigkeit geboren, sich gegen den tödlichen Vorwurf zu wehren, daß bei der Kapitulation von Mainz Verrat im Spiel gewesen sei. Am 28. Juli hatte der Konvent unter dem Eindruck dieses Vorwurfs beschlossen, d'Oyré und alle Offiziere seines Stabes zu verhaften und von den Konventskommissären Reubell und Merlin eine Erklärung für die Übergabe zu verlangen. Merlin behauptete am 4. August vor dem Konvent, daß die Festung höchstens noch drei Tage zu halten war, aber dann auf Gnade oder Ungnade hätte übergeben werden müssen. Er beschuldigte Custine, die Festung nicht ausreichend verproviantiert zu haben; es gab Korn, aber kein Mehl, eine Katze kostete 6 Livres und das Pfund Fleisch eines krepierten Pferdes 40 Sous — nur war es nicht zu haben. Die Mehrheit beschloß — übrigens gegen die Stimmen Robespierres, Couthons und Carnots —, den Haftbefehl gegen die Stabsoffiziere aufzuheben. Und dennoch war der Verdacht keineswegs ausgeräumt, so daß Merlin und Reubell am 15. und 17. August erneut vor Klub und Konvent dazu Stellung nehmen mußten. Merlin erklärte dem Konvent am 17. August, daß er eine Militärkommission verlange, die über sie alle urteile: „Und wenn man mir nachweist, daß es in Mainz einen Platz von der Größe eines Hutes gab, auf dem sich ein Mann eine Stunde lang in Sicherheit befinden konnte, dann werde ich gern meinen Kopf aufs Schaffott legen." 3 Merlin hatte viele Freunde im Konvent, und seine leidenschaftliche Art überzeugte schließlich. Wenn diese seine Schilderungen auch der Dichtung sehr viel näher als der Wahrheit standen, hatte er in der entscheidenden Frage durchaus recht: Es war eine zur rechten Zeit abgeschlossene und darum günstige Kapitulation. Die 22000 Mann starke Mainzer Armee verließ unter Mitnahme ihrer Waffen und des Gepäcks in voller Ordnung die Festung unter der üblichen Bedingung, innerhalb eines Jahres nicht gegen die verbündeten Mächte zu kämpfen. Das brauchte sie in der Tat auch nicht, denn ihr Einsatzgebiet wurde die Vendée, wo sie Wesentliches leistete, um die todgefährliche schwärende Wunde auszubrennen. „Kein Land, das sich im Zustand der Revolution und im Krieg mit dem Ausland befindet, kann eine Vendée innerhalb des Landes dulden."4 Günstige Bedingungen wurden von französischer Seite auch im Hinblick auf die rheinisch-deutschen Jakobiner erreicht, die nach geltendem Völkerrecht keinen Anspruch auf Berücksichtigung in einer zwischen zwei Armeen abgeschlossenen Kapitulation erheben konnten. Der anfänglich mangelnden Bereitschaft auf preußischer Seite, der französischen Forderung in irgendeiner Form Rechnung zu tragen und den rheinisch-deutschen Jakobinern, die es wünschten, den Abzug zu ermöglichen, stellte d'Oyré die ultimative Erklärung entgegen : „Die Verweigerung meines ihretwegen getanen Begehrens würde

3 4

Merlin, Merlin de Thionville, S. 161, 169; Hörnern, Reubell, S. 67 f. Engels, Revolution und Konterrevolution, S. 82.

X. Ausblick

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es der Mainzer Besatzung zur Pflicht machen, ihre Gegenwehr bis aufs alleräußerste zu verlängern." 5 Nichts war den Preußen unangenehmer als eine solche Aussicht. Der erzielte Kompromiß war keine „vage Geheimabrede, deren Realisierung davon abhing, inwieweit er den zuständigen Militärs bekannt bzw. von ihnen beachtet wurde." 6 Es gab schriftlich fixierte klare Abmachungen zwischen den zuständigen Militärs beider Seiten, deren Pflicht und Schuldigkeit darin bestand, mit den ihnen zur Verfügung stehenden ausreichenden Mitteln die Einhaltung dieser Abmachungen zu gewährleisten.7 Die Verletzung der Abmachungen durch die Preußen begann mit der Nichterfüllung der in Punkt X der Kapitulation eingegangenen Verpflichtung, vor dem gänzlichen Abzüge der französischen Besatzung keinem Mainzer Emigrierten oder Exportierten die Rückkehr in die Stadt zu erlauben. Mit dem konterrevolutionären Mob aus allen Schichten kam am 24. Juli auch Albini in die Stadt, der zuvor am selben Tage aus Höchst geschrieben hatte: „Ich vermisse hauptsächlich in der Kapitulation unsere Geiseln. Wenn diese nicht loskommen, so sind wir wegen der Klubisten in großer Verlegenheit. Enfin, es wird sich alles zeigen." 8 Zunächst und vor allem zeigte sich, daß der konterrevolutionäre Terror wie überall und immer alles in den Schatten stellte, was sich die Revolutionäre an Gewalttaten herausgenommen hatten : „Ungeachtet der Kapitulationsbedingungen, ohne daß man obrigkeitlicherseits die geringste Mißbilligung an den Tag legte, wurden Schuldige und Unschuldige am hellen Tage beraubt, geplündert, mit Füßen getreten, im Kote herumgeschleift, in die Kerker verschleppt", so urteilte Rebmann auf der Basis umfangreicher Untersuchungen schon 1799.9 Das Ancien régime bewies bei seiner Rückkehr, daß es nichts, aber auch gar nichts gelernt und nichts vergessen hatte. Die in Aschaffenburg am 25. Juli unterzeichnete kurfürstliche Verordnung, die alle revolutionären Verlautbarungen und Einrichtungen außer Kraft setzte, die alte Ordnung in toto wiederherstellte und darum den Untertanen „auch nur die mindeste Eigenmacht" verbot, wurde erst am 29. Juli publiziert; das Intelligenzblatt brachte sie sogar noch später, nämlich am 31. Juli. 10 Genau das gleiche gilt für die von den beiden preußischen Generälen als Gouverneur und Kommandant der Stadt und Festung Mainz am 26. Juli im Namen des Königs gegebene Verordnung, die jede Ruhestörung — von welcher Seite auch immer — unter Strafe stellte.11 Mindestens fünf Tage lang hatte man also seitens der Obrigkeit den konterrevolutionären Mob wüten lassen, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Daß ihm kriminelles Gesindel zulief, dem es total gleichgültig war, ob das Opfer zu Recht oder zu Unrecht als Jakobiner verketzert wurde, weil einzig Raub und Plünderung lockten, war nur natürlich und gab diesem von obrigkeitswegen geduldeten Terror noch eine besonders infame Note. Was sich in Mainz nach Kapitulation und Abzug der französischen Besatzung abspielte, war für andere Gebiete des einstigen rheinisch-deutschen Freistaates ganz und gar nicht neu; nur brauchten hier keine zuvor eingegangene Verbindlichkeiten mit Füßen getreten zu werden. Mit dem Einzug der preußischen und österreichischen 5 6 7 8 9 10 11

d'Oyré, Rechenschaft, Beilage 11, Punkt 4, S. XIV. Dumont, Ende der Mainzer Republik, S. 176. Vgl. S. 274. Bockenheimer, Belagerung, S. 55f. Wrasky, Rebmann, S. 116. MI Nr. 55 vom 31. 7. 1793, S. 231. Ebenda, S. 231 f.

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Truppen in das Gebiet zwischen Bingen und Landau seit Ende März wechselte zunächst nur die Besatzungsmacht, die in ihren Forderungen der Zivilbevölkerung gegenüber an Nachsicht die vertriebene französische ganz gewiß nicht übertraf; im Gegenteil. Sie kamen nicht als Befreier, und sie bewegten sich auch nicht als solche. Aber sie beteiligten sich fleißig an den Klubistenjagden, um ungestraft Übergriffe und Ausschreitungen begehen zu können, die bis zu Plünderungen ganzer Dörfer reichten. Von einem Zusammenwirken des Militärs, fürstlicher Beamter und einheimischer Bürger bei der Verfolgung rheinisch-deutscher Revolutionäre wird man nicht eigentlich sprechen können; 12 es war vielmehr eine sich ständig wandelnde Komplizenschaft, in der jeder Beteiligte sein eigenes Süppchen kochte. Natürlich konnte die anfangs geübte Lynchjustiz nicht ewig währen; die Notwendigkeit der Erhaltung der Manneszucht bei der Truppe und der Anspruch der wiedereingesetzten feudalen Obrigkeiten auf ausschließliche Machtausübung vertrugen sich auf die Dauer damit nicht. Aber die mehr oder weniger systematisch betriebenen Untersuchungen der zu Hunderten Eingekerkerten brachten den Betroffenen auch kaum irgendwelche Erleichterungen. Pfarrer Turin beispielsweise, der im Mai auf Königstein die drei gefangenen geistlichen Klubisten Arensberger, Arand und Blau zu Protokoll vernehmen sollte, traf dort auf 300 Gefangene: „Diese Freiheits- und Gleichheitsritter lagen wie die Heringe zusammengepackt." 13 Zwei Wochen dauerte die Vernehmung durch Turin, der Papier beschrieb, aber nichts bewegte. Die Haftbedingungen — ob auf dem Königstein, dem Ehrenbreitstein, dem Petersberg bei Erfurt oder in den kleinen Türmen und Löchern von Mainz, Worms und anderswo — entsprachen den bei der Gefangennahme praktizierten Methoden. Die ganze Hätz muß hier im einzelnen nicht mehr dargestellt werden ; es genügt die Kenntnisnahme des allgemeinen Tatbestandes, den Laukhard 1795 folgendermaßen beschrieb : „Die winzigen Monarchen in der Pfalz — den einzigen Fürsten von Nassau-Weilburg ausgenommen —, die Fürsten von Leiningen, von Usingen, der Bischof von Speyer, die Beamten des Kurfürsten von Mainz, die Rheingrafen von Grehweiler und Grumbach und noch viele solcher Sultane jenseits des Rheins machten nun unter dem Schutz der Preußen Jagd auf Klubisten, verfolgten und bedrängten sie bis aufs Blut." 14 Die Hätz begann Anfang April 1793, erreichte ihren Höhepunkt nach dem Fall von Mainz und endete für manche erst nach Jahren. Es genügt nicht, von einer Überreaktion der zurückgekehrten Feudalgewalten auf die voraufgegangenen revolutionären Bemühungen zu sprechen, die vor allem im Bereich des ideellen und staatlichen Überbaus handgreifliche Ergebnisse erzielt hatten. Hier artikulierte sich das totale Unvermögen einer herrschenden Klasse, auch nur einen einzigen Schritt nach vorn zu denken oder gar zu machen. Als Auskunftsmittel blieb ihr ganz allein die Repression, die darum auch mit so brutaler Härte gehandhabt wurde, daß selbst getreue Diener des Ancien régime sie zu spüren bekamen, wenn sie sich nur im geringsten verdächtig gemacht hatten. Der geistliche Rat Valentin Schumann beispielsweise — Kopf des Mainzer Generalvikariats, das sich Anfang 1793 zu einem konterrevolutionären Zentrum entwickelt hatte und darum auch unmittelbar vor den Februarwahlen über den Rhein exportiert worden war —15 wurde wegen seines Anteils an den sehr begrenzten Anpassungsversuchen, die der Clerus secundarius im 12 13 14

15

Dumont, Mainzer Republik, S. 463. Gottron, Tagebuch Turins, S. 160. Schnabel, Magister Laukhard, S. 318.

Vgl. obenS. 153f., 182.

X. Ausblick

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November 1792 geäußert hatte und die sogleich auf heftige jacobinische Kritik gestoßen waren, 16 nicht nur seines Amtes entsetzt, sondern buchstäblich jahrelang verhört. Ebenso ging es dem kurmainzischen Gefällverweser Erasmus Lennig, der am 31. Oktober 1792 den von Metternich schon am nächsten Tage aufs schärfste zurückgewiesenen Versuch unternommen hatte, den Klub von seinen revolutionären Zielsetzungen abzulenken; 17 er gehörte zu den 16 Geiseln, die Ende März von Mainz ins Innere von Frankreich geschafft wurden, 18 kehrte erst im Herbst 1794 zurück, aber geriet sofort in die immer noch mahlenden Untersuchungsmühlen mit dem Ergebnis, daß er nach Königstein strafversetzt und ihm die Auszahlung des rückständigen Gehaltes aus der Zeit seiner Geiselnahme verweigert wurde. 19 Angesichts solcher Erscheinungen versteht es sich von selbst, daß Mackes und seiner ihm ergebenen Munizipalitätskollegen Vorstellung, daß sie dank irgendwann gemachter fürstlicher Zusagen und ihrer zuletzt zur Schau gestellten Sorge für die kurfürstlichen Untertanen in der Stadt noch einmal ungeschoren davonkommen ^würden, sich ganz schnell als Illusion erwies. 20 Der Vorsteher des Handelsstandes, Daniel Dumont, war die große Ausnahme von der Regel. Offensichtlich hatte er es glänzend verstanden, nach seiner Exportation vom 23. Februar die führenden Repräsentanten des Ancien régime von seiner Zuverlässigkeit zu überzeugen, denn Albini selbst empfahl ihn Anfang April dem preußischen Hauptquartier als vertrauenswürdigen und sachkundigen Denunzianten für die beginnende Jakobinerverfolgung. Dumont tat mehr, denn er profilierte sich sowohl als konterrevolutionärer Flugschriftenautor als auch als fleißiger Agent seiner Auftraggeber, der schließlich nicht unwesentlich dazu beitrug, daß die maßgebenden Leute zur Stelle waren, als die Hätz gegen die Klubisten in Mainz selbst begann. 21 Das Angebot der siegreichen Konterrevolution, die angeblich gute alte Zeit ohne jeden Abstrich wiederherzustellen, taugte ebensowenig wie ihre Mittel, um all das, was in der Mainzer Republik Gestalt gewonnen hatte, ungeschehen zu machen. „Die Partei der Franzosen ist um so zahlreicher, weil es gefährlich ist, sich öffentlich dazu zu bekennen", hieß es im 3. Heft einer von Girtanner 1794 geschriebenen und 1795 veröffentlichten umfangreichen Reportage. Eine Anekdote schien ihm, der ganz gewiß nicht zu den Revolutionsfreunden zählte, die Situation hinreichend zu beleuchten : „Kurz nach dem Rückzüge der Franzosen sprach ich ein paar Landsleute, die mir auf der Straße aufstießen. Wie geht es nun, war meine Frage. Jetzo, antworteten sie, geht es wieder gut, seitdem die Franzosen weg sind. Habt ihr etwas von ihnen zu leiden gehabt, fragte ich weiter. Das eben nicht, erwiderten sie; aber überhaupt war ja unter ihnen Handel und Wandel gehemmt, der Arme war unterdrücket und der Reiche allein Herr; jetzo kann doch der Arme auch wieder sein Stück Brot gewinnen und darf seine Stimme hören lassen. — Wenn es verschmitzte Stadtleute gewesen wären, so müßte ich glauben, sie hätten eine Persiflage machen wollen; denn die Sache verhielt sich gerade umgekehrt. 16 17 18 19 30 21

MRI, S. 187 f. Anm. a. Ebenda, S. 8 6 - 1 0 2 . MR II, S. 522. Dumont, Ende der Mainzer Republik, S. 184. Vgl. oben S. 273 f. Bockenheimer, Belagerung, S. 3f., 6, 55f. Ein paar Jahre später allerdings — nämlich 1798 und 1799 — stand Daniel Dumonts Unterschrift unter Mainzer Reunionsadressen, die beide Bezug auf die entsprechende Bitte des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents von 1793 nahmen. 1799 und 1800 ist er als Mitglied der Mainzer Munizipalität ausgewiesen. Hansen IV, S. 793, 1118, 1177, 1284.

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Diese Leute hatten aller Wahrscheinlichkeit nach von öffentlichen Angelegenheiten vertraut miteinander gesprochen und fürchteten, wie der Geizige bei Molière, belauschet worden zu sein; daher sagten sie dummes Zeug und suchten meine Gesellschaft so bald als möglich loszuwerden; mich überzeugte ihre Verlegenheit, daß sie die Franzosen zurückwünschten !"22 Solche und andere Beobachtungen veranlaßten den Reporter zu der sehr kühnen Verallgemeinerung : „So groß immer die Zahl der Arrestanten gewesen ist, so darf man doch versichert sein, daß sie ungleich größer gewesen sein würde, wenn man alle französisch Gesinnte eingesperrt hätte. Die Zahl der Gefangenen wäre zum Volke angewachsen. Ein Volk aber muß man belehren oder wenigstens anders als durch Fesseln zu halten wissen." 23 Wenn das Wüten der Reaktion die Opfer in den Augen der vielen sogar zu Märtyrern werden ließ und die bösen Erinnerungen daran noch nach Jahrzehnten lebendig blieben, dann war es nicht die Masse des Volkes, die sich wegen angeblicher Unterdrückung und materieller Schädigung an den Jakobinern rächte, sondern es war der konterrevolutionäre Mob, der sich aus allen Schichten rekrutierte und der im Volke selbst nur eine Minorität darstellte. Was nun die Opfer selbst anging, so waren die ihnen gegenüber angewandten Methoden alles andere als geeignet, aus ihnen in der Masse reuige Sünder zu machen. Liebeskind, der Einblick in diese Methoden nehmen konnte, urteilte: „Der Gefangene, der noch kein Demokrat war, mußte es durch eine solche Behandlung werden." 24 Selbst eine so schillernde Gestalt wie Georg Wilhelm Böhmer, der immer zu Extremen neigte und auch als Gefangener einmal die weitestgehende Bereitschaft zum Abschwören bekundet hatte, wurde wieder gleichsam in Reih und Glied geprügelt. 25 Unter den gegebenen Haftbedingungen waren solche Schwankungen ebenso selbstverständlich wie die massenhaften Schutzbehauptungen, mit deren Hilfe man den eigenen Anteil am revolutionären Geschehen zu leugnen oder wenigstens so klein wie möglich darzustellen versuchte. Nicht jeder ist zum Bekenner geboren, aber es ist im übrigen auch für den Revolutionär nicht nur grundsätzlich legitim, sondern gegebenenfalls auch moralisch geboten, der siegreichen Konterrevolution die Wahrheit vorzuenthalten, wenn sie nämlich andere belastet. Der extrem nationalistische Schreiber, der — einige wenige Entgleisungen ausgenommen — insgesamt die Behandlung der verfolgten Jakobiner als „redlich verdient" bezeichnet,26 bestätigte durch seine Empörung recht eindrucksvoll, wie die führenden Köpfe unter den rheinisch-deutschen Revolutionären, die in die Hände der Reaktion gefallen waren, ihren Grundsätzen die Treue hielten: „Wie wenig sich ihre Gesinnung in der bis 1795 dauernden Gefangenschaft geändert hatte, beweist der Schriftverkehr der 27 Geiseln, die sich auf dem Petersberg bei Erfurt befanden, mit der kurfürstlichen Regierung bzw. (dem) kurfürstlichen Koadjutor. Aus den Schreiben dieser Unentwegten spricht Anmaßung und Frechheit."27 Natürlich hatte ihnen die Hoffnung darauf, daß Paris nicht untätig bleiben und alles unternehmen würde, um sie aus ihrer Lage zu befreien, den Rücken gestärkt. Und diese Hoffnung war in der Tat nicht unbegründet. Denn ein großer Teil der rheinisch22

23 21 25 26 27

Girtanner,

Franzosen am Rheinstrom, 3. Heft, S. lOf.

Ebenda, S. 66.

Liebes kind, Rückerinnerungen, S. 81. Vgl. S. 75 f. Schreiber, Französische Ausweisungspolitik, S. 102. Ebenda, S. 102 Anm. 44.

X. Ausblick

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deutschen Jakobiner, denen 1793 die Flucht gelungen war, befand sich in Paris, hatte dort die « Société des patriotes Mayençais » mit Hofmann als Präsidenten gegründet und stand nach wie vor in engem Kontakt mit den einstigen Mainzer Konventskommissären Merlin und Reubell. 28 Keiner von ihnen hatte ihre in Gefangenschaft geratenen Mitstreiter abgeschrieben und vergessen, im Gegenteil. Die öffentliche und private Korrespondenz Merlins bestätigt dessen fortgesetztes Bemühen um den Geiselaustausch,29 der schließlich im Februar 1795 auch den auf dem Petersberg bei Erfurt Eingekerkerten die Freiheit brachte. In Basel erfolgte die Übergabe, und von dort ging es weiter nach Paris, wo die Befreiten die Mainzer Kolonie verstärkten.30 Anders als Forster, den es mit Macht nach Paris gezogen hatte, weil er im Zentrum des Weltgeschehens sein eigentliches Wirkungsfeld zu finden hoffte, empfanden die meisten rheinisch-deutschen Emigranten ihren Pariser Aufenthalt als ein vorübergehendes Exil, dessen Ende jedoch nur denkbar war durch eine Wiedereroberung des linken Rheinufers. Ihr politischer Einsatz zielte darum auch vorrangig in diese Richtung. 31 Er erfolgte unter anderem in Gestalt von Geheimaufträgen, die das Außenministerium an Mainzer Patrioten vergab und die vornehmlich den Rhein und die feindlichen Aktivitäten rechts von ihm ins Visier nahmen. Beachtlich war der publizistische Einsatz, der zum einen — ausgesprochen und unausgesprochen — maßgebliche französische Politiker zum Adressaten hatte und die Notwendigkeit der Rheingrenze verfocht; 32 zum anderen zielte er aber auch direkt auf die linksrheinische Bevölkerung, insbesondere nach der mit Reubells Unterstützung erfolgten Gründung des „Pariser Zuschauers", einer deutschsprachigen Zeitung, die von Dorsch, Nimis, Blau und Böhmer herausgegeben wurde und seit dem Januar 1796 erschien.33 Das Direktorium war fester Abonnent von 3000 Exemplaren, die in den inzwischen wiedereroberten linksrheinischen Gebieten über die dort eingesetzten Verwaltungen verbreitet wurden. 34 Die Linie, die von der Mainzer Republik mit ihrem Anschlußersuchen zur cisrhenanischen Bewegung führte, die dann 1797 einsetzte, war also eindeutig und ungebrochen. Die Mainzer Jakobiner begriffen sich wie 1792/93 auch jetzt noch als Patrioten, wobei dieser von ihnen gehandhabte Begriff klar antifeudal und republikanisch orientiert war und auch so verstanden wurde, weil es nämlich einen auch nur mäßig entwickelten, geschweige denn einen ausgereiften nationalstaatlichen Patriotismusbegriff einfach noch nicht gab und auch nicht geben konnte. Die Lostrennung des Linksrheinischen vom deutschen Reiche und seine Vereinigung mit Frankreich waren in dieser Zeit nicht nur vorstellbar, sondern wurden von den beiden deutschen Großmächten sogar in die Tat umgesetzt, wobei die größere Einheit — eben das Deutsche Reich — immer mehr zum Beutegut der beiden Großen herabsank. Natürlich ist mit einer solchen Feststellung, daß es noch keinen nationalstaatlichen Patriotismusbegriff gab, auch die Anerkennung des Tatbestandes verbunden, daß weder 1792/93 noch gegen Ende der 90er Jahre ein praktisches Revolutionskonzept der rheinisch-deutschen Jakobiner existierte, das sich auf ganz Deutschland bezogen hätte. 28 29 30 31 32 33

Hansen III, S. 554. Bamberger, Französelei, S. 169. Hansen III, S. 75 Anm. 1, 522 Anm. 2. Vgl. dazu die dem vorliegenden Band beigefügte Spezialstudie Mainzer Jakobiner 1794— 1797, S. 499 ff. Hansen III, S. 5 8 5 - 5 9 1 . Ebenda, S. 554 Anm. 1; vgl. dazu auch Molitor, Deutsche Publizistik, S. 413ff. Ebenda, S. 701 Anm. 4.

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Selbstverständlich gab es zwischen der Sicht auf die Dinge, wie sie sich den rheinischdeutschen Revolutionären 1792/93 bot, und den Perspektiven, die sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre eröffneten, gravierende Unterschiede. Der junge Johann Alois Becker erlebte sie schmerzhaft. Er zählte gerade 25 Jahre, als er mit seinen Leidensgenossen vom Petersberg im Februar 1795 in die Freiheit entlassen wurde. Nach zwei Monaten Aufenthalt in Paris schrieb er: „Mit Ideen, wie sie das Unglück und die Einsamkeit in den besseren Menschen schaffen, kam ich aus meinem Kerker in die Republik. Bei meinem ersten Eintritt empörte mich die Wirklichkeit, aber hier konnte ich mich lange Zeit gar nicht aus meinem Erstaunen erholen. Trotz meiner vielen Erfahrungen mußte ich von neuem anfangen, die Menschen kennenzulernen. Es war noch nicht in dem Kreise meiner Erfahrungen, daß in einer Republik die Menschen so schlecht als in der unbeschränktesten Monarchie sein können." Becker half sich damals noch aus der tiefen Enttäuschung mit der nicht weniger illusionären Vorstellung heraus, daß es einfach nur mehr Zeit brauchte, um sich der Idealvorstellung zu nähern: „Es fiel mir ein, daß die Natur keine Sprünge macht, daß folglich die weiland Franzosen in einem Zeitraum von fünf Jahren keine Republikaner — was wir so beiläufig unter diesem Worte verstehen — sein könnten."35 Allmählich jedoch gewann er einen Blick für die Realitäten der bürgerlichen Existenz. Wieder einige Monate später schrieb er: „Meinen Aufenthalt in Paris habe ich teuer bezahlen müssen, wenn Du es nämlich, wie Du mußt, für einen beträchtlichen Verlust zählst, den Glauben an die Moralität der Menschen im allgemeinen und an die Güte vieler anderer Dinge ... zu verlieren. Indessen ist die Summe des Gewinns auch beträchtlich, nämlich in einer Welt, worin Du lebst, nicht allein als Träumender mit ganz irrigen Begriffen der Dinge, die Dich umgeben, umherzugehen, sondern den eigentlichen Wert der Dinge zu kennen ... Unsere ehemaligen Ideale waren zu hoch, weit zu hoch, aber ganz schlecht ist auch die Wirklichkeit nicht." 36 Was Becker 1795 in Paris kennenlernte, war der Thermidor, der Bourgeois an der Macht, der den Citoyen aus allen Machtstellungen verdrängte, die beginnende Preisgabe der „heroischen Selbsttäuschung", 37 mit der Befreiung von feudaler Unterdrückung und Ausbeutung die Befreiung der Menschheit von jeder Unterdrückung und Ausbeutung bewirken zu können. Es ist verständlich, daß der Verlust der heroischen Illusion einen Menschen tief treffen mußte, der für die Revolution glühte, sehr jung war und die letzten anderthalb Jahre nicht nur vom revolutionären Geschehen, sondern vom Leben selbst total abgeschnitten verbracht hatte. Geradezu bewundernswert erscheint es, daß dieser Mensch, der die revolutionäre Entwicklung nie im Zentrum des Weltgeschehens, sondern immer nur an seinem Rande mitgetragen hatte, dann doch nicht nur den Verlust beklagte, als er mit der Wirklichkeit des Thermidors konfrontiert wurde; denn er ver* gaß darüber nicht den tatsächlichen Gewinn, den die Revolution trotz allem gebracht hatte: Die Freisetzung des bürgerlichen Eigentums und die Gleichheit aller vor dem Gesetz waren Errungenschaften, die als Zielsetzungen weder von den Jakobinern in Paris noch von denen in Mainz jemals in Frage gestellt worden waren. Sie konnten darum als Errungenschaften von den rheinisch-deutschen Revolutionären auch nach 1794 erkannt und gewürdigt werden. Womöglich fiel es ihnen sogar leichter als den Parisern, die in den Jahren 1793/94 bereits die Schattenseiten der sich frei entwickelnden kapitalistischen Wirtschaftsweise kennengelernt hatten und gezwungen worden waren, 35 36 37

Dumont, Wandlungen eines Revolutionärs, S. 84 f. Ebenda, S. 86. Marx, Der achtzehnte Brumaire, S. 116.

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um ihrer Massenbasis und einer effektiven Kriegführung willen korrigierend in den Wirtschaftsprozeß einzugreifen. Die rheinisch-deutschen Jakobiner hatten keine solche Erfahrungen aufzuweisen und huldigten darum immer noch einem sozialökonomischen Optimismus, der ein wesentliches Stück der heroischen Illusion ausmachte, die auch das Erlebnis Paris nicht total vernichten konnte. Über die geschichtsbildende Kraft solcher Illusionen gerade in Umbruchszeiten kann es keinen Zweifel geben — auch nicht für die Zeit, da die Revolution in Frankreich zwar ihren Höhepunkt bereits überschritten hatte, aber sich für das wiedereroberte Linksrheinische in vieler Hinsicht erst jetzt das erfüllte,was in sehr viel kleinerem Maßstab der rheinisch-deutsche Freistaat 1792/93 durchzusetzen bemüht gewesen war. Es waren rheinisch-deutsche Republikaner, die nach dem Präliminarfrieden von Leoben im April 1797 die dort noch nicht gelöste Frage der Rheingrenze aufgriffen und unter dem Schirm französischer Waffen in der linksrheinischen Bevölkerung die Trennung vom Reiche propagierten. Dabei war es durchaus von untergeordneter Bedeutung, ob sie wie in Bonn als Ziel eine linksrheinische Republik unter französischem Schutz anvisierten oder wie in Koblenz den Anschluß an Frankreich ansteuerten. Hofmann aus Paris teilte Mitte Juli 1797 den Republikanern am Rhein Reubells Auffassung mit, daß für die bevorstehenden Friedensverhandlungen die Entwicklung eines « mouvement quelconque » von Nutzen und darum anzustreben wäre.38 Am Mittelrhein knüpften die Republikaner selbstverständlich an die Vorleistungen unmittelbar an, die der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent mit der Gründung der Mainzer Republik und dem Anschlußersuchen aufweisen konnte, dem im übrigen der Pariser Konvent am 30. März 1793 ja auch entsprochen hatte. Wichtigster Propagandist am Mittelrhein wurde Matthias Metternich, der seit dem Juli 1797 von Bingen aus — Mainz geriet erst im Dezember wieder in französischen Besitz — seine „Politischen Unterhaltungen am linken Rheinufer" erscheinen ließ.39 So entstand die cisrhenanische Bewegung. Natürlich setzte sie die französische militärische Präsenz im Linksrheinischen voraus, paßte sie sich den militärstrategischen und politischen Interessen Frankreichs an, erhielt sie darum auch am Ende massiven französischen Beistand; aber dennoch mußte sie von rheinisch-deutschen Republikanern getragen werden, um überhaupt Gestalt gewinnen zu können. Es ist die gleiche schon von Jakob Yenedey in die Mainzer Republik hineinprojizierte Mär von dem Bestehen zweier Parteien, einer deutsch und einer französisch gesinnten, die im Hinblick auf die cisrhenanische Bewegung heute noch in der bürgerlichen Historiographie umhergeistert. Dumont z. B. stellt neben die Unterstützung der Annexionspolitik durch Männer wie Böhmer, Dorsch und Hofmann „das gleichzeitige Streben mittel- und niederrheinischer ,Patrioten' nach einer selbständigen ,Cisrhenanischen Republik'," das sich allerdings rasch als illusorisch herausstellte.40 Solch prinzipieller Differenzierungsversuch ist durchaus unbegründet und taugt nicht mehr als der Versuch eines Görres von 1814, seine cisrhenanischen Aktivitäten dem Freiherrn von Stein gegenüber als antiannexionistisch, mithin au fond als antifranzösische Politik zu deuten: es war ein Täuschungsversuch. 41 38 39 40 41

Venedey, Deutsche Republikaner, S. 260 ff. Hansen III, S. 1069 —1072; vgl. auch die Spezialstudie Mainzer Jakobiner 1794—1797, die detaillierte Auskünfte über die cisrhenanische Propaganda und ihre Probleme gibt, S. 499 ff. Dumont, Mainzer Republik, S. 480. Vgl. dazu die dem Band beigegebene Spezialstudie Die Mainzer Republik im Spiegel deutscher Geschichtsschreibung, S. 295 — 335.

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Die von den Cisrhenanen im Frühjahr 1798 durchgeführte Unterschriftsaktion, in der möglichst viele Haushaltsvorstände möglichst vieler Gemeinden mit ihrer Unterschrift dem Verlangen nach einer Vereinigung des Linksrheinischen mit Frankreich nachhaltigen Ausdruck geben sollten, wies durchaus beeindruckende Ergebnisse auf. Wenn man im Linksrheinischen, dessen Reunion betrieben wurde, von einer Gesamteinwohnerzahl von 1300000 mit 260000 Haushaltungen in 3500 Gemeinden ausgeht, dann haben 28% der Gemeinden mit 21% der Stimmen aller Haushaltsvorstände Adressen nach Paris gesandt. Mit Abstand das eindeutig beste Ergebnis erzielte jedoch dabei das spätere Donnersberg-Departement, das das Gebiet des einstigen rheinisch-deutschen Freistaates in sich einschloß. Hier waren es 55% der Gemeinden mit Adressen und 45% aller Haushaltsvorstände, die unterschrieben.42 Die unmittelbare Wirkung der Mainzer Republik auf die ideologische Vorbereitung breitester Kreise zu einer solchen Entscheidung ist hier gleichsam mit Händen zu greifen. Diese Aussage erfährt eine zusätzliche Bestätigung durch den Tatbestand, daß nirgendwo sonst im Linksrheinischen die französischen Militär- und Zivilbehörden bei der Besetzung von lokalen und regionalen Verwaltungen auf eine derartige Menge zuverlässiger Vorkämpfer für die Vereinigung mit dem revolutionärenFrankreich zurückgreifen konnten und auch zurückgriffen wie im späteren Donnersberg-Departement; hier nahm die von der Mainzer Republik ausgehende Traditionslinie leibhaftige Gestalt an. Selbstverständlich war das Frankreich von 1798 nicht mehr das von 1792/93. Trotz retardierender Momente wie des Staatsstreiches vom Fructidor 1797, der die erneut aufkommenden Royalisten aus dem Felde schlug und den Jakobinern wenigstens vorübergehend einen begrenzten Spielraum zurückgab, blieb die Revolution seit dem Thermidor 1794 weiterhin im Abstieg begriffen. Und es ist zweifellos richtig, daß es nicht die Reunionsadressen waren, sondern die Geheimabsprachen mit Österreich in Lunéville, die vorrangig das bourgeoise Frankreich bestimmten, zur Annexion des Linksrheinischen überzugehen. Mit dem Abbau der Demokratie im Innern gingen zunehmende Eroberungstendenzen nach außen parallel. Dennoch blieb Frankreich — und zwar dank seiner Revolution — Repräsentant des gesellschaftlichen Fortschritts, Prototyp eines bürgerlichen Gemeinwesens, mit dem sich zu verbinden bedeutete, an eben diesem durch die Revolution bewirkten bürgerlichen Fortschritt teilzuhaben. Objektiv brachten Okkupation und schließliche Einverleibung durch das bourgeoise Frankreich für das Linksrheinische den unvergleichlichen Vorteil mit sich, „seit 1795 die Französische Revolution und die gesellschaftliche, administrative und legislative Konsolidierung ihrer Resultate unter Napoleon mitgemacht zu haben".43 Subjektiv mußten die einstigen Mainzer Jakobiner als Cisrhenanen schon, aber insbesondere nach dem 18. Brumaire des Napoleon Bonaparte erleben, wie unter der Bourgeoisherrschaft so manche früheren Blütenträume dahinwelkten. Als Cisrhenanen bekämpften sie noch, so gut es eben ging, den zunehmenden Antidemokratismus, indem sie seine Erscheinungsformen im Linksrheinischen wie beispielsweise die schamlose Bereicherungssucht so mancher Beamten oder deren Kooperation mit noch fortbestehenden Überresten des Ancien régime anprangerten. Görres, der sich mit seinem „Roten Blatt" und dann dem „Rübezahl" in diesem Kampf besonders hervortat, verglich die Situation im Linksrheinischen Ende der 90er Jahre mit einem „Amphibionszustande zwischen Untertan und Bürger, zwischen frei und unterjocht."44 42 43 44

Hansen IV, S. 1026. Engels, Reichsverfassungskampagne, S. 115. Görres, Schriften, Bd. 1, S. 466.

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Als einzig möglichen Ausweg aus diesem Zwitterdasein erkannten die Cisrhenanen die vollkommene Vereinigung, mit der das okkupierte Linksrheinische in den uneingeschränkten Genuß der in Frankreich geltenden Gesetze gelangte. Eine solche Vereinigung erfolgte, aber nicht mehr auf der Basis der Verfassung, sondern erst unter dem Konsulat Napoleon Bonapartes 1802, der mit der Einführung des Präfektursystems in Frankreich dem Antidemokratismus der siegreichen Bourgeoisie voll entsprach und die bisher im Linksrheinischen geübte Praxis faktisch zur allgemein französischen erhob. Ganz gewiß hat diese Entwicklung so manchen Jakobiner tief enttäuscht. Der Rückzug aus der Politik, wie ihn nach dem 18. Brumaire ein Mann wie Metternich vollzog, der seit 1792 immer in vorderster Front entschieden und unbeugsam die Sache der Revolution verfochten hatte und jetzt nur noch als Mathematikprofessor tätig war, liefert die Bestätigung solcher gründlichen Enttäuschung; dennoch blieb er die Ausnahme. In der Masse machten die einstigen Mainzer Jakobiner nolens volens alle Wandlungen mit, die Frankreich nach dem Sieg der Revolution bei ihrem Abklingen und in der postrevolutionären Zeit durchlief, denn das substantielle Ergebnis der Revolution, die bürgerliche Gesellschaft, blieb nicht nur unangetastet, sondern wurde konsolidiert. Der Gesinnungswandel war ein gradueller, aber kein prinzipieller. Einen Wandel wahrhaft fundamentaler Art machte dagegen ein Daniel Dumont durch, der sich vom Agenten der feudalen Konterrevolution zum Cisrhenanen mauserte,46 was aber bei diesem Kaufmann auch wieder nicht so erstaunlich war; wie viele andere in seiner Lage begriff er am Ende die unumgängliche Notwendigkeit — und dies ganz gewiß nicht zu seinem persönlichen Nachteil —, sich in die unvermeidlichen gesellschaftlichen Veränderungen zu schicken und sie selbst aktiv zu betreiben. Die Mainzer Republik 1792/93 war der Anfang vom Ende des Ancien régime, mit dem in der sogenannten Franzosenzeit von 1797 bis 1814 unter dem Direktorium, dem Konsulat und Kaisertum dann endgültig Schluß gemacht wurde. Was die Mainzer Republik in viele Köpfe gepflanzt und in allerersten Ansätzen auch realisiert hatte, war durch den vorübergehenden Sieg der Reaktion, die bei ihrer Rückkehr nicht einen einzigen neuen Gedanken mitbrachte, nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Die Franzosenzeit nutzte die von der Mainzer Republik geleistete Vorarbeit, und sie bediente sich vor allem im Donnersberg-Departement auch der gestandenen Vorkämpfer beim Aufbau eines Verwaltungsapparates, der mit beträchtlichem Erfolg sowohl in der Basis auf dem Lande und im gewerblichen Bereich als auch im Überbau — und hier insbesondere im Rechtswesen — für die Durchsetzung bürgerlicher Verhältnisse sorgte. Das einstige junge Klubmitglied Johann Adam Boost schrieb darüber ein Vierteljahrhundert später nicht ohne Stolz: „Nach dieser Einnahme (von Mainz 1793) führte der Zeitgeist seine deutschen Jünger wunderbar; manche in den Kerker, um aus ihnen zu machen, was öfters sie nur schienen; viele an den Seinestrand, um sie dort abzukühlen; manche ließ er bluten, alle mußten leiden, aber nur denen verlieh er seine höhere und geheimere Weihe, die immer und allenthalben seine Prüfungen bestanden."46 Und das waren dann die in den Verwaltungen aller Art und aller Ebenen tätigen einstigen Revolutionäre, die unter französischer Anleitung nach Boost die Rheinländer lehrten, sich zu ernähren und den Feldbau zu verbessern, sich zu wehren und sich zu besteuern, sich zu richten und Urteile zu fällen, sich zu verwalten und sich selbst zu belehren.47

45 46 47

Vgl. S. 281 Anm. 21. Boost, Rheinländer, S. 59. Ebenda, S. 118.

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„Man zeige mir daher ein Land, worin so viele gute Ökonomen aus Erfahrung, so viele Finanzräte ohne Plusmacherei, so viele Richter mit eigenem Urteil, so viele Verwalter, die in jeder Lage sich zu helfen wissen, so viele Soldaten, die ohne Unmut ihre Uniform tragen, sich vorfinden und worin nach lancasterischer Art der Lehrstand selbst als Lernstand erscheinet."48 Solche Lobeshymne hatte natürlich keinen Selbstzweck, sondern wandte sich gegen gefährliche Tendenzen, überall in diesen Dingen eine verderbliche Französelei zu entdecken, die auszurotten war. Die drei deutschen Staaten, unter die auf dem Wiener Kongreß das Linksrheinische aufgeteilt wurde, nämlich Preußen, Bayern und Hessen, hatten zwar entweder als Rheinbundstaaten oder unter französischem Okkupationsdruck einiges zu ihrer Modernisierung getan, was allerdings nicht entfernt an den Stand heranreichte, den das Linksrheinische als Teil Frankreichs erklommen hatte; alle drei waren darum, wenngleich in unterschiedlichem Maße, bestrebt, mit der Französelei am Rhein aufzuräumen und die ihnen zugesprochenen Gebietsteile auf ihr Niveau zu bringen, d. h. zu senken, um eine Einheitlichkeit im Gesamtstaate zu erreichen. Preußen ging dabei in seiner Rheinprovinz am weitesten, wenngleich es sich als unmöglich erwies, die grundlegenden Veränderungen in der Basis einfach wieder zurückzunehmen. Im Departement Donnersberg, dessen nördlicher Zipfel zwischen Bingen und Worms als Rheinhessen hessisch und dessen sehr viel größerer südlicher Teil als Rheinpfalz bayerisch wurde, kapitulierten die Regierungen in Darmstadt und München sehr bald vor dem Widerstand, den die Bevölkerung, die gesamte einheimische Beamtenschaft eingeschlossen, solchen Tendenzen entgegensetzte. Beide versicherten bei der Besitznahme, daß sie die bestehende Ordnung weder institutionell noch personell zu verändern gedachten, und die hier 1816 bzw. 1818 geschaffenen Provinzialvertretungen knüpften auch in der Tat an den Departementsrat der französischen Epoche an. Gewiß verfügten Hessen und Bayern nicht über die Repressionskraft Preußens; andererseits aber war auch in Rheinhessen und der Rheinpfalz die politisch-ideologische Durchdringung der gesamten Bevökerung mit bürgerlichen Wertvorstellungen ungleich stärker. Dafür hatte ganz wesentlich die Mainzer Republik gesorgt, denn ihr war letztlich zu verdanken, daß auch in der napoleonischen Zeit hier mehr als anderswo die gesamte Justiz- und allgemeine Verwaltung nahezu ausschließlich in den Händen deutscher Beamter blieb, die sich als zuverlässige Verfechter der bürgerlichen Ordnung erwiesen. Sie wehrten alle Attacken auf die sogenannten Institutionen ab — ein Begriff, der für sämtliche französische Errungenschaften stand, deren Kernstück eindeutig die moderne, aus der Revolution hervorgegangene Rechtsordnung darstellte. Nach dem Erlaß der hessischen und bayerischen Verfassungen und der Einberufung gesamtstaatlicher Volksvertretungen gingen sie sogar zur Offensive über und plädierten für die Übernahme der im Linksrheinischen geltenden Rechtsordnung durch den Gesamtstaat.49 Nicht zufällig kulminierte die nächste, nun schon ganz Deutschland erfassende Welle der bürgerlichen Oppositionsbewegung im Hambacher Fest 1832 auf rheinpfälzischem Boden. Die Ideen von 1789 waren hier lebendig geblieben. Mehr als irgendeinem anderen Zipfel des Deutschen Bundes brachte die Pariser Julirevolution diese Erinnerung in der Rheinpfalz wieder voll ins Bewußtsein. Nicht zufällig verlegte der Altbayer Wirth seine verlegerische und publizistische Tätigkeit in die Rheinpfalz, wo die besondere Rechtslage die meiste Aussicht auf Erfolg im Kampf um die Freiheit der Presse und 48 49

Ebenda, S. 119. Faber, Rheinische Institutionen, S. 29 ff.

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des nationalen Vereinswesens versprach. Selbst nach Hambach hat die Institution des Geschworenengerichtes es Wirth und Siebenpfeiffer möglich gemacht, das Verfahren gegen sie in eine politische Tribüne zu verwandeln und durch die Geschworenen einen Freispruch zu erreichen, während im rechtsrheinischen Darmstadt noch ein Pfarrer Weidig fast zwei Jahre lang ohne ordentliches Gerichtsverfahren zu Tode gequält werden konnte. Wie die oppositionelle Bewegung der 30er Jahre hatte auch der Vormärz im Linksrheinischen zwischen Bingen und Bergzabern wesentliche Impulse von der Französischen Revolution von 1789 erhalten, vermittelt über eine Kontinuitätslinie von der Mainzer Republik über die cisrhenanische Bewegung, die Franzosenzeit, den Kampf für die Erhaltung der Institutionen bis zum Hambacher Fest. Ein Besuch des Hoffmann von Fallersleben am 5. November 1843 beim damals schon über neunzigjährigen einstigen Präsidenten des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents, Hofmann, im Rheingau gab dem sinnbildhaften Ausdruck. 50 Die Revolution von 1848/49 lieferte dann vornehmlich aus der Rheinpfalz, aber auch aus Rheinhessen vielfältige Beweise für die Fortsetzung dieser Linie. So nahmen z. B. pfälzische Abgeordnete in der Paulskirche den lebhaftesten Anteil an den Debatten über die Grundrechte, die sie als ihre Errungenschaften ein Menschenalter hindurch gegen Gleichschaltungsabsichten verteidigt hatten und nun in ganz Deutschland eingeführt wissen wollten. Der Abgeordnete Schmitt aus Kaiserslautern bekannte: „Wir hegen Sympathien für Frankreich, das leugnen wir nicht. Und warum sollten wir auch nicht? Der Verbindung mit diesem Lande verdanken wir unsere Rechte allein. Wenn man uns aber zu verdächtigen sucht, wenn man uns die Anhänglichkeit an Frankreich zum Verbrechen macht, so tut man uns wahrhaftig großes Unrecht. Wir sind deutsch durch und durch, so gut wie die Einwohner einer Provinz in der Mitte von Deutschland oder an der Ostsee."51 Eine Kontinuitätslinie ist keine Linie, die zwei Punkte auf dem kürzesten Wege verbindet; und die Französische Revolution ist kein Verkehrsunfall, sondern ein epocheprägendes Ereignis, das eine Schlüsselstellung im bürgerlichen Zeitalter besitzt. Beide Feststellungen sind unumgänglich, um angesichts der widersinnigsten Äußerungen zum Problem der revolutionären Traditionen in der bürgerlichen Historiographie — sie häufen sich mit dem Herannahen des Bicentenaire von 1789 — einen klaren Kopf zu behalten. Lenin nannte die Französische Revolution eine Große, denn „für ihre Klasse, für die sie wirkte, für die Bourgeoisie hat sie so viel getan, daß das ganze 19. Jahrhundert, das der gesamten Menschheit Zivilisation und Kultur gebracht hat, im Zeichen der Französischen Revolution verlief". 52 Wer dagegen die Revolution nur als eine Ausnahme von der Regel begreift und die Kategorie Revolution überhaupt als Bewegungselement der Geschichte eliminieren möchte, frönt einem historischen Revisionismus, der von der realen Geschichte abstrahiert, ihr zuwiderläuft und natürlich eine revolutionäre Traditionslinie nicht akzeptieren kann. Mit der ihm eigenen Verschwommenheit formuliert darum Dumont: „Die Verbindung ,von Mainz nach Hambach' erscheint bei näherer Prüfung eher als eine im nachhinein rekonstruierte Tradition und weniger als eine wirkliche historische Kontinuität." 53 Dumont sieht in der Entwicklung von der Mainzer Republik zu Hambach 50 51 52 53

Hoffmann von Fallersleben, Mein Leben, S. 100 f. Baumann, Probleme, S. 246. Lenin, Rede über den Volksbetrug, S. 360. Dumont, Mainz und die französische Revolution, S. 146.

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und darüber hinaus nur Brüche und hat kein Gespür für den dabei ablaufenden einheitlichen historischen Prozeß — eben weil ihm der historische Sinn abgeht. So bringt er es fertig, den Mainzer Nationalkonvent mit der Paulskirche in einen Vergleich zu setzen, bei dem er ohne Rücksicht auf Raum und Zeit Kriterien zugrunde legt, die er aus der sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung seiner BRD bezieht, um dem Konvent „fast jede Nachwirkung" bestreiten zu können.54 Die Kontinuität, von der hier einzig und allein sinnvoll gesprochen werden kann, bezieht sich auf das Wesen des Prozesses, der auf deutschem Boden wie „überall in der Welt nur das durchgesetzt, stückweise verwirklicht und zu Ende geführt (hat), was die großen französischen bürgerlichen Revolutionäre geschaffen hatten, die den Interessen der Bourgeoisie dienten, auch wenn sie sich dessen nicht bewußt waren und das durch die Worte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verschleierten".55 Hauptinhalt dieser Jahrzehnte europäischer Geschichte war der im Prinzip endgültige Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaftsformation, wobei schon auf der Hälfte des Weges der Grundwiderspruch der kapitalistischen Ordnung aufbrach. Auf Deutschland bezogen begann dieser Prozeß mit der begeisterten theoretischen Rezeption der Grundideen von 1789, die mit der erfolgreichen Abwehr der ersten Intervention auf engstem Raum, nämlich zwischen Landau und Bingen, ihre praktische Umsetzung forderten. Die folgenden französischen Siege schlössen das gesamte Linksrheinische in die gesellschaftliche Umwälzung mit ein, die in den anderthalb Jahrzehnten Franzosenzeit so gründliche Wurzeln schlug, daß in Rheinhessen und der Rheinpfalz der Kampf um die Erhaltung der französischen Errungenschaften vornehmlich auf dem Gebiete des Rechts ein ganzes Menschenalter hindurch die Geister erregte; die Rheinprovinz lieferte dank ihrer auf kapitalistischer Basis ausgebildeten mannigfachen Industrie 1848 „nicht nur der preußischen, sondern überhaupt der deutschen Bourgeoisie ihre klassischen Vertreter Camphausen und Hansemann, sie lieferte dem deutschen Proletariat das einzige Organ, in dem es nicht nur der Phrase oder dem guten Willen, sondern seinen wirklichen Interessen nach vertreten war: die ,Neue Rheinische Zeitung'". 56 Zur Kontinuität gehört das Festhalten an bestimmten Grundprinzipien, aber sie ist gleichzeitig unvereinbar mit dem unverrückbaren Beharren auf einem Standpunkt, den einzunehmen unter bestimmten Bedingungen durchaus sinnvoll gewesen sein konnte; zur Kontinuität gehört vielmehr ebenso die Fähigkeit, die neuen Entwicklungsbedingungen und Entwicklungserfordernisse zu berücksichtigen, um die vertretenen Grundprinzipien den sich ständig verändernden Bedingungen schöpferisch anzupassen. Freiheit und Gleichheit waren 1792/93 auf deutschem Boden nur auf engstem Raum und in innigster Verbindung mit dem revolutionären Frankreich zu verwirklichen. 1848/49 hatten diese Grundprinzipien einzig und allein ihre Existenzbedingung in Verbindung mit dem Kampf um einen einheitlichen deutschen Nationalstaat. Die Lebensfähigkeit der 1848/49 verfochtenen Prinzipien hing von solcher Wandlungsfähigkeit ab, die sich hier zugleich mit einem Generationswechsel verband. Es waren die Söhne und Enkel der ersten Klubisten, die es 1848/49 besser auszufechten unternahmen. Personengeschichtliche Untersuchungen, die Baumann im Rheinpfälzischen anstellte, ergaben ein enges Geflecht verwandtschaftlicher Beziehungen der Männer des Vormärz und März zur Generation der „Patrioten": Es ist kaum einer unter ihnen, der nicht sozusagen auf irgendeine Weise mit dem Wasser der Französischen Revolution ge54 55 56

Derselbe, Mainzer Republik, S. 457. Lenin, Rede über den Volksbetrug, S. 360. Engels, Reichsverfassungskampagne, S. 117.

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tauft ist." 57 Da ist der Enkel des Mainzer Klubisten Jakob Schneiderhenn, Franz Heinrich Zitz, der in der Paulskirche auf der äußersten Linken saß, oder der Schwiegersohn des Klubisten Joseph Schlemmer, Philipp Hepp, der 1849 der pfälzischen Revolutionsregierung als Mitglied angehörte, oder der Sohn des Klubisten Johann Alois Becker, August Becker, Angehöriger des radikalen „Demokratischen Vereins", oder der Enkel des ersten Maire von Speyer Karl Ludwig Petersen, Karl Petersen, der 1849 die pfälzische Studentenlegion führte, oder der Sohn des unentwegten Mainzer Klubisten Matthias Metternich, Germain Metternich, der als Oberst in der Reichsverfassungskampagne der siegreichen Konterrevolution bis zum bitteren Ende bewaffneten Widerstand leistete. Die Zahl der Beispiele könnte, wie Baumann sagt, „leicht noch vergrößert werden". Seine Schlußfolgerung lautet, „daß der Einfluß des neuen, des von Frankreich inaugurierten politischen Denkens weit über das Jahr 1814 hinaus reicht, das zunächst nur eine äußere Zäsur darstellt; der Wechsel der Generationen bringt gewiß eine Abwandlung der politischen Auffassungen, aber keineswegs einen Bruch. Mehr als bisher sollte man die pfälzische Entwicklung von der Französischen Revolution bis zur Reichsgründung als eine einheitliche Epoche ansehen, in der die wichtigsten Probleme durchlaufen."58 In der Tat, erst nach 1871 verlor Frankreich seine führende Stellung im Revolutionszyklus des 19. Jahrhunderts, und nirgendwo sonst in Deutschland war dieser Bezug so unmittelbar, ja bis in die Familiengeschichten hinein wirksam wie im Linksrheinischen, das noch im 18. Jahrhundert die erste bürgerliche demokratische Republik auf deutschem Boden hervorbrachte und ein halbes Jahrhundert später der deutschen Bourgeoisie ihre klassischen Vertreter schenkte. Daß hier zugleich dem deutschen Proletariat das erste ihrem Klasseninteresse adäquate Publikationsorgan erwachsen konnte, ist ebenso der Großen Französischen Revolution zu danken, an der das Linksrheinische partizipierte. Es war die heroische Illusion der bürgerlichen Revolution, mit der bürgerlichen zugleich die allgemein menschliche Freiheit und Gleichheit zu erringen, die die Einbeziehung einer breiten Volksbewegung in den Kampf gegen die Feudalität möglich machte. Und umgekehrt: Die Volksbewegung als der große Kraftquell der Revolution mußte das Noch-nicht-Mögliche ansteuern können, um die Grenzen des Möglichen überall zu erreichen, innerhalb deren sich die bürgerliche Gesellschaft voll entfalten konnte. Der Bruch zwischen dem bourgeoisen Hegemon und den avantgardistischen Elementen in der Volksbewegung war unvermeidlich und enttäuschend, aber kam dem Kommenden, dem proletarischen Revolutionsverständnis dann doch zugute. Der Rheinpfälzer Bürstenbinder Johann Philipp Becker, von dem Friedrich Engels sagte, daß er „an den Freiheitskämpfen von drei Generationen ehrenvoll Teil genommen" und „mit jeder Entwicklung der revolutionären Bewegung Schritt zu halten" vermochte,89 verkörpert in seiner Person auf eindrucksvolle Weise den gewaltigen Sprung vom bürgerlichen Revolutionsverständnis zur neueren, höheren Qualität. 1809 in Frankenthal als Schreinermeisterssohn geboren, gab er als Zwanzigjähriger seinem Protest gegen den Königsbesuch in der Rheinpfalz Ausdruck, indem er mit anderen jungen Burschen an der Stelle, wo sein Großvater 1793 einen Freiheitsbaum gepflanzt hatte, die Marseillaise sang.60 1832 gehörte er zu den radikalen Demokraten und Rednern auf 57 58 59 60

Baumann, Kontinuität, S. 14. Ebenda, S. 19. Engels, Becker, S. 323 f. Baumann, Kontinuität, S. 3.

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Datstellung

dem Hambacher Fest. 1848/49 bewährte er sich als hervorragender deutscher Revolutionsgeneral. Die Summe seiner bisherigen Erfahrungen führten ihn zu einem Qualitätssprung: „Es war ihm klar geworden, daß, wenn die Bourgeoisie überall den Kern der reaktionären Parteien bildete, so nur das Proletariat den Kern einer wirklich revolutionären Macht bilden könne. Der Gefühlskommunist wurde bewußter Kommunist." 61 1864 war er Mitbegründer der 1. Arbeiterinternationale und stand noch 1886, in seinem Todesjahr, vollständig auf der Höhe der Bewegung. Die völlig neue Qualität dieses Revolutionsverständnisses verbietet, hier noch von einer Kontinuität zu sprechen. Aber Kontinuität und Diskontinuität als dialektisches Gegensatzpaar bestätigen nur den widerspruchsvollen Verlauf jedes historischen Prozesses. Was bleibt, ist die historische Tradition, nämlich die in unserem Bewußtsein lebendig gebliebenen Überlieferungen, die aus den geschichtlichen Kämpfen erwachsen sind und zu denen wir in ein Verhältnis zu treten haben, um unseren eigenen historischen Ort fixieren und den Weg in die Zukunft markieren zu können. Ein solches Verhältnis kann — abstrakt gesehen — positiv, aber es kann auch negativ sein, denn selbstverständlich gibt es auch reaktionäre Traditionen, von denen es sich energisch abzugrenzen gilt. Der Klassencharakter des Tradierten und die Klassenposition des Tradierenden bestimmen ganz wesentlich das jeweilige Verhältnis zu den historischen Traditionen. Unser Verhältnis zum Mainzer Jakobinismus hat im 19. Jahrhundert Johann Philipp Becker vorgelebt. Im 20. Jahrhundert hat die gebürtige Mainzerin Anna Seghers im mexikanischen Exil in der Monatsschrift „Freies Deutschland — Alemania libre" einen Gedenkartikel für die Mainzer Republik veröffentlicht, den sie programmatisch „Freies Deutschland 1792" überschrieb und der mit einer bemerkenswerten Aufforderung schließt: „Wenn die deutsche Emigration heimfährt, dann würde sie ein nützliches Gepäck mitbringen, wenn sie sich durch mündliche und schriftliche Überlieferung in der Geschichte ihrer speziellen Heimat schulen würde, nicht in der ehemals üblichen reaktionären Lokallegende, sondern in der echten, bis jetzt in Deutschland vernachlässigten progressiven Geschichte der Freien Deutschen."62 Das Vermächtnis der Dichterin ist mit der Vorlage der dreibändigen „Mainzer Republik", an deren Werden sie bis zu ihrem Tode lebhaftenAnteil nahm, nicht nur für ihre spezielle Heimat, sondern auch in ihrer Bedeutung für die deutsche Geschichte erfüllt. 81 62

Engels, Becker, S. 322. Seghers, Freies Deutschland 1792, S. 212.

Spezialstudien

Die Mainzer Republik im Spiegel deutscher Geschichtsschreibung'

Die Mainzer Republik hat in den fast 200 Jahren, die seit ihrer Entstehung und ihrem Ende vergangen sind, die Aufmerksamkeit der Geschichtsschreibung erst in jüngster Zeit auf sich gezogen. Gewiß, die Mainzer Republik, am 18. März 1793 vom Rheinischdeutschen Nationalkonvent im vormaligen Rittersaal des Deutschen Hauses zu Mainz für den linksrheinischen Strich Landes von Landau bis Bingen proklamiert, war eine kurze Episode, auch wenn sie zusammen mit ihrem bedeutsamen Vorspiel, das mit der Einnahme von Mainz durch die französischen Revolutionstruppen am 21. Oktober 1792 begann, und ihrem kürzeren Nachspiel, das mit der Kapitulation der Festung vor den preußisch-österreichischen Belagerern am 23. Juli 1793 endete, immerhin einen Zeitraum von neun Monaten umfaßte. Auch eine neunmonatige Dauer ändert sicher nichts an dem episodischen Charakter. Aber der historische Wert eines Ereignisses und demzufolge auch das historische Interesse an ihm können nicht vorrangig und erst recht nicht ausschließlich von seinem zeitlichen Umfange abhängen, zumal das konkrete Ereignis, die Mainzer Republik, einen Quellenreichtum vor allem publizistischer Art, aber auch behördlicher und privater Provenienz hervorgebracht hat, der seinesgleichen sucht. Nicht im episodischen Charakter und nicht in der Quellenlage ist das vorherrschende Desinteresse der bisherigen Historiographie begründet, die letzte Ursache dafür liegt vielmehr gerade im Exemplarischen, das der Mainzer Republik für den gesellschaftlichen Fortschritt Deutschlands in einer revolutionären Weltwende innewohnte. Unter dem Einfluß der revolutionären Praxis, die mit den französischen Truppen ins Land kam, wurde der Teufelskreis der sich selbst genügenden Theorie durchbrochen, wurde zwischen Landau und Bingen das verhängsnisvolle Vorurteil ausgeräumt, daß der Deutsche für eine politische Revolution nicht tauge, wurde der Nachweis erbracht, daß die Humanitätsideale der Aufklärung und Klassik nur über konkrete, nämlich bürgerlich-politische Freiheiten anzusteuern waren, und zwar um so zuverlässiger, je demokratischer diese errungen wurden. Das Sekuritätsbedürfnis der sehr unheroisch zur Herrschaft gelangten deutschen Bourgeoisie, die selbst in ihren besten Zeiten sich niemals zu ihren wenigen heroischen Repräsentanten uneingeschränkt zu bekennen wagte und in ihrem Kampf gegen die revolutionäre Arbeiterklasse jede Erinnerung an eigene revolutionäre „Jugendtorheiten" zu verschütten suchte, verbot ihren maßgebenden Historikern eine gründliche Auseinandersetzung mit der Mainzer Republik, die höchstens als Randerscheinung der Revolu-

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Bereits gedruckt in: Jahrbuch für Geschichte, Bd. 4, Berlin 1969, S. 9—72; 1. überarbeitete Fassung in: Gert MattenklottjKlaus Scherpe (Hrsg.), Demokratisch-revolutionäre Literatur in Deutschland; Jakobinismus, Kronberg/Ts. 1975, S. 11—60, 2. überarbeitete Fassung.

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Spezialstudie

tionskriege erwähnt werden und keinen Platz im Geschichtsbewußtsein der Massen erhalten durfte. Treitschke und Sybel spucken gleichsam im Vorbeigehen auf die Mainzer Republik 1 , Lamprecht widmet ihr ein gutes Dutzend Zeilen2, Schnabel ist noch sparsamer3, und während in der westdeutschen Geschichtsschreibung nach 1945 Erdmann in Rassows Handbuch darüber einen ganzen Satz schreibt, begnügt sich Braubach in der von Grundmann herausgegebenen 9. Auflage des Gebhardtschen Handbuchs mit zwei Nebensätzen und einer Anmerkung. 4 Immerhin ist das ein Nebensatz mehr als in der 1960 erschienenen 8. Auflage, und die Anmerkung führt sogar unter anderen drei marxistische Titel auf, was Braubach indessen nicht hindert, weiterhin wie in der 8. Auflage die längst widerlegte Legende, diesmal allerdings durch ein hinzugefügtes „anscheinend" abgemildert, von Forsters Zweifeln an der Revolution in seiner Pariser Zeit zu verbreiten. Das Versagen der bürgerlichen Geschichtswissenschaft gegenüber der historischen Wirklichkeit der Mainzer Republik ist eklatant. Im Gegensatz zu späteren Historikern war es allerdings den Zeitgenossen schlechthin unmöglich, vor den umwälzenden Ereignissen im Linksrheinischen die Augen zu schließen. Schon die heillose Flucht des Adels und der hohen Geistlichkeit vor den anrückenden Revolutionstruppen und der Vorstoß Custines ins Rechtsrheinische hatten die Gemüter im höchsten Grade erregt. Die im Mainzer Gebiet dann sich anbahnenden Veränderungen, begleitet von zahlreichen Proklamationen Custines und der publizistischen Wirksamkeit des Klubs vor allem, fanden überall in Deutschland beredte Kommentatoren, ob im privaten Briefwechsel oder in öffentlichen Zeitschriften, in geheimen Gesandtschaftsberichten oder offiziellen Verlautbarungen. Die ersten zusammenfassenden Darstellungen des erregenden Geschehens ließen darum auch nicht allzu lange auf sich warten, aber stammten vor allem aus gegnerischem Lager; denn die Revolutionäre selbst wurden von den Forderungen des Tages absorbiert, und die jakobinisch Gesinnten, die sich außerhalb der Reichweite der französischen Revolutionstruppen zu Propagandisten des Mainzer Beispiels machten, wurden von der Zensur sehr schnell zum Schweigen gebracht. 5 Es fehlte das klassenbewußte Bürgertum, das sich an die Spitze der antifeudalen Kräfte zu stellen bereit war, und dieser Mangel an politischem Selbstbewußtsein äußerte sich dann in der illusionären 1

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Treitschke, Heinrich von, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 1, Leipzig 1879, S. 129 f.; Sybel, Heinrich von, Geschichte der Revolutionszeit 1789 — 1800, wohlfeile Ausgabe, Bd. 3, Stuttgart 1898, S. 50. Lamprecht, Karl, Deutsche Geschichte, Bd. 11, Berlin 1907, S. 152f. Schnabel, Fran%, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 1, Freiburg (Breisgau) 1929 S. 126 f. Deutsche Geschichte im Überblick, hg. unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter von Peter Rassow, Stuttgart 1953, S. 365f.; Gebhardt, Bruno, Handbuch der deutschen Geschichte, hg. von Herbert Grundmann, Bd. 3, 9. neu bearbeitete Aufl., Stuttgart 1970, S. 12. Friedrich Wilhelm von Schütz z. B., der in seinem in Hamburg erscheinenden „Niedersächsischen Merkur" Klubreden von Wedekind veröffentlichte, hatte vergeblich auf die dänische Pressefreiheit spekuliert, indem er als Druckort Altona angab. Selbst eine gewisse Exterritorialität als Sekretär des französischen Gesandten Lehoc in Hamburg gestattete ihm keine Sonderrechte. Auf preußische, hannoveranische und schließlich sogar dänische Intervention hin wurde das Blatt Ende Dezember 1792 verboten. Zwar brachte Schütz umgehend ein anderes Journal unter dem Titel „Neuer Protheus" heraus, das wiederum Klubreden und begeisterte Schilderungen vom Freiheitsfest in Mainz veröffentlichte, aber Mitte Februar 1793 gleichfalls verboten wurde. Vgl. Grab, Demokratische Strömungen, S. 50ff.

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Forderung, daß der politischen Befreiung des Bürgers die menschliche Emanzipation vorauszugehen habe. So dominierte selbst unter den Verteidigern der Französischen Revolution die theoretisch-abstrakte Beschäftigung mit ihren Grundsätzen; vor der praktischen Verwirklichung dieser Prinzipien auf deutschem Boden, wie sie Mainz unternahm, schreckten sie zurück: „Für die Mainzer kann ich mich gar nicht interessieren", schrieb Schiller an Körner; „denn alle ihre Schritte zeugen mehr von einer lächerlichen Sucht, sich zu signalisieren, als von gesunden Grundsätzen, mit denen sich ihr Betragen gegen die Andersdenkenden gar nicht reimt." 6 So erklärt es sich, daß die ersten Geschichten der Mainzer Revolution von ihren Gegnern stammten. Die erste Darstellung, die trotz antirevolutionärer Position einen solchen Namen verdient, weil sie eben nicht wie andere feudalreaktionäre Pamphlete ausschließlich aus Verunglimpfungen besteht, nennt sich ironisch „Mainzim Genüsse der durch die Franzosen errungenen Freiheit und Gleichheit". 7 Die Schrift mißbilligt zwar „die schiefen, lieblosen Urteile" über die frühe Flucht des Adels8, verurteilt die „nichts als Verwirrung und Anarchie" atmenden radikalen Elemente9, beschuldigt Forster, „die Mordfackel über ein Land zu schwingen, worinnen er alles gefunden, was ihm anderswo versagt worden" 10 , diffamiert die von Hofmann, dem späteren Präsidenten des Rheinischdeutschen Nationalkonvents, ausgesprochenen Wahrheiten als „durch die Brille des Illuminatismus" gesehen.11 Aber gleichzeitig finden sich Spuren, die Verständnis für die profranzösischen Neigungen erkennen lassen, den untadeligen Charakterzügen einiger Klubisten gerecht werden und sogar bescheidene Veränderungen der alten Ordnung gutheißen. Das alles wird nicht uneingeschränkt und unumwunden mitgeteilt, sondern im Gegenteil stets durch alle möglichen Vorbehalte gegen Verdächtigungen von extrem reaktionärer Seite abgesichert. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Beurteilung des vom Mainzer Handelsstand dem General Custine eingereichten vermittelnden Konstitutionsvorschlages, der neben den Fürsten eine gewählte Repräsentation stellen, eine Abgabengleichheit einführen und alle unrechtmäßigen Privilegien abschaffen wollte. Die Schrift kritisiert zwar den darin „der französischen Nation gestreuten Weihrauch", aber konzediert dem Autor nicht nur den guten Willen, sondern erklärt darüber hinaus sogar, daß „diese Vorschläge . . . mit Dank anzunehmen gewesen" wären.12 Gewiß wird diese Formulierung sogleich wieder mit einer Verurteilung der Klubisten verbunden, die nämlich die Vorschläge des Handelsstandes als völlig unzureichend energisch bekämpften. Aber bei allen Einschränkungen und dem grundsätzlichen Bekenntnis zur Fürstenherrschaft verrät die Schrift dennoch ein vorsichtiges Interesse an den Veränderungen jenseits des Rheins, das ein Mann wie Schiller nicht aufzubringen vermochte, von den feudalreaktionären Pamphletisten ganz zu schweigen. Nicht zuletzt dieser Vorzug erklärt, warum in Wien die Schrift verboten wurde.13

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Schiller an Körner, 21. 12. 1792, in: Briefwechsel zwischen Schiller und Körner, S. 266. Mairn^ im Genüsse der durch die Franzosen errungenen Freiheit und Gleichheit, oder Leiden der treuen Mainzer Bürger unter dem Joche der Franzosen und Klubisten. Mit einem Anhange aller während dieser Zeit in Mainz herausgekommenen Proklamationen, Deutschland 1793. Ebenda, S. 9. Ebenda, S. 19 f. Ebenda, S. 66. Ebenda, S. 176. Ebenda, S. 18. Klein, Mainzer Revolutionsliteratur. Nr. 2, S. 24.

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Man könnte annehmen, daß die nächste Darstellung, die nach der Kapitulation von 1793 erschien und zum erstenmal den zeitlichen Gesamtverlauf der Mainzer Revolution umfaßte, ein noch tieferes Verständnis für die Ereignisse zeigte. Nicht allein der sachliche Titel spräche dafür 14 ; vor allem ist es die Person des ungenannten Verfassers: Daniel Dumont, Mitglied des Mainzer Handelsstandes und Autor der Custine übergebenen Konstitutionsvorschläge. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Charakter der Schrift rechtfertigt noch nachträglich das tiefe Mißtrauen der Klubisten in die Scheinliberale Initiative der privilegierten Kaufmannschaft. Dumont stand in der ganzen Zeit mit den einst regierenden Kreisen in Verbindung, akzeptierte widerspruchslos die von dort kommende Kritik an seinen Verfassungsvorschlägen und richtete sich fortan ganz nach den Anweisungen, die ihm insbesondere der Mainzer Domherr Graf Stadion aus Würzburg erteilte.15 Seine Agententätigkeit, die innerhalb der Stadtmauern mit seiner Ausweisung am 23. Februar 1793 endete, setzte er seit dem April im Hauptquartier der Belagerer fort. Vom Mainzer Staatskanzler Albini dorthin empfohlen, hatte er den speziellen Auftrag, Klubisten aufzuspüren.16 Die genannte Darstellung, die übrigens in ihren Korrekturbogen Albini vorgelegen hatte17, ist eine Frucht dieser, Beschäftigung und sieht entsprechend aus. Kein Wort fällt über seine von der Obrigkeit nicht sanktionierten Konstitutionsvorschläge, dafür wird gegen Franzosen und insbesondere ihre deutschen Anhänger der Vorwurf des Terrorismus bis zum Überdruß erhoben. In Anlage und Ton weniger offiziös und gestelzt, sondern wendiger und auch scheinbar unabhängiger, tatsächlich jedoch eine eben solche Auftragsarbeit wie die von Dumont, war die „Geschichte der französischen Eroberungen am Rheinstrome".18 Der anonyme Verfasser war Peter Adolf Winkopp, den Forster schon im Januar 1792 einen „verdorbenen Schriftsteller und Taugenichts" genannt hatte.19 Der einstige aufgeklärte Publizist und leidenschaftliche Verteidiger der verfolgten bayerischen Illuminaten war zum Renegaten und Mainzer Hof kammerassessor geworden. Als Staatsbeamter kreuzigte er, was er gestern noch angebetet hatte, brandmarkte führende Klubisten als Illuminaten und holte seinen Stoff vornehmlich aus den konterrevolutionären Pamphleten, von denen er als geübter Publizist die in volkstümlichem Ton gehaltenen und mit Skandalgeschichten ausstaffierten um ihrer großen Breitenwirkung willen besonders schätzte. Die Reihe der im Auftrag oder von Anhängern der kurfürstlichen Partei verfaßten selbständigen Geschichten der Mainzer Revolution endet mit zwei voluminösen Darstellungen, die aus der Feder von Universitätsangehörigen stammen und den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben. Die ältere Schrift ist die „Darstellung der Mainzer Revolution" von Anton Hoffmann, seit 1791 Assessor der juristischen Fakultät, der allerdings seinen Namen noch nicht auf das Titelblatt setzte.20 Die Arbeit erschien zuDie Belagerung der Stadt Mainz durch die Franzosen im Jahre 1792 und ihre Wiedereroberung durch die deutschen Truppen im Jahre 1793, Mainz 1793. 15 Jäger, Dumont, S. 23 ff. 16 Bockenheimer, Belagerung, S. 3f. « Ebenda, S. 6, 45 Anm. 1. 18 Geschichte der Jran^ösischen Eroberungen am Rheinstrome, vorzüglich in Hinsicht auf die Stadt Mainz, mit 16 Beilagen, Teil 1, Frankfurt (Main) 1794. 19 Forster an Voß, 21. 1. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 11 (Druckmsc.). 20 Darstellung der Mainzer Revolution oder umständliche und Jreimütige Erzählung aller Vorfallenheiten, so sich seit dem entstandenen französischen Revolutionskrieg zugetragen und die einen Bezug auf den Krieg, auf die Übergabe der Festung oder auf den Klub und dessen 14

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nächst in 2wölf Heften, von denen die ersten acht schon im November 1793 gedruckt vorlagen. 21 Das Wertvollste sind die hundert Beilagen, die ein knappes Drittel des Gesamtumfanges ausmachen, aber keineswegs in der Masse aus besonders schwer zugänglichen Stücken bestehen. Nicht also der Wert der Dokumente, sondern ihre reaktionäre Interpretation durch Hoffmann hat der „Darstellung" bei späteren bürgerlichen Historikern ihren vorzüglichen Platz als zeitgenössische Quelle gesichert. Was Hoffmann weiterhin aus eigenem zuzufügen wußte, sind feindselige Beobachtungen vor allem aus dem Leben des Klubs, den er offensichtlich als Zuhörer fleißig frequentiert hatte, und der revolutionären Sache abträgliche Gerüchte, denen er durch die Mitteilung von Details den Anschein gesicherter Wahrheiten zu geben bemüht war. Der andere Angehörige der Mainzer Universität, der mit einer Geschichte der Mainzer Republik hervortrat, war Bernhard Sebastian Nau, seit 1791 Professor der Kameralwissenschaften und noch 1792 von dem revolutionsfreundlichen Publizisten Johann Nikolaus Becker als „aufgeklärter Kopf" gerühmt. 22 Seine aufklärerische Neigung vertrug sich zwar mit entschieden antirevolutionären Grundsätzen, bewahrte ihn aber vor dem engstirnigen Haß seines Kollegen Hoffmann. Nau arbeitete nicht mit unbewiesenen und unbeweisbaren Nachrichten, sondern war immer bemüht, seine Aussagen durch Dokumente zu belegen, die dann auch den größeren Teil seiner Darstellung ausmachen. Er schrieb nicht eigendich die Geschichte der Mainzer Republik, sondern eine fünfbändige „Geschichte der Deutschen in Frankreich und der Franzosen in Deutschland", die er von der Vorbereitung des Interventionskrieges bis zum Ende des Jahres 1793 führte und wovon lediglich der vierte Band den Mainzer Ereignissen gewidmet ist.23 Die Einbettung der Mainzer Revolution in den größeren geschichtlichen Zusammenhang hat gewiß nicht zu ihrer gerechteren Beurteilung geführt, aber doch dazu beigetragen, die Froschperspektive anderer Darstellungen zu überwinden, die in selbsüchtiger Intrige, schwarzem Undank und ähnlichen Kategorien die Ursachen der Geschehnisse suchten. Nau verurteilt die Folgen der Revolution, ohne zu leugnen, daß sie selbst eine notwendige Folge der französischen Zustände war. Er bestreitet die Notwendigkeit einer Revolution für Deutschland, die er ohnehin als „in den Rat der göttlichen, nicht der menschlichen Weisheit" gehörig betrachtete, „weil diese die Folgen davon nicht zu berechnen vermag". 24 Daraus resultiert seine Verurteilung der Mainzer Republik, wobei er aber auch die konterrevolutionäre Interventionspolitik, die die Kräfte Frankreichs nur potenziert habe, mit leisem Vorwurf bedenkt. Mit den vielen aufgeklärten Deutschen teilt Nau das falsche Bewußtsein, das die Welt auf den Kopf stellt und die erstrebten Folgen zu Voraussetzungen der politischen Freiheit macht. Naus abgewogenere Haltung war zweifellos auch schon durch den weiteren Verlauf der politischen Ereignisse mitbestimmt, die im April 1795 zum Separatfrieden von Basel führten. Die Reihe zeitgenössischer Historiker, die aus gegnerischer Sicht die Mainzer Republik

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grausames Verfahren gegen die anders Gesinnte haben, mit den nötigen Beilagen, Heft 1—2, o. O. 1793; Heft 3 - 8 , Frankfurt ( M a i n ) - L e i p z i g 1793; Heft 9 - 1 2 , Frankfurt ( M a i n ) Leipzig 1794. Klein, Mainzer Revolutionsliteratur, Nr. 3, S. 39. Becker, Über Mainz, S. 47. Nau, Bernhard Sebastian, Geschichte der Deutschen in Fankreich und der Franzosen in Deutschland und den angrenzenden Ländern, Bd. 1 und 2, Frankfurt (Main) 1794; Bd. 3 und 4, 1795; Bd. 5, 1796. Ebenda, Bd. 1, S. 4.

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betrachteten, kann mit Christoph Girtanner abgeschlossen werden, dem Schweizer, Arzt, der schließlich in Göttingen heimisch wurde und hier die Französische Revolution mit seinen viele Bände füllenden „Historischen Nachrichten und politischen Betrachtungen" begleitete.25 Girtanner bietet keine geschlossene Darstellung der Mainzer Revolution, sondern stellt sie in den chronologischen Gesamtverlauf der revolutionären und kriegerischen Ereignisse jener Jahre; auf diese Weise ist von ihr in den Bänden IX, X und XII immer wieder die Rede. Bei seinem reaktionären Unverständnis gegenüber der Revolution überhaupt hat allerdings die Berücksichtigung der größeren Zusammenhänge dem Bilde der Mainzer Revolution keine lichteren Seiten abgewinnen können. Zwar hat er in seinen „Politischen Annalen" den klugen, wenn auch antirevolutionären Aufsatz „Custine am Rheinstrome" abgedruckt26, dessen unbekannter Verfasser immerhin soviel aus den linksrheinischen Ereignissen gelernt hatte, daß er den deutschen Fürsten die Aufhebung feudaler Lasten, eine Repräsentation der Kleinstaaten anriet — zu eigen hat Girtanner sich solche Gedanken, die einer gerechteren Beurteilung der Klubisten zugute gekommen wären, nicht gemacht. Wohl kennt er die Mainzer republikanische Presse und zitiert sie ausgiebig, um Fakten zu belegen, aber die Farben zu seinem Bilde holt er sich aus reaktionären Töpfen wie der „Darstellung" von Hoffmann, die er „die beste Schrift über die sogenannte Mainzer Revolution" nennt.27 Die Jakobinische Partei hat diesem Geschichtsbild nichts entgegengestellt, was sich an Geschlossenheit, Materialfülle und vor allem publizistischer Wirksamkeit mit ihm messen konnte. Solange der Kampf andauerte, blieb dafür keine Zeit. Nach der Niederlage schmachteten viele, die die Feder zu führen verstanden, jahrelang in den Kerkern der Reaktion. Andere, die nach Frankreich entwichen waren, suchten ein Auskommen in Verbindung mit dem lebendigen revolutionären Geschehen, das dem Schreiber weder die Muße noch das Publikum für historische Betrachtungen eines Ereignisses am Rande der großen Auseinandersetzung lieferte. Die deutsche Konterrevolution konzentrierte ihr Feuer auf die Mainzer Republik, denn sie bekämpfte in ihr den inneren Feind schlechthin. Die Verteidigung der Mainzer Revolutionäre dagegen war für die Französische Republik nur eine bescheidene Ehrenpflicht, die der Konvent auf Anregung Robespierres am 13. April 1793 auch ausdrücklich bestätigte, aber kein lebensnotwendiges Interesse. Angesichts der bedrohlichen Situation an den Grenzen war vielmehr gegenüber allen Nichtfranzosen im Lande größtes Mißtrauen geboten.28 Das änderte sich erst wieder mit den militärischen Erfolgen, die Frankreich erneut in den Besitz des linken Rheinufers brachten und in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre die Rheingrenze zu einem greifbaren außenpolitischen Ziel werden ließen. Jetzt waren Anknüpfungsmöglichkeiten an die heroische Episode der Mainzer Republik gegeben, und sie wurden auch genutzt. Doch hatte sich einiges Grundsätzliche geändert. Die von den progressiven 25

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Girtanner, Christoph, Historische Nachrichten und politische Betrachtungen über die französische Revolution, 17 Bde., Berlin 1791 — 1803. — Girtanner, der 1800 starb, erhielt seinen Fortsetzer in Friedrich Buchholz, der die letzten vier Bände herausbrachte. Politische Annalen, hg. von Christoph Girtanner, Bd. 1, Berlin 1793, S. 4 1 2 - 4 3 5 , 5 0 5 - 5 2 5 ; Bd. 2, 1793, S. 2 0 1 - 2 0 8 , 2 9 5 - 3 1 0 , 3 8 3 - 3 9 4 , 4 9 1 - 5 0 7 . Der von Ende Dezember 1792 bis Februar 1793 in Fortsetzungen geschriebene Aufsatz, der vorzugsweise die politischen Absichten der Franzosen untersucht und die Bestrebungen der deutschen Republikaner nur am Rande erwähnt, ist mit vielen, oft wesentlichen Veränderungen von Girtanner auch als selbständige Schrift herausgegeben worden : Die Franzosen am Rheinstrome. Girtanner, Historische Nachrichten, Bd. 9, S. 391 Anm. a. Mathiez, La Révolution et les Étrangers, S. 130ff.

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Kräften im Linksrheinischen angestrebte Verbindung mit Frankreich war nicht mehr das Bündnis mit einer aufsteigenden Revolution wie 1791/1793. Seit dem 9. Thermidor 1794 lag die Macht in den Händen der Großbourgeoisie, die die Revolution zu beenden trachtete und darum ihre demokratischen Errungenschaften systematisch abbaute. Sie verleugnete ihre revolutionäre Herkunft noch nicht prinzipiell, verkörperte auch weiterhin gegenüber der inneren und äußeren Eeudalreaktion den gesellschaftlichen Fortschritt, aber ihr bourgeoiser Antidemokratismus trübte schon sowohl ihr Verhältnis zur eigenen Revolution wie das zur linksrheinischen Bevölkerung, die sie in den republikanischen Staatsverband einzuverleiben entschlossen war. Gewiß verlief dieser Prozeß unter den Wechselfällen des Krieges nicht absolut geradlinig, sondern gestattete manchmal auch wieder ein vorübergehendes Mehr an Demokratie, im ganzen gesehen aber verstärkten sich die antidemokratischen und annexionistischen Tendenzen. Unter diesen Bedingungen war eine unbefangene historische Rückerinnerung an die Klubistenzeit schon nicht mehr möglich. Wenn Georg Wedekind z. B., einst führendes Mitglied im Mainzer Klub, im Oktober 1794 eine Schrift über das Jakobinerwesen veröffentlichte29, so ging es ihm vorrangig darum, im Sinne des 9. Thermidors die mit der Klubbildung angeblich verbundenen Gefahren hervorzuheben. Die ebenfalls getroffene Feststellung, daß die Klubs zu Beginn der Revolution notwendig gewesen wären, sicherte im Hinblick auf die bevorstehende Schließung mehr die eigene Vergangenheit ab, als daß sie als Basis für ihre vorbehaltlose Würdigung hätte dienen können. Im Ergebnis all dieser widrigen Umstände bleibt das von den zeitgenössischen Revolutionsfreunden gezeichnete Bild der Mainzer Republik entweder außerordentlich fragmentarisch oder, sofern sie in ihrem Gesamtverlauf gesehen wird, sehr blaß. Die früheste und weitaus beste historische Würdigung bietet die von Georg Forster im Spätsommer 1793 begonnene „Darstellung der Revolution in Mainz". Ihre Vorzüge dankt sie ebenso der herausragenden intellektuellen und schriftstellerischen Qualität des Autors wie dem Umstände, daß sie noch in der aufsteigenden Phase der Revolution abgefaßt wurde. Leider blieb sie nicht nur ein Fragment, das schon bei den ersten Aktivitäten des Klubs abbrach; sehr viel bedauerlicher war es, daß die Mitwelt sie nicht zur Kenntnis nehmen konnte, da sie erst ein halbes Jahrhundert später in den von der Tochter herausgegebenen „Sämtlichen Schriften" veröffentlicht wurde. 30 Auf das zeitgenössische Bild der Mainzer Republik hat Forsters Schrift also keinen Einfluß ausgeübt, obwohl gerade dies sein erklärtes Ziel war. Forster arbeitete daran unter ungünstigsten äußeren Bedingungen. In diplomatischer Mission des Außenministeriums war er nach Flandern gereist, um dort mit den Engländern Verhandlungen anzuknüpfen, die nur schwer zustande kommen wollten und am Ende auch keinerlei Resultate brachten. Die erzwungene Untätigkeit gab ihm Muße zur Arbeit an seiner „Darstellung", die er in Arras begann und dort im wesentlichen auch bis zu dem Punkte führte, wo sie endgültig abbrach. Was er jedoch schmerzlich vermißte und worüber er in Briefen an seine Frau Therese klagte, war Material jeder Art. Er hatte keine eigenen Aufzeichnungen, kein einziges Druckerzeugnis der Mainzer Zeit, keinen

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Wedekind, Georg, Bemerkungen und Fragen über das Jakobinerwesen, Straßburg, den 20. Vendémiaire im 3. Jahre der Republik. Forster, Georg, Darstellung der Revolution in Mainz, in : Georg Forster sämtliche Schriften, hg. von dessen Tochter und begleitet mit einer Charakteristik Forsters von G. G. Gervinus in neun Bänden, Bd. 6, Leipzig 1843, S. 352—412.

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Spezialstüdie

Menschen, den er konsultieren konnte, nur sein eigenes Gedächtnis stand ihm zur Verfügung. 31 Forster wählte die Briefform als ein Kunstmittel, das ihm besonders geeignet erschien, dem Leser die geschilderten Ereignisse zu vergegenwärtigen. Von den ursprünglich geplanten sechzehn Briefen sind nahezu vier ausgeführt. Die ersten drei Briefe, datiert vom 1. August, 23. September und .14. Oktober 1792, geben die Vorgeschichte und weisen der mainzischen Revolution den Punkt an, „wo sie", wie Forster sagt, „freilich als ein unendlich Kleines, in den allgemeinen Zusammenhang der politischen Schicksale Europens eintritt". 32 Der nicht mehr vollendete 4. Brief, vom 7. November datiert, behandelt die Einnahme von Mainz und Frankfurt und die Klubgründung, also den allerersten Beginn der Revolution. Es ist durchaus verständlich, daß Forster dabei als Historiker im nachhinein bestimmte Maßnahmen und Erscheinungen kritisiert, die er als aktiver Politiker noch nicht so gesehen oder gar verteidigt hatte. Erstaunlich jedoch mutet zunächst sein den Mainzer Jakobinern gemachter Vorwurf der Voreiligkeit an, den er doppelt begründet: Erstens entspräche Deutschland physischen, sittlichen und politischen Verhältnissen eine langsame, stufenweise Vervollkommnung und kein jakobinischer Rigorismus, zum anderen wäre die Revolution in Mainz militärisch nicht gesichert, so daß möglicherweise die Einwohner am Quell der Freiheit ihre Lippen netzen, nicht aber ihren Durst löschen könnten. Gewiß sprechen aus solchem Urteil nachträgliche Enttäuschung und vielleicht auch Rücksichten auf die deutsche Zensur; doch ist damit nicht alles erklärt. Im Prinzip hatte Forster nämlich schon als aktiver Klubist die Uberzeugung vertreten, daß Deutschland zu keiner Revolution reif wäre. Das Linksrheinische nahm er nur davon aus, weil die Anwesenheit der französischen Revolutionstruppen gründlich veränderte Bedingungen geschaffen hatte. Die Rheingrenze, deren Anerkennung er sowohl von der Französischen Republik wie vom Reiche forderte, sollte einerseits die revolutionären Errungenschaften auf dem linken Ufer vor der Konterrevolution und andererseits das übrige Deutschland vor einer vorzeitigen Revolution bewahren.33 Als dann aber die Revolutionstruppen den mit ihrer Hilfe konstituierten rheinischdeutschen Freistaat nicht zu schützen vermochten, verlor das Linksrheinische seine Ausnahmestellung. Mit dem Selbstvorwurf der Voreiligkeit verurteilt Forster die Mainzer Revolution jedoch keineswegs zur Bedeutungslosigkeit, im Gegenteil. Er bejaht sie klar und eindringlich als Fanal einer für alle Völker und insbesondere auch für das deutsche Volk kommenden Zeit, in der die 1789 in Frankreich verkündeten Menschenrechte die Grundlage des Zusammenlebens bilden würden. Die als voreilig kritisierten Mainzer Jakobiner sind, von einer höheren Warte aus betrachtet, zugleich Vorläufer, und als solchen gebührt ihnen uneingeschränkte Anerkennung. Mit dieser weitsichtigen historischen Erkenntnis bricht Forsters Darstellung ab. Alle anderen Arbeiten, die man im weitesten Sinne zur zeitgenössischen prorevolutionären Historiographie rechnen kann, stammen aus der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, und diese Entstehungszeit ist nicht ohne Einfluß auf den Inhalt der Arbeiten geblieben. Thematisch bewegen sie sich entweder in der Vorgeschichte oder behandeln vornehmlich Folgeerscheinungen, sparen also das eigentliche Kernstück weitgehend aus. Zur Vorgeschichte lieferte Rudolf Eickemeyer kräftige Farben mit seiner „Denkschrift über die

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Forster an seine Frau, 30. 9. 1793, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 226 (Druckmsc.). Forster, Darstellung, S. 2 1 8 . V g l . dazu Scheel, Deutscher Jakobinismus, S. 6 ff.

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Einnahme der Festung Mainz". 34 Der ehemalige mainzische Festungsbaumeister hatte nach der Einnahme der Stadt dem geflohenen Kurfürsten seine Dienste aufgekündigt und sich Custine zur Verfügung gestellt, der ihn zum Obersten beförderte und zum Generaladjutanten ernannte. Wenn auch aus einem militärischen Blickwinkel gesehen, führte die Betrachtung doch zu einer Wertung der bestehenden alten Ordnung insgesamt, der Eickemeyer das Todesurteil sprach: „Die Hoffnung, meine Mitbürger frei von Adels- und Priesterdruck zu sehen und hierzu beizutragen, entschied mich für die Kriegsdienste der Republik", erklärte er in der vom 5. März 1796 datierten Vorrede. 35 Wie bei der Behandlung der Vorgeschichte in Eickemeyers Denkschrift steht die Kritik an Erscheinungen der Feudalordnung auch im Mittelpunkt solcher Darstellungen, die sich mit Nachwirkungen der republikanischen Niederlage, insbesondere mit dem späteren Schicksal der Mainzer Jakobiner beschäftigen. Das gilt z. B. für die „Darstellung des Betragens der sogenannten Aristokraten und Patrioten in Mainz", die 1798 erschien.36 Ausführlich und mit äußerster Schärfe prangert sie den feudalen Terror nach dem Fall von Mainz an und die jahrelange, durch keinen Rechtsspruch begründete Einkerkerung vieler Republikaner. Ein nur knappes, aber dafür uneingeschränktes Lob wird den Männern ausgesprochen, die in der republikanischen Zeit öffentliche Ämter versahen, also Obrigkeiten darstellten; sie hätten in der Zusammenarbeit mit der Militärgewalt ihre Unabhängigkeit zu wahren gewußt, obwohl damals noch keine feste Konstitution jeder Gewalt ihre bestimmten Grenzen anwies. Den Klub dagegen läßt der anonyme Verfasser durch Mitglieder repräsentieren, die vom Geist des Weins beseelt sind, schlechte Verse deklamieren, im Banditenkostüm auftreten oder einfach schlafen. Mit solchen Diffamierungen wurde hier im kleinen wie von der herrschenden französischen Bourgeoisie im großen die revolutionär-demokratische Tradition entstellt und verleugnet. Die Tonart ähnelt ganz der liberalen deutschen Kritik, die, um ihre Revolutionsfeindschaft zu demonstrieren, sich in der Beschimpfung der revolutionär-demokratischen Aktivitäten von der extremen Reaktion kaum übertreffen ließ. Als Beispiel kann der anonyme Verfasser des 1795 geschriebenen, aber erst 1800 veröffentlichten Artikels „Über die Revolution am Rheine" stehen, der in des liberalen August von Hennings „Annalen" erschien.37 Allerdings empörten ihn die viehischen Brutalitäten des reaktionären Terrors doch so sehr, daß er seiner Charakterisierung über die Hälfte des Artikels widmete, wobei die klubistischen Opfer wieder beträchtlich an menschlicher Größe gewannen. Eine andere Schrift, die Georg Friedrich Rebmann, damals Richter am Zivilgericht im neugebildeten linksrheinischen Departement Donnersberg, zum Verfasser hat und deren Vorrede vom 26. Mai 1799 datiert ist, behandelt ebenfalls die Verfolgung der Mainzer Patrioten.38 Rebmann stammte aus dem rechtsrheinischen Deutschland und 34

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Denkschrift über die Einnahme der Festung Main^ durch die fränkischen Truppen im Jahre 1792, aufgesetzt von Rudolf Eickemeyer, ehemals kurfürstlich-mainzischen Ingenieur-Obristlieutenant, dermalen französischer Brigade-General, hg. und mit einigen Anmerkungen versehen von F. C. Laukhard, Hamburg 1798. Ebenda, S. 8. Darstellung des Betragens der sogenannten Aristokraten und Patrioten in Mainz seit 1792 in Hinsicht auf die gegenwärtige Lage, Mainz, mit Witwe Wailandtschen Schriften, im 6. Jahre der Republik. Über die Revolution am Rheine, 1795, in: Annalen der leidenden Menschheit in zwanglosen Heften, o. O. 1800, Heft 8, S. 1 - 9 5 . Die Deutschen in MainBeiträge zur Geschichte der Parteisucht unserer Tage, aus gerichtlichen Akten gezogen von G. F. Rebmann, Mitglied des Zivilgerichts des Departements vom Donnersberg und einstmaligen Kommissär des Vollziehungs-Direktoriums, Mainz (1799).

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Spezialstudie

hatte hier in ständigem Kampf mit der Zensur und in vielen Verkleidungen als demokratischer Publizist mutig für den Fortschritt gestritten. Nirgends wurde seine Aktivität lange geduldet, und vor dem drohenden polizeilichen Zugriff im mainzischen Erfurt konnte er sich 1795 schließlich nur noch durch die Flucht nach Frankreich retten. Dabei hatte ihn die Kritik an den deutschen Zuständen keineswegs zum kritiklosen Bewunderer der großbourgeoisen französischen Republik gemacht; er wurde vielmehr zum ersten deutschen Kritiker des Thermidors. Sein revolutionärer Demokratismus reagierte äußerst feinfühlig auf den zunehmenden Abbau demokratischer Errungenschaften, dem nach außen das Anwachsen bourgeoiser Eroberungstendenzen entsprach. Aus diesem Grunde hatte er zunächst auch die von der cisrhenanischen Bewegung in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre propagierte Anschlußbestrebung abgelehnt. Er fand harte Worte gegen ihre Befürworter, weil sie den Deutschen rechts des Rheins nicht Kraft und Willen zu revolutionären Veränderungen zutrauten.39 Als er sich dann nach dem Frieden von Campoformio schließlich doch den politischen Gegebenheiten beugen mußte, tat er es ohne Kotau vor den französischen Machthabern und mit demonstrativer Berufung auf den Volkswillen: „Und so werde ich Franke, nicht weil ich Custinen gehöfelt habe oder weil ich auf Freiheit, die von anderen geschenkt wird, viel Wert lege, sondern weil das Volk am linken Rheinufer doch wochenlang eine Art von Stellvertretern gehabt und sich selbst mit Frankreich vereinigt hat."40 Um die eigene Nationalität gegenüber Tendenzen des großbourgeoisen Annexionismus zu schützen, empfahl sich die Betonung der eigenen historischen Leistungen, ohne deren Mängel zu verschweigen. Rebmanns Schrift „Die Deutschen in Mainz" dokumentiert darum die Opferbereitschaft und die Opfer der Patrioten, verteidigt sie, gestützt auf die Kenntnis der voluminösen Untersuchungsakten der kurfürstlichen Behörden, gegen den ungerechtfertigten Vorwurf der Veruntreuung von Staatsgeldern und der Plünderung von Häusern Ausgewanderter bzw. Ausgewiesener und weist umgekehrt nach, wie zumindest mit behördlicher Duldung die Klubisten nach der Kapitulation geplündert, mißhandelt, in unmenschlicher Gefangenschaft gehalten und ihre beschlagnahmten Vermögen veruntreut wurden. Er lobt ihre Verwaltungsarbeit und stimmt auch nicht mit ein in die mit der offiziellen Politik korrespondierende pauschale Verurteilung der Klubtätigkeit: „Der Klub war an sich nichts anders als eine Versammlung, worin die Bürger mit der neuen Verfassung bekanntgemacht werden und Vorschläge zu guten Einrichtungen nach dem neuen durch die Waffen der Sieger eingeführten Systeme gemacht und geprüft werden sollten; und zugleich gab der Sieger nicht undeutlich zu erkennen, daß er diejenigen für gute Bürger halten würde, welche diesen Klub besuchten. Vernünftig wäre es also sogar gewesen, wenn alle guten Bürger sich darin eingefunden und durch ihre Talente und ihre Mäßigung die Szenen zu verhindern gesucht hätten, die in einer Gesellschaft ohne Auswahl natürlich waren, wo Strudelköpfe und blinde Eiferer bald die Oberhand erhalten mußten, sobald die rechtlichen Leute sie schalten ließen. Was also Unrechtmäßiges oder Übereiltes während der damaligen Besetzung von Mainz geschehen ist, kommt allein auf die verkehrten Grundsätze und Maßregeln der alten Regierung .. ." 41 Die zeitgenössischen fortschrittlichen Kräfte haben es schwer gehabt, dem von der Feudalreaktion aufgerichteten Zerrbilde eine echte Würdigung der Mainzer Revolution entgegenzustellen. Forsters Darstellung blieb Fragment und unveröffentlicht, und alle 39 40 41

Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 366ff. Die Geißel, hg. von Georg Friedrich Rebmann, 2. Jg., Paris 1798, Heft 4, S. 72f. Die Deutschen in Mainz, S. 31 ff.

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anderen ohnehin nicht zahlreichen Beiträge und Versuche standen unter dem Druck der großbourgeoisen Jakobinerfeindschaft. Angesichts der Ungunst der Bedingungen ist das, was Rebmann zur historischen Ehrenrettung der Mainzer Patrioten geleistet hat, um so höher zu bewerten. Das vertiefte Eindringen in die Details, das ihm in seiner Richterfunktion möglich wurde, und die Weite des Blickfeldes, wie sie sich notwendig aus der aktuellen politischen Aufgabe der Eingliederung des Linksrheinischen in die Französische Republik ergab, haben Rebmann am Ende doch zu einem Gesamtbilde der Mainzer Revolution befähigt, das gewiß noch sehr großflächig und auch nicht völlig unverbogen war, aber dennoch als eine demokratische Antwort auf feudale wie bürgerliche reaktionäre Verzerrungen gelten konnte. Wie für die Zeitgenossen ist die Behandlung der Mainzer Republik auch für die Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts ein Politikum gewesen. Über Wert und Unwert des historischen Phänomens der Mainzer Republik wurde immer von einem bestimmten Klassenstandpunkt aus geurteilt. Diese Feststellung wendet sich zunächst mit aller Entschiedenheit gegen die bürgerliche Legende von der Voraussetzungslosigkeit, die angeblich die echte wissenschaftliche Historiographie auszeichnet; sie bedeutet jedoch nicht, daß eine objektive historische Würdigung nicht möglich wäre. Es hängt vielmehr gerade wesentlich von der Klasse ab, deren Standpunkt der Historiker vertritt, ob ihm der Zugang zum historischen Verständnis geöffnet wird oder verschlossen bleibt. Eine Klasse, deren Lebensinteresse die Verteidigung überkommener gesellschaftlicher Verhältnisse fordert, schafft Geisteshaltungen, die selbst historischen progressiven Phänomenen nicht gerecht werden können, weil sie der Geschichte vornehmlich unter dem Aspekt der gegenwärtigen konservativen Bedürfnisse gegenüberstehen. Umgekehrt hat das Klasseninteresse, das sich mit den der Geschichte innewohnenden progressiven Entwicklungsgesetzen in Übereinstimmung befindet, geradezu eine adäquate Analyse der Vergangenheit zur Voraussetzung, um die Gegenwartsbedürfnisse wissenschaftlich fundieren zu können. Nur unter Berücksichtigung der widerstreitenden Klasseninteressen erklärt sich das bemerkenswerte historiographische Phänomen, daß alle Versuche einer positiven Würdigung der Mainzer Republik beim Heranreifen und im Gefolge revolutionärer Bewegungen unternommen wurden, während Zeiten der Reaktion und chauvinistischer Entartung sie entweder negativ entstellen oder der Vergessenheit anheimfallen ließen. Selbstverständlich sind nicht alle positiven Bemühungen gleichwertig, denn auch nicht alle fortschrittlichen Bewegungen haben die gleiche Wertigkeit. Die bürgerliche Revolution, die an die Stelle der feudalen Ausbeuterordnung die höhere kapitalistische setzt, hat ihrer Natur nach ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu den Volksmassen, die die eigentlichen Träger der Geschichte sind. Die Bourgeoisie braucht die Massen, um mit dem Feudalismus fertig zu werden; je enger sie sich mit ihnen liiert und je gründlicher sie das Alte überwindet, um so demokratischere Züge nimmt sie selbst an. Da sie jedoch einen gesellschaftlichen Zustand anstrebt, der sich auf das Privateigentum an den Produktionsmitteln gründet und die Volksmassen zum Objekt bourgeoiser Ausbeutung bestimmt, ist ihr Demokratismus notwendig begrenzt. Die Bourgeoisie, die in der bürgerlichen Revolution führt, ist daher von vornherein bestrebt, bestimmte staatliche Unterdrückungsfunktionen, die schon der Feudalismus hervorgebracht hat, zu konservieren und weiterzuentwickeln. Der Grad dieser antidemokratischen Tendenzen ist unterschiedlich und abhängig vom Entwicklungsstand der an der Revolution aktiv und passiv beteiligten Klassen und Klassenschichten, in jedem Falle aber stehen sie im Widerstreit mit den objektiven Interessen der Volksmassen, denen nur ein uneingeschränkter gesellschaftlicher Fortschritt das Maximum

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an Entwicklungsmöglichkeiten sichert. Die bürgerliche Abrechnung mit der Vergangenheit ist daher dem jeweiligen Grad des in ihr wirksamen Antidemokratismus entsprechend inkonsequent, dasselbe gilt folgerichtig auch für die Ausnutzung progressiver Traditionen durch die bürgerliche Historiographie selbst in ihren besten Zeiten, von den spätbürgerlichen Versuchen zu demagogischem Mißbrauch dieser Traditionen ganz zu schweigen. Die Basis für eine objektive und umfassende Würdigung solcher Ereignisse wie der Mainzer Republik ist einzig der proletarische Klassenstandpunkt. So gründlich wie die revolutionäre Arbeiterbewegung mit der überholten Vergangenheit bricht — ihr Ziel, der Sturz der kapitalistischen und die Errichtung der sozialistischen Ordnung, ist gleichbedeutend mit der Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen schlechthin —, so bedingungslos steht sie zu den progressiven historischen Traditionen, die sie nicht zu fürchten braucht, sondern die im doppelten Sinne des Wortes von ihr aufgehoben werden und in ihr gipfeln. Das Schicksal, das die Mainzer Republik in der Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts erfahren hat, bestätigt diese Feststellung. Die allgemeine politische Situation in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts war für eine Beschäftigung mit der Mainzer Revolution außerordentlich ungünstig. Der Wandel der französischen Revolutionskriege in imperiale Eroberungskriege, die am Ende die nationale Existenz des deutschen Volkes bedrohten, verlangten den Zusammenschluß aller Kräfte gegen Frankreich, das zwar nach wie vor im europäischen Maßstab den gesellschaftlichen Fortschritt verkörperte, aber in seinem großbourgeoisen Expansionsstreben nicht mehr wie im ausgehenden 18. Jahrhundert der mächtige potentielle und teilweise auch aktuelle Verbündete der bürgerlichen Opposition in den benachbarten Feudalstaaten war. Der einstige Cisrhenane Görres verleugnete die eigene Vergangenheit 42 und wurde zu einem Wortführer der romantischen Reaktion, die die nationale Erhebung gegen das napoleonische Joch chauvinistisch verunstaltete und weltanschaulich rückwärts auf das Mittelalter orientieren konnte, weil die Erhebung nigends über eine halbe Insurrektion hinausgegangen war. Selbst die erste oppositionelle Regung nach den Befreiungskriegen, die im Wartburgfest der deutschen Studenten gipfelte, war noch so stark in der reaktionären Deutschtümelei befangen, daß sie keinen Gedanken für die heroische Mainzer Episode fassen konnte. Nur Goethe, der ein außerordentlich feines Gefühl für gesellschaftliche Zusammenhänge besaß und dessen gesunder Sinn die romantischen Verstiegenheiten immer abgelehnt hatte, griff in diesen Jahren nach seinen Notizen und Briefen, die er als Augenzeuge zwischen Mai und Juli 1793 vor Mainz geschrieben hatte. Seine „Belagerung von Mainz 1793", die aus der Verwertung dieser Materialien entstand und 1822 erschien, ist als eine Betrachtung aus dem persönlichen Leben, keinesfalls als Geschichtsquelle oder auch nur als geschichtliche Darstellung zu werten.43 Daß er bei der Abfassung nahezu ausschließlich Anton Hoffmanns konterrevolutionäre „Darstellung der Mainzer Revolu42

43

In einem Briefe vom 4. 8. 1814 an den Freiherrn vom und zum Stein versuchte er, seine cisrhenanische Aktivität in eine antifranzösische Politik umzudeuten, nämlich „die Vereinigung mit Frankreich dadurch zu verhindern, daß diese Länder sich unabhängig erklärten", Görres, Ausgewählte Briefe, Nr. 101, S. 228. In Wahrheit hieß es aber in dem von ihm Mitte November 1797 verfaßten Aufruf der Cisrhenanischen Föderation in Koblenz ausdrücklich, daß sie „keinen Augenblick Anstand nehmen, der Reunion vor der Unabhängigkeit den entschiedensten Vorzug zu geben", derselbe, Schriften, Bd. 1, S. 9. Goethe, Johann Wolfgang von, Belagerung von Mainz 1793, in: Goethes sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe, Bd. 28, mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Alfred Dove, Stuttgart-Berlin (1903), S. 2 1 5 - 2 6 2 .

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tion" zusätzlich zu Rate zog44, kam den Mainzer Jakobinern gewiß nicht zugute; aber ihnen gerecht zu werden, war ohnehin Goethes Absicht nicht. Die strenge Unparteilichkeit, in die er sich hüllte, um den beiden Extremen seiner Zeit, der studentischen Bewegung wie den Karlsbader Beschlüssen, gleich fern bleiben zu können, spiegelt sich in einer kennzeichnenden Episode wider, die er in seiner „Belagerung" beschreibt. Er will, wenngleich er es in seinen Briefen nicht erwähnt hat, mit einem energischen Halt! die Lynchjustiz emigrierter Mainzer an einem als Soldaten verkleideten Klubisten beim Abzug der französischen Truppen verhindert und auf spätere Vorhaltungen geantwortet haben: „Es liegt nun einmal in meiner Natur: ich will lieber eine Ungerechtigkeit begehen als Unordnung ertragen." 45 Seine Position enthält eine Kritik am reaktionären Terror, wie er damals in Mainz und später nach Karlsbad geübt wurde, ein prinzipielles Engagement für die Opfer dieses Terrors als Jakobiner bzw. Burschenschaftler enthält sie nicht. Selbst ein so unentwegter Verfechter des bürgerlichen Fortschritts wie Schlosser, der die Traditionen der Aufklärung hochhielt und dafür den Haß der Romantiker erntete, fand in seiner 1823 erschienenen „Geschichte des 18. Jahrhunderts" keinen Zugang zur Mainzer Republik. Er wußte nicht mehr zu sagen, als daß „ein großer Teil der gebildeten Klasse, den man nachher die Klubisten nannte, das herrschende aristokratisch-hierarchische System mit Hilfe der Franzosen zu stürzen" hoffte.46 Der Tod Eickemeyers im Jahre 1825 veranlaßte immerhin den einstigen Klubisten Lehne, inzwischen wohlbestallter Professor und Mainzer Stadtbibliothekar, zu einem längeren Nekrolog 47 , der Eickemeyer gegen den Vorwurf des Verrats verteidigte und seinen Übertritt in französische Dienste unter den damaligen Verhältnissen höchstens als „unpolitisch" zu qualifizieren bereit war. Da Eickemeyer dann im Gegensatz zu anderen französischen Militärs tatsächlich keinen sichtbaren Anteil am politischen Leben in Mainz nahm, konnte Lehne darauf verweisen und sich im übrigen an einer Stellungnahme zur Mainzer Republik mit unverbindlichen Redensarten über politische Auftritte und Maßregeln vorbeidrücken, „welche teils die Notwendigkeit, teils der Parteigeist erzeugte, die Leidenschaftlichkeit beurteilte und meistens durch Übertreibung entstellte".48 Ende der zwanziger Jahre erschien schließlich noch die zweiteilige Ausgabe der Briefe Forsters, von seiner einstigen Frau Therese Forster-Huber besorgt, die nicht nur mit Umstellungen und Auslassungen arbeitete, sondern auch mit direkten Textfälschungen, 44 45 16

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48

Ebenda, S. 299. Ebenda, S. 251. Schlosser, Friedrich Christoph, Geschichte des 18. Jahrhunderts in gedrängter Übersicht mit steter Beziehung auf die völlige Veränderung der Denk- und Regierungsweise am Ende desselben, 2. Abt., Heidelberg 1823, S. 144. In der stark erweiterten 2. Aufl. gab er zwar mit Berufung auf die Zeugnisse „zweier denkender Männer", nämlich Forsters und Eickemeyers, ein eindruckvolles Bild von der Fäulnis, die die feudalen Territorien am Rheine kennzeichnete, aber sein abstrakter, von Kant beeinflußter moralischer Rigorismus ließ ihm nach wie vor die Mainzer Jakobiner wegen ihrer vermeintlich antinationalen Haltung verdächtig erscheinen. (Geschichte des 18. Jahrhunderts und des 19. bis zum Sturz des französischen Kaiserreichs, mit besonderer Rücksicht auf geistige Bildung, Bd. 5, Heidelberg 1844). Lehne, Friedrich, Rudolf Heinrich Eickemeyer, französischer General, geboren zu Mainz am 11. März 1753, gestorben zu Algesheim am 9. September 1825, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, 3. Jg., 1825, Heft 2, Ilmenau 1827, S. 9 1 0 - 9 3 7 ; 5. Jg., 1827, Heft 1, Ilmenau 1829, S. 3 2 - 4 4 . Ebenda, S. 32 f.

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um Forster der Restaurationszeit akzeptabel zu machen und zugleich ihr eigenes Verhältnis zu ihm in für sie untadeligem Lichte zu zeigen. Die der Ausgabe vorausgeschickte biographische Skizze entspricht ebenfalls dem gewünschten Bilde.49 Der Beitrag, den diese Briefedition für die Geschichte der Mainzer Republik lieferte, war darum im ganzen unecht, auch wenn er die Detailkenntnis da und dort vermehrte. Man hätte sich einen anderen, persönlich weniger engagierten Herausgeber, aber mehr noch nicht diese Editionszeit gewünscht, die die Hauptschuld an den Entstellungen trägt, denn der Verlust ganzer Gruppen von Originalbriefen begünstigte eine Vielzahl von Fälschungen. Die Julirevolution schlug dem auf dem Wiener Kongreß gezimmerten europäischen Reaktionssystem eine Todeswunde, von der es sich nicht mehr erholen sollte, auch wenn in Deutschland der kräftige Aufschwung der demokratischen Bewegung noch einmal gebrochen werden konnte. Heine, der voller Begeisterung nach Paris geeilt war, suchte dort die Dachstube auf, „wo der Bürger Georg Forster gestorben".50 Ende der dreißiger Jahre brachte Külb in fünf Bänden die gesammelten Schriften des inzwischen verstorbenen Friedrich Lehne heraus, die allerdings mehr versprachen, als sie hielten. Külb hatte ängstlich und rigoros alle Gedichte Lehnes eliminiert, die in der Mainzer Revolution entstanden waren, so daß aus dieser Zeit lediglich zwei kurze und ganz persönlich gehaltene Skizzen Aufnahme fanden. 51 Was darüber hinaus auf die Mainzer Republik Bezug hatte, stammt aus späteren Jahren, z. B. der schon genannte Eickemeyer-Nekrolog. 52 Trotz des geringen Mutes, der die Edition Külbs kennzeichnete, meldete sich sofort die Reaktion zu Wort, und Neigebaur veröffentlichte aus dem Nachlaß ein Memorandum des ungenannt bleibenden einstigen kurmainzischen Generals Graf Franz von Hatzfeld, das die alte Legende von der Verräterei Eickemeyers wieder auftischte.58 Ein stärkerer Durchbruch zur Beschäftigung mit der Mainzer Revolution im Sinne der bewußten Aufnahme progressiver Traditionen war erst nach der Schilderhebung der deutschen Bourgeoisie von 1840 möglich. Jetzt erst setzte eine oppositionelle Welle ein, die nicht mehr zu brechen war, alle Hindernisse wegspülte und sich 1848 zur Revolution auftürmte. Am Anfang steht die von Forsters Tochter Therese besorgte und 1843 erschienene neunbändige Ausgabe der sämtlichen Schriften Forsters.54 Zwar wurden im 6. Band nur vier Stücke aus der Mainzer Revolution — ein Bruchteil der politischen Arbeiten, die Forster in dieser Zeit verfaßte hat — aufgenommen, aber darunter befindet sich doch auch ein so wichtiges Stück wie seine große Antrittsrede im Klub vom 15. November 1792 „Über das Verhältnis der Mainzer gegen die Franken" und außerdem erstmalig seine „Darstellung der Revolution in Mainz". Von ganz besonderem Wert für eine Renaissance des Politikers Forster, den ja erst und gerade die Mainzer Ereignisse zu einem solchen machten, war die begeisternde Charakteristik Forsters, die Gervinus der mit dem 7. Band beginnenden Briefedition voran19 50 51

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Johann Georg Forsters Briefwechsel nebst einigen Nachrichten von seinem Leben, hg. von Th(erese) H(uber), geb. H(eyne), 2 Teile, Leipzig 1829. Heine, Zur Geschichte der Religion, S. 127. Lehne, Friedrich, Bruchstücke aus einet Jugendreise, in: Gesammelte Schriften, hg. von Philipp Külb, Bd. 5, S. 287—297; derselbe, Die Patrioten bei der Wiedereroberung der Stadt Mainz durch die Deutschen (1793), in: Ebenda, S. 305—312. Vgl. Anm. 47. Der Untergang des Kurfürstentums Mainz, von einem kurmainzischen General, hg. von Dr., J. F. Neigebaur, Frankfurt (Main) 1839. Georg Forsters sämtliche Schriften, hg. von dessen Tochter und begleitet mit einer Charakteristik von G. G. Gervinus, in neun Bänden, Leipzig 1843.

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stellte. Als Schüler Schlossers knüpfte Gervinus an die besten Traditionen der Aufklärung an und vertrat gegenüber der reaktionären Geschichtsauffassung der romantischen historischen Schule den progressiven Gedanken eines gesetzmäßigen Verlaufs der historischen Entwicklung. 55 Ein solcher Gedanke verlangte nach der politischen Tat, die dem Sinn der Geschichte entsprechend die Gegenwart gestaltet. Politik und Geschichte waren darum für Gervinus auf das innigste verbunden und förderten sich wechselseitig; die Politik half bei der Betrachtung der Vergangenheit, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu sondern, und die Geschichte bestimmte die Grundtendenzen der Politik. Als einer und zwar der konsequenteste der sieben Göttinger Professoren, die 1837 gegen den Verfassungsbruch des Hannoveraners protestierten, stand er in den vierziger Jahren folgerichtig in der ersten Reihe der politischen Publizisten, die der wachsenden bürgerlichen Opposition literarischen Ausdruck gaben. Sein leidenschaftliches Bekenntnis zu Forster war eine Nutzanwendung historischer Erfahrungen für den politischen Kampf seiner Zeit. Er pries Forster als einen Charakter, „der den schwierigen Übergang von der Idee zur Tat, von dem Grundsatz zu dessen Ausübung, vom Wissen zum Handeln gefunden hat".56 Solche Männer brauchte der Liberalismus der vierziger Jahre: „Forster soll uns als ein edles Vorbild praktischer Ausbildung, als ein Muster von energischer Charakterentfaltung, als ein Bahnzeiger für die politische Richtung vorleuchten, die in dem deutschen Leben, nach der Abblüte unserer kunstliterarischen Epoche, zunächst allein eine bedeutende Zukunft zu erwarten hat und nach der nun auch allmählich der Instinkt der Masse und die Einsicht der einzelnen gleichmäßig hintreibt."57 Mit Forster verteidigte Gervinus die historische Bedeutung der Französischen Revolution für die zivilisierte Welt; mit der Französischen Revolution wiederum verteidigte er Forster, dem es um den Menschheitszweck der Perfektibilität Ernst war und den darum kein Vorwurf treffen durfte, wenn er sich angesichts der Jämmerlichkeit der deutschen Zustände für Frankreich entschied. Gervinus war wie sein Lehrer Schlosser kein Freund der von Ranke entwickelten historisch-kritischen Methode, die ihm — zu Unrecht — den Blick auf das Wesentliche in der Geschichte zu verbauen schien. Dieses fehlende Verhältnis zur Tatsachenforschung ließ in ihm keine Bedenken aufkommen, da und dort auch Änderungen in den edierten Briefen vorzunehmen. Gervinus, der die Geschichte ganz nahe der Kunst ansiedelte, betrachtete solche Freiheiten als legitim, sofern sie halfen, das Wesentliche kräftiger herauszuarbeiten. Die Frage ist nur, ob das, was Gervinus für wesentlich bzw. unwesentlich hielt, es tatsächlich auch war. Hier muß die Kritik an seinem Forsterbild einsetzen. Abgesehen von der idealistischen Grundposition, die ihn ohnehin nicht die wirklichen Kriterien einer objektiven Geschichtsschreibung erkennen ließ, hinderte ihn auch sein politischer Standort an einem kongenialen Erfassen der Forsterschen Leistung. Gervinus war in den vierziger Jahren ein kleindeutsch orientierter, gemäßigter bürgerlicher Liberaler, der den Fortschritt durch Reformen von oben anstrebte und sich von der revolutionären Demokratie entschieden abgrenzte. Forster aber war ein deutscher Jakobiner, und seine besondere historische Leistung bestand nicht darin, daß er sich der Französischen Revolution schlechthin anschloß — das taten auch viele andere Deutsche —, sondern daß er ihre Prinzipien unter exzeptionellen Bedingungen auf deutschem Boden mit revolutionär-demokratischen Mitteln zu verwirklichen trachtete. 65 66 57

SchilfertjSchleier, Gervinus, S. 148ff. Georg Forsters sämtliche Schriften, Bd. 7, S. 10. Ebenda, S. 75.

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Dieser spezifischen und wesentlichsten Leistung aber wurde Gervinus nicht gerecht. Er setzte Forster von den anderen Mainzer Patrioten ab, führte unbedeutende persönliche Verlegenheiten ins Feld, um seine Entscheidung zu erklären, und ging überhaupt über die Mainzer Revolution so schnell wie möglich hinweg. Nicht der aktive bürgerlich-demokratische Revolutionär, sondern der ganz allgemein als bürgerlicher Politiker aufgefaßte Forster ist das Vorbild, das Gervinus brauchen konnte. Der vormärzliche gemäßigte Liberale, der für seine Bourgeoisie sprach, die aus Furcht vor dem Proletariat schon keine demokratische Bewegung mehr auszulösen gewillt war, vermochte nicht über seinen Schatten zu springen. Einzig der demokratische Standort, den Engels in seinen 1845 geschriebenen „Deutschen Zuständen" vertrat, gestattete ein uneingeschränktes Bekenntnis zu Forster als dem „deutschen Thomas Paine". 58 Andere von bürgerlich-liberaler Seite in den vierziger Jahren herausgebrachte Veröffentlichungen, die die Mainzer Republik berührten, gingen nicht über Gervinus hinaus oder waren gar wie Strickers Forsterstudie59 von ihm eingegeben. Die größte politische Wirkung erzielte unstreitig Heinrich König, der in den dreißiger Jahren als liberaler hessischer Landtagsabgeordneter Überzeugungstreue bewiesen hatte, wegen seines Antiklerikalismus exkommuniziert worden war und sich vor allem als historisierender Romanschriftsteller einen Namen machte. 1845 veröffentlichte er in toto die „Denkwürdigkeiten" Eickemeyers, die Lehne bereits für seinen Nekrolog benutzt hatte und die König ausdrücklich als eine notwendige Antwort auf Neigebaurs Edition des Hatzfeld-Memorandums betrachtete.60 Für die Geschichte der Mainzer Republik selbst sind die „Denkwürdigkeiten" zwar wenig ergiebig, denn sie konzentrieren sich verständlicherweise auf militärische Angelegenheiten jener Zeit. Sehr eindrucksvoll jedoch ist das Bild, das Eickemeyer von den Zuständen des geistlichen Kurstaates gibt, von der bodenlos schlechten Verwaltung, der Pfaffenwirstchaft, dem Adelsstolz, dem Emigrantenunwesen, der totalen Unfähigkeit des Militärs, kurz, von all den Gebresten einer überlebten Ordnung, die den überraschend schnellen Zusammenbruch dieses Gebildes und die verbreitete Neigung zu revolutionären Veränderungen erklären. Wenn er nicht allen Klubisten gleich edle Beweggründe zugesteht und am Beispiel eines Georg Böhmer die Verstiegenheiten einiger ironisiert, so stellt er ihm doch die vielen gegenüber, die wie Forster, Lux, Blau, Retzer — er nennt nur die Verstorbenen, da die Bescheidenheit der Lebenden ihre namentliche Erwähnung verbiete — hohe Selbstverleugnung, Begeisterung und Treue zur Sache bewiesen haben. Sehr aufschlußreich für die politische Tendenz, die König mit der Erinnerung an die Mainzer Republik verfocht, ist seine Verarbeitung dieser und anderer Materialien in seinem dreibändigen Roman „Die Clubisten in Mainz", den Vernhagen von Ense angeregt hatte und der 1847 erschien.61 Dem Titel gerecht wird freilich nur der dritte Band, der die eigentliche Klubistenzeit behandelt, während die vorausgehenden Bände sich in der Vorgeschichte bewegen. Die verrotteten Zustände am kurmainzischen Hof werden am Beispiel der Gräfin Coudenhove demonstriert, der erzbischöflichen Favoritin, 68 59 60 61

Engels, Deutsche Zustände, S. 577. Stricker, Wilhelm, Johann Georg Adam Forster, in: Die Männer des Volks, dargestellt von Freunden des Volks, hg. von Eduard Duller, Bd. 3, Frankfurt (Main) 1847, S. 183—234. Denkwürdigkeiten des Generals Eickemeyer, ehem. kurmainz. Ingenieur-Obristlieutenant, sodann im Dienste der französischen Republik, hg. von Heinrich König, Frankfurt (Main) 1845. König, Heinrich, Die Clubisten in Mainz. Ein Roman, 3 Teile, Leipzig 1847.

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die nur in höfischen Intrigen zugunsten ihrer Familie lebte und webte, wobei wiederum Graf Stadion die Funktion eines mildernden Elements erhielt. Der allmächtige Klerus wird durch die erfundene Gestalt des Paters Garzweiler symbolisiert, den der exkommunizierte Autor mit allen Attributen des heimtückischen Jesuitismus ausstattet, aber auch hier fehlen nicht mildernde Gegengewichte. Diesen Kräften gegenüber stehen als Repräsentanten des bürgerlichen Fortschritts Männer wie Forster und Blau, die liebenswert, oder Eickemeyer und Hofmann, die wenigstens achtungswert gezeichnet sind; alle anderen Klubisten spielen bloße Chargenrollen. Die von König vertretene politische Linie jedoch verkörpert keiner der Genannten, sondern Erasmus Lennig, der in der Tat für kurze Zeit dem Klub angehört hatte, aber dort als hoher kurmainzischer Beamter gegen den revolutionären Umsturz aufgetreten und schließlich als Geisel nach Frankreich geführt worden war. König macht aus ihm einen deutschgesinnten, von Moser begeisterten Reichspatrioten, der die neuen Ideen der besseren Klubisten mit dem wertvollen Alten zu verbinden bestrebt ist: „Wir wollen das Alte nicht, das sich ja selbst überlebt hat; wir wollen aber das Neue nur aus den Verwandlungen des Alten." 62 In der Liebe und Heirat der erfundenen Lennig-Tochter mit dem ebenso erfundenen und vor Edelmut triefenden Mainzer Baron Franz Karl von Wallbrunn findet diese Vorstellung ihre abgeschmackte, antijakobinische, aber dem vormärzlichen Liberalismus adäquate Verkörperung. Der Bourgeois-Liberalismus der vierziger Jahre konnte die Mainzer Republik für seine Zwecke nur noch beschwören, wenn er sie zugleich nach rückwärts verbog. Der Verlauf der Revolution 1848/1849 hatte den Liberalismus nicht mutiger gemacht, im Gegenteil. Aber da die Hauptaufgaben in der Revolution ungelöst geblieben waren, sammelte er sich erneut und wurde, gestützt auf den steilen ökonomischen Aufstieg der kapitalistischen Produktion, in den folgenden anderthalb Jahrzehnten zu einer politischen Größe, die selbst ein Erzjunker wie Bismarck nicht aus dem Kalkül lassen durfte. Im ideologischen Arsenal dieses Liberalismus der fünfziger und beginnenden sechziger Jahre spielte die Mainzer Republik immer noch eine Rolle, die jedoch zunehmend verflachte. Einige biographische Forsterskizzen des Vormärz wurden wieder aufgelegt 63 , andere entstanden neu.64 Die geschiedene Frau des 48er Demokraten Franz Heinrich Zitz, Kathinka Zitz, veröffentlichte 1858 einen zum Teil auf echten historischen Quellen beruhenden Roman, der immerhin selbst einigen engagierten Klubisten lichte Seiten abgewann. 65 Den dennoch stets sichtbarer werdenden Abfall von einem Standort, der wahrlich ohnehin nicht sehr hoch gewesen war, illustriert am besten wiederum Heinrich König. 1852 veröffentlichte er eine belletristische Gesamtdarstellung von Forsters Leben, die ihn bereits, wenn auch mit einiger Schonung, als einen Irrenden betrachtet66; die 1858 erschienene zweite Auflage gab dann den Politiker völlig preis : Forsters Antrittsrede im Klub und das Anschlußersuchen des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents werden „zu den beklagenswertesten 62 63 64

65 66

Ebenda, Teil 3, S. 121. Kühne, Ferdinand Gustav, Georg Forster, in : Deutsche Männer und Frauen, eine Galerie von Charakteren, Leipzig 1851, S. 123 — 160. Maier, Elisa, Georg Forster. Lichtstrahlen aus seinen Briefen an Reinhold Forster, Friedrich Heinrich Jacobi, Lichtenberg, Heyne, Merck, Huber, Johannes von Müller, seine Gattin Therese und aus seinen Werken, mit einer Biographie Forsters, Leipzig 1856. Zit%, Kathinka, Magdalena Horix oder vor und während der Klubistenzeit, ein Zeitbild, Mainz 1858. König, Heinrich, Haus und Welt. Eine Lebensgeschichte, 2 Teile, Braunschweig 1852.

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Schriftstücken des verirrten Mannes" gerechnet und als „kritische Ausscheidung einer fieberhaften Seele" be2eichnet.67 Der tüchtige Physiologe und Vulgärmaterialist Moleschott, der insbesondere den Naturforscher Forster zu würdigen bemüht war, warf König vor, noch immer auf dem „vorgervinischen Standpunkt" zu stehen.88 Wenn es auch richtiger heißen müßte, daß König dahinter zurückgefallen war, so bestätigt diese Bemerkung doch, daß der Gervinus des Vormärz für den Liberalismus der fünfziger Jahre bereits eine ferne, nicht mehr erreichte Höhe des historischen Verständnisses bedeutete. Als ein weiterer Beweis dafür kann Ludwig Häusser gelten, der immerhin wie Gervinus ein Schüler Schlossers und schon im Vormärz Parteigänger des Liberalismus war. Während Gervinus nach den Erfahrungen der Revolution von 1848/1949 zum Gegner des preußischen Militarismus wurde und nach links rückte, trieben Antidemokratismus und kleindeutscher Nationalismus Häusser nach rechts. Seine 1854 erschienene „Deutsche Geschichte" orientierte eindeutig auf die Einigung von oben unter preußischer Führung. 69 Damit vertrug sich eine sehr scharfe Kritik am alten überlebten Reich, an der Kleinstaaterei schlechthin und an dem geistlichen Kurmainz im besonderen, einem Staat der Bevorrechteten ohne vaterländische Interessen, ohne gesunden bürgerlichen Kern, mit einem sorglosen und schlaffen Regiment, das im Augenblicke der Gefahr ebenso beispiellos feige wie nach seiner von anderen wiederhergestellten Herrschaft unvernünftig rachsüchtig war. Das schonungslose Bild innen- und außenpolitischen Verfalls kam zunächst einzelnen Beteiligten an der Mainzer Revolution insofern zugute, als z. B. das reaktionäre, die eigene Unfähigkeit übertönende Geschrei von Verrat bei der Übergabe der Festung darin keinen Platz, mehr hatte, Franzosenfreundschaft und Kosmopolitismus als Folgeerscheinungen gewertet und Forster insbesondere reinste Motive konzediert wurden. Dennoch lehnte Häusser die Mainzer Republik als echte Alternative zu den von ihm gegeißelten feudalen Zuständen schroff ab, ja wertete sie zusammen mit dem Feudalregiment als Ausdruck der Schmach jener Tage. Bedenkenlos übernahm er die von der Reaktion geprägten Urteile, reduzierte den Klub auf ein „Werkzeug der französischen Inkorporationsgelüste" und sprach von „würdeloser Unterwürfigkeit" des Rheinischdeutschen Nationalkonvents.70 Häusser verriet die spezifische Furcht der Bourgeoisie seiner Zeit, indem er schon im alten Mainz „an dem müßiggängerischen Proletariat... eiije brauchbare Hefe revolutionärer Bewegung" erkennen zu können meinte.71 Der bourgeoise Widerwille nach 1848 gegen alles, was revolutionär-demokratische Züge trug, bestimmte Häussers Urteil, als er die Mainzer Umwälzung eine „Revolution in ihrer widrigsten Gestalt" nannte.72 Die Leugnung der bürgerlich-republikanischen Alternative führte notwendig zur Preisgabe der Freiheitsideale von 1789 und orientierte auf eine Verständigung mit dem 67 68

69 70 71 72

Derselbe, Georg Forsters Leben in Haus und Welt, 2. veränderte Aufl., Leipzig 1858, Teil 2, S. 253. Moleschott, Jacob, Georg Forster, der Naturforscher des Volks, 2. verbesserte Aufl., Berlin 1862, S. V. Die 1. Aufl. erschien anläßlich des 100. Geburtstages Forsters in Frankfurt (Main) 1854; ihr folgte als billige Volksausgabe ein unveränderter Nachdruck; eine neue Volksausgabe erschien dann noch 1874 in Halle. Häusser, Ludwig, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des Deutschen Bundes, 4 Bde., Leipzig 1854. Ebenda, Bd. 1, S. 500, 550. Ebenda, S. 496. Ebenda, S. 475.

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antiliberalen Preußentum, sofern es zu bewegen war, die Sicherheit und Freiheit des kapitalistischen Eigentums als Mindestforderung zu akzeptieren. Daß bei solch mageren Bedingungen die andere Seite zur Gegenliebe bereit war, bestätigte der durch und durch konservative Perthes. Die Interpretation, die er während der „Neuen Aera" von Georg Forster gab, war eine in die Vergangenheit projizierte Untauglichkeitserklärung des Bürgertums zur politischen Machtausübung und der Versuch, die auf diese Weise im Kern verbogenen bürgerlichen Traditionen für das konversative Preußentum nutzbar zu machen.73 Hatte Gervinus Forster als staatsmännisches Vorbild gerühmt, so behauptete der eng mit Roon befreundete Perthes das gerade Gegenteil: Zum Politiker hätte Forster kaum weniger als alles gefehlt, die ihm eigentümliche Beobachtungsgabe vielleicht ausgenommen; wenn der ausschließlich dem Verkehr mit der Aristokratie des Geistes, der Bildung und der Geburt zugeneigte Mann in die revolutionären Umtriebe verwickelt wurde, so wären allein die äußeren Umstände — das Fehlen einer gesicherten Lebensstellung und das Versagen der alten Gewalten — verantwortlich zu machen. Die aktuelle politische Nutzanwendung einer solchen Interpretation, die auch Forsters Sorge um die Erhaltung des Privateigentums nicht vergaß, lag auf der Hand. Wie entscheidend der Klassenstandpunkt für das historische Verständnis schlechthin und das der Mainzer Republik im besonderen ist, bewies zum Glück nicht nur die mehr oder minder negativ urteilende Historiographie des großbourgeoisen Liberalismus. Eine im ganzen positive Bestätigung- erbrachte dafür in diesen Jahren Ludwig Bamberger, kein Historiker von Beruf, sondern ein Politiker, der damals noch auf den Positionen der kleinbürgerlichen Demokratie stand. Der gebürtige Mainzer hatte 1848 am ersten Demokratenkongreß teilgenommen, 1849 beim pfälzischen Aufstand mitgekämpft und war im Anschluß daran in die Emigration gegangen, so daß das Todesurteil gegen ihn 1852 nur in absentia gefällt werden konnte. Im Jahre 1861 veröffentlichte er in den „Demokratischen Studien", die der ostpreußische Demokrat Walesrode herausgab, den Artikel „Die Französelei am Rhein, wie sie kam und wie sie ging"- 74 Bamberger handelte nicht mit kleiner Münze, sondern sprach die notwendigen historischen und politischen Wahrheiten unverblümt aus: „Mein Vorsatz ist zu zeigen, wie der deutsche Sinn am Rhein, indem er zu Falle kam, ein Opfer des Feudalismus war ... Nur auf den Trümmern der Feudalherrschaft kann Deutschland die Geistesgröße finden, in der seine wie jede Kraft ruht." 75 Es waren „die Kontraste von Freiheit, Aufschwung und Macht einerseits, von Botmäßigkeit, Zerfall und Fäulnis andererseits", die die Hinneigung der rheinischen Bevölkerung zu Frankreich bewirkt hatten.76 Die gesicherte Rechtsverfassung, die Napoleon garantierte, und der rechtsrheinische Beamtenservilismus neben anderen Folgen des Wiener Kongresses sorgten positiv wie negativ dafür, daß diese Neigung andauern konnte. Erst der Sturm von 1848 brachte den Wandel und bewies, daß „ein einziges Jahr freier Regung das Nationalgefühl in einer Bevölkerung auferweckt, die unter dem Ekel an dem erbärmlichen Wesen engerer und weiterer Vaterländer dreißig Jahre für deutsches 73 74 75 76

Perthes, Clemens Theodor, Politische Zustände und Personen in Deutschland bis zur Zeit der französischen Herrschaft, Gotha 1862. Bamberger, Ludwig, Die Französelei am Rhein, wie sie kam und wie sie ging (1790 bis heute), in: Demokratische Studien, hg. von Ludwig Walesrode, Hamburg 1861, S. 217—284. Ebenda, S. 219f. Ebenda, S. 224.

