Die Mainzer Republik 1: Protokolle des Jakobinerklubs [Zweite, durchgesehene und ergänzte Auflage] 9783110660852, 9783110660760

208 44 67MB

German Pages 924 Year 1984

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Mainzer Republik 1: Protokolle des Jakobinerklubs [Zweite, durchgesehene und ergänzte Auflage]
 9783110660852, 9783110660760

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Tagebuch der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit
[Mainz, den 23. Oktober 1792, Dienstag]
[Mainz, den 1. November 1792, Donnerstag]
Actum, den 2. Dezember 1792, [Sonntag]
Actum, Mainz, den 1. Jänner [Dienstag] 1793, im 2. Jahre der fränkischen Republik
Protokoll der Sitzung vom [Freitag,] 1. Februar 1793, im 2. [JahrJ der F [ranken] r [epublik]
Protokoll der Sitzung vom [Sonnabend,] 2. März 1793, im 2. Jahr d[er] F[ranken]r[epublik]
Mitgliederlisten des Klubs
Titelliste der mitgeteilten jakobinischen Publizistik
Quellennachweis
Personenregister
Orts- und Länderregister

Citation preview

DIE M A I N Z E R R E P U B L I K I Protokolle des Jakobinerklubs

A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N D E R DDR S C H R I F T E N DES Z E N T R A L I N S T I T U T S FÜR G E S C H I C H T E BAND 42

DIE MAINZER REPUBLIK I Protokolle des Jakobinerklubs herausgegeben, eingeleitet, kommentiert und bearbeitet von

H E I N R I C H SCHEEL Zweite, durchgesehene und ergänzte Auflage

A K A D E M I E - V E R L A G • BERLIN 1984

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1983 Lizenznummer: 202 • 100/247/84 Printed in the German Democratic Republic Einband und Schutzumschlag: Karl Salzbrunn Satz: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg Fotomechanischer Nachdruck: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza LSV 0266 Bestellnummer: 7526747 (2083/42) 07500

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

9

Protokolle der Klubsitzungen 1792 Oktober

November

23 24 25 26 27 28 29 30 31

(Di) (Mi) (Do) (Fr) (Sa) (So) (Mo) (Di) (Mi)

Comité général; rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert

1 2 3 4 5 6 7 8 9 11 12 13 15 16 18 19 22 23 24 25 26

(Do) (Fr) (Sa) (So) (Mo) (Di) (Mi) (Do) (Fr) (So) (Mo) (Di) (Do) (Fr) (So) (Mo) (Do) (Fr) (Sa) (So) (Mo)

rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert Protokollband I Protokollband I Protokollband I Protokollband I Protokollband I Protokollband I Comité général; Protokollband I Protokollband I Protokollband I Protokollband I Protokollband I rekonstruiert rekonstruiert Comité général; rekonstruiert rekonstruiert Protokollband I

51 53 55 58 61 68 78 82 86 89 105 106 109 117 139 143 152 158 175 186 214 217 232 237 253 270 275 287 288 299

6

Inhaltsverzeichnis

Dezember

1793 Januar

29 (Do) Protokollband I 30 (Fr) Protokollband I

309 316

2 3 4 6 7 10 12 14 16 17 20 21 23 24 25 27 28 29 30 31

(So) (Mo) (Di) (Do) (Fr) (Mo) (Mi) (Fr) (So) (Mo) (Do) (Fr) (So) (Mo) (Di) (Do) (Fr) (Sa) (So) (Mo)

Protokollband I Protokollband I Comité général; Protokollband I Protokollband I Protokollband I Comité général; rekonstruiert Comité général; rekonstruiert Protokollband I Protokollband III Protokollband III Protokollband III Protokollband III Protokollband III Protokollband III Protokollband III Protokollband III Protokollband III Comité général; Protokollband III Protokollband III Protokollband III

326 336 350 351 361 367 371 374 381 384 388 400 411 425 431 439 441 441 441 457

1 3 4 6 7 10 11 12 13 14 16 17 18 19 20 21 23 24 25 27 28

(Di) (Do) (Fr) (So) (Mo) (Do) (Fr) (Sa) (So) (Mo) (Mi) (Do) (Fr) (Sa) (So) (Mo) (Mi) (Do) (Fr) (So) (Mo)

Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II frz. Session; rekonstruiert Protokollband II Protokollband II frz. Session; rekonstruiert Protokollband II Protokollband II frz. Session; rekonstruiert Protokollband II Protokollband II frz. Session; rekonstruiert Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II

471 478 481 490 497 503 523 529 530 541 . 551 557 568 573 573 589 597 597 603 607 613

Inhaltsverzeichnis

7 29 (Di) Comité général; Protokollband II 31 (Do) Protokollband II

625 628

Februar

1 3 4 7 8 10 12 14 15 19 21 23 24 26 27 28

(Fr) (So) (Mo) (Do) (Fr) (So) (Di) (Do) (Fr) (Di) (Do) (Sa) (So) (Di) (Mi) (Do)

Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Comité général; Protokollband II Protokollband II

652 659 660 684 689 695 703 706 710 721 723 727 732 736 770 773

März

2 3 5 7 9 12 13 14 15 16 18 24

(Sa) (So) (Di) (Do) (Sa) (Di) (Mi) (Do) (Fr) (Sa) (Mo) (So)

Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Protokollband II Comité général; Protokollband II rekonstruiert Comité général; rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert rekonstruiert

779 786 794 795 803 805 808 810 810 811 811 817

Mitgliederlisten des Klubs Titelliste der mitgeteilten jakobinischen Publizistik Quellennachweis Personenregister Orts- und Länderregister

819 840 S57 865 914

Einleitung

Nachdem 1981 der zweite Band der „Mainzer Republik" mit den Protokollen des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents erschienen war, machte die gesteigerte Nachfrage nach dem inzwischen vergriffenen ersten Bande mit den Klubprotokollen seine 2. Auflage unumgänglich, die selbstverständlich neue Forschungsergebnisse berücksichtigt und Fehler der 1. Auflage auszumerzen bemüht ist. Die vorliegende Edition erwuchs nahezu zwangsläufig aus der Notwendigkeit, einer geplanten monographischen Darstellung der Mainzer Republik von 1792/93 eine gesicherte Quellenbasis zu geben. Wenn die Monographie gründlich und dennoch lesbar, nicht materialüberladen und dennoch umfassend belegt sein wollte, dann wurde die gesonderte Quellenaufbereitung zu einer unumgänglichen Vorstufe, die einen vielfach nutzbaren Eigenwert besitzt. Die Zwangsläufigkeit eines solchen Vorgehens resultierte aus dem elenden Zustand, in dem sich die Aufbereitung der Quellen zur Geschichte der Mainzer Republik seit nunmehr 185 Jahren befindet. Dieser beklagenswerte, aber von der maßgeblichen bürgerlichen Historiographie nie beklagte Zustand ist die logische Folge ihrer fast ausnahmslos negativen Wertung des historischen Ereignisses selbst. Das Verhältnis zu den historischen Traditionen wird durch den Klassencharakter des Tradierten und durch die Klassenposition des Tradierenden bestimmt. Auch im Hinblick auf die Mainzer Republik liefert die Geschichte der Geschichtsschreibung genügend Belege, die diese Erkenntnis bestätigen. Selbst eine Äußerung des Klassenkampfes, die die Zeitgenossen zur Parteinahme zwang, war ebenso die spätere Beschäftigung mit diesem Phänomen nie unabhängig von späteren Klassenkämpfen; sogar der Verzicht auf eine Auseinandersetzung hat klassenmäßige Wurzeln. Kein Zeitgenosse konnte vor dieser damals weitestgehenden und massivsten Herausforderung der herrschenden Feudalordnung in Deutschland die Augen schließen. Angesichts der Tatsache, daß die Revolutionäre im Linksrheinischen von der revolutionären Praxis absorbiert wurden, ihre Freunde im Rechtsrheinischen durch die Zensur geknebelt waren und seine politische Unreife das deutsche Bürgertum in der Masse nur zum Nachvollzug einer philosophischen Revolution befähigte, so beherrschte allerdings in der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit der Mainzer Republik die Feudalreaktion in Deutschland eindeutig das Feld. Ganz gewiß haben ihre konterrevolutionären Kampfschriften, die sie blieben, auch wenn sie sich als leidenschaftslose Darstellungen des geschichtlichen Ablaufs ausgaben, so gut wie nichts zum Verständnis des historischen Ereignisses beigetragen. Aber sie haben es doch wenigstens zur Kenntnis nehmen müssen und dabei nolens volens Fakten und Materialien seiner Geschichte gesichert.1 Die folgenden anderthalb Jahrhunderte, in denen die bürgerliche Historiographie

10

Einleitung

den Ton angab, sind generell durch die umgekehrte Tendenz gekennzeichnet, nämlich der Auseinandersetzung auszuweichen und die Mainzer Republik zu einem Strohfeuer herunterzuspielen, das am Rande oder gar außerhalb der deutschen Geschichte aufflackerte und keinen Platz im Geschichtsbewußtsein des Volkes verdient.2 Diese feigherzige Haltung entspricht sowohl dem unheroischen Weg, den die deutsche Bourgeoisie zur politischen Herrschaft gegangen ist, als auch ihrem Sekuritätsbedürfnis als herrschende Klasse, die im Kampf gegen die revolutionäre Arbeiterklasse nicht an eigene revolutionäre Jugendsünden erinnert werden möchte. Von Häusser über Treitschke, Sybel, Lamprecht, Schnabel bis in die bundesrepublikanische Gegenwart hinein wird die sogenannte große Geschichtsschreibung von dieser Tendenz bestimmt. Die bürgerliche Lokalhistorie hatte und hat es allerdings nicht ganz so einfach, denn sie kann bei dem ihr eigenen positivistischen Quellenfetischismus schwerlich an einem Ereignis stillschweigend vorübergehen, das wie die Mainzer Republik-einen solchen Quellenreichtum hervorgebracht hat. Gegen £lle damit verbundenen Gefahren sicherte sie jedoch ihr Seelenheil durch eine besonders penetrant reaktionäre Grundhaltung, die mit der Zeit ging und je nachdem in dynastischer Servilität, klerikaler Borniertheit, nationalistischer Impertinenz und heimatlicher Idyllenmalerei exzellierte. Immerhin verdanken wir dieser Art Geschichtsschreibung eine ganze Menge gesicherter Details, auch wenn sie sich meist in schwer zugängliche Heimatblätter oder sonstige regionalgeschichtliche Publikationsorgane verkriechen und im übrigen nicht von der Art sind, daß die offizielle Historiographie durch sie zu einer positiveren Einstellung genötigt worden wäre. Das hat selbst der Segensspruch höchster bundesrepublikanischer Repräsentanz, nämlich des Bundespräsidenten Heinemann, nicht fertiggebracht, der 1970 in Bremen dazu aufforderte, die revolutionär-demokratische Traditionslinie nicht wie bisher zu ignorieren und der DDR-Geschichtsschreibung zu überlassen, sondern auch sie für die angeblich freiheitliche Grundordnung dieses Staates der Monopole in Anspruch zu nehmen.3 Von der Möglichkeit für einzelne progressive Historiker abgesehen, mit dem Heinemann-Wort im Rücken, aber ganz und gar nicht zu Lob und Preis der BRD die Mainzer Republik unter positivem Vorzeichen zu begreifen4, hat der Appell keinerlei wissenschaftliche Relevanz. Er spiegelt jedoch das sich wandelnde Kräfteverhältnis zugunsten des Sozialismus wider, dem auch auf historiographischem Gebiet mit den alten Klischees und Methoden immer weniger beizukommen ist. Sie aufzugeben fällt der bürgerlichen Geschichtsschreibung allerdings gar nicht so leicht. Immerhin kolportiert beispielsweise der Mainzer Lokal- und Regionalhistoriker Mathy heute nicht mehr wie noch 1968 die schwachsinnige Vorstellung kalter Krieger, daß in der DDR „die Mainzer Republik von 1792/93 als der erste Arbeiter-undBauern-Staat auf deutschem Boden gefeiert würde."' In späteren Aufsätzen, die durchaus auch einige interessante Details zur Geschichte der Mainzer Republik mitteilen, geht er mit der marxistischen Historiographie etwas wenig grobschlächtig um und praktiziert statt dessen die sattsam bekannte pluralistische „Ausgewogenheit", nämlich dem oder jenem Mainzer Jakobiner menschliche Züge zu konzedieren, ohne der Sache selbst auch nur ein Jota mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.6 Inzwischen hat Mathys Nachfolge Franz Dumont angetreten, der wie jener in verstreuten Auf-

Einleitung

11

Sätzen manchen bemerkenswerten Fund bekanntmacht7 und dabei seinen Vorgänger als kleinkarierter Kritiker der von der Mainzer Republik ausgehenden demokratischen Traditionslinie womöglich noch übertrifft.8 Um der elenden Praxis ein Ende zu bereiten, die um der überlebten Gegenwart willen die revolutionäre Vergangenheit verteufelt, verleugnet oder gar zur Vertuschung einer konterrevolutionären Grundhaltung mißbrauchen möchte, bedarf es einer kongenialen revolutionären Betrachtungsweise, die die Zukunft nicht fürchtet. Diese These ist bereits ableitbar aus der Geschichte der bürgerlichen Historiographie des 19. Jahrhunderts. Es ist nämlich kein Zufall, sondern eine logische Folge gewesen, daß die halbwegs positiven Einstellungen der wenigen bürgerlichen Historiker zum Phänomen der Mainzer Republik immer nur beim Heranreifen revolutionärer Krisen möglich wurden. So hat im Vormärz Gervinus mit Forsters Tochter dessen erste Werkausgabe besorgt und dabei die Nutzanwendung für seine Zeit gezogen, indem er Forster als das große Vorbild pries, das „den schwierigen Ubergang von der Idee zur Tat, von dem Grundsatz zu dessen Ausübung, vom Wissen zum Handeln gefunden hat".9 Aber auch ein Gervinus konnte als ein gemäßigter Liberaler, der für eine Bourgeoisie sprach, der schon die Furcht vor dem Proletariat im Nacken saß, der bürgerlich-demokratischen Revolution nicht mehr gerecht werden; über die Mainzer Ereignisse eilte er so schnell wie möglich hinweg. Als dann um die Wende von den 50er zu den 60er Jahren eine neue nationalrevolutionäre Situation heranreifte, lieferte 1861 Ludwig Bamberger, der damals noch eindeutig auf den Positionen der kleinbürgerlichen Demokratie stand, die beste Würdigung des Mainzer Jakobinismus, die ihm von bürgerlicher Seite überhaupt zuteil geworden ist. Daß aber auch diesem kleinbürgerlichen Demokraten die letzte revolutionäre Konsequenz mangelte, verriet am Ende Bambergers Einschätzung der französischen Bindung, die die Mainzer Republik einzugehen gezwungen war; er nannte sie eine „ehrlich gemeinte, aber falsch angelegte Sache".10 Solche Halbherzigkeiten waren dem bürgerlichen Liberalismus und der kleinbürgerlichen Demokratie in ihren besten Zeiten eigen, in denen sie ihr Höchstmaß an historischem Verständnis für bedeutsame historische Traditionen entwickelten. Die wahrhaft kongeniale revolutionäre Betrachtungsweise, die solche Halbherzigkeiten unmöglich macht, hat einzig die marxistische Weltanschauung entwickelt. Als Gervinus nur in allgemeinen Wendungen Forster als Leitbild eines bürgerlichen Politikers anzubieten wagte, pries Friedrich Engels ihn als „den deutschen Thomas Paine", der der Französischen Revolution bis in ihre jakobinische Phase die Treue hielt.11 Als Bamberger sich auf der höchstmöglichen Stufe bürgerlichen Verständnisses für die Mainzer Republik von ihr als einer ..falsch angelegten Sache" distanzierte, faßte Karl Marx für die proletarische Partei der Rheinprovinz die Möglichkeit ins Auge, im Gefolge einer revolutionären Beseitigung des Bonapartismus in Frankreich „in ähnliche Position zu kommen wie in der alten Revolution die Mainzer Klubbisten";12 obwohl er die Lage fatal nannte, weil sie der Reaktion das Argument des Vaterlandsverrats geliefert hätte, akzeptierte er selbstverständlich auch eine unter so ungünstigen Bedingungen eingeleitete revolutionäre Entwicklung. Die Fähigkeit zu solcher kongenialen Betrachtungsweise erwuchs den Begründern des Marxis-