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Bewußtsein unempfänglich geblieben war; wir werden den Trost erübrigen, daß die unerbittliche und gehässige Reaktion der fünfziger Jahre nicht alle im kurzen Freiheitslenz empfangenen Keime zu ersticken vermocht hat, indem ein guter Ansatz deutschen Nationalsinns zurückgeblieben ist".77 Der aggressive Bonapartismus Napoleons III. gab den französischen Sympathien, die ja stets von freiheitlichen Empfindungen ausgegangen waren, den letzten Stoß und erzeugte gerade am Rhein einen besonders ausgeprägten nationalen Abwehrwillen. Bambergers Schlußfolgerung aus diesen historischen Erfahrungen war die Wiederaufnahme der Losung „Einheit und Freiheit", unter der die Demokraten von 1848 gekämpft hatten. Von diesem demokratischen Standpunkt aus konnte er der Mainzer Revolution gerechter werden als alle bisherigen liberalen Geschichtsschreiber zusammengenommen. Nachdrücklich betonte er die Eigenverantwortlichkeit und Verantwortungsfreude der Mainzer Revolutionäre, die zur Klubgründung keiner französischen Anweisung bedurft und eine viel radikalere Umwälzung angestrebt hatten als Custine mit seinen halbherzigen Provisorien. Bei aller Abhängigkeit vom großen Vorbild in Form und Inhalt, ja trotz des aus der Notwehrvorstellung geborenen Anschlußersuchens war es den Revolutionären „nur um Freiheit auf eigenen deutschen Füßen" gegangen, so daß Bamberger die Mainzer Republik als ein Ergebnis „nicht sowohl französischer als revolutionärer Gesinnung" auch nicht der französischen Zeit zurechnete, die für die Rheinlande erst danach begonnen hat.78 Wiewohl er zwischen Enthusiasten leichterer Art und solchen ernsten Charakters zu unterscheiden wußte, unter den Blättern und Blüten, die das politische Leben getrieben, auch Unkraut entdeckte, widersprach er doch ganz entschieden dem Verdachte eines hohlen Possenspiels, rühmte angesichts der durch Generationen in Unmündigkeit gehaltenen Bevölkerung die heldenmütige Ausdauer der Klubisten bei ihrer Sinnesart und verurteilte die siegreiche Reaktion, die in preußischer Gestalt nicht minder abscheuliche Rachefeste feierte, als sie es in kurmainzischer Gestalt getan hatte. Eine einzige wesentliche und sehr bezeichnende Einschränkung machte Bamberger jedoch: Er nannte die Mainzer Revolution wegen ihrer Bindung an Frankreich einen Irrtum, eine „ehrlich gemeinte, aber falsch angelegte Sache"79, und bewies mit diesem Urteil nur, daß ihm als kleinbürgerlichem Demokraten die revolutionäre Konsequenz mangelte. Karl Marx z. B. hielt es Mitte der fünfziger Jahre durchaus für eine fatale Aussicht, wenn im Gefolge einer revolutionären Beseitigung des französischen Bonapartismus das rheinische Proletariat „wie in der alten Revolution die Mainzer Klubisten" in eine Lage geriete, die nach „Vaterlandsverrat" schmeckte80 und der Konterrevolution zugkräftige Losungen lieferte. Aber eine fatale Situation ist etwas prinzipiell anderes als eine falsch angelegte Sache, und Marx hätte sich niemals von einer Bewegung distanziert, die unter so ungünstigen Bedingungen in revolutionäre Auseinandersetzungen geriet. Bamberger aber tat dies und entwertete so den Mainzer Republikanismus als Ansatz zu einer demokratischen Alternative gegenüber der vom Liberalismus angesteuerten Revolution von oben. Er wurde am Ende sogar zum politischen Deserteur, dessen Gesinnungswandel Bismark mit einem Sitz im Zollparlament honorierte. Zu den 48er Demokraten, die sich nach 1866 mit der von Bismarck vollzogenen Revolution von oben zu arrangieren versuchten, gehörte auch Jakob Venedey, der unter Be77 78 79 80

Ebenda, S. 225. Ebenda, S. 265. Ebenda, S. 255. Marx an Engels, 16. 4. 1858, in: Marx!Engels,

Werke, Bd. 29, Berlin 1963, S. 47.

Mainzer Republik und deutsche Geschichtsschreibung

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nutzung der Aufzeichnungen seines Vaters, eines führenden Cisrhenanen, 1870 eine umfangreiche Darstellung über die deutschen Republikaner unter der Französischen Republik vorlegte. 81 Seine Arbeit war ein halbherziger Versuch, die eigene republikanische Tradition gegenüber der inzwischen eingetretenen Entwicklung zu verteidigen, der dabei naturgemäß nicht ohne handgreifliche Fälschungen auskam; Venedey legte z. B. seinem Vater nie getane Äußerungen in den Mund, um die von den Cisrhenanen betriebene Vereinigung mit Frankreich als erzwungen erscheinen zu lassen.82 Dieselbe Tendenz verfolgte er im Hinblick auf die Mainzer Republik, indem er ein Neben- und Gegeneinander zweier Parteien unter den Klubisten, einer französischen und einer deutsch-republikanischen, konstruierte. Während er die französische, repräsentiert durch Männer wie Forster, Dorsch und Wedekind, der reaktionären Historiographie gleichsam zum Fräße vorwarf, stattete er die angeblich deutsch-republikanische Partei, vertreten durch Hofmann, Lux und andere, mit seinem eigenen kleinbürgerlichen Föderalismusgedanken aus und versuchte, sie zu rechtfertigen. Es war eine erbärmliche Apologie, die sich nicht scheute, den Verdacht zu äußern, daß Forster selbst Hand an sich gelegt und so den „Verrat an seiner Nation" gebüßt habe ; geradezu widerlich ist der anschließende Satz: „Dem ,armen Sünder', der sich selbst richten mußte, folgt bis zu seinem letzten Atemzuge unser tiefstes Mitleid." 83 Während die kleinbürgerlich-demokratische Rezeption der Mainzer Republik im Zusammenhang mit der nationalrevolutionären Situation 1861 in Bambergers kleiner Arbeit ihren Höhepunkt erreichte, um dann ebenso wie schon nach 1848 die bürgerlichliberale zu verflachen, wandte sich nun auch erstmalig im 19. Jahrhundert die konservativ-klerikale Historiographie dieser Thematik zu, um sie für ihre reaktionären politischen Ziele zu nutzen. Ihre Anfänge waren eng lokalgeschichtlich und hatten oft genug kleinliche Querelen zum Ausgangspunkt. Als Moleschott z. B. die Enthüllung des Mainzer Schiller-Denkmals 1862 zum Anlaß nahm, in einer Tischrede Schiller im Namen Georg Forsters zu begrüßen und auch für diesen ein Denkmal zu fordern84, mobilisierten die Stadtgewaltigen gegen diese Attacke die ihnen ergebene städtische Intelligenz: Martin Dupuis, ehemaliger Pfarrer von Kastel, mühte sich kräftig ab, die Ablehnung jeder Forster-Ehrung als Triumph des Mainzer Genius in lateinischen Distichen zu besingen; in deutsche Reime gebracht, erlebte dieses Opus bis 1866 immerhin drei Auflagen. 85 Der Gymnasialprofessor Karl Klein antwortete Moleschott in einer Gegenrede86 und veröffentlichte im folgenden Jahr ein voluminöses Machwerk über „Georg Forster in Mainz", das den infamsten Pamphleten der Feudalreaktion aus Forsters Zeiten nicht nachstand. „Das Vaterland speit diesen entartetsten aller seiner Söhne aus ; jeder Deutsche soll es sich zur Pflicht machen, ihn nie mehr zu nennen, damit sein Verbrechen am 81 82 83 84

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Venedey, Jakob, Die deutschen Republikaner unter der französischen Republik, mit Benutzung der Aufzeichnungen seines Vaters Michel Venedey dargestellt, Leipzig 1870. Vgl. dazu Hansen IV, S. 342. Venedey, S. 138. Moleschott, Jacob, Begrüßung Schillers im Namen Johann Georg Forsters und im Namen Italiens. Tischrede am Tage der Enthüllung des Mainzer Schillerdenkmals, 18. 10. 1862, Wiesbaden 1862. Dupuis, Martin, Der Triumph des Mainzer Genius über den Verrat fremder Klubisten in Mainz 1793 und deren Anhänger 1862, nach seinem eigenen in lateinischen Distichen geschriebenen Urtexte frei ins Deutsche übersetzt, 3. veränderte Aufl., Mainz 1866. Klein, Karl, Zurückweisung der Tischrede Moleschotts, insofern sie den Georg Forster betrifft, Mainz 1862.

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Spe2ialstudie

Vaterland mit ihm in Vergessenheit gerate."87 Karl Klein stand auf kleindeutschen Positionen, aber ohne die Spur liberalen Geistes, die die kleindeutsche historische Schule immerhin noch auszeichnete. Seine bereits 1861 erschienene „Geschichte von Mainz während der ersten französischen Okkupation" 88 verriet zwar eine ausgebreitete Aktenkenntnis, die er aus dem Mainzer Stadtarchiv geschöpft hatte, was ihn jedoch nicht hinderte, vor allem Anton Hoffmanns Darstellung auszuschlachten und sich bedenkenlos das von der zeitgenössischen konterrevolutionären Publizistik entwickelte Bild der Mainzer Republik zu eigen zu machen, um es in den Dienst eines wütenden antifranzösischen Chauvinismus zu stellen. Eine solche Haltung hatte nichts gemein mit dem nationalen Abwehrwillen, der seit dem Ende der fünfziger Jahre viele Demokraten gegenüber dem aggressiven französischen Bonapartismus beseelte. Für Karl Klein war „der Erbfeind" das Frankreich der revolutionären Traditionen; dem gab sinnfälligen Ausdruck auch die Datierung des Vorworts seiner Mainzer Geschichte: Er wählte den 23. Juli 1861, den Jahrestag des Sieges der Konterrevolution über die republikanischen Verteidiger von Mainz. Zweierlei sicherte der Geschichtsklitterung Kleins trotz aller Lokalborniertheit bei der bürgerlichen Historiographie für lange Zeit eine dankbare Aufnahme : Zum ersten war es die ihr zugrunde liegende chauvinistische und fortschrittsfeindliche Gesinnung, die nach der erfolgreichen Revolution von oben in rapid zunehmendem Maße die geistige Repräsentanz des junkerlich-bourgeoisen Deutschland bestimmte; zum anderen aber war es auch die Fülle der mitgeteilten archivalischen und sonstigen zeitgenössischen Quellen, die zuvor nicht oder völlig unzureichend genutzt worden waren. Klein hat auf diesem Gebiet objektiv Pionierarbeit geleistet, auch wenn sein quellenkritisches Vorgehen mehr als zweifelhaft war. Er fand Mitstreiter, die im gleichen oder ähnlichen Geiste die Archive durchforsteten. Zu ihnen zählt der Domkapitular, geistliche Rat, bischöfliche Theologe und Hofhistoriograph zu Speyer Franz Remling, der ein beachtliches Material zusammentrug, das zwar nicht für die Geschichte der Mainzer Republik in ihrem Kern, aber doch in ihren Randerscheinungen von Bedeutung ist.89 Unmittelbarer Nachfahre Kleins wurde der Mainzer Landgerichtsdirektor Bockenheimer, der bienenfleißig in einer Vielzahl kleinerer und in einigen größeren Publikationen von Ende der sechziger Jahre bis in den Anfang unseres Jahrhunderts hinein Schätze des Stadtarchivs für die Geschichte der Mainzer Republik bekannt gemacht hat.90 Bockenheimers Grundauffassung unterschied sich nicht wesentlich von der 87 88 89 90

Derselbe, Georg Forster in Mainz 1 7 8 8 - 1 7 9 3 , Gotha 1863, S. 328. ' Derselbe, Geschichte von Mainz -während der ersten französischen Okkupation 1792 — 1793, Mainz 1861. Remling, Frani» Xaver, Die Rheinpfalz in der Franzosenzeit von 1792 bis 1798. Ein urkundlicher Beitrag zur vaterländischen Geschichte, Bd. 1, Speyer 1865. Bockenheimer, Karl Georg, Zwei Sitzungen der Mainzer Klubisten vom 10. und 11. Januar 1793, Mainz 1868; derselbe, Die Mainzer Patrioten in den Jahren 1793 — 1798, historische Skizze, Mainz 1873; derselbe, Georg Forster in Mainz, Mainz 1880; derselbe, Die Belagerung von 1793, Briefe und Aktenstücke, Mainz 1883; derselbe, Die Lage der Stadt Mainz zur Zeit der französischen Herrschaft, Mainz 1889; derselbe, Die Einnahme von Mainz durch die Franzosen am 22. Oktober 1792, Mainz 1892; derselbe, Die Wiedereroberung von Mainz durch die Deutschen im Sommer 1793, in: Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der Rheinischen Geschichte und Altertümer in Mainz, Mainz 1893, Bd. 4, Heft 1, S. 1 — 116; derselbe, Franz Konrad Macke, Bürgermeister von Mainz (1756 — 1844), Mainz 1904; derselbe, Die Mainzer Geistlichkeit während der ersten französischen Herrschaft am Rhein 1792 — 1793, in: Studien aus Kunst und Geschichte, Freiburg (Breisgau) 1906. S. 251—258.

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Kleins, nur sind seine Darlegungen nicht von dessen primitiver Art. So distanzierte er sich ausdrücklich von Kleins Schmähschrift gegen Forster und meldete auch Vorbehalte gegen dessen Beurteilung der Ereignisse von 1792/1793 an, die allzusehr unter dem Einfluß der zeitgenössischen konterrevolutionären Publizistik stünden. Doch gleichzeitig polemisierte er ebenso heftig gegen den 1880 in der Mainzer Stadtverordnetenversammlung vorgelegten Antrag, eine Straße nach Forster zu benennen — dazu hat sich übrigens Mainz bis auf den heutigen Tag noch nicht durchringen können. Wie es Heimatforschern häufig zu gehen pflegt,-erging es jedoch auch Bockeaheimer. Er verliebte sich ein wenig in den Gegenstand seiner Forschung, und das hatte hier den Vorzug, daß er allmählich den Leistungen wenigstens der führenden Klubisten in manchem gerechter werden konnte. Ihn beeindruckte der Wahrheitsgehalt ihrer Kritik an den alten Zuständen, so daß er nicht in das Verratsgeschrei im Hinblick auf die kampflose Übergabe der Festung im Jahre 1792 einstimmte. Er machte in seiner umfangreichen Arbeit zur Mainzer Republik aus dem Klub keinen Kleinschen Höllenpfuhl, sondern fand auch anerkennende Worte für die geistige Leistung einzelner Mitglieder. Vor allem hob er die Verwaltungstätigkeit der Mainzer Munizipalität unter Maire Macke hervor, für den er sogar eine Art Ehrenrettung verfaßte, indem er ihn als Gemäßigten herausstrich und in einen schroffen Gegensatz zu den französischen Behörden und ihren Anhängern stellte. Das Beispiel solcher Wertung Mackes aber verdeutlicht auch, daß die genannten positiven Aspekte in den Darstellungen Bockenheimers am Ende doch wieder höchst zweifelhaft waren, nämlich im Sinne einer konservativen Grundposition verbogen wurden. Bis in die Weltkriegszeit hinein hat diese von der Lokalhistorie initiierte konservative chauvinistische Richtung die Geschichtsschreibung über die Mainzer Republik bestimmt. Es gab nur einen frühen Versuch, diese Phalanx zu durchbrechen, aber er war unglücklich und darum auch erfolglos. Der Sozialdemokrat Wilhelm Bios unternahm es 1875 in einer populären Schrift über die „Revolution zu Mainz", der „bis zur Lächerlichkeit nörgelnden Kritik" der Klein und Konsorten ebenso wie dem nach der Manier Königs in „poetischen Nebel" getauchten Bild zu begegnen, indem er zu zeigen versuchte, „wie Ereignisse und Personen jener Geschichtsepoche die Folgen und Produkte der damaligen staatlichen und gesellschaftlichen Zustände" waren. 91 Sein Demokratismus hatte Bios von der kleinbürgerlichen süddeutschen Volkspartei zur Sozialdemokratie vorstoßen lassen, ohne daß er damit in sich den Kleinbürger und in diesem die eigene Unbeständigkeit im Klassenkampf überwand. So wurde der extrem linksradikale Bios, der 1875 über die Mainzer Revolution schrieb, schon 1878 zum Kapitulanten vor der mit Ausnahmegesetzen drohenden Regierung und endete als extrem rechter Opportunist. Er ging an sein Thema nicht als Marxist heran, der seinen Untersuchungen eine sorgfältige Klassenanalyse zugrunde legt, um so Größe und Grenzen der revolutionären Bewegung bestimmen zu können. Ganz unhistorisch machte er vielmehr seine abstrakten Vorstellungen von der Freiheit, Gleichheit und weltrepublikanischen Brüderlichkeit zur Elle, mit der er maß. Im Ergebnis genügten die Mainzer Klubisten keiner der Anforderungen, die Bios an sie stellte, und das wenige, was sie boten, vermochte die „granitne Dummheit" des Volkes nicht zu erfassen.92 Seine massierten und massiven Fehlurteile machen die Wahrheiten, die sich bei ihm selbstverständlich auch finden und insbesondere der Feudalreaktion gelten, weitgehend wertlos. 91 9S

Bios, Wilhelm, Die Revolution zu Mainz 1792 und 1793, nach Quellen dargestellt, Nürnberg 1875, S. 3 f. Ebenda, S. 50.

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Spezialstudie

Mit solchen Geniestreichen eines wildgewordenen Kleinbürgers war die konservativchauvinistisch ausgerichtete und von der Lokalhistorie getragene Beschäftigung mit der Mainzer Republik nicht zu erschüttern; ihr entstanden im Gegenteil neue Streiter. Der Mainzer Stadtbibliothekar Börckel schneiderte seine publizistisch angelegten Histörchen ebenso nach diesem Zuschnitt93 wie Lehrer Metzger aus dem Dorfe Finthen bei Mainz seine kurze Darstellung 94 . Ein Unikum war der liberal angehauchte Schaible, der es fertigbrachte, seine ausgerechnet auf Girtanners „Historischen Nachrichten" basierende Skizze mit einer an französische Freimaurer gerichteten Rede zur deutschfranzösischen Verständigung zu schließen, zu der die Deutschen den humanen Charakterzug einbrächten, während die Franzosen nur auf ihre Selbstüberhebung zu verzichten hätten. 95 Boos in seiner „Geschichte der rheinischen Städtekultur" mit Worms als Schwerpunkt behandelte die entsprechenden Passagen ganz im Geiste der konservativ-chauvinistischen Lokalhistorie. 96 Während die schriftstellernde Lady Blennerhasset und geborene Gräfin von Leyden noch sehr summarisch schlußfolgerte, daß der germanische Instinkt eine Befreiung um den Preis des Bruchs mit der Vergangenheit nicht als Befreiung akzeptieren könnte97, mühte sich Hashagen später mit Hilfe einer ebenso einseitigen Quellenauswahl wie -interpretation um die lokalgeschichtliche Fundierung der These, daß der Konservatismus einen unausrottbaren und bestimmenden Wesenszug des Rheinländers darstelle.98 Am Ende dieser Reihe steht der Mainzer Hilfsbibliothekar Goetz, der nun schon mitten im Kriege ein „Urteil über Georg Forster" formulierte, in dem sich lokalhistorische Borniertheit mit imperialistischem Chauvinismus vereinte.99 Die überregionale Geschichtsschreibung widmete der Mainzer Republik keinerlei Aufmerksamkeit. Lediglich auf editorischem Gebiet leistete sie einen geringfügigen Beitrag im Gefolge der bürgerlichen Literaturwissenschaft, die in ihrer positivistischen Epoche besondere Aufmerksamkeit der Erschließung aller erreichbaren Dokumente zur Goethezeit schenkte. So entstanden die Briefausgaben von Georg Waitz100, Hermann

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Börckel', Alfred, Adam Lux, ein Opfer der Schreckenszeit. Nach seinen Schriften und Berichten seinerZeitgenossen, Mainz 1892; derselbe, Aus der Mainzer Vergangenheit. Historische Schilderungen, Mainz 1906. Die Zählebigkeit dieser Art Geschichtsschreibung beweist das Erscheinen einer Artikelsammlung vom selben Autor: Mainzer Zeit- und Lebensbilder, Mainz 1928. Metzger, /., Vor hundert Jahren. Kurze Darstellung der Kriegsereignisse in den Jahren 1792—1793 mit besonderer Berücksichtigung der denkwürdigsten Begebenheiten in Mainz und den umliegenden Landorten, o. O. 1893. Schaible, Karl Heinrieb, Deutschland vor hundert Jahren. Die Einnahme von Mainz im Jahre 1792 und die Mainzer Jakobiner, eine chronologische Skizze, entworfen nach Dr. Chr. Girtanners „Historischen Nachrichten über die französische Revolution", Karlsruhe 1892. Boos, Heinrich, Geschichte der rheinischen Städtekultur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, mit besonderer Berücksichtigung der Stadt Worms, Teil 4, Berlin 1901. Blennerhasset, Charlotte Lady, Die Deutschen und die französische Revolution, in: Deutsche Rundschau, hg. von Julius Rodenberg, Bd. 60 (1889), S. 51—72, 2 1 6 - 2 2 8 . Hashagen, Justus, Das Rheinland und die französische Herrschaft. Beiträge zur Charakteristik ihres Gegensatzes, Bonn 1908. Goetz, Ernst, Unser Urteil über Georg Forster, in: Quartalsblätter des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen, NF Bd. 6, Nr. 5, 1. Vierteljahrsheft 1917, S. 1 3 4 - 1 4 4 . Caroline, Briefe an ihre Geschwister, ihre Tochter Auguste, die Familie Gotter, F. L. W. Meyer, A. W. und Fr. Schlegel, J. Schelling u. a., hg. von Georg Waitz, Bd. 1, Leipzig 1871; Caroline an ihre Freunde. Mitteilungen aus Briefen von Georg Waitz, Leipzig 1882.

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Hettner101 und Paul Zincke102, die immerhin einiges neue Material auch zur Geschichte der Mainzer Republik brachten. Die Verdienste, die sich Albert Leitzmann um die Herausgabe der Forsterschen Arbeiten erwarb, kamen nicht dem Revolutionär zugute, um den seine Editionen einen großen Bogen machten. Wahrscheinlich hat ihn auch der Revolutionär Forster gehindert, die in seiner Antrittsvorlesung von 1891 versprochene Biographie jemals vorzulegen, zumal die dort mit ein paar Strichen gegebene Version vom reuigen Sünder nicht aufrechtzuerhalten war-.103 Die textkritischen Untersuchungen seines Mitarbeiters Zincke haben dieser Legende den Todesstoß versetzt, aber ihn selbst ebensowenig auf das Wesendiche hingelenkt, sondern den Ausweg in einer intensiven Beschäftigung mit dem Familienleben Forsters suchen lassen.104 Die Mainzer Republik blieb im junkerlich-bourgeoisen und imperialistischen Deutschland der Vorkriegszeit eine Domäne der reaktionären Lokalhistorie, deren Wertungen in die überregionale Historiographie einflössen; für die maßgebliche Forschung gehörte sie zu den unberührbaren Themen. Ein begrenzter Wandel setzte mit dem Ende des ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution ein, wobei zwei Motive zusammenflössen. Zum ersten forderte die französische bürgerliche Historiographie, die unter anderem die Mainzer Republik als historisches Argument für die imperialistischen Annexionsabsichten Frankreichs mißbrauchte105, die imperialistische deutsche Geschichtsschreibung heraus; zum anderen machte die in der Novemberrevolution ausgelöste demokratische Massenbewegung eine liberale Drapierung der bestehenden Ordnung, mithin auch der sie verteidigenden bürgerlichen Historiographie, zum dringenden Gebot. Beide Motive waren in der Zeit der Weimarer Republik ständig wirksam, wobei sie teils miteinander verquickt, teils unabhängig voneinander die Betrachtung der Mainzer Republik bestimmten. Einen echten Gewinn für die Sache selbst hat der so motivierte Wandel naturgemäß nicht bringen können. Die Abwehr französischer imperialistischer Ansprüche, wie sie Aloys Schulte noch im letzten Kriegsjahr auf historiographischem Gebiet initiierte, steht dem bornierten Chauvinismus seiner von ihm bekämpften Gegner in nichts nach.106 Die gleiche nationalistische Tendenz verfolgte Springer in seiner auf die Pfalz beschränkten Untersuchung der Franzosenzeit.107 Während er jedoch dabei immer noch einige kritische Worte für die vorrevolutionären Zustände fand, schwamm Ernst M. Schreiber schon

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Georg Forsters Briefwechsel mit S. Tb. Sömmering, hg. von Hermann Hettner, Braunschweig 1877. Georg Forsters Briefe an Christian Friedrich Voß, hg. von Paul Zincke, Dortmund 1915. Leitzmann, Albert, Georg Forster. Ein Bild aus dem Geistesleben des 18. Jahrhunderts, akademische Antrittsvorlesung, gehalten in der Aula der Universität zu Jena am 27. April 1891, Halle 1893. Zincke, Paul, Georg Forster nach seinen Originalbriefen, 2 Teile, Dortmund 1915. Als Repräsentanten dieser Bestrebungen seien genannt: Driault, Edouard, La république et le Rhin, vol. 1, Paris 1916; Babelon, Ernest, Le Rhin dans l'histoire, vol. 2, Paris 1917; Sagnac, Philippe, Le Rhin français pendant la révolution et l'empire, Paris 1917; Funck-Brentano, FrantLa France sur le Rhin, Paris 1919; Engerand, Louis, L'opinion publique dans les provinces rhénanes et en Belgique 1789 —1815, Paris 1919; Aulneau, f . , Le Rhin et la France, Histoire politique et économique, Paris 1921. Schulte, Aloys, Frankreich und das linke Rheinufer, Stuttgart—Berlin 1918. Springer, Max, Die Franzosenherrschaft in der Pfalz 1792 — 1814 (Departement Donnersberg), Berlin—Leipzig 1926.

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wieder völlig im chauvinistischen Fahrwasser der überkommenen kleingeistigen Lokalhistorie.108 Während die eindeutig nationalistische Betrachtungsweise, bei Schulte und Schreiber offen reaktionär, bei Springer liberal verbrämt, das Bild der Mainzer Republik in nichts bereicherte, hat die den liberalen Standpunkt betonende Historiographie immerhin einiges Wenige bieten müssen, um ihren Liberalismus glaubwürdig zu machen. Dazu gehört die Dissertation von Adam Jäger, der in Daniel Dumont, dem Sprecher des Mainzer Kaufmannsstandes, Gegner der von den Klubisten erstrebten demokratischen Umwälzung und Kollaborateur der geflüchteten kurfürstlichen Regierung, einen Vorläufer des rheinischen Liberalismus der Vormärzzeit feierte.109 Obwohl die Behandlung dieser Randerscheinung das Bild der Mainzer Revolution ergänzte, lief die Aufwertung, die Dumont erfuhr, faktisch auf eine Abwertung der Klubisten hinaus. Der revolutionäre Demokratismus ließ sich also nach 1918 von liberalen Positionen nicht schlechter als von reaktionären bekämpfen. Noch deutlicher zeigte sich diese Tendenz bei der Schriftstellerin Ina Seidel, die in einem Aufsatz voller sachlicher Fehler ebenfalls die Richtung Dumonts heraushob und, um eingestandenermaßen der „Bolschewistengefahr" zu begegnen, die Klubisten um so nachdrücklicher verleumdete.110 Es ist auch kein Zufall, daß Paul Zincke, der sich um die Forster-Forschung echte Verdienste erworben hat, die Seideische Arbeit als einen „ausgezeichneten Aufsatz" apostrophierte.111 Seine Sympathien für eine liberale Deutung des Forsterbildes ließen ihn zwar den Vielgeschmähten verteidigen, aber er plädierte dabei lediglich für die Anerkennung mildernder Umstände. Es kennzeichnet den Grad des ideologischen Verfalls, den die Sozialdemokratie damals erreicht hatte, daß die im Dietz Verlag 1922 erschienene Arbeit von Conrady sich im Grundsätzlichen von den liberal getönten bürgerlichen Darstellungen in nichts mehr unterschied.112 Völlig kritiklos, weil selbst nicht minder nationalistisch, übernahm Conrady die Ergebnisse der reaktionären Lokalhistorie und pries insbesondere Hashagens Buch als vortrefflich, da er wie dieser den Einfluß der Französischen Revolution auf die rheinische Bevölkerung so klein wie möglich zu halten suchte. Auf diese Weise konnten die Mainzer Revolutionäre als eine Ansammlung von wirklichkeitsfremden Enthusiasten und zweifelhaften Leuten abgewertet werden, über deren Vorstellung und praktische Bemühungen sich kaum ein Dutzend Seiten zu schreiben verlohnte. Der positive Beitrag der bürgerlichen Geschichtsschreibung — die sozialdemokratische eingeschlossen — beschränkte sich darum in der Weimarer Republik auf einzelne Spezialstudien und Quellenveröffentlichungen, die Faktenmaterial für die Geschichte der Mainzer Revolution 108

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Schreiber, Ernst M., Französische Ausweisungspolitik am Rhein u n d die N o r d f r a n k e n legion. Z w e i Beiträge zur Geschichte der französischen Herrschaft am Rhein im Zeitalter der Revolution, Berlin 1 9 2 9 — Rheinische Schicksalsfragen, eine Schriftenfolge, hg. v o n Paul Rühlmann, Nr. 29/30. Jäger, Adam, Daniel D u m o n t . Ein Beitrag zur Geschichte des mittelrheinischen Liberalismus, phil. Diss. F r a n k f u r t (Main) 1920. Seidel, Ina, R e v o l u t i o n in Mainz (1792/93), in: Westermanns Monatshefte, 64. Jg., 1 9 1 9 , Bd. 127, 1. Teil, S. 8 2 — 8 9 ; ein erneuter A b d r u c k erfolgte unter dem faschistischen Regime: Volkstum und Sprache, A u s g e w ä h l t e V o r t r ä g e und Aufsätze, Stuttgart—Berlin 1934, S. 1 4 1 bis 174. V o n derselben Verfasserin stammt der unerquicklich psychologisierende u n d revolutionsfeindliche Forster-Roman „Das Labyrinth", Jena 1 9 2 2 , der in der Weimarer Republik zwei, in der Nazizeit drei und nach 1 9 4 5 nochmals drei A u f l a g e n erlebte. Zincke, Forsters Bildnis, S. 7 1 . Conrady, Alexander, Die Rheinlande in der Franzosenzeit (1750 — 1 8 1 5 ) , Stuttgart 1 9 2 2 .

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sicherten. Dazu gehörten die verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Untersuchung von Käss113, die wirtschafte- und sozialwissenschaftliche Dissertation von Schmitt114, die pressegeschichtliche Studie von Roth115 und die breit angelegte Quellensammlung von Joseph Hansen116. Daß diese Arbeiten trotz relativer Brauchbarkeit in ihrer Grundlinie revolutionsfeindlich blieben, versteht sich von selbst. Hansen z. B. hat um die massenhaft vorhandenen dokumentarischen Zeugnisse revolutionärer Aktivität in Mainz einen großen Bogen gemacht; von dem halben Hundert Nummern, die dem Mainzer Geschehen von Oktober 1792 bis zum Juli 1793 gewidmet sind, räumte er klubistischen Äußerungen ganze drei ein.117 Im übrigen ließ er neben einigen französischen Quellen vornehmlich die deutsche konterrevolutionäre Presse und kaiserliche Gesandtschaftsberichte sprechen, die natürlich auf Mitteilungen aus zweiter und dritter Hand angewiesen waren. Ein Durchbruch zu echter historischer Würdigung der Mainzer Republik konnte einzig vom proletarischen Klassenstandpunkt erfolgen, für den die Revolution kein Schreckgespenst war und der dem französischen Chauvinismus nicht mit dem ebenso widerwärtigen deutschen begegnete. Das Beste, was die Weimarer Zeit zur Erschließung jener revolutionären Episode beitrug, stammte denn auch aus der Feder eines Mannes, der sich damals unter dem Eindruck der Novemberrevolution und der folgenden Klassenkämpfe eng an die revolutionäre Arbeiterbewegung anlehnte: Kurt Kersten. Seine Arbeit hatte zwar nicht die Mainzer Republik zum eigentlichen Gegenstand, sondern die Gestalt Forsters, aber da er ihn vor allem als Revolutionär würdigte, spielten die Mainzer Ereignisse dabei naturgemäß eine beträchtliche Rolle.118 Kersten sah in Forsters Lebenslauf keine Katastrophe wie Zincke, sondern den Weg eines ganzen Mannes, der, bestimmt von den zukunftsträchtigen Ideen der Aufklärung, folgerichtig wie nur sehr wenige in seiner Zeit die revolutionäre Aktivität als notwendige Konsequenz seiner Weltanschauung erkannte, bejahte und praktizierte. Entgegen der bürgerlichen Mär von dem unpolitischen Forscher, den die Revolution auf Irrwege getrieben hätte, stellte Kersten mit Nachdruck fest: „Forster war kein Opfer der Revolution, sondern ihr Träger." 119 Kersten simplifizierte nicht. Er erkannte die Schwierigkeiten, die sich vor den Mainzer Revolutionären aufgetürmt hatten, die Kompliziertheit des Übergangs für die vielen vom leidenden Objekt zum handelnden Subjekt im Staate, die Erobererzüge in der Befreierrolle der Franzosen, die Zickzackpolitik Custines, die Fraktionskämpfe innerhalb der revolutionären Partei, die konterrevolutionäre Aktivität des Vikariats und der kurfürstlichen Beamten, die militärische Bedrohung durch die Truppen der Koalition. Um Käss, Ludwig, Die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung auf dem linken Rheinufer durch die Franzosen während der Besetzung 1792 bis zum Frieden von Lunéville (1801), Mainz 1929. 111 Schmitt, Friedrich, Das Mainzer Zunftwesen und die französiche Herrschaft. Ein Beitrag zur Charakteristik ihres Gegensatzes, wirtschafts- und sozialwiss. Diss., Frankfurt (Main) 1929. 115 Roth, Hugo, Die Mainzer Presse von der Mainzer Revolution 1792 bis zum Ende der zweiten französischen Herrschaft 1814, Darmstadt 1930. 116 Quellen £ur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution 1780— 1801, gesammelt und hg. von Joseph Hansen, Bd. 1: 1 7 8 0 - 1 7 9 1 , Bonn 1931 ; Bd. 2 : 1 7 9 2 - 1 7 9 3 , Bonn 1933; Bd. 3: 1 7 9 4 - 1 7 9 7 , Bonn 1935; Bd. 4: 1 7 9 7 - 1 8 0 1 , Bonn 1938. 117 Hansen II, Nr. 271, S. 5 8 4 - 5 8 7 ; Nr. 292, S. 6 3 8 - 6 4 0 ; Nr. 358, S. 7 9 9 - 8 0 1 . 118 Kersten, Kurt, Ein europäischer Revolutionär: Georg Forster 1754—1794, Berlin 1921. ™ Ebenda, S. 67. 113

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so vorbehaltloser bejahte er den Klub als revolutionäres Kontrollorgan und verteidigte er Forsters Radikalismus gegenüber den alten Gewalten auf dem Lande und den Eidverweigerern in der Stadt. Voller Hochachtung konstatierte er: „Er war der Schrecken der privilegierten Klassen Deutschlands."12® Allerdings schwang in diesen Worten auch ein unmarxistischer und im letzten Grunde kleinbürgerlicher Linksradikalismus mit, der. auf eine solide Klassenanalyse verzichtete, in der Jakobinerdiktatur schon sozialistische Charakterzüge zu erkennen meinte und die nationale Frage kosmopolitisch überspielte, indem er Forster einfach zum europäischen Revolutionär machte. Diese Mängel lassen das insgesamt positive Urteil über die Leistung Kerstens bestehen, aber sie wurden für den Autor in dem Augenblick unheilvoll, als er mit der Entfernung von der revolutionären Arbeiterbewegung den korrigierenden Kompaß verlor. Sein 1957 in der Schweiz erschienenes Forsterbuch stellte den betrachtenden Forschungsreisenden und Gelehrten über den handelnden Revolutionär, der sich angeblich nicht in die Revolution zu finden wußte. 121 Eine solche Interpretation, die ausdrücklich die ältere Studie als überholt abtat, war Folge und Ausdruck der Desertion des Autors von der Seite der kämpfenden Arbeiterklasse in die hoffnungslose Sterilität bürgerlicher Wohlanständigkeit. Der Kersten der zwanziger Jahre hat als Biograph des Revolutionärs Forster keine Mitstreiter gehabt. Die aus Briefzitaten zusammengesetzte Biographie von Langewiesche war konterrevolutionär122, und die progressive, von Rudolf Leonhard als Chrestomathie angelegte Auswahl Forsterscher Schriften sagte zur Mainzer Revolution wenig aus.123 Daß die Zeit des Faschismus nichts oder nur Verfälschungen anzubieten hatte, versteht sich von selbst; dafür stehen die feuilletonistisch aufgezogenen Machwerke Walter Bauers.124 Erst die Befreiung von der faschistischen Barbarei schuf Bedingungen, unter denen eine historische Besinnung auf progressive Leistungen der deutschen Geschichte öffentlich möglich wurde, aber auch und vor allem dringend geboten war. Daß der Mainzer Republik dabei nahezu ausschließlich im Rahmen der Forsterforschung gedacht wurde, ist angesichts der Bedeutung und Anziehungskraft dieses Mannes verständlich und gilt ebenso für den Westen wie für den Osten. Was Ost und West jedoch bei einer ersten Musterung der Forschungsergebnisse nach 1945 wesentlich unterscheidet, ist die Intensität, mit der sich die Geschichtsschreibung hüben und drüben diesem Gegenstande gewidmet hat. Wenn man von einer Reihe kleiner Miszellen absieht, die meist zufällige Quellenfunde bekannt machen und sich in der Fülle anderer lokal- und regionalgeschichtlicher Mitteilungen verlieren, so hat die westdeutsche Historiographie in der Adenauer-Ära noch nicht einmal eine Handvoll Veröffentlichungen anzubieten, die sich mit Forster bzw. mit der Mainzer Revolution auch nur im größeren Zusammenhange näher beschäftigen. Dem steht in der Deutschen Demokratischen Republik eine Vielzahl von Publikationen gegenüber, die sowohl von der Quellenaufbereitung und von der historischen Inter120 121 122 123 124

Ebenda, S. 79. Derselbe, Der Weltumsegler Johann Georg Forster 1754—1794, Winterthur 1957. Langewiesche, Wilhelm, Georg Forster. Die Abenteuer seines Lebens, unter Wiedergabe vieler Briefe und Tagebucheintragungen erzählt, Ebenhausen (Isartal)—Leipzig (1923). Forster, Georg, Ausgewählte Schriften, hg. von Rudolf Leonhard, Berlin 1929. Bauer, Walter, Georg Forster. Ein Bildnis aus dem achtzehnten Jahrhundert, in: Das Innere Reich, Zeitschrift für Dichtung, Kunst und deutsches Leben, 8. Jg. 1941, Heft 7, S. 360 bis 381; derselbe, Flamme und Asche. Bildnis Georg Forsters, Köln 1944.

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pretation her wie von der Popularisierung der aus beiden Bearbeitungsstufen gewonnenen Erkenntnisse eine in dieser Dichte bisher unerreichte Leistung darstellen. Diese Diskrepanz ist kein Zufall, sondern notwendige Folge der total divergierenden gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik einschlugen. Sie beweist einmal mehr, daß bei der Aneignung des progressiven historischen Erbes der Klassenstandpunkt entscheidet. Eine Betrachtung des konzeptionellen Herangehens bestätigt diesen allein schon aus der unterschiedlichen Bearbeitungsintensität gewonnenen gegensätzlichen Eindruck auch vom Inhalt her. Eine einzige in der BRD erschienene Forsterbiographie bekannte sich bedingungslos zum Revolutionär Forster und forderte um der Gegenwart willen die Besinnung auf ihn „mit klarem Blick und offenem Herzen"; es ist die von Reintjes im Düsseldorfer Progress-Verlag schon 1953 herausgegebene Darstellung, die meist Forster selbst aus Briefen und anderen Zeugnissen zu uns sprechen läßt.125 Es ist ein marxistisches Buch und für die westdeutsche Geschichtsschreibung nicht repräsentativ. Einige wenige Jahre zuvor hatte Becker eine zweibändige Auswahl Forsterscher Schriften zum Problem „Mensch und Staat'" herausgebracht.126 Sie enthält unter anderem wichtige Revolutionsschriften Forsters, doch die Mainzer Revolution blieb ausgespart, und das nicht von ungefähr. Der Herausgeber akzeptierte Forsters Entscheidung nur wegen ihres angeblichen Vorzugs, über das enge nationale Souveränitätsdenken hinweg zu weltbürgerlichen Konsequenzen vorgestoßen zu sein. Im übrigen nannte er es eine spezifische Neigung der Deutschen, dem Ideenleben den Vorrang zu geben: „Hier kämpfen sie ihre Revolutionen durch. In ihrem Innern finden sie die Welt, in der zu handeln sich lohnt und in der sie Taten vollbringen, welche die Welt schon des öfteren erschüttert haben."127 Diese kosmopolitisch aufgemachte Interpretation entsprach der damaligen bundesrepublikanischen Gegenwart, die die imperialistische deutsche Wiedergeburt im westeuropäisch-atlantischen Rahmen betrieb. Man möchte meinen, daß Valjavec, der die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland zwischen 1770 und 1815 untersuchte und dabei sogar die allerdings unhaltbare These verfocht, „daß unsere Nation in diesem Abschnitt europäischer Geschichte auf der Höhe ihrer politischen und sittlichen Aufgaben gestanden hat"128, gerade der Mainzer Republik als einer politischen Realität und nicht mehr bloßer Idee eine angemessene Beachtung geschenkt hätte. Aber das Gegenteil war der Fall. Er berührte sie kaum und entwertete sie so als eine isolierte Erscheinung ohne nennenswerte Folgerungen. Das gleiche Bild lieferte Huber in seiner umfangreichen deutschen Verfassungsgeschichte, die sich bis in die überflüssigsten Details des absterbenden Reiches versenkt und dabei für den rheinisch-deutschen Freistaat nur Gemeinplätze auf einer knappen Seite übrig hat; die weiterführenden Literaturhinweise dazu bevorzugen eindeutig reaktionäre Publikationen.129 125 126 127 128 129

Reintjes, Heinrich, Weltreise nach Deutschland. Johann Georg Forsters Leben und Bedeutung, Düsseldorf 1953, S. 5. Johann Georg Forster, Mensch und Staat. Eine Auswahl aus seinen Schriften in zwei Bänden, hg. von Otto Hasso Becker, Hildesheim 1950. Ebenda, Bd. 1, S. 19. Valjavec, Frit%, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770 bis 1815, München 1951, S. 416. Huber, Emst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1: Reform und Restauration 1 7 8 9 - 1 8 3 0 , Stuttgart 1957.

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Wieder einmal aus der großen Geschichte eliminiert, wurde die Mainzer Republik nach wie vor lediglich von Dissertanten, die auf einen für ihren Zweck geeigneten Quellenbestand stießen130, oder von der Lokalhistorie ab und an tangiert: Wenn etwa der Nachfahr eines Klubisten in den Familienpapieren zufällig ein ungedrucktes Dokument fand 131 oder Daten zum Leben einzelner Lokalgrößen nachzutragen waren 132 oder der Uberfluß an gedruckten reaktionären Quellen um eine weitere vermehrt werden konnte 133 oder des Adam Lux gedacht werden sollte, dessen Ende auf der Guillotine die Reaktion schon lange mit seinen klubistischen Sünden versöhnt hatte.134 Daß selbst ein Ernst M. Schreiber unverdrossen seinem alten Chauvinismus huldigen konnte 135 , bestätigt nur die im allgemeinen unverändert reaktionäre Betrachtungsweise der bundesrepublikanischen Lokalhistorie in den 50er und 60er Jahren. Im Prinzip änderte sich daran selbst dann nichts Wesentliches, als die Adenauer-Ära zu Ende ging und die BRD mit einer sozialliberalen Regierung auch einen sozialdemokratischen Bundespräsidenten erhielt, den geschichtliche Fragen lebhaft interessierten. Die Mainzer Lokalhistorie beherrschte seit Mitte der 60er Jahre für mehr als ein Jahrzehnt ziemlich uneingeschränkt Helmut Mathy, der es dabei vom Mainzer Universitätsarchivar zum Ministerialrat in Rheinland-Pfalz gebracht hat. Er begann 1965 mit einer Besprechung der Edition des DDR-Literaturhistorikers Claus Träger, die er schlicht als unwissenschaftliches Arrangement abtat, wobei er als Fazit formulierte, daß „nachdrücklich vor der Überschätzung der Mainzer Revolution und der Herabsetzung der kurfürstlichen Zeit" zu warnen sei.136 Aus dieser betont antimarxistischen und konser130 131

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Hochmuth, Karl, Die Klubistenverfolgungen 1793 — 1798, phil. Diss. Würzburg 1957. Scheuer, Ludwig, Aus den Erinnerungen eines Mainzer Illuminaten während der Französischen Revolution, in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, Jg. 8,1959, Heft 1, S. 161 f. Schmitt, Hermann, Eine Bittschrift des Herrnsheimer Pfarrers Sambuga (1793), in: Der Wormsgau, 3. Bd., 1956, Heft 5, S. 332—335; Renner, Michael, Zwischen Kaiserkrone und Jakobinermütze. Aus dem Leben des Amorbacher und Naumburger Stadtpfarrers Dr. Carl Melchior Arand, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter, Jg. 23, 1961, S. 233—243; Klug, Ernst, Unter dem Freiheitsbaum, in: Heimatbuch des Landkreises Alzey, 1964, S. 49—52; derselbe, Die Rechtfertigungsschrift des Wörrstadter Arztes Georg Ludwig Koeler, in: Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 5, 1968, S. 84—117; Hartleb, Josef, Die Jugend Joseph Schlemmers, dargestellt nach Aufzeichnungen aus seinem Tagebuch, in: Mainzer Almanach, Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart, 1969, S. 81—93. Gottron, Adam, Tagebuch des Pfarrers Turin von St. Ignaz, in: Mainzer Almanach, Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart, 1958, S. 152—182. Hirth, Friedrich, Adam Lux, der Mainzer Revolutionär, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz, Bd. 5, Mainz 1950, S. 494-503. Fuchs, Konrad, Albinis Schrift ,Über die Mainzer Konstitution' von 1792, in: Mainzer Zeitschrift, Jg. 67/68, 1972/73, Mainz 1973, S. 9 4 - 9 8 . Schreiber, Ernst M., Der Mainzer Jakobinerklub im Dienste der politischen Propaganda des Generals Custine und die ablehnende Haltung der Zünfte 1792/1793, in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, Jg. 4, 1954, Heft 2, S. 97 — 100. Als Marga Dörr in einem Artikelchen über ,Ober-Olm und die Belagerung von Mainz 1793' — ebenda, Jg. 7, 1958, Heft 1, S. 86—90 — die Bevölkerung des Ortes für die Ideale der Freiheit aufgeschlossen und franzosenfreundlich zu nennen wagte, meldete Schreiber sofort seinen Protest an, den Marga Dörr allerdings nicht akzeptierte: Ernst M. Schreiber und Marga Dörr, Nochmals: Oberolm und die Belagerung von Mainz 1793; in: Ebenda, Jg. 8, 1959, Heft 2, S. 171-174. Mathy,Helmut, Rezension von: Mainz zwischen Rot und Schwarz. Die Mainzer Revolution 1792 — 1793 in Schriften, Reden und Briefen, hg. von Claus Träger, Berlin 1963, in: Geschichtliche Landeskunde, Bd. 2, Wiesbaden 1965, S. 229.

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vativen Gesinnung heraus sind all die vielen Artikel und Artikelchen geboren, die in den vergangenen Jahren aus seiner Feder zu dieser Thematik flössen — auch wenn er sich den Anschein geben möchte, eine ausgewogene Mittellinie zwischen den Extremen bezogen zu haben. Mathy bestreitet den revolutionären Ereignissen in und um Mainz ihren revolutionären Charakter. 137 Seine biographischen Skizzen über einige mehr oder weniger namhafte Mainzer Klubisten haben neben dem zweifellosen Vorzug, einzelne Fakten und Daten zu sichern, alle die gleiche Tendenz zu einer negativen Gesamtwertung. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich nun um einen Mann wie Dorsch handelt, für dessen Charakterzeichnung die konterrevolutionäre Publizistik zu Rate gezogen wird, oder um den Arzt Wedekind, den er nicht pauschal verurteilen will, um jedoch im gleichen Atemzuge vor einer „da und dort durchscheinenden Ehrenrettung" zu warnen, oder um eine so bedeutungslose Randfigur wie den Sprachlehrer Pierre oder den herausragenden Präsidenten des Mainzer Nationalkonvents Hofmann, der „als Strandgut der Revolution" geendet habe, oder um den aufgeklärten Theologen Blau, dessen revolutionäres Engagement angeblich seiner milden Sinnesart nicht entsprach und das Werk von Dorsch war. 188 Was Mathy zur marxistischen Deutung der Mainzer Republik zu sagen weiß, ist Unsinn, den er aber leicht abgewandelt immer von neuem verbreitet: In der DDR würde „die Mainzer Republik von 1792/1793 als der erste Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden gefeiert"139 oder „zum ersten demokratischen Zentrum Deutschlands gemacht, das sich in einer proletarischen Revolution gegen den klassenfeindlichen Feudalismus erhoben habe"140, oder „als fortschrittliches politisches Modell einer fast sozialen Demokratie auf deutschem Boden" interpretiert. 141 137

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Derselbe, Die Nackenheimer Revolution von 1792/93, mit einem Lebensbild des Pfarrers Karl Melchior Arand, Nackenheim am Rhein 1967; derselbe, Als Mainz französisch war. Studien zum Geschichtsbild der Franzosenzeit am Mittelrhein 1792/93 und 1798—1814, Mainz (1968); derselbe, Die französische Herrschaft am Mittelrhein 1792—1814. Vom Streitobjekt zur gemeinsamen Forschungsaufgabe deutscher und französischer Historiker, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter, Jg. 15, 1969, S. 23—30, 65—74. Derselbe, Bemerkungen zum politischen Gehalt im Werk von Isaak Maus, in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, Jg. 15, 1966, Heft 3, S. 291—297; derselbe, Anton Franz Dorsch (1758—1819). Leben und Werk eines rheinischen Jakobiners, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Mainzer philosophischen Fakultät am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Mainzer Zeitschrift, Jg. 62, 1967, S. 1—55; derselbe, Georg Wedekind. Die politische Gedankenwelt eines Medizinprofessors, in: Geschichtliche Landeskunde, Bd. 5, Wiesbaden 1968, S. 177—205; derselbe, Jean-Claude Pierre. Professor der französischen Sprache in Mainz (1734— ca. 1800), zugleich ein Beitrag zu den Antiklubistenprozessen von 1793, in: Mainzer Almanach, 1968, S. 111 — 141; derselbe, Andreas Joseph Hofmann (1752—1849). Professor der Philosophie in Mainz und Präsident des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents, in: Jahrbuch der Vereinigung ,Freunde der Universität Mainz', Bd. 22,1973, S. 15 bis 45; derselbe, Felix Anton Blau (1754—1798). Ein Mainzer Lebensbild aus der Zeit der Aufklärung und Französischen Revolution, zugleich ein Beitrag zur radikalen Aufklärungstheologie am Mittelrhein, in: Mainzer Zeitschrift, Jg. 67/68, 1972/73, S. 1—29; derselbe, Die Rechtsfertigungsschrift des Pfarrers Karl Melchior Arand aus Nackenheim an das Mainzer Generalvikariat und die kurfürstliche Landesregierung (1794). Ein Beitrag zur Haltung des katholischen Klerus im Zeitalter der Französischen Revolution, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, 25. Jg., 1973, S. 227—260; derselbe, Unbekannte Quellen zur Jugendgeschichte von Friedrich Lehne, in: Mainzer Zeitschrift, Jg. 69, 1974, S. 135 — 145. Derselbe, Als Mainz französisch war, S. 8. Derselbe, Die französische Herrschaft, S. 25. Derselbe, Felix Anton Blau, S. 1.

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Welch großes Gewicht trotz solcher und anderer unsinniger Unterstellungen die Ergebnisse der marxistischen Jakobinismusforschung der DDR besitzen, mußte jedoch schon der damalige Bundespräsident Heinemann neidvoll zur Kenntnis nehmen. So forderte er in einer programmatischen Rede am 13. Februar 1970 in Bremen dazu auf, die revolutionär-demokratische Traditionslinie nicht wie bisher zu ignorieren und der DDR-Geschichtsschreibung zu überlassen, sondern sie auch für die angeblich freiheitliche Grundordnung der BRD in Anspruch zu nehmen.142 Natürlich war diese Forderung von keinerlei wissenschaftlicher Relevanz, wohl aber von politischer, die dem zunehmenden Gewicht des real existierenden Sozialismus in der DDR und deren historiographischen Leistungen entsprach. Für die BRD gab die Äußerung des Bundespräsidenten so manchem Autor, der aus echt progressiver Gesinnung die revolutionärdemokratische Traditionslinie lebendig zu machen versuchte, gegenüber der zu allen Zeiten vorherrschenden offenen politischen Reaktion einen gewissen Windschutz — kaum mehr, aber auch nicht weniger. Ludwig Uhlig war noch ein Einzelgänger, wie es ihn natürlich auch immer mal gibt, der bereits in der Mitte der 60er Jahre bei seiner Forsterforschung in der Auseinandersetzung mit dem herkömmlichen Forsterbild zu der Erkenntnis kam: „Besseres Verständnis fand Forsters Jakobinertum bei den Demokraten des 19. und den Kommunisten des 20. Jahrhunderts."143 Uhligs Bindung an die bürgerliche Literatur- und Geistesgeschichte hat ihn nicht gehindert, die Ergebnisse der marxistischen Forsterforschung sehr ernst zu nehmen und im wesentlichen zu bestätigen, so daß für ihn die Mainzer Revolution keinen Bruch in Forsters Entwicklung darstellte, sondern vielmehr umgekehrt vorhandene Ansätze zur Reife brachte. Zu den progressiven Leistungen ist auch Edith Schiroks Dissertation über Forster und die Französische Revolution zu zählen, die sie 1972 vorgelegt hat.144 Wenn die Verfasserin gelegentlich auch in den bürgerlichen Jargon verfällt und die marxistische Sicht mit ideologischer Voreingenommenheit gleichsetzt, hat sie doch kein stupider Antikommunismus mit Blindheit geschlagen. Sie kennt und nutzt die marxistischen Forschungsergebnisse, die sie vor allem im Hinblick auf das Verhältnis Forsters zur aktiven Politik stützt und ergänzt. Eindeutig progressiv sind auch die von Grab initiierten Arbeiten zu Problemen des deutschen Jakobinismus, wie sie beispielsweise in der von ihm herausgegebenen fünfbändigen Dokumentation „Deutsche revolutionäre Demokraten" seit 1971 — teilweise expressis verbis mit Berufung auf die Heinemann-Rede — vorgelegt wurden. Leider ist die ursprünglich im Rahmen dieses Editionsvorhabens vorgesehene Quellensammlung zur Mainzer Republik durch Hellmut G. Haasis nicht zustande gekommen; sie hätte zweifellos eine wesentliche Lücke gefüllt. Immerhin brachte der DDR-Literaturhistoriker Gerhard Steiner in dieser Reihe einen Band über das Mainzer JakobinerTheater ein 145 ; das 2. Kapitel daraus hatte er als eine interessante Spezialstudie bereits 142

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Heinemann, Gustav, Rede bei der Schaffermahlzeit in Bremen vom 13. Februar 1970, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 21 vom 17. 2. 1970, S. 203 f. Uhlig, Ludwig, Georg Forster. Einheit und Mannigfaltigkeit in seiner geistigen Welt, Tübingen 1965, S. 152. Schirok, Edith, Georg Forster und die Französische Revolution. Eine Untersuchung zum Verhältnis von theoretischer Beurteilung und politischer Aktivität, phil. Diss. Freiburg 1972. Steiner, Gerhard, Jakobinerschauspiel und Jakobinertheater, Stuttgart 1973, in: Deutsche revolutionäre Demokraten, Bd. 4, hg. und eingeleitet von Walter Grab.

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1964 in der DDR publiziert.146 Unabhängig von der Dokumentationsreihe Grabs brachte Haasis dann 1976 eine außerordentlich verdienstvolle Bibliographie zur deutschen linksrheinischen Revolutionsbewegung 1792/93 heraus, die bei seltener Literatur und zeitgenössischen Berichten sogar den Standort und die Signatur mitteilte.147 Begrenzt auf die zeitgenössischen Schriften, aber erweitert um eine ganze Reihe neuer Funde, stellt diese Arbeit den Band 2 des Katalogwerkes dar, der 1981 aus Anlaß der vom Kulturdezernenten von Mainz, Anton Maria Keim, angeregten ersten Ausstellung über die Mainzer Jakobiner herausgebracht wurde.148 Grab selbst hat sich mit den Mainzer Jakobinern nur am Rande beschäftigt, und zwar zum ersten im Zusammenhang mit der Revolutionspropaganda der deutschen Jakobiner149 und zum anderen in seiner Schrift „Eroberung oder Befreiung". 150 Beide Arbeiten sind gekennzeichnet durch ihr positives Verhältnis zur revolutionären Demokratie und mußten dennoch eine kritische Würdigung erfahreti. Denn beide überziehen die nationale Frage. Es kann einfach nicht die Rede davon sein, daß die Mainzer Jakobiner letztlich auf die Revolutionierung ganz Deutschlands abzielten; und auch bei der Alternative Eroberung oder Befreiung besteht eindeutig die Gefahr, daß sich die nationale Frage verselbständigt und ihr sozialer, ihr Klasseninhalt dabei in Vergessenheit gerät. 151 Die Geschichtsschreibung ist zu allen Zeiten eine hervorragend politische Wissenschaft, die unterschiedlichen Klasseninteressen, reaktionären und progressiven, aktiv diente und dient. Der marxistische Historiker nimmt bewußt den Standpunkt der Arbeiterklasse ein, die als einzige konsequent revolutionäre Klasse ein unbegrenztes Interesse am gesellschaftlichen Fortschritt hat und darum auch an der Aufdeckung der objektiven Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dieser Standpunkt widerspricht nicht der Wissenschaftlichkeit, sondern sichert erst ihre volle Entfaltung. Er ist untrennbar verbunden mit der Parteinahme für die fortschrittliche Entwicklungslinie, die das deutsche Volk in seiner Geschichte trotz allen Widerständen, Niederlagen, Rückschlägen, Schneckengängen am Ende doch immer wieder durchsetzte und die im sozialistischen deutschen Staat ihren bisherigen Kulminationspunkt erreicht hat. Das progressive Erbe der Vergangenheit gehört zum Fundament der sozialistischen Gegenwart in der DDR; Zug um Zug machte und macht sie es sich zu eigen. Forster zumal, den die Reaktion über anderthalb Jahrhunderte lang um die ihm gebührende Anerkennung als einer der hervorragendsten bürgerDerselbe, Theater und Schauspiel im Zeichen der Mainzer Revolution. Ein Beitrag zur Geschichte des bürgerlich-revolutionären Theaters in Deutschland, in: Studien zur neueren deutschen Literatur, hg. von Hans Seiffert, Berlin 1964, S. 95 — 163. 147 Haasis, Hellmut G., Bibliographie zur deutschen linksrheinischen Revolutionsbewegung in den Jahren 1792/1793, Kronberg/Ts. 1976. 148 Deutsche Jakobiner. Mainzer Republik und Cisrhenanen 1792 — 1798. Bd. 2: Bibliographie zur deutschen linksrheinischen Revolutionsbewegung in den Jahren 1792/93. Ein Nachweis der zeitgenössischen Schriften mit den heutigen Standorten, zusammengestellt von Hellmut G. Haasis, Mainz 1981. 119 Grab, Walter, Die Revolutionspropaganda der deutschen Jakobiner, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 9, 1969, S. 1 1 3 - 1 5 6 . 150 Derselbe, Eroberung oder Befreiung? Deutsche Jakobiner und die Franzosenherrschaft im Rheinland 1792 — 1799, in: Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Trier, Nr. 4, Trier 1971; abermals abgedruckt in: Studien zu Jakobismus und Sozialismus, hg. von Hans Pelger, Berlin — Bonn/Bad Godesberg 1974, S. 1 - 1 0 2 . 151 Scheel, Heinrich, Rezension in ZfG, 19. Jg., 1971, S. 1583f. 146

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lich-demokratischen Revolutionäre betrogen hat, forderte dringend nach wissenschaftlicher Behandlung. Eine Pionierleistung in doppelter Hinsicht war der von Steiner und Häckel 1952 in der Reihe „Lesebücher für unsere Zeit" herausgebrachte Forsterband.152 Zum ersten stellten die Autoren in der ausführlichen Einleitung wie in den mitgeteilten Selbstzeugnissen den Gesellschaftskritiker und Revolutionär in den Mittelpunkt; zum anderen eignete sich der Weg über das Lesebuch vortrefflich, Forsters Gedankenreichtum im besten Sinne des Wortes ins Volk zu tragen und Forster zum lebendigen Besitz der Werktätigen zu machen. Auch die nächsten Veröffendichungen wandten sich darum an einen möglichst breiten Leserkreis. 1954 legte Thoma eine populärwissenschaftliche Forsterbiographie vor, der 1961 die von Miethke folgte.153 Verschiedene historische Romane und Erzählungen, denen intensive historische Untersuchungen zugrunde lagen, bemächtigten sich in dieser Zeit des Stoffes.154 Um die Forsterforschung auf eine solide Quellenbasis zu stellen, übernahm es 1953 die Akademie der Wissenschaften der DDR, an die Stelle der vor mehr als hundert Jahren von Forsters Tochter besorgten und in jeder Hinsicht überholten unvollständigen ersten Werkausgabe eine historisch-kritische Gesamtausgabe zu setzen. Von der auf 18 Bände berechneten Ausgabe sind bis auf einen, der 1991 vorliegen wird, alle erschienen.155 Unabhängig davon kamen verschiedene Auswahleditionen heraus, so daß schon jetzt die wichtigsten Revolutionsschriften Forsters bequem zugänglich sind.156 Inzwischen legte die marxistische Forsterforschung eine beträchtliche Reihe von Spezialuntersuchungen vor, von denen hier jedoch nur solche erwähnt werden können, die sich vornehmlich dem revolutionären Denken und Handeln Forsters widmen. Bahnbrechende Leistungen lieferte die sowjetische Geschichtsschreibung mit den Arbeiten von Moskovskaja, deren Forster-Monographie die bis dahin beste Würdigung der 152 153

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Steiner, Gerhard!Häckel, Manfred, unter Mitarbeit von Lu Märten, Forster, ein Lesebuch für unsere Zeit, Weimar 1952. Thoma, Friedrich M., Georg Forster. Weltreisender, Forscher, Revolutionär, Berlin 1954; Mietbke, Helmuth, Georg Forster. Weltreisender, Schriftsteller und Revolutionär, Halle 1961. Geerdts, Hans Jürgen, Rheinische Ouvertüre. Ein Georg-Forster-Roman, Weimar 1954, 3. Aufl. 1955; Döppe, Friedrich, Forster in Mainz. Roman, Berlin 1956; dasselbe unter dem Titel: Die Jakobiner in Mainz, Berlin 1960; Miethke, Helmuth, Bewegte Jahre. Eine historischbiographische Erzählung über Georg Forster, Berlin 1956. Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Literaturgeschichte, Bd. 1: Voyage round the world, 1. u. 2. Teil, Berlin 1968; Bd. 2: Reise um die Welt, 1. Teil, 1965; Bd. 3: Reise um die Welt, 2. Teil, 1966; Bd. 4: Streitschriften und Fragmente zur Weltreise, 1972; Bd. 5: Kleine Schriften zur Völker- und Länderkunde, 1985; Bd. 6: Schriften zur Naturkunde, 1991; Bd. 7: Kleine Schriften zur Kunst und Literatur, Sakontala, 1963; Bd. 8: Kleine Schriften zur Philosophie und Zeitgeschichte, 1974; Bd. 9: Ansichten vom Niederrhein, 1958; Bd. 10: Revolutionsschriften, 1989; Bd. 11: Rezensionen 1776 — 1792, 1977; Bd. 12: Tagebücher, 1973; Bd. 13: Briefe bis 1783, 1978; Bd. 14: Briefe 1784-1787, 1978; Bd. 15: Briefe 1787-1789, 1981; Bd. 16: Briefe 1790-1791, 1980; Bd. 17: Briefe 1 7 9 2 - 1 7 9 4 und Nachträge, 1988; Bd. 18: Briefe an Forster, 1982. Forster, Georg, Philosophische Schriften, mit Einführung und Erläuterungen hg. von Gerhard Steiner, Berlin 1968; Forsters Werke in ^wei Bänden. Ausgewählt und eingeleitet von Gerhard Steiner, Berlin/Weimar 1968; Georg Forster, Werke in vier Bänden, hg. von Gerhard Steiner, Leipzig o. J.; Georg Forster, Kleine Schriften und Briefe, hg. von Claus Träger, Leipzig 1964.

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Mainzer Republik einschloß, obwohl die unzureichende Quellenaufbereitung noch keine umfassende Darstellung gestattete.167 Schulz-Falkenthal untersuchte Forsters Auffassungen von Staat und Revolution in ihrem Wandel.168 Wie sich unter dem Einfluß der revolutionären Praxis seine liberalistische Vorstellung vom Staat veränderte, so zerbrach auch seine aufklärerische Hoffnung auf eine Revolution von oben, und entsprechend korrigierte er das Verhältnis von Staat und Revolution. Die ursprünglich ganz im idealistischen Sinne gefaßte Prävalenz der moralischen Freiheit gegenüber der politischen erfuhr die entscheidende Umkehrung, ohne die der aktive politische Revolutionär Forster nicht möglich gewesen wäre. Rödel beschäftigte sich mit Forsters Beurteilung der Französischen Revolution, wobei die Konfrontation mit den Ansichten seines Freundes Lichtenberg die ideologische Position Forsters besonders deutlich machte.159 Erhard Lange verfolgte Forsters philosophische Gesamtentwicklung vom linken Aufklärer zum bürgerlichen Revolutionär, dessen aus der Betrachtung von Natur und Gesellschaft gewonnene materialistische Prinzipien zwar noch nicht zulangten, um ein wissenschaftliches Geschichtsbild zu entwickeln, der aber mit der Anwendung der Philosophie zur Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse uns ein unvergängliches Vermächtnis hinterlassen hat.160 Träger untersuchte diesen Aspekt im Hinblick auf Forster im besonderen und auf den Mainzer Jakobinismus im allgemeinen.161 Scheel wandte sich ebenfalls Forster zu, aber widmete sich vor allem immer wieder dem komplizierten Problem der nationalen Frage im Zusammenhang mit der Mainzer Republik. 162 Auf dem Wege über die Forsterforschung drang die marxistische Historiographie zu Fragen vor, die das revolutionäre Ensemble zwischen Bingen und Landau betrafen, von dem Forster nur ein Teil war. Der Literaturhistoriker Träger gab schon 1963 eine Ausschnittsammlung aus Schriften, Reden und Briefen heraus, die das Entstehen einer parteigebundenen Literatur im Rahmen der Mainzer Republik illustrierte und so die Tatsache ins Bewußtsein hob, daß diese Revolution „über ihre historische Bedeutung hinaus auch ein Ereignis der deutschen Literaturgeschichte gewesen ist". 163 Es war nicht 157

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Moskovskaja, J. /., Georg Forster — nemeckij prosvetitel' i revolucioner XVIII veka, Moskva 1961; dieselbe, Georg Forster in Paris. Eine deutsch-französische Revolutionsbeziehung, in: Studien über die Revolution, hg. von Manfred Kossok, Berlin 1969. Schuld-Falkenthal, Heinz, Georg Forsters Gedanken über den Staat und die Revolution, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, 1956, Heft 2, S. 241 —252. Rödel, Wolfgang, Forster und Lichtenberg. Ein Beitrag zum Problem deutsche Intelligenz und Französische Revolution, Berlin 1960. Lange, Erhard, Grundzüge der philosophischen Entwicklung Forsters, phil. Diss., Jena 1961. Träger, Claus, Georg Forster und die Verwirklichung der Philosophie, in: Sinn und Form, Beiträge zur Literatur, Jg. 14, 1962, Heft 4, S. 625—649; derselbe, Aufklärung und Jakobinismus in Mainz 1792/1793, in: Weimarer Beiträge, Jg. 9, 1963, Heft 4, S. 684-704. Scheel, Heinrich, Deutscher Jakobinismus; derselbe, Der Revolutionär Forster und das klassische Weimar, in: Impulse, Aufsätze, Quellen, Berichte zur deutschen Klassik und Romantik, Folge 2, Berlin und Weimar 1979, S. 6 3 - 8 6 ; derselbe, Vom Wort zur Tat; Georg Forsters Stellung im Prozeß der bürgerlichen Umgestaltung, in: Wissenschaftliches Kolloquium zu Leben, Werk, Wirkung Georg Forsters am 30. Juni 1984, Wörlitz 1985, S. 7 - 2 3 ; derselbe, Jakobinismus in Paris und in Mainz, in: ZfG, 33. Jg. 1985, S. 416—423; derselbe, Die Mainzer Republik 1792/93 — ein deutsch-französisches Phänomen, in: ZfG, 34. Jg. 1986, S. 4 0 2 - 4 1 4 . Mainz zwischen Rot und Schwarz- Die Mainzer Revolution 1792 — 1793 in Schriften, Reden und Briefen, hg. von Claus Träger, Berlin 1963, S. 47.

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Spezialstudie

Trägers Absicht, damit die Quellen für eine historische Darstellung aufzubereiten, aber seine Sammlung hatte doch auch die vom Historiker noch zu leistenden Aufgaben sehr deutlich gemacht. Nach und neben der notwendigen Quellenaufbereitung galt es, aufbauend auf den Ergebnissen der marxistischen Forschung, kritisch verarbeitend all das, was die bürgerliche Historiographie an Brauchbarem zusammengetragen, und in ständiger Auseinandersetzung mit all dem, was sie an Entstellungen angehäuft hat und anhäuft, eine Gesamtdarstellung der Mainzer Republik vorzubereiten. Der Verfasser machte §ich dies zur Aufgabe. Die ersten Schritte in dieser Richtung wurden seit dem Ende der 60er Jahre publik. 164 1975 konnte Scheel Band I seiner „Mainzer Republik" vorlegen, der inzwischen bereits seine zweite Auflage erlebt hat.165 Der Band enthält sehr viel mehr als eine historisch-kritische Wiedergabe der lückenhaft überlieferten Protokolle des Klubs; alle erreichbaren Quellen sowohl zur Auffüllung der Lücken als auch zur Kommentierung der naturgemäß kurzgefaßten protokollarischen Mitteilungen wurden herangezogen, um Wesen und Wirken des Mainzer Jakobinerklubs aus der Sicht der rheinisch-deutschen Revolutionäre materialmäßig so vollständig wie möglich zu erfassen. 1981 folgte Band II der „Mainzer Republik". 166 Zunächst dokumentiert er die Anfänge revolutionärer Veränderungen in der staadichen Organisation unter dem Oberbefehl Custines, dann die Vorbereitung, Propagierung und schließliche Durchführung der Wahlen in Stadt und Land zur Bildung der Munizipalitäten und des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents, um am Ende das Wirken des Konvents an Hand seiner Protokolle und das der von ihm eingesetzten Administration bis zur Kapitulation der Festung im Juli 1793 darzulegen. Diese Leistungen der marxistischen Forschung in der DDR blieben nicht ohne Wirkung auch in der BRD, zumal sich die Ergebnisse keineswegs nur auf den Mainzer Jakobinismus beschränkten, sondern sich auf einen sehr viel breiteren Raum bezogen.167 Mit ausdrücklichem Bezug auf diese Leistungen veröffentlichte der Literaturwissenschaftler Harro Segeberg schon 1974 seine sehr interessanten und methodischen Überlegungen zur Erforschung des literarischen Jakobinismus. 168 Ebenso meldete sich die im allScheel, Heinrich, Deutsche Jakobiner, in: ZfG, 17. Jg. 1969, S. 1 1 3 0 - 1 1 4 0 ; derselbe, Eine Revolutionsschrift Georg Forsters vom November 1792, in ZfG, 19. Jg. 1971, S. 1045 bis 1050; derselbe, Unbekannte Zeugnisse aus der revolutionären Tätigkeit Georg Forsters in und um Mainz 1792/1793, in: ZfG, 21. Jg. 1973, S. 4 9 - 6 9 ; weitere Spezialstudien haben Eingang in den vorliegenden Band III der „Mainzer Republik" gefunden. 165 Die Mainzer Republik I. Protokolle des Jakobinerklubs, hg., eingeleitet, kommentiert und • bearbeitet von Heinrich Scheel, Berlin 1975; zweite, durchgesehene und ergänzte Auflage Berlin 1984. 166 Die Mainzer Republik II. Protokolle des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents mit Quellen zu seiner Vorgeschichte, hg., eingeleitet, kommentiert und bearbeitet von Heinrich Scheel, Berlin 1981. 167 Voegt, Hedwig, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik 1789 — 1800, Berlin 1955; Scheel, Heinrich, Süddeutsche Jakobiner. Klassenkämpfe und republikanische Bestrebungen im deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 1962, 2. Aufl. Berlin 1971, 3. Aufl. Berlin 1980; derselbe, Jakobinische Flugschriften aus dem deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 1965; 2. Aufl. Berlin 1980; Krauss, Werner, Perspektiven und Probleme. Zur französischen und deutschen Aufklärung und andere Aufsätze, Neuwied und Berlin 1965; weitere Arbeiten insbesondere von Gerhard Steiner und Claus Träger sind bereits angemerkt worden. 168 Segeberg, Harro, Literarischer Jakobinismus in Deutschland. Theoretische und methodische Überlegungen zur Erforschung der radikalen Spätaufklärung, in: Literaturwissenschaft und 164

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gemeinen nicht sehr kritische Rechtsgeschichte zu Wort. 169 Weitgehend das in der „Mainzer Republik I" dargebotene Material nutzend, untersuchte Klaus R. Scherpe die literarischen Formen jakobinischer Agitation im Umkreis der Mainzer Revolution.170 Das Gegenstück dazu lieferte er fünf Jahre später mit seiner Studie über Strategie und Funktion der entsprechenden konterrevolutionären Agitationsliteratur. 171 Beide Studien nahm er in sein Buch auf, das unter dem Titel „Poesie der Demokratie" 1980 erschien.172 Besondere Verdienste um die Fixierung der Gestalt Forsters im historischen Prozeß erwarben sich die Literaturwissenschaftler Helmut Peitsch173, Stephan Padberg und Gerhart Pickerodt.174 Inge Stephan unternahm bereits 1976 den ersten Versuch, einen Realienband „Literarischer Jakobinismus in Deutschland" zusammenzustellen, um diesen Jakobinismus als Gegenstandsbereich für die bundesrepublikanische Literaturwissenschaft zu konstituieren. Dabei erklärte sie ausdrücklich: „Anstöße zur Erforschung des Jakobinismus gingen folgerichtig denn auch nicht von der bundesrepublikanischen Literaturwissenschaft aus, sondern zum einen von der Literatur- und Geschichtswissenschaft der DDR, für die der Jakobinismus Teil des demokratischen Erbes ist, zum anderen von der Geschichtswissenschaft der BRD, die, angeregt vor allem durch Außenseiter der eigenen Zunft, im Rahmen einer methodischen und ideologischen Selbstrevision und Standortbestimmung eine Rückbesinnung auf demokratische Traditionen vollzog und dabei auf die deutschen Jakobiner stieß."175 Zu diesen fruchtbaren „Außenseitern der eigenen Zunft", die eine solche Rückbesinnung vollzogen, um historische Bezugspunkte für das demokratische Selbstverständnis in der bundesrepublikanischen Gegenwart zu gewinnen, und dabei gleichzeitig als Historiker die Erforschung

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171

175

Sozialwissenschaften, Nr. 3, Deutsches Bürgertum und literarische Intelligenz 1780 — 1800, hg. von Bernd Lutz, Stuttgart 1974, S. 509-568. Scbminck-Gustavus, Christoph Ulrich, Verfassungskampf in der Mainzer Republik 1792/93, in: Die kritische Justiz, Frankfurt (Main) 1975, Heft 3, S. 255-265. Scherpe, Klaus R., „...daß die Herrschaft dem ganzen Volke gehörtI" Literarische Formen jakobinischer Agitation im Umkreis der Mainzer Revolution, in: Demokratische revolutionäre Literatur in Deutschland, Jakobinismus, hg. von Gert Mattenklott und Klaus R. Scherpe, Kronberg/Ts. 1975, S. 139-204. Derselbe, „... erlaubt sich da der ehrliche Mann eine solche Übertreibung?" Strategie und Funktion konterrevolutionärer Agitationsliteratur im Umkreis der Mainzer Revolution, in: Die demokratische Bewegung in Mitteleuropa im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, ein Tagungsbericht, bearbeitet und hg. von Otto Büsch und Walter Grab, Berlin 1980, S. 290-325. Derselbe, Poesie der Demokratie, literarische Widersprüche zur deutschen Wirklichkeit vom 18. zum 20. Jahrhundert, Köln 1980, S. 7 1 - 1 7 4 . Peitsch, Helmut, Georg Forsters ,Ansichten vom Niederrhein'. Problem des Übergangs vom bürgerlichen Humanismus zum revolutionären Demokratismus, Frankfurt (Main)—Bern — Las Vegas 1978. Padberg, Stephan, Georg Forsters Position im Mainzer Jakobinismus. Politische Reden und praktische Erfahrungen beim Aufbau des rheinisch-deutschen Freistaats, in: Georg Forster in seiner Epoche, hg. von Gerhart Pickerodt, Berlin 1982, S. 39—93; Pickerodt, Gerhart, Forster in Frankreich 1793. Die Krise der Revolution und die Krise des revolutionären Individuums, in: Ebenda, S. 93 — 116. Stephan, Inge, Literarischer Jakobinismus in Deutschland (1789 — 1806), Stuttgart 1976, S. 2.

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Spezialstudie

des Mainzer Jakobinismus voranbrachten, gehören unter anderen Rainer Wahl176, Klaus Tervooren177 und Hellmut G. Haasis178. Natürlich ließen solche Entwicklungen in verschiedenen gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen die Reaktion nicht ungerührt. Schon 1975 hatte der Literaturhistoriker Gerhard Kaiser in einem wütenden Rezensionskleinkrieg den Knüppel unterschiedslos gegen alles geschwungen, was ihm linksorientiert erschien, um das Epochenereignis der Französischen Revolution hinter dem Zeitalter der Klassik und Romantik verschwinden zu machen, das gegen die Hereinnahme der sogenannten politischen Literatur weitgehend abgeschirmt wird. 179 Beträchtliche Bewegung in der Historikerzunft lösten die gut 100 Zeilen des sozialdemokratischen Kulturdezernenten und stellvertretenden Mainzer Bürgermeisters, Anton Maria Keim aus, der 1976 in der „Mainzer Allgemeinen Zeitung" die inzwischen erschienene „Mainzer Republik I" von Scheel würdigte und sich dabei so seine Gedanken machte, warum die Geschichtsbeflissenen der BRD im allgemeinen und der Mainzer Universität im besonderen solch Thema den ungeliebten Kollegen von drüben überließen: „Der Ludergeruch der Revolution, das Aufbegehren und Aufkündigen alter Ordnungen, das wischte man lieber vom Tisch."180 Keine 14 Tage später lag die geharnischte Entgegnung des Mainzer Ordinarius Hermann Weber vor, der mit den unlautersten Methoden den wissenschaftlichen Wert jener von Keim gewürdigten Edition in Frage zu stellen suchte und sich im Namen der Historiker der Universität Mainz auf das entschiedenste verbat, „an dem renommierten Historiker der DDR" gemessen zu werden, „weder in Sachen Historie, noch in Sachen Demokratieverständnis, noch in Sachen Mainzer Republik". 181 Es war der Fachschaftsrat Geschichte der Universität Mainz, der den Ordinarius Lügen strafte, denn er gab Scheel nicht nur die Möglichkeit, Weber zu antworten182, sondern auch seine Auffassungen am 28. Juni 1978 in der Mainzer Universität vorzutragen und zur Diskussion zu stellen.183 Wahl, Rainer {Hrsg.), Andreas Wasserburg: Auf der Suche nach dem Schatz .Freiheit'. Erinnerungen eines Mainzer Demokraten 1 7 9 2 — 1 7 9 7 , Bad Camberg 1 9 8 1 . 177 Tervooren, Klaus, D i e Mainzer Republik 1792/93. Bedingungen, Leistungen und Grenzen eines bürgerlich-revolutionären Experiments in Deutschland, Frankfurt (Main)—Bern 1982. 178 Haasis, Hellmut G., Morgenröte der Republik. Die linksrheinischen deutschen Demokraten 1 7 8 9 - 1 8 4 9 , Frankfurt ( M a i n ) - B e r l i n - W i e n 1984, S. 7 - 1 2 2 . 179 Kaiser, Gerhard, Über den Umgang mit Republikanern, Jakobinern und Zitaten, in: Deutsche Vierteljahrsschrift f ü r Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Sonderheft ,18. Jahrhundert', 49. J g . 1975, S. 226—242. Inge Stephan nannte Kaisers Machwerk anachronistisch und einen peinlichen Ausrutscher, ging aber dennoch sachlich darauf ein, weil solche literaturwissenschaftliche Argumentation „in der Vergangenheit stets zur Unterdrückung oder A b w e r t u n g sogenannter politischer Literatur eingesetzt w o r d e n ist". Stephan, Inge, Theorie und Praxis des literarischen Jakobinismus in Deutschland, in: Studien zur deutschen Literatur, Festschrift f ü r Adolf Beck, Heidelberg 1979, S. 125 — 1 4 1 . 180 Keim, Anton Maria, Die „Mainzer Republik", zu einer Edition aus der D D R , in: Mainzer Allgemeine Zeitung, 25. 1 1 . 1976. 181 Weber, Hermann, D e r Herr Bürgermeister und die „Mainzer Republik", in: Mainzer A l l gemeine Zeitung, 7. 12. 1976. 182 Scheel, Heinrich, D e r Herr Professor Dr. Hermann Weber und die „Mainzer Republik", in: Asta info, Die Mainzer Republik 1792/93 im ideologischen Kreuzfeuer, Dokumentation des A S t A und des Fachschaftsrats Geschichte der Universität Mainz, Juni 1978, S. 5 — 10. 183 E)erselbe^ Mainz zwischen Rot und Schwarz, in: W i r und die Mainzer Republik, zur A k t u alität der deutschen Jakobiner. AStA-Dokumentation zur Mainzer Jakobinerwoche 23. bis 28. 1 1 . 1 9 8 1 , S. 1 5 - 2 4 . 176

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Demonstrativ lehnte Weber eine Beteiligung an dieser Diskussion ab und mußte sich von der „Frankfurter Rundschau" sagen lassen, daß „in dieser Präsentation verrutschter Umgangsformen mehr und anderes" stecke als Elemente einer Lokalposse, nämlich „das schlechte Gewissen versäumter Lektionen". 184 Die Position des Mainzer Ordinarius war nicht derart, daß er die vom Kulturdezernenten Keim angeregte, geförderte und schließlich 1981 auch realisierte erste Ausstellung auf Mainzer Boden zur Geschichte der Mainzer Republik hintertreiben konnte; es blieb ihm nur die Möglichkeit, über seinen Famulus Franz Dumont, der sich als Spezialist in Sachen Mainzer Republik empfahl, negativen Einfluß auf die Gestaltung zu nehmen.185 Weber konnte sich auch nicht der Podiumsdiskussion entziehen, zu der der AStA im Rahmen seiner Jakobinerwoche im November 1981 — natürlich mit behördlicher Genehmigung — in den Ratssaal des Mainzer Rathauses geladen hatte. Was Weber in die Diskussion einbrachte, hörte sich so an: „Die Entstehung der Mainzer Republik war kein demokratischer, sondern ein revolutionärer Vorgang; die Mainzer Republik war keine demokratische, sondern eine revolutionäre Republik." 186 Weber bestritt ihr den demokratischen Charakter, weil die Wahlbefähigung von einem zu leistenden Eid abhing, der dem Volke und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit die Treue schwor. Er vermißte die Möglichkeit einer alternativen Entscheidung, die nach Lage der Dinge nur das Ancien régime sein konnte, die Inkarnation des antidemokratischen Prinzips schlechthin, so daß der hirnrissige Schluß zu ziehen wäre, daß die alternative Entscheidung der Mainzer Republik immerhin den Trost gesichert hätte, auf demokratische Weise gestorben zu sein. Hinter diesem Nonsens stand ein politischer Auftrag, den Weber, in die Enge getrieben, am Ende auch preisgab : „Und hier sage ich in aller Eindeutigkeit, die Praxis der Mainzer Republik als ein revolutionäres Zustandekommen und eine revolutionär agierende Republik kann und darf kein Lehrstück für unsere heutige Demokratie werden." 187 Was der Meister — unbelastet von nennenswerter Sachkenntnis — theoretisch postulierte, das verwandelte sein Famulus Franz Dumont in ein gedrucktes Buch, dem seine von Weber betreute und 1978 angenommene Dissertation zugrunde lag. 188 Positiv anzumerken ist Dumonts fleißige Sammeltätigkeit bis ins kleinste Detail; den Mangel an historischem Sinn — eine Voraussetzung für die Befolgung der Weberschen Richtlinien — konnte allerdings auch die gründlichste Quellenkenntnis nicht beheben.189 Ungleich nützlicher für die Forschung erweisen sich darum Dumonts kleinere Arbeiten, die keine großen theoretischen Ansprüche stellen, aber dafür den Leser mit handfesten Fakten zur Geschichte der Mainzer Republik bedienen.190 Überhaupt läßt sich sagen, Schoeller, Wilfried F., Mainzer Mucker und Jakobiner, nicht nur eine Lokalposse, in: Frankfurter Rundschau, 4. 7. 1978. 185 ygi_ d a z u die im vorliegenden Bande mitgeteilte Spezialstudie „Die Mainzer Republik — Historie oder Politikum?", S. 337ff. 188 Tonbandaufnahme der Podiumsdiskussion im Ratssaal des Rathauses der Stadt Mainz vom 24. 11. 1981, S. 5. 187 Ebenda, S. 31. 188 Dumont, FranDie Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, Alzey 1982. 189 Vgl. dazu die Rezension von Heinrich Scheel in: ZfG, 32. Jg. 1984, S. 7 1 - 7 4 . 190 Dumont, Franz, Ein radikaler Aufklärer. Der Wormser Jakobiner Stephan von Lewer (1758 — 1835), in: Der Wormsgau, Zeitschrift der Kulturinstitute der Stadt Worms, 12. Bd., 1976/78, S. 81 —102; derselbe, Jakobiner und Jurist. Der Alzeyer Notar Peter Nikolaus Theyer ( 1 7 7 3 - 1 8 3 1 ) , in: 700 Jahre Stadt Alzey, hg. von Friedrich Karl Becker, Alzey 184

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Spezialstudie

daß insbesondere auf dem Gebiet der Lokalhistorie ein positiver Wandel in der Richtung registriert werden kann, daß die Sicherung historischer Fakten und die Erschließung bisher unbekannter Quellen den Vorrang hat und sich die konterrevolutionäre Verteufelung im Gegensatz zu früher in Grenzen hält. 191 Natürlich hat damit die Mainzer Republik in der Historiographie der BRD, geschweige denn in ihren Schulbüchern noch keineswegs den Platz eingenommen, der ihr gebührt. Noch konnte 1978 in München das Machwerk des inzwischen verstorbenen Michael Freund, der immerhin einmal einen Lehrstuhl für Geschichte in der BRD verwaltet hatte, erneut als Taschenbuch aufgelegt und darin gedruckt werden, was er schon 1960 über die Mainzer Republik zu vermelden wußte: „Die Masse des Volkes war gleichgültig, die Schurken warfen sich den Franken an den Hals, und die paar Idealisten, die an die französischen Revolutionsideale wahrhaft glaubten, schwammen auf der trüben Brühe von Geschäftemacherei, Verrat und Feigheit wie ein paar einsame Fettaugen. Georg Forster, ein unsteter Schwarmgeist, der Führer der Revolutionspartei im Rheinland, ist an dem Spektakelstück befreiter Sklaven zugrunde gegangen, dem eine plündernde und vergewaltigende französische Soldateska den Hintergrund gab."192 Selbst Aretin sprach noch 1980 von den Mainzer Jakobinern als einem Spuk, der ebenso schnell verschwand, wie er aufgetaucht war. 193 Immerhin konzedierte er ein Jahr später auf dem schon er-

1977, S. 385—404; derselbe, Briefe aus der Mainzer Republik, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 3. Jg. 1977, S. 305—349 ; derselbe, Revolution auf dem Land. Die Bermersheimer Unruhen von 1792/93, in: Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 13, 1978, S. 136-156; derselbe, Liberté und Libertät. Dokumente deutsch-französischer Beziehungen im Jahre 1792/93, in: Francia, Forschungen zur westeuropäischen Geschichte, Bd. 6 (1978), S. 367 bis 406; derselbe, Unbekannte Quellen zum Mainzer Jakobinerklub, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 5. Jg. 1979, S. 179—228; derselbe, Wandlungen eines Revolutionärs. Das Leben des Mainzer Jakobiners Johann Aloys Becker (1769 — 1850), in: Mainz, Vierteljahrshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte, 2. Jg. 1982, Heft 4, S. 7 8 - 8 9 . xsl Vgl. beispielsweise Natale, Herbert, Die Belagerung der Stadt Mainz 1793, Aus Berichten des württembergischen Residenten in Frankfurt Johann Friedrich Pütt (1760—1823), in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, Bd. 1, 1975, S. 215—247; Schütte, Ludwig, Die Kriegsereignisse in der Pfalz im Jahre 1793, nach zeitgenössischen Presseberichten und Archivalien, in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz, 74. Bd., Speyer 1976, S. 75 — 100; Schneider, Erich, Der Revolutionskrieg in der Rheinpfalz 1792—95 in der zeitgenössischen Publizistik und der Memoirenliteratur, in: Ebenda, 75. Bd., Speyer 1977, S. 133—189; Bonkhoff, BernhardH., Politische Reden und der Kultus der Vernunft (1791/98) in der Pfalz anhand von Dokumenten erläutert, in : Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern, Bd. 16/17, 1978/79, Otterbach-Kaiserslautern 1980, S. 149-164; Paul, Roland, Geistlicher — Mainzer Klubist — Rentmeister in Lauterecken. Aus den Lebenserinnerungen des Johann Carl Falciola (1759 — 1841), in: Ebenda, S. 353—364; Kneib, Gottfried, Zornheim unter französischer Herrschaft 1792—1814, in: Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 16, 1981, S. 152—191 ; Hinkel, Erich, Bürgermeister und General Rudolf Eickemeyer, in: Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes, Heft 2, 1982; derselbe, Gau-Algesheim und die Mainzer Republik, eine Reportage aus den Jahren 1792/1793, in: Ebenda, Heft 18, 1986 \Heun, Werner, Die Mainzer Republik, eine verfassungsgeschichtliche Studie, in: Der Staat, Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte, 23. Bd., Heft 1, 1984, S. 5 1 - 7 4 . 192 Freund, Michael, Deutsche Geschichte, fortgeführt von Thilo Vogelsang, Bd. 2: 1492 — 1815, München 1978, S. 104. 193 Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, Göttingen 1980, S. 66.

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wähnten Podiumsgespräch dem Verfasser: „Ich gebe Ihnen zu, daß die Mainzer Republik eine interessante Episode ist, die sich zu untersuchen lohnt, und ich kann Ihnen zu dem, was Sie vorgelegt haben, nur gratulieren. Sie haben das in einer sehr überzeugenden Form getan." 194 Es wäre unangebrachte Bescheidenheit, auf die Feststellung zu verzichten, daß die Ergebnisse der marxistischen Geschichtswissenschaft der DDR hier einiges bewegt haben. 194

Tonbandaufnahme der Podiumsdiskussion im Ratssaal des Rathauses der Stadt Mainz vom 24.11. 1981, S. 4.

Die Mainzer Republik — Historie oder Politikum?"1" Kritische Anmerkungen aus Anlaß einer Ausstellung

Die Stadt Mainz zeigte 1981 vier Wochen lang eine zusammen mit dem Bundesarchiv in Koblenz getragene Ausstellung über die Mainzer Republik — und das erstmals, immerhin 189 Jahre nach dem historischen Ereignis selbst. Unabhängig davon, aber im nachhinein sehr angetan von der Koinzidenz, habe ich in diesem Jahr der ersten Ausstellung meinen zweiten Band der „Mainzer Republik" herausbringen können. Der Weber-Schüler F. Dumont hatte die Freundlichkeit, diese Arbeit in der „Mainzer Allgemeinen Zeitung" als eine „bis auf einige Details ... zuverlässige Edition" anzukündigen, „die künftig für alle Forschungen zur Mainzer Republik herangezogen werden muß". 1 Was auf diese Feststellung folgt, sind unfreundliche Unterstellungen. Ich erwähne das nur, um nicht den ihm sicher sehr fatalen Eindruck zu erwecken, daß es die positive Würdigung war, die ihm am Herzen lag. Doch zurück zur Mainzer Ausstellung. Eine Ausstellung, die den Namen verdient, ist keine Schaustellung, sondern eine Aufforderung zur geistigen Aneignung des Gebotenen, also zur Auseinandersetzung mit ihm. Dem möchte ich hier nachkommen. Die Grundfrage, die an eine solche Ausstellung — zumal in dieser Stadt, in dieser Region — 2u richten ist, verlangt nach zwei Auskünften, nämlich ob — erstens — das Dargebotene den historischen Ort des Ereignisses adäquat widerspiegelt und — zweitens — welchen Erkenntnisgewinn es uns, den heute Lebenden, vermittelt. Beide Aspekte dieser Grundfrage sind auf das engste miteinander verbunden. Im Positiven wie im Negativen bestätigt dies auch diese Ausstellung. Wie ich meine, den historischen Ort der Mainzer Republik bestimmen zu müssen, habe ich in dem kurzen Aufsatz umrissen, der in dem bei dieser Gelegenheit vom Mainzer Stadtarchiv besorgten Handbuch abgedruckt ist.2 Meine Ausführungen weichen zum Teil beträchtlich von dem in der Ausstellung gebotenen Bilde ab und stehen auch zu manchen anderen Artikeln des Handbuches im Widerspruch. Wenn sich im folgenden meine darum notwendig kritischen Bemerkungen dabei vornehmlich an die Adresse von Dumont richten, dann hat das verschiedene Gründe: Zum ersten zeichnet er laut Katalog für den Teil der Ausstellung verantwortlich, der ausschließlich der Mainzer Republik gewidmet ist. 3 Zum zweiten hat er im Handbuch einen Artikel abgedruckt, der unmittelbar auf meinen folgt, ebenfalls so etwas wie eine historische Ortsbestimmung unternimmt und zur Auseinandersetzung geradezu zwingt. 4 Zum dritten läßt er keine Ge+ 1 2 3 4

Leicht gekürzte und überarbeitete Fassung eines Vortrages, gehalten im Auditorium maximum der Universität Mainz am 23. 11. 1981, gedruckt in: ZfG, 30. Jg., 1982, S. 4 9 8 - 5 1 0 . Mainzer Allgemeine Zeitung vom 10. 11. 1981. Scheel, Der historische Ort, S. 17 — 24. Katalog, S. 7. Dumont, Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 25—36.

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Spezialstudie

legenheit aus — genauer: kaum eine, denn solche Gelegenheiten wie die heutige, in der er Rede und Antwort stehen müßte, meidet er —, sich an mir zu reiben. Uber die Art, wie er sich an mir reibt, ließe sich viel Ergötzliches berichten. Reibung erzeugt Wärme, und so kann er mir nicht verübeln, wenn ich ihn an dieser Wärme teilhaben lasse. Der zeitliche Rahmen dieses Vortrages zwingt mich, unter den Problemen, die kontrovers betrachtet und dargestellt werden, eine Auswahl zu treffen; ich beschränke mich auf einige wesentliche Probleme, die im übrigen auch miteinander zusammenhängen. Ich beginne mit der Darstellung der Außen- und Kriegspolitik des revolutionären Frankreich. An keiner Stelle macht die Ausstellung dem Betrachter deutlich, daß der Vorstoß Custines in die Pfaffengasse am Rhein aus der eindeutigen Verteidigung gegen eine konterrevolutionäre Intenvention feudaler Mächte heraus erfolgte. Auch wenn es dann Ludwig XVI. war, der dem Habsburger den Krieg erklärte, bleibt es unumstößliche Wahrheit, daß nicht das revolutionäre Frankreich den Krieg vorbereitete; der Krieg war das Ergebnis des Komplotts feudaler Fürsten — eines Komplotts, in dem der französische König keine unwesentliche Rolle spielte. Wenn sich dabei von Anfang an die monarchische Solidarität als instabil erwies, weil jedes der gekrönten Häupter dem anderen mißtraute, so konnte die Revolution daraus keine Sicherheit schöpfen. Die Konstituante fürchtete zu Recht den Krieg, der dem Hof in die Hände spielen würde; sie mißtraute zu Recht der königlichen Linientruppe und insbesondere ihrem Offizierskorps. Mit größter Mäßigung im Ton wie in der Sprache reagierte sie auf die außenpolitische Zuspitzung. Nur ein Beispiel: Den im Elsaß depossedierten Fürsten bot man eine finanzielle Entschädigung, obwohl das in der Revolution geborene neue Völkerrecht, das einzig die Willenserklärung des Volkes gelten ließ, solchem Handel widersprach. Frankreich konnte eine solche Friedenspolitik treiben, solange Türkenkrieg und die Vorbereitung der zweiten Teilung Polens die feudalen Großmächte banden. Der Fluchtversuch des Königs im Juni 1791 war ein Schlag aus dem Hinterhalt gegen diese Friedenspolitik. Nach Pillnitz im August mußte der Krieg letztlich unvermeidlich erscheinen. Und dennoch haben gerade die entschiedensten Revolutionäre seinem Ausbruch am hartnäckigsten widerstanden — ich erinnere an Robespierres dritte Rede vom 2. Januar 1792 gegen den Krieg: „Niemand mag bewaffnete Missionare."5 Das revolutionäre Frankreich führte damals einen eindeutigen revolutionären Verteidigungskrieg, und das ungeachtet der von mir selbstverständlich nie bestrittenen Existenz bestimmter expansionistischer Elemente in der französischen Kriegspolitik von Anbeginn. Die Französische Revolution war eine bürgerliche Revolution, die das Vorrecht der Geburt abschaffte und an seine Stelle das Vorrecht des Besitzes mit sich brachte. Bürgerliches Besitzstreben kann — das wissen wir nur zu gut — bis zur imperialistischen Gier nach Maximalprofiten ausarten und außerordentliche expansionistische Züge annehmen. Aber das ist hier nicht das Problem. Hier geht es nicht um einzelne negative Züge, die sich bereits in der Geburtsstunde der' bürgerlichen Gesellschaft bemerkbar machten, hier geht es um den Charakter dieses Krieges, sein Wesen, um das Wesentliche in diesem Kriege — und das war damals die Verteidigung der Revolution gegen die konterrevolutionäre Intervention. Entgegen dieser historischen Wahrheit verteufelt Dumont diesen Verteidigungskrieg als schlechthin expansionistisch. Welche „Ausgewogenheit" damit erreicht wird, erfährt der unvoreingenommene Betrachter, wenn er in der Ausstellung danach zu suchen beginnt, wie denn die Kriegführung der Feinde Frankreichs gekennzeichnet wird. 5

Grab, Französische Revolution, S. 98.

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Das Attribut „expansionistisch" sucht er vergebens, obwohl in jedem Handbuch nachzulesen ist, welche Rolle die polnische Beute für Berlin, Wien und Petersburg in diesem Kriege spielte. Selbst bei Aretin ist zu lesen: „Der Krieg gegen Frankreich wurde in Wien und Berlin von Anfang an nicht als ein Verteidigungs-, sondern als ein Eroberungskrieg angesehen."6 Merkwürdigerweise aber ist auf der Ausstellung von preußischer und österreichischer Expansionspolitik nirgends die Rede. Dahinter steckt eine Absicht. Der auf das revolutionäre Frankreich in dieser frühen Phase angewandte Begriff der Expansionspolitik setzt bewußt moralisch herab und ist bestens geeignet, darüber die historischen Tatsachen vergessen zu machen, daß Frankreich damals einen Verteidigungskrieg führte und daß auch die über die französischen Grenzen hinausgetragene revolutionäre Propaganda aus der Verteidigung heraus geboren war. Frankreich war total isoliert, und der einzige Bundesgenosse, auf den es rechnen zu können meinte, waren die vom Feudalismus unterdrückten Volksmassen in der feindlich gesinnten feudalstaatlichen Umwelt. Robespierre hatte im Hinblick auf diese Propagandawaffe mit Recht vor Illusionen gewarnt; aber nicht zufällig forderte in der Zeit der allergrößten Gefahr gerade die entschiedenste revolutionäre Richtung, die Partei der Plebejer, die Partei der Pariser Commune, der alle Eroberungsabsichten durchaus fremd waren, den Propagandakrieg und die Republikanisierung Europas als einziges Rettungsmittel. Das französische Volk war nicht an Eroberungen interessiert, wohl aber an der Befreiung anderer Völker vom feudalen Joch, weil sie die Front der äußeren Feinde schwächte und die eigene Revolution sichern half. Der kosmopolitische Missionsgedanke, der sich mit der Revolution mehr und mehr verband, war zweifellos illusionär und dennoch ein historisches Phänomen — nicht nur per se, sondern auch als movens, als bewegende Ursache historischer Prozesse, denn auch hier gilt das Marx-Wort, daß die Idee zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift. Was Custines Armee auf ihrem Vorstoß von Speyer über Worms nach Mainz der Bevölkerung vorexerzierte, war dieser durchaus neu und widersprach völlig ihren in Jahrhunderten gesammelten Erfahrungen im Umgang mit Soldaten. Die Soldateska der auf Eroberung ausgerichteten großen Feudalheere war eine Landplage, schlimmer als Mißwuchs, beinahe so schlimm wie die Pest. Undenkbar, daß ein Führer solcher Heere so zu den Soldaten gesprochen hätte, wie es Custine vor dem Abmarsch der Truppen von Landau tat: „Ehren wir die Freiheit der ruhigen Bürger, wenn wir die Flamme des Krieges in ihr Land hinüberbringen! ... Die Ehrfurcht, mit der wir ihnen und ihrem Eigentum begegnen, sei ein Beweis für sie, daß der für die Freiheit kämpfende Franke, auch wenn er gewungen würde, mit Gewalt sich ihrer Städte zu bemächtigen, ihnen mit der einen Hand die Freiheit darbiete, indem er mit der anderen das Schlachtschwert in den Busen ihrer Unterdrücker stößt."7 Das Entscheidende jedoch bestand darin, daß dies keine bloßen Worte blieben, sondern von den französischen Truppen ernst genommen wurde, deren diszipliniertes Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung ungläubiges Staunen erregte, Sympathien einbrachte und den Gegner in größte Verwirrung stürzte. Die Tatsache, daß im Dezember 1792 bei einer Befragung von 40 kurmainzischen und ritterschaftlichen Orten zwei Drittel — an ihrer Einwohnerzahl gemessen waren es sogar drei Viertel — sich für eine Systemänderung nach französischem Vorbild entschieden und dazu die französische Unter6 7

Aretin, Heiliges Römisches Reich, S. 262. MR II, S. 75.

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Stützung erbaten, ist sprechender Ausdruck auch für die werbende Kraft der Soldaten der Revolution. 8 Die besondere Funktion des Klischees von der französischen Expansionspolitik besteht darin, der Mainzer Republik die Bodenständigkeit bestreiten zu helfen. Diese Tendenz ist bei Dumont allerdings nicht mehr so absolut wie in dem verunglückten Buch des Engländers Blanning. 9 Damals war dieser Stipendiat des Instituts für Europäische Geschichte ausgezogen, um im Sinne der „atlantischen Schule" die Mainzer Republik unter dem Aspekt des nordamerikanischen- Unabhängigkeitskampfes zu durchforsten. Daß dabei nichts herauskam, erstaunt nicht. Erstaunlich dagegen war, was Blanning statt dessen zu bieten hatte, nämlich eine 50jährige Vorgeschichte mit der Darstellung aller möglichen Reformen, Reförmchen und Reformversuche, die angeblich die Mainzer Revolution total überflüssig gemacht hätten. Was Blanning heute, sieben Jahre später, in Gestalt eines Beitrages zum Handbuch vorlegt 10 , ist womöglich noch schwächer; man kann es vergessen. In der Ausstellung wird also nicht ä la Blanning die Bodenständigkeit der Mainzer Republik geleugnet, aber dafür ä la Dumont in Frage gestellt. Explizit äußerte sich dazu Dumont in einem Vortrag vor dem Mainzer Altertumsverein, als er behauptete, daß die Verfechter der Bodenständigkeit den Doppelcharakter der Klubs und Konvente außer acht ließen, nämlich „Organe einheimischer Revolutionsanhänger und Instrumente französischer Expansionspolitik" in einem zu sein. Diesen verblendeten Leuten gab er zu bedenken, daß „das Engagement so vieler rheinischer Jakobiner für Revolution und Demokratie doch nicht (dadurch gemindert würde), daß sie im Kalkül der Besatzungsmächt eine entscheidende Rolle spielten"; er bedauerte, sie an „die banale Tatsache" erinnern zu müssen, daß „die Mainzer Republik ohne die Expansion der Franzosen gar nicht zustande gekommen wäre". 11 Die ungenannten Verblendeten, denen Dumont so ins Gewissen redet, sind Pappkameraden, die aufgestellt werden, um sie abschießen zu können. Als lebendige, vernunftbegabte Wesen existieren sie nirgends, denn es gibt keinen einzigen Verfechter der These von der Bodenständigkeit der Mainzer Republik, der jemals die entscheidende Rolle der Präsenz französischer Revolutionstruppen für Entstehung und Existenz dieser Republik geleugnet oder vielmehr nicht betont hätte. Die These von der Bodenständigkeit sagt ja nichts anderes aus, als daß die Revolutionspropaganda der siegreichen Truppen Custines auf fruchtbaren Boden fiel, so daß eben auf diesem Boden am Ende sogar eine Mainzer Republik entstehen konnte. Dumont biegt auf unzulässige Weise Bodenständigkeit in Autarkie um und hat dann keine Schwierigkeiten mehr, mit dieser fehlinterpretierten Bodenständigkeit fertig zu werden und uns bei dieser Gelegenheit wieder einmal mit der „Expansion der Franzosen" zu kommen. Dumont arbeitet gern mit solchen Färbungseffekten. Expansion, Eroberung, Eroberer sind Bezeichnungen, mit denen sich beim Hörer unmittelbar und leicht die Vorstellung einer Fremdherrschaft verbinden läßt, die wiederum bestens geeignet ist, den Begriff der Bodenständigkeit zu verdrängen. Wenn man „Befreier" und „Befreite" in Anführungsstriche setzt, wird die Befreierrolle der Revolutionstruppen überhaupt in Frage gestellt. Ein durchaus neuer Tupfer gelingt Dumont, wenn er schreibt: „Denn während der Konvent zum Sturz aller ,Despoten' aufrief, paktierten französische Politiker und 8 9 10 11

Ebenda, S. 172 ff. Blanning, Reform and Revolution in Mainz. Derselbe, Gegenrevolutionäre Kräfte, 87—96. Dumont, Alte Kontroversen, S. 1/2, 1/3.

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Militärs mit einigen der schlimmsten Despoten."12 Dahinter steckt ein Dreh, den er schon in seinem Vortrag 1979 praktizierte und in seinem Handbuchartikel nur verkürzt wiedergibt. Das revolutionäre Frankreich, das einen Verteidigungskrieg auf Leben und Tod führte, konnte nicht daran interessiert sein, die Zahl seiner Feinde beliebig zu vermehren, sondern blieb selbstverständlich bestrebt, sie möglichst auseinanderzudividieren. Dieser Gesichtspunkt verlangte naturgemäß auch beim Einsatz der Waffe der revolutionären Propaganda Berücksichtigung. So blieb beispielsweise der Kurpfälzer bei den Republikanisierungsbemühungen zwischen Landau und Bingen des neutralen Bayerns wegen ausgespart; ein Tatbestand, der Dumont Gelegenheit gibt, diesmal von einer ganz anderen Seite die Revolution zu diskreditieren: „Die revolutionäre Außenpolitik war also doppelbödig. Sie proklamierte den Sturz aller .Despoten', paktierte aber mit den reaktionärsten dieser Despoten, wenn es Frankreich Vorteile brachte."13 Hier ist Dumont wirklich ein durchaus neuer Tupfer gelungen: Die Außenpolitik des revolutionären Frankreichs war grundsätzlich expansionistisch, und wo sie mit aller Gewalt nicht expansionistisch genannt werden kann, war sie eben doppelbödig. Gehen wir von den äußeren Bedingungen, die die Mainzer Republik erst möglich machten, zur Betrachtung der Darstellung dieser Republik selbst über. Ich halte es für einen Erfolg der Ausstellung, daß dank des in ihr dargebotenen Materials Dumont in seinen künftigen allgemeinbildenden Vorträgen sich wahrscheinlich den bemerkenswert „ausgewogenen" Satz verkneifen wird, den er 1979 den Hörern des Mainzer Altertumsvereins noch zumuten 2u können meinte: „Neben den Franzosen trugen deutsche Demokraten die Mainzer Republik." 14 Die Ausstellung macht auch dem Voreingenommensten immerhin soviel klar, daß die deutschen Republikaner nicht diese ihnen hier zudiktierte Nebenrolle spielten. Die sichtbaren Zeugnisse sprechen einfach eine andere Sprache, obwohl selbstverständlich auch in dieser Ausstellung die Tendenz unverkennbar ist, die Anteilnahme der Deutschen so klein wie irgend möglich zu halten. Ein rotes Tuch geradezu ist für Dumont der Begriff der Massenbasis. Ich habe im ersten Band meiner „Mainzer Republik" die These vertreten, „daß der Klub mit rund einem halben Tausend an eingeschriebenen Mitgliedern — die Zuhörerschaft, die bei diesen Überlegungen auch nicht vergessen werden darf, überstieg gelegentlich sogar die Tausendergrenze — in der werktätigen Bevölkerung eine echte Massenbasis besaß"15. Dumont hatte diese These nicht nur fragwürdig genannt, sondern mich — 1979 explizit und 1981 ohne Namensnennung — beschuldigt, an die Stelle der von mir zu Recht bekämpften Legende von der Mainzer Republik als dem Werk einiger landfremder Intellektueller die neue von einer „Massen- und Volksbewegung" gesetzt zu haben.16 Die Umfunktionierung des von mir gebrauchten Begriffs der Massenbasis in den der Massen- und Volksbewegung ist entweder unredlich motiviert oder theoretischem Unvermögen geschuldet. Ich neige in diesem Falle dazu, das letzte anzunehmen, und schließe das aus der Art seiner Gegenargumentation. Drei Argumente führt er gegen mich ins Feld: „1. machten die rund 250 Handwerker und kleinen Kaufleute, die dem Klub angehörten, in ihrer sozialen Gruppe nur ein Zehntel aus; 2. bestimmten nicht sie 12 13 14 15 16

Derselbe, Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 25. Derselbe, Alte Kontroversen, S. 1/1. Ebenda, S. 2/1. MR I, S. 20. Dumont, Alte Kontroversen, S. 2/3; Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 35.

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Programm und Politik des Klubs, sondern vornehmlich Professoren und ehemalige Hofräte; 3. war es oft genug das Beispiel oder der Einfluß von Mitgliedern der Führungsgruppe, die die ,kleinen Leute' zum Eintritt in den Klub veranlaßten."17 Was für ein schrecklicher Galimathias! Ich spreche von der Massenbasis des Klubs, d. h. ich sage, daß der Klub eine Basis in den werktätigen Massen hatte, daß er sich auf diese Massen stützen konnte, die keineswegs insgesamt oder auch nur in ihrer Mehrheit dem Klub angehören mußten; in solchem Falle wäre sogar der Begriff der Massenpartei noch zu eng. Im Gegenteil, der Begriff der Massenbasis zielt gerade auf die vielen, die bisher ihr klägliches Dasein ohne auch nur den Schimmer einer Hoffnung auf eine Wendung zum Besseren gefristet hatten und nun plötzlich in eine revolutionäre Situation geraten waren, die ihnen diese Wende in greifbare Nähe zu rücken schien. Es waren in der Regel die Besten, Fortgeschrittensten, Aktivsten in dieser Masse, die den Weg in den Klub fanden, und sie stellten zahlenmäßig natürlich eine Minderheit dar, aber eine Minderheit, die unmittelbar aus der Masse hervorgegangen war und in ihr eine Basis besaß, die sich mobilisieren ließ. Hören wir beispielsweise, was Margarethe Wilhelmin, Dienstmagd in Mainz, Ende November 1792 dem Bürger Präsidenten Dorsch zu sagen hatte: „Der Bürger General Custine kam, um unsere Sklavenfesseln zu zertrümmern; aber, Herr Präsident, es gibt noch Despoten, die ihren Schatten von Macht noch fühlbar machen, und das sind die sogenannten Zünfte-Brudermeister. Ich habe schon zwei Jahre mit einem Menschen, seiner Profession ein Schuhmacher, Bekanntschaft, den ich sehr liebte und liebe, dem ich während seines Soldatenstandes, wo er auf der Profession nichts verdienen konnte, mit meinem sauer erworbenen Liedlohn (Dienstbotenlohn) beisprang; und der mich nun aus Dankbarkeit dafür heiraten und durch seinen ohnehin bekannten Fleiß ernähren will; diesem will man nicht erlauben, daß er als Gesell heiraten kann ... Ich nehme daher zu ihnen, Herr Präsident, meine Zuflucht und bitte mir dazu zu helfen, daß er mich als Gesell heiraten darf. Und wie mich gute Freunde versichern, so ist derjenige schon ein Bürger, ja ein freier Mann, der sich in das rote Buch eingeschrieben hat; nun bin ich ja schon Bürgerin, weil er sich in das rote Buch hat eingeschrieben und sich gewiß mit mehr Lust den Pflichten eines freien Bürgers unterziehen wird als der an den alten verhaßten Schlendrian gewöhnte Bürger. Herr, wir sind zwar nicht von hier, doch Rheingauer, folglich Mainzer Landes-Kinder; und können wir nicht rechtschaffene Bürger hier werden? Sobald einmal die bürgerlichen Abgaben werden regulieret sein, so werde (ich) mit meinen Händen zu deren richtigen Beitrag helfen. Schließlich muß ich noch bemerken, das Bitten eines Mädchens nicht unerhört zu lassen, weil wir uns nicht allein bestreben werden, rechtschaffene Haushälter zu machen, sondern auch dem Staate freie Menschen und rechtschaffene Bürger zu liefern." 18 Dieser Brief, der wahrlich wert gewesen wäre, in Großformat die Ausstellung zu bereichern, zeigt genau das, was Dumont nicht begreift: Die Existenz einer Massenbasis für revolutionäre Veränderungen, die Bereitschaft breiter Teile der Bevölkerung, solche Veränderungen mitzuvollziehen. Unverkennbarer Ausdruck für die vorhandene Massenbasis ist beispielsweise auch die Eingabe des leiningenschen Ortes Frankeneck vom 27. März 1793 an den Rheinisch-deutschen Nationalkonvent, die mit den Worten schließt: „Um desto mehr getrösten wir uns, ein wohlversammelter Nationalkonvent werde 17 18

Ebenda, S. 26. Die Kenntnis des Briefes verdankte ich damals Steiner, der ihn inzwischen in toto veröffentlicht hat: Jakobinerfrauen, S. 9f.

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unsere Lage, darin wir uns befinden, nach dero gerechtesten Regierungsform zu lenken wissen, und ersterben in tiefstem Gehorsam. Einem Nationalkonvent gehorsamste Knecht Strohn, Maire; Georg Köber, Gemeinet-Prokurator."19 Bis zu diesem ganze 64 Seelen zählenden Ort, gleichsam am Ende der Welt, tief in der Haardt gelegen, war die Kunde von der Notwendigkeit eines Wandels gedrungen und erfuhr ein Echo. Das Echo war nicht klangrein; der in Jahrhunderten den Bauern anerzogene, in sie hineingeprügelte feudale Servilismus war nicht über Nacht abzuwerfen, sondern in ihrer Vorstellungs- und Sprechweise präsent. Aber es war ein Echo, das die Bereitschaft zum Wandel signalisierte. Das ist Massenbasis! Völlig abstrus sind die beiden letzten Argumente, die von Dumont gegen meine These von der Massenbasis ins Feld geführt werden: Nicht die Handwerker und Krämer als Repräsentanten der werktätigen Massen hätten die Klubziele ausgearbeitet, denn die Führungsrolle habe bei der Intelligenz gelegen. Daß die Bauern von Frankeneck unfähig gewesen wären, auch nur ein Dekret des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents zu formulieren, ist ebenso gewiß wie die Tatsache, daß es der Margarethe Wilhelmin vornehmlich darum ging, auch als Rheingauerin in der Stadt Mainz Bürgerin sein, ihren Schustergesellen heiraten und mit ihm Kinder haben zu können — sehr begrenzte Ziele also, die aber — und das ist das Entscheidende — an den Grundfesten der hergebrachten Feudalordnung rüttelten. Es sind immer Angehörige der Intelligenz, die in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs die Ziele der Klasse formulieren, die Trägerin der künftigen Gesellschaftsordnung ist. Die Aufklärung als geistige Vorbereitung auf die künftige bürgerliche Gesellschaft wurde natürlich von Vertretern der Intelligenz entwickelt; zu einem Teil hatte das erstarkende Bürgertum diese Intelligenz hervorgebracht, zum anderen rekrutierte sie sich aber auch aus der feudalen Intelligenz; diese adligen Intellektuellen verrieten gleichsam ihre Klasse und gingen zum Bürgertum über. Das Kommunistische Manifest entstammt aus der Feder zweier Intellektueller, zweier bürgerlicher Intellektueller sogar — Marx und Engels —, die mit ihrer Herkunft radikal brachen und sich auf die Seite der Arbeiterklasse schlugen, deren historische Aufgabe sie formulierten. Die Forderung Dumonts, daß der Begriff der Massenbasis die Formulierung des Programms durch die Massen selbst voraussetzt, ist schlicht Unsinn. Im hartnäckigen Kampf gegen die These von der Massenbasis ist Dumont jede Waffe recht. Es ist eine grobe Geschichtsfälschung in Verbindung mit unlauterer Zahlenmanipulation, wenn Dumont erklärt: „Der Mainzer Konvent beanspruchte, das linke Rheinufer zwischen Queich und Nahe zu vertreten; von dessen rund 800 Orten waren jedoch nur etwa 130 in Mainz repräsentiert."20 Einen solchen Anspruch hat der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent nie erhoben, und selbst ein Dumont kann nicht umhin, bei der Wiedergabe des Dekrets vom 18. März 1793 exakt zu zitieren: „Der ganze Strich Landes von Landau bis Bingen, welcher Deputierte zu diesem Konvente schickt, soll von jetzt an einen freien, unabhängigen, unzertrennlichen Staat ausmachen, der gemeinschaftlichen, auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Gesetzen gehorcht." 21 Der rheinisch-deutsche Freistaat ist hier ausdrücklich auf die Summe der Gebiete eingegrenzt, deren Ortschaften im Konvent repräsentiert waren. Dementsprechend stimmte der Pariser Konvent am 30. März dem Vereinigungsersuchen auch in der

19 20 21

MR II, S. 540. Dumont, Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 29. MR II, S. 434.

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Weise zu, daß jeder einzelne Ort genannt wurde, der im Mainzer Konvent vertreten war. 22 Wenn also ein Zahlenverhältnis zwischen repräsentierten und nichtrepräsentierten Gemeinden berechnet werden soll, kann Ausgangsgröße nur die Zahl der Orte sein, die von der Wahlbewegung erfaßt wurden oder auch nur erfaßt werden sollten — die bei der Republikanisierung bewußt ausgesparten Gebiete beispielsweise des Kurpfälzers haben darin selbstverständlich keinen Platz. Nach meinen Untersuchungen, die ich detailliert für Mainz, Worms, Speyer und den gesamten ländlichen Bereich durchgeführt habe23, beträgt das Verhältnis zwischen den republikanisierten und den nichtrepublikanisierten Orten 1 : 1 ; von den etwa 270 Ortschaften, die sich in den von der Wahlbewegung wahrscheinlich erfaßten Territorien befanden, haben nachweislich 136, also die Hälfte, den Eid geleistet. Während Dumont in der Ausstellung wie in seinem Handbuchartikel diese 136« Orte ins Verhältnis zur Gesamtzahl der späteren rheinhessisch-pfälzischen Gemeinden setzt, die er mit ungefähr 800 beziffert, hatte er noch 1979 in seinem Vortrag vor dem Mainzer Altertumsverein erklärt: Der Konvent „sollte das linke Rheinufer zwischen Landau und Bingen vertreten, wobei jedoch wohlweislich alle kurpfälzischen Gebiete ausgelassen worden waren. Von den dann noch übrigen 180 rheinhessisch-pfälzischen Gemeinden hatten 124 — also zwei Drittel — Abgeordnete nach Mainz entsandt."24 Er kam also damals sogar zu einem noch günstigeren Verhältnis als ich — zwei Drittel statt der Hälfte —, weil ich eine maximale Ausdehnung des Gebietes, das von der Wahlbewegung erfaßt werden sollte, annahm, um mich nicht dem Vorwurf auszusetzen, durch Einengung dieses Gebietes zu einem für die Republikanisierung günstigeren Zahlenverhältnis gelangt zu sein. Dumont weiß es also besser, und er weiß darum auch genau, was er tut, wenn er die republikanisierten Gemeinden ins Verhältnis nicht zu den 180, sondern zu den 800 rheinpfälzisch-hessischen Gemeinden setzt: Er täuscht bewußt. Dumont täuscht nicht nur bewußt, er schießt — wenn es sein muß — auch Kobplz, um seinem politischen Auftrag zu genügen, revolutionäre Traditionen — wenn sie schon nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden können — zu diffamieren und als historisches Erbe abzulehnen. Einen solchen Purzelbaum schlägt er bei dem Versuch, den Wahlen vom Februar/März 1793 den demokratischen Charakter abzusprechen: Trotz allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl „war diese Wahl nicht demokratisch', denn es fehlte ihr das Wichtigste, die Freiheit der Stimmabgabe. Zudem war man durch den Eidzwang schon im voraus auf die Demokratie festgelegt." 25 Demnach waren die Wahlen so angelegt, daß am Ende einzig die Demokratie obsiegen konnte, ein solcher Sieg der Demokratie aber wäre undemokratisch. Der Widersinn solcher Argumentation liegt zwar auf der Hand und wird dennoch als tiefsinnige Erkenntnis angeboten! Die einzig mögliche Alternative, die man zur Wahl hätte stellen können, wäre die Beibehaltung der alten Feudalordnung gewesen; dazu gibt es von Dumont einen bemerkenswerten Kommentar, dargeboten 1979 vor dem Mainzer Altertums verein: „Man muß aber sehen, daß die Alternative auch nicht demokratischer war." 26 Dieser Satz kann wahrlich als ein klassisches Muster der „Ausgewogenheit" gelten, wie sie der freiheitliche Demokrat Dumont versteht. 22 23 24 25 26

Ebenda, S. 544. Ebenda, S. 2 6 1 - 3 9 5 . Dumont, Alte Kontroversen, S. 3/1. Derselbe, Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 29. Derselbe, Alte Kontroversen, S. 7/2.

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Dieser Satz scheint die Mainzer Jakobiner dafür entschuldigen zu wollen, daß ihr Demokratieverständnis angeblich noch gravierende Mängel zeigte. Tatsächlich jedoch verbirgt sich hinter dieser Art von Entschuldigung die hanebüchenste Diskriminierung der Mainzer Jakobiner, die in Sachen Demokratie auf die gleiche Stufe wie die Verfechter der alten Ordnung gestellt werden: Diese wären nicht demokratischer als jene gewesen! Mehr noch: Den Verfechtern der alten Ordnung wird en passant sogar noch ein kräftiger Schuß demokratischer Gesinnung zugeordnet, denn es heißt ja, sie wären nicht demokratischer als die Mainzer Jakobiner gewesen — und es heißt nicht — wie es historischer Sinn und intellektuelle Redlichkeit gefordert hätten —, daß die Verfechter der alten Ordnung die Inkarnation des antidemokratischen Prinzips schlechthin darstellten. Die Logik der Argumentation Dumonts zwingt zu dem schwachsinnigen Schluß, daß der Sieg dieses antidemokratischen Prinzips als mögliche Alternative demokratisch gewesen wäre. Was Dumont sonst noch in der Nachfolge seines Doktorvaters H. Weber — dieser hatte 1976 den Mainzer Kulturdezernenten Keim belehrt, daß es keine „demokratische Mainzer Republik" gäbe und daß dieses Thema auch kein „wichtiges Thema für das Selbstverständnis der demokratischen Bewegung in Deutschland" wäre27 — zum jakobinischen Demokratismus der Mainzer von sich gibt, ist in einer verfassungsrechtlichen Betrachtung von Azzola und Werlein gebührend beantwortet worden.28 Bei den Wahlen vom Februar/März 1793 ging es nicht mehr um bloße Aufklärungsarbeit, wie sie der Klub in den ersten Monaten geleistet hatte, oder um unverbindliche Volksbefragungen wie beispielsweise durch die Auslegung des Roten Buches. Es ging um viel mehr als in der Abstimmung, die die Allgemeine Administration in der zweiten Dezemberhälfte über die Annahme der Frankenkonstitution veranlaßt hatte. Damals wurden die Stimmen gesammelt, um beim Pariser Konvent vorstellig werden zu können und dort aktive Hilfe bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu erbitten. Jetzt jedoch ging es um die Verfassungsänderung selbst, und das nicht nur auf dem Papier, sondern in der politischen Praxis. Eine rheinisch-deutsche Republik mit handfesten staatlichen Machtorganen — gewählten Munizipalitäten in jedem Ort und einer Volksvertretung für das Gesamtgebiet — war zu begründen. Daß nach Jahrhunderten, in denen die Bevölkerung in feudaler Unmündigkeit gehalten worden war, ein solches Unternehmen seine Schwierigkeiten haben würde, liegt auf der Hand. Daß sich die Bedingungen für seine Durchführung im Februar/März 1793 gegenüber dem Dezember nicht verbessert, sondern verschlechtert hatten, ist auch gewiß — nur kommt es bei der Charakterisierung der Ursache darauf an, die Akzente richtig zu setzen und nicht Unwesentliches hochzuspielen, um Wesentliches vergessen zu machen. Für Dumont ist das Konventsdekret vom 15. Dezember 1792 der Drehpunkt schlechthin: „Daß die politischen Aktionen und Reaktionen im Herbst 1792 einen ganz anderen Charakter und Stellenwert hatten als im Frühjahr 1793, hing vor allem mit der Wende der französischen Befreiungspolitik im Dezember 1792 zusammen."29 Tatsächlich jedoch war die Kriegs- und Besatzungspolitik Frankreichs vorher wie nachher girondistisch. Während das Dekret vom 19. Nobemver 1792, das den Völkern in den von den Revolutionstruppen eroberten Gebieten Schutz zu geben versprach, den girondistischen Propagandakrieg einleitete, demonstrierte das Dekret vom 15. Dezember, das faktisch von diesen Völkern die Annahme der Vereinigung mit dem revolutionären Frankreich verlangte, wie in Verbindung mit der Propaganda die Eroberungszüge in der giron27 28 29

Mainzer Allgemeine Zeitung vom 7. 12. 1976. Azgola\Werlein, Demokratie in Mainz, S. 37—44. Dumont, Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 26.

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distischen Kriegspolitik konkrete Gestalt gewannen; strategische und vor allem fiskalische Erwägungen standen dabei Pate. Für die Jakobiner zwischen Landau und Bingen aber bedeutete dieses Dekret höchstens eine Wende zum Besseren, nämlich zur endlichen Konkretisierung des Schutzversprechens Custines und des Dekrets vom 19. November, denn sie hatten nie ein anderes Ziel im Auge gehabt. Wenn Custine auch in seiner ersten Proklamation an die Mainzer Bevölkerung ihr die Möglichkeit einräumte, statt der dargebotenen Verbrüderung die Sklaverei zu wählen, so war das nicht mehr als ein oratorischer Schnörkel. Die Mainzer Jakobiner jedenfalls kämpften von Anbeginn an gegen jede andere Lösung, ob sie am 31. Oktober von Lennig im Klub oder am 6. November als Denkschrift des Handelsstandes vorgetragen wurde. 30 Die große Klubrede Forsters vom 15. November handelte einzig und allein von der Notwendigkeit einer solchen Verbrüderung mit den Franzosen.31 Mit dieser politischen Zielsetzung haben die Klubmitglieder ihre Volksaufklärung betrieben, haben Munizipalitäten und Administration die Abstimmungskampagne im Dezember durchgeführt — und die Ergebnisse insbesondere auf dem Lande waren durchaus ermutigend.32 Das Dekret vom 15. Dezember erzwang keine Änderung dieser Politik, sondern bestätigte sie. Es ist absolut nicht einzusehen, warum die Resultate der gleichen Politik vor dem Dekret einen anderen Charakter und Stellenwert haben sollen als nach dem Dekret. Nicht das Dekret, sondern die Saumseligkeiten bei seiner Durchführung hatten negative Folgen. Nicht mit dem Eintreffen der drei Konventskommissäre Anfang Januar 1793, sondern erst mit dem der beiden Nationalkommissäre Anfang Februar setzte eine intensive Vorbereitung auf die Wahlen ein; Forster, der noch am 17. Januar beinahe resignieren wollte, stürtzte sich nun mit Feuereifer in die Vorbereitungsarbeit. 33 Wenn man nach den Ursachen dafür fragt, daß die Wahlen im Februar 1793 unter einem bedeutend ungünstigeren Stern als alle vorangegangenen Aktionen bis in den Januar hinein standen, dann kann es nicht das Dekret vom 15. Dezember sein und auch nicht der mit der Annahme der französischen Verfassung verbundene Eid. Die bereits genannte Saumseligkeit bei seiner Durchführung war eine solche echte Ursache, zumal man die bisherige retardierende Politik weiterhin fortsetzte, die bereits im November/ Dezember auf zunehmende Kritik der Mainzer Jakobiner selbst gestoßen war. Was Cotta auf die am 3. Dezember in die Straßburger Zeitung lancierte Kernfrage „Warum haben noch die alten Abgaben statt?" antwortete, kennzeichnete den Circulus vitiosus, in dem sich die Verzögerungspolitik bewegte: „Weil sich das Volk noch nicht wegen der neuen erklärt hat."34 Selbstverständlich hätte schon eine teilweise Aufhebung der feudalen Lasten bei der Bevölkerung einen unendlich größeren propagandistischen Effekt gehabt als viele abstrakte Deliberationen im Klub. Custines Armee, die Freiheit und Gleichheit zu bringen versprochen hatte, aber bei dieser retardierenden Politik wenig zur Realisierung des Versprechens tun konnte, wohl aber versorgt werden wollte und mußte, verlor trotz vergleichsweise immer noch großer Disziplin je länger je mehr an Kredit und wurde zu einer Belastung.

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MR I, S. 86ff., 1 5 3 f f . Ebenda, S. 2 1 9 f f . MR II, S. 172 ff. Ebenda, S. 2 1 3 f . ; MR I, S. 687. MR I, S. 261.

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Die unzweideutige Hauptursache für die zunehmende Verschlechterung der Bedingungen, unter denen die Bevölkerung sich zur Demokratie bekennen sollte, nahm ihren Ausgang vom anderen Rheinufer. Zunächst und vor allem nämlich ist festzustellen, daß sich die Verbündeten von dem Debakel in der Champagne wieder erholt hatten und sich auf die Rückeroberung von Mainz vorbereiteten. Die Wiedereinnahme von Frankfurt Anfang Dezember hatte ein erstes Zeichen gesetzt und strafte den ohne jedes Maß hochstilisierten Nimbus von der Unbesiegbarkeit Custines Lügen. Die Franzosen reagierten defensiv: Am 13. Dezember wurde Mainz in den État de défense, am 26. Januar in den Etat de siège versetzt. Mit der zunehmenden militärischen Bedrohung ging eine zunehmende konterrevolutionäre Propaganda parallel, die ihr Hauptquartier ebenfalls rechts des Rheines hatte. Während von konterrevolutionärer Propaganda seit der kopflosen Flucht aller maßgeblichen feudalen Autoritäten im Oktober bis in den Januar hinein noch nicht viel zu merken war, stieß sie jetzt massiv und zielgerichtet nach. Als Multiplikatoren wirkten vornehmlich viele kleine Beamte und Pfarrer, die zurückgeblieben waren und nach wie vor ihr Amt versehen hatten. Zunächst weitgehend allein gelassen, hatten sie sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren versucht. Nun aber — durch kaiserliches Mandat und fürstliche Befehle mit massiven Drohungen zur Niederlegung ihrer Ämter aufgefordert — verwandelten sie sich in eine einflußreiche fünfte Kolonne, die vornehmlich die eine Waffe aus dem konterrevolutionären Arsenal einsetzte : die Furcht vor härtesten Vergeltungsmaßnahmen nach dem sicheren Sieg der Verbündeten über die Franzosen. Wenn und wo im Februar/März 1793 zwischen Landau und Bingen Bauern die Eidesleistung ablehnten, dann und da stand immer die nackte Furcht vor der Vergeltung Pate. Es war eine begründete Furcht, die deshalb so wirksam war, weil die Bauern aus alter Erfahrung wußten, wozu ihre alten Herrschaften fähig waren. Dumont lenkt vom Wesentlichen ab, wenn er behauptet: „Der vom ,Befreier' praktizierte ,Zwang zur Freiheit' bewirkte vielerorts eine Solidarisierung mit den Fürsten." 35 Die unleugbare Tatsache, daß hinter dieser „Solidarisierung mit den Fürsten" mindestens ein ebenso starker Druck stand wie hinter dem „Zwang zur Freiheit", wird einfach unter den Tisch gekehrt. Wo die Furcht vor dem drohenden weißen Terror überwunden werden konnte, reagierten die Bauern ganz anders. Das gilt selbst für das falkensteinische Winnweiler, das in der feudalreaktionären wie in der bürgerlichen Geschichtsschreibung immer als Paradebeispiel für bäuerlichen Widerstand diente. Auch Dumont macht es sich natürlich zu eigen, wobei seine „Ausgewogenheit" besondere Blüten zeitigt. In seinen „Daten der Mainzer Republik" notiert er unter dem 23. Februar : „Beginn des Winnweiler Bauernaufstandes (4000 Teilnehmer) gegen Eidzwang und Wahlen"; unter dem 1. März folgt dann die Mitteilung: „Nach Niederschlagung des Bauernaufstandes durch die Franzosen Eid und Wahl in Winnweiler." 36 Auf diese Weise entsteht der Eindruck eines ausgedehnten, lang anhaltenden und schließlich im Blut erstickten Widerstandes, so daß Eid und Wahl nur das Ergebnis nackten Terrors sein konnten. In und um Winnweiler ist nicht ein einziger Schuß gefallen ! Was dort tatsächlich vor sich ging, kann man in meiner Quellenpublikation nachlesen.37 Die Berichtigung, die Forster in die vorletzte Nummer seiner Zeitung einrückte, entsprach in jeder Hinsicht den Tatsachen: „Die Widersetzlichkeit der Einwohner in Winnweiler wird von den deutschen Zeitungen ganz entstellt. Die Leute haben einmütig geschworen, sobald 35 36 37

Dumont, Mainzer Republik (Handbuchartikel), S. 32. Derselbe, Daten der Mainzer Republik, S. 256. MR II, S. 3 4 8 - 3 5 0 .

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sie sahen, daß man nichts Unbilliges wollte und daß es nicht an Kraft fehlte, das Dekret vom 15. Dezember in Erfüllung zu bringen." 38 Die deutschen Jakobiner zwischen Landau und Bingen haben Monate gebraucht, um vom aufklärerischen Glauben an die Allgewalt der Erziehung und Belehrung zu der Erkenntnis zu gelangen, daß die abstrakten Menschenrechte in konkrete bürgerliche politische Freiheiten umgesetzt und diese wiederum in hartem Klassenkampf gegen die Verfechter der feudalen Ordnung durchgesetzt werden mußten. Die Durchführung der Wahlen im Februar/März 1793 stellte eine wesentliche Wegstrecke im Kampf um die politische Macht dar, der um so weniger auf die Anwendung der revolutionären Gewalt verzichten konnte, als nicht der geringste Zweifel bestand, daß der siegreiche Gegner die konterrevolutionäre Gewalt rigoros gebrauchen würde. Die Entwicklung der Fähigkeit zu praktisch-politischem Handeln mit allen daraus fließenden Konsequenzen — darunter auch dem positiven Verhältnis zur revolutionären Gewalt — ist gerade die historische Leistung, die die Mainzer Jakobiner hoch über die vielen Enthusiasmierten in Deutschland erhob, die von der Aufklärung nur bis zu einer „philosophischen Revolution", um mit Engels zu sprechen39, vorzustoßen vermochten. Natürlich riß dabei ein Widerspruch zwischen aufklärerischer Theorie und politischer Praxis auf. Der revolutionäre Enthusiasmus ging allemal — in Frankreich wie zwischen Landau und Bingen — über das bloße bürgerliche Klassenziel hinaus, entwickelte Wunschträume von einer klassenlosen Gesellschaft. Solche Antizipationen haben immer eine große historische Bedeutung gehabt, weil sie, von den Massen aufgegriffen, zu bewegenden Ursachen wurden, die den Lauf der Geschichte vorantrieben. Der schulmeisterliche Vorwurf Dumonts, daß sich zwischen dem Anspruch der Jakobiner und ihrer politischen Praxis im Kampf um die Gründung des rheinisch-deutschen Freistaates eine Kluft auftat, die nicht zuließe, in ihnen Demokraten zu erkennen, ist bar jedes historischen Sinnes. Ein Historiker sollte es eigentlich wissen: „Historische Verdienste werden nicht danach beurteilt, was historische Persönlichkeiten, gemessen an den heutigen Erfordernissen, nicht geleistet haben, sondern danach, was sie im Vergleich zu ihren Vorgängern Neues geleistet haben."40 Und noch eins: Der notwendig aufbrechende Widerspruch zwischen den gesellschaftstheoretischen Vorstellungen der Mainzer Jakobiner und dem bürgerlichen Eigentumsbegriff, über den sie nicht hinauskamen, der Widerspruch also zwischen Erträumtem und damals Machbarem, ist kein historisches Kuriosum, sondern verlangt danach, für unsere Gegenwart und Zukunft fruchtbar gemacht zu werden. Wissenschaftliche Geschichtsbetrachtung vollendet sich nicht in der bloßen Betrachtung, sondern läuft in Handeln aus und hält sich die Dimension der Zukunft geöffnet. Darum stimme ich ganz Klaus Tervooren zu, der in seinem lesenswerten Beitrag über die gesellschaftstheoretischen Vorstellungen der Mainzer Jakobiner vor einer Betrachtungsweise warnt, die „in einer zur Tugend erklärten Geschichtslosigkeit blind wird für die Reichtümer der Vergangenheit, deren Versprechen immer noch in die Zukunft weisen und so auch ein Postulat für die Gegenwart darstellen".41 Alles in allem: Die Tatsache, daß überhaupt eine Ausstellung über die Mainzer Republik — die erste auf Mainzer Boden nach fast zwei Jahrhunderten — zustande kam, ist positiv zu vermerken. Die Ausstellung selbst jedoch ist, bei Lichte betrachtet, noch 38 39 40 41

Ebenda, S. 350. Engels, Feuerbach, S. 265. Lenin, Ökonomische Romantik, S. 180. Tervooren, Freiheit, Gleichheit, Eigentum, S. 50.

Mainzer Republik — Historie oder Politikum?

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weniger als ein halbherziges Unternehmen. Die politische Absicht dominiert, und da sie konterrevolutionär orientiert ist, muß sie dem revolutionären historischen Geschehen Gewalt antun. Was bleibt, das sind zwei Bände des aus Anlaß der Austeilung herausgebrachten Gesamtkatalogs42, nämlich der unter der Redaktion von Friedrich Schütz entstandene und als Handbuch bezeichnete erste Band, der Beiträge zur demokratischen Tradition in Deutschland von 30 Autoren zusammenfaßt, von denen weit mehr als die Hälfte auf eindeutig progressiven Positionen steht; zum anderen ist es die von Hellmut G. Haasis als Band 2 zusammengestellte Bibliographie zur deutschen linksrheinischen Revolutionsbewegung in den Jahren 1792/1793. 42

Siehe Quellen- und Literaturverzeichnis unter Handbuch und Bibliographie.

Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs+

Die innere Ordnung des Mainzer Jakobinerklubs ist kein Gegenstand, dem die Geschichtsschreibung in der Vergangenheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Wenn der Mainzer Gymnasialprofessor Karl Klein 1861 mitteilte, daß er die Statuten des Klubs nirgends aufgefunden habe1, dann durfte man sich damit schon zufriedengeben, denn seine Kenntnis der Jakobinerakten war mindestens ebenso profund wie sein Unverständnis für den Jakobinismus. Im übrigen flössen in dieser Hinsicht die Quellen des Pariser und des Straßburger Klubs, die für den Mainzer die unmittelbaren Muster darstellten, trotz ganz anderer Lebensdauer, stärkerer innerer Wandlungen und unendlich größerer Bedeutung auch nicht allzu reichlich. Als Aulard zum 100. Jahrestag der Französischen Revolution seine sechsbändige Dokumentensammlung zur Geschichte des Pariser Jakobinerklubs herauszubringen begann, konnte er nur ein gültiges Dokument vorlegen, das einigermaßen umfassend von der inneren Organisation des Klubs handelte. Es war das von Barnave redigierte und von der Gesellschaft noch unter der Präsidentschaft des Grafen Aiguillon am 8. Februar 1790 angenommene «Reglement de la Société des Amis de la Constitution »2, also ein sehr frühes Zeugnis ; seine Überlieferung verdanken wir übrigens dem entschieden royalistischen Blatt « Les Actes des Apôtres », das — wenn auch mit ironischen Anmerkungen — als einziges das Reglement abdruckte, obwohl sämtliche Zeitungen vom Präsidenten darum gebeten worden waren. Leider sah Aulard von der Wiedergabe eines in Oktavformat 1791 erschienenen, 29 Seiten starken und unendlich detaillierten Statutenentwurfs mit der Begründung ab, daß kein einziger Hinweis von seiner Annahme durch den Klub zeuge. 8 Für Straßburg ist immer noch Standardwerk das Buch von Heitz, der jedoch vollständig nur die Ordnung mitteilte, die der Klub am 29. April 1790 seiner nachgeordneten Einrichtung, der Société populaire d'instruction publique, gegeben hatte.4 Aus den im Straßburger Stadtarchiv vorhandenen Protokollbänden des Klubs geht hervor, daß bereits an seinem Gründungstage, dem 15. Januar 1790, ein Komitee beauftragt wurde, ihm ein provisorisches Reglement für seine innere Ordnung zur Entscheidung vorzulegen. 5 Ein solcher Entwurf wurde dann bereits am 26. Januar im Klub diskutiert und ist im Protokoll unter diesem Datum wiedergegeben. 6 Im Zuge der Bemühungen um + Bereits gedruckt in: Jahrbuch für Geschichte, Bd. 5, Berlin 1971, S. 303—341. Überarbeitete und erweiterte Fassung. 1 Klein, Geschichte von Mainz, S. 184 Anm. 55. 2 Aulard, Société des Jacobins, Bd. 1, S. XXVIII-XXXIII. 3 Ebenda, S. XXXIII Anm. 1. 4 Heitz, Sociétés politiques de Strasbourg, S. 36—38. 5 StdtA Strasbourg: Procès verbal de la société, Bd. 1, S. 5. « Ebenda, S. 1 5 - 2 3 .

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die Affiliation durch den Pariser Klub entstand eine endgültige Fassung, die am 6. März 1790 von den Mitgliedern des Straßburger Klubs verabschiedet wurde. 7 Es ist das einzige komplette Statut, das sich in den Straßburger Klubprotokollen findet, und wird darum im Anschluß in toto wiedergegeben. Auch dieses Statut bestätigt die Erfahrung, daß trotz Klubspaltung und innerem Wandel die Ordnungsprinzipien insgesamt recht stabil blieben und sich eigendich immer nur partiell änderten. Die Neufassung eines Statuts ist keine leichte Aufgabe, weil die vielgestaltige Praxis sich sehr schwer in eine abstrakte Ordnung pressen läßt. So lief es auch in Straßburg darauf hinaus, daß man durch flexible Handhabung das einmal angenommene Statut über sehr viel längere Zeit gelten lassen konnte, als es vom Wortlaut her beanspruchen durfte. Infolgedessen finden sich in den Straßburger Klubprotokollen in größeren Abständen zwar immer wieder Vorschläge und auch Festlegungen, die das Statut ergänzen oder partiell verändern sollen, aber es gibt kein zweites ausformuliertes neues Statut. Ein Beschluß vom 26. Juni 1790 beispielsweise regelte das Sprachenproblem, indem die ersten anderthalb Stunden jeder Sitzung deutsch diskutiert werden sollte.8 Auf der Sitzung vom 6. August 1790 ebenso wie auf der vom 23. November 1791 erfolgten Vorschläge zur Modifizierung der Mitgliederaufnahme. 9 Am 10. Dezember 1790 wurde ein Konsultationskomitee aus der Taufe gehoben 10 ; im April bzw. im Juli 1791 billigte die Versammlung Reglements für einen Korrespondenz- bzw. einen Ökonomieausschuß.11 Als der Mainzer vom Straßburger Klub die Überlassung der Statuten erbat, um mit ihrer Hilfe zu einer eigenen inneren Ordnung zu gelangen, stand darum kein geschlossenes, gültiges, ausgearbeitetes Instrumentarium zur Verfügung, ein Sachverhalt, der mit dazu beitrug, daß auch der Mainzer Klub letzten Endes kein solches Statut zuwege brachte. Um so größeren Wert erhält der Quellenfund, der der Auskunft von Karl Klein vor 125 Jahren ebenso entschieden widerspricht wie der oberflächlichen Behandlungsweise dieser Frage durch Joseph Hansen vor 50 Jahren. 12 Es handelt sich um Materialien, die bei der Arbeit an den Statuten des Mainzer Klubs entstanden und alle in M R I Eingang gefunden haben. Sie bilden zusammen ein Aktenstück, das 25 unnumerierte Blätter umfaßt, zum Bestand des Stadtarchivs Mainz gehört, daher auch die Mainzer Bestandsnummer 11/70 trägt, durch Verlagerung im zweiten Weltkrieg mit anderen Stücken derselben Herkunft als Packen Nr. 122 ins Archivdepot Lübben geriet, aber inzwischen von der DDR dem Mainzer Stadtarchiv wieder zurückgegeben wurde. Die 25 Blätter gliedern sich in neun einzelne Dokumente von unterschiedlicher Länge. Nur zwei davon stammen mit Sicherheit von demselben Schreiber; bei zweimal zwei weiteren spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, so daß wir es mit sechs bis acht Handschriften zu tun haben, die von anderen Händen eingefügten Korrekturen ungerechnet. Da in dem Aktenstück als Ganzem keine chronologische oder sonstige Ordnung herrscht, die einzelnen Dokumente lose beieinanderliegen und nur fünf von ihnen Datierungsvermerke tragen, mußte die Entstehungszeit der anderen erschlossen werden, um den ganzen Vorgang in eine chronologische Reihenfolge bringen zu können. 7 8 9 10 11 12

Ebenda, S. 5 6 - 6 3 . Ebenda, S. 130 f. Ebenda, S. 1 6 5 f . ; Bd. 2, 23. 11. 1791. Ebenda, Bd. 1, S. 2 0 2 f . Ebenda, Bd. 2, 19.4. und 15. 7. 1791. Vgl. Anm. 1 ; Hansen II, S. 531 Anm. 2, hat offensichtlich nur die Überschriften einzelner Stücke dieses Fundes gelesen und daraus auf die Existenz kompletter Statuten neueren Datums sowohl beim Straßburger als auch beim Mainzer Klub geschlossen.

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Die Betrachtung jedes einzelnen Dokuments wie ihrer Gesamtheit ergibt, daß wir es mit Fragmenten zu tun haben, die auch zusammengesetzt kein Ganzes ausmachen. Ein abgeschlossenes Statut, vergleichbar dem von Aulard veröffentlichten Pariser und dem im Anhang als Dokument 1 veröffentlichten Straßburger Reglement, wird man für Mainz immer vergeblich suchen. Als am 6. Januar 1793 — also zweieinhalb Monate nach Gründung des Klubs — ein Mitglied die Verlesung der Statuten verlangte, wurde ihm entgegnet, „daß die Statuten in vielen Bruchstücken bestünden und wirklich in Arbeit seien — daß übrigens die Statuten den Jakobiner nie machten"13. Nachdem mehrfach daran erinnert worden war14, forderte am 29. Januar ein Mitglied ihren Druck, mußte sich aber wiederum sagen lassen, „daß das Comité d'instruction die Redaktion übernommen habe — stückweis sollen sie nicht gedruckt werden, indem am Anfang Beschlüsse vorkommen könnten, die am Ende geändert oder gar aufgehoben seien. Jedoch sei der Unterrichtsausschuß zu erinnern, dieselben sobald als möglich zu liefern." 15 Vielleicht handelte es sich um den Versuch, die leidige Statutenangelegenheit einfach durch die Übernahme einer fremden Klubordnung schneller zu bereinigen, wenn am 12. Februar ein Mitglied mit der Verlesung der Straßburger Statuten begann. Was seine Absicht auch gewesen sein mag, jedenfalls stieß der Betreffende damit auf den massiven Widerstand der Mehrheit, die starke Abweichungen von der bisher praktizierten eigenen Ordnung feststellte, die Verlesung abbrach und energisch die Ausfertigung der eigenen Statuten durch das Comité d'instruction verlangte, bevor andere überhaupt angehört werden sollten. Dieser Beschluß wurde trotz des Hinweises gefaßt, „daß das Comité d'instruction, welches unsere Statuten auszuliefern hätte, ganz auseinandergetreten, mithin dieselben sobald nicht zu erwarten wären"16. In der Tat hatte der Ausschuß schon am 7. Februar wegen mangelnder Präsenz seiner Mitglieder und entsprechender Arbeitsüberlastung der übrigen um Ablösung ersucht; auf die Bitte des Präsidenten war dann das Comité zur Fortführung der Geschäfte bereit, bis die für das Monatsende zu erwartende interne Sitzung neue Lösungen finden würde. 17 Was bis Mitte Februar nicht möglich gewesen war, konnte der Klub im letzten Monat seines Bestehens erst recht nicht mehr realisieren, da die Vorbereitung und Durchführung der Munizipalitätswahlen zwischen Landau und Bingen ebenso wie der nahe Zusammentritt des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents alle jakobinischen Aktivitäten absorbierten. Ein vollständig ausgearbeitetes Statut hat also der Mainzer Klub nie besessen. Was überliefert ist und hier mitgeteilt werden kann, sind Entwürfe, Vorlagen und Beschlüsse zu Einzelfragen des Reglements. Ganz gewiß stellen sie nicht die Gesamtheit der Materialien dar, die zu diesem Zweck überhaupt ausgearbeitet wurden. Die Sammlung trägt also zufälligen Charakter, aber ist dennoch aussagekräftig genug, um — ergänzt durch die in den Protokollen des Klubs zu diesem Problem gemachten Äußerungen — ein Bild sowohl vom Inhalt wie von der Entwicklung der inneren Ordnung des Klubs zu vermitteln. Diesen im Anhang mitgeteilten Entwürfen, Vorlagen und Beschlüssen ist als Dokument 1 das « Règlement de la société des amis de la constitution, établie à Strasbourg, MR I, S. 492. » Ebenda, S. 543, 554. 1 5 Ebenda, S. 625 f. 16 Ebenda, S. 704; nach einer anderen protokollarischen Aufzeichnung heißt es, daß „aus den Statuten der Straßburger und Pariser Jakobinergesellschaft" vorgelesen worden wäre. Ebenda, S. 705 Anm. i. 17 Ebenda, S. 686. 13

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affiliée à celle de Paris » vom 6. März 1790 vorangestellt, das den Nachteil hat, sehr früh abgefaßt zu sein, aber dafür den Vorteil besitzt, kein bloßes Fragment darzustellen. Ein Vergleich mit ihm empfiehlt sich bei jedem weiteren mitgeteilten Dokument. Es gibt erstaunliche Übereinstimmungen trotz der Zeitdifferenz, aber man sieht auch, wie die in Straßburg und Mainz geübte Praxis über einst Fixiertes hinweggeschritten ist. Das durch den Rheinhandel schon immer mit Mainz verbundene Straßburg war seit der Revolution bevorzugter Zufluchtsort deutscher Freiheitsfreunde geworden, die auf ihr Vaterland wirken wollten. Unter den Helfern Custines auf seinem Siegeszug in die Pfaffengasse am Rhein befanden sich solche militanten Straßburger Klubisten wie Daniel Stamm, ein Küfer und Weinhändler, der die Funktion des Schriftführers in der Straßburger Gesellschaft ausgeübt hatte. Als Freiwilliger der Rheinarmee zugeteilt, nahm er wegen seiner guten Kenntnis der deutschen Verhältnisse bei Custine die Stellung eines Adjutanten ein und hatte nach Forsters Zeugnis auch wesentlichen Anteil an der Konstituierung des Mainzer Klubs. Bei ihm fand am Nachmittag des 23. Oktobers 1792 die Vorbesprechung statt, die der Klubgründung am Abend desselben Tages vorausging. 18 Der zweite wichtige Mann bei der Konstituierung des Klubs, Georg Wilhelm Böhmer, hatte auch schon um die Jahreswende 1791/92 Kontakte mit dem Straßburger Klub aufgenommen.19 Wenn sich, wie verlautet, die Gründungsversammlung ausschließlich mit Fragen der inneren Ordnung beschäftigte und bereits den Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Sekretär zu wählen vermochte20, dann geschah dies gewiß nicht ohne die Straßburger Kluberfahrungen des Daniel Stamm. Nach einer vom Oktober datierten und am 3. November im „Aachener Zuschauer" gedruckten Korrespondenz aus Mainz hatte man in der Erkenntnis, daß der Klub „vor allem, um tüchtig wirken zu können, organisiert werden muß", schon auf seiner dritten Sitzung am 25. Oktober beschlossen, Deputierte zur Straßburger Gesellschaft zu entsenden und ihre Statuten zu erbitten.21 Das im Anhang mitgeteilte Dokument 2 — „Gesellschaftliche Verfassung der Fränkischen Konstitutionsfreunde von Straßburg" — ist gewiß ein Ergebnis dieser Bemühungen, aber keineswegs, wie Hansen glauben macht, die vollständige Ordnung des Straßburger Klubs und auch nicht durch Anton Joseph Dorsch überbracht worden. Das Dokument ist schon durch seinen Untertitel — „1. Hauptstück: Von Annahme der Mitglieder" — eindeutig als Teil eines Ganzen gekennzeichnet, der sich dann auch in der Tat in seinen Artikeln 1 — 16 ausschließlich mit Fragen der Mitgliedschaft, der Mitgliederaufnahme, der Kandidatenablehnung, des Mitgliedsausschlusses, des Statuts korrespondierender Mitglieder und solcher von affiliierten Gesellschaften beschäftigt. Einzig der 17. und letzte Artikel geht über diesen Fragenkomplex schon hinaus, indem er die Verbrüderung der Straßburger Konstitutionsfreunde mit allen Gesellschaften 18 19

20 21

Ebenda, S. 50. Böhmer, damals noch Gymnasialprofessor in Worms, wollte mit Hilfe des Klubs im pädagogischen Bereich in Straßburg tätig werden. Der Klub teilte ihm aber am 4. 1. 1792 mit, daß angesichts des Fehlens eines durch die Nationalversammlung festzusetzenden Erziehungsplanes es unmöglich sei, „ihm schon jetzt einen gesicherten Platz zu verschaffen, daß, wenn er sich aber mit einer augenblicklichen Versorgung begnügen wolle, so möchte er nur der Gesellschaft den Plan zu einer gemeinnützigen Vorlesung, wie z. B. zu einer Geschichte Frankreichs nach dem Sinne der Revolution, und in einem für jeden Bürger faßlichen Vortrag einschicken; die Gesellschaft wolle dann durch Unterschriften ihm eine hinlängliche Anzahl Zuhörer zu verschaffen suchen." Procès verbal de la société, Bd. 2, 4. 1. 1792. Hoffmann, Darstellung, S. 100 f. Hansen II, S. 531.

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konstatiert, die mit dem Pariser Jakobinerklub in Verbindung stehen. Wahrscheinlich ist dieses Dokument von den Mainzer Abgesandten aus Straßburg mitgebracht worden: Da es erst am 1. November — wie der Präsentationsvermerk aussagt — dem Klub bekannt gemacht wurde, läßt die so gegebene Zeitspanne zwischen Abreise der Deputation und Vorlage des Dokuments eine solche Annahme zu. Wenn nur ein Fragment ausgehändigt wurde, dann war offensichtlich eine Gesamtfassung nicht greifbar, vielleicht weil die in Straßburg geübte Praxis über einst Fixiertes hinweggeschritten war. Möglicherweise haben wir es bei dem vorliegenden Dokument mit einer besonders für Mainz gefertigten Zusammenstellung von Usancen zu tun, die den Straßburgern vor allem für die ersten konstituierenden Maßnahmen wesentlich erschienen. Offensichtlich legten sie das Hauptgewicht auf eine operative Unterstützung, denn sie kündigten den Mainzern an, daß sie „nächstens einen Bürger aus ihrer Mitte nach Mainz schicken werden, um an der Organisation und Vervollkommnung mit ihnen gemeinschaftlich zu arbeiten"22. Dieser Bürger war Anton Joseph Dorsch, den Mainzern gut bekannt als Priester und einstiger Philosophieprofessor an ihrer Universität. Ihn hatte sein Kantianismus mit der klerikalen Reaktion in Konflikt gebracht, so daß er 1791 nach Straßburg ging und dort zum Parteigänger der Revolution wurde. Dorsch traf am 3. November 1792 in Mainz ein — womit er entgegen der Behauptung Hansens23 nicht als Überbringer des Straßburger Statutenfragments fungieren konnte — und hielt im Klub am Abend desselben Tages in seiner Eigenschaft als „Kommissär der Konstitutionsgesellschaft in Straßburg" eine Begrüßungsrede, die bald darauf im Druck erschien.24 Dokument 3 trägt den Titel „Drittes Hauptstück: Von Präsidenten, Sekretären und ihren Verrichtungen". Möglicherweise hat Dorsch an der Ausarbeitung mitgewirkt, obwohl er nicht expressis verbis in Erscheinung tritt, sondern — wie aus den Artikeln 3 und 4 des Dokuments hervorgeht — ein Ausschuß diesen Entwurf erarbeitete und dem Klub am 5. November wahrscheinlich auch zur Beratung vorlegte. Dafür spricht die Dorsch vom Straßburger Klub erteilte Aufgabe, dem übrigens für diese Unterstützung durch ein in der Sitzung vom 6. November angenommenes Schreiben der Dank ausgesprochen wurde. 26 Die Hinweise in den genannten Artikeln auf Details des Straßburger Reglements legen es nahe, den Ausschuß mit der nach Straßburg gesandten Deputation in Verbindung zu bringen, zumal die Identität der Handschriften der Dokumente 2 und 3 wahrscheinlich ist. Über die Behandlung dieses Dokuments 3 im Klub ist keine Aussage möglich, da die vorliegenden Klubprotokolle erst mit dem 6. November einsetzen. Daß es in seinen wesentlichen Bestimmungen akzeptiert wurde, ergibt sich aus der Praxis der Klubtätigkeit, wie sie sich später in den Protokollen widerspiegelt. Abweichungen wurden notwendig, weil allein schon die zunehmende politische Aktivität keine Zeit und Kraft für die Erfüllung vieler formaler Pflichten übrigließ. So findet sich z. B. entgegen Artikel 14 des Dokuments nicht ein einziges Protokoll, das durch die Unterschrift des jeweiligen Präsidenten beglaubigt worden ist. Ebenso verständlich, wenn auch bedauerlich für die historische Forschung ist es, daß über das im Artikel 13 geforderte Kurzprotokoll hinaus nicht die im Artikel 15 vorgesehene Langfassung entstand, die den Inhalt der mündlichen Vorträge vollständiger wiedergeben sollte.

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M R I , S. 113. Vgl. Anm. 12. M R I , S. 113 — 116. Ebenda, S. 136.

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Die beiden nächsten Dokumente knüpfen — wie sich schon aus ihren Titeln ergibt — unmittelbar an das voraufgegangene an. Dokument 4 ist überschrieben: „Viertes Kapitel: Von der Ordnung in dem Saal der Gesellschaft"; ihm folgt Dokument 5: „Fünftes Kapitel: Von der Ordnung, die von denjenigen, die das Wort haben, zu beobachten." Die Mitarbeit von Dorsch an beiden steht außer Frage, denn am 6. November hatte er im Klub „eine Rede über die Art der inneren Organisation der Gesellschaft" gehalten26, welche die Vorlage dieser Dokumente vorbereitete. Dokument 4 wurde laut Klubprotokoll von dem Mainzer Kaufmann Andreas Patocki in der Sitzung vom 7. November verlesen.27 Diese Angabe stimmt mit dem Präsentationsvermerk auf dem Dokument selbst überein; ebenso deckt sich die Anlagennummer mit der im Protokoll angeführten. Dokument 4 schließt unmittelbar an das vorausgegangene 3. Dokument an, obwohl dieses den deutschen Ausdruck „Hauptstück" und jenes den entsprechenden lateinischen, „Kapitel", verwendet; im übrigen bezeichnet das Klubprotokoll das Dokument 4 auch ausdrücklich als „viertes Hauptstück der gesellschaftlichen Verfassung". Unklar bleibt lediglich, ob es sich, wie es im Protokoll heißt, tatsächlich um eine Übersetzung handelt oder ob dem Protokollanten mit dieser Behauptung nur ein Fehler unterlaufen ist. Ein französisches Original, das Straßburger Ursprungs sein müßte, liegt jedenfalls nicht vor. Im Hinblick auf das folgende Dokument, das jenes inhaltlich fortsetzt und zudem denselben Schreiber hat, fehlt übrigens eine solche Kennzeichnung als Übersetzung durch das Protokoll. Das Dokument 5 wurde am 9. November von dem Mainzer Kaufmann und ersten Präsidenten Georg Häfelin im Klub verlesen.28 Präsentationsvermerk und mitgeteilte Anlagennummer des Dokuments decken sich auch hier mit den Protokollangaben. Die Dokumente 3 bis 5 bilden inhaltlich und auch durch ihre äußere Kennzeichnung — drittes, viertes und fünftes Kapitel bzw. Hauptstück — eine Einheit, die dennoch Fragment bleibt, denn es fehlen zumindest das erste und zweite Kapitel. Das vorliegende Material ermöglicht trotzdem einen ausgedehnten Einblick in die Organisation des Klublebens, wobei der Hang auffällt, die dazu unbedingt notwendigen Vorschriften durch eine Vielzahl anderer aufzublähen und alles bis ins kleinste Detail festlegen zu wollen. Das Leben selbst hat solche Reglementierung dann schnell auf das erträgliche Maß reduziert; beispielsweise wurde die im Artikel 1 des Dokuments 5 fixierte Bestimmung, daß das Wort nur mit entblößtem Haupte genommen werden könne, durch einen späteren Beschluß aufgehoben.29 Zunächst aber machte das ungenügende Vertrautsein mit den Regeln einer demokratischen Meinungsbildung — es gab in Mainz nicht die Spur einer städtischen Selbstverwaltung, und das Zunftleben war vom feudalen Privilegienunwesen beherrscht — solche ins einzelne gehende Bestimmungen durchaus ratsam. Wir wissen aus anderer Quelle, daß Dorsch darüber hinaus gleichsam handgreiflich das Funktionieren einer demokratischen Versammlungsleitung exerzieren mußte, indem er in der Klubsitzung vom 16. November 1792 den amtierenden Präsidenten unterwies, „wie er sich als Präsident zu gebärden habe, wie er die Schelle angreifen müsse und überhaupt welchen ausgezeichneten Anstand er sich als der erste der Gesellschaft geben müßte".30 Dokument 6 sagt im Gegensatz zu den voraufgegangenen, die dem Klub als Entwürfe 26 27 28 29 30

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Hoffmann,

S. 140. S. 144. S. 158. S. 361. Darstellung, S. 255.

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mitgeteilt wurden, durch seinen Titel eindeutig aus, daß es sich hier um Beschlüsse handelt: „ . . . Schlüsse, welche die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit zu Mainz als verbindende Gesetze der Gesellschaft festgesetzt hat." Bei den Straßburger Statuten, deren Übernahme der Artikel 1 bestimmt, handelt es sich offensichtlich um das hier mitgeteilte Dokument 2, das in einem Punkt korrigiert wurde. Die im Artikel 4 formulierte Korrektur betraf das Wahlalter der Mitglieder, das im Artikel 1 des Dokuments 1 auf mindestens 18 Jahre festgelegt war, jetzt aber mit Stichtag vom 7. November für die votierenden Mitglieder auf 24 Jahre hinaufgesetzt wurde, während sich die Jüngeren mit der korrespondierenden Mitgliedschaft begnügen sollten. Der angegebene Stichtag ist nicht identisch mit dem Tag der Annahme des gesamten Dokuments, wohl aber des Artikels 4 dieses Dokuments durch den Klub. Dorsch hatte die Diskussion zu dieser Frage am 6. November eröffnet, wobei sein Vorschlag der Erhöhung des Wahlalters zunächst auch „einhelligen Beifall" fand. 31 Am folgenden Tage aber intervenierte der damals noch nicht 20jährige Friedrich Karl Joseph Haupt mit außerordentlicher Schärfe, so daß der Mathematikprofessor Matthias Metternich und .Dorsch als amtierender Präsident sich gegen seine „spitzigen" Ausdrücke verwahren mußten. Haupt pochte auf das einmal angenommene Wahlalter von 18 Jahren, nannte dessen nachträgliche Erhöhung „eine Beschimpfung für die wirklich angenommenen Mitglieder, wenn man sie nun ausschließen wolle", lehnte die Berufung auf spätere Straßburger Erfahrungen ab und berief sich auf die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit, als er erklärte:, „Wir haben auch Beispiele von jungen klugen Leuten." 32 Obwohl der Klub über Haupts Intervention zunächst zur Tagesordnung übergingwurde dieselbe Frage wenig später in derselben Sitzung abermals diskutiert. Der Medizinstudent Staudinger sprach für die Jungen. Einer der beiden älteren Falciolas — der Holz händler Georg Karl oder der Kanonikus von St. Johann, Johann Karl — entgegnete mit einer Interpretation der Aufforderung des bei den Studenten besonders beliebten Naturrechtlers Andreas Joseph Hofmann, wonach die von ihm propagierte Beförderung des Endzweckes durch die jungen Leute nicht notwendig ihre Klubmitgliedschaft einschlösse. Der Mediziner Georg Wedekind regte einen Kompromiß an, den Dorsch aufgriff und Metternich so formulierte, wie er sinngemäß im Artikel 4 unseres Dokuments gefaßt ist; danach waren „die wirklich angenommenen Mitglieder als stimmende Mitglieder zu belassen, aber in Zukunft niemand mehr anzunehmen, der nicht 24 Jahre alt sei". 33 Dieser Vorschlag wurde sogleich allgemein akzeptiert. Während also der Artikel 4 unseres Dokuments 6 am 7. November angenommen wurde, wurde über den Inhalt der übrigen Artikel zu anderen, ganz unterschiedlichen Terminen beschlossen. Die Übernahme der Straßburger Ordnung, die der Artikel 1 konstatiert, erfolgte zweifellos schon unmittelbar nach der Präsentation des Dokuments 2 am 1. November; eine nähere Bestimmung des Zeitpunktes mit Hilfe des Klubprotokolls, das ja erst mit dem 6. November einsetzt, ist nicht möglich. Der im Artikel 2 formulierte Beschluß über die für alle Mitglieder verbindliche Anrede „nur mit dem Familiennamen und dem brüderlichen Du" wurde wahrscheinlich ebenfalls vor dem 6. November gefaßt und ist aus dem gleichen Grunde zeitlich nicht exakt zu fixieren. Der Artikel 3, der für jede Sitzung die Ernennung von vier Kommissären zur Aufrechterhaltung der Ordnung vorsieht, könnte ein Ergebnis der Vorlage von Dokument 4 am 7. November sein, das in seinen Artikeln 10 und 11 erstmals von vier Kommissären spricht, während 31 32 33

MR I, S. 140. Ebenda, S. 146. Ebenda, S. Höf.

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in dem am 5. November vorgelegten Dokument 3 Artikel 12 nur von drei Kommissären die Rede war. Der Artikel 5 faßt dann mehrere, am 8., 9. und 13. November getroffene Entscheidungen zusammen: In der Klubsitzung vom 8. November hatte man der Forderung des Franzosen Rigaud nach einer wöchentlichen Session in französischer Sprache zugestimmt und ebenso der entsprechenden von ihm und dem ehemaligen Mainzer Hofgerichtsrat Kaspar Hartmann vorgeschlagenen Reduzierung der deutschen Sitzungen auf vier in der Woche. Die als Ausgleich gedachte Vorverlegung des Sitzungsbeginns auf 5 Uhr nachmittags wurde dagegen noch nicht akzeptiert, sondern sollte am folgenden Tage erörtert werden. 34 Eine Erörterung fand zwar statt, aber die Beschlußfassung wurde abermals auf den 11. November verschoben. 35 Akzeptiert wurde jedoch schon am 9. November die dann auch in den Artikel 5 sinngemäß aufgenommene Feststellung Metternichs, daß die Beschlüsse der französischen Sessionen keine bindende Kraft für den ganzen Klub haben könnten.36 In der Frage des Sitzungsbeginns brachte der 11. November wiederum keine Entscheidung, weil man sich am 13. November zu einer geschlossenen Sitzung zusammenfinden wollte, um vornehmlich Probleme der inneren Organisation zu behandeln.37 Jetzt endlich erfolgte ein Beschluß über Sitzungstage und Sitzungsbeginn, wie es im Artikel 5 formuliert ist.38 Die Frage des Provisors, die der Artikel 6 klärt, taucht im Klubprotokoll erstmalig am 7. November auf, als Dorsch Meldungen zur Provisorstelle erbat und sich daraufhin acht Kandidaten bereit fanden. Eine Wahl erfolgte noch nicht, sondern man debattierte zunächst über das monatliche Entgelt, um schließlich den Ausschuß mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Gutachtens zu beauftragen.39 34 35 36

37 38 39

Ebenda, S. 154. Ebenda, S. 159. Ebenda, S. 158. Im übrigen gingen noch viele Wochen bis zu gesonderten französischen Sitzungen ins Land; zweimal im Dezember wurde daran erinnert (MR I, S. 376, 425). Nachdem am 3. 1. der Bürger Menoni dafür verantwortlich gemacht worden war (MR I, S. 479) und man sich drei Tage später über den Druck der Einladungen und die für die französischen Sessionen vorgesehenen Wochentage, nämlich Mittwoch und Sonnabend, geeinigt hatte (MR I, S. 492), konnte endlich am 11.1. berichtet werden, daß am kommenden Tage „die Frankenbrüder ihre Sitzungen anfangen wollen" (MR I, S. 523). Obwohl entgegen Artikel 5 unseres Dokuments sogar zwei Sessionen in der Woche angesetzt wurden, kamen die Franzosen jedoch über insgesamt vier Zusammenkünfte — nämlich am 12., 16., 19. und 23. 1. — nicht hinaus. Das Protokoll der letzten Session, das am 24. 1. in der deutschen Sitzung verlesen wurde, beantragte „1. daß in Zukunft die deutschen und französischen Sitzungen vereinigt gehalten werden sollten, 2. einerlei Eintrittsbilletten, 3. immer der gewählte Präsident der beiden Sprachen mächtig sein solle" (MR I, S. 597). Gegen verschiedene Einwände, die auf Straßburger, Colmarer und Landauer Erfahrungen verwiesen, wo erst durch die sprachliche Trennung Ordnung in den Gang der Geschäfte gebracht worden sei, setzte sich der Konventskommissär Haussmann mit dem Argument durch, „daß wir französisch und sie deutsch lernen müßten, welches um so mehr verfehlt würde, da in den französischen Sitzungen keine deutschen und in den deutschen keine französischen Brüder anwesend seien" (MR I, S. 598). Während man sich über den zweiten Antrag schnell einigte, wurde der dritte zur vorbereitenden Klärung an das Comité d'instruction überwiesen. Da die Zweisprachigkeit die Präsidentschaftskandidaturen zu sehr eingeschränkt hätte, beschloß man am 27. 1. auf Vorschlag des Komitees, daß es genüge, wenn der Präsident oder der Vizepräsident oder einer der Sekretäre beide Sprachen beherrsche (MR I, S. 607). Ebenda, S. 175. Ebenda, S. 215. Am 7. Januar 1793 wurde der Sitzungsbeginn für alle Sitzungen auf 5 Uhr nachmittags gelegt; ebenda, S. 497. Ebenda, S. 146.

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Das Gutachten lag zwar am 9. November vor40, aber erst am 13. November erfolgten all die Beschlüsse, die den Inhalt-des Artikels 6 ausmachen; darüber hinaus wurde bestimmt, daß zum Substituten des Provisors jeweils der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen genommen werden sollte.41 Die Geschichte der einzelnen „Schlüsse" ergibt also, daß es sich bei dem vorliegenden Dokument um eine frühestens am 13. November angefertigte Zusammenstellung von Beschlüssen handelt, die seit dem 1. November zu verschiedenen Terminen gefaßt worden waren. Dokument 7 enthält „Zusätze zum Reglement, vorgeschlagen zur Behauptung der Ordnung in den Sitzungen und zu Beobachtung des Zwecks der Gesellschaft". Es ist durch den beigefügten Vermerk eindeutig als eine Arbeit von Christoph Friedrich Cotta ausgewiesen, jenem einstigen Lehrer an der Karlsschule in Stuttgart, der nach dem Ausbruch der Französischen Revolution in Straßburg französischer Bürger wurde, sich dort als Publizist einen Namen machte und nun im Auftrage des Straßburger Klubs nach Mainz ging, wo er als Kanzlist im Generalstabe Custines wirkte und am 11. November dem Klub beitrat. Der Vermerk sagt weiterhin aus, daß die „Zusätze" am 10. Dezember einer außerordentlichen Klubsitzung vorgelegt wurden, wie sie der Artikel 16 des Dokuments 4 auch ausdrücklich vorsieht, wenn Probleme der inneren Organisation zu verhandeln sind. Daß man den 10. Dezember, einen Montag, wählte, der an sich den gewöhnlichen Sitzungen vorbehalten war, stand zwar im Widerspruch zu dem genannten Artikel, ist aber offensichtlich auf die Fülle der zu klärenden Organisationsfragen zurückzuführen. Denn schon am 12. Dezember trat man erneut zu einer ungewöhnlichen Sitzung zusammen. Diese außerordentliche Geschäftigkeit war zweifellos das Ergebnis des ersten Briefes, den die Mainzer vom Pariser Jakobinerklub auf direktem Wege erhalten hatten. Vom 14. November datiert, teilte er mit, daß die durch die Straßburger Gesellschaft übermittelte Bitte der Mainzer um Affiliation mit dem Pariser Klub statutengemäß erst nach der Übersendung des Mainzer Mitgliederverzeichnisses erfüllt werden könne.42 Am 6. Dezember wurde dieser Brief im Klub verlesen43, der nun Cottas „Zusätze" und die beiden außerordentlichen Sitzungen nötig machte. Das bestätigt das Antwortschreiben des Mainzer Klubs vom 12. Dezember, das mit den Worten begann: „Wir würden längst schon den brüderlichen Äußerungen, welche Euer Brief vom 24. November enthält, mit dem ganzen Eifer echter Freiheitsfreunde entgegengekommen sein, wenn uns nicht die innere Organisation unserer Gesellschaft selbst, welche der Mitteilung unseres Namensverzeichnisses vorangehen mußte, bisher beschäftigt hätte."44 Die Protokolle der beiden außerordentlichen Tagungen liegen nicht vor, aber sie wurden, wie das Klubprotokoll ausweist, auf der nächsten ordentlichen Sitzung am 14. Dezember zusammen mit den Cottaschen „Zusätzen" verlesen und auch gebilligt. 45 Während die Abschnitte I, II, III und IV dieses Dokuments im wesentlichen nur eine strengere Ordnung in die bisher geübte Praxis brachten, gingen die anderen vielfach darüber hinaus. Das gilt beispielsweise für die im Paragraphen 1 des V. Abschnittes vorgesehenen und außerhalb der Klubsitzungen stattfindenden Volksbelehrungen, die der ehemalige Augustiner Alexander Hornung, Direktor der Normalschule und ProEbenda, « Ebenda, 42 Ebenda, 13 Ebenda, 44 Ebenda, 15 Ebenda, 40

S. S. S. S. S. S.

159. 214. 353-355. 351. 371 - 3 7 4 . 374f.

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fessor am Gymnasium, am 26. Dezember zwar begann46, die jedoch nicht durchgehalten werden konnten. Entschieden größere Ergebnisse zeitigte dagegen die im Paragraphen 2 desselben Abschnittes erfolgte Präzisierung der Ausschußtätigkeit. Zwei der vier genannten Ausschüsse hatten allerdings schon eine Geschichte. Der älteste war der Korrespondenzausschuß, da der schriftliche Verkehr mit den Brudergesellschaften zu den wesentlichsten Merkmalen der Klubtätigkeit gehörte. Es darf angenommen werden, daß die Deputation, die schon im Oktober den unmittelbaren Kontakt mit der Straßburger Gesellschaft herstellte, den Grundstock des Ausschusses bildete, der sich damals als einziges derartiges Organ allerdings nicht nur auf das Korrespondenzgeschäft beschränkte, sondern z. B. auch Fragen der inneren Organisation vorzubereiten hatte. Von diesem Ausschuß ist in den Artikeln 3 und 4 des Dokuments 3 vom 5. November und dann im Klubprotokoll seit dem 6. November buchstäblich in jeder Sitzung die Rede.47 Erst am 18. November findet sich die nähere Kennzeichnung „korrespondierender Ausschuß"48. Sie wurde notwendig, weil inzwischen ein zweiter Ausschuß ins Leben gerufen worden war: das Comité de surveillance oder der wachhabende oder Wachsamkeitsausschuß. Eine feindselige zeitgenössische Quelle behauptet, daß Wedekind im Klub bereits am 14. November die Bildung eines solchen Ausschusses angeregt habe, aber mit Empörung zurückgewiesen worden sei; nach der Einsetzung der neuen Administration durch Custine, also nach dem 19. November, sei dieser Ausschuß unter einigermaßen dramatischen Umständen allerdings dennoch zustande gekommen. 49 Der Wahrheitsgehalt dieser Darstellung ist schwer zu ermitteln; die angegebenen Daten jedenfalls sind beide falsch: Am 14. November fand keine Klubsitzung statt, und die Entscheidung über die Bildung des Wachsamkeitsausschusses fiel bereits am 16. November. Nach Anhören der Stellungnahme des bis dahin einzigen Ausschusses wurde im Klub beschlossen, „1., daß die Mitglieder des wachhabenden Ausschusses bekannt sein sollen; dann 2., daß der wachhabende Ausschuß befugt sein solle, alle jene Mittel zu dem Zweck der Gesellschaft anzuwenden, welche mit der Ehre der Gesellschaft verträglich sind".50 Die Aufgabe des Ausschusses war, konterrevolutionäre Bestrebungen aufzuspüren und über wichtige Vorgänge Bericht zu erstatten. Obwohl seine Mitglieder durch die Wahl bekannt waren, blieben doch der Geschäftsgang und auch die Tätigkeit des einzelnen Mitgliedes geheim. 51 Mit den Cottaschen „Zusätzen" wurde die Differenzierung der Ausschußtätigkeit noch weitergetrieben, indem neben die beiden bestehenden Komitees noch ein Unterrichts- und ein Ökonomieausschuß traten.52 Da die Aufgabenstellung des « Ebenda, S. 431 f. 47 Ebenda, S. 140 et passim. 48 Ebenda, S. 238. 49 Hoffmann, Darstellung, S. 251, 345. 50 MR I, S. 232. 51 Ebenda, S. 390, 574. 52 Im Januar 1793 trat noch ein fünfter Ausschuß in Erscheinung, Comité de bienfaisance bzw. wohl- oder mildtätiger Ausschuß genannt. Die Klubprotokolle erwähnen ihn erstmalig am 17. 1., ohne jedoch den Zeitpunkt seiner Entstehung eindeutig zu fixieren (MR I, S. 558). Hoffmann (Darstellung, S. 589f.) behauptet, daß die Gründung des aus 6 Mitgliedern bestehenden Ausschusses an diesem 17. 1. erfolgt sei. Bei der Vielzahl der Ausschüsse ergaben sich natürlich Kompetenzfragen, die zu klären das Comité réuni, d. h. eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse, besonders geeignet schien, wie es beispielsweise der wachhabende Ausschuß im Klub am 4. 1. anregte (MR I, S. 482f.). Diese Tendenz zur Differenzierung und strengen Scheidung, die auch Cottas Entwurf auszeichnet, verlor sich mit dem allgemeinen

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letzteren sich gleichsam von selbst verstand, konnte Cotta auch klare Strukturvorschläge unterbreiten. Im Hinblick auf den sehr viel wichtigeren und auch umfangreicheren Unterrichtsausschuß lag eine gesonderte Ausarbeitung vor, über die im Zusammenhang mit dem hier mitgeteilten Dokument 8 noch zu sprechen sein wird. Alle vier Ausschüsse wurden in der Klubsitzung vom 14. Dezember sowohl als Einrichtungen bestätigt als auch durch die Wahl bzw. Neuwahl ihrer Mitglieder praktisch konstituiert.53 Im Abschnitt V I der Cottaschen „Zusätze" fällt als Neuerung der Kopist auf. Der Klub gab am 14. Dezember einer solchen Funktion seine prinzipielle Zustimmung und beschloß darüber hinaus die Ernennung eines Archivars, dem der Kopist als Helfer und Stellvertreter dienen sollte.54 Die von Cotta vorgesehene Anwesenheit des Präsidenten des Korrespondenzkomitees „am Bureau" wurde in der Klubsitzung vom 27. Dezember in der Weise verändert und erweitert, daß nunmehr die Sekretäre sämtlicher Ausschüsse am Schreibtisch Platz nehmen sollten.55 Die finanzielle Situation des Klubs war zu keiner Zeit günstig, so daß man verständlicherweise seiner Ökonomie nicht nur durch die Einrichtung eines entsprechenden Ausschusses, sondern auch wie hier im Paragraphen 3 und ebenso im Abschnitt V I I besondere Beachtung schenkte. Wahrscheinlich sind damals 15 Kreuzer als monatlicher Beitrag jedes Mitgliedes festgelegt worden; denn als Ende Februar und Anfang März 1793 verschiedentlich eine Erhöhung des Beitrages angeregt, aber nie akzeptiert wurde,

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Niedergang der Ausschußtätigkeit seit Februar 1793 in zunehmendem Maße. Mit den für die zweite Monatshälfte angesetzten Wahlen und ihrer Vorbereitung verschärften sich die Gegensätze, und es wurden dem einzelnen Klubmitglied ungewöhnliche Aktivitäten abverlangt, denen sich die Lauen entzogen und die die anderen um so mehr belasteten. In der Sitzung vom 7. 2. wurden von selten des Unterrichts- und des Ökonomieausschusses die ersten Klagen laut, daß die anfallende Arbeit die vorhandenen Kräfte übersteige. Während sich das Comité d'instruction auf die nächste außerordentliche Sitzung vertrösten ließ, nahm man im Hinblick auf den anderen Ausschuß das Angebot des Comité de surveillance an, das „bei seinen vielen Geschäften auch die Ökonomie noch übernehmen wollte, um einmal zu sehen, ob keine Ordnung in die Sache zu bringen sei" (MR I, S. 684f.). Schon eine Woche später aber mußte sich der Klub erneut mit dem Ausschußproblem beschäftigen, dem man sogar durch eine Reduzierung der Klubsitzungen beizukommen hoffte, „da wegen den vielen Sitzungen die Glieder der Comités alle ihre Zeit diesen Geschäften aufopfern müßten und doch manche Gegenstände ohnverrichtet blieben" (MR I, S. 707). Am folgenden Tag wurde dann auch beschlossen, „in Zukunft wöchentlich dreimal, und zwar dienstags, donnerstags und samstags Sitzung zu halten", erleichtert durch die Tatsache, daß vom 17. 2. an sonntags im gleichen Hause das National-Bürger-Theater der Volkserziehung dienende Vorstellungen zu geben begann (MR I, S. 712). Die Notwendigkeit, Emissäre zur Agitation aufs Land zu schicken, schränkte die Arbeit der Comités weiter ein; doch die Absicht des Klubs vom 26. 2., auf dem nächsten Comité général, d. h. der außerordentlichen Sitzung vom 27. 2., „die unordentlichen Comités in Ordnung zu bringen" (MR I, S. 737), erschöpfte sich in einigen personellen Veränderungen, die das Übel nicht behoben (MR I, S. 770f.). Der am 5. 3. gefaßte Beschluß, säumige Ausschußsekretäre mit Geldstrafen zu belegen (MR I, S. 794), war gewiß kein Vertrauen schaffendes Auskunftsmittel. Auch die letzte protokollarisch belegte Sitzung, das Comité général vom 13. 3., mühte sich mit Ausschußfragen ab, gab dem Ökonomieausschuß Weisungen und stellte das Korrespondenzkomitee neu zusammen (MR I, S. 808f.). MR I, S. 375. Ebenda. Ebenda, S. 439.

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ging man in der Diskussion von 15 Kreuzern als der alten Beitragsquote aus.56 Es läßt sich denken, daß die von Januar 1793 an geforderte Vorauszahlung Schwierigkeiten machte. So teilte der Ökonomieausschuß am 3. Januar der Gesellschaft mit, daß von den 449 Mitgliedern erst 121 ihren Beitrag entrichtet hätten.57 Trotz solcher ungünstigen finanziellen Situation lehnte man es ab, von der auch anderswo üblichen Regel abzuweichen und die korrespondierenden Mitglieder zur Beitragszahlung zu veranlassen.58 Daß Cotta die gesonderten Sitzungen der französischen Klubmitglieder in einem unbezifferten Paragraphen nur durch eine Überschrift als ein Problem anschnitt, aber keine Vorschläge formulierte, ist eine Bestätigung der allgemeinen Unsicherheit in dieser Frage und spiegelt den mangelhaften Stand der Vorbereitungen wider. 59 Im Abschnitt VII erregt die abschließende „Ankündigung" besonderes Interesse. Die darin mitgeteilte Verlegung der Klubsitzungen aus dem Akademiesaal des Schlosses in den Theatersaal des Schauspielhauses erfolgte bereits unmittelbar nach dem 7. Dezember, an dem der Klub diesen Beschluß gefaßt und entsprechende Schritte bei der Munizipalität in die Wege geleitet hatte.60 Der Wechsel wurde notwendig, weil das Schloß seit einiger Zeit als Militärhospital diente, so daß gegenseitige Störungen unvermeidlich waren. Außerordentlich bedeutsam ist dann der Passus der „Ankündigung", der später gestrichen wurde und von der Absicht sprach, die Liste der Klubmitglieder öffentlich bekannt zu machen und sogar als Herausforderung dem feindlichen Hauptquartier einzusenden. Zum erstenmal wurde ein ähnlicher Gedanke in der Klubsitzung vom 15. November geäußert, als Kaspar Hartmann die Anregung des Ausschusses vortrug, Tafeln mit den Namen der Mitglieder aufzustellen.61 André Meyer, einst Lehrer an der Salzmannschen Erziehungsanstalt in Schnepfenthal, jetzt Stabsoffizier und Adjutant bei Custine, hatte damals den weitergehenden und auch von allen gebilligten Vorschlag gemacht, „die gesellschaftlichen Gesetze nebst beigefügten Namen der Mitglieder drucken zu lassen".82 Dieser Beschluß lag der Cottaschen Anregung zugrunde, nur mit dem Unterschied, daß nicht mehr der Statuten gedacht wurde, dafür aber das Ganze durch die bewußt provokatorische Absicht den Charakter eines mutigen Bekenntnisses erhielt. Bei der Verlesung der „Zusätze" am 14. Dezember ist dieser Passus ganz gewiß nicht gestrichen worden, denn noch am 17. Dezember stimmte der Klub dem Ersuchen von Friedrich Georg Pape zu, „daß die Gesellschaft ihm die Namen sämtlicher Glieder einhändige ; er wolle sie abdrucken lassen und sie hernach unter seiner eigenen Adresse an den König von Preußen schicken; und dann sollten jene, welche ihre Namen nicht wollten gedruckt haben, sich bei ihm melden und hernach aus der Gesellschaft ausgestrichen werden". 63 Die endgültige Entscheidung fiel in der Sitzung vom 20. Dezember, auf der ein Schreiben der Munizipalität verlesen wurde, das mit Rücksicht auf die persönliche Sicherheit 56

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Ebenda, S. 771, 806, 808 f. Die von Klein gemachte Angabe, wonach jedes Mitglied wöchentlich vier Kreuzer zu zahlen hatte, konnte nicht verifiziert werden, aber kommt dem Monatsbeitrag von 15 Kreuzern sehr nahe. Klein, Geschichte von Mainz, S. 296. MR I, S. 479. Ebenda, S. 480. Vgl. Anm. 36. MR I, S. 362. Drei Tage zuvor, in der Sitzung vom 4. 12., war die Notwendigkeit eines neuen Tagungsraumes für den Klub bereits überzeugend begründet worden; ebenda, S. 350. Ebenda, S. 217. Ebenda. Ebenda, S. 385f.

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der Bürger die Zurücknahme des letzten Beschlusses empfahl. Dasselbe verlangte ein ebenfalls verlesenes anonymes Schreiben. Während ein Mitglied schriftlich im Falle der Weigerung seinen Austritt ankündigte, forderten andere ihre Streichung ohne jede Begründung, aber gewiß aus derselben Ursache. Unter diesen Umständen war der Beschluß nicht mehr aufrechtzuerhalten. Zwar wandte ein Redner ein, „daß die Gesellschaft ihren einmal gefaßten Schluß nicht wieder zurücknehmen könne", aber er wurde mit dem Argument zum Schweigen gebracht: Es sei „keine Schande zu bekennen, bessere Einsichten in einer Sache erlangt zu haben; die Nationalversammlung von Frankreich tue und habe das nämliche schon getan". 64 Also trat auch Pape von seiner Absicht zurück, „weil er einsehe, daß dies den hiesigen Bürgern schaden könne", und beschränkte sich darauf, seine Adresse, die er auf dieser Sitzung vorlas, nur im eigenen Namen dem preußischen König zuzuschicken.65 Bei dem folgenden Dokument 8, « Comité d'instruction » überschrieben, handelt es sich wahrscheinlich um jene Ausarbeitung, von der es im Klubprotokoll vom 14. Dezember heißt: „Es wurde demnach ein schriftlicher Aufsatz verlesen, welcher die Einrichtung dieses Comité d'instruction enthielt, welchen ein Mitglied des korrespondierenden Ausschusses abgefaßt hatte. Dieser Aufsatz ward ebenfalls allgemein angenommen." 66 Dem Klubprotokoll wurde die Arbeit als Anläge nicht beigefügt, denn erstens fehlt der entsprechende Vermerk im Protokoll, und zweitens ist die auf dem Dokument verzeichnete Anlagennummer zu niedrig, um in die Reihenfolge der Protokollanlagen des Klubs zu passen, die zu dieser Zeit die 70 bereits überschritten hatten. Wahrscheinlich bezieht sich der Anlagenvermerk auf das Ausschußprotokoll. Das Dokument vermittelt nicht nur einen Eindruck von den Aufgaben des Unterrichtsausschusses, sondern läßt auch Schlüsse auf die Arbeitsweise der anderen Komitees zu. Sein ausgedehnter Geschäftsbereich, der die Organisationsfragen der Gesellschaft und die gesamte Propagandaarbeit umfaßte, hob diesen Ausschuß eindeutig über alle anderen hinaus. Mit Rücksicht auf die Vielfalt der ihm übertragenen Aufgaben widersetzte man sich im Klub auch jeder inhaltlichen Ausweitung: Als die Komiteemitglieder selbst am 21. Dezember der Gesellschaft vorschlugen, „der Medizin auch einen Platz in ihrem Ausschusse einzuräumen", entgegnete man ihnen, „daß einzelne Wissenschaften in den Comités keinen besonderen Platz haben könnten, indem sonst ihr Wirkungskreis weiter ausgedehnt würde, als er eigentlich sein sollte".67 Dennoch war die zunächst vorgesehene Begrenzung der Mitgliederzahl auf sieben nicht aufrechtzuerhalten. Wie die im Artikel 1 unseres Dokumentes von anderer Hand vorgenommene Streichung der ausgeschriebenen Zahl sieben und ihre Ersetzung durch die Ziffer 21 ausweisen, erfolgte sogar eine Verdreifachung der Ausschußmitglieder. Die beiden letzten Dokumente — der „Entwurf einer Ordnung" und die „Ordnung der

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Ebenda, S. 388 f. Ebenda, S. 388. Pape war der Sohn eines preußischen Kammergerichtsbeisitzers aus dem Westfälischen und einstiger Prämonstratenser. Er ging 1791 ins Elsaß, w o er Beschäftigung als bischöflicher Vikar und Seminarlehrer in Colmar fand, dann auf Grund einer Bitte Custines, ihm tüchtige Propagandisten zu senden, als Beauftragter des Departements Haut-Rhin nach Mainz kam und am 2 8 . 1 1 . Klubmitglied wurde. Seine besondere Animosität, die er als gebürtiger Preuße seinem ehemaligen Landesherrn gegenüber zeigte, gipfelte in der „Offenherzigen Zuschrift an Friedrich Wilhelm Hohenzollern", die am 20. 12. im Klub verlesen wurde (ebenda, S. 3 9 0 - 3 9 2 ) . Ebenda, S. 375. Ebenda, S. 401.

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Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit, die in Mainz errichtet und mit denen zu Paris und zu Straßburg verschwistert ist" — gehören unmittelbar zusammen. Dokument 10 ist nichts anderes als die Ausführung des im Dokument 9 unter Titel 1 genannten Kapitels der Gesamtordnung des Klubs. Ausführungen zu den anderen Titeln liegen nicht vor. Die zeitliche Bestimmung beider Dokumente ergibt sich aus den beiden Überschriften, die in gleicher Weise aussagen, daß der Mainzer Klub mit den Gesellschaften „zu Paris und Straßburg verschwistert ist". Während die Verbrüderung mit dem Straßburger Klub gleich zu Anfang erfolgte, nahmen die Affiliationsbemühungen der Mainzer mit Paris eine längere Zeit in Anspruch. Am 24. November hatten die Pariser Jakobiner als Vorbedingung das Einsenden der Mainzer Mitgliederliste genannt. Obwohl man in Mainz dieser Forderung erst am 12. Dezember nachkam, hatte sich Paris doch schon am 3. Dezember entschlossen, die begehrte Verbrüderung zuzugestehen, und ein entsprechendes Schreiben abgesandt. Es vergingen über zwei Wochen, bevor endlich am 20. Dezember diese Mitteilung im Mainzer Klub verlesen werden konnte.68 Die darauf verfaßte Dankadresse an die Pariser Jakobiner, von Forster und Wedekind unterzeichnet, trug das Datum des 25. Dezember.69 Der frühestmögliche Termin für die Abfassung der beiden vorliegenden Dokumente ist demnach der 20. Dezember 1792, an dem die Annahme der Verbrüderung durch den Pariser Klub offiziell bekannt wurde. Diese Feststellung wird außerdem dadurch bekräftigt, daß erst in der Klubsitzung vom 20. Dezember dem Unterrichtsausschuß der Auftrag erteilt wurde, eine Instruktion für die Sekretäre der Gesellschaft auszuarbeiten70, wie es dann auch Dokument 9 im Anhang unter Ziffer 2 vorsieht. Dieses Dokument liegt als ein Entwurf dem 20. Dezember naturgemäß näher als das Dokument 10, das im Titel schon nicht mehr den Charakter des Vorläufigen trägt und zudem eindeutig auf jenem aufbaut. Andererseits zeigt eine Korrektur am Rande von fremder Hand, die den Wohltätigkeitsausschuß zusätzlich in die Reihe der Ausschüsse einfügt, daß im Januar 1793 — vorher gab es keinen Wohltätigkeitsausschuß — an dem Entwurf noch einmal gearbeitet wurde. Dokument 10 ist wie Dokument 9 sicher in erster Linie das Arbeitsergebnis des Unterrichtsausschusses, in dessen Kompetenz die vorbereitende Beschäftigung mit Satzungsfragen gehörte. Doch das schloß die Mitarbeit anderer nicht unbedingt aus. So konnte Georg Forster, am 31. Dezember 1792 zum Präsidenten des Klubs gewählt, als solcher jeder beliebigen Ausschußsitzung beiwohnen.71 Am selben Tage schrieb er an seine Frau, daß er „das Gesetzbuch der Gesellschaft zu ordnen" übernommen habe.72 Möglicherweise handelt es sich bei den Dokumenten 9 und 10 um Arbeiten Forsters, der hier auf der Basis einer klaren Gliederung — Dokument 9 — sich Punkt für Punkt an die Ausarbeitung machte, aber wegen anderer Geschäfte und Krankheit über das erste Hauptstück — Dokument 10 — nicht hinauskam. Im Dokument 10 fällt der Paragraph 7 ins Auge, der aus der wortgetreuen Übersetzung des von Le Chapelier namens des Konstitutionsausschusses eingebrachten und durch die Nationalversammlung angenommenen Dekrets von Ende September 1791 besteht.73 Diese noch von den Feuillants durchgesetzte und auf eine Begrenzung der Klubaktivi68 69 70 71 72 73

Ebenda, S. 390, 393f. Die Verlesung der deutschen Übersetzung im Klub erfolgte erst am 4.1.1793 ; ebenda, S. 483 f. Ebenda, S. 389. Vgl. Dokument 7, Abschnitt V, § 2. Forster an seine Frau, 31. 12. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 161 (Druckmsc.). Aulard, Société des Jacobins, Bd. 1, S. XCIVf.

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täten gerichtete Maßnahme, gegen die dann auch sogleich in der Nationalversammlung Robespierre und im Klub Brissot auftraten, ist zwar nie aufgehoben, aber so gründlich mißachtet worden, daß im Gegenteil unter der Legislative und dem Konvent die Bedeutung des Klubs ständig zunahm. Wenn die Mainzer Jakobiner diesem Dekret für die Definition ihrer eigenen Stellung in der Gesamtgesellschaft eine so große Bedeutung zumaßen, dann gibt es dafür zwei Gründe: Zum ersten fiel es ihnen aus Mangel an Erfahrung schwer, sich in die Parteikämpfe jener Zeit hineinzuversetzen, so daß ihnen ein formal immer noch gültiges Dekret, von der bewunderten Nationalversammlung beschlossen, unumstößlich erschien. Zum anderen machte sie die Abhängigkeit, in der sie sich von der militärischen Macht mit Custine an der Spitze befanden, besonders vorsichtig und bemüht, ihre Kompetenzen nirgends im geringsten zu überschreiten. Das Klubprotokoll bringt Beispiele dieser skrupulösen Haltung; als man sich Ende November 1792 entschlossen hatte, Emissäre zur Agitation auf das Land zu schicken, wagte es der Klub nicht, ihnen aus eigener Machtvollkommenheit Auftrag zu erteilen, sondern erbat die Genehmigung der von Custine eingesetzten provisorischen Administration.74 Als Mitte Dezember über eine Adresse beraten wurde, die der Administration für ihr Schutzversprechen den Dank des Klubs ausdrücken sollte, kam es zu einer heftigen Diskussion. Es ging darum, ob die Gesellschaft, die wohl mit ihresgleichen korrespondieren dürfe, aber kein öffentliches Korps ausmache, überhaupt als Gesellschaft an die Administration sich zu wenden berechtigt wäre oder ob eine solche Adresse die Unterschrift aller Klubmitglieder als einzelner Bürger tragen müßte.75 Bemerkenswert ist schließlich im Dokument 10 die Formulierung des Eides für die Klubmitglieder. Der Paragraph 1 gibt nur die Schlußformel wieder, während der vollständige Text, den der Neuaufgenommene bislang zu sprechen hatte, folgendermaßen lautete: „Ich schwöre, dem Gesetz des freien Volkes getreu zu sein und alle jene anzugeben, welche dagegen handeln werden. Frei leben oder sterben."76 Offensichtlich hat es über die Kurzfassung, auf die der Eid im vorliegenden Dokument reduziert ist, Debatten gegeben.77 Am 18. Januar wurde die neue Kurzfassung damit begründet, daß die bisherige Eidesformel die Klubmitglieder „bei den Bürgern nur fürchtbar und als Spione dargestellt" habe. Dem wurde entgegengehalten, daß gerade solcher Eid „in der Gesellschaft einen esprit de corps unterhielte", daß man wohl statt „angeben" die Wörter „belehren" oder „beobachten" setzen könne, daß aber am Ende „alle Abänderungen als leere Komplimente unnützlich seien".78 Die Gesellschaft beschloß dann auch, keine Änderung der Eidesformel zuzulassen. Irgendeinen Einfluß auf das vorliegende Dokument — etwa in Gestalt einer späteren Randbemerkung — hat diese Entscheidung jedoch nicht gehabt. 74 75

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MR I, S. 310. Ebenda, S. 381, 384; die Diskussion währte 2 Tage, führte zu keiner Einigung und endete mit dem Auftrag an das Comité d'instruction, dem Klub entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Diese Formel ist auf der Rückseite von Bl. 2 des Dokuments 4 notiert und findet sich sinngemäß auch im Artikel 5 des Dokumentes 2. MR I, S. 557. Ebenda, S. 569.

Dokument 1 (Handschriftlich mitgeteilt im Procès verbal de la Société de la Révolution établie à Strasbourg (Amis de la Constitution), Bd. 1, S. 58—63, Stadtarchiv Strasbourg) Règlement de la société des amis de la constitution établie à Strasbourg, a f f i l i é e à celle de Paris La société qui s'est établie à Strasbourg à l'incitation de celle qui s'était formée à Paris et dans le désir de lui être affiliée s'est empressé à lui adresser son vœu. Après avoir adopté au commencement le titre de société de la révolution, elle l'a changé en celui de société des amis de la constitution dès qu'elle a su que ce titre était devenu celui de la société de Paris. Elle vient enfin d'obtenir avec l'affiliation qu'elle ambitionnait, la communication des règlements de cette société, et a cru devoir faire de ces règlements et de leur préambule la base de celui qu'elle adopte. Dans ces moments critiques pour la monarchie, au milieu des obstacles qu'éprouve notre liberté de la part de ceux dont elle renverse les prétentions, il a paru aux membres de la société, que tout ce qui tendait à réunir les amis de la constitution devait être précieusement accueilli. Ils ont cru voir dans ces associations un moyen d'établir entre les bons citoyens l'uniformité de vœux, de principes et de conduite, qui consommera de la manière la plus promte et la plus paisible l'heureuse révolution qu'ils désirent tous. Lorsque la constitution préparée au sein de l'assemblée nationale est prête à s'exécuter dans tout le royaume, il faut que les principes qui l'ont dirigée soient universellement répandus; lorsque de toutes parts on seme l'erreur, les alarmes, les calomnies, il faut que partout la vérité puisse se faire entendre et parler à tous le même language, et s'il arrivait encore qu'un petit nombre d'hommes, dénués par eux mêmes des forces nécessaires pour lutter avec succès contre la masse des volontés, voulussent rétablir leur empire en divisant la nation, en suscitant les rivalités, en irritant les passions, l'amour propre, les préjugés, et tous les intérêts privés contre l'intérêt général, il faut que les amis du bien puissent opposer à leurs cris séditieux des paroles calmes et rassurantes, et qu'informés exactement, prémunis eux mêmes contre le mensonge, ils ne cessent d'éclairer le peuple et le préservent des erreurs qui sont devenues le seul espoir de ses ennemis. Ainsi, ces sociétés formées par l'enthousiasme du bien public, ces discussions politiques, qui firent en tout temps les délices des peuples libres, sont aujourd'hui commandées par les intérêts les plus chers de notre patrie. Sa liberté, sa tanquillité nous pressent d'unir les bons citoyens par une correspondance intime, et s'il lui reste des ennemis, tout jusqu'à leur sûreté nous invite à former contre leurs efforts une réunion si puissante, qu'ils cessent en perdant l'espoir, d'appeller sur notre patrie des troubles qui ne présenteraient plus que des dangers pour eux. Une société établie auprès de l'assemblée nationale et renfermant un grand nombre de députés des différentes provinces, peut seule offrir un centre commun à celles qui s'établiront dans tout le royaume. Elle veut bien s'offrir à recevoir les rapportes qu'elles seront dans le cas de lui faire, et à leur transmettre les vues qui résulteront du rapprochement des lumières et des intérêts; elle se propose de leur transmettre surtout l'esprit des décrets de l'assemblée nationale, à l'exécution desquels toutes ces sociétés seront particulièrement vouées. C'est à ce centre précieux que la société de Strasbourg jouit de l'avantage d'être réunie et c'est dans ces principes qu'elle puisera ceux qui dirigeront sa conduite et ses démarches.

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Destinée à répandre la vérité, à défendre la liberté, la constitution, ses moyens seront aussi purs que l'objet qu'elle se propose; la publicité sera le garant de toutes ses démarches. Ecrire et parler ouvertement, professer ses principes sans détour, avouer ses travaux, ses vues, ses espérances, ce sera la marche franche par laquelle elle travaillera à obtenir l'estime publique qui seule peut faire sa force et son utilité. La fidélité à la constitution, le dévouement à la défendre, le respect et la soumission aux pouvoirs quelle aura établie seront les premières loix imposées à ceux qui voudront être admis à cette société. Les titres pour s'y présenter seront surtout l'amour de l'égalité et ce sentiment profond des droits des hommes, qui se dévouent par instinct à la défense des faibles et des opprimés, et qui sentent assez leur dignité pour honorer leur semblable, indépendamment des distinctions et des titres ultérieur. Après avoir exposé le but de cette association, le règlement à la diriger sera à l'exemple de celui de la société extrêmement simple; les institutions contraires à la nature ont besoin d'être soutenue par des loix profondément combinés; ici presque tout consiste à choisir des hommes déjà pénétrés de l'esprit qui doit animer la société. Les articles de police qui vont suivre sont pris d'après ceux de la société de Paris; chaque société en adoptant ses règlements peut les adapter à ses convenences particulières, mais les dispositions relatives à l'esprit et au but de l'institution doivent être partout les mêmes. Article premier L'objet de la société des amis de la constitution de Strasbourg est 1° de travailler à l'affermissement de la constitution en se guidant par les principes adoptés par la société de Paris à laquelle elle est affiliée et qui sont énoncés dans le préambule. 2° de correspondre avec la dite société et de s'informer de tous les objets qui intéressent le maintien de la constitution et qui pourraient venir à sa connaissance. 3° de correspondre également avec les autres sociétés de même genre dans le royaume. 4° de répandre dans le public par des écrits publiés en son nom et avoués par elle tout ce qui peut tendre à propager l'esprit et les principes de la constitution. 5° de veiller par tous les moyens légaux et constitutionnels qui seront en son pouvoir au maintien et à l'observation de la loi. Art. 2 e Les personnes présentées à la société devront être proposées par un membre et appuyées par cinq. Leur nom restera inscrit pendant deux séances sur un tableau destiné à cet usage, avec le nom du membre qui les présente et de ceux qui les appuyent. Pendant le temps chacun pourra faire des objections contre eux, ensuite leur admission sera jugée à la majorité des suffrages, par la voie du ballottage, et elles seront tenues à leur première entrée à la société d'y prêter le serment civique qui y a été prêté par tous les membres qui la composent, d'être fidèles à la nation, à la loi, et au Roi, et de maintenir de tout leur pouvoir la constitution décrétée par l'assemblée nationale et acceptée par le Roi. Art. 3 e Les personnes sur l'admission desquelles il aura été prononcé un ajournement, ne pourront être proposées de nouveau avant l'intervalle d'un mois, à moins que l'ajournement ne soit prononcé à jour fixe. Art. 4 e Lorsqu'un membre de la société sera convaincu d'avoir manifesté, soit verbalement soit par écrit, et à plus forte raison par ses actions des principes évidemment contraires à la

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constitution et aux droits des hommes, en un mot à l'esprit de la société, il sera, suivant la gravité des circonstances, réprimendé par le Président, ou exclu de la société, après un jugement rendu à la majorité des voix. Art. 5 e La même exclusion sera prononcée contre ceux qui auront été absents de la société pendant un mois, sans motifs légitimes. Art. 6 e La société admettra commes associés étrangers les personnes habitantes hors de Strasbourg, en observant les formalités et les conditions qui sont prescrites pour les membres résidants. Art. 7 e La société entretiendra avec soin la correspondance que la société des amis de la constitution de Paris veut bien lui offrir et la dirigera d'après les principes adoptés par cette société, elle se mettra en liaison avec les sociétés du même genre qui sont établies ou pourront s'établir dans les autres villes du Royaume, pourvu qu'elle soit bien assurée que l'esprit de leur institution est essentiellement le même, et il sera entretenu avec ces sociétés étrangères une correspondance suivie. Art. 8 e Les officiers de la société seront un Président, deux Secrétaires et un Trésorier. Il sera nommé en outre, suivants que les circonstances l'exigeront, des Commissaires, soit pour la préparation des divers travaux dont la société voudra s'occuper, soit pour la correspondance. Art. 9 e Le Président et un des Secrétaires seront changés tous les mois et nommés au scrutin à pluralité simple. Le Trésorier sera révocable à volonté. Art. 10e En l'absence du Président, sa place sera remplie par le dernier de ses prédécesseurs qui sera présent à la séance. Art. Ile Les Secrétaires, outre les fonctions ordinaires de leur emploi, tiendront une liste des membres de la société, des associés étrangers, et des associés avec lesquelles on aura contracté des liaisons, dont une copie sera affichée dans la salle des séances et une autre restera sur le bureau. Ils tiendront un tableau des personnes présentées dans la forme indiquée à l'article trois, ils seront chargés de tous les papiers de la société et des soins relatifs à l'impression des ouvrages qu'elle aura résolu de faire imprimer, notamment d'une liste sur trois colonnes des noms des membres de la société, associés étrangers, et sociétés correspondantes, chaque fois que la société le jugera convenable. Art. 12« Le Trésorier recevra la contribution de chaque membre aux dépenses de la société, laquelle ainsi que ce qui concerne les frais sera déterminée par un règlement particulier. Il payera ces mêmes dépenses à concurrance des fonds qu'il aura reçus sans être obligé de

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faire des avances, et rendra compte à réquisition. Il sera chargé en outre de tous les soins économiques, tels que le logement, le feu, la lumière etc., et pour le soulager dans ces détails, il lui sera nommé un adjoint. Art. 13e La société régie pour le moment présent de s'assembler tous les mardis et samedis dè chaque semaine à cinq heures du soir, et il sera indiqué au besoin des séances extraordinaires. Art. 14e On discutera dans la sosiété tout ce qui peut intéresser la liberté, l'ordre public et la constitution, suivant l'esprit et les principes qui ont été annoncés par le préambule. Mais les discussions qui y auront lieu, ne gêneront aucunement la liberté d'opinion de ses membres dans les fonctions publiques dont ils pourraient être chargés. Art. 15® Quant à l'ordre de la parole et au mode de discussion, la sonciété observera le règlement de l'assemblée nationale dont l'extrait sur cet objet sera annexé au présent règlement. Arrêté dans la société des amis de la constitution à Strasbourg le six mars mil sept cents quatrevingt-dix. Extrait des articles du règlement à l'usage de l'assemblée nationale concernant l'ordre de la parole et le mode de discussion adoptés par le société des amis de la constitution à Strasbourg pour sa police intérieure Article premier Les fonctions du Président seront de maintenir l'ordre de l'assemblée, d'y faire observer les règlements, d'y accorder la parole, d'énoncer des questions sur lesquelles la société aura à délibérer, d'annoncer le résultat des suffrages, d'annoncer les décisions de la société et d'y porter la parole en son nom. Art. 2 e Aucun membre pourra parler qu'après avoir demandé la parole au Président, et quand il l'aura obtenu il ne pourra pas parler que debout. Art. 3 e Si plusieurs membres se lèvent, le Président donnera la parole à celui qui se fera levé le premier. Art. 4 e S'il s'élève quelque réclamation sur sa décision, la société prononcera. Art. 5 e Nul ne doit être interrompu quand il parle. Si un membre s'écarte de la question le Président l'y rappellara. S'il manque de respect de la société, ou s'il se livre à des personnalités le Président le rappellera à l'ordre. Art. 6 e Si le Président néglige de rappeller à l'ordre, tout menbre a le droit.

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Art. 7 e Le Président n'aura pas le droit de parler sur un débat, si ce n'est pour expliquer l'ordre ou le mode de procéder dans l'affaire en délibération ou pour ramener à la question ceux qui s'en écarteraient. Art. 8e Tout membre a droit de proposer une motion. Il se fera inscrire au bureau, la motion devra être appuyée par une personne, elle sera écrite et déposée sur le bureau, après qu'elle aura été admise à la discussion. Art. 9 e Avant qu'on puisse discuter une motion la société décidera s'il y a lieu ou non à délibérer. Art. 10e Une motion admise à la discussion ne pourra plus recevoir de correction ni d'altération si ce n'est en vertu d'amendements délibérés par la société. Art. Ile Lorsque plusieurs membres demanderont à parler sur une motion, le Président fera inscrire leurs noms autant qu'il se pourra dans l'ordre où ils l'auront demandé. Art. 12e La motion sera discutée selon la forme préscrite ci deccus pour l'ordre de la parole. Art. 13e Aucun membre, sans excepter l'auteur de la motion, ne parlera plus de deux fois sur une motion sans une permission expresse de l'assemblée, et nul ne demandera la parole pour la seconde fois qu'après que ceux qui l'auront demandé avant lui auront parlé. Art. 14e Pendant qu ? une question sera débattue on ne recevra point d'autre motion, si ce n'est pour amendements ou pour faire renvoyer à des commissaires ou pour demander un ajournement. Art. 15e Tout amendement sera mis en délibération avant la motion, il en sera de même des sousamendements par rapport aux amendements. Art. 16e La discussion étant épuisée, l'auteur joint aux secrétaires réduira sa motion, sous la forme de question, pur en être délibéré par oui ou par non. Art. 17e Tout membre aura le droit de demander qu'une question soit divisée lorsque le sens l'exigera. Art. 18e Tout membre aura le droit de parler pour dire que la question lui parait mal posée en expliquant comment il juge qu'elle doit l'être.

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Art. 19e Toute question sera décidée à la majorité des suffrages: les voix seront recueillies par assis et levé et s'il y a quelque doute on ira aux voix par l'appel sur la liste des membres qui sera toujours déposée sur le bureau suivant le règlement. Arrêté dans la société des amis de la constitution à Strasbourg le 6 mars 1790. Règlement particulier de la société des amis de la constitution à Strasbourg concernant la contribution et les fraix La contribution consentie par tous les membres de la société est actuellement de vingtquatre livres par an, laquelle sera payée d'avance suivant l'option des membres, ou en une fois jusqu'au dernier décembre de l'année courante, ou à raison de six livres par quartier. Les associés étrangers quand même ils feraient un séjour momentané à Strasbourg, n'y seront point assujétis. La contribution comptera du premier du mois dans lequel le membre aura été agréé. Cette contribution qui sera versée dans la caisse du trésorier servira à l'acquit de toutes les dépenses de la société, soit fixes soit éventuelles, consenties par elle. Le trésorier en rendra compte, ainsi qu'il est fixé par le règlement, et sera toujours an état d'annoncer à la société l'apperçu de la situation de la caisse. Dans le cas où une dépense consentie par la société serait jugée par elle sur le rapport du trésorier trop à charge à la caisse, il y sera pourvu par une contribution volontaire et secrète de chaque membre présent sur l'appel nominal, à laquelle seront appellés aux séances suivantes ceux qui n'auraient pas assisté à la première. Le produit de cette contribution sera versé à la caisse qui supportera son insuffisance ou profitera de 1' excédant. A cet effet on se pourvoyera d'un tronc fermant à deux clefs. La contribution volontaire qui se fera par les membres le jour où elle aura été décidée en sera aussitôt tirée, versée à la caisse du trésorier et le montant inscrit au procès-verbal. Celle qui se fera par les membres absents, dans les assemblées suivantes, y restera déposée jusqu'à ce que l'assemblée ait décrété l'ouverture du tronc dont une des clefs restera en attendant entre les mains du Président et l'autre entre celles du trésorier. Arrêté dans la société des amis de la constitution à Strasbourg le six mars mil sept cents quatre-vingt-dix. Signé Barbier de Tinan Président Genthou Secrétaires Levrault Dokument 2 (3 Blatt, beidseitig beschrieben; die Vorderseite von Blatt 1 trägt links oben die in einen Rhombus gestellte Anlagennummer 6; links unten befindet sich der Präsentationsvermerk: praesfentatum] d[en] 1. Nov[embre] 1792; die Handschrift ist wahrscheinlich identisch mit der von Dokument 3; abgedruckt in MR I, S. 102—104) Gesellschaftliche Verfassung der Fränkischen Konstitutionsfreunde \n / von Straßburg 1. Hauptstück: Von Annahme der Mitglieder Art. 1 : Wer nicht wenigstens 18 Jahre alt ist, kann kein Mitglied der Gesellschaft sein. Auch kann jener nicht angenommen werden, der schon ein Mitglied einer andern Gesellschaft ist, welche mit jener zu Straßburg in keiner Verbindung stehet.

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Art. 2: Jene Freunde, welche eintreten wollen, müssen durch ein Mitglied in Vorschlag gebracht, und ihre Annahme [muß] wenigstens mit fünf Stimmen unterstützt werden. Ihr Name muß drei Sitzungen hindurch — wozu auch jene gerechnet wird, wo sie vorgeschlagen worden — auf einer hierzu bestimmten Tafel öffentlich angeschlagen sein. Art. 3: Zu diesem Endzweck muß der Name(n), das Alter und der Wohnort der Kandidaten aufgeschrieben, dann auch sowohl der Name desjenigen, der ihn in Vorschlag bringt, als auch jener, die seine Aufnahme unterstützen, beigesetzt werden. Art. 4: Während drei nacheinander folgenden Sessionen geschieht die Proklamation der Kandidaten von dem Präsidenten unmittelbar nach abgelesener Korrespondenz. Art. 5: Alle jene Mitglieder, welche in betreff des vorgeschlagenen Kandidaten etwas einzuwenden haben, können ihre Anstände dem Präsidenten und jenen, die den Kandidaten mit ihren Stimmen unterstützen, eröffnen, welchen es — wenn sie die Anstände für wichtig halten — freistehet, ohne alle weitere Formalitäten ihre Präsentation zurückzunehmen oder darauf zu beharren. Der Kandidat wird alsdann bei der dritten Session auf diese Art aufgenommen, daß jene Mitglieder, welche für ihn stimmen, aufgerufen werden aufzustehen. Wenn aber zwölf von den anwesenden Gliedern seiner Annahme widersprechen, welcher Widerspruch durch das Austreten in die Mitte des Saals erklärt8, wird, dann ist seine Annahme abgeschlagen und der vorgeschlagene Kandidat von der Gesellschaft ausgeschlossen. Die aufgenommene[n] Mitglieder leisten den Eid: frei zu leben oder zu sterben, dem freien Volke und dem Gesetze treu zu sein und alle jene anzugeben, welche dem Geiste der Fränkischen Konstitution entgegenhandeln oder selbe zu verleumden suchen. Nach abgelegtem Eide ruft der Kandidat aus: Frei leben oder sterben! Art. 6: Die Gesellschaft kann zur Annahme eines Mitgliedes nicht schreiten, wenn nicht wenigstens 36 Mitglieder gegenwärtig sind. Art. 7: Ein Kandidat, den sich die Gesellschaft einmal geweigert hat aufzunehmen, kann demohngeachtet aufs neu[e] nach 6 Monaten wieder in Vorschlag gebracht werden. Art. 8: Dieses ist sowohl von korrespondierenden als auch von andern Mitgliedern zu verstehen. Art. 9: Ein Bürger, der dahier wohnt, kann in der Eigenschaft eines korrespondierenden Mitgliedes nicht angenommen werden. Art. 10: Es wird in dem Ort, wo die Sitzungen der Gesellschaft gehalten werden, ein besonders ausgezeichneter Platz für die Korrespondierende[n] errichtet werden, die keine Stimme bei den(en) Beratschlagungen haben. Doch aber werden diejenige[n] korrespondierende[n] Mitglieder, die an den(en) Arbeiten und Verrichtungen der Gesellschaft teilzunehmen wünschten, der nämliche[n] Vorteile(n) als die seßhafte[n] und wirklich tätige[n] Mitglieder sich zu erfreuen haben und werden unter ihnen sitzen. Art. 11: Die Mitglieder der verbrüderten Gesellschaften, so während ihrer Durchreise in dieser Stadt ein Zeugnis der Gesellschaft, bei welcher sie angenommen sind, vorzeigen werden, sollen nur auf einen Monat bei den(en) Sitzungen der Gesellschaft aufgenommen sein. Nach Verlauf dieses Monats, wenn sie von dieser Vergünstigung ferner zu genießen wünschen, so müssen sie sich den(en) in den(en) 2., 3., 4. und 5. Artikeln gegenwärtigen Kapitels bestimmten Gesetzen unterwerfen. Art. 12: Wenn der Beweis hergestellt wird, daß ein Mitglied der Gesellschaft entweder durch Reden oder Schriften oder gar durch Handlungen solche Grundsätze geäußert hat, die der Konstitution und den Rechten des Menschen zuwider sind, dann soll dieses entweder durch den Präsidenten geahndet oder ein solches Mitglied auf eine bestimmte

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Zeit von dem Recht der Sessionen suspendiert oder gar nach Beschaffenheit der Umstände^) durch die Mehrheit der Stimmen von der Gesellschaft ausgestoßen werden. Art. 13: Auch sollen alle jene Mitglieder, welche sich weigern, die ihnen von der Gesellschaft aufgetragene[n] Geschäfte(n) zu übernehmen, eben dadurch als unwürdige Mitglieder der Gesellschaft ausgeschlossen sein. Art. 14: Aber auch in betreff aller übrigen Fälle(n), wo man Ursach haben möchte, ein Mitglied auszuschließen, ist die ganze Gesellschaft Richter. Jedoch muß ein solcher Antrag durch 20 Mitglieder gleich anfänglich unterstützt werden. Art. 15: Das Urteil, ein Mitglied auszuschließen, kann nicht anders(t) als in zwei geschlossenen nacheinander folgenden Gesellschaften gefällt werden. Es müssen aber hierzu alle Mitglieder insbesondere berufen werden, und die Entscheidung [muß] durch zwei Dritteile der Stimmen geschehen. Art. 16: Wenn jenes Mitglied, so man ausschließen wollte, in der ersten Zusammenkunft ist losgesprochen worden, dann wird die zweite nicht berufen, indem dieselbe nur alsdann statthat, wenn bei der ersten die Mehrheit der Stimmen schon für die Ausschließung gestanden hatte. Art. 17: Unsere Gesellschaft betrachtet alle jene Gesellschaften als verbrüdert, welche mit der Jakobinergesellschaft in Paris in Korrespondenz stehen. Sie wird mit allen in Korrespondenz treten; und wenn eine mit den Jakobinern nicht verbrüderte Gesellschaft in Verbindung mit derselben treten will, dann hat sie sich an jene zu wenden, die ihr am nächsten gelegen ist, damit diese sich überzeugen könne, ob die neue Gesellschaft in den wahren Grundsätzen mit den übrigen übereinstimme. a Von fremder Hand mittels Fehlzeichen am linken Rand eingefügt: „das Austreten in die Mitte des Saals erklärt"; dafür im Text ausgestrichen: „Aufstehen bezeichnet".

Dokument 3 (3 Blatt, beidseitig beschrieben mit Ausnahme von Bl. 3; die Vorderseite von Bl. 1 trägt links oben die in einen Rhombus gestellte Anlagennummer 14; links unten befindet sich der Präsentationsvermerk: praes[entatum] d[en] 5. Nov[ember] 1792; die Handschrift ist wahrscheinlich identisch mit der von Dokument 2; abgedruckt MR I, S. 137 — 139)

Drittes Haupt stück: Von Präsidenten, Sekretären und ihren Verrichtungen Art. 1: Die Gesellschaft muß einen Präsidenten, Vizepräsidenten und vier Sekretäre haben. Art. 2: Der Präsident und Vizepräsident können nicht länger als auf einen Monat ernannt werden. Sie können nach Verlauf dieses Monats nicht wieder für den unmittelbar folgenden Monat bestätigt, wohl aber nach dem Zwischenraum von einem Monate wiedergewählt werden. Art. 3: Der Präsident soll nach der Straßburgischen Verfassung den französischen Sitzungen, der Vizepräsident aber den deutschen vorstehen. Dieses könnte nun nach dem ohnmaßgeblichen Vorschlage des Ausschusses dahin abgeändert werden, daß der Vizepräsident nur in jenem Fall, wenn der Präsident verhindert sein sollte, das Präsidium zu führen habe.

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Art. 4: Auf gleiche Art sollen nach der Straßburgischen Verfassung 2 Sekretäre für die französischefn] und 2 für die deutsche[n] Sitzungen bestimmt sein. Obwohl nun dieses für uns nicht anwendbar ist, so glaubt doch der Ausschuß, daß es besonders dermalen rätlich sein möge, 4 Sekretäre zu haben, damit wenigstens eine Abwechslung unter ihnen statthaben könnte und nicht immer ein jeder täglich angebunden seie. Art. 5: Die Verrichtungen des Präsidenten und Vizepräsidenten sind: gute Ordnung in der Gesellschaft zu halten; für die Beobachtung der gesellschaftlichen Gesetze(n) zu wachen; jenen, welche einen öffentlichen Vortrag machen wollen, das Wort zu erlauben; die Gegenstände, worüber beratschlagt werden muß, vorzutragen; die Stimmen zu sammeln und zu sagen, wohin die Mehrheit derselben gefallen ist; die Abschlüsse der Gesellschaft zu verkündigen; im Namen der Gesellschaft das Wort zu führen® und die Sitzungen zu eröffnen und zu beschließen. Überhaupt aber ist der Präsident sowohl als [der] Vizepräsident dem Willen der ganzen Gesellschaft untergeordnet. Art. 6: Wenn der Präsident oder auch [der] Vizepräsident abwesend sein sollten, dann wird ihre Stelle durch jene ersetzt, welche ihre nächste[n] Amtsvorfahren gewesen. Art. 7: Der Präsident muß am Ende einer jeden Sitzung jene Gegenstände vortragen, über welche in der nachfolgenden Sitzung nach dem Inhalt der Tagesordnung gehandelt werden solle. Art. 8: Die Tagesordnung muß in einem auf deni Tische liegenden Register eingetragen sein. Auch soll dieses Register, insofern es den gegenwärtigen Tag betrifft, an der Tür des Saals angeschlagen werden. Art. 9: Die Hälfte der Sekretäre wird alle Monat aufs neue gewählt. Von Anfang wird durch das Los entschieden, welche zuerst abgehen und aufs neue ersetzt werden sollen; hernach aber werden immer die beiden ältesten von Monat zu Monat durch neue Wahlen ersetzt. Art. 10: Die Sekretäre(n) teilen unter sich die Arbeiten und die Einrichtung des Protokolls über den mündlichen Vortrag, der in der Gesellschaft gemacht worden, auf halbgebrochenem Papier. Art. 11: Die Sekretäre(s) können keine Mitglieder des Ausschusses sein, ausgenommen in jenen Fällen, welche nachher werden bestimmt werden. Art. 12: Der Präsident, Vizepräsident und die Sekretärfe] werden durch das Scrutinium auf folgende Art gewählt: In der nächsten Session vor der Wahl ernennt der Präsident 3 Kommissäre(n), welche sich an dem Wahltage in dem ersten Augenblick, wo der Saal geöffnet wird, schon einfinden müssen und einem jeden Mitglied, sowie dieselbe[n] ankommen, ein weißes Blatt Papier geben, worauf jedes Mitglied die Namen der Sekretäre^) schreibt, die es zu wählen gesonnen ist. Diese 3 Kommissäre eröffnen nachher diese Papiere und tragen die Namen der Gewählten in ein besonderes Protokoll ein, welches sie bei dem Schluß der Sitzung dem Präsidenten vorlegen, der die Wahl alsdann öffentlich bekanntmachen muß. Die Wahl des Präsidenten sowohl als der Sekretäre^) muß nicht notwendigerweise durch eine absolute, sondern kann auch durch eine bloß relative Mehrheit der Stimmen geschehen. Art. 13: Bei jeder Sitzung muß einer von den Sekretären den kurzen Inhalt alles dessen, was vorgetragen worden, in ein besonderes Protokoll eintragen. Art. 14: Dieses Protokoll wird nach dem Schluß der Sitzung dem Präsidenten vorgelegt, damit er seinen Namen unterzeichne, wenn er den Inhalt mit den geschehenen Verhandlungen übereinstimmend findet. Art. 15: Nachher aber wird der Inhalt der mündlichen Vorträge(n) etwas vollständiger in ein anderes Buch geschrieben und immer in der nachfolgenden Session abgelesen

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und, wenn die Gesellschaft denselben als richtig genehmigt hat, von dem Präsidenten unterschrieben, welcher besonders darauf sehen muß, daß in diesem Punkt die größte Genauigkeit beobachtet werde. a Von fremder Hand eingefügt: „im Namen der Gesellschaft das Wort zu führen".

Dokument 4 (2 Blatt, beidseitig beschrieben; allerdings ist auf die Rückseite von Bl. 2 ohne jeden Zusammenhang mit dem voraufgehenden Text von frehider Hand in flüchtiger Schrift lediglich die republikanische Eidesformel notiert: „Ich schwöre, dem Gesetz des freien Volkes getreu zu sein und alle jene anzugeben, welche dagegen handeln werden. Frei leben oder sterben"; die Vorderseite von Bl. 1 trägt rechts unten die in einen Rhombus gestellte Anlagennummer 26 und unmittelbar darunter den Vermerk: ad prot[ocollum] v[om] 7. Nov[ember] [17]92; die Handschrift ist identisch mit der von Dokument 5; abgedruckt in M R I , S. 148 f.)

Viertes Kapitel: Von der Ordnung in dem Saal der Gesellschaft Art. 1: Die Sitzung kann nicht eh(nd)er anfangen, bis nicht zwölf Glieder gegenwärtig sind. Art. 2: Im Anfang jeder Sitzung wird das Protokoll der vorhergehenden Sitzung verlesen, worauf sogleich die Verlesung der Korrespondenz folgt. Art. 3: Sobald die Sitzung angefangen, wird jedes Mitglied sitzen bleiben. Art. 4: Die ganze Sitzung hindurch muß das Stillschweigen genau beobachtet werden. Art. 5: Durch die Schelle wird das Zeichen zum Stillschweigen gegeben. Wer aber auf dieses Zeichen nicht achtet, dem soll es durch den Präsidenten im Namen der Gesellschaft verwiesen werden. Art. 6: Jedes Mitglied ist befugt, Stillschweigen und Ordnung zu fordern, aber es muß sich hierüber an den Präsidenten wenden. Art. 7: Niemand darf sich hinter den Präsidenten setzen, und dieser muß genau darauf sehn, daß der Sekretariatstisch stets freibleibe(n). Art. 8: Die Mitglieder haben allein das Recht, in dem Versammlungssaal innerhalb der Schranken zu sein. Art. 9: Aus dieser Absicht erhält jedes Mitglied ein mit dem Siegel der Gesellschaft gestempeltes Zeichen, welches von dem Siegelbewahrer muß unterzeichnet sein. Alle drei Monat[e] werden diese Zeichen erneuert. Die Zeichen der einheimischen Mitglieder sind von jenen der korrespondierenden unterschieden. Art. 10: Bei jeder Versammlung wird am Eingang des Saals ein Tisch angebracht, an welchem zwei Commissarii sitzen werden. Diesen muß jedes Mitglied ihr (!) Zeichen vorweisen, welches an einem Knopfloch befestiget und so die ganze Sitzung hindurch beibehalten wird. Art. 11: Überdies müssen noch zwei Commissaires ernennt werden, die innerhalb den Schranken die Ordnung handhaben und darauf sehn müssen, daß sich jeder setze und daß nichts gegen den Wohl[an]stand begangen werde. Art. 12: Diese Commissaires wechseln bei jeder Sitzung ab und werden nach dem Alphabet dazu genommen. Diesetwegen müssen aller Mitglieder Namen auf einer Liste aufgezeichnet werden, die von den Präsidenten und Secretaires muß vidimiert und unterzeichnet sein.

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Art. 13: Die Namen der vier Commissaires, die bei der nächsten Sitzung im Amt sind, werden durch einen der Secretaires gleich nach Verlesung der Korrespondenz abgelesen. Im Fall, daß einige der Abgelesenen der Sitzung nicht beiwohnen sollten, so muß es ihnen durch einen Secretaire angezeigt werden. Art. 14: Die Commissaires müssen an dem Ort der Versammlung wenigst eine halbe Stunde früher erscheinen, als der Anfang der Sitzung von der Gesellschaft bestimmt ist. Art. 15: Jeder der Commissaires kann statt seiner einen andern bestellen, ohne daß er diesetwegen der Versammlung Rechenschaft darüber abzulegen hat; nur muß derjenige, den er statt seiner ernennt, ein Mitglied der Gesellschaft sein. Art. 16: Alle Sitzungen sollen öffentlich geschehen. Die ganze Gesellschaft kann aber nichtsdestoweniger sich zu einem General-Comité oder -Ausschuß versammeln und bei verschloßnen Türen die Gegenstände der Verwaltung und innern Organisation verhandeln. Aber dies kann nie an den Tagen, die zu den gewöhnlichen Sitzungen bestimmt sind, geschehn.

Dokument 5 (4 Blatt, beidseitig beschrieben; die Vorderseite von Bl. 1 trägt rechts unten die in einen Rhombus gestellte Anlagennummer 40 und unmittelbar darunter den Vermerk: ad p[ro]t[o][col]lum vom 9. Nov[ember] 1792; die Handschrift ist identisch mit der von Dokument 4; abgedruckt MRI, S. 1 6 0 - 1 6 2 )

Fünftes Kapitel: Von der Ordnung, die von denjenigen, die das Wort haben, s>u beobachten' Art. 1: Kein Mitglied darf reden, ohne die Erlaubnis oder das Wort von dem Präsidenten begehrt zu haben, und wenn ein Mitglied das Wort hat, so muß er stehend und mit entblößten (!) Haupt sprechen. Art. 2: Wenn zu gleicher Zeit mehrere Mitglieder, um das Wort zu erhalten, aufstehn, so hat es der Präsident dem zu geben, der der erste aufgestanden ist. Art. 3: Wenn aber über die Entscheidung des Präsidenten ein Widerspruch entsteht, so entscheidet die ganze Versammlung. Art. 4: Der Präsident hat nicht das Recht, über eine Streitsache anders(t) zu reden, als um die Ordnung und Weise anzuzeigen, welche bei Untersuchung des'vorgelegten Gegenstands zu beobachten, oder die, welche davon abgewichen, auf den Gegenstand zurückzubringen. Art. 5: Der Präsident soll sich mit ebensoviel Festigkeit als Klugheit des ganzen Umfangs seiner Gewalt bedienen, die ihm durch die Statuten und besonders durch die nachfolgende[n] Artikel anvertraut ist. Art. 6: Niemand von der Gesellschaft soll sich an den Ort des Präsidenten, an den Sekretariatstisch(e) noch in die Mitte des Saals stellen. Die Plätze der Secretaires darf niemand als sie selbst besetzen oder jene, welchen von der Versammlung es erlaubt wird. Art. 7: Die Rednerbühne kann von niemand als von dem, der einen Vortrag hat, bestiegen werden. Niemand aus der Gesellschaft kann den Redner unterbrechen. Die Meinungen, die etwas mehr müssen auseinandergesetzt werden, sollen allzeit von der Rednertribühne vorgetragen werden. Die Briefe sollen von der Bühnea abgelesen werden. Die Glieder der Gesellschaft können auf ihren Plätzen nur sehr einfache und kurze

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Bemerkungen vorbringen, und sie werden selbe von der Bühne vortragen, wenn sie sonst nicht genugsam verstanden werden oder wenn sie der Präsident auf selbe einladet. Art. 8: Der Präsident hat vorzüglich1* darauf zu sehn, daß niemand spreche, ohne von ihm Erlaubnis dazu erhalten zu haben, und daß zu gleicher Zeit nicht mehrere reden. Art. 9: Wenn mehrere Mitglieder Erlaubnis zum Sprechen begehren, so hat der Präsident jenem, der der erste die Erlaubnis begehrte, das Wort zu gestatten®. Die übrigen schreibt er auf eine Liste und ruft sie zum Wort auf nach der Ordnung, wie er ihre Namen niedergeschrieben hat. Art. 10: Wenn eine Einwendung gegen die Entscheidung des Präsidenten in betreff des Worts oder der Liste entstehet, so entscheidet die Versammlung. Art. 11: Den Sprechenden darf man nie unterbrechen, es sei denn in folgenden Fällen: 1. Wenn der Sprechende von dem, was die Frage ist, abweicht, so hat ihn der Präsident auf den Gegenstand zurückzuweisen. 2. Wenn der Sprechende es wagt, sich gegen die Versammlung oder [den] Präsidenten zu verfehlen, oder wenn er Persönlichkeiten vorbringt, so hat ihn der Präsident an [die] Ordnung zu verweisen. Art. 12: Der Präsident gibt allzeit mit der Schelle der ganzen Versammlung das Zeichen zum Stillesein, und auch für den Sprechenden ist es das Zeichen zum Schweigen, der darauf nur dann weiter fortfahren kann, wenn der Präsident ihm darauf das Wort wiedergegeben hat. Jedes Mitglied, welches auf dieses Zeichen nicht achtct, wird durch den Präsidenten in (!) Namen der Versammlung zur Ordnung verwiesen. Art. 13: Der Präsident hat bei dem Aufruf zur Ordnung nachfolgende Gradatur zu beobachten: Alle jene, die aus Unachtsamkeit — oder auf welche Art immer es seie — die Sitzung stören, verweist der Präsident an die Ordnung. Art. 14: Wenn auf das erste Aufrufen zur Ordnung das Mitglied, so solche stört, nicht höret, so nennet ihm (!) der Präsident bei seinem Namen und sagt ihm: N ..., in (!) Namen der Versammlung und für das zweite Mal erinnere ich Sie an die Ordnung. Art. 15: Wenn die zwei erste[n] Aufforderungen nicht hinlänglich sind, das davon abweichende Mitglied zur Ordnung zu bringen, so sagt ihm der Präsident: Ich erinnere Sie an die Ordnung, und ich verordne im Namen der Versammlung, daß Ihr Name(n) in das Protokoll eingetragen werde. Art. 16: Wenn es geschehn sollte, daß ein Mitglied auf diese drei Ermahnungen nicht achte, so läßt der Präsident seinen Namen ins Protokoll mit der Ahndung 0 seiner Widerspenstigkeit einrücken. Art. 17: Und wenn das Mitglied auf dieses alles noch nicht achten sollte, so kann ihm die Versammlung den Beitritt zu den Sitzungen auf eine festbestimmte Zeit untersagen. Wenn diese Motion gemacht und von 10 Gliedern, die aufstehn, untertützt ist, so muß selbe der Präsident zur Stimmung bringen. Ist sie angenommen, so trägt es der Präsident vor, und das Mitglied muß sein Zeichen auf den Sekretariatstisch niederlegen, wo es aufbehalten wird und erst auf der durch den Schluß der Gesellschaft festgesetztefn] Zeit ihm e wieder zurückgeben wird. Art. 18: Jedes Mitglied, welches, wenn es an die Ordnung verwiesen wird, sich sogleich setzt, kann das Wort begehren und sich mit Anstand und Mäßigung rechtfertigen. Art. 19: Kein Mitglied kann das andre zur Ordnung verweisen, sondern es nur begehren, Der Präsident ist gehalten, jede Motion für Ordnung zum Stimmen bringen zu lassen, wenn selbe von vier Mitgliedern der Versammlung unterstützt wird. Art. 20: Wenn ein solcher Tumult entsteht, daß weder die Schelle noch Stimme des Präsidenten selben stillen kann, so bedeckt sich der Präsident. Dies ist für alle Mitglieder das fei[e]rlicbe Zeichen, daß keiner mehr die Erlaubnis zu sprechen habe oder den Tumult zu unterhalten, welches ohnedem ein wesentlicher Fehler gegen die Pflicht

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eines guten Bürgers ist. Der Präsident entblößt1 das Haupt nicht eher8, bis die Ruhe hergestellt ist. Dann wird er einen oder mehrere der Mitglieder als Urheber des Tumults aufrufen, um ihre Bewegursachen anzuzeigen. Das Wort erhält zuerst derjenige, der die Ursach davon ist oder Gegenstand dazu gegeben hat. Sobald man seine Rechtfertigung gehört, so beratschlagt sich der Präsident mit der Versammlung, sei es denn über die Rechtfertigung des Angeklagten oder über die Forderung der Kläger oder über die gebührende Strafe. a Von fremder Hand am rechten Rand eingefügt: „der Bühne"; dafür im Text gestrichen: „selber". b Von fremder Hand am rechten Rand eingefügt: „vorzüglich"; dafür im Text gestrichen: „vorzüglich den vornehmlichsten (?) Auftrag", c Von fremder Hand am rechten Rand eingefügt: „das Wort zu gestatten", d Von fremder Hand eingefügt: „der Ahndung"; dafür gestrichen: „Bemerkung", e Von fremder Hand am linken Rand eingefügt: „ihm", f Von fremder Hand eingefügt: „entblößt"; dafür gestrichen: „entdeckt", g Von fremder Hand eingefügt: „eher"; dafür gestrichen: „ehnder".

Dokument 6 1 Blatt, beidseitig beschrieben; abgedruckt MR I, S. 216f.)

Schlüsse, welche die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit Main% als verbindende Gesetze der Gesellschaft festgesetzt hat 1. Die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit verbindet sich, die gesellschaftliche Verfassung der Konstitutionsfreunde zu Straßburg als ihre eigene anzunehmen. 2. Die Gesellschaft beschließt, daß ihre Glieder in dem Versammlungssaale mit bedecktem Haupte erscheinen und zum Zeichen der Gleichheit mit einem vertraulichen Handschlage sich grüßen, alle Benennungen von Ehrenstellen unterlassen und sich nur mit dem Familiennamen und dem brüderlichen Du benennen sollen. 3. Die Gesellschaft beschließt, daß zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung in ihren Sitzungen von dem Präsidenten allzeit 4 Kommissärs ernennt werden sollten, welche dafür zu wachen hätten. 4. Die Gesellschaft beschließt, daß vom 7. November 1792 an kein Bürger unter 24 Jahr[en] mehr zum votierenden, sondern nur zum korrespondierenden Mitglied solle aufgenommen werden. 5. Die Gesellschaft beschließt, daß wöchentlich eine ganz französische Sitzung solle gehalten werden, welche aber ihre abgefaßte[n] Schlüsse der ganzen Gesellschaft zur Genehmigung vorlegen solle. Teutsche Sitzungen sollten aber wöchentlich viere gehalten werden, deren Anfang auf Sonntag und Montag um 5 und auf Donnerstag und Freitag um 7 Uhr abends bestimmt wird. 6. Die Gesellschaft beschließt, einen Provisor auf 3 Monate anzunehmen, welcher die nötigen Gänge für die Gesellschaft tue und von jedem Mitgliede monatlich 3 Kreuzer empfange. Diese 3 Kreuzer sollen auch jene zu bezahlen gehalten sein, welche in der zweiten Hälfte eines Monats zu Mitgliedern aufgenommen würden. Auf den Fall einer Verhinderung des Provisors behält sich die Gesellschaft bevor, einen Substituten zu ernennen, welcher aber seine verhältnismäßige Bezahlung vom Provisor zu fordern hat.

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Dokument 7 (5 Blatt, beidseitig beschrieben; die Vorderseite von Bl. 1 trägt in der Mitte oben die in einen Rhombus gestellte Anlagennummer 1 und links davon den Vermerk: Zum Protokoll der ungewöhnlichen Sitzung vom 10. Decembris [17]92 — Bruder Cottas; abgedruckt MR I, S. 367 bis 370)

Zusätze Reglement, vorgeschlagen t(ur Behauptung der Ordnung in den Sitzungen und Beobachtung des Zwecks der Gesellschaft I.

§ 1 : Die Geschäfte jeder Sitzung sind:

a) Vorlesung des Protokolls der vorigen Sitzung, b) Bericht der Comités, der Kommissarien zu zufälligen Geschäften, c) Anzeige anwesender Mitglieder aus andern Gesellschaften, Vorschlag, Aufnahm^] und Beeidigung neuer Glieder, d) Ernennung der Kommissarien für den Saal auf die nächste Sitzung. § 2 : Mit diesen gewöhnlichen Gegenständen muß jede Sitzung pünktlich zur angesetzten Stunde eröffnet, und mit ihnen muß vor allen andern fortgefahren werden. § 3: Nachher werden die Motionen, welche einzelne Mitglieder neu gemacht haben, vorgelesen. Ehe aber über ihren Inhalt deliberiert wird, muß erst ein Schluß gefaßt werden, a) ob dies sogleich oder b) erst in einer andern bestimmten c) oder unbestimmten Sitzung d) oder gar nicht geschehen solle. Und also nur im Fall, daß die Gesellschaft sogleich über die Motion selbst deüberieren zu wollen beschlossen hat, nicht aber während dieser vorläufigen Délibération darf sich ein Mitglied über den Gegenstand selbst erklären, es sei denn, insoweit dies nötig ist, um zu zeigen, jener Gegenstand

müsse sogleich, könne später, soll oder dürfe gar nicht vorgenommen werden.

II.

§ 1 : Die besonderen Gegenstände einer Sitzung sind:

a) Die Motionen, worüber bestimmt in der vorseienden Sitzung deliberiert werden soll, dann die, b) worüber in einigen Tagen zu deliberieren beschlossen worden ist, c) endlich die, zu deren Vornahm[e] keine gewisse Zeit festgesetzt ist. § 2: Jede Motion in jeder Klasse nach der Zeit der Ordnung, worin sie gemacht worden ist, und über jede jeder in der Ordnung, worin er sich für dieselbe hat einschreiben lassen. § 3 : Über diese besondern Gegenstände einer Sitzung wird mit Beseitigung alles andern so bald angefangen, als die 2. Stunde der Sitzung verflossen ist, es wäre denn, daß die Gesellschaft eine Ausnahme von dieser Regel für einzelne Fälle durch einen Schluß [sich] gefallen ließe. III. § 1 : Vor dem Schluß der Sitzung dürfen zwar noch solche Motionen gemacht werden, wovon zugleich gezeigt werden kann, daß Gefahr auf dem Verzug eines Schlusses haftet; aber dieser soll dennoch, wenn die Zahl der außer den Beamten der Gesellschaft noch anwesenden Stimmführer nicht wenigstens 30 ist, nicht anders(t) als bloß provisorisch, vorbehaltlich der Ratifikation der Gesellschaft in der nächsten Sitzung, gefaßt und dieses im Protokoll deutlich bemerkt werden.

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Spezialstudie

§ 2: Wenn auch noch so viele Glieder wegen einer Motion das Ajournement oder die Tagsordnung anrufen oder die vorläufige Frage aufwerfen oder die Stimmung darüber verlangen, so darf doch der Präsident nicht darauf achten; er muß vielmehr die Schreier %ur Ordnung verweisen, als wo(r)nach erst jeder, welcher sprechen will, dazu das Wort vom Präsidenten verlangt und erhalten haben muß, und wo(r)nach hernach jedera nicht bloß Ajournement, Tagesordnung, vorläufige Frage oder Stimmung aussprechen darf, sondern sein diesfallsiges Begehren motivieren und, ehe darüber ein Schluß gefaßt werden kann, die Gegenmotive andrer Glieder anhören muß. IV. § 1: Zusätze zum Reglement dürfen in einer ordentlichen Sitzung vor Verfluß der zwo ersten Stunden gemacht werden, Motionen hingegen zur Aufhebung oder zur Abänderung eines Teils des Reglementfs] dürfen nur in einer dazu angesagten besondern Sitzung vorgetragen werden. § 2 : In der letzten Woche jedes Monats hält die Gesellschaft eine außerordentliche Sitzung, deren Gegenstände sind: Wahl der Beamten für den künftigen Monat; Erneurung der grade zu erneurenden Ausschüsse; Bericht des Ökonomieausschusses; Bericht des Unterrichtsausschusses, nämlich ein zum öffentlichen Druck bestimmter Aufsatz über die Gesellschaftsarbeiten und Vorfälle vom zu Ende gehenden Monat, Urteil der Ausschüsse darüber, Vorlesung desselben vor alle[n] Mitgliedern] über den Punkt, worauf die Gesellschaft in ihrem Gang nun ist, und über die Mittel, diesen Gang gut fortzusetzen. Diese Sitzung ist nicht öffentlich. V. § 1: Die Gesellschaft läßt wöchentlich 2 Mal, nämlich ... tags um ... Uhr und .. .tags um .. .Uhr in ihrem Saal Vorlesungen für das Volk [halten], worin die Bulletins der Nationalzusammenkunft von Frankreich und andre öffentliche Blätter in einem zweckmäßigen Auszuge, Adressen und Reden gedachter Nationalzusammenkunft, ihrer Glieder, der Minister von Frankreich, des hiesigen Generals der Republik, der hiesigen Staats- und Gemeindeadministration, des Kriegskommissariats etc. und unterrichtende Privatschriften vorgetragen und erläutert werden. Diese Vorlesungen werden abwechselnd von Gliedern der Gesellschaft gehalten, welche der Unterrichtsausschuß dazu ernennt, und dieser Ausschuß hat auch die Aufsicht darüber. § 2 : Die ordentlichen Ausschüsse der Gesellschaft sind: der Unterrichtsausschuß, der Wachsamkeitsausschuß, der Korrespondenzausschuß, der Ökonomieausschuß. Dieser letztere besteht aus 4 Mitglieder[n], welche aus sich den Schatzmeister wählen. Dessen Stimme wird im Fall, daß schon Stimmengleichheit im Ausschuß entstünde, nicht gezählt. Der Präsident und der Vizepräsident der Gesellschaft können als solche jeder Sitzung jedes Ausschusses beiwohnen; die ordentliche Zeit der Sitzungen jedes Ausschusses müssen (!) daher von ihm dem Präsidenten und Vizepräsidenten der Gesellschaft beim Antritt ihres Amtes schriftlich angezeigt werden, und ein Ausschuß, welcher eine außerordentliche Sitzung halten will, hat dieses sogleich nach gefaßtem Schluß dem Präsidenten und Vizepräsidenten anzuzeigen. Kein Ausschuß kann mit dem andern gemeinschaftliche Sitzungen halten, außer kraft eines Schlusses der Gesellschaft oder kraft einer Einladung des Unterrichtsausschusses, von welcher aber der Gesellschaft Nachricht zu geben ist. VI. § 1: Am Schreibtisch der Gesellschaft sitzen der Vizepräsident, der Präsident des Korrespondenzausschusses, die Sekretarien und der Kopist. Außer diesen darf sich

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keiner an den Schreibtisch setzen, wenn er nicht g[e]rade einen Auftrag der Gesellschaft daran zu vollziehen hat. § 2: Kein Mitglied darf Stille oder Hut ab rufen; dies kommt allein dem Präsidenten zu. § 3: Die Kosten, welche die Gesellschaft bereits hatte und welche sie bis zu Ende dieses Jahres beiläufig noch haben wird, werden in der ersten öffentlichen Sitzung angegeben, auf die Mitglieder verteilt und von jedem noch in diesem Jahr eingezogen. Vom Januar an zahlt jedes Mitglied monatlich voraus ... Kreuzer; dafür bekommt es ein[e] Eintrittskarte, welche mit seinem Namen bezeichnet und vom Schatzmeister unterschrieben ist. Diese Karte ist nur für einen Monat gültig, ist abwechselnd für einen Monat rot, dann blau, dann weiß, muß je am Ende des Monats beim Schatzmeister gegen eine neue, mit dem Monatsbeitrag einzulösende Karte ausgetauscht werden, und ohne Vorweisung dieser Karte kann kein einziges Mitglied unter keinerlei Vorwand in die Versammlung der Gesellschaft kommen. § [4]: Französische Brüder. VII. § [1]: Der ältere Secretaire führt das Protokoll, der jüngere übernimmt die übrigen Ausfertigungen und die einem Secretaire zukommende Ablesung, ausgenommen die des Protokolls der vorigen Sitzung oder einzelner Stellen aus dem Laufprotokoll, als welche dem älteren Secretaire zukommen. Ankündigung Die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit zu Mainz wird nächsten .. .tag, den .. .ten Dezember ihre erste öffentliche Sitzung in dem .. .-Saal des Schauspielhauses als ihrem b Versammlungsort halten. Jedes Mitglied der Gesellschaft wird erinnert, dieser Sitzung beizuwohnen, und jedes, welches dabei nicht erscheint, wird von der Gesellschaft angesehen werden, als wolle es nicht länger Mitglied sein. In dieser ersten Sitzung leistet jedes Mitglied einzeln den Eid, die Freiheit und Gleichheit zu behaupten oder in ihrer Verteidigung zu sterben. Alle Namen dieser Mitglieder werden sodann in eine alphabetische Liste gebracht, welche gedruckt an öffentlichen Plätzen angeschlagen, den hiesigen öffentlichen Blättern beigelegt und in das Hauptqua[r]tier der feindlichen Armee geschickt werden soll.0 In ebendieser Sitzung wird auch bestimmt werden, wieviel jedes Mitglied zu den Kosten, welche die Gesellschaft bereits hatte und bis zu Ende Dezembers beiläufig noch haben wird, noch im Dezember beitragen muß und wieviel es vom Jenner an zu den künftigen Kosten jeden Monat vorauszuzahlen hat. a Im Text gestrichen: „welcher sprechen will", b Im Text gestrichen: „künftigen". c Der ganze Absatz von „in dieser ersten Sitzung" bis „geschickt werden soll" ist kreuzweise durchgestrichen.

Dokument 8 (2 Blatt, Bl. 1 beidseitig, Bl. 2 einseitig beschrieben; die Vorderseite von Bl. 1 trägt links oben die in einen Rhombus gestellte Anlagennummer 2 ; abgedruckt MR I, S. 377 f.)

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Comité d'instruction 1. Der Belehrungsausschuß besteht aus 21" Mitgliedern, unter denen das Präsidium und Sekretariat roulieren. 2. Er versammelt sich wöchentlich einmal, ausgenommen in außerordentlichen Fällen. 3. In den Sit2ungen trägt jedes Mitglied vor, was ihm von dem Belehrungsplan auszuarbeiten aufgetragen worden ist. 4. Sodann wird auch in den Sitzungen auf die in jeden Plan einschlagende[n] Motionen Rücksicht genommen, welche in der Gesellschaft von andern Brüdern, die nicht Mitglieder dieses Ausschusses sind, gemacht worden sind, um nach Befund den Plan dadurch zu vervoükomm(e)ne(r)n oder jeder Unzweckmäßigkeit abzuhelfen, nötigenfalls aber auch die Gesellschaft aufmerksam zu machen, wenn sie durch eine Motion auf einen Abweg geführt werden könnte. 5. Die Resultate der Beratschlagung werden in Gestalt von Motionen der Gesellschaft zur weiteren Ventilierung vorgelegt. 6. Das Geschäft des Belehrungsausschusses muß in folgendem bestehen : A. In Vorschlägen und Entwürfen zur vollständigeren Organisation der Gesellschaft, wozu also gehört: a) Die Modifikation des Reglements oder Gesetzbuchs nebst aller Statuten und dessen Bereitung zum Druck unter vorheriger Genehmhaltung der Gesellschaft. b) Die Einrichtung des Geschäftsgangs oder der Ordnung der Geschäfte der Gesellschaft in ihren Sitzungen. c) Die Bestimmung ihres Wirkungskreises im Publikum und der Gegenstände ihrer Kompetenz. B. In Entwerfung eines Plans der öffentlichen Belehrung unserer Mitbürger über diejenigen Hauptkenntnisse, die ihnen zu wissen nötig sind. Diese Belehrung hat sieben Hauptstücke : 1. Staatsverfassung 2. Gesetzgebung und Rechtspflege 3. Staatsökonomie, d. h. Hererzählung der Bedürfnisse des Menschen in einer wohleingerichteten Gesellschaft und der daraus entspringenden Verschiedenheit der Beschäftigung der Bürger als Landbau, Handwerk, Manufaktur, Handel, Schiffahrt, Fischerei, öffentlicher Ämter Verwaltung, öffentlicher Unterricht, Bildung des wesentlichen Teils des Menschen, des intellektuellen und moralischen Menschen, Gleichheit und Freiheit 4. Finan% 5. Verhältnis des Staats ad extra (Militär und Seewesen) 6. Religion (Moral) 7. Wissenschaft und Kunst a Nachträglich eingefügt: „21"; dafür gestrichen: „sieben".

Dokument 9 (1 Blatt, beidseitig beschrieben; die Handschrift ist wahrscheinlich identisch mit der von Dokument 10; abgedruckt in MR I, S. 417)

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Entwurf einer Ordnung für die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit, die in Main% errichtet und mit den Gesellschaften Paris und Straßburg verschwistert ist Inhalt Tit. 1: Von dem Bande, welches die Mitglieder vereinigt, und dem Verhältnis der Gesellschaft zum Staate. Tit. 2: Vom Zweck der Gesellschaft. Tit. 3: Von der Aufnahme der Mitglieder. Tit. 4: Von der innem Organisation der Gesellschaft. Tit. 5: Vom Unterrichtsausschuß. Tit. 6: Vom Korrespondenzausschuß. Tit. 7: Vom wachthabenden Ausschuß. Tit. 8: Vom Ökonomieausschuß. Tit. 9: Vom Wohltätigkeitsausschuß.® Tit. 9: Vom Archiv. Tit. 10: Von der Polizei in den Versammlungen. Tit. 11: Von der Tagesordnung. Tit. 12: Von der Ordnung15 der Anträge, der Erörterungen und der Beschlüsse. Anhang: 1. Instruktion 2. „ 3. „ 4. „ 5. „

für den Präsidenten. für die Sekretäre. für den Schatzmeister. für den Archivar. für den Provisor.

a Von fremder Hand am linken Rand eingefügt: „9. Vom Wohltätigkeitsausschuß", b Eingefügt: „Ordnung"; dafür gestrichen: „Gesetzen".

Dokument 10 (4 Blatt, beidseitig beschrieben; die Handschrift ist wahrscheinlich identisch mit der des Dokuments 9; abgedruckt MRI, S. 4 1 8 - 4 2 0 )

Ordnung der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit, die in Main% errichtet und mit denen Paris und Straßburg verschwistert ist 1. Hauptstück. Von dem Bande, welches die Mitglieder vereinigt, und von dem Verhältnisse der Gesellschaft zum Staate. § 1: Das Band, wodurch die Männer, aus welchen die Gesellschaft besteht, sich in ihr vereinigen und gegeneinander verpflichten, ist ein überlegter, freiwilliger, feierlicher Eidschwur: frei s^u leben oder sterben! § 2: Die Gesellschaft von Männern, welche frei zu leben oder zu sterben geschworen hat, ist folglich dem freien Staate in Grundsätzen völlig gleichartig und hat einerlei Interesse mit ihm. § 3: Sie wird daher überflüssig sein und aufhören, wenn es keine Tyrannen mehr gibt, welche sich der Menschen als Werkzeuge gegen die Menschheit selbst bedienen, und

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hingegen alle Menschen zur Erkenntnis und zum Gefühl ihrer moralischen Würde gelangt sein werden oder das Übergewicht der Vernunft über die Leidenschaften so entschieden sein wird, daß gegen die letzteren keine besonderen Wächter mehr nötig sind. § 4: Unentbehrlich aber ist die Gesellschaft in einem jeden soeben erst aus der Knechtschaft wiedergeborenen Staate, wo noch Parteigeist, Herrschbegierde, Eigennutz und Lüste aller Art die Gemüter entfernen, entzweien und von dem heiligen Ziel des allgemeinen Wohls ablenken; unentbehrlich, solang es noch einen Menschen gibt, der sich Rechte über andere anmaßen will; unentbehrlich, solange nicht das ewige Reich der Vernunft, das wahre Reich der Freiheit, über das ganze Erdenrund ausgebreitet und ohne Widerspruch anerkannt worden ist. § 5: Die Mitglieder der Gesellschaft sind als Bürger dem Staate, den sie bewohnen, einverleibt, den rechtmäßigen Obrigkeiten desselben untergeordnet und den Gesetzen desselben unterworfen. § 6: Daher bescheiden sie sich auch, daß sie als eine besondere Gesamtheit keine öffentlich anerkannte politische Existenz, vielweniger irgendein Vorrecht vor anderen Bürgern voraushaben können, sondern lediglich als friedlich unter sich vereinigte Bürger angesehen werden wollen. Sie machen es sich demnach zum Gesetz, unter keiner Bedingung und unter keinem Vorwande sich irgendein Recht anzumaßen, welches ihnen als einzelnen Bürgern nicht zukäme, auch vor ihren Mitbürgern und Vorständen als eine öffentliche Gesamtheit nie aufzutreten. § 7: Damit nun diese Entschließung ihnen nie aus den Augen kommen möge, rücken sie hier das Dekret der Nationalversammlung vom 29. und 30. September 1791 wörtlich zur eigenen Nachachtung ein: „Nachdem die Nationalversammlung in Erwägung gezogen, daß kein sogenannter Klub oder kein gesellschaftliches Zusammentreten von Bürgern auf irgendeine Art eine politische Gestalt annehmen, noch irgendeine Klage gegen die Handlungen der von der Konstitution eingesetzten Gewalten oder wider eine gesetzmäßige Autorität führen kann; daß sie unter keinem Vorwande einen gemeinschaftlichen Namen annehmen können, entweder um Begehren anzubringen, Deputationen abzuschicken oder bei öffentlichen Zeremonien zu erscheinen oder aus irgendeiner andern Ursache — so dekretiert sie wie folgt: Erster Artikel: Wenn je ein Klub oder ein gesellschaftliches Zusammentreten von Bürgern sich erlauben sollte, irgendeinen öffentlichen Beamten oder sonst bloße Bürger zur Rechenschaft vorzufordern oder der Vollstreckung einer Verordnung irgendeiner gesetzmäßigen Gewalt Hindernisse in den Weg zu legen, so sollen diejenigen, welche bei den Beratschlagungen den Vorsitz gehandhabt oder eine Handlung vorgenommen, die zur Vollstreckung einer solchen Beratschlagung dient, auf die Anzeige des General-Prokurator-Syndiks des Departements und auf die Betreibung des Kommissärs der vollstreckenden Gewalt von den Tribunalen verurteilt werden, daß man sie auf zwei Jahre von der Bürgerliste ausstreicht und für diese Zeit als unfähig erklärt, irgendein öffentliches Amt zu bekleiden. Zweiter Artikel: Im Fall gedachte Klubs oder Gesellschaften unter einem gemeinschaftlichen Namen ein Begehren vorbrächten, unter diesem Namen eine Deputation abschickten und überhaupt irgendeine Handlung vornähmen, wo sie sich das Ansehen einer politischen Gesellschaft gäben, so sollen diejenigen, welche bei diesen Beratschlagungen den Vorsitz gehabt, das Begehren vorgebracht, bei dieser Deputation gewesen oder durch Handlungen teil an der Voll-

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Streckung solcher Schlüsse genommen hätten, auf die nämliche Art sechs Monate lang von a der Bürgerliste ausgestrichen, aller öffentlichen Amtsverrichtungen enthoben und diese Zeit über zu jeder öffentlichen Stelle als unfähig erklärt werden. Dritter Artikel: Was diejenigen Mitglieder betrifft, die nicht auf der Liste der Aktivbürger eingeschrieben sind und sich solcher gesetzwidrigen Handlungen schuldig gemacht, wovon in den vorhergehenden Artikeln Meldung geschehen, so sollen sie bei körperlichem Verhaft zu zwölf[hundert] Livres Geldbuße gestraft werden, wenn es Franken, und zu dreitausend Livres, wenn es Fremde sind. Vierter Artikel: Die Nationalversammlung dekretiert, daß der Bericht, den sein (!) ehemaliger Konstitutionsausschuß darüber abgelegt, mit dem gegenwärtigen Gesetz soll gedruckt werden." § 8: Dem Geiste und dem Ausdruck dieses Gesetzes gemäß legt die Gesellschaft allen ihren Beamten und insbesondere dem jedesmaligen Präsidenten, imgleichen den Unterrichts-, Korrespondenz- und wachthabenden Ausschüssen sowie erforderlichenfalls jedem einzelnen Mitgliede die Verbindlichkeit auf, streng und unverbrüchlich darüber zu halten, daß jedes Vorbringen, es sei mündlich oder schriftlich, welches in den Sitzungen an irgendeine gesetzmäßige Gewalt oder einzelne Glieder derselben zu richten beschlossen worden, allemal im Namen einzelner Bürger vorgetragen werde und keineswegs ein Kennzeichen an sich trage, woraus man auf eine gesetzwidrige Anmaßung und Absonderung in eine besondere Gesamtheit schließen könnte. § 9: Indem die Gesellschaft durch diese Verordnungen allen Korporationsgeist aus ihrer Mitte verbannen, das Ansehen eines Staats im Staate vermeiden und jede Versuchung, welche dahin führen könnte, sorgfältig und streng abschneiden will, hält sie sich um so viel sicherer berechtigt, in ihren Versammlungen auf jenen Schutz der Gesetze und auf jene Freiheit in der Äußerung und Prüfung verschiedener Meinungen Anspruch machen zu dürfen, welche der freie Staat keinem einzelnen Bürger verweigert. a Eingefügt: „von"; dafür gestrichen: „aus".

Der Jakobinerklub in Worms 1792/93+

Man weiß nicht viel vom Wormser Jakobinerklub, weil er ganz im Schatten des Mainzer stand, über den allerdings die bisherige Geschichtsschreibung auch nicht eben viel zu sagen wußte. Die Quellenlage für den Wormser Klub ist viel ungünstiger, aber andererseits fließen die Quellen nun auch wiederum nicht so spärlich, daß sie nicht der Rede wert wären und keinen Einblick in das Klubleben gestatteten. Im Anhang werden zur Wormser Klubgeschichte eine Reihe von Dokumenten gebracht, die zu veröffentlichen um so lohnender ist, weil damit ein Vergleich zwischen Worms und Mainz möglich wird, der beiden Seiten zugute kommt. So wird einerseits die Situation des Klubs in Worms erhellt, und andererseits können einige Erscheinungen der Mainzer Klubtätigkeit präziser gefaßt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die zentrale Frage nach der Rolle des Klubs bei der angesteuerten Umgestaltung sowohl in Mainz wie in Worms. Es gibt eine verschiedentlich auch in marxistische Darstellungen eingesickerte Legende, die im Mainzer Klub „das Leitungsgremium der Umwälzung" erkennen zu können meint. Nun ist es sicher richtig, daß der Mainzer Klub bereits bei seiner Entstehung die Keimform eines parteimäßigen Zusammenschlusses darstellte; aber ebenso gewiß ist es, daß er sich dieser Bestimmung keineswegs bewußt und darum auch unfähig war, als „das Leitungsgremium der Umwälzung" zu fungieren. Es bedurfte harter Klassenkampferfahrungen, gewonnen in der Auseinandersetzung mit den privilegierten Zünften, in der Agitationsarbeit unter der Bauernschaft, in der Bekämpfung offener und verdeckter konterrevolutionärer Propaganda und Sabotage, bevor der Klub auch nur annähernd in die Rolle eines organisierenden Zentrums hineinwuchs. Im Grunde erreichte er diese Qualität erst nach der Neukonstituierung im März 1793, die ja auch das Ziel verfolgte, den Klub in eine möglichst homogene und schlagkräftige Organisation zu verwandeln. Der erste Mainzer Klub jedoch hatte sich zunächst ganz andere Aufgaben gestellt. Er sah seine Mission ausschließlich in der Erziehungsarbeit, nämlich in der Verbreitung aufklärerischer Prinzipien unter den Klubmitgliedern selbst und über sie unter der Bevölkerung mit dem Ziel, der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Die bürgerlichen Intellektuellen — die Professoren, Juristen, Ärzte —, die den Weg zum Klub fanden und dann naturgemäß dessen Führung übernahmen, waren typische deutsche Aufklärer, die der geschichtsverändernden Macht der Vernunft vertrauten und darum ganz im Sinne der bisherigen aufklärerischen Praxis mit Belehrungen begannen. Auch die vom Mainzer Klub nachgesuchte, vom Straßburger unterstützte und im Dezember dann auch tatsächlich vom Pariser Mutterklub bestätigte Affiliation änderte daran gar + Bereits gedruckt in: Jahrbuch für Geschichte, Fassung.

Bd. 16, Berlin 1977, S. 321—401; überarbeitete

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nichts, denn die so plötzlich in den Strudel der Revolution gerissenen Mainzer hatten naturgemäß einen zu großen Nachholebedarf, um sogleich zur Spitze aufrücken zu können. Im übrigen schuf das System der Verbrüderungen wohl organisatorische Voraussetzungen für die Bildung eines Netzes mit dem Pariser Klub als dirigierendem Zentrum, aber zunächst waren die Verbindungen doch noch außerordentlich lose. Das einzig nachweisbare Kommunikationsmittel zwischen Mainz und Paris war die schriftliche Korrespondenz im Zusammenhang mit der nachgesuchten Affiliation. Kein Emissär des Mutterklubs hat sich in Mainz blicken lassen; und wenn an Mainzer Klubsitzungen verschiedentlich Mitglieder des Pariser Klubs teilnahmen, dann hatten militärische, staatliche oder private Angelegenheiten sie dorthin geführt. Für die Mainzer Klubisten hatte die Verbrüderung mit den Pariser Jakobinern in allererster Linie eine moralischpolitische Bedeutung: Dies Bindeglied zum Zentrum der Revolution erhöhte ihr Ansehen insgesamt und legitimierte gleichsam auch die Mainzer Gesellschaft als Mutterklub gegenüber den Klubs in Worms und Speyer. Die Klubs kleinerer Städte besaßen in der Regel keine direkten Beziehungen zu Paris, sondern suchten die Verbindung zum Klub am Sitz der Departements Verwaltung oder auch nur der nächsten größeren Stadt. Was nun den Wormser und Speyrer Klub im besonderen angeht, so entstanden beide naturgemäß wie der Mainzer im Zusammenhang mit dem Vorstoß Adam Philippe Custines in die Pfaffengasse am Rhein und sicher nicht ohne die Vorbildwirkung des Mainzer, obwohl von Tochtergründungen im strengen Sinne nicht eigentlich gesprochen werden kann. Von Worms und Speyer zurückgekehrt, hatte Georg Wilhelm Böhmer zwar im Mainzer Klub am 16. November mitgeteilt, daß er in beiden Städten jeweils eine Gesellschaft der Konstitutionsfreunde errichtet habe1, und Anton Joseph Dorsch verlas in der nächsten Klubsitzung auch die Rede, die er bei der Eröffnung der Wormser Gesellschaft am 12. November gehalten hatte2. Aber beide hatten zum ersten nicht als Emissäre des Mainzer Klubs gehandelt: Böhmer agierte als Sekretär Custines, und Dorsch nannte sich auf dem Titelblatt seiner später gedruckten Wormser Rede ausdrücklich „Kommissär der Konstitutionsgesellschaft in Straßburg". Zum anderen und vor allem aber hatte es zumindest in Worms schon zuvor eigenständige klubistische Bestrebungen gegeben, denn bereits am 7. November entsprach Custine der schriftlichen Bitte mehrerer Wormser und überließ ihnen den bischöflichen Hofsaal als Versammlungsort der zu gründenden Konstitutionsgesellschaft.3 Eine Besonderheit der Klubgründungen in Worms und Speyer ergab sich zweifelsfrei aus der Tatsache, daß es sich im Gegensatz zu Mainz hier um Reichsstädte handelte, denen bestimmte republikanische Prinzipien durchaus zuerkannt wurden. Als eigentlichen Feind betrachtete denn auch Custines Proklamation vom 4. November „an die lieben Mainzer, Wormser und Speyerer"4 vornehmlich die geistlichen Fürsten, die in den überwiegend protestantischen Städten Worms und Speyer nur über geringfügige Privilegien verfügten. Böhmer, der als Sekretär Custines dessen Proklamation zu erläutern hatte, argumentierte dementsprechend, pries am 13. November in Speyer „die glückliche Verfassung der Stadt, das gerechte und sanfte Regiment der Obrigkeit und die Freiheiten der Bürger". So blieben als Motiv für den propagierten Anschluß ledig1

2 3 4

MR I, S. 232 f. A m Tage zuvor hatte bereits ein Brief des Wormser Klubs selbst dem Mainzer seine Gründung bekannt gemacht. Ebenda, S. 217. Ebenda, S. 2 4 2 - 2 4 6 . Ebenda, S. 145 f., 151 f. Anm. n. Ebenda, S. 1 1 0 - 1 1 Z

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lieh die Beseitigung des dem Domstift zu entrichtenden Zehnts und die bessere Erhaltung der Freiheit unter französischem Schutz übrig. 5 Daß Böhmer in Worms am Tage zuvor mit seinen Lobsprüchen zurückhaltender gewesen war, ergibt sich daraus, daß er die speyerische Verfassung auf Kosten der von Mainz und Worms herausstrich und im Gegensatz zu diesen Städten den Speyrern nur ein Rotes Buch zur profranzösischen Willenserklärung vorlegte und kein, Schwarzes, „weil sie zuvor keine Sklaven gewesen seien".6 Böhmer hatte vier Jahre lang als Konrektor am Gymnasium in Worms gewirkt und dabei den Oligarchendruck zu gründlich erfahren, um von der reichsstädtischen Verfassung hier noch so unbefangen wie in Speyer reden zu können. Dennoch gibt es keinen Zweifel, daß sich Böhmer auch in Worms nicht wesentlich von der durch Custines Proklamation abgesteckten Linie entfernte. Dafür steht die am selben Tage vor demselben Klub gehaltene Rede von Dorsch, die uns im vollen Wortlaut vorliegt. Sie deliberiert ganz allgemein über die Begriffe Freiheit und Gleichheit, attackiert ebenso allgemein die geistlichen Despoten und spricht pauschal die „guten Bürger und Bewohner dieses ehemaligen Bistums" an, die reichsstädtischen Wormser wie selbstverständlich, wenn auch nicht ausdrücklich, darin einbegreifend. 7 Diese Art der Rücksichtnahme auf den reichsstädtischen, weil angeblich republikanischen Charakter dieser Städte hatte natürlich ihre Grenzen. Schon die Einsetzung der Allgemeinen Administration durch Custine am 19. November mit Sitz in Mainz bedeutete — der Bekanntmachung des Generals vom 18. November zufolge — für „die Einwohner des Erzbistums Mainz wie auch der Städte und Bistümer Worms und Speyer" die Notwendigkeit der Respektierung einer neuen Oberbehörde.8 Für die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sorgte die gleichzeitig und zusätzlich beschlossene Oktroyierung je eines Maire und eines Gemeindeprokurators sowohl in Mainz, dessen Schicksal ganz in der Hand kurfürstlicher Beamter gelegen hatte, als auch in den Reichsstädten Worms und Speyer mit ihren wie auch immer gewählten Magistraten. Daß Mainz als größte Stadt im eroberten Gebiet, als Sitz des französischen Hauptquartiers und der Allgemeinen Administration sich auf diese Weise der Qualität einer Departementshauptstadt näherte, befähigte wiederum auch den Mainzer Klub, dem Wormser und Speyrer gegenüber allmählich den Charakter einer Muttergesellschaft anzunehmen. Dies schloß natürlich Korrespondenzbeziehungen mit anderen Klubs nicht aus.9 Man möchte meinen, daß ein solches Verhältnis den Tochtergesellschaften ein typisches Mainzer Gepräge gab, zumal bei ihrer Konstituierung zwei Männer mit am Werke waren, die bei der Entstehung und dem Aufbau des Mainzer Klubs keine unwesentliche Rolle gespielt hatten. Ähnlich wie in seiner Begrüßungsrede vom 4. November an die Mainzer Gesellschaft10 hatte Dorsch bei der Eröffnung der Sitzungen in Worms auf die Erziehungsarbeit orientiert und es als den einzigen Zweck des Klubs bezeichnet, „dem gedruckten Volke aufzuhelfen, es mit den unverjährbaren Rechten des Menschen und Bürgers bekanntzumachen und die heiligen Grundsätze der Freiheit und Gleichheit überall zu verbreiten". 11 Womöglich waren Dorschs Forderungen an den Mainzer 5 6 7 8 9 10 11

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S. S. S.

236 Anm. f. 233. 245. 256. 352; vgl. im Anhang Dokument 2. 113-116. 243.

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Klub im Hinblick auf die politische Nutzanwendung solcher Erkenntnisse sogar noch um einiges präziser. Und dennoch läuft am Ende der Vergleich zwischen dem Mainzer und dem Wormser Klub — die Nachrichten über den Speyrer fließen zu spärlich, als daß er in eine solche Betrachtung einbezogen werden könnte — eindeutig darauf hinaus, daß der kleinere Klub in Worms von Anfang an sehr viel nachdrücklicher als aktive politische Größe in Erscheinung trat. Als beispielsweise in Mainz am 3. November die Konstitutionsfreunde ihren ersten Freiheitsbaum pflanzten, hatte am Tage zuvor eine Deputation bei Custine nur um die Überlassung einer Militärkapelle und um die Erlaubnis angetragen, das vermeintliche Denkmal an die Unterwerfung der Stadt unter die kurfürstliche Hoheit zerstören zu dürfen. 12 In Worms hingegen hatte der Klub am 14. November von vornherein auf eine Freiheitsbaumpflanzung in Gegenwart der gesamten Bürgerschaft orientiert. Wie das Ratsprotokoll ausweist, waren die Klubmitglieder Martin Joseph Schraut und Heil jun. bei dem Handelsmann Christian Lenz als Deputation der gesamten Bürgerschaft morgens erschienen, damit er auf den Nachmittag die Bürgerschaft zusammenriefe, die sich erklären sollte, „ob sie freie Leute oder Sklaven sein wollten". 13 Als Lenz auf die zeitraubenden Modalitäten verwies, die eine Beratung der Zunftdeputierten nötig machten, die wiederum mit dem Ergebnis vor jede Zunft treten müßten, wurde die Autorität Böhmers ins Spiel gebracht: „Es sei Herr Sekretär Böhmer hier, und daß er wolle die Sache beendiget wissen und beiwohnen."14 Eine zweite Intervention Schrauts bei Lenz trug diesem auf, für den Abend eine Musikkapelle zu beschaffen. Die von Lenz inzwischen auf das Zunfthaus der Bäcker bestellten Zunftdeputierten und -meister waren kaum versammelt, als sie zu gemeinsamer Deliberation vor den Rat gerufen wurden, weil am selben Tage Schraut und Heil auch „dem Herrn Bürgermeister Rasor namens der dahier sich vereinigten Konstitutionsgesellschaft die Errichtung eines Baumes zum Freiheitszeichen vor dem Burgerhofe angesonnen" hatten.15 Diesem frontalen Vorstoß des Klubs blieb zwar der unmittelbare Erfolg versagt: Magistrat und Bürgerschaft befanden, „daß sie vorderhand die Legitimation des Herrn Schraut und Heil als Kommittierte einer hier eröffneten Konstitutionsgesellschaft nicht für hinlänglich anerkennen könnten". Daher erklärten sie, daß sich ihre republikanische Verfassung — ungeachtet einiger Mißbräuche und Differenzen, die zu beheben man im Begriff sei — ohnehin auf die Menschenrechte gründe.16 Im Sinne dieses gemeinsamen Beschlusses war auch die dem Klub zugesicherte eigene Erklärung des Bürgerschaftsausschusses vom 15. November abgefaßt, nur mit dem Unterschied, daß dem Klub und seinen Aktivitäten die, Existenzberechtigung ausdrücklich bestätigt wurde: „Die Bürgerschaft ehrt die Gesinnungen, welche die löbliche Gesellschaft zu ihrem Zusammentritt bewogen ... Sie wird dabei den Bemühungen der löblichen Konstitutionsgesellschaft nie in den Weg treten, und wenn dieselbe selbst Zeichen der Grundsätze der französischen Nation zum Zeugnis ihrer eigenen Gesinnungen öffentlich dahier aufzupflanzen für gut befinden sollte, so würde sie solche Zeichen schon in der Rücksicht ehren, weil mit ihnen das Denkmal der Rettung einer großen und erhabenen Nation

12 13 14 15 16

Ebenda, S. 106. StdtA Worms, Ratsprotokoll 1792, 14. 11. 1792, S. 434. Ebenda, S. 435. Ebenda. Ebenda, S. 435 f.