12

Einleitung

mus aus ihrem Klassenstandpunkt. Das proletarische Interesse befindet sich in uneingeschränkter Übereinstimmung mit den der Geschichte innewohnenden Entwicklungsgesetzen und realisiert sich in dem Maße, wie diese Gesetze zum Durchbruch gelangen. Auf dieser Basis ist eine wissenschaftliche Analyse der Vergangenheit nicht nur möglich, sondern unabdingbare Voraussetzung, um die gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben formulieren zu können. Die immer notwendige Kritik auch an progressiven historischen Traditionen erfolgt von einem konsequent revolutionären Standpunkt aus, der keine subjektiven Ängste kennt und objektive Maßstäbe setzt. Nur in engster Tuchfühlung mit der revolutionären Arbeiterbewegung konnten darum auch historiographische Leistungen entstehen, die im Hinblick auf das Verständnis des Wesens der Erscheinungen über Bamberger hinausgingen. Das gilt beispielsweise für die Forsterforschungen, die nach 1918 Kurt Kersten unter dem Eindruck der Novemberrevolution und der revolutionären Nachkriegskrise veröffentlichte;13 mit dem Kontakt zur revolutionären Arbeiterbewegung verlor Kersten auch seine wissenschaftliche Orientierung, so daß seine 1957 in der Schweiz erschienene Forsterbiographie nur den Fall von einstiger Höhe dokumentiert.14 Bahnbrechende marxistische Leistungen lieferte dann vor allem die sowjetische Geschichtsschreibung mit den Arbeiten von Moskovskaja, deren Forster-Monographie die bis dahin beste Würdigung der Mainzer Republik einschloß, obwohl ihr die unzureichende Quellenaufbereitung keine umfassende Darstellung gestattete.15 Nach der Befreiung von der faschistischen Barbarei hat sich folgerichtig die Geschichtsschreibung des ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates dieser Tradition verpflichtet gefühlt und frühzeitig begonnen, die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden ins Geschichtsbewußtsein feiner Menschen zu heben. Ein erster und sehr glücklicher Versuch war das 1952 von Steiner und Häckel herausgegebene Forster-Lesebuch.16 Die Orientierung auf eine so herausragende Gestalt wie Forster lag nahe und bestimmte dann auch über längere Zeit andere Forschungsarbeiten, denen neue Kenntnisse und Erkenntnisse zur Geschichte der Mainzer Republik zu verdanken sind. Die reichen Ergebnisse groß angelegter marxistischer Untersuchungen zum Jakobinismusproblem im übrigen Deutschland machten dann aber deutlich, daß es den Zugang zu den Mainzer Jakobinern breiter und zugleich gezielter zu fassen galt. In der Folgezeit sind in dieser Richtung auch handgreifliche Fortschritte erzielt worden. Jedoch erst die Herausgabe der Protokolle des Mainzer Jakobinerklubs stößt, von der Quellenaufbereitung her gesehen, wirklich ins Zentrum vor, von dem aus eine umfassende Darstellung der Mainzer Republik möglich wird. Indem das vorliegende Unternehmen dieser wissenschaftlichen Aufgabe dient, begreift es sich als Teil des vielfältigen Bemühens der marxistischen Geschichtsschreibung um die Sicherung des jakobinischen Erbes für unsere sozialistische Gegenwart und Zukunft. *

Der Mainzer Jakobinerklub war die Seele der Mainzer Republik, wenn man natürlich ihre Geschichte nicht erst mit dem 18. März 1793 beginnen läßt, an dem der Mainzer Nationalkonvent den Rheinisch-deutschen Freistaat proklamierte, sondern

Einleitung

13

selbstverständlich das rund 150 Tage währende Vorspiel mit einbezieht, das am 21. Oktober 1792 mit der Einnahme der Festung durch die französischen Revolutionstruppen einsetzte. Die Proklamierung der Republik war nur die Krönung der revolutionär-demokratischen Bewegung, die ihren geistigen Mittelpunkt im Mainzer Jakobinerklub besaß, in dessen Diskussionen das Werden, die Wandlungen und das Wesen der Bewegung den lebendigsten Ausdruck fand. Diese Einsicht zu gewinnen fiel den Zeitgenossen nicht sehr schwer. Angesichts der Tatsache, daß weder Spuren politischen Mitspracherechts aus den versunkenen Zeiten städtischer Selbstverwaltung noch die exklusiven Lesegesellschaften eine merkliche Vorarbeit geleistet hatten, mußte der enorme Sprung zur politischen Klubbildung mit Hunderten von Mitgliedern und Aberhunderten von Zuhörern einen gewaltigen Eindruck machen.- Ganz Deutschland sprach und schrieb davon. Die Reaktion vor allem war tief erschüttert und verfolgte die Klubaktivitäten mit allergrößter Aufmerksamkeit. Die in der Stadt zurückgebliebenen Kost- und Parteigänger des Hofes standen schon nach wenigen Tagen vor der Frage, ob sie den Klub zu unterwandern oder einen Gegenklub zu gründen versuchen sollten; Mitte November gab ihnen die geflüchtete Regierung aus Würzburg die konspirative Weisung, sich ¡der Zunftorganisationen als Gegengewicht gegen den Klub zu bedienen.17 Die Spitzelberichte, die der kaiserliche Gesandte Graf von Westphalen in der zweiten Novemberhälfte aus Mainz besorgte, handelten - wenn nicht von militärischen Dingen - von Klubangelegenheiten.18 Die Reaktion zeigte nur Konsequenz, wenn sie auch später bei der gerichtlichen Verfolgung der Mainzer Jakobiner die Klubzugehörigkeit obenan unter die belastenden Kriterien stellte.19 Die Revolutionäre auf der anderen Seite dokumentierten ihre hohe Meinung von der Bedeutung des Klubs vor allem durch ihre vielfältigen und unerhört intensiven Klubaktivitäten selbst. Die Teilnahme an den anfangs Abend für Abend, später dann viermal in der Woche stattfindenden Klubsitzungen war allein schon eine ungewöhnlich große gesellschaftliche Leistung. Sehr viele Klubmitglieder taten sehr viel mehr, indem sie bestimmte Funktionen übernahmen, um etwa die simple Einlaßkontrolle und äußere Ordnung bei den Sitzungen zu gewährleisten oder aber auch so verantwortungsvolle Ausschußarbeiten wie beispielsweise die Klubkorrespondenz bewältigen zu können. Die heißen Diskussionen in der zweiten Februarhälfte 1793 über das Ansinnen, gegebenenfalls zugunsten des Liebhabertheaters auf die sonntäglichen Klubsitzungen zu verzichten, machten erneut den hohen Stellenwert deutlich, der dem Klub bei den eingeleiteten revolutionären Veränderungen zugemessen wurde.20 Forsters „Volksfreund" betonte selbst noch zu einem Zeitpunkt, da die dringend gewordene Regeneration des Klubs seine vorübergehende Auflösung erzwungen hatte, den großen Nutzen, den er dennoch „zur Entwicklung und zur Ausbreitung neuer Ideen und Gefühle geleistet hat. Insonders verdankt ihm das deutsche Vaterland eine große Menge gedruckter Reden, Vorlesungen und Aufsätze, worunter viele nicht allein als Beiträge zur Geschichte dieser merkwürdigen Epoche einen Wert behalten werden."21 Daß dennoch bis auf den heutigen Tag keine einzige Geschichte des Mainzer Jakobinerklubs existiert, kann im Hinblick auf die bürgerliche Historiographie und ihre Haltung zur Mainzer Republik natürlich nicht verwundern. Sie ließ nicht nur

14

Einleitung

eine solche Geschichte ungeschrieben; sie tat auch nichts von irgendwelchem Belang für die Erschließung und Aufbereitung der einschlägigen Quellen, so daß die schon 1794/96 mit kurfürstlichem Segen erschienene Dokumentation von Nau über mehr als anderthalb Jahrhunderte die Spitze halten konnte. Der Mainzer Professor der Kameralwissenschaft Bernhard Sebastian Nau legte mit seinem fünfbändigen Werk eine Geschichte der deutsch-französisdien Beziehungen vor, die den Zeitraum von den Interventionsvorbereitungen bis zum Ende des Jahres 1793 erfaßte und vornehmlich Dokumente sprechen ließ.22 Die im vierten Bande behandelten Mainzer Ereignisse profitierten schon eindeutig vom preußischen Separatfrieden in Basel, der die konterrevolutionäre Interventionspolitik sichtbar disqualifizierte und Nau die Mainzer Republik bei aller prinzipiellen Gegnerschaft doch weniger haßverzerrt sehen ließ als vor ihm beispielsweise Anton Hoffmann.23 Nach Abschluß der Arbeit am Gesamtwerk, das sogar schon gesetzt war, tat Nau noch ein übriges, und legte am 24. November 1795 der kurfürstlichen Regierung in Aschaffenburg eine von ihm vorgenommene Zusammenfassung des Klubprotokolls vor, die er als Beilage dem letzten Bande anzufügen beabsichtigte. Die erbetene „gnädige Entschließung, ob diese Beilage abgedrückt werden darf", blieb zwar aus, da die Regierung noch am gleichen Tage entschied, die Auszüge an Nau „wieder zurückzugeben und demselben zu überlassen, solche dem Druck zu übergeben oder nicht";24 aber Nau entschloß sich dennoch zum Abdruck, so daß sein Gesamtwerk mit Auszügen aus dem Mainzer Klubprotokoll endet, die über 90 Seiten gehen. Mit solcher augenfälligen Plazierung am Schluß des letzten Bandes hat Nau ganz gewiß keine verdeckten proklubistischen Absichten verfolgt, denn die von ihm bei der' Herstellung der Auszüge angewendete Methode hatte schon dafür gesorgt, daß das Endprodukt steril und uninteressant genug war, um unangefochten zu bleiben. Die ohnehin sehr knapp gehaltenen Protokolle vertragen nichts schlechter als Auslassungen; sie bedürfen umgekehrt vielmehr der Ergänzungen, um ihren Aussagewert voll zum Tragen zu bringen. Auch wenn NaU darauf verweisen konnte, daß manche Klubreden bereits in seinem vierten Bande teilweise oder ganz abgedruckt waren, hatte sein von einem revolutionsfeindlichen Standort aus gehandhabtes Auswahlprinzip, wonach Auslassungen durch die seiner Meinung nach „mindere Wichtigkeit" gerechtfertigt wurden23, mit Notwendigkeit Willkür und Unwissenschaftlichkeit zur unausbleiblichen Folge. Daß einstige aktive Mitglieder des Klubs oder andere revolutionsfeindliche Zeitgenossen noch viel weniger zur Aufhellung seiner Geschichte geleistet haben, mutet zunächst seltsam an, hat aber seine guten Gründe. Sofern sie die Feder zu führen verstanden und nicht in den Kasematten der feudalen Reaktion gefangen saßen, führten sie in Frankreich ein Flüchtlingsdasein, das dafür die ungünstigsten Bedingungen bot. Als Forster beispielsweise sich im Spätsommer 1793 daransetzte, den konterrevolutionären Zerrbildern eine wahrheitsgetreue „Darstellung der Revolution in Mainz" entgegenzustellen, befand er sich in diplomatischer Mission des französischen Außenministeriums in Flandern, um dort mit den Engländern Verhandlungen anzuknüpfen, die trotz vieler Bemühungen dann doch nicht zustande kamen. Die erzwungene Untätigkeit fern von Paris und dem großen politischen Geschehen gab ihm zwar Muße zur Arbeit, aber was er schmerzlich vermißte und worüber er in

Einleitung

15

Briefen aus Arras immer wieder schrieb, waren historische Materialien jeder Art. Er hatte keine eigenen Aufzeichnungen, kein einziges Druckerzeugnis der Mainzer Zeit, keinen Menschen, den er wenigstens konsultieren konnte; ihm stand nur sein eigenes Gedächtnis zur Verfügung. Eine weitere Schwierigkeit erwuchs aus der notwendigen Rücksichtnahme auf die deutsche Zensur, denn Forster wollte ja nicht für die Nachgeborenen schreiben und mußte, um die gewünschten politischen Wirkungen erzielen zu können, in Deutschland publizieren.26 Forster nahm alle diese Mängel in Kauf und erreichte dennoch nicht sein Ziel: Seine „Darstellung" blieb Fragment, das mit der Klubgründung abbricht, und erreichte auch erst ein halbes Jahrhundert später die Öffentlichkeit, als Forsters Tochter zusammen mit Gervinus die erste Werkausgabe herausgebracht hatte.27 War für Forster schon mit dem Fall von Mainz eine unbefangene historische Rückerinnerung sehr schwer, so wurde sie nach dem 9. Thermidor 1794 für alle Revolutionsfreunde effektiv unmöglich. Seit dem Thermidor lag die Macht in den Händen der französischen Großbourgeoisie, die die Revolution zu beenden trachtete und darum ihre demokratischen Errungenschaften wie die Klubs systematisch abbaute. Wenn also Georg Wedekind, einst eines der aktivsten und führenden Mitglieder des Mainzer Klubs, im Oktober 1794 eine Schrift über das Jakobinerwesen veröffentlichte28, dann war es schon viel, daß er die Existenzberechtigung der Klubs für den Beginn der Revolution bejahte. Er sicherte auf diese Weise seine eigene Vergangenheit ab, um dann ganz ipi Sinne der Thermidorianer die angeblich mit der Klubbildung verbundenen Gefahren hervorzuheben. Die nach der Wiedereinnahme von Mainz durch die Franzosen 1798 am Ort erschienene „Darstellung des Betragens der sogenannten Aristokraten und Patrioten in Mainz" trieb die Distanzierung von den Klubaktivitäten dann so weit vor, wie es unter einer Bourgeoisherrschaft möglich war, die ihre revolutionäre Herkunft noch nicht prinzipiell verleugnete.29 Mit äußerster Schärfe geißelte sie den Terror der siegreichen Feudalreaktion gegenüber den Republikanern, die uneingeschränktes Lob erhielten, sofern sie öffentliche Ämter bekleidet, also republikanische Obrigkeiten dargestellt hatten. Den Mainzer Klub hingegen ließ der anonyme Verfasser durch Mitglieder repräsentieren, die vom Geist des Weins beseelt waren, schlechte Verse deklamierten, sich in Banditenkostümen gefielen und in den Klubsitzungen schliefen. Solche Verleumdungen der revolutionärdemokratischen Tradition standen den Diffamierungen, wie sie die Feudalreaktion praktizierte, kaum noch nach. Johann Nikolaus Becker bewies Charakter, als er um die gleiche Zeit immer noch an der These festhielt, daß der Mainzer Klub bei all seinen Mängeln auf dem linken Rheinufer eine bedeutende Erziehungsarbeit geleistet habe: „Die empörenden Nachrichten, welche die Bonzen des Despotismus von den Mainzer Klubisten in Europa herumgetragen haben, waren Schwärmern ähnlich, die von mutwilligen Knaben in die Luft geblasen werden, einen Augenblick in der Finsternis funkeln und dann mit Gestank zerplatzen. Wir wissen es jetzt recht gut, daß in dieser Gesellschaft oft eine unanständige Sansculottensprache geführt wurde, daß man Dinge darin verbreitet hat, die nicht zu beweisen waren; dies ist aber nun einmal der gewöhnliche Fall. Wenn der Geist seine lang getragenen Fesseln abwirft, so erhebt er sich doppelt

16

Einleitung

mächtig über die Schranken der Konvenienz, bis er sich an das blendende Licht gewöhnt. Auch kann nichts anders erwartet werden, solange ein Staat nicht aus lauter vollkommen vernünftigen Menschen besteht. Indessen hat dieser Klub doch auf dem linken Rheinufer herrlich gewirkt und bis tief in die Mittelklasse hinab Ideen verbreitet, welche die Bewohner dieser düstern Gegenden dem schönen Ziel näherbringen, das ihnen gegenwärtig bevorsteht."30 Becker begriff auch, daß den Verleumdungen mit authentischem Quellenmaterial begegnet werden müßte. Aber unter den gegebenen Bedingungen in Deutschland wie in Frankreich war an eine Erfüllung solcher Forderung nicht zu denken. Auch die folgenden Jahrzehnte boten keine Möglichkeiten. Es blieb bei einzelnen sehr persönlichen Bekenntnissen, die nichts bewirkten wie das des Mitbegründers des Mainzer Klubs Johann Dominik Meuth, der 1812 in einem Brief an seinen Bruder den Klub, ungeachtet einiger unwürdiger Mitglieder, eine Gesellschaft von Freunden der Freiheit und Gleichheit nannte, „an deren Spitze Männer von Kopf und Herz sich befanden, die zu diesem Schritte durch nichts als durch reine Liebe zur Sache bewogen wurden. Ihnen schloß sich ein Häufchen enthusiastischer Jünglinge an, unter denen auch ich mich befand. Ich träumte nicht im geringsten, von diesem Schritt einen Vorteil zu ziehen. Ich wollte nicht müßiger Zuschauer bleiben, und das höchste Glück, das ich für mich zu denken fähig war, bestand in dem mir zu erwerbenden Bewußtsein, der guten Sache, wie man sich ausdrückte, Proselyten gemacht zu haben.'*31 Es lebte auch in Winkel am Rhein die durch ihre unwandelbare Überzeugungstreue eindrucksvolle Gestalt des einstigen Klubisten und Präsidenten des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents Joseph Andreas Hofmann, im Vormärz von den jungen Streitern für Einheit und Freiheit verehrt, aufgesucht, befragt und so Erfahrungen des ersten Anlaufs vor einem halben Jahrhundert vermittelnd. Aber es blieb doch ein sehr enger Kreis, auf den er wirkte, und für eine Darstellung der Geschichte des Klubs hat er nicht eine Zeile beigesteuert, obwohl er auf entsprechende Mahnungen, seine Erlebnisse aufzuzeichnen, stets antwortete, daß dafür gesorgt sei.32 Es ist durchaus denkbar, daß er eine solche Absicht gehabt und, wie es bei sehr alten Menschen zu gehen pflegt, dann doch nicht mehr die Kraft zu ihrer Verwirklichung gefunden hat; möglicherweise aber hat auch seine bigotte Tochter, die den mit der Kirche unversöhnten alten Mann zuletzt pflegte, etwas für sein Seelenheil tun zu müssen geglaubt und seine Aufzeichnungen vernichtet. Was der Vormärz effektiv zur Aufhellung der Klubgeschichte beigetragen hat, beschränkte sich auf das wenige, was die 1843 erschienenen Forsterschen Schriften dazu anboten; neben Forsters bereits erwähnter „Darstellung" und einzelnen Briefen, die jedoch durch Hubers Retuschen und Thereses Textfälschungen im Wert gemindert waren, handelt es sich dabei vor allem um seine große Antrittsrede im Klub vom 15. November 1792.33 Nach der Niederlage der Revolution von 1848/49 ist es das ganze restliche 19. Jahrhundert hindurch ausschließlich die konservativ-chauvinistische Lokalhistorie gewesen, die sich der Klubgeschichte gelegentlich und beileibe nicht immer zu ihrem Nutzen annahm. Der Mainzer Gymnasialprofessor Karl Klein machte sich trotz guter Kenntnis der Primärquellen bedenkenlos das haßverzerrte Bild zu eigen, wie

Einleitung

17

es Anton Hoffmann geliefert hatte34, um es in den Dienst eines stupiden Konservatismus und eines wütenden antifranzösischen Chauvinismus zu stellen;35 der Beitrag, den Klein dabei durch die Sicherung einiger Details der Wissenschaft leistete, war verschwindend gering. In dieser Hinsicht erwarb sich der Mainzer Landgerichtsdirektor Bockenheimer ungleich größere Verdienste; er stimmte zwar mit Kleins Grundauffassungen im wesentlichen überein, aber teilte nicht dessen Primitivität. Das Bild vom Klub, wie er es in seiner zusammenfassenden Darstellung bot?8, sah dementsprechend differenzierter aus. Ihm verdankt die Forschung auch nähere Nachrichten über zwei wichtige Klubsitzungen im Januar 1793, über die das Protokoll keine Aussagen machte.37 Daß solche positiven Aspekte der negativen Grundtendenz absolut untergeordnet blieben, bestätigen nicht nur die einzelnen lokalhistorischen Studien selbst durch ihre antiklubistische Interpretation, sondern auch ihre Wirkung auf die sogenannte große Geschichtsschreibung, die dem Phänomen des revolutionären Klubs, sofern sie es überhaupt zur Kenntnis nahm, nach wie vor ablehnend gegenüberstand. Der Eintritt in die imperialistische Epoche änderte an dieser Situation im Grunde gar nichts. Die Klein und Bockenheimer hatten ihre Nachfolger wie die Sybel und Treitschke, und wenn es hoch kam, wurde ein für die Geschichte des Klubs nicht uninteressantes Dokument bekanntgemacht. Selbst die Auseinandersetzung mit Frankreichs imperialistischem Griff zur Rheingrenze nach 1918, der die Mainzer Republik als historisches Argument aktuell machte, hat, weil im Interesse des deutschen Imperialismus geführt, unserem Wissen um den Klub nichts Substantielles von einigem Gewicht hinzufügen können. Auch das andere imperialistische Motiv, sich angesichts der durch Novemberrevolution und revolutionäre Nachkriegskrise ausgelösten Massenbewegung liberal zu drapieren und dies durch Rückgriffe auf historische Traditionen glaubhaft zu machen, kam nicht dem Klub zugute. Die Dissertation von Adam Jäger über Daniel Dumont erhob einen Mann zum Repräsentanten des Frühliberalismus, der seiner faulen Kompromißvorschläge wegen von den führenden Köpfen des Klubs erbittert bekämpft worden war.38 Daß der revolutionäre Demokratismus von einer Scheinliberalen Position nicht schlechter als von einer konservativreaktionären angegriffen werden und die gleichzeitige Handhabung beider besonders wirksam sein konnte, bewies Joseph Hansen Anfang der 30er Jahre mit seiner breit angelegten Quellenpublikation zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution.39 Im zweiten Band seiner Edition, der die Jahre 1795 und 1793 umfaßt, sind zwar den Ereignissen in und um Mainz etwa ein halbes Hundert Nummern gewidmet, aber den Äußerungen des Klubs nur ganze zwei eingeräumt.40 Während er den massenhaft vorhandenen dokumentarischen Zeugnissen revolutionärer Provenienz mit Fleiß aus dem Wege 'ging, ließ er neben einigen französischen Quellen in überwiegendem Maße die deutsche konterrevolutionäre Presse und die dubiosen Berichte der gar nicht am Ort anwesenden kaiserlichen Gesandten sprechen. Das auf diese Weise erzeugte Bild rundete er mit adäquaten eigenen Kommentaren ab und hatte dennoch die Stirn zu behaupten, mit seiner Quellenedition „das subjektive Moment ausgeschaltet und so der weiteren Forschung eine unbefangene und zuverlässige Grundlage dargeboten" zu haben.41 Moskovskaja, die sich bei der Ab2

Schecl, Protokolle

18

Einleitung

fassung ihrer Forsterbiographie notgedrungen auch auf diese Edition stützen mußte, kritisierte scharf Hansens unverkennbare Tendenz, die selbständige Leistung der revolutionären Demokraten herunterzuspielen, und bedauerte daher um so mehr, daß insbesondere die Klubprotokolle noch nicht ediert waren.42 Inzwischen ist dank der marxistischen Historiographie eine spürbare Wende eingetreten. Eine ganze Reihe von Arbeiten drang auf dem Wege über die Forsterforschung zu Fragen vor, die für den Klub und insbesondere die in ihm vertretenen politisch-ideologischen Positionen von großer Bedeutung waren.43 Nach verschiedenen Auswahleditionen, die Forsters Revolutionsschriften bequem zugänglich machten44, ist nunmehr jener Band der historisch-kritischen Akademie-Ausgabe in den Druck gegangen, der sämtliche Äußerungen des aktiven Jakobiners Forster zusammenfaßt.45 Im Zuge einer breiten Jakobinismusforschung, von der marxistischen Geschichtswissenschaft der DDR initiiert46 und von progressiven Historikern auch in der BRD aufgegriffen47, sind verschiedene Publikationen entstanden, die den Klub unmittelbar berührende Probleme behandeln, insbesondere den Fragenkomplex, der durch das Verhältnis der Mainzer zum Reich, zu den annexionistischen Tendenzen Frankreichs, zu den Begriffen des Patriotismus und Kosmopolitismus gekennzeichnet wird.48 Auch die Quellenaufbereitung hat sich nicht mehr nur auf Forster beschränkt. Seit 1963 liegen Materialien zur Geschichte der Mainzer Republik in einer populärwissenschaftlich gehaltenen Sammlung vor, die zu einem ganz wesentlichen Teil aus Klubäußerungen besteht/'" Gleichsam als Vorboten und Nebenprodukte der vorliegenden Edition sind der Öffentlichkeit bereits einige für die Klubgeschichte bedeutsame Quellenfunde zugänglich gemacht worden, darunter ein von Forster im Klubauftrag verfaßter Aufruf an die Landbevölkerung und vor allem die Statuten des Klubs.50 Eine Darstellung mit ausgiebiger Dokumentation über die wenig bekannte Tätigkeit des mit ihm verschwisterten Wormser Klubs folgte."1 Solche Aktivitäten mit solchen Ergebnissen stehen dafür, daß im Hinblick auf den Mainzer Jakobinerklub die schon 1956 geäußerte Erwartung von Jacques Godechot Schritt um Schritt erfüllt werden wird: „C'est à tort que, jusqu'à présent, on n'a accordé aux clubs que se sont créés hors de France à l'époque révolutionnaire, qu'un intérêt médiocre. Nous ne nous dissimulons pas les lacunes de cette étude, mais nous espérons qu'elle éveillera l'intérêt des chercheurs et provoquera la rédaction des monographies qui nous manquent."'2 *

Für die von der bürgerlichen Forschung sträflich vernachlässigte Quellenaufbereitung Sorge zu tragen ist Grundbedingung für eine Klubgeschichte, die den vielen Lügen und Legenden, wie sie auf dem Boden bürgerlicher Revolutionsfeindlichkeit rund um den Klub wuchern konnten, endlich den Garaus macht. Selbst die marxistische Geschichtsschreibung war bei dem Mangel an authentischen und zusammenhängenden Quellen vor der Infiltration solcher Legenden in ihre Darstellungen nicht immer gefeit. Das beginnt mit Legenden bei der Entstehung des Klubs und endet bei seiner Auflösung. Hartnäckig erhält sich beispielsweise die Legende, die den Mainzer Jakobinerklub

Einleitung

19

aus der Mainzer gelehrten Gesellschaft entstehen läßt, die 1782 mit kurfürstlicher Genehmigung eröffnet worden war. Der feudalreaktionäre Obskurantismus hatte diese Mär in die Welt gesetzt, und die bürgerliche Historiographie hat sie so fleißig kolportiert, daß auch Moskovskaja in der Lesegesellschaft einen „politischen Klub" vorfinden53 und Träger sie „zum geistigen Kern der revolutionsfreundlichen Gesinnung" erheben zu müssen meinte.54 Tatsächlich jedoch sicherte allein schon ihre soziale Zusammensetzung die Gesellschaft gegen revolutionäre Tendenzen ab : Nahezu die Hälfte der Mitglieder war adlig, und an die 9 0 % standen im geistlichen oder weltlichen Dienst des Kurfürsten. Darum hatte die Regierung nach 1789 auch nie ein Verbot ins Auge gefaßt, und der Klubist Metternich war sicher im Recht, wenn er behauptete, daß „fast täglich auf der Lesegesellschaft die Pürsten- und Pfaffenknechte auf die Franzosen" losgezogen wären und eine Verteidigung der französischen Sache angesichts der vielen kurfürstlichen Zuträger „eine unverzeihliche Dummheit" bedeutet hätte.55 Wenn es nur darum ginge, einen sachlichen Irrtum zu berichtigen, wäre damit alles Nötige gesagt. Hinter dieser Legende steht jedoch mehr: Der feudale Obskurantismus hatte mit dieser Lesart die Aufklärung in jeder ihrer Erscheinungsformen treffen wollen, und die bürgerliche Historiographie übernahm sie gern, weil sie hervorragend geeignet erschien, die unbestreitbar existente Revolutionsbereitschaft auf einen Klüngel - nach Möglichkeit auch noch landfremder - Intellektueller zu reduzieren. Statt eine revolutionär-demokratische Traditionslinie zu verfolgen, brauchte man so höchstens das Aufflackern eines Strohfeuers wahrzunehmen.56 Der tatsächliche Vorgang der Klubbildung sah anders aus und war sehr viel komplizierter. Der Klub entstand keineswegs spontan aus der Lesegesellschaft heraus; vielmehr trug er eher den Charakter einer Oppositionsgründung. Der Klub wurde am 23. Oktober 1792 von dem Mitarbeiter Custines, dem Elsässer Daniel Stamm, nicht ohne Schwierigkeiten aus der Taufe gehoben. Stamm handelte dabei in Übereinstimmung mit Custines „Aufruf an das gedrückte Volk deutscher Nation" vom 21. Oktober 67 , der in Frankreichs Namen Verbrüderung und Freiheit anbot und damit der von Robespierre bekämpften Kriegspolitik der Gironde entsprach, die große Worte vom Krieg der Völker gegen die Könige machte, aber den Krieg zur Verteidigung der eigenen Revolution nicht zu führen verstand. Wie Forster bezeugt, hatte Stamm auf einer Vorbesprechung mit einem halben Dutzend aufgeklärter und revolutionsfreundlicher Intellektueller für seinen Plan zunächst keinerlei Unterstützung gefunden. Selbst die aufgeklärte Mainzer Intelligenz also, die der Französischen Revolution eindeutig mit Sympathie begegnete, war nicht bereit, die Frage des politischen Engagements zu stellen, sondern wollte wie die anderen deutschen Aufklärer warten, daß das Ancien Régime an seinen eigenen Widersprüchen zerbreche und sich selbst aufhöbe. Der dann doch konstituierte Klub bestand zunächst aus ganzen 20 Mitgliedern, die sich nicht zufällig in ihrer Mehrheit aus der Studentenschaft rekrutierten: 11 Studenten standen 4 kleinen Beamten, 2 Handelsleuten und 3 Professoren gegenüber. Für die Lesegesellsaiaft war nämlich der Rang des Lizentiaten vorgeschrieben, so daß Studenten dort nicht aufgenommen wurden; kurz vor Ankunft der Franzosen hatte man darum gerade innerhalb studentischer Kreise die Gründung eines eigenen akademischen Lesezirkels diskutiert.58 Möglicherweise konnte 2»

20

Einleitung

sich Stamm diese Diskussion zunutze machen, so daß die spätere Schutzbehauptung des Studenten Steinern vor der kurfürstlichen Untersuchungsbehörde, der in der Klubgründung die Konstituierung einer gelehrten Gesellschaft gesehen haben wollte, einen rationellen Kern erhielte.59 Eine gewisse Frontstellung der Mehrzahl der ersten Klubmitglieder gegenüber der Lesegesellschaft duldet jedenfalls keinen Zweifel. Die Vorstellung, wonach der Mainzer Jakobinismus das Werk einiger landesfremder Intellektueller gewesen sei, entlarvt sidi dann endgültig als Krähwinkler Geistesprodukt, wenn der außerordentlich starke Zulauf in die Betrachtung einbezogen wird, die der Klub in der Folgezeit gerade aus der werktätigen Bevölkerung erhielt. Ohne der notwendigen gründlichen Analyse vorgreifen zu wollen, kann mit absoluter Sicherheit konstatiert werden, daß der Klub mit rund einem halben Tausend an eingeschriebenen Mitgliedern - die Zuhörerschaft, die bei diesen Überlegungen auch nicht vergessen werden darf, überstieg gelegentlich sogar die Tausendergrenze - in der werktätigen Bevölkerung eine echte Massenbasis besaß. Dieses massenhaft dokumentierte Engagement, das um so beeindruckender war, als nicht die Spur eines Mitspracherechts aus den versunkenen Zeiten städtischer Selbstverwaltung diese politische Bewußtseinsbildung begünstigte, wurde übrigens auch zum Markstein, an dem sich die Geister der aufgeklärten Intelligenz in Mainz schieden. Ihre anfängliche Begeisterung über die Revolution als politische Nutzanwendung der Aufklärung hatte immer nur für das Nachbarland gegolten. Auch der Einzug der Revolutionstruppen unter Custine in die Stadt änderte - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen zunächst nichts an ihrer politischen Abstinenz. Die Wende erfolgte erst mit dem lawinenartig anwachsenden Zustrom an Mitgliedern und Zuhörern aus der Bevölkerung, den der Klub in den Tagen nach seiner Gründung erfuhr. Aber nur eine Minorität zog daraus die Konsequenz wie ein Forster, der am 27. Oktober feststellte: „Das allgemeine Wohl des Orts, wo man sich befindet, muß man wollen; dem Willen der Mehrheit muß man folgen.. ."60 Forster, der noch am 23. Oktober die Klubgründung als eine „voreilige Maßregel" bekämpft hatte61, trat nun dem Klub bei. Die übergroße Majorität jedoch tat faktisch den entgegengesetzten Schritt, denn sie distanzierte sich in unterschiedlicher Art und Weise von den Klubaktivitäten in einer Situation, in der für neutrale Haltungen kein Platz mehr war, und wurde so über kurz oder lang notwendig zum Parteigänger der feudalen Reaktion. Daß dann die relativ wenigen Vertreter der aufgeklärten Intelligenz, die den Weg zum Klub fanden, hier eindeutig die Führung übernahmen, mindert nicht im geringsten die fundamentale Bedeutung der breiten Basis, die zunächst nicht Folge, sondern die Voraussetzung für eine solche Führung war. Hier ist Gelegenheit, eine weitere Legende zu entlarven, die die Klubgeschichte entstellte, unmittelbar an die zuvor gekennzeichnete Legende anknüpfte und ebenfalls verschiedentlich in marxistische Darstellungen eingesickert ist. Wenn oben der Jakobinerklub die Seele der Mainzer Republik genannt wurde, so geschah es keineswegs in dem beispielsweise auch von Träger geäußerten Sinne, wonach der Klub „das Leitungsgremium der Umwälzung" darstellte.62 Diese Vorstellung ist im Grunde nur die positive Umkehrung der Haßgesänge wütender Antiklubisten oder aber auch der weniger primitiven, doch eindeutig negativen Zeichnungen durch Gegner von der

Einleitung

21

A r t Bockenheimers. Entgegen det all und jeden verteufelnden, extrem reaktionären Richtung, die auf der zeitgenössischen feudalen Publizistik aufbaute und über die Klein und Schreiber 63 bis in die Gegenwart reicht, hat Bockenheimer, dessen Linie Mathy den heutigen Bedingungen anpaßt, unter den Klubisten einige weiße Raben entdeckt. E r fand sie nicht zufällig vor allem in der Verwaltung, die zwar republikanisch war, aber eben doch eine Obrigkeit darstellte und sich dadurch von einer Organisation wie dem Klub grundlegend unterschied; seine Ehrenrettung des Maire Macke strich den gemäßigten Kommunalpolitiker heraus, und das auf Kosten der angeblich Maßlosen, die natürlich vor allem im Klub zu finden waren. 64 So unsinnig die grobe und so heimtückisch die feine Verteufelung ist - die bloße Umkehrung des Werturteils stellt noch nicht die historische Wahrheit her. Der Mainzer Klub, obwohl im letzten Grunde schon im Moment seiner Entstehung Keimform eines parteiartigen Zusammenschlusses mit revolutionärer Zielstellung, war sich dieses seines innersten Wesens zunächst in keiner Weise bewußt und darum auch absolut unvermögend, als „das Leitungsgremium der Umwälzung" zu fungieren. Der Mainzer Klub begann - wie übrigens alle französischen Klubs vor ihm - als eine Institution, die ihre Hauptaufgabe in der Erziehungsarbeit sah, nämlich in der Verbreitung aufklärerischer Prinzipien im Klub selbst und durch ihn unter der Bevölkerung mit -dem Ziel, der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Nach der Massenbasis war dies das zweite Phänomen, das das Klubleben lange Zeit maßgeblich bestimmte und es wiederum auch den aufgeklärten Köpfen leichter machte, den Weg zum Klub zu finden. Die Professoren, Juristen und Ärzte, die die Führung des Klubs übernahmen, gingen an diese ihre Aufgabe als deutsche Aufklärer mit dem unbedingten Vertrauen nidit in die Kraft der Volksnjassen, sondern in die geschichtsverändernde Macht der Vernunft. Der Klub begann also ganz im Sinne der bisherigen aufklärerischen Praxis mit Belehrungen, die sich - und nur das ist das Neue, aber auch sehr Bedeutsame - unmittelbar und ohne elitäre Einschränkung an die breite Masse der Bevölkerung richteten. Natürlich war das ein großer Schritt voran, und es waren dabei sogar auch schon allererste, beinahe zwangsläufige Ansätze in Richtung auf die Herausbildung eines organisierenden Zentrums erkennbar; das äußerte sich beispielsweise in der Vorbereitung und Durchführung der ersten Freiheitsbaumpflanzung am 3. November oder in der Auslage des Roten Buches, womit der Klub faktisch eine Volksbefragung initiierte. Nicht zufällig jedoch endete die letztgenannte Aktivität, die über die bloße Belehrung schon relativ weit hinausging, mit einem Streit über ihre Zulässigkeit im Klub selbst. 65 Nicht zufällig auch nahm der Klub noch Ende 1792 in seine Statuten das von Le Chapelier veranlaßte Dekret der Nationalversammlung vom 30. September 1791 auf 66 , das nach dem MarsfeldMassaker die Klubs in ihrer Wirksamkeit eindeutig begrenzte: Der Mainzer Klub, dessen Affiliation mit dem bereits von Girondisten gereinigten Pariser Klub eben erfolgt war, erklärte also im Sinne dieses feuillantistischen Dekrets, allen Korporationsgeist aus seiner Mitte verbannen und das Ansehen eines Staates im Staate unter allen Umständen vermeiden zu wollen. Und es gab in der Tat während der ersten Monate kaum eine Klubsitzung, in der nicht jede nach außen gerichtete Aktivität gegen Kompetenzüberschreitungen geradezu überängstlich abgesichert wurde.