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begleitet ist." 17 Die Freiheitsbaumpflanzung am Abend des 14. November blieb also wie zuvor in Mainz nur eine Angelegenheit der Klubmitglieder. 18 Dennoch war schon jetzt die scheinbar geschlossene Front dieser reichsstädtischen Institutionen erschüttert. Die an den örtlichen Kommandanten abgesandte Deputation von Bürgerschaft und Rat konnte zwar am folgenden Tage berichten, daß der Klub durchaus selbständig gehandelt habe; aber des Generals dringende Mahnung, sich den Zeitumständen möglichst anzugleichen, beruhigte so wenig, daß die Absendung einer dreiköpfigen Delegation, bestehend aus dem Senator Christoph Heinrich Clausius, dem Bürgerschaftsvertreter Philipp Christian Lenz und dem Ratsschreiber Daniel Friedrich Kraemer, zu Custine nach Mainz beschlossen wurde. 19 Auf ihrem Wege trafen die Deputierten in Weisenau auf Böhmer, der dort gerade einen Freiheitsbaum aufrichten ließ und natürlich für ihr Anliegen kein Ohr hatte. In Mainz gelangten sie über Friedrich Christoph Cotta zu Dorsch, mit dem sie — wie ihr Bericht vom 20. November aussagt — eine freimütige Aussprache hatten. Dabei bildeten die Absichten der Wormser Konstitutionsgesellschaft einen besonderen Gegenstand: „Da wir mit Herrn Dorsch noch über besondere Lokalverhältnisse zwischen der Stadt Worms und der damaligen Konstitutionsgesellschaft redeten, auch unsere Besorgnis über die uns angedrohte widrige Vorbereitung des Generals äußerten, übernahm es derselbe, unsern Brief mit einem Begleitungsschreiben zu übersenden."20 Die noch am selben Abend geführte Unterredung mit Custine machte jedoch allen Deputierten deutlich, daß angesichts des unverkennbaren Zieles, den Rhein zur Grenze zu machen, eine Sonderregelung für Worms nicht zu erreichen war. Das Ergebnis dieser Mission, einen Tag nach der Einsetzung der Allgemeinen Administration vor Rat und Zunftdeputierten diskutiert, schlug die ersten sichtbaren Breschen in das alte reichsstädtische Gefüge: Das Mitglied der Deputation Johann Daniel Kraemer erklärte nach Verlesung des Berichtes, daß er in die Dienste Custines zu treten gedenke und darum seine Ratsschreiberstelle niederlege. Das Delegationsmitglied Christoph Heinrich Clausius gab zu überlegen, „daß bereits beschlossen, von der Konstitutionsgesellschaft eine neue Verfassung machen zu lassen, Mainz, Worms und Speyer zu einem Departement einzurichten, als wozu bereits Administratoren bestellt seien, weswegen am ratsamsten sein dürfte, wenn sich Männer, welche der hiesigen Verfassung kundig und dem gemeinen Wohl der Stadt zugetan wären, der Konstitution nähern würden". 21 Als unter dem Eindruck dieser Bemerkungen viele Ratsmitglieder Miene machten, sich seitwärts in die Büsche zu schlagen, und ihre Ämter niederlegen wollten, quittierte das dritte Deputationsmitglied Philipp Christian Lenz — von allen anwesenden Zunftmeistern unterstützt — diese für das Wormser oligarchische Regime typische Feigherzigkeit mit der Feststellung: „So oft die Stadt und Ehrsame Bürgerschaft in große Not und Verlegenheit komme, wolle der Magistrat seine Zuflucht zu der Bürgerschaft nehmen und alle Gefahr und Verantwortung auf dieselbe schieben .. ,"22 Daß ausgerechnet in dieser Situation Konrad Michael von Winkelmann und Stephan von Löwer vorgelassen zu werden begehrten, um ihre durch Custine befohlene Einsetzung als Maire bzw. als 17 18

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21 22

Ebenda, Französische Revolution, Sammlung Knode, Nr. 117. Ebenda, Nr. 116. Böhmer machte im Mainzer Klub dafür den Aristokratismus verantwortlich, der die Wormser Gemüter verstimme. MR I, S. 233. StdtA Worms, Ratsprotokoll 1792, 21. 11. 1792, S. 437 f. Ebenda, Französische Revolution, Sammlung Knode, Nr. 88. Der für Custine bestimmte Brief befindet sich ebenda, Nr. 87. Ebenda, Ratsprotokoll 1792, 15. 11. 1792, S. 447 f. Ebenda, S. 449.

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Gemeindeprokurator von Worms bekanntzugeben23, war ein Zufall, aber zugleich auch eine angemessene Lösung der in Worms unmittelbar auf der Tagesordnung stehenden Probleme. Ganz anders als der Mainzer Klub reagierte der Wormser auf Custines selbstherrliche Einsetzung der neuen Obrigkeiten durch die Proklamation vom 18. November. In Mainz gab es vom ersten Moment an eine unterschwellige Kritik von links, die ein solches Vorgehen des Generals als konstitutionswidrig zumindest in Zweifel zog, so daß sich öffentliche Blätter wie der von Matthias Metternich herausgegebene „Bürgerfreund" und noch im Dezember die „Mainzer National-Zeitung" damit auseinandersetzen mußten.24 Der Klub selbst verwarf den Vorschlag einer Dankadresse an Custine und begnügte sich mit einem Schreiben, das die Einsetzung neuer Obrigkeiten überhaupt begrüßte. 25 In Worms dagegen schaltete sich der Klub in die Amtseinführung des Maire und des Gemeindeprokurators am 21. November unmittelbar mit ein. Als Kriegskommissar Buhot beiden die dreifarbige Schärpe umgelegt hatte, sprach als erster der reformierte Pfarrer Philipp Lorenz Endemann, wobei er „als Mitglied der Konstitutionsgesellschaft in einer Rede den wahren Sinn der von den Franken ergriffenen und allgemein zu verbreitenden Freiheit und Gleichheit erklärte, jedermann und besonders die Bewohner der Stadt und des Bistums Worms solche dankbarlich anzunehmen und sich der Regierung und dem Schutz der französischen Nation willig zu unterwerfen, somit den Befehlen des namens dieser Nation angestellten Maires und Prokurators zu gehorchen vermahnte".26 Die Vertreter der staatlichen bzw. militärischen Gewalt, Winkelmann und Buhot, nahmen erst nach dem Sprecher des Klubs das Wort. Die abendliche Freiheitsbaumpflanzung erfolgte diesmal mit ausdrücklicher Zustimmung der Zunftmeister und in Anwesenheit der Zünfte. Wie schnell und entschieden der Klub diese Aktivitäten über die Mauern der Stadt hinaustrug, bestätigte der Gemeindeprokurator Löwer vor der Munizipalität in seinem Bericht über die Freiheitsbaumpflanzung am 22. November im ehemals bischöflichwormsischen Dirmstein. Vor dem größten Teil der Dirmsteiner und Gästen aus den unmittelbar benachbarten Orten Laumersheim und Gerolsheim, aber auch aus dem entfernteren pfälzischen Frankenthal wie aus dem leiningenschen Grünstadt „eröffnete Bürger Endemann im Schloßhofe mit einer zweckmäßigen Rede" wieder die Feierlichkeit; „von da ging der Zug mit Musik in das Ort zum Rathaus, wo unter dreimaligen Ausrufen — es lebe die Frankennation, es lebe Bürger General Custine und die Wormser Munizipalität — der Freiheitsbaum aufgerichtet worden ist".27 Erst jetzt kam durch Löwer die Munizipalität selbst zu Wort. In Mainz hingegen gab es noch am 29. November ebenso heftige wie unergiebige Auseinandersetzungen, ob und mit welcher Vollmacht Klubemissäre auszusenden wären, obwohl das Konventsdekret vom 19. November, das allen nach Freiheit strebenden Völkern die französische Unterstützung versprach, bereits bekannt war. Schließlich ergriff die Mainzer Munizipalität die Initiative und begann mit einer Befragung der Zünfte, die sich zunächst auch gut anließ.28 In Worms war eindeutig der Klub der Motor bei den Republikanisierungsbestrebungen, ohne damit der Munizipalität Abbruch zu tun, im Gegenteil. Endemann hatte diesen 23 24 25 26 27 28

Ebenda, S. 451. M R I , S. 2 6 0 - 2 6 2 Anm. f. Ebenda, S. 254. StdtA Worms, Ratsprotokoll 1792, 21. 11. 1792, S. 454. Ebenda, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 23. 11. 1792, § 5, S. l b f. MR I, S. 310, 312.

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Sinn der Klubarbeit bereits am 15. November in einer Rede vor der Gesellschaft klar formuliert: „Was ist derselben Zweck? Er kann und darf kein anderer sein, als Vorschläge zur Verbesserung des gemeinen Wesens zu machen. Da könnt ihr schon sehen wie man euch berücken will, wenn man sagt: Die itzigen Glieder derselben wollten eure Herren sein. Nein, Vorschläge wollen wir tun und weiter nichts. Verdienet der aber verachtet zu werden, der aus Liebe seinen Rat erteilt? Noch weniger kann eine solche öffentliche Beratung, an welcher unsere Obrigkeit teilnehmen kann, wenn sie will, Meineid, Rebellion oder Untreue genannt werden. Gesetzt aber, daß bei Untersuchung des Fehlerhaften unserer Stadt mehrere Dreizehner nebst ihren beiden Konsulenten auf der Waagschale der Prüfung zu leicht erfunden werden, sind wir denn schuld?" 29 In diesem Sinne reagierte auch Friedrich Henninger am 23. November im Klub auf die Wünsche, die die Zünfte im Hinblick auf eine Verfassungsänderung hatten laut werden lassen und die sich naturgemäß im herkömmlichen Rahmen bewegten. Henninger warnte vor jeder Verständigung mit der Aristokratie, die von Herrsch- und Habsucht geprägt sei, darum auch nicht so umgekrempelt werden könne, „wie man einen Sack umwendet"; und die angebliche Ehre, sich Reichsstädter zu nennen, habe lediglich dazu geführt, daß an ihnen „jeder sich nach Wohlgefallen reiben durfte, sodann zur Erkaufung der Gnade unserer mächtigen Nachbarn, welche mit uns als wie die Katze mit der Maus spielten und unsere kleine Existenz alle Augenblicke zu erwürgen drohten".30 In einem Bericht vom 3. Dezember an die Allgemeine Administration klagte die Munizipalität eher über ein Zuwenig als ein Zuviel solcher Klubaktivitäten und bestätigte ausdrücklich: „Die Munizipalität hat bereits vor einiger Zeit die Gesellschaft der Konstitutionsfreunde durch die Mitglieder Bürger Löwer und Bürger Endemann ersuchen lassen, ihre Bemerkungen über alles, was Bürgerwohl und Ordnung und Staatsverfassung beträfe, der Munizipalität mitzuteilen und solchergestalt dieselbe in ihrer schweren Sorge für das gemeine Beste zu unterstützen."31 Daß solche Worte nicht bloße Redereien waren, sondern daß die Munizipalität immer gern und prompt zur Hand ging, auch wenn es sich um elementare und handgreifliche Dinge handelte wie beispielsweise die Sicherung der Arbeitsmöglichkeiten des Klubs, zeigte unter anderem ihre Verwendung beim örtlichen Kommandanten für die Aufstellung einer Wache zum Schutze der dem Klub überlassenen Schloßmöbel oder auch die Antwort auf die Bitte des Klubs um zwei Öfen für seinen Versammlungsraum: „Wird von der Munizipalität so wie alles, was zur Beförderung und zum besten dieser Gesellschaft beitragen kann, mit Vergnügen bewilliget.. ."32 Die wechselseitige Unterstützung beider Institutionen äußerte sich besonders nachdrücklich in dem Moment, als Anfang Dezember die Reaktion mit einigem Geschick die nötigen Vorbereitungen getroffen hatte, um aus dem Klub heraus eine massive Attacke gegen die neue Munizipalität vorzutragen. Am 2. Dezember traten im Klub zwei Mitglieder, der Posthalter und Gastwirt Heinrich Strauß und der Handelsmann Meyer, als Redner auf, die sich als Werkzeuge der Reaktion gebrauchen ließen und Diskussionsbeiträge verlasen, wie sie nach allgemeinem Urteil keiner der beiden Sprecher selbständig zu formulieren fähig gewesen wäre. Der 29 30 31 32

Vgl. im Anhang Dokument 1. Müller, Verfassung von Worms, S. 79. Vgl. im Anhang Dokument 5c, § 12. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 26. 11. 1792, § 17, S. 14; 30. 11. 1792, § 58, S. 44f.

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Gemeindeprokurator Löwer erklärte in seinem Begleitschreiben zum Munizipalitätsbericht vom 3. Dezember an die Allgemeine Administration, daß „Strauß und Meyer ihre Reden aus fremder Feder entlehnet haben"; zu ihren Hintermännern bemerkte er, „daß Meyer ein Schwiegerenkel des verrufenen Städtemeisters Schuler ist und Strauß mit den Dreizehnern noch tägliche Unterredungen in seinem Hause pfleget und sich als Organ der vormaligen Magistralen darstellt".33 Der genannte Städtemeister war von der Munizipalität aus dem Amte entfernt worden, weil er „als ein in öffentlichen Druck- und Klageschriften vor dem Reichshofrat und dem ganzen Reich von der gesamten Bürgerschaft der niedrigsten Betrügereien und Übervorteilungen des Aerariums beschuldigter und noch nicht gerechtfertigter Mann auf diesem Hauptposten zu gefährlich war und das allgemeine Mißtrauen gegen sich hat".84 Winkelmann kommentierte in seinem Begleitschreiben den Munizipalitätsbericht um einiges offensiver als Löwer: „Die Entdeckung der Urheber oder eigentlichen Verfasser dieser Reden, besonders der Straußischen, würde wohl das beste sein, denn beide, Strauß und Meyer, sind die Männer nicht, die aus eigener Kraft die Rednerbühne bestiegen hätten. Auf diese Art möchte aus dem Übel ein wirkliches Gute erzeugt werden, indem es die Gelegenheit zur Erkenntnis und eben deswegen auch zur Einigkeit werden könnte." 35 Strauß argumentierte — nicht ohne gelegentlich auch die revolutionäre Phraseologie zu strapazieren — folgendermaßen: Anstatt die zwischen der Bürgerschaft und dem alten Magistrat seit langem bestehenden Divergenzen zu vergessen, um „mit vereinigten Kräften an der Gründung der Freiheit und Gleichheit zu arbeiten", seien an die Stelle des ständigen Dreizehnerrats und des wechselnden Rats, der 12 Mitglieder und 24 Kandidaten zählte, ganze zwei Personen getreten, so daß unabhängig von der Person des Maires und des Gemeindeprokurators die Wormser tatsächlich „aus einem bißchen Freiheit", die sie gehabt hätten, „in den willkürlichsten Despotismus gesunken" wären.36 Strauß beantragte daher, daß grundsätzlich alle bedeutsamen Verordnungen der Munizipalität vor ihrer Verkündigung den Zünften zur Prüfung vorgelegt würden, um so die Mitwirkung der Bürgerschaft bei der Gesetzgebung zu gewährleisten. Die bereits am 28. November durch den Druck bekanntgemachten Verordnungen sollten als illegal, freiheitswidrig und unverbindlich erklärt werden — wobei man wissen muß, daß an diesem Tage die Munizipalität auch die von der Allgemeinen Administration übersandten Plakatdrucke „Von der Staatsverfassung in Frankreich zum Unterrichte für die Bürger und Bewohner im Erzbistum Mainz und den Bistümern Worms und Speyer" anzuschlagen verordnet hatte.37 Da die Hintermänner des Strauß so ziemlich sicher sein konnten, daß seine Provokation zurückgewiesen würde, versuchten sie von vornherein den Klub zu unterlaufen, indem sie ihren vorgeschobenen Sprecher erklären ließen: „Damit aber auch wir nicht das Ansehn haben, als wollten wir das Volk repräsentieren, so sollen diese Vorschläge der Bürgerschaft in ihren Zünften vorgeleget und durch sie der Munizipalität zur künftigen Darobhaltung zugestellet werden." 38

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38

Vgl. im Anhang Dokument 5b. Ebenda, Dokument 5c § 3. Ebenda, Dokument 5 a. Ebenda, Dokument 3. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, J a h r 1, 28. 11. 1792, § 47, S. 37. Über Entstehung, Verbreitung und Inhalt der Schrift vgl. MR I, S. 295—298 Anm. e. Vgl. im Anhang Dokument 3.

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Die hier verfolgte Taktik wurde von dem zweiten bestellten Sprecher, dem Bürger Meyer, kräftig unterstützt.39 Im Grunde entsprach sie genau der Marschroute, die von der exilierten Mainzer Regierung aus Würzburg am 16. November dem Vorsitzenden des Mainzer Handelsstandes diktiert worden war, nämlich den vom Mainzer Klub ausgehenden Einfluß durch die Aktivierung der Zünfte zu neutralisieren und schließlich auszuschalten.40 In Mainz hatte diese Taktik schon sehr früh erste Erfolge gezeitigt. 41 In Worms dagegen konnte dank dem innigen Zusammenhalt von'Munizipalität und Klub diese erste massive Attacke der Reaktion erfolgreich abgewehrt werden. Nach dem Zeugnis des Munizipalitätsprotokolls nahmen die Ereignisse am 2. Dezember folgenden Verlauf: „Bürger Sekretär Frank aus Straßburg machte in der Behausung des Bürgers Maire abends nach 6 Uhr in Gegenwart des Gemeinen Prokurators die mündliche Anzeige, daß Bürger Strauß während der Sitzung der Konstitutionsfreunde eine Rede abgelesen habe, die den Grundsätzen der Frankenkonstitution völlig zuwider sei. Er habe von dem Präsidenten Bürger Henninger begehrt, das ersagte Mitglied zur Ordnung aufzurufen, nämlich schweigend zu machen; es sei aber nicht geschehen, und deswegen habe er seinen Pflichten gemäß die Gesellschaft verlassen und als Sekretär die Feder niederlegen müssen; der Präsident habe zwar den Hut aufgesetzt, allein er sei noch im Saal, und die Unordnung dauere noch. Gleich hierauf kam Bürger Pistorius als Abgeordneter des Bürger Präsidenten Henninger, welcher, wie er selbst nachgehends äußerte, wegen entstandener Gärung und Gefahr sich nicht aus dem .Saal zu gehen getraute, eilends daher, denunzierte die gefährlichen Unruhen, welche durch zwei aufrührerische Reden der Bürger Meyer und Strauß veranlaßt worden seien, und begehrte auf der Stelle, daß Bürger Maire die im Konstitutionssaal ausgebrochenen Unruhen mit militärischer Beihilfe stillen wolle. Bürger Maire und Gemeine-Prokurator verfügten sich unverweilt auf die Hauptwache, requirierten allda 6 Mann nebst einem Unteroffizier, gingen mit diesen auf das Schloß und ließen die Mannschaft außerhalb dem Saal ihre Posten nehmen. Nach dem Eintritt in den Saal rufte der Maire zweimal: Still!, hob die öffentliche Sitzung auf, forderte beide Reden ab, die Bürger Pistorius bereits denunziert hatte und Bürger Schraut hier öffentlich als gefährlich denunzierte, ließ die Rede des Bürger Meyer vor dem Gemeindeprokurator präsentieren und suspendierte die öffentlichen Sitzungen auf unbestimmte Zeit."42 Von hier aus begab sich der Maire mit seiner militärischen Begleitung zum „Schwan", dem vom Posthalter Strauß betriebenen Wirtshaus, wo er ihn im Kreise einiger seiner Auftraggeber fand, darunter des Städtemeisters Philipp Christian Hofmann und des Dreizehners Abraham Wandesieben, also führender Mitglieder des alten Magistrats. Der Maire forderte von ihm die Aushändigung der Rede, die er zuvor Blatt für Blatt durch eigenhändige Unterschrift als die seine zu bestätigen hatte. Zu demselben Zwecke wurde am selben Abend noch Meyer zum Maire berufen. Er folgte der Aufforderung sogleich, ohne daß diesmal eine militärische Einheit dem Nachdruck verlieh. Er erkannte durch Unterschrift seine bereits im Klub konfiszierte Rede an und wollte lediglich eine bestimmte Bemerkung nicht öffentlich abgelesen haben, weil er sie nicht hätte verifizieren können. Es handelte sich um die gegen ungenannte Klubmitglieder erhobene Beschuldigung, „schon im Zuchthaus gesessen" zu haben. Diese Einschränkung bestätigte einmal mehr, daß Verfasser und Verleser der Reden nicht identisch waren. 39 40 11 12

Ebenda, Dokument 4. M R I , S. 157f. Ebenda, S. 3 1 2 - 3 1 4 , 387f., 4 0 3 - 4 0 7 . StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 2. 12. 1792, § 75, S. 57 ff.

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Das ebenso prompte wie entschiedene Eingreifen der Munizipalität demonstrierte eine solche Entschlossenheit, die revolutionäre Macht zu handhaben, daß sich die bestellten Provokateure widerspruchslos beugten. Daß sie im Klub selbst, wenn auch immer wieder unterbrochen, ihre Reden verlesen konnten, verdankten sie zum einen dem Überraschungsmoment und der Unerfahrenheit in der Versammlungsführung bei den Funktionären wie bei den einfachen Mitgliedern, zum anderen aber auch einer bestellten Claque im Saal und jugendlichen Störenfrieden, die draußen lärmen sollten. Nach den Aussagen des Klubdieners Cornelius Jakob Muhm und des Mitgliedes Georg Christoph Winkler hätten zwar fast alle Klubisten, einschließlich des zufällig anwesenden Speyerer Klubpräsidenten Karl Holzmann, der Fortsetzung der Rede von Strauß widersprochen, doch hätte sich insbesondere der ältere Lentner, ein Advokat, der nicht einmal dem Klub angehörte und dennoch in die Schranken eingedrungen war, zu dessen Fürsprecher gemacht. Er wurde durch den Beifall seines Sohnes, ebenfalls ein Advokat, und der Ratsdiener Dolg und Zorn unterstützt. Gleichzeitig hätte „eine Menge aufgehetzter Jungen" mit Drohungen und Steinwürfen die Wache zur Aufgabe ihres Postens veranlaßt. Erst als die Meute draußen vor dem Klub mit Hilfe einiger Klubmitglieder auseinandergejagt worden war, gelang es auch drinnen, mit Lentner fertig zu werden und ihn aus den Schranken zu weisen.43 Meyer wurde zwar ebenfalls sofort unterbrochen, als er mehreren Mitgliedern unlautere Absichten unterstellte, ohne genaue Angaben zu machen, aber man überließ ihm wieder das Wort, als er versicherte, diese Behauptung im Laufe seiner Rede zu belegen, was er dann doch nicht tat. Klubpräsident Henninger, der am folgenden Tag diese Heimtücke Meyers bei der Munizipalität anprangerte und ihn behördlicherseits gezwungen wissen wollte, Farbe zu bekennen, mußte sich mit dem pädagogisch durchaus weisen Munizipalitätsbeschluß begnügen, „den Mitgliedern der Konstitutionsgesellschaft zu überlassen, die den Umständen angemessenen Maßregeln zu ergreifen und künftig ähnlichen Vorfällen selbst vorzubeugen, dann hievon der Munizipalität zeitliche Nachricht zu erteilen, um ihren guten Absichten nach möglichsten Kräften mitwirken zu können".44 Diese Aufforderung wurde vom Klub gut verstanden und sehr schnell aufgegriffen, denn bereits am 4. Dezember überbrachte Clausius als Deputierter des Klubs die am Tage zuvor von ihm und seinem Mitdeputierten Sebastian Bruch zugesicherte Stellungnahme des Klubs, die auf eine Beendigung der vom Maire verfügten Suspendierung der Sitzungen antrug. 45 Die Munizipalität war dann auch durchaus bereit, „dem billigen Begehren der hiesigen Konstitutionsgesellschaft ohne allen Anstand zu entsprechen, sohin die gewöhnliche Sitzung bis morgen wieder zu eröffnen, und so hätte dieselbe nach den selbst bestimmten Tagen in ihren das allgemeine Wohl betreffenden Arbeiten um so mehr fürzufahren, als nach ihren getroffenen Verfügungen keine Besorglichkeit wegen ähnlichen Auftritten mehr obwalten wird". 46 Die Munizipalität tat noch ein übriges und gab dem Bürgerfeldwebel Crais den Auftrag, „bei jedesmaliger öffentlicher Sitzung zur Beobachtung der strengen Polizei nach der Anweisung, die ihm der gesellschaftliche Ausschuß der Wachsamkeit selbst geben wird, an die Türe des Konstitutionssaals eine halbe Stunde vor der wirklichen Eröffnung" eine Wache zu stellen.47 Am 5. Dezember konnte daraufhin der Klubpräsident Henninger 43 44 45 46 47

Ebenda, 4. 12. 1792, § 137, S. 9 9 f f . Ebenda, 3. 12. 1792, § 78, S. 62. Vgl. im Anhang Dokument 6. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 4. 12. 1792, § 97, S. 72f. Ebenda, S. 73.

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„im Namen und vermög Auftrag von der Gesellschaft"* in die Wormser NationalZeitung die folgende, vom 4. Dezember datierte „Bekanntmachung" setzen: „Die hiesige Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit macht hiemit bekannt, daß sie fortfahren werde, jeden Mittwoch und Sonntag nachmittags um 4 Uhr öffentliche Sitzungen in dem Schloßsaal zu halten, wozu alle erwachsene Personen beiderlei Geschlechtes von 15 Jahren an und drüber ungehinderten Zutritt haben. Jüngere Personen und Kinder können aber nicht zugelassen werden. Zugleich findet die Gesellschaft sich genötigt zu erklären, daß der- oder diejenige, welche sich künftig wieder so weit vergessen sollten, mit Ungestüm in die Schranken zu dringen und sich in die Handlungen der Gesellschaft zu mischen, wie es bei der letzten Sitzung geschehen ist, sich gefallen lassen zu müssen, durch die Schildwache aus dem Saal geführt zu werden. Worms, den 4. Dezember 1792, im ersten Jahr der Frankenrepublik." 48 Was allerdings die Namhaftmachung der von Meyer verdächtigten Personen angeht, so hat sich ihm gegenüber der Klub offensichtlich nicht durchsetzen können. Am 14. Dezember ersuchte der Klubpräsident Henninger erneut um die Unterstützung durch die Munizipalität, „als derselbe den gerechten Forderungen der besagten Konstitutionsgesellschaft, seiner fürdauernden Suspension ungeachtet, in Güte zu entsprechen sich auf keine Art bereitwillig erzeige".49 Die Munizipalität war jedoch offensichtlich in ihrer Bewegungsfreiheit durch die Weisung der Allgemeinen Administration vom 6. Dezember eingeschränkt. Die Weisung basierte auf den von Maire und Gemeindeprokurator übersandten Materialien50, traf am 9. Dezember in Worms ein und bestand in dem Auftrag, vor der Munizipalität Strauß und Meyer einen Verweis zu erteilen, die — tags darauf geladen — ihn auch entgegennahmen. 51 Die Mainzer Administration, in der damals noch eindeutige Reaktionäre als Fachleute nicht nur geduldet wurden, sondern auch Einfluß ausüben konnten, hielt die kritisierten Reden im Klub für erlaubt, sofern sie nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Winkelmann zog daraus in einem Schreiben vom 12. Dezember an die Allgemeine Administration den logischen Schluß, daß dann auch die Untersuchungen gegen die Verfasser der Reden einzustellen wären, wenn um der allgemeinen Ruhe willen nur ein stiller Verweis und nur eine stille Wiedereröffnung des Klubs angeraten würden. 52 Daß den Klub eine solche Haltung der Administration nicht befriedigen konnte, versteht sich von selbst. Daher wurden noch Ende Dezember 48 49 50 51

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WNZ, 98. Stück, 5 . 1 2 . 1792, S. 398. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 14. 12. 1792, § 196, S. 161. Es waren dies die im Anhang mitgeteilten Dokumente 3, 4, 5 a, 5 b, 5 c. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 10. 12. 1792, § 156, S. 125. Ein schärferes Vorgehen verfügte die Administration am 8. 12. allerdings gegenüber den vermuteten Hintermännern der Strauß und Meyer: „Der Munizipalität wird auf ihren Bericht vom 5. dieses erwidert: Um die so nötige öffentliche Ruhe zu erhalten, sind 1. die schärfsten Maßregeln zu nehmen, damit alle verdächtigen Personen außerstand zu schaden gesetzet werden; 2. diejenigen von den Dreizehnern, welche als Ruhestörer verdächtig sind, zu arretieren und der Kommandant zu ersuchen, dieselben auf die Festung Landau führen zu lassen; 3. sind die Urheber von den in dem Briefe des Gemeindeprokurators angezeigten Begebenheiten genau zu untersuchen und nach Befund als Ruhestörer und Aufrührer zu bestrafen; 4. sind dem Kommandanten die Plätze diesseits Rheins anzuzeigen, welche den Übelgesinnten und Feinden des Vaterlandes zum Orte des Komplotts dienen. Übrigens wird die Munizipalität über die andern im angezogenen Briefe enthaltenen Gegenstände die Entschließung erhalten, wenn man sich mit den beiden in Worms sich dermalen befindenden Bürgern und Administrationsmitgliedern Krämer und Widt näher benommen hat." Winkelmann, Beitrag, Beilage Nr. 7, S. 76 f. StA Würzburg, MRA V, Klubistenakten, Nr. 854, fol. 3 9 5 - 3 9 8 , 477.

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und wieder im Januar 1793 Klubdeputierte in dieser Sache bei der Munizipalität erneut vorstellig, die aber jedesmal auf die Frage auswich, ob nämlich „die hiesige Konstitutionsgesellschaft nach bereits selbst verhängter Suspension gegen den Bürger Meyer die statutenmäßigen Vorkehrungen getroffen habe".53 Nur wenn die dem Klub eigenen Mittel ergebnislos blieben, war die Munizipalität geneigt, sich nochmals mit diesem Falle zu beschäftigen. Ungeachtet solcher Nichtübereinstimmung im Detail standen Klub und Munizipalität in der Abwehr reaktionärer Attacken immer zusammen. Winkelmann benutzte beispielsweise die Klubsitzung vom 6. Dezember, um hier die feindliche Argumentation gleichsam zu unterlaufen. In Übereinstimmung mit dem bereits im Munizipalitätsbericht vom 3. Dezember geäußerten Wunsch, „daß, sobald es die Umstände nur immer erlauben werden, der Bürgerschaft oder den Einwohnern die freie Wahl einer Munizipalität gestattet werden möchte"54, und ebenso entsprechend den Ausführungen in seinem Begleitschreiben dazu55 brachte Winkelmann am 6. Dezember im Klub eine Motion folgenden Inhalts ein: Weil die Wormser zur Zeit nur den Grad an Freiheit beanspruchen könnten, den ihnen die fränkische Nation gestatte, aber sich bald im vollen Genüsse der Freiheit zu sehen wünschten, schlug er vor, „daß die Gesellschaft der Konstitutionsfreunde den Einwohnern von Worms den Antrag machen und sie nach allen Kräften dazu zu vereinigen trachten möge, von dem Bürger General Custine entweder unmittelbar oder mittelbar durch die Allgemeine Administration zu Mainz die Erlaubnis [zu] begehren, daß sie sich ihre Munizipalbeamte nach den Grundsätzen der fränkischen Konstitution selbst erwählen dürfen".56 Der Klub stimmte diesem Antrag nicht nur einhellig zu, sondern er beschloß darüber hinaus, ihn durch die Wormser NationalZeitung zu publizieren, um den Munizipalitätsfeinden den Wind so gründlich wie möglich aus den Segeln zu nehmen.57 Umgekehrt trug aber auch der Klub keinerlei Bedenken, die Munizipalität in Anspruch zu nehmen, wenn es handfeste Maßnahmen gegen die Konterrevolutionäre zu ergreifen galt. Diese Haltung demonstrierte der Klub beispielsweise im Falle des ehemaligen Dreizehners Wandesieben, der zu den Hintermännern des Strauß gehörte, aber nach wie vor das Bilettenamt provisorisch verwaltete. Dieses Amt, das die Einquartierung der französischen Truppen in der Stadt zu regeln hatte und alle Möglichkeiten in sich barg, dem einen durch ein Übermaß an Zuweisungen das Leben sauer zu machen und den anderen zu schonen, hatte eben deswegen eine beträchtliche politische Bedeutung. Am 7. Dezember ging bei der Munizipalität eine schriftliche Beschwerde des Klubs gegen Wandesieben ein „wegen einer an den Bürger und Konstitutionsgesellschaftsmitglied Kreuzer mittels Arrestbedrohung in der Billettenamtsstube verübten Grobheit mit dem Antrag, denselben von seinem provisorisch beibehaltenen Billettenamt nicht nur zu entfernen, sondern auch für die Zukunft zu jedem Amt für unfähig zu erklären".58 Die Munizipalität folgte zwar nicht blind diesem Antrag, aber forderte eine unverzügliche Stellungnahme des Billettenamts an und beauftragte ihren Sekretär Schraut mit der Untersuchung der Angelegenheit. 53 54 55 56 57 58

StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 3 . 1 . 1793, § 358, S. 275; 1 6 . 1 . 1793, § 445, S. 359. Vgl. im Anhang Dokument 5 c, § 9. Ebenda, Dokument 5 a. Ebenda, Dokument 7. Beilage zur WNZ, 100. Stück, 12. 12. 1792, S. 408. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 7. 12. 1792, § 133, S. 96f.

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Im übrigen beschränkte sich der Klub keineswegs nur darauf, die Autorität der bestehenden Munizipalität mit seinen Mitteln zu stützen und diese Autorität wiederum für seine Zwecke in Anspruch zu nehmen, sondern er versuchte darüber hinaus auch, seinen Einfluß auf die Gestaltung der künftigen Munizipalität geltend zu machen. Den Anlaß bot aller Wahrscheinlichkeit nach die am 5. Dezember von der Allgemeinen Administration erlassene und drei Tage später im „Mainzer Intelligenzblatt" veröffentlichte Verordnung, die im Namen der Frankenrepublik — also immer noch von oben und nicht durch Wahlen von unten — die Mainzer Munizipalität durch personelle Erweiterung in eine arbeitsfähige Verwaltung verwandelte und ein gut Teil der bis dahin provisorisch beibehaltenen alten Ämter überflüssig machte.59 Bevor Dorsch als Präsident der Allgemeinen Administration die entsprechende Verordnung für Worms, die am 14. Dezember verabschiedet worden war, persönlich überbrachte und verkünden ließ60, hatte sich bereits der Klub zu Wort gemeldet. Im Wormser Munizipalitätsprotokoll vom 13. Dezember heißt es: „Die hiesige Konstitutionsgesellschaft überschickt schriftliche Vorstellung vom gestrigen dato mit dem Antrag und Ersuchen, daß bei dem Vorschlag der Munizipalbeamten drei Bürger von der evangelischen, einer von der katholischen und einer von der reformierten oder fünf von der ersten, zwei von der zweiten und zwei von der dritten Religion ausgewählt werden mögen." Die Munizipalität beeilte sich, der „Konstitutionsgesellschaft zu versichern, daß man in Ansehung der auszuwählenden Munizipalitätsbeamten ihrem wohlgemeinten Wunsch bereits zuvorgekommen sei". 61 Am 17. Dezember traten dann — vom Klubvorschlag geringfügig abweichend — neben den katholischen Maire Winkelmann sechs Munizipalen, nämlich der reformierte Pfarrer Endemann und noch ein weiterer reformierter, ein katholischer und drei lutherische Bürger. 62 Dem Wormser Klub war bei einem solchen Verhältnis zu den revolutionären Machtorganen die juristische Flohknackerei durchaus fremd, die den Mainzer Klub oft schwerfällig machte. Als beispielsweise die Allgemeine Administration am 15. Dezember den Gesellschaften in Mainz, Worms und Speyer ein gleichlautendes Grußschreiben sandte, das neben einigen Lobsprüchen, Ratschlägen und Ermahnungen auch das Schutzversprechen der Administration enthielt63, stritt man in Mainz am 16. und 17. Dezember, ob der Klub als Ganzer der Administration danken dürfte oder ob er, da er ja kein öffentliches Korps ausmachte, seinen Dank vielmehr durch seine Mitglieder als einzelne Bürger abstatten müßte. Da keine Einigung erzielt werden konnte, wurde die Sache auf die berüchtigte lange Bank geschoben, indem man das Comité d'instruction beauftragte, Varianten zu entwickeln und sie dem Klub zur Entscheidung vorzulegen.64 Wenn überhaupt eine Entscheidung fiel — ein Dankschreiben der Mainzer ist nicht überliefert —, dann ganz gewiß nicht in dem Sinne, daß der Klub als solcher in Erscheinung trat; der am 23. Dezember verlesene Statutentwurf bekannte sich ja unzweideutig zum feuillantistischen Dekret von 1791, das dem Klub jedes gemeinschaftliche Vorgehen untersagte.68 Der Wormser Klub kannte solche Skrupel nicht, und so liegt 59 60

61 62

63 64

M R I , S. 259f. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 16. 12. 1792, § 208, S. 1 7 3 ; § 210, S. 174 bis 177. Ebenda, 13. 12. 1792, § 190, S. 151, 153. HHStA Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 15 (1793), Promemoria des ehemaligen Syndikus vom 2. 1. 1793. MR I, S. 383. Ebenda, S. 381, 384. Ebenda, S. 4 1 8 f .

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denn auch ein im Namen der Gesellschaft von ihrem Präsidenten Henninger unterzeichnetes und vom 27. Dezember datiertes Schreiben an die Allgemeine Administration vor, dessen Sprache ebenso selbstbewußt wie prinzipienfest klingt. 66 Die Anteilnahme des Klubs an der revolutionären Umgestaltung in Worms war alles in allem sehr viel unmittelbarer und darum auch tatkräftiger als in Mainz. Besonders aufschlußreich erscheint in dieser Hinsicht ein Vergleich der Handhabung des Roten Buches. Es war in Mainz wie in Worms durch Böhmer mit wörtlich derselben Zweckbestimmung im Klub eingeführt worden.67 Mit der Auslage des Roten Buches, in das sich einzutragen alle Männer über 21 Jahre aufgerufen waren — für die Anhänger der Sklaverei unter ihnen lag ein Schwarzes Buch zur Einzeichnung aus —, begannen beide Klubs eine Volksabstimmung, deren Ziel Endemann in dem einen Satz zusammenfaßte: „Wir erklären durch unsere Handunterschrift, daß wir Freiheit und Gleichheit zur Grundlage unserer Verfassung machen wollen, doch dabei auf unsre Lokale Rücksicht nehmen, dasselbe sichten und ein Gebäude aufrichten wollen, in welchem wir und unsere Kindeskinder ruhig und glücklich wohnen können." 68 Obwohl mit nur vier Ausnahmen, die sicher zu Lasten des Protokollanten gehen, das Mainzer Klubprotokoll für jede überlieferte Sitzung zwischen dem 7. November und dem 7. Dezember aussagt, daß aus den Reihen der Klubmitglieder Kommissare ernannt worden seien, die das Geschäft der Unterschriftsleistung in das Rote Buch zu beaufsichtigen hatten, wurde in Mainz diese spezifisch klubistische Aktion der unmittelbaren Werbung für die französische Verfassung seit Ende November sichtbar und systematisch lahmgelegt. Als das Klubmitglied Kaspar Hartmann in seinem „Fränkischen Republikaner" vom 30. November einen massiven Angriff gegen den aus der alten Regierung in die Allgemeine Administration übernommenen Geheimen Rat Johann Georg Reuter vortrug und ihm vorwarf, sich nicht in das Rote Buch eingetragen zu haben69, erhob am Abend desselben Tages Custines Adjutant Cotta im Klub grundsätzliche Einwände gegen die Auslegung des Roten Buches, das inzwischen über 1200 Unterschriften aufwies. 70 Diese Meinung blieb zwar nicht ohne Widerspruch, aber umgekehrt hatte auch der in der nächsten Sitzung vom 2. Dezember angenommene Vorschlag, Custine möge den Bürgern für die Eintragung in das Rote Buch einen Endtermin setzen, seine Widersacher im Klub. 71 Wie wenig Custine damals geneigt war, sich mit dem Roten Buch zu identifizieren, verriet seine Antwort auf die entsprechende Anfrage der niederen Geistlichkeit: Er nannte die Forderung nach einer Willenserklärung der Bevölkerung verfrüht. 72 Immerhin wurde im Klub am 7. Dezember nach dem vergeblichen Versuch, aus den Protokollen Klarheit über den Anteil Custines an der Einführung des Roten Buches zu gewinnen, nochmals beschlossen, den General zur Autorisierung des Buches und zu seiner Terminisierung zu bewegen.73 Inzwischen hatte sich jedoch die Allgemeine Administration in dem Streit zwischen Hartmann und Reuter ganz entschieden vor ihr Mitglied Reuter gestellt, ohne Hartmanns Vorwurf wegen Nichteinzeichnung ins Rote Buch auch 66 67 68 69 70 71 72 73

Vgl. im Anhang Dokument 11. StdtA Worms, Französische Revolution, Sammlung Knode, Nr. 113. Vgl. im Anhang Dokument 1. MR I, S. 364. Ebenda, S. 317. Ebenda, S. 327. Ebenda, S. 352. Ebenda, S. 361.

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nur mit einem Sterbenswörtchen zu erwähnen. Auf diese Behörde gestützt, durfte Reuter in der öffentlichen Erklärung vom 8. Dezember darum dieses Unternehmen des Klubs ungestraft als eine unverbindliche, wenn nicht gar illegale Aktion einer Privatgesellschaft diskreditieren.74 Nach dem 7. Dezember ist dann vom Roten Buch in den Mainzer Klubprotokollen auch keine Rede mehr. Die Hauptursache dafür lag eindeutig bei Custine und der Administration, deren offensichtliche Uninteressiertheit die Konterrevolution natürlich ausnutzte. Die Uneinigkeit des Klubs in dieser Frage und seine nicht nur daraus resultierende mangelhafte Durchschlagskraft trugen dann noch das Ihrige dazu bei. In Worms dagegen hatte gerade um diese Zeit Winkelmann den Klub veranlaßt, die Willensbildung der Wormser Bevölkerung in der Richtung voranzutreiben, daß sie sich für die französische Verfassung erklärte und ihr die Wahl der eigenen Munizipalität zugestanden werden könnte.75 Das einzige zweckentsprechende Mittel, über das der Klub verfügte und das den Stand einer solchen Meinungsbildung allein zuverlässig zu signalisieren vermochte, war das Rote Buch. Fast auf den Tag genau, da in Mainz dieses Buch einfach beiseite gelegt wurde, beschloß darum der Wormser Klub eine erneute Aufforderung zum Einschreiben. Am 12. Dezember veröffentlichte der Klubpräsident die folgende vom 10. Dezember datierte Erklärung: „Damit die Vereinigung der Bürger und Einwohner desto eher zustand gebracht werden möge, so wurde auf den Antrag eines Mitglieds ferner beschlossen, daß das Publikum über die Absicht des Einschreibens in das Rote Buch öffentlich belehrt werden solle, um die Vorurteile auszurotten, welche darüber unter den(en) Leuten herrschen. Im Namen der dahiesigen Konstitutionsgesellschaft erkläre ich euch also, liebe Mitbürger, daß der Zweck des Einschreibens in das Rote Buch kein anderer ist, als uns dadurch eine Vereinigung, wo nicht aller, doch des größten Teils zustande zu bringen, damit wir uns alsdenn sogleich bei der Nationalkonvention oder dem Bürger General Custine als freie Bürger, welche in alle Rechte eines freien Franken gesetzt zu werden wünschen, erklären können. Denn solange dieses nicht geschieht, können wir des Glücks der fränkischen Freiheit nicht teilhaftig werden. Wisset ihr ein besseres, euch angenehmeres Mittel zur Vereinigung, so schlagt es der Gesellschaft vor; sie wird sich herzlich gerne an euch anschließen, wenn nur eure Vereinigung Freiheit und Gleichheit zum Grunde hat."76 Eine Rede Henningers, am 16. Dezember im Klub gehalten und am 18. in Druck gegeben, machte nochmals die Vorteile der französischen Verfassung gegenüber dem bisherigen reichsstädtischen Regiment deutlich, dessen Mängel er an Hand konkreter Beispiele darlegte.77 Am selbsen Tage wie Henninger hielt der einstige bischöfliche Finanzkammersekretär Goswin Schweikard seine Jungfernrede im Klub, deren zweiter Abschnitt die Überschrift trug: „Die Bürger zu Worms und umliegenden Gegenden wissen nicht, warum sie sich in das Rote Buch einschreiben sollen."78 Um diesem Mangel abzuhelfen, ließ sich Schweikard sehr knapp nochmals über die damit verfolgte Absicht aus, wobei er als einen Beweis für das Vertrauen des Klubs in die Einsicht der Bevölkerung die einstimmige Unterstützung Endemanns in der letzten Sitzung wertete, der nämlich das Schwarze Buch als der Ehre der rheinischen Bürger abträglich zu kassieren vorgeschlagen hatte. 74 75 76 77 78

Ebenda, S. 3 6 4 - 3 6 7 Anm. i. Vgl. im Anhang die Dokumente 5 c § 9, 5 a und 7. Beilage zur WNZ, 100. Stück, 12. 12. 1792, S. 408. Vgl. im Anhang Dokument 8. Ebenda, Dokument 9.

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Obwohl 2eitlich nicht exakt zu fixieren, gehört auch die ohne Orts- und Jahresangabe gedruckte „Abhandlung über Freiheit und Gleichheit" von Beyer in den Zusammenhang mit den bereits genannten Klubaktivitäten. Nach einer zwar faßbar gebotenen, aber doch abstrakten Darlegung des Inhalts der beiden Begriffe antwortete Beyer auf die Frage, ob die Wormser schon jetzt Anspruch auf die aus diesen Begriffen fließenden Rechte erbeten könnten, mit einem klaren Nein: „Wer sich nicht erklärt, daß er als ein freier Bürger leben, handeln und behandelt sein will, der hat auch keinen Anspruch, die Rechte eines freien Bürgers zu genießen." Nach Zurückweisung der Anwürfe gegen die Munizipalität und Warnung vor der Lüge, daß die Unterschrift im Roten Buch die Einberufung zu den Soldaten nach sich zöge, schloß Beyer seine für Worms und die umliegende Gegend bestimmte Schrift mit den Worten: „Ich bitte, ich beschwöre euch noch einmal, vereinigt euch, gebt dieses durch die Unterschrift eurer Namen in dem Roten Buche zu erkennen oder, wenn ihr Furcht vor demselben habt, so nehmet einen Vorschlag von mir an: Überschreibet nur einen Bogen Papier zum Beispiel mit folgenden Worten: Wir Unterschriebene wollen frei sein. Unterschreibet alsdenn eure Namen, und wenn ihr euch damit an die Konstitutionsgesellschaft nicht wenden wollet, so gehet an den Bürger General Custine, und er wird euch alle Rechte eines freien Staats ohne irgendeine Einschränkung zuteil werden lassen."79 Das spärlich überlieferte Quellenmaterial erlaubt keine Aussage darüber, wie der Klub weiterhin mit dem Roten Buch gearbeitet hat. Immerhin aber findet sich im Munizipalitätsprotokoll noch unter dem 9. Januar 1793 vermerkt, daß Munizipal Clausius und Schweikard „zu Errichtung der Munizipalität in Beindersheim und Vorlegung des Roten Buches" abgeordnet worden seien.80 Zwei Wochen nach dem Zeitpunkt also, da Custine, dem Konventsdekret vom 15. Dezember entsprechend, durch seine Proklamation vom 26. Dezember die Allgemeine Administration mit der Vorbereitung der Volkswahlen beauftragt hatte81, spielte im Einflußbereich der Wormser Munizipalität das Rote Buch als Organisator einer revolutionären Willenserklärung immer noch eine bedeutende Rolle.82 Im Gegensatz zu Mainz, wo sich seit Ende Dezember die Anlässe häuften, die zwischen Munizipalität und Klub ebenso wie im Klub selbst zu heftigen Meinungsverschiedenheiten führten, ist in Worms das Verhältnis zwischen Munizipalität und Klub offensichtlich intakt geblieben. Die Petitionen des Klubs wurden jedenfalls von der Munizipalität immer ernsthaft geprüft und nach Möglichkeit erfüllt. Das galt beispielsweise für den Vorschlag, ein Holz- und Mehlmagazin für die Armen aus freiwilligen Beiträgen unter Einbeziehung der Stifter und Klöster anzulegen; dem wurde am 20. Dezember durch Munizipalitätsbeschluß entsprochen, und am 7. Januar 1793 verfügte die Munizipalität außerdem, daß 79 80 81 82

Ebenda, Dokument 10. StdtA Worms, Munizipalitätsprotokoll I, Jahr 1, 9. 1. 1793, § 397, S. 310. MR I, S. 426 f. Anm. a. Damit ist auch Hoffmann (Darstellung, S. 443 Anm.) widerlegt, der den Eindruck erwecken wollte, als ob Worms etwa gleichzeitig mit Mainz die Arbeit mit dem Roten Buch eingestellt hätte. Tatsächlich gelang es den Konterrevolutionären erst um den 10. 1. 1793 herum, die Klubräume zu erbrechen und sich der Klubpapiere — darunter des Roten Buches — zu bemächtigen, die dann auf Schleichwegen dem preußischen König zugestellt wurden (HHStA Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 15 (1793), Schreiben des Wormser Magistrats an den Kaiser vom 14. und 24. 1. 1793). Die Wormser Munizipalität setzte, wenngleich erfolglos, auf die Entdeckung der Täter eine ansehnliche Belohnung aus (StdtA Worms, Französische Revolution, Sammlung Knode, Nr. 177).

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diese „auf Verlangen der Konstitutionsgesellschaft beschlossene Kollekte" durch die Nationalzeitung bekanntzumachen sei.83 Nachdem Schweikard im Klub gewiß zu Recht den Judenvorstand beschuldigt hatte, sich mit der Konterrevolution zu arrangieren, und zusammen mit Endemann am 23. Dezember entsprechende Maßnahmen von der Munizipalität verlangte, ging am 27. Dezember dem Klubpräsidenten der folgende Bescheid zu: „Da die Rede des Bürgers Schweikard, worauf die Petition der Gesellschaft gebaut ist, wohl verschiedene Assertionen, aber keinen einzigen gründlichen Beweis enthält, der auf die Vorsteher der Judenschaft den erforderlichen Grad des Verdachts werfen könnte, um wider sie von Obrigkeitswegen ohne die Anklage der beteiligten Judenschaft mit so strengen, der Ehre äußerst empfindlichen Vorkehrungen vorauszuschreiten, so kann der Bürger Maire die angetragene augenblickliche Abnahme der Kasse und Versieglung der Papiere nicht verfügen. Er werde aber im übrigen die Anstellung einer Oberaufsicht wie auch die Gestattung der Wahl eines neuen Vorstandes bei der Munizipalität unterstützen."84 Auf zwei Petitionen des Klubs vom 15. Januar, den Straßenbettel und die Verbesserung der Schulanstalten betreffend, reagierte die Munizipalität am 24. Januar, indem sie zum ersten die Unmöglichkeit darstellte, den Straßenbettel während des Kriegszustandes abzuschaffen, und zum zweiten den Schulausschuß, dem Clausius und auch Endemann angehörten, mit dem Entwurf einer Erklärung für den Klub beauftragte.85 Daß diese offensichtliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit natürlich nicht bedingungslose Annahme jeder kritischen Motion durch die Munizipalität bedeuten konnte, bewies unter anderem auch ihre Behandlung der Beschwerde des Billettenamtsoberaufsehers, des Vikars Nutz, vom 26. Januar, der sich durch Äußerungen im Klub gekränkt fühlte: Der Bürger Maire wurde „ersucht, eine schriftliche Adresse desfalls an die Konstitutionsgesellschaft zu erlassen und derselben das Mißvergnügen der Munizipalität und sämtlicher in öffentlichen Ämtern stehender Personen über dergleichen offenbares Mißtrauen verratende Motion nachdrucksamst zu erkennen zu geben". 86 Das entsprechende Schreiben an den Klub „wegen der unbegründeten Beschuldigungen der Billettenamtsbeamten" lag der Munizipalität am 1. Februar zur Bestätigung vor. 87 In der Folgezeit versiegen die Zeugnisse für die Klubaktivitäten in Worms. Der Hauptgrund dafür bleibt natürlich die ohnehin spärliche Überlieferung, aber sicher kamen noch andere Faktoren hinzu. Die drohenden militärischen Vorbereitungen von preußischer und österreichischer Seite haben wie in Mainz den immer nur ein knappes halbes Hundert Mitglieder zählenden Klub in Worms gewiß dezimiert. Eine Wormser Nachricht vom 24. Februar meldete schließlich sogar: „Schon ist es hiesigen und benachbarten Aristokraten geglückt, durch mancherlei Schreckbilder selbst die Glieder der Konstitutionsgesellschaft dergestalt in die Enge zu treiben, daß sie ihre Sitzungen auf unbestimmte Zeit suspendierten. Man verbreitet hier allgemein, daß noch vor Ablauf von 14 Tagen die Kaiserlichen kommen würden." 88 Die Suspendierung der Sitzungen erfolgte unter der Präsidentschaft eines einstigen Privilegierten, nämlich des ehemaligen Mitglieds des wechselnden Rats Sebastian Bruch, 83

84 85 86 87 88

StdtA Worms, Munipalizitätsprotokoll I, Jahr 1, 20. 12. 1792, § 2 4 4 , S. 2 0 5 f . ; 7. 1. 1793, § 389, S. 305. Ebenda, 27. 12. 1792, § 299, S. 241 ff. Ebenda, 24. 1. 1793, § 491, S. 394; § 492, S. 395. Ebenda, 26. 1. 1793, § 506, S. 403f. Ebenda, 1. 2. 1793, § 537, S. 421. MNZ Nr. 25, 28. 2. 1793.

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der darum dann auch Ende Februar nach Mainz abgeführt wurde, wo man ihn auf einer der Rheininseln zum Holzfällen einsetzte und später zu den Preußen trieb.89 Obwohl unter dem Eindruck der intensiven konterrevolutionären Propaganda, die sogar die Klubarbeit lahmzulegen vermochte, die zunächst auf den 24. Februar angesetzte Wahl nicht zustande kam und Worms seine Munizipalität erst am 7. März wählte, war die Beteiligung mit knappen 30% der Wahlberechtigten dann doch außerordentlich hoch. Sie übertraf die von Mainz um ein Vielfaches und konnte sich mit der in Frankreich üblichen sehr wohl messen.90 Daß zu einem solchen Ergebnis das über Monate praktizierte einheitliche Vorgehen von Munizipalität und Klub indirekt beigetragen hat, ist im einzelnen nicht nachweisbar und dennoch ein naheliegender Schluß. Die praktisch-politisch aktivere Rolle des Wormser Klubs im Vergleich zum Mainzer ist zweifellos entscheidend durch den reichsstädtischen Einschlag des Wormser gesellschaftlichen Lebens mitbestimmt. Werner Krauss hat schon vor Jahren die Frage nach der Rolle der freien Reichsstadt in der deutschen Aufklärung gestellt91, ohne daß diesem Thema bisher nachgegangen worden wäre. Ihm war aufgefallen, daß die großen publizistischen Organe zumeist nur auf reichsstädtischem Boden erscheinen konnten, daß Nürnberg trotz kurbayerischer Drohungen an der Druckfreiheit festhielt, daß Hamburg den Boden für Knigges republikanisches Illuminatentum abgab und so für eine Rezeption der Französischen Revolution bestens vorbereitet war, daß militante Aufklärer wie August Ludwig Schlözer und Christian Friedrich Daniel Schubart wo immer möglich die in Reichsstädten noch anzutreffende bürgerlich-patriotische Gesinnung registrierten und anderes mehr. Wenn auch die ökonomische Entwicklung in diesen Zwerggebilden — bis auf gezählte Ausnahmen — überall nur auf Hindernisse wie den Zunftzwang, das oligarchische Regiment und die räumliche Enge stieß, das politische Schicksal dieses noch existenten halben Hunderts Stadtrepubliken darum natürlich auch nicht mehr aufzuhalten war, so spielte doch das öffentliche Leben — und sei es selbst nur in der Phrase — seit alters her immer eine gewisse Rolle. Im Gegensatz zu den absolutistisch regierten Territorien, die überhaupt kein Mitspracherecht kannten, und auch im Gegensatz zu solchen mit landständischer Vertretung, die meist schon zu privilegiert war, um noch die Nichtprivilegierten anzusprechen, fanden in dem räumlich begrenzten Kreis einer Stadtrepublik die öffentlichen Angelegenheiten zumindest ein öffentliches Interesse. Worms, dessen Reichsunmittelbarkeit nicht uneingeschränkt war und das sich mit dem Wormser Bischof als ehemaligem Stadtherrn in einige landeshoheitliche Rechte teilen mußte, wurde im übrigen von einer bürgerlichen Oligarchie regiert, die sich im Drei89

90 91

Ebenda, Nr. 26, 2. 3 . 1 7 9 3 ; Nr. 27, 4. 3. 1793. Über die Namen der Wormser Klubmitglieder gibt zum Teil eine Notiz aus dem Tagebuch des kurtrierischen Oberhofmarschalls Graf Boos von Waldeck Anfang April Auskunft: „Heut liest man in der Zeitung die Namen der Clubisten zu Worms, nämlich: Dom-Syndikus Schraut; Doctor medicinae Scherer; Apotheker Gutheil; Gerber Scherer jun.; Gerber Nicola; die Handelsleute Bruch, Clötzer, Beck, Speth, Hegmann, Brechter; Banquier Mayer; Eisenhändler Falkenberg; Kupferschmied Schoeneck jun.; Fiseus, reformierter Schulmeister; die Bäcker Schaeffer, Vogeley, Kissel; Buchdrucker Kranzbühler; Metzger Wiederschein, Sangeisen, Kappes. Sie wurden durch einen preußischen Oberoffizier zum großen Freiheitsbaum herbeigeholt, mußten solchen selbst mit stumpfigen Ax(t)en umhauen, wurden während dieser Arbeit mit herben Prügeln darzu animiert und hierauf in ein Gefängnis eingesperrt." LHA Koblenz, Bestand 701, Nr. 554, fol. 340. MR II, S. 290 - 2 9 5 . Krauss, Konstellation, S. 362.

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zehner-Kollegium mit dem Städtemeister als Vorsitzendem das entsprechende Organ geschaffen hatte. Neben diesem beständigen Rat, der sich selbst ergänzte, existierte ein jährlich wechselnder Rat von zwölf Mitgliedern, die faktisch jedoch ebenso lebenslänglich im Amt wie die Dreizehner blieben, denn die Ausscheidenden traten sofort wieder in den 24köpfigen Kandidatenstand, so daß in der Regel ein geschlossener Kreis von 36 Personen alternierte, die durch Verwandtschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse mit den Dreizehnern verbunden waren.92 Dennoch blieben Zwistigkeiten nicht aus. Nicht nur der wechselnde Rat muckte gelegentlich gegen die ständige Majorisierung auf, sondern auch die 17 Zünfte hatten zunehmend Grund zur Unzufriedenheit. Ihr immer enger werdender NahrungsSpielraum und die faktische Entmündigung ihrer Vorstände durch die Dreizehner gaben reichlichen Zündstoff, so daß Worms schon im Jahrzehnt vor dem Revolutionsausbruch Schauplatz heftiger innerer Kämpfe wurde. Seit Ende der 70er Jahre führte der wechselnde Rat beim Kaiser Klage gegen unredliche Verwaltung und Bevormundung durch die Dreizehner, die für sie ungünstige Entscheidungen natürlich umgingen, so daß sich der Streit bis in den Anfang der, 90er Jahre im Grund ergebnislos fortsetzte.93 1786 machten die Zünfte mobil. Sie wählten auf illegalen Zusammenkünften zwei Sprecher, die auf ihr Bürgerrecht pochten und es ablehnten, sich als Untertanen bezeichnen oder gar behandeln zu lassen. Die Dreizehner warfen beide Worführer ins Gefängnis, doch massenhafter Protest befreite sie. Gestützt auf ein kaiserliches Mandat, sprach ihnen 1787 die Wormser Obrigkeit das Bürgerrecht ab, was die beiden mit einer neuen Eingabe beantworteten.94 1789 folgte ein massiver Angriff der Metzgerzunft, die mit der Flugschrift hervortrat „Die Metzger in Worms und die dreizehn Männer in Worms, oder was war im Jahr 1789 Freiheit des Bürgers in der uralten freien Reichsstadt Worms?" 98 Ungeachtet der faktischen Ausweglosigkeit dieser inneren Kämpfe haben sie eine aktive Anteilnahme breiter Schichten am Wohl und Wehe der Stadt bewirkt, wie sie in Mainz undenkbar war, weil von dessen einstiger städtischer Selbstverwaltung schon seit Mitte des 15. Jh. keine Rede mehr sein konnte. Das Beispiel der Französischen Revolution radikalisierte dann diese Anteilnahme derart, daß jener von den Zünften 1786 illegal geschaffene Bürgerausschuß, der zunächst nur als Sprecher der Opposition gegen die Dreizehner in Erscheinung trat, sich jetzt zu einer selbständigen Gewalt aufwarf, die eigenmächtige Verfügungen zu treffen wagte. Entgegen dem städtischen Bauamt, das für die Beheizung öffentlicher Gebäude in jedem Jahr auf der Allmende Holz schlagen ließ, beauftragte beispielsweise dieser Ausschuß 1791 die Kärchner „im Namen der Bürgerschaft, der diese Allmenden gehören", das geschlagene Holz für der Bürger eigene Zwecke in die Stadt zu bringen. 96 Natürlich langten selbst solche Aktivitäten nicht zu, um zu grundstürzenden antifeudalen Auffassungen und Forderungen zu gelangen. Aber mit der Besetzung der Stadt durch die französischen Revolutionstruppen und der erklärten Absicht Custines, der Bevölkerung in ihrem Kampf für Freiheit und Gleichheit zur Seite zu stehen, waren Bedingungen entstanden, die die Formulierung echt antifeudaler Zielstellungen möglich machten. Jetzt — unter diesen exzeptionellen Bedingungen — konnte auch die zwar stark eingegrenzte, aber doch nie ganz verschüttete Anteilnahme relativ breiter Schichten am öffentlichen Leben in der 92 93 94 95 96

Müller, Verfassung von Worms, S. 31 ff. Ebenda, S. 44 ff. Ebenda, S. 51 f. Ebenda, S. 59. Fischer, Wormser Zunftwesen, S. 251.

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Reichsstadt unter neuen Auspizien, nämlich für die Durchsetzung wirklich revolutionärer Veränderungen, nutzbar gemacht werden. Klub und Munizipalität in Worms haben zweifellos davon profitiert, denn beide bewiesen im Vergleich zu Mainz von Anfang an ein sehr viel größeres Selbstbewußtsein. Die Munizipalität in Mainz hatte auch so manchen Streit mit der Allgemeinen Aministration, aber zum einen übte sie dabei meist die einer untergeordneten Behörde eigene Zurückhaltung im Ton, und zum anderen vertrat sie in der Regel auch einen konservativen Standpunkt. Als dagegen in Worms die Allgemeine Administration intervenierte und die Machtbefugnisse der Munizipalität einzuschränken versuchte, mußte sie sich am 10. Januar von Maire und Prokurator, den fünf Munizipalen und den dreizehn Notabein, die alle eigenhändig unterschrieben, sagen lassen: „Ist unser Wormser Staat noch nicht als frei zu betrachten, weil er sich noch nicht zur Freiheit bekennet hat, so sind doch die einzelnen, die der Freiheit öffentlich gehuldigt haben, freie Männer und dürfen als freie Männer sprechen. Die Munizipalität nimmt daher kein Bedenken, der Allgemeinen Administration zu erklären, daß sie sich keineswegs in allen Stücken als ledige Vollstrecker der Administrationsbefehle ansehen könne: daß sie die ihr durch die Einsetzung nach den Grundregeln der Frankenkonstitution eingeräumte Gewalt dermal als ihre eigene ansehe, daß sie also das Recht habe, sich bei diesem Eigentum nach allen Kräften zu erhalten, daß sie, solange sie besteht, sich diese Gewalt, wofür sie dem Volke responsabel ist, von niemand werde aus den Händen winden lassen und daß kein anderes Mittel als die Aufhebung ihres Daseins vermögend sein wird, diese ihre Gewalt zu vernichten. Der freie Mann verlangt vor allem Überzeugung und Widerlegung seiner Gründe und läßt sich nicht durch einen starren Reichshofrats- und Kammergerichtston von seinem Satz abbringen." 97 Daß eine solche Munizipalität im Klub einen echten Partner sah und der Klub auch selbst eigene praktisch-politische Initiativen, wie sie oben dargestellt wurden, nicht scheute, versteht sich nachgerade von selbst. In der Universitäts- und Residenzstadt Mainz lag die Führung der revolutionären Organe im staatlichen wie im gesellschaftlichen Bereich zu einem guten Teil in den Händen von Gelehrten ohne praktisch-politische Erfahrung, die sich daher von abstrakten theoretischen Maximen leiten ließen; und was aus der absolutistischen Verwaltungspraxis kam, war selten initiativfreudig und häufig genug Teil der Fünften Kolonne. Die leitenden Männer der revolutionären Organe in Worms dagegen waren alle mehr oder weniger in die Querelen verwickelt, die das öffentliche Leben der Stadt in dem Jahrzehnt zuvor bewegt hatten, kannten die Vorstellungswelt der Bürger und wußten sich ihr anzupassen, um desto besser auf sie einwirken zu können. Der Bürgereid beispielsweise, den Winkelmann und Löwer am 22. November als verbindlich erklärten, hielt sich in der Formulierung eng an den Eid, den die Wormser früher dem Kaiser, dem Städteund dem Bürgermeister zu schwören gewohnt waren. 98 Während in Mainz der Klub in orthodoxer Weise seinen Mitgliedern den nach Pariser Zuschnitt gefaßten Schwur abverlangte, „frei zu leben oder zu sterben, dem freien Volke und dem Gesetze treu zu sein und alle jene anzugeben, welche dem Geist der fränkischen Konstitution entgegenhandeln oder selbe zu verleumden suchen"99, knüpfte der Wormser Klub mit seinem Eid viel stärker an gewohnte Formulierungen an: „Im Namen des AllmächtigenI Wir huldigen dem Gesetz, welches die höchste Gewalt in die Hände des Volkes legt und dem Volk sein Recht wiedergibt, die Gewalt durch Personen ausüben zu lassen, 97 98 99

MRII, S. 201. Ebenda, S. 1 0 5 - 1 0 7 . MR I, S. 569, 573.

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die es sich selbst von Zeit zu Zeit wählt. Wir erkennen Freiheit und Gleichheit als die Hauptgrundsätze, worauf eine gute Staatsverfassung gebaut sein muß."100 Daß sich ein solches Vorgehen auszahlte, bewies der bereits erwähnte Wahlausgang im März 1793. All diese Erscheinungen, durch den reichsstädtischen Einschlag des Wormser öffentlichen Lebens bedingt, waren alles andere als Ausdruck einer vergleichsweise größeren inneren Bereitschaft zu revolutionären Umgestaltungen. Für sich genommen, waren die spezifisch reichsstädtischen nicht anders als die ständischen Freiheiten mancher Territorien ganz und gar ungeeignet, den Keimen des Neuen zum Durchbruch zu verhelfen. Weder die Stände noch die reichsstädtischen Magistrate verkörperten oder bewahrten in dieser Zeit, die vom Absolutismus geprägt war, den Geist konstitutioneller Freiheit, nach dem die zur Herrschaft drängende Bourgeoisie verlangte. Schon der junge Hegel hatte erkannt, daß die Stände seiner württembergischen Heimat trotz ihrer bürgerlichen Herkunft nach Mehrings Worten „nicht den Absolutismus vernünftiger machten, sondern neben die Mißbräuche der monarchischen nur die Mißbräuche der aristokratischen Gewalt stellten".101 Wenn auch Schlözer und Schubart jede positive geistige Regung auf reichsstädtischem Boden herausstrichen, so überwog bei anderen Aufklärern wie Friedrich Nicolai, Christoph Martin Wieland und Ludwig Wekherlin die satirische Betrachtung und hatte Friedrich Maximilian Klinger nur noch Hohn für diese obsoleten Gebilde übrig. Dem Fortschritt dienlich waren nicht die Freiheiten reichsstädtischer oder ständischer Provenienz an sich; entscheidend ganz allein war die fortschrittliche bürgerliche Ideologie, die sich allerdings unter bestimmten Bedingungen der feudalen Freiheiten als Mittel zu einem ihnen fremden Zweck bedienen konnte. In Worms geschah dies 1792/93 mit dem Einbruch der Französischen Revolution in Gestalt ihrer siegreichen Truppen. So konnte der Wormser Klub entstehen, der dann allerdings reichsstädtische Tradition zu nutzen verstand, alte Formen mit neuem Inhalt füllte und so selbst die Mainzer Muttergesellschaft in mancher Hinsicht und in sehr begrenztem Rahmen zu übertreffen vermochte.

Dokument 1 (Stadtarchiv Worms, Abt. 2, Druckschriften I, gedruckt, 16 Seiten, 8°)

Rede in der hiesigen Konstitutionsgesellschaft, den 15. November 1792, gehalten von Philipp Loren^ Endemann, Worms 1792 Mitbürger und Freunde! Jedes Zeitalter hat etwas Eigentümliches, wodurch es sich von anderen Zeitabschnitten unterscheidet. Die Ereignisse unserer Zeit sind so groß, ihre Vorzüge so entschieden, daß sie unsere glücklichere Nachkommenschaft erst vollständig einsehen und uns, je nachdem wir sie gebrauchen, entweder loben oder verachten wird. Die Ereignisse unserer Zeit sind eine Erscheinung, deren Dasein durch den Lauf der entferntesten Zeiten vorbereitet, ein Gut, dessen Besitz sich auf großes Elend der Vorwelt gründet. 100 101

StdtA Worms, Französische Revolution, Sammlung Knode, Nr. 115. Mehring, Die neuen Hegelingen, S. 93.

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Die Könige und andere Regenten der Erde sind auf den Wahn verfallen, sie seien nicht deswegen da, um das Volk nach den Rechten der Menschheit und mit Weisheit zu regieren, sondern es sei ihr Volk, das sie behandlen könnten, wie sie wollten, wozu niemand sagen dörfe, was machet Ihr? Das große Volk der Franken gehörte vorzüglich mit unter diese Unglücklichen. Der König und seine Minister, die Prinzen und der Adel nebst der hohen Geistlichkeit hielten die Person des Bürgers unter dem Druck, unterjochten den Landmann, um sich seiner Habe desto sicherer bemächtigen zu können; zogen durch Auflagen, die auf Gewalt, List, Aberglauben oder Privilegien sich gründeten, sein Mark an sich, verzehrten es wie Raubtiere und ließen ihm vor all seine Mühe unter der Sonne kaum die Hülse seiner Früchte. All dieses und ander zahlloses die Menschheit entehrendes Ungemach wurde der Samen, der endlich die Frucht unserer Zeit gebar. Des Drucks und der Gewalttaten müde, sehnte sich das Volk nach Erlösung, sah sich nach Licht und Hülfe um, um das Joch seiner Treiber von sich abzuwerfen, fühlte seine Menschenrechte, entschloß sich, dieselben zu behaupten, machte sich frei, das heißt, machte sich eine gesetzliche Ordnung, nach welcher es regieret sein wollte, stieß den Unterschied des Menschen, der vielen nur Titel, Ordensbänder und dergleichen Puppengezier gab, von sich und setzte fest, daß jeder dem andern an Rechten gleich sei und nur Weisheit und Tugend auszeichne; hauptsächlich, daß der König ihr erster Beamter sei, der sie nach den Gesetzen regieren, aber nicht nach Willkür schinden sollte. Dies mißfiel den Prinzen und dem Adel, die mehr als Menschen zu sein wähnten und, durch diesen Wahn verleitet, glaubten, daß der Bürger und der L'andmann nur für sie arbeiten und sich um ihretwillen plagen müßten, hingegen die Menschen von Geblüt nur in der Welt wären, sich von dem Schweiß des arbeitenden Volks zu mästen. Da aber das arbeitende Volk seinen Schweiß, seinen Kummerverdienst nicht mehr zu den schwelgerischen Gastmahlen der Müßiggänger hingeben und für sich nicht länger in lazarischem Jammer darben wollte, so wanderten die Prinzen aus, verführten den Adel; einer namens Conde bekam seinen Sitz hier in dieser Wohnung; schmiedeten Pläne, schärften ihre Dolche, um die Bewohner ihres Vaterlandes zu morden. Da sie sich selbst zu kraftlos fühlten, gegen ein so großes Volk den Streit zu beginnen, so verleiteten sie ihren König zur Treulosigkeit, verführten den verewigten Kaiser Leopold zu solchen Zweideutigkeiten, daß sich die Nation gezwungen sah, ihm den Krieg zu erklären; hinterlisteten den Preußenkönig, daß er auch auszog, um dem königlichen Szepter seine Allgewalt zu geben und eine Nation von 25 Millionen Menschen in ihre alte Barbarei zurückzuwerfen. Aber diese Begebenheit lehrt, daß der Widerstand der Bosheit nur die Kraft des Guten entwickelt, erhöht und befestigt — sie lehrt, daß, wenn Freiheit und Herrschsucht gegeneinander das Trauerspiel des Kriegs beginnen, der' freie Mann für seinen Herd und Habe mit Löwenmut kämpfet und ein freies Volk wahrlich kein Gesindel, sondern alle wie ein Mann sind, der, wenn auch eine Welt aufsteht, keine Welt fürchtet, weil er nicht für Fürstenstolz, sondern für sich streitet. Sie lehrt, daß man die Menschenrechte unterdrücken, aber nicht ausrotten kann, die sich alsdann, wenn sie erwachen, nur desto fürchterlicher rächen; sie lehrt, daß man gegen die Wahrheit den Fiskal ernennen, dieselbe durch Edikte nicht in dem Herzen, nur in dem Munde ersticken kann, und das nur so lang, bis sie Freiheit erhält, laut zu sprechen. Diese siegreichen Waffen der fränkischen Republik eroberten auch uns. Ihr Stellvertreter Custine bietet uns, nachdem er die wichtige Festung Mainz im Besitz hat, Freiheit und Gleichheit, Schutz und Sicherheit an. Was hindert viele, dieses Anerbieten anzunehmen? Einige sagen: Wir sind ja freie Bürger des Reichs. Ich antworte: dem Namen, aber nicht

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der Tat nach. Hört meinen Beweis: Freiheit ist Gehorsam gegen die Gesetze, zu welchen ein jeder mitgestimmt oder eingewilliget hat. Hat man uns je gefragt, wenn ein neues Gesetz gemacht wurde? Sie wurden gemacht und uns befohlen, sie zu befolgen: da mochten sie unserer Urfassung noch so sehr entgegen, dem Bürgerwohl noch so sehr zuwider sein; das hinderte alles nicht. Unsere Hochgebietenden Herren wollten, und wir mußten. Diese Wahrheit bezeugen unsere häufigen Klagen bei dem Kaiser und den Reichsgerichten und bestätigen den Auspruch, daß wir dem Namen, aber nicht der Tat nach freie Bürger sind. Die wahre Freiheit bietet uns die großmütige Nation unter der einzigen Bedingung an, daß wir die unverjährbaren Menschenrechte zum Grund unserer Verfassung legen, dann reiflich durchdenken sollen, was wir für uns und unsere Nachkommenschaft für gut finden, alsdann dieses Gutfinden zum Gesetze machen, nach welchem wir handeln und allein gerichtet werden können. Freiheit besteht ferner in dem Recht des Volks, sich seine Gesetzverwalter selbst zu wählen. Haben wir dieses Recht? Die Xlller wählten ihre Leute. Daher kam's, daß sie sich immer solche Männer aussuchten, die für sie, aber oft nicht für uns taugten. Dieses hatte die traurige Folge, daß derjenige, der in den Rat wollte, sich nichts um den Bürger bekümmerte, sondern die Gunst der ersteren suchte. Doch über unsere Freiheit, Gleichheit und Schutz will ich ein andermal ausführlicher reden. Andere sagen: Wir haben dem Kaiser und Reich Treue geschworen, folglich können wir nicht. Diese Sprache macht eurem Herzen, aber nicht eurem Denken Ehre. Wir hatten einen Vertrag mit Kaiser und Reich, diese versprachen, uns zu schützen, und wir gelobten, uns als treue Untertanen derselben zu verhalten. Sind wir denn schuld, daß wir von den Franken erobert wurden? Nein, der Kaiser hat die Franken durch das zu Speyer angelegte große Magazin und durch die unbedeutende Bedeckung desselben gleichsam aufgefordert, in Deutschland einzufallen und den gesegneten Rheinstrom in Besitz zu nehmen; folglich liegt keine Schuld auf uns, sondern auf dem, der die Pflicht auf sich hatte, uns zu beschützen. Doch denkt weiter nach, was verlangt denn der edle Custine? Will er von uns, daß wir gegen Kaiser und Reich streiten sollen? Oder will er uns nur das gestatten, was wir schon so lange und oft vom Kaiser, auf Wahrheit und Recht gestützt, verlangt haben? Wenn wir nun ohne kaiserliche Kommission dasjenige und noch weit mehr erlangen können, was wir so sehnlich gewünscht; wenn wir die angebotene Wohltat nicht ausschlagen, sondern in ihrem ganzen Umfange benützen, begehen wir dann was Sträfliches ? Oder sündigen wir gegen den Kaiser ? Dies kann ich nicht einsehen, noch weniger kann ich begreifen, wie ihr euch solchen Staub in die Augen möget werfen lassen. Andere sagen: Wir haben geschworen, unserer Stadt und Obrigkeit treu zu sein, deswegen können wir nichts tun. Mitbürger! überlegt einmal recht sorgfältig, was ihr tun sollt. Ihr sollt euch in das rote Buch einschreiben und Mitglieder der im Namen des Bürgers und Generals Custine hier errichteten Konstitutionsgesellschaft werden und wozu? Durch das Einschreiben in das Buch der Freiheit geben wir nichts mehr und nichts weniger zu erkennen, als daß wir frei sein wollen. Wünschtet ihr das nicht schon lange? Habt ihr nicht darum die ganze Welt aufgerufen? Hat euch dies nicht schon unsägliche Summen gekostet? Und itzt, da ihr umsonst euren sehnlichen Wunsch erfüllen könnt, wollt ihr Euch zurückziehen? Da euch noch mehrere Vorteile angeboten werden, wollt ihr sie ausschlagen? In das rote Buch einschreiben heißt ferner: wir erklären durch unsere Handunterschrift, daß wir Freiheit und Gleichheit zur Grundlage unserer Verfassung machen wollen, doch dabei auf unsre Lokale Rücksicht nehmen, dasselbe sichten und ein Gebäude aufrichten wollen, in welchem wir und unsere Kindes-

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kinder ruhig und glücklich wohnen können. Und dieses wollen wir nicht?? Wie, wenn wir dann wollten, wenn es zu spät wäre? Auch begreife ich nicht, wie wir uns gegen unsere Obrigkeit versündigen, wenn ihr Mitglieder der Konstitutionsgesellschaft werdet. Was ist derselben Zweck? Es kann und darf kein anderer sein, als Vorschläge zur Verbesserung des gemeinen Wesens zu machen. Da könnt ihr schon sehen, wie man euch berücken will, wenn man sagt: die itzigen Glieder derselben wollten eure Herren sein. Nein, Vorschläge wollen wir tun tind weiter nichts. Verdienet der aber verachtet zu werden, der aus Liebe seinen Rat erteilt? Noch weniger kann eine solche öffentliche Beratung, an welcher unsere Obrigkeit teilnehmen kann, wenn sie will, Meineid, Rebellion oder Untreue genennt werden. Gesetzt aber, daß bei Untersuchung des Fehlerhaften unserer Stadt mehrere XHIer nebst ihren beiden Konsulenten auf der Wagschale der Prüfung zu leicht erfunden werden, sind wir denn schuld??? Der rechtschaffene Gesetzverwalter fürchtet keine Prüfung, befürchtet bei neuen Wahlen keinen Verlust; was würde zum Beispiel ein Rief f e i , ein Hertling, ein Winkelmann, ein Schraut, ein Kraemer, ein Ammon, ein Gutheil, ein Brug etc. verlieren, wenn die neue Ordnung der Dinge zustande käme? Die drei ersteren viel? Drei Buchstaben, das Wörtlein von, welches manchem alles ist, womit er dicktun kann, welches aber diese Männer leicht verlieren können, weil sie wesentlichen Wert und inneren Adel haben. Ich kann meinem Herzen die Wohltat nicht versagen, diese Bemerkung hier zuzufügen, wie sehr es mich erquickt und gerührt hat, als ich den würdigen Speyerischen Konsulenten Petersen zu Mainz antraf, hier bei Eröffnung der Konstitutionsgesellschaft, und hernach mit dem Sekretär Böhmer in den Wagen steigen sah, um diesen Willensverkündiger des großen Custines seinem würdigen Rat und Bürgerschaft zuzuführen. Wie muß dieser Konsulent sich seiner Treue und Redlichkeit bewußt sein! Nur derjenige Mann, der dieses Bewußtsein mit sich herumträgt, läßt sich wägen, läßt neue Wahlen vorgehen, weil er sich der Liebe seiner Zeitgenossen durch Pflichterfüllung versichert hat. Derjenige aber, welcher in der Glorie seiner Herrschsucht das Hinsehen und Anhören des Bürgers sich als Gnade dachte, der fliehet bei solchen Ereignissen oder erbettelt, was er zu verdienen keine Kraft hatte. Fast alle sagt ihr: „Wir wollten gerne eine Verbesserung, denn wir haben ja darum schon oft bei Kaiser und Reich angesucht; aber wenn wir freiwillig das Anerbieten der Franken annehmen, so fürchten wir, von den kaiserlichen und preußischen Truppen, wenn sie die Franken zurückgeschlagen haben, als Rebellen behandelt zu werden." Diesen Einwand laßt mich heben. Zuerst setzet fest, daß wir Frankreich durch Eroberung zugehören, und als Eroberte von den Franken müssen wir entweder tun, was diese haben wollen, oder dörfen tun, was sie uns erlauben. Da sie als ein freies Volk nicht befehlen, sondern freien Willen lassen, so sind wir doch wahrlich keine Rebellen, wenn wir die Großmut der fränkischen Nation benützen, darüber sollten uns die kaiserlichen und preußischen Truppen mißhandeln? Dies ist nicht möglich, weil wir denselben Gerechtigkeit zutrauen; von ihnen aber behaupten, sie würden diejenigen, welche sich am ersten in das Freiheitsbuch eingeschrieben haben, alle henken, die anderen von Haus und Hof jagen; dies nur von den Kaiserlichen und Preußen sagen, heißt sie weit mehr beschimpfen als den natürlichen Wunsch nach Freiheit äußern und öffentlich seine Meinung zur Erlangung derselben zu sagen; dies heißt: ihnen alle Gerechtigkeit absprechen; dies heißt: diejenigen, welche die Pflicht auf sich haben, unsere Freunde zu sein, als Feinde, als Tyrannen ausschreien; dies heißt: behaupten, sie seien Sklaven und wollten alles in der Sklaverei behalten. Ich für meinen Teil will lieber in der Konstitutionsgesellschaft die Kaiserlichen und Preußen erwarten, als so etwas von ihnen behaupten. Gesetzt

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aber auch, welches ich in alle Ewigkeit nicht glaube, die Kaiserlichen und Preußen würden uns strafen, weil wir keine Sklaven mehr sein wollen, so können sie es doch nicht ehender tun, als sie uns haben. Woher kommt unsere Ängstlichkeit? Wir können es nicht fassen, daß eine Nation, die uns von den Prinzen und dem Adel so niedrig als lauter Gesindel abgemalt wurde (als wenn ein Volk ohne Prinzen und Adel lauter Gesindel wäre), eine Nation, die vor hundert Jahren unsere Stadt in einen Aschenhaufen verwandelte, nach hundert Jahren so groß handeln könne, ihrem eroberten Volke Freiheit zu lassen, sich selbst eine Verfassung zu geben, welche es für gut findet, und nur dieses sich vorbehält, daß die Verfassung, die wir uns geben würden, auf die Naturgesetze der Menschheit, auf Freiheit und Gleichheit gegründet sein müßte. Daher kommt's, daß es den Feinden der Menschheit gelingt, den Kurzsichtigen zu hintergehen und die kahle Ausflucht geltend zu machen, „ja wenn die Franken nicht selbst Bange hätten, uns zu verlieren, so würden sie keine guten Worte so geben"; ich antworte: itzt sind wir doch ihnen, sie können ja unsere Habe nehmen, unsere Weine wegführen lassen oder den Soldaten preisgeben; sie können ja unsere Häuser verbrennen, kurz, sie können uns unser Leben nehmen, wer wollte sie hindern? Weinen und jammern wäre alles, was wir könnten. Allein weil ein freies Volk Wort hält, so wollen wir zweifeln? Weil es uns seine brüderliche Hand reicht, so wollen wir zaudern, den Bruderhandschlag zu erwidern? Wie wenn — doch ich mag den Gedanken nicht sagen — O Franken! wahrlich, ihr seid eurer Freiheit wert, weil ihr derselben gemäß handelt. Euch wird der Allmächtige schützen, weil ihr seine Rechte behauptet. „Ja aber", sagen die Widersacher, „die Franzosen versprechen viel und halten wenig: als sie vor hundert Jahren unsere Stadt verbrannten, so beredeten sie vorher unsere Voreltern, nur ihre Habe in die Domkirche zu schleppen, die würde verschont bleiben; wie aber alles beisammen war, spotteten sie derselben Leichtgläubigkeit, freueten sich, alles beisammen anzutreffen, und nahmen alles." Ich antworte: vor hundert Jahren waren die Franzosen noch Sklaven eines Königs, wurden gesandt, um zu rauben und zu plündern, aber itzt kommen sie als freie Menschen. — Ein Mensch, der französische König, konnte solches Unheil anrichten, aber das kann eine ganze Nation nicht. Der freie Mann hält Wort. „Gut", sagen andere; „aber wenn wir fränkisch werden, so müssen wir die Flinte nehmen, Weib und Kinder verlassen und in Krieg ziehen." O laßt euch doch solche Dinge nicht weismachen. Hört nur die Soldaten nennen, sie heißen Linientruppen oder Nationaltruppen, erstere sind Soldaten wie unsere in Deutschland, das heißt: sie haben sich anheischig gemacht, um den akkordierten Sold alle Pflichten eines Krieges zu erfüllen. Nationaltruppen sind freiwillige, die aus eignem Antrieb und freiem Willen das Schwert ergreifen, um ihr Vaterland zu verteidigen. Wie! wenn jemand in früheren Jahren hätte sagen wollen: ich mag deswegen kein Wormser Bürger werden, weil hier eine Unglückliche sitzt, die der Magistrat zum Tode verurteilen und zur Vollziehung des Totenurteils auf den Rabenstein führen lassen wird; indem aber dieses geschehen soll, werden die Pfälzer es hindern wollen; dies wird den Magistrat bewegen, seine Bürgerschaft aufzufordern, die Rechte und Freiheiten ihres Gebiets zu behaupten. Darauf werden die Bürger mit Wehr und Waffen zum Streit ausziehen. Wie leicht kann ich im Tumult umkommen! — so wäre dieses noch geltend, hingegen der Mut der Wormser Bürger beispiellos gewesen, weil sie um Rabensteinsrecht so tapfer stritten. Damit aber dieses Vorgeben euch nicht länger hindert, so bedenket, daß es vom Bürger freiwillig geschiehet, das heißt: wer will, gehet mit, wer nicht will, bleibt zu Haus. Setzet zu dieser Wahrheit noch dieses, daß bald, bald die Sonne des ewigen Friedens aufgehen wird, welche ihre wohltätigen Strahlen über die Welt aus-

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breiten wird, und laßt alle unnötige Furcht fallen; trauet nicht jedem, denn es suchen euch gar viele zu verführen, indem sie selbst die angebotene Wohltat in einen Dolch verwandeln. Ich will ein Beispiel anführen. Sekretär Böhmer ließ sämtliche Bürger einladen, um ihnen die Proklamation des Generals Custine zu übergeben, und sagt in seiner Einladung, die Bürger von 21 Jahren an bis ins hohe Alter werden eingeladen etc.; dies wurde euch ausgelegt, als müßte unsre junge Mannschaft sich in das Buch einschreiben, darauf schwören, dann gleich in den Krieg ziehen. Aber daraus lernt, wie man euch alles verdreht. Die Sache verhält sich so, die Franken haben das Gesetz, daß jeder Einwohner, sobald er 21 Jahre als ist, das Bürgerrecht besitzet und erhält, so wie hier der Sohn des Bürgers 25 Jahre alt sein muß, wenn er um das Bürgerrecht untertänig suppüzieren und sich Hoffnung machen will, es zu erhalten. Dabei auch noch der Unterschied nicht zu vergessen, daß der Sohn des fränkischen Bürgers das Bürgerrecht in dem 21. Jahr seines Alters umsonst erhält, hingegen der Sohn des Wormser Bürgers im 25. Jahr als Gnade ansehen und noch obendrein bar bezahlen muß. Das Bürgerrecht sollte euren 21jährigen Söhnen umsonst erteilt werden, und darüber habt ihr so lärmen können? Doch ich schließe. — Mitbürger! meine Seele schwillt hoch, euch so aus der Fülle meines Herzen nennen zu dürfen. Mitbürger! um als freie Männer handien zu können, lernt frei denken, damit ihr nicht immer betrogen werdet. Mitbürger! die Welt merkt auf uns. Kaiser und Reich können uns nicht strafen, wenn wir unsere bürgerliche Wohlfahrt sichern; hingegen die vernünftige Welt wird uns verachten, und unsere Kinder werden unserer Asche fluchen, wenn wir's unterlassen. Mitbürger! laßt uns weise denken, damit wir edel handien, damit wir als weise gelten. Dokument 2 (Stadtarchiv Worms, Frz. Rev. 31a, Flugschriften und Reden, Nr. 12; gedruckt, 2 Seiten, 4°) Schreiben von der Gesellschaft in Worms

der Freunde der Freiheit und Gleichheit

Avignon an ihre Brüder

Avignon, den 17. November 1792, im 1. Jahr der Republik

Avignon le 17me Novembre 1792 l'an 1 er de la république

Brüder und Freunde!

Frères et Amis,

Die Gesellschaft der Freunde der Republik zu Avignon hat nicht ohne heftige Freude vernommen, daß Ihr, nachdem Ihr die Soldaten der Franken, denen die blinde Wut der vereinigten Despoten Gelegenheit gegeben, Euren Grund und Boden zu betreten, freundschaftlich aufgenommen, Euch in eine patriotische Gesellschaft gebildet habt, worinnen Ihr Euch beschäftiget, um über die Grundsätze zu beratschlagen, welche die Freiheit der Völker betreffen, diejenige Freiheit näm-

La Société des amis de la Republique d'Avignon n'a pas appris sans transport de joie, qu'après avoir accueilli les Soldats français à qui l'aveugle fureur des Despotes coalisés avait fourni l'occasion d' entrer sur Votre territoire, Vous vous êtes formés en société patriotique, où Vous vous occupez de la méditation des principes de la liberté des peuples, de cette liberté sagement reglée par les lois auxquelles le peuple a concouru, de cette liberté qui établit l'égalité sur la base

Der Jakobinerklub in Worms 1792/93 lieh, welche so weislich durch die Gesetze eingerichtet ist, zu welchen das Volk beistimmte; diejenige Freiheit, welche Euch den Grundpfeiler, den die Natur, die alle Geschlechter gleich geschaffen, angibt, die Gleichheit festsetzet. Die Despoten und ihre Trabanten legten dem Volk nichts als Ketten an, sie regierten mit Furchtbarkeit und verschwendeten ihre Gunstbezeugungen nur an den Niederträchtigen. Heutzutage gründen Hochachtung und Vertrauen allein die Wahl der Verwalter der Gesetze; ein Stqlz, der die Würden unsers Daseins zum Grundstein hat, kann uns allein die Achtung unserer Mitbürger erhalten, ohne welche kein Glück zu finden ist. Auch wir haben nun die Rute des Despotismus zerbrochen; der Bischof von Rom, dessen Reich sich nur auf die Gewissen erstrecken soll, hielt uns seit 4 Jahrhunderten in der Sklaverei, er hatte uns wie Schafe gekauft und ganz treulos in Ansehung der Bezahlung des Kaufschillings gehandelt; er ist ein Feind der Freiheit; wir wollten frei sein, und er bestimmte uns dem Tod. Der 10. Juni 1790 ward zu Avignon der Vorbote der Begebenheit vom 10. August zu Paris; wir entsagten auf der Stelle diesem meuchelmörderischen Priester und verstießen seine Agenten. Seine Ränke und List haben seitdem ein unaufhörliches Feuer der Gegenrevolution unterhalten; der meineidige Ludwig XVI. unterstützte ihn trefflich; Landesverweisung, Gefängnis, Folterbank und Tod wurden bei uns nicht geschont, aber wir trotzten allein diesem Unglück, und nun sind unsere Tyrannen gestürzt und wir durch ein Dekret der konstituierenden Nationalversammlung unterm 10. September 1791 in eine ehrenvolle Gesellschaft aufgenommen worden, und nun machen wir mit den Franken nur eine Familie aus. Die Grundsätze, zu welchen Ihr Euch bekennet, erweitern diese Familie noch mehr. Wir wünschen Euch Glück dazu und bitten Euch, unsere Korrespondenz

413 fournie par la nature, qui a créé toutes les races uniformes. Les Despotes et leurs satellites n'offraient au peuple que des chaînes, ils régnaient par la crainte, ils ne prodignaient des faveurs qu'à la bassesse; aujourd'hui l'estime, la confiance seules fondent le choix des Ministres de la loi; une fierté qui a sa base sur la dignité de notre être peut seule nous obtenir la considération de nos concitoyens, sans laquelle il n'y a point de bonheur. Et nous aussi, nous avons brisé la verge du Despotisme, l'évêque de Rome dont l'empire ne doit s'étendre que sur les consciences, nous tenait asservis depuis quatre siècles, il nous avait acheté comme de moutons, il avait eu la mauvaise foi d'éluder le payement du prix de la vente, il est l'ennemi de la liberté des peuples; nous voulions être libres, et il nous voua à la mort. Le 10me Juin 1790 fut à Avignon la vaut [!] scène de la journée du 10me Août de Paris; nous renonçâmes sur-lechamp à ce prêtre assassin, nous expulsâmes ses agents. Ses intrigues ont depuis entretenu sans relâche au milieu de nous un foyer de contrerévolution; le perfide Louis XVI le sécondait merveilleusement; l'exil, la prison, la torture, la mort nous ont été prodigués, nous avons bravé ces maux, et aujourd'hui nos tyrans sont terrassés, admis par Décret de l'Assemblée constituante du 14me Septembre 1791 à une agrégation honorable, nous ne formons avec les Français qu'une même famille. Les principes que vous professez l'étendent encore. Nous vous en félicitons et nous vous sollicitons d'agréer notre correspondance etc., nous tenir instruits de tous les événements qui vous concerneront, ils nous intéressent autant que s'ils nous concernaient. Nous apprendrons surtout avec délice que les principes républicains se seront propagés au loin dans vos contrées et que la terre sera purgée des Despotes, qui la souillent en déshonorant l'humanité.

414 zu genehmigen und uns von allem, was Euch betreffen kann, zu benachrichtigen, wir werden immer soviel Anteil daran nehmen, als wenn es uns selbst anginge. Besonders werden wir mit Vergnügen vernehmen, daß die republikanischen Grundsätze sich auch in die Ferne von Euren Gegenden verbreiten und daß die Erde voii den Despoten, welche sie verunreinigen und die Menschheit entehren, gereiniget werde.

Spezialstudie Les Membres du Comité de Correspondance de la Société des Amis de la République séants à Avignon Capon, Président Fischer Crousier Secrétaires Simon

Die Mitglieder des Korrespondenzausschusses der Gesellschaft der Freunde der Republik zu Avignon Capon, Präsident Fischer Crousier Sekretär Simon

Dokument 3 Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Blatt 493—496; handschriftlich; ede der 7 Seiten ist durch die eigenhändige Unterschrift des Strauß verifiziert. Eine Abschrift dieser Rede befindet sich auch im Stadtarchiv Worms, Abt. 5A, Bürgermeisterei Worms, Sign. 4A I, betr. c, Besitzergreifung und Regierungsveränderung, fol. 14—19) (Rede des Gastwirts Heinrich Strauß im Wormser Jakobinerklub) Bürgerl Der unselige Zwist, welcher die hiesige Bürgerschaft von den Gliedern des ehemaligen Magistrats trennte und welchen man, ich weiß nicht, in welcher Absicht oder aus welchem Beweggrunde, von der Tribüne unserer Gesellschaft zu unterhalten bemühet war, anstatt ihn auszurotten — dieser unselige Zwist 1 hat veranlasset, daß man sich bisher nicht einhellig über das Beste unseres kleinen Staatskörpers beratschlagen konnte oder wollte. Anstatt mit Vergessenheit alles Vergangenen uns brüderlich die Hände zu reichen und mit vereinigten Kräften an der Gründung der Freiheit und Gleichheit zu arbeiten, haben die Tadler unserer ehemaligen Obrigkeit nur das alte Gebäude der. willkürlichen Gewalt umzustürzen gesucht, u m ein neues daraus zu bilden, das wegen Unbrauchbarkeit unserer alten Verträge, wegen der geringen Anzahl seiner Mitglieder und wegen des mächtigen Schutzes unserer Eroberer noch weit willkürlicher und gefährlicher ist. Die dunkle Ahndung dessen, was wirklich geschieht, war Ursache, daß ich als eines der ersten Glieder dieser Gesellschaft mich von ihr trennen wollte, weil ich vorsah, daß die Stimme eines Ungelehrten, in der Redekunst unerfahrnen Mannes gegen die künstlichen Reden einiger unserer Mitbürger von keiner Wirkung sein würde. Allein da die Tat selbsten spricht, brauchet es keiner Beredsamkeit, also zu Sache! Unsre neue Obrigkeit, denn so muß ich sie nennen, unser Maire und Sachwalter der Gemeinde, welche auf den Trümmern des alten Magistrats von Worms stehen, nehmen sich das Recht, nach

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Willkür Verordnungen zu machen und nach Willkür 2 Arrest oder Geldstrafen gegen die Übertreter zu verhängen, wie wir alle nur zu gut wissen. Hier frage ich, was haben wir durch die Veränderung gewonnen. Ich antworte: Nichts; wohl aber haben wir verloren. Denn anstatt 13 oder 36 Gesetzgebern, welche alle selbsten Bürger und Gewerbsmänner waren, welche unter der Oberherrschaft des Reiches standen, wo wir sie belangen konnten, welche an alte mit der Bürgerschaft und andern Einwohnern gemachte Verträge gebunden waren, welchen eine vieljährige Erfahrung und Übung in den Geschäften mehr habituelle Fähigkeit beigebracht hatte — anstatt dieser Männer haben wir deren zwei, welche von aller Unterwürfigkeit gegen das Reich entbunden sind, welchen die alten Verträge und Erachtungen kein Ziel setzen, welche beide bisher außer aller Verbindung mit der Bürgerschaft standen, welche, wenn ich's sagen muß, in allen Zänkereien, die unsere Stadt mit andern Körpern hatte, an der Spitze unserer Gegner standen und welche folglich 3 unsere Rechte nur4 insofern kannten, als sie dieselben zu bestreiten Beruf hatten. Bei solchen Verhältnissen frage ich, ob wir bei den Schritten, welche diese zween Männer bisher gemacht haben oder künftig machen werden, gleichgültige Zuschauer sein und uns eben dadurch würdig machen sollten, daß man uns willkürlich befehle und auf Übertretung der Befehle willkürliche Strafen setze. Wenn die Freiheit darinnen besteht, daß man nur dem Gesetze gehorche, welches mit gemeinsamer Übereinstimmung der Bürger des Staats gemacht worden ist — wenn die Gleichheit darinnen besteht, daß kein Mitglied des Staats dem andern etwas aufbürden könne, als wozu es durch ein solches Freiheitsgesetz berechtiget ist, so ist unsere Freiheit in der Wiege ersticket, da man uns ohne unsere Mitwürkung Gesetze macht; und unsere Gleichheit besteht darinnen, daß wir gegen willkürliche Gesetze gleiche Unterwürfigkeit bezeigen müssen. — Wir sind aus einem bißchen Freiheit, die wir hatten, in den willkürlichsten Despotismus gesunken. Fragen Sie mich nicht, Bürger, ob ich die Verordnungen tadle, welche unsere Munizipalität hat verkünden lassen. Hiervon ist keine Rede. Ich tadle die Art, wie sie gemacht, und den Ton, in welchem sie abgefasset sind. Wären sie aus dem Munde eines Salomons geflossen, so sind es doch keine Gesetze für freie Bürger, weil sie ohne Mitwürkung dieser Bürger gemacht worden sind. Liebe zum Frieden und zur Einigkeit, persönliche Achtung, die ich für die Glieder unserer Munizipalität habe, und der sehnliche Wunsch, bald die Früchte der Freiheit genießen zu können, die wir der Großmut unserer Überwinder zu danken haben — diese Empfindungen machen, daß ich es von ganzer Seele bedaure, daß unsere Munizipalität die erste Gelegenheit mißbrauchet hat, wo sie unsere Einigkeit gründen, sich der allgemeinen Liebe und Hochachtung versichern und uns den süßen Vorschmack der Freiheit und Gleichheit geben könnte — die Gelegenheit einer neuen Verordnung. War war natürlicher, was den Grundsätzen unserer werdenden Verfassung angemessener, als das Projekt dieser neuen Verordnungen mit den gehörigen Gründen der Bürgerschaft in ihren Zünften vorzulegen, ihre Genehmigung oder Gegenbeobachtungen zu erwarten und dann die Verordnung selbst als ein von dem ganzen Staatskörper schon angenommenes Gesetz kundzumachen. Anstatt dessen fallen Gesetze wie Schneeflocken aus den Wolken her, ohne daß außer zween Männern jemand etwas davon weiß. Man erwidere nicht, die Verordnungen seien gut; wer die Macht hat, gute Gesetze zu machen, kann auch schlechte machen, denn welcher Mensch fehlt nicht. Heute ist der Maire ein verständiger unparteiischer redlicher Mann, morgen verhängt es das Schicksal, daß einer an seine Stelle kommt, der gerade die entgegengesetzten Eigenschaften hat. Wenn dahero unser Glück nicht auf die Dauer einer Maireschaft eingeschränkt sein

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soll, so laßt uns nicht zugeben, daß der Maire ohne Mitwirkung der Bürgerschaft eine Verordnung machen könne, die nicht bloß gelegenheitlich und von sehr kurzer Dauer sei.8 Ich mache dahero den Vorschlag, erstlich der Munizipalität zu erkennen zu geben, daß die Bürgerschaft die am letzten Mittwoch durch den Druck bekanntgemachten Polizeiverordnungen für illegal und in ihrer Entstehung für freiheitswiderig als für unverbindlich halte. Zweitens die Munizipalität einzuladen, daß sie diese Verordnungen der Bürgerschaft in ihren Zünften6 zur Prüfung vorlege. Drittens der Munizipalität den Willen des Volks bekanntzumachen, daß hinfüro keine Verordnung, die nicht gelegenheidich und von kurzer Dauer sein soll, ohne Mitwirkung der Bürgerschaft gemacht und verkündet werde.7 Viertens, daß die vorläufige Genehmigung8 jederzeit in der Verordnung ausgedrückt werde. Damit aber auch wir nicht das Ansehn haben, als wollten wir das Volk repräsentieren, so sollen diese Vorschläge der Bürgerschaft in ihren Zünften9 vorgeleget und durch sie der Munizipalität zur künftigen Darobhaltung zugestellet werden. Zuletzt, Mitbürger, fordere ich euch auf, einmal allen Samen der Zwietracht aus euren Herzen zu vertilgen, euch brüderlich zu vereinigen, damit wir durch unsere Eintracht mit gemeinschaftlicher Anwendung unserer Kräfte zu der Würde gelangen, die allein freie10 Bürger von Sklaven unterscheidet, zur Würde, sage ich, unsere Obrigkeit zu wählen und uns Gesetze zu machen. Dieses muß unser Zweck sein, um diesen zu erreichen, habe ich mich, hat jeder Rechtschaffener sich diesem unserm Bruderbunde einverleibet. Strauß 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Verbessert statt ursprüngl. „Geist". Es folgt eine unleserliche Streichung. „folglich" zugefügt. „nur" zugefügt. Ursprüngl. „sein solle". „Zünften" ergänzt statt einer unleserlichen Streichung. „gemacht und verkündet werde" am Rande zugefügt. „Viertens, daß die vorläufige Genehmigung" am Rande zugefügt. „Zünften" zugefügt. „freie" zugefügt.

Dokument 4 (Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Blatt 485—490; handschriftlich; jede der 11 Seiten ist durch die eigenhändige Unterschrift des Meyer verifiziert)

(Rede des Handelsmannes Meyer im Wormser

Jakobinerklub) praesentatum den 2. Dezember 17921

Bürger und Freunde! Als ich mich in diese Konstitutionsgesellschaft aufnehmen ließ, glaubte ich, daß sie sich auf Freiheit und Gleichheit, Recht und Gerechtigkeit, auf das allgemeine Wohl, auf das

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Glück der Völker gründen würde; ich finde nun aber, daß mehrere Glieder aus Privatabsichten, um eine gewisse Rolle spielen zu können, oder aus Interesse dazu beigetreten sind2 und daß diese, wenn sie je einige Macht bekommen würden, größeren Despotismus ausüben werden, als je ausgeübt worden ist. Ein Beispiel davon habe ich schon selbst an dem Bürger Löwer gehabt, als wir jüngst von dem Bürger W. hier in das Schloß eingeladen waren, um an der Feierlichkeit teilzunehmen, als der Freiheitsbaum aufgerichtet wurde. Da ich ihn unter anderen im Saale traf, so ging ich zu ihm hin, grüßte ihn freundlich, indem ich ihn bei der Hand nahm, worauf er mir in einem stolzen sultanischen Tone antwortete: „Wann ich dies aushabe", auf die Nationalschärpe deutend, „so können Sie mit mir machen, was sie wollen; so aber müssen Sie die Person respektieren." Wann ein Mann, der kaum einige Minuten in ein Amt hineingerochen hat, an einem öffendichen Ort bei einer allgemeinen Lustbarkeit 3 , wo wir alle gleich sind, wo er nicht in seinem Amt ist, wo es ihm also gar nicht einmal zustünde, die Nationalschärpe zu tragen — die er nur aus kindischer Freude, weil es ihm etwas Neues war, nicht ablegte, sich gegen seine Mitbürger so vergessen, so sprechen kann, was wird man von ihm in der Zukunft zu erwarten haben; wird er nicht ein größerer Tyrann werden als alle diejenigen, die wir je gehabt haben, wird er nicht andere über die Achsel ansehen, wird er nicht glauben, daß sie sich's zur Gnade rechnen müssen, wann er nur mit ihnen spreche? Ich verkenne nicht die Verdienste eines Schraut und anderer würdiger Männer, aber es gibt Leute hier, deren einziges Geschäft es ist, Kabalen zu machen, die nichts tun, als über andere zu lästern, die die Leute durch feines Gaukelspiel zu verblenden suchen, um ihre Absichten unter der Larve der Heuchelei besser ve. bergen zu können. Es ist keine Kunst, zu schimpfen und zu schmähen, dies kann ein jeder, aber diejenigen, die nur andere verleumden4 und die Leute dadurch aufklären wollen, verfehlen die wahre Absicht, und ihre Aufklärung ist nichts, der Rechtschaffene kann keinen Gefallen an dergleichen Begebenheiten haben; selbst ein Mann, der in Mainz und Frankreich viel gilt, der sich schon durch seine Rechtschaffenheit, Freiheitsliebe und Patriotismus rühmlichst bekannt gemacht hat, der die Grundsätze des edlen Custine ganz kennt, hat schon seinen Unwillen hierüber geäußert und hierher geschrieben, daß man öffentlich sagen solle, mehrere Glieder des hiesigen Klubs führen sich so auf, daß Custine Mißfallen daran haben müsse. Merkt ihr denn nicht, meine lieben Mitbürger, daß diejenigen, die andere so verkleinern, es nur aus Rachsucht tun, und damit man die Augen auf jene und nicht sie selbst wenden, damit man nicht einsehen soll, daß es ihnen um weiter nichts zu tun ist, als selbsten zu regieren; sie möchten gerne unsere Regenten und Souveräne werden, es sind Leute, die, ohne auf das allgemeine Wohl zu sehen, aus Privathaß alles zu tun imstande sind, wann nur ihr Ehrgeiz dadurch befriedigt wird. Bürger, öffnet doch eure Augen, es ist Zeit, es ist euer Interesse, daß ihr euch vereinigt und die französische Konstitution annehmet; dann diese ist gut, wann wir rechtschaffene Vorgesetzte und solche Leute an der Spitze haben, die das allgemeine Wohl nicht ihrem Ehrgeiz, ihrem Eigennutz aufopfern, die es nicht auf die Seite setzen, wann sie jenen gekränkt glauben. Mitbürger, noch seid ihr nicht frei, es gibt noch Despoten unter uns, aber ihr könnt es durch eure Einigkeit, durch Hülfe der Franken werden; sobald ihr nur wollt, sobald ihr einig seid, habt nur ihr das Recht, euch eure Beamten, eure Obrigkeit selbst zu wählen; dies hat euch ja auch der Bürger General Custine in seinem Aufruf gesagt, er wird und kann euch also nicht daran hindern, dann sonst würde er ja diesem widersprechen. Dies Recht kann auch kein Mensch, die ganze französische Nation nicht nehmen. Ihr könnt diejenigen wählen, die ihr eures Vertrauen wert haltet; handien sie nicht, wie sie sollen, so könnt ihr ihnen die Macht, die ihr ihnen gegeben, auch wieder nehmen,

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nur dies ist wahre Freiheit. Mitbürger, ich beschwöre euch, zaudert nicht länger, euch zu vereinigen, damit ihr die Gewalt, die euch gehört, nicht selbst verscherzet. Sehet ihr dann nicht ein, daß man euch diese gerne aus denen Händen winden möchte? Zuvor haben ein Amt nur viele 5 vergeben können, und nun, da wir doch eine bessere Konstitution bekommen sollen, fangen schon einzelne Männer an, sich dies Recht allein anzumaßen, besetzen nach Gefallen Ämter, wann und wie sie wollen, nehmen Männer dazu, die der allgemeinen Verachtung wert sind6, ist dies recht? Ist es recht, daß man den General bitten ließ, eine Garnision hieher zu legen, da hier7 alles ruhig ist und der Bürger schon über die Maßen durch Einquartierung gelitten hat? Hat die Bürgerschaft darum gebeten, oder waren es einzelne Männer? Ist es recht, daß die Bedienungen ganz willkürlich ohne Not vermehrt werden, ohne den Bürger zu fragen und ohne zu wissen, woher man die Kosten dazu nehmen soll? Ich könnte noch viele solche Fragen aufwerfen, aber gehet hin auf die Straßen und höret die Stimme des Volks, und ihr werdet hören, daß mehr Knechtschaft, größerer Despotismus und härtere Sklaverei in unsern Mauren als je gewesen ist. Seien wir nun gebessert, da nun statt etlich und dreißig zwei Männer das ganze Regiment allein in Händen haben, die Verordnung machen, wie sie es für gut finden, ohne daß ein Bürger etwas davon weiß, ohne daß wir wissen, ob oder wer ihnen das Recht dazu gegeben hat, die sich schon im Anfang ihrer Regierung dadurch auszeichnen, daß sie freien Bürgern mit Verhaft drohen? Denkt dann der eine daran nicht mehr, daß er, um sich seines eigenen Ausdrucks zu bedienen, selbst öfters nicht bis 10 Uhr, aber ganze Nächte hindurch im Wirtshaus gezecht hat; hat er dies vergessen, seitdem er Munizipalbeamter ist, will er nun mit freien Bürgern aus einem solchen Tone sprechen, heißt dies Freiheit? Wann unsere Freiheit darin bestehen soll, daß wir Gesetzen, von einzelnen Männern nach Willkür verfertigt, gehorchen sollen, dann ist unsere Freiheit nur Schattenwerk. Manche werden mir vielleicht den Einwurf machen, es muß eine Polizei sein. Gut, ich tadle dies nicht, sondern nur den Ton, in welchem diese Verordnungen abgefaßt sind. Ich finde es für erniedrigend, für entehrend, einem freien Bürger gleich mit Arrest zu drohen. Ein Beamter muß nicht vergessen, daß die Gewalt, die er hat, vom Volk herrühret, daß er von diesem bezahlt wird. Er muß also nicht mit Machtsprüchen kommen, dadurch gewinnt er nichts, sondern er muß sich liebreich betragen, nur dadurch kann er die Gemüter an sich ziehen, er muß sein8 wie ein Vater gegen seine Kinder. Bürger, zaudert nicht länger, euch zu vereinigen, damit ihr zu dem heilsamen Werk schreiten könnt, euch eure Beamten selbst zu wählen. Lasset dann allen Groll und persönlichen Haß, den einer gegen den andren haben kann. Ferner vergesset alles Vergangene und reicht einander brüderlich die Hände, nur dadurch kann unsere wahre Freiheit gegründet werden; solange dieses nicht geschiehet, ist unsere ganze Konstitution nichts; wir müssen nicht dem Namen nach, sondern in der Tat frei sein. Meyer 1 Vermerk vermutlich von der Hand der Munizipalität, 2 Ursprüngl.: „... Glieder teils aus Privatabsichten, teils aus Interesse und um eine gewisse Rolle spielen zu können, dazu beigetreten sind..." 3 „Lustbarkeit" statt ursprüngl. „Versammlung". 4 „andere verleumden" statt ursprüngl. „über andere lästern". 5 Umstellung aus Betonungsgründen statt ursprüngl. „viele nur ein Amt". 6 Es folgt die Streichung „die schon im Zuchthaus gesessen haben sollen". 7 „da hier" verbessert statt „da dieser". 8 „muß sein" verbessert statt „muß sich betragen".

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Dokument 5a (Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Blatt 375; handschriftlich.

(Begleitschreiben in Main%)

des Make Winkelmann an den Präsidenten der Allgemeinen

Administration

Worms, den 3. De2ember 1792 halb 10 abends1

Bürger Präsident Hätten Sie sich gestern bei uns verweilen können, so würden Sie das Schauspiel selbst gehört und gesehen haben, wovon Sie mit der Beschreibung vorliebnehmen müssen, die in der Staffette enthalten ist; die besonderen, allerdings wichtigen Umstände, welche die Munizipalität, lediglich um die Allgemeine Administration nicht noch mehr über die Urheber dieses öffentlichen Vorgangs aufzubringen, mit gutem Vorbedacht verschwiegen hat, werden Sie in dem Kleide der freundschaftlichen Vertraulichkeit in dem Briefe des Bürgers und Gemeindeprokurators Löwer antreffen. Eine öffentliche Ahndung, welche zugleich die Rechte und die Gewalt der provisorischen Munizipalität dem Publikum deutlich machen und die Wormser Bürger belehren würde, daß sie dermalen noch auf die solang mit Füßen von sich gestoßene Freiheit keinen andern Anspruch machen können, als die fränkische Nation ihnen solche stückweis vergönnet, möchte wohl das beste Verwahrungsmittel gegen die Wiederholung eines solchen Unfugs sein; doch verstehe ich unter der öffentlichen Ahndung nichts, was von weitem die Ehre kränkete oder einen Mann unglücklich machen könnte. Die Entdeckung der Urheber oder eigentlichen Verfasser dieser Reden, besonders der Straußischen, würde wohl das beste sein, denn beide, Strauß und Meyer, sind die Männer nicht, die aus eigner Kraft die Rednerbühne bestiegen hätten. Auf diese Art möchte aus dem Übel ein wirkliches Gute erzeugt werden, indem es die Gelegenheit zur Erkenntnis und eben deswegen auch zur Einigkeit werden könnte. Winkelmann 1

Dieses Datum von anderer Hand, vermutlich Löwer, zugefügt. Außerdem steht am Kopf des Blattes: „Remittatur dem Bürger Maire zu Worms, um noch das abgehaltene Protokoll dem Bericht beizulegen, mittlerweil auf den Konzipienten der beiden im Klub gehaltenen Reden Nachforschung zu tun. Mainz, den 4. Dezember 1792, im ersten Jahr der Frankenrepublik. Werner Sekretär" Darunter: „praesentatum Worms, den 8. Dezember 1792", wieder von Löwers Hand.

Dokument 5b

(Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Blatt 376—377; handschriftlich)

(Begleitschreiben des Gemeindeprokurators stration in Main

Löwer an den Präsidenten der Allgemeinen AdminiWorms, am 3. Dezember 1792, im ersten Jahr der Frankenrepublik

Bürger Präsident! Das heut mit einer Estaffette in der Mitternacht abgehende Protokoll wird das Betragen der Munizipalität rechtfertigen. Sie war von dem Bürger Präsident Henninger aufgefordert und mußte im Namen des Gesetzes Ruhe gebieten. Maire und ich waren kaum

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beisammen, um uns über andere Gegenstände zu besprechen, als die unerwartete Anzeige geschah, die allgemeine Unruhe hätte veranlassen können, wenn Bürger Maire nicht auf der Stelle die Gewalt des Gesetzes verkündet hätte. Als besondere nach dem Schluß des Protokolls erfahrene Umstände sind zu bemerken, daß 1. Strauß und Meyer ihre Reden aus fremder Feder entlehnet haben. 2. Daß ersterer seine Rede vor der Sitzung einigen Freunden vorgelesen und Bürger Linkenheld die Abhaltung derselben ganz mißraten — Bürger Heil aber die Weglassung aller personellen Anzüglichkeiten gegen die Munizipalität, gegen die französische Konstitution und Custines Schutz angeraten habe. 3. Daß in der Konstitutionsgesellschaft ehemalige 13er Kreaturen gewesen, die den beiden Rednern Beifall zuklatschten, unter welchen sich der Bürger Lentner der ältere bis in die Schranken vorgedrungen, und die Redner verteidigt haben sollen. 4. Daß die Gärung, nachdem der Präsident die Sitzung beschlossen, so hitzig und gefährlich fortgesetzet worden, daß derselbe, um Ruhe und Sicherheit zu verschaffen, die Polizei in aller Eil requirieren mußte. 5. Daß endlich gegen die erneuerte1 Polizeiverfügung, die vor wenigen Jahren der vormalige Städtmeister Schuler schon gegeben hat, gereizte Handwerksleute und junge Pursche noch nach 11 Uhr in den Bierhäusem verblieben sind und der Polizei mit der Äußerung trotzten — wir sind freie Menschen, wir wollen sehn, der uns aus diesem Wirtshause fortjagt, p. Nun fühlen die beiden Redner Reue und haben sich nach Mainz begeben, um da entweder sich zu rechtfertigen oder gegen die Munizipalität ein Anklagsdekret zu bewirken. Ich enthalte mich, meine Gedanken über beide gedungene Redner zu äußern. Das einzige darf ich aber noch bemerken, daß Meyer ein Schwiegerenkel des verrufenen Städtmeisters Schuler ist und Strauß mit den 13ern noch tägliche Unterredung in seinem Hause pflegt und sich als Organ der vormaligen Magistralen darstellt. Niemand dachte daran, und der größte Teil würde gelacht haben, wenn man ihm voraus versichert hätte, daß der Bürger Strauß, der in seinen Postverrichtungen nichts ohne fremde Feder besorgen kann, und der Bürger Meyer die Rednertribüne betreten werden. Ich wünsche nichts mehr als Einheit — den einzigen Weg zum allgemeinen Bürgerglück, wovon ich in meiner Rede über die wesentlichen Bestandteile einer guten Konstitution — ohne schimpfen — (meine Hitze ist seit dem 21. November vorüber und hat sich mit dem Domherrn geendiget) vieles an das Volk gesprochen habe. Leben Sie wohl und unterstützen Sie die durch Intrigen verfolgte Munizipalität, die ohne Schutz und Ihre Mitwirkung bald kraftlos sein wird. Ihr Mitbegründer Loewer 1

„erneuerte" statt ursprüngl. „neue".

Dokument 5c (Staatsarchiv Würzburg, M R A V Klubistenakten Nr. 854, Blatt 4 7 8 - 5 0 2 ; handschriftlich)

(Bericht des Maire Winkelmann und des Gemeindeprokurators stration in Main%)

Löwer an die Allgemeine

Admini-

Aus beigehendem Protokoll wird die Allgemeine Administration den Vorgang ersehen, welcher durch zwei in der Konstitutionsgesellschaft gehaltene Reden gestern veranlaßt wurde. 1

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s1

Da die beiden Redner, und zwar der Bürger Strauß durchgängig, der Bürger Meyer aber großenteils den wichtigsten Umstand aus den Augen verloren oder vielmehr, wie es nicht änderst sein kann, ihre Augen mit Vorsatz gegen die Offenkundigkeit verschlossen haben, daß der Maire und Gemeindeprokurator von dem General Custine im Namen der Fränkischen Nation angestellt, von da mit ihrer ganzen Vollmacht versehen sind und den Einwohnern der Gehorsam gegen ihre Befehle von da auferlegt ist; und da die Rede des Bürgers Meyer größtenteils, die Rede des Bürgers Strauß aber im ganzen hauptsächlich eine Folge dieser Blindheit ist, so wird die Munizipalität keine anderen Bemerkungen nötig haben als diejenigen, welche zu den in beiden Reden bezogenen Tathandlungen gehören.

§2

Demnach erstens in der Rede des Bürgers Meyer beteuert der Gemeindeprokurator Löwer, daß der von dem Redner erwähnte Vorgang bei der allgemeinen Volksbelustigung am Tage des aufgerichteten Freiheitsbaums falsch sei; er wolle die persönlichen Beleidigungen gern stillschweigend verachten, wenn nur die Ordnung in der Gesellschaft hergestellt und nach den echten Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit die Einheit in hiesiger Stadt fordersamst bewirket, sofort alle das allgemeine Bürgerwohl störende Motionen und Reden weder öffentlich noch heimlich mehr ausgebreitet werden wollen. §3 Auf den Vorwurf, daß einzelne Männer (der Maire und Gemeindeprokurator) sich das Recht, Ämter zu besetzen, anmaßen (da sie von dem Stellvertreter der fränkischen Nation als eingesetzte provisorische Munizipalität hierzu aufgestellt sind), beziehet sich die Munizipalität auf ihren Bericht vom 30. v. M. mit der Bemerkung, daß inzwischen keine andere Anstellung als jene des Bürgers Schraut zum zweiten Sekretär der Munizipalität mit dem Auftrag, sich zu besondern Kommissionen gebrauchen zu lassen, erfolgt sei. Daß durch diese ohnumgänglichen nötigen Anstellungen noch niemand von seiner Stelle verdrängt worden sei außer dem ehemaligen2 Städtmeister Schuler, welcher als ein in öffentlichen Druck- und Klageschriften vor dem Reichshofrat und dem ganzen Reich von der gesamten Bürgerschaft der niedrigsten Betrügereien und Übervorteilungen des aerariums beschuldigter und noch nicht gerechtfertigter Mann auf diesem Hauptposten zu gefährlich war und das allgemeine Mißtrauen gegen sich hat, endlich, daß alle diese Anstellungen nur provisorisch, mit keiner Besoldung begleitet, mithin im Grund nichts weniger als Amtsvergebungen seien. Daß der Maire von den wichtigsten Anstellungen, besonders bei der Rechenstube, durch den Ausschuß der Zunftdeputierten sich um die Wünsche und das Vertrauen der Bürgerschaft erkundigen lassen und sich lediglich hiernach gerichtet habe, daß er aber auch bei manchen tauglichen Männern große Abneigung gefunden habe und deshalb mit seiner Auswahl gehemmt gewesen sei.

§4

Auf den Vorwurf, daß die Munizipalität zu den öffentlichen Ämtern Männer genommen habe, die der allgemeinen Verachtung wert seien, beziehet sich die Munizipalität auf die drei würdigen Mitglieder der allgemeinen Administration, Bürger Schraut, Krämer und Widt, welchen das öffentliche Urteil über diese von der Munizipalität angestellten Männer bekannt sein muß.

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Spezialstudie §5

Der Beisatz, den der Redner mit den Worten macht: die schon im Zuchthaus gesessen haben sollen, ist auf den einstweilen zur Botenmeisterei, und zwar ohne Verpflichtung bestellten Bürger Böhmer gerichtet. Aus dem anliegenden Protokoll ist zu ersehen, daß der Redner, der gewiß keine Mühe gespart, zum Tadel der Munizipalität alles auszuspähen, über diesen Umstand keine Zuverlässigkeit haben konnte. Die Munizipalität hat den Bürger Böhmer zu diesem an sich ganz und gar unbedeutenden Amt nur aus Dürftigkeit an Personen angestellt, indem der bisherige fürstliche Botenmeister Raub (?) sowie mehrere andere diese Stellen ausgeschlagen hat! §6

Da der Ausdruck in der Mehrheit, nämlich Männer, noch andere von der Munizipalität angestellte Fonctionnaire bezielt, so wird entweder ein Beweis mit Bestimmtheit auf die bezielten Personen oder eine öffentliche Ehrenerklärung erfordert werden, als wozu bereits laut der Anlage der Bürger Präsident im Namen der Konstitutionsgesellschaft die Munizipalität angerufen hat. Der Vorwurf wegen der von der Munizipalität erbetenen Garnision von zwei Kompanien, welche nur 100 Mann betragen, ist durch den gestrigen Vorgang am kräftigsten widerlegt, und nebst dem erforderte auch der gefährliche Zustand verschiedener bischöflicher Ortschaften, besonders von Dirmstein, militärische Gewalt bei Händen zu haben. Der Vorwurf über die Unkosten der Stellvermehrungen beweist, daß der Redner® sich wenig um die Wahrheit bekümmerte, sobald er gesonnen war, die Anzahl der öffentlichen Beschwerden zu vermehren. Ob die Polizeiverordnung oder der Ton derselben oder aber die angekündigten Strafen, welche lediglich deswegen beigesetzt wurden, damit dem Richter nach dem wahren Geist der Freiheit keine Willkür übrigbleibe, einen Tadel verdiene, dies wird eine Allgemeine Administration aus den dem letztern Bericht beigelegten Verfügungen bemessen können; in betreff der Polizeistunde beweist der gestrige Vorgang ebenfalls, daß genaue Aufsicht keine unnütze Beschränkung der Freiheit gewesen sei. §9 Im übrigen unterstützt die Munizipalität den hauptsächlichen Antrag des Redners, der ein Schwiegerenkel4 des vormalig gewesenen Städtmeisters Schuler ist, dahin, daß, sobald es die Umstände nur immer erlauben werden, der Bürgerschaft oder den Einwohnern die freie Wahl einer Munizipalität gestattet werden möchte. §10 In der Rede des Bürgers und Posthalters, auch Gastwirts Strauß umgehet die Munizipalität diejenigen Bemerkungen über Tatsachen, welche bei der Rede des Bürgers Meyer schon vorgekommen sind. Der Vorwurf, welchen der Redner den Männern der Munizipalität macht, daß sie in allen Zänkereien der Stadt "mit andern Körpern an der Spitze der Gegner der Bürgerschaft gestanden hätten, muß hauptsächlich auf den Maire als vormaligen Procurator Cleri gerichtet sein; wer die hiesige Verfassung kennt, der weiß, daß der Syndicus Cleri eigentlich den Kampf für die Clerisei gegen Magistrat oder Bürgerschaft zu führen habe. Der Maire und darmalige Procurator Cleri hat nur in einer

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Sache, und zwar nicht gegen die Bürgerschaft, sondern gegen den Magistrat, besonders gegen das 13er Kollegium eine Hauptperson vorgestellt, und hier fordert er die ganze Welt auf, aus seinem in öffentlichen Druck gegebenen Beitrag zur Empörungsgeschichte ihn zu beurteilen, ob er damals, als man noch nicht die kleinste Ahnung einer Staatsumwälzung hatte, ein Bürgerfeind oder Bürgerfreund war. §11 Außer einigen vorgehenden, ganz in dem bekannten wormsischen Konsulententon niedergeschriebenen Einschaltungen, z. B. unsere neue Obrigkeit, denn so muß ich sie nennen, unser Make und Sachwalter der Gemeinde, welche auf den Trümmern des alten Magistrats von Worms stehen, ferner die wehmütigen Klagen über die Unabhängigkeit der Munizipalität von dem Reich und von den Reichsgerichten mit der ganz unbegreiflichen Vergessenheit, daß die unmittelbar der Munizipalität vorgesetzte Stelle nunmehro nur 9 Stund entfernt sei, ist der am Schluß der Rede befindliche Vorschlag5 das Merkwürdigste, als durch welchen eine aus etlich und 40 Personen bestehende, mit keiner öffentlichen Gewalt versehene Gesellschaft aufgefordert wird, sich als Repräsentanten der Zunftbürgerschaft, ohne anderer ebenso ehrlicher Einwohner zu gedenken, ohne die geringste Vollmacht hiezu, aufzuweisen. Der Redner verirrt sich in seinem Antrag so weit, daß er der Gesellschaft zumutet, im Namen der Bürger6 Rechte und öffentliche Gewalthandlungen auszuüben, welche der Bürgerschaft nach der von der Fränkischen Republik eingeführten provisorischen Ordnung nicht nur keineswegs zustehen, sondern welche die der Munizipalität von der fränkischen Nation eingeräumte Gewalt mit der größten Verwegenheit vernichten und ihr Gesetze vorschreiben, die sie von niemand als von der fränkischen Nation oder derselben Stellvertretern anzunehmen hat.

§ 12

Die Munizipalität hat bereits vor einiger Zeit die Gesellschaft der Konstitutionsfreunde durch die Mitglieder Bürger Löwer und Bürger Endemann ersuchen lassen, ihre Bemerkungen über alles, was Bürgerwohl und Ordnung und Staatsverfassung beträfen, der Munizipalität mitzuteilen und solchergestalt dieselbe7 in ihrer schweren Sorge für das gemeine Beste zu unterstützen; allein nur einige einzelne Glieder sind in ihrem Privatnamen diesem wohlmeinenden Aufruf nachgekommen, im Namen der Gesellschaft aber ist kein Abgeordneter erschienen, so daß der Maire bei zunehmendem Lärm von Unzufriedenheit sich bewogen fand, ein Mitglied der Gesellschaft um die Ausrichtung zu bitten, daß er es auch für ein Freundschaftszeichen aufnehmen würde, wenn die Konstitutionsgesellschaft die etwaigen Klagen oder Beschwerden unmittelbar an die Administration zu Mainz einreichen wollte. §13 Da die Munizipalität bei der behutsamsten Gelindigkeit und Schonung derlei bedenkliche8 Auftritte erfahren mußte9, so wird eine Allgemeine Administration daraus abnehmen, daß eben dieser sanfte Gang nach dem Geist der von denen im Finstern wirkenden Ratsgliedern, vorzüglich aber von dem größten Teil der XUIer und Konsulenten verführten Bürgerschaft abgemessen, mithin notwendig war. §14 Um den entferntesten Schein der Parteilichkeit in einer Sache abzuwenden, in welcher die Munizipalität persönlich, teils in ihrer Amtsgewalt so schwer angegriffen ist, obwohl sie die erste Gattung der Anzüglichkeiten sehr gerne vergibt, so glaubt dieselbe am

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besten zu tun, wenn sie die zur Vorbeugung künftiger ähnlicher Auftritte dienlichen abschreckenden Mittel einer Allgemeinen Administration mit der einzigen Bemerkung überläßt, daß Schonung der Verführten und vielleicht auch zur Erwägung 10 der Folgen nicht aufgelegten Menschen mit dem Ernst möchte gepaart werden, der zur Erhaltung der öffentlichen Amtsgewalt und der davon abhängenden allgemeinen Ruhe und Sicherheit nötig ist. §15 Sobald die Organisation der Justizkollegien, zu welchen nach dem anderweiten11 Bericht vom heutigen dato die Munizipalität den Grundriß von der Allgemeinen Administration erwarten zu dürfen glaubt, vor sich gehet, so können erst die gefährlichen Konsulenten auf die Seite gesetzt und unschädlich gemacht werden, dann erst können die Senatoren- und Xlller-Stellen, welche den dermal noch in Justizsachen beibehaltenen Rat oder Magistrat ausmachen, in ihren pur bürgerlichen Stand zurückgewiesen werden, wo sie nach dem gänzlichen Verlust alles obrigkeitlichen Schimmers einen viel mindern Eindruck auf das Volk machen werden. §16

In betreff der Konstitutionsgesellschaft und der zu ihrer zweckmäßigen Organisation zu ergreifenden Mittel beziehet sich die Munizipalität auf den von der Konstitutionsgesellschaft selbsten nachzuschickenden Verbalprozeß. Inzwischen wird die Munizipalität, um den üblen Eindruck zu vermeiden, den die Suspension der Gesellschaft auf viele Stadt- und Landbewohner machen könnte, derselben ihre Sitzungen wieder verstatten, sobald sie die nötigen Mittel eingeschlagen haben wird, solchen anstößigen Auftritten vorzubeugen. Worms, den 3. Dezember 1792, im ersten Jahr der Frankenrepublik Winkelmann Maire Loewer Gemeindeprokurator 1 Dieser Vermerk wurde von anderer Hand über die Paragraphen gesetzt. Daneben steht auf der linken Spalte des Blattes: „Allgemeine Administration". 2 Verbessert statt „als der ehemalige". 3 Ursprüngl. „der Redner selbst". 4 Verbessert statt „Schwiegersohn". 5 „ist der am Schluß der Rede befindliche Vorschlag" unter Fehlzeichen am Rande zugefügt. 6 „Der Redner ... Bürger" unter Fehlzeichen am Rande zugefügt statt der Streichung „und in derselben Namen". 7 Verbessert statt „die Munizipalität". 8 „bedenkliche" zugefügt. 9 Verbessert statt „gewahr wurde". 10 „Erwägung" verbessert statt „reifen Überdenkung". 11 „anderweiten" zugefügt.

Dokument 6 (Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Bl. 3 8 1 - 3 8 4 ; handschriftlich)

(Protokoll des Wormser

Jakobinerklubs)

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Geschlossene Sitzung vom 3. Dezember 1792, im ersten Jahre der Republik. Die Sitzung wurde mit Verlesung des gestrigen Verbalprozesses angefangen. Es wurde wegen geschehener Suspension der Gesellschaft die Motion gemacht und beschlossen, eine Deputation von 2 Gliedern an den Bürger Maire zu senden. Resolutum: werden die Bürger Clausius und Bruch zu Deputierten ernennt und ersucht, während der Sitzung dem Auftrage nachzukommen. Sodann wurde ferner beschlossen, daß die Bürger Strauß und Meyer von den Sitzungen so lange suspendiert seien, bis sie sich der gehaltenen Reden halber, welche von einem Mitgliede der Gesellschaft als aufrührerisch denunziert worden sind, gerechtfertigt haben würden. Die zum Bürger Maire abgesandten Deputierten kommen zurück und referieren: Sie haben bei dem Herrn Maire ihres Auftrags sich dahin entledigt. Die Konstitutionsgesellschaft habe an den von 2 ihrer Mitgliedern, den Bürgern Strauß und Meyer, veranlaßten Unordnungen und abgehaltenen Reden, welche von einem Mitgliede ihrer Gesellschaft als aufrührerisch denunziert worden seien, nicht den geringsten Anteil, sondern habe vielmehr vor dem versammelt gewesenen Publikum zu wiederholten Malen das größte Mißfallen hierüber nicht allein mit allem Ernst geäußert, sondern auch diese Mitbürger brüderlich ermahnet, die Haltung ihrer Reden, welche nicht allein den Zweck der Gesellschaft verfehlten, sondern auch von unangenehmen Folgen sein könnten, einzustellen. Die Kraft des Gesetzes könne daher auf die Gesellschaft keine Wirkung haben. Man glaube also von den edlen Gesinnungen des Herrn Maires mit Zuverlässigkeit erwarten und schließen zu dürfen, daß derselbe bei Schließung der letzten Sitzung weit entfernt gewesen, die Gesellschaft weder in ihren Rechten noch Arbeiten zu hemmen, dahero bei Haltung der künftigen Versammlung ein Mittel ergreifen werde, durch welches etwaigen nachteiligen Mißdeutungen vorgebeugt werde. Hierauf habe der Herr Maire geantwortet, von den rühmlichen Absichten und Verhalten der Gesellschaft vollkommene Überzeugung; eine jede Gelegenheit, durch welche er daher oder Gesellschaft seine Achtung [zu] beweisen, nur ihren Zweck zu befördern oder zu unterstützen, sich ereigne, würde er mit Vernügen ergreifen; es sei auch seine Absicht nicht gewesen, die Arbeiten der Gesellschaft einzustellen. Da aber die gestrige Versammlung auf keine andere Art, als wie geschehen, zu endigen gewesen und der Gesellschaft selbst ohnmöglich geblieben, denen durch die denunzierten aufrührerischen Reden entstandenen Unordnungen zu steuern, welche schädliche Folgen besorgen ließen, so habe kein anderes als dieses Mittel, den eingerissenen Unordnungen Ziel zu setzen, wirken können. Er wünsche daher auch, daß die Gesellschaft der letzten Auftritte halber solche Vorkehrungen treffen möge, welche deren Würde und Ansehen angemessen, auch gegen fernere dergleichen Unordnungen zu verwehren hinlänglich seien und von ihm zur Ehre der Gesellschaft dem bereits abgegangenen Bericht nachgesendet werden könnte. Er erbitte sich daher Abschrift des Verbalprozesses. Ein Mitglied bemerkt, daß der gestrige Auftritt angelegt gewesen zu sein scheine, weil noch niemalen so viele vormalige städtische und bischöfliche Bediente im Saal anwesend gewesen wären und daß sich sämtliche durch beständiges Applaudieren der aufrührerischen Schriften ausgezeichnet hätten. Dieser nämlichen Bemerkung fügte ein anderer Bürger bei, daß sich bei der gestrigen ruhestörenden Gelegenheit Leute durch gewaltsames Eindringen in die Schranken unanständig gezeigt hätten. In fidem copiae Schraut Secrétaire

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Dokument 7 (Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Bl. 371, 371'; handschriftlich. Diese Motion wurde in der „Beilage zur Wormser Nationalzeitung und Intelligenzblatt", 100. Stück, Mittwoch, den 12. Dezember 1792, S. 408, abgedruckt; nachgestellt war ihr die folgende Mitteilung: „Diese Motion wurde allgemein unterstützt und beschlossen, sie durch das Nachrichtenblatt öffentlich bekanntzumachen. Henninger, dermaliger Präsident der Gesellschaft")

(Antrag des Maire Winkelmann im Wormser Jakobinerklub) Motion, welche Unterzogener den 6. Dezember 1792 in der Konstitutionsgesellschaft gemacht hat und welche den 12. im Wochenblatt erscheinet.1 Es ist ein richtiger Satz, daß den Bürgern und Einwohnern zu Worms keine andere Freiheit dermalen zukomme als diejenige, welche die Großmut ihrer Eroberer, der fränkischen Nation, ihnen verstattet. Aus diesem Satze folget unmittelbar, daß die Wormser Bürger und Einwohner für sich nicht befugt sind2, die von dem Stellvertreter der fränkischen Nation, dem Bürger General Custine, dahier angestellte — und mit der zu ihrem Amte gehörigen Gewalt versehene Munizipalität auf die Seite zu setzen und eine neue zu wählen, wenn sie nicht zu Ausübung dieses wichtigsten Teils der Freiheit vorher die Bewilligung der fränkischen Republik oder ihrer Stellvertreter eingeholet haben. Da ich nun nichts Sehnlichers wünsche, als daß meine Mitbürger3 das Glück der Freiheit in seinem ganzen Umfang recht bald genießen möchten, so mache ich die Motion: daß die Gesellschaft der Konstitutionsfreunde den Einwohnern4 von Worms den Antrag machen und sie nach allen Kräften dazu zu vereinigen trachten möge, von dem Bürger General Custine entweder unmittelbar oder mittelbar durch die Allgemeine Administration zu Mainz die Erlaubnis zu begehren, daß sie sich ihre Munizipalbeamten nach den Grundsätzen der fränkischen Konstitution selbst erwählen dürfen. Winkelmann5 1 Diese Überschrift wurde von Winkelmann dem von anderer Hand geschriebenen Text vorangestellt. 2 Ursprüngl. „seien". 3 „meine Mitbürger" verbessert statt „die Bürgerschaft und Einwohner der Stadt Worms". 4 Ursprüngl. „der Bürgerschaft und den übrigen Einwohnern". 5 Eigenhändige Unterschrift.