22

Einleitung

Der Weg vom Klub, der sich ganz der Volksaufklärung verschrieben hatte, zu einem organisierenden Zentrum, das die revolutionäre Gewalt bejahte, war nicht im Geschwindschritt zu durchlaufen; harte Klassenkampferfahrungen trieben diesen Erkenntnisprozeß allmählich voran: Die Auseinandersetzung mit den feudal privilegierten Zunftvorständen, insbesondere mit dem Handelsstand; die Agitationsarbeit unter der Bauernschaft, die die Massenbasis bei der bürgerlichen Umwälzung zu stellen hatte und die abstrakten Freiheitspostulate konkretisiert wissen wollte; die Bekämpfung konterrevolutionärer Gegenpropaganda und gezielter Sabotage feudalreaktionärer Parteigänger, deren Aktivitäten sich mit den Vorbereitungen der Interventionsmächte auf einen neuen Waifengang laufend steigerten. Unstreitig haben die dabei gewonnenen Erfahrungen den Klub gewandelt, und es wird eine lohnende Aufgabe sein, diesen Entwicklungsprozeß im einzelnen zu verfolgen. Die Qualität eines revolutionären Leitungsgremiums jedoch erreichte der Klub ganz gewiß nicht vor seiner Neukonstituierung im März 1793, denn es war ja nach dem Zeugnis des Nationalkommissärs Simon gerade der erklärte Sinn dieser Regeneration, den Klub zu befähigen, eine solche Rolle zu spielen.67 So spärlich die Nachrichten auch sind, die bei dem Fehlen von Protokollen über die Tätigkeit dieses sogenannten zweiten Klubs mitgeteilt werden können, so belegen sie doch eindeutig diese neue Qualität: Die vom Rheinisch-deutschen Nationalkonvent dekretierte und handfest praktizierte revolutionäre Gewalt empfing ihre Zielangaben vom Klub, in dem alle Schritte vorberaten und die Dekrete vor ihrer Verabschiedung zur Diskussion gestellt wurden.68 Die von der gesamten bürgerlichen Historiographie kolportierte Vorstellung, wonach die Klubauflösung durch die Konventskommissäre am 14. März für Mainz als eine Preisgabe der Klubidee und das Eingeständnis ihres Scheiterns zu werten sei, hat natürlich für diesen außerordentlich bedeutsamen Aspekt keinen Raum. Dabei hätte schon ein Blick auf die in Frankreich allenthalben geübte Praxis der Klubreinigungen erkennen lassen, wie Klubs der revolutionären Entwicklung angepaßt und den gesteigerten Anforderungen entsprechend umgebildet wurden.69 Solche Reinigungen erfolgten verschiedentlich sogar in statutarisch fixierten regelmäßigen Abständen, anderswo auf Wunsch einer bestimmten Zahl von Mitgliedern, meist allerdings auf Anregung oder auch Anordnung eines Konventsdeputierten, wenn er Wesentliches zu tadeln fand. In der Regel überprüfte eine Kommission, deren Zusammensetzung manchmal der Deputierte bestimmte oder auch durch Mehrheitsbeschluß in geheimer Wahl zustande kam, die Eignung jedes einzelnen, in den regenerierten Klub übernommen zu werden; selbst die Kommissionsmitglieder mußten durch dieses Fegefeuer. Daß diese Reinigungen im allgemeinen mit bedeutenden zahlenmäßigen Verlusten an Mitgliedern verbunden war, irritierte niemanden, sondern entsprach ganz dem Zweck, eine politisch möglichst homogene und schlagkräftige Organisation zu schaffen. Nachdem man in Mainz schon seit dem Januar jeden erklärten Austritt widerspruchslos hingenommen hatte, arbeiteten in Abwesenheit der Konventskommissäre etwa seit Mitte Februar insbesondere die Regierungsbeauftragten Simon und Grégoire auf eine gründliche Reinigung hin.70 Die Absicht, aus den gewählten Deputierten des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents den Kern des erneuerten

Einleitung

23

Klubs zu bilden, sicherte diesem nicht nur eine demokratische Basis, sondern erweiterte auch beträchtlich seinen bisher im wesentlichen auf die Stadt Mainz eingeschränkten Gesichts- und Wirkungskreis. D i e Auflösung des ersten Klubs war darum nicht das Ende, sondern Signal eines Neubeginns auf höherer Stufe, die dennoch nicht schon der montagnardischen in Paris gleichgesetzt werden sollte. 71 Umgekehrt sollte aber auch sehr viel vorsichtiger mit dem Begriff des Girondismus umgegangen werden, als es in der marxistischen Historiographie bisher üblich war, wenn es um die Kennzeichnung des Standorts der Mainzer Jakobiner geht. Lesnodorski beispielsweise stellt sie „in die Nähe der Girondisten" 72 , und Moskovskaja urteilt ähnlich, obwohl sie es ungewiß nennt, daß die Mainzer mit den im Winter 1792/93 in Paris geführten Kämpfen zwischen Gironde und Montagne bekannt waren. 73 Wie die gesamte französische Provinz befand sich naturgemäß auch und erst recht das extrem peripher gelegene Mainz gegenüber Paris, dem Zentrum der Revolution, politisch immer im Nachtrab. E s ist jedoch nicht statthaft, daraus eine politische Parteigängerschaft abzuleiten, die in bewußtem Gegensatz zur montagnardischen Avantgarde in Paris stand. Kennzeichnend für den Mainzer Klub war vielmehr, daß er sich einerseits mit großer Intensität um die Affiliation durch den schon montagnardischen Pariser Klub bemühte74 und andererseits die Selbstbeschränkung bis zur Anerkennung des feuillantistischen Dekrets von 1791 trieb 75 , das sogar schon von der überwiegend girondistisch gesinnten Legislative nicht mehr ernst genommen worden war. D a ß die Auseinandersetzungen im Konvent zwischen Gironde und Montagne, sofern sie sich überhaupt in den Klubprotokollen widerspiegeln, ohne eigenen Kommentar blieben, war kein Zufall, sondern entsprach einfach dem unzureichenden Stand des politischen Differenzierungsprozesses. Forster beispielsweise gestand freimütig ein, die Dinge von Mainz aus nicht überschauen zu können, aber dabei war er entschlossen, mit der Revolution zu gehen und die in Paris fallenden Entscheidungen zu akzeptieren. In diesem Sinne orientierte er auch seine nach Straßburg übergesiedelte Frau. 76 Eine unter den gegebenen Bedingungen beträchtliche Höhe der Erkenntnis offenbarte er in seiner Neujahrsrede vor dem Klub, in der er die Auseinandersetzungen zwischen Brissot und Robespierre als notwendig für die Weiterentwicklung der Revolution betrachtete, ohne allerdings hinter dem Streit den Differenzierungsprozeß des Dritten Standes zu erkennen und selbst Partei ergreifen zu können. 77 D a s Gefälle an politischer Reife vom Zentrum der Revolution bis zur Peripherie war um so beträchtlicher, als die Affiliation mit der Pariser Muttergesellschaft keineswegs ein wechselseitiges Verhältnis darstellte, das sich etwa mit Organisationsformen vergleichen ließe, wie sie später die revolutionäre Arbeiterbewegung hervorgebracht hat. Die Klubs waren alle - auch in Paris - regional entstanden und dementsprechend auch vorwiegend orientiert. Daß man bei der Einrichtung eines Klubs nach Vorbildern Ausschau hielt und wie in Mainz die Statuten des Straßburger Klubs zu Rate zog 78 , widerspricht dem nicht und ergab sich zunächst ganz einfach aus dem eigenen Erfahrungsmangel. Natürlich zogen solche Anleihen dann häufig auch inhaltliche Konsequenzen nach sich, zumal in unserem konkreten Fall zwischen Mainz und Straßburg eine Reihe enger persönlicher Verbindungen bestanden. So konnte der

24

Einleitung

Straßburger Klub, der seine feuillantistische Phase bereits hinter sich hatte, dem Mainzer dabei behilflich sein, sie mehr oder weniger einzusparen. Als Schrittmacher einer weiteren politischen Differenzierung taugte er jedoch trotz Affiliation mit dem Pariser Klub nicht, denn der Kampf gegen die Parteigänger des Barons Dietrich in der Stadt war noch keineswegs beendet und verlangte nach einer gemeinsamen Front.79 Der Einfluß der Muttergesellschaft in Paris auf Mainz war naturgemäß noch schwächer. Paris handhabte die Verbrüderung mit den Klubs anderer Städte - so auch mit Mainz - wie eine Gunstbezeigung, die meist nachdrückliche Fürsprache und Affiliation mit dem Klub im Hauptort des Departements voraussetzte. Viele Klubs blieben darum ohne diese direkte Verbindung mit der Hauptstadt und be^ trachteten als ihre Muttergesellschaft den Klub am Sitz der Departementsverwaltung oder auch nur den der nächsten größeren Stadt.80 In die zuletzt genannte Kategorie gehörten beispielsweise die Klubs von Worms und Speyer gleichsam als Filialen des Mainzers. So entstand eine Art Hierarchie im Klubaufbau, die dem Pariser Mutterklub einen dirigierenden Einfluß gestattete, der zweifellos eine wichtige Waffe in den Händen der den Klub beherrschenden Partei darstellte und dennoch bei weitem nicht konsequent genutzt wurde. Das allein nachweisbare Kommunikationsmittel war die schriftliche Korrespondenz; daß der Mutterklub darüber hinaus eigene Kommissäre ausgeschickt hätte, ist durchaus ungewiß und für Mainz eindeutig zu verneinen. Wer sich unter Berufung auf seine Zugehörigkeit zum Pariser Klub in die Mainzer Klubliste eintragen ließ, handelte in keinem Falle als Emissär seines Klubs, sondern war nach Mainz als Soldat, in Geschäften oder als Staatsfunktionär gekommen und bewegte sich auch dementsprechend. Die Kontakte auf der Departementsebene und darunter, also etwa mit dem Straßburger Klub oder mit dem Wormser und Speyrer, waren ungleich vielseitiger und konkreter. Und dennoch! So begrenzt die Einflußnahme von Paris auch war, so blieb diese Affiliation doch ein Bindeglied mehr zum Zentrum der Revolution und brachte dem Mainzer Klub einen beträchtlichen Autoritätszuwachs. Wenn nachdrücklich vor einer mechanischen Übernahme der französischen Parteiungen zur Kennzeichnung der Situation in Mainz gewarnt werden mußte, so ist damit selbstverständlich nicht gesagt, daß der Klub einen monolithischen Block von seltener Einmütigkeit darstellte. Es gab im Gegenteil von Anbeginn an Meinungsverschiedenheiten, die zunächst sogar die Tendenz hatten, sich zu vermehren. Aber gerade die Vielzahl zeugte nicht von großer Wertigkeit der einzelnen und war eher typisch für den Beginn einer Bewegung, die sich gleichsam über Nacht und ohne jede Vorbereitung zu artikulieren hatte. Daß die Lösung einer solchen Aufgabe nicht ohne Widersprüche abgehen konnte, lag auf der Hand. Zu einem Teil markierten sie die verständlichen Schwierigkeiten einzelner oder auch ganzer Gruppen, sich von überkommenen Organisationsformen und Denkgewohnheiten zu lösen. Dazu zählte beispielsweise der mit Erfolg vorgetragene Widerstand des einstigen Hofgerichtsrats Hartmann gegen die von Wedekind geforderte Pressefreiheit und Haltung offener, nichtständischer Gerichte.81 Als der Student Deyer gegen Wedekind den Mainzer Landeskindern Vorzugsrechte eingeräumt wissen wollte82, waren kleinstaatliche Borniertheit und Krähwinkelei unverkennbar mit im Spiel,

Einleitung

25

obwohl dahinter die ernste Sorge um den Broterwerb einer nicht geringen Zahl aktiver junger Klubisten stand. Andere Widersprüche erklärten sich aus einem Zuviel an aufklärerischen Illusionen und einem Zuwenig an revolutionären Erfahrungen. Daran scheiterte beispielsweise die von Wedekind und Metternich propagierte Gestalt des Wachsamkeitsausschusses, dessen Mitglieder nämlich der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollten, um den Machinationen der Konterrevolution leichter auf die Spur zu kommen;83 die dabei geäußerten Skrupel überraschen um so mehr, als die Entlarvung von Konstitutionsfeinden zu den frühesten Pflichten der Klubmitglieder in Frankreich gehörte, mit dem Aufschwung der Revolution zunehmend an Bedeutung gewann und schließlich Teil des Klubeides wurde, den der Mainzer Klub ohne Einschränkung aus den Straßburger Statuten übernommen hatte.84 Natürlich fehlte es am Ende auch nicht an unerquicklichen persönlichen Querelen, die wie der hitzige Streit zwischen Stumme und Metternich auch den Klub beschäftigten.85 Aber all diese und ähnliche Meinungsverschiedenheiten waren nicht von der Art, daß sie sich bei zunehmender politischer Differenzierung zu entgegengesetzten Standpunkten vertiefen konnten. Es handelte sich vielmehr zunächst um Divergenzen auf dem Wege der Entwicklung einer gemeinsamen Auffassung, die nur einen Feind, nämlich die Feudalordnung und ihre fünfte Kolonne in Gestalt etwa des einstigen Gefällverwesers Lennig oder des Vorsitzenden des privilegierten Handelsstandes Dumont kannte.86 Im Laufe der Zeit entstanden dann allerdings auch Meinungsverschiedenheiten, die ein anderes Gewicht besaßen und zumindest potentiell geeignet waren, sich zu unterschiedlichen politischen Standpunkten zu entwickeln, auch wenn es dann tatsächlich doch zu keinen Abgrenzungen mit einigermaßen klaren Konturen kam. Diese Divergenzen entwickelten sich meist in direktem oder indirektem Zusammenhang mit der maßgeblich von Custine bestimmten Politik der Militärbehörden in Mainz. Das begann schon am 19. November mit der Einsetzung der Provisorischen Allgemeinen Administration, die keineswegs den einhelligen Beifall des Klubs fand87, obwohl sie natürlich gegenüber dem alten Zustand einen eindeutigen Fortschritt darstellte. Im Dezember gab es dann den heftigen Zusammenstoß zwischen der Administration, die eine breite Abstimmungskampagne in Stadt und Land mit dem Ziel eingeleitet hatte, um die aktive Unterstützung des Konvents bei der erstrebten Verfassungsänderung zu bewirken88, und dem Herausgeber der Mainzer National-Zeitung Böhmer, der zugleich Sekretär Custines war und mit Berufung auf diesen in seiner Zeitung die ganze Aktion als unzeitig zu disqualifizieren unternahm.89 Forster begegnete Böhmer mit einer öffentlichen Widerlegung90 und begann am 1. Januar in bewußter Konkurrenz zum Böhmerschen Blatt mit der Herausgabe einer eigenen Zeitung, die er „Die neue Mainzer Zeitung oder der Volksfreund" nannte. Seit Mitte Dezember trat insbesondere die Munizipalität mit zunehmender Hartnäckigkeit gegen die französischen Kriegskommissäre auf, die die kurfürstlichen Effekten als Privateigentum Erthals betrachteten und daraus das Recht ableiteten, sie zugunsten ihrer Kriegskasse zu versteigern, während die Munizipalität sie als Teil des Nationalvermögens behandelt wissen wollte.91 Hier wurde die Spitze des Eisberges sichtbar, nämlich einer sehr viel umfassenderen Kritik an den Praktiken der Militärbehörden,

26

Einleitung

wie sie beispelsweise von Förster in seinem Rechenschaftsbericht vom 9. Januar formuliert wurde.92 Alle diese und ähnliche Diskrepanzen gingen auch dann nicht am Klub vorbei, wenn sie anscheinend nur bestimmte Einrichtungen oder Einzelpersönlichkeiten tangierten, denn der Klub war ihrer aller Feld. Wie sich solche Widersprüche hier zum dramatischen Knoten schürzen konnten, illustrierten die aufregenden Klubsitzungen vom 10. und 11. Januar. Diese beiden Sitzungen haben in der Historiographie eine sehr unterschiedliche Auslegung erfahren. Für die völlig hirnlosen Reaktionäre waren die dort geführten heftigen Auseinandersetzungen der Klubisten untereinander nur ein Beweis mehr für deren Unvermögen zu fruchtbringender politischer Arbeit. Andere bürgerliche Geschichtsschreiber machten sich die gewaltsame Konstruktion Jakob Venedeys mehr oder weniger zu eigen, der in Mainz zwei klar konturierte Parteien entdeckt haben wollte, nämlich die durch Männer wie Forster, Dorsch und Wedekind geführte französische und die von Hofmann, Lux und anderen repräsentierte deutsch-republikanische Partei; 93 auf dieser Linie bewegt sich heute beispielsweise Kersten und zum Teil auch Mathy.94 In der marxistischen Historiographie herrscht dagegen die Tendenz vor, in Hofmanns beiden Klubreden eine jakobinisch-montagnardische Opposition gegen die girondistische Armeeführung erkennen zu wollen; das gilt ziemlich eindeutig für Streisand95 und Träger96, während Moskovskaja, die Forsters Bemühungen als Klubpräsident um die Einigung aller republikanisch Gesinnten hervorhob, naturgemäß zurückhaltender urteilte.97 Zu den bürgerlichen Auslegungen ist nicht viel zu sagen, denn die extrem reaktionären sind nicht die Mühe einer Auseinandersetzung wert, und der von Venedey inaugurierten Version liegt ein handfester Schwindel zugrunde. Venedey, Sohn eines führenden Cisrhenanen, glaubte in einer Zeit, da die Bismarckische Einigung bereits eine im wesentlichen vollendete Tatsache war, die eigene republikanische Herkunft nur noch verteidigen zu können, wenn er den Nachweis erbrachte, daß die seinerzeit betriebene Vereinigung des Linksrheinischen mit Frankreich den Cisrhenanen aufgezwungen worden war. So legte er denn seinem Kronzeugen, dem Vater, Äußerungen in den Mund, die dieser nie getan hatte98, und gab seinem Phantasieprodukt zur besseren historischen Fundierung gleich noch einen ebenso phantastischen Vorläufer in Gestalt jener deutschrepublikanischen Partei. Diskutabel ist allein jene unter marxistischen Historikern verbreitete Neigung, die Auseinandersetzung im Klub am 10. und 11. Januar als oppositionellen Ausbruch gegen die girondistische Armeeführung zu begreifen. Der rationelle Kern dieser Auffassung besteht in der unleugbaren Tatsache, daß ein so hervorragender bürgerlich-demokratischer Revolutionär wie Hofmann öffentliche Kritik an den Praktiken der Militärbehörden übte. Es unterliegt weiterhin keinem Zweifel, daß die girondistisch-bourgeoise Eroberungspolitik den Charakter der Führung der Custineschen Armee bestimmte, obwohl bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden muß, daß nicht zuletzt dank Custine die von ihm kommandierte Armee an revolutionärer Disziplin die Spitze hielt.99 Die Argumentation geht jedoch eindeutig in die Irre, wenn beispielsweise Streisand das Dekret des Nationalkonvents vom 15. Dezember über die Einführung der bürgerlichen Ordnung in den besetzten Gebieten100 „auf den Druck der Jakobiner (nicht zuletzt auch des Mainzer Jakobiner-

Einleitung

27

klubsV in der Weise zurückführt, daß Hofmanns Vorwürfe gegen die Militär- und Zivilbehörden in Mainz, die Realisierung des Dekrets zu verschleppen, antigirondistisch und ganz im Sinne des Berges erhoben zu sein scheinen.101 Robespierre hatte sich schon gegen die von Brissot geforderte Kriegserklärung gestellt und vollzog keine Wendung, als er in seiner außenpolitischen Grundsatzrede vom 17. November 1793 den Propaganda- und Eroberungskrieg ablehnte.102 Das von La RéveillièreLépeau redigierte Dekret vom 19. November war nicht jakobinisch: „Der Nationalkonvent erklärt im Namen der französischen Nation, daß er allen Völkern, die ihre Freiheit wiedererlangen wollen, Brüderlichkeit und Hilfe gewährt; er beauftragt die ausführende Gewalt, den Generalen die notwendigen Befehle zu geben, um diesen Völkern Hilfe zu leisten und die Bürger, die drangsaliert werden sollten oder um der Freiheit willen werden könnten, zu verteidigen."103 Es war ein Verdienst des Berges, daß dieses Dekret am 15. Dezember eine Modifikation erfuhr, die einer beträchtlichen Zurücknahme gleichkam und realistischere Töne anschlug. In jedem Falle aber handelte es sich um den immer noch vornehmlich durch die Gironde geführten Konvent, der sich die Dekrete vom 19. November bzw. 15. Dezember und schließlich die Doktrin von den natürlichen Grenzen Frankreichs zu eigen machte.104 Die von den Mainzer Jakobinern im Januar 1793 geäußerten Beschwerden konnten darum im Kern gar nicht antigirondistisch sein, was natürlich nicht ausschloß, daß bestimmte Erscheinungsformen der girondistischen Eroberungspolitik bereits in diesem frühen Stadium berechtigten Anlaß zu Klagen gaben. Sicher gehörten dazu verschiedene Praktiken der Kriegskommissäre, obwohl natürlich jede Armee immer und überall Ansprüche stellen muß, die befriedigt werden wollen. Fraglich dagegen erscheint bereits die Berechtigung des gegen die Armeeführung erhobenen Vorwurfs, das Dekret vom 15. Dezember bewußt verschleppt zu haben, um bei der Ausplünderung des besetzten Gebiets keinerlei Rücksichten nehmen zu müssen. Die Vollziehung des Dekrets war keineswegs dem kommandierenden General allein an die Hand gegeben; das Comité exécutif hatte entsprechende Maßregeln zu treffen und Kommissäre abzuordnen, die aber erst Ende Januar in Mainz eintrafen. Die endgültige Entscheidung nämlich, daß angesichts ihrer wichtigen strategischen Lage die Festung Mainz von den französischen Truppen gehalten und mithin das Gebiet zwischen Landau und Bingen munizipalisiert werden sollte, fiel in Paris erst, nachdem das Schicksal des Königs besiegelt war. Custine hatte übrigens dabei seinen Einfluß immer und mit Nachdruck im Sinne dieser Entscheidung geltend gemacht. Die Frankfurter Niederlage und der immer fühlbarer werdende Druck seiner notleidenden Armee hatten gewiß den einst vergötterten Helden auf menschliches Maß zurückzuführen geholfen, aber ihn keineswegs als den wichtigsten Bundesgenossen für die Mainzer Jakobiner entwertet. Der Ausgang der Auseinandersetzungen vom 10. und 11. Januar im Klub bestätigte diese Feststellung eindringlich: Es wurde von allen - auch von Hofmann - alles getan, um ein gutes Verhältnis zur Armeeführung zu sichern, und der Streit endete nicht mit Fraktionsbildungen, sondern vielmehr mit dem einhellig gefaßten Beschluß, die Protokolle dieser Sitzungen zu vernichten, damit nichts mehr an den Zwist erinnern konnte.105 Forster als Klubpräsident hatte großen persönlichen Anteil an diesem Ergebnis, das seiner politischen Überzeugung

28

Einleitung

entsprach, die er bereits am 22. Dezember in einem Briefe an seine Frau sehr präzise formuliert hatte: „Wir sind noch zu jung hier, um die Unterabteilungen der Parteien zu kennen."146 Die Freiheitsbaumpflanzung am 13. Januar demonstrierte dann auch die Einheit aller republikanisch Gesinnten mit ganz besonderer Eindringlichkeit.107 Eine solche Linie war sicher nicht zu beziehen, ohne daß kosmopolitische Illusionen und zwar auf beiden Seiten - eine gewisse Hilfestellung leisteten. Die im Aufstieg befindliche französische Revolution entwickelte ein kosmopolitisches Sendungsbewußtsein, das gewaltige innere Reserven freimachte und mit einigem Recht auch die eigene Sache mit der anderer feudal unterdrückter Völker identifizierte. Der Kosmopolitismus der Mainzer Klubisten hatte vergleichsweise natürlich sehr viel dürftigere Wurzeln; Marx und Engels haben „die kosmopolitische Aufgeblähtheit" und „die wirkliche lokale und provinzielle Borniertheit" korrespondierende Resultate der kleinlichen Lokalinteressen der deutschen Bürger genannt.108 Den Prototyp eines derartig aufgeblähten Kosmopoliten unter den Mainzer Klubisten stellte der im Preußischen gebürtige ehemalige Prämonstratenser Pape dar, der sich großspurig „Mitglied der Gesellschaften der Freiheit und Gleichheit zu Mainz, Straßburg, Schlettstadt, Kolmar und Münster auch Korrespondent der heimlichen Klubs in den preußischen Staaten" nannte109 und dem es beileibe nicht nur um die Republikanisierung des Linksrheinischen oder auch ganz Deutschlands, sondern um eine „europäische Frankenrepublik" ging.110 Dennoch besaß selbst diese Art Kosmopolitismus damals seinen Wert: Er machte die Geister für weltgeschichtliche Erscheinungen aufnahmebereit und half so, die tatsächliche Enge wenigstens im ideologischen Bereich zu durchbrechen. In Verbindung mit dem französischen Kosmopolitismus trug er wesentlich dazu bei, daß die Mainzer Jakobiner den Mut fanden, die Kernfrage des bürgerlichen Fortschritts anders als die meisten aufgeklärten Revolutionsfreunde in Deutschland zu beantworten und praktische Revolutionäre zu werden. Einspruch aber muß gegen solche Auffassungen eingelegt werden, die - beispielsweise von Droz111 und Godechot112 geäußert und schon von Lesnodorski113 kritisiert - nur den kosmopolitischen Aspekt gelten lassen und keinen Blick für die patriotische Leistung der Klubisten haben. Der Begriff des Patriotismus, wie ihn im Ansatz schon die deutsche Aufklärung gebrauchte und wie ihn in der Zeit der französischen Revolution ihre Freunde und Feinde auf deutschem Boden benutzten, wurde nicht zufällig mit dem der Rebellion gegen die feudale Adels- und Fürstenherrschaft weitgehend identifiziert. Die von Wedekind herausgegebene Wochenschrift, die der Klub häufig als sein Bulletin benutzte, da alle Ansätze zur Gründung eines eigenen Publikationsorgans scheiterten114, nannte sich stolz „Der Patriot". Auch wenn darin verschiedentlich gegen die Lokalborniertheit als ein feudales Erbe zu Felde gezogen wurde, so verfolgte diese Schrift dennoch keine Ziele, die über den Wirkungsbereich der Mainzer Jakobiner hinausgingen. Der Patriotismus, den „Der Patriot" propagierte, hatte darum nichts mit deutscher Einheit zu tun, sondern war vielmehr dem aktiven Bekenntnis zur bürgerlich-republikanischen Verfassung gleichzusetzen, die den Sturz der Feudalordnung zur Vorbedingung hatte. Wedekind gab selbst eine eindeutige Definition, indem er von der anzustrebenden Verfassung sagte, daß sie „uns echten Patriotismus,

Einleitung

29

das heißt, das stolze Bewußtsein einet auf den Rechten des Menschen und des Bürgers gegründeten Konstitution schenken wird."115 In keinem anderen Sinne ist auch das Wort „national" zu verstehen, als sich beispielsweise die kurfürstlich privilegierte „Mainzer Zeitung" am 1. November 1792 in die „Mainzer National-Zeitung" verwandelte. Die neue Kennzeichnung stellte ein revolutionäres Programm dar, nämlich das der Verbreitung bürgerlich-demokratischer und republikanischer Gesinnung; und wenn in den Klubreden gelegentlich der Begriff der Mainzer Nation auftauchte, dann eben nur in dem Sinne des republikanisch denkenden oder auch republikanisierten Volkes von Mainz. Der Patriotismus der Mainzer Jakobiner war so geartet, daß er sich effektiv und im wesentlichen auch konzeptionell auf ein räumlich enges Gebiet beziehen konnte, das sich am Ende nicht nur vom deutschen Reich lossagte, sondern sogar um die Vereinigung mit Frankreich anhielt. Angesichts dieses zweifellos gravierenden Umstandes, daß in dem gegebenen Zeitraum auf deutschem Boden eine patriotische Haltung mit solcher Lösung zu vereinbaren war, ist nachdrücklich auf den Sachverhalt zu verweisen, daß die Konstituierung der deutschen Nation selbst noch ausstand. Es existierten vorgeformte Elemente der Nation, die sich während der Feudalzeit in Jahrhunderten herausgebildet hatten, und auch ein zum nationalen Zusammenschluß geeignetes Territorium. Nun ist die Nation aber als eine gesetzmäßige Struktur- und Entwicklungsform der menschlichen Gesellschaft undenkbar ohne einen bestimmten Klasseninhalt, der das Wesen der Nation, nämlich ihre soziale Funktion und ihre historische Stellung im gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß kennzeichnet. Die Nation konstituierte sich unter Ausnutzung aller vorgeformten Elemente erst mit der Durchsetzung kapitalistischer Produktionsbedingungen, die der zersplitterten feudalen Existenzweise ein Ende bereiten konnten; die Nation kam als bürgerliche Nation zur Welt und bedeutete um mit Karl Marx zu sprechen - den „Sieg des bürgerlichen Eigentums über das feudale, der Nationalität über den Provinzialismus".116 Seit die Geschichte die Formierung der Nation auf die Tagesordnung gesetzt hatte, standen darum die nationale und die soziale Frage in dialektischem Wechselverhältnis zueinander. Wenn also spezifisch nationale Momente stets einen sozialen Inhalt besaßen, so hatte umgekehrt auch jede spezifisch soziale Frage einen nationalen Aspekt; ja, sie konnte in bestimmten historischen Situationen zur zentralen nationalen Frage werden, deren Lösung die entscheidende Entwicklungsbedingung für die Nation darstellte. Unter den in Deutschland gegebenen Voraussetzungen lenkte der soziale Fortschritt seine Angriffsspitze notwendig gegen die feudale Fürstenherrschaft, mit deren Existenz zugleich die Fortdauer der nationalen Zersplitterung aufs engste verbunden war. Ein derart inniger Zusammenhang macht deutlich, daß hier eine saubere Trennungslinie zwischen sozialer und nationaler Problematik nicht gezogen werden kann und sich ihre Unterscheidung nur insofern als sinnvoll erweist, als damit zwei verschiedene Aspekte einer und derselben Sache zu kennzeichnen sind. Mit dieser Erkenntnis ist der gesamten reaktionären Historiographie das Urteil gesprochen, die schon länger als anderthalb Jahrhunderte über den sogenannten Vaterlandsverrat der Mainzer Klubisten schreit, um ihre Revolutionsbereitschaft zu diffamieren, und entweder expressis verbis oder in logischer Folge der Treue zum obsoleten Reich mit

30

Einleitung

seiner Unsumme dynastischer Vaterländer das Wort redet. Die angeblich vermittelnde Richtung in der bürgerlichen Geschichtsschreibung wird dieser komplizierten Problematik genauso wenig gerecht, wenn sie entweder ä la Venedey die einen Klubisten gegen die anderen auszuspielen versucht oder immerhin solchen Männern wie Forster und Blau den guten Willen zu konzedieren geruht oder aber auch sehr vorsichtig in Erwägung zieht, ob nicht ein auf Sparflamme reduziertes Mainzer Feuerchen die abendländische Suppe wärmen helfen könnte.117 Die Verquickung der sozialen mit der nationalen Fragestellung ist in der Tat auf der Basis des historischen Materialismus wissenschaftlich faßbar, womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß jede marxistisch angelegte Arbeit das Problem schon voll bewältigt hätte. Die Tendenz beispielsweise mancher marxistischer Autoren in den letzten beiden Jahrzehnten, die propagierte Vereinigung mit Frankreich als ein von den Klubisten bewußt erstrebtes Mittel zu begreifen, um von hier aus zur Revolutionierung ganz Deutschlands ansetzen zu können118, überzieht eindeutig. Diese Feststellung ist nicht neu119 und rief damals den leidenschaftlichen Widerspruch von Grohall hervor120, dessen Argumentation jedoch nur die Leidenschaft für sich hat und den Verdacht bestätigt, daß das reaktionäre Geschrei von Vaterlandsverrat der Klubisten selbst marxistische Historiker beeindruckte und in eine wenig glückliche Abwehrhaltung drängte. Gewiß hat die propagandistische Tätigkeit des Mainzer Klubs nicht nur die Bevölkerung zwischen Bingen und Landau angesprochen, sondern auch> in anderen deutschen Gegenden aufmerksame Hörer gefunden. Walter Grab ist in jüngster Zeit gerade diesen Wirkungen nachgegangen; er hat einige wenige interessante Zusammenhänge aufgedeckt? aber kaum gezielte klubistische Aktivitäten.121 Denn es war doch ganz zweifellos vornehmlich das Beispielhafte des revolutionären Geschehens und nicht die gezielte Propaganda des Klubs, die über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus jenseits des Rheins da und dort zur Nacheiferung anregte. Die schlotternde Angst der Herrschenden im Reich vor den Anfangserfolgen Custines und dessen eben oft nicht glückliche Proklamationswut ließen gewiß zunächst manchen Mainzer Jakobiner hoffen, daß französische Heere das Revolutionsfeuer in ganz Deutschland entzünden könnten. Aktive Propagandisten dieses Gedankens aber gab es im Klub eigentlich kaum, wenn man von kosmopolitischen Träumern wie Pape absieht, denen nationalstaatliche Ideen durchaus fremd waren. Nachdem solche großen Illusionen sich schnell in Rauch aufgelöst hatten, verfolgte der Klub nahezu einmütig eine politische Linie, wie sie Forster schon in seiner ersten Klubrede am 15. November unterbreitet hatte: Republikanisierung und Vereinigung des von den Franzosen besetzten Linksrheinischen mit dem revolutionären Frankreich.122 Eine Orientierung auf die Integrität des Reiches hätte der Devise der zeitgenössischen Reaktion entsprochen, während eine stabile Basis für die Entwicklung zur Nation einzig auf den Trümmern dieses Reiches zu gewinnen war. Dagegen bedeutete die Vereinigung mit Frankreich vor allem das Bündnis mit der siegreichen Revolution, die sich noch dazu im Aufstieg befand und dank ihres „europäischen Stils"123 der bürgerlich nationalen Entwicklung auch in Deutschland wirksame Impulse verliehen hat. Daß Deutsche auf deutschem Boden unter dem Einfluß der französischen revolutionären Praxis das verhängnisvolle Vorurteil Lügen straften, wonach die Deut-