Dokument 8 (Stadtarchiv Worms, Abt. 2, Drucksachen I; gedruckt, 16 Seiten, 8°)

Wahrheiten, gerichtet an seine hiesigen Mitbürger und öffentlich vorgetragen am 16. Dezember 1792 in der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit ^u Worms von Friedrich Henninger Worms 1792 Freunde der Freiheit und Gleichheit! Fast scheue ich mich, mein Produkt unter die Leute kommen zu lassen, des Sprichworts eingedenk: Schuster bleib bei deinem Leist. Doch weil ihr es so haben wollt, so sei es. Redner von Profession überzeugen nicht immer. Öfters kann es einem Ungelehrten noch eher glücken. Sollte der Fall bei mir eintreffen, und wenn es auch beim geringsten

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Teil meiner Mitbürger wäre, so mag der größte Teil über diese meine Erscheinung spotten. Für Wahrheit kann man nicht zuviel leiden. Worms, den 18. Dezember 1792, im ersten Jahr der Frankenrepublik Euer Mitbruder Friedrich Henninger Mitbürger und Freunde! Es liegt in der Natur jedes Menschen, daß er immer glücklicher zu werden wünscht; nur ist er öfters zu kurzsichtig, um die Mittel, glücklicher zu werden, einzusehen, oder zu schwach, sie zu gebrauchen, oder er wählt gar, durch ein Irrlicht verführt, Wege, die ihn anstatt zu einem glücklichen zu einem unglücklichen Ziel führen. Wir haben jetzt einen Zeitpunkt erlebt, auf welchen wir und unsere Väter lange vergebens hofften, ja welchen wir und sie niemals so günstig für uns hoffen dürften. Er bringt uns nicht nur Erleichterung von dem Joch, das uns drückte, sondern völlige Erlösung und Aussichten zu einer immer steigenden und bleibenden Glückseligkeit. Dennoch sind so wenige unter uns, welche mit beiden Händen zugreifen, um sich des Glücks teilhaftig zu machen, das uns entgegenlacht. Es geht aber dem neuen Evangelium, welches uns die veredelte Frankennation predigt, wie demjenigen, welches der größeste Lehrer der Welt, Jesus, predigte. Es ist, so wie es dieses war, denen Reichen und Mächtigen eine Ärgernis; sie lehnen sich dagegen auf, verachten, verabscheuen es und bieten Überredungskunst, Macht, List, ja alles auf, damit es bei dem armen gedrückten Volk keinen Eingang finden möge. Ihr wißt es aber, Freunde, das Evangelium Jesu hat über alle Hindernisse gesiegt, obschon die ersten Helden desselben nur arme Fischer waren; auch dieses wird siegen, so sehr sich auch die Beherrscher der Völker vom Kaiser an bis zu dem unbedeutendsten Magistrat eines Reichsstädtchens, die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer dagegen verschworen haben. Laßt euch nur nicht abschrecken oder einschläfern, sondern sehet-auf das große Beispiel der Frankennation, welche die fürchterlichen Heere ihrer innerlichen und äußerlichen Feinde glücklich überwunden hat und bald die Früchte ihrer herkulischen Arbeit in vollem Maße genießen wird. Sehet ferner auf das Beispiel der Savoyer und Lütticher, welche unter dem Schutz jener Nation das Joch ihrer Treiber schnell und mutig abgeschüttelt und sich in ihre ursprünglichen Rechte wieder eingesetzt haben. Oder fühlt ihr, liebe Mitbürger dieser bisherigen Reichsstadt, das Joch nicht mehr, das ihr getragen habt; achtet ihr's nicht der Mühe wert, euere bisherige Verfassung gegen die neue fränkische zu vertauschen; habt ihr alle die Mißhandlungen, alle die Ungerechtigkeiten, alle die Unordnungen in eurer Staatshaushaltung vergessen, wegen welcher ihr und eure Vorfahren jahrhundertelang bei denen Reichsgerichten geklagt und wovon euere neueren gedruckten Beschwerdeschriften, insbesondere der Oligarchendruck, so laut und so öffentlith vor ganz Deutschland gesprochen haben; könnt ihr nach so vielen Beweisen von Hab- und Herrschsucht, von Neid, Rachgierde und Unwissenheit eueres bisherigen Magistrats und ihrer Ratgeber diesen die Hände zu einem Vergleich bieten; glaubt ihr denn, daß Menschen, denen diese Eigenschaften zur andern Natur geworden sind, sich auf einmal umwenden können, wie man einen Sack umwendet? Der müßte den Menschen noch gar nicht kennen, der so etwas glauben könnte. Betrachtet einmal ernstlich und mit offenen Augen, ohne Eigensinn und Eigenliebe, unsere bisherige Verfassung und die Freiheit, welcher ihr genösset, und vergleicht sie mit der fränkischen, welche uns angeboten wird. Bisher mußten wir geschehen lassen, was man uns für Magistratspersonen, Beamte, Pfarrer und Schullehrer hinsetzte, wir mußten geschehen lassen, daß gewisse Familien das Ruder und die ersten Ämter des

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Staates an sich rissen, daß Männer, es mochte ihnen noch so sehr an Kopf und Herz fehlen, wenn sie nur von diesen Familien abstammten, an unsere Spitze gestellt und alte, erfahrne, rechtschaffene Bürger zurückgesetzt wurden; daß ein Bischof und seine Diener, die ärgsten Feinde unserer Stadt von Jahrhunderten her, ihre Hände in der Wahl unserer Magistratspersonen hatten, wodurch, welch schreckliche Verfassung! gerade diejenigen, welche unsern Feinden anhingen und das Wohl der Stadt verwahrlosten, wo nicht gar verkauften, Gelegenheit hatten, am ersten zu denen höchsten Stellen befördert zu werden. Wir hatten Gesetze; wenige Bürger kannten sie, der Magistrat wollte sie nicht kennen, er herrschte uneingeschränkt, gab die Dienststellen Leuten, welche am meisten krochen und am wenigsten Bürgerliebe zeigten, nannte uns nie seine Mitbürger, als da wir die Brandschatzung für ihn zahlen sollten; vorher waren wir seine Untertanen, welche sich mit keiner Klage, mit keiner Bitte an ihn wenden durften, ohne erst die Erlaubnis dazu durch teures Stempelpapier und durch 15 kr. Legalisierungskosten erkauft zu haben. Wie war die Gerechtigkeitspflege beschaffen, war sie für jeden gleich? Konnte ein Bürger je gegen einen Dreizehner oder einen ihrer Anhänger Gerechtigkeit erlangen? Schien man sich nicht vielmehr daran zu ergötzen, wenn man einen Bürger, der nicht kriechen wollte, oder der sich gar einmal erlaubte, ein Werk der Finsternis oder der Unwissenheit zu tadeln, recht drücken und verfolgen konnte; war es nicht so weit gekommen, daß Wahrheit zu sagen ein Verbrechen war, wurden nicht Advokaten, deren Pflicht es doch ist, ihrer Klienten Sache aufs kräftigste zu verteidigen, angefeindet, zurückgesetzt, suspendiert, wenn sie sich unterfingen, für ihre Parteien das Recht nach denen Gesetzen und nicht nach dem Ansehen der Person zu verlangen? Man sage mir nichts von denen Reichsgerichten. Schande dem, der seine deutschen Mitbürger damit trösten will. Ich bedaure den Bürger, der dort Hülfe und Gerechtigkeit sucht, und rate jedem, lieber das von den untern Gerichten ihm angetane Unrecht mit Geduld zu verschmerzen, als dorthin zu appellieren. Ihr habt es ja erfahren, Mitbürger. Ich brauche euch nichts mehr davon zu sagen. Laßt euch von euren Deputierten Rechnung ablegen, und ihr werdet über die Summen erstaunen, welche für unsere Prozesse bei denen Reichsgerichten verschwendet worden sind. Wieviel mehr muß unser gewesener Magistrat aus der Stadtkasse in seinen Prozessen gegen uns dahin verwendet haben, da sich die Waagschale der Gerechtigkeit immer auf seine Seite neigte. Ich komme auf den Punkt von unseren Abgaben. Man will immer behaupten, sie seien sehr gering. Ich sage nein! sondern sie sind nach dem Verhältnis der Nahrung und des Schutzes, welche wir genießen, zu stark und dabei unbestimmt, ungleich und drückend für Handlung, Gewerbe und für den armen Mann. Die Schätzung auf Grundstücke ist zwar erträglich, wiewohl gegen die vorigen Zeiten willkürlich erhöht. Aber was sagt ihr, besonders ihr armen Mitbürger, zu dem Mehlumgeld? Ist es nicht hart für euch, daß ihr dadurch, weil ihr euch keinen Vorrat von Mehl anschaffen könnt, sondern euer Brot und Mehl täglich beim Bäcker und Mehlhändler zu kaufen genötigt seid, ein viel schwereres, fast doppeltes Umgeld gegen den Wohlhabenden, welcher sich sein Mehl in Vorrat anschaffen kann, bezahlen müßt? Ist es nicht hart, daß ihr so wie der Reichste sechs Gulden Wachtgeld jährlich bezahlen oder Wachen dafür tun müßt und indessen für euch und die Eurigen nichts verdienen könnt, während das sogenannte Litterati und Honoratii, wenn schon ihre Literatenschaft und ihre Titel dem gemeinsamen Wesen keinen Heller wert sind, davon befreit waren? Ist es nicht hart für euch, ihr wenig bemittelten Bürger, wenn ihr ein Haus oder ein anderes Grundstück kauft und entweder das Geld dazu nicht habt oder es nicht aus eurem Gewerb herausziehen wollt, daß ihr nicht nur von jedem Gulden des Kauf-

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Schillings, sondern auch von jedem Gulden des Kapitals, so ihr darauf lehnt, einen Kreuzer Abgabe bezahlen müßt? Und die Abgaben von Wein, Essig, Brantwein und von allen hiesigen Fabrikationen, sind sie nicht so beschaffen, als wenn man Handlung und Gewerbe von hier hätte verbannen und unsern Nachbarn zukommen lassen wollen? Wie unbestimmt und ungleich ist endlich die Abgabe des so betitelten Kreuzergelds von eingehenden Waren! Wozu sind nun diese und noch so viele andere Rubriken von Abgaben und zufälligen Einkünften der Stadt, ferner die Einkünfte von unsern beträchtlichen Allmenden bisher angewendet worden? zu unserm Besten? o nein! sondern zu Prozessen gegen uns selbst, [nicht] gegen Bistum, Domkapitel, Stifter und Klöster, welche von jeher ihre Beutel und ihre Herrschaft auf unsere Kosten erweitern wollten; zu Besoldungen unserer größesten Feinde, zu Bestreitung unsers Anteils an denen Reichs- und Kreisbeschwerden, wofür wir weiter nichts als die Ehre hatten, Reichsstädter zu sein, an denen jeder sich nach Wohlgefallen reiben durfte; sodann zur Erkaufung der Gnade unserer mächtigern Nachbarn, welche mit uns wie die Katze mit der Maus spielten und unsere kleine Existenz alle Augenblicke zu erwürgen drohten. Mitbürger, wie ist's möglich, daß ihr einer solchen Verfassung länger anhängen könnt? Schon so lange sehntet ihr euch nach Hülfe, nach Rettung, opfertet euer Geld, euere Zeit und euere Kräfte auf, um euere alten Rechte wiederzuerlangen. Jetzt könnt ihr ohne so große Aufopferungen Rechte und Freiheit an euch ziehen, welche unsere Vorältern niemals genossen haben. Ihr Beisassen und Juden! die ihr bisher unter noch größerem Druck als wir Bürger geseufzt habt, wie mögt ihr euch noch bedenken, die Hand euerer Erlöser zu ergreifen, welche euch in den Besitz der Freiheit und der Menschen- und Bürgerrechte führen will; seid ihr schon so ans Joch gewöhnt, daß ihr euere Knechtschaft nicht mehr fühlt? O! so wisset, daß ihr nicht in dem Lande der Freien bleiben könnt; denn in diesem werden weder Leibeigene noch Sklaven geduldet. Damit ihr auch die Verfassung, wie sie jetzt in Frankreich ist und wie sie bei uns werden soll, dagegen kennenlernt und mit unserer bisherigen vergleichen könnt, so leset fleißig und mit Nachdenken den gedruckten Bogen, welcher euch ausgeteilt worden ist, mit der Aufschrift: Von der Staatsverfassung in Frankreich zum Unterricht für die Bürger und Bewohner im Erzbistum und deren Bistümern Worms und Speyer etc. etc. und laßt mich jetzt noch von dieser Verfassung eine Anwendung auf unsere Stadt machen und die Folgen berechnen, welche für uns daraus entstehen werden. Unsere Stadt kann als deutsche Reichsstadt niemals das wieder werden, was sie ehemals war, nämlich reich, groß, volkreich und mächtig; dazu sind ihr die Flügel gelähmt, sie liegt hülflos zwischen innerlichen und äußerlichen Feinden, die ihr kaum noch ihre Existenz erlauben. Der Kaiser und das Reich bekümmern sich wenig oder gar nichts um sie. Jener sowohl als die Reichsstände haben mit ihren eigenen Ländern zuviel zu tun, als daß sie sich eines Städtchens wie unser Worms, das sie so wenig interessiert, annehmen sollten. Hingegen, vereinigt mit der Fränkischen Republik, versehen mit deren weiser Verfassung, kann und wird unsere Stadt auf einen hohen Grad von Größe, Ansehen und Wohlstand gelangen; denn nicht nur die vielen Prozesse, welche unserm kleinen Staat die besten Lebenssäfte geraubt, hören alsdenn auf; nicht nur gelten die Rechtungen nichts mehr, wodurch uns die Bischöfe so sehr gedrückt haben, sondern Bistum, Domkapitel, alle Stifter und Klöster selbst werden aufgehoben und ihre Güter und Einkünfte mit unserer Stadt vereinigt, wogegen nur diejenigen von der Geistlichkeit, welche Bürger sein und alle bürgerlichen Lasten und Abgaben tragen helfen wollen,

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auf lebenslängliche Pensionen Anspruch machen dörfen. Die Häuser, wo bisher Schwelgereien und Müßiggang ihren Sitz hatten, werden künftig Werkstätten der Wissenschaft, der Künste, der Fabriken, des Handels und anderer nützlicher Gewerbe werden; die Klöster und andere unnütze Plätze in unserer Stadt werden sich in neue Häuser verwandeln, von fremden Ankömmlingen erbaut, welche sich im Lande der Freiheit niederlassen werden. Schon sehe ich im Geist edle für Freiheit geschaffene Männer aus allen Gegenden Deutschlands ihre Sklavenländer verlassen, um in unserm Worms und unserer paradiesischen Gegend unter einer 30 Millionen großen Familie von freien Menschen zu leben. Schon höre ich im Geist rechtschaffene Väter Deutschlands zu ihren hoffnungsvollen Söhnen sagen: gehet hin, Kinder, in jenen glücklichen Bezirk über den Rhein zu unsern ehemaligen mitunter)ochten Brüdern, wo die durch Unwissenheit, Vergessenheit und gewaltsame Unterdrückung verlornen Menschenrechte wieder gelten, wo der Reichste wie der Ärmste auf den Titel Bürger stolz ist. Dort lernt Menschen und Bürger werden, dort tragt euer Erbteil hin, dort wendet euere Talente an, um frohe und glückliche Menschen zu werden und um frohe und glückliche Menschen zu machen. Glaubt nicht, Mitbürger! daß ich träume. Nein, in der Tat können wir jetzt so glücklich werden, als es für Menschen möglich ist, wenn wir nur wollen, und alsdenn erst mit Recht auf den Titel eines Wormser Bürgers stolz sein, wenn wir zu der großen Frankenfamilie gehören. Nahrung für Geist und Körper werden wir in Überfluß haben; wir werden, jeder nach seinem Hang, Spiel, Tanz, Jagd und alle unschuldigen Freuden dieses Lebens ungestört und ungekränkt genießen, unsere Kinder werden durch gute auf Kosten des Staates unterhaltene Lehranstalten zu vernünftigen und weisen Menschen gebildet; Witwen, Waisen, Arme und Kranke besser als bisher versorgt, Handel und Gewerbe blühend und weder durch widernatürliche Abgaben noch durch feindselige Nachbarn gehindert oder gestört werden. Unser allerschönstes Gut aber wird nach vollbrachtem Freiheitskampf sein ewiger Friede. Dokument 9 (Stadtarchiv Worms, Abt. 2, Drucksachen I; gedruckt, 31 Seiten, 8°) Rede in der hiesigen Konstitutionsgesellschaft, Schweickhard, Worms 1792

den 16. Dezember 1792 gehalten von dem Bürger

Teuerste Mitbürger und Brüder! Der heutige Tag wird mir immer unvergeßlich bleiben, weilen ich zum erstenmal die Sprache des Herzens öffentlich reden kann, da ich die Kette zerbrochen fühle, die meinen Mund schloß, und ohne Furcht vor der Fackel Domingos und der heiligen Hermandade meine Gedanken in Euren Busen gießen darf. Ich müßte mich sehr irren, wenn ich Euch, liebe Mitbürger, in deren Gesellschaft ich großenteils die Jahre der Kindheit hier in unsrer Stadt zubrachte, nun schon einige 20 Jahr als Mann mit Euch dahinlebe — ich müßte mich sehr irren, sage ich, wenn mich Eure Denkungsart und Euer Biedersinn da täuschen sollte, wo ich voller Erwartungen Eurer Teilnahme für die gute Sache, für Freiheit und Gleichheit entgegensah, wo mich der Gedanke dahinriß und bezauberte: Die Bürger zu Worms entwinden den Franken bei ihrer Annäherung die Fahne der Freiheit und tragen sie mit Jubel auf ihre Zinne, damit alle Bewohner am Vater Rheine ihrem Beispiel folgen sollen; wenn ich nicht

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überzeugt wäre — fünf Gegenstände seien die Beweggründe Eures Zurückhaltens, Eurer Unentschlossenheit — die Lage der verjüngten Natur in dem Schöße Eurer Familie dahinzuschlummern und diese auf Eure Kinder und Enkel bis an die ferne Ewigkeit zu übertragen. Hier muß ich mit dem größten Dichter unsers Jahrhunderts ausrufen: Unselig's Mittelding von Engel und von Vieh, Du prahlst mit der Vernunft und du gebrauchst sie nie. Täuschungen, womit man Euch Wankelmut einflößt, Träume, wodurch ihr in tiefen Schlummer eingewiegt werdet, zerstören Eure Denkkraft, lassen Euch keine Fassung zu, die Euren Geist aufheitern und den mit Vorurteilen sorgfältig gewebten Flor von den Augen nehmen. Ich wage einen Versuch, den Nebel, der Euren Gesichtskreis verdunkelt, zu zerstäuben. I. „Ihr fürchtet: die Religion Eurer Väter sei dem Rande des Grabes nahe, wenn Ihr die fränkische Konstitution annehmet?" Welch ein Wahn! Alle Menschen auf Gottes heiliger Erde haben nur eine Religion; die Natur hat sie zur Unterstützung der gesellschaftlichen Verbindung und Verbrüderungen als Grundstütze, ohne welche keine Gesellschaft bestehen kann, in die Herzen aller Menschen mit dem Griffel der Schöpfung auf ewig eingegraben. Die Habsucht, der Stolz und die Unwissenheit der Priester alter Zeiten haben ihr die Reinigkeit geraubt und sie entweder mit Flittergold überkleckst oder mit einem schmutzigen Kuttel bekleidet. Die Wahrheit — ungeduldig über den Vorhang des Tempels, der sie Jahrtausende bedeckte — trat in der Person Jesus, des Herstellers der von der Allmacht geheiligten Religion, des Aufklärers der Nationen, die ihn kennen und verehren, hervor. Er belehrte die Sterblichen, „daß Gott über alles und den Bruder wie sich selbst lieben" die reine dem Schöpfer bloß allein gefällige Art sei, wodurch man den Zweck unsers Daseins erreichen und die Glückseligkeit hienieden schon durch Ausübung seiner Lehre befestigen könne. Der Erhabne gab dieses Gesetz allen Völkern des Erdbodens: Er gebot es nicht allein dem Juden, dem Lutheraner, dem Reformierten, nicht allein denen Katholiken und Heiden, sondern allen Menschen, die zu seiner Zeit gelebt hatten und in Jahrtausenden noch leben werden. Gehet hin in alle Welt und verkündet die Wahrheit, die ich Euch in den Mund gelegt. Seine Jünger folgten seinem Befehle; sie belehrten die Juden in ihren Synagogen, die Heiden in ihren so mancherlei Gottheiten gewidmeten Tempeln. Der ganz neu vom Himmel zur Erde gebrachte Grundsatz der Gottes- und Menschenliebe 1 wanderte eine Zeitlang in den Gefilden der Natur, ohne sich mit dem Umsturz andrer Religionsgebräuche und Zeremonien zu befassen — bis der Geist des Priestertums sein Haupt emporhob, die allgemeine Duldung aller Arten der Gottesverehrung zertrümmerte und den Irrwahn festsetzte. — Er allein habe die Macht, den Menschen die äußerliche Ausübung ihrer Gottheiligung vorzuschreiben und jede andre zu vernichten. „Das Mönchtum erstand: 2 trat mit dem breiten Hufe der Dummheit die Vernunft, den Funken Gottes im Menschen, aus, zerkratzte mit des Aberglaubens Krallen die Freiheit — des Menschen Merkmale, nahm von der Tugend Zinse — Pfänder aufs Himmelreich von dem Laster."

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Die Fürsten der Erde fanden hierbei ihre Rechnung, das (sie!) Armut wechselseitig auszusaugen; sie und ihre Gehilfen benutzten die Leichtgläubigkeit ihrer sogenannten Untertanen, zogen sie bis aufs Felle aus, zerschwelgten ihren Schweiß, ließen ihr Blut fließen, teilten mit den Priestern die Abgaben des Volks, erkauften sich damit Ablässe auf die ferne Ewigkeit, um — von den Kanzeln herab als Väter des Vaterlandes und der hintergangnen Menschheit angepriesen zu werden; stifteten endlich reiche Bistümer, Abteien und Klöster, um ihre Sünden bei dem Allmächtigen zu versöhnen und nach dem Ende ihres zwecklosen Lebens dem Register der römischen Heiligen einverleibt zu werden. So stand die Sache der christlichen Religion, als ein nach damaligem Zeitalter aufgeklärter Mönch, Luther, sich gegen die Mißbräuche der römischen Legionen bewaffnete, zu Felde zog und den Koloß des Aberglaubens mit einer Standhaftigkeit zu Boden schlug, die ihm Anhänger verschaffte, womit er den Weinberg des Herrn von dem überhand genommenen Unkraut zu säubern imstande war. Dieser legte den Grundstein, auf welchen der Tempel der Sonne gebauet ward, in dessen Heiligtum sich alle versammelten Brüder an ihren Strahlen erwärmen, an deren Glanz die ganze Welt erleuchtet werden wird! Kam Luther nicht! wir alle, schon zögen wir am Äbtenpflug, träten ihre Kelter und kaueten ihren Abgang. Nichtsdestoweniger, liebe Mitbürger und Brüder, muß ich Euch offenherzig beteuren, daß weder dieser Mann noch sein Zeitgenosse Calvin die unmittelbare Ursach waren, warum Ihr Euch Lutheraner und Calviner nennet: Nein! die Fürsten damaliger Zeiten, welche Eure Vorfahren aus Interesse für ihre Habsucht, aus Furcht für Aufklärung des gemeinen Mannes — nun auch unsers Bruders — mit Kriege überfielen, die Fürsten, sage ich, waren diejenigen, welche im Einklänge der römischen Pfaffenfortpflanzung, um alle Christen gegen Euch zu empören und zur Raserei zu bewegen, mit diesem Namen brandmarken wollten. In der Folge freilich war es nötig, diese Namen zum Unterscheidungszeichen beizubehalten, um Euch Eure eignen Hirten geben zu können, die die Herde gegen die reißenden Wölfe verteidigen und gegen die in ihrer Geburt noch nicht erstickten Mißbräuche sichern möchten. Hiedurch also entstand der Gebrauch oder Irrtum, daß wir — Brüder einer Religion — Lehrlinge eines und desselben Meisters — uns in Sekten geteilet haben, von deren eine vor der andern mehr oder weniger Kraft zu haben wähnt, das Himmelreich mit Gewalt an sich zu reißen. O Brüder! lasset diesen Traum denen über, die Euch sagen: „Die Religion Eurer Väter wird vernichtet, sie war bis anher die herrschende hiesiger Stadt; wir haben jeden unsrer Glaubensgenossen gegen andre Religionsverwandte zu schützen getrachtet.3 Wir hatten das Heft in der Hand, um alle anderen außer uns nicht emporkommen zu lassen; Ihr allein wäret diejenigen, aus deren Mitte die Väter dieser H. R. Reichsfreien Stadt gewählet wurden; Ihr wäret die Auserkornen, von denen der Herr sagte: kommet zu meiner Rechten" etc. Ich habe aus der Geschichte dargetan, daß die Religion bloß in Religionshandlungen gegen Gott und Menschen bestehe, daß das Interesse der Großen einer- und die Erhaltung der Unabhängigkeit andrerseits das Unterscheidungszeichen notwendig gemacht hatte, weilen Eure Voreltern voraussahen, daß sie außer diesem Mittel das Joch des Aberglaubens abzuschütteln nicht vermögend gewesen wären. Ich bin weit entfernt, Euch zuzurufen: Leget den Namen Eurer Sekte ab! Nein; behaltet diesen, aber verdammet die Vorurteile, zu denen sie hinziehen, und erwäget, daß, gleichwie Luther und Calvin vor einigen Jahrhunderten die Funken zur Aufklärung der

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Nationen entzündeten, ebensowohl ein Rousseau, Voltaire, ein Helvetius in dem unsrigen auferstehen mußten, um das große Werk des menschlichen Geistes zu vollenden, die Rechte der Menschheit ans Licht zu ziehen und die Völker zu belehren, daß ihre Ansprüche jeder Art ebenso wie jene, welche sie auf die Bedienungen des Staats haben, nicht in der Geburt, nicht auf den Trophäen ihrer Voreltern und nicht auf diese oder jene Religionssekte, sondern bloß auf Verdienste, persönliche Eigenschaften und Tugenden gegründet sein müssen, damit die Handhabung der Gesetze nicht mehr der Willkür eines einzigen überlassen bleibe, der — selbst unfähig, das Ruder des Staats zu lenken — Euch durch Schafsköpfe regieren und schinden läßt. Dies ist das Wesentliche der fränkischen Konstitution, das erhabenste Werk menschlicher Kraft — durch die Freiheit der Wahl Euch jene Männer als Ausüber der Gesetze selbst zu ernennen, die mit Euch gleiches Natur- und Bürgerrecht haben, nur darin von Euch unterschieden sind, daß Ihr ihre persönlichen Vorzüge, welche sie sich durch Fleiß und Anstrengung erworben haben, in ihnen selbst anerkennet. Habt Ihr das Zutrauen zu dem Mitbruder Lutheraner — wählet ihn, oder zu dem Calviner, Katholiken oder Bruder Juden — ernennet ihn, daß er Euch nach dem Gesetze richte, ich bin bereit, ihm ohne Rücksicht auf Religion zu gehorchen; findet Ihr ihn untauglich, habt Ihr Euch in Eurer Wahl betrogen, oder ist er gar strafbar — Ihr habt die Freiheit, die Gesetze darüber anzusprechen und, wenn diese ihn verdammen, einem andern seine Stelle zu übertragen. Oder glaubet Ihr, daß eine Religionssekte allein den Geist Gottes und das Recht habe, über die andern zu herrschen? — Findet Ihr es billig, daß ein Mensch, der in einer andern Kirche außer der eurigen seinen Schöpfer nach seiner Art verehrt, darum von der herrschenden Religionspartei gedruckt, verfolgt und sich zu Tode hungern soll, weilen er andre Grundsätze mit der Muttermilch eingesogen hat? — Hat die provisorische Anstellung der lutherischen Mitbürger Kremer und Widt nicht Euren ganzen Beifall? — Habt Ihr den Verdiensten und Tugenden dieser Männer etwas entgegenzustellen? — Sind diese und andre Anordnungen Eurer Glaubensbrüder nicht deutliche Beweise, daß noch kein Mensch als Leute, von widriger Habsucht und falschem Religionseifer beseelt, die Torheit hatten, Euch den Sturz der Religion mit Feuerfarben zu schildern, um Euch von Annahme der fränkischen Konstitution — Eurer künftigen Glückseligkeit zurückzuhalten? Glaubet ihnen nicht! — Es sind jene Pharisäer, die die Religion im Munde führen, wovon ihr Herz nichts weiß, — glaubet nicht, daß eine Religion oder Sekte, von welcher Art sie sein mag, einigen Anteil an der Beherrschung der Staaten haben kann, sondern laßt Euch durch die Worte des Gesalbten überzeugen, da er sagte: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. II. Worms und umliegenden Gegenden wissen nicht, warum sie sich in das Rote Buch Die Bürger einschreiben sollen. Ich werde dieser Ausweichung — denn was sollte es anders sein — begegnen und, wenn ich irre, mich belehren lassen. Die Unterschrift in das Rote Buch ist das Signal der Verbrüderung, wodurch Unterzeichneter zu erkennen gibt, daß er als treuer Bürger unter Schutz der fränkischen Nation leben und sterben will. Diese großmütige Nation gewähret dem Unterschriebnen die heiligste Sicherheit der Person; sie schützet sein Eigentum, gestattet seinen Geisteskräften die freieste Übung, seinen Gedanken und Meinungen und Schlüssen den ungehemmtesten Umlauf; er darf denken, wie es sein von der Natur so und nicht anders organisiertes Wesen mit sich bringt, und er darf

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sagen, was er denkt, damit er auch erfahre, ob andre mit ihm oder verschieden von ihm denken; seine Stimme, die er zu Vollstreckung der Gesetze seinen Obern gibt, ist frei und unbeschränkt; er ist ein Mitwählender und kann selbst gewählet werden; er hat die Mittel in Händen, seinen Mitbürgern Vorschläge zum allgemeinen Wohl vorzulegen und sie unterstützen zu helfen; der unterzeichnete Reiche hat keine Vorzüge vor dem Armen, und der Hochwohlgeborne wird neu geboren, bekömmt das Bürgerrecht, sobald er Mut und Wille hat, die Vorzüge desselben anzuerkennen. Dahingegen diejenigen, welche die Zeit des Heils untätig mit Glossen, Zweifeln und Mißtrauen vorüberschwinden lassen, sich selbst zuschreiben müssen, wenn sie geradezu mit entgegengesetzten Maßregeln als Sklaven behandelt werden, denen weder die mächtige Nation der Franken noch ihr Stellvertreter, der menschenfreundliche Custine, einige Linderung gegen das Gesetz angedeihen zu lassen vermag. Ein Federzug! und Ihr seid frei, genießet den Schutz der Gesetze, deren Grundpfeiler von der Gerechtigkeit und Menschenliebe unterbauet sind. Die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit hat das Zutrauen zu Eurer Klugheit; in dieser Rücksicht hat sie einstimmig die Motion unsers Mitbürgers Endemann unterstützt, vermög welcher derselbe in einer vorherigen Sitzung darauf antrug, das Schwarze Buch gänzlich, als der Ehre der rheinischen Bürger nachteilig — zu kassieren. Gewöhnt, von denselben die besten Gesinnungen zu hegen, stimmte auch ich bei; hoffe: die rohen Zeiten ihrer ersten Jugend — wo man Tand für Wahrheit ansieht — sind vorüber gerauscht, haben durch Erfahrung, Kultur und Beispiele andrer Völker endlich den Zeitpunkt erreicht, wo sie ihrer Vernunft mächtig und stark genug geworden sind, den Schlamm alter Vorurteile und Wahnbegriffe abzuschütteln. III. Vielen unter ihnen ist der Zweifel beigebracht worden, ob bei Annahme der fränkischen Konstitution auch etwas %tt gewinnen sei. Ihr wollet schon da ernten, wo Ihr nicht gesäet habt? Nein! die wenigsten Bürger von Worms, deren wallendes Blut ihre Adern durchglüht, sind dieser niedrigen Denkungsart fähig. Die Habsucht lebt in den mit verpesteten Dünsten und Sümpfen umgebnen Palästen, und der Geiz wird entweder durch Beispiele — mangelhafte Erziehung — dem Geiste der Jugend eingeprügelt, oder er beziehet dann erst die Wohnung hagerer Gerippe, wenn deren Blutumlauf bereits stocket, nur noch durch schwache Kunst zwischen Welt und Ewigkeit dahin schwebend — bei dem letzten Wucherkontrakt die Seele aushaucht. Der Zweifel also, ob bei Annahme der fränkischen Konstitution etwas zu gewinnen sei, betrifft nicht sowohl die guten Bürger der Stadt Worms und umliegenden Gegend als jene Blutigel, die bisher durch niederträchtige Kunstgriffe unterm Schutze des Despotismus die Habe des Bürgers und Landmanns an sich zu reißen wußten — nunmehr selbst einsehen, daß bei der neu einzuführenden Verfassung der Erwerb des Bürgers nicht mehr den Klauen dieser Raubtiere zu Gebote stehe, um das schändliche Gewerbe der feilen Gerechtigkeitspflege fortzuführen, ihrem Gaumen und allen Arten von Wollüsten zu schmeicheln und so das Mark des Bürgers und Landmanns auszumergeln. Sie sehen ein, daß der Stab des Staatsruders, nun den Händen der Menschheit anvertraut, für sie auf ewig gebrochen wird. Hierüber ergrimmt, spieglen sie Euch vor, daß bei Annahme der fränkischen Konstitution Euer Los noch nicht entschieden sei, ob Ihr etwas dabei gewinnen könntet, ob nicht

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vielmehr die Waagschale der alten Opferpfennige die neuen von Glockenspeiß gemünzten Geldsorten aufwiegen müßte. Die Berechnung des Gewinns oder Verlusts über einen zu treffenden Handel läßt sich durch Ziffern entwicklen — die Umwälzung eines Staats, welcher vom Despotismus zu einer freien Republik übergeht, bedarf keiner Bilanz des passiven und aktiven Zustandes der Menschheit; erster ist leidend, der andre tätig — der Despotismus befiehlt seinen Unterjochten: das mußt du leiden, weil ich es haben will — der Republikaner erwidert: ich gehorche bloß den Gesetzen, welche die Aufrechterhaltung des Staatskörpers bezwecken, der in einer einzigen Familie oder Geschlecht besteht, zu dessen Glückseligkeit wir alle beitragen und dessen Sturz wir mit vereinten Kräften verhindern. Ein einziges Beispiel wird hinreichend sein, den Gewinn oder Verlust bei Annahme der Konstitution ganz klar berechnen zu können. Es Hegt in der Art der Gerechtigkeitsverwaltung über das Mein und Dein jeden Bürgers. Diese war und ist noch so erbärmlich für den größten Teil der Bürger Deutschlands zusammengestümmelt, daß die Widersprüche in unsren Gesetzbüchern die Geduld und Spitzfindigkeit heutiger Rechtsgelehrten noch üben; die Sammlung älterer Gesetze veranstaltete der römische Kaiser Justinian. Er flickte neue hinzu, und so entstand ein Buch (Codex) im Jahr Christi 529 — im Jahr 533 erschienen die Pandecten oder ein Auszug desselben. Diese zwo Bücher waren außer den Verordnungen und Landrechten der Maßstab aller Rechtsgelehrten und Rechtsverdreher, aller Richter, Advokaten und Rabulisten, die sich um den Beutel ihrer Klienten lagerten und über 1200jährige Gesetze sich herumbalgten, welche die Notwendigkeit, ein sinkendes Reich — wie damals das römische war — vor seinem gänzlichen Umsturz auf eine kurze Zeit statt des schwachen Degens mit dem Federkiele zu bewahren, hervorbrachte. Den Deutschen wurde diese römische Gesetzuniform, welche sie weder vor Kälte schützte noch gegen die Hitze bedeckte, aufgedrungen; sie wurden in den Gerichtsbuden über den nämlichen Kamm wie die Römer vor einem Jahrtausend geschoren; die Verhältnisse, Sitten, Gebräuche möchten sein, welche sie wollten; die Prozesse dauerten ewig, der Bürger zahlte immer, die Richter und Advokaten schrieben und schrieben — für die Gebühr; beede Parteien wurden an Bettelstab gebracht, und dann — war der Prozeß zu Ende. Nicht so bei der neuen Frankenkonstitution, wo der Bürger selbst der Schöpfer seiner Gesetze durch Repräsentanten ist, wo die Gesetze — auf Freiheit und Gleichheit gegründet — keiner andern als buchstäblichen Auslegung bedürfen, die auch dem unstudierten Teile des Volks begreiflich sind, und — wo die Aussprüche der Gerechtigkeit von den Lieblingen der Bürger, die sie dazu gewählet haben, umsonst und öffentlich entschieden werden. Dieser einzige Punkt, liebe Mitbürger, wiegt schon alle Gründe auf, die man Euch zum Abscheu und Warnung gegen die Annahme der Konstitution eintrichtert. Diejenige Konstitution also, welche die Gerechtigkeit umsonst zu verwalten befiehlt, ist nach allen diesen unwiderlegbaren Voraussetzungen unstreitig besser, als unsre bisherige war. Sie bietet Euch Kapitalien an, von deren Zinsen — wie der große Heinrich IV. sagte — jeder Bürger und Landmann alle Sonntage sein Huhn im Topfehaben und sich gütlich dabei tun kann; zuvor aber Kapitalien aufnehmen und Zinse zahlen mußte, um seine Richter zu schmieren und die Schrift dem Advokaten bezahlen zu können. Dies ist nur ein einziger Gegenstand, welcher allein — hätte auch die fränkische Konstitution, mit der unsrigen verglichen, keine andre und mehrere Vorzüge — die Glückseligkeit eines ganzen Reichs befördern kann und jeden Bürger, der gegen den Staat

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und seine Brüder, gegen sein Weib und Kinder gute Gesinnungen hegt, anspornen muß, sich für dieselbe zu erklären. Dies wäre schon recht — und wir wollten die Freiheit gerne annehmen sagen viele unter Euch. IV.

Aber die östreicher und Preußen sollten uns dafür die Haut überm Kopf wegziehen. Ich beziehe mich hier auf das, was unser Mitbürger Endemann in seiner vortrefflichen Rede am 15. November auf dem 12. und folgenden Blatt bereits gesagt hat, und hoffe, meine Zuhörer werden mir es danken, wenn ich diese hieher passende Stelle wiederhole, die, wie ich erachten muß, schon wieder vergessen ist. Er hebt diesen vierten Einwand folgendermaßen: „Zuerst setzet fest, daß wir Frankreich durch Eroberung zugehören, und als Eroberte von den Franken müssen wir entweder tun, was sie haben wollen, oder dürfen tun, was sie uns erlauben; da sie als freies Volk nicht befehlen, sondern freien Willen lassen, so sind wir doch wahrlich keine Rebellen, wenn wir die Großmut der fränkischen Nation benutzen. Darüber sollten uns die kaiserlichen und preußischen Truppen mißhandeln? Dies ist nicht möglich, weil wir denselben Gerechtigkeit zutrauen. Von ihnen aber behaupten: sie würden diejenigen, welche sich in das Freiheitsbuch einge schrieben haben, alle hängen, die andern von Haus und Hofe wegjagen, dies nur von den Kaiserlichen und Preußen sagen, heißt sie weit mehr beschimpfen, als den natürlichen Wunsch nach Freiheit äußern und öffentlich seine Meinung zur Erlangung derselben sagen; dies heißt: ihnen alle Gerechtigkeit absprechen; dies heißt: diejenige[n], welche die Pflicht auf sich haben, unsre Brüder zu sein, als Feinde, als Tyrannen ausschreien; dies heißt: behaupten, sie seien Sklaven und wollten alles in der Sklaverei behalten. Ich für meinen Teil will lieber in der Konstitutionsgesellschaft die Kaiserlichen und Preußen erwarten, als so etwas von ihnen behaupten. Gesetzt aber auch, welches ich in alle Ewigkeit nicht glaube, die Kaiserlichen und Preußen würden uns strafen, weil wir keine Sklaven mehr sein wollen, so können sie es doch nicht eher tun, als sie uns haben." Bis hieher hat unser Mitbürger Endemann Euch die Sache im sittlichen Verstand vorgetragen oder eine Erläuterung gegeben, wie die Kaiserlichen und Preußen — wenn sie uns wieder eroberten — uns behandlen müßten. Um die Furcht hierüber gänzlich bei Euch zu ersticken, muß ich noch folgendes beifügen : Die Kriege des Kaiserhauses, welcher wir seit dem Regierungsantritt Josephs II. fünfe, nämlich wegen Bayern, der Scheide, Türkei, Brabant und itzt Frankreich zählen, haben mit Desertion, Krankheiten und Getöteten eine Anzahl Menschen, wenigstens 600 Tausend an der Zahl, diesem Staate entrissen, ohne diesem sonst mächtigen Hause außer einem kleinen Abriß von Bayern und einigen Scheide-Millionen etwas genutzt zu haben. Die Staatsschulden dieses Hauses sind kein Geheimnis: Nach dem Tode Theresiens waren selbe über 200 Millionen Kaisergulden; der Türkenkrieg kostete nicht viel weniger; vier Königskrönungen — ohne Staatserholung (Respiration) so geschwind aufeinander — nahmen ungeheuere Summen hinweg, und die Ausgaben zu Bestreitung der itzigen Fehde mit der Frankennation waren schon und sind noch unermeßlich. Wenn man also den Mittelweg geht, so ist es so gut als entschieden, daß Ostreich

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wenigstens 3 bis 400 Millionen Kaisergulden, sohin mehr als Frankreich zu bezahlen und wegen den Gütern des Adels und der Klerisei, ohne solche aufzuheben und zum Besten des Staats verwenden zu können und dadurch eine französische Revolution zu bewirken, in merklich ungleichem Verhältnis stehe. Preußen hat sich durch die Politik Ostreichs in einen unverzeihlichen Streit mit den Franken gemischt, den es mit der Zeit ganz sicher bereuen und die Folgen davon in seinen Eingeweiden spüren wird. Ich kann dessen erlittne Zufälle, den Jammer und das in Champagne erüttne Elend dieser sonst braven Soldaten nicht malen, es gibt keine Farben dafür; und hätten die Franken so wenig Menschlichkeit in ihrem Lande gegen die Preußen als die Frankfurter Janhagel in seiner [I] Stadt gegen die Franzosen erwiesen, so wäre itzt kein Preuße zu sehen und die Adventsfeier zu Frankfurt unterblieben. Noch kürzlich wagten die vereinten Preußen und Hessen einen fürchterlichen Angriff gegen Königstein, deren Festung nur 400 brave und freie Franken verteidigen. Sie wurden mit Verlust zurückgeschlagen. Die Ostreicher laufen scharenweis zur Freiheit über, und in Preußen? Sollte dessen König noch einen Feldzug wagen wollen? In seinen Staaten glimmt ein Revolutionsfeuer, dessen Asche, wenn sie nicht ein Friede löscht, auch den Flugesand befruchten muß, in dessen Boden der Baum der Freiheit gedeihen wird. Mitbürger und Brüder! Die Neufranken sind jene Franzosen nicht mehr, welche vor 100 Jahren die Tyrannen der am Rheinufer wohnenden Menschheit waren; sind jene Lohnknechte nicht mehr, deren Befehlshaber, durch die Feilheit königlicher Maitressen bestochen, ihre Soldaten auf die Schlachtbank führten — und davonflohen. Wir hatten ihre Enkel in unsre Mauren aufgenommen, sie waren nicht um ein Haar besser denn ihre Großväter, nur an Macht gebrach es ihnen, uns so zu behandlen, wie sie ihre Sklaven behandelt haben. Welche Heldentaten haben sie verrichtet? Sind sie nicht samt den Östreichern durch die unüberwindliche Macht der Neufranken aus den Niederlanden gejagt worden? Nun wanken sie umher, haben ihre Horden verlassen und sind der Verachtung — selbst der deutschen Armeen — preisgegeben. Unsre Frankenbrüder fechten nicht mehr für den beleidigten Stolz einer Königsmajestät. Nein! die Tapferkeit ihres Arms ist für Freiheit der Völker des Erdbodens aufgehoben, und wir haben in keinem Betracht etwas von den Waffen der deutschen Über-Rheinler zu befürchten. Wollten diese einen Versuch machen, zwischen Landau und Mainz über den Strom zu gehen, würden sie da nicht ihre beiden Flanken unsern Eroberern, den Rücken dem Wasser preisgeben? Welcher gesunde Menschenverstand wird dies behaupten wollen, ohne zugleich denselben alle Kriegswissenschaften abzusprechen? Überdies das ganze diesseitige Rheinufer von Landau bis Bingen, von da der ganze Hunsrück mit häufigen Truppen und Kanonen verkettet ist, die das Eindringen einer noch so starken Armee unmöglich macht. Fasset Eure Verstandskräfte zusammen, liebe Brüder! und lernet endlich einsehen, daß je ehnder Ihr zur Fahne der Freiheit übergehet, desto geschwinder Eure Seele der sanften und heitern Ruhe genießen werde, die nur allein in dem Herzen eines freien Mannes wohnen kann. Vergesset nicht, Deutsche zu sein, aber machet Eurem Blut keine Schande! Verachtet die Kannibalen des Mainstroms und vertilget auf ewig ihren deutschen Brüdernamen in Euren Herzen, dessen sie sich unwürdig gemacht haben — reicht unsern Franken-

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brüdern die Hände, und Eure Furcht wird sich in einen Mut verwandeln, wodurch Ihr hinreichende Stärke fühlen werdet, jedem falschen Eindruck zu widerstehen und der Freiheit würdig zu sein. Noch ein Beweggrund Eures Weilen benaget Euer Herz. V. Die Furcht vor dem Soldatenstand. Die Nationalkonvention zu Paris hat im Namen der französischen Nation am 10. vorigen Monats erklärt: „Daß sie allen Völkern, die sich ihre ursprüngliche Freiheit wieder erwerben wollen, brüderliche Liebe und Unterstützung zusichere." Wenn Euch also eine Nation von 25 Millionen Menschen ihren Schutz anbietet — will sie damit verstehn, daß Ihr Soldaten werden und Euch selbst schützen sollt? Habt Ihr schon ein Gesetz gelesen, welches den Bürgern in Frankreich gebietet, Soldaten werden? Erinnert Ihr Euch nicht, daß beim Eindringen der deutschen Armeen die Nationalkonvention dekretierte: daß das Vaterland in Gefahr sei? Enthielt dies Dekret, die Bürger sollten zum Dienst, zu Rettung des Vaterlands ausgehoben und als Krieger gegen die Feinde angeführt werden? Auch hier hat man Euch zu täuschen gesucht. Ich will Euch reine Wahrheit sagen. Solange dieser Krieg gegen die deutschen Fürsten währt, zwingt Euch die Nation nicht, die Waffen zu ergreifen. Sobald aber ein allgemeiner Friede den lachenden Feldern der Flur zur Blüte winkt, dann trifft der Grundsatz ein: daß ein wohleingerichteter Staat sich im Frieden zum Kriege vorbereiten müsse. Es werden sodann Einrichtungen getroffen, daß das 85. Departement des Rheinstroms, welches wir unterm Schutze des Himmels und der Fürsprache des edlen Bürgers und Generals Custine zu werden hoffen, eine stehende Armee auf die Beine bringe, die aus lauter freiwilligen Menschen zum Schutze des Vaterlands und Nutzen der Bürger errichtet wird. Jeder Zwang ist gegen die Gesetze, die sich die Nation, wie gesagt, selbst gibt; wenn also das Gesetz den Zwang zum Soldatenstand nicht gebietet, wer will Euch dazu nötigen, da keine andere Kraft als die Macht des Gesetzes über Euch herrscht! Überdies könnt Ihr deshalb ganz außer Sorge sein. Unsre Frankenbrüder können und werden eher nicht an Eurer Seite fechten, bis Ihr, eine Zeitlang der Sklavenkette entwöhnt, frei denken und handeln lernt. „Wer nicht weiß, frei zu leben, hat auch den Mut nicht, fürs Vaterland zu sterben." Ich höre Euch sagen: „Die Franken selbst gingen zugweis nach Haus und würden gezwungen zu ihren Regimentern zurückgebracht. Man sieht also klar, daß sie nicht freiwillig dienen." Diese Franken sind des Gesetzes noch so unkundig wie Ihr, meine Brüder, sie sind alle freiwillig Soldaten geworden, nur haben sie sich verbunden, auf gewisse Zeit der Nation zu dienen; diese Kapitulation ist ein Kontrakt zwischen der Nation und dem Bürger, welcher erfüllt werden muß. Das Gesetz also, nicht der Zwang, hält ihn an, seine Pflicht zu erfüllen, bis der Kontrakt zu Ende ist. Ich will nun einmal auch den Fall annehmen — was vor Ende des Kriegs nicht zu denken ist — die Stadt Worms soll eine Kompanie errichten wollen oder müssen, um ihre Eltern, Verwandte, Weib und Kinder, Eigentum und Habe in Verbindung mit den Franken zu verteidigen. Wie? Sollte das Blut ihrer Voreltern nicht mehr in ihren Adern wallen, deren Kriege und glänzende Taten die Geschichte uns aufbewahret hat? Sollen sie die unechten Ab-

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kömmlinge fremder Stammväter sein? Oder sollte das Joch der Sklaverei ihren Nacken so tief herabgebeuget haben, daß sie beim Luftschlag einer Windmühle sich ungeheuere Riesen dächten, deren einer eine gan2e Schwadron mit einem Hiebe in kleine Stücke zerhauen könne? Nein! ich habe höhere Begriffe von ihrem Mute und traue ihnen zu, daß die mehresten mit mir ausrufen: Wer nicht für Freiheit sterben kann, Der ist der Kette wert, Ihn peitsche Pfaff und Edelmann Um seinen eignen Herd. 1 Die in den Mysterien der Griechen Eingeweihten kannten ihn schon. 2 Haschka. 3 Wie der Bischof zu Worms die seinige. Denn in allen Gerichtsstellen war kein Katholike, nur ein lutherischer Advokat hatte das Glück, beim Hofgericht die Rechte der Römischen Gesetze verdrehen und auslegen zu dörfen.

Dokument 10 (Stadtarchiv Worms, Abt. 2, Drucksachen I; gedruckt ohne Orts- und Jahresangabe, 16 Seiten,

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Abhandlung über Freiheit und Gleichheit für die Bürger von Worms und der umliegenden Gegenden von Beyer Bürger! Ich habe mir vorgenommen, eine Abhandlung über die Freiheit zu liefern. Die Überzeugung, daß man eine gute und nützliche Sache nicht oft genug wiederholen kann, daß besonders Freiheit und Gleichheit als Grundlage der fränkischen Staatsverfassung nicht ausführlich genug beschrieben und bestimmt werden kann, und zudem die traurige Erfahrung, daß auch diejenigen, die wirklich frei sind und sein wollen, den wahren Begriff von Freiheit nicht haben, haben mich zu diesem Unternehmen veranlasset. Ich will versuchen, inwiefern meine Begriffe über diesen Gegenstand hinreichen, und will mich bemühen, ihn denselben gemäß soviel als möglich genau und bestimmt zu bearbeiten. Ich betrachte die Freiheit in einem zweifachen Gesichtspunkt. 1) Insofern sie nur einzelne von allen gesellschaftlichen oder bürgerlichen Verbindungen abgesonderte Menschen betrifft. Diese nenne ich die persönliche Freiheit. 2) Insofern sie solche Menschen betrifft, welche mit andern in einer Verbindung stehen und dadurch ein Glied einer Gesellschaft oder eines Staats ausmachen. Diese nenne ich die Gesellschafts- oder Staatsfreiheit. Die Erklärung über das Wort Freiheit besteht in der Erlaubnis oder Freiheit, zu denken, zu reden, zu schreiben und drucken zu lassen, kurz, in der Erlaubnis, alles zu tun, was einem andern nicht schadet und deswegen verboten ist. Jetzt zerfällt aber auch diese Erklärung in zwei Abteilungen. Die persönliche Freiheit besteht in der Erlaubnis, alles ohne Einschränkung zu tun, insofern es die körperlichen und Geisteskräfte und die natürliche Klugheit eines einzelnen

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von aller Verbindung abgerissenen Menschen zulassen. Die Gesellschafts- oder Staatsfreiheit aber besteht in der Erlaubnis, alles zu tun, was einem andern nicht schadet oder was nicht verboten ist. Jener ist bloß durch den Mangel oder das Unzureichende seiner Kräfte eingeschränkt; dieser aber findet für gut, sich gewissen Regeln oder Vorschriften zu unterwerfen, von denen er überzeugt ist, daß ihre Erfüllung zur Erhaltung seiner Gesellschaft oder seines Staats unumgänglich notwendig ist und daß ohne solche (nämlich insofern sie erfüllet werden) keine Gesellschaft und kein Staat bestehen kann. Wer also ohne alle Bedingnis handeln will und sich nicht freiwillig und mit Überzeugung zur Befolgung gewisser notwendigen Vorschriften verbindlich machen will, wer glaubt und sich nicht belehren läßt, daß ein freier Mensch ohne Rücksicht auf den Schaden und Nachteil seines Nebenmenschen handeln könne, der gehe in eine Einöde, dort genieße er die persönliche Freiheit, deren Ausübung dem Staate schädlich ist. Ich handle nun von der persönlichen Freiheit. Wenn ich mir einen persönlichen freien, das ist einen von aller gesellschaftlichen oder bürgerlichen Verbindung abgesonderten Menschen denken will, so kann ich mir ihn nicht anders vorstellen als wie ein Stück Vieh, welches in der Wildnis herumlauft, welches nur seinen natürlichen Trieben nachgehet und um alles andere unbekümmert tut, was es will und was ihm seine Kräfte und Fähigkeiten zulassen. Der Mensch in einem solchen Zustande genießt nicht mehr als dieses Wild, ja er ist in gewissem Betracht noch weit unglücklicher, denn er hat tausend Bedürfnisse, welche das Vieh nicht kennet, und eine Menge unangenehmer Ereignisse und Begegnungen zu überwinden, welche das Vieh nichts angehen. Er ist in diesem Zustand von Freiheit nicht wirklich frei, sondern in Ausführung seines Willens noch mehr gehindert als der, der sich den Gesetzen bürgerlicher Freiheit unterworfen hat. Es gibt beim einzelnen Menschen tausend Hindernisse, welche sich ihm bei seinen Handlungen in den Weg stellen und welche zu entfernen weder seine körperlichen und Geisteskräfte hinreichen, da in einem nach den Gesetzen der Natur gut eingerichteten Staat ein Glied dem andern in seinen Verrichtungen hülfreich an die Hand gehet. Ich will dieses durch ein Beispiel zu erläutern suchen: Der in einer Einöde abgesonderte, der persönlich freie Mensch kann sich eine Hütte bauen wollen; insofern ist er frei, es ist nichts oder niemand da, der ihn davon abhalte; es stehet ihm auch frei, wohin er sie bauen will. Wenn er aber Materialien dazu nehmen will, welche anzuwenden wegen ihrer Größe oder Schwere seine Kräfte nicht hinreichen, so hat ihm hier die Natur ein Verbot gemacht, das heißt: du sollst diesen Baum, diesen Stein zur Erbauung deiner Hütte nicht anwenden, weil du als ein einzelner Mensch die Kräfte dazu nicht hast. Sein Wille muß also hier auf seine Kräfte sich einschränken. Es versteht sich daraus, daß ich nicht von Willensfreiheit rede, sondern von der Freiheit zu denken und zu handeln, das heißt von der Ausführung des Willens. Ferner ersieht man daraus, daß auch persönliche Freiheit gewisse Grenzen hat oder gewissen Gesetzen unterworfen ist und also der Mensch in keinem Zustand vollkommen frei sein kann. Soweit von persönlicher Freiheit. Nun von Gesellschafts- oder Staatsfreiheit. Man glaube ja nicht, daß der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft oder als Bürger eines Staats weniger frei sei als ein anderer von aller Verbindung abgesonderter. Seine Freiheit leidet nicht das mindeste mehr Einschränkung als die eines Einsiedlers, — denn die Klugheit verlanget von ihm, und es ist sein freier Wille, weil er ein Glied eines Staats ausmachen will, daß er die Bedingnisse annimmt und erfüllt, welche zu ungestörter Erhaltung desselben notwendig sind.

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Die Freiheit eines Staatsbürgers bestehet nicht in Gesetzlosigkeit, sondern in dem ruhigen und ungekränkten Genuß seines Lebens und in dem ungestörten Besitz seines Eigentums; und dazu müssen in einem freien Staat passende Verordnungen vorhanden sein, welche jeder, wenn er Verstand hat, zu seinem eigenen Vorteil und seinem Mitbürger zum Beispiel erfüllen wird. Es ist daher lächerlich, wenn einer deswegen, weil er in einem freien Staate wohnet, behaupten will, daß er berechtigt sei, zu tun, was er will, ohne Rücksicht zu nehmen, ob seine Handlung seinem Nebenmenschen nicht kränkend oder schädlich seie, indem er noch selbst verlanget, daß man ihn in allen Stücken unangetastet lassen solle. Ich will hier einige Beispiele anführen, um zu zeigen, was für falsche, abgeschmackte und lächerliche Begriffe sich viele Menschen von der bürgerlichen Freiheit machen. Zum Beispiel ein Mensch, der mit andern in Verbindung lebt und leben will, spricht oder denket: ich will mir hier auf diesen Platz ein Haus bauen, und stehet schon im Begriff, es auszuführen; es macht ihm aber ein anderer die Einwendung, daß er ihm dadurch die Einfahrt in seinen Hof versperre. Ha! spricht der erstere, das bekümmert mich nicht, ich kann tun, was ich will, denn ich bin frei. Der andere erwidert ihm aber, höre du, wenn wir beisammen an einem Ort friedlich und einträchtig leben wollen, so darf keiner etwas tun, was dem andern hinderlich oder schädlich ist. Ich sehe, daß du nicht weißt, was Freiheit ist. Siehe, ich will dir eine Lehre geben; wenn du ein guter und ruhiger Bürger sein willst, so merke dir nur dieses: Bedenke, daß du als Bürger das Deinige zur Erhaltung der Ordnung und Ruhe des Staats beitragen mußt; ehe du also etwas tust, so bedenke allemal, ob es einem andern nicht schädlich sein wird, und damit du weißt, wie unangenehm es einem andern ist, wenn du ihm etwas zuleide tust, so erinnere dich recht oft an das Sprichwort: was du nicht willst, das dir die heute tun sollen, das tu du ihnen auch nicht. Nach diesem Sprichwort kannst du alle deine Handlungen prüfen, ob sie einem freien Staatsbürger nützlich oder schädlich sind. Ebensowenig ist es einem freien Bürger wohlanständig, wenn er in einer Gesellschaft sich durch einen unanständigen, schmutzigen oder sonst auffallenden Anzug oder durch ein anderes unangenehmes oder beleidigendes Betragen sich auszuzeichnen wegen übel verstandener Freiheit berechtiget glaubet. Ein Bürger muß gesittet und bescheiden sein und muß wissen, daß die Freiheit nicht in Gesetzlosigkeit und ordnungswidrigem Betragen bestehet. Wäre es zum Beispiel nicht töricht, wenn ein Perückenmacher, welcher in seinem Puderrock in eine öffentliche Gesellschaft gekommen ist, sich beschweren wollte, daß man ihn hinausgehen heißet? Er ist hier in doppeltem Betracht schädlich, denn erstlich verdirbt er andern, welche er berühret, ihre Kleider, und zweitens macht er an dem Ort, wo Stille herrschen soll, dadurch ein Geräusch, daß andere deswegen ihm auszuweichen suchen. Seine Freiheit leidet dadurch gar nichts, denn seine Person kommt hier nicht in Anschlag, sondern nur sein Puderrock. Hieraus folgt, daß gute Sitten, gute Aufführungen und billige Denkungsart einem freien Bürger Ehre machen und der dieses Namens nicht wert ist, welcher zwar die Freiheit genießen will, aber durch seine unschickliche Aufführung andere im Genuß derselben störet. Allein das Glück eines freien Staats bestehet nicht allein in dem gesitteten und wohlanständigen Betragen der Glieder desselben, sondern es werden zudem noch Verordnungen und Gesetze erfordert, welche auf das Beste des Staats abzwecken und welche jedes Mitglied desselben ohne Unterschied und Ausnahme befolgen muß, wenn es haben will, daß alles ruhig und ordentlich zugehen und bestehen solle. Solche Gesetze beziehen sich 1) Auf sich selbst und auf ihre eigene Art und Beschaffenheit. Sie müssen nämlich auf

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das einzelne und allgemeine Wohl abzielen, und es darf nichts fehlen, was zum vollkommenen Glück und Genuß der Freiheit erfordert wird. Sie müssen so sein, daß sie der freie Staatsbürger auch halten kann, ohne sich Schaden zu tun; ihr Verlangen darf seine Kräfte nicht übersteigen, sie dürfen ihm keine Unbilligkeit oder Ungerechtigkeit zumuten. Kurz, damit die Gesetze durchgängig gut und auf alle Umstände anpassend seien, so muß der Staat, für den sie bestimmt sind, sie selbst gemacht haben, und es muß von seinem Willen abhängen, wem er die Verwaltung derselben anvertrauen will. Denn es weiß ein jeder selbst am besten, was ihm gebricht, und er selbst kann am besten die Mittel dazu ausfindig machen. Nicht zu gedenken, daß jeder freie Bürger seinen freien Willen haben muß und nicht schuldig ist, sich unter die Gesetze zu schmiegen, welche ein anderer nach seinem Wohlgefallen für ihn gemacht hat, wenn er nicht gerne will, weil er einsiehet, daß sie für ihn passen, oder wenn er nicht gerne ein Sklave sein will. — 2) Beziehen sich die Gesetze eines freien Bürgers auf die Sicherheit und Beschützung des Eigentums sowohl unter den Gliedern des Staats selbst als auch gegen andere, welche diesen an seinem Eigentumsrecht kränken wollen. Es ist also die Pflicht eines freien Bürgers, das Eigentum seines Mitbürgers nicht nur nicht zu verletzen, sondern auch zur Beschützung und Erhaltung desselben das Seinige beizutragen und durch Aufstellung dahin abzielender Gesetze dieses erste notwendige Erfordernis des geselligen Lebens zu bestätigen. 3) Beziehen sich die Gesetze eines freien Bürgers auf die Verwaltung der Gerechtigkeit, welches die Absicht hat, daß Bürger untereinander nicht berechtiget sind, Zwistigkeiten selbst zu schlichten, weil weder der beleidigte noch der beleidigende Teil sein eigner Richter sein kann. Dazu hat ein freier Staat sich Männer ausgewählt, welche die Gesetze nach der vom Volk in Händen habenden Gewalt, nach den Grundsätzen von Freiheit und Gleichheit verwalten; und dieses muß öffentlich, nicht in verschlossenen Türen geschehen, denn es gebühret dem Bürger das Recht, bei jeder Gelegenheit zu untersuchen, ob die vom Staat eingesetzten Verwalter seiner Gesetze ihren Vorschriften vollkommen gemäß handeln oder nicht. 4) Beziehen sich die Gesetze eines freien Staates auf die Einrichtung der Staatsbeiträge, daß diese nicht unnötigerweise vergrößert werden und den weisen Absichten eines solchen Staats angemessen seien; daß sie alle Staatsbürger ohne Ausnahme und ohne Unterschied treffen und keiner ein Recht habe, sich davon auszuschließen. Die Notwendigkeit, daß ein jeder Bürger das Seinige nach dem Verhältnis seines Vermögens in die Staatskasse beitrage, ist gar leicht einzusehen, denn diejenigen Bürger, welche mit der Erhaltung des Staats beschäftiget sind, die Verwalter der Gesetze und andere öffentliche Ämter bekleidende Personen, Kirchendiener, Schullehrer und dergleichen, ferner die, welche zur Beschützung des Eigentums und zur Verwahrung desselben gegen äußere Gewalttätigkeit dienen, müssen aus der Staatskasse bezahlt werden, weil ihr Amt und Beruf sie hindert, ihren Lebensunterhalt selbst zu erwerben; zudem müssen aus der Staatskasse alle öffentlichen zum Vorteil des Allgemeinen gehörige Bauwesen, als Kirchen-, Schulen-, Straßen- und Wasserbau u. d. g. bestritten und allerlei öffentliche Anstalten errichtet und unterstützet werden, damit kein Bürger auf irgendeine Art leide. 5) Beziehen sich die Gesetze eines freien Staates auf vollkommene Gleichheit der Stände, denn die Gleichheit ist mit der Freiheit unumgänglich notwendig verbunden, weil ohne die Vereinigung derselben eine vollkommene Freiheit und eine vollkommene Gleichheit der Glückseligkeit und der Achtung aller Staatsbürger unmöglich ist und weil ohne sie es geschehen müßte, daß ein höherer Stand in Ansehung der Gerechtigkeit

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und Besetzung der Ämter einem niederen vorgezogen würde, daß er diesen mehr oder weniger bedrücken und endlich sich einfallen lassen möchte, das Recht der Gesetzverwaltung sich anzumaßen, den Staat auf allerlei Art zu mißhandeln oder gar sich zum Oberhaupt desselben emporzuschwingen. Der Adel hat von jeher die deutlichsten Proben davon gegeben. Daher hat die fränkische Nation für nötig befunden, die Menschheit entehrenden, dieser höheren Menschenklasse vor ihren Mitmenschen zukommenden Rechte aufzuheben und den geerbten Adel selbst zu vertilgen, weil es der Natur zuwider ist, in der Überzeugung, daß der, den nicht Geburt, sondern nur Verdienste adeln, auch Kopf und Herz besitzet, daß er auf diesen Vorzug sich eigenmächtig nichts zu gut tut. Eben daher ist es in einem freien Staate notwendig, daß alle Bürger gleiche, ihrem Vermögen angemessene Abgaben geben, daß niemand davon ausgeschlossen werde und keine sogenannte Personalfreiheit stattfinde; daß vor dem Richter in Erlangung der Gerechtigkeit und in Erledigung der Strafen von demselben keiner vor dem andern das geringste Vorrecht oder Nachsicht genieße; ebensowenig als dem Reichen vor dem Armen irgendein Vorzugsrecht auf Erhaltung öffentlicher Ämter und Gerichtsstellen verstattet wird. Diese Gleichheit darf aber nicht übel verstanden werden, sie beziehet sich nur auf Gleichheit als Mensch und als Bürger und verstattet keineswegs, daß z. B. der Bauer, wenn er in einem öffentlichen Haus einen Staatsbeamten antrifft, sich in einem schmutzigen, dem sauberen Rocke des Beamten Schaden drohenden Aufzug hart an seine Seite setzt und auf eine ihm allein eigene Art mit ihm spaßet. Dieses ist nicht Gleichheit, sondern unartiges beleidigendes Betragen. Wenn man das Wort Gleichheit in seinem wahren richtigen Verstände nimmt, so ist der vornehmste Staatsbediente an und für sich außer seinem Amt um kein Haar besser als sein Taglöhner oder Holzhacker, denn dieser ist ebensogut Mensch und Bürger als er, — aber die weitbeträchtlichen Dienste, die ersterer dem Staat leistet, flößen von Natur seinem Holzhacker die seinem Dienst angemessene Hochachtung ein, und diese wird er auch außer seinem Amte dadurch, daß er als ein bescheidener und verständiger Mann sich beträgt, gegen ihn blicken lassen. Denn der größere Dienst, welchen ein Bürger vor dem andern erweiset, gewähret ihm billig das Recht eines gewissen Vorzugs unter seinen Mitbürgern, und derjenige genießet den Vorzug am leichtesten, der sich am wenigsten darauf zugut tut, da hingegen ein anderer, der stolz darauf ist, verachtet und verlachet wird. 6) Beziehen sich die Gesetze eines freien Staats auf Errichtung öffentlicher Anstalten, welche zur Erhaltung und Erziehung armer und verlassener Kinder, armer gebrechlicher, entweder ganz oder zum Teil zur Arbeit und zur Lebensunterhaltung unfähiger Bürger, zur Verpflegung armer Kranker und mehreren für Arme nützliche Anstalten abzielen. Denn der freie Staat darf seinen Bürger nicht in Armut schmachten lassen. Auch darf ein freier Staat keine Bettler haben. Der Krüppel, der gar nicht arbeiten kann, wird ernähret; der aus Mangel des Verdienstes bettelt, dem verschaffet man Arbeit und der Müßiggänger, der seinen Verdienst und sein Glück im Betteln suchet, wird der Freiheit unbeschadet zur Arbeit angehalten; denn der Müßiggänger ist dem Staate ein Dieb. Wer arbeiten kann, muß arbeiten; denn dieses ist von Natur seine Bestimmung. 7) Beziehen sich die Gesetze eines freien Staats auf die öffentliche ungehinderte Äusübung der Religion; denn es darf kein Bürger um seines Glaubens willen angehalten, verachtet, bedrücket oder in irgendeiner Sache hintangesetzt werden, ohne daß er dadurch in dem Genuß seiner Freiheit Schaden leide. Der Bürger gehört eigentlich dem Staat, in welchem er lebt, und er ist und bleibt ein guter Bürger, wenn er die Gesetze genau und gewissenhaft erfüllet; was übrigens seine Seele betrifft, so gehöret er ohne Rücksicht auf den Staat nur allein sich selber zu. Es liegt ihm allein ob, daß er seinen

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Gott so verehrt, wie er es für gut hält oder überzeugt zu sein glaubet und dadurch für seine Seele sorget; der Staat hat hierbei all das Seinige getan, wenn er sorget, daß er es ungestört tun kann. Dieses sind meines Erachtens die Gesetze, nach welchen ein freier Bürger behandelt zu werden verlangen kann. Ob aber die Einwohner von Worms auf diese Rechte eines freien Staats jetzt schon Anspruch machen können, das ist eine Frage, die ich noch als Anhang zu meinem Vorhergegangenen abzuhandeln mich anheischig mache. Ich beantworte diese Frage in bezug auf einige der vornehmsten Rechte ganz kurz mit Nein, aus Ursachen, welche ich durch folgenden Satz erklären werde. Wer sich nicht erkläret, daß er als ein freier Bürger leben, handeln und behandelt sein will, der hat auch keinen Anspruch, die Rechte eines freien Bürgers zu genießen; denn bevor man einem etwas geben soll, muß dieser sich erkläret haben, daß er es verlanget. Nun hat aber der größte Teil der hiesigen Einwohner sich nicht erkläret, daß er dieses verlangt, das heißt, der größte Teil hat sich noch nicht in dem vorgelegten Buch unterschrieben, welches man einzig und allein für die Gesinnungs- und Willenserklärung angeboten hat, folglich können auch die Einwohner von Worms noch nicht verlangen, daß man sie nach den Gesetzen eines freien Bürgers leben, handeln und behandeln lassen solle. Man sage mir doch, welchem von zweien kommt es zu, dem andren entgegenzugehen; dem, der geben will, oder dem, der empfangen will? Ich denke dem letzteren. General Custine bietet den Einwohnern von Worms an, sie frei zu machen, und verlanget nur, daß sie einstimmig sagen sollen: wir wollen; sie sind aber so unbescheiden gegen ihren großmütigen Uberwinder, daß sie ihm nicht einmal dieses süße Vergnügen machen, sie, die doch ebensowohl von seinem gerechten Zorn als von seiner Gütigkeit und Nachsicht abhängen. Im Gegenteil beschweren sie sich noch über freiheitswidrige Polizeiverordnungen ihrer neuen Obrigkeit und über den Eingriff, welchen ihnen ihr Überwinder dadurch gemacht habe, daß er ihnen eine Munizipalität gesetzet und es nicht ihrer freien Wahl überlassen habe, wie es sich nach den Gesetzen der Freiheit und Gleichheit gehöre. Welche Unüberlegtheit ! Sie beschweren sich, daß sie ihre Obrigkeit nicht selbst haben wählen dürfen, und haben doch, dieses Recht zu erhalten, die angebotenen Mittel nicht ergriffen. Sie haben sich noch nicht erkläret, daß sie freie Bürger sein wollen, und machen doch auf die Rechte eines solchen Anspruch. Wie können sie die Wohltat des edlen Custine so verkennen, der dadurch, daß er ihnen vorläufig, so lang, bis sie selbst wählen dürfen, eine Munizipalität gegeben hat, nichts als die einzige reine Absicht hatte, die Kabalen und Verhetzungen der Übelgesinnten zu endigen und die Bürger mit dem Genuß der wahren Freiheit nach und nach bekannt zu machen, um sie durch eigene Erfahrung zu dem Schritt zu vermögen, wozu sie gütlicher Aufruf nicht bewegen konnte. Danken sollen sie ihm vielmehr, anstatt sich über ihn zu beschweren, daß er ihnen einen so würdigen Mann unter der Person des Bürgers Winkelmann vorgesetzet hat, und ich hoffe auch, sie werden es tun, wenn sie werden in Überlegung gezogen haben, daß sie durch ihre Wahl auf einen Gleichfähigen niemals würden verfallen sein. Ich schließe mit dem sehnlichsten Wunsch, ja, ich bitte sie, daß sie sich vereinigen, den Willen ihres großen Überwinders durch die Unterschrift ihrer Namen erfüllen und das Glück der Freiheit bald in vollem Maße genießen mögen; und versichere sie, ja, ich schwöre ihnen, daß diese Unterschriften sonst keine, nur diese einzige Absicht haben. Glaubet, ich bitte, den falschen betrügerischen Einlispelungen nicht fernerhin, lasset den Wahn fahren, daß ihr oder eure Söhne, wenn ihr euch eingeschrieben habt, Soldaten werden müsset; er ist grundfalsch. Wie kann denn Freiheit und Zwang miteinander

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bestehen? Ihr sehet ja doch, daß die fränkischen Krieger, die wie Schwämme aus dem Boden heranwachsen, eure Hülfe nicht bedürfen. Gebet denjenigen kein Gehör mehr, die durch falsche Furcht vor den Kaiserlichen und Preußen euch die Köpfe verwirren wollen. Ich bitte, ich beschwöre euch noch einmal, vereiniget euch, gebt dieses durch die Unterschrift eurer Namen in dem roten Buch zu erkennen oder, wenn Ihr Furcht vor demselben habt, so nehmet einen Vorschlag von mir an: überschreibet nur einen Bogen Papier zum Beispiel mit folgenden Worten: Wir Unterschriebene wollen frei sein. Unterschreibet alsdenn eure Namen, und wenn ihr euch damit an die Konstitutionsgesellschaft nicht wenden wollet, so gehet an den Bürger General Custine, und er wird Euch alle Rechte eines freien Staats ohne irgendeine Einschränkung zuteil werden lassen. Dokument 11 (Staatsarchiv Würzburg, MRA V Klubistenakten Nr. 854, Bl. 146 — 147; handschriftlich) (Dankschreiben

des Wormser Jakobinerklubs

an die Allgemeine

Administration

in Main

An die Allgemeine Administration in Mainz. Die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit allhier ist durch das Schreiben der Allgemeinen Administration in Mainz vom 15. dieses auf die angenehmste Art überrascht worden. Sie fühlt ganz den Wert des Beifalls, welchen sie ihr bezeugt, und des besondern Schutzes, welchen sie ihr verspricht, und hat dahero mir, ihrem Präsidenten, aufgetragen, derselben ihren aufrichtigsten Dank dafür zu bezeugen und zu versichern, daß sie nie von denen Grundsätzen, welche sie beschworen hat, nämlich für das Wohl des Volkes, für Freiheit und Gleichheit zu arbeiten und diejenigen zu entlarven, welche Komplotte oder Verschwörungen gegen dieselbe schmieden, abgehen werde; daß es ihr nicht um die Menge von Gliedern, sondern um die Güte derselben zu tun sei; daß sie eher wünsche, alle diejenigen Glieder, welche den erforderlichen Eifer und Biedersinn nicht haben, möchten sich aus ihrer .Mitte entfernen, als daß sie neue Mitglieder von nicht ganz reinen patriotischen Absichten oder Gesinnungen unter sich aufnehmen werde. Es ist ihr bekannt, wie nötig Vorsicht hierin sei, da man Beispiele hat, daß sich falsche Brüder in dergleichen Gesellschaft eingeschlichen haben, um ihre verderblichen Pläne darinnen durchzusetzen und alle Unternehmungen der Gutgesinnten zu vereiteln. Alle offenbaren Feinde und Hindernisse hofft sie viel leichter zu bekämpfen als jene heimlichen, welche sich unter der Larve von Volksfreunden in die Gesellschaften der Freiheit und Gleichheit oder auch unter die Volksbeamten einschleichen, um die Meinungen zu vergiften. Freilich werden sie einstens gewiß entlarvt und in ihrer wahren Gestalt dargestellt werden; denn die Zeit ist gekommen, wo alle Macht der Despoten und alle Kunstgriffe der verschmitztesten Bösewichter an dem zwar kunstlosen, aber felsenfesten Gebäude der Freiheit und Gleichheit scheitern werden; dem ohngeachtet aber müssen Wächter sein, damit das Raubgesindel nicht überhand nehme. Worms, den 27. Dezember 1792, im 1. Jahr der Frankenrepublik Im Namen der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit Henninger, Präsident

Jakobinismus in Paris und Mainz

Der Jakobinismus ist ein Kind der Großen Fran2ösischen Revolution von 1789—1794, und diese Revolution erwarb sich den Ehrentitel einer Großen wiederum dank der Hervorbringung dieses Jakobinismus. Die Französische Revolution war groß und wurde zur klassischen bürgerlichen Revolution, die Weltgeltung besaß und eine ganze Epoche prägte, weil sie im Gegensatz zu früheren wie auch zu späteren bürgerlichen Revolutionen „wirklich ausgekämpft wurde bis zur Vernichtung des einen Kombattanten, der Aristokratie, und zum vollständigen Sieg des andern, der Bourgeoisie"1. Den Ausschlag gaben dabei die Volksmassen, die der in der Revolution führenden Bourgeoisie als Basis dienten. Als Ausbeuterklasse war die Bourgeoisie immer tendenziell antidemokratisch und darum bestrebt, die von ihr zum Sturz der Feudalordnung entfesselte Volksbewegung unter ihrer Kontrolle zu halten, sie zu kanalisieren und so schnell wie möglich zu neutralisieren. Im Prinzip ordnete sie den Volksmassen immer nur die Rolle eines Sturmbocks zu, der die entscheidende Bresche zu schlagen hatte, um ihr die Eroberung der politischen Macht zu ermöglichen, wobei Kompromisse mit der alten herrschenden Feudalklasse keineswegs ausgeschlossen blieben. Die Stellung der Volksmassen in der bürgerlichen Revolution hing allerdings nicht nur von dem bourgeoisen Hegemon ab, der sich zudem im Verlaufe der Revolution dergestalt differenzierte, daß der Kampf um die Eroberung der Macht durch unterschiedliche Bourgeoisie-Fraktionen geführt wurde, deren Nähe zu den Volksmassen variierte. Zu einem wesentlichen Teil hing die Rolle der Volksmassen von ihnen selbst, nämlich von ihrer Fähigkeit ab, über eine bloß dienende Funktion im Revolutionsprozeß hinauszuwachsen, aktiv zu intervenieren, als Triebkraft zu wirken und selbständige Positionen zu beziehen. In der Französischen Revolution war diese Rolle der Volksmassen als Triebkraft, die den revolutionären Prozeß beschleunigte, ebenso gegeben wie die damit parallel laufende Differenzierung der Bourgeoisie, deren einzelne Fraktionen sich in der Führung ablösten. Aus dieser Jahre andauernden Allianz von progressiver Bourgeoisie und radikaler Volksbewegung erklärt sich die stetig aufsteigende Linie der Revolution von 1789 bis 1794. „Die erste, wesentlich noch vom Kampf der Prinzipien bestimmte Etappe — oder + Vortrag vor der Commission Internationale d'Histoire de la Révolution Française, die im Rahmen des 16. Internationalen Kongresses der Geschichtswissenschaften im August 1985 in Stuttgart (BRD) tagte. Gedruckt in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 33. Jg. 1985, S. 416 - 4 2 3 . 1 Engels, Einleitung zur „Entwicklung des Sozialismus", S. 303; vgl. auch Vorrede zur 3. Aufl. des „18. Brumaire", S. 249.

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genauer: Voretappe — der Revolution war in der Hauptsache ihre Gemeinschaftsleistung." 2 Von einer Bourgeoisie geführt, die mit gutem Recht glauben konnte, daß ihre Interessen mit denen der Nation übereinstimmten, sprengte der. Dritte Stand das feudale Prinzip der Ständevertretung und konstituierte sich als Nationalversammlung. Diese Entwicklung, in deren Verlauf die Feudalaristokratie mit dem König an der Spitze Schritt um Schritt zurückwich, erfolgte ohne Gewaltanwendung, wenn auch unter einem ungeheuren moralischen Druck des ganzen Landes. Das Volk selbst war noch nicht in die politische Arena getreten. Das Volk betrat die Bühne in dem Moment, da die feudale Reaktion ihre letzten Vorbereitungen traf, um das verlorene Terrain mit Hilfe der Armee wieder zurückzuerobern. Die Volkserhebung vom 13./14. Juli 1789, die in der Zerstörung der Bastille gipfelte, verwandelte die revolutionäre Situation in eine wahrhafte Revolution. Dem Sturm auf die Bastille folgten die Revolutionen in den Provinzstädten und die unwiderstehlichen Bauernerhebungen, die der feudalen Ordnung den Todesstoß gaben. Die Volksmassen handelten im wesentlichen aus eigenem Antrieb; im Ergebnis fiel dennoch die politische Macht in die Hände der Großbourgeoisie. Die Großbourgeoisie ließ im August durch Gesetz die von den Massen in ihrem Kampf gegen den Feudalismus geschaffenen Tatsachen bestätigen und bekannte sich durch die Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte zu den Prinzipien der aus der Revolution hervorgegangenen sozialen Ordnung. Wie wenig tatsächlich diese Prinzipien den Volksmassen zugute kommen sollten, machte die großbürgerliche Verfassung von 1791 deutlich: Ein Zensuswahlrecht schloß die Volksmassen von der politischen Macht aus und ersetzte die allmächtige Aristokratie der Geburt durch die allmächtige Aristokratie des Geldes. Die politischen Repräsentanten der herrschenden Großbourgeoisie und des mit ihr verbundenen liberalen Adels wurden konservativ und waren bestrebt, der Revolution ein Ende zu bereiten. Dagegen bildete sich sowohl in der Nationalversammlung als auch im Jakobinerklub eine bürgerliche Opposition heraus, die die Revolution fortzusetzen gedachte. Im Klub und in seinen Filialen dominierte die Opposition schon seit 1791, nachdem sich die Feuillants von den Jakobinern separiert hatten, bei denen jetzt Brissot und Robespierre den Ton angaben. Ausgelöst durch die Mißerfolge im Kriege gegen die Interventen, brach am 10. August 1792 ein Volksaufstand aus, der die Revolution erneut auf eine höhere Stufe hob. Geführt von den linken Jakobinern um Robespierre, denen sich die Parteigänger Brissots aus Furcht, in eine Isolierung zu geraten, anschlössen, machten die Volksmassen der Monarchie und der politischen Herrschaft der Feuillants ein Ende, die nun ganz und für immer zur Konterrevolution übergingen. Dabei fiel die politische Macht der Gironde zu, die die Interessen der großen Finanz-, Handels- und Industriebourgeoisie vertrat. Im Konvent, der aus allgemeinen Wahlen hervorging, waren die eigentlichen Träger der „zweiten Revolution", die Sansculotten, nur schwach vertreten. Immerhin aber deuteten das allgemeine Wahlrecht und die Bewaffnung der ehemaligen Passivbürger schon auf eine Zunahme an politischer Demokratie hin. Außerdem gab es im Konvent die Bergpartei, die den konsequentesten revolutionären Flügel der Bourgeoisie, insbesondere das radikale Kleinbürgertum verkörperte. „Die Montagnarden verstanden, daß die kritische Lage Frankreichs außergewöhnliche Lösungen verlangte, die ohne den aktiven Beistand der Massen undurchführbar waren." 3 Nach einer kurzen Periode der 2 3

MarkovjSoboul, Große Revolution, S. 93. Ebenda, S. 245.

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Zusammenarbeit zwischen den beiden Fraktionen im Konvent — der herrschenden Gironde und der oppositionellen Montagne — erfolgten schon im Oktober 1792 die ersten heftigen Zusammenstöße. Die Gironde hatte wohl den Krieg begonnen, war aber aus Furcht um die Sicherheit des Privateigentums immer von einem echten Bündnis mit dem Volk zurückgeschreckt, ohne 'das jedoch der Sieg über den inneren und den äußeren Feind nicht errungen werden konnte. Im März 1793 war Dumouriez, der General der Gironde, bei Neerwinden so gründlich geschlagen worden, daß ganz Belgien verlorenging, während in der Vendée die Konterrevolution ihr Haupt erhob. Die Unfähigkeit der Gironde, diesen Gefahren wirkungsvoll zu begegnen, rief geradezu nach dem Bündnis der linken Jakobiner mit den Sansculotten. Von Robespierre zu einer Allianz aufgefordert, die sogar die Hoffnung auf eine „soziale Demokratie" aufscheinen ließ, eröffneten die Sansculotten mit ihren Erhebungen vom 31. Mai und vom 2. Juni die dritte und höchste Phase der bürgerlichdemokratischen Revolution. Nach seinem Machtantritt hat sich natürlich der jakobinische Berg um ein Einvernehmen mit der Bourgeoisie bemüht. Gleichzeitig aber — und das macht seine historische Größe aus — suchte er die Übereinstimmung mit den Volksmassen, ohne die der endgültige Sieg über die innere und äußere Konterrevolution nicht zu ei ringen war. So konnten die Jakobiner, wie Lenin formulierte, „Jakobiner mit dem Volke" werden.4 Alle noch verbliebenen Feudalreste wurden entschädigungslos aufgehoben, und die Verfassung von 1793 fixierte die Prinzipien einer politischen Demokratie. Der Druck von unten setzte die Levée en masse durch und schließlich sogar das Gesetz über das Maximum, das der freien bourgeoisen Konkurrenz Grenzen zog — eine unabdingbare Maßnahme, die der jakobinischen Revolutionsregierung eine breite Massenbasis mit Einschluß der Sansculotten sicherte. Die Revolutionsregierung war eine Kriegsregierung, die den Sieg durch die Summierung aller verfügbaren Kräfte sichern wollte. Die Erfordernisse des Krieges verlangten einerseits eine gewisse Wirtschaftslenkung, die die Profite der Bourgeoisie limitierte, und andererseits eine Machtkonzentration, die auch die politisch-demokratischen Aktivitäten der Pariser Sansculotten in ihren Sektionen einschränkte. Daraus ergab sich zwangsläufig und gleichzeitig eine Verschärfung der Opposition von Seiten der Volksmassen als auch von Seiten der Bourgeoisie. Diese Opposition wurde in dem Moment todgefährlich, da sich der endgültige Sieg über den Feind abzeichnete. Die Revolutionsregierung war eine Kriegsregierung, und als der Krieg gewonnen war, hatte sie ihren Sinn und Zweck erfüllt. Der entscheidende Sieg über die Interventen wurde am 26. Juni 1794 bei Fleurus errungen. Die montagnardische Bourgeoisie, die bisher die Politik der revolutionär-demokratischen Regierung unterstützt hatte, ging jetzt zum Angriff über, der erfolgreich war, weil die Unterstützung, die die Revolutionsregierung im Volk gefunden hatte, unaufhörlich zurückgegangen war, so daß die einstigen „Jakobiner mit dem Volk" sich in „Jakobiner ohne Volk" verwandelt hatten. Am 27. Juli 1794, dem 9. Thermidor, „fiel Robespierre, und die Bourgeois-Orgie begann" 5 . Die entscheidende Ursache für den Zerfall des Blocks der Jakobiner mit dem Volk lag im widersprüchlichen Charakter dieses Blocks selbst. So demokratisch die Revolution sich im Laufe der drei Jahre in ihrer Aufstiegsphase auch entwickelt hatte, so blieb sie doch ihrem Charakter nach immer bürgerlich. Eine Entwicklung, die die Grenzen der kapitalistischen Gesell1 5

Lenin, Die Konterrevolution, S. 537. Engels an Kautzky, 20. 2. 1889, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 37, S. 156.

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schaftsordnung überschritt, war im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht möglich. Das historische Verdienst der Jakobiner besteht darin, das damals im Kampf gegen den Feudalismus Erreichbare unter Einbeziehung der Volksmassen mit unbeugsamer Energie uneingeschränkt verwirklicht zu haben. Die Entscheidung über Sieg und Niederlage in Frankreich fiel immer in seinem Zentrum, in Paris, der Hauptstadt. Hier hat auch der französische Jakobinismus seine klassische Gestalt gewonnen. Ganz gewiß haben nicht alle affiliierten Jakobinerklubs der großen einen und unteilbaren Republik immer und überall auf der politischen Höhe der Pariser Muttergesellschaft gestanden. Außerdem gab es auch im revolutionären Frankreich relativ windstille Ecken, die keine Stürme kennenlernten. Für den Sieg der Revolution jedoch war dies alles ohne Relevanz. Es genügten den Pariser Jakobinern Tochtergesellschaften im Lande, die sich als solche begriffen und entsprechend zu handeln bemüht waren; wo es große Schwierigkeiten gab, halfen Pariser Abgesandte nach. Windstille Ecken waren Quantités négligeables; ihre Anpassung an den gesellschaftlichen Fortschritt folgte dem Sieg der Revolution zwangsläufig. Was nun Mainz und seine Jakobiner angeht, so waren die Bedingungen, unter denen sie in die Revolution eintraten, ganz anders geartet. Mainz war zwar der Sitz des Erzkanzlers des Reiches und des Primas von Deutschland, hatte dabei auch noch den Ruf des glänzendsten Hofes nächst Wien zu verteidigen, aber es besaß keinerlei zentrale Stellung — noch nicht einmal im Kurfürstentum Mainz, geschweige denn in Deutschland. Mainz war lediglich die größte Stadt im Landstrich zwischen Bingen und Landau, einem Gebiet, in dem die feudalstaatliche Zersplitterung, die die Situation in Deutschland überhaupt kennzeichnete, besonders extrem ausgebildet war. Unter diesen Umständen hatte hier der Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Feudalität nicht entfernt den Grad erreicht, der in Frankreich die Revolution auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Dennoch gab es Mainzer Jakobiner, und an der grundsätzlichen Vergleichbarkeit — ich spreche notabene von Vergleichbarkeit und nicht von Identität — gibt es keinen Zweifel. Der Mainzer Jakobinismus gewann seine Gestalt im Ergebnis des siegreichen Vorstoßes der französischen Revolutionstruppen unter Custine in die Pfaffengasse am Rhein. Die auf die Einnahme von Mainz fast unmittelbar folgende Gründung des Mainzer Jakobinerklubs ging von Mitarbeitern Custines aus, der ihn auch seines persönlichen Schutzes versicherte. Es war nicht gleich die Muttergesellschaft in Paris, sondern der Straßburger Klub, den Mainz bei diesem Geschäft um Hilfe bat und der auch prompte Hilfe leistete — Übersendung der Klubstatuten und Delegierung einzelner seiner Mitglieder zur Organisierung des Mainzer Klublebens.6 Solche Hinwendung war äußeren Umständen zu danken, denn Straßburg war nah, man sprach dort deutsch, und in Custines Stab befanden sich einige Leute, die im Straßburger Klub schon eine Rolle gespielt und Einfluß hatten. Es war nur logisch, daß man von Straßburg die schnellste Hilfe erwarten konnte. Und dennoch hatte für die Mainzer Revolution von Anbeginn an das Verhältnis zu Paris als dem Zentrum der revolutionären Bewegung den eindeutigen Vorrang. Letztlich war die erbetene Hilfe des Straßburger Klubs nur ein Mittel zum Zweck; seine Fürsprache in Paris und die möglichst rasche Konstituierung des eigenen Klubs sollten das Feld für eine Verbrüderung der Mainzer Jakobiner mit der Pariser Muttergesellschaft vorbereiten. So kam auf Bitten der Mainzer am 27. Oktober 1792 die Petition des Straßburger Klubs an den Pariser Konvent zustande, der darin um ein offizielles Schutz6

Vgl. MR I, S. 102ff., 110, 1 1 2 f f . , 154, 218.

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versprechen gebeten wurde. 7 Ein erster direkter Kontakt, der sich nachweisen läßt, wurde am 6. November 1792 geknüpft, als der Mainzer Klub einem Brief an den Pariser Klub zustimmte, wobei es wiederum um das Schutzversprechen ging. 8 Ein Pariser Abgesandter traf am 18. November in Mainz ein, um sich von der dortigen Situation ein Bild zu verschaffen. 9 Am 24. November schließlich stimmte der Pariser Klub dem mehrfach geäußerten Affiliationsersuchen des Mainzer Klubs zu: „Die Gesellschaft der Jakobiner in Paris wird ihren Grundsätzen gemäß die Sache der Mainzer Jakobiner immer als ihre eigene ansehen."10 Die Berechtigung, von Mainzer Jakobinern zu sprechen, liegt somit auf der Hand: Die Mainzer Revolutionäre betrachteten sich und der Pariser Jakobinerklub akzeptierte sie als solche. Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob denn die damals im Kloster Saint Jacques in der Rue Saint-Honore Versammelten schon den Jakobinern im revolutionshistorischen Sinn zugezählt werden dürfen, da doch die jakobinische Phase der Revolution erst mit der Machtergreifung durch den jakobinischen Berg Mitte 1793 einsetzte. Die Antwort lautet eindeutig positiv, denn der Pariser Jakobinerklub, der der Affiliation zustimmte, hatte bereits am 10. Oktober 1792 mit der radikalen Eliminierung aller girondistischen Elemente in seinen Reihen begonnen, so daß Brissot und seine Parteigänger bereits außerhalb des Klubs standen, in dem Robespierre dominierte. Es ging im Streit mit der Gironde nicht mehr um Krieg oder Frieden, sondern — die Affiliation der Mainzer Jakobiner war eine Bestätigung dafür — um eine Kriegführung, die die innere Konterrevolution als die Hauptfront des Kampfes nicht aus dem Auge verlieren durfte und in einem Volkskrieg den inneren wie den äußeren Feind vernichtend treffen mußte. Die Tatsache der Affiliation bedeutete nun allerdings keineswegs, daß die Mainzer Jakobiner damit auch eine entsprechende Einsicht in diese komplizierten Verhältnisse mitgeliefert bekommen hätten. Das Affiliationsschreiben vom 24. November machte zwar einige Andeutungen in dieser Richtung, aber es verlangte kein volles Verständnis für die Situation, sondern lediglich umwandelbares Vertrauen in die hauptstädtische Gesellschaft der Jakobiner. 11 Darum schrieb selbst ein Mann wie Georg Forster noch Ende Dezember 1792 seiner Frau nach Straßburg: „Bleibe Du, ohne etwas zu affichieren, rein republikanisch und halte es mit den Jakobinern, die aber leider auch zwei Parteien unter sich haben. Indessen muß sich's da erst in Paris entscheiden, eh' sich's in Straßburg entscheidet, welche die andere bezwingt." 12 Anfang Januar erklärte er ihr offen: „Aus den Parteien in Frankreich werde ich wohl sobald mich nicht finden können, bis ich selbst sehe und höre, an Ort und Stelle."13 In der Tat hat dann Forster in Paris die Jakobinerdiktatur erlebt und mit dem Aufstieg der revolutionären Bewegung zum Gipfel Schritt gehalten. Schwer erkrankt und schon vom Tode gezeichnet, identifizierte er sich in seinen letzten Briefen uneingeschränkt mit dieser notwendigen Stufe der Revolution: „Was geschieht, muß geschehen"14 und: „Wir haben überall ganz löwenmäßig gesiegt". 15 ' Ebenda, S. 52. Ebenda, S. 142. 9 Ebenda, S . 3 1 1 f . 10 Ebenda, S. 355. 11 Ebenda, S. 354. 12 Forster an seine Frau, 29. 12. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 160 (Druckmsc.). X3 Forster an seine Frau, 8. 1. 1793, in: Ebenda, Nr. 166 (Druckmsc.). 14 Forster an seine Frau, 28. 12. 1793, in: Ebenda, Nr. 249 (Druckmsc.). 15 Forster an Huber, 4. 1. 1794, in: Ebenda, Nr. 250 (Druckmsc.). 8

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Diesen hohen Erkenntnisstand hatte Forster nicht ausschließlich seinem Pariser Aufenthalt zu danken, denn wesentlich dazu beigetragen hatten auch seine zuvor zwischen November 1792 und Ende März 1793 gesammelten sehr praktischen politischen Erfahrungen, die er als Mitglied des Mainzer Jakobinerklubs, als revolutionärer Propagandist, Agitator und Administrator zwischen Landau und Bingen machen konnte. Gewiß hatte Forster schon als Aufklärer einen tieferen Sinn als manch anderer für politisch-historische Notwendigkeiten besessen. Seine „Ansichten vom Niederrhein", die die Summe seiner 1790 gewonnenen Erkenntnisse zogen, exemplifizieren dies immer wieder. Dennoch war es auch für einen Forster kein kleiner Schritt, sondern ein komplizierter Lernprozeß, der ihn von der gelehrten Spekulation zur politischen Tat führte. Die Konstituierung des Klubs am 23. Oktober 1792 hatte er noch als eine „voreilige Maßregel" abgelehnt.16 Am 27. Oktober hielt er sich immer noch zurück, aber erklärte doch schon: „Die Neutralität ist mißlich, die Krisis naht heran, und man wird Partei ergreifen müssen."17 Am 5. November trat er dem Klub bei, in dem er bald mit anderen Vertretern der aufgeklärten bürgerlichen Intelligenz — Professoren, Juristen, Ärzten — die Führung übernahm. Den entscheidenden Anstoß zu solchem Schritt gab der außerordentlich starke Zulauf, den der Klub schon unmittelbar nach seiner Gründung aus der werktätigen Bevölkerung von Mainz und aus den umliegenden Orten erfuhr. Die Anzahl der eingeschriebenen Klubmitglieder erreichte im November ein halbes Tausend, während die Zuhörerschaft gelegentlich die Tausendergrenze überstieg. Dieser Fakt ist als ein untrügliches Zeichen dafür zu werten, daß breite Kreise mit ganz gewiß noch sehr unausgereiften Zielvorstellungen doch schon nach handgreiflichen Veränderungen der bestehenden Verhältnisse verlangten. Darum habe ich — Lenin konsultierend — für die Anfangsphase der revolutionären Ereignisse in Mainz von der Existenz einer Massenbasis gesprochen. Eigene revolutionäre Erfahrungen hatten Lenin gelehrt, daß sich der Begriff Masse mit dem Charakter des Kampfes änderte: „Zu Beginn des Kampfes genügten schon einige tausend wirklich revolutionäre Arbeiter, damit man von Masse sprechen konnte ... Wenn einige tausend parteilose Arbeiter, die gewöhnlich ein Spießerleben führen und ein klägliches Dasein fristen, die niemals etwas von Politik gehört haben, revolutionär zu handeln beginnen, so ist es die Masse."18 Der Begiff wandelt sich jedoch gründlich, wenn „die Revolution schon genügend vorbereitet" ist und es um den Sieg und die Behauptung der Macht geht: „Der Begriff der Masse ändert sich in dem Sinne, daß man darunter die Mehrheit zu verstehen hat", die Mehrheit der werktätigen Massen.19 Davon konnte in Mainz nicht die Rede sein und ist auch nie die Rede gewesen. In der Mainzer Situation hatte das Faktum der Massenbasis für den Auftakt ein besonderes Gewicht. Zwar hatte die Bourgeoisie von Anbeginn immer und überall zunächst nur reformerische Absichten und ist immer und überall erst durch die Volksbewegung in ihre eigene bürgerliche Revolution hineingestoßen worden. In Mainz fehlte es sogar an der Klasse, die in eine solche Hegemoniefunktion hineingezwungen werden konnte. Das bourgeoise Element hatte sich hier als privilegierter Handelsstand so fugenlos in die feudale Gesellschaft eingepaßt, daß deren Erhaltung alle seine Aktivitäten bestimmte. Das wurde den Klubmitgliedern im Laufe des Novembers immer deutlicher, so daß Wedekind als Präsident des Gesamtklubs und Forster als Präsident seines Korre16 17 18 19

Förster an Huber, 24. 10. 1792, in: Ebenda, Nr. 121 (Druckmsc.). Forster an Voß, 27. 10. 1792, in: Ebenda, Nr. 126 (Druckmsc.). Lenin, Rede zur Verteidigung, S. 498 f. Ebenda, S. 499.

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spondenzkomitees in ihrer Antwort auf das Affiliationsschreiben der Pariser Jakobiner am 12. Dezember als eines der Haupthindernisse für den Fortschritt im Mainzischen formulieren konnten: „Gänzliche Abwesenheit eines aufgeklärten, bemittelten und wirksamen Mittelstandes." 20 Deh Mainzer Jakobinern fehlte damit das ihnen angemessene Klassenhinterland, was mancherlei erklärt. Zum ersten macht es den absoluten Vorhutcharakter der aufgeklärten bürgerlichen Intellektuellen überzeugend deutlich, die sich an die Spitze der revolutionären Bewegung zwischen Bingen und Landau gestellt hatten. Es hieße, sie historisch zu überfordern, wenn man von ihnen die Leistung erwartete, die zu erbringen das Bürgertum als Klasse nicht fähig war. Zum zweiten hatte die ungenügende Reife der objektiven Voraussetzungen für eine eigenständige Revolution eine Überspannung der subjektiven Faktoren im Gefolge. Die heroische Illusion, die in Frankreich aus der zeitweiligen Kongruenz der bourgeoisen Klasseninteressen mit denen der Volksmassen erwuchs und die bürgerliche Emanzipation mit der allgemein-menschlichen identifizierte, verselbständigte sich. Deshalb konnte es beispielsweise Forster noch im Dezember 1792 kaum begreifen, daß bloße moralisch-politische Gründe zur Abschüttelung des feudalen Jochs den Leuten nicht genügten, sondern daß sie nach handfesten Ergebnissen — wie der Aufhebung der Feudalabgaben — verlangten. 21 Zum dritten ergab sich daraus die keineswegs umstrittene, sondern von vornherein ungeteilte Orientierung der Mainzer Jakobiner auf den Anschluß des zu gründenden deutschen Freistaates an die französische Mutterrepublik als eine unabdingbare Notwendigkeit zur Behauptung der Macht. Lange vor Danton hat Forster — nämlich in seiner ersten großen Klubrede am 15. November 1792 — den Rhein die natürliche Grenze Frankreichs genannt.22 Manfred Kossok hat sich im Oktober 1984 auf dem Kolloquium der Forschungsgruppe „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770—1850" in Vill/Innsbruck in die allgemeine Debatte über den Jakobinismus auf bemerkenswerte Weise eingeschaltet. Er warnte vor einer Tendenz, die er vornehmlich, aber nicht ausschließlich in der literaturgeschichtlichen Forschung auf diesem Gebiet zu erkennen meint, nämlich die historische Spezifik des Jakobinismus aus dem Auge zu verlieren und ihn auf einen diffusen Radikalismusbegriff zu reduzieren. Um einerseits den eigentlichen Kern, den „Jakobinismus im engeren Sinne", d. h. den klassischen französischen Jakobinismus, nicht aufzuweichen und andererseits der universalhistorischen Dimension des Problems gerecht werden zu können, riet er dringend an, möglichst exakt zwischen dem Jakobinismus intra muros und den Jakobinern extra muros zu unterscheiden.23 Dieser Vorschlag ist nicht nur diskutabel, sondern wirklich hilfreich. Er hilft auch, den Mainzer Jakobinismus präziser zu fassen, obwohl hier insbesondere die Grenzziehung zwischen intra muros und extra muros einige Schwierigkeiten bereitet. In jedem Falle sichert diese Methode eine deutliche Abhebung der einzigartigen historischen Funktion des „Jakobinismus im engeren Sinne" und vermeidet die zweifellos existente Gefahr überhöhter Gleichsetzungen. Über die Schwierigkeiten bei der Herausarbeitung von Merkmalen für den Jakobinismus extra muros war sich auch Kossok klar, aber er hatte den Mut zu einem Versuch, aus dem ich für die exaktere Kennzeichnung des Mainzer Jakobinismus Nutzen zu ziehen vermag. Entgegen der zweifellos für die meisten außerfranzösischen Jakobiner zutreffenden 20 21 22 23

MR I, S. 372. Forster an seine Frau, 8. 12. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 143 (Druckmsc.). MR I, S. 226. Vgl. dazu auch Kossok, Realität und Utopie, S. 425f.

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Feststellung Kossoks, daß sie Jakobiner „ohne Volk" blieben, kann dies für die Mainzer zumindest in den ersten zwei Monaten ihrer Klubtätigkeit nicht gelten. Die Anwesenheit französischer Revolutionstruppen und die Abwesenheit der bis dahin herrschenden Feudalklasse, die mit Sack und Pack vor Custine geflohen war, schufen hier exzeptionelle Bedingungen. Daraus erwuchs eine Revolutionsbereitschaft, die wiederum von den fortgeschrittenen Köpfen der Intelligenz artikuliert wurde und bei beträchtlichen Teilen der Werktätigen in Stadt und Land ein lebhaftes Echo fand. Das änderte sich erst etwa seit Mitte Januar 1793. Obwohl der im Februar mit bislang nicht gekannter Intensität einsetzende Kampf um die Munizipalisierung — faktisch war es der Kampf um die politische Macht — die größte Ausdehnung der Massenbasis gefordert hätte, schrumpfte sie zusehends, vornehmlich in den Städten, aber zum Teil auch auf dem Lande. Die letzte Ursache für diesen Abfall lag darin, daß die Mainzer Revolutionäre Jakobiner „ohne Klasse" blieben, die hegemoniefähig gewesen wäre. Demzufolge wurden die großen Ideen der Revolution durch kein handfestes dominierendes Klasseninteresse materialisiert, sondern sie verselbständigten sich. Die Wirkung des revolutionären Pathos schwächte sich naturgemäß ab, zumal die Argumente der Konterrevolution 1793 zunehmendes Gewicht gewannen, denn sie verloren sich keineswegs mehr wie anfangs im Allgemeinen, sondern waren sehr handfest geworden. Nach dem Debakel in der Champagne hatten sich nämlich die Verbündeten wieder, regeneriert und bereiteten die Rückeroberung von Mainz vor. Die Wiedereinnahme Frankfurts im Dezember hatte ein erstes Zeichen gesetzt. Es war die nackte Furcht vor den angedrohten härtesten Vergeltungsmaßnahmen nach einem Sieg der Verbündeten über die Franzosen, die von konterrevolutionären Elementen — vornehmlich den kleinen Beamten und Pfarrern — systematisch geschürt wurde. Solche Furcht war sehr begründet, denn Custine hatte keinerlei militärische Glanzleistungen mehr aufzuweisen, und Bauern wie Bürger wußten aus leibhafter Erfahrung um die Gnadenlosigkeit des konterrevolutionären Terrors. Das Fehlen eines adäquaten Klassenhinterlandes hatte die Mainzer Jakobiner von Anfang an gezwungen, in der werktätigen Bevölkerung der Stadt und bald auf dem Lande ihren wichtigsten Adressaten zu sehen. Man kann sogar feststellen, daß in dem Maße, wie die Massenwirkung der konterrevolutionären Propaganda zunahm, der Mainzer Jakobinismus sowohl subjektiv in seinem Selbstverständnis als auch objektiv in seinen Maßnahmen immer entschiedener zu einem Jakobinismus „für das Volk" wurde. An die Stelle des bloßen revolutionären Pathos aus der Anfangszeit trat bei der Munizipalisierung eine Wahlordnung, die einen Vorgriff auf die demokratischste Verfassung der Französischen Revolution, auf die Jakobinerverfassung vom 24. Juni 1793, darstellte, traten handfeste Beschlüsse des Mainzer Nationalkonvents zur Beseitigung der bisherigen Feudalherrschaft zwischen Bingen und Landau und gegen ihre eidverweigernden Parteigänger. Daß das Volk nur zum Teil und nicht ohne Bangen dem Wege folgte, den der Jakobinismus „für das Volk" wies, steht auf einem anderen Blatt und schmälert nicht das Verdienst dieser Avantgarde. Die Entwicklung der Fähigkeit zu praktisch-politischem Handeln mit allen daraus fließenden Konsequenzen — darunter auch dem positiven Verhältnis zur revolutionären Gewalt — ist eine historische Leistung, die die Mainzer Jakobiner hoch über all die vielen Enthusiasmierten in Deutschland stellte, die bestenfalls bis zu einer philosophischen Revolution vorzustoßen vermochten. Unabdingbare Voraussetzung für solche Leistung war selbstverständlich die französische Präsenz, die den Mainzer Jakobinern das Umfeld lieferte, um überhaupt tätig werden zu können. Dennoch war und bleibt die Mainzer Republik ein Ereignis der deutschen Geschichte. In Mainz erhob die bürgerliche revolutionäre Demokratie erstmals wieder ihr Haupt, nachdem sie im 16. Jh. von

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den deutschen Fürsten grausam und gründlich erstickt worden war. Und von Mainz führt eine vielfältig gebrochene, insgesamt aber doch über die Söhne und Enkel der deutschen Jakobiner klar erkennbare Traditionslinie bis in den Vormärz und in die Revolution von 1848/49. In diesem großen Zusammenhang hat die Leistung der Mainzer Jakobiner — die Mainzer Republik — ihren Ort und historischen Stellenwert.

Die Begegnung deutscher Aufklärer mit der Revolution4"

Erstes Anliegen bei der Behandlung einer solchen Thematik im Rahmen eines kurzen Beitrages muß ihre Ab- und Eingrenzung sein, die die notwendige Tiefenlotung ermöglicht. Es geht also weder um das recht platonische Verhältnis der deutschen Aufklärer zur Französischen Revolution schlechthin noch um die stattliche Reihe aufgeklärter Deutscher, die 1789 voller Begeisterung nach Paris eilten und in ihrer großen Mehrheit dann doch nicht den Atem hatten, der Revolution bei ihrem Aufstieg zu folgen. Im Mittelpunkt steht hier vielmehr die sehr konkrete, wenn auch exzeptionelle Situation, da deutsche Aufklärer auf deutschem Boden-dem Phänomen der Revolution nicht mehr nur theoretisch gegenübertraten, sondern mit ihm handgemein wurden: Gemeint ist die Mainzer Republik 1792/93, wo sich auf engstem Räume und auf einer sehr kurzen Zeitstrecke die deutsche Aufklärung in ihrem letzten Stadium mit der Revolution unmittelbar auseinanderzusetzen hatte. Auf den ersten Blick mag diese außergewöhnliche Situation wegen ihrer räumlichen und zeitlichen Geringfügigkeit nicht allzu aussagefähig erscheinen. Wenn man ihre Vorgeschichte mit einbezieht, existierte die erste bürgerliche Republik auf deutschem Boden nur neun Monate, und im letzten Vierteljahr beschränkte sich ihr Territorium nur noch auf das Weichbild der Stadt Mainz, in der der Belagerungszustand herrschte und in zunehmendem Maße militärische Gesichtspunkte bestimmend wurden. Dennoch erweist sich bei näherer Betrachtung, daß die Mainzer Republik als ein echter Prüfstein zu gelten hat, der den Stellenwert der voraufgegangenen deutschen Aufklärung präziser ermitteln läßt. Daß ihr darüber hinaus als Wegbereiter kommender politisch-ideologischer Entwicklungen ein bedeutsamer Platz zukommt, gehört schon zu den Folgeerscheinungen, die jedoch auch wieder auf solchen Erfahrungen basierten, wie sie sich aus der Begegnung aufklärerischer Ideen mit der revolutionären Praxis ergaben. Ausgangspunkt für die Betrachtung der gekennzeichneten exzeptionellen Situation ist die allgemeine Konstellation der deutschen Aufklärung, wie sie von Werner Krauss vor einem Vierteljahrhundert umrissen wurde. 1 Auch wenn Krauss später angesichts des immer noch völlig unbefriedigenden Forschungsstandes von seiner Theorie der deutschen Aufklärung sagte, daß sie „vielleicht nur eine Halbwahrheit enthält"2, gibt es bisher nichts, was sie ersetzen könnte. Krauss bezeichnet als den besonderen Charakter der geistigen Sammlung und Bewußtseinsbildung des deutschen Bürgertums im 18. Jahrhundert den vergleichsweise größe+ Bereits gedruckt in: Aufklärung — Geschichte — Revolution. Studien zur Philosophie der Aufklärung (II), hg. von Manfred Buhr/Wolfgang Förster, Berlin 1986, S. 4 0 8 - 4 2 9 ; überarbeitete Fassung. 1 Krauss, Konstellation, S. 3 0 9 - 3 9 9 . 2 Derselbe, Der komparatistische Aspekt, S. 70.

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ren sozialen Purismus. Im Gegensatz zur gleichzeitigen Aufklärung in Westeuropa, an der die intellektuelle Vorhut der privilegierten Stände aktiven Anteil nahm — in Frankreich ging der erste Anstoß zur Aufklärung sogar von dem altadligen oppositionellen Kreis um Fenelon aus —, exzellierte die deutsche Aufklärung durch ihr spezifisch bürgerliches Gepräge. Von einigen Ausnahmen abgesehen, die die Regel bestätigten, hatten die verschiedenen Schichten der herrschenden Feudalklasse keinen eigenen Anteil daran. Darum taugt auch die Theorie des fürstlichen Ursprungs der deutschen Aufklärung ganz und gar nichts. Krauss formuliert sehr prägnant: „Ein Knotenpunkt der deutschen Aufklärung liegt in Leipzig und nicht in Dresden, in Berlin und nicht in Potsdam, in Stuttgart und Tübingen und nicht in Ludwigsburg, in Hamburg und nicht in Kopenhagen, in Göttingen, nicht aber in Kassel oder in Hannover. Die Aufklärung ist unter den Augen, doch außerhalb des Gesichtsfeldes und der Interessensphäre der deutschen Despoten emporgewachsen."3 Der soziale Purismus der deutschen Aufklärung korrespondierte folgerichtig mit einer Adels- und Fürstenfeindschaft, die sich im Sturm und Drang, der als ein neues dynamisches Stadium der Aufklärung zu begreifen ist, zu einem wütenden Tyrannenhaß steigerte. Dieser Ablehnung der feudalen Adels- und Fürstenherrschaft stand positiv, gleichsam als die erhabene Kehrseite der Medaille, die Volksverbundenheit der deutschen Aufklärung gegenüber. Sie äußerte sich in einem Patriotismus, der nicht das geringste mit staatspolitischem Zugehörigkeitsgefühl oder der Treue zum angestammten Herrscherhaus gemein hatte. Selbst wo er, wie zum Teil im Sturm und Drang, teutomanische und frankophobe Züge annahm, richtete er sich zuallererst gegen die deutsche Adelsgesellschaft, deren Frankophilie sich in der kostspieligen Imitation des Versailler Vorbildes betätigte und als ein Damm gegen die Rezeption der deutschen Aufklärung wirkte. Der Patriotismus der deutschen Aufklärung wurde durch seinen Inhalt bestimmt, der entschieden und eindeutig antifeudal, darum volksverbunden und völkerverbindend war; denn der Demokratismus, der nicht in gleicher Weise nach innen und außen gelten will, löscht sich selbst aus. Auf der Basis dieses antifeudalen und volksverbundenen Wesens der deutschen Aufklärung griff nach Krauss seit Mitte der siebziger Jahre eine Stimmung um sich, die er — wenn auch zunächst in Anführungsstrichen — als Revolutionsbereitschaft bezeichnet hat.4 Ohne Anführungsstriche nannte er sie den Grundton der achtziger Jahre. 5 Schillers „Räuber"-Wort von der deutschen Republik, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster sein sollten6, wies die Richtung, wenn auch die „Räuber" selbst den Weg dahin nicht wußten. Diese einschränkende Feststellung kennzeichnet nicht nur das prinzipielle bürgerliche Unvermögen zur Entwicklung einer Revolutionstheorie; sie steht vielmehr mit dem sozialen Purismus, dieser spezifischen Eigenheit der deutschen Aufklärung, in unmittelbarem Zusammenhang. Im Reich des Gedankens hat ihr einheitlich bürgerlicher Charakter zweifellos maßgeblich zur Herausbildung dieser adelsfeindlichen und volksverbundenen Grundgesinnung beigetragen. Im Felde der konkreten politischen Auseinandersetzungen aber hat er sich ganz und gar nicht bewährt. In Frankreich beispielsweise wurde die herrschende Feudalklasse durch die französische Aufklärung von innen her so zersetzt, daß schließlich eine revolutionäre Situation entstand, in der nicht nur — wie es bei Lenin heißt — 3 4 5 6

Derselbe, Konstellation. S. 360f. Ebenda, S. 331. Ebenda, S. 344. Schiller, Die Räuber ,1. Akt, 2. Szene.

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„die unteren Schichten nicht mehr wie früher leben wollen", sondern auch „die oberen Schichten nicht wie früher wirtschaften und regieren können". 7 Der soziale Purismus versperrte der deutschen Aufklärung den Weg in die Stellungen des Feudaladels; ihr spezifisch bürgerliches Gepräge hatte eine Isolierung im Gefolge, bei der sich der fragwürdige Vorzug der Gesinnungsreinheit mit dem fraglosen Nachteil der politischen Abstinenz verband. Die deutsche Aufklärung erwartete, daß das Ancien régime an seinen eigenen Widersprüchen zerbreche und sich selbst aufhöbe; darum stellte sie nicht die Frage des praktischen politischen»Engagements. Dieser Verzicht der einen begünstigte natürlich die Widerstandsfähigkeit der anderen Seite, die die politischen Machtmittel zu handhaben verstand. Das Ancien régime schlug sofort zu, wo die Aufklärung den ihr eigentümlichen, allgemein pädagogischen Bereich verließ und sich auch nur im Ansatz in ein Mittel zu politischen Zwecken verwandelte. Die Zerschlagung der Illuminatenloge in den achtziger Jahren durch die kurfürstliche Regierung Pfalz-Bayerns und die wütende Verfolgung ihrer leitenden Mitglieder über die Landesgrenzen hinaus liefern hierfür den Beleg. Der Ausbruch der Französischen Revolution bestärkte natürlich das deutsche Ancien régime ganz beträchtlich in seinem Widerstand. Dieser trug dann auch nicht unwesentlich dazu bei, daß die anfängliche Begeisterung der übergroßen Mehrheit der deutschen Intelligenz für die politische Nutzanwendung der Aufklärung — notabene nicht im eigenen, sondern im Nachbarlande — einer zunehmenden Entmutigung wich. Nur eine geringe Minorität stieß unter exzeptionellen Bedingungen bis zu der Erkenntnis vor, daß der Lebenswille des Ancien régime nur durch den politischen Kampf zu brechen war. Das geschah im Linksrheinischen zwischen Landau und Bingen 1792/93 mit Mainz als Zentrum, und um diese Minorität geht es uns hier. Die Mainzer Intelligenz entwickelte sich weder vor noch unmittelbar nach dem Ausbruch der Revolution unter Bedingungen, die sich wesentlich von denen in anderen deutschen Territorien unterschieden hätten. Werner Krauss rechnet zwar die drei Mainzer Kurfürsten, die im 18. Jahrhundert gewählt wurden, zu den Ausnahmen, die „von dem Gedanken der Aufklärung durchdrungen" waren, stellt aber gleichzeitig fest, daß ihre aufklärerische Wirkung „auf den protestantischen Außenstand, den das kurmainzische Erfurt bildete", eingeschränkt blieb, wo seit 1772 ein Dalberg als Statthalter fungierte. 8 Im Hinblick auf den letzten der drei Kurfürsten ist diese Einschätzung jedoch noch zu generös. Friedrich Karl von Erthal, dessen Regierungszeit das ganze letzte Viertel des 18. Jahrhunderts abdeckt, begann mit eindeutig aufklärungsfeindlichen Maßnahmen. Er warf den aufgeklärten Bentzel, der sich um das Volks- und Mittelschulwesen ebenso wie um die Aufhebung des Jesuitenordens verdient gemacht hatte, aus allen Ämtern. Dagegen konnte der Mainzer Exjesuit Goldhagen mit seinem 1776 gegründeten „Religions) ournal" den publizistischen Kampf gegen die Aufklärung eröffnen. Wenn Erthal sich dann nach Jahren auch Bentzel als Universitätskurator zurückholte, um die Hochschule für die Heranbildung künftiger Staatsdiener effektiver und für Auswärtige attraktiver zu machen, so blieb es doch nur eine sehr partielle Zurücknahme der Aufklärungsfeindlichkeit. Der Tribut, der in den Jahren vor 1789 hier von Staats wegen der Aufklärung gezollt wurde, war in allererster Linie eine Sache des Dekors. Mainz als Sitz des Kurerzkanzlers hatte den Ruf der glänzendsten Residenz nächst Wien zu verteidigen. Eine katholische Universität, die sich mit dem Nimbus der Toleranz umgab, erregte Aufsehen und paßte 7 8

Lenin, Die Maikundgebungen, S. 212. Krauss, Konstellation, S. 361.

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ebenso in den Rahmen wie der Verfasser des „Ardinghello", Wilhelm Heinse, als Vorleser in die Abendgesellschaften der kurfürstlichen Favoritin, wo Seine Eminenz durch Freigeisterei und Frivolität weltmännische Vorurteilslosigkeit demonstrierte. Es war ein Glücksfall, daß Forster nach Mainz gelangte, aber nicht mehr. Die Toleranz, die ihm die Annahme der Bibliothekarstelle ermöglichte, erstreckte sich schon nicht mehr auf die Kinder, und die von Erthal auf dem spektakulären Restaurationsfest der Mainzer Universität 1784 verkündete Maxime, wonach „die Wissenschaften der Religion jedesmal unterzuordnen" seien9, setzte unmißverständlich Grenzen. Aufklärung und Absolutismus trennte ein Abgrund. Keiner der vielen deutschen absoluten Fürsten ist in diesen Abgrund gestürzt, weil bei erkennbarer Gefahr die Aufklärung immer als erstes preisgegeben wurde. In den aufklärungsfeindlichen Maßnahmen nach 1789 bestätigte sich diese Feststellung wie anderswo ebenfalls in Mainz. Die Bedingungen, unter denen die aufgeklärte Mainzer Intelligenz die Anfänge der Revolution in Frankreich erlebte, waren also im wesentlichen keine anderen als die im übrigen Deutschland. Nicht anders war auch ihr Verhältnis zu dieser Revolution selbst. Die aufgeklärte Intelligenz in Mainz fühlte sich 1789 mit der Revolution solidarisch und in ihrem aufgeklärten Streben durch sie bestätigt. Am 30. Juli 1789 schrieb Forster seinem Schwiegervater: „Schön ist es aber zu sehen, was die Philosophie in den Köpfen gereift und dann im Staate zustande gebracht hat, ohne daß man ein Beispiel hätte, daß je eine so gänzliche Veränderung so wenig Blut und Verwüstung gekostet hätte. Also ist es doch der sicherste Weg, die Menschen über ihren wahren Vorteil und über ihre Rechte aufzuklären; dann gibt sich das übrige wie von selbst."10 Der Schweizer Historiker und Mainzer Staatsrat Johannes von Müller nannte in einem Brief vom 14. August 1789 an seinen Bruder den 14. Juli den schönsten Tag seit dem Untergang der römischen Weltherrschaft. 11 Natürlich stand bei weitem nicht jeder, der so den Pariser Ereignissen zujubelte, später in den Listen des Mainzer Jakobinerklubs, im Gegenteil. Der ebenerwähnte Müller beispielsweise brachte keinerlei Talent zu einem späteren Jakobiner mit. Selbst wenn er der konterrevolutionären Intervention in Frankreich skeptisch gegenüberstand, so hielt er es doch im Hinblick auf die deutschen Zustände schon immer „nicht nur für die beste Politik, sondern selbst für ein Werk der Barmherzigkeit gegen betörte Untertanen, aufrührerischen Geist nicht zu Kräften kommen zu lassen, sondern durch überraschend schnelle Maßregeln zu schrecken".12 In diesem Zusammenhang brüstete er sich mit dem Erfolg seines Rates, die bäuerlichen Unruhen von 1790 um Aschaffenburg durch entschlossenen militärischen Einsatz zu ersticken. Geradezu hymnische Töne fand er für die zur Unterwerfung des rebellierenden Lüttich ausrückenden Mainzer Truppen. Müllers politisches Credo war konstitutionalistisch, aber dabei extrem antidemokratisch und tatkräftig ganz allein nur in diesem Sinne: „Mutatis mutandis halte ich die britische [Verfassung] für die beste, werde aber gewiß nie einen Finger rühren zur Umkehrung irgendeiner." 13 Eine ganz andere Grundhaltung nahm Georg Forster ein. Im Gegensatz zu Müller gehörte seine Sympathie den „rüstigen Lüttichern", die sich „des zu weit getriebenen

9 10 11 12 13

JustjMathy, Universität Mainz, S. 33. Forster an Heyne, 30. 7. 1789, in: Forsters Werke, 15. Bd., Nr. 190, S. 319. Müller, Biographische Denkwürdigkeiten II, S. 22. Ebenda, S. 272. Ebenda, III, S. 37.

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Druckes" mit Gewalt erwehrten.14 Sein hartes Wort vom „bloßen Possenspiel", womit er die Mainzer Handwerkerunruhen vom September 1790 bedachte, war nicht zuletzt in der Bußfertigkeit der Handwerksgesellen nach dem Aufruhr gegenüber der wortbrüchigen Regierung begründet: „Und nun werden die schärfsten Strafen gegen sie beschlossen, und sie unterwerfen sich ihnen wie zahme Schafsköpfe und Esel, die sie sind."15 Forsters Grundhaltung war demokratisch, und dieser Demokratismus ließ ihn nicht von der Französischen Revolution abfallen, sondern sich mit jeder ihrer Etappen weiterentwickeln. So bekannte er Mitte 1792 seinem Schwiegervater gern, „allemal lieber für als wider die Jakobiner" zu sein, „man mag gegen sie toben, wie man will". 16 Dabei bezog sich dieser revolutionäre Enthusiasmus selbstverständlich auf die französischen Vorgänge und nicht auf die deutschen Verhältnisse, die ihm zu einer Revolution noch nicht reif erschienen — ein Urteil übrigens, das er auch noch als aktiver Mainzer Revolutionär mit dem Blick auf das rechte Rheinufer wiederholte.17 Die Mainzer Intelligenz, die der Französischen Revolution zu irgendeiner Zeit mit Sympathie begegnete, bewegte sich innerhalb der durch Forster und Müller als ungefähre Eckpunkte gekennzeichneten Skala. Was in Müllers Nähe stand, wich dem Gluthauch der sich nähernden Revolution ängstlich aus wie beispielsweise der Historiker Niklas Vogt, der ebenso wie Müller große Hoffnungen in den Fürstenbund gesetzt hatte. Vogts spätere Klubmitgliedschaft war keineswegs in seinem unsystematischen, eklektischen Denken vorprogrammiert, und es dauerte auch nur Wochen, bis er sich total verstört seitwärts in die Büsche schlug. Forsters Kommentar dazu lautete: „So zeigen sich endlich die Menschen im Augenblick der Prüfung vor jedermanns Augen so, wie gescheite Leute sie schon längst kannten!" 18 Von der persönlichen Anlage her brachte — um ein anderes Beispiel zu nennen — der Theologe Felix Anton Blau sowenig wie Vogt das Zeug zu einem kraftvollen Politiker mit. Ihn zwang seine intellektuelle Redlichkeit in die Bahn der praktischen politischen Auseinandersetzung, denn wer wie er die Tradition als Glaubensquelle und die Unfehlbarkeit der Kirche bestritt, stand im Begriff, Kirche und Glauben voneinander zu trennen und einen Grundpfeiler des geistlichen Mainzer Staates zu unterminieren. Ganz anders wieder zeigte sich der Naturrechtler Andreas Joseph Hofmann, der dicht bei Forster und verschiedentlich sogar an seiner linken Seite anzusiedeln ist. Er trat nicht als Gelehrter hervor und war in seinen Vorlesungen durchaus abhängig von den Lehrbüchern der anerkannten Autoritäten, doch dank seiner innigen Volksverbundenheit konnte er gleichsam als ein geborener Demokrat gelten. Diese Verbundenheit bewahrte ihn dann auch vor dem intellektuellen Katzenjammer, als die Verwirklichung und Verteidigung der Demokratie nach energischen Maßnahmen gegen ihre Feinde verlangten. Die genannten Vertreter der aufgeklärten bürgerlichen Intelligenz in Mainz illustrierten die Unterschiedlichkeit möglicher Verhaltensweisen gegenüber dem bestimmenden Ereignis der Zeit. Selbstverständlich handelte es sich bloß um Beispiele, die ungleich zahlreicher angeboten werden müßten, wenn man die verschiedenen Reaktionen auch nur ungefähr abdecken wollte. In der gegebenen Situation, da sich auf deutschem Boden die Bourgeoisie noch nicht als Klasse konstituiert hatte, gab es für die Mainzer Intelligenz keine zwangsläufigen, sondern immer nur individuelle Entscheidungen zugunsten jener " Forsters 15 Forster 16 Forster 17 Forster 18 Forster

Werke, 9. Bd., S. 109, 117. an den Vater, 18. 9. 1790, in: Forsters Werke, 16. Bd., Nr. 69, S. 190. an Heyne, 5. 6. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 65 (Druckmsc.). an Voß, 27. 10., 21. 11., 21. 12. 1792, in: Ebenda, Nt. 126, 136, 154 (Druckmsc.). an seine Frau, 22. 12. 1792, in: Ebenda, Nr. 155 (Druckmsc.).

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bürgerlichen Revolution, die in unmittelbarer Nachbarschaft auf exemplarische Art und Weise durchgekämpft wurde. Mit gutem Grund konnte sich darum der Göttinger Staatsrechtler Pütter gegen den reaktionären Vorwurf verwahren, daß die Georgia Augusta die intellektuellen Kader für die Mainzer Republik hervorgebracht habe.19 Zu Unrecht dagegen beschuldigte im nachhinein der revolutionsfreundliche Johann Nikolaus Becker die führenden Klubisten, „vor der französischen Invasion fast alle dem Despotismus Blumen gestreut" zu haben.20 Die schwülstigen Dedikationen so mancher aufgeklärten Schrift an den sich aufgeklärt gebenden absoluten Fürsten bedeuteten keinen Kotau vor den bestehenden Zuständen, sondern eine an den Fürsten gerichtete Aufforderung, die bestehenden Zustände zu verändern. Selbst ein linker Aufklärer wie Forster konnte in seinen 1792 erschienenen „Erinnerungen aus dem Jahr 1790" nach dem treffenden Urteil von Geerdts eben nur für die französischen Vorgänge revolutionären Enthusiasmus aufbringen, während er die deutschen ironisch behandelte und hier nach wie vor Reformen von oben erwartete. 21 Ausnahmebedingungen, die andere Entwicklungen möglich machten, begannen für die aufgeklärte Mainzer Intelligenz erst mit dem Tage der Kapitulation der Festung vor Custine und mit dem Einzug der französischen Revolutionstruppen in die Stadt. Und doch sah selbst dann die Wirklichkeit noch ganz anders aus, als sie die übermütige Caroline Böhmer als Gast des Forsterschen Hauses im April 1792 in einem Brief an ihre Freundin Luise Gotter voraussagte: „Ich ginge ums Leben nicht von hier — denk nur, wenn ich meinen Enkeln erzähle, wie ich eine Belagerung erlebt habe, wie man einem alten geistlichen Herrn die lange Nase abgeschnitten und die Demokraten sie auf öffentlichem Markt gebraten haben."22 Denkgewohnheiten lassen sich nicht wie Hemden wechseln, und es wäre unsinnig, gleichsam über Nacht außergewöhnliche Denkweisen im Gefolge der durch äußere Einwirkung so plötzlich veränderten politischen Verhältnisse zu erwarten. Dennoch hält sich hartnäckig eine Legende, die der Obskurantismus auf der Suche nach Brutstätten des Umsturzes damals in die Welt gesetzt hatte. Von der bürgerlichen Historiographie eifrig kolportiert, spukt sie verschiedentlich selbst noch da und dort in der marxistischen Geschichtsschreibung unserer Tage. Diese Legende machte und macht die gelehrte Lesegesellschaft, die mit kurfürstlicher Genehmigung 1782 ihre Pforten geöffnet hatte, zum geistigen Kern der revolutionsfreundlichen Gesinnung und sogar zum politischen Klub, so daß sich diese Gesellschaft am 23. Oktober 1792 nur noch in den Jakobinerklub zu verwandeln brauchte. Dagegen ist nüchtern festzustellen, daß die kurfürstliche Regierung auch nach 1789 diese Lesegesellschaft nicht antastete. Sogar unter dem Eindruck der Custineschen Vorstöße nach Speyer und Worms, als der Mainzer Kurfürst schon längst das Weite gesucht hatte, hielt der zurückgelassene Statthalter eine Ermahnung für ausreichend, „keinen anderen als nötigen Gebrauch" von den aus französischen Journalen entnommenen Neuigkeiten zu machen. „Applaudierende Anmerkungen und Diskurse" bei Lesung solcher Schriften sollten allerdings — falls dergleichen von dem einen oder dem anderen Mitglied überhaupt zu gewärtigen wäre — exemplarisch bestraft werden.23 Nicht die Furcht vor möglichen Widersetzlichkeiten, sondern ganz offensichtlich das 18 20 21 22 23

Pütter, Selbstbiographie, S. 858 f. Becker, Beschreibung meiner Reise, S. 23. Geerdts, Ironie, S. 2 9 6 ff. Damm, Begegnung mit Caroline, S. 144. Hoffmann, Darstellung, S. 70 f.

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Vertrauen in die Loyalität der Masse der Mitglieder bestimmte ein solches Verhalten. Die Mainzer Lesegesellschaft war tatsächlich vor allem ein Feigenblatt des Absolutismus, und progressiv an dieser Erscheinung war im wesentlichen, daß der Absolutismus bereits eines solchen Feigenblattes bedurfte. Daß die hier gebotenen Informationsmöglichkeiten auch die gesellschaftskritische Haltung einzelner Mitglieder vertiefen mochten, muß als eine nicht unbedeutende Nebenwirkung gewertet werden. Der Behauptung in einer konterrevolutionären Streitschrift, „daß die Professoren Hofmann und Metternich demokratische Gesinnungen und Anarchie öffentlich auf der Lesegesellschaft predigten" 24 , begegnete der Mathematikprofessor und Klubist Metternich zu Recht mit der Feststellung, daß umgekehrt „fast täglich auf der Lesegesellschaft die Fürsten- und Pfaffenknechte auf die Franzosen" losgezogen wären. „Wahrlich, bei der Menge gekannter Spionen müßte es eine unverzeihliche Dummheit gewesen sein, so was zu tun, und soviel mir bekannt ist, waren die Leute, die dafür hätten sprechen können, nicht dumm." 25 Wenn es Keimformen eines organisierten Zusammenschlusses der später revolutionären bürgerlichen Intelligenz in Mainz gegeben hat, dann waren es die privaten Freundschaftszirkel, die uneingeschränkten Gedankenaustausch ermöglichten und keiner behördlichen Kontrolle unterstanden. So bestätigte in einem späteren Verhör derselbe Mathematiker Matthias Metternich die ein- bis zweimaligen Zusammenkünfte im Fürstenberger Hof, in dem er Wohnung genommen hatte, und ebenso an Sonntagnachmittagen bei seinem Vetter in Kostheim, wobei er selbstverständlich den von seinen Gegnern behaupteten Klubcharakter dieser Kränzchen bestritt.26 Anders urteilte Fürst Metternich, der besonders Forsters Haus einen Sammelpunkt zahlreicher Revolutionsanhänger nannte und als Mainzer Student bei Besuchen dort „Zeuge der Verführung" gewesen sein wollte, „der viele jugendliche Geister zum Opfer fielen". 27 Auch wenn diesem Zeugnis eines Mannes, den die Revolutionsfurcht sein ganzes Leben hindurch geschüttelt hat, kein großer Wert beizumessen ist, so wiegen Goethes unmittelbare Beobachtungen um so schwerer. Auf dem Weg zur Interventionsarmee hatte er im August 1792 zwei Abende in Forsters Haus verbracht und abschließend für sich notiert: „Große republikanische Spannung der Gemüter; mir ward unwohl in der Gesellschaft." 28 Caroline Böhmer fühlte sich dagegen um dieselbe Zeit durch den Forsterschen Kreis außerordentlich angeregt und schrieb dem ihr befreundeten Friedrich Wilhelm Meyer freimütig: „Für das Glück der kaiserlichen und königlichen Waffen wird freilich nicht gebetet."20 Zugleich jedoch beanspruchte sie für denselben Kreis „eine reife edle Unparteilichkeit", und in diesem Anspruch steckte durchaus ein sehr rationeller Kern: Bei aller Parteinahme für die Franzosen war man immer noch überzeugt, gewiß theoretisch interessierter, aber praktisch doch unbeteiligter Zuschauer zu sein und bleiben zu können. Der 21. Oktober 1792 brachte solche Vorstellungen zum Scheitern. Custine ließ seinem Einzug am 26. Oktober den „Aufruf an das gedrückte Volk deutscher Nation" folgen30, der in Frankreichs Namen Verbrüderung und Freiheit anbot, damit aber die Auseinan24 25 26 27 28 28 30

Winkopp, Über die Verfassung, S. 12. Metternich, Der Aristokrat, S. 18 Anm. t. Hansen II, S. 163 Anm. 3. Metternichs Papiere, S. 14. Roethe, Goethes Campagne, S. 190. Damm, Begegnung mit Caroline, S. 154. MRI, S. 55 f.

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dersetzung der aufgeklärten Mainzer Intelligenz mit einer konkreten revolutionären Forderung erzwang. Dieser Aufgabe gerecht zu werden hat sich natürlich nicht die Intelligenz in ihrer Gesamtheit, aber ihr bester Teil bemüht und ist aus der Sphäre der gelehrten Spekulation in die des politischen Handelns aufgestiegen. Dieser Prozeß ist für uns ablesbar in den Ergebnissen einer stupenden literarischen Fruchtbarkeit, die sich auf engstem Raum in einer sehr kurzen Zeitstrecke unter dem Schutz der Franzosen entwickelte und der das übrige Deutschland nichts Vergleichbares an die Seite zu stellen hatte. In Mainz allein erschienen sieben Zeitungen und Wochenschriften; die Titel selbständiger Flugschriften, die in Prosa oder Versen, als Rede, Aufruf, Lied, Theaterstück, Abhandlung oder Katechismus progressive politische Wirkung erzielen wollten, überstiegen die Hundert. Die von der französischen Besatzung seit Anbeginn und von den neuen deutschen Behörden seit dem 19. November 1792 ausgehenden Proklamationen und Verordnungen waren schon fast nicht mehr zu zählen. Den lebendigsten Ausdruck fand dieser Übergang von der gelehrten Aufklärung zur politischen Tat in den Diskussionen des Mainzer Jakobinerklubs, die auch im folgenden als wesentlicher Leitfaden dienen sollten. Der Klub entstand am 23. Oktober 1792 keineswegs spontan. Die Initiative ging von der unmittelbaren Umgebung Custines aus, in der militante Straßburger Klubisten eine maßgebliche Rolle spielten. Dazu gehörte neben Custines Sekretär Georg Wilhelm Böhmer sein Generaladjutant Daniel Stamm, ein Küfer und Weinhändler, der die Funktion des Schriftführers im Straßburger Jakobinerklub nach dessen Trennung von den Feuillants ausgeübt hatte und als Freiwilliger bei der Rheinarmee diente. Der erste Startversuch, den Daniel Stamm am Nachmittag des 23. Oktober unternahm, war keineswegs ermutigend. Forster schrieb darüber an Huber: „Nachmittags fand ich bei dem neuen Aide-major ein halb Dutzend hiesige Leute versammelt, die da überlegten, was wohl zu tun sei. Er hatte darauf angetragen, den Abend um 6 Uhr in den großen Saal im Schloß zu gehen und dort einen Klub zu stiften, den Custine selbst eröffnen würde. Niemand war seiner Meinung, und ich bestritt diese voreilige Maßregel mit allen Gründen, auf die er entweder nichts antworten wollte oder nichts zu antworten wußte." 31 Die Initiatoren taten das Klügste, was in dieser Situation zu tun war, nämlich nicht auf solche gelehrten Ausführungen zu hören und statt dessen vollendete Tatsachen zu schaffen: Am selben Abend noch konstituierte sich der Klub, der zunächst aus 20 Mitgliedern bestand, nämlich aus elf Studenten, vier kleinen Beamten, zwei Handelsleuten und nur drei Professoren.32 Der innere Widerstand gegen die ungewohnte Verbindung des aufgeklärten Denkens mit der politischen Praxis wurde von den besten Köpfen dann allerdings relativ rasch überwunden. Dabei halfen ihnen zwei Erscheinungen, die das Klubleben in der ersten Zeit maßgeblich mitbestimmten. Zunächst war es der außerordentlich starke Zulauf besonders aus den Kreisen der werktätigen Bevölkerung. Bereits zur ersten öffentlichen Sitzung am 24. Oktober fanden sich nach dem Zeugnis Custines über 200 Zuhörer ein; am folgenden Tag hatte sich die Zahl schon mehr als verdoppelt, und man dachte daran, auch noch den Einwohnern der umliegenden Ortschaften den Zugang zu ermöglichen.33 Aus dieser Zuhörerschaft, die gelegentlich sogar die Tausendergrenze überstieg, rekrutierten sich die eingeschriebenen Klubmitglieder, deren Anzahl im Laufe des November 1792 fast ein halbes Tausend erreichte. Diese Ergebnisse sind um so 31 32 33

Ebenda, S. 50. Ebenda, S. 53. Ebenda, S. 58 Anm. i.

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beeindruckender, wenn man sich vergegenwärtigt, daß nicht die Spur eines politischen Mitspracherechts aus den versunkenen Zeiten städtischer Selbstverwaltung den gewaltigen Sprung 2ur politischen Klubbildung erleichtert hatte. Es steht also außer Frage, daß die republikanischen Bestrebungen auf einer echten Massenbasis aufbauen konnten, und die in der reaktionären Geschichtsschreibung seit den Tagen der Mainzer Republik verbreitete These, wonach der Mainzer Jakobinismus das Werk einiger landesfremder Intellektueller gewesen sei, erweist sich somit als ein typisches Krähwinkler Geistesprodukt. Es waren die vielen in der materiellen Produktion Tätigen, in feudale Fesseln Geschlagenen und darum trotz unklarer Ziele nach handgreiflichen Veränderungen in den gesellschaftlichen Verhältnissen Verlangenden, die in Forster am 27. Oktober die Erkenntnis reifen ließen: „Eine Freiheitsgesellschaft hat sich unter den Auspizien des Generals gebildet, und die sich selbst gelassene Bürgerschaft scheint ganz geneigt, sich der Republik, so wie Savoyen, in die Arme zu werfen. Nur behalten die Leute noch die Augen offen auf diejenigen unter ihnen, denen sie Beurteilung und Einsicht zutrauen, und die sich noch nicht erklärt haben. Ich habe mit mehreren gutgesinnten Männern bisher von allem mich zurückgehalten; allein diese Neutralität ist mißlich, die Krisis naht heran, und man wird Partei ergreifen müssen."34 Am 5. November, dem Tage seines Klubeintritts, schrieb Forster an den mit ihm befreundeten Huber: „Es ist erstaunenswürdig, wie man auf Menschen wirken kann; ich fange an zu glauben, daß, ein wenig Mobilität im Charakter ausgenommen, die Franzosen ihre Revolution wenigstens in vielen Stücken nicht unter günstigem Aspekten als wir hier die unsrige angefangen haben; allein diese Massen werden doch bewegt, wenn die rechten Hebel kommen." 35 Wenn einerseits und in erster Linie die breite Basis betont wurde, auf der der Klub ruhte, muß andererseits ebenso nachdrücklich festgestellt werden, daß die Führung des Klubs eindeutig bei der aufgeklärten bürgerlichen Intelligenz, bei den Professoren, Juristen und Ärzten, lag. Und diese Matadors, wie sie in der revolutionsfeindlichen Publizistik genannt wurden, gingen an ihre Aufgabe der Führung des Klubs als deutsche Aufkläret, das heißt mit dem unbedingten Vertrauen nicht in die Kraft der Massen, sondern in die geschichtsverändernde Macht der Vernunft. Darin aber bestand das andere Phänomen, das das Klubleben lange Zeit maßgeblich bestimmte und es wiederum den aufgeklärten Köpfen erleichterte, den Weg zum Klub zu finden: Der Mainzer Klub begann — wie übrigens alle französischen Klubs vor ihm — als eine Institution, die ihre Hauptaufgabe in der Erziehungsarbeit sah, nämlich in der Verbreitung aufklärerischer Prinzipien im Klub selbst und durch ihn unter der Bevölkerung mit dem Ziel, der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Obwohl letztlich schon im Moment seiner Entstehung Keimform eines parteiartigen Zusammenschlusses mit praktisch-politischer Zielsetzung, war sich der Mainzer Klub dieses seines innersten Wesens darum zunächst nicht nur nicht bewußt, sondern er wehrte sich sogar förmlich dagegen. So nahm er noch Ende 1792 in seine Statuten das von Le Chapelier veranlaßte feuillantistische Dekret vom 30. September 1791 auf, das die Nationalversammlung damals nach dem Marsfeld-Massaker verabschiedet hatte, um parallel mit der Verschlechterung des Wahlrechts auch die Klubaktivitäten einzuschränken. Im Sinne dieses Dekrets verpflichteten sich die Mainzer Klubisten nicht nur, „allen Korporationsgeist aus ihrer Mitte verbannen, das Ansehen eines Staats im Staate gänz34 35

Forster an Voß, 27. 10. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 126 (Druckmsc.). Forster an Huber, 5. 11. 1792, in: Ebenda, Nr. 130 (Druckmsc.).

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lieh vermeiden" zu wollen36, sondern sie handelten auch danach. Es gab in den ersten Monaten keine Klubsitzung, in der nicht jede nach außen gerichtete Aktivität gegen Kompetenzüberschreitung und die Anwendung jeder Art von Zwang geradezu überängstlich abgesichert wurde. Als man sich beispielsweise Ende November 1792 entschlossen hatte, Emissäre zur Agitation aufs Land zu schicken, wagte es der Klub nicht, ihnen den Auftrag dazu aus eigener Machtvollkommenheit zu erteilen, sondern erbat dazu die Genehmigung der von Custine eingesetzten staatlichen Administration. Selbst als es Mitte Dezember nur um das Absenden einer Adresse ging, die der Administration für ihr Schutzversprechen den Dank des Klubs aussprechen sollte, stritt man zwei Tage lang ergebnislos über die Frage, ob die Gesellschaft, die wohl mit ihresgleichen korrespondieren durfte, aber kein öffentliches Korps ausmachte, sich überhaupt als Gesellschaft an die Administration wenden konnte oder ob eine solche Adresse nicht vielmehr die Unterschrift aller Klubmitglieder tragen müßte, die einzeln als selbständige Bürger zeichneten. Schließlich wurde ein besonderer Ausschuß beauftragt, eine akzeptable Lösung vorzubereiten.37 Erst in der zweiten Januarhälfte 1793, als sich der Kampf mit der Feudalreaktion schon unerhört zugespitzt hatte, findet sich im Klubprotokoll eine Formulierung, die den allmählichen Wandel in den Vorstellungen vom Wesen des Klubs kenntlich macht: Es hatte Debatten über die bisher übliche Eidesformel gegeben, die jedes Mitglied nicht nur verpflichtete, „dem freien Volke und dem Gesetz treu zu sein", sondern auch „alle jene anzugeben, welche dem Geiste der fränkischen Konstitution entgegenhandeln oder selbe zu verleumden suchen". Mit der Begründung, daß dieser Eid die Klubmitglieder „bei den Bürgern nur fürchtbar und als Spione" erscheinen lasse, wurde am 18. Januar eine neue Fassung zur Diskussion gestellt, jedoch am Ende einmütig verworfen. Man bezeichnete solche Konzessionen als „leere Komplimente" und bestand auf der alten Formel ausdrücklich deswegen, weil sie „in der Gesellschaft einen esprit de corps unterhielte".38 Der im Statut verfemte Korporationsgeist war zu einer Waffe im Klassenkampf geworden. Daß die Mainzer Klubisten dem feuillantistischen Dekret vom 30. September 1791 für die Definition ihrer eigenen Stellung in der Gesamtgesellschaft zunächst ein solches Gewicht zugemessen hatten, verwundert auf den ersten Blick ein wenig, zumal um diese Zeit die Affiliation mit dem Pariser Jakobinerklub vollzogen war, der sich sogar schon von den Girondisten in seinen Reihen befreit hatte. Doch von den deutschen Aufklärern, die urplötzlich in den Strudel der Revolution gerissen wurden, zu erwarten, daß sie den Schritt dort aufnahmen, wo die revolutionären Avantgardisten standen, ist ganz offensichtlich unsinnig. Sie hatten selbstverständlich einen ungeheuren Nachholbedarf und mußten in kürzester Frist wie nach dem biogenetischen Grundgesetz die wesentlichsten Entwicklungsstadien durchlaufen, um überhaupt den Anschluß zu gewinnen. Dem Zentrum der Revolution, d. h. Paris, gegenüber befanden sie sich, nicht anders als die französische Provinz, naturgemäß immer im Nachtrab. Aus diesem Grunde spiegelten sich auch in der Mainzer Presse oder in den Klubprotokollen die Auseinandersetzungen zwischen Gironde und Montagne völlig unzureichend wider. So sprach aus Forster kein Opportunist, sondern ein bürgerlicher Demokrat vom Rande des revolutionären Geschehens, der in seiner Meinungsbildung natürlich von der Entwicklung in Paris abhängig war, als er seiner nach Straßburg 36 37 38

Vgl. die Spezialstudie Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs, MR I, S. 310, 381, 384. Ebenda, S. 569, 573 Anm. h.

S. 464f., 484L

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übergesiedelten Frau anriet: „Bleibe Du, ohne etwas zu affichieren, rein republikanisch und halte es mit den Jakobinern, die aber leider auch zwei Parteien unter sich haben. Indessen muß sich's da erst in Paris entscheiden, eh' sich's in Straßburg entscheidet, welche die andere bezwingt." 39 Noch deutlicher sprach er es in einem seiner nächsten Briefe aus: „Aus den Parteien in Frankreich werde ich wohl so bald mich nicht finden können, bis ich selbst sehe und höre, an Ort und Stelle."40 Der Klub begann somit ganz im Sinne der bisherigen Praxis der Aufklärung, die den pädagogischen Faktor außerordentlich hoch bewertete, und genau wie seine französischen Vorbilder im Anfang auch mit Belehrungen. Da die Anzahl für eine solche Aufgabe geeigneter Männer zunächst gering war, trat anfangs fast jeden Abend der Professor und Arzt Georg Wedekind als Redner auf. Einer seiner ersten Vorträge, die meist auch noch gedruckt wurden, trug den bezeichnenden Titel „Über Aufklärung, eine Anrede an seine lieben Mainzer". Was Wedekind über die Aufklärung zu sagen wußte, war natürlich in keiner Weise originell; er definierte sie als „die vernünftige Erkenntnis aller derjenigen Dinge, welche ohne Rücksicht auf unsern besondern Beruf oder Metier zu unserer Glückseligkeit unentbehrlich sind". 41 Bedeutsamer bereits waren die pragmatischen Schlüsse, die er aus seiner Definition der Aufklärung zog: Ausgehend von dem Rousseauschen Grundsatz der natürlichen Gleichheit aller Menschen, verlangte Wedekind von jedem, der als aufgeklärt gelten durfte, neben der Beherrschung der Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen noch sieben weitere Fähigkeiten. Darunter waren die Kenntnis der Menschen- und Bürgerrechte sowie die Vertrautheit mit Verfassungsfragen eindeutig die wichtigsten. In seinen weiteren Reden machte sich Wedekind, der bald nicht mehr der einzige Sprecher blieb, die Verbreitung von Kenntnissen gerade auf diesen Gebieten zur Aufgabe. Eine ganze Vorlesungsreihe war der Erläuterung staatsrechtlicher Begriffe gewidmet. Sie fiel noch sehr abstrakt aus, was Wedekind aber schon eindeutig als Mangel empfand. In der Vorrede zu einer Sammlung von drei solchen Vorträgen sprach er über die Notwendigkeit und Schwierigkeit einer populären Schreibweise: „Ich suche das zu lernen, weil ich sonst wenig nützen würde, und ich bitte andere, daß sie es auch bald lernen und es mir darin zuvortun mögen." 42 Von Wedekind war auch der Antrag im Klub eingebracht worden, „daß einer aus der Gesellschaft, um die Bürger mehr anzufeuern, über die Rechte der Menschheit und über die französische Konstitution ohnentgeltlich für jeden Stadteinwohner öffentliche Vorlesungen halten sollte".43 Der mit dem Antrag verbundene Zweck, „die Bürger mehr anzufeuern", wurde ganz entscheidend erweitert und vertieft durch die Anregung Hofmanns vom 7. November, auch die Bauern einzubeziehen und sie mit revolutionärer Literatur zu versorgen.44 Das Bündnis mit den Bauern war für die Mainzer Jakobiner ein Bündnis mit der Demokratie. Schneller als die Jakobiner selbst, die noch einiges Lehrgeld zahlen mußten, begriff das die Reaktion. Einer ihrer Spitzel meldete unter dem 21. November aus Mainz: „Man wird bald alles aufbieten, um den Bauern zu gewinnen, da dieser im Mainzschen hauptsächlich die Revolution machen soll."45 39 40 41 42 43 44 45

Forster an seine Frau, 29. 12. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 160 (Druckmsc.). Forster an seine Frau, 8. 1. 1793, in: Ebenda, Nr. 166 (Druckmsc.). MR I, S. 77. Ebenda, S. 62. Hoffmann, Darstellung, S. 133. MR I, S. 145. Vgl. die Spezialstudie Spielberichte aus dem jakobinischen Mainz, S. 492.

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Die durch den französischen Vorstoß geschaffene andersartige Situation verlangte von der deutschen Aufklärung eine Konkretisierung ihrer großen Inhalte, so daß diese für die große Masse verständlich und handhabbar wurden. Unter den Bedingungen, wie sie sonst für die deutschen Zustände typisch waren, gelangte um die gleiche Zeit selbst ein Mann wie Fichte nur bis zur „Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europas, die sie bisher unterdrückten".46 Hier in Mainz dagegen verwandelte sich die Revolutionsbereitschaft, die Krauss den Grundton der Aufklärung in den achtziger Jahren nannte und die die Notwendigkeit einer Umgestaltung der Gesellschaft in der allgemeinsten Form zum Ausdruck brachte, in ein den Volksmassen unterbreitetes und darum notwendig demokratisches, revolutionäres Programm. Daß dieser Prozeß von den aufgeklärten Köpfen nicht ohne Schwierigkeiten bewältigt wurde, bestätigt unter anderem auch die noch Anfang Dezember 1792 geäußerte Klage Forsters, der es als „deutsche Trägheit und Gleichgültigkeit" bezeichnete, wenn den Leuten bloße moralischpolitische Gründe zur Abschüttelung des feudalen Jochs nicht genügten, sondern wenn sie vor allem die'Beseitigung der feudalen Abgaben verlangten. „Die deutsche Trägheit und Gleichgültigkeit ist zum Ausspeien. Noch regt sich nichts, und immer kommen uns Leute mit Vorschlägen, wie bald sich alle für die Freiheit erklären würden, wenn man ihnen nur alle Abgaben erlassen wollte. Gemißhandelt, betrogen, gedrückt — das alles ist also nichts, was einen Menschen bewegen kann, das Joch abzuschütteln, sondern vollkommene Zusicherung, daß man nichts tun und gar keine Pflichten haben werde."47 Um solche störenden Vorbehalte abzubauen und im Klassenkampf zu klaren Fronten zu gelangen, bewährte sich als ein äußerst wirksames ideologisches Instrument der Patriotismus, wie ihn die deutsche Aufklärung als einen zentralen Begriff entwickelt hatte. Die diesem Patriotismus immanente Volksverbundenheit half die Anrede an die Massen finden, und sein antifeudaler Klasseninhalt schützte ihn vor reaktionärem Mißbrauch. Der Patriotismus der Mainzer Klubisten sah sich zu Recht durch den des Nachbarvolkes gefördert und nicht gefährdet, denn beide Patriotismen waren demokratischen Charakters, das heißt nach innen volksverbunden und nach außen völkerverbindend. So konnte Forster in seiner Jungfernrede am 15. November im Klub als Ziel für das besetzte Linksrheinische die Republikanisierung und die Vereinigung mit dem revolutionären Frankreich proklamieren.48 Der Kosmopolitismus, der hier mitschwang, spielte damals eine außerordentlich positive Rolle, denn er sorgte für die so notwendige Weltoffenheit, um die lähmende Lokalborniertheit abzustreifen und den Mut zu finden, die Kernfrage des bürgerlichen Fortschritts anders als bislang zu beantworten, nämlich revolutionäre Praxis zu üben. Den Weg dorthin wiesen sehr konkrete Klassenkampferfahrungen: Auseinandersetzungen mit dem ganzen feudalen Privilegienplunder des zünftlerischen Handwerks und mit einem parasitären Handelsstand, der kaum den Mut zu einem Flickwerk am Alten aufbrachte; Agitationsarbeit unter der Bauernschaft, die die Massenbasis bei der bürgerlichen Umwälzung zu stellen hatte und der man nicht mit abstrakten Postulaten kommen konnte, sondern Auskunft über das Ende der Feudallasten geben mußte; Bekämpfung konterrevolutionärer Propaganda und gesteuerter Sabotage republikanischer Maßnahmen durch fürstliche Parteigänger weltlicher und geistlicher Provenienz, die ihre Aktivität mit den zunehmenden Vorbereitungen der Interventionsmächte auf einen neuen Waffengang ständig steigerten. Die in solchen Klassenkämpfen gewonnenen Erfahrun48 47 48

Träger, Fichte als Agitator, S. 172ff. Forster an seine Frau, 8. 12. 1792, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 143 (Druckmsc.). MR I, S. 2 1 9 - 2 3 2 .

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gen trieben den Erkenntnisprozeß maßgeblich voran. Ihn auf seinen einzelnen Etappen im Detail zu verfolgen würde hier den Rahmen sprengen, doch macht schon die Markierung einiger weniger Punkte den Weg deutlich. Es war ein großer Schritt von Wedekinds Rede über die Aufklärung im Oktober bis zu der in einem Klubausschuß im Dezember aufgeworfenen Frage: „Ist nicht jede friedfertige Staatsumwälzung ein Unding, und ob nicht jeder Aufwand an Gut und Blut sowohl im moralischen als ökonomischen Betrachte wahrer Gewinn sei."49 Friedrich Lehne sprach zu diesem Thema vor dem Plenum des Klubs am 23. Dezember.50 Auf Erfahrungen gestützt, wie sie die Geschichte vermittelte, erbrachte er nicht nur den Nachweis, daß eine friedfertige Revolution nicht sein kann, sondern um des Zwecks der Gründung eines besseren allgemeinen Zustandes willen folgerte er auch, daß sie nicht sein sollP- Im Prinzip war damit bereits jener echt jakobinische Standpunkt erreicht, den auch Forster Anfang Februar 1793 seiner Frau gegenüber verfocht, als sie in Straßburg unter feuillantistischen Einfluß geriet: „Man ist entweder für absolute Freiheit oder für absolute Tyrannei. Ein Mittelding gibt es nicht, denn die bedingte Freiheit läuft immer wieder auf Despotie hinaus und ist daher, weil sie Mäßigung affichiert, gefährlicher und echten Freiheitsfreunden verhaßter als Royalismus, der wenigsten gerade heraus sagt: ihr sollt gehorchen."52 Die dünne Stelle in Lehnes Ausführungen lag bei der Nutzanwendung für die Mainzer und verriet den großen Abstand, der immer noch zwischen Wort und Tat klaffte: „Dankt dem Allmächtigen, daß ihr von allen Nationen die einzige seid, die ihre Freiheit nicht mit ihrem Blute erkaufen muß."53 Die Wortführer im Klub konnten sich damals noch nicht vorstellen, daß auch ein scheinbar so einfaches Bekenntnis zur französischen Republik nur in härtestem Klassenkampf mit der eigenen Feudalreaktion durchzusetzen war. Diese Erfahrung sammelten sie im Februar/März 1793, als sie in den Gemeinden die Munizipaütätswählen betrieben und die Einberufung des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents vorbereiteten. Der damit verbundene politisch-ideologische Reifungsprozeß fand seinen klassischen Ausdruck in dem Leitartikel, den Forster am 8. März 1793 in seinem „Volksfreund" veröffentlichte und der mit den Worten begann: „Frankreichs Revolution glich der heftigen Krise einer hartnäckigen eingewurzelten Krankheit; unsere Mainzer Revolution ist mit einer hart angreifenden Kurart bei einem kranken Körper, der zu einer freiwilligen Krise noch kein Vermögen hat und darum den Beistand des Arztes begehrte, zu vergleichen. Krankheiten mögen sich nun von selbst brechen oder durch die Kunst gebrochen werden, so geht es ohne Schmerzen, ohne Verlust an Säften dabei nicht her; auch wird wohl ein ganzes Glied brandig, stinkend und fällt dann ab, oder die Hand des Wundarztes muß gar mit dem Amputationsmesser zu Hilfe kommen und den unbrauchbar oder schädlich gewordenen Teil absondern. Das liegt nun einmal in der Natur der Sache."54 Zwischen dieser Formulierung und der ersten Aktivität im Klub lag eine beträchtliche Distanz. Es war der Weg vom aufklärerischen Glauben an die Allgewalt der Erziehung und Belehrung — der im Klub zunächst eindeutig dominierte — bis zur Bejahung der revolutionären Gewalt, wie sie der Rheinisch-deutsche Nationalkonvent dann in der 49 50 51 52 53 51

Ebenda, S. 412. Ebenda, S. 4 2 0 - 4 2 5 . Ebenda, S. 421. Forster an seine Frau, 4. 2. 1793, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 174 (Druckmsc.). MR I, S. 425. NMZ, Nr. 29 vom 8. 3. 1793.

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zweiten Märzhälfte 1793 in seinen Dekreten gegen die feudalen Herren und ihren eidverweigernden Anhang auch handfest praktizierte. Auch wenn zwischen Bingen und Landau eine exzeptionelle Situation bestand und der historische Zufall der Eroberung dieses deutschen Landzipfels durch die französische Revolutionsarmee eine ganz entscheidende Rolle spielte, so hat doch im Hinblick auf die deutsche Aufklärung die hier erreichte politisch-ideologische Reife einen generellen Aussagewert. Markov hatte Frankreich im Auge, als er die sehr bemerkenswerte Feststellung traf: „Nicht die Reflexion über die Revolution, sondern diese selbst verlangt der Aufklärung die Bewährungsprobe ab." 8 5 Die prinzipielle Natur dieser Erkenntnis gestattet, ja gebietet ihre allgemeine Nutzanwendung, also auch auf die Mainzer Republik, wo deutsche Aufklärer eben nicht in dem Vorurteil steckenblieben, daß die Deutschen nur zu Revolutionen des Geistes taugen, sondern wo sie die abstrakten Menschenrechte über konkrete, nämlich bürgerliche politische Freiheiten ansteuerten und dabei ein positives Verhältnis zur revolutionären Gewalt gewannen. Trotz gemeinsamer Wurzeln waren Aufklärung und bürgerliche Revolution selbstverständlich zu keiner Zeit identisch, und wenn aufgeklärte Köpfe zu Revolutionären wurden, dann bedeutet das nicht, daß die Aufklärung die Revolution gemacht hätte. „Ideen können nie über einen alten Weltzustand, sondern immer nur über die Ideen des alten Weltzustandes hinausführen", heißt es in der „Heiligen Familie". 56 Aber gerade das hat die Aufklärung — die deutsche wie die französische — geleistet. Sie hat über die Ideen der Feudalität hinausgeführt und gesellschaftlichen Bedürfnissen, die aus dem bürgerlichen Emanzipationsbestreben erwuchsen, ideellen Ausdruck verliehen. Das war ihr spezifischer Beitrag zur Revolution, die wiederum diesen Beitrag in die politische Praxis umsetzte. In dieser Umsetzung erfuhr die Aufklärung ihre Bewährungsprobe. Frankreich lieferte dafür gleichsam das Modell; hier nahm die Aufklärung ihre radikalste Form an und mündete direkt in die politische Revolution ein. Die deutsche Aufklärung übertraf die französische zwar eindeutig in ihrem spezifisch bürgerlichen Gepräge, zahlte dafür aber auch mit einer Isolierung, die wieder der Feudalität zugute kam. In Deutschland führte der Weg von der Aufklärung nur zu einer „philosophischen Revolution", um mit Engels zu sprechen 57 , und auch das nur dank der Möglichkeit, die praktischen revolutionären Erfahrungen Frankreichs theoretisch zu verarbeiten. Aber wo wie zwischen Landau und Bingen im Zuge des weltweiten Klassenkampfes zwischen bürgerlichem Fortschritt und feudaler Reaktion die revolutionäre Praxis in Gestalt der Revolutionstruppen unter Custine als Korrektiv in die deutschen Verhältnisse eingriff, da bewies auch die deutsche Aufklärung ihre Eignung, sich auf jakobinische Weise zu verwirklichen. Forster beispielsweise hat seinen politischen Einsatz immer als notwendige Folge seiner zuvor geäußerten theoretischen Ansichten begriffen. Seinem Berliner Verleger schrieb er Ende Januar 1793: „Meine Grundsätze waren vor dem 21. Oktober allgemein bekannt, meine Schriften zeugen davon. Was ich seitdem tat, kann nur beweisen, daß ich fähig war, so zu handeln, wie ich dachte."58 Daß die aufgeklärten Köpfe im Rechtsrheinischen diesen Schritt noch nicht einmal gedanklich nachzuvollziehen vermochten, bestätigt nur die grundlegende Bedeutung des historischen Zufalls für die andersartige Entwicklung im Linksrheinischen. Forster sah durchaus das Exzeptionelle der durch 55 56 57 58

Markov, Grenzen des Jakobinerstaates, S. 221. Engelsj AIarx, Heilige Familie, S. 126. Engels, Feuerbach, S. 265. Forster an Voß, 29. 1. 1793, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 173 (Druckmsc.).

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den Custineschen Vormarsch geschaffenen Situation, wenn er den Deutschen jenseits des Rheins die Reife zur Revolution bestritt oder von seinem Schwiegervater Heyne sagte : „Um den guten Alten in Göttingen ist mir's recht leid. Der ist doch nun lediglich darum Aristokrat, weil er nicht 50 Meilen südlicher wohnt." 59 Dennoch bleibt festzustellen, daß die Soldaten Custines wohl wesentliche Voraussetzungen geschaffen, aber nicht die Mainzer Revolution gemacht haben. Die Mainzer Republik war das Werk deutscher Jakobiner, die ihr geistiges Rüstzeug für diese Leistung vor allem der deutschen Aufklärung verdankten ; für die deutsche Aufklärung wiederum war dies die ihr abverlangte Bewährungsprobe und darum von ganz besonderem Gewicht. 59

Forster an seine Frau, 31. 12. 1792, in: Ebenda, Nr. 161 (Druckmsc.).

Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz+

Als Custines Revolutionstruppen im Oktober 1792 in die Pfaffengasse auf Mainz vorstießen, suchten die Angehörigen der herrschenden Feudalklasse mitsamt ihren Lakaien in kopfloser Panik ihr Heil in der Flucht, allen voran der Mainzer Kurfürst. Karl Friedrich von Erthal hatte zuvor die militanten Pläne des emigrierten französischen Adels eifrig genährt und 2000 Mann den preußisch-österreichischen Interventen zur Verfügung gestellt. Die Kapitulation der Festung am 21. Oktober ohne auch nur den Versuch einer halbwegs ernsthaften Gegenwehr paßt treffend ins Bild dieser verrotteten feudalen Gesellschaft. Was von ihr bis dahin noch nicht mit Sack und Pack geflüchtet war, das nutzte den im siebenten Kapitulationspunkt vereinbarten freien Abzug für alle Mainzer Einwohner, um das Versäumte nachzuholen. Zurück blieben die Masse des niederen Klerus, ein beträchtlicher Teil der unteren Beamtenschaft und einige wenige höhere Beamte. Da Custine zunächst die kurfürstlichen Behörden zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit aufforderte und selbst nach Einsetzung der provisorischen Allgemeinen Administration am 19. November die nunmehr beschäftigungslos gewordenen Beamten weiterhin besoldete, zogen viele von ihnen das Verbleiben in Mainz der Ungewißheit einer Wiederverwendung im rechtsrheinischen Teil des Kurstaates vor. Diese Feststellung bedeutet nicht, daß die Auswanderungen gänzlich aufgehört hätten; aber sie verloren ihren panikartigen und massenhaften Charakter, wenn es auch im Laufe des ersten Monats nach der Besetzung noch einige hundert wurden. Erst recht darf natürlich das bloße Verbleiben in der Stadt nicht als ein Bekenntnis für die Revolution gewertet werden. Seitdem es dem Papst gelungen war, das revolutionäre Frankreich mit einem Schisma zu belasten, indem er die von der Nationalversammlung angenommene Zivilverfassung der Geistlichkeit verwarf, mußte mit der potentiellen Gegnerschaft selbst des volksnahen niederen Klerus gerechnet werden. Die zwar sehr unterschiedliche, aber doch immer der Bevölkerung gegenüber privilegierte Stellung innerhalb der kleinstaatlichen Bürokratie hatte das Denken auch der meisten Beamten in feudale Fesseln geschlagen. Schließlich gab es selbst in den bürgerlichen Schichten, die weder im behördlichen noch im kirchlichen Bereich des Feudalstaates ihr Brot gefunden hatten, nicht unbedeutende Kräfte, die an die alte Ordnung gebunden waren, weil auch sie feudale Privilegien genossen und in der herrschenden Feudalklasse ihre beste Kundschaft besaßen; das galt für viele Mitglieder des Handelsstandes und auch für so manchen Zunftmeister. Der Schlag, den die Einnahme von Mainz durch die Revolutionstruppen für alle diese in die Feudalgesellschaft integrierten Kräfte bedeutete, war jedoch zunächst von solch betäubender Wucht, daß nicht aus ihren konterrevolutionären Potenzen sogleich die entsprechenden Aktivitäten erwuchsen. Ebenso mußten die + Bereits gedruckt in: Jahrbuch für Geschichte, Fassung.

Bd. 6, Berlin 1972, S. 501 — 533; überarbeitete

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geflüchteten Feudalen selbst erst ihre Panik überwunden haben, um wieder klare Gedanken fassen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, die ihren Interessen entsprachen. Eine der ersten Voraussetzungen für eine im feudalen Interesse sinnvolle Politik, die Dämme gegen die revolutionäre Flut aufwarf, um verlorenes Gebiet womöglich auch wieder zurückzugewinnen, war eine zuverlässige Kenntnis des Geschehens im von Custine besetzten Linksrheinischen. Als Auskunftsquellen boten sich gleichsam von selbst erstens die Verlautbarungen an, die von französisch-militärischer und deutsch-revolutionärer Seite durch den Druck zur allgemeinen Kenntnis gebracht wurden, also Proklamationen, Zeitungen, Flugblätter usw. Zum anderen stellten natürlich die Auswandernden als unmittelbare Augenzeugen des Geschehens in den besetzten Gebieten wertvolle Nachrichtenübermittler dar. Beide Quellen besaßen selbstverständlich für die feudalreaktionären Zwecke nur eine begrenzte Aussagekraft. Während die letzte nur vergangene Eindrücke wiedergeben konnte, die zudem die veränderten Zustände aus einem zufälligen subjektiven Blickwinkel erfaßt hatten, trug die erste wesentlich programmatischen Charakter und ließ nur indirekte Schlüsse auf die tatsächliche Situation zu. Der Feudalklasse mußte daher an solchen ergänzenden Auskünften gelegen sein, die sie ständig auf dem laufenden hielten, aus intimer Kenntnis des Geschehens gewonnen wurden und gezielte Fragen beantworten konnten. Nur Spitzel waren dazu in der Lage, und sie fanden sich. Einige sind namentlich bekannt. Der Geheimrat Kalkhoff gehörte zwar bis zum 19. November 1792 der von Custine zunächst beibehaltenen Landesregierung an, aber holte sich seine Instruktionen von Albini. Ein an diesen gerichteter Brief vom 3. November erbat dringend Weisungen zu elf Punkten und beklagte sich bitter über das Ausbleiben jeder Antwort auf vorangegangene Schreiben. Kalkhoff bestätigte aber auch, daß die geforderten Weisungen Informationen voraussetzten, die wiederum er zu liefern bereit war. Bei der Denunziation jenes Teils von Gelehrten und Bürgern, die den revolutionären Umsturz der alten Verfassung maßgeblich betrieben, benutzte er sogar den ehemaligen Mainzer Staatsrat und nunmehrigen Hofrat bei der Wiener Staatskanzlei Johannes von Müller. Müller, der mit Custines Erlaubnis noch einmal nach Mainz zurückgekehrt war, um seine zurückgelassenen Bücher und Papiere zu holen, war offensichtlich mit solchem Agentendienst einverstanden, denn Kalkhoff schrieb: „Die Glieder wird Ihnen Exzellenz Müller mündlich bekannt machen."1 Auch der Vorsitzende des einflußreichen Mainzer Handelsstandes, Daniel Dumont, gehörte in diese Kategorie. Dumont pflegte geheime Verbindung mit den zuvor regierenden Kreisen, insbesondere mit dem Domherrn Graf Friedrich Lothar von Stadion, der ihm am 16. November 1792 detaillierte Ratschläge, die auf einer gründlichen Kenntnis der Situation im besetzten Mainz beruhten, für seine weitere konterrevolutionäre Tätigkeit brieflich unterbreitete.2 Die Mainzer Revolutionäre taten einen wahrhaft guten Griff, als sie ihn als einen Spiritus rector des Widerstandes gegen die ausgeschriebenen Wahlen am 23. Februar 1793 verhafteten und als ersten zwangsweise aus Mainz entfernten. Mit offenen Armen wurde er auf der andern Seite der Barrikade empfangen. Er stieg im April sogar zum Vertrauensmann der kurfürstlichen Regierung im Hauptquartier der Mainzer Belagerungsarmee auf, das sachkundige Auskunft über gefangene Mainzer Klubisten haben wollte.3 1 2 3

HHStA Wien, M E A , Militaria, Fasz. 118. MR I, S. 157f. Vgl. S. 281.

Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz

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Der einstige Hofgerichtsrat Heinrich Nikolas Wolf, der zunächst in die Mainzer Munizipalität schlüpfte, dort als Munizipal die Dezemberabstimmung kräftig sabotierte und sich der von Forster geforderten Untersuchung durch schnelle Amtsniederlegung entzog, bot sich der Reaktion im Januar 1793 offen als Spitzel an. Er gab zu bedenken, „ob es nicht rätlich scheine, daß ich insolange, als ich um meine persönliche Sicherheit und den Zwang zur Ablegung des Konstitutionseids nichts zu besorgen habe, mit Beobachtung der Kette von Vorfällen dahier privatisiere". 4 Der Lizentiat der Rechte Adam Ignaz Hütter verband seine Spionagetätigkeit mit konterrevolutionären Aktivitäten, wie sein Brief aus Mainz vom 5. Januar an den Kurfürsten beweist. Er gab darin einerseits einen Bericht über die Situation im Klub und brüstete sich andererseits, mehrere Exemplare der vor einigen Tagen in Frankfurt erschienenen Schrift des einstigen Aufklärers und späteren Obskuranten Peter Adolf Winkopp über die Mainzer Verfassung verbreitet zu haben.6 Ähnlich wie den der alten Ordnung treuen Beamten wird es den reaktionären Sekundärgeistlichen gegangen sein. Der Pfarrer von St. Ignaz in Mainz und Vikariatsmitglied Ernst Xaver Turin war gewiß nicht der Mutigsten einer, denn stets machte er sich aus dem Staube, wenn es auch nur brenzlich roch; sein allerdings erst Jahre später zusammengestelltes Tagebuch sagt nichts über geheime Kontakte zu den geistlichen Oberen jenseits des Rheins. Die Tatsache jedoch, daß ausgerechnet Turin, der erst Ende Februar 1793 Mainz verließ, bald danach beauftragt wurde, „die geistlichen Mainzer Klubisten ad protocollum über ihre Anhänglichkeit an die Franzosen zu konstituieren"6, rückt ihn in die Nähe von Dumont, der seine Vertrauensstellung auch nicht geschenkt erhalten, sondern erworben hatte. Aus der Reihe fällt lediglich der steckbrieflich gesuchte Betrüger und Hochstapler Karl Wilhelm Friedrich Schaber, der sich als Professor ausgab, im Klub von Bergzabern eine Rede hielt, die er am 21. Januar 1793 in Mainz wiederholte, und dann nach Frankfurt zurückkehrte. Ob er diese Reise bereits als preußischer Militärspion gemacht hatte, ist ungewiß. Daß er seine nächste Reise in dieser Eigenschaft am 16. Februar von Frankfurt aus antrat, ist dagegen gewiß. Sie führte ihn über Worms, Alzey, Kreuznach, Mainz und Kastel zurück nach Alzey, von wo aus er seinen ersten Bericht absandte, aber auch sofort verhaftet wurde. Am 22. Februar saß er bereits auf dem eisernen Törchen in Mainz, wo er 21 Wochen verbringen mußte und sein Tagebuch mit der Aufzeichnung jener wilden Gerüchte füllte, wie sie in einem Gefängnis über die Außenwelt umzugehen pflegen. 7 Die genannten Personen gehörten zwar nicht der Feudalklasse selbst an, aber sie waren — der deklassierte Schaber ausgenommen, der für Geld alles tat — Exponenten jener in die Feudalgesellschaft integrierten Kräfte, wie sie sich in der Beamtenschaft, dem niederen Klerus und auch im privilegierten Bürgertum fanden. Ihre konterrevolutionäre Denkweise war die Grundbedingung ihrer Eignung für die Agententätigkeit. Darüber hinaus erfüllten sie zwei weitere Voraussetzungen: Sie verfügten über ein beträchtliches Bildungsniveau und saßen in Stellungen oder erwarben sich solche, die ihnen tiefere Einblicke und größere Übersichten ermöglichten. Im ersten der im Anhang mitgeteilten Dokumente sagt ein solcher Spitzel von sich: „Die Matadors des Klubs kenne ich, und die Apostel der Freiheit und Gleichheit, die mit Custines Armee kamen und noch täglich ankommen, spreche ich alle Tage." Und das Dokument 7 schließt voller Hast: „Ich kann heute nicht mehreres schreiben, da ich bei Förster speise." 4 5 6 7

M R I, S. 480. HHStA Wien, MEA, Militaria, Fasz. 118. Gottron, Tagebuch Turins, S. 159 f. MR I, S. 5 8 9 - 5 9 3 .

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Gewiß waren auch Hilfskräfte notwendig, die beispielsweise die Agentenpost besorgten, also im strengen Wortsinne ebenfalls Spitzeldienste leisteten und zumeist — Johannes von Müller wäre dann eine Ausnahme von der Regel — dem arbeitenden Volke angehören mochten. Solche Elemente, die sich vom Klassenfeind beschwatzen, erpressen oder kaufen lassen, finden sich zu allen Zeiten und interessieren nicht in unserem Zusammenhang. Uns geht es um die Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz, die der kaiserliche Gesandte Klemens August Graf von Westphalen zu Fürstenberg in der zweiten Novemberhälfte 1792 nach Wien senden konnte. Gleichgültig durch wen und wie sie in seine Hände gelangten, kann aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen der Schluß gezogen werden, daß die nicht identifizierten Verfasser dieser Berichte in den gleichen Kreisen wie die Kalkhoff, Dumont, Wolf, Hütter oder Turin zu Hause waren. Daß ein kaiserlicher Gesandter in der Werbung von Konfidenten so erfolgreich war, ist nicht weiter erstaunlich, denn wenn es zu den vornehmsten Pflichten jedes Gesandten gehörte, seinen Hof schnell und zuverlässig mit bedeutsamen Nachrichten zu versorgen, so gab es im November 1792 am Rhein ganz gewiß keine wichtigeren als die aus dem von französischen Revolutionstruppen besetzten Mainz. Schon eher konnte verwundern, daß es der Graf von Westphalen und nicht Josef Heinrich Schlick Graf von Bassano und Weißkirchen war, der seine Berichte nach Wien mit solchen Materialien anreicherte; denn der kaiserliche Gesandte am Hofe von Kurmainz und beim oberrheinischen Kreise war Schlick. Westphalen hielt sich normalerweise in Bonn auf, weil er bei Kurköln, Kurtrier und dem niederrheinisch-westfälischen Kreise akkreditiert war. Tatsächlich jedoch hatte auch Schlick sich schon bald nach der Einnahme der Stadt durchaus und nicht ohne Erfolg um zuverlässige Nachrichten bemüht. Obwohl das Mainzer Postamt seine Arbeit kaum zu unterbrechen brauchte, wagten es die in der Stadt verbliebenen Parteigänger des Kurfürsten nicht, sich dieser Einrichtung zur Nachrichtenübermittlung zu bedienen. Schlick erhielt darum seine ersten substantiellen Auskünfte, die er am 27. Oktober von Würzburg nach Wien meldete, „durch einen geschäftskundigen Augenzeugen" 8 , also offensichtlich durch einen erst vor kurzem aus Mainz ausgewanderten Beamten. Sein Bericht vom 31. Oktober bedauerte, daß „die Kommunikation und Briefversendung zwischen hier und Mainz ... leider noch immer in gespanntem Zustande" sei. Bei seinen sachlichen Mitteilungen berief er sich auf eine' beigelegte Nummer des „Frankfurter Staats-Ristretto" mit zwei Aufrufen Custines und „einen von Mainz gekommenen verlässigen Geschäftsmann"9, worunter er immer einen Beamten verstand. Daß der Briefverkehr mit Mainz im November sogar auf zunehmende Schwierigkeiten stieß, beteuerte nicht nur Schlick mehrfach, sondern dokumentierte auch die am 21. November von der allgemeinen Administration ergangene Verordnung. Auf die Anzeige hin, „daß verschiedene hiesige und in der Nähe wohnende Beamten und andere Personen sich mit Auswärtigen und besonders Emigrierten gegen die dermal hier bestehende Verfassung in einen Briefwechsel einließen", wurde exemplarische Strafverfolgung angedroht.10 Den Ausweg, den Schlick suchte und fand, schilderte er in einem Bericht vom 26. November: „Die Beschwerlichkeit, Briefe von da zu erhalten oder dahin zu versenden, 8 9

10

HHStA Wien, Staatskanzlei, Berichte aus dem Reich, Fasz. 249, Bericht Nr. 99. Ebenda, Bericht Nr. 1 0 1 ; es handelt sich um das 169. Stück des Staats-Ristretto vom 29. 10. 1792 mit Custines Aufruf an das gedrückte Volk deutscher Nation vom 25. 10. 1792 (MR I, S. 55f.) und seinem Manifest gegen den Herzog Wilhelm von Hessen-Kassel vom 28. 10. 1792 (Hansen II, S. 527 Anm. 1). MR II. S. 100.

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nimmt zu, und bloß durch Dahinsendung vertrauter Leute, welches sehr vorsichtig geschehen muß und durch die nämliche Person nicht oft wiederholt werden darf, bloß auf diese Art ist man imstande, Nachrichten zu erhalten, welches aber aus einer andern Ursache, weil nämlich bei dem geringsten Ereignis die Stadttore gesperrt werden, ebenfalls mit Gefahr verbunden ist." 11 Daß solche Konfidenten nichts Schriftliches mitbrachten, sondern ihre Beobachtungen nur ihrem Gedächtnis anvertrauten, liegt auf der Hand und erklärt das Fehlen derartiger Materialien in Schlicks Berichten. Westphalen ging offensichtlich auf andere Art und Weise vor, nachdem er einen ganzen Monat lang sehr viel dürftigere Mainzer Nachrichten als Schlick mitzuteilen gehabt hatte, die im wesentlichen Presseerzeugnissen entnommen waren. Am 22. November konnte er dann die ersten Mainzer Spitzelberichte nach Wien schicken. Wahrscheinlich hatte er seine beiden Reisen am 6. und 22. November nach Koblenz, wo er dem preußischen König und dem Herzog von Braunschweig als Oberbefehlshaber der Interventionsarmee aufwartete, genutzt, um mit Hilfe alter Bekanntschaften Fäden für sein Nachrichtennetz zu spinnen. Denn Westphalen war in Mainz kein Unbekannter. Von Ferdinand von Braunschweig an Friedrich Wilhem II. und von diesem an den Kurfürsten Erthal empfohlen, war Westphalen im Dezember 1790 sogar Mainzer Staatsund Konferenzminister geworden; aber schon Mitte 1791 hatte er kaiserliche Dienste genommen, da Albini als Mainzer Hofkanzler neben sich keinen Mann von Einfluß duldete. Am 22. November 1792 meldete er nach Wien: „So sehr ich auch bisher gewünscht, Euer Exzellenz verlässige Nachrichten aus Mainz im Zusammenhange vorzulegen, so war ich es doch bis itzt außerstand, da alle meine dortigen Bekanntschaften geflüchtet haben. Indessen habe ich mir nun einige verlässige Quellen verschafft, durch die ich nun von allem unterrichtet werde und alle dortigen Impressa erhalten soll, welche ich jedes Mal unverweilt gehorsamst vorzulegen nicht ermangeln werde." 12 Ganz offensichtlich besaß er in Mainz mehrere, zumindest aber zwei Gewährsleute, die er teils mündlich in Koblenz, teils durch schriftliche Aufforderung für die Zusammenarbeit gewann. So bedankte sich ein Konfident am 28. November über die am selben Tage erhaltene „teuerste Zuschrift" und versprach, „den Auftrag auf das genaueste zu erfüllen". Ein anderer war von Koblenz nach Mainz gereist und teilte in seinem ersten Bericht vom 19. November die dabei gemachten Beobachtungen mit. Für die Existenz mehrerer Agenten spricht auch die Tatsache, daß je drei Berichte vom 19. und vom 21., je zwei Berichte vom 24. und vom 25. November datiert sind, wobei jedoch einschränkend festzustellen ist, daß die Datierungen nicht immer zuverlässig sein müssen. Wenn die Spitzelberichte im Original vorlägen, könnte aus den unterschiedlichen Handschriften die exakte Zahl der Agenten Westphalens ermittelt werden, aber es handelt sich bei all diesen Berichten um Abschriften, die in der Kanzlei des Gesandten angefertigt wurden. Auf diese Weise entstanden nämlich die Vervielfältigungen, die allein schon deshalb notwendig waren, weil die kaiserlichen Gesandten ständig eine doppelte Berichterstattung zu leisten hatten, und zwar zum einen an die kaiserliche Reichskanzlei mit dem damaligen Reichsvizekanzler Franz de Paula Gundacker Fürst von ColloredoMansfeld und zum anderen an die österreichische Staatskanzlei, der als Nachfolger des alten Kaunitz Johann Philipp Graf von Cobenzl vorstand. In der Regel waren die Berichte mit ihren Anlagen an beide Behörden gleichlautend abgefaßt. Westphalens Berichte finden sich im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv darum sowohl in den Akten der Reichskanzlei, Berichte aus dem Reich, Fase. 144, als auch in den Akten der 11 12

Hansen II, S. 616. HHStA Wien, Staatskanzlei, Berichte aus dem Reich, Fasz. 243, Bericht Nr. 153.

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Staatskanzlei, Berichte aus dem Reich, Fase. 243; das gleiche gilt für die Beilagen zu seinen Berichten. Die unten mitgeteilten dreizehn Stücke sind den Akten der Staatskanzlei entnommen, stellen ausnahmslos für den Grafen von Westphalen in der Zeit zwischen dem 18. und 27. November 1792 angefertigte Spitzelberichte aus Mainz dar und werden hier vollständig veröffentlicht. Joseph Hansen, der auch auf Abschriften dieser Berichte gestoßen war, beschränkte sich auf die Wiedergabe von zwei Dritteln eines einzigen Berichts13. Aus weiteren fünf Berichten zitierte er in seinen erläuternden Anmerkungen einzelne Satzteile und Sätze von insgesamt ca. zwei Dutzend Zeilen.14 Bei den Stücken 1—5 bzw. 6 und 7 handelt es sich um Beilagen zum Gesandtschaftsbericht Nr. 153 bzw. Nr. 154, während die Stücke 8—13 nicht mehr als Beilagen, sondern gleichsam per se an die Staatskanzlei gelangten. Der Gesandte hatte sich nämlich am 25. November auf den Weg nach Paderborn und Hildesheim gemacht, um den Fürstbischof bei der Durchsetzung des vom Reichstag bewilligten Triplums für den Krieg gegen Frankreich moralisch zu unterstützen. Da ihn also die Spitzelberichte aus Mainz in Bonn nicht mehr erreichten, hatte er Vorsorge getroffen, daß sie nicht ungenutzt liegenblieben. Noch am selben 25. November ging unter Nr. 155 ein zweiter Gesandtschaftsbericht nach Wien, der mit der Mitteilung schloß : „Da ich überzeugt bin, daß es Eurer Exzellenz von Wert sein wird, die ununterbrochene Fortsetzung der Mainzer Nachrichten zu erhalten, so habe ich die Verfügung getroffen, daß auch während meiner Abwesenheit die Abschriften in meiner Kanzlei besorgt und durch meinen Privatsekretär Euer Exzellenz gehorsamst überschickt werden." 15 Westphalens Abwesenheit dauerte bis zum 11. Dezember, offensichtlich also für die Mainzer Quellen zu lange, um ohne zwischenzeitliche Ermunterung nicht zu versiegen. Der letzte Spitzelbericht ist vom 27. November datiert und als einziger nur im Auszug mitgeteilt, während alle übrigen — darunter auch sehr kurze — als Abschriften gekennzeichnet sind. Inhaltlich konzentrieren sich die Spitzelberichte im wesentlichen auf die Beobachtung dreier Schwerpunkte, und zwar des militärischen Aspekts, der Eingriffe in die überkommene Verwaltung und nicht zuletzt der Aktivitäten des Mainzer Jakobinerklubs. Andere Bereiche werden nur am Rande gestreift. Kein einziger der Berichte geht an der militärischen Problematik vorüber ; verschiedene behandeln sie ausschließlich. Nach dem Desaster in der Champagne war es natürlich lebenswichtig zu wissen, in welcher Richtung und mit welcher Zielsetzung die nächsten französischen Vorstöße zu erwarten waren. Berichte, deren Verfasser die Fähigkeit zu nüchterner und exakter Beobachtung militärischer Sachverhalte verraten, sind dabei allerdings selten. Die Spitzel waren also — vielleicht mit einer Ausnahme — ganz gewiß keine Militärs. Diese Ausnahme wäre der Verfasser von Dokument 3, der sich auf seinem Wege von Koblenz durch den Taunus bis nach Mainz weder durch Gerüchte noch durch französische Kriegslist irritieren ließ, sondern auf dem rechten Rheinufer eine keineswegs beeindruckende militärische Stärke Custines konstatierte. Der Verfasser von Dokument 1 dagegen nahm unbesehen das Gerücht von den nächstens erwarteten 40000 Mann Verstärkung für bare Münze und ließ sich auch von Custines Prahlerei und Betriebsamkeit sehr beeindrucken. Das letztere ist ebenso in den Dokumenten 2 und 6 spürbar, die übrigens denselben Verfasser zu haben scheinen, denn in 6 wird auf einen am Tage zuvor bereits erwähnten Député du pouvoir exécutif 13 14 15

Hansen II, S. 596f. Ebenda, S. 597 Anm. 1 und 4, 598 Anm. 3, 600, 604 Anm. 2, 6 1 4 Anm. 3. HHStA Wien, Staatskanzlei, Berichte aus dem Reich, Fasz. 243, Bericht Nr. 155.

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verwiesen, von dem in 2 tatsächlich die Rede ist. Allerdings müßte dem Abschreiber oder dem Verfasser ein Datierungsfehler unterlaufen sein, denn zwischen beiden Berichten liegt ein Abstand von zwei Tagen und nicht von einem Tag. Einen gemeinsamen Verfasser haben auch die Dokumente 11 und 8 oder 9, denn 11 bestätigt Meldungen vom Vortage, die sich auf das angenommene nächste Angriffsziel beziehen. Den letztgenannten Berichten wie auch der kurzen Mitteilung in Dokument 10 ist gemeinsam, daß alle militärischen Aktivitäten als Vorbereitungen für einen unmittelbaren Angriff in Richtung Koblenz gedeutet werden. Bislang überwog die Vorstellung, daß der Stoß ins Rechtsrheinische gegen die Hessen und Preußen zielen sollte. Die letzten beiden Berichte 12 und 13 halten zwar noch daran fest, daß das Kurfürstentum Trier nächstes Eroberungsziel sei, doch ist von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff immer weniger die Rede. Tatsächlich ist Custine dann weder in der einen noch in der anderen Richtung aktiv geworden und hat, statt seine Chancen wahrzunehmen, sich in Rodomontaden und Betriebsamkeit erschöpft, deren irritierende Wirkung sich in den Spitzelberichten widerspiegelt. Die militärischen Nachrichten, die die Agenten zu liefern vermochten, waren aus einem so engen Blickwinkel gewonnen, daß sie die allgemeine militärische Situation und die sich aus ihr ergebenden militärischen Notwendigkeiten unmöglich erfassen konnten. Sie standen alle — das Dokument 3 wieder ausgenommen — noch ganz unter dem Eindruck der französischen Erfolge, des die Truppen beflügelnden revolutionären Enthusiasmus und ihres bei allen Mängeln doch bemerkenswerten Generals. Das Bild, das Saint-Cyr in seinen Memoiren von Custine entwarf, findet sich in den Agentenberichten voll bestätigt: „Seine Art, sie anzusprechen, sein vertraulicher Umgang, seine militärische Haltung, obgleich ein wenig grotesk wegen seines enormen Schnurrbarts, den er trug, hatten nicht wenig dazu getan, die Soldaten für seine Person zu begeistern. Ich habe keine Generäle gesehen, die so beliebt waren. Er war tapfer, aktiv, im Gefecht sah man ihn überall. Er war auch der General, der die größten Anstrengungen unternahm, um unter den Truppen eine gute Disziplin herzustellen, und in dieser Hinsicht hat die Rheinarmee lange Zeit die Nachwirkungen verspürt, ihn zum Chef gehabt zu haben."16 Den zweiten Schwerpunkt in der Berichterstattung der Spitzel bilden die Mitteilungen über die Eingriffe in die überkommene Mainzer Verwaltung. Dem Umfang nach rangieren sie eindeutig hinter den militärischen Nachrichten; sie finden sich auch nur in einem Teil der Berichte. Custine hatte nach seinem Einzug in Mainz die bestehenden Behörden keineswegs aufgehoben, sondern sie vielmehr ausdrücklich angewiesen, ihre gewohnte Arbeit in der gewohnten Weise weiterhin zu verrichten. Das galt für die Landesregierung, der die gesamte innere Verwaltung unterstand, für die Kammer, die die Finanzen verwaltete, für die Gerichtsbehörden, für das Vikariat, und diese Zentralbehörden versäumten es dann auch nicht, die nachgeordneten Behörden durch ein Reskript vom 24. Oktober davon zu unterrichten, daß alles seinen gewohnten Lauf nähme.17 Der Unterschied gegenüber früher bestand lediglich darin, daß die Oberaufsicht nicht mehr bei dem Hofkanzler Albini, sondern bei Custine bzw. bei seinen Beauftragten lag, dem General-Kommissär der Rheinarmee Villemanzy und dem Commissaire ordonnateur Blanchard. Äußerlich sichtbar wurde dieser Sachverhalt aber auch erst mit dem 30. Oktober, an dem Custine die Behörden anwies, die Geschäfte nicht mehr in des 16

17

Gouvion Saint-Cyr, Memoires, S. 7.

MR II, S. 84f.*

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Kurfürsten Namen, sondern in dem der fränkischen Nation zu führen und sich 2udem als provisorisch beibehalten zu kennzeichnen.18 Wie wenig jedoch bèi dem feudalen Gestrüpp und der versteinerten Verwaltung den Franzosen eine echte Aufsicht möglich war, bestätigt das Dokument 6 sehr eindringlich: Nach siebenstündigem Vortrag des Geheimrats Johann Georg Reuter war der durchaus nicht begriffsstutzige Pierre Blanchard nicht klüger, nur verwirrter als zuvor. Daß hier früher oder später ein Wandel eintreten mußte, lag auf der Hand. Die erste feudale Zentralbehörde, die verschwand, war die Landesregierung. Sie zählte noch acht Mitglieder, einige Sekretäre und Kanzlisten nicht gerechnet; die Masse des halben Hundert adliger und gelehrter Räte, die diese Behörde sonst ausmachten, hatte vor dem anrückenden Custine die Flucht ergriffen. Am 18. November berief Custine diese Rumpfbehörde zu sich und teilte ihr seine Absicht mit, sie zu entlassen und eine neue Verwaltung einzusetzen (vgl. Dokument 2). Es war nur die Wiedergabe einer Schutzbehauptung, wenn in Dokument 6 die Unwirksamkeit der alten Regierung damit begründet wird, daß sie im Namen der französischen Republik sich unmöglich im oberen Erzstift, d. h. in den noch nicht eroberten rechtsrheinischen Ämtern Gehorsam verschaffen konnte ; auch die neue Administration hatte vom Mainzischen nur das untere Erzstift unter Kontrolle. Entscheidend war die feudale Gesinnung ihrer Mitglieder. So urteilte auch Custine in der genannten Zusammenkunft am 18. November (vgl. Dokument 2), in der vom 18. datierten und am 19. November gedruckten öffentlichen Bekanntmachung dieses Beschlusses19 und in seiner Rede bei der feierlichen Einsetzung der neuen provisorischen Administration am 19. November.20 Der neuen Administration standen Anton Dorsch als Präsident und Georg Forster als Vizepräsident vor. Aus der alten Landesregierung war lediglich Geheimrat Reuter als Fachmann übernommen worden, während die anderen sieben Räte zwar ihre Gehälter weiterhin bezogen, aber zur Untätigkeit verurteilt wurden. Die Administration unter Dorsch besaß eine ungleich größere Gewalt als ihre Vorgängerin, wenn auch ihre Verordnungen der Zustimmung des General-Kommissärs und der Billigung Custines bedurften, um allgemein verbindlich zu sein. Sie stand nicht mehr als eine Zentralbehörde neben anderen, sondern hatte mit der inneren Verwaltung auch die Aufsicht in Justiz-, Finanz- und geistlichen Sachen erhalten. Außerdem war ihr territorialer Verantwortungsbereich ganz bedeutend gewachsen, denn zu dem Untererzstift Mainz waren die linksrheinischen Teile der Bistümer Worms und Speyer mit den beiden Reichsstädten und das dem Mainzer Domkapitel gehörige Binger Gebiet getreten. Auf beiden Ebenen verfolgte die Administration eindeutig expansive Ziele. In territorialer Hinsicht erstrebte sie die Ausweitung ihrer Machtbefugnisse vor allem auf kurpfälzischem Gebiet, ohne das die Administration kein zusammenhängendes Territorium erhalten konnte; die unter Pfälzer Bauern verbreitete revolutionäre Gesinnung (vgl. Dokument 4) kam dem entgegen. Ebensowenig zimperlich war Dorsch im Gebrauch seines Aufsichtsrechts gegenüber anderen Behörden. Er scheute nicht vor Eingriffen zurück, wenn es wie im Gerichtswesen um Vereinheitlichungen ging (vgl. Dokument 7) oder versteckten reaktionären Widerstand zu brechen galt. Dem Gerücht von der nahen Auflösung der Finanzkammer konnten sehr wohl beide Motive zugrunde liegen, denn diese Behörde unterstand dem Kriegskommissär Blanchard, so daß für die Oberaufsicht der Administration wenig Raum blieb. Eindeutig politisches Mißtrauen wurde 18 19 20

Ebenda, S. 86. Ebenda, S. 96 f. MR I, S. 256.

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zu Recht dem Vikariat entgegengebracht (vgl. Dokument 9) ; daß ihm am 26. November sogar die Revenuen und Präsenzgelder gesperrt wurden (vgl. Dokument 12), war auf seine Weigerung zurückzuführen, allen Pfarrern ohne Prüfung ein Belobigungsschreiben abschriftlich mitzuteilen, das Dorsch dem Kaplan Arensberger in Kastel wegen seiner am 25. November gehaltenen Predigt ausgestellt hatte.21 Auf dem Gebiet der städtischen Verwaltung führte Dorsch Anfang Dezember konsequent durch, was Custine am 19. November gleichzeitig mit der Einsetzung der Administration begonnen hatte : Er hatte nämlich den Städten Mainz, Worms und Speyer mit der Ernennung jeweils eines Maires und eines Prokurators eine neue Spitze gegeben, die jedoch mit den überkommenen Hilfsorganen arbeiten mußte. In Mainz war es der zwölfköpfige Stadtrat, der dann aber doch trotz demonstrativer Loyalität (vgl. Dokument 5) in der am 5. Dezember nach französischem Muster organisierten Munizipalität aufging. 22 Man kann Custine zugute halten, daß ihm zunächst weder Biron, solange er sein Vorgesetzter war, noch das Comité exécutif, das die Funktion des suspendierten Monarchen wahrnahm, oder der Konvent in Paris, von dem alle Gewalt ausging, irgendwelche Instruktionen erteilt hatten, die seinem Vorgehen im besetzten Gebiet die Richtung gaben. Erst das Dekret des Konvents vom 19. November, das im Dokument 13 nur wenig vom originalen Wortlaut abweichend zitiert wird, bekannte sich eindeutig zum Propagandakrieg, ohne damit unterschiedliche Interpretationen restlos auszuschließen. Dennoch haben die Maßnahmen Custines auch schon vor dem Bekanntwerden mit diesem Dekret wegen ihrer Halbherzigkeit zumindest Befremden, wenn nicht Unwillen ausgelöst. Obwohl der Klub seit dem 6. November mit dem Auslegen des Roten Buches energisch daran arbeitete, Stimmen zu sammeln, die sich zur Freiheit bekannten, hatte Custine die neue Administration wieder nur provisorisch ernannt und nicht endgültig aus den Wahlen der Freiheitsfreunde hervorgehen lassen. Das Aufsehen, das dieses Verfahren machte, war nach dem Zeugnis von Dokument 6 offensichtlich weit verbreitet. Eindeutiger Unwille sprach aus der schroffen Ablehnung des im Klub eingebrachten Antrags, Custine eine Dankadresse zu übermitteln (vgl. Dokument 2). Ebenso verbarg sich hinter der in Dokument 9 geschilderten dramatischen Auseinandersetzung im Klub am 22. und 23. November mehr als eine Kaffeehauskabale, wie es Wedekind nannte. Bei dem von ihm zur Aufnahme präsentierten Kandidaten handelte es sich nämlich um Johann Christoph Bleßmann aus Hannover, der von Custine zum Generalsekretär der Administration ernannt worden war. Die jungen Klubmitglieder besonders fragten sich, welche revolutionären Tugenden diesen einstigen Hofmeister beim hannoverschen Gesandten und Sprachmeister bei den französischen Emigranten wohl ausgezeichnet haben mochten. Sie fühlten sich zu Recht übergangen und ließen ihn durchfallen.23 Das Rededuell, das sich im Anschluß daran am 26. November Wedekind und der junge Peter Nikolaus Theyer lieferten (vgl. Dokument 13), entzündete sich an dem Entwurf einer Adresse, die von der Administration bei der Besetzung erledigter Stellen die besondere Berücksichtigung von Landeskindern verlangte.24 Daß hier Lokalborniertheit mit eine Rolle spielte, soll nicht abgestritten werden; aber aus Theyer sprach auch der junge selbstbewußte Revolutionär. 21 22 23 24

MR II, S. 144. MR I, S. 259f. Ebenda, S. 2 6 0 - 2 6 2 Anm. f, 2 7 0 - 2 7 2 . Ebenda, S. 300 f.

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Mit diesen Beispielen einer linken Kritik an den zivilen Maßnahmen Custines ist bereits der dritte und letzte Schwerpunkt angesprochen, über den die Spitzelberichte Auskunft geben: die Aktivitäten des Klubs. Die umfassendste Schilderung liefert das Dokument 1. Obwohl sein Verfasser die von der Reaktion erfundene unsinnige Legende kolportiert, wonach ein geheimer Propagandaklub in Paris mit Zehntausenden von Mitgliedern an der Revolutionierung der ganzen Welt arbeite, sind seine Beobachtungen, die er beim regelmäßigen Klubbesuch und im persönlichen Verkehr mit führenden Klubisten gemacht hat, außerordentlich zuverlässig. Von unbedeutenden Anfängen hatte sich der Klub innerhalb von 14 Tagen zu einem einflußreichen Organ entwickelt, das eine eigene Orndung besaß und hervorragende Köpfe in seinen Reihen zählte. Die detaillierten Mitteilungen über die innere Ordnung weichen kaum von den Vorschriften ab, wie sie bislang festgelegt worden waren.25 Eine Korrektur verlangt lediglich die Angabe, daß neben dem korrespondierenden Komitee ein administrierendes bestanden habe. Zum ersten hat der Klub in der Regel geradezu überängstlich auf jede Gefahr reagiert, die ihn zur Überschreitung seiner Kompetenzen verleiten könnte; der Streit beispielsweise um die Illumination anläßlich der Einnahme Brüssels (vgl. Dokument 2) konnte nur deswegen entstehen, weil administrative Aufgaben außerhalb seiner Kompetenzen lagen. Zum anderen sagt das Klubprotokoll vom 16. November unzweideutig aus, daß ein wachhabender Ausschuß beschlossen ist, dessen Mitglieder bekannt sind und der nur Mittel benutzen wird, die der Ehre des Klubs entsprechen26. Der in Dokument 7 erwähnte Antrag, geheime Mitglieder aufzunehmen, bezieht sich darum auf diesen Ausschuß und nicht auf den Klub als ganzen. Insgesamt richtig sind in Dokument 1 die namentlich genannten Mitglieder in ihrer Bedeutung für den Klub gesehen. Dem Kaufmann Georg Häflein oder Häfelin wurde in der Tat die Ehre des ersten Klubpräsidenten nur wegen seiner gesellschaftlichen Stellung als Mitglied des angesehenen Handelsstandes und als Bürger der Stadt zuteil. Anton Dorsch gebührt das Verdienst, seine Straßburger Erfahrungen bei der Organisation des Klubs eingebracht zu haben. Der Arzt Georg Christoph Wedekind und der Mathematikprofessor Matthias Metternich bewährten sich als hervorragende Propagandisten, die als erste in Mainz für die breite Öffentlichkeit die Menschenrechte erläuterten und Verfassungsfragen behandelten. Georg Wilhelm Böhmer wird zu Recht als Sprachrohr Custines und als Kommentator seiner Proklamationen vorgestellt, denn als Schriftführer des Generals kamen ihm solche Aufgaben zu. Welchen außerordentlichen Gewinn der Eintritt Forsters für den Klub bedeutete, wird im Bericht dadurch unterstrichen, daß dieser Mann, der erst drei Tage zuvor im Klub seine Jungfernrede gehalten hat27, unter den bedeutendsten Klubisten mit Abstand vor allen anderen genannt ist. Dagegen war es ein Irrtum, den Historiker Niklas Vogt zusammen mit dem zweifellos wichtigen Theologen Felix Blau gleichsam in einem Atem zu nennen, denn jener war fast zufällig in den Klub geraten und stahl sich auch bald wieder stillschweigend hinweg. Von den beiden aus Straßburg gerufenen Journalisten ist Friedrich Christoph Cotta richtig als Herausgeber der „Teutschen Staatsliteratur" und des „Straßburgischen politischen Journals" bezeichnet, während André Meyer wohl Mitherausgeber der „Geschichte der gegenwärtigen Zeit", aber nicht Verfasser des „Kreuzzuges wider die Franken" war. Doch dieser Irrtum unterlief, da diese Flugschrift anonym und als „Extrabeilage zur Geschichte der gegenwärtigen Zeit" 25 26 27

Vgl. die Spezialstudie Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs, MR I, S. 2 3 2 - 2 3 5 . Ebenda, S. 2 1 9 - 2 3 2 .

S. 351 ff.

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erschienen war, auch anderen Zeitgenossen. Der tatsächliche Verfasser des aufsehenerregenden „Kreuzzuges" war vielmehr Karl von Clauer, der hier im Bericht als dunkler Verschwörer mit Beziehungen nach Wien und Berlin erscheint, in Wahrheit aber schon im Frühjahr 1791 nach Straßburg kam und im Sommer von dort nach Paris ging. Beachtenswert sind schließlich noch die in diesem Bericht allzu knapp angedeuteten Beispiele für Motionen, die dem Klub unterbreitet wurden. Das betrifft zum ersten den von Böhmer entwickelten Vorschlag, ein Rotes und ein Schwarzes Buch auszulegen28; die Bedeutung dieser Aktion erhellt das Dokument 7, wonach sich am 21. November bereits 1100 Männer in das Rote Buch der Freiheit eingetragen hatten. Das zweite Beispiel einer Motion beleuchtet eine besonders wirkungsvolle Methode jakobinischer Agitation, nämlich den dokumentarischen Nachweis fürstlicher Verschwendung: Nachdem am 9. November der Klub die kurmainzischen Rechnungen von den Krönungsfeierlichkeiten Leopolds II. erhalten hatte29, stellte Anton Fuchs daraus eine entlarvende Ubersicht zusammen, die zwei Tage später im Klub verlesen und zugleich veröffentlicht wurde.30 Daß derartige handfeste Beweise kurfürstlicher Mißwirtschaft sogar Spitzelgemüter zu beeindrucken vermochten, bestätigt das beinahe ungläubige Erstaunen des Veifasser von Dokument 4 über das Mißverhältnis zwischen der Vielzahl kurmainzischer Generäle und der Handvoll Truppen, die sie zu kommandieren hatten. Während das Dokument 1 die ganze bisherige Geschichte des Klubs zusammenzufassen hatte, gehen die folgenden Berichte meist nur auf ein oder zwei voraufgegangene Klubsitzungen ein, wobei die Zeitangaben nicht immer ganz exakt sind. Wenn beispielsweise in dem vom 19. November datierten Dokument 4 gesagt wird, daß Forster „vorgestern" eine Rede hielt, so müßte das am 17. November gewesen sein; doch laut Klubprotokoll tagte der Klub wohl am 16. und 18., nicht aber am 17. November. Von solchen Ungenauigkeiten abgesehen, bleiben die Nachrichten weiterhin sehr aufschlußreich. In Dokument 2 wird über eine Sitzung berichtet, die unmittelbar unter dem Eindruck der von Custine angewiesenen Veränderungen in der Verwaltung stand. Die außerordentliche Heftigkeit des Streits, der aus nebensächlichem Anlaß an diesem Tage zwischen Dorsch und dem ehemaligen Hofgerichtsrat Kaspar Hartmann ausbrach, hat wahrscheinlich den gleichen Unwillen zur Ursache, der den bereits erwähnten Vorschlag einer Danksagung an Custine unterband. Hartmann war nämlich ganz und gar nicht mit der Berufung Reuters in die Administration einverstanden, den er dann auch Ende des Monats als unwürdigen Beamten und Despotenknecht öffentlich anklagte. 31 In Dokument 4 tritt der einstige Hofkammersekretär Friedrich Joseph Stumme auf. Er war in Custines Auftrag den nach Düsseldorf ausgelagerten Archiven nachgereist, um ihre Auslieferung zu verlangen. Er wurde verhaftet, jedoch von den um ihre Neutralität besorgten bergisch-bayerischen Behörden sehr bald wieder freigelassen.32 Es war derselbe Stumme, der sich — wenn auch im Endeffekt vergeblich — um die Aufstellung einer Mainzer Nationalgarde bemühte33 und in diesem Zusammenhang in Dokument 2 erwähnt wird. Weitere namhafte Klubmitglieder, die in späteren Berichten auftauchen, sind Custines Adjutant Daniel Stamm, der wohl einstiger Sekretär des Straßburger Klubs, aber nie des Kurfürsten war, wie es in Dokument 9 heißt; dann der 28

29 30 31 32

33

Ebenda, S. 68, 139, 145. Hoffmann, Darstellung, S. 242. MR I, S. 1 7 7 - 1 8 6 . Ebenda, S. 260. Ebenda, S. 238, 240f. Anm. f.

Vgl. S. 122ff.

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Pfarrer von Nackenheim Karl Melchior Arand in Dokument 12 und schließlich in Dokument 13 der zwar nicht namentlich genannte, indessen als Vikar aus Colmar eindeutig zu identifizierende Friedrich Georg Pape. Die knappe Mitteilung, die sich in Dokument 4 findet und die Existenz von Klubs in Worms und Speyer feststellt, beruhte auf Nachrichten, die der Klub am 16. November durch Böhmer erfuhr.34 Irrig ist dagegen die daran anknüpfende Vorstellung, daß der Mainzer Klub damals innige Beziehungen zur Pariser Muttergesellschaft unterhielt. Zwar hatte er schon früh die Affiliation erbeten (vgl. Dokument 1), aber ein Spitzel weiß noch am 21. November von der Enttäuschung und Unruhe angesichts des ausgebliebenen Pariser Echos zu berichten (vgl. Dokument 7). Tatsächlich ging erst am 24. November eine erste Antwort von Paris nach Mainz, die dort am 6. Dezember eintraf und um die Mitgliederliste des Klubs bat, um statutengemäß die Affiliation vollziehen zu können.35 Nicht mehr Irrtum, sondern frommer Wunsch und schon damals von der Reaktion gern kolportierte Legende ist die Behauptung in Dokument 4, daß mit Ausnahme einiger unreifer Burschen so gut wie keine Mainzischen, vielmehr nur Fremde an den revolutionären Umtrieben beteiligt seien. Die in Dokument 7 genannte Zahl von 400 Klubmitgliedern allein schon ist ausreichender Beweis dafür, daß die revolutionären Bestrebungen in Mainz eine handfeste Grundlage besaßen. Gegen diese Legende spricht außerdem die in vielen Berichten ausdrücklich eingestandene Wirksamkeit der klubistischen Propaganda. Der in Dokument 6 mitgeteilte Plan, die Landbevölkerung zu agitieren, hatte um diese Zeit bereits erste Früchte getragen, denn bis zum 21. November hatten schon die umliegenden Gemeinden Weisenau, Bretzenheim, Zahlbach, Mombach, Finthen, Gonsenheim, Laubenheim und Heidesheim den Freiheitsbaum gepflanzt.36 Den größten Anteil an diesen Erfolgen hatte die von den Klubmitgliedern in Wort und Schrift geleistete Propagandaarbeit, deren Wirkungsgeschichte auch die Spitzelberichte durch einzelne Hinweise bereichern. Alle drei im Druck erschienenen Reden Forsters aus dem Zeitraum, den diese Berichte abdecken, sind mit Auszeichnung erwähnt. Seine ersten beiden Reden werden in Dokument 1 ausdrücklich „schöne Reden" genannt. Es handelt sich dabei um seine Antrittsrede vom 15. April, die nochmals im Zusammenhang mit dem aus der Luft gegriffenen Gerücht von der nahen Rückkehr des Johannes von Müller in Dokument 7 erwähnt wird. Der Hinweis in Dokument 1, daß die Rede „vorgestern" gehalten wurde, ergibt eine falsche Datierung. Bei der zweiten Rede geht es um die am 18. November im Klub vorgetragene, in Dokument 4 erwähnte und im „Patrioten" veröffentlichte Auseinandersetzung mit den Frankfurtern, die sich gegen die ihnen auferlegte Kontribution wehrten und aus diesem Grunde auch eine Deputation nach Paris entsandt hatten (vgl. Dokument 5).37 Von Forsters dritter Rede, einer an die Bauern gerichteten Adresse, wird ausdrücklich gesagt, daß sie „viel Eindruck hier gemacht" habe (vgl. Dokument 9). Auf die Klage eines französischen Hauptmanns, daß sich die Bauern zu den Befestigungsarbeiten von Kastel nur in ungenügender Anzahl einfänden, hatte der Klub am 16. November Forster mit der Abfassung einer entsprechenden Proklamation betraut.38 Er trug sie wahrscheinlich am 22. November dem Klub vor und brachte sie sofort zum Druck. Das

34 35 36 38 37

MR I, S. 232 f. Ebenda, S. 3 5 3 - 3 5 5 . Ebenda, S. 288, 298 f. Anm. f. Ebenda, S. 246 - 2 5 3 Anm. j. Ebenda,. S.232

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Datum entspricht nicht dem Titel der gedruckten Adresse39, doch laut Dokument 9 wurde der Vortrag erst am 22. November gehalten. Als „interessant" apostrophiert wird schließlich in Dokument 13 die Rede des Pape, die er nach dem Protokoll am 26. November gehalten hat, aber im Titel der gedruckten Fassung um einen Tag vordatiert ist.40 Ohne direkten Kommentar, jedoch gegen andere unbedeutende Reden abgesetzt und so herausgehoben wird in Dokument 2 Wedekinds Vortragsreihe über Regierungsverfassungen. 41 Daß Böhmer mit seiner Rede zur einjährigen Wiederkehr jenes Tages, da die irrige Nachricht von einer geglückten Flucht Ludwigs XVI. die gesamte Aristokratie am Rhein aus dem Häuschen brachte, seine Hörer stark beeindruckte, ergibt sich allein schon aus der unverhältnismäßig breiten Inhaltswiedergabe in Dokument 9. Hier wie zuvor bei Wedekind differiert die Datierung um einen Tag von der im Titel der gedruckten Fassung gemachten Angabe. 42 Nur kurz erwähnt ist in Dokument 12 eine Rede Metternichs, deren baldiger Druck in Aussicht gestellt wird 43 , und ebenso knapp ist gesagt, daß Cotta einen bereits gedruckten Aufsatz über die französische Staatsverfassung verlesen hat. Die zuletzt genannte Arbeit gehört zu den am meisten verbreiteten Schriften, denn etwa 5000 Exemplare wurden teils als Plakatdruck und teils als Broschüre im Oktavformat durch die Administration mit bestimmten Auflagen zu ihrer Popularisierung an die Gemeinden verteilt. 44 Daß solche Propagandatätigkeit zumindest indirekte Folgen sogar im Rechtsrheinischen zeitigte, bestätigt der Kommentar des Dokuments 12 zu den Versprechungen, die der Landgraf von Hessen-Kassel seinen Untertanen machen mußte: „So bewirkt Custine gelegentlich eine Revolution im Hessischen." 39 40 41 42 43 44

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. 2 7 2 - 2 7 4 Anm. S. 3 0 1 - 3 0 9 Anm. S. 2 6 2 - 2 6 9 Anm. S. 2 7 5 - 2 8 7 Anm. S. 2 9 0 - 2 9 5 . S. 2 9 5 - 2 9 8 .

d. f. g. d.

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Dokument 1 Abschrift Schreibens von Mainz, 18. November 1792 Diesen Mittag erhielt ich dero teuerste Zuschrift; eine wahre Angelegenheit wird es mir sein, den Auftrag auf das genaueste zu erfüllen. Ich hörte und sah bisher vieles, ich versäumte keinen Klub, und an ferneren Beobachtungen soll es nicht fehlen. Die Matadors des Klubs kenne ich, und die Apostel der Freiheit und Gleichheit, die mit Custines Armee kamen und noch täglich ankommen, spreche ich alle Tage. Ein großer Plan der schier allmächtig werdenden Jakobiner ist, Freiheit und Gleichheit in der ganzen Welt zu gründen und zu verbreiten, alle Fürsten zu zernichten. Europa soll eine Universalrepublik werden. Zweitens [ist] ganz zuverlässig ihr Plan, Frankreich — um die Kontinuation der politischen Existenz zu sichern — an den Rhein zu arrondieren. Speyer, Worms, Mainz, Kurtrier, Köln, Lüttich, die Niederlande sollen fränkisch werden — früher keine Ruhe. Ein französischer Hauptmann, cidevant Marquis, ein Erzjakobiner, der in meiner Gegenwart zwölf Briefe von Paris bekam, wovon elf von Deputierten geschrieben, versicherte mich, daß er mit 40000 ein Komplott ausmache, die alle den Tod der Fürsten geschworen, daß alle ihr Vermögen und alles der Propaganda wegen opferten. Drittens haben sie unversöhnlichen Haß gegen das Haus Osterreich geschworen — nicht eher Ruhe, bis dieses gestürzt sei. Zwei Offiziere wollten mit mir wetten, daß in Wien in einem halben Jahre der Freiheitsbaum aufgepflanzt sei. Der General bis auf den Tambour flucht auf das Haus Österreich. Gegen die Preußen wird itzt mehr räsoniert als vor 14 Tagen, da dieselben ihrem Versprechen gemäß nicht nach Haus gegangen und zwei französische Jäger ohnweit Limburg gegen alle Kriegsregeln sind massakriert worden. Custine äußerte sich vor einigen Tagen am Tisch, daß er in Hinsicht der Preußen dem Publikum ein schönes Spektakel geben werde; nämlich er habe sie wirklich eingeschlossen, und kein Preuße solle mehr nach Hause kommen. Als einen Hauptgewinn geben alle an, daß Custine alle Hauptpässe besetzt habe und alle Verbindung mit den Hessen unmöglich gemacht. Custine ist seit gestern mit dem Generalkommissär Villemanzy wieder hier. Mehrere Generäle wurden heut versammelt, und der General Laforelle von Bingen, der bisher seinen Posten noch nicht eine Stunde verlassen durfte, wurde einberufen. Custine und Villemanzy schlössen gestern ihre Türen, ließen niemand vor und arbeiteten ununterbrochen. Morgen geht Custine und Villemanzy wieder ab; es sollen wieder neue Coups am linken Ufer des Rheins ausgeführt werden. 4000 Mann Kavallerie werden in drei Tagen auf dem Hunsrück komplett. 40000 Mann Verstärkung erwartet man noch in dieser Woche, worunter viele Kanoniers sein sollen. Zuverlässig war das Korps, womit Custine nach Mainz kam, nicht 16000 Mann stark, jetzt aber ohngefähr 27000. In der Stadt waren vorgestern nur etwa 600 Mann; daher mehrere Tore verschlossen blieben. Der Klub wird itzt täglich bedeutender. Die vielen Motionen, die durch die Sprachröhre des Generals im Klub seit acht Tagen gemacht worden und von ihm exequiert werden, werden in etwa drei Wochen die Mainzer zu dem Planmäßigen — Annahme der fränkischen Konstitution — bestimmen. Der Klub war vor 14 Tagen noch unbedeutend, da Metternich und Wedekind, die sehr gute Köpfe sind, nicht Kredit genug haben; diese waren die einzigen Sprecher. Ein Kaufmann Häflein, weil er als Bürger den Vorzug hatte, bekam den Vorsitz. Dieser

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konnte aber nicht sprechen, hatte keine Geschäftskenntnis, konnte sich nicht geschwind fassen; daher ging es von Anfang schlecht. Dorsch kam als Deputierter vom Straßburger Klub, ward Präsident, machte die Mainzer mit den Regeln bekannt, führte Ordnung ein. Keiner darf mehr sprechen, ohne das Wort vom Präsidenten zu begehren; dieser bestimmt genau, wer und in welcher Ordnung ein jeder es haben solle. In dem Klub als einer Gesellschaft von freien Menschen dürfen seitdem keine Soldaten mit Bajonetten erscheinen, sondern täglich werden zur Polizei des Saals sechs Kommissäre aus dem Klub ernannt. Die Tagesordnung ist genau bestimmt. Der Präsident sitzt erhaben mit entblößtem Haupt an einem Tisch, hat eine Schelle zur Seite, womit er bei einem Lärmen Stillschweigen und Ordnung zusammenschellt, und wenn er sein Haupt bedeckt, so darf niemand mehr sprechen. Dieses geschieht, sooft Parteien sich sehr erhitzen und dadurch großes Getöse verursachen. Der Präsident deckte bisher das Haupt noch nicht. Unter dem Präsidenten an einem Tisch sitzen sechs Sekretärs, meistens junge Leute, die erst ihre Studien vollendet haben; diese protokollieren. Sämtliche Klubisten befinden sich mit gedecktem Haupt so wie jeder Zuschauer innerhalb der Schranken. Der Klub ist eingeteilt in zwei Komitees, [das] korrespondierende und [das] administrierende. Der in den Klub will aufgenommen werden, muß von einem Klubisten schriftlich präsentiert und von fünf schriftlich unterstützt werden — so heute Bruder Custine, präsentiert von Dorsch, unterstützt von Böhmer, Meyer etc. Der Präsident fragt; wenn niemand gegen den Vorgeschlagenen etwas einzuwenden, ist er aufgenommen; stehen zwölf Klubisten auf, so ist er verworfen, wie der Fall schon viermal war, einmal bei Hofrat Haupt. So werden itzt täglich 20 bis 30 aufgenommen, Bruder Tanzmeister N. etc. Aber nur der 24 Jahre alt[e] kann Stimme haben, worüber eine große Motion gemacht wurde. Die unter 24 Jahren sind, können nicht in das Comité administratif kommen, nur in das korrespondierende. Der Klub hält viermal Sitzung, jedesmal drei Stunden. Der Präsident hat die Tagesordnung vor sich liegen. [a)] Die von allen Orten eingelaufenen Korrespondenzen werden zuerst vorgelesen, glossiert, die meisten günstigen applaudiert. So werden vom Klub Adressen gemacht, z. B. nach Straßburg pour demander l'affiliation au Club, nach Paris pour demander au mère club l'affiliation, wo der Pariser Klub zugleich ersucht wurde, alles aufzubieten, daß der Mainzer unterstützt werde und derselbe seine fernere Existenz und Ausbildung erhalte. Die günstigen Antworten wurden von der Tribüne abgelesen und sehr applaudiert. b) Werden die Aufzunehmenden vorgelesen. Der Präsident liest den sich vor dem Präsidententisch Versammelnden den Eid vor, den sie mit entblößtem Haupt so wie alle Anwesenden schwören müssen. Die Formel des Eides ist ohngefähr so: „Ich schwöre der fränkischen Republik Treue, nie gegen diese zu handeln und alle die, die [et]was gegen diese unternehmen, anzugeben, frei [zu] leben oder zu sterben." — Dieses ist jedes Mal ein schauervoller Anblick. c) Sodann werden Motionen gemacht, z. B. Custine zu ersuchen, daß er ein rotes und schwarzes Buch machen lasse; dem Custine vorzustellen, daß alle Kamerai- [und] geheimen Rechnungen vor der Hofkammer im Beisein zweier Klubisten revidiert werden. Diese lassen dann sie abschreiben, und dann werden sie öffentlich mit den beißendsten Anmerkungen abgelesen; so Krönungsrechnung bei Leopold Summa 500000 Gulden, für Pariser Porzellan 24000 Gulden, für fremde Weine 3000 etc. Das machte auf die Bauern und Bürger, die den Kopf schüttelten, einen außerordentlichen Eindruck. d) Nach diesem werden Reden gehalten von Wedekind oder Metternich oder Forster.

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e) Schließlich werden die Proklamationen des Custine von Böhmer vorgelesen und kommentiert; auch sehr oft macht er den Willen des Generals durch Motionen bekannt. Die bedeutendsten Klubisten sind [ . . . ] Forster, der vorgestern und heute schöne Reden hielt, die ich nächstens gedruckt in dreifachem Exemplar schicken werde sowie alles andere; zweitens Metternich, Dorsch, Wedekind, Professor Blau und Professor Vogt — zwei wichtige Leute. Von Straßburg nur Meyer, der Verfasser des Kreuzzugs, und Cotta, der Verfasser der Staatsliteratur und der Zeitung. Vorgestern kam auch dazu Clauer, ci-devant von, ein Berliner und Schriftsteller, der seit zwei Jahren als ein Erzjakobiner mit vieler Bedeutenheit eine Hauptrolle in dem dortigen Klub spielte. Er kömmt von Wien, wo er sich eine Zeitlang aufhielt, und hatte, wie ich vorgestern und gestern mir aus seinen Privatäußerungen abstrahierte, wichtige Aufträge. In Berlin wird auch sehr gearbeitet. Im Klub wurde heut bekanntgemacht, daß Kellermann suspendiert sei. Man glaubt, daß Beurnonville an seine Stelle komme. Mirabeau ist seit acht Tagen nicht mehr das Idol Frankreichs, indem man verräterische Briefe von ihm gefunden und beweist, daß er selbst einen Plan zur Koalition gegen Frankreich entworfen habe. 8000 Bürger in Paris haben eine Adresse unterschrieben, daß dem Louis Capet der Prozeß nicht solle gemacht werden. Dieses macht große Sensation in Paris. Custine wurde mit vier anderen Generalen unter lautem Jubelgeschrei in den Klub aufgenommen. Custine hielt eine Rede, worin er sagte, daß die vielen Geschäfte ihn bisher verhindert haben, dem Klub beizuwohnen, daß er aber in der Zukunft ohne die dringendste Ursache nicht wegbleiben werde. Er machte seine Freude bekannt über den täglichen Zuwachs der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit und schloß: « J e vous déclare, que je suis le vrai ami du peuple, mais l'ennemi juré des despotes et [de] leurs esclaves. »

Dokument 2 Abschrift Schreibens von Mainz, 19. November 1792

Gestern war ein wichtiger Tag in der Geschichte der werdenden Mainzer Republik. Die Regierung wurde gestern morgen zu Custine berufen. Er hielt eine Rede an sie in französischer Sprache und entließ dieselbe in harten Ausdrücken. Die Verwaltung der Gerechtigkeit, der Polizei und Finanzen wurde der planmäßigen überlassen, wie aus der Proklamation zu ersehen. Die Rede war ohngefähr des Inhalts: Er habe Mainz, Worms und Speyer in Besitz genommen. Als Geschäftsträger der Frankenrepublik hätte er gleich zweckmäßige Dispositionen treffen können. Er habe die Verwalter der höchsten Landesstellen beibehalten in der Hoffnung, daß sie keine Werkzeuge der alten Despotie mehr seien, daß sie vielmehr die Menschenrechte handhaben und verteidigen würden. Da sie aber durch falsche Einlispelungen das Volk irrezuführen gesucht, durch unechte Interpretationen den Sinn der Proklamation verdreht haben, so entlasse er sie, und er vertraue die Verwaltung der Gerechtigkeit, der Polizei und Finanzen Männern von Talenten, Weisheit und Tugend an etc. Dieser Schritt Custines gibt nun der Sache großen Nachdruck; voritzt werden die Wünsche des Generals Befehle, und itzt werden alle Partei ergreifen müssen. Einige Matadors machten gestern im Klub die Motion, daß man wegen der Ernennung der neuen Verwalter an Custine eine Dankadresse abfassen solle. Zwei Matadors, nämlich Meyer und Clauer, bemerkten mit Heftigkeit, daß der General nichts als seine Schuldig-

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keit getan habe. Letzterer behauptete mit Nachdruck, daß freie Republikaner zum Besten der Republik den Generalen keinen Weihrauch bringen dürften. Schluß des Klubs, keine Dankadresse zu erlassen, sondern durch Deputierte dem General zu bemerken, daß seine Wahl ihr Wunsch gewesen. Ein Brief aus Brüssel wurde auch im Klub vorgelesen, worin die Eroberung dieser Stadt angekündigt wird mit der Bemerkung, daß die Bataillen zwischen den Franzosen und Österreichern von morgens 7 bis abends 5 Uhr gewährt haben et que les Autrichiens ont demandé à la fin la grâce et le pardon, daß die Einwohner der Stadt ihre Freude der Befreiung durch eine große Illumination bezeugt haben. Dorsch machte die Motion, daß diese Eroberung durch eine Illumination in Mainz solle gefeiert werden. Hartmann, ein Sekretär, modifizierte sie, daß nur die im roten Buche Angeschriebenen illuminieren sollen. Clauer und Meyer behaupteten heftig gegen Dorsch, daß der Klub keine Volksfeste anordnen dürfte. Dorsch und Hartmann replizierten und quintuplizierten mit solcher Bitterkeit, daß der Präsident Häflein nicht Ordnung halten konnte; dieses machte auf der Gallerie zweckwidrigen Eindruck. Es wurde auch gestern im Klub beschlossen, daß einmal in der Woche eine französische Sitzung für die affiliierten Franzosen sein solle. Wedekind setzte eine lange Rede über die Regierungsverfassungen fort, die ich gedruckt beischließe. Mehrere Reden wurden von angekommenen französischen Offiziers gehalten, die nicht bedeutend waren, obgleich beschlossen wurde, daß sie sollen gedruckt werden. Gestern abend machte ich mit einem Député du pouvoir exécutif Custines Bekanntschaft. Dieser kam vor drei Tagen mit vielen Aufträgen zu Custine. Er sagte mir, daß er alle Tage ein Diarium an den Nationalkonvent und eins an den Klub schicke; daß dieser itzt gewonnenes Spiel habe; daß dieser vorzüglich über das Haus Österreich aufgebracht, indem dieses ihn immer als eine poignée d'hommes behandelt habe. Er sagte ferner, daß Custine am Tische ihm bemerkt habe, qu'il ne veut pas remplir une [ . . . ] considérable des Prussiens, mais qu'il veut jouer un tour. Heute werde ich den Custine wieder sprechen. Heute reist Custine nach Höchst ab, und morgen geht das Generalquartier dahin ab. Der Plan scheint also gegen die Hessen gerichtet zu sein, und Custine glaubt sich gesichert gegen die Preußen. Diesen Morgen kam wieder ein schönes Regiment von Linientruppen hier an. Die Artillerie formiert sich hier täglich mehr und mehr. Mainzer Nationalgarde wird itzt hier von Stumme, ehemaligem geheimen Sekretär, errichtet. Ein Sekretär erschien schon gestern mit der Nationaluniform im Klub, und Cotta kam gestern in die Gesellschaft mit der Jakobinerkappe. Eine Nachricht wird hier debitiert, daß der Fürst von Saarbrücken seinen Fürsten abgelegt und ein citoyen geworden sei. Eine dritte Revolution wird in Paris sehr befürchtet, da dem Ludwig Capet der Prozeß gemacht wird. Schon mehrere Tausend sind aus Paris gewandert. Man glaubt hier, daß die Unruhen bald hergestellt werden. Dokument 3 Abschrift Schreibens von Mainz, 19. November 1792 Von Koblenz reiste ich ungehindert nach Mainz. Zu Horchheim traf ich ungefähr 30 Mann preußischer Kavallerie, welche nach Braubach abgegangen und daselbst um 30 Mann sich verstärkten. Ich konnte aber ihr Vorhaben nicht erfahren, da sie es selbst

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nicht wußten, wohin sie gehen sollten. Von da reiste ich nach Nastätten, ohne unterwegs einen Preußen noch Franzosen zu sehen. Bei Nastätten entdeckte ich auf einer Anhöhe Husaren, und ich hörte in Nastätten, daß ungefähr 100 Französische Husaren allda sich einquartiert hätten und schon vier Tage allda wären. Sie kämen nach Nastätten, nähmen Fleisch und Brot, zahlten solches ordentlich, aber Heu und Stroh müßte man ihnen umsonst geben. Auf der Reise von Nastätten bis Schwalbach traf ich kein Militär an. Eine Viertelstunde vor letzterem Ort stand ein französischer Feldposten von 7 Mann. Ich passierte daselbst, ohne examiniert zu werden. Man sagte mir daselbst, daß 2000 Mann in Schwalbach einquartiert seien. Bei meiner Ankunft trommelte man, und alles war in Alarm. Ich sah, daß nur 200 Mann da waren, und als ich mich um die Ursache des Lärmens erkundigte, sagte man mir, daß die Preußen eine Attacke gemacht hätten und sie sich fertighalten müßten, um dahin zu marschieren. Die ganze Nacht war Lärmen, und die Franzosen stunden immer im Gewehr. Es verging keine Stunde, wo nicht die Trommeln gerührt wurden, und man glaubte, es marschierten 10000 Mann. Ich hielt mich immer am Fenster auf, es kam aber kein Mann mehr als die 200, welche vorhin allda waren. Der Wirt, bei dem ich logiere und bei dem zwei Offiziers im Quartier sind, erzählte mir, heute früh von denselben gehört zu haben, daß die Preußen den Vorposten zu Nastätten aufgehoben und 60 Mann Husaren gefangengenommen hätten. Ich hörte, daß am 14. dieses [Monats] der Fürst von Biebrich die Offiziers aus der Gegend auf ein Mittagessen eingeladen habe. Sie seien auch zu ihm gegangen, gaben ihm gleich bei ihrer Ankunft Sauvegarde. Er bewirtete sie sehr gut. Nach dem Aufstehen vom Tisch nahmen sie den Fürsten gefangen, packten alles Silber und kostbare Möbel ein und führten dasselbe nach Mainz. Seine Untertanen nötigten sie zum Schanzenbau. Dieses soll auf seinem Schloß zu Idstein geschehen sein. In Wiesbaden sagte man mir, daß 3000 Mann Infanterie und 600 Mann Kavallerie seien. Der Wirt, bei dem ich einkehrte, bemerkte mir aber, daß nur 600 Mann Infanterie und 200 Mann Kavallerie allda einquartiert seien. Auf der Hohen Wurzel sah ich einen Feldposten. Sie hatten keine Uniformen, sondern standen in alten zerrissenen Kleidern da und hielten Wache. Der Postillion sagte mir, das seien lauter Spitzbuben. Man dürfe bei der Nacht nicht dahergehen, sie nähmen einem alles ab, und sie hätten ihn schon angegriffen und ihm seine wenigen Kreuzer abgenommen. In Kastel sah ich eifrigst und so auch auf dem Wehrte an Schanzen arbeiten und Kanonen aufführen. In Kastel stehen 100 Mann Infanterie; ein Bub von 16 Jahren stand auf dem Posten. Außer diesem sah ich keine Wache mehr bis an die Brücke. Ich beobachtete bei dem Militär, daß es lauter junge Leute von 15 bis 30 Jahren waren. Die Offiziere sind aber bei Jahren und tragen alle den Orden pour les mérites. In Mainz sind wenig Soldaten, man rechnet in allem 2000 Mann. Davon sind die Hälfte ohne Montierung, und sie sehen eher Schin ... gleich als Soldaten. In Bingen sollen 3000 Mann liegen und in Kreuznach 1000. Bis Landau sollen nicht mehr als 3000 Mann liegen. Aber vor zwei Tagen sind sie über den Rhein. Sie wollen ihren Marsch nach Hanau nehmen. General Custine war verreist, ist aber gestern abend wieder hier angekommen.

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Dokument 4 Abschrift Schreibens von Mainz, 19. November 1792 Forster hielt vorgestern eine Rede, die eine Widerlegung jenes Impressi der Bürgerschaft 2u Frankfurt wider Custine war. Wird sie gedruckt, so werde ich sie gleich einsenden. Demnach bestieg Herr Stummfe] die Bühne und legte den Herrn Brüdern die Relation seiner Gefangennehmung in Düsseldorf ab. Die Folge dieser Feindseligkeit dürfte Folgen haben und wird-der Pfalz teuer zu stehen kommen, da sich ohnehin schon mehrere pfälzische Oberämter beim hiesigen Klub gemeldet haben. Auch die Bauern gehen in den Klub und kaufen die Impressa mit Begierde. Auch zu Speyer und Worms sind deren errichtet, und der hiesige hat mit jenem zu Paris und Straßburg die genaueste Verbindung. Kein Rat, kein vermögender Bürger und fast kein Landeskind, nur junge unvernünftige Burschen ausgenommen, haben noch Anteil an der jetzigen Veränderung. Und man würde höchst ungerecht handeln, wenn man diesen die Schuld des Übels beimessen wollte. Alle Teilnehmer sind Fremde, welche der Hof mit doppeltem Geld hereingezogen hat. Auch ist das sehr auffallend, daß jährlich nach dem Schatzungsfuß 400000 Gulden eingingen, daß dafür nur 1600 Musketiers und Generals für 40000 Mann gehalten wurden. Heute wurde bei Gelegenheit der sogenannten Frankfurter Freiheit auch der Fürst Taxis als ein Briefplünderer und -aufbrecher in dem Klub aufgeführt. Der Fürst von Würzburg hat erklärt, daß er bei Ankunft der Franken nicht von Würzburg weichen würde, und sollte die Brandschatzung dem Lande zu schwer fallen, so wolle er als Geisel sich fortführen lassen. Er befehle aber, daß man ihn nicht auslösen solle, denn seine Lebenstage wären noch kurz, und er wolle als Gefangener sterben. Er wird von den Franzosen als ein Muster der Regenten gehalten, und er könne ohne alle Sorgen sein. Nur legt man ihm zur Last, daß er seine Truppen gegen die Franken in Niederland gebrauchen ließe; jedoch kommt es darauf an, ob er auf mehrere Jahre seine Truppen überlassen habe.

Dokument 5 Abschrift der Nachrichten aus Mainz, 21. November 1792 Custine ist noch hier. Er zieht aus dem Schloß in die Domprobstei. Er äußert sich, daß das Schloß für ihn zur Wohnung zu üppig und zu schön sei. Die zwei ersten Stöcke desselben werden zum Spital eingerichtet, die Kurfürstenzimmer verschlossen. Mehrere neue Regimenter sind heute angekommen: ein Kürassier [-Regiment], eins von Nationalgarde und eins von Jäger zu Pferd. Sie kommen von Straßburg und sind über die Brücke passiert. Es sollen noch 18—20000 Mann kommen. Kastel wird zur Festung, und sind 50000 Palisaden dazu bestellt. Man sagt, daß 80000 Mann zur Belagerung erfordert werden. Täglich kommt neue Artillerie an. Man sagt, daß alles gegen Hanau bestimmt ist. Vor zwei Tagen sind 12 preußische Deserteure hier eingebracht worden. Custine gab jedem drei neue Taler und ließ sie nach Landau bringen, wo jeder noch 100 Livres empfängt und weiter in das Land geschickt wird.

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Der Stadtrat hat sich in corpore in das rote Buch eingeschrieben, und diesem Vorgang folgen jetzt mehrere. Auch die Kammer wird morgen entlassen. Die entlassenen Räte, die noch hier sind, erhalten fort ihr Gehalt mit dem Unterschied, daß statt der Naturalien die Geldtaxe bezahlt wird. Die Fortgegangenen erhalten nichts. Aus Frankfurt kommt die Nachricht, daß alles allda still sei; die Deputierten aus Paris schrieben, daß sie vor den Nationalkonvent gelassen worden und daß ihr Verlangen um Nachlaß von der Kontribution an das Comité diplomatique et des finances verwiesen worden. Dokument 6 Abschrift Schreibens von Mainz, den 21. November 1792 Das Entlassen oder vielmehr das Kassieren der Regierung macht hier ein großes Aufsehen. Die nachdenkenden Menschen empfinden vieles bei der Instituierung. Custine und der Klub führen täglich die Sprache, daß das Volk seine Beamten wähle. Custine fängt an zu organisieren. Es macht um so mehr Aufsehen, da der größte Teil der neuen Regierungsräte vom Volk nicht waren gewählt worden. Das Mitleiden des Publikums vergesellt sich, da die sieben Zurückgebliebenen dasselbe für sich haben. Der Unwille, die Abneigung des Generals gegen die alte Regierung haben ihren Grund in der Unwirksamkeit derselben, die durch die Lage der Sache eintreten mußte. Custine wollte Holz, Viktualien, Fourage etc. herbeigeschafft haben. Die Regierung mußte Befehle an die Ämter des Obererzstiftes erlassen: die im Namen der französischen Republik provisorisch beibehaltene Regierung. Die Statthalterschaft drohte mit donnernder Stimme unter Kassationsstrafe den Beamten, wenn sie Parition leisteten. Die meisten Befehle wurden unerbrochen zurückgeschickt; der Wunsch, der Wille, der Befehl des Generals blieb unerfüllt. Die Regierung machte Vorstellungen dem Generalkommissär Blanchard, aber der General, der die ganze Zeit mit Kriegs operationsplänen beschäftigt ist, vergißt, daß andere die exequierende Gewalt nicht so in Händen haben. Custine wollte Holz aus dem Amte Germersheim haben; die im Namen der französischen Regierung provisorisch behaltene Regierung wollte kommunizieren mit der darmstädtischen Regierung; die Schrift wurde zurückgeschickt. Bei dem Eintritte der französischen Armee in Mainz begehrten die Generalkommissarien, mit der Organisation der Regierung, der Finanzkammer, Justizkollegien, Universität etc. bekanntgemacht zu werden. Hofrat Reuter erklärte dem Blanchard die verschiedenen Departements der Regierung von morgens 8 bis mittags 3 Uhr. Dieser erklärte zu Ende : Der Schwindel überfalle ihn, er könne die gelehrten Einrichtungen nicht so geschwinde begreifen. Und itzt können sie sich noch keinen Begriff von den Regierungsdeputationen machen. Walmenich und Keller sind sehr betroffen durch die Kassation; auf der anderen Seite sind aber die sieben sehr froh, der großen Last enthoben zu sein. Walmenich, Keller, Reuter etc. mußten von morgens früh bis abends spät Etats machen. Die Sage ist, daß die Zurückgebliebenen ihr Gehalt fortgenießen sollen. Man ist auf die sämtlichen Ausgewanderten nicht wohl zu sprechen. Der Deputierte, wovon ich gestern schrieb, sagte mir, daß in kurzer Frist les ci-devant nobles seront invités pour devenir des citoyens. Man wird bald alles aufbieten, um den Bauern zu gewinnen, da dieser im Mainzischen hauptsächlich die Revolution machen soll. Die Mainzer Bürger werden von den echten Republikanern als feig und phlegma-

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tisch erklärt, aber die Monarchiens, dergleichen es sogar noch unter den Matadors gibt, erklären das Zurückhalten der Mainzer als bescheiden und vernünftig. Der Député sagte mir heute, daß Custine sich sehr oft mokiere über den Preis des Landgrafen. Er habe gestern erklärt, qu'il ne le contente pas d'avoir la tête du Landgrave, mais qu'il veut l'avoir en entier. Öffentlich äußerten sich mehrere des premiers, que le roi de Prusse retournera dans son pays en Don Quixote. Morgen geht das Quartier général nach Höchst. Auf Hanau soll der Plan itzt gerichtet sein. Custine verläßt itzt das kurfürstliche Schloß und bezieht mit dem État major das domprobsteiliche Haus, weil er apprehendiere alles, was hofmäßig ist. Custine erzählte gestern am Tisch, daß der König von Preußen ins Sacktuch gebissen habe, als er die niederländische Nachricht vernommen. Custine hielt gestern eine Rede auf dem Schloßplatze an das angekommene Regiment weiland Artois, worunter das Merkwürdige: Nous ne vainquons pas des ennemis, mais nous nous conquérons des frères et tachez de gagner par votre conduite leur amour et leur fraternité. Worauf das Regiment schrie : Vive Custine ! Dieser erwiderte : Phui, pas Custine, mais vive la République française ! Der Kurier, der gestern von Möns über Koblenz zu Custine geschickt wurde, brachte die Nachricht, daß 7000 Österreicher auf dem Walplatz geblieben, zweitens daß die Lütticher das ci-devant Royale allemande, Royale Lacy [?] und die Prinzen mit den Emigranten aus dem Lande gejagt haben. Die Eroberung Brüssels soll noch diese Woche nach der heutigen Inspiration des Böhmer durch eine Motion des Klubs mit einer Illumination und einem Tedeum gefeiert werden. Der Holzmangel tritt hier so ein, daß diesen Morgen in meiner Gegenwart am Generalkommissariat die Anzeige von drei Offiziers gemacht worden, daß sie mit zwei Kompagnien und sämtlichen Bauern zu W[ies]Oppenheim mit Stroh kochen und ihre Öfen heizen müssen, worauf resolviert, daß in der Fronde das Holz dahin solle gebracht werden. Abschriften der im Klub geführten Protokolle der gemachten Motionen kann ich nicht erhalten, aber die Statuten des Klubs mit den Polizeimotionen werden mit dem Verzeichnisse der Klubisten nächstens im Drucke erscheinen. [ . . . ]

Dokument 7 Abschrift Schreibens von Mainz, 21. November 1792 Gestern und vorgestern waren keine Klubs, aber heute und morgen wieder. Der Klub besteht itzt aus 400 Personen, und 1100 haben sich in das rote Buch geschrieben. Die Zahl der Klubisten und der in das rote Buch sich Einschreibenden wird sich vermehren, sobald Hanau in französischen Händen und das Verstärkungskorps von Biron hier eintreffen wird. Biron schickt mehr als die Hälfte seiner Armee zu Custine. Einige 100000 Überröcke werden verfertigt, und so soll der Winter fortgesetzt werden. Man will den Österreichern entgegengehen, alle Pässe abschneiden. Soviel bemerke ich, daß der Franzose nicht mehr weichlich ist. Biron verleugnete sich so großmütig und begibt sich unter das Kommando des Custine, dessen Chef er vorhin war. Custine projektiert sehr fleißig in Hinsicht des trierischen Landes, und Beurnonville erwartet von diesem die Disposition. Der Einfall ins Trierische scheint mir noch nicht so ganz nahe zu sein,

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aber unvermeidlich in der Zukunft. Der General bis auf den Tambour ist enragé und keiner mißvergnügt wegen des vielen Marschierens. Ein Artillerieoffizier versicherte mir, daß ihre Artillerie schon itzt in guter Ordnung und in kurzer Zeit formidable sein werde. Als Gründe der Absolution des Kellermann geben einige bedeutende Matadors an, daß er dem Nationalkonvent Resultate von dem mit Preußen gehabten Tête-à-tête vorgelegt habe. Sehr merkwürdig ist, daß der Jakobinerklub zu Paris die von dem Mainzer gesuchte Affiliation noch nicht angenommen und noch keine Antwort gegeben hat, ohnerachtet man sie itzt dreimal begehrte. Der Pariser Deputierte, der heute wieder nach Paris reist, hat den Auftrag, sie zu bewirken, wenn sie erschwert wird. Man wird auch untersuchen, ob nicht ein aristokratisch oder monarchisch gesinnter Postmeister die Schreiben unterschlagen habe. Die Konstitutionsgesellschaften in England sollen nach Briefen an Forster 80000 stark sein, und man behauptet, daß die königliche Würde in zwei Jahren ohne gewaltsame Operationen verschwinden werde. Zuverlässig ist die Armee des Custine itzt 40000 Mann stark, und vor dem 27. muß sie auf 50000 anwachsen. Unter 1000 rechnet man einen Kranken; das letzte ist mir unwahrscheinlich. Die Sitzungen der neuen Regierung sind täglich von morgens 9 bis 1 Uhr. Die Hofkammer bleibt noch bis zur Rückkunft des Generals, das Hofgericht ebenfalls. Revisorium solle bald aufhören, indem nur eine Appellationsinstanz sein soll. Man rechnet schier zuverlässig, daß der geheime Staatsrat Müller nach erhaltener Entlassung sich auch in den Klub aufnehmen lasse. Er ist itzt in der Schweiz; er schrieb, daß er bald zurückkomme. Forster erwähnte in seiner ersten Rede des Müllers als eines Republikaners, der bei der alten schlechten Regierung so viel Gutes getan habe, als man habe tun können. Es wurde in dem vorletzten Klub eine Motion gemacht, daß man auch geheime Glieder aufnehmen solle, um alle die planwidrigen Personen und Handlungen zu erforschen. Zur Ehre der Menschheit wurde diese mit dem größten Unwillen der Klubisten und des übrigen Publikums verworfen. Es wurde auch festgesetzt, keine anonymische Zuschrift anzunehmen; auch Grundsatz, daß kein Zeitungsverfasser anonymische Nachrichten benutzen dürfe. Ich kann heute nicht mehreres schreiben, da ich bei Forster speise. Itzt eben kommt ein ganzes Regiment Nationalgarden, 1000 Mann stark.

Dokument 8 Abschrift Schreibens aus Mainz, 24. November 1792

Hier kommen täglich frische Truppen von Straßburg und viele schwere Kavallerie an; wir erwarten den Herrn Biron. Zu Fuß und zu Pferd sind es die auserlesensten Leute. Alles wimmelt über den Rhein von Franken. Ich schätze sie wirklich über 40000 Mann. Man ist versichert, daß es in zween Tagen auf Koblenz losgeht, und der Weg geht über Limburg. Heute kommen wieder 5000 Mann hierher. Der Rheinstrom soll und muß in 14 Tagen in der Franken Hände sein.

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Heute übergibt der Handelsstand eine Denkschrift, daß sie auch frei leben oder sterben wollen. Vom 20. bis den 27. Dieses [Monats] passieren von Landau und Straßburg 10000 Mann hier durch.

Dokument 9 Abschrift Schreibens von Mainz, 24. November 1792

Hauptplan ist es noch immer, daß das linke Ufer des Rheins fränkisch werden soll, and hauptsächlich seit 14 Tagen, daß es noch vor Neujahrstag werden soll, weil Schnelligkeit betäubt, die Preußen und Österreicher sich noch nicht erholt haben, die Franzosen, durch den Rückzug ihrer Feinde, durch die Progresse der Dumouriezschen und südlichen Armee von dem heißesten Enthusiasmus, von dem unbeschränktesten [ . . . ] geiste beseelt, itzt nichts mehr wünschen als sich auch Lorbeeren zu sammeln. Die eifersüchtigen Generale benutzen dieses fürtrefflich. Custine versammelte vorgestern um sich zwei Regimenter, harangierte mit der größten Lebhaftigkeit; merkwürdig die Worte: « Je vous rassemble ici, vous mes compatriotes, sur que je pose toute la confiance pour exécuter le plan de la République pour parvenir au grand but. La subordination est essentielle, je vous ordonne au nom de la loi de la tenir rigoureusement. Nous allons vaincre le reste de nos ennemis, mais à la fois de nous conquérier plusieurs frères et amis, et je vous déclare au nom la de loi que celui qui fera le moindre excès, sera puni de la mort. » Sehr tröstlich für die Trierischen. Alle schrien: «Vive la Nation, vive la République, vivent les Patriotes ! » Heute sollen wieder sechs Bataillons von Landau kommen. In Landau ist eine große Auberge ganz angefüllt von Geiseln. Der Kammerrat Leon kam gestern mit seinem Sohn von Landau. Jener war noch ganz betäubt und halb sinnlos. Er wurde die zween ersten Tage durch die Schuld des Aubergisten übel behandelt, saß in einem kalten, schlechten Zimmer. Der Sohn zahlte 800 Gulden. Custine begnügte sich itzt damit provisorement, mit der Äußerung, daß er Mittel in den Händen habe, auch von dem Kurfürsten das übrige zu bekommen. Leon ist diesen Morgen nach Limburg. Der General Laforelle hat auf dem Hunsrück im Amt Kirchberg alles, was dem Markgrafen von Baden gehört, nehmen lassen. Alles übrige blieb ganz ungekränkt. Custine gab dem Beamten, der sich mit mir über den Negoziationsplan besprach, als Ursache an, man habe in Karlsruhe Leute mißhandelt, die die dreifarbige Kokarde haben tragen wollen. Zweitens habe der Markgraf Soldaten an den Rhein geschickt, um das Übersetzen der Franzosen zu verhindern. Der Beamte hat nichts zu hoffen, da der Stamm — ehemaliger kurfürstlicher Sekretär —, der bei Custine viel vermag, vor einiger Zeit in Karlsruhe ist beleidigt worden. Ich bemerke hier, daß die hiesigen Gasthäuser angefüllt sind mit Sollizitanten, negoziierenden Lieferanten etc. Äußerst amüsant ist es, wie Räte, Amtsvögte, Schultheißen, Bürgererste unmittelbar oder durch Dolmetscher mit künstlichen Demonstrationen in dem Zimmer des Custine und in dem Kriegskommissariat wetteifern, daß ihre Landesherrn immer die Neutralität beobachtet haben, daß man die Gnade haben möge, das Angesetzte [zu] remittieren oder zu vermindern. Dann läßt man oft den Herren P r i n z i palen [?] schöne Komplimente sagen.

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Das hiesige Vikariat wird auch bald kassiert werden. Man klagt dasselbe falscher Einlispelungen an, und dasselbe denke sich itzt quasi Erzbischof. Gestern und vorgestern wurden unbedeutende Klubs gehalten. Man zankte sich vorgestern eine Stunde heftig, wie man am besten die Schriften der Klubisten unter ihre Brüder austeile, zweitens ob man nicht eine Partie unter das profane Publikum gratis austeilen solle. Die Schriftsteller mit ihrem Anhang stritten heftig für die Negative in der letzten Hinsicht. Es wurde vorgestern ein Künstler von Wedekind präsentiert, von fünf unterstützt; ungefähr zwanzig standen gegen die Aufnahme auf. Wedekind erklärte dieses öffentlich mit Bitterkeit eine Kaffeehauskabale, trug an, daß das Gesetz, das den Kandidaten ausschließe, wenn zwölf gegen ihn aufstehen, nicht mehr anwendbar sei, indem man von Anfang Leute aus Politik ohne Wahl aufgenommen habe und itzt sehr leicht drei bis vier Bösartige durch Intrigen den ehrlichsten Mann ausschließen könnten. Er begehrte, daß die Auf Steher immer ihre Namen schriftlich geben sollen, in der Hoffnung, daß dann das Gewissen erwache. Diese Motion wurde unterstützt und durchgesetzt. Man stimmte also von neuem, und von den zwanzig stehen nur zwei auf. Dieses erregte das größte Aufsehen. Es schwächt sehr das Ansehen. Gestern bestieg ein junger Mensch die Tribüne, sprach viel Bitteres gegen Wedekind, bestand darauf, daß der vorgestern Präsentierte müßte sechs Wochen suspendiert werden, indem das alte Gesetz noch auf diesen anzuwenden, machte dem Wedekind viele Vorwürfe wegen der Kaffeehauskabale. Es gab Lärmen. Man beschloß, die Sache zu remittieren auf das Comité général, das heute bei verschlossenen Türen gehalten wird. Vorgestern las Forster eine Adresse an die Bauern ab, worin er sie zu den Festungsarbeiten in Kastel einlud, führte unter andern Gründen an, daß die trierischen Bauern bei Koblenz unentgeltlich arbeiten müßten, öfters die Aufforderung durch den preußischen Stock geschehe etc. Sie wird gedruckt. Gestern hielt Böhmer eine lange Rede, wie die Franzosen und Landeseinwohner sich betragen haben, da die unechte Nachricht von der Entweichung des Königs eingelaufen sei, unter anderem, daß der Kurfürst von Trier am Klemenstage gesagt habe, daß man ihm keinen schöneren Strauß habe bringen können, ferner wieviel Champagner etc. man in Koblenz, Worms, Mainz gesoffen habe. Der Kurfürst von Mainz habe 30 Dukaten dem Kurier gegeben. Ich schließe Forsters Rede bei, die viel Eindruck hier gemacht.

Dokument 10 Abschrift Schreibens von Mainz, 25. November 1792 Das Los von Koblenz wird in vier Tagen entschieden sein. Custine ging gestern mittag von hier ab. Morgen wird Koblenz aufgefordert. Wenn man sich nicht ergeben will, so werden einige Kugeln in die Festung geworfen; dann ist es entschieden. Beurnonville kommt von Trarbach und wird sich mit Custine vereinigen.

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Dokument 11 Abschrift Schreibens von Mainz, 25. November 1792

Das was gestern geschrieben worden, bestätige ich. Gestern mittag sah ich ein schönes Kürassierregiment über die Brücke nach Wiesbaden reiten, und gegen 12 Uhr wurden 15 Kanonen mit mehreren Pulverwagen über die Brücke nach Wiesbaden geführt. Die meisten Menschen waren und sind nicht genug aufmerksam. Schier alle glauben noch diesen Morgen, daß alles auf Hanau gerichtet sei; aber die wahre Lage der Sache ist, wie gestern gemeldet worden. Biron kommt in einigen Tagen nach Mainz, und dann bricht man von allen Seiten los. Der Landgraf von Hessen wird ohnerachtet seiner großen Operationen unterliegen. Das trierische Land wird von zwei Seiten angegriffen. Beurnonville wird sich mit Custine bei Koblenz vereinigen. Custine selbst wird noch diesen Abend oder morgen von hier abgehen. Diesen Morgen sah ich ein Regiment Nationalgarden auch zu dem Ende abreisen. Sie sangen mit frohem Mute « Cela va! » und [die] Hymne der Marseillais. Ich glaube nicht, daß es die Absicht ist, Ehrenbreitstein zu belagern oder mit Sturm zu nehmen, sondern Koblenz in einer Distanz von zwei Stunden so zu umsetzen, daß alles ohne Schwertstreich sich ergeben muß.

Dokument 12 Abschrift Schreibens von Mainz, 26. November 1792

Der General Custine reiste vorgestern Mittag von hier ab, kam aber gestern wieder. Die große Operation soll aber fortgehen. Man behauptete gestern, daß, sobald die Preußen angegriffen werden, die Hessen sich anschließen. Die Franzosen lassen diesen alle Gerechtigkeit widerfahren; sie stehen wie die Felsen. Der Landgraf macht seinen Leuten außerordentliche Versprechungen; so bewirkt Custine gelegenheitlich eine Revolution im Hessischen. Vorgestern wurde durch eine Feinheit der Hessen der größte Teil der Chasseurs de Paris, ein schönes Korps, zugrunde gerichtet. Vorgestern versammelte Blanchard, Commissaire ordonnateur, die ganze Schreinerzunft, um in 36 Stunden 600 Bettladen gegen Zahlung zu verfertigen. Dieses hat Bezug auf die Bataille mit den Preußen. Die Avantgarde des Beurnonville soll sich in Trarbach befinden. Dieser steht in der genauesten Kommunikation mit Custine. In Miltenberg wird eine kurfürstliche Regierung für die obererzstiftlichen Ämter am 2. Dezember eröffnet. Das wird wieder viele neue Kollisionen verursachen. Aus Aschaffenburg kamen Briefe an das Comite de correspondance des Klubs, daß man dorten nichts mehr wünsche als die französische Konstitution. Der Kurfürst ließ vorgestern durch einen Vertrauten dem Custine vorstellen, daß seine ganze Seele hänge an den zwei im Schlosse befindlichen Pariser Uhren und dem neuen Pariser Wagen. Er bitte, diese verabfolgen zu lassen. Custine gestattete es, schickte aber gleich die Uhren zu dem Uhrmacher Weidenhammer, um « Cela va! » und den Marseiller Marsch anzubringen. Der Kurfürst spricht itzt täglich mit mehreren Räten und Beamten.

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Speziais tudic

Custine setzte dem Fürsten von Nassau-Weilburg eine Brandschatzung von 300000 Gulden an. Itzt ist Weilburg von Preußen besetzt. Der Fürst läßt durch einen Abgeordneten dem Custine erklären, daß er bereit sei, die Summe zu zahlen, überläßt aber demselben die Bestimmung quo modo. 40 Franzosen haben 80 Preußen auf dem Hunsrück gefangen gemacht, brachten sie von Kirchberg nach Mainz. Ein Exjesuit Arand und ein Augustinermönch wurden Klubisten. Die Revenüen und Präsenzgelder der Domvikarien sind arretiert. Der gestrige Klub war wieder sehr unbedeutend. Es wurde von Metternich eine Rede gehalten, die bald gedruckt wird, und Cotta las das Beiliegende von der Staatsverfassung Frankreichs ab. Es bestieg ein Amtspraktikant die Tribüne, der viel tolles Zeug mit dem größten Ungestüme und Impertinenz schwätzte und sich gar nicht ausdrücken konnte. Custine reist um 2 Uhr wieder zur Armee, soll aber bald wiederkommen.

Dokument 13 Auszug Schreibens von Mainz, 27. November 1792

Ich kann heute nicht viel schreiben und nichts Erhebliches beischließen, indem gestern die niederländische Post nicht angekommen und die allgemeine Sage ist, daß die Postkommunikation gehemmt. Koblenz kommt seiner Bestimmung täglich näher, und das Los soll in 8 Tagen entschieden sein. Man gibt hier zuverlässig an, daß vor vier Tagen ein preußischer Trompeter vier Stunden mit Custine eine Unterredung gehabt habe. Zuverlässig [ist], daß die Franzosen noch nichts vom Frieden wissen wollen. Mainz bleibt ganz wahrscheinlich in französischen Händen. Ein äußerst wichtiges Dekret erschien vor einigen Tagen: La Convention nationale déclare, qu'elle accordera secours et fraternité à tous les peuples qui voudront recouvrer leur liberté, et charge le pouvoir exécutif de donner des ordres [aux] généraux des armées françaises de secourir les citoyens qui auraient été ou seraint vexés pour la cause de la liberté. La Convention nationale ordonne aux généraux des armées françaises de faire imprimer et afficher le présent décret dans tous les lieux où ils porteront les armes de la République. Aus einer echten Quelle vernahm ich, daß von Beurnonvilles Armee sich schon 3000 mit den Custineschen Husaren auf dem Hunsrück vereinigt haben. Der gestrige Klub wurde geschlossen mit einer interessanten Rede von einem bischöflichen Vikarius von Colmar. Der Gegenstand war, daß die französische Konstitution den Katholizismus nicht verdränge, wie ihre Feinde, vorzüglich die Geistlichen vorgeben. In dem Klub zeigen sich täglich mehrere unruhige Köpfe. Es wurde eine Motion gemacht, eine Adresse an die Administration zu erlassen, daß die zu errichtenden Büros und die andern Stellen nur von mainzischen Landeskindern sollen besetzt werden. Diese wurde von den Mainzern, besonders denen, die bisher ohne Anstellung waren, sehr unterstützt. Es wurde aber von andern erinnert, daß in einer großen Republik der Kosmopolit auch nicht dürfe vergessen werden. Ferner viele Dispute über den Begriff Landeskinder. Die Matadors des Klubs sind nicht zufrieden und sehen nun, daß derselbe von Böhmer zu früh errichtet worden. Es hätte müssen Auswahl getroffen werden.

Mainzer Jakobiner 1794—1797. Zur Wirkungsgeschichte der Mainzer Republik+

Als am 23. Juli 1793 die französische Besatzung der Festung Mainz vor den preußischen Belagerern kapitulierte, nahm auch die Mainzer Republik ihr unwiderrufliches Ende, nachdem sie mehr als 100 Tage zuvor schon das gesamte Hinterland zwischen Landau und Bingen eingebüßt hatte und auf den engsten Umkreis der Stadt reduziert worden war. Der Sieg der Konterrevolution über die Mainzer Republik gipfelte in der Verfolgung ihrer Wortführer und Träger. Das Würzburger Staatsarchiv allein führt unter den dort lagernden Mainzer Regierungsakten 874 Nummern auf, die sich mit sogenannten Klubistensachen beschäftigen; ein Verzeichnis nennt die Namen von 491 Personen, die festgesetzt und verhört wurden. 1 Es versteht sich, daß in den meisten Vernehmungsprotokollen die Tendenz der Beschuldigten vorherrscht, den eigenen Anteil am revolutionären Geschehen herunterzuspielen oder gar zu leugnen; daß ein solches Verhalten nicht notwendig einer Preisgabe der einstigen Überzeugung gleichkam, bewiesen viele Betroffene in der Folgezeit. Ein uneingeschränktes Bekenntnis zur revolutionären Vergangenheit leisteten sich in der Regel allein die führenden Jakobiner, die nur noch auf einen Austausch mit den vorsorglich von den Franzosen genommenen Geiseln hoffen konnten und zur Emigration nach Frankreich entschlossen waren. Zu den ungebrochenen Verfechtern revolutionärer Prinzipien zählten selbstverständlich auch die rheinischen Jakobiner, die sich rechtzeitig durch die Flucht nach Frankreich dem Zugriff der Konterrevolution entziehen konnten. Von ihnen gingen unmittelbar nach dem Ende der Mainzer Republik die ersten Aktivitäten aus. Das Brot der Emigration ist meist ein hartes Brot. Eigene Verdienstmöglichkeiten waren gering, und die monatliche Unterstützung, die der Konvent nach einiger Zeit den in der société des patriotes Mayençais vereinigten Flüchtlingen bewilligte, war knapp bemessen. Die bei einer Reihe deutscher Republikaner vorhandene Zwei- und Mehrsprachigkeit erklärt ihren relativ häufigen Einsatz als Geheimagenten zur Ausspähung konterrevolutionärer Absichten und möglicher Gegensätze innerhalb der Koalition. Sehr früh übernahm Georg Forster, der sich ja als Übermittler des Anschlußersuchens schon seit Ende März in Paris aufhielt, eine derartige Aufgabe. Außenminister Lebrun schlug dem Wohlfahrtsausschuß am 12. Juni 1793 seinen Einsatz bei der Nordarmee vor, um über ihn mit den Engländern in Berührung zu kommen : « Le citoyen Forster est un excellent patriote, connu de toute l'Europe par ses immenses connaissances et ses yoyages autour du monde avec le capitaine Cook; il parle et écrit également bien + 1

Gedruckt in französischer Sprache in: Annales Historiques de la Révolution Nr. 2 5 5 - 2 5 6 , Paris 1984, S. 103 — 123; überarbeitete Fassung. StA Würzburg, M R A V, Nr. 1, fol. 1 - 8 8 .

Française,

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l'anglais, l'allemand, et le français; il connaît les différents coins de l'Europe, leurs intérêts et leurs rivalités réciproques ; il est en ce moment député de la ville de Mayence à Paris; il est malheureux et ne mérite pas de l'être; je crois qu'il nous importe à tous regards de nous attacher un homme aussi distingué, et j'ose garantir qu'il méritera la confiance du comité et de la nation entière. »2 Eine Liste des Außenministeriums nennt unter den Geheimagenten, die 1793 an die Grenze geschickt wurden, allein fünf deutsche Jakobiner, die in der Mainzer Republik eine Rolle gespielt hatten. Der einstige Deputierte des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents Ludwig Frank war für den Einsatz in Straßburg, Deutschland und Wien vorgesehen 3 ; der an der Republikanisierung Leiningens maßgeblich beteiligte Karl Christian Parcus sollte am Rheinufer observieren4 ; Ludwig Meyenfeld, der in Mainz als Nationalkommissär gewirkt hatte, begab sich am 14. Oktover nach Besançon und wurde als « une de nos sentinelles les plus vigilantes » gewertet5 ; die einstigen Konventsdeputierten Johann Baptist Hauser und Johann Christoph Bleßmann gingen als Aufklärer gemeinsam am 15. Oktober nach Hüningen.6 Über die Aufgaben eines anderen Emissärs, der erst im März 1794 von Paris aus nach Deutschland in Marsch gesetzt wurde, aber ebenfalls zu den Mainzer Emigranten gehörte, unterrichteten detailliert die Instruktionen, die ihm mit auf den Weg gegeben wurden.7 Es handelte sich um den ehemaligen Mainzer Jurastudenten Franz Ignaz Pfeiffenbring, der sich im November 1792 dem dortigen Jakobinerklub angeschlossen hatte und den trotz seiner jungen Jahre — er war 1770 geboren — Custine zum Mitglied der provisorischen Allgemeinen Administration berufen hatte.8 Georg Forster warf zwar im Dezember 1792 dem Pfeiffenbring vor, die Arbeit in der Administration „aus Bequemlichkeit" aufgegeben zu haben9, aber Pfeiffenbring blieb ein Jakobiner, der allen Grund hatte, sich dem Zugriff der siegreichen Konterrevolution zu entziehen. Sein Einsatz als Emissär knappe neun Monate später beweist, daß er damals den Weg nach Paris gefunden hatte. Pfeiffenbring selbst hatte in einem Memorandum Vorschläge für einen solchen Einsatz entwickelt, auf denen die für ihn bestimmten Instruktionen fußen (siehe Anhang: Dokument 1). Der unmittelbare Anlaß für die Entsendung Pfeiffenbrings nach Süddeutschland war das kaiserliche Kommissionsdekret vom 20. Januar 1794, das dem Reichstag die Annahme der Volksbewaffnung empfahl. Der verzweifelte Versuch, Kampfmittel zu übernehmen, denen das revolutionäre Frankreich seine militärischen Erfolge verdankte, ging auf den kaiserlichen Feldmarschall Wurmser zurück, der am Oberrhein kommandierte. An Miliz und Aufgebot anknüpfend, die bei der Abwehr von Franzoseneinfällen im 17. Jahrhundert noch eine Rolle gespielt hatten, ließ er im vorderösterreichischen Breisgau zur Verstärkung des langgestreckten Sicherheitskordons zwischen Basel und Kehl einzelne Gemeinden aufbieten. Die im Herbst 1793 von Straßburg aus nach Norden vorgetragene französische Offensive veranlaßte den Badenser, den Kurpfälzer und Kurmainzer, zum gleichen Mittel zu greifen. Der kurrheinische und der oberrheinische Kreis folgten. Nach der kaiserlichen Anregung vom 20. Januar setzten auch im schwäbischen, bayeri2 3 4 5 6 7 8 9

A A E Paris, France et divers Etats, vol. 652, fol. 25. Ebenda, Affaires intérieurs et extérieurs, vol. 322, fol. 2. Ebenda, fol. 3. Ebenda, fol. 8f. Ebenda, fol. 6f. Ebenda, France et divers Etats, vol. 652, fol. 109 — 111. M R II, S. 96. Ebenda, S. 214.

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sehen und fränkischen Kreis entsprechende Aktivitäten ein.10 Die auf dem Papier errechneten Zahlen waren beeindruckend; ihre Summe überstieg die ViertelmilHon, so daß Frankreich an exakten Informationen über eine solche levée en masse wahrlich gelegen sein mußte. Die Aufgaben, die Pfeiffenbring gestellt wurden, gingen allerdings weit über die bloße Nachrichtensammlung hinaus. Das Hauptziel seiner Mission war offensiv formuliert und bestand darin, die Volksbewaffnungspläne, wo und wie immer möglich, zu verhindern oder wenigstens zu behindern. Aus diesem Grunde sollte er Interessengegensätze innerhalb der herrschenden Feudalen aufspüren und beispielsweise ein einheitliches Vorgehen der Reichsstände mit dem Kaiser oder auch der württembergischen Landstände mit dem Herzog unmöglich machen. Gleichzeitig aber war auch die Bevölkerung von Pfeiffenbring unmittelbar anzusprechen. Ihr sollten die mit der Volksbewaffnung verfolgten heimtückischen Pläne insbesondere Österreichs enthüllt werden; zudem war ihr die zuverlässige Freundschaft des revolutionären Frankreich anzubieten, sofern sie seinen perfiden Feinden keine Hilfestellung leistete. Außer den mit dem Approbationsvermerk vom 11. Nivôse = 1. März 1794 versehenen Instruktionen sind bisher keine Auskunftsmittel über Details des Verlaufs der Mission Pfeiffenbrings bekannt. Er wird sich den Aktivitäten der verschiedensten Art angepaßt haben, die überall gegen die Volksbewaffnungspläne einsetzten. Der Sekretär der französischen Gesandtschaft in Basel, Théobald Bacher, beispielsweise berichtete am 10. November 1794 nach Paris: « Pour déjouer la levée en masse de l'Autriche antérieure et y entretenir l'effervescence révolutionnaire qui commence à se développer, j'ai fait répandre que dès que les paysans de Brisgau seraient enrégimentés, on tirerait les plus beaux hommes pour les enrégimenter et que les autres seraient mis en avant pour être sacrifiés dans les attaques et menager de cette manière les troupes de ligne. » u Anfragen verschiedener oberrheinischer Gemeinden bei Bacher in Basel, ob die Franzosen bei einem Rheinübergang Person und Eigentum der Einwohner garantierten, wurden in der Weise beschieden, daß ausschließlich die aktive Gegenwehr eine feindselige Behandlung nach sich zöge, während ruhiges Verhalten einzig und allein Vorteile brächte. Der seit Juli 1794 mit den Volksbewaffnungsanstalten in den badischen Oberlanden betraute Major Valentin von Harrant bestätigte die durchschlagende Wirkung dieser Propaganda im Badischen und im Breisgau.12 Die allenthalben entstehenden publizistischen Äußerungen gegen die Volksbewaffnung gingen in ihrer Wirkung naturgemäß über den grenznahen Raum weit hinaus. Manches wurde von außen hereingeschleust, so der „Aufruf an die Deutschen wegen ihrer Versammlung in Massa". Diese Flugschrift wurde Mitte 1794 von Basel aus vertrieben.13 Anderes entstand im Lande selbst. Wahrscheinlich in Nürnberg kam Mitte des Jahres ein „Wiederholter Aufruf an die deutsche Nation, 1794" heraus14, den Haasis dem Nürnberger Arzt Johann Benjamin Erhard zuzuschreiben geneigt ist.15 In Erfurt ließ Georg Friedrich Rebmann ohne Nennung des Druckortes sein „Neues graues Ungeheuer" erscheinen, in dessen 2. Heft er sich scharf mit dem Aufruf des kaiserlichen Feldherrn und Prinzen von Koburg auseinandersetzte, der insbesondere die Bewohner des Rhein- und 10 11 12 13 11 15

Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 116ff. Kaulek, Papiers de Barthélémy, S. 422. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 126. Ebenda. Scheel, Jakobinische Flugschriften, S. 81—85. Haasis, J. B. Erhard, S. 215 f.

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Mosellandes zur Selbstbewaffnung aufgefordert hatte.16 Unsicher ist der Erscheinungsort der „Erklärung des vom Herrn Prinzen von Koburg den 30. Julius 1794 ergangenen Aufrufs", die in einem Nürnberger Brief als ein „vom hiesigen Pöbel gierigst aufgenommenes aufrührerisches Pamphlet" bezeichnet wurde. 17 Alle vier genannten Publikationen verfolgten in ihrer Argumentation eine gemeinsame Linie, die sich mit der Außenpolitik des jakobinischen Frankreich durchaus deckte : Die an die Volksmassen gerichtete Aufforderung, sich dem geplanten Aufgebot zu widersetzen und notfalls durch Desertion die Beendigung des Krieges gegen Frankreich zu erzwingen, trug eindeutig revolutionäre Züge, drohte letztlich auch mit einem revolutionären Umsturz in Deutschland, aber propagierte ihn nicht. Die Instruktionen Pfeiffenbrings bewegten sich auf der gleichen Linie. Bereits im August 1794 konnte Bacher mit Bestimmtheit nach Paris berichten: « L a levée en masse dont l'Empereur avait voulu menacer la République française est une chimère. »18 Die Volksbewaffnung für ein konterrevolutionäres Ziel war ein Widerspruch in sich und zum Scheitern verurteilt, denn ihr revolutionärer Charakter wurde den konterrevolutionären Initiatoren zunehmend gefährlich und spitzte die Gegensätze innerhalb der Koalition zu. Preußen insbesondere, für das die polnische Beute Vorrang erhalten hatte, hintertrieb alle Anstalten und bewirkte auch, daß das Reichsgutachten vom 5. Mai 1794 die Volksbewaffnung nicht verbindlich machte, sondern dem Ermessen der einzelnen Territorien überließ. Die großen Pläne zerrannen nun sehr schnell. Das Wenige, das etwa im Würzburgischen und anderswo noch zustande kam, war militärisch ohne jede Bedeutung. Der am Beispiel Pfeiffenbrings dargestellte aktive Einsatz gegen die äußere Konterrevolution bestätigt die Fähigkeit der einstigen Mainzer Klubisten, der Revolution bis zu ihrem jakobinischen Gipfel zu folgen, und widerlegt die Legende von ihrer girondistischen Grundhaltung. Urplötzlich in den Strudel der Revolution gerissen und auch räumlich weit entfernt vom Zentrum Paris, war ihr Nachholebedarf viel zu groß, um gleich zur Spitze aufrücken zu können. Forster gab dem Ausdruck, als er Anfang 1793 seiner Frau schrieb : „Aus den Parteien in Frankreich werde ich wohl so bald mich nicht finden können, bis ich selbst sehe und höre, an Ort und Stelle." 19 In Paris nahm er dann wie seine Mitstreiter — von wenigen Ausnahmen abgesehen — in der Tat den Gleichschritt mit der revolutionären Entwicklung auf. Als die Revolution bald darauf ihren Höhepunkt überschritt und mit dem 9. Thermidor ihren Abstieg begann, war dies wiederum für die einstigen Mainzer Klubisten noch kein Grund zur Resignation : Zum ersten hatten sie sich nicht derart exponiert, daß sie die Folgen unmittelbar zu spüren bekamen und die Bedeutung dieses Ereignisses auch nur annähernd erkennen konnten; zum anderen verkörperte Frankreich nach wie vor den gesellschaftlichen Fortschritt, den mit französischer Hilfe auch im Linksrheinischen zu realisieren ihr erklärtes Ziel war und blieb. Die wachsenden Friedensaussichten, die sich im Separatfrieden von Basel mit Preußen auch materialisierten, rückten 1795 die Frage der Rheingrenze wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Für die einstigen Mainzer Klubisten war dies ein Kardinalproblem, zu dem zu äußern sie sich berechtigt und verpflichtet fühlten. Als Beleg dafür dient der Brief, den Joseph Andreas Hofmann, einstiger Präsident des Rheinisch-deutschen 16 17 18 19

Kaiva, G. F. Rebmann, S. 220, 235ff. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 138. Kaulek, Papiew de Barthélémy, S. 234. Forster an seine Frau, 8. 1. 1793, in: Forsters Werke, 17. Bd., Nr. 166 (Druckmsc.).