31

Einleitung

sehen für eine politische Revolution nicht taugen sollten, war eine nationale Tat. Das von den Mainzer Klubisten gelieferte Exempel, wie abstrakte aufklärerische Postúlate durch den politischen Kampf in konkrete bürgerliche Freiheiten umzusetzen waren, behielt trotz Alleingang und Vereinigung mit Frankreich seinen beispielhaften nationalen Wert. Denn die Folgezeit bewies: Wo die klare Kennzeichnung des bürgerlichen Inhalts unterblieb, da fehlte dem Patriotismus nicht nur das Herzstück, sondern da drangen reaktionäre feudale Elemente ein, die schließlich sogar das romantische Unding, die mittelalterliche Kaiserherrlichkeit als nationales Ideal, zuwege brachten. Die Geschichte des Mainzer Jakobinerklubs wird ganz gewiß auch dann noch der Lüge und Verfälschung ausgesetzt sein, wenn der augenfällige Mangel an aufbereiteten authentischen und zusammenhängenden Quellentexten längst überwunden sein wird; denn nicht in der Unkenntnis liegt der Grund des Übels, sondern in dem Abscheu, den die bürgerliche Historiographie vor den revolutionären Jugendsünden ihrer Klasse hegt. Ganz sicher aber werden Irrtümer vermieden, wie sie der marxistischen Geschichtswissenschaft verschiedentlich unterliefen und hier an Beispielen von einigem Gewicht dargelegt wurden. Vor allem aber - und das ist einleitend ebenfalls zumindest angerissen worden - wird die marxistische Historiographie auf der Basis gesicherten Faktenwissens am konkreten Gegenstand grundlegende Probleme der bürgerlichen Revolution auf deutschem Boden untersuchen können, die von genereller Bedeutung sind. *

Eine Edition wie die vorliegende, in deren Mittelpunkt die Wiedergabe von Sitzungsprotokollen einer gesellschaftlichen Vereinigung steht, muß selbstverständlich bemüht sein, nach Möglichkeit zugleich gesicherte Aussagen über die personelle Zusammensetzung dieser Organisation und ihre innere Ordnung zu machen, weil nur mit dem Wissen auch um diese Dinge an eine gründliche Protokollanalyse gegangen werden kann. Im Hinblick auf das erste Desiderátum ist nun allerdings festzustellen, daß es weder über die Mitgliederbewegung noch über den Mitgliederstand zu irgendeinem Zeitpunkt eine wirklich exakte Ubersicht gibt. Das wahrscheinlich vom Klubsekretär Bittong angelegte zweibändige „Verzeichnis der Klubisten nach alphabetischer Ordnung", das der kurfürstlichen Regierung zusammen mit den Klubprotokollen als Belastungsmaterial bei den Untersuchungen gegen die Klubisten gedient hatte12* und noch von Joseph Hansen im Staatsarchiv Darmstadt eingesehen werden konnte125, ist dort im zweiten Weltkrieg 1944 mit den Beständen des Departements Donnersberg verbrannt. Das gleiche Schicksal teilte offensichtlich der fünfte Band der Beilagen zu den Protokollen, der unter Ziffer 45 das „Namensverzeichnis der aus dem Klub wieder ausgestrichenen Glieder" enthielt.126 Es existieren dagegen drei gedruckte Mitgliederverzeichnisse, die in der Mainzer Stadtbibliothek einzusehen sind: Das erste zählt 14 Seiten und führt 452 Namen auf127, das zweite ist einen halben Bogen stark und bringt 482 Namen128, das dritte ist eine Überarbeitung des zweiten und nennt bei gleicher Stärke 511 Namen.129 Diese drei Verzeichnisse unterscheiden

32

Einleitung

sich nicht nur zahlenmäßig, sondern weichen auch bei den Namensangaben so voneinander ab, daß sich keineswegs etwa alle 452 Namen des ersten Verzeichnisses im zweiten oder auch nur alle 482 des zweiten im dritten finden. Diese gedruckten Verzeichnisse waren von Feinden des Klubs zusammengestellt, wollten denunzieren und wurden sogar von der kurfürstlichen Regierung als rechtsungültig betrachtet.130 Für den mit dieser Edition verfolgten Zweck waren sie darum erst recht unbrauchbar und blieben also unberücksichtigt. Mitgeteilt werden dagegen im Anschluß an die Protokolle zwei Mitgliederlisten, die sich im Mainzer Erzkanzlerarchiv in Wien vorfanden, möglicherweise auf den verlorengegangenen Materialien beruhen und bisher nicht veröffentlicht wurden.131 Details über die Mitgliedschaft wie Klubeintritt und möglicherweise -austritt fehlen hier völlig; zur Person werden gelegentlich die Berufsbezeichnungen mitgeteilt. Irgendwelche Zeugnisse, die für diese beiden Listen gutsagen, existieren nicht, so daß auch sie nur mit Vorbehalt benutzbar sind. Zuverlässige Angaben sind ausschließlich aus den vorliegenden Protokollen selbst zu gewinnen, soweit darin die Mitgliedschaft in irgendeiner Weise - durch Mitteilung des Klubeintritts, des Austritts, des Ausschlusses, der Beteiligung an der Diskussion, der Übernahme von Aufträgen und dergleichen mehr - festgehalten wurde oder, gestützt auf andere Quellen, ergänzend angemerkt werden konnte. Bedauerlicherweise muß allerdings der Klub in der Zeit zwischen dem 19. und 26. November den Beschluß gefaßt haben, bei der Wiedergabe der Verhandlungen durch das Protokoll auf die Namensnennung der Mitglieder zu verzichten, die aus irgendeinem Anlaß das Wort genommen hatten, denn seit dem 26. November unterbleibt die Mitteilung der Eigennamen. Wenn auch dieses Prinzip dann doch nicht konsequent durchgehalten werden konnte, ist sein Schaden für die exakte Bestimmung der Mitgliedschaften natürlich nicht zu leugnen. Dennoch stehen von der Zahlenmenge her gesehen die aus den Protokollen gewonnenen Angaben allen genannten Listen nidit nach, decken sich jedoch - auch namentlich - mit keiner von ihnen völlig. Das Personenregister am Ende dieser Edition hebt die Klubmitglieder durch Kursivschrift hervor, so daß sie leicht aufzufinden sind; da hier außerdem die wichtigsten erreichbaren Daten zur Person wie zu ihrer Klubmitgliedschaft mitgeteilt werden, ist das Register für alle Untersuchungen zu dieser Problematik unentbehrlich. Ebensowenig wie ein ordentlich geführtes Mitgliederverzeichnis existiert ein komplettes Klubstatut, das lückenlos über die innere Ordnung des Klubs unterrichten könnte. Die Ursache ist in diesem Fall allerdings kein Kriegsverlust, sondern der einfache Tatbestand, daß ein abgeschlossenes Statut für den Mainzer Klub nie zustande gekommen ist. Nachdem der Klub bereits in seiner konstituierenden Sitzung beschlossen hatte, die Straßburger Jakobiner um ihre Satzungen als Vorlage zu bitten132, ist bis zum Ende des Jahres mit nachweisbaren Ergebnissen an der Entwicklung eines eigenen Statuts gearbeitet worden. Ab Januar 1793 aber erfolgten auf wiederholte Anfragen im Klub nach dem Stand der Dinge nur allgemeine beruhigende Versicherungen, Vertröstungen und erneute Auftragserteilungen133, bis Volkswahlen und Vorbereitungen auf den Rheinisch-deutschen Nationalkonvent die Aktivität aller Klubmitglieder so absorbierten, daß die Statutenfrage darüber in Vergessenheit geriet. Ein wesendicher Teil, möglicherweise sogar die Gesamtheit

Einleitung

33

det bis Ende Dezember 1792 erarbeiteten Satzungen liegt in Gestalt eines Aktenstücks vor, das 25 unnumerierte Blätter umfaßt, eine Bestandsnummer des Mainzer Stadtarchivs trägt, aber im Gefolge kriegsbedingter Verlagerungen heute mit anderen Stücken derselben Herkunft im Àrchivdepot Lübben aufbewahrt wird.134 Hansen stieß Anfang der 30er Jahre als erster auf dieses Material, ohne es jedoch ernsthaft zu nutzen.135 Nach dem zweiten Weltkrieg fiel es Walter Grab in die Hände, der über den Inhalt einzelner Partien referierte. 06 Der Öffentlichkeit in Verbindung mit einer gründlichen Analyse zugänglich gemacht wurde es jedoch erst im Zuge notwendiger Vorarbeiten zur vorliegenden Dokumentation.137 Die 25 Blätter des Aktenstücks gliedern sich in neun einzelne Dokumente von unterschiedlicher Länge. Nur zwei davon stammen mit Sicherheit von dem gleichen Schreiber; bei zweimal zwei weiteren spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, so daß wir es mit sechs bis acht Handschriften zu tun haben, die von anderen Händen eingefügten Korrekturen ungerechnet. Da in dem Aktenstück als Ganzem keine Ordnung herrscht, die einzelnen Dokumente lose beieinander liegen und nur fünf von ihnen Datierungsvermerke tragen, mußte die Entstehungszeit der anderen erschlossen werden, um den ganzen Vorgang in eine chronologische Reihenfolge bringen zu können. Die Betrachtung jedes einzelnen Dokuments in dieser Ordnung wie aller Dokumente in ihrer Gesamtheit ergibt zweifelsfrei, daß es sich um Teilstücke handelt, die zu verschiedenen Terminen dem Klub zur Diskussion und Annahme vorgelegt wurden, sich in einigen Fällen aneinanderfügen, aber kein geschlossenes Ganzes ausmachen. Aus diesen Gründen wurde auch davon abgesehen, die Dokumente geschlossen als Anhang zu veröffentlichen; dem echten Verlauf der Dinge entsprechend sind sie vielmehr den Klubsitzungen zugeordnet worden, in denen sie tatsächlich verhandelt wurden.138 Außer diesen Teilstücken zum Statut informieren weiterhin über die innere Ordnung vor allem die geschlossenen Sitzungen des Klubs, Comités générais genannt, die monatlich mindestens einmal stattfanden, um die Neuwahl des Präsidenten und seines Stellvertreters durchführen zu können. Insgesamt liegen Nachrichten über elf solcher Comités générais vor.139 Schließlich gestatten selbstverständlich die Protokolle der normalen Klubsitzungen ebenfalls Einblicke in die Handhabung der inneren Ordnung, insbesondere natürlich hinsichtlich der effektiven Wirksamkeit statutarischer Vorschriften, aber beispielsweise auch bestimmter Ordnungsprobleme, die wie etwa die Frage des Mindestalters für Mitglieder in aller Öffentlichkeit verhandelt wurden140, oder des Ablaufs der Tagesordnung oder der Tätigkeit der vielen Ausschüsse, von denen - mit einer winzigen Ausnahme141 - leider keine protokollarischen Aufzeichnungen berichten. Im Gegensatz zur Klage Aulards, daß seiner Dokumentation über den Pariser Jakobinerklub das „document essentiel", nämlich das offizielle Protokoll fehlte142, kann hier festgestellt werden, daß die Mainzer Klubprotokolle das Herzstück der vorliegenden Edition abgeben. Im Mainzer Stadtarchiv befinden sich drei gebundene Protokollbände, deren Pappdeckel durch rot-weiß-blaue Längsstreifen verziert sind und die Aufschrift tragen: Klubsprotokoll oder Protokoll der Freunde der Freiheit und Gleichheit 1792, 6. November, No I bzw. 1793, 1. Jänner, No II bzw. 1792 et 1793 No III.143 Der erste Band zählt 95 Seiten und führt die Protokolle vom 3

Scheel. Protokolle

34

Einleitung

6. November bis zum 14. Dezember 1792, berücksichtigt also nicht die vierzehn Sitzungen, die bereits vor dem 6. November stattgefunden hatten, was möglicherweise darin seinen Grund hat, daß die entsprechenden Verpflichtungen zur Protokollführung erst am 5. November vom Klub angenommen wurden.144 Außerdem klafft eine größere Lücke, nachdem auf das Protokoll vom 18. November ein undatiertes Protokollfragment folgt und bevor am 26. November der Sekretär Melzer mit seinen wieder sehr viel sorgfältiger redigierten Protokollen einsetzt. Die ersten drei relativ ausführlichen Protokolle dieses Bandes tragen die Unterschrift des Sekretärs Hartmann, während die folgenden bis zum Auftreten Melzers von niemandem gezeichnet sind. Jedes einzelne Protokoll ist der jeweiligen Tagesordnung entsprechend in einzelne Abschnitte gegliedert, denen Ziffern vorgesetzt sind, so daß jedes Protokoll wieder mit Punkt 1 beginnt. Der zweite Band zählt 153 Seiten und enthält die Protokolle vom 1. Januar bis zum 13. März 1793, also bis zur Auflösung des ersten Klubs. Keins dieser Protokolle trägt die Unterschrift eines Sekretärs. Im Gegensatz zum ersten Band werden hier ab 3. Januar die einzelnen Tagesordnungspunkte durch vorgestellte Paragraphen voneinander abgehoben, die ohne Rücksicht auf das Ende des einen und den Anfang des anderen Protokolls weitergezählt werden, so daß beispielsweise das vom 3. Januar mit § 9 schließt und das vom 4. Januar mit § 10 beginnt. Der Pferdefuß dieser Zählweise zeigte sich dann auch prompt im Protokoll vom 19. Februar, als sich nämlich der Schreiber vertat und auf § 250 den § 151 folgen ließ, damit für den Rest des Bandes die Weiche stellte, so daß die §§ 151 bis 249 darin doppelt erscheinen; diese falsche Zählung ist in der vorliegenden Edition selbstverständlich berichtigt worden. Der dritte Band hat 118 Seiten und führt die Protokolle vom 16. Dezember 1792 bis zum 12. Februar 1793 mit einer Lücke Mitte Januar, wobei fünf Sitzungen übergangen werden. Mit Ausnahme der Protokolle vom 24. bis zum 31. Dezember, die im übrigen auch in der Mehrzahl außerordentlich dürftig ausgefallen sind, tragen alle anderen die Unterschrift des Sekretärs Melzer; die ersten fünf sind darüber hinaus auch noch vom Präsidenten bzw. Vizepräsidenten gegengezeichnet. Die Abhebung der Tagesordnungspunkte des einzelnen Protokolls erfolgt durch bloße Absätze und nicht zusätzlich durch vorangestellte Ziffern oder Paragraphen wie in den beiden anderen Bänden. Die Protokolle aller genannten drei Bände erfüllen durchaus die Forderung, wie sie im Artikel 13 des 3. Hauptstücks der Statuten formuliert war: „Bei jeder Sitzung muß einer von den Sekretären den kurzen Inhalt alles dessen, was vorgetragen worden, in ein besonderes Protokoll eintragen."145 Unerfüllt dagegen blieb der Artikel 15, der auf der Basis dieses Kurzprotokolls die Anfertigung einer Langfassung vorsah, die in der nachfolgenden Klubsitzung verlesen, genehmigt und vom Präsidenten unterzeichnet werden sollte.146 Auf den ersten Blick spricht allerdings einiges gegen diese Feststellung, denn zum einen sind die fünf ersten Protokolle des dritten Bandes tatsächlich vom Präsidenten unterzeichnet, und zum anderen liegen vom 1. Januar bis zum 12. Februar - die fünf Sitzungen vom 10. bis 17. Januar ausgenommen, die im dritten Bande überhaupt nicht erwähnt werden - für jede Sitzung zwei Protokolle vor. Das erste Argument besitzt jedoch keinerlei Gewicht, denn der Artikel 14 des 3. Hauptstücks der Statuten sieht die Unterschrift des Präsidenten

Einleitung

35

auch für die Kurzfassung vor, „wenn er den Inhalt mit den geschehenen Verhandlungen übereinstimmend findet".147 Außerdem folgen unmittelbar auf jene ersten fünf Protokolle sechs Protokolle von meist sehr geringer Aussagekraft, die zusammen mit der Protokollücke von Mitte Januar dem dritten Band jede Chance nehmen, als Sammlung von Langfassungsprotokollen gelten zu können. Der Protokollparallelismus, der sich im Januar und Februar vorfindet, wäre demnach nur noch zugunsten des zweiten Bandes als Argument für die Existenz einer Langfassung verwendbar, das jedoch ebensowenig Bestand hat. Denn bei einem Vergleich der parallelen Protokolle miteinander erscheinen die Fassungen des zweiten Bandes keineswegs als die besser redigierten und in der Regel ausführlicheren; es gibt vielfach Passagen, die in dem entsprechenden Protokoll des dritten Bandes umfassender dargeboten werden, ohne daß wiederum eine solche Erscheinung die Regel wäre. Ganz offensichtlich handelt es sich trotz einiger Passagen, die sich wörtlich decken, um eine Parallelarbeit zweier Klubsekretäre mit den sich dabei ergebenden Abweichungen und nicht um zwei unterschiedliche Bearbeitungsstufen. So unwahrscheinlich die nachträgliche Anfertigung ausführlicherer Protokolle überhaupt ist, weil es an Kraft und Zeit mangelte, so abwegig wäre auch die Annahme, daß die vorliegenden Protokolle Langfassungen darstellten, die auf noch kürzeren und verlorengegangenen Aufzeichnungen beruhten. Es gibt dafür nicht die Spur eines Anhaltspunktes. Die auf uns gekommenen Protokolle sind knapp genug gehalten, um während der Sitzung durch einen Sekretär formuliert worden zu sein, und sind sicher auch in dieser Form in der darauffolgenden Sitzung verlesen worden, wie aus den vom Präsidenten gegengezeichneten ersten Protokollen des dritten Bandes geschlossen werden darf. Dem Nachteil, daß manches nur flüchtig skizziert ist, hält der Vorteil der Unmittelbarkeit der Aussagen die Waage. Insgesamt geben die vorliegenden Protokollbände über 74 Sitzungen des Klubs Auskunft, der am 23. Oktober 1792 aus der Taufe gehoben und am 14. März 1793 aufgelöst worden war. Obwohl sichere Nachrichten über 24 weitere Sessionen dieses Klubs existieren, enthalten die Bände keine Protokolle darüber. Es sind dies die ersten vierzehn Sitzungen vom 23. Oktober bis zum 5. November, bevor der erste Protokollband mit seinen Aufzeichnungen einsetzt, dann die vier Tagungen vom 22. bis zum 25. November und die beiden außerordentlichen Sitzungen vom 10. und 12. Dezember, die alle in diesem Bande auch als Lücken kenntlich sind, und außerdem vier französische Sitzungen vom Januar 1793. Obwohl ein Beschluß zur Abhaltung französischer Sessionen bereits im November gefaßt und wiederholt daran erinnert worden war148, kamen die Franzosen nur am 12., 16., 19. und 23. Januar zu gesonderten Sitzungen zusammen, um bereits auf der letztgenannten die Wiedervereinigung mit den deutschen Klubmitgliedern zu beschließen. Über die insgesamt 98 Sitzungen des ersten Klubs hinaus gibt es dann noch Informationen über 5 Sessionen des zweiten Klubs, angefangen mit dem 14. März 1793, an dem der erste aufgelöst wurde, so daß alles in allem Nachrichten über 103 Klubsitzungen vorliegen. Im Gegensatz zum zweiten Klub, der zwar bis zum 8. Mai existierte149, aber so verschwindend geringe Spuren seiner Aktivität hinterließ, daß nur über einige wenige Sessionen etwas gesagt werden kann, ist die Übersicht über die Sitzungen des ersten Klubs aller Wahrscheinlichkeit nach vollständig. Vom Tage seiner Gründung bis 3*

36

Einleitung

zum 7. November trat der Klub täglich zusammen. Am 8. November wurde dann beschlossen, viermal wöchentlich zu tagen, und diesem Beschluß entsprechend wurden bis zum 15. Februar 1793 jeden Sonntag, Montag, Donnerstag und Freitag Sitzungen durchgeführt. Abweichungen von diesem Turnus ergaben sich durch zusätzliche Sitzungen, die der Klub als Comité général meist an einem Dienstag oder Sonnabend abhielt, dann im Zusammenhang mit der Übersiedlung aus dem Schloß, das Lazarett wurde, ins Komödienhaus in der Zeit zwischen dem 8. und 13. Dezember, in der nur zwei geschlossene Sitzungen stattfanden, weiter durch zwei zusätzliche Tagungen am ersten Weihnachtsfeiertag und am Neujahrstag und schließlich durch die jeweils am Mittwoch und Sonnabend eingeschobenen vier französischen Sessionen im Januar 1793. Die einzig ungeklärte Abweichung vom Turnüs bildet eine Klubsitzung, die am 12. Februar, einem Dienstag, stattfand und nicht tags zuvor. Am 15. Februar beschloß der Klub mit Rücksicht auf die zeitraubende Ausschußtätigkeit, aber auch auf das Liebhabertheater, das mit seinen sonntäglichen Aufführungen im Komödienhaus begann, die Zahl der wöchentlichen Zusammenkünfte auf drei zu reduzieren und künftig nur noch dienstags, donnerstags und sonnabends zu tagen.150 Dieser Turnus wurde dann auch bis zur Auflösung des ersten Klubs durchgehalten. An zwei Sonntagen allerdings, an denen kein Theater gespielt wurde, fanden dennoch Sitzungen statt, und um als Comité général tagen zu können, mußte der Klub zweimal auf den Mittwoch ausweichen. Den Grundstock der hier vorgelegten Mitteilungen über Verlauf und Inhalt der einzelnen Klubsitzungen bilden die drei genannten Protokollbände. Angesichts der zeitlichen Überlappung, die dabei in der Protokollführung vom 1. Januar bis zum 12. Februar gegeben ist, war zu entscheiden, ob für diesen Zeitraum die Fassungen des zweiten oder die des dritten Bandes als Grundlage dienen sollten. Im letzten Fall würden auf die Protokolle des ersten Bandes die des dritten in toto folgen und die des zweiten nur für die Sitzungen vom 14. Februar bis zum 13. März mitgeteilt werden. Die Protokolle des dritten Bandes waren jedoch - obwohl besser redigiert im Schnitt weniger aussagekräftig als die des zweiten Bandes, der zedem auch nicht wie jener die störende Lücke zwischen dem 7. und 18. Januar aufwies, so daß die Entscheidung im entgegengesetzten Sinne fiel: Während die Protokolle des ersten und des zweiten Bandes in toto mitgeteilt werden, dienten die des dritten Bandes dazu, die Lücke zwischen den beiden ersten Bänden vom 16. bis zum 31. Dezember auszufüllen; darüber hinaus wurden aus den Protokollen dieses dritten Bandes in Gestalt von Anmerkungen alle Passagen gebracht, die in ihrer Aussagekraft über die entsprechenden Fassungen des zweiten Bandes hinausgehen oder auch auf eine andere bemerkenswerte Art davon abweichen. Auf diese Weise wird der durch die drei Protokollbände gegebene Grundstock für die Rekonstruktion eines Gesamtprotokolls des Mainzer Jakobinerklubs optimal genutzt. Die Kennzeichnung „Tagebuch der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit", die dem vorliegenden Gesamtprotokoll vorangestellt ist, wurde dem ersten Protokollband entnommen, wo sie ebenfalls die Aufzeichnungen einleitet und am Kopf des Protokolls vom 6. November ihren Platz hat. Mit den 74 Protokollen, die aus den drei Protokollbänden gewonnen werden konn-

Einleitung

37

ten, sind bereits drei Viertel der Sitzungen des ersten Klubs abgedeckt. Der Inhalt der restlichen 24 Sitzungen wurde so vollständig wie möglich mit Hilfe zeitgenössischer Mitteilungen unterschiedlichster Provenienz bestimmt; das gleiche gilt für die 5 Sitzungen des zweiten Klubs, über die sich Nachrichten finden ließen. In jedem Falle wurde dabei grundsätzlich den revolutionsfreundlichen Quellen der Vorrang gegeben und auf Äußerungen aus konterrevolutionärer Feder nur dann zurückgegriffen, wenn sie Substantielles aussagten, was auf andere Art nicht zu belegen war. Dieses Prinzip fließt aus dem Grundanliegen dieser Edition, wesentliche Selbstzeugnisse der Mainzer Jakobiner, nämlich die eigenen Protokolle ihrer Klubsitzungen, der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu unterbreiten. D a ß damit zugleich der bislang vorherrschenden Praxis, die Mainzer Jakobiner durch die Brille ihrer Gegner zu betrachten, wirksam begegnet werden soll, wird gern bestätigt. D a ß schließlich auch zu einem guten Teil die zeitgenössischen konterrevolutionären Verzerrungen als solche erkennbar, also Lügen gestraft werden, ist ein weiterer Vorzug. Aus allen diesen Gründen wurde das gleiche Prinzip, vornehmlich jakobinische Selbstzeugnisse sprechen zu lassen, ebenso bei der Zusammenstellung der teilweise außerordentlich umfangreichen Anmerkungen zu jedem einzelnen Protokoll gehandhabt. Die Anmerkungen zu den Protokollen verfolgen im wesentlichen drei Ziele: Zum ersten geben sie Verweise insbesondere auf andere Protokolle, in denen die angesprochene Frage schon zuvor behandelt bzw. künftig erneut aufgeworfen wird, um dem Leser viel Sucharbeit abzunehmen und die Benutzung zu erleichtern. Zum anderen kommentieren die Anmerkungen die in der Regel knappen Andeutungen in den Protokollen bzw. stellen sie in den größeren Zusammenhang, durch den sie erst ihren umfassenden Aussagewert erhalten. Zum dritten schließlich bringen die Anmerkungen echte Ergänzungen der Protokollmitteilungen, indem sie wo immer möglich Klubäußerungen wie die vor seinem Forum gehaltenen Reden, die später als Flugschriften erschienen, oder seine aktive und passive Korrespondenz oder andere hier verlesene Verlautbarungen unterschiedlichster Provenienz in vollem Wortlaut aufnahmen, auch im Druck den eigentlichen Protokollen anglidien und so als integrierende Bestandteile des Gesamtprotokolls kennzeichnen. Eine solche Vervollständigung der häufig eben doch sehr kargen protokollarischen Mitteilungen erschien um so notwendiger, als ursprünglich ganze zehn Bände mit Protokollbeilagen zur Verfügung standen, die sich auf die in Rhomben gestellten fortlaufenden Ziffern bezogen, wie sie uns vor allem 1792 allenthalben in den Protokollen begegnen. 151 Bis auf ganz wenige Reste, die sich bei den Satzungsfragmenten fanden 152 , sind alle diese Materialien im zweiten Weltkrieg verbrannt; ein derartig gravierender Verlust machte die Bereitstellung anderer Auskunftsmittel zwingend. Der angenommene Grundsatz der Kommentierung und Komplettierung verlangte die Durchsicht einer Unmenge von Quellenmaterial, das auf den Klub Bezug haben konnte, angefangen bei den verstreuten archivalischen Quellen über die zeitgenössische Publizistik und Memoirenliteratur, die Quelleneditionen und speziellen Handbücher bis hin zur Sekundärliteratur, die sich häufig auf nicht mehr erreichbare Quellen stützt. Sicher wird dabei manches übersehen worden sein. Dennoch ist das Ergebnis stattlich genug, um über den eigentlichen Zweck einer umfassenden Doku-

Einleitung

38

mentierung der Klubaktivitäten hinaus zugleich auch eine Sammlung jakobinischer Publizistik und behördlicher Verlautbarungen aus der Zeit der Mainzer Republik gelten zu können. Eine Aufstellung der zur Kommentierung und Komplettierung der Protokolle in den Anmerkungen in der Regel vollständig aufgenommenen publizistischen Äußerungen der Jakobiner bringt es auf 161 Nummern und ist als Titelliste am Ende aufgeführt. 153 An die Spitze sint} die selbständigen Schriften gestellt, deren Zahl jedoch um die nicht selbständig erschienenen, sondern in Periodica veröffentlichten Klubreden erweitert wurde; diese erste Gruppe umfaßt 76 Titel, die nach Möglichkeit chronologisch geordnet wurden. Auf diese Weise ist nun endlich nach 175 Jährender Forderung von Johann Nikolaus Becker entsprochen, der schon 1799 in der Beschreibung seiner Reise durch das Linksrheinische feststellte: „ E s wäre keine überflüssige Arbeit, wenn ein unterrichteter Mann all die damals gehaltenen Reden und erschienenen Pamphlets als einen Beitrag zur Geschichte sammelte." 154 Als nächste Gruppe mit 26 Titeln folgen chronologisch geordnet offizielle Verlautbarungen, die von den verschiedenen republikanischen Militär- und Zivilbehörden ausgingen und in Mainzer Publikationsorganen veröffentlicht wurden. Die letzte Gruppe mit 59 Titeln bringt schließlich aus der Mainzer Presse in chronologischer Folge Nachrichten, Adressen, Korrespondenzen, Artikel, Kommentare und dergleichen mehr. D a bei den Verweisen auf die Archive mit ihren Beständen ebenso wie auf die gedruckten Materialien, sofern sie Stoff für Protokollanmerkungen hergaben, um einer größeren Übersichtlichkeit willen in der Regel Kurzformen verwendet werden, findet sich am Ende ein Quellennachweis mit den vollständigen archivalischen und bibliographischen Angaben, die die sichere Auflösung der im Anmerkungstext gebrauchten Kurzformen ermöglichen.155 *

Zur gehandhabten Editionstechnik ist generell zu sagen, daß sie im Prinzip den Grundsätzen folgt, wie sie J . Schulze bereits 1930 für die äußere Textgestaltung bei Quellenausgaben zur neueren Geschichte formuliert hat. 156 Im besonderen bedarf es jedoch noch einiger Erläuterungen. Zunächst sind einige Bemerkungen zum Druckverfahren notwendig. E s werden dreierlei Schriftbilder verwendet. In Borgis Garamond sind die Protokolle und alle ihnen in den Anmerkungen beigefügten Texte gesetzt, die in den Klubsitzungen als mündliche Beiträge gehalten oder als schriftliche Äußerungen verlesen worden sind. In Petit werden die Kommentare des Bearbeiters und solche Texte gebracht, die nicht nachweislich im Klub zum Vortrag kamen, aber die Protokollaussagen zu ergänzen geeignet sind. Ebenfalls in Petit, jedoch engzeiliger, sind sowohl die textkritischen Anmerkungen gedruckt, mit deren Hilfe eine exakte Wiedergabe der Protokolle erst möglich wird, als auch die Originalanmerkungen der ergänzenden Texte, gleichgültig ob diese in Borgis oder in Petit Garamond gesetzt sind. Der Kursivdruck schließlich wird verwendet, um jegliche Art von Hervorhebungen, also Unterstreichungen, Sperrungen, andere Schriftgrade usw., in den Quellen sichtbar zu machen. Die einzelnen Anmerkungsarten, die gebraucht werden, unterscheiden sich teils durch

Einleitung

39

den Dtuck, teils durch ihre Stellung und immer durch ihre Zählweise. Die in Petit Garamond gebrachten textkritischen Anmerkungen werden mit arabischen Ziffern ohne jeden Zusatz gezählt: 1, 2, 3 etc.; sie stehen auf derselben Seite unten, auf der im Protokolltext auf sie verwiesen wird. Die gleichfalls in Petit Garamond gedruckten Originalanmerkungen der ergänzenden Texte richten sich möglichst nach ihren Vorlagen, werden also durch kleine Buchstaben oder auch Sternchen gekennzeichnet, die aber in jedem Fall als Zusatz eine nach links offene runde Klammer erhalten: a), b), c); *), **), ***); sie stehen der Vorlage entsprechend entweder gleich unter dem betreffenden Textabschnitt, auf den sie sich beziehen, oder auf der zugehörigen Seite unten. Die dritte Art von Anmerkungen, die nämlich den Protokolltext kommentieren und ergänzen - wobei dem unterschiedlichen Charakter dieser Ergänzungen entsprechend auch unterschiedliche Schriftgrößen verwendet werden - , steht immer am Ende eines ganzen Protokolls und wird durch kleine Buchstaben ohne jeden Zusatz gekennzeichnet: a, b, c etc. Wenn bei Verweisen auf ein anderes Protokoll, mit denen bei dieser Art Anmerkungen gern gearbeitet wird, ausschließlich eine bestimmte Anmerkung wesentlich ist, so wird sie allein zitiert: Vgl. Protokoll vom 28. 10. 92 Anm. c; wird außerdem der entsprechende Punkt oder Paragraph mitgenannt, so sind Grundtext und Anmerkung zum Vergleich heranzuziehen: Vgl. Protokoll vom 7. 11. 92 Punkt 10, Anm. h. Eine textkritische Behandlung dieser Anmerkungen erfolgt angesichts des ohnehin schon reichlich komplizierten Anmerkungsapparats nicht. Eine Erläuterung verlangen auch die verwendeten Zeichen. Eckige Klammern in den Quellentexten enthalten Ergänzungen des Herausgebers oder deuten, wenn nur die drei Auslassungspunkte eingeklammert sind, von ihm vorgenommene Auslassungen an: damal[s], [ . . . ] Runde Klammern kennzeichnen Tilgungen gemäß dem heutigen Sprachgebrauch, die in den Quellentexten nicht stillschweigend vorgenommen wurden: anders (t). In spitze Klammern sind alle Originaleinklammerungen der Texte gebracht: ( ) . Die im Original in Rhomben gesetzten Anlagenziffern erscheinen im Druck in Schrägstrichen: /16/ etc. Sie sind generell in den Protokolltext eingebaut worden, während sie im Manuskript häufig nur am Rande stehen oder aber dort noch einmal wiederholt werden, auch wenn sie sich außerdem im laufenden Text befinden. Was die Satzzeichen anlangt, so wurden sie der modernen Interpunktion angepaßt. Die Kommata sind also durchgängig berichtigt, und Satzschlangen sind durch zusätzliche Semikolons und Punkte untergliedert oder aufgelöst. Einige Besonderheiten wurden allerdings da und dort beibehalten, so das Ausrufungszeichen im laufenden Satz als eine Art Betonungswert oder auch seine Häufung als Kennzeichen des emphatischen Stils; so der nur leise das Fazit einleitende Doppelpunkt, der die darauf folgende Kleinschreibung beizubehalten gestattet; so das Fragezeichen, wenn es den in mehrere Einzelfragen aufgegliederten Gesamtsatz unterbricht und übersichtlicher macht, nicht aber bei indirekten Fragen; so auch die damals sehr beliebten Gedankenstriche zur Andeutung des Nachdenkens oder des Kontrastes und zur Erhöhung der Spannung, nicht aber dort, wo der Gedankenstrich bloß ein anderes Satzzeichen ersetzt. Es wurde grundsätzlich die heute geltende Orthographie verwendet. Berichtigt wurden in der Regel alle aus dem Dialekt resultierenden sprachlichen Mängel, also bei-

40

Einleitung

spielsweise „Schlaverey" in „Sklaverei" und „Preisen" in „Preußen" verwandelt. Ebenso wurde die damals verbreitete Austauschbarkeit von g und ch beseitigt, so daß „Völkchen" statt „Völkgen" und „adelig" statt „adelich" zu lesen ist. Bei den alten Formen „fodern", „Foderung" erfolgte die Ergänzung des r ohne Kennzeichnung, da beide Schreibweisen in den Texten ihrer Häufigkeit nach einander die Waage halten. Stillschweigend verbessert sind die häufigen Verwechslungen von Dativ und Akkusativ. An die Stelle der früher vornehmlich im Plural üblichen starken Deklination des attributiven Adjektivs auch nach bestimmtem Artikel und Pronomen ist ohne besonderen Hinweis die schwache Deklination getreten und das entsprechende Endungs-n hinzugefügt worden, so daß es nicht mehr „die junge Leute", sondern „die jungen Leute" heißt. Umgekehrt ist die schwache Deklination in die starke verwandelt worden, wenn dem attributiven Adjektiv weder Artikel noch Pronomen voraufging, wie in der Verbindung „mit bittern Spott", die nunmehr lautet: „mit bitterm Spott". Stillschweigend aufgelöst sind sowohl eindeutige wie durch den Protokollcharakter bedingte ständig wiederholte Abkürzungen, und die geschriebene adjektivische Endung der Ordnungszahl ist durch den heute üblichen Punkt ersetzt. Dagegen sind eine Reihe häufig wiederkehrender und vom modernen Wortgebrauch abweichender Formen als für Zeit und Landschaft typisch beibehalten worden, wenn sie die Lesbarkeit nicht beeinträchtigen; als Beispiele seien genannt: „gedruckt" statt „gedrückt", „wofür" statt „wovor", „Hülfe" statt „Hilfe", „tadlen" statt „tadeln", „vertrauete" statt „vertraute" usw. Nicht berichtigt blieb auch der häufige Austausch von a und e in „wenn" und „wann", in „denn" und „dann". Die schwache Deklination der Substantive im Genitiv Plural, die eine starke fordern, wurde nicht stillschweigend, sondern durch Einklammerung des Endungs-n getilgt: „der Freunde(n)". Trotz eindeutiger Fehlerhaftigkeit wurden solche Eigenheiten unverändert übernommen wie die doppelte Negation, die Vernachlässigung des grammatischen Geschlechts zugunsten des wirklichen, wenn nämlich „das Mitglied" zu einem „er" wird, und auch die auf den ersten Blick sicher unverständliche Bezeichnung „die Klub", die sich jedoch aus der etymologischen Verwandtschaft des englischen Club mit der deutschen Kluppe, einer Zange oder einem Knüttel, erklärt. Fremdwörter wie Kommissär, Sekretär, Emissär, die nach dem unterschiedlich empfundenen Eindeutschungsgrad unterschiedlich geschrieben wurden, sind variiert wiedergegeben. Die größten Schwierigkeiten bereiteten Personen- und Ortsnamen, da sie in hohem Grade den dialektischen Eigenheiten der Aussprache unterliegen und besonders fremdsprachige Namen zum Teil rein phonetisch wiedergegeben werden. Oft fehlen sowohl Doppelkonsonanz als auch Dehnung, so daß „Make" statt „Macke" und „Gribert" anstelle von „Griebert" steht. Bei des Schreibens zwar Kundigen, aber Ungewohnten nimmt häufig sogar der selbstgeschriebene Namenszug verschiedene Gestalten an, so daß die exakte Schreibweise gewiß meist, aber keineswegs immer eindeutig zu ermitteln ist. Im Text wird bei zu starker Abweichung der richtige Name in eckige Klamniern nachgestellt. Das Personenregister setzt an die erste Stelle den einwandfrei geschriebenen Namen, führt danach aber auch noch die im Text vorkommenden Varianten auf. *

Einleitung

41

Der Herausgeber ist vielen verpflichtet, die auf die eine oder die andere Weise zur Vorbereitung und Vollendung dieser Publikation beitrugen. An erster Stelle sind die leitenden Damen und Herren jener Archive zu nennen, aus deren Beständen der Grundstock der vorliegenden Edition zusammengetragen werden konnte, nämlich des Stadtarchivs in Mainz, des Zentralen Staatsarchivs I und II in Potsdam und Merseburg, der Staatsarchive in Würzburg und Darmstadt, des Geheimen Staatsarchivs in München, des Generallandesarchivs in Karlsruhe, des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien, der Archives Nationales, Archives du Ministère des Affaires Etrangères und der Bibliothèque Nationale in Paris sowie der Stadtbibliothek in Schaffhausen. Besonderer Dank gebührt dann der wissenschaftlichen Assistentin Fräulein Doris Schmidt und der wissenschaftlich-technischen Assistentin Frau Helga Gottfriedt aus Halle (Saale); beide haben mit bewährter Akribie hervorragende Zuarbeit geleistet, angefangen bei der Transskription handschriftlicher Texte und der Herstellung eines druckreifen Manuskripts bis hin zu den Umbruchkorrekturen. Eine unschätzbare Hilfe war dem Herausgeber seine Frau Edith Scheel, die ihm wie stets bei den Archivstudien und Registerarbeiten assistierte. Hohe Anerkennung schließlich verdienen der Akademie-Verlag in Berlin und das Druckhaus „Maxim Gorki" in Altenburg, die beide für alle mit der Drucklegung auftretenden Probleme großes Verständnis gezeigt haben und sie tatkräftig bewältigen halfen.

Anmerkungen 1

2 3

Scheel, Heinrich, Die Mainzer Republik im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung, in: Jahrbuch für Geschichte, Bd 4, Berlin 1969, S. 12 f. Ebenda, S. 39 ff. Heinemann, Gustav, Rede bei der Schaff ermahlzeit in Bremen vom 13. Februar 1970, in: Bulletin, Nr 21 vom 17. 2. 1970, S. 203 f.

4

Tervooren, Klaus, Die Mainzer Republik 1792/93. Bedingungen, Leistungen und Grenzen emes bürgerlich-revolutionären Experiments in Deutschland, Frankfurt a. M. - Bern 1982.

5

Matby, Helmut, Als Mainz französisch war. Studien zum Geschichtsbild der Franzosenzeit am Mittelrhein 1792/93 und 1798-1814, hg. vom Institut für Staatsbürgerliche Bildung in Rheinland-Pfalz, Mainz [1968], S. 8. In einem 1969 publizierten Artikel behauptet er ähnlich wirres Zeug, daß nämlich die marxistische Historiographie Mainz zum ersten demokratischen Zentrum Deutschlands mache, „das sich in einer proletarischen Revolution gegen den klassenfeindlichen Feudalismus erhoben habe, . . . " ; derselbe. Die französische Herrschaft am Mittel rhein. 1792-1814. Vom Streitobjekt zur gemeinsamen Forschungsaufgabe deutscher und fran-

42

6

Einleitung zösischer Historiker, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter, Jg. 15, 1969, S. 25. Oer hi«r verkündete Unsinn wird noch 1973 von Peter Lautzas unbesehen nachgebetet, der Mathy ausdrücklich für hilfreiche Gespräche dankt: „In quellenkritisch nicht haltbarer Umwertung wird vor allem die Mainzer Republik von 1792/93 als erstes sozialistisches Gemeinwesen auf deutschem Boden gedeutet und damit als Vorläufer der heutigen DDR in Ansprudi genommen." Lautzas, Peter, Die Festung Mainz im Zeitalter des Ancien Régime, der Französischen Revolution und des Empire (1736-1814). Ein Beitrag zur Militärstruktur des Mittelrhein-Gebietes, Wiesbaden 1973, S. 2. Matby, Helmut, Felix Anton Blau (1754-1798). Ein Mainzer Lebensbild aus der Zeit der Aufklärung und Französischen Revolution, zugleich ein Beitrag zur radikalen Aufklärungstheologie am Mittelrhein, in: Mainzer Zeitschrift, Jg. 67/68, 1972/73, S. 1-29. Derselbe, Anton Joseph Dorsch (1758-1819). Leben und Wdrk eines rheinischen Jakobiners, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Mainzer philosophischen Fakultät am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Mainzer Zeitschrift, Jg. 62, 1967, 6. 1-55.

Derselbe, Die Nackenheimer Revolution von 1792/93. Mit einem Lebensbild des Pfarrers Karl Melchior Araod, Nackenheim am Rhein 1967. Derselbe, Jean Claude Pierre, Professor der französischen Sprache in Mainz (1734-ca. 1800), zugleich ein Beitrag zu den Antiklnbistenprozessen von 1793, in: Mainzer Almanach, Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart, 1968, S. 111-141. Derselbe, Georg Wedekind, die politische Gedankenwelt eines Mainzer Medizinprofessors, in: Geschichtliche Landeskunde, Bd 5, Wiesbaden 1968, S. 177-205. Derselbe, Andreas Joseph Hofmann (1752-1849), Professor der Philosophie in Mainz und Präsident des rheinisch-deutschen Nationalkonvents, in: Jahrbuch der Vereinigung „Freunde der Universität Mainz", 22, 1973, S. 15-45. ' Dumotit, Franz, Ein radikaler Aufklärer. Der Wormser Jakobiner Stephan von Lewer (1758 bis 1835), in: Wormsgau, Bd 12, 1976 78, S. 81-102. Derselbe, Jakobiner und Jurist. Der Alzeyer Notar Peter Nikolaus Theyer 1773-1831, in: 700 Jahre Stadt Alzey, hg. v. Friedrich Karl Becker, Alzey 1977, S. 385-404. Derselbe, Briefe aus der Mainzer Republik, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 3. Jg., 1977, S. 305-349. Derselbe, Unbekannte Quellen zum Mainzer Jakobinerklub, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 5. Jg., 1979, S. 179-228. ® In dieser Tendenz, die sich in allen zuvor genannten Artikeln von Franz Dumont verrät, widerspiegelt sich die Lehrmeinung seines Doktorvaters, des Mainzer Ordinarius Hermann Weber, mit dem ich mich bereits vor Jahren auseinandersetzen mußte; vgl. dazu Scboeller, Wilfried F., Mainzer Mucker und Jakobiner, in: Frankfurter Rundschau vom 4. 7. 1978; Boeblicb, Walter, Mainz zwischen Rot und Schwarz, in: WDR vom 30.6.1978; Scheel, Heinrich, Der Mainzer Ordinarius für Geschichte und die Mainzer Republik, in: Spectrum, 10. Jg., 1979, H. 1, S. V-VIII. Eine systematischere Darlegung dieser Lehrmeinung gab Dumont im Zusammenhang mit der Ausstellung „Deutsche Jakobiner - Mainzer Republik und Cisrhenanen 1792-1798", die im November 1981 die Stadt Mainz im Rathaus der Öffentlichkeit zeigte. Der als Handbuch gekennzeichnete 1. Bd des von Friedrich Schütz besorgten Gesamtkatalogs enthält 34 Beiträge, die zur Sache manches Neue, manches Gute und manches Schlechte bringen. Der unglückselige T. C. W. Blanning mit seinen Auslassungen über „Gegenrevolutionäre Kräfte" (S. 87-96) ist eindeutiges Schlußlicht Dichtauf folgt jedoch der Grundsatzbeitrag von Franz Dumont, „Die Mainzer Republik von 1792/93" (S. 25-36) ; besser plaziert sind zwei weitere Beiträge desselben Autors, weil sie theoretisch

Einleitung

43

weniger anspruchsvoll gehalten sind. Zum Glück (Sr das Handbuch fehlt es nicht an Gegenstimmen, die sich entweder expressiv verbis mit Dumont auseinandersetzen wie Axel Azzola/ Michael-Peter Werlern, „Demokratie in Mainz - eine verfassungsrechtliche Betrachtung" (S. 37-44) oder von der Art des Herangehens her. Zur letzten Kategorie gehört auch mein Beitrag „Der historische Ort der Mainzer Republik" (S. 17-24). Unmittelbar mit Dumonts Auffassungen habe ich mich am 23. 11. 1981 im Auditorium Maximum der Mainzer Universität in einer öffentlichen Vorlesung auseinandergesetzt: Scheel, Heinrich, „Die Mainzer Republik - Historie oder Politikum? - Kritische Anmerkungen aus Anlaß einer Ausstellung", in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 30, 1982, S. 498-510. 9

10

11 12 13 14 15

16

17 18

19

20 21 22

23

24 25 28

27

28

29

30

Georg Forsters Sämtliche Schriften, hg. von dessen Tochter und begleitet mit einer Charakteristik von G. G. Gervinus, Bd 8, Leipzig 1843, S. 10. Bamberger, Ludwig, Die Französelei am Rhein, wie sie kam und wie sie ging (1790 bis heute), in: Demokratische Studien, hg. von Ludwig Walesrode, Hamburg 1861, S. 255. Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, in: Marx/Engels, Werke, Bd 2, Berlin 1956, S. 577. Karl Marx an Engels, 16. 4. 1856, in: Marx/Engels, Werke, Bd 29, Berlin 1963, S. 47. Kenten, Kurt, Ein europäischer Revolutionär. Georg Forster 1754-1794, Berlin 1921. Derselbe, Der Weitumsegier Johann Georg Adam Forster 1754-1794, Winterthur 1957. Moskovskaja, ]u. Ja., Georg Forster - nemeckij prosvetitel' i revolucioner XVIII veka, Moskva 1961. Steiner, GerhardtHöckel, Manfred, unter Mitarbeit von Lu Märten, Forster, ein Lesebuch für unsere Zeit, Weimar 1952. Vgl. Protokoll vom 27. 10. und 8. 11. 92. Scheel, Heinrich, Spitzelberichte aus dem jakobinischen Mainz, in: Jahrbuch für Geschichte, Bd 6, Berlin 1972, S. 501-538. Instruktion für die zur Untersuchungskommission gnädigst ernannten kurfürstlichen Räte, Aschaffenburg, den 30. 4. 1793. StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 10, fol. 64 f. Vgl. Protokoll vom 23. und 24. 2. 93. Neue Mainzer Zeitung oder -der Volksfreund, Nr 34 vom 19. 3. 93, S. 137. Nau, Bernhard Sebastian, Geschichte der Deutschen in Frankreich und der Franzosen in Deutschland und den angrenzenden Ländern, 5 Bde, Frankfurt a. M. 1794-1796. [Hoffmann, Anton], Darstellung der Mainzer Revolution oder umständliche und freimütige Erzählung aller Vorfallenheiten, so sich seit dem entstandenen französischen Revolutionskrieg zugetragen und die einen Bezug auf den Krieg, auf die Übergabe der Festung oder auf den Klub und dessen grausames Verfahren gegen Andersgesinnte haben, mit allen nötigen Beilagen, 12 Hefte, Frankfurt a. M. und Leipzig 1793/94. StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 393, fol. 1/2. Nau, Bernhard Sebastian, a. a. O., Bd 5, S. 507, Anm. Georg'Forster an seine Frau am 18. 9., 30. 9. und 8. 10. 93, in: Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Literaturgeschichte, Bd 17: Briefe 1792 bis 1794, bearbeitet von KlausGeorg Popp, Berlin [im Druck]. Forster, Georg, Darstellung der Revolution in Mainz, in: Sämtliche Schriften, Bd 6, S. 352 bis 412. Wedekind, Georg, Bemerkungen und Fragen über das Jakobinerwesen, Straßburg den 20. Vendémiaire im 3. Jahre der fränkischen Republik. Darstellung des Betragens der sogenannten Aristokraten und Patrioten in Mainz seit 1792 in Hinsicht auf die gegenwärtige Lage, Mainz im 6. Jahre der Republik. Becker, Jobann Nikolaus, Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donners-

44

31

32

33

34 35

36 37 38

39

40

41 42 43

44

45

46

Einleitung berge, vom Rhein und von der Mosel im 6. Jahr der französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris, Berlin 1799, S. 24 f. Zitiert bei Schmitt, Robert, Simon Joseph (Gabriel) Schmitt (1766-1855), Möndi der Aufklärungszeit, französisdier Funktionär, deutscher Beamter, Dozent der Philosophie und Gutsbesitzer. Lebensgeschichte, Vorfahren und Nadikommen, zugleich ein Beitrag zur kurmainzischen und pfälzischen Landes- und Geistesgeschichte, Koblenz 1966, S. 58. Reuter, Karl, Erinnerung an Andreas Joseph Hofmann, Präsidenten des rheinisch-deutschen National-Convents 1793, [Wiesbaden 1.884], S. 18. Forster, Georg, Über das Verhältnis der 'Mainzer gegen die Franken, in: Sämtliche Sduiften, Bd 6, S. 413-431. Zu den Verfälsdiungen der Briefe Forsters durch Huber und Therese vgl. Zincke, Paul, Georg Forster nach seinen Originalbriefen, 2 Bde, Dortmund 1915. Vgl. oben Anm. 23. Klein, Karl, Geschichte von Mainz während der ersten französischen Okkupation 1792-1793, Mainz 1861. Bockenbeimer, Karl Georg, Die Mainzer Klubisten der Jahre 1792 und 1793, Mainz 1896. Derselbe, Zwei Sitzungen der Mainzer Klubisten vom 10. und 11. Januar 1793, Mainz 1868. Jäger, Adam, Daniel Dumont. Ein Beitrag zur Gesdtichte 'des mittelrheinischen Liberalismus, phil. Diss. Frankfurt a. M. 1920. Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution 1780-1801, gesammelt und herausgegeben von Joseph Hansen, 4 Bde, Bonn 1931-1938. Ebenda, Bd 2, Nr 271, S. 584-587. (Auszug aus Forsters Antrittsrede vom 15. 11. 92) und Nr 292, S