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Nationalkonvents und der von diesem eingesetzten Allgemeinen Administration in Mainz, am 23. November 1795 dem neuernannten Außenminister Delacroix übersandte (siehe Anhang: Dokument2). 20 Hofmann war nach der Kapitulation der Festung im Juli 1793 zusammen mit den französischen Truppen von Mainz mit dem ausdrücklichen Auftrag abgezogen, die Interessen der von der Konterrevolution bedrohten Klubisten in Paris nachdrücklich zu vertreten. 21 Er fand hier, vom Konventsdeputierten Reubell, dem Kampfgefährten aus den Tagen der Mainzer Republik, kräftig unterstützt, im Polizeiministerium Verwendung, stand zugleich der société des patriotes Mayençais vor und ging Ende 1793 in geheimer Mission nach England. 22 Erst Anfang 1795 kehrte er zurück und nahm seine Tätigkeit im Polizeiministerium wieder auf, wo er nach dem 13. Vendémiaire als Direktor der Fremdenpolizei dem neuen Pariser Garnisonchef Bonaparte täglichen Rapport zu erstatten hatte.23 Hofmanns Brief an den Außenminister begleitete eine 44 Seiten starke Flugschrift, die jener im September in Paris herausgebracht hatte und dem Minister Delacroix auf dessen ausdrücklichen Wunsch am 23. November übersandte. Die Schrift war aus einer Kontroverse mit Roederer, dem Mitherausgeber des „Journal de Paris", hervorgegangen und trug den Titel « Des nouvelles limites de la République française, par le citoyen Hofmann, en réponse au citoyen Roederer ». Die Kontroverse hatte sich an einer Preisfrage entzündet, die der oberrheinische Jakobiner Georg Friedrich List ausgeschrieben und am 7. August im « Journal de Paris » veröffentlicht hatte: « Est-il d'intérêt de la République française de reculer ses limites jusqu'aux bords du Rhin? »24 Es gab zahlreiche Einsendungen, die fast ausnahmslos die Frage bejahten, darunter auch die des einstigen Mainzer Klubisten Anton Dorsch, der von Custine im November 1792 zum Präsidenten der Allgemeinen Administration für die besetzten Gebiete ernannt worden war. Hofmann hielt die ganze Fragestellung für ebenso unsinnig wie unmoralisch, da die Antwort längst gegeben war. In einem offenen Brief an die Redaktion, den die Zeitung am 16. August veröffentlichte, bot er einen gleich hohen Preis dem, der ein einziges Argument — und sei es auch nur ein plausibler Sophismus — beibringen könnte, « qu'il n'est pas du devoir de la République française de reculer ses limites jusqu'aux bords du Rhin, et de réunir avec elle ces pays conquis, ou d'en faire, sous sa protection une république séparée >>.25 Roederers Antwort, am 18. August veröffentlicht, ging davon aus, daß Frankreich sich bei einem allgemeinen Friedensschluß auf seine Grenzen zurückzöge, ließ das Linksrheinische völlig unerwähnt und stellte sich lediglich Belgien und Holland als unabhängige Republiken unter französischem Schutz vor. Damit nahm er etwa die Position des einst von der Gironde favorisierten Generals Miranda ein, der seit Februar 1795 sich wiederholt in der Presse als Militär gegen die Rheingrenze ausgesprochen hatte. Am 2. Juli 1795 war er sogar mit einer Broschüre in diesem Sinne hervorgetreten, die den Titel trug : « Opinion du général Miranda sur la situation actuelle de la France et sur les remèdes convenable à ses maux ».26 Der Abdruck der scharfen Entgegnung, mit der Hofmann replizierte, wurde vom 20 21 22 23 24 25 26

AAE Paris, France et divers Etats, vol. 652, fol. 372. MR II, S. 659. Otto, A. J. Hofmann, S. 77ff. Reuter, A. J. Hofmann, S. 16. Hansen III, 573; zu List vgl. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 181 ff. Hansen III, S. 588. Ebenda, S. 574 Anm. 2.

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« Journal de Paris » verweigert, das ihn schon zuvor als Ausländer zu diffamieren versucht hatte, indem es seinen ersten offenen Brief mit allen Sprachfehlem brachte, « naturelles sous la plume d'un étranger ».27 Hofmann gab daraufhin im September die dem Außenminister nunmehr übersandte Flugschrift selbst heraus; sie enthielt seinen offenen Brief, Roederers Antwort und Hofmanns Replik mit einer Reihe nachträglicher Anmerkungen. Ein Vorwort berichtete vom Gang der Kontroverse und erinnerte an die Mainzer Ereignisse von 1793, aus denen Hofmann sein besonderes Recht ableitete, zur Frage der Rheingrenze das Wort zu nehmen: «C'est moi qui a conclu l'important, le mémorable, le premier traité de réunion du premier peuple libre de l'Allemagne, au nom de ma nation avec le vôtre, représentée par vos commissaires ; je l'ai confirmée et scellée par le baiser fraternel réciproque, o28 Für den Moralisten Hofmann war die mit diesem Geschehen verbundene Abmachung unwiderruflich : « Dans le cas même où le Rhin ne serait plus d'aucun avantage pour la France, elle est encore obligée de le garder; ou bien croiriez-vous peut-être qu'il vous est permis de rejeter ou de détruire votre enfant né sourd et muet, ou celui dont l'existance vous serait embarrassante? >>29 Der Kampf, den Hofmann um die Rheingrenze führte, war nicht im mindesten durch bourgeoise Eroberungs- und Expansionsabsichten motiviert, obwohl sie nach dem Sturz der Jakobinerdiktatur allmählich hervortraten. Für den deutschen Jakobiner Hofmann ging es um den 1792/93 auf jakobinische Weise, nämlich mit dem Volk über demokratische Wahlen erkämpften ersten bürgerlichen deutschen Freistaat, der wie bei seiner Entstehung auch bei seiner Wiederherstellung und Erhaltung des Schutzes der französischen Waffen bedurfte. Darum ging es ihm zugleich auch immer um die Mutterrepublik, die mit der Rheingrenze unangreifbar gemacht werden sollte. Dieser Gesichtspunkt war es allein und kein Taktieren mit bourgeoiser Bereicherungssucht, wenn er es in seinem offenen Brief Verrat nannte, « de rendre à l'ennemi naturel de la patrie un pays capable de nourrir outre ses habitants une armée de deux cents mille hommes, ... »30 Dieser Rigorismus Hofmanns vertrug sich selbstverständlich nicht mit der einseitigen Entscheidung des Konvents vom 1. Oktober 1795, Belgien und das Bistum Lüttich mit Frankreich zu vereinen, ohne der Verpflichtungen gegenüber dem rheinisch-deutschen Volke zu gedenken. Mit seiner Ankündigung einer grundsätzlichen Kritik an diesem Vorgehen befand sich Hofmann in Ubereinstimmung mit den anderen Mainzer Emigranten in Paris. Georg Wilhelm Böhmer beispielsweise, der als Sekretär Custines und Herausgeber der Mainzer National-Zeitung fungiert hatte, war bereits am 12. Oktober beim Konvent in diesem Sinne vorstellig geworden. 31 Solche Interventionen bei höchsten legislativen und exekutiven Organen waren den rheinischen Republikanern, die im politischen Leben von Paris natürlich nur eine Randerscheinung darstellten, allein dank der besonderen Gunst der Stunde möglich, die ihnen der 13. Vendémiaire beschert hatte. Mit der Zerschlagung der royalistischen Verschwörung durch Bonaparte an diesem 5. Oktober 1795 war auch den Gegnern der Rheingrenze eine Niederlage zugefügt worden. Am 3. November hatte das fünfköpfige Direktorium seine Arbeit aufgenommen, dem der unbedingte Anhänger der Rheingrenze 27 28 29 30 31

Ebenda, S. 586 Anm. 1. Ebenda, S. 589; Hofmann berief sich hier auf die Sitzung des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents vom 18. 4. 1793; vgl. dazu MR II, S. 441 f. Anm. m, n. Hansen III, S. 589. Ebenda, S. 588. Ebenda, S. 655 Anm. 2.

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Reubell angehörte, in dessen Ressort die Aufsicht über die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten fiel. Die freundschaftlichen Beziehungen, die er mit führenden Köpfen der Mainzer Republik schon Anfang 1793 geknüpft hatte und später durch seine Fürsorge für die Mainzer Flüchtlinge dokumentierte, spannte er nun für seine außenpolitische Zielsetzung ein. Alles spricht dafür, daß es Reubell war, der den ihm ergebenen neuen Außenminister Charles Delacroix auf Hofmann aufmerksam gemacht hatte, der ihm ja seine Vorstellungen nicht von sich aus, sondern auf dessen Begehren unterbreitete. Die in einer Randnotiz auf Hofmanns Brief verlangte Anfertigung eines kurzen Extrakts der umfangreichen Broschüre bestätigt die Absicht des Ministers, Reubells Hinweis ernst zu nehmen und sich mit der Argumentation der rheinischen Republikaner vertraut zu machen. Die nächste große Gelegenheit für die einstigen Mainzer Klubisten, ihrer Stimme Gewicht zu geben, bot sich im Zusammenhang mit den französisch-österreichischen Friedensverhandlungen, die die Frage der Rheingrenze erneut auf die Tagesordnung setzten und mit dem Präliminarfrieden von Leoben im April 1797 ein erstes Ergebnis gezeitigt hatten. Allerdings sah Leoben selbst in den Geheimartikeln noch keine Abtretung des Linksrheinischen vor, und im Innern hatten die Neuwahlen im April den Royalisten im Rat der Alten wie in dem der Fünfhundert auch wieder eine Mehrheit verschafft, die den Verfechtern der Rheingrenze Fesseln anlegte. Politisch um so bedeutsamer wurden darum die örtlichen republikanischen Bestrebungen, die sich um diese Zeit unter dem Schutz der französischen militärischen Präsenz in Bonn, Koblenz und vor allem am Mittelrhein zu Wort meldeten. Während die Bonner Republikaner zunächst eine linksrheinische Republik unter französischem Schutz wünschten, propagierten die Koblenzer den unmittelbaren Anschluß an Frankreich und pochten die vom Mittelrhein auf die Einlösung des Konventsbeschlusses vom 30. März 1793, der dem Vereinigungswunsch des Mainzer Nationalkonvents entsprochen hatte. 32 Ohne sich auf die eine oder die andere Variante festzulegen, ließ Mitte Juli 1797 Reubell durch Joseph Andreas Hofmann die linksrheinischen Republikaner wissen, daß die Entwicklung eines « mouvement quelconque » für die bevorstehenden Friedensverhandlungen von Nutzen wäre. 33 So entstand die cisrhenanische Bewegung, die sich die Republikanisierung des Linksrheinischen zum Ziel setzte. Dabei war die Frage, ob der Selbständigkeit unter französischem Schutz oder dem Anschluß an Frankreich der Vorzug gebührte, durchaus zweitrangig, und sie erhielt auch nie das Gewicht, um innerhalb der Bewegung unterschiedliche Parteiungen aufkommen zu lassen. Die Entwicklung, die die Bewegung daraufhin im Juli und August 1797 nahm, war um so erstaunlicher, als ihr die Masse der alten Beamten entgegenstand und die französischen Militär- und Zivilbehörden auch nur zum Teil einigen Schutz und moralische Unterstützung gaben. 34 Eine verstärkte französische Aktivität setzte jedoch nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor, dem 4. September 1797, ein, der wieder einmal die royalistische Opposition dezimierte. Während Bonaparte mit der Nachricht vom geglückten Staatsstreich den Auftrag erhielt, in den Verhandlungen mit Wien auf der Rheingrenze zu bestehen, erging am 16. September an Hoche, den Chef der SambreMaas- und der Rhein-Mosel-Armee, die folgende Weisung: « L e Directoire exécutif a vu avec satisfaction l'élan vers la liberté des habitants de la rive gauche du Rhin. Mais il 32 33 34

MR II, S. 541 ff. Venedey, Deutsche Republikaner, S. 260ff. Hansen III, S. 1060ff., 1075 ff., 1079ff., 1095ff., 1145ff.

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importe à ces peuples eux-mêmes, que vous dirigiez cet élan et que vous le portiez non à chercher à se former en une république particulière, qui ne pourrait pas se soutenir d'elle-même et serait pour la France une source d'embarras, mais plutôt de solliciter leur prompte réunion à la République française. »35 Allerdings erreichte diese Weisung den Adressaten nicht mehr; Hoche war am 19. September in Wetzlar gestorben. Das Kommando ging an Augereau, der die militärische Durchführung des Staatsstreiches vom 18. Fructidor geleitet hatte. Neue Unsicherheiten brachte der Friedensschluß mit Österreich, den Bonaparte am 17. Oktober in Campo Formio unterzeichnet hatte, denn die offenen Artikel sprachen nur von der Abtretung der österreichischen Niederlande und nicht vom linken Rheinufer. Zwar war in Monatsfrist die Einberufung eines Kongresses in Rastatt vorgesehen, der den Frieden mit dem Reich aushandeln sollte, aber das kaiserliche Hofdekret vom 1. November, das die Reichsstände zur Beschickung des Kongresses einlud, behauptete entgegen den in Campo Formio verabredeten Geheimartikeln, daß dieser Frieden „auf der Basis der Integrität des Reiches und seiner Verfassung" zu schließen wäre.36 Ein sehr langes Leben war dieser Lüge natürlich nicht beschieden ; auf Anfrage erhielten die Cisrhenanen aus Paris die beruhigendsten Auskünfte. Dennoch war hier eine zeitweilige Verwirrung unvermeidlich. In dieser Situation sind die beiden Briefe des Matthias Metternich vom 1. und 2. Dezember an zwei Straßburger Freunde entstanden (siehe Anhang: Dokument 3 und 4).37 Metternich, der seit dem 22. Juli 1797 in Bingen dreimal wöchentlich seine „Politischen Unterhaltungen am linken Rheinufer" erscheinen ließ38, war der bedeutendste Propagandist und Agitator der cisrhenanischen Bewegung am Mittelrhein. Er war im Juli 1793 der Konterrevolution in die Hände gefallen und konnte erst im Februar 1795 im Austausch gegen in Frankreich festgehaltene Mainzer Geiseln befreit werden. Er ging damals nach Paris, von wo er jedoch schon im März als Assistent des französischen Mineninspektors zur Quecksilberausbeute ins Linksrheinische geschickt wurde. 1796 lebte er von den 300 Livres monatlicher Unterstützung, wie sie auch anderen Mainzer Patrioten zustand, in Straßburg. Im Oktober fiel er abermals in feindliche Hände, nämlich in die einer kaiserlichen Patrouille, und wurde schließlich im März gegen drei Binger Bürger ausgetauscht, die die Franzosen zu diesem Zweck ausgehoben hatten.39 Seit dieser Zeit lebte Metternich in Bingen, um von dort aus für die Vereinigung des Linksrheinischen mit der französischen Republik zu wirken. Beide Briefe geben einen recht anschaulichen Einblick in den Alltag eines cisrhenanischen Agitators, angefangen bei der Chaise, die ausgedient hatte, über die Anbahnung einer republikanischen Ehe, die Sorge um die Verbesserung des Zeitungsvertriebes, die Schwierigkeiten bei der Abfassung geeigneter Proklamationen und die Hindernisse, die 35 36 37

38 38

Ebenda, S. 1212f. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 362. HStA Düsseldorf, Kurköln II, Nr. 4788 I, fol. 2 3 0 - 2 3 2 . Die Briefe erreichten die Adressaten nie. Metternich verlor sie nämlich auf der Straße. Sie wurden gefunden und gerieten so in die Hände des Verwalters der nahe gelegenen Deutschordenskommende Oberflörsheim, der sie seinem Deutschmeister und Kölner Kurfürsten zur Kennzeichnung seiner Lage am 6. 12. übersandte: „Hier habe ich von den zügellosen Patrioten, die in diesem elenden Dorf durchaus einen Freiheitsbaum setzen wollen, mehr als durch die Franzosen auszustehen. Schon dreimal mußte ich flüchten, und zweimal wurde mein Sohn als Arrestant weggeführt." Hansen IV, S. 307 Anm. 3. Hansen III, S. 1069 ff. Ebenda, S. 522, 847, 1031.

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der cisrhenanischen Propaganda aus dem Unverständnis mancher französischer Militärs erwuchsen, bis hin zu den großen Erwartungen, die man in den neuen Oberkommandierenden Augereau setzte. Ein ganz besonderes Interesse erweckt dabei die von Metternich erwähnte Proklamation, die er in Straßburg drucken ließ, abef dann doch nicht unters Volk gebracht hatte. Nach seiner eigenen Aussage im Brief an Escher vom 2. Dezember hatte er bei der Abfassung das immer noch ungewisse Schicksal des Linksrheinischen so nachdrücklich betont, um seine Bewohner auf diese Weise zu veranlassen, selbst Hand anzulegen und die republikanische Lösung zu erzwingen. Es besteht Grund zur Annahme, daß diese Erklärung Metternichs die Ursachen verharmloste, die im November 1797 eine solche Proklamation immerhin möglich gemacht hatten. Metternichs Darstellung bedarf dringend der Ergänzung durch die Äußerungen des Arztes Georg Wedekind, die dieser dazu am 31. Dezember 1797 in einem Gesuch an Franz Joseph Rudier, den Regierungskommissär für die besetzten Gebiete am Rhein, machte (siehe Anhang: Dokument 5).40 Wedekind hatte wie Metternich als Publizist, Klubmitglied und Deputierter des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents eine führende Rolle in der Mainzer Republik gespielt. Während seine Familienangehörigen, nämlich Mutter, Frau und Schwester, bei dem Versuch, sich von Mainz nach Göttingen zu begeben, aufgegriffen und bis 1794 gefangengehalten wurden, war es ihm noch am 30. März 1793 gelungen, den preußischen Sperriegel zu umgehen und über Landau nach Straßburg zu gelangen. Dort war er seither am Hôpital sédentaire als Arzt tätig. 41 Das Gesuch Wedekinds an Rudier nahm Bezug auf einen Bescheid, den er am 4. Dezember von Paris auf Grund eines vorangegangenen und offensichtlich bereits im November an Reubell gerichteten Gesuchs erhalten hatte. Obwohl sich zu dieser Zeit die Festung Mainz noch in der Hand der Österreicher befand, hatte Wedekind schon damals um den Posten eines Médecin de l'hôpital militaire sédentaire de Mayence nachgesucht. Einen Tag nach der am 30. Dezember erfolgten Räumung der Festung durch die Österreicher und ihrer Übernahme durch die Franzosen wiederholte Wedekind sein Gesuch und richtete es diesmal an den dafür zuständigen Regierungskommissär Rudier. Wedekind tat mehr: Er bot bei dieser Gelegenheit Und mit ausdrücklichem Hinweis auf seine revolutionären Erfahrungen seine Mitarbeit bei der Republikanisierung des Linksrheinischen an. Als einen konkreten Beitrag dafür legte er eine von ihm entworfene und bereits gedruckte Proklamation bei, die er „Warnung" betitelt und ausdrücklich zur Korrektur des mißglückten metternichschen Elaborats bestimmt hatte. Wedekinds Äußerungen über Metternich waren nicht denunziatorischer Art, sondern vielmehr durch das Bemühen gekennzeichnet, dessen große Verdienste hervorzuheben. Dennoch charakterisierte er die besagte Proklamation als einen politischen Fehler. Faktisch wurde darin das direktoriale Frankreich als derart bestechlich dargestellt, daß von ihm für bares Geld alles, also auch das Linksrheinische zu haben war. Der nach Rastatt berufene Friedenskongreß wurde mit einem Jahrmarkt verglichen, wo Land und Leute dem Meistbietenden zufielen. Die Ratschläge, die Metternich erteilte, stimmten — nach den vorsichtigen Andeutungen Wedekinds zu urteilen — ganz gewiß nicht mit der Linie des Direktoriums überein. Dagegen gingen sie offensichtlich mit den ehrgeizigen Vorstellungen Augereaus konform, des Mannes vom 18. Fructidor, der eine politische Rolle zu spielen gehofft hatte, aber mit dem Kommando über die Deutschland-Armee abgefunden und so aus Paris abgeschoben worden war. 40 41

HStA Düsseldorf, Kurköln II, Nr. 4788 II, fol. 33/34. MR II, S. 524; Hansen IV, S. 460 Anm. 5.

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Wie Bonaparte durch seine italienischen Erfolge zu einer Machtstellung gelangt war, vor der das Direktorium schon mehr als einmal kapituliert hatte, so träumte Augereau davon, sich in Deutschland eine ähnliche Position zu erobern. Seine Bemühungen um die Torpedierung des von Bonaparte geschlossenen und vom Direktorium sanktionierten Friedens von Campo Formio waren unverkennbar. Laut und vernehmlich erklärte er in Koblenz, Bonn, Köln und anderswo, daß es ihm nicht nur um den Anschluß des Linksrheinischen ginge, sondern daß er nach italienischem Vorbild auch das rechtsrheinische Deutschland zu revolutionieren bereit wäre. Dem dienten auch die Kontakte, die Augereau zu deutschen Revolutionären vornehmlich am Oberrhein knüpfte.42 Der führende Kopf unter ihnen, Georg List, bestätigte es ausdrücklich: „Im Herbst 1797 erschien Bürger Augereau als General en chef zu Straßburg; das Projekt einer deutschen Republik war abermals an der Tagesordnung. Ich wurde zu ihm berufen und die Sache verabredet." 43 Metternichs unterdrückte Proklamation mit ihrer gegen den Rastatter Kongreß gerichteten Spitze war zweifellos von dieser Konzeption beeinflußt. Als Augereau sich in der ersten Oktoberhälfte mit seinen neuen Aufgaben als Oberkommandierender vertraut machte, war er in Kreuznach auch mit Metternich zusammengetroffen.44 Allerdings ging es dem Cisrhenanen Metternich immer und vor allem um das Linksrheinische, dessen Republikanisierung greifbar nahe lag. Dabei konnten republikanische Bestrebungen im Rechtsrheinischen bis zu einem gewissen Grade berücksichtigt werden, aber sie durften nie den Vorrang beanspruchen und auf diese Weise im Falle des Scheiterns den greifbaren Erfolg im Linksrheinischen gefährden. Metternich konnte seine erste Proklamation ohne große Schwierigkeiten durch eine andere ersetzen, was beweist, daß er sich dazu nicht grundsätzlich neu orientieren mußte. Aber auch Wedekind hatte umgekehrt offensichtlich keinerlei Schwierigkeit, Augereaus Zustimmung zu seiner „Warnung" zu gewinnen, die ja als Gegengift zu Metternichs erster Proklamation konzipiert war. Das hatte zum einen darin seinen Grund, daß Augereau, ungeachtet aller weitergehenden Republikanisierungsträume, immer an dem ihm gegebenen Ziel der Vereinigung des Linksrheinischen mit Frankreich festgehalten hatte. Zum anderen und vor allem aber war Augereau kein Bonaparte, sondern wollte es nur gerne sein. Als deutsche Jakobiner sich anschickten, seine Idee der Sprengung des Rastatter Kongresses in die Tat umzusetzen, versagte er kläglich: Ein erstes Dekret des Direktoriums teilte im Dezember die Deutschland-Armee, um Augereaus Kommandogewalt auf die Hälfte, die Rhein-Armee, reduzieren zu können; ein zweites Dekret verfügte Ende Januar 1798 Augereaus Versetzung nach Perpignan — und Augereau parierte widerspruchslos. 45 Auf die Entwicklung im Linksrheinischen hatte dies keine negativen Auswirkungen, denn hier richtete Rudier auftragsgemäß die Zivilverwaltung nach französischem System ein und schuf so vollendete Tatsachen.46 Sein vom 11. Dezember datierter Aufruf an die Einwohner der eroberten Lande kündigte die Einführung französischer Administrationsformen und Gesetze zusammen mit der Ernennung entsprechender Beamter an und forderte alle Freunde der Freiheit zur Sammlung unter der blau-weißroten Fahne auf.47 Keiner der vier einstigen Mainzer Klubisten, die hier vorgestellt Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 374f. Ebenda, S. 376. 44 Hansen IV, S. 124 Anm. 4. 45 Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 401 f. 46 Hansen IV, S. 299ff., 362ff. " Ebenda, S. 415 ff. 42

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werden konnten, fehlte dabei: Pfeiffenbring wurde Richter im Donnersberg-Departement; Hof mann bekleidete die hohe Funktion eines Generaleinnehmers im selben Departement; Metternich und Wedekind wurden nach Mainz als Professoren an die Zentralschule des Donnersberg-Departements berufen. Die offensichtliche Vorliebe für dieses Departement unter den insgesamt vier Neugründungen im Linksrheinischen war kein Zufall, denn sie wurde von anderen geteilt, weil das Gesamtgebiet des einstigen Rheinisch-deutschen Freistaates darin aufging. Wenn die cisrhenanische Bewegung Mitte 1798 im Donnersberg-Departement über 31000 Zustimmungserklärungen zur Vereinigung mit Frankreich sammeln konnte, d. h. über 5000 mehr als die drei übrigen linksrheinischen Departements zusammengenommen48, dann ist dies den Jakobinern zwischen Landau und Bingen von 1792/93 zu danken. Sie resignierten auch in der Folgezeit nicht und sicherten eine ungleich intensivere Durchdringung dieses Departements mit dem Geist der Revolution, als es anderswo möglich war. Infolgedessen blieb hier selbst in der napoleonischen Zeit die gesamte Verwaltung in den Händen deutscher Beamter, die dann auch nach 1815 in Rheinhessen und Rheinpfalz — dem Gebiet des ehemaligen Donnersberg-Departements — die bürgerlichen Errungenschaften am nachdrücklichsten und erfolgreichsten verteidigten. Die nächste Welle der bürgerlichen Oppositionsbewegung in Deutschland kulminierte darum mit dem Hambacher Fest von 1832 nicht zufällig im Rheinpfälzischen. Diese progressive Kontinuitätslinie setzten 1848/49 die Söhne und Enkel der Mainzer Jakobiner auf der äußersten Linken in der Paulskirche und bei der bewaffneten Verteidigung der Reichsverfassung fert. 48

Ebenda, S. 815.

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Speziate tudie

Dokumentenanhang

Dokument 1 Instructions pour le Citoyen Pfeiffenbring envoyé en Allemagne comme Agent secret. Approuvé le 11 Ventôse l'an 2 e de la République) Le Citoyen Pfeiffenbring se rendra en Allemagne. Il visitera les Cercles de Souabe, de Franconie, de Bavière, du Haut- et du Bas-Rhin. L'objet principal de sa mission sera d'empêcher ou au moins d'entraver l'armement des Cercles que la Cour Impériale a proposé à la délibération de la Diète de Ratisbonne. Comme cette mesure n'est que le résultat de l'insuffisance des moyens de cette Cour et de celle de Berlin pour entreprendre une nouvelle campagne contre la République Française, et qu'elle tend évidemment à décharger le fardeau de la guerre sur les états et les sujets de l'Empire, sans aucun profit pour eux, il importe que ces états et le peuple soient instruits de cette manœuvre. Le Citoyen Pfeiffenbring parcourra en conséquence les Cercles susmentionnés. Il se rendra successivement à Stuttgard, Ulm, Munich, Ratisbonne, Nuremberg, Ba(y)reuth, Francfort et Trêves. Il y recueillera, ainsi que dans les villes sur son passage, toutes les notions qu'il pourra se procurer sur cet armement. Il sondera les dispositions des états et des peuples sur cette mesure; il dirigera toute son attention à la faire envisager comme exclusivement utile à la Cour de Vienne, qui n'a d'autre système que celui d'étendre sa domination aux dépens des membres de 1' Empire. Le Citoyen Pfeiffenbring établira ses relations en Allemagne, ainsi qu' il a annoncé dans son mémoire; il aura soin de rendre les états et les peuples attentifs aux démarches et aux entreprises de la Maison d'Austriche dont l'ancienne et indestructible ambition est de s'aggrandir et de concentrer ses vastes possessions pour mieux asservir le reste d'Allemagne ; il leur fera voir que cette Maison n'a fait qu'ajourner son projet d'échange de la Bavière et d'engloutissement des Evêchés de Salzbourg et de Passau, et que, quel que soit l'issue de cette guetre, elle ne manquera pas de s'indemniser en Allemagne soit par des sécularisations, soit par des réunions à sa convenance. Le Citoyen Pfeiffenbring répandra cette opinion par tous les moyens qui seront en son pouvoir. Il observera l'effet qu'elle produira; il se dirigera en conséquence sur les mesures ultérieures à prendre. Dans le cas où il s'appercevrait que les états et les peuples d'Allemagne prendraient de l'inquiétude sur les entreprises et la politique de la Cour de Vienne, il en profitera pour faire échouer à la Diète de Ratisbonne les propositions de cette Cour, ou du moins pour les paralyser en tâchant d'exciter une forte opposition dans les Collèges des Princes et des Villes. A Stuttgard il s'assurera des dispositions du Prince et des Etats de Wirtemberg ainsi que de celle du peuple à 1' égard de la Maison d'Autriche et de la France ; il en fera de même à Munich. En Souabe et en Bavière, il fera sentir quelles conséquences funestes auraient pour ces pays les succès de la Maison d'Autriche. De Munich il établira ses relations à Vienne. Il tâchera de se procurer des renseignements exacts sur les liaisons des Cours de Vienne et de Berlin et

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sur leurs projets, et il s'attachera à prouver aux Autrichiens que leurs intérêts sont diamétralement opposés à ceux de la Prusse, et que cette puissance ne cherche qu' à profiter des circonstances pour s' aggrandir et pour se débarrasser ainsi de l'inquiétude que lui a causé jusqu' à présent le puissance de l'Autriche. Pendant que le Citoyen Pfeiffenbring se trouvera dans les Cercles voisins de la France, il employera tous ses moyens à les dégoûter du système perfide de l'armement qui tend visiblement à leur ruine. Partout il assurera le peuple que la République française ne soutient cette guerre que pour l'affermissement de sa liberté, et qu'elle remplira sa promesse de ne point s'immiscer dans les gouvernements étrangers. Il lui dira que son système républicain est fondé sur la vertu, et qu'on le dénature chez l'étranger ; il réfutera en concéquence tout ce qui se débitera contre la Constitution et la Révolution française. Il fera sentir à tous les habitan(t)s d'Allemagne qu'en s'armant contre la France, qui dans la réalité ne fait la guerre qu' à la Maison d'Autriche et à ses adhéren(t)s, ils perdent de vue leuts plus chers intérêts et se ruinent pour ceux de l'Autriche, que les Français ne prétendent nullement les gêner dans leur système de gouvernement; mais qu'ils les invitent à ouvrir les yeux et à se convaincre par eux-mêmes que leur propre constitution a été envahie de toutes parts par les états prépondérants en Allemagne, et surtout par la Maison d'Autriche qui y domine ; qu'en les invitant de retourner à leurs principes constitutifs et de se méfier de leurs véritables tyrans qui sont dans son sein, ce n'est pas se conduire en ennemi, mais en ami du peuple d'Allemagne. Le Citoyen Pfeiffenbring s'attachera surtout à persuader aux Allemands qu'ils n'auront pas d'amis plus chauds et d'alliés plus sincères que les républicains français, s'ils ne prêtent point de secours à leurs perfides ennemis; il leur insinuera qu'il serait de leur intérêt le plus impérieux de former même une ligue contre les entreprise(s) de la Maison d'Autriche et des états prépondérants, et il leur rappellera que du tem(p)s des Empereurs Ferdinand la liberté germanique fut sauvée par la France. Le Citoyen Pfeiffenbring suivra attentivem(en)t les démarches des Cours coalisées pour opérer l'armement général et les croisera partout où il pourra. Il observera les progrès de cette mesure proposée et recueillera avec soin toutes les notions sur la composition de cet armement, sa force, ses armes, les points de ralliement, ses subsistances, et enfin sur sa formation prochaine ou éloignée, son emploi, savoir s'il restera défensif ou bien s'il deviendra offensif, et les espérances qu'il donne aux Allemands. Le Citoyen Pfeiffenbring nous transmettra dans tous ses rapports les résultats de ses observations avec simplicité et dans la plus exacte vérité. Il sera attentif à s'informer des vues, des opérations, des moyens ou des embarras de nos ennemis pour leur nouvelle campagne, et il ne prolongera sa mission qu'autant qu'il verra une utilité réelle et qu'il en fournira des preuves dans sa correspondance.

Dokument 2 Rue des Messageries N. 6, F(au)bourg Poissonière le 2 Frim(aire) (an) 4 Citoyen Ministre Vous m'avez demandé un de mes derniers écrits : en voilà un sur les nouvelles limites de la république. Vous y trouverez le but principal des limites — l'objet de notre guerre — sans la Rhin point de paix durable — réfutation du danger de l'agrandissement — du plan de Roederer et Miranda — gain de l'Allemage elle-même — sa séparation de la

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rive gauche du Rhin — les intrigues contre ce projet — mes actions pendant la révolution. Et on me considère encore comme étranger! Je vous communiquerai de son temps une autre pièce sur les bases d'une paix durable avec l'Allemagne — sur la nouvelle Constitution et le déferrement du lien du corps germanique — ceux des Princes qui ont droit de réclamer une indemnisation — où la prendre. Le thème auquel je m'occupe à présent est: Le tort que la France se fait en réuni(ss)ant la Belgique avant les pays de la rive gauche du Rhin, et qu'elle se fera en rendant ceuxlà pour sauver l'autre — l'impossibilité de ce projet —. Je ne vous demande rien: Si vous ne trouvez rien en lisant la pièce ci-jointe, qui parle pour moi, je n'ai rien à demander. Salut et fraternité Hofmann ci-devant Président de la Convention) nat(ionale) rhéno-germ(anique) et ensuite de l'adm(inistration) g(énér)ale de Mayence

Dokument 3 Au Citoyen Mettler Négociant à Strasbourg, No. 1 vis-à-vis des orphelins

Alzey, vom 11 Frimaire 6

Lieber Mettler. Da bin ich nun seit mehrern Tagen, ohne eben die schnellen Schritte in der Revolution zu machen, die ich mir so sehr zum Gesetze gemacht hatte. Ich habe zwar schon 3 bis 4 Pflanzungen von Freiheitsbäumen beigewohnt, aber noch geht es nicht recht. Die Proklamation, die ich zu Straßburg drucken ließ, habe ich gar nicht ausgegeben, weil sie die Sache zu sehr unter Zweifel stellt; die Leute wollen Gewißheit haben, darum habe ich eine ganz andere drucken lassen, die von dieser Gewißheit ausgeht. Auch sind die Nachrichten so übereinstimmend, daß nicht mehr an der Einverleibung der linken Rheinländer zu zweifeln ist. — Aber nicht alle Generäle sind von der Meinung, daß revolutioniert werden müsse. Also muß ich meine Arbeit ein wenig einstellen, bis Augereau auf die Berichte, die an ihn sind, geantwortet hat. Noch weiß ich nicht, wohin ich gehen soll ; wahrscheinlich auf Bingen, denn ich muß wieder einmal Hand an meine Zeitung legen; nicht soviel, daß sie geschrieben, als daß sie ordentlicher verwendet wird. Das Chaisgen habe ich schon dreimal flicken lassen, nun ist es aber ganz dahin. Ich kanns nicht mehr brauchen. Mit dem Mädchen zu Kirchheim habe ich gesprochen auf dem Balle, der bei Pflanzung des dortigen Freiheitsbaumes gegeben wurde. Sie hat den Antrag nicht weggeworfen, hat mir versprochen zu schreiben. Nun sind 3 Tage, und die Mädchenhaftigkeit wirds wohl nicht zulassen, so bald zu schreiben. Aber, Mettler, du wärest wahrscheinlich glücklich, sehr glücklich, wenn sie dir zu Teile wird. Ich weiß nicht, wie die Vermögensumstände sind ; die Kinder sind reinlich, aber nicht übertrieben geputzt. Der Böse Feind hat mir schon ein paarmal zugelispelt: Warum sprachst du für deinen Freund und nicht für dich! Genug, sobald sie mir schreibt, erhältst du den Brief, insoferne ich keinen Verbot bekomme, das nicht zu tun. Indessen sei guter Hoffnung, ich habe mit Wärme von

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dir gesprochen, und meine Zeitung hat mich bei diesen patriotischen Kindern in einen guten Ruf gesetzt; ich gelte was. Leb wohl, die Zeit drängt mich, ich habe gar zu viel zu schreiben. Dein Metternich Gruß an Bossert. Dokument 4 Au Citoyen Escher, Professeur

Alzey, le 12 frim(aire) 6

Lieber Escher. Nun bin ich seit etwa 8 Tagen in diesen Gegenden. Meine Propagation geht dermal nicht. Ein gewisser Divis(ions)general Chateauneuf-Randon, der zu Kirchheimbolanden residiert, hat sich gar gewaltig formalisiert, mit indirektem Drohen, daß ich wohl als Terrorist könne arretiert werden. Die Aufforderung, die ich in Straßburg drucken ließ, habe ich kassiert, sie ist nicht unters Volk kommen; sie setzte das Schicksal dieser Länder noch in Zweifel, sie sollte das Gefühl dieser welken Menschen reizen, aber das geht nicht; es ist über alle Begriffe, wie versunken die Leute sind. Ich habe einen andern Aufruf drucken lassen, der vön Gewißheit ausgeht, nur sagt, daß sich die Bewohner dieses Landes um deswillen laut für Freiheit erklären möchten, um den Vorwurf, darzu noch nicht reif zu sein, und das Übel, unter jahrelange provisorische Administration gestellt zu werden wie ehemal die Belgier, von sich abzuwenden. Wie gesagt, nun sind die Generäle nicht zufrieden, daß revolutioniert wird. — An Augerau ist Bericht abgegangen, man muß nun abwarten. Man glaubt aber auch sicher sein zu können, daß das linke Rheinufer die Grenze werde. — Eigentliche Neuigkeiten weiß ich nicht. Ich grüße dein Weib sehr freundschaftlich. Leb wohl Dein Metternich. Dokument 5 Straßburg, am 11. Frostmonat, 6. Jahr der franz. Republik G. Wedekind, Arzt am Militär-Spital zu Straßburg, an den Bürger Rudier, Organisationskommissär des linken Rheinufers. Der Bürger Lamprecht, Justizminister, schreibt mir in einem Briefe vom 4. d(es) M(onats) folgendes : « Le Directoire exécutif m'a renvoyé, Citoyen, la pétition qui vous avez adressé au Citoyen Reubell afin d'obtenir la place de Médecin de l'hôpital milit(aire) sédentaire de Mayence; je viens de la transmettre au Citoyen Rudler, chargé de l'organisation du pays entre Meuse, Rhin et Moselle, en lui recommendant particulièrement votre demande. » Bürger Kommissär, daß ich der Republik wichtige Dienste geleistet habe, kann ich erweisen ; und daß ich ihr weder aus Not, noch aus Ehrsucht, noch aus Interesse gedient habe, erhellt aus der Geschichte meines Lebens vor, in und nach der Revolution. Ich befand mich in der glänzendsten Laufbahn meines Glücks, als die Revolution eintrat,

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und ich sah 100 schöne Aussichten vor einer mir geöffnet, wenn ich die Dienste des Kurfürsten von Mainz verlassen wollte, ohne in die der Republik zu treten. Meines Vermögens beraubt habe ich in Frankreich, nachdem das Comité des öffentlichen Wohls meine Familie aus den Gefängnissen der deutschen Despoten ausgewechselt hatte, von der Milde patriotischer Freufide leben müssen, weil die Assignaten ihren Wert verloren hatten und weil ich nicht dahin zu bringen war, Krankheitszertifikate für bares Geld zu verkaufen. Seit meinem Aufenthalt in Frankreich trat ich immer in kritischen Zeitpunkten als Zeitungsschreiber oder als Schriftsteller auf, und meine letzte politische Schrift über unsere Konstitution erwarb mir hier am Feste der Republik die Ehre der Bürgerkrone. Seit 1792 bin ich als Médecin de l'armée in Tätigkeit und seit 1793 als Médecin à 1' hôpital sédentaire de Strasbourg angestellt. Diesen Platz verliere ich durch die neue Umänderung des hiesigen Spitals in ein hôpital d'inspection, allein der Kriegsminister ist mir dagegen einen andern fixen Platz zur Entschädigung schuldig. Sie sehen also, Bürger Kommissär, daß meine Bitte um den Platz als Médecin à l'hôpital sédentaire de Mayence eine von allen Seiten betrachtet gerechte Sache ist. Ich kann der Welt nicht mehr nützen, als indem ich meine angefangenen wissenschaftlichen Arbeiten fortsetze. Ich bitte also um keine andre Anstellung, es sei dann die Anstellung als Professor. Um so mehr aber glaube ich mich befugt, Ihnen meine Bereitwilligkeit, Ihnen aufs gewissenhafteste über Personen und Sachen die Aufschlüsse zu geben, welche Sie etwan begehren möchten, bekanntzumachen. Weil ich zuerst unter meinen Mitbürgern mich feierlich für die heilige Absicht der Revolution bekannte, weil ich für diese mein Leben und alles, was mir teuer war, wagte, so habe ich wohl Ansprüche auf Ihr Zutrauen. Ich werde Ihnen französisch schreiben, wenn Sie es lieber sehn. Mein ehemaliger Kollege B(ürger) Metternich hatte gewiß in den besten Absichten — denn er ist ein sehr reiner Republikaner —, aber aus Antrieb eines melancholischen Temperaments, welches ihn gegen alle Menschen mit dem schwärzesten Verdachte schwanger gehn macht, eine Art von Proklamation an die Bewohner des linken Rheinufers hier drucken lassen, wodurch er sie fürchten macht, daß sie auf dem Markte von Rastatt (dies sind seine Worte) gegen bares Geld von Frankreich an ihren alten Herrn wieder verkauft werden würden, und worin er ihnen auch noch sonst Ratschläge gibt, die in den Augen derer, welche ihn nicht kennen, als einen Mann, der wohl gar versteckte Absichten hegte, kenntlich machen könnten. Auf diese Weise — bildete Metternich sich ein — würde er das Volk dahin bringen, sich auf eine auffallende Art für independent zu erklären und das Begehren seiner Vereinigung mit Frankreich kundzutun. Aber wie wird man durch Einflößung von Furcht ein Volk dahin bringen, daß es einen Schritt tue, welcher es in das größte Verderben stürzen müßte, wenn die ihm beigebrachte Ursache zur Furcht begründet wäre? Ich habe also gleich an ein Gegengift gedacht und die beigeschloßne Warnung, nachdem ich solche dem General Augereau vorgelesen hatte, abdrucken und versenden lassen. Ich habe in meiner Schrift Metternich um so viel mehr geschont, da seine lange Gefangenschaft und andre Schicksale, welche auf sein Gemüt gewirkt haben, ihm von Seiten aller billigen Menschen die Nachsicht zusichern, welche ein Republikaner verdient, wenn er nicht aus Übeln Absichten gefehlt hat. Sollten Sie meine Schrift ihres Endzwecks würdig finden, so bitte ich Sie, davon verteilen zu lassen oder einen neuen Abdruck zu veranstalten. Gruß und Bruderliebe G. Wedekind, Dr. wohnhaft neben dem Goldenen Dachs zu Strasbourg.

Zum Patriotismusbegriff in Deutschland zur Zeit der Französischen Revolution"1"

Wenn wir über das Phänomen des Patriotismus in dem gegebenen Zeitraum auf deutschem Boden sprechen, so ist zunächst als eine Besonderheit anzumerken, daß die Konstituierung der deutschen Nation selbst noch ausstand. Es existierten bereits wesentliche Elemente einer Nation wie die weitgehend gemeinsame sprachliche, geschichtliche, kulturelle Entwicklung und ein zur Vereinigung geeignetes Territorium; sie hatten sich während der Feudalzeit in Jahrhunderten herausgebildet. Aber die Nation als eine gesetzmäßige Struktur- und Entwicklungsform der menschlichen Gesellschaft ist undenkbar ohne einen bestimmten Klasseninhalt, der das Wesen der Nation, das heißt ihre soziale Funktion und ihre historische Stellung im gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß kennzeichnet. Die Nation konstituierte sich unter Ausnutzung aller zuvor herausgebildeter Elemente erst mit der Durchsetzung kapitalistischer Produktionsbedingungen, die der zersplitterten feudalen Existenzweise ein Ende bereiten konnten. Die Nation kam als bürgerliche Nation zur Welt. Seitdem die Geschichte die Formierung der Nation auf die Tagesordnung gesetzt hatte, standen darum die nationale und die soziale Frage im Wechselverhältnis zueinander und bedingten sich. Wenn also spezifisch nationale Momente wie etwa die Einheit oder die Unabhängigkeit stets einen bestimmten sozialen Inhalt besaßen, so hatte umgekehrt auch jede spezifisch soziale Frage einen nationalen Aspekt; ja, sie konnte in bestimmten historischen Situationen zur zentralen nationalen Frage werden, deren Lösung die entscheidende Entwicklungsbedingung der Nation darstellte. Damals stand die Konstituierung der bürgerlichen Nation auf der Tagesordnung, d. h. — um mit Marx zu sprechen — „der Sieg des bürgerlichen Eigentums über das feudale, der Nationalität über den Provinzialismus.. Z'1 Dabei richtete die nationale Frage im eigentlichen Sinne — die Überwindung der Zersplitterung und die politische Einigung Deutschlands — ihre Spitze gegen die feudale Fürstenherrschaft und hatte so auch unmittelbare soziale Bedeutung. Andererseits war die entscheidende soziale Aufgabe — die Ablösung der feudalen durch die kapitalistische Produktionsweise — gleichzeitig die Grundbedingung für die Entstehung und die freie Entfaltung der deutschen Nation. Der Begriff des Patriotismus, wie er im Ansatz schon von der Aufklärung und dann im Zeitalter der Französischen Revolution von ihren Freunden und Feinden auf deutschem Boden zunächst überwiegend gebraucht wurde, war darum weitgehend identisch mit dem der Rebellion gegen die feudale Adels- und Fürstenherrschaft, wobei die einen ihn mit Stolz und die andern mit Abscheu verwendeten. Ein kurzer Blick auf die zeit+

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Gedruckt unter dem Titel La notion de patriotisme en Allemagne à l'époque de la Révolution française, in: Actes du Colloque Patriotisme et Nationalisme en Europe à l'époque de la Révolution française et de Napoléon, Paris 1973, S. 85 — 102. Marx, Bourgeoisie und Konterrevolution, S. 107.

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genössische Flugschriftenliteratur für und wider die Mainzer Republik 1792/93 liefert zahlreiche Belege. Die von Georg Wedekind herausgegebene Wochenschrift, an der auch Forster mitarbeitete und die als das bestredigierte Blatt der Mainzer Jakobiner gelten kann, nannte sich stolz „Der Patriot". Auch wenn darin verschiedentlich gegen die Lokalborniertheit als ein feudales Erbe zu Felde gezogen wurde, so verfolgte die Schrift damit doch keine solchen Ziele, die über den Wirkungsbereich des Mainzer Jakobinerklubs hinausgingen; und dieser Wirkungsbereich beschränkte sich im wesentlichen auf das von Custine besetzte Gebiet zwischen Landau und Bingen. Der Patriotismus, den „Der Patriot" verfocht, zielte also nicht etwa auf die deutsche Einheit, sondern er war dem aktiven Bekenntnis zur bürgerlich-republikanischen Verfassung gleichzusetzen, die den Sturz der Feudalordnung zur Vorbedingung hatte. Wedekind gab selbst eine eindeutige Definition, indem er von der anzustrebenden Verfassung sagte, daß sie „uns echten Patriotismus, das heißt, das stolze Bewußtsein einer auf den Rechten des Menschen und des Bürgers gegründeten Konstitution schenken wird". 2 In keinem anderen Sinne ist auch das Wort „national" zu verstehen, wie es nach der Eroberung von Mainz durch Custine etwa im Titel des verbreitetsten Mainzer Blattes verwendet wurde: Die einstige „Privilegierte Mainzer Zeitung", die als erstes das typisch feudale Attribut einbüßte und zunächst „Mainzer Zeitung" hieß, erschien nach dem 1. November 1792 als „Mainzer National-Zeitung". Natürlich sollte damit ebensowenig einer Mainzer Nation das Wort geredet werden wie mit der auf gleiche Weise verwandelten „Wormser National-Zeitung" einer Wormser Nation. Die Kennzeichnung „national" stellte ein revolutionäres Programm dar, nämlich das der Verbreitung bürgerlichdemokratischer und republikanischer Gesinnung; und wenn in den Klubreden gelegentlich der Begriff der Mainzer Nation auftauchte, dann eben nur im Sinne des republikanisch denkenden oder auch republikanisierten Volkes von Mainz. Die Feinde der Mainzer Republik übernahmen sehr häufig die Begriffsvorstellungen der Klubisten, aber verbunden mit einem negativen Werturteil. So geschah es z. B. schon im Titel der entschieden konterrevolutionären Schmähschrift eines Anonymus „Die Patrioten in Deutschland oder der Teufel ist los. Eine komitragische Farce, aufgeführt auf dem Mainzer Nationaltheater".3 Andererseits war das Gegenstück zur genannten Wochenschrift Wedekinds in der Ablehnung des jakobinischen Patriotismus so konsequent, daß es sich „Der Antipatriot" nannte.4 Andere Verteidiger der feudalen Zustände gingen aber auch schon sehr bald dazu über, sich den Begriff des Patriotismus selbst anzueignen, indem sie ihm einen ganz und gar konterrevolutionären Sinngehalt unterlegten. Der leitende Minister des geflohenen Mainzer Kurfürsten, Freiherr von Albini, befand sich auf diesem Wege, wenn er seine anonyme Polemik gegen das jakobinische, von Matthias Metternich herausgegebene Blatt „Der Bürgerfreund" als ein „Sendschreiben des Doktor Gottlob Teutsch" erscheinen ließ. 6 Vor- und Zuname des Pseudonyms hatten programmatische Bedeutung: Dem umstürzlerischen Wesen der Franzosen und ihrer Anhänger begegnete hier ein 2 3 4 5

MR I, S. 321. Die 56seitige Schrift nennt als Erscheinungsort und -jähr: Mainz im zweiten Jahr der Republik. Der Antipatriot, ein Gegenstück zu dem von Forster und Wedekind in Mainz herausgegebenen Patrioten. Nachweisbar ist: Zweites Stück, B, o. O. 1793. Etwas über die main^ische Konstitution, in einem Sendschreiben des Doktor Gottlob Teutsch an den Verfasser des mainzischen Bürgerfreundes, Frankfurt —Leipzig 1792.

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Mann, der es mit Gott bzw. mit dem Klerus als seinem Stellvertreter hielt und ganz und gar entgegengesetzt, nämlich deutsch geartet war. Auf der gleichen Linie bewegte ¡ich der anonyme Verfasser einer Streitschrift gegen den militanten Klubisten Daniel Stamm, wenn er sich selbst einen „guten deutschen Biedermann" nannte.6 Die Treue zum angestammten Herrscher und damit zur herrschenden Ordnung machte das Wesen dieses angeblich dem Deutschen eigenen Biedersinnes aus. Die restlose Verkehrung des revolutionär aufgefaßten Patriotismus der Jakobiner in sein reaktionäres Gegenteil vollzog der anonyme Autor einer Schrift, die mit dem vorgeblichen Druckort Deutschland erschien und schon im Titel ungescheut den konvertierten Patriotismusbegriff gebrauchte: „Der deutsche Patriot wiegt das Betragen der Franzosen jenseits des Rheins; die Veranlassung hiezu gab Custine, General der französischen Armee, durch seine entehrenden Aufrufungen an die Bürger und Soldaten deutscher Nation."7 Der diese Schrift beschließende „Aufruf an meine deutschen Brüder" definierte den Inhalt dieser Art Patriotismus mit der gegen die jakobinischen Königsmörder gerichteten Losung: „Der Deutsche fürchtet Gott, liebt den Nächsten und ehret den König!" 8 Es genügt nun nicht, die Existenz derartig widersprüchlicher Patriotismusauffassungen nur festzustellen. Sie verlangen nach einer Wertung, die auf der Basis der eingangs gemachten Ausführungen zur nationalen Frage auch durchaus möglich ist. Obwohl der zuletzt gekennzeichnete Patriotismus des deutschen Biedermanns den Anspruch erhob, den allen Deutschen gemeinsamen Seelenzustand zu verkörpern, hat er zur nationalen Bewußtseinsbildung und damit zur Nationwerdung so gut wie nichts beigetragen. Gewiß war die pointierte Konstrastierung mit dem französischen Wesen als eine Methode, eigene nationale Besonderheiten bewußt zu machen, nicht grundsätzlich zu verwerfen. Sie mußte jedoch notwendig zu schiefen, nationalistisch verbogenen Urteilen führen, wenn sie vom Klasseninhalt der nationalen Frage abstrahierte. In der gegebenen Situation jedoch bedeutete sie die Frontstellung gegen eine bürgerliche Revolution wahrhaft europäischen Stils, die sich noch dazu im Aufstieg befand. Daraus ergab sich folgerichtig die Identifizierung mit dem obsoleten Reich bzw. der Unsumme dynastischer deutscher Vaterländer, d. h. mit der feudalen Rückständigkeit und der nationalen Zersplitterung. Der historischen Aufgabe, eine einheitliche bürgerliche deutsche Nation zu schaffen, wurde diese Art Patriotismus in keiner Hinsicht gerecht. Reaktionär nach innen und außen hatte er mit dem echten Patriotismus nur den Namen gemein. Anders muß das Urteil über den Patriotismus der Mainzer Jakobiner lauten, ungeachtet des zweifellos gravierenden Umstandes, daß er sich effektiv und im wesentlichen auch konzeptionell auf ein räumlich enges Gebiet bezog, das sich am Ende vom deutschen Reich lossagte und sogar um die Vereinigung mit Frankreich anhielt. Gewiß hat die propagandistische Tätigkeit des Mainzer Klubs nicht nur die Bevölkerung zwischen Bingen und Landau angesprochen, sondern auch in anderen deutschen Gegenden aufmerksame Hörer gefunden. Walter Grab ist gerade diesen Wirkungen nachgegangen9, aber ist dabei auch der Gefahr erlegen, ihre Zielstrebigkeit zu überhöhen. Es war doch 6

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Daniel Stamm, Mitglied des Mainzer Klubs und öffentlicher Pasquillant. Dessen Abschilderung nach dem Leben in Grundriß und Vogelperspektive von einem guten deutschen Biedermann mit allen Zügen seines verleumderischen Charakters, o. O. 1793. Die 48seitige Schrift nennt als Erscheinungsort und -jähr: Deutschland 1793. Ebenda, S. 48. Grab, Revolutionspropaganda deutscher Jakobiner, S. 113ff.

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vornehmlich das Beispielhafte des revolutionären Geschehens und nicht eine gezielte Propaganda, die jenseits des Rheins da und dort zur Nacheiferung anregte. Die schlotternde Angst der Herrschenden im Reich vor den Anfangserfolgen Custines und dessen eben oft nicht glückliche Proklamationswut ließen zunächst manchen Mainzer Jakobiner hoffen, daß der Hauch französischer Heere das Revolutionsfeuer in ganz Deutschland entzünden könnte. Ein aktiver Propagandist dieses Gedankens jedoch war eigentlich nur der im Preußischen gebürtige ehemalige Prämonstratenser Friedrich Georg Pape, der von sich sagte, daß er „Mitglied der Gesellschaften der Freiheit und Gleichheit zu Mainz, Straßburg, Schlettstadt, Kolmar und Münster, auch Korrespondent der heimlichen Klubs in den preußischen Staaten" sei.10 Wie dem orateur du genre humain Anacharsis Cloots ging es Pape aber dabei nicht um eine deutsche, sondern um „eine europäische Frankenrepublik". 11 Nachdem die großen und die kleinen Illusionen schnell verrauscht waren, verfolgte der Klub nahezu einmütig eine politische Linie, wie sie Forster schon in seiner ersten öffentlichen Rede am 15. November 1792 vertreten hatte12 und mit dem regelmäßigen Erscheinen seines „Volksfreundes" seit dem 1. Januar 1793 auch systematisch propagierte: Republikanisierung und Vereinigung des von den Franzosen besetzten Linksrheinischen mit dem revolutionären Frankreich. Eine solche Haltung war unter den gegebenen Bedingungen patriotisch nicht nur in dem engen jakobinischen Sinne, der Patriotismus mit Republikanismus gleichsetzte. Hier lag insofern eine wahrhaft nationale, d. h. der Nationwerdung dienende Leistung vor, als Deutsche auf deutschem Boden unter dem Einfluß der revolutionären Praxis, die mit den französischen Truppen ins Land kam, das verhängnisvolle Vorurteil ausräumten, wonach die Deutschen für eine politische Revolution nicht taugen sollten. Umgekehrt wurde zwischen Bingen und Landau exemplifiziert, daß die abstrakten Postulate der deutschen Aufklärung nur über konkrete, nämlich bürgerliche politische Freiheiten zu realisieren waren. Der beispielhafte nationale Wert bleibt, obwohl die Deutschen rechts des Rheins diesem Weg nicht zu folgen vermochten und die Mainzer Republik die Vereinigung mit Frankreich suchte. Eine Orientierung auf die Integrität des Reiches hätte der Devise der zeitgenössischen Reaktion entsprochen, während eine stabile Basis für die Entwicklung zur Nation einzig auf den Trümmern dieses Reiches zu gewinnen war. Dagegen bedeutete die Vereinigung mit Frankreich vor allem das Bündnis mit der siegreichen Revolution, die sich noch dazu im Aufstieg befand und dank ihrem europäischen Stil der bürgerlich-nationalen Entwicklung auch in Deutschland außerordentlich wirksame Impulse verliehen hat. Der Patriotismus der Mainzer Jakobiner sah sich zu Recht durch den Patriotismus des Nachbarvolkes gefördert und nicht bedroht, denn beide Patriotismen waren echt demokratischen Charakters, d. h. nach innen volksverbunden und nach außen völkerverbindend. Der Kosmopolitismus, der hier mitschwang, spielte damals eine außerordentlich positive Rolle, denn er sorgte insbesondere im Hinblick auf die Konstituierung der deutschen Nation für die so notwendige Weltoffenheit, um die tatsächliche lokale und provinzielle Borniertheit zumindest ideologisch und im besetzten Linksrheinischen auch politisch durchbrechen zu können. Auf diese Weise erwuchs den deutschen Patrioten am Rhein der Mut, die Kernfrage des bürgerlichen Fortschritts anders als bislang zu beantworten, nämlich praktische Revolutionäre zu werden. 10 11 12

MR I, S. 392. Ebenda, S. 309. Ebenda, S. 2 1 9 - 2 3 2 .

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Die Situation änderte sich zwar nicht sofort und nicht grundlegend, aber doch allmählich und in dem Maße, wie der französische Patriotismus an Demokratismus einbüßte. Entscheidende Marksteine für diese negative Entwicklung waren der 9. Thermidor und der 18. Brumaire. Mit dem Machtantritt der Großbourgeoisie begann der systematische Abbau der demokratischen Errungenschaften der Revolution; was nach Bonapartes Staatsstreich die Konsularverfassung mit ihrem Präfektursystem noch an Volksrepräsentation übrigließ, war bloß Fassade. Die neue soziale Ordnung wurde allerdings nicht gefährdet, vielmehr gesichert, so daß das großbourgeoise Frankreich trotz allem den deutschen Zuständen weiterhin um eine ganze historische Epoche voraus war. Dieser letztgenannte Sachverhalt, der die allmähliche Abnahme demokratischer Elemente zunächst nicht allzu deutlich werden ließ, machte es in der zweiten Hälfte der 90er Jahre der cisrhenanischen Bewegung noch möglich, sich als Testamentsvollstrecker der Mainzer Jakobiner auch zu deren Patriotismus zu bekennen. Den ganzen Rhein hinauf von Bonn über Koblenz und Mainz bis Speyer entstanden 1797/98 „patriotische Volksgesellschaften", die — unbeeindruckt von dem Irrlicht der Reichsintegrität — die Abtrennung des Linksrheinischen und seine Vereinigung mit Frankreich betrieben. Ihr Patriotismus war wie der ihrer Vorkämpfer von 1792/93 entschieden demokratisch und trug auch die gleichen kosmopolitischen Züge. Dennoch ist unverkennbar, daß nach dem 9. Thermidor mit seinen schändlichen Auswirkungen etwa in der Pfalz nicht mehr die alte Unbefangenheit bestand. Obwohl sie der Reunion vor der Independenz den Vorzug gab, räumte die cisrhenanische Föderation in Koblenz in einer von Görres abgefaßten Erklärung ein, daß sich „nur schwer ... der deutsche Nationalcharakter mit dem französischen verschmelzen" würde. 13 Diese Erkenntnis hatte wiederum zur Folge, daß die gefühlsmäßige Bindung an die Deutschen, von denen man sich trennte, in offiziellen und insbesondere persönlichen Stellungnahmen stärker als zuvor betont wurde. Die in Bonn von Geich im Auftrage des Generalausschusses „der Patrioten des linken Rheinufers" verfaßte „Souveränitätserklärung des Volkes zwischen Maas, Rhein und Mosel" enthielt einen Passus, der sich in den Verlautbarungen des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents 1793 noch nicht fand: „Das Volk dieser Länder wird nie gegen das deutsche Volk, wiewohl es sich von demselben trennt, die Gefühle der aufrichtigsten Bruderliebe verleugnen und mit Sorgfalt seine Verhältnisse, die zwischen Deutschland und der Französischen Republik bestehen, zu unterhalten suchen."14 Görres schrieb: „Mit Teilnahme werden wir unsere ehemaligen Brüder auf ihrer Laufbahn verfolgen, froh ihnen zujauchzen, wenn sie die Palme errungen." 16 Hetzrodt in Trier sagte es noch ein wenig bestimmter: „Wir reichen euch die Hand zum Abschiede, aber mit der frohen Beruhigung, auch euch bald unter den Fahnen der Freiheit glücklich zu sehen."16 Den cisrhenanischen Patriotismus, der dem der Mainzer Jakobiner in allem Wesentlichen glich, färbte bereits das Gefühl für die Notwendigkeit, die eigene deutsche Nationalität gegenüber der französischen Großbourgeoisie verteidigen zu müssen. Was damals noch eine Ahnung war, wurde nach dem 18. Brumaire zur Gewißheit. Görres, den die Nachricht vom Staatsstreich Bonapartes auf dem Wege nach Paris überraschte, wo er im Auftrage der linksrheinischen Patrioten für eine schnelle Vereinigung wirken sollte, sah darin den Abfall Frankreichs von seiner kosmopolitischen Sendung. In dem Maße, wie Frankreich „sich seine eigene auf sich allein berechnete Freiheit 13 14 15 16

Corres, Schriften, Bd. 1, S. 8. Hansen IV, S. 325. Görres, Schriften, Bd. 1, S. 155. Hansen IV, S. 1001.

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schafft, einem eigenen Nationalgotte huldigt" 17 , verstärkte sich bei Görres das Wissen um die eigene, gesonderte Nationalität: „Eine tiefe Kluft sieht der Beobachter zwischen dem französischen und dem deutschen Nationalcharakter befestigt." 18 Im Hinblick darauf wäre eine independente cisrhenanische Republik der Reunion gewiß vorzuziehen gewesen : „Hier war die Nationalität geborgen", und es blieb nur der Augenblick abzuwarten, „wo in Deutschland die Unordnung vorüber war, die in diesem Staate besteht, um sich an ihn zu schließen und gemeinschaftlich dem gemeinschaftlichen Zwecke entgegenzugehen". 19 Wenn sich Görres und seine Freunde am Ende dennoch für die Reunion entschieden, so geschah es aus rein realpolitischen Gründen: Erstens war Frankreich nur für eine solche Lösung zu gewinnen, und zweitens würden die deutschen Feudalstaaten eine selbständige deutsche Republik nicht dulden. Der mit diesem Schritt effektiv erreichte Vorzug gegenüber den anderen deutschen Gebieten, „seit 1795 die Französische Revolution und die gesellschaftliche, administrative und legislative Konsolidierung ihrer Resultate unter Napoleon mitgemacht zu haben"20, ermöglichte es dem Linksrheinischen sogar, in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts eine hervorragende Rolle im Klassenkampf um das einheitliche bürgerliche Deutschland zu spielen. Voraussetzung dafür war allerdings, daß die Zugehörigkeit zu Frankreich lange genug andauerte, um die revolutionären Errungenschaften unausreißbar zu verwurzeln, und kurz genug blieb, um die eigene Nationalität gegenüber der französischen bewahren zu können. Jedoch nicht nur a posteriori ordnet sich der cisrhenanische Patriotismus in die progressiven nationalen Traditionen ein; denn jede mögliche andere Wahl war damals reaktionär und somit antinational, konservierte die feudalen Zustände, deren Überwindung den sozialen Inhalt der nationalen Frage ausmachte. Es genügte eben nicht, irgendeine Einheit zu fordern. Die historisch notwendige nationale Einheit bedurfte eines sozialen Inhalts, der über die bestehende feudale Gesellschaftsordnung hinauswies. Diese Feststellung spricht auch das Urteil über den ins Reaktionäre konvertierten Patriotismusbegriff der zweiten Hälfte der 90er Jahre, wie er rechts des Rheins beispielsweise als Reichs- oder als Landespatriotismus verwendet wurde, um einen Volkswiderstand gegen die französisch-republikanischen Armeen zuwege zu bringen. Von vornherein fehlte es nicht an warnenden Stimmen, und der kleine Graf zu SolmsLaubach steht für viele Feudale, wenn er von einem « décret d'enthousiasme » abriet und es „eine unverzeihliche Schwachheit" nannte, „den Armen Patriotismus zumuten zu wollen". 21 Die Jahre 1796 und 1799 brachten Proben aufs Exempel einer solchen Art von Patriotismus in Wort und Tat. „Aber alle diese Anstalten taten höchstens eine partielle Wirkung" stellte der zeitgenössische Publizist Pähl fest. „Es fehlte bald bei den Regierungen, bald bei dem Volke an dem Geist, der für sie empfänglich gewesen wäre." 22 Wo solche patriotische Propaganda Erfolge zeitigte, kamen sie einer schlechten Sache zugute, auch wenn der Widerstand der Bauern gegen französische Plünderungen gerecht genannt werden muß. Er nützte — und das ist entscheidend — der feudalen Reaktion, die im Kriege gegen Frankreich nach wie vor den gesellschaftlichen Fortschritt bekämpfte, 17 18 19 20 21 22

Görres, Schriften, Bd. 1, S. 589. Ebenda, S. 591. Ebenda, S. 596. Engels, Reichs Verfassungskampagne, S. 115. Isenburg, Um 1800, S. 188. Pähl, Denkwürdigkeiten, S. 129.

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den die französische Bourgeoisie bei allem Antidemokratismus immer noch verkörperte. Ungeachtet dieser negativen Gesamteinschätzung unterschied sich doch der feudalreaktionäre Patriotismusbegriff aus der zweiten Hälfte der 90er Jahre bereits von dem, wie er z. B. im Kampf gegen die Mainzer Jakobiner entwickelt worden war. Damals bestand seine wesentliche Aufgabe darin, die Volksmassen gegen die revolutionären Ideen zu immunisieren und in Passivität zu erhalten. Jetzt aber ging es um die Mobilisierung der Massen für einen aktiven Widerstand. Der Abbau der Demokratie in Frankreich mit seinen Auswirkungen auf die französische Kriegführung und Außenpolitik begünstigte zwar die Widerstandspropaganda, aber das genügte nicht. Der reaktionäre Patriotismusbegriff mußte notgedrungen progressive Elemente in sich aufnehmen, um auch nur einigermaßen attraktiv zu werden. So scheute sich z. B. der kaiserliche Kommandant der Festung Philippsburg 1796 nicht, die bischöflich-speyerischen Untertanen zur gründlichen Mißachtung ihrer Regierung aufzufordern, die von Moreau die nichtfeindliche Behandlung des Landes erkauft hatte: „Achtet die Drohungen eurer gefangenen Regierung nicht, denn sie führt die ihr aufgedrungene Sprache eurer Feinde ... Vereinigt euch unter euch selbst, sodann mit den Bewaffneten eures Reichsoberhauptes, und euer Vaterland ist gerettet." 23 Nicht so radikal in der Sprache, aber sowohl das Wesen der Reichsverfassung als auch ihre Praxis negierend, die nur Vor- und Sonderrechte kannte, rief eine Proklamation aus dem Jahre 1799 zum Widerstand: „Auf, Deutsche!... Auf! Weckt den Hermann in eurer Brust, ... laßt ihn hell aufwachen mit all seinem Hochgefühl für Ehre und Vaterland; wir sind nur eine Nation, weg mit jedem besonderen Interesse!" 24 Mißachtung oder sogar Bekämpfung obrigkeitlicher Anordnungen, Überwindung feudal-partikularistischer Enge und schließlich gesteigertes Selbstgefühl der Volksmassen dort, wo sie tatsächlich zu den Waffen griffen, waren progressive Phänomene, die solchen Patriotismus trotz seiner reaktionären Stoßrichtung bei der herrschenden Feudalklasse höchst verdächtig machten. Darum gaben die meisten Regierungen einer levée en masse mit ihrer notwendigerweise echt patriotisch gefärbten Ideologie wenig Raum und waren froh, wenn der Kriegsverlauf einen Volkswiderstand überflüssig machte. Blieb diese Art Reichspatriotismus trotz progressiver Züge dennoch dem Wesen nach reaktionär, so gab es doch Ausnahmen. Die Mitte 1798 wahrscheinlich in Ulm erschienene „Aufforderung und Belehrung an alle reichsstädtische Bürger in Schwaben" kann dafür als Beispiel dienen.25 Sie hatte ihren Ursprung in der Oppositionsbewegung gegen die feudalen reichsstädtischen Oligarchien. Sie propagierte unter Berufung auf eine bessere Vergangenheit und auch auf die Französische Revolution die Vereinigung der oppositionellen Bürger aller deutschen, vorzüglich aber der schwäbischen Reichsstädte mit dem Ziel, ohne die bestehenden Magistrate eine für alle akzeptable demokratische Verfassung auszuarbeiten. Diese Tat sollte davon zeugen, „daß der Teutsche noch warme Liebe zum Vaterland und reinen Patriotismus hat"26, der sich dann jedoch nur als eine andere Art Reichspatriotismus dekuvrierte. Denn der so erarbeitete Konstitutionsvorschlag sollte durch gewählte Deputierte an Kaiser, Reichsgerichte und Rastatter

23 21 25 26

Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 281. Die Franzosen im Schwar^wald. Der Wahrheit, meiner Laune, meinen Freunden und meinem Vaterlande gewidmet, o. O. 1799, S. 24. Scheel, Jakobinische Flugschriften, S. 73—79. Ebenda, S. 77.

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Kongreß gelangen, die ihm unter dem Druck „von mehreren Tausenden unzufriedener Bürger" zur Konstitutionswirklichkeit verhelfen würden.27 Die Hinnahme solcher Organe als höchste Autoritäten war ebenso negativ zu werten wie die Eingrenzung auf die reichsstädtischen Bürgerschaften; daß außerdem zwar verbal alle deutschen, tatsächlich aber nur die schwäbischen angesprochen wurden, fällt dabei weniger ins Gewicht. All dem aber steht gegenüber die eindeutig revolutionäre Frontstellung gegen die oligarchischen Magistrate und der relativ demokratische Vorschlag zur eigenen Willensbildung, so daß die negativen Züge dieser Art Reichspatriotismus dahinter zurücktreten. Wie es einen überwiegend progressiven Reichspatriotismus gab, so existierte in dieser Zeit auch ein territorialer Patriotismus im wesentlichen progressiver Natur, trotz seiner räumlichen Enge. Besonders ausgeprägte Beispiele lieferte Bayern, das um die Jahrhundertwende eine sehr aktive demokratisch-republikanische Bewegung vornehmlich in der bürgerlichen Intelligenz entwickelte. Zu ihren Äußerungen gehört z. B. die 1800 erschienene anonyme Schrift „Wahrer Überblick über die Geschichte der bayerischen Nation oder das Erwachen der Nationen nach einem Jahrtausend". 28 Der hier gebotene geschichtliche Abriß atmete zweifellos borniertes Bajuwarentum und lebte zum guten Teil vom Haß auf Österreich, das geradezu als der Nationalfeind Bayerns erschien; zugleich aber schonte er weder die Wittelsbacher noch den bayerischen Adel oder die Geistlichkeit. Eine ähnliche Tendenz verfochten die „Bayerischen Nationallieder", eine Sammlung von 27 Gedichten und 2 Prosastücken, die unmittelbar auf den „Wahren Überblick" folgte. 29 Die angestrebte positive Lösung war übrigens schon bei weitem weniger borniert bajuwarisch als die historische Kritik. Zwar sollten mit der Zerschlagung des habsburgischen Österreich — wodurch Böhmen und Ungarn die nationale Selbständigkeit erhalten würden — die einst mit Bayern verbundenen Gebiete an das „Mutterland" zurückfallen, aber das Ziel war doch bereits die größere, nämlich Bayern, Schwaben und einen Teil Frankens umfassende süddeutsche Republik. Eine solche Begrenzung hatte schon nicht mehr mit territorialstaatlicher Borniertheit zu tun, sondern war das Ergebnis einer nüchternen Einschätzung des Kräfteverhältnisses zwischen feudaler Reaktion und bürgerlichem Fortschritt. Ein Umsturz der bestehenden Ordnung bedurfte bei der eigenen Schwäche wie im Linksrheinischen unbedingt der französischen Waffen, die tatsächlich nur in Süddeutschland zum Einsatz gebracht werden konnten, da sich der Norden nach dem Basler Frieden in die Neutralität geflüchtet hatte. Die Analyse dieses Kräfteverhältnisses berücksichtigte natürlich auch die schon 1796 in Bayern gemachte Erfahrung, daß die französischen Truppen nicht mehr Sendboten eines Frankreichs waren, dessen revolutionäre Entwicklung sich noch im Aufstieg befand. Frühere patriotisch-revolutionäre Aufrufe im Rechtsrheinischen kannten solche begrenzten Zielsetzungen zum Teil nur deshalb nicht, weil ihnen solche Erfahrungen noch abgingen. Das gilt beispielsweise für den Anfang 1795 von Gießen und Wetzlar aus verbreiteten Aufruf „An die teutschen Jünglinge!" 30 Er sprach sie als Nachfahren des Cheruskers an, gegen die dreihundert deutschen Sultane und für eine deutsche Republik zu kämpfen; er warb für eine in Mainz aufzustellende deutsche Legion, „um mit den Waffen in der Hand, in Verbrüderung mit republikanischen Heeren wieder-

27 28 29 30

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

79. 292-321. 332-390. 104-106.

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zukommen und Freiheit mitzubringen für die schönen Gefilde unsers guten Vaterlandes". 31 Die hier zwischen den Zeilen konstatierte Notwendigkeit der französischen Waffenhilfe erschien völlig unproblematisch, da solche Hilfe sich notwendig aus der angenommenen kosmopolitischen Befreierrolle des revolutionären Frankreich ergab. Angesichts dieser Illusion und des Umstandes, daß noch kein tatsächlicher Vormarsch der Phantasie Zügel anlegte, war kein Grund vorhanden, von vornherein nur die Republikanisierung eines Teiles von Deutschland ins Auge zu fassen. Das Wesen des Patriotismus, wie er sich in diesem Aufruf offenbarte, wurde darum nicht so sehr durch seine gesamtdeutsche Zielsetzung, sondern vor allem durch seinen Republikanismus bestimmt. Die hinter diesem Aufruf stehende studentisch-jakobinische Vereinigung hätte sich zweifellos mit dem gleichen Elan für die Umwälzung in einem territorial begrenzten Gebiet eingesetzt, wenn sie zu der Überzeugung gelangt wäre, daß das bestehende Kräfteverhältnis umfassendere Lösungen ausschloß. Dafür spricht unter anderem auch die Tatsache, daß führende Köpfe dieser Vereinigung, nachweislich Verbreiter und möglicherweise auch Verfasser des Aufrufs an die deutschen Jünglinge, nämlich die in Wetzlar als Hofmeister tätigen Damm und Holzmeister, zwei Jahre zuvor im bischöflich-speyerischen Kirrweiler als militante Propagandisten des Rheinisch-deutschen Freistaates hervorgetreten waren.32 Noch prägnanter ist diese Erscheinung an den schriftlichen Ausarbeitungen zu beobachten, die im Zusammenhang mit den Umsturzvorbereitungen 1796 am Oberrhein verfaßt wurden. Dahinter standen oberrheinische Revolutionäre — an ihrer Spitze der Badenser Georg Friedrich List —, die im Einvernehmen mit dem Pariser Direktorium handelten, das seinerseits Pierre Claude Poterat als seinen Bevollmächtigten in dieser Sache ernannte. Die von List entworfene Proklamation Poterats, die gleichzeitig mit dem Vormarsch der französischen Armee unter Moreau den bewaffneten Aufstand auslösen sollte, sprach zwar schlechthin alle „edlen, großmütigen Patrioten Teutschlands" an 33 ; die tatsächliche Stoßrichtung war jedoch eingegrenzt. So hatte das Direktorium Poterat bevollmächtigt, den Beistand der Republik zu verkünden „denen Einwohnern des Markgraftums Baden, des Breisgaus und jeder anderen Gegend Deutschlands, welche ihre Unabhängigkeit sich zu verschaffen wünschen".34 Die im Namen Poterats den leitenden oberrheinischen Revolutionären erteilte Instruktion sprach von einer zu konstituierenden Nationalversammlung, „deren Mitglieder nach und nach von den Völkern ernannt werden sollen, sowie die Truppen der Republik in die dazu bestimmten Länder eindringen werden". 36 Wir wissen, daß diese Aufstandsvorbereitungen 1796 dann praktisch erstickt wurden, und zwar von französischer Seite. Die französische Großbourgeoisie benutzte die deutschen Patrioten rechts des Rheins wohl noch als politisches Druckmittel, aber sah in ihnen keine echten Partner mehr. Georg Friedrich List und seine Freunde mögen eine solche Gefahr schon frühzeitig gespürt haben, denn alle genannten offiziellen Verlautbarungen betonen in auffallender Weise gerade diese gleichberechtigte Partnerschaft, die sich auch in der von den deutschen Patrioten geforderten und von französischer Seite zugestandenen vollkommenen Unabhängigkeit des befreiten Landes doku31 32 33 34 35

Ebenda, S. 106. M R II, S. 344f. Scheel, Jakobinische Flugschriften, S. 127. Ebenda, S. 123. Ebenda, S. 126.

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mentierte. Das Ziel war eine deutsche Republik, die sich dankbar an die französische lehnen würde, ohne jedoch ihre Selbständigkeit preiszugeben. Sie würde sich zunächst auf einem territorial begrenzten Raum konstituieren, aber sollte am Ende die ganze Nation umfassen. Gewiß haben nicht nur negatives Vorgefühl und bittere Erfahrung als Folgen der Verwandlung des revolutionär-demokratischen Frankreich in eine Bourgeoisrepublik dem revolutionären Patriotismus im Rechtsrheinischen eine prononziert nationale Färbung gegeben. Die deutschen Gebiete rechts des Rheins waren weder französisch besetzt, noch stellten sie ein unmittelbares Annexionsgebiet Frankreichs dar wie das Linksrheinische. Unter diesen andersgearteten Bedingungen, da der soziale Fortschritt kein Geschenk von außen sein konnte, führte die revolutionäre Überzeugung notwendig zu der Erkenntnis, daß das deutsche Volk sein Geschick in die eigenen Hände nehmen mußte. Wo diese Schlußfolgerung nicht gezogen wurde, blieb nur Resignation übrig. Der ganz in aufgeklärt-kosmopolitischen Kategorien denkende Herausgeber des „Niedersächsischen Merkur", Friedrich Wilhelm Schütz in Hamburg, erwartete beispielsweise — so lassen seine Artikel erkennen — die Beseitigung der politisch und sozial veralteten deutschen Zustände ausschließlich von den französischen Waffen. 36 Nach dem Waffenstillstand von Leoben im Frühjahr 1797, dem im Herbst der Friede von Campoformio folgte, erschien ihm als einzig mögliche Lösung „die Teilung Deutschlands" — so überschrieb er einen Artikel, der die französische Annexion des Linksrheinischen als einen Fortschritt akzeptierte und zugleich die Unmöglichkeit sozialer Veränderungen im rechtsrheinischen Deutschland konstatierte.37 In seinem „Neuen Niedersächsischen Merkur" von 1797 nannte er die Vorstellung, „bei den Deutschen Patriotismus anzutreffen, eine Unmöglichkeit. Rohheit des Geistes und der Sitten, Geringschätzung des Volkes, Unterdrückung, die der Arme vom Reichen und der Geringe vom Adel erdulden muß, Mangel an Moralität und Armut in vielen.Gegenden sind ohne Zweifel wichtige Hindernisse, um Patriotismus aufkommen zu lassen. Staatsverfassung, Gesetzgebung und Polizei haben das ihrige dazu beigetragen, Patriotismus aus dem Herzen der Deutschen zu vertilgen." 38 Der Schritt — ein historischer Fortschritt — vom aufgeklärten Kosmopolitismus zum bürgerlichen Nationalbewußtsein war von solcher Position aus unmöglich. Schütz resignierte. Ganz anders reagierte ein Georg Friedrich Rebmann. Von der feudalen Reaktion aus Deutschland vertrieben und seit 1796 in Paris, hatte er insbesondere bei der Herausgabe seiner in Altona weiterhin erscheinenden „Schildwache" mit Schütz eng zusammengearbeitet. Aber der Kampfgefährte wurde ihm zum erbittert bekämpften politischen Gegner, als Schütz jener zuvor gekennzeichneten „Teilung Deutschlands" das Wort redete. Rebmann glaubte an die deutsche Revolution. Darum distanzierte er sich energisch von der bis dahin mit Schütz gemeinsam besorgten „Schildwache", indem er „Die neue Schildwache" herausbrachte und darin die von Schütz akzeptierte Reunionspropaganda der Cisrhenanen verurteilte, weil sie „den Deutschen auf dem rechten Rheinufer nicht Kraft und Willen zutrauen, sich endlich vom Joch der Anarchie, die man mit dem Namen deutsche Verfassung stempelt, loszureißen". 39 Die bourgeoise Wirklichkeit, die er im direktorialen Frankreich erlebte und die sich auch in der schamlosen Preisgabe der rechtsrheinischen Revolutionäre im Verlaufe des 36 37

38 39

Grab, Demokratische Strömungen, S. 51. Ebenda, S. 194f. Grab, Norddeutsche Jakobiner, S. 93. Hansen IV, S. 169.

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Feld2uges von 1796 dokumentiert hatte, orientierte ihn erst recht auf die eigenen nationalen Potenzen. Rebmann formulierte für die deutschen Revolutionäre die Lehre: „Bei dieser Umwälzung rechne ich auf keine Propaganda, auf keine fränkischen Freiheitsprediger, überhaupt nicht im geringsten auf den Beistand der Franken. Alles, was ihr im höchsten Falle von der fränkischen Regierung zu erwarten das Recht habt (und auch das wird noch Mühe kosten), ist, daß sie euch nicht hindert." 40 Rebmanns heroische Schlußfolgerung lautete: „Ihr sollt keinen fremden Beistand haben, ihr selbst müßt eure Freiheit erkämpfen, oder ihr verdient das Schicksal, das sonst eurer wartet." 41 Wenn Walter Grab in der Wertung der politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Schütz und Rebmann der Position des ersten zuneigt, indem er ihm konzediert, „daß er von der nüchternen Wirklichkeit, vom tatsächlichen gesellschaftlichen Sein ausging" 42 , so muß dem doch mit Nachdruck entgegengehalten werden, daß Rebmanns Position trotz ihrer fehlerhaften Einschätzung des Kräfteverhältnisses der historischen gesellschaftlichen Notwendigkeit den entschiedensten Ausdruck verlieh, mithin das gesellschaftliche Sein ungleich tiefer erfaßt hatte. Im übrigen war Rebmann politischer Realist genug, um sehr bald die Unausweichlichkeit des cisrhenanischen Weges zu erkennen; aber diese Realpolitik war keine Verzichtspolitik, bedeutete für ihn keine Preisgabe des deutsch-patriotischen Zieles. Rebmann sah vielmehr in dem mit Frankreich vereinigten Linksrheinischen eine Basis und „eine Freistätte aller deutschen Freiheitsfreunde. .., die auf ihr altes Vaterland noch wirken wollen. Von diesem Sinai aus möge noch einst eine vernünftige Form, eine auf Menschenrecht beruhende Gesetzgebung von Deutschen für Deutschland ausgehen... Wir geflüchteten Freiheitsfreunde leiten indes von Mainz aus die öffentliche Meinung, wir lachen der Zensuren in Deutschland, da wir in Mainz drucken lassen, was wir wollen, und ein Kahn führt es ja über den Rhein!" 43 Dementsprechend nahm Rebmann aktiven Anteil an den Umsturzvorbereitungen. Sie sollten 1798 im Ergebnis der Sprengung des Rastatter Kongresses zu einer unabhängigen deutschen Republik führen44 und erreichten 1799 mit dem vor allem im Süden weitverbreiteten „Entwurf einer republikanischen Verfassungsurkunde, wie sie in Deutschland taugen möchte"45, einen Gipfelpunkt im Kampfe um die endgültige Herausbildung der Nation. Gewiß hat nach der Jahrhundertwende auch ein Rebmann resignieren müssen; aber das macht die sehr viel zeitigere Resignation von Schütz weder klüger noch fruchtbarer. Dank seiner über lange Zeit ungebrochenen jakobinischen Grundhaltung hat Rebmann für die Gestaltung eines politisch faßbaren und progressiven deutschen Patriotismus mehr geleistet als jene, die aus der Einsicht in die soziale Unreife Deutschlands verzagten oder sogar zu partiell reaktionärer Kritik an solchen Versuchen verleitet wurden, die französische Revolution auf deutschem Boden nachzuvollziehen. Wenn wir der von der deutschen Klassik geprägten Humanitätsidee einen hohen national-erzieherischen Wert zumessen, weil ihr Vertrauen in den Fortschritt des Menschengeschlechtes auch der deutschen Nation eine echte Perspektive gab und den Patriotismusbegriff vielfältig 40 41 42 43 41 45

Laterne bei Tag für die mittlere Volksklasse, hg. von A. G. F. Rebmann, Nr. 1, Paris 1797, S. 23. Ebenda, S. 24. Grab, Norddeutsche Jakobiner, S. 97. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 421 f. Ebenda, S. 3 6 4 - 3 8 5 . Scheel, Jakobinische Flugschriften. S. 130 — 182

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bereicherte, dann ist es nicht zufällig, sondern folgerichtig, daß gerade bei einem Friedrich Hölderlin das Humanistische und das Patriotische die innigste Verbindung eingingen. Sein Revolutionsbild, das die historische Notwendigkeit weitaus adäquater als etwa bei Schiller oder Goethe widerspiegelte, war jakobinischen Geistes. Sein Patriotismus war davon nicht zu trennen, sondern wesentliches Resultat. Die Bedeutung des deutschen Jakobinismus für die Herausbildung eines progressiven Patriotismusbegriffes wäre selbst dann eindeutig belegt, wenn nichts anderes auf uns gekommen wäre als Hyperions zornige Klage über die Deutschen, die damit zur Tat aufgerufen werden sollten.46 Das Ende der spätjakobinischen Bestrebungen um die Jahrhundertwende gereichte dem Patriotismusbegriff keineswegs zum Vorteil. Er büßte vor allem an Vertrauen in den historischen Fortschritt ein. Das Interesse der deutschen Romantik für die nationale Vergangenheit förderte zweifellos das patriotische Bewußtsein, aber nahm ihm gleichzeitig die gegen feudale Adels- und Fürstenherrschaft gerichtete Spitze. Wo die klare Kennzeichnung des bürgerlichen Inhaltes unterblieb, da fehlte dem Patriotismus nicht nur das Herzstück, sondern da drangen reaktionäre Elemente ein, die schließlich sogar das romantische Unding, die mittelalterliche Kaiserherrlichkeit als nationales Ideal, zuwege brachten. Der Hinweis, daß hier bereits der Umschlag in einen mit gefährlichen, universalistisch drapierten Herrschaftsansprüchen angereicherten Nationalismus erfolgt, ist legitim und notwendig, zumal gleichzeitig konstatiert werden muß, daß selbst der Nationalismus in jener Periode eine positive Rolle zu spielen vermochte, da es noch um die Herausbildung der bürgerlichen Nation ging. Mit der Unterwerfung des deutschen Volkes unter den Degen der französischen Großbourgeoisie, Napoleon, war die Abschüttelung der Fremdherrschaft zur nationalen Existenzfrage geworden. Der Haß gegen die napoleonische Unterdrückung — nicht nur aus reinen patriotischen, auch aus trüben nationalistischen Quellen gespeist — wurde zum einigenden Band. Der Hinweis von Engels auf „die Verwandtschaft" der Französischen Revolution, „dieser ungeheuren Volkstat", mit „der Volkserhebung von 1813"47 aber erinnert auch daran, wo der mit der nationalen Regeneration untrennbar verbundene Patriotismus seine bis dahin optimale Begriffsbestimmung erhalten hatte: bei den deutschen Republikanern nämlich, die als alte Leute 1830 Heinrich Heine die Marseiller Hymne singen lehrten.48 46 47 48

Hölderlin, Hyperion, in: Gesammelte Werke, Bd. 1, Jena-Leipzig 1905, S. 233-288. Engels, Arndt, S. 122. Heine, Zur Geschichte der Religion, S. 127 f.

Das Verhältnis der Klassiker des Marxismus zu den Anfängen der bürgerlichen revolutionären Demokratie in Deutschland"1"

Nach der Niederlage der Revolution von 1848/49 setzte sich im Sommer 1850 Friedrich Engels in London an eine größere Arbeit, die er mit dem lapidaren Satz begann : „Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition." 1 Gerade angesichts der fast allgemeinen Erschlaffung nach zwei Jahren des Kampfes hielt er es für an der Zeit, mit Nachdruck an diese Tatsache zu erinnern. Mit seinem Deutschen Bauernkrieg knüpfte Engels damals an Überlieferungen aus der frühbürgerlichen Revolution an, die am Beginn der Übergangsperiode vom Feudalismus zum Kapitalismus stand. Der im Titel meiner Vorlesung gebrauchte Begriff der bürgerlichen revolutionären Demokratie, selbst auch nur ihrer Anfänge, findet in diesem frühen Zeitabschnitt noch keine reale Entsprechung. Für Deutschland sinnvoll wird er erst im Zusammenhang mit der Französischen Revolution, die bereits weltgeschichtlich über den Formationswechsel zugunsten des Kapitalismus entschied. Das angesprochene Verhältnis von Marx und Engels zur revolutionären bürgerlichen Demokratie in Deutschland bezieht sich also eindeutig auf den letztgenannten Zeitabschnitt, der erst ein gutes halbes Jahrhundert alt war, als Engels es unternahm, mit dem Rückgriff auf den Bauernkrieg zur Entwicklung eines revolutionären Traditionsbewußtseins beizutragen. Ungeachtet der Tatsache, daß eingestandenermaßen die Unterschiede und Parallelen zwischen der deutschen Revolution von 1525 und der von 1848/49 damals Engels besonders aufschlußreich erschienen2, berührt der riesige Brückenschlag über dreihundert Jahre deutscher Geschichte ohne jeden Hinweis auf das Jahr 1789 merkwürdig. Die Frage nach den Gründen drängt sich auf: Kannten Marx und Engels keine solchen Ereignisse, die zwar unter dem Einfluß der Französischen Revolution entstanden, aber dennoch als eigenständige Leistungen zu werten und mithin der revolutionären Tradition des deutschen Volkes zuzuordnen wären? Oder betrachteten sie Geschehnisse solcher Art als quantités négligeables? Oder hat es gar derartiges überhaupt nicht gegeben? Beginnen wir mit der letzten Frage, denn von ihrer positiven Beantwortung hängt die Berechtigung der anderen Fragestellungen ab. Es ist das unbestreitbare Verdienst der DDR-Historiographie, den deutschen Jakobinismus wieder ins rechte Licht gerückt und der revolutionär-demokratischen Traditionslinie unserer Geschichte einen Markstein von zukunftsweisender Bedeutung gegeben zu haben. Anders als die großen Darstellungen aus bürgerlicher Feder wie die des Engländers George P. Gooch, des Schwei-

+ Vortrag anläßlich der „Karl-Marx-Vorlesung" am 22. 5. 1975, gedruckt: Sitzungsbericht Akademie der Wissenschaften der DDR, Nr. 11, G/1975; überarbeitete Fassung. 1 Engels, Bauernkrieg, S. 329. 2 Derselbe, Vorbemerkung, S. 532.

der

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zers Alfred Stern, des Franzosen Jacques Droz3 — nicht zufällig übrigens fehlt ein Deutscher in dieser Reihe —, die den Einfluß der Französischen Revolution auf Deutschland untersuchen wollten, aber bei abstrakter Ideologiegeschichte stehenblieben, orientierte die DDR-Historiographie auf die entscheidende Triebkraft der geschichtlichen Entwicklung, auf die Volksmassen. Ihre Forschungsergebnisse bestätigen: Mit dem Sturm auf die Bastille erhielten die Klassenkampfaktionen des arbeitenden Volkes in Stadt und Land auch auf deutschem Boden eine neue Qualität, denn es begann schon da und dort, mit seinen feudalen Unterdrückern „französisch zu reden" — so am oberen und mittleren Rhein 1789, in Teilen Sachsens 1790, zwischen Bingen und Landau 1792/93, in Schlesien 1793/94. Das war selbst noch nach dem 9. Thermidor 1794 der Fall, als die Französische Revolution zwar ihren Höhepunkt bereits überschritten hatte, aber im Kampf gegen die konterrevolutionären Koalitionen nach wie vor den sozialen Fortschritt verkörperte, so daß sich mit der Okkupation des Linksrheinischen hier die republikanische Bewegung der sogenannten Cisrhenanen entwickeln konnte und im gesamten rechtsrheinischen Süddeutschland in der Hoffnung auf eine Republikanisierung im Gefolge französischer Waffensiege die entsprechenden Vorbereitungen am Oberrhein, in Franken, in Schwaben, ja selbst in Bayern bis über die Jahrhundertwende hinaus betrieben wurden. Auch wenn noch nicht alle Erscheinungen dieser Art gründlich erforscht sind, so duldet doch die Existenz revolutionär-demokratischer Bestrebungen auf deutschem Boden im Gefolge der Französischen Revolution heute keinen Zweifel mehr. Daß wir zur Kennzeichnung dieses Phänomens den Begriff des deutschen Jakobinismus verwenden, bedeutet keine Gleichsetzung mit dem Jakobinismus in Frankreich, der unter einem viel ausgereifteren Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Feudalität entstand. Die Verwendung dieses Begriffs erscheint uns dennoch sinnvoll, denn er eignet sich vorzüglich, die revolutionär-demokratische Grundhaltung all dieser oppositionellen Regungen und Bewegungen zu charakterisieren, die sich so wohltuend von der natürlich sehr viel breiteren, aber auch sehr viel kurzlebigeren allgemeinen Begeisterung im deutschen Bürgertum abhob, die „nur den Theorien der französischen Revolutionäre" galt 4 . Im übrigen haben wir um so weniger Grund, vor einer Übernahme dieses Begriffs zurückzuschrecken, als in der Mainzer Revolution von 1792/93 der dortige Klub seinen ganzen Ehrgeiz darein setzte, vom Pariser Jakobinerklub als Tochtergesellschaft anerkannt zu werden5. Schließlich behält der Begriff des deutschen Jakobinismus selbst nach dem Thermidor 1794 durchaus noch seinen Sinn, zumal die nunmehr herrschende französische Großbourgeoisie die genannten revolutionär-demokratischen Regungen und Bewegungen im okkupierten Linksrheinischen wie im deutschen Süden häufig genug als jakobinisch zu disqualifizieren suchte.6 Das Gewicht der wissenschaftlichen Ergebnisse, die die DDR-Forschung auf dem Gebiet des deutschen Jakobinismus erzielen konnte, spiegelte sich übrigens auch in außerordentlich bemerkenswerten Erscheinungen wider, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten in der Historiographie der BRD abzeichneten. Zunächst bewegte sich 3

4 5 6

Gooch, George Peabody, Germany and the French Revolution, London 1920; Stern, Alfred, Der Einfluß der Französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, Stuttgart—Berlin 1928; Droz> Jacques, L'Allemagne et la Révolution Française, Paris 1949. Engels, Deutsche Zustände, S. 567. MRI, S. 353ff.,371 ff.,393f. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 226, 384, 400 ff.

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diese Geschichtsschreibung ganz in den Bahnen, wie sie die Feudalreaktion vor nahezu zwei Jahrhunderten initiiert und die Bourgeoisie dann fortgesetzt oder zumindest unangetastet gelassen hatte. Die feudalen Apologeten hatten in unmittelbarem Klassenkampf agiert und in der Verteidigung der Feudalordnung das historische Phänomen des deutschen Jakobinismus verständlicherweise bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Ihre bürgerlichen Nachfolger waren einer gründlichen Auseinandersetzung mit ihm sorgsam aus dem Wege gegangen, weil die Bourgeoisie höchst unheroisch die Macht erlangt hatte und sich schon seit dem Vormärz nicht mehr uneingeschränkt zu ihren wenigen heroischen Repräsentanten zu bekennen wagte. Infolgedessen fand der deutsche Jakobinismus in die maßgebliche bürgerliche Geschichtsschreibung — gleichgültig ob liberaler oder konservativer Färbung — von Häusser über Treitschke, Sybel, Lamprecht, Schnabel bis in die jüngsten Auflagen des Gebhardtschen Handbuches der Deutschen Geschichte — keinen Eingang. Er blieb nahezu ausschließlich das Feld der Lokalhistorie, die durch eine besonders penetrant reaktionäre Grundhaltung exzellierte. So war und blieb es — von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, die die Regel bestätigten —, bis 1970 der damalige sozialdemokratische Bundespräsident Gustav Heinemann bei der sogenannten Schaffermahlzeit im Bremer Rathaus eine Ansprache hielt. Darin forderte er dazu auf, die „Geschichte bis in die Schulbücher hinein anders", nämlich so zu schreiben, daß für die BRD sogar revolutionäre Traditionen in Anspruch genommen werden könnten.7 Über die letztlich systemkonservierende Zweckbestimmung dieser scheinbaren Wende im behördlich sanktionierten bundesrepublikanischen Geschichtsbewußtsein konnte es natürlich keinen Zweifel geben. Daß sich die Männer aus der urgroßväterlichen Generation seiner mütterlichen Vorväter an der 48er Revolution beteiligt hatten, war für Heinemann eingestandenermaßen von persönlichem Reiz, aber selbstverständlich nicht der Hauptgrund für seine bemerkenswerte Forderung. Es waren die DDR und ihre Traditionspflege, die Heinemann dazu veranlaßten. Daß sich der erste deutsche Arbeiter-und-Bauern-Staat als ein „Ergebnis langfristiger historischer Entwicklungen in Deutschland" begriff — das hat ihn beunruhigt und zum Fürsprecher eines Versuchs gemacht, das Image der BRD durch einige freiheitliche Tupfer aus der Vergangenheit aufzuhellen. Heinemann hat diese Linie systematisch verfolgt, sie durch die Stiftung eines Gustav-Heinemann-Preises in die Schulen getragen 8 und sie unmittelbar vor dem Ende seiner Amtszeit noch einmal bei der Eröffnung der „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte" in Rastatt bekräftigt. Dort verwies er wiederum beschwörend auf die bewußte Pflege revolutionärer Überlieferungen in der DDR und gedachte unter anderem ausdrücklich auch der deutschen Jakobiner. 9 Solche Aktivitäten als Reaktion auf das steigende Ansehen der DDR — darunter auch auf das ihrer Geschichtsschreibung — hatten natürlich sehr zwiespältige Wirkungen. Zum einen boten sie progressiven Historikern der BRD einen gewissen Schutz und Schirm, wenn sie beim wissenschaftlichen Studium der Vergangenheit auf Bezugspunkte für das demokratische Selbstverständnis in der bundesrepublikanischen Gegenwart stießen, die ihr ganz und gar nicht zu Lob und Preis dienten. Dem stellte schon 7 8

9

Heinemann, Geschichtsschreibung, S. 203 f. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. 6. 1974 berichtet über die Preisverteilung unter 5000 Schülern an die Gewinner des Gustav-Heinemann-Wettbewerbs über Arbeiten zur Revolution von 1848/49. Heinemann, Freiheitsbewegungen, S. 601 ff.

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bald die Frankfurter Rundschau eine bloß liberal gefärbte Jakobinismusforschung entgegen, die sich an dem Diktum orientierte: „Was die Jakobiner wollten, der kleinste Nenner ihrer verschiedenen Ansichten und Programme, ist heute in der Bundesrepublik realisiert."10 Das schien der geeignete Weg, um sich mit der herkömmlichen reaktionären Betrachtungsweise zu arrangieren, indem jede Seite der anderen ein wenig Rabatt gab und beider Existenzberechtigung in schöner pluralistischer Großherzigkeit wechselseitig bestätigte. Aber auch die Reaktion machte wieder mobil, und ein Bundespräsident Carstens war äußerst emsig, die Äußerungen Heinemanns von 1970 so schnell und so gründlich wie möglich wieder zuzudecken. Wie dem auch immer sei, selbst reaktionäre Verteufelung und opportunistischer Mißbrauch der Jakobinismusforschungen, die in der DDR ihre wahre Heimstätte haben und von hier aus zu internationaler Beachtung gelangten, bestätigt den historischen Tatbestand revolutionär-demokratischer Regungen und Bewegungen auf deutschem Boden im ausgehenden 18. Jahrhundert. Diese Erscheinungen fügten sich nicht nur objektiv in die revolutionäre Traditionslinie ein, die die deutschen Revolutionen von 1525 und von 1848/49 miteinander verbanden; deutsche Jakobiner haben durchaus die innere Verbundenheit mit den aufständischen Bauern von 1525 ebenso empfunden wie die Achtundvierziger mit den deutschen Jakobinern. Der Medizinstudent und Jakobiner Aloys Popp aus Würzburg übersandte beispielsweise 1794 ein Stück Fahnentuch aus dem Bauernkriege, das er aus dem dortigen Zeughaus entwendet hatte, als Freundschaftsgeschenk an Gesinnungsgenossen in Wetzlar 11 ; und nicht nur Hoffmann von Fallersleben suchte im Vormärz den einstigen Präsidenten des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents von 1793 in Winkel am Rhein auf, den damals schon über neunzigjährigen Andreas Joseph Hofmann, der nach wie vor zu seiner jakobinischen Vergangenheit stand.12 Dennoch hat Engels in seiner Arbeit über den deutschen Bauernkrieg, die doch nicht zuletzt um der Erweckung eines revolutionären Traditionsbewußtseins willen geschrieben wurde, dieses Geschehen mit keinem Wort berührt. Es bleibt zu fragen, ob ihm diese Dinge unbekannt blieben oder unwesentlich dünkten oder gar ungeeignet erschienen. Wollte ich mich darauf beschränken, Äußerungen von Marx und Engels zu sammeln und zu sichten, in denen sie expressis verbis deutsche Jakobiner apostrophierten, so wäre ich in der Tat sehr bald am Ende. Von Engels gibt es im zweiten Brief an den Redakteur des Northern Star über die deutschen Zustände, geschrieben im Oktober 1845, einige wenige Worte über Georg Forster, die zudem noch Sachfehler enthalten. Er riet den englischen Demokraten, bei den Trinksprüchen, die sie in ihren Versammlungen auf die „Patrioten aller Länder" auszubringen pflegten, endlich den bigotten Andreas Hofer zu vergessen, „dessen Enthusiasmus der Enthusiasmus der Vendée" war. „Warum nicht Georg Forster feiern, den deutschen Thomas Paine, der die französische Revolution in Paris bis zuletzt gegen alle seine Landsleute unterstützte und auf dem Schafott starb?" 13 Georg Forster war bei weitem nicht der einzige Deutsche, der der Revolution die Treue hielt, und er starb auch nicht durch die Guillotine, sondern er erlag am 10. Januar 1794 in der Rue des Moulins in einem Revolutionsquartier mitten in Paris, dem „Haus der holländischen Patrioten", einem Schlaganfall. Eine zweite Äußerung von Engels findet sich sehr viel später in einem Brief vom 10 11 12 13

Frankfurter Rundschau vom 14. 2. 1973. Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 157. Hoffmann von Fallersleben, Mein Leben, S. 100—103. Engels, Deutsche Zustände, S. 577.

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30. November 1892, den der nun schon alte Mann an Paul Stumpf, den Leiter der Mainzer Sektion der Arbeiterinternationale, einen langjährigen Freund und Kampfgefährten der beiden Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, schrieb. Engels dankte für die Nachricht über den sozialdemokratischen Wahlsieg in Mainz: „Ihr Mainzer seid zwar manchmal ein wenig Schwadroneure — geborne Weinreisende —, aber wenn's drauf ankommt, könnt Ihr auch ins Geschirr gehn, daß es kracht, und es bleibt Euch unvergessen, daß Mainz die einzige deutsche Stadt war, die in der großen Revolution eine ehrenvolle Rolle gespielt hat."14 Der einzige direkte Bezug — soweit ich sehen kann —, den Marx zu den deutschen Jakobinern herstellte, findet sich erst in den fünfziger Jahren im Briefwechsel mit Engels. Dem politischen Rückschritt nach der Niederlage der Revolution von 1848/49 stand in diesen Jahren ein stürmischer ökonomischer Fortschritt gegenüber. Mit dem industriellen Aufschwung gingen die Herausbildung moderner Großbanken und ein Spekulationsschwindel von unerhörtem Ausmaß parallel. Dem ökonomischen Gewicht der Bourgeoisie vermochten die feudalbürokratischen Hemmnisse immer weniger standzuhalten. Aber sie erzeugte auch ein industrielles Proletariat, das sich seines Gegensatzes zur Bourgeoisie immer stärker bewußt wurde. Der Schwerpunkt dieser Entwicklungen lag in Preußen und hier wiederum in Berlin und im Rheinland, das seiner Lage und Tradition gemäß auf revolutionäre politische Ereignisse im benachbarten Frankreich stets besonders empfindlich reagierte. Während die Hochkonjunktur ganz allgemein mit Macht auf die nächste zyklische Krise zusteuerte, die 1857 einsetzte, hatte die bonapartistische Diktatur Napoleons III. ihren Kredit bei Arbeitern, Bauern und selbst bei den Bourgeois schon so gründlich verspielt, daß im Proletariat am Rhein die Hoffnung auf eine Pariser Insurrektion weit verbreitet war, die das Signal für die eigene Erhebung geben würde. Marx, der seit Anfang März 1856 darüber mit Engels korrespondierte15, schrieb am 16. April dem Freunde: „Ich bin ganz Deiner Ansicht wegen der Rheinprovinz. Für uns ist das Fatale, daß ich looming in the future etwas sehe, was nach Vaterlandsverrat schmecken wird. Es wird sehr von der tournure der Dinge in Berlin abhängen, ob wir nicht gezwungen werden, in ähnliche Position zu kommen wie in der alten Revolution die Mainzer Klubisten. (Ja sera dur." 16 Die Redeweise von Marx beibehaltend, bin ich versucht zu sagen: C'est tout. Dies sind in der Tat alle schriftlichen Äußerungen, in denen diese beiden Rheinländer expressis verbis auf die deutschen Jakobiner, insbesondere auf die Mainzer Republik, zu sprechen kommen. Man fragt sich: Woraus resultierte diese Sparsamkeit? Ganz zweifellos gab es dafür eine ganze Reihe von Gründen. Zunächst haben beide aus den ihnen zugänglichen historiographischen Hilfsmitteln wahrlich keinen Anreiz zu einer gründlichen Beschäftigung mit diesem historischen Ereignis gewinnen können. Diese Feststellung gilt keineswegs nur für die extrem konterrevolutionären Darstellungen, sondern bezieht auch die wenigen lauen liberalen und halben demokratischen mit ein. Gervinus beispielsweise, der immerhin zu den Göttinger Sieben gehörte und 1843 zusammen mit Forsters Tochter dessen Sämtliche Schriften herauszubringen wagte, vermochte mit dem bürgerlich-demokratischen Revolutionär Forster nichts anzufangen. Er führte unbedeutende persönliche Verlegenheiten 14 15 16

Engels an Stumpf, 30. 11. 1892, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 38, Berlin 1968, S. 527. Marx an Engels, 5. 3. und 10. 4. 1856; Engels an Marx, 14. 4. 1856, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 29, Berlin 1963, S. 23ff., 37ff., 41 ff. Marx an Engels, 16. 4. 1856, in: Ebenda, S. 47.

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an, um dessen Verstrickung in die Mainzer Revolution entschuldigend zu erklären, und machte aus ihm einen solchen bürgerlichen Politiker, wie er für den gemäßigten vormärzlichen Liberalismus noch eben brauchbar war.17 Die mit Abstand beste Würdigung der Mainzer Klubisten stammt aus der Feder eines kleinbürgerlichen Demokraten, des gebürtigen Mainzers Ludwig Bamberger, der noch 1849 im pfälzischen Aufstand für die Erhaltung der revolutionären Errungenschaften von 1848 gestritten hatte. Als politischer Emigrant veröffentlichte er 1861 einen Artikel über Die Fran^öselei am Rhein, worin er die Hinwendung zum bürgerlichen Frankreich als eine notwendige Folge aus der verfaulenden deutschen Feudalherrschaft erklärte, die Eigenverantwortlichkeit, Verantwortungsfreude und heldenmütige Ausdauer der Mainzer Jakobiner bei ihrer Sinnesart rühmte und nur einen — allerdings wesentlichen — Vorbehalt machte: Er nannte die Mainzer Republik wegen ihrer Bindung an Frankreich eine „ehrlich gemeinte, aber falsch angelegte Sache".18 Damit bewies er einmal mehr, daß es ihm wie der ganzen kleinbürgerlichen Demokratie im 19. Jahrhundert an revolutionärer Konsequenz mangelte. Ebensowenig wie solche halben Bekenntnisse aus den besten Zeiten des Liberalismus und der kleinbürgerlichen Demokratie hatten rheinländische Herkunft und Familientradition ein innigeres Verhältnis zur Mainzer Republik begünstigen können. Trier, der Geburtsort von Karl Marx, und Barmen, der von Engels, lagen außerhalb der Reichweite jener Ereignisse von 1792/93, die in der Konstituierung des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents gipfelten. Stadt und Erzbistum Trier hatten zwar nach 1789 eine ganze Reihe städtischer und bäuerlicher Unruhen erlebt. Gegen die kurfürstliche Förderung der konterrevolutionären Umtriebe französischer Emigranten hatte sich in den kurtrierischen Landständen dann sogar eine bürgerliche Opposition formiert, die nach dem siegreichen Vorstoß der Revolutionstruppen in die Pfaffengasse bis nach Mainz den Kontakt mit dem General Custine suchte, aber doch nur zur Bezeugung des Wohlverhaltens gegenüber dem revolutionären Frankreich und nicht um französischer Hilfe für eine bürgerliche Umwälzung im Trierischen willen.19 Auch im Bergischen mit der Stadt Barmen war es nach 1789 zu massenhaften Unbotmäßigkeiten gekommen; aber selbst solche bescheidenen Berührungen mit der Revolution wie die der kurtrierischen Ständevertreter in Mainz hatte das rechtsrheinische Herzogtum Berg nicht erfahren. Beide, Trier und Barmen, erlebten erst sehr viel später unmittelbare Auswirkungen der Französischen Revolution — Trier im Gefolge der Angliederung des gesamten Linksrheinischen an Frankreich und Barmen im Zuge der Gründung des Großherzogtums Berg, das im Rahmen des Rheinbundes einer französischen Präfektur auf deutschem Boden gleichkam. In beiden Fällen also erfolgte die Übernahme französischer bürgerlicher Gesetze in einer Zeit, da Frankreich den Höhepunkt seiner Revolution längst überschritten hatte, im Innern die demokratischen Errungenschaften systematisch abbaute und in seiner Außenpolitik Eroberungszüge aufzunehmen begann .Trier wurde immerhin noch Ende des 18. Jahrhunderts von der cisrhenanischen Bewegung berührt, die unter der Bevölkerung im Linksrheinischen und in Übereinstimmung mit dem großbourgeoisen Direktorium in Paris für die Republik warb 20 ; aber zum ersten ließ sich Trier dabei von der kurtrierischen Residenzstadt Koblenz weit überflügeln, und zum anderen setzte Bonaparte schon mit dem 18. Brumaire solchen Aktivitäten von unten 17 18 19 20

Forsters Sämtliche Schriften, Bd. 7, S. 1—78. Bamberger, Französelei, S. 255. Hansen II, S. 481 ff., 497ff. Hansen III, S. 1023ff., 1060ff., 1080ff„ 1 1 8 2 f f . ; IV, passim.

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faktisch wieder ein Ende. Was an fortschrittlicher bürgerlicher Gesetzgebung nunmehr im Linksrheinischen wie im Bergischen Eingang fand, wurde durch Dekret von oben realisiert. Weiterhin hat gewiß auch die spezifische Form des Liberalismus, wie er in Südwestdeutschland in den dreißiger Jahren entstanden war, Marx und Engels wenig gereizt, seine Geschichte bis auf seinen revolutionär-demokratischen Ursprung zurückzuverfolgen, der seinen sinnfälligsten Ausdruck im Gebiet von Rheinhessen und Rheinbayern in Gestalt der Mainzer Republik gefunden und hier immerhin auch eine bemerkenswerte personelle Kontinuität im Gefolge hatte. Im Vergleich zu den drei anderen linksrheinischen Departements, die den wesentlichen Teil des späteren preußischen Rheinlands ausmachten, zeichnete sich das Donnersberg-Departement — das spätere Rheinhessen und Rheinbayern — in Verwaltung und Justiz durch eine Beamtenschaft aus, die sich zu einem großen Teil schon 1792/93 in den Dienst der Revolution gestellt hatte. „Man wird" — so heißt es in einer personengeschichtlichen Studie über das Linksrheinische während der französischen Herrschaft — „bei aller Vorsicht in der Interpretation sagen können, daß das Ausmaß der personellen Kontinuität nach der Herkunft der Beamten regional der Durchdringung der einzelnen Gebiete mit dem Geist der Revolution vor dem Einmarsch der Franzosen und in den ersten Jahren der Besetzung entspricht." 21 Die progressive Bedeutung dieser Tatsache reichte bis weit ins 19. Jahrhundert, da die beiden ehemaligen Rheinbundstaaten Bayern und Hessen-Darmstadt 1815 nicht nur in der Regel diese Beamten übernahmen, sondern auch die Erhaltung der sogenannten Institutionen, der fortschrittlichen französischen Errungenschaften, garantierten und 1816 bzw. 1818 Provinzialvertretungen einrichteten. Die letzteren knüpften an die Departementsräte der französischen Zeit an und trugen in ihrer Zusammensetzung ebenfalls zur personellen Kontinuität bei — wieder im Gegensatz zum preußischen Rheinland, dessen Provinziallandtag erst 1825 zusammentrat und dem grundbesitzenden Adel eine klare Vorzugsstellung einräumte.22 Als beispielhaft für die Existenz eines revolutionären Traditionsbewußtseins auch in den werktätigen Schichten kann das Verhalten des Frankenthaler Bürstenbinders Johann Philipp Becker — des späteren engen Freundes und Kampfgefährten von Marx und Engels — gelten: Anläßlich des Besuchs des bayerischen Königs 1829 stimmte er auf dem Platz, wo sein Großvater 1793 den Freiheitsbaum errichtet hatte, mit Gleichgesinnten die Marseillaise an.23 Daß nach der Julirevolution in Frankreich das pfälzische Hambach Ende Mai 1832 Schauplatz der bis dahin größten Manifestation der antifeudalen Oppositionsbewegung werden konnte, war demnach kein Zufall. Diese bis auf den Mainzer Jakobinismus zurückgehende Tradition hatte das Ihrige dazu beigetragen, daß in Hambach — so Engels — „nicht mehr der nebelhafte Drang wartburg-festlicher Burschenschafter" von 1817 dominierte24, die ja nicht nur den österreichischen Korporalstock, den preußischen Schnürleib und den hessischen Zopf, sondern auch den Code Civil Napoleons dem Feuer überantwortet hatten. Vergleichsweise war der von den Advokaten und sonstigen bürgerlichen Ideologen formulierte Hambacher Einheitsruf — wie Engels sagte — „der Erde schon bedeutend nähergekommen".25 21 22 23 2i 26

Faber, Verwaltungs- und Justizbeamte, S. 358. Derselbe, Rheinische Institutionen, S. 20ff. Becker, Curriculum vitae, S. 318. Engels, Rolle der Gewalt, S. 410. Ebenda.

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Der bayerische Innenminister Fürst von Öttingen-Wallerstein hatte also guten Grund, in seinem Bericht über eine Inspektionsreise durch den Rheinkreis ein Jahr nach dem Hambacher Fest „von der noch im frischen Andenken stehenden Revolution" 2u sprechen.26 Aber bereits 1842, also noch nicht als Kommunist, sondern als bürgerlicher revolutionärer Demokrat kritisierte Engels, daß dennoch „der eigentliche Inhalt dieser Richtung sehr ins Allgemeine, Vage, Blaue hinauslief".27 Er konnte diese Feststellung treffen, weil inzwischen, nämlich mit der Schilderhebung der preußischen Bourgeoisie 1840, der norddeutsche Liberalismus auf den Plan getreten war. Es war ein Liberalismus ganz anderer Machart als der süddeutsche, nicht mehr getragen nur von Advokaten und Professoren, sondern von Bankiers und Fabrikanten, die wußten, was sie wollten, weil ökonomische Notwendigkeiten sie trieben. Diese Camphausen und Hansemann „waren im Handel und zum Handel auferzogen, verstanden zu handeln und ließen mit sich handeln".28 Auch dieser Liberalismus profitierte von der Französischen Revolution, denn es war die rheinpreußische Bourgeoisie, die sich in den vierziger Jahren an die Spitze der oppositionellen Bewegung stellte und stellen konnte, denn — so Engels — „vor den übrigen durch die Franzosen revolutionierten deutschen Ländern hatte Rheinpreußen die Industrie, vor den übrigen deutschen Industriebezirken (Sachsen und Schlesien) die Französische Revolution voraus". 29 Die Traditionen, die diesen Teil Deutschlands mit der Revolution verbanden, gingen allerdings nicht hinter das Jahr 1795, das Jahr des Basler Friedens zurück, in dem Preußen faktisch der Abtretung des linken Rheinufers an das nun schon von der Großbourgeoisie beherrschte Frankreich zustimmte. Der darum notwendig mangelhaften revolutionär-demokratischen Traditionslinie in Rheinpreußen stand jedoch die Entstehung einer mächtigen industriellen und kommerziellen großen Bourgeoisie gegenüber, so daß 1842/43 die Rheinische Zeitung, das bedeutendste oppositionelle Blatt des Vormärz in Deutschland, von der rheinischen Bourgeoisie gegründet und finanziert, in Köln erscheinen und als Chefredakteur einen Karl Marx gewinnen konnte. Natürlich hat die große Bourgeoisie, „die Blüte des vormärzlichen rheinischen Liberalismus" 30 , dann aus Furcht vor dem Proletariat an ihrer eigenen Revolution 1848/49 schändlichen Verrat geübt. Doch war die Haltung des Kleinbürgertums — auch im Rheinhessischen und in der Rheinpfalz und trotz revolutionär-demokratischer Traditionen hier — im Grunde noch erbärmlicher. Engels hatte als aktiver Teilnehmer an der Reichsverfassungskampagne am eigenen Leibe die gänzliche Unfähigkeit dieser Klasse erfahren: Das Kleinbürgertum munterte „mit hochtrabenden Worten und prahlerischem Rühmen der Taten, die es verrichten werde, zum Aufstand auf; kaum war der Aufstand, sehr gegen seinen Willen, ausgebrochen, suchte es gierig, die Macht an sich zu reißen, machte aber von dieser Macht nur Gebrauch, um den Erfolg des Aufstands zunichte zu machen".81 Trotz seiner einstigen revolutionär-demokratischen Ursprünge gab der kleinbürgerliche süddeutsche Liberalismus nichts mehr her, worauf Marx und Engels setzen konnten. Für Marx und Engels war es die Große Französische Revolution, die immer wieder ihre Aufmerksamkeit fesselte; denn die Tatsache, daß im Gegensatz zu früheren, aber auch 26 27 28 29 30 31

Becker, Die Pfalz, S. 86. Engels, Nord- und süddeutscher Liberalismus, S. 247. Derselbe, Rolle der Gewalt, S. 411. Derselbe, Reichs Verfassungskampagne, S. 117. Ebenda, S. 118. Derselbe, Revolution und Konterrevolution, S. 100.

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zu späteren bürgerlichen Revolutionen die Französische „wirklich ausgekämpft wurde bis zur Vernichtung des einen Kombattanten, der Aristokratie, und zum vollständigen Sieg des andern, der Bourgeoisie"32, machte sie zur bürgerlichen Leitrevolution mit Weltgeltung. Dank ihrer direkten und indirekten Wirkungen über die französischen Grenzen hinaus konnte auch in Deutschland die bürgerliche Revolution eingeleitet werden. Die Klassizität der Französischen Revolution erklärt den hohen Erkenntniswert, den ihr Studium für die Entwicklung der Revolutionstheorie von Marx und Engels besaß. Sie macht aber auch gleichermaßen verständlich, daß dabei Betrachtungen über den Einfluß dieser Revolution auf die Herausbildung revolutionär-demokratischer Bestrebungen in einzelnen Teilen Deutschlands zur cura posterior werden mußten. Für Engels setzte die maßgebliche Einwirkung auf Deutschland mit dem Basler Frieden ein, und darum formulierte er in seiner Reichsverfassungskampagne: „Rheinpreußen teilt mit Luxemburg, Rheinhessen und der Pfalz den Vorteil, seit 1795 die Französische Revolution und die gesellschaftliche, administrative und legislative Konsolidierung ihrer Resultate unter Napoleon mitgemacht zu haben."33 Das Lob, das Engels — wie schon gesagt — 1845 als junger Mann dem Georg Forster gespendet hatte, galt darum auch nur indirekt dem Mainzer Jakobiner, der auf einem Zipfel deutschen Bodens französische Grundsätze realisieren wollte. In erster Linie hatte Engels den kompromißlosen Verteidiger der Französischen Revolution im Auge, der in der Tat und im Gegensatz zu den empfindsamen Klopstockianern wie zu den ästhetisch-idealistischen Klassikern alle Phasen ihres atemberaubenden Aufstiegs mitmachte und ihr bis zu seinem Tode die Treue hielt. Dennoch sind mit diesem zweifellos wesentlichsten Aspekt des Urteils von Engels nicht sämtliche Bezüge ausgeschöpft. Allein der Vergleich mit Thomas Paine — „warum nicht Georg Forster feiern, den deutschen Thomas Paine...?" 34 — macht es wahrscheinlich, daß Engels von Forsters aktivem Einsatz auf deutschem Boden im Sinne und im Interesse der Französischen Revolution wenigstens in groben Zügen unterrichtet war, da er von Paines Aktivitäten in Amerika und England mit Sicherheit wußte. Forster hätte kaum den Atem für den Aufstieg bis zur Herrschaft des Berges in Paris gehabt, wenn er nicht im Gefolge des Vorstoßes der französischen Revolutionstruppen unter Custine gänzlich andere Verhältnisse kennengelernt hätte. Erst die anfangs sehr breite und antifeudale Bewegung im Volke zwischen Landau und Bingen und dann die harte Schule des Klassenkampfes gegen die sich mit allen Mitteln verteidigende Feudalreaktion haben aus dem Revolutionsfreund Forster den aktiven Jakobiner gemacht, den nichts und niemand mehr in seiner Haltung zur Französischen Revolution zu irritieren vermochte. Der von Engels gepriesene Forster war ohne seine praktische revolutionäre Erfahrung nicht denkbar. Der andere von Engels angezogene Vergleich, nämlich der Forsters mit Andreas Hofer, läßt noch einen weiteren Aspekt seiner Betrachtungsweise aufleuchten, über den aber am besten im Zusammenhang mit der Marxschen Apostrophierung der Mainzer Klubisten zu sprechen sein wird. Im Gegensatz zu Engels, der immerhin einen deutschen Jakobiner turmhoch über Hofer stellte, erinnerte sich Marx ein knappes Dutzend Jahre später der Mainzer Jakobiner lediglich unter einem negativen Blickwinkel: Er fürchtete für die Rheinprovinz eine ähnlich fatale Situation, die es seit mehr als einem halben Jahrhundert feudalen wie 32 33 34

Derselbe, Einleitung zur ,Entwicklung des Sozialismus', S. 303; vgl. auch Vorrede zur 3. Auflage des ,18. Brumaire', S. 249. Derselbe, Reichsverfassungskampagne, S. 115. Derselbe, Deutsche Zustände, S. 577.

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Spezialstudie

bürgerlichen Geschichtsschreibern ermöglicht hatte, die Mainzer Klubisten als Vaterlandsverräter zu verteufeln. Was Marx fatal nannte, bezog sich natürlich vor allem auf das Rheinland der fünfziger Jahre des 19. und weniger auf die Mainzer Republik im ausgehenden 18. Jahrhundert. Der gewählte Vergleich machte lediglich deutlich, mit welcher Intensität und Effektivität die Reaktion den Vorwurf des Vaterlandsverrats strapazieren würde, wenn eine Insurrektion des Rheinlandes im Gefolge einer Umwälzung im bonapartistischen Frankreich auf sich selbst gestellt bliebe und sich darum notgedrungen an das revolutionäre Frankreich lehnen müßte. Nach den Kämpfen des Vormärz und März um Schleswig-Holstein und in der Reichsverfassungskampagne, die alle unter der Losung von Einheit und Freiheit geführt worden waren, hätte ein insurgiertes Rheinland, dem keine entsprechende tournure in Preußens Hauptstadt die Verbreitung des revolutionären Feuers über weite Teile Deutschlands sicherte, in der Tat einen sehr schweren Stand gegenüber dem Vaterlandsverratsgeschrei der feudalen Reaktion und der bourgeoisen Konterrevolution gehabt. Neben den bereits aufgeführten Gründen, die es Marx und Engels schwer machten, deutsche jakobinische Traditionen aufzugreifen, war es nicht zuletzt gerade auch die Rücksicht auf den 1848/49 postulierten einheitlichen bürgerlichen Nationalstaat, die ihr Verhältnis zum linksrheinischen Jakobinismus mitbestimmte. Angesichts der brennenden historischen Notwendigkeit, die territorialstaatliche Zersplitterung endlich zu überwinden, gab die Mainzer Republik als Leitbild wenig her. Ganz zweifellos war Engels' Rückgriff von 1850 auf den Bauernkrieg, über den Anfang der vierziger Jahre zudem die umfangreiche Darstellung aus der Feder Wilhelm Zimmermanns vorlag, der gegebenen Lage ungleich adäquater. Die Konstatierung einer möglichen fatalen Situation durch Marx 1856 war Ausfluß einer Analyse des derzeitigen sozialen Kräfteverhältnisses. Sie bedeutete aber unter gar keinen Umständen die Distanzierung von einer revolutionären Entwicklung, die solche und andere Fatalitäten nicht ausschloß oder auch mit Sicherheit im Gefolge hatte. Solche konsequent revolutionäre Einstellung unterschied eben die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus von der halbherzigen kleinbürgerlichen Demokratie ä la Bamberger, der den Mainzer Klubisten wohl den guten Willen konzedierte, sich aber von ihrer Sache als „falsch angelegt" distanzierte.35 Marx und Engels haben zwar 1871 die Pariser Arbeiter vor einem isolierten Losschlagen gewarnt, die Pariser Kommune fand sie jedoch mit Rat und Tat an ihrer Seite bis zum bitteren Ende. Sie sagten sich ebensowenig von den Rheinländern los, die Mitte der fünfziger Jahre auf revolutionäre Entwicklungen im Gefolge einer Umwälzung in Frankreich hofften. Anfang März 1856 hatte Marx konstatiert: „Am Rhein scheint übrigens der Glaube an Revolution in Frankreich ziemlich verbreitet, und selbst die Philister sagen: Diesmal geht's anders wie 1848. Diesmal kommen Lüt' wie Robespierre etc. statt der Schwätzer von 1848."36 Mitte April identifizierten er und Engels sich bereits mit einer solchen möglichen revolutionären Erhebung trotz der Gefahr, vom übrigen Deutschland isoliert zu bleiben. Eine solche Identifikation jedoch schloß die Distanzierung von den Mainzer Klubisten aus, denn deren Position „in der alten Revolution" kennzeichnete Bedingungen, die ähnlich hart sein mochten, aber eben unvermeidbar gewesen waren. 37 Das Vaterlandsverratsgeschrei wurde von Marx und Engels lediglich als Waffe der 35 36 37

Bamberger, Franzòselei, S. 255. Marx an Engels, 5. 3. 1856, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 29, Berlin 1963, S. 29. Marx an Engels, 16. 4. 1856, in: Ebenda, S. 47.

Die Klassiker des Marxismus

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Konterrevolution gefürchtet, die damit Unheil stiften konnte und darum besser gar nicht erst in ihren Besitz gelangen sollte. Eine in der Sache begründete Berechtigung, derartige Vorwürfe zu erheben, haben sie den konterrevolutionären Kräften weder in den fünfziger Jahren zuerkannt, als sie mit dem Ausbruch einer proletarischen Revolution rechneten, noch im ausgehenden 18. Jahrhundert, als es um den welthistorischen Sieg der bürgerlichen Ordnung über die Feudalität ging. Im Gegenteil, für Engels war gerade darum Georg Forster ein sehr viel besserer Patriot als Andreas Hofer und verdiente darum auch dessen Platz in der Reihe hervorragender „Patrioten aller Länder", deren man auf englischen Demokratenversammlungen zu gedenken pflegte. 38 Denn damals stand die Konstituierung der bürgerlichen Nation auf der Tagesordnung, das heißt — um mit Marx zu sprechen — „der Sieg des bürgerlichen Eigentums über das feudale, der Nationalität über den Provinzialismus.. ,"39 Die Tatsache, daß für Marx und Engels die ethnischen, sprachlichen und sozialpsychologischen Gemeinsamkeiten nur im Zusammenhang mit der sozialen Seite für die Nation bedeutungsvoll, die soziale Grundlage und der soziale Inhalt der Nation aber entscheidend waren, entspricht übrigens durchaus auch den Begriffen des Patriotismus und der Nation, wie sie auf deutschem Boden im Ansatz schon von der Aufklärung und dann im Zeitalter der Französischen Revolution von ihren Freunden und Feinden gehandhabt wurden. Als die historische Notwendigkeit einer bürgerlichen deutschen Nation herangereift war und ihren ideologischen Vorbereitern bewußt zu werden begann, war tatsächlich der Begriff des Patriotismus mit dem der Rebellion gegen die feudale Adelsund Fürstenherrschaft nahezu deckungsgleich.40 Als Engels dann noch einmal, nur wenige Jahre vor seinem Tode, auf die Rolle von Mainz in der Zeit der Französischen Revolution zu sprechen kam, geschah es im Zusammenhang mit dem Sieg, den die Sozialdemokratie nach dem Ende des Sozialistengesetzes im November 1892 bei den'Wahlen zur Mainzer Stadtverordnetenversammlung errungen hatte: „Und es bleibt Euch unvergessen, daß Mainz die einzige deutsche Stadt war, die in der großen Revolution eine ehrenvolle Rolle gespielt hat." 41 Der Bezug auf das historische Geschehen vor exakt 100 Jahren — im November 1792 entfaltete der Mainzer Jakobinerklub seine aufsehenerregende propagandistische Tätigkeit — mag nahegelegen haben; dennoch darf man berechtigte Zweifel hegen, ob Engels über derartig detaillierte Kenntnisse verfügte, denn die bürgerliche Historiographie hatte wenig zu ihrer Verbreitung getan, und Johann Philipp Becker war auch schon sechs Jahre tot. Aber es geht hier gar nicht um das Detail, sondern ganz allgemein um die Rolle der revolutionären Tradition. Engels stellte eine unmittelbare Beziehung des jakobinischen Mainz zur revolutionären Arbeiterbewegung seiner Zeit her. Ungeachtet des durchaus andersartigen Klassencharakters der revolutionären Kämpfe hundert Jahre zuvor erschienen sie tradierenswert, denn sie waren geeignet, ein revolutionäres Traditionsbewußtsein in der Arbeiterbewegung zu entwickeln, deren historische Mission in einer zwar keineswegs gleichen, aber durchaus vergleichbaren Umwälzung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse bestand. Hinzu kam die spezifische Fähigkeit der Arbeiterklasse, historische Illusionen der bürgerlichen Revolutionäre als intellektuelle Vorleistungen nicht nur zu würdigen, sondern sie — auf einer höheren Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung — mit dem Ziel aufzugreifen, sie in Realitäten zu verwandeln. Engels, Deutsche Zustände, S. 577. Marx, Bourgeoisie und Konterrevolution, S. 107. 40 Vgl. dazu die Spezialstudie Zum Patriotismusbegriff S. 515 ff. " Engels an Stumpf, 30. 11. 1 892, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 38, Berlin 1968, S. 527. 38 39

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Personenregister von Edith Scheel-Korth

Im Register sind die Personen, die im Text erscheinen, aber ins späte 19. Jahrhundert bzw. ins 20. Jahrhundert gehören, durchgängig nur mit Namen und Vornamen vermerkt. A i g u i 11 o n , Armand-Desire Comte de; geb. 31. 10. 1761 Paris, gest. 4. 5. 1800 Hamburg; royalistischer Emigrant 351 A l b e r t , Andreas; geb. um 1744 Mainz; Schreinermeister und Munizipalsuppleant in Mainz 269 A l b i n i , Franz Joseph Martin Freiherr von; geb. 14. 5. 1748 Sankt Goar, gest. 8. 1. 1816 Dieburg; Hofkanzler in Mainz 32, 33, 43, 45, 47, 79, 83, 85, 92, 130, 167, 279, 281, 298, 474, 477, 479, 516 A m m o n , Johannes Martin; Munizipal in Worms 410 A n s m a n n , Bernhard Albert; geb. 23. 9. 1769 Berlichingen, gest. 29. 10. 1854 Zweibrücken; cand. jur. in Mainz 80 Ar a n d , Karl Melchior; geb. 2. 6. 1754 Heiligenstadt, gest. 9. 11. 1823 Naumburg; Pfarrer in Nackenheim, Konventsdeputierter von dort 103, 136, 197, 223, 280, 325, 484, 498 A r e n s b e r g e r , Martin; geb. 14. 12. 1754 Winkel; Kaplan in Kastel 111, 280, 481 A r e t i n , Karl Otmar Freiherr von 59, 334, 339 Arminius ; geb. um 17 v. u. Z., gest. 19 u. Z.;

germanischer Stammesfürst 222, 521, 522 A r t o i s , Charles Comte de; geb. 9. 10. 1757 Versailles, gest. 6. 11. 1836 Görz; Emigrantenführer, Bruder Ludwigs X V I . 24 A u g e r e a u , Pierre-François-Charles ; geb. 2 1 . 1 0 . 1 7 5 7 Paris, gest. 1 1 . 6 . 1 8 1 6 La Houssaie; frz. General 506-508, 512-514 A u l a r d , Alphonse-François 351, 353 A z z o l a , Axel 173, 345

B a c h , Adolf 48 B a c h e r , Theobald-Jacques-Justin; geb. 17. 6. 1748 Thann, gest. 15. 11. 1813 Mainz; frz. Gesandtschaftssekretär in Basel 501, 502 B a d e n siehe: K a r l F r i e d r i c h B ä r , Isaak; Jude in Weisenau 102 B a h l , Johannes; gest. 9. 1. 1805; Brückenmeister in Mainz 21, 27, 28, 84, 85 B a m b e r g e r , Ludwig 48, 213, 312, 314, 315, 532, 536 B a h r d t , Karl Friedrich; geb. 25. 8. 1741 Bischofswerda, gest. 23. 4. 1792 Halle;

556 Theologe, Schriftsteller in Halle 73 B a r b i e r de T i n a n ; Präsident des Straßburger Jakobinerklubs 371 B a r n a v e, Antoine-Pierre-Josephe-Marie; geb. 22.10.1761 Grenoble, gest. 29.11. 1793 Paris; Mitglied der Nationalversammlung in Paris 351 Barth; Einwohner in Gaulsheim 215 B a s e d o w , Johann Bernhard; geb. 11. 9. 1723 Hamburg, gest. 25. 7.1790 Magdeburg; Pädagoge in Dessau 171 B a u e r , Walter 322 B a u m a n n , Kurt 290, 291 B a y e r , Karl; geb. um 1753 Münster/Westfalen; Silberschmied, Notabel und Munizipal in Mainz 264 Beck; Kaufmann in Worms, Klubmitglied 404 B e c k e r , August; geb. 1812 Biedenkopf, gest. 1875 Cincinnati; Enkel des Johann Alois B., Mitglied des „Demokratischen Vereins" 1848 291 B e c k e r , Johannes; geb. um 1731; Magistratsmitglied und Maire in Speyer 191, 192 B e c k e r , Johann Alois; geb. Mai 1769 Mainz, gest. 21.9.1850 Mainz; Kaufmannslehrling, Wahlkommissär, Sekretär der 2. Allgemeinen Administration 55, 127, 190, 239, 284, 291, 334 B e c k e r , Johann Nikolaus; geb. 1773 Beilstein; Reiseschriftsteller 42, 50, 52, 84, 86, 299, 462 B e c k e r , Johann Philipp; geb. 20. 3. 1809 Frankenthal, gest. 9. 12. 1886 Genf; Bürstenbinder, Revolutionsgeneral 1848/49 291, 292, 533, 537

Personenregister B e c k e r , Otto Hasso 323 B e n t z e l , Anselm Franz Freiherr von; geb. 28. 8.1738 Mainz, gest. 7. 3. 1786 Emmerichshofen; Universitätskurator in Mainz 459 Berlinger; Witwe in Mainz, Schwester des Prof. Spoor 261 B e t z , Joachim; geb. um 1735 Neuhausen, gest. 13. 12. 1824 Mainz; Wahlkommissär in Worms 187-189, 198 B e u r n o n v i l l e , Pierre de Riel Marquis de; geb. 10. 5. 1752 Champignolle, gest. 23. 4. 1821 Paris; frz. General, Kriegsminister 51, 52, 157, 162, 488, 493, 497, 498 Beyer; Klubmitglied in Worms 402, 439 B i b r a , Philipp Anton Freiherr von; geb. 2. 12. 1751 Bamberg, gest. 3. 11. 1826 Würzburg; Vizedominus in Mainz 20, 21, 28, 93 B i r o n , Armand-Louis de Gontaut Duc de; geb. 13. 4. 1747 Paris, gest. 31. 12. 1793 Paris; frz. General 35, 40, 41, 52, 157, 481, 493, 494, 497 B i s m a r c k , Otto Fürst von; geb. 1. 4. 1815 Schönhausen, gest. 30. 7. 1898 Friedrichsruh preuß. Ministerpräsident und Reichskanzler 311, 314 B i t t o n g , Johann Baptist; geb. 9. 1. 1762 Mainz, gest. 6. 8. 1823 Niederolm; Notar in Mainz, Korporal der Nationalgarde, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Bingen 80, 105, 123, 124, 142, 215 B l a n c h a r d , Pierre; gest. 26. 7. 1794 Paris; frz. Kriegskommissär 70, 126, 246, 247, 479, 480, 492, 497 B l a n n i n g , Timothy Charles William 16, 17, 340 B l a u , Felix Anton; geb. 15. 2. 1754 Walldürn, gest. 23. 12. 1798 Mainz;

Personenregister Prof. der Theologie in Mainz, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Badenheim 88, 105, 110, 172, 178, 194, 220, 227, 234, 235, 246, 280, 283, 310, 311, 325, 461, 482, 488 B l e n n e r h a s s e t , Charlotte 318 B l e ß m a n n , Johann Christoph; geb. 7. 10. 1761 Göttingen, gest. 18. 4. 1836 Zweibrücken; Sprachlehrer in Mainz, Generalsekretär der 1. Allgemeinen Administration, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Frankenberg 71, 110, 120, 2 0 2 - 2 0 4 , 220, 232, 234, 235, 481, 500 B i o s , Wilhelm 317 B l o u , Jean-Antoine de; geb. 8. 5. 1737 Thueyts, gest. 27. 6. 1793 Mainz; frz. General 67, 182 B o c k e n h e i m e r , Karl Georg 48, 249, 316 B ö h m e r , Caroline; geb. 2. 9. 1763 Göttingen, gest. 7. 9. 1809 Heilbronn; Gast bei den Forsters in Mainz, Schwägerin des Georg Wilhelm B. 15, 21, 57, 7 5 - 7 7 , 142, 318, 462, 463 B ö h m e r , Georg Wilhelm; geb. 7. 2. 1761 Göttingen, gest. 12. 1. 1839 Göttingen; Konrektor in Worms, Sekretär Custines in Mainz 24, 39, 40, 50, 52, 58, 62, 63, 65, 67, 7 5 - 7 7 , 9 2 - 9 4 , 103, 110, 121, 136, 141, 142, 177, 180,226-228, 230,234,236,239,252-254, 266, 282, 283, 285, 310, 354, 3 8 8 - 3 9 1 , 400, 410, 412, 422, 464, 4 8 2 - 4 8 5 , 487, 488, 493, 498, 504 B ö h m e s r i t t e r , Georg; Schneidermeister in Mainz 261, 262 B ö r c k e l , Alfred 318 Bois; frz. Offizier in Mainz

162

B o n a p a r t e , Napoleon; siehe N a p o l e o n I. frz. General

557 B o o s , Heinrich 318 Boos von Waldeck, Ludwig Joseph Graf von; geb. 1734, gest. 1813 kurtrierischer Oberhofmarschall 404 B o o s t , Johann Adam; Student in Mainz, Sohn des Karl Joseph Schweikard B. 48, 287 B o o s t , Karl Joseph Schweikard; geb. 9. 5.1739 Mainz, gest. 1 4 . 1 0 . 1 8 1 1 Mainz; Amtsverweser zu Höchst, Generalprokurator der 1. Allgemeinen Administration, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Wendelsheim 80, 100, 110, 112, 215, 216, 220, 238, 239, 268-270 B o r c k , Michael; geb. 25. 5. 1754 Gauböckelheim, gest. 16. 1. 1816 Gauböckelheim; Bauer, Ortsvorsteher und Konventsdeputierter von Gauböckelheim 215 B r a u b a c h , Max 296 B r a u n , Axel

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B r a u n s c h w e i g , Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von; geb. 9. 10. 1735 Wolfenbüttel, gest. 10. 11. 1806 Ottensen; Oberbefehlshaber der österr.-preuß. Interventionsarmee 33, 66, 477 Brechter; Kaufmann in Worms, Klubmitglied 404 B r e n n e i s e n , Jakob Joseph; geb. um 1769 Langenelz; Krämer und Polizeikommissärsubstitut in Mainz 258, 259 B r e t z e n h e i m , Karl August Friedrich Joseph Fürst von; geb. 24. 10. 1769, gest. 27. 2. 1823 Wien; natürlicher Sohn des Kurfürsten Karl Theodor von Pfalz-Bayern 17, 18 B r i s s o t , Jacques-Pierre; geb. 14. 1. 1754 Chartres, gest. 31. 10. 1793 Paris;

558 führender Girondist, Konventsdeputierter in Paris , 29, 31, 68, 74, 107, 365, 448 B r u c h , Sebastian; Kaufmann, Mitglied des wechselnden Rats, Klubmitglied und Munizipal in Worms 396, 403, 404, 410, 425 B u c h h o l z , Friedrich Paul Ferdinand; geb. 5. 2.1768 Altruppin, gest. 24. 2. 1843 Berlin; Publizist 300 B u d d r u s , Eckhard 98 B ü n a u , Rudolf Freiherr von; geb. 1750, gest. 1806; kursächsischer Gesandter in Mainz 20 B ü r g e r , Gottfried August; geb. 31. 12. 1747 Molmerswende, gest. 8. 6. 1794 Göttingen; Dichter 137 Buhot; geb. Paris; frz. Kriegskommissär 70, 116, 392 B u r k a r d , Johann Stephan Maria Valentin Dominik; geb. 5. 8.1757 Mainz, gest. 1812; Stadtphysikus in Mainz 74 C a l v i n , Jean; geb. 10. 7.1509 Noyon, gest. 27. 5. 1564 Genf; Reformator 432 C a m b o n , Pierre-Josephe; geb. 10. 6. 1756 Montpellier, gest. 15. 2. 1820 Saint-Josse-ten-Voode; Konventsdeputierter in Paris 147, 149 C a m p h a u s e n , Ludolf; geb. 3. 1. 1803 Hünshoven, gest. 3. 12. 1890 Köln; preuß. Ministerpräsident 1848 290, 534 Capon; Präsident des Jakobinerklubs in Avignon 414 C a p r a n o , Johann Adam; geb. 23. 4. 1760 Mainz, gest. 9. 10. 1800 Mainz;

Personenregister Jurist in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Dudenhofen 74, 190, 229, 238 C a r n o t , Lazare-Nicolas; geb. 13.5.1753 Nolay, gest. 3.8.1823 Magdeburg; Konventsdeputierter in Paris 69, 278 C a r s t e n s , Karl 530 C h a m b i o n , Franz Anton; geb. 13. 5. 1754 Aschaffenburg, gest. 30. 7. 1822 Bretzenheim; Pfarrer in Ostrich 74 C h a t e a u n e u f - R a n d o n , Alexandre-PaulGuerin de; geb. 18. 10. 1757 Tarbes, gest. 22. 10. 1827 Epervans; frz. General 513 C h e l i u s , Heinrich Wilhelm; geb. um 1743 Hohensülzen, gest. 24. 3.1818 Ilbesheim; Pfarrer in Ilbesheim, Konventsdeputierter von dort 219 C h u q u e t , Arthur 48, 96 C l a u e r , Karl von; geb. in Schleiz, gest. vor 1800; Publizist in Straßburg 26, 27, 71, 483, 488, 489 C l a u s i u s , Christoph Heinrich; geb. 25. 12. 1740 Neustadt, gest. 11. 4. 1810 Worms; Senator und Munizipal in Worms, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Bobenheim, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 116, 238, 391, 396, 402, 403, 425 Clötzer; Kaufmann in Worms, Klubmitglied 404 C l o o t s , Jean-Baptiste (Anarcharsis) Baron de; geb. 24. 6. 1755 Kleve, gest. 24. 3. 1794 Paris; Kosmopolit, Konventsdeputierter in Paris 26, 61, 131, 168, 518 C o b e n z l , Johann Philipp Graf von; geb. 28. 5. 1741 Laibach, gest. 30. 8. 1810 Wien;

Personenregister österr. Staatskanzler 477 C o l l o r e d o - M a n s f e l d , Franz de Paula Gundaccar Fürst von; geb. 28. 5. 1731, gest. 27. 10. 1807 Wien; Reichs Vizekanzler 24, 477 C o l l o t d ' H e r b o i s , Jean Marie; geb. 19. 6. 1750 Paris, gest. 8. 1. 1796 Guayana; Konventsdeputierter in Paris 138 C o n d e , Louis-Josephe Prince de; geb. 9. 8. 1736 Paris, gest. 16. 5. 1818 Paris; Emigrantenführer 23, 24, 30, 39, 277, 408 C o n r a d y , Alexander 16, 320 C o o k , James; geb. 27. 10. 1728 Marlon, gest. 14. 2. 1779 Owaihi; engl. Weltumsegler 499 C o t t a , Friedrich Christoph; geb. 7. 8. 1758 Stuttgart, gest. 21. 9. 1831 Trippstadt; Publizist in Straßburg und Adjutant Custines in Mainz 71, 82, 95, 111, 1 1 2 , 1 2 3 , 1 3 0 , 1 3 1 , 138,139, 165, 168, 178, 210, 211, 231, 232, 346, 359, 3 6 0 - 3 6 2 , 379, 391, 400, 482, 485, 488, 489, 498 C o u d e n h o v e n , Sophie Gräfin von; geb. 21. 1. 1747, gest. 21. 5. 1825 Paris; Nichte und Favoritin des Mainzer Kurfürsten Erthal 28, 310, 460 C o u t h o n , Georges; geb. 22. 12. 1755 Orcet, gest. 28. 7. 1794 Paris; Konventsdeputierter in Paris 278 Crais; Bürgerfeldwebel in Worms 396 Crass; geb. um 1741 Mainz, gest. 1806; Buchdrucker in Mainz 137 C r o n a u e r , Joseph; Handelsmann und Munizipal in Mainz 269 Crousier;

559 Sekretär des Jakobinerklubs in Avignon 414 C u s t i n e , Adam-Philippe Comte de; geb. 4. 2. 1740 Metz, gest. 27. 8. 1793 Paris; frz. General und Oberkommandierender der Rheinarmee 33, 3 5 - 5 3 , 5 6 - 7 3 , 7 5 - 7 7 , 81, 82, 86, 88, 9 1 - 9 3 , 95, 98, 99, 101, 103, 109, 110, 116, 118, 119, 1 2 1 - 1 2 7 , 129, 130, 133, 136, 1 4 1 - 1 4 3 , 145, 150, 151, 1 5 6 - 1 6 3 , 165 bis 168,174, 1 7 5 , 1 7 9 , 1 8 0 , 183, 191, 219, 220, 230, 233, 237, 272, 273, 277, 278, 296 bis 298, 300, 303, 304, 314, 321, 330, 338 bis 340, 342, 346, 347, 354, 359, 360, 362, 363, 365, 3 8 8 - 3 9 2 , 398, 4 0 0 - 4 0 2 , 405, 4 0 8 - 4 1 0 , 412, 417, 418, 420, 421, 426, 434, 438, 444, 445, 454, 4 6 2 - 4 6 6 , 4 7 3 - 4 7 6 , 4 7 8 - 4 8 3 , 4 8 5 - 4 9 5 , 497, 498, 500, 503, 504, 5 1 6 - 5 1 8 , 532, 535 C y r e r , Wilhelm; geb. um 1755 Bergen/Norwegen; Wahlkommissär in Worms 190, 191

D a l b e r g , Karl Theodor Anton Maria Freiherr von; geb. 8. 2. 1744 Mannheim, gest. 10. 2. 1817 Regensburg; Koadjutor des Mainzer Kurfürsten Erthal 97, 162, 282, 459 D a m m , Heinrich; geb. um 1769 Würzburg; Oberamtsschreibergehilfe in Kirrweiler, Hauslehrer in Wetzlar 523 D a n t o n , Georges; geb. 28. 10. 1759 Arcis-sur-Aube, gest. 5. 4. 1794 Paris; Konventsdeputierter in Paris 69, 107, 453 D e g e n h a r d , Heinrich Adam; geb. um 1740 in Mainz; Sekretär der 1. Allgemeinen Administration in Mainz 214, 239, 257 D e l a c r o i x de C o n t a u t , Charles; geb. 15. 4. 1741 Givry-en-Argonne, gest. 26. 10. 1805 Bordeaux; frz. Außenminister 503, 505 D e s e z e , Romain; geb. 26. 9. 1748 Bordeaux, gest. 2. 5. 1828 Paris;

560 Advokat Ludwigs XVI. 165 D i e t r i c h , Philippe-Frédéric Baron de; geb. 14.11.1748 Straßburg, gest. 29.12. 1793 Paris; Eisenindustrieller und ehemaliger Maire von Straßburg 157 D i n a n g , J.; Sprachlehrer in Mainz 80 D i t t m e i e r , Anton Johann Siegmund; geb. Mainz; Student der Kameralistik in Mainz 20 Dolg; Ratsdiener in Worms 396 D o r s c h , Anton Joseph; geb. 13. 6. 1768 Heppenheim, gest. 13. 4. 1819 Paris; Präsident der 1. Allgemeinen Administration, Koventsdeputierter von Mainz 41, 63, 66, 67, 69, 70, 74, 82, 83, 87, 88, 93, 101, 110-112, 115-117, 122, 153, 160 bis 162, 190, 191, 197, 215, 218, 220, 221, 226, 234, 235, 239, 283, 285, 315, 325, 342, 354, 3 5 5 - 3 5 8 , 388, 389, 391, 399, 419, 480 bis 483, 4 8 7 - 4 8 9 , 503 D ' O y r é , François-Ignace-Ervoil ; geb. 27. 5. 1739 Sedan, gest. 1807; frz. General und Gouverneur von Mainz 244, 251, 258, 259, 2 6 3 - 2 6 5 , 272-275, 278 D r o z , Jacques 106, 528 D u b a y e t, Jean-Baptiste-Annibal-Aubert ; geb. 19. 8. 1759 Lousiana, gest. 17. 12. 1797 Konstantinopel ; frz. General und Stadtkommandant in Worms 188, 236 D u m o n t , Daniel; geb. um 1742 Mainz, gest. 23. 7. 1828 Mainz ; Vorsitzender des Handelsstandes in Mainz, Bruder von Heinrich D. 56, 98, 99, 132, 179-182, 281, 287, 298, 320, 395, 4 7 4 - 4 7 6 D u m o n t , Franz 17, 59, 60, 71, 90, 105, 106, 149, 150, 173, 182, 186, 196, 197, 215, 216, 219, 231, 239, 249, 251, 285, 289, 333, 337, 338, 340-345, 347, 348

Personenregister D u m o n t , Friedrich; geb. um 1770; Tabakhändler in Mainz, Bruder von Johann D. 127 D u m o n t , Heinrich Joseph; geb. 13. 7. 1750 Mainz, gest. 1807; Ratsverwandter und Munizipal in Mainz, Bruder des Daniel D. 112, 131, 159 D u m o n t , Johann; geb. um 1770; Tabakhändler in Mainz, Bruder von Friedrich D. 127 D u m o u r i e z , Charles-François; geb. 26. 1. 1739 Cambrai, gest. 14. 3. 1823 Turville-Park; frz. General und Oberbefehlshaber der Nordarmee 51, 60, 68, 149, 233, 449 D u p u i s , Martin 315 E c k e l , Johann Martin; geb. 12. 9. 1712 Drahowitz/Böhmen, gest. 5. 9. 1793 Mainz; Zinngießer und Stadthauptmann in Mainz, Oberstleutnant der Nationalgarde, Konventsdeputierter von Mainz 123, 124, 216, 217 E c k e r , Johann Heinrich; Konventsdeputierter von Rudolphskirchen 223 E i c k e m e y e r , Johann Heinrich Rudolf; geb. 11. 3. 1753 Mainz, gest. 9. 9. 1825 Gaualgesheim ; Ingenieuroffizier und Professor der Mathematik in Mainz 25, 36, 42, 43, 45, 47, 48, 51, 56, 59, 76, 226, 302, 303, 307, 308, 310, 311 E i s e n b e r g , Georg Philipp; geb. um 1757; Billettenschreiber in Mainz, Mitglied des Sicherheitsausschusses 269 E m m e r i c h , Johann Paulus; Materialist und Munizipal in Mainz 264, 269, 274 E n d e m a n n , Philipp Lorenz; geb. um 1756 Laudenbach;

Personenregister reformierter Pfarrer in Worms, Wahlkommissär 116, 140, 189, 392, 993, 3 9 9 - 4 0 1 , 403, 407, 423,434, 436 E n d l i c h , Johann Wilhelm; geb. um 1730 Ostrich; Kaufmann und Stadthauptmann in Mainz, Hauptmann der Nationalgarde und Munizipal 123, 258, 259 E n g e l b e r g , Ernst 110 E n g e l s , Friedrich 291, 310, 348, 526, 527, 5 3 0 - 5 3 7 E r b a c h , Karl Eugen Graf von; geb. 10. 2. 1732 Schönberg, gest. 29. 7. 1816 Schönberg; kaiserl. Feldmarschall-Leutnant 33, 39 E r d m a n n , Karl Dietrich 296 E r h a r d , Johann Benjamin; geb. 8. 2. 1766 Nürnberg, gest. 28. 11. 1827 Berlin; Philosoph und Arzt in Nürnberg 501 E r t h a l , Franz Ludwig Freiherr von; geb. 16.9. 1730 Lohr, gest. 16.2. 1795 Würzburg; Fürstbischof von Bamberg und Würzburg 491 E r t h a l , Friedrich Karl Joseph von; geb. 3. 1. 1719 Mainz, gest. 25. 7. 1802 Aschaffenburg; Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Fürstbischof von Worms 2 3 - 2 5 , 2 8 - 3 0 , 32, 40, 4 2 - 4 5 , 47, 58, 70, 75, 79, 81, 84, 90, 92, 132, 164, 182, 196, 237, 272, 276, 280, 303, 459, 460, 462, 473, 4 7 5 - 4 7 8 , 480, 495, 497, 500 E r z b i s c h o f und K u r f ü r s t v o n K ö l n siehe: M a x i m i l i a n F r a n z E r z b i s c h o f und K u r f ü r s t v o n M a i n z siehe: E r t h a l E r z b i s c h o f und K u r f ü r s t v o n T r i e r siehe: K l e m e n s W e n z e s l a u s Escher; Professor in Straßburg 507, 513 E u l e r , Franz; geb. um 1763 Mainz; Bäckermeister, Notabel und Munizipal in Mainz 243, 269

561 F a b r i c i u s , Max Arnold; geb. 1745 Speyer; Konventsdeputierter von Speyer 192, 215 F a l c i o l a , Franz Joseph; geb. 13. 6. 1770 Mainz; cand. jur. in Mainz, Sohn des Georg Karl F. 55, 80, 200, 205 F a l c i o l a sen., Georg Karl; geb. 10. 4. 1740 Zweibrücken, gest. 30. 3. 1799; Holzhändler und Munizipal in Mainz, Bruder des Johann Karl F. und Vater des Franz Joseph F. 244, 264, 270, 271, 274, 275 F a l c i o l a , Johann Karl; geb. 30. 4. 1759 Zweibrücken, gest. 18. 12. 1841 Lauterecken; Kanonikus in Mainz, Wahlkommissär 334 F a l k , Philippe-Casimir de; geb. 6. 10. 1730 Hasloch, gest. 12. 12. 1822 Straßburg; frz. General 41 Falkenberg; Eisenhändler in Worms, Klubmitglied 404 F e c h e n b a c h , Georg Karl Freiherr von; geb. 2 0 . 2 . 1 7 4 9 Mainz, gest. 9 . 4 . 1 8 0 8 Bamberg; Domdechant und Statthalter in Mainz 43, 84, 121, 166, 167, 462 F e d e r , Johann Georg Heinrich; geb. 15. 5. 1740 Schornweißach, gest. 22. 5. 1821 Hannover; Professor der Philosophie in Göttingen 81

F é n é l o n , François de Salignac de la Mothe; geb. 6. 8. 1651 Schloß Fénélon (Dordogne), gest. 7. 1. 1715 Cambrai; Aufklärer, Erzbischof 458 F i c h t e , Johann Gottlieb; geb. 19. 5. 1762 Rammenau, gest. 29. 1. 1814 Berlin; Professor der Philosophie in Jena 468 Fischer; Klubmitglied in Avignon 414 Fiseus ; reformierter Schulmeister in Worms,

562 Klubmitglied 404 F o r s t e r , Georg Adam; geb. 26. 11. 1754 Nassenhuben, gest. 10. 1. 1794 Paris; Universitätsbibliothekar, Vizepräsident der 1. Allgemeinen Administration, Klubpräsident, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Mainz 15, 21, 22, 24, 27, 29-32, 38, 41, 44, 45, 47, 55, 57, 63, 65, 66, 68, 74-77, 80, 83, 86-88, 90, 100, 102, 105, 109, 110, 121, 125, 127-129, 132, 133,136, 142, 145, 146, 151, 153-155, 159-163, 166, 169, 171, 172, 175-178, 180, 185, 186, 202, 203, 211-214, 216 - 2 1 8 , 220 - 2 2 4 , 228, 232, 237, 296-298, 301, 302, 304, 307-313, 315, 317-319, 321-323, 326-329, 331, 334, 346, 347, 354, 364, 452, 453, 460-466, 468, 469, 475, 480, 482-484, 487, 488, 491, 494, 499, 500, 502, 516, 518, 530, 531, 535, 537 F o r s t e r , Johann Reinhold; geb. 22. 10. 1729 Dirschau, gest. 9. 12. 1798 Halle; Naturforscher 311, 461 F o r s t e r , Maria Therese Wilhelmine; geb. 7. 5. 1764 Göttingen, gest. 15. 6. 1829 Augsburg ; Frau von Georg Forster 15, 55, 74, 109, 122, 126, 132, 145, 151, 153-155,162, 166, 172, 202, 212, 214, 224, 301, 302, 307, 311, 364, 453, 461, 467, 469, 502 F o r s t e r , Therese; geb. 10. 8. 1786 Wilna, gest. 3. 6. 1862; Tochter von Georg Forster 301, 308, 328, 531 F r a n k , Ludwig; geb. um 1770 Straßburg; Munizipalitätssekretär in Worms, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Fußgönnheim 201, 205, 216, 236, 395, 500 F r a n k e n s t e i n , Franz Christoph Karl Philipp Hugo Freiherr von; geb. 14. 10. 1747; Hofrat und Regierungspräsident in Mainz 46 Franz II.; geb. 12. 2. 1768 Florenz, gest. 2. 3. 1835 Wien; röm.-deutscher Kaiser

Personenregister 30-32, 42, 116, 118, 132, 133, 178, 218, 338, 409, 427, 429, 501, 521 F r e u n d , Michael 334 F r i e d r i c h W i l h e l m II.; geb. 25. 9. 1744 Berlin, gest. 16. 11. 1797 Berlin; König von Preußen 29, 32, 33, 38, 131, 168, 274, 275, 362, 363, 402, 408, 437, 477, 493 F r i n g , Gerhard; geb. um 1757 Kempten; Konventsdeputierter von Kempten 215 Fuchs, Anton; geb. 14. 3. 1766 Mainz, gest. 28. 3. 1812 Riga; cand. jur. in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Eckelsheim 79, 124, 200, 204, 216, 225, 234, 236, 238, 483 Fürstbischof von Speyer siehe: Limburg-Stirum Gabel, Georg; geb. 23. 4. 1751 Niederolm, gest. 9. 1. 1820 Niederolm; Feldmesser und Maire in Niederolm, Konventsdeputierter von dort 153 G a g e r n , Hans Christoph Ernst Freiherr von; geb. 25. 1. 1766 Kleinniedesheim, gest. 22. 10. 1852 Hornau; nassau-weilburg. Minister 47 Gaul, Johann Baptist; geb. 6. 4. 1750 Orb, gest. 28. 5. 1817 in Mainz; Lebkuchenbäcker und Munizipalsuppleant in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Zornheim 205, 215, 242, 256, 264 Gay de Vernon, Simon-François Baron; geb. 24. 11. 1760 St. Léonard, gest. 26. 10. 1822 St. Léonard; frz. Ingenieuroffizier 5, 101, 102 Geerdts, Hans-Jürgen 328, 462 Geich, Johann Baptist; geb. 15. 5. 1767 Köln, gest. 23. 1. 1824 Rheinbach ; Publizist in Bonn 519

Personenregister G e l l c r t , Christian Fürchtegott; geb. 4. 7. 1715 Hainichen, gest. 13. 12. 1769 Leipzig; Prof. der Philosophie in Leipzig und Dichter 91 Genthou; Sekretär des Straßburger Jakobinerklubs 371 G e r h a r d i , Johann Friedrich; geb. um 1770 Heidelberg; Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Schornsheim 205, 216, 224, 256 G e r t e i s , Klaus 73 G e r v i n u s , Georg Gottfried; geb. 20. 5. 1805 Darmstadt, gest. 18. 3. 1871 Heidelberg; liberaler Publizist 3 0 8 - 3 1 0 , 312, 313, 531 G i m b e l , Peter; geb. um 1765 Heidesheim, gest. 1848 Heidesheim; Konventsdeputierter von Heidesheim 215 G i r t a n n e r , Christoph; geb. 7. 11. 1760 St. Gallen, gest. 17. 5. 1800 Göttingen; Arzt und Publizist in Göttingen 56, 61, 62, 281, 300, 318 G l ü c k , Ignaz; Kupferschmied in Mainz, Hauptmann der Nationalgarde 124 G m e l i n , Georg Adam; Kreisgeneralquartiermeister beim Kurrheinischen Kreis 39 G o d e c h o t , Jacques 61 G ö r r e s , Joseph; geb. 25. 1. 1776 Koblenz, gest. 29. 1. 1848 München; Publizist 285, 286, 306, 519, 520 G ö t h , Johann; geb. um 1749 Trier; Bäcker in Weisenau 102, 103 G o e t h e , Johann Wolfgang; geb. 28. 8. 1749 Frankfurt, gest. 22. 3. 1832 W eimar;

563 Dichter 306, 307, 526 G o e t z , Ernst 318 G o l d h a g e n , Johann Hermann; geb. 14. 4. 1718 Mainz, gest. 22. 4. 1794 München ; Assessor der theolog. Fakultät in Mainz 459 G o o c h , George Peabody 527 G o t t e r , Luise; Frau des Bühnenschriftstellers Friedrich Wilhelm G. in Gotha 15, 318, 462 G o u v i o n - S a i n t - C y r , Laurent Comte de; geb. 13. 4. 1764 Toul, gest. 13. 4. 1830 Hyères ; frz. General 46, 51, 479 G r a b , Walter 72, 131, 326, 327, 517, 525 G r a u l , Franz Joseph; Advokat in Worms, Amtskeller in Dirmstein 114 G r é g o i r e , Gabriel; geb. in Thionville; Nationalkommissär in Mainz 171, 174-176, 181, 263 G r é g o i r e , Henri; geb. 4.12.1750 Vého, gest. 28. 5.1831 Paris ; Bischof von Blois und Konventsdeputierter in Paris 68 G r i m m , Andreas Michael; Kammerkanzlist in Mainz 246 G r o ß , Franz; Distrikt- und Polizeikommissär in Mainz 156, 157 G r u n d m a n n , Herbert 296 G u g e l , Georg Anton; Generalkommissär der 1. Allgemeinen Administration für Falkenstein in Winnweiler 200 Gustav (II.) Adolf; geb. 9.12. 1594 Stockholm, gest. 16. 11. 1632 Lützen; König von Schweden 222

564 G u t h e i l , Georg Wilhelm; Apotheker und Munizipal in Worms, Klubmitglied 404, 410 G y m n i c h , Klemens August Freiherr von; geb. 1739; Oberkommandierender und Gouverneur von Stadt und Festung Mainz 39, 42, 43, 4 6 - 4 8 H a a s , Martin; Konventsdeputierter von Ockenheim 215 H a a s i s , Hellmut G. 326, 327, 332, 349, 501 H ä c k e l , Manfred 328 H ä f e l i n , Georg; geb. um 1757 Mainz; Handelsmann und Munizipal in Mainz, Wahlkommissär 74, 80, 102, 105, 172, 175, 181, 203, 242, 269, 270, 273, 274, 356, 482, 486, 489 H ä u s s e r , Ludwig; geb. 26. 10. 1818 Kleeburg (Unterelsaß), gest. 17. 3. 1867 Heidelberg; Historiker 312, 529 H a n s e m a n n , David; geb. 12. 7. 1790 Finkenwärder, gest. 4. 8. 1864 Schlangenbad; preuß. Minister 1848 290, 534 H a n s e n , Joseph 48, 249, 321, 352, 354, 355, 478 H a r r a n t , Valentin Freiherr von; geb. 8. 12. 1761 Rastatt, gest. 12. 2. 1834 Rastatt; bad. Major und Batallionskommandeur 501 H a r t m a n n , Kaspar; geb. in Mainz; Hofgerichtsrat in Mainz, Mitherausgeber des „Fränkischen Republikaners" 71, 7 9 , 1 2 0 , 1 2 1 , 1 4 1 , 358, 362, 400, 483, 489 H a s h a g e n , Justus 99, 318, 320 H a t z f e l d , Franz Ludwig Graf von; geb. 23. 11. 1756 Bonn, gest. 3. 2. 1827 Wien; kurmainz. General 308, 310 H a u c k , Gerhard 105, 106

Personenregister H a u p t , Friedrich Karl Joseph von; geb. 1775, gest. 1812 in Rußland; Student, Unterleutnant der Nationalgarde 124, 357 H a u p t , Philipp Jakob Christoph von; geb. 1745, gest. 1799; Hofrat in Mainz, Vater des Friedrich Karl von H. 487 Haus er, Johann Nepomuk Baptist von; geb. um 1764; Geheimer Kabinettssekretär in Mainz, Konventsdeputierter von Neuleiningen, Mitglied des Wachsamkeitsausschusses 124, 268, 500 H a u s s m a n n , Nicolas; geb. 8 . 9 . 1 7 6 0 Colmar, gest. 2 1 . 1 . 1 8 4 6 Chaville; frz. Konventskommissär in Mainz 157, 161, 162, 177, 181, 189, 219, 221, 224, 237, 358 H e d d e s d o r f , Franz Amand Anton Freiherr von; Universitätskurator und Prorektor in Mainz 81 H e g e l , Georg Wilhelm Friedrich; geb. 27. 8. 1770 Stuttgart, gest. 14. 11. 1831 Berlin; Prof. der Philosophie in Berlin 407 Hegmann ; Kaufmann in Worms, Klubmitglied 404 Heil j u n . ; Klubmitglied in Worms 390, 420 H e i m e s , Heinrich Joseph; Vizedomamtsdirektor in Mainz 20, 268, 270, 271 H e i n e , Heinrich; geb. 13. 12. 1797 Düsseldorf; gest. 17. 2. 1856 Paris; Dichter 308, 526 H e i n e m a n n , Gustav 326, 529, 530 Heinrich IV.; geb. 13. 12. 1553 Pau, gest. 14. 5. 1610 Paris ; frz. König 435 H e i n s e , Johann Jakob Wilhelm; geb. 15. 2. 1746 Langewiesen, gest. 22. 6. 1803 Aschaffenburg;

Personenregister Vorleser des Mainzer Kurfürsten Erthal 460 H e i s e l j u n . , Johann Georg L u d w i g ; geb. 19. 6. 1766 Grünstadt, gest. 10. 4. 1837 Worms; Advokat in Worms, Konventsdeputierter von dort 189 H e i t z , Frédéric-Charles 351 H e l d e n , van; frz. General 121, 122 H e l v é t i u s , Claude-Adrien ; geb. 1715 Paris, gest. 26. 12. 1771 Paris; frz. Aufklärer 433 H e n n i n g e r , Friedrich; Krämer in Worms, Notabel und Klubpräsident 115, 393, 3 9 5 - 3 9 7 , 400, 401, 403, 419, 420, 422, 426, 427 H e n n i n g s , August von; geb. 19. 7. 1746 Pinneberg, gest. 17. 5. 1826 Ranzau/Holstein Publizist im dän. Plön 303 H e p p , Philipp; geb. 1797, gest. 1867; Mitglied der pfälz. Revolutionsregierung 1849, Schwiegersohn von Schlemmer 291 H e r d e r , Johann Gottfried; geb. 25. 8. 1744 Mohrungen, gest. 18. 12. 1803 Weimar; Generalsuperintendent in Weimar 88 H e r r e r , Johann Philipp; geb. 16. 2. 1752 Karlsruhe, gest. 9. 1. 1796 Bergzabern; Konventsdeputierter von Harthausen, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 238, 266, 269 H e r t l i n g , Philipp Aloys von; Hof- und Regierungsrat in Worms 410 H e s s e n - K a s s e l siehe: W i l h e l m I X . H e t t n e r , Hermann 318, 319 H e t z r o d t , Johann Baptist; Hofrat und Syndikus der Landstände in Trier, Cisrhenane 519 H e y n e , Christian Gottlob;

565 geb. 25. 9. 1729 Chemnitz, gest. 14. 7. 1812 Göttingen; Prof. in Göttingen, Schwiegervater Forsters 25, 27, 2 9 - 3 2 , 38, 41, 47, 57, 75, 83, 311, 460, 461 H i e r t h e s , Johann Heinrich; geb. 17. 12. 1735 Essingen, gest. 1793 Essingen; Pfarrer in Essingen, Konventsdeputierter von dort 219, 239, 266 H i l d , Stephan; geb. um 1757 Langenschwalbach ; Handelsmann und Munizipalsuppleant in Mainz 269 H i l l e s h e i m , Charlotte Gräfin von; Teilbesitzerin der Herrschaft Reipoltskirchen 204 H o c h e , Louis-Lazare; geb. 24. 6. 1768 Versailles, gest. 19. 9. 1797 Wetzlar; frz. General 505, 506 H ö l d e r l i n , Johann Christian Friedrich; geb. 20. 3. 1770 Lauffen, gest. 7. 6. 1843 Tübingen ; Dichter 526 H o e p f n e r , Johannes; geb. 10. 12. 1765 Battenberg, gest. 9. 12. 1839 Lembach/Elsaß; Pfarrer in Battenberg, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Battenberg und Kleinkarlbach 201, 204, 219, 239, 253, 256 H o f e r , Andreas; geb. 22. 11. 1767 St. Leonhard, gest. 20. 2. 1810 Mantua; Tiroler Bauernführer 530, 535, 537 H o f f m a n n , Anton; geb. um 1760; Prof. der Rechtswissenschaft in Mainz 48, 56, 181, 249, 2 9 8 - 3 0 0 , 306, 316, 360, 402 H o f f m a n n , Christoph L u d w i g ; geb. 1721 Rheda, gest. 28. 7. 1807 Eltville; kurfürstl. Leibarzt in Mainz 77 H o f f m a n n v o n F a l l e r s l e b e n , August Heinrich;

566 geb. 2.4.1798 Fallersleben, gest. 20.1. 1874 Corvey; Dichter 289, 530 H o f m a n n , Andreas Joseph Christian; geb. 14. 7. 1752 Maria-Zell, gest. 6. 9. 1849 Winkel; Prof. des Naturrechts in Mainz, Wahlkommissär, Präsident des Nationalkonvents und der 2. Allgemeinen Administration 67, 78, 80, 81, 87, 98, 99, 137, 142, 158, 160-162, 185-187, 202, 2 1 7 - 2 2 0 , 222, 224, 225, 2 3 4 - 2 3 6 , 2 3 8 - 2 4 1 , 243-246, 266, 269, 2 7 4 - 2 7 6 , 283, 285, 289, 297, 311, 315, 325, 357, 461, 463, 467, 502-505, 509, 512, 530 Hof m a n n , Philipp Christian; geb. um 1713; Städtemeister in Worms 395 H o h e n l o h e - K i r c h b e r g , Friedrich Wilhelm Fürst von; geb. 3. 12. 1732 Kirchberg, gest. 10. 8. 1796 Prag; österr. Generalfeldzeugmeister 277 H o l z m a n n , Karl; Kaufmann und Klubpräsident in Speyer, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration, Munizipal 110, 396 H o l z m e i s t e r , Georg; Ausfauteischreiber in Kirrweiler, Hofmeister in Wetzlar 523 H o r n , Heinrich Adolf; Mediziner aus Jülich, Konventsdeputierter von Bissersheim 227 H o r n u n g , Alexander (Johann Michael); geb. März 1752 Ballenberg, gest. 22.6. 1814 Colmar; Prof. der Theologie in Mainz, Wahlkommissär 359 H o s c h e r , Johann Melchior; geb. 1764, gest. 12. 1. 1809 Trient; Sekretär beim Reichskammergericht 16 H o u c h a r d , Jean-Nicolas; geb. 24. 1. 1738 Forbach, gest. 15. 11. 1793 Paris;

Personenregister frz. Oberst, später General 37, 47, 48, 52, 59 H u b er, Ernst Rudolf 323 H u b e r , Ludwig Ferdinand; geb. 14. 9. 1764 Paris, gest. 24. 12.1804 Ulm; sächs. Legationssekretär in Mainz 44, 65, 75, 87, 88, 121, 151, 311, 452, 464, 465 H ü t t e r , Adam Ignaz; Lizentiat der Rechte in Mainz 475, 476 I f f l a n d , Franz Stephan; Sprachlehrer in Mainz, Korporal der Nationalgarde 124 I n g e l h e i m , Franz Karl Philipp Graf von; Oberhofmarschall in Mainz 122, 123 I s a t z k y , Arthur 11 I s e n b u r g - B ü d i n g e n , Caroline Franziska Dorothea Gräfin von; natürl. Tochter des Karl Theodor von Pfalz-Bayern, Teilbesitzerin der Herrschaft Reipoltskirchen 204 I s n a r d , Henri-Maximin; geb. 24. 2. 1758 Grasse, gest. 12. 3. 1835 Grasse; Konventsdeputierter in Paris 29 I s s e l h a r d , Benedikt; Konventsdeputierter von Freisbach 215 J a c o b i , Friedrich Heinrich; geb. 25.1.1743 Düsseldorf, gest. 10.3. 1819 München; Philosoph 311 J ä g e r , Adam 320 J e n t g e n s , Gerhard 88 J oseph II.; geb. 13. 3. 1741 Wien, gest. 20. 2. 1790 Wien; röm.-dt. Kaiser 22, 436 J ustinian ; geb. 482 Tauresium, gest. 565

Personenregister Konstantinopel; oström. Kaiser, Gesetzgeber 435 K ä m m e r e r , Philipp Joseph; geb. um 1758; Stadtschultheiß und Maire in Bingen, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration in Mainz 238, 255 K ä m p f , Wilhelm Ludwig; hessen-homburg. Hofrat 45 K ä s s , Ludwig 321 K a i s e r , Gerhard 332 K a l c k r e u t h , Friedrich Adolf Graf von; geb. 22. 2. 1737 Sottershausen, gest. 10. 6. 1818 Berlin; preuß. General 241, 274, 275 K a l k h o f f , Anton Moritz; Hof- und Regierungsrat in Mainz 48, 97, 474, 476 K a n t , Immanuel; geb. 22.4. 1724 Königsberg, gest. 12. 2. 1804 Königsberg; Prof. der Philosophie in Königsberg 82, 83, 106, 307 Kappes; Metzger in Worms, Klubmitglied 404 Karl Friedrich; geb. 22. 11. 1728 Karlsruhe, gest. 10. 6. 1811 Karlsruhe; reg. Markgraf von Baden 205, 495, 500 Karl Theodor; geb. 11. 12. 1724 Drogenbosch, gest. 16. 2. 1799 München; reg. Kurfürst von Pfalz-Bayern 17,18, 23, 24, 31, 39, 59,118,137,138,151, 163, 204, 205, 218, 229, 234, 344, 500 Karl II. A u g u s t Christian ; geb. 29. 10. 1746 Düsseldorf, gest. 1. 4. 1795 Mannheim; reg. Herzog von Pfalz-Zweibrücken 22, 199 K a r s t , Johann Heinrich; Munizipal in Gaulsheim, Konventsdeputierter von dort 215 K a t h a r i n a II.;

567 geb. 2.5.1729 Stettin, gest. 17.11.1796 Zarskoje Selo; Zarin von Rußland 30 K a u n i t z , Wenzel Anton Fürst von; geb. 2. 2. 1711 Wien, gest. 27. 6. 1794 Wien; österr. Hof- und Staatskanzler 18, 477 K e i m , Anton Maria 327, 332, 333, 345 Keller; Hof- und Regierungsrat in Mainz 492 K e l l e r m a n n , Franjois-Etienne-Christophe; geb. 28. 5. 1735 Straßburg, gest. 13. 9. 1820 Paris; frz. General 32, 51, 61, 65, 488, 494 K e r s t en, Kurt 321, 322 Kissel; Bäcker in Worms, Klubmitglied 404 K l e i n , Karl 48, 249, 3 1 5 - 3 1 7 , 351, 352 Klemens Wenzeslaus; geb. 28. 9. 1739 Hubertusburg, gest. 27. 7. 1812 Oberstdorf; Erzbischof und Kurfürst von Trier 23, 30 K l i n g e n b i e l , Edmund; Notabel und Munizipal in Mainz 112, 131, 132, 159 K1 i n g e r, Friedrich Maximilian; geb. 1752 Frankfurt, gest. 25. 2. 1831 Dorpat; Dichter des Sturm und Drang 407 K n e i b , Gottfried 144 K n i g g e , Adolf Freiherr von; geb. 16. 10. 1752 Bredenbeck, gest. 6. 5. 1796 Bremen; Publizist 404 K n o d e , Johann Daniel; geb. 1737 Worms, gest. 1804 Worms; Dreizehner in Worms, Stadtgerichtspräsident 116, 152 K o c h (eigentlich Eckardt), Siegfried Gotthelf; geb. 25. 10. 1754 Berlin, gest. 11. 6. 1831 Alland bei Baden/Wien;

568 Direktor des Nationaltheaters in Mainz 164 K ö b e r , Georg; Gemeindeprokurator von Frankeneck 343 K ö h l e r , Johann Adam; Amtskeller in Neuhausen 153 K ö n i g , Heinrich 3 1 0 - 3 1 2 , 317 K ö r n e r , Christian Gottfried; geb. 2. 7.1756 Leipzig, gest. 13. 5.1831 Berlin; Oberkonsistorialrat in Dresden 297 K ö s t e r , Samuel; geb. 9. 8. 1742 Obersaulheim, gest. 21. 7. 1829 Colgenstein; Pfarrer in Colgenstein, Konventsdeputierter von Colgenstein und Heidesheim, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 219, 228, 238, 255 K o s s o k , Manfred 453 K r a e m e r , Johann Daniel Friedrich; Sekretär des Wormser Senats, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration, Gemeindeprokurator von Worms, Schwiegersohn von Knode 39, 109, 110, 115, 189, 391, 397, 410, 421, 433 K r a n z b ü h l e r , Johann Daniel; Buchdrucker in Worms, Klubmitglied 113, 404 K r a u s , Peter; Konventsdeputierter von Heidesheim 215 K r a u s s , Werner 404, 457 - 4 5 9 , 468 K r e b s , Martin; Mitglied des Gemeinderats in Mainz 195 K r e u z e r , Johann Tobias; Klubmitglied und Notabel in Worms 398 Krieger; Advokat in Grünstadt, Wahlkommissär 204 K r ö n , Franz; Gerichtsschultheiß in Weisenau 102 K ü l b , Philipp 308

Personenregister Laforelle; Kommandant in Bingen, frz. General 486, 495 L a m o r l i è r e , Antoine-Nicolas Comte de; geb. 3. 12. 1745 Crécy-en-Brie, gest. 27. 11. 1793 Paris; frz. General 35 L a m b r e c h t s , Charles-Josephe-Mathieu Comte de; geb. 20. 11. 1753 Saint-Trond, gest. 3. 8. 1823 Paris; frz. Justizminister 513 L a m e r t z , von; adliges Fräulein in Mainz 261, 262 Lamprecht,-Karl 296, 529 L a n d r e m o n t , Charles-Hyacinthe; geb. 21. 8. 1739 Fénétrange, gest. 26. 9. 1818 Nancy; frz. General 200 L a n g e , Erhard 329 L a n g e w i e s c h e , Wilhelm 322 L a u k h a r d , Friedrich Christian; geb. 1758 Wendelsheim, gest. 28. 4. 1822 Kreuznach; Magister und Publizist 50, 121, 158, 280, 303 L a u t z a s , Peter 48 L e - B r u n - T o n d u , Pierre-Henri-HélèneMarie ; geb. 27. 8.1754 Noyon, gest. 27.12. 1793 Paris ; frz. Außenminister 68, 127, 176, 193, 209, 210, 212, 214, 223, 230, 499 L e - C h a p e l i e r ; Isaak-Réné-Guy; geb. 12. 6. 1754 Rennes, gest. 22. 4. 1794 Paris ; Mitglied der Nationalversammlung in Paris 364, 465 L e g e r , Thomas; kurpfälz. Schultheiß in Oggersheim und Kommissär im frz. Hauptquartier in Mainz 123 L e h n e , Johann Friedrich Franz ; geb. 8. 9. 1771 Gernsheim, gest. 12. 2. 1836 Mainz;

Personenregister Student, Korporal der Nationalgarde, Sekretär der frz. Nationalkommissäre in Mainz 124, 143, 181, 253, 274, 275, 307, 308, 310, 325, 469 L e h o c , Louis-Grégoire;geb. 1743 Paris, gest. 15.10. 1810; frz. Botschafter beim Niedersächsischen Kreis in Hamburg 296 L e h r b a c h , Ludwig Konrad Graf von; geb. um 1750, gest. 1805 in der Schweiz; kaiserl. Gesandter in München 18 L e i n i n g e n - H a r d e n b u r g , Karl Friedrich Wilhelm Fürst von ; geb. 14. 8. 1724, gest. 9 . 1 . 1 8 0 7 ; reg. Fürst 201, 202 L e i t z m a n n , Albert 319 L e n i n , Wladimir Iljitsch 89, 289, 449, 452, 458 L e n n i g , Johann Erasmus; kurfürstl. Gefällverweser in Mainz 64, 79, 96, 97, 103, 281, 311, 346 L e n t n e r s e n . und j u n . ; Advokaten in Worms 396, 420 L e n z , Philipp Christian; Handelsmann und Munizipal in Worms 115, 390, 391 Leon; kurmainz. Kammerrat 495 L e o n h a r d , Rudolf 322 Leopold II.; geb. 5. 5. 1747 Wien, gest. 1. 3. 1792 Wien; röm.-dt. Kaiser 24, 2 9 - 3 1 , 79, 408, 483, 487 L e s s i n g , Gotthold Ephraim; geb. 22. 1. 1729 Kamenz, gest. 15. 2. 1781 Braunschweig; Bibliothekar in Wolfenbüttel 88 L e v r a u l t , François-Georges; geb. 21. 3. 1722 Ogéviller, gest. 22. 4. 1789 Ittenwiller ; Buchdrucker, Sekretär des Straßburger Jakobinerklubs 371 L i c h t e n b e r g , Georg Christoph; geb. 1 . 7 . 1 7 4 4 Oberramstadt, gest. 2 4 . 2 .

569 1799 Göttingen; Publizist 311, 329 L i e b e s k i n d , Johann Heinrich; geb. 25. 4 . 1 7 6 8 Bayreuth; preuß. Beamter und Publizist 282 L i e b l e r , Kilian; geb. um 1762 Mainz; Sohn eines Apothekers in Mainz 165 Lientz von Linsingen; kurmainz. Leutnant 38 L i m b u r g - S t i r u m , Damian August Philipp Karl Graf von; geb. 16. 3.1721 Gehmen, gest. 26. 2.1797 Freudenhain; Fürstbischof von Speyer 17, 22, 23, 25, 30, 32, 70, 118, 199, 280 L i n d e n , Franz Damian von; Hof- und Regierungsrat in Mainz 122-124 L i n k e n h e l d , Anton Kasper; Stadtgerichtsassessor in Worms 420 L i s t , Georg Friedrich; geb. 26. 1. 1753 Karlsruhe, gest. 1806; süddt. Jakobiner 503, 508, 523 L o e w , Majer; geb. um 1769 Weisenau; Schutzjude in Mainz 257 L o e w e r , Stephan von; geb. 31. 1. 1758 Fürth, gest. 9. 7. 1835 Eichstätt; Jurist in Worms, Gemeindeprokurator, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Roxheim 113, 115, 116, 121, 126, 152, 189, 228, 229, 238, 258, 262, 267, 2 6 9 - 2 7 3 , 275, 277, 333, 3 9 1 - 3 9 5 , 397, 406, 414, 417, 4 1 9 - 4 2 1 , 423, 424 L u c k n e r , Nicolas Baron de; geb. 12. 1. 1722, Cham, gest. 4. 1. 1794 Paris; frz. General 35 Ludwig I.; geb. 25. 8. 1786 Straßburg, gest. 2 9 . 2 . 1868 Nizza; König von Bayern 533

570 Ludwig X V I . ; geb. 23. 8 . 1 7 5 4 Versailles, gest. 21. 1.1793 Paris; König von Frankreich 2 2 - 2 4 , 26, 2 9 - 3 2 , 36, 165, 166, 338, 408, 413, 448, 481, 485, 488, 489 Ludwig II. Eugen; geb. 6 . 1 . 1 7 3 1 , gest. 20. 5. 1795; reg. Herzog von Württemberg 501, 510 L u t h e r , Martin; geb. 1 0 . 1 1 . 1 4 8 3 Eisleben, gest. 18. 2 . 1 5 4 6 Eisleben; Reformator 222, 432 L u t z , Michael; gest. 2. 6. 1793 Marienborn; Gerichtsschreiber von Oberolm 267 L u x , Johann Adam; geb. 27. 12. 1765 Obernburg, gest. 4. 11. 1793 Paris; Partikulier in Kostheim, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Volxheim 85, 89, 96, 136, 161, 190, 192, 222, 223, 228, 237, 310, 315, 324

M a a s , Nathan; geb. um 1768 Mainz; Geldmakler und Jude in Mainz 94 M a c k e , Franz Konrad; geb. 2. 7. 1756 Krautheim a. d. Jagst, gest. 17. 3. 1844 Mainz; Polizeikommissär, Gemeindeprokurator und Maire in Mainz 46, 74, 88, 119, 156, 172, 175, 1 8 0 - 1 8 3 , 186, 226, 241, 263 - 2 6 5 , 267 - 2 7 3 , 276, 281, 316, 317 Maria Theresia; geb. 13. 5. 1717 Wien, gest. 29. 11. 1780 Wien; Königin von Ungarn und Böhmen, Erzherzogin von Österreich, röm.-dt. Kaiserin 436 Marie Antoinette; geb. 2. 11. 1755 Wien, gest. 16. 10. 1793 Paris; Königin von Frankreich 30, 35 M a r x , Karl 314, 515, 527, 5 3 0 - 5 3 7

Personenregister M a t h y , Helmut 44, 161, 325 M a t t h ä i , Michael Martin; geb. um 1763 Mainz; Munizipal in Mainz 257, 268, 269 M a u s , Isaak; geb. 6. 9. 1748 Badenheim, gest. 31. 12. 1833 Badenheim; Bauer und Dichter in Badenheim 1 3 7 - 1 3 9 , 163, 164, 325 Maximilian Franz; geb. 8 . 1 2 . 1 7 5 6 Wien, gest. 2 7 . 7 . 1 8 0 1 Hetzendorf; Erzbischof und Kurfürst von Köln 28, 506 M a y e r siehe: M e y e r M e h r i n g , Franz 29, 407 M e i n e r s , Christoph; geb. 31. 7. 1747 Otterndorf, gest. 1. 5. 1810 Göttingen; Prof. der Philosophie in Göttingen 81 M e l z e r , Johann Gerhard; Jurastudent in Mainz, Sergeant der Nationalgarde 124 M e n o n i, Joseph-Antoine-Marie-Michel; geb. 29. 9 . 1 7 5 4 Lugano, gest. 12.12. 1807 Mantua; frz. Mitglied des Mainzer Jakobinerklubs, Kommandant in Nackenheim 358 M e r c k , Johann Heinrich; geb. 1 1 . 4 . 1 7 7 1 Darmstadt, gest. 2 7 . 6 . 1791 Darmstadt; Schriftsteller 311 Merkel; Distrikt- und Polizeikommissär in Mainz, Vogteiverweser in Weisenau 156, 157 M e r l i n , Antoine-Christophe; geb. 13. 9. 1762 Thionville, gest. 14. 9. 1833 Paris; frz. Konventskommissär in Mainz 157, 158, 161, 162, 171, 181, 200, 202, 211, 219, 235, 247, 252, 256, 2 6 0 - 2 6 2 , 265, 272, 273, 278, 283 M e t t e r n i c h , Clemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst von; geb. 15. 5. 1773 Koblenz, gest. 11. 6. 1859 Wien;

Personenregister Student in Mainz, später österr. Staatskanzler 171, 463 M e t t e r n i c h , Germain Franz; geb. 5. 4.1811 Mainz, gest. 12. 5. 1862 Tybee Island/Süd-Carolina; Oberst in der Reichsverfassungskampagne, Sohn des Matthias M. 291 M e t t e r n i c h , Matthias; geb. 8. 5. 1747 Steinefrenz, gest. 13.9. 1825 Mainz; Prof. der Mathematik in Mainz, Munizipal, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Mainz 64, 71, 74, 7 7 - 7 9 , 84, 85, 9 6 - 1 0 1 , 103 bis 105, 120-124, 130, 136, 139-141, 165, 167, 169, 178,181, 211, 217, 218, 221, 226 bis 229, 2 3 4 - 2 3 6 , 238, 239, 246, 247, 254, 257, 281, 285, 287, 291, 357, 358, 392, 463,482,485-488,498, 506-509, 513, 514, 516 Mettler; Kaufmann in Straßburg 512 M e t z g e r , J. 318 M e u s n i e r, Jean-Baptiste-Marie-Charles; geb. 19. 6. 1754 Tours, gest. 13. 6. 1793 Mainz; frz. General, Kommandant von Kastel 37, 267 M e u t h , Johann Dominik; geb. 23. 4. 1768 Mainz, gest. 9. 4. 1839 Kaiserslautern; cand. jur. in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Wöllstein, Mitglied des Wachsamkeitsausschusses 79, 205, 258, 259 M e y e n f e l d , Ludwig; geb. 1751 Graz; Nationalkommissär in Mainz 176, 263 M e y e r , Andreas; geb. 14.5.1759 Straßburg, gest. 10.1. 1838 Straßburg; Publizist in Straßburg, Stabsoffizier Custines in Mainz 26, 67, 71, 82, 362, 482, 4 8 7 - 4 8 9 M e y e r , Friedrich Ludwig Wilhelm; geb. 28.1.1759 Harburg, gest. 1.9.1840 Bramstedt; Publizist, Hofbibliotheksrat in Göttingen 57, 75, 142, 318, 463

571 Meyer; Bankier in Worms, Klubmitglied 404 Meyer; Handelsmann in Worms, Schwiegerenkel des Städtemeisters Schuler 3 9 3 - 3 9 8 , 416, 4 1 8 - 4 2 2 Meyer; Jurastudent in Mainz, Sergeant der Nationalgarde 124 M i c h a e l i s , Johann David; geb. 27. 2. 1717 Halle, gest. 22. 8.1791 Göttingen ; Prof. der Theologie und Orientalistik in Göttingen 15 M i r a b e a u , Honoré-Gabriel Riquetti Comte de; geb. 9. 3. 1749 Bignon, gest. 2. 4. 1791 Paris ; Mitglied und Präsident der Nationalversammlung in Paris 488 M i r a n d a , Francisco de; geb. 9. 6. 1756 Caracas, gest. 14. 7. 1816 Cadiz; frz. General 503, 511 M o l e s c h o t t , Jacob 312, 315 M o l i è r e , Jean-Baptiste Poquelin; geb. 15.1.1622 Paris, gest. 17.2.1673 Paris ; Komödiendichter 282 M o r e a u , Jean-Victor; geb. 11.8.1761 Morlaix, gest. 2.9.1813 Laun/Böhmen; frz'. General 521, 523 M o s e r , Friedrich Karl Freiherr von; geb. 18. 12. 1723 Stuttgart, gest. 10. 10. 1798 Ludwigsburg; Publizist 311 M o s k o v s k a j a , Ju. Ja. 328 M o ß d o r f , August Ludwig; geb. 6. 4. 1758 Eckartsberga, gest. 14. 6. 1843 Mainz; Regierungsrat in Grünstadt, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Grünstadt,

572 Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 204, 228, 236, 238, 258 M ü l l e r , Erasmus; geb. 2.10.1749 Ockenheim; Konventsdeputierter von Ockenheim 215 M ü l l e r , Johannes von; geb. 3. 1.1752 Schaffhausen, gest. 29. 5. 1809 Kassel; Staatsrat in Mainz 21, 27, 28, 33, 65, 66, 8 3 - 8 5 , 311, 460, 461, 474, 476, 484, 494 M ü l l e r , Nikolaus; Bänderzünftiger in Mainz, Mitglied des Wachsamkeitsausschusses 258, 259 M ü l l e r , Wilhelm; geb. um 1757 Mainz; Glasermeister, Notabel und Munizipal in Mainz 243 M ü n c h , Gerhard; geb. in Eibingen, gest. vor 1800 in der Vendée ; Kaplan in Wöllstein 177 M ü n t e r , Friedrich Christian Karl Heinrich; geb. 14.10.1761 Gotha, gest. 9.4.1830 Kopenhagen ; Kirchenhistoriker in Kopenhagen 77, 85, 110 M u h m , Cornelius Jakob; Klubdiener in Worms 396 Napoleon I.; geb. 15. 8. 1769 in Ajaccio, gest. 5. 5. 1821 St. Helena; Kaiser der Franzosen 286, 287, 313, 5 0 3 - 5 0 6 , 508, 519, 520, 526, 532, 533, 535 Napoleon III.; geb. 20.4. 1808 Paris, gest. 9. 1. 1873 Chiselhurst bei London; Kaiser der Franzosen 314, 531 N a s s a u - S a a r b r ü c k e n , Heinrich Fürst von; geb. 1768, gest. 27. 4. 1797; reg. Fürst 489 N a s s a u - W e i l b u r g , Friedrich Wilhelm Fürst von; geb. 25. 10. 1768 Haag, gest. 9. 1. 1816 Weilburg;

Personenregister reg. Fürst 49, 133, 280, 498 N a u , Bernhard Sebastian; geb. 13.3.1766 Mainz, gest. 12.2.1845 Mainz; Prof. der Kameralistik 56, 62, 158, 299 N e i g e b a u r , J. F. 308, 310 N e u v i n g e r , Joseph-Victor; geb. 6. 3. 1736 Boulay, gest. 28. 4. 1808 Phalsbourg; frz. General 40, 41, 49, 233 N i c k h l , Ferdinand; geb. um 1733 Wien; Buchbinder und Munizipal in Mainz 248, 249 Nicola; Gerber in Worms, Klubmitglied 404 N i c o l a i , Christoph Friedrich; geb. 18.3.1753 Berlin, gest. 8.1.1811 Berlin; Aufklärer und Publizist in Berlin 407 N i e d e r h u b e r , Gottfried Augustin; geb. um 1766 Mainz; Polizeikommissär und Gemeindeprokuratorsubstitut in Mainz 268-270 Niesal; Schlossermeister in Bergzabern, revolutionärer Wortführer 17 N i m i s , Johann Georg; geb. 1. 9.1754 Walldürn, gest. 15.10.1811 Haßloch; ehemaliger Franziskaner, Emigrant in Paris 283 N u n h e i m , Michael; geb. um 1738' Bretzenheim, gest. 20. 8. 1796 Bretzenheim; Bauer in Bretzenheim, Konventdeputierter von dort 215 Nuß; Schulmeister in Finthen 197 N i e d e r h u b e r , Gottfried Augustin; geb. um 1766 Mainz; Vizedomamtsakzessist, Polizeikommissär und Gemeindeprokuratorsubstitut in Mainz 268

Personenregister Nutz; Vikar und Billettenamtsdirektor in Worms 403 O b e r n d o r f f , Franz Albert Leopold Graf von; geb. 15.11.1720, gest. 5. 5.1799 Neckarshausen; , kurpfälz. Minister in Mannheim 18

Ö t t i n g e n - W a l l e r s t e i n , Ludwig Ernst Fürst von; geb. 31. 1.1791 Wallerstein, gest. 22. 7. 1870 Luzern; bayer. Innenminister 534 O g g , Georg Adam; geb. um 1770 Lohr; Jurastudent in Mainz, Wahlkommissär 205 O h l e r , Johann Jakob; geb. 6. 4. 1764 Mainz; Universitätsbibliotheksdiener in Mainz 79, 80, 124 O n c k e n , Hermann 60, 61

O t t , Johann Michael; geb. 16. 1. 1772 Walldürn, gest. 16. 1.1822 Obermoschel; Student in Mainz, Wahlkommissär 200, 204 P a c h e , Jean-Nicolas; geb. 5. 5. 1746 Verdun, gest. 18. 11. 1823 Thin-le-Moutier; frz. Kriegsminister 38, 46, 50, 158, 162 P a d b e r g , Stephan 331 P ä h l , Johann Gottfried; geb. 12. 6. 1768 Aalen, gest. 18. 4. 1839 Stuttgart; Publizist 520 P a i n e , Thomas; geb. 29. 1. 1737 Thetford, gest. 8. 6. 1809 New York; engl.-amerikan. Schriftsteller, Konventsdeputierter in Paris 310, 530, 535 P a p e , Georg Friedrich; geb. 1766 Bracht/Westfalen, gest. 11.5. 1816 Trier; bischöfl. Vikar in Colmar, Wahlkommissär,

573 Konventsdeputierter von Gaugrehweiler 82, III, 112, 131, 160, 168, 169, 200, 204, 205, 215, 362, 363, 484, 485, 498, 518 P a r c u s , Karl Christian; geb. 1763Dillenburg, gest. 5.2.1819 Worms; Advokat in Grünstadt, Konventsdeputierter von Altleiningen, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 203, 229, 234, 236, 238, 500 P a t o c k i , Andreas; geb. 1757 Peccia/Tessin, gest. 21.4.1833 Colmar; Handelsmann und Munizipal in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Siefersheim 74, 80,119,172,175,181, 205, 223, 237, 356 P e i t s c h , Helmut 313 P e r t h e s , Clemens Theodor 331 P e s t e l , Erwin; Kaufmann in Mainz 258, 259 P e t e r s e n , Karl; Führer der pfälzischen Studentenlegion 1849, Enkel des Karl Ludwig Adolf P. 291 P e t e r s e n , Karl Ludwig Adolf; geb. 3. 6. 1746 Bergzabern, gest. 20. 7. 1827 Landau; Advokat, Maire in Speyer 7 0 , 1 1 6 - 1 1 8 , 1 2 1 , 1 5 1 , 1 5 2 , 156,190-193, 199, 291, 410 P e t r i , Mattis; Konventsdeputierter von Gerolsheim 215 P e t s c h , Johann Kaspar; Bürgermeister und Munizipal in Speyer 156 P f a l z - B a y e r n siehe: K a r l T h e o d o r P f a l z - Z w e i b r ü c k e n siehe: K a r l I I . August P f e i f f e n b r i n g , Franz Ignaz; geb. um 1770; Jurist in Mainz, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration 110, 500-502, 5 0 9 - 5 1 1 P i c k e r o d t , Gerhart 331 P i c k e r t , Marx; Jude in Mainz 94 P i e r r e , Johann Claudius; geb. um 1734;

574 Sprachlehrer und Munizipalitätssekretär in Mainz 325 Pistorius; Klubmitglied in Worms 395 P i u s V I . , Giovanni Angelo Graf Braschi; geb. 27.12. 1717 Cesena, gest. 29. 8.1799 Valence; Papst 23, 30, 184, 413, 473 P l ö g e r , Anton; geb. um 1767 Münster/Westfalen; cand. med. in Mainz, Wahlkommissär 80 P o t e r a t , Pierre-Claude Marquis de; geb. 1742 Paris, gest. 1808 Paris; frz. Agent 523 P r e i ß e r j u n . , Joseph Deodat; Medizinstudent in Mainz, Oberleutnant der Nationalgarde, Wahlkommissär 124 P ü t t e r , Johann Stephan; geb. 25. 6. 1725 Iserlohn, gest. 12. 8. 1807 Göttingen; Staatsrechtler in Göttingen 402

R a b e n e r , Gottlieb Wilhelm; geb. 17. 9. 1704 Wachau bei Leipzig, gest. 22. 3. 1771 Dresden; satir. Schriftsteller 91 R a n k e , Leopold von; geb. 20. 12. 1795 Wiche (Thür.), gest. 23. 5. 1886 Berlin; Historiker 60, 309 R a s o r , Andreas Jakob; geb. 1745 Worms, gest. 1816 Worms; Bürgermeister und Munizipalsuppleant in Worms 390 R a s s o w , Peter 296 R a t z e n , Richard Joseph; geb. 3. 4. 1730 Mainz, gest. 3. 1. 1806; Stadtgerichtsassessor und Maire in Mainz 80, 112, 119, 156, 180, 181, 238 R e b m a n n , Georg Friedrich; geb. 23. 11. 1768 Sugenheim, gest. 16. 9. 1824 Wiesbaden;

Personenregister Publizist und Jurist 279, 3 0 3 - 3 0 5 , 501, 524, 525 R e i b e i d , Friedrich Joseph Freiherr von; Oberamtmann in Germersheim, kurpfälz. Resident in Mainz 39, 196 R e i c h a r d , Anton; geb. um 1770 Mainz 55 R e i n t j e s , Heinrich 323 R e i s s i n g e r , Johann Friedrich; geb. 15. 1. 1761 Speyer; Unteramtsaktuar und Gemeindeprokurator in Speyer, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Speyer 117, 190-192, 215 R e m l i n g , Franz Xaver 316 R e s c h , Georg Johann Joseph; geb. um 1744; Konventsdeputierter von Forst 215 R e t z e r , Karl Joseph; geb. 10. 12. 1770 Mainz, gest. Dezember 1814 Kaiserslautern; cand. jur. und Polizeikommissär in Mainz 80, 211, 212, 261, 310 R e u b e l l , Jean François; geb. 8.10.1747 Colmar, gest. 23.11. 1807 Colmar; Konventskommissär in Mainz 28, 157, 162, 177, 181, 185, 211, 320, 235, 247, 256, 272, 273, 275, 278, 283, 285, 503, 505, 507, 513 R e u s s i n g , Johann Baptist; geb. um 1740 Hirschstein; Ratsschreiber und Munizipalitätssekretär in Mainz 245, 269 R e u t e r , Johann Georg; geb. 9. 10. 1737 Mainz, gest. 4. 10. 1810 Aschaffenburg; kurmainz. Regierungsrat, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration 69, 71, 109, 110, 120, 121, 141, 166, 239, 400, 401, 480, 483, 492 Rheinländer; Schultheiß in Winnweiler 200 Rief f e i , Johann Franz von; fürstl. wormsischer Geheimer Rat 410 R i f f e l , Franz Xaver Jakob Ignaz;

Personenregister

575

geb. in Mainz, gest. 4 . 1 0 . 1 7 9 3 St. Fulgent/Vend6e; Gastwirt in Mainz, frz. Offizier 267 Rigaud; frz. Mitglied des Mainzer Klubs 358 R i t z , Heinrich A d a m ; geb. um 1763 Mainz; Armenhauskollektor in Mainz, Wahlkommissär 80, 273 R o b e s p i e r r e , Maximiiiende; geb: 6. 5. 1758 Arras, gest. 28. 7.1794 Paris; Konventsdeputierter in Paris 31, 107, 149, 278, 300, 338, 339, 365, 448, 449, 536 R o c k e n b a c h , Paul; Gerichtsmann in Ungstein, Wahlkommissär 201, 202

frz. Aufklärer 88, 89, 174, 222, 237, 433 R o u x , Jacques; geb. 21. 8 . 1 7 5 2 Pranzac, gest. 10. 2 . 1 7 9 4 Paris ; frz. Priester und Enragé 107 R u d i e r , François-Joseph; geb. 9. 9. 1757 Guebviller, gest. 13. 11. 1837 Straßburg; frz. Regierungskommissär im Linksrheinischen 507, 508, 513 R ü h l , Philipp J a k o b ; geb. 3. 5. 1737 Barr/Elsaß, gest. 29. 5. 1795' Paris ; Konventsdeputierter vom Niederrhein in Paris 67, 118

R ö d e l , Wolfgang 329 R o e d e r e r , Pierre-Louis Comte de; geb. 15. 2. 1754 Metz, gest. 17. 12. 1835 Paris; Herausgeber des Journal de Paris 503, 504, 511 R o l a n d i , Johann; Vikar des Ritterstifts St. Alban in Mainz 261 R o m p e l , Heinrich Palmatius Joseph; geb. 6. 4. 1752 Camberg, gest. 17. 6. 1796 Saarbrücken; Pfarrer in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Ruchheim 201, 205, 234, 238 R o o n , Albrecht Theodor Emil Graf von; geb. 13.4. 1803 Pleushagen b. Kolberg, gest. 23. 2. 1879 Berlin; preuß. General und Kriegsminister 313

S a c h s e n - K o b u r g - S a a l f e l d , Friedrich Josias Prinz von; geb. 26. 12. 1737 Koburg, gest. 28. 2. 1815 Koburg ; österr. Feldmarschall 241, 501, 502 S a l z m a n n , Christian Gotthilf; geb. 1. 6. 1744 Sömmerda, gest. 31. 10. 1811 Schnepfenthal; Pädagoge

R o o s , Johannes; geb. 1765 Niedergladbach; Maurermeister in Mainz 165 R o t h , Hugo 321 R o u g e m a i t r e , Charles-Jean; frz. Mitglied des Mainzer Klubs 185, 212 R o u s s e a u , Jean-Jacques; geb. 2 8 . 6 . 1712 Genf, gest. 2. 7. 1778 Ermenonville;

82

Sangeisen; Metzger in Worms, Klubmitglied 404 S a n k t G e o r g e n , Karl Anton von; geb. um 1748; Syndikus und Gemeindeprokurator in Speyer 191, 192 S c h a a l , François-Ignace; geb. 5. 12. 1747 Schlestadt, gest. 30. 8. 1833 Schlestadt; frz. Oberstleutnant und Platzkommandant in Worms 63, 397 S c h a a l , Friedrich Franz; geb. um 1753 Mainz; Hofgerichtsrat in Mainz 80 S c h a b e r , Karl Wilhelm Friedrich; geb. um 1763 Horrheim, gest. April 1794 Mainz ; Abenteurer, preuß. Spion 475

576 Schaeffer ; Bäcker in Worms, Klubmitglied 404 S c h a i b l e , Karl Heinrich 318 S c h a l z , Adam; geb. um 1746 Mainz; Bender in Mainz 195 S c h e e l , Heinrich 329, 330, 332, 333, 337 S c h e e l - K o r t h , Edith 11, 561, 582 S c h e l l i n g , Friedrich Wilhelm Joseph; geb. 27. 1. 1775 Leonberg, gest. 28. 8. 1854 Ragaz; Philosoph 318 S c h e r e r , Johann Martin; cand. theol., Munizipal in Worms 115 S c h e r e r , Philipp; Frühmesser in Winkel, Chronist 25, 43, 45, 55 Scherer ; Mediziner in Worms, Klubmitglied 404 Scherer jun.; Gerber in Worms, Klubmitglied 404 S c h e r p e , Klaus R. 331 S c h e u e r , Johann Anton; geb. 22.9.1763 Ostrich, gest. 5.6.1849 Sobernheim; Amtsaktuar und Polizeikommissär in Mainz, Konventsdeputierter von Kleinwinternheim 124 S c h i e ß , Karl; Advokat in Worms 114 S c h i l l e r , Friedrich; geb. 10. 11. 1759 Marbach, gest. 9. 5. 1805 Weimar; Dichter 297, 315, 526 S c h i r o k , Edith 326 S c h l e g e l , August Wilhelm; geb. 5. 9. 1767 Hannover, gest. 12. 5. 1845 Bonn; Schriftsteller 318

Personenregister S c h l e g e l , Friedrich; geb. 10. 3. 1772 Hannover, gest. 12. 1. 1829 Dresden; Schriftsteller 318 S c h l e m m e r , Joseph; geb. 9. 11. 1767 Mainz, gest. 12. 2. 1830 Mainz; Oberamtsakzessist in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Gumbsheim 142, 190, 216, 238, 291 S c h l i c k zu B a s s a n o , Heinrich Joseph Graf von; geb. 11. 10. 1754 Wien, gest. 13.12. 1807; kaiserl. Gesandter in Mainz 24, 27, 29, 33, 37, 38, 476, 477 S c h l i p p , Georg; stud. jur. in Mainz 178 S c h l i p p e , Heinrich Gottlieb; Apotheker und Notabel in Mainz 74 S c h l ö z e r , August Ludwig; geb. 5. 7.1735 Gaggstadt, gest. 9. 9.1809 Göttingen; Publizist in Göttingen 404, 407 S c h l o s s e r , Friedrich Christoph; geb. 17.11. 1776 Jever, gest. 23. 9. 1861 Heidelberg; Historiker 307, 309, 312 S c h m i e d e r , Heinrich Gottlieb; geb. um 1763 Erfurt, gest. 1815; Begründer des National-Bürgertheaters in Mainz 165 S c h m i t t , Friedrich 249, 321 S c h m i t t , Johann Friedrich Joseph; geb. 17. 5. 1763 Mainz; Oberamtsakzessist in Mainz, Konventsdeputierter von Sausenheim, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 215, 238, 270 S c h m i t t , Nikolaus; geb. 21. 1. 1806 Kaiserslautern, gest. 1860 Philadelphia; Jurist, Journalist, Mitglied der Nationalversammlung 1848 289 S c h n a b e l , Franz 296, 529

Personenregister S c h n e i d e r , Johann Georg (Eulogius); geb. 20.10. 1756 Wipfeld, gest. 1. 4.1794 Paris; Vikar und Publizist in Straßburg 64, 81, 83 Schneiderhenn,Jakob; Gerichtsmann in Mombach, Klubmitglied in Mainz 291 Schoeneck jun.; Kupferschmied in Worms, Klubmitglied 404 S c h ö n f e l d t , Nikolaus Heinrich Baron von; geb. 1733, gest. 1795; preuß. General 241 S c h r a u t , Martin Joseph; Syndikus des Kapitels zu Worms, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration 110, 189, 190, 236, 310, 395, 398, 404, 410, 417, 421, 425 S c h r e i b e r , Heinrich; Bauer und Schultheiß zu Oberolm 267 S c h r e i b e r , Ernst M. 249, 282, 319, 320, 324 S c h u b a r t , Christian Friedrich Daniel; geb. 24. 3. 1739 Obersontheim, gest. 10. 10. 1791 Stuttgart; Dichter und Publizist 404, 407 S c h ü t z , Friedrich 349 S c h ü t z , Friedrich Wilhelm von; geb. 25. 4. 1750 Erdmannsdorf, gest. 9. 3. 1834 Zerbst; Publizist in Hamburg 296, 524, 525 Schuler; Städtemeister in Worms 394, 4 2 0 - 4 2 2 S c h u l t e , Aloys 319, 320 S c h u l z - F a l k e n t h a l , Heinz 329 S c h u m a n n , Valentin; geb. 16. 11. 1733 Winkel, gest. 1. 5. 1803 Mainz; Kanonikus und Mitglied des Generalvikariats in Mainz 180, 280 S c h w a l b a c h , Franz Jakob; geb. 4. 12. 1756 Marienborn;

577 Gerichtsschreiber in Marienbom, Konventsdeputierter von dort 215 S c h w e i k a r d , Goswin; geb. 29. 10. 1743 Kreuznach; bischöfl. Finanzkammersekretär in Worms, Klubmitglied, Konventsdeputierter von Wiesoppenheim, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 238, 4 0 1 - 4 0 3 , 430 S e g e b e r g , Harro 330 S e g h e r s , Anna 229 S e i d e l , Ina 320 S e i p e l , Johann Daniel; geb. um 1718; Munizipal in Worms 116

S i e b e n p f e i f f e r , Philipp Jakob; geb. 12. 11. 1789 Lahr, gest. 14. 5. 1845 Bern; kleinbürgerlicher Demokrat und Journalist 289 S i m o n , Johann Adam; Schützenschreiber in Mainz 250 S i m o n , Johann Daniel; Pfarrer in Ebertsheim, Wahlkommissär 204 S i m o n , Johann Friedrich; geb. 1747 Straßburg, gest. 1829 Straßburg; Publizist in Straßburg, Nationalkommissär in Mainz 26, 82, 171, 172, 174-178, 181, 2 0 9 - 2 1 2 , 214, 216, 219, 220, 223, 229, 230, 232, 235, 245, 246 Simon; Sekretär des Jakobinerklubs in Avignon 414 S n e e d o r f , Frederik; geb. 1. 9. 1760 Sorö, gest. 15. 6. 1792 Penrith; dän. Historiker und Aufklärungsschriftsteller 24 S ö m m e r i n g , Samuel Thomas; geb. 18. 1. 1755 Thorn, gest. 2. 3. 1830 Frankfurt; Anatom und Physiologe in Mainz 45, 319 S o l m s , Christian; geb. 3. 2. 1749 Laubenheim;

578 Tabakkrämer in Dürkheim, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von dort, Mitglied des Wachsamkeitsausschusses 201, 205, 229, 238, 266, 268 S o l m s - L a u b a c h , Friedrich Ludwig Christian Graf zu; geb. 29. 8. 1769 Laubach, gest. 24. 2. 1822 Köln; Oberpräsident der Rheinprovinz 520 S o r e l , Albert 61 S o u l t , Nicolas-Jean de Dieu; geb. 29. 3 . 1 7 6 9 St. Amans-Labastide, gest. 26. 11. 1851 St. Amans-Labastide; frz. General 51, 277 Speth; Kaufmann in Worms, Klubmitglied 404 S p o o r , Franz Karl; geb. 14. 5. 1756 Mainz, gest. um 1794; Prof. der Kameralistik in Mainz 261 S p r i n g e r , Max 319, 320 S t a d i o n , Friedrich Lothar Joseph Graf von; geb. 6. 4.1761, gest. 9. 12.1811 Chodenschloß ; Kapitularherr in Mainz 98, 99, 298, 310, 474 S t a m m , Daniel; geb. um 1769 Straßburg, gest. 26. 5. 1799 in der Schweiz; Adjutant Custines 46, 63, 74, 81, 122, 125, 126, 156, 354, 464, 483, 495, 517 S t a u d i n g e r , Martin; gest. vor 1800 in der Vendée; cand. med. in Mainz, Korporal der Nationalgarde 123, 124, 357 S t e i g l e h n e r , Johann Wilhelm; Hofkammerrat in Mainz 79 S t e i n , Johann Friedrich Freiherr vom und zum; geb. 1749, gest. 29. 7. 1799 Triesdorf; preuß. Gesandter in Mainz 27, 38, 39 S t e i n , Karl Freiherr vom und zum; geb. 26. 10. 1757 Nassau, gest. 29. 6. 1831 Kappenberg;

Personenregister preuß. Reformminister 285, 306 S t e i n e r n , Karl Joseph; geb. um 1764 Mainz; cand. jur. oder phil. in Mainz 80 S t e i n e r , Gerhard 326, 328 S t e i n g ä s s e r , Johann Martin; geb. 25. 1. 1752 Mainz, gest. 6. 3. 1813 Weisenau; Konventsdeputierter von Weisenau 216, 217 S t e n z , Johann Adam; geb. 14. 7. 1756 Mainz; Brudermeister der Buchbinder in Mainz 164 S t e p h a n , Inge 331, 332 S t e p p e s , Adolf Joseph Ignaz; geb. 1770 Buchen, gest. nach 1835 Amorbach; Rechtspraktikant in Mainz, Klubsekretär, Bruder des Andreas St. 67, 80 S t e p p e s , Andreas; Amtsvogt in Weisenau, Bruder des Adolf St. 67, 103 S t e r n , Alfred 528 S t r a u ß , Heinrich; Posthalter und Gastwirt in Worms 115, 3 9 3 - 3 9 8 , 414, 416, 4 1 9 - 4 2 2 S t r i c k e r , Wilhelm 310 Strohn; Maire von Frankeneck 343 S t u m m e , Friedrich Georg; Hofkammersekretär in Mainz, Chef der Nationalgarde, Wahlkommissär, Mitglied der 2. Allgemeinen Administration 74, 1 2 2 - 1 2 5 , 203, 238, 483, 489, 491 Stumpf; Bader in Lohnsfeld, militär, Leiter der Winnweiler Unruhen 200 S t u m p f , Paul 531 S y b e l , Heinrich von 296, 529 T a s q u i n , Johann Stephan; geb. in Koblenz;

Person enregister Präzeptor in Mainz 261 T e r v o o r e n , Klaus 332, 348 T h e y e r , Hermann Peter Nikolaus; geb. 1773 Mainz, gest. 16. 7.1831 Worms; Student in Mainz, Wahlkommissär 120, 142, 165, 333, 481 T h u m u n d T a x i s , Karl Anselm Fürst von; geb. 2. 6.1733 Frankfurt, gest. 13. 11. 1805 Regensburg; Reichsgeneralpostmeister 491 T r ä g e r , Claus 329, 330 T r a p p , Johann Friedrich; geb. um 1720; Dreizehner, Eisenkrämer und Munizipal in Worms 39 Treitsch-ke, Heinrich von 296, 529 T u r i n , Ernst Xaver; geb. 21. 1. 1738 Erfurt, gest. 2. 8. 1810 Mainz; geistl. Rat und Pfarrer in Mainz 105, 153, 280, 475, 476 U h l i g , Ludwig 326 U m p f e n b a c h , Adam; geb. 1748 Mainz; Munizipal in Mainz 85, 248, 259, 2 6 1 , 2 6 7 - 2 7 3 V a l c k e n b e r g , Peter Joseph; Eisenhändler und Munizipal in Worms 116 V a l j a v e c , Fritz 323 V a r n h a g e n v a n E n s e , Karl August; 21. 2. 1785 Düsseldorf, gest. 10. 10. 1858 Berlin; Schriftsteller 310 V a u b a n , Sebastien-le-Prestre de; geb. 1.5. 1633 Saint-Leger-de-Fougeret, gest. 30. 3. 1707 Paris; Generalinspekteur der französischen Festungen 60 V e n e d e y , Jakob; geb. 24. 5. 1805, gest. 8. 2. 1871;

579 Mitglied der Nationalversammlung 1848, Sohn des Michel V. 161, 285, 314, 315 V e n e d e y , Michel; geb. 29.10. 1770 Köln; Cisrhenane 315 V e s p r i , Jakob; geb. um 1765 Mainz; Accoucheur in Mainz 130 V i l l e m a n c y , Jacques-Pierre-Orillard; geb. 5.1.1751 Amboise, gest. 3. 9. 1830 Versailles ; frz. Generalkommissär der Rheinarmee 128, 164, 479, 480, 486 Vogeley; Bäcker in Worms, Klubmitglied 404 V o g t , Johann Nikolaus; geb. 5.12.1756 Mainz, gest. 19.5.1836 Frankfurt ; Prof. der Geschichte in Mainz 20, 461, 482 V o l a , Karl Joachim; geb. 1758 Flonheim, gest. nach 29. 12. 1808 Kirchheimbolanden; salm.-kyrburg. Amtmann in Flonheim, Konventsdeputierter von Uffhofen 177 V o l t a i r e , François-Marie Arouet; geb. 20.11. 1694, Paris gest. 30. 5. 1778 Paris ; Aufklärer 433 V o s s , Christian Friedrich; geb. 1756, gest. 22. 4.1795 Berlin; Verleger in Berlin 38, 57, 75, 87, 298, 319, 452, 461, 465 W a h l , Rainer 332 W a i t z , Georg 318 W a l e s r o d e , Ludwig 313 W a l m e n i c h , Anselm Franz von; Hof- und Regierungsrat in Mainz 492 W a l t e r zu A l a n d , Heinrich Joseph Freiherr von; Mainzer Resident in Wien 32 W a n d e s i e b e n , Abraham;

580 Dreizehner in Worms 395, 398 W a ß m a n n , Joseph; geb. um 1755; Oberamtsakzessist, Munizipal und Gemeindeprokurator in Mainz 119, 124, 156, 183, 242, 243, 245, 263, 267-273 W e b e r , Hermann 218, 332, 333, 345 W e c k h e r l i n , Wilhelm Ludwig; geb. 1739 Bothnang, gest. 24. 11. 1792 Ansbach; Publizist 407 W e d e k i n d , Georg Christian Gottlieb; geb. 8. 1. 1761 Göttingen, gest. 28. 10. 1831 Darmstadt; Prof. der Medizin in Mainz, Wahlkommissär, Konventsdeputierter von Pleitersheim 6 2 - 6 4 , 7 7 - 8 0 , 84, 86, 90, 91, 95,104,105, 110, 119, 120, 122, 132, 161, 205, 211, 212, 218, 221, 227, 234, 235, 296, 301, 315, 325, 357, 360, 364, 452, 467, 469, 481, 482, 485 bis 489, 507-509, 513, 514, 516 Weidenhammer; Uhrmacher in Mainz 497 W e i d i g , Friedrich Ludwig; geb. 15.2.1791 Oberkleen, gest. 23.2. 1837 Darmstadt; kleinbürgerl. Demokrat 289 W e i ß , Johann; geb. um 1761 Mainz; Privatschreiber in Mainz 212 W e r l e i n , Peter-Michael 173, 345 Werner; Munizipalittässekretär in Worms 419 W e s t h o f e n , Karl Joseph; geb. 1749 Weißkirchen, gest. 17. 6. 1814 Mainz; Prof. der Mathematik in Mainz, Konventsdeputierter von dort 80, 101, 195, 222, 223 W e s t p h a l e n zu F ü r s t e n b e r g , Klemens August Wilhelm Graf von; geb. 12. 1. 1754, gest. 26. 12. 1818; kaiserl. Gesandter in Kurköln und Kurtrier 476-478

Personenregister W i d t j u n . , Johann Karl; Metzger in Worms, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration 110 W i d t s e n . , Karl; geb. um 1719; Notabel in Worms, Mitglied der 1. Allgemeinen Administration, Munizipal in Worms 110, 115, 397, 421, 433 Wiederschein ; Metzger in Worms, Klubmitglied 404 W i e l a n d , Christian Martin; geb. 5. 9.1733 Oberholzheim, gest. 20. 1. 1813 Weimar; Dichter 88, 407 Wilhelm IX.; geb. 3.6.1743 Kassel, gest. 27.2.1821 Kassel ; reg. Landgraf von Hessen-Kassel 49, 52, 476, 485, 493, 497 W i l h e l m i n , Margarethe; geb. im Rheingau; Dienstmagd in Mainz 90, 94, 342, 343 W i m p f f e n , Georges-Félix Baron de; geb. 5.11.1744 Minfelden, gest. 23.2. 1814 Bayeux; frz. General 168, 1 7 9 - 1 8 1 W i n k e l m a n n , Damian von; kurmainz. Oberst 36, 37, 226 W i n k e l m a n n , Konrad Michael von; geb. 1.9.1749 Mainz, gest. 31.2.1823 Worms ; Maire in Worms 85, 113-118, 152,156, 187-189, 192, 391, 392, 3 9 4 - 3 9 9 , 401, 403, 406, 410, 414 bis 416, 4 1 9 - 4 2 6 , 444 W i n k l e r , Georg Christoph; Klubmitglied in Worms 396 W i n n k o p p , Peter Adolf; geb. 1759 in Sachsen, gest. 26. 10. 1813 Aschaffenburg ; Publizist 39, 43, 44, 47, 130, 167, 298, 475 W i r t h , Johann Georg August; geb. 20. 11. 1798 Hof, gest. 26. 7. 1848 Frankfurt; Publizist im Vormärz 288, 289

Personenregister W o l f , Gottfried Friedrich; geb. 29.11. 1765 Mainz; Rechtspraktikant in Mainz, Unterleutnant der Nationalgarde und Munizipalsuppleant, Mitglied des Sicherheitsausschusses 80, 124, 270, 271, 274 W o l f , Heinrich Nikolaus; Hofgerichtsrat und Munizipal in Mainz 112, 131, 159, 475, 476 W ü r t t e m b e r g siehe: L u d w i g E u g e n W u r m s e r , Dagobert Siegmund Graf von; 7. 5.1724. Straßburg, gest. 27. 8. 1797 Wien; österr. Feldmarschall 241, 277, 500 Z e c h , Jakob Veit; geb. um 1757 Bamberg; Buchbinder in Mainz 78, 129, 130, 137, 210 Z i m m e r m a n n , Franz Anton; geb. 29. 1. 1749 Germersheim, gest. 21. 2. 1799 Mainz; Pfarrer in Dürkheim, Wahlkommissär,

581 Präsident der Landesadministration Leiningen in Dürkheim 201, 202 Z i m m e r m a n n , Wilhelm 536 Z i n c k e , Paul 319-321 Z i t z , Franz Heinrich; geb. 18. 11. 1803 Mainz, gest. 30. 4. 1877 München; Mainzer Abgeordneter in der Paulskirche, Enkel des Klubmitglieds Jakob Schneiderhenn 291, 311 Z i t z , Kathinka; geb. 4. 11.1801, gest. 2. 3. 1877 Schriftstellerin 311 Z o r n , Johann Peter; Taxator und Ratsdiener in Worms 396 Z w e h l , Karl Herwig von; geb. 1737, gest. 1816; Hofkriegsratspräsident in Mainz 32, 39, 48

Orts- und Länderregister von Edith Scheel-Korth

Die den Orts- und Ländernamen in Klammern nachgestellten Angaben kennzeichnen deren territoriale oder staatliche 'Zugehörigkeit bzw. deren staatlichen Status zu dem jeweiligen Zeitpunkt, da von ihnen die Rede ist; französische Orte werden durch die entsprechenden Departementsangaben näher bestimmt.

A a c h e n (Reichsstadt) 61, 237 A l b s h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgNeuleiningen) 202 A l s e n z (Fsm. Nassau-Weilburg) 200, 203, 204, 206 A l t d o r f (Kurpfalz, verlehnt an DegenfeldSchomburg) 151, 206 A l t o n a (Kgr. Dänemark) 296, 524 A l z e y (Kurpfalz) 19, 32, 41, 200, 475, 512, 513 A m o r b a c h (Kurmainz) 131 A r r a s (Dép. Pas-de-Calais) 301 A s c h a f f e n b u r g (Kurmainz) 131, 279, 460, 497 A v i g n o n (Dép. Vaucluse) 414 B a d e n (Markgrafschaft) 501, 523 B a d e n h e i m (Schönborn-Heusenstamm) 137, 205 B a r b e l r o t h (Fsm. Pfalz-Zweibrücken) 135, 136 B a r m e n (Hzm. Berg, Preußen) 532 B a s e l (Schweiz) 283, 299, 5 0 0 - 5 0 2 B a s - R h i n (frz. Département) 66, 83, 181

B a t t e n b e r g (Fsm. Leiningen-Hardenburg) 204, 216, 253, 256 B a y e r n (Kurfürstentum) 32, 59, 137, 163, 204, 288, 341, 436, 459, 510, 522, 528 B a y e r n (Königreich) 533 B a y r e u t h (Fsm. Bayreuth, Preußen) 510 B a y e r i s c h e r K r e i s (Reichskreis) 500, 510 B e i n d e r s h e i m (Bm. Worms) 402 B e i f o r t (Dép. Doubs) 274 B e l g i e n siehe: N i e d e r l a n d e , ö s t e r r . B e r g (Hzm., Kurfsm. Bayern) 532 B e r g h a u s e n (Bm. Speyer) 37 B e r g z a b e r n (Fsm. Pfalz-Zweibrücken) 17, 19, 67, 118, 135, 136, 206, 289, 475 B e r l i n (Preußen) 26, 30, 32, 59, 131, 339, 458, 483, 488, 510, 531, 536 B e r m e r s h e i m (Äbtissin zu Eibingen) 205 B e s a n ç o n (Dép. Doubs) 500 B i e b r i c h (Fsm. Nassau-Usingen) 490 B i l l i g h e i m (Kurpfalz) 136 B i n g e n (Domkapitel zu Mainz, Kurmainz) 18, 22, 41, 53, 57, 62, 86, 119, 133,134,137, 144, 145, 150, 151, 163, 165, 197, 206, 215,

Orts- und Länderregister 218, 219, 224, 229, 231, 233, 274, 277, 280, 285, 288, 289, 290, 295, 329, 341, 343, 344, 3 4 6 - 3 4 8 , 353, 437, 450, 4 5 2 - 4 5 4 , 459, 470, 486, 490, 499, 506, 509, 512, 5 1 6 - 5 1 8 , 528, 535 B i s s e r s h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgAltleiningen) 227 B ö h m e n (Königreich, Österreich) 522 B o n n (Kurköln) 32, 285, 476, 478, 505, 508, 519 B o r n h e i m (Wild- und Rheingrafschaften) 205 B r a b a n t (österr. Niederlande) 436 B r a u b a c h (Kurtrier) 489 B r e i s g a u (Vorderösterreich) 500, 501, 523 B r e m e n (BRD) 326 B r e t z e n h e i m (Äbtissin zu Maria-Dalheim, Kurmainz) 96, 135, 144, 215, 216, 484 B r u c h s a l (Bm. Speyer) 17, 32, 70, 1 1 6 - 1 1 8 B r ü s s e l (österr. Niederlande) 23, 482, 489, 493 B ü d e s h e i m (Kapitel zu St. Stephan, Kurmainz) 145 B u d e n h e i m (Kurmainz) 145 Bundesrepublik Deutschland 323, 324, 326, 3 3 0 - 3 3 2 , 334, 5 2 8 - 5 3 0 B u r r w e i l e r (Herrschaft van der Leyen) 17 C a m p o f o r m i o (Rep. Venetien) 304, 506, 508, 524 C h a m b e r y (Hzm. Savoyen, Dip. MontBlanc) 67 C o l g e n s t e i n (Gft. Leiningen-Heidesheim) 216, 228, 255 C o l m a r (D6p. Haut-Rhin) 28, 82, 157, 363, 484, 498, 518 D a r m s t a d t (Lgft. Hessen-Darmstadt) 97, 105, 288, 289 D e i d e s h e i m (Bm. Speyer) 17, 117, 199 es sau (Fsm. Anhalt) D171

583 Deutsche Demokratische Republik 322, 323, 3 2 5 - 3 2 8 , 330, 331, 352, 529, 530 Deutschland 25, 40, 50, 58, 62, 64, 76,130,176, 210, 218, 223, 234, 257, 280, 2 8 8 - 2 9 2 , 2 9 5 - 2 9 7 , 302, 303, 313, 316, 319, 322, 323, 325, 327, 331, 348, 409, 411, 427, 430, 435, 450, 454, 460, 464, 470, 500, 502, 504, 508-512, 515, 517-520, 523-525, 528, 529, 5 3 4 - 5 3 6 D i e l k i r c h e n (Fsm. Pfalz-Zweibrücken und Gft. Falkenstein) 204 D i e t e r s h e i m (Kurmainz) 145 D i r m s t e i n (Bm. Worms) 114, 135, 152, 198, 392, 422 D o n n e r s b e r g (frz. Département) 105, 144, 2 8 6 - 2 8 8 , 303, 509, 533 D r a i s (Kurmainz) 145 D r e s d e n (Kursachsen) 26, 458 D r o m e r s h e i m (Kurmainz) 197, 212 D u d e n h o f e n (Bm. Speyer) 37, 199 D ü r k h e i m (Fsm. Leiningen-Hardenburg) 201, 205, 216 D ü s s e l d o r f (Hzm. Berg, Bayern) 483, 491 E b e r s h e i m (Kurmainz) 145, 197 E b e r t s h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgAltleinigen) 204 E c k e l s h e i m (Gft. Falkenstein) 200 E d e s h e i m (Bm. Speyer) 40, 41, 46, 199 E h r e n b r e i t s t e i n (Kurtrier) 52, 280, 497 E i s e n b e r g (Fsm. Nassau-Weilburg) 204 E l t v i l l e (Kurmainz) 43, 258 E n g l a n d (Königreich) 23, 30, 494, 513, 535 E r f u r t (Kurmainz) 76, 280, 282, 283, 304, 501 Es s i n g e n (Dalberg-Essingen) 239 Europa 25, 29, 85, 149, 302, 468, 486, 499, 500

584 F a l k e n s t e i n (kaiserl. Grafschaft) 133, 134, 143, 151,195, 199, 200, 205 F i n t h e n (Dompropst zu Mainz, Kurmainz) 96, 135, 197, 198, 318, 484 F l a n d e r n (österr. Niederlande) 301 F l e u r u s (österr. Niederlande) 449 F l o n h e i m (Wild- und Rheingrafschaften) 177, 205 F o r s t (Bm. Speyer) 199, 215, 216 F r a n k e n (Reichskreis) 501, 510, 522, 528 F r a n k e n e c k (Fsm. Leiningen-Hardenburg und Wallbrunn) 343 F r a n k e n t h a l (Kurpfalz) 19, 291, 392 F r a n k f u r t (Reichsstadt) 23, 32, 39, 41, 42, 49, 8 2 , 1 1 7 , 1 2 1 , 1 2 2 , 1 2 6 , 130, 141, 145, 162, 168, 241, 302, 347, 437, 454, 475, 491, 492, 510 F r a n k r e i c h (Republik) 15, 16, 19, 2 2 - 2 7 , 2 9 - 3 3 , 42, 49, 51, 5 9 - 6 9 , 74, 76, 86, 92, 100, 107, 111, 112, 115, 1 1 8 , 1 2 7 , 1 3 2 , 1 4 7 - 1 5 0 , 1 5 4 , 1 7 4 , 181, 182, 210, 213, 214, 219, 220, 222, 223, 225, 226, 232, 235, 237, 280, 283, 2 8 5 - 2 9 1 , 2 9 9 - 3 0 2 , 305, 306, 313, 319, 338, 339, 341, 345, 348, 354, 363, 380, 394, 404, 408, 410, 417, 429, 436, 437, 448, 450, 451, 453, 460, 463, 4 6 7 - 4 7 0 , 473, 478, 486, 488, 498 bis 512, 514, 5 1 7 - 5 2 5 , 528, 5 3 1 - 5 3 4 , 536 F r e i s b a c h (Kurpfalz, verlehnt an DegenfeldSchomburg) 67, 135, 151, 206 F u ß g ö n h e i m (Hallberg) 205 G a u a l g e s h e i m (Kurmainz) 334 Gaubickelheim = Gauböckelheim (Seminar zu Mainz, Kurmainz) 197, 215 G a u b i s c h o f s h e i m (Kurmainz) 145, 197 G a u g r e h w e i l e r (Wild- und Rheingrafschaften) 205, 215 G a u l s h e i m (Ingelheim) 215 G e n s i n g e n (Kurpfalz) 59

Orts- und Länderregister G e r m e r s h e i m (Kurpfalz) 39, 492 G e r o l s h e i m (Kurpfalz, verlehnt an DalbergEssingen) 205, 392 G i e ß e n (Lgft. Hessen-Darmstadt) 522 G ö l l h e i m (Fsm. Nassau-Weilburg) 204 G ö t t i n g e n (Kurfsm. Hannover) 71, 77, 83, 120, 300, 458, 471, 507 G o m m e r s h e i m (Kurpfalz, verlehnt an Degenfeld-Schomburg) 67, 135, 151, 206 G o n s e n h e i m (Dompropst zu Mainz, Kurmainz) 135, 484 G o t h a (Fsm. Gotha) 15, 50 G r a z (Hzm. Steiermark, Österreich) 176 G r e t h e n (Kurpfalz) 202 G r ü n s t a d t (Gft. Leiningen-WesterburgAltleiningen und -Neuleiningen) 41, 201, 203, 216, 232, 233, 392 G u m b s h e i m (Kurmainz und Fsm. NassauSaarbrücken) 238 G u n t e r s b l u m (Gft. LeiningenGuntersblum) 203 H a h n h e i m (Dienheim) 205 H a l l g a r t e n (Kurmainz) 135 H a m b a c h (Rheinpfalz, Kgr. Bayern) 289, 533 H a m b u r g (Reichsstadt) 296, 404, 458, 524 H a n a u (Lgft. Hessen-Kassel) 49, 490, 491, 493, 497 H a n n o v e r (Kurfürstentum) 458 H a n n o v e r (Kurfsm. Hannover) 481 H a r t h a u s e n (Bm. Speyer) 199 H a ß l o c h (Fsm. Leiningen-Hardenburg und Kurpfalz) 18

H a u t - R h i n (Département) 28, 363

Orts- und Länderregister H e c h t s h e i m (Kurmainz) 47, 145, 197 H e i d e l b e r g (Kurpfalz) 176, 229 H e i d e s h e i m (Gft. Leiningen-Heidesheim) 215, 216 H e i d e s h e i m (Kurmainz) 135, 484 H e i l i g e n s t e i n (Bm. Speyer) 37 H e s s e n (Großherzogtum) 533 H e s s e n - D a r m s t a d t (Landgrafschaft) 181, 288 H e s s e n - K a s s e l (Landgrafschaft) 32 H e t t e n l e i d e l h e i m (Bm. Worms) 198 H i l d e s he i m (Bm. Hildesheim) 50, 478 H o c h h e i m (Kurmainz) 32, 168, 182 H ö c h s t (Kurmainz) 279, 489, 493 H o l l a n d (Rep. Vereinigte Niederlande) 241, 503 H o r c h h e i m (Bm. Worms) 489 H ü n i n g e n (Dép. Haut-Rhin) 500 J e m a p p e s (österr. Niederlande) 51 J o h a n n i t e r o r d e n (Ritterorden) 118

K a i s e r s l a u t e r n = L a u t e r n (Kurpfalz) 19, 200, 289 K a r l s b a d (Kgr. Böhmen, Österreich) 307 K a r l s r u h e (Mgft. Baden) 495 K a s s e l (Lgft. Hessen-Kassel) 458 K a s t e l (Kurmainz) 60, 9 6 , 1 0 1 , 1 0 2 , 1 1 1 , 1 2 1 , 1 2 3 , 1 2 7 , 1 3 5 , 1 3 6 , 143, 162, 163, 179, 209, 214, 241, 243, 249, 251, 254, 475, 481, 484, 490, 491, 496 K e h l (Mgft. Baden) 500 K e m p t e n (Domkapitel zu Mainz, Kurmainz) 145, 209, 215 K e r z e n h e i m (Fsm. Nassau-Weilburg) 204

585 K i r c h b e r g (Fsm. Simmern, Baden) 490, 498 K i r c h h e i m (Fsm. Nassau-Weilburg) 203, 512 K i r c h h e i m b o l a n d e n (Fsm. NassauWeilburg) 513 K i r r w e i l e r (Bm. Speyer) 17, 117, 151, 199, 523 K l e i n k a r l b a c h (Fsm. LeiningenHardenburg) 216 K l e i n w i n t e r n h e i m (Kurmainz) 145 K l e v e (Herzogtum) 61 K o b l e n z (Kurtrier) 23, 30, 32, 33, 51, 285, 4 7 7 - 4 7 9 , 489, 493, 494, 4 9 6 - 4 9 8 , 505, 508, 532 K o b l e n z (BRD) 337 K ö l n (Kurköln) 486, 508 K ö l n (Rheinprovinz, Preußen) 534 K ö n i g s t e i n (Kurmainz) 215, 276, 280, 281, 437 K o p e n h a g e n (Kgr. Dänemark) 77, 458 K o s t h e i m (Kurmainz) 85, 96, 135, 136, 145, 163, 463 K r e u z n a c h (Kurpfalz) 18, 41, 59, 475, 490, 508 K u r k ö l n (Kurfürstentum und Erzbistum) 476 K u r m a i n z (Kurfürstentum und Erzbistum) 25, 30, 32, 58, 64, 69, 70, 90, 131, 133, 140, 1 4 3 , 1 9 5 , 1 9 6 - 1 9 8 , 201, 203, 312, 389, 391, 394, 429, 450, 476, 480 K u r p f a l z (Kurfürstentum Bayern) 18, 32, 97, 164,172,196, 201, 229, 277, 491, 519 K u r r h e i n i s c h e r K r e i s (Reichskreis) 500 K u r t i e r (Kurfürstentum und Erzbistum) 476, 479, 486, 493, 532 L a n d a u (Dép. Bas-Rhin) 17, 19, 22, 27, 32, 33, 3 6 - 4 0 , 53, 57, 60, 62, 67, 86, 116, 133,134, 136,137, 151,163, 165, 172, 176, 182, 199, 206, 218, 219, 224, 229, 231, 2 3 3 - 2 3 5 , 274, 277, 280, 290, 295, 329, 339, 341, 343, 344, 3 4 6 - 3 4 8 , 353,

Orts- und Länderregister

586 397, 437, 450, 452, 453, 459, 470, 490, 491, 495, 499, 509, 516-518, 528, 535 L a n d s t u h l (Gft. Sickingen) 206 L a u b e n h e i m (Kurmainz) 18, 96, 135, 143, 448 L a u m e r s h e i m (Bm. Worms) 392 L a u s a n n e (Schweiz) 23 L a u t e r b u r g (Dép. Bas-Rhin) 35 L a u t e r e c k e n (Kurpfalz) 206, 334 L a u t e r n siehe: K a i s e r s l a u t e r n L e i n i n g e n (5 Linien: Fsm. LeiningenHardenburg und die Grafschaften: Leiningen-Guntersblum, Leiningen-WesterburgAltleiningen, Leiningen-Westerburg-Neuleiningen, Leiningen-Heidesheim) 18, 195, 201, 2 0 3 - 2 0 5 , 280, 500 L e i n i n g e n - H a r d e n b u r g (Fürstentum) 201, 202, 251 L e i n i n g e n - H e i d e s h e i m (Grafschaft) 203 Leiningen-Westerburg-Altleiningen (Grafschaft) 202, 203 Leiningen-Westerburg-Neuleiningen (Grafschaft) 202, 203 L e i p z i g (Kurfsm. Sachsen) 458 L e o b e n (Hzm. Steiermark, Österreich) 285, 505, 524 L i m b u r g a. d. L a h n (Kurtrier) 486, 494, 495 L o h n s f e l d (Gft. Falkenstein) 200 L o n d o n (Kgr. England) 23 L o n g w y (Dép. Moselle) 33, 51 L u d w i g s b u r g (Hzm. Württemberg) 458 L ü b b e n (DDR) 352 L ü t t i c h (Bm. Lüttich) 68, 237, 460,486, 504 L u n é v i l l e (Dép. Meurthe) 286 L u x e m b u r g (Herzogtum, Österreich. Niederlande) 535

M a i k a m m e r (Bm. Speyer) 17 M a i n z (Kurmainz) 10, 15, 16, 1 9 - 2 1 , 23, 24, 27, 28, 3 0 - 3 3 , 37, 39, 4 1 - 4 4 , 4 6 - 5 3 , 5 5 - 5 7 , 59, 60, 6 2 - 6 4 , 6 6 - 6 8 , 70, 71, 74, 75, 77, 78, 81 bis 85, 9 0 - 9 3 , 97, 101, 102, 109, 112, 113, 115, 118, 119, 122, 123, 126-141, 145, 149-151, 154-157, 160, 162-164, 168, 171, 172, 174-184, 186, 190-197, 199, 2 0 5 - 2 0 7 , 209, 211, 2 1 3 - 2 1 9 , 224, 227, 229, 232, 233, 2 3 5 - 2 3 7 , 2 4 0 - 2 4 6 , 249, 251, 252, 2 5 5 - 2 5 7 , 259, 2 6 1 - 2 6 3 , 267, 269,274-281,284,285,287,289,295-297, 3 0 1 - 3 0 4 , 3 0 6 - 3 0 8 , 317, 318, 321, 324, 325, 334, 339, 3 4 2 - 3 4 4 , 347, 3 5 3 - 3 5 7 , 359, 363, 364, 378, 381, 383, 3 8 7 - 3 9 2 , 395, 3 9 8 - 4 0 6 , 408, 410, 417, 419, 420, 426, 437, 445, 447, 450, 452, 454, 455, 457, 459 bis 464, 467, 468, 4 7 3 - 4 7 9 , 481, 482, 484, 486, 4 8 8 - 5 0 0 , 503, 507, 509, 512-514, 516-519, 522, 531, 532, 537 M a i n z (BRD) 337, 352 M a n n h e i m (Kurpfalz) 18, 19, 24, 38, 196, 199, 201, 229 M a r b u r g (Lgft. Hessen-Kassel) 50 M a r i a - Z e l l (Bm. Würzburg) 80 M a r i e n b o r n (Kurmainz) 47, 197, 215, 267 M a r i e n t r a u t (Bm. Speyer) 117, 119 M i l t e n b e r g (Kurmainz) 497 M ö r s c h (Bm. Worms) 198 Mombach(Domkapitelzu Mainz, Kurmainz) 47, 55, 96, 135, 251, 263, 484 M o n a c o (Fürstentum) 181 M ö n s (österr. Niederlande) 493 M o n s h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgNeuleiningen) 47, 201 M o s e l l e (Département) 181

M ü n c h e n (Kfsm. Bayern) 137, 163, 288, 510 M ü n c h e n (BRD) 334

Otts- und Länderregister

587

M ü n c h w e i l e r (Wieser) 206 M ü n s t e r (Bm. Münster) 131, 518

O b e r f l ö r s h e i m (Deutscher Ritterorden, Landeshoheit Kurpfalz) 506 O b e r l u s t a d t (Kurpfalz, verlehnt an Johanniterorden) 118, 206 O b e r o l m (Kurmainz) 90, 96, 145, 153, 324 O b e r s a u l h e i m (Wild- und Rheingrafschaften) 205 O b e r r h e i n i s c h e r K r e i s (Reichskreis) 476, 500, 510 O c k e n h e i m (Kurmainz) 145, 215 Ö s t e r r e i c h (Habsburgische Lande) 29, 30, 147, 286, 436, 437, 486, 501, 506, 510, 511, 522 O g g e r s h e i m (Kurpfalz) 37 O l m siehe: O b e r o l m O p p e n h e i m (Kurpfalz) 18, 32, 41

N a c k e n h e i m (Kurmainz) 103, 135, 136, 145, 197, 223, 324, 325, 484 N a s s a u - S a a r b r ü c k e n (Fürstentum) 181

N a s s a u - U s i n g e n (Fürstentum) 280 N a s s a u - W e i l b u r g (Fürstentum) 49, 181, 195, 198, 203, 207, 251 N a s t ä t t e n (Gft. Katzenellenbogen, Hessen-Kassel) 490 N e e r w i n d e n (österr. Niederlande) 233, 237, 449 N e u b a m b e r g (Kurmainz) 197 N e u h e m s b a c h (Sayn-WittgensteinBerleburg) 206 N e u h a u s e n (Bm. Worms) 152, 198, 216 N e u s t a d t (Kurpfalz) 17 N e u w i e d (Gft. Wied) 171 N i e d e r h o c h s t a d t (Kurpfalz, verlehnt an Johanniterorden) 206 N i e d e r k i r c h e n (Bm. Speyer) 17 Niederlande, österreichische 31, 50, 51, 68, 109, 149, 241, 437, 449, 486, 491, 503, 504, 506, 512 N i e d e r l u s t a d t (Kurpfalz, verlehnt an Johanniterorden) 206 N i e d e r o l m (Kurmainz) 90, 145, 153 N i e d e r r h e i n i s c h e r K r e i s (Reichskreis) 510 Niederrheinisch-westfälischer Kreis (Reichskreis) 476 N i e d e r s a u l h e i m (Ganerbschaft) 143, 205 N i z z a (Fsm. Piemont) 118 N ü r n b e r g (Reichsstadt) 50, 404, 501, 510

P a d e r b o r n (Bm. Paderborn) 478 P a d u a (Rep. Venetien) 29, 30 P a r i s (Rep. Frankreich) 10, 25, 30, 32, 36, 46, 51, 58, 62, 6 6 - 6 8 , 71, 73, 74, 122, 140, 146, 155, 162, 171, 176, 1 8 1 - 1 8 3 , 206, 221, 223, 224, 229, 230, 236, 237, 282-286, 308, 364, 366-368, 383, 388, 438, 447, 450, 451, 457, 466, 467, 4 8 1 - 4 8 4 , 486-489, 491, 492, 494, 497, 499-504, 506, 507, 519, 524, 530, 532, 535 P a s s a u (Bistum) 510 P e r p i g n a n (Dép. Pyrénées orientales) 508 P e t e r s b e r g (Kurmainz) , 280, 2 8 2 - 2 8 4 P e t e r s b u r g (Kaiserreich Rußland) 339 P f a l z siehe: K u r p f a l z P f a l z b a y e r n siehe: B a y e r n P f a l z - Z w e i b r ü c k e n (Herzogtum) 163, 181, 204 P h i l i p p s b u r g (Bm. Speyer) 521 P i l l n i t z (Kurfsm. Sachsen) 24, 26, 29, 338 P l e i t e r s h e i m (Kurmainz und Fsm.

588 Nassau-Saarbrücken) 197 P o l e n (Königreich) 338 P o t s d a m (Kurfsm. Brandenburg, Preußen) 458 P r a g (Kgr. Böhmen, Österreich) 26 P r e u ß e n (Hohenzollernsche Lande) 22, 23, 30, 32, 131, 134, 288, 437, 502, 511, 531, 534 Q u i r n h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgAltleiningen und Leiningen-WesterburgNeuleiningen, verlehnt an Merz von Quirnheim) 202

R a s t a t t (Mgft. Baden) 506, 507, 514 R a s t a t t (Grhzm. Baden) 529 R e g e n s b u r g (Reichsstadt) 19, 22, 32, 50, 510 Reich, römisch-deutsches 22, 31, 50, 53, 58, 67, 6 8 , 1 0 0 , 1 1 8 , 1 3 0 , 1 3 2 , 178, 210, 218, 237, 283, 285, 302, 394, 408, 409, 415, 421, 423, 429, 510, 517, 518 R e i p o l t s k i r c h e n (Herrschaft) 195, 196, 204, 205 R h e i n g a u (Kurmainz) 90, 289 R h e i n h a u s e n (Bm. Speyer) 37 R h e i n h e s s e n (Großhzm. Hessen) 2 8 8 - 2 9 0 , 509, 533, 535 R h e i n l a n d siehe: R h e i n p r o v i n z R h e i n p f a l z (Kgr. Bayern) 2 8 8 - 2 9 1 , 509, 5 3 3 - 5 3 5 R h e i n p r o v i n z (Kgr. Preußen) 288, 289, 531, 5 3 3 - 5 3 6 R o h r b a c h (Gft. Wartenberg) 206, 216 R o x h e i m (Bm. Worms) 228 R u c h h e i m (Hallberg) 205 R u d o l p h s k i r c h e n (Herrschaft Reipoltskirchen) 223 R u p p e r t s b e r g (Bm. Speyer) 199, 215

Orts- und Länderregister R u ß l a n d (Kaiserreich) 30 S a c h s e n (Kurfürstentum) 528, 534 S a l z b u r g (Erzbistum) 510 S a u s e n h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgAltleiningen) 215 S a v o y e n (Herzogtum, Kgr. Sardinien) 61, 65, 68, 109, 118, 465 S e m b a c h (Gft. Wartenberg) 206 S i s t o w a (Fsm. Bulgarien) 24 Spa (Bm. Lüttich) 23 S p e y e r (Bistum) 70, 77, 116, 117, 135, 143, 151, 152, 174, 190, 191, 195, 198, 199, 389, 391, 394, 429, 480 S p e y e r (Reichsstadt) 19, 32, 33, 3 5 - 4 2 , 46, 53, 58, 63, 67, 69, 70, 94, 96, 103, 109, 112, 1 1 6 - 1 1 9 , 121, 130,134-136,150,151,155,156,190-193, 199, 206, 209, 215, 216, 224, 291, 339, 344, 388, 389, 399, 409, 462, 481, 484, 486, 488, 491, 519 S p r e n d l i n g e n (Gft. Sponheim, bad. Teil) 205 Süddeutschland 500, 528 S c h l e s i e n (Herzogtum, Preußen) 528, 534 S c h l e s w i g - H o l s t e i n (Herzogtümer, Dänemark) 536 S c h l e t t s t a d t (Ddp. Haut-Rhin) 518 S c h n e p f e n t h a l (Fsm. Gotha) 82, 362 S c h o r n s h e i m (Ganerbschaft) 205 S c h w a b e n (Reichskreis) 27, 500, 510, 521, 522, 528 S c h w a l b a c h (Kurmainz) 490 S c h w e i z (Eidgenossenschaft) 322, 494 S t r a ß b u r g (Dep. Bas-Rhin) 26, 27, 41, 63, 66, 71, 73, 8 1 - 8 3 , 138, 157, 171,176, 351, 3 5 3 - 3 5 5 , 359, 364, 3 6 6 - 3 6 9 , 371, 378, 388, 395, 450, 451, 466, 467, 469,

Orts- und Länderregister 482, 483, 487, 488, 491, 494, 495, 500, 506 bis 508, 5 1 2 - 5 1 4 , 518 S t u t t g a r t (Hzm. Württemberg) 359, 458, 510 S t u t t g a r t (BRD) 447 T h i o n v i l l e (D6p. Moselle) 33, 37, 39, 157, 171 T r a r b a c h (Hzm. Pfalz-Zweibrücken) 52, 496, 497 T r i e r (Kurtrier) 51, 52, 510, 519 T r i e r (Rheinprovinz, Preußen) 532 T ü b i n g e n (Hzm. Württemberg) 458 T ü r k e i (Sultanat) 22, 436 U f f h o f e n (Wild- und Rheingrafschaften) 205 U l m (Reichsstadt) 510, 521 U n g a r n (Königreich) 522 V a l m y (Dép. Marne) 33, 51, 85 V a r e n n e s (Dép. Meuse) 26 V e n d é e (Département) 278, 449 V e r d u n (Dép. Meuse) 33 V e r e i n i g t e Staaten von A m e r i k a (Republik) 66, 535 W a c h e n h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgAltleiningen) W a l d l e i n i n g e n (Fsm. Leiningen-Hardenburg) 202 W a r t e n b e r g (Grafschaft) 206 W a r t e n b e r g (Gft. Wartenberg) 206, 216 W a t t e n h e i m (Gft. Leiningen-WesterburgAltleiningen und Leiningen-Westerburg-

589 Neuleiningen, verlehnt an Blumencron) 202 W e i l b u r g (Fsm. Nassau-Weilburg) 49, 50, 498 W e i s e n a u (Kurmainz) 47, 67, 102, 103, 135, 136, 216, 391, 484 W e i ß e n b u r g (D6p. Bas-Rhin) 19, 35, 38 W e n d e l s h e i m (Wild- und Rheingrafschaften) 205, 215, 216 W e s e l (Hzm. Kleve, Preußen) 51 W e s t f a l e n (Herzogtum, Kurköln) 27 W e s t h o f e n (Kurpfalz) 38 W e t z l a r (Reichsstadt) 506, 522, 523, 530 W i e d - R u n k e l (Grafschaft) 181

W i e n (Österreich) 24, 27, 3 0 - 3 2 , 38, 59, 80, 118, 131, 197, 339, 4 7 6 - 4 7 8 , 483, 486, 488, 500, 505, 510 W i e s b a d e n (Fsm. Nassau-Usingen) 490, 497 W i e s o p p e n h e i m (Bm. Worms) 493 W i l d - u n d R h e i n g r a f e n s c h a f t e n (4 Linien: Grumbach, Rheingrafenstein, SalmKyrburg, Salm-Salm) 18, 195, 204, 205, 207, 280 W i n k e l (Kurmainz) 25, 43, 80, 530 W i n n w e i l e r (Gft. Falkenstein) 151, 199-201, 205, 214, 347 W ö l l s t e i n (Kurmainz und Fsm. NassauSaarbrücken) 90, 176, 177, 200, 216 W ö r r s t a d t (Wild- und Rheingrafschaften) 18, 205 W o r m s (Reichsstadt) 19, 23, 24 30, 32, 37, 3 9 - 4 2 , 44, 53, 58, 63, 64, 69, 70, 75, 77, 83, 85, 96, 103, 109, 112-119, 121, 130, 134-136, 151-153, 157,175,187,190-193,195,198, 2 0 5 - 2 0 7 , 215, 216, 224, 236, 280, 288, 318, 339, 344, 354, 387-393, 395, 3 9 7 - 4 0 7 , 409, 411, 419, 423, 424, 426, 427, 429, 430, 433, 434, 439, 444, 445, 462, 475, 481, 484, 486, 488, 491, 496 W o r m s (Bistum) 58, 70, 113, 114, 117, 133, 143, 152, 153, 187,195, 198, 251,389,392,394,429,439,480

590 W ü r t t e m b e r g (Herzogtum) 510 W ü r z b u r g (Bistum) 38, 98, 99, 530 W ü r z b u r g (Bm. Würzburg) 80, 81, 298, 395, 476, 491

Orts- und Länderregister Z a h l b a c h (Äbtissin zu Maria-Dalheim, Kurmainz) 96, 135, 144, 216, 484 Z o r n h e i m (Kurmainz) 197, 242

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1 Der Rheinübergang der Armeen der Konterrevolution Seine konterrevolutionäre Hoheit, der kleine Condé, hat gerade die starke Festung der französischen Konstitution zur Kenntnis genommen. Karikatur aus dem Musée Carnevalet, abgebildet im Catalogue von Martine Garrigues zur .Französischen Revolution', Paris 1982, S. 95 2 Das Manifest des Braunschweigers Der Herzog von Braunschweig, Generalkommandant der Interventionstruppen, erläßt vor seinem Einmarsch in Frankreich eine Erklärung an die Franzosen. Naive Illustration zu den Chronikalischen Aufzeichnungen des Frühmessers Philipp Scherer zu Winkel; Staatsarchiv Wiesbaden, Sign. 3004 B 55 III 3 Friedrich Karl Joseph von Erthal Brustbild des letzten Mainzer Kurfürsten von rechts im Profil, im Hermelinmantel, ovalgerahmt. Kupferstich von Heinrich Hugo Cöntgen aus Mainz ; Stadtarchiv Mainz, BPS Abt. V, E 70i 4 Franz Joseph Freiherr von Albini Brustbild des kurmainzischen Hofkanzlers von vorn, Kopf nach links gewendet, in ovalem Rahmen. Kupferstich von J. C. Bock; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, A 45c 5 Flucht der Privilegierten vor den anrückenden Franzosen aus Mainz im Oktober 1792 Mann, Weib und Kind — darunter auch Geistliche — flüchten mit einigen Habseligkeiten aus der Stadt und auf Booten rheinabwärts. Kupferstich von Abraham Wolfgang Küffner, veröffentlicht im .Tempel der Musen und Grazien, ein Taschenbuch zur Bildung und Unterhaltung', Mannheim 1796; Stadtarchiv Mainz, BPS, aiphabet. Sammlung 6 Ubergabe von Mainz an die Franzosen am 22. Oktober 1792 Auf dem oberen Weisenauer Weg empfangen Custine und vier französische Offiziere die Abordnung aus Mainz, die hier entgegen den historischen Tatsachen aus einem Offizier, drei Bürgern und einem Geistlichen besteht ; Blick von der Höhe oberhalb des Weisenauer Klosters auf den Rhein, das Festungsvorfeld mit Truppenkolonnen und ein sehr ungenau wiedergegebenes Stadtbild. Stahlstich von Samuel Cholet nach einem Gemälde von Victor Adam, Ausschnitt; Privatbesitz 7 Adam Custine Ovales Brustbild von links, im Profil, in Generalsuniform. Gezeichnet nach der Natur und gestochen von C. Guerin 1793; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, C 91a

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8 Rudolf Eickemeyer Brustbild von vorn in französischer Generalsuniform. Kupferstich von Schalck, nachgezeichnet von Rudolf Klein 1891; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, E 41a 9 Blick von Mainz auf Hochheim Blick von der Weisenauer Höhe auf die Mainmündung mit Kostheim, dahinter Hochheim und die Taunushöhen; im Vorgrund die Kapelle von Weisenau. Nach einem Gemälde von G. Schneider (?) von J. S. Knüpffer in Kupfer gestochen; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. II, K 4 10 Blick von Mainz auf Zahlbach Von der Höhe des Stahlberges gesehen; im Vordergrund eine Häusergruppe von Zahlbach und die Lindenmühle; dahinter Bretzenheim mit hochgelegener Kirche. Nach einem Gemälde von G. Schneider von P. Rücker in Kupfer gestochen; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. II, N 1 11 Adam Custine vor den Toren von Mainz Kniebild von links, in Generalsuniform; im Hintergrund kleine Soldatentrupps und Marketenderinnen vor dem schematisierten Stadtbild; die revolutionsfeindliche Unterschrift, die Custine den „Stifter des famoesen deutschen National-Convent" nennt, ist möglicherweise erst später hinzugefügt worden. Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. IV, C 91 k 12 Französischer Infanterist Am Wege in der Landschaft stehend, mit zerrissenen Hosen und Strümpfen, mit Schlappen statt Stiefeln und einem erbeuteten Huhn. Aquarellierte Federzeichnung; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. IV, Ac 2 13 Ein Nationalgardist auf Wache ziehend Betont wird die unmilitärische Haltung und die Ausstattung mit Lebensmitteln und Küchengerät für die eigenhändige Zubereitung der Mahlzeiten auf der Wache. Kolorierte Zeichnung von Neubauer; aus Johann Jakob Ihtee: Tagebuch von der Einnahme durch die Neufranken, 1793 14 Offizier und Gemeiner der französischen Nationalgarde Die Zeichnung ist angeblich nach dem Leben beim Auszug der Franzosen aus Mainz am 23. Juli 1793 angefertigt. Aquarellierter Kupferstich nach einer Zeichnung von Georg Melchior Kraus aus Weimar; Museum für Deutsche Geschichte, Berlin, Inv.-Nr. F 76/199 15 Georg Wilhelm Böhmer Brustbild von halb rechts, oval begrenzt; Darstellung als Sekretär Custines und Herausgeber der Mainzer National-Zeitung. Kupferstich 1793; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, B 63 a 16 Georg Wedekind Brustbild von links, fast im Profil, oval eingefaßt; Darstellung als Oberarzt bei den Armeen der Republik und Professor der medizinischen Praxis zu Mainz; das angegebene Geburtsjahr ist unrichtig und muß 1761 heißen. Nach der Natur gezeichnet und in Kupfer gestochen von G. Reußing aus Mainz im Jahre 7, also 1799; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, W 22 a 17 Das kurfürstliche Schloß in Mainz (Rheinseitiger Flügel) Erbaut mit Unterbrechungen von Georg von Greifenklau, Anselm Casimir von Wamboldt und Damian Hartard von der Leyen — 1627 bis 1678. Foto Nr. 42, in Mainz aufgenommen von der Staatlichen Bildstelle, beschrieben von W. F. Volbach, Berlin 1928

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18 Akademiesaal des kurfürstlichen Schlosses Erbaut 1775/1776; Tagungsraum des Jakobinerklubs von Oktober bis Dezember 1792. Foto Nr. 60, in Mainz aufgenommen von der Staatlichen Bildstelle, beschrieben von W. F. Volbach, Berlin 1928 19 Sitzung des Mainzer Klubs im Akademiesaal des Schlosses im November 1792 Freie Darstellung, die jede Ordnung vermissen läßt, wie sie im Klub auch schon in frühester Zeit gehandhabt wurde. Lavierte Federzeichnung von Johann Jakob Hoch; Museum für Deutsche Geschichte, Berlin, Inv.-Nr. F 53/1063 20 Ein Band des Klubprotokolls Mit rot-weiß-blauen Längsstreifen und einer aufgeklebten Kokarde verzierter Pappdeckel eines Protokollbandes; auf der Kokarde hat der Titel Platz gefunden: Klubprotokoll oder Protokoll der Freunde der Freiheit und Gleichheit 1792 et 1793, N ro III. Stadtarchiv Mainz, Abt. 11/73 21 Sitzung des Mainzer Klubs im Dezember 1792 Freie Darstellung, die jedoch schon der Tätigkeit des Klubsekretärs gedenkt; im Vordergrund werden verletzte französische Soldaten in das inzwischen ebenfalls im Schloß untergebrachte Lazarett hindurchgetragen, was den Klub dann auch veranlaßte, das Lokal zu wechseln. Kupferstich von Abraham Wolfgang Küffner, erschienen im , Tempel der Musen und Grazien, ein Taschenbuch zur Bildung und Unterhaltung', Mannheim 1796; Stadtarchiv Mainz, BPS, alphabetische Sammlung 22 Johann Georg Forster Brustbild von rechts im Profil. Stich von Weger aus Leipzig, vermutlich nach einem verschollenen Gemälde von Anton Graff aus dem Jahre 1784; Akademie der Wissenschaften der DDR, Forsterausgabe 23 Freiheitsbaum In eine Fantasielandschaft gestellter Freiheitsbaum. Aquarell von Johann Wolfgang von Goethe 1792; Nationale Forschungs- und Gedenkstätten, Weimar 24 Der sogenannte Freiheitsbaum Naive Darstellung eines Freiheitsbaumes, flankiert von zwei Soldaten und zwei Trikoloren; er symbolisiert das republikanische und merkwürdige Jahr 1792. Illustration zu den Chronikalischen Aufzeichnungen des Frühmessers Philipp Scherer zu Winkel; Staatsarchiv Wiesbaden, Sign. 3004 B 55 III 25 Zug zur ersten Freiheitsbaumpflanzung am 3. November 1792 Angeführt von dem Träger der Pike, die mit Hut, Bändern und Sträußen geschmückt ist, bewegt sich der Zug zum Stadtgerichtshaus auf dem Höfchen in Mainz. Kupferstich von Abraham Wolfgang Küffner, erschienen im .Tempel der Musen und Grazien, ein Taschenbuch zur Bildung und Unterhaltung', Mannheim 1796; Stadtarchiv Mainz, BPS, alphabetische Sammlung 26 Nach der Freiheitsbaumpflanzung am 3. November 1792 in Mainz Nächtliches Treiben um den Baum mit Volksredner, türkischer Musik, Tanz und Fackelbeleuchtung. Kupferstich von Abraham Wolfgang Küffner, erschienen im ,Tempel der Musen und Grazien, ein Taschenbuch zur Bildung und Unterhaltung', Mannheim 1796; Stadtarchiv Mainz, BPS, alphabetische Sammlung

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27 Der Mainzer Freiheitsbaum vom 3. November 1792 Naive Darstellung des Freiheitsbaumes mit den Resten der drei zerstörten Postamente, auf denen die angeblichen Zeichen der städtischen Unfreiheit geruht hatten. Illustration zu den Chronikalischen Aufzeichnungen des Frühmessers Philipp Scherer aus Winkel; Staatsarchiv Wiesbaden, Sign. 3004 B 55 III 28 Der Freiheitsbaum in Mainz, von General Custine errichtet Eine völlig freie Darstellung, bei der Custine in der Mitte den Tanz anführt und rechts ein Jude seinen konterrevolutionären Kommentar liefert: „Jude, warum jubelst du denn nicht mit? Siehst du nicht, was da aufgerichtet steht? Ei nun — was seh' ich denn da? Einen Baum ohne Würzel, eine Mütze ohne Kopf I Was ist da zu jubeln?" Gestochen von Simon Schropp et Comp, in Berlin; Museum für Deutsche Geschichte, Berlin, Inv.-Nr. F 75/482 29 Johann Georg Reuter Kurfürstlich-mainzischer Geheimrat und Mitglied der 1. Allgemeinen Administration unter Dorsch; Hüftbild von vorn mit verschränkten Armen. Ölgemälde von F. J. Degk 1766; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, R 35 30 Isaac Maus Brustbild des Bauerndichters halbrechts von vorn. Nach dem Leben gezeichnet von J. F. Beer zu Frankfurt, verziert und in Kupfer gestochen von C. F. Stoeltzel in Dresden; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, mm 1 31 Abbildung des Freiheitsbaumes und der Piken, so zu Mainz den 13. Jänner gepflanzt wurden Baum und Piken sind mit einem blau-weiß-roten Band umwunden; der Baum trägt ein Schild mit der Aufschrift: Paix aux peuples, guerre aux tyrans. Kolorierte Zeichnung mit genauer Maßstabsangabe; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. IV, Ccl 32 Tanz um den in Kastel im Januar 1793 errichteten Freiheitsbaum Die im Bild verwendeten arabischen Ziffern verweisen auf Baum und Jakobinermütze (2 und 7), auf die Tänzer und ihre in die Luft geworfenen Hüte (5 und 6), auf den Nektar, den der Baum in den Becher eines Tanzenden fließen läßt (4), auf den Juden, der den Bestand des Freiheitsbaumes bezweifelt (1), und auf den Freiheitsmann, der ihm das Maul verbietet (3). Museum für Deutsche Geschichte, Berlin, Inv.-Nr. F 52/1585 33 Ball der Freiheit und Gleichheit zu Mainz Die mit französischen Militärs und rheinisch-deutschen Patrioten tanzenden Frauen tragen schmückende Bänder mit den Aufschriften ,Liberté' und Égalité'. Kupferstich von Annemeyer 1792; abgedruckt bei Paul Schreckenbach: Zusammenbruch Preußens im Jahre 1806, Jena 1906, S. 74 34 Die Klubisten in Mainz 1793 Szene in einer Mainzer Schenke mit einem begeisterten Sprecher für die jakobinische Sache. Stich nach einem Gemälde von V. Stoltenberg, der der Düsseldorfer Malerschule angehörte, von 1881; Museum für Deutsche Geschichte, Berlin, Inv.-Nr. F 62/510 35 Von der Staatsverfassung in Frankreich Titelblatt einer Flugschrift von Friedrich Cotta. Stadtbibliothek Mainz, Sign. Mog 1009 Nr. 13

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36 General Custine mit Böhmer vor deutschen Offizieren Custine, von Böhmer begleitet, steht mit einem großen Trupp bewaffneter Soldaten drei unbewaffneten und möglicherweise gefangenen deutschen Offizieren gegenüber, die ein Beispiel für konterrevolutionäre Standhaftigkeit geben sollen: „Wir sind deutsche Offiziere und sprechen kein Französisch", sagt die Unterschrift. Kupferstich im Kalender für Deutsche 1795, Nr. 3; Stadtarchiv Mainz, BPS 37 Das Mainzer Deutschherrenhaus Tagungsstätte des rheinisch-deutschen Nationalkonvents vom 17. bis 31. März 1793. Kolorierte Zeichnung; Stadtarchiv Mainz, BPS 38 Adam Lux Brustbild mit Hut in Revolutionstracht von vorn bis halbrechts, oval eingegrenzt; Darstellung als außerordentlicher Deputierter von Mainz beim Pariser Konvent; das angegebene Geburtsjahr muß richtig 1765 heißen. Kupferstich von F. Bonneville aus Paris; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, L 96a 39 Dekret des zu Mainz versammelten rheinisch-deutschen Nationalkonvents vom 18. März 1793 Plakatdruck zur allgemeinen Verbreitung. Stadtarchiv Speyer, Abt. 1 A Fasz. 147 Nr. 2 40 Forsters Rede vom 21. März 1793 im rheinisch-deutschen Nationalkonvent Titelblatt der auch als Flugschrift herausgebrachten Rede über die Vereinigung des neuen Freistaats mit der Frankenrepublik. Stadtbibliothek Mainz, Sign. Mog m 155 41 Verhinderung des Abzugs überzähliger französischer Truppen aus Mainz am 30. Mälz 1793 durch die Preußen Eine erfundene Schlachtfeldszenerie zum höheren Ruhme des preußischen Prinzen Louis Ferdinand; die Lage der Städte Mainz, Oppenheim und Bingen im Hintergrund ist geographisch völlig falsch angeordnet. Gezeichnet und gestochen von J. Funcke in Berlin; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. IV, Ac 4 42 Beseitigung des Wormser Freiheitsbaums Anfang April 1793 Von preußischen Soldaten geprügelt, werden Wormser Jakobiner gezwungen, den Freiheitsbaum zu entfernen; die Unterschrift lautet: „Die Jakobiner-Schwindelköpfe zu Worms müssen ihren Freiheitsbaum selbst ausgraben!" Kupferstich von Schubert im Revolutionsalmanach 1794; Deutsche Staatsbibliothek Berlin, Sign. R 6614 a 43 Wahre Abbildung des zu Worms von denen Clubisten gesäuberten Bischofshofs Wormser Jakobiner, darunter zwei Geistliche und eine Frau, werden von prügelnden preußischen Korporalen zur Reinigung ihres früheren Tagungsortes gezwungen; die versifizierte Unterschrift lautet: ,Hier sieht man im Schlosse überall die deutlichste égalité und wie der preußische Corporal exerziert die liberté.' Stadtarchiv Worms, Neg. Nr. F 2411/72

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44 Situationsplan det Stadt und Festung Mainz Aus einer angenommenen Höhe mit halber Daraufsicht wird die Lage der eingeschlossenen Stadt dargestellt; eine umfangreiche Legende von A bis Z erläutert die entsprechenden Eintragungen im Plan bis ins Detail. Nach der Natur gezeichnet und gestochen von Berndt in Frankfurt am Main, den 12. Mai 1793; Stadtbibliothek Mainz, Sign. I G 19 45 Belagerungsgeld aus Mainz vom Mai 1793 Gezeigt werden ein Papierschein im Werte von 10 Sois, eintauschbar gegen Belagerungsmetallgeld, und eine Metallmünze im Werte von 5 Sols mit Vorder- und Rückseite. Revolutionsalmanach 1794; Deutsche Staatsbibliothek Berlin, Sign. R 6614a 46 Jean-François Reubell Brustbild des Pariser Konventskomfnissärs im Profil von links. Akademie der Wissenschaften der DDR, Forsterausgabe 47 Antoine-Christophe Merlin de Thionville Brustbild des Pariser Konventskommissärs von vorn bis halbrechts. Stahlstich, wiedergegeben in: Deutsche Jakobiner; Mainzer Republik und Cisrhenanen 1792-1798, Bd. 1: Handbuch, Mainz 1981, S. 21 48 Matthias Metternich Brustbild von vorn, als Mathematikprofessor in späteren Jahren. Ölgemälde von Caspar Schneider; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, M 34 49 Friedrich Lehne Brustbild von vorn aus den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. Gemalt von J. J. Biedermann und in Kupfer gestochen von Otto; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, L 30 a 50 Joseph Schlemmer Jüngstes Mitglied der Allgemeinen Administration unter J. A. Hofmann; Brustbild von vorn, oval. Elfenbeinminiatur; Stadtarchiv Mainz, vorl. BPS, 1789 51 Franz Konrad Macke Brustbild von vorn bis halbrechts des Maire und späteren großherzoglich-hessischen Bürgermeisters von Mainz. Nach einer Zeichnung von Schalck durch J. Gauff lithographiert; Stadtarchiv Mainz, BPS, Abt. V, M 2 52 Ansicht von Mainz mit brennendem Dom Blick vom Abhang zwischen der Hochheimer Kirche und dem Main auf die vom Dombrand beleuchtete Stadt. Aquatintastich von J. F. Tielker nach einem Gemälde von J. G. Schütz; Stadtarchiv Mainz, BPS, 313 D 53 Die Gegend von Mainz im Grundriß Der eingezeichnete Maßstab entspricht einer halben Wegstunde. Stadtarchiv Mainz, BPS, 281 B 54 Auszug der französischen und Einzug der preußischen Truppen in Mainz nach der Kapitulation vom 22. Juli 1793 Eine konstruierte Darstellung, die einzelne Punkte der Kapitulation wie die Mitnahme zweier Kanonen oder andere Vorfälle wie die Mißhandlung einzelner Klubisten illustriert; eine Legende führt solche Dinge in zehn Punkten im Detail auf. Kupferstich von Johann Martin Will; Stadtarchiv Mainz, BPS, 33 C

Druckfehlerberichtigung in der beiliegenden Farbkarte 1. Legende — anstatt Grafschaft Leiningen-Hardenburg lies Fürstentum Leiningen-Hardenburg 2. Budenheim und Heidesheim (westlich von Mainz) und 3. Schornsheim (westlich von Oppenheim) sind Orte, die Konvents deputierte nach Mainz schickten (vgl. Legende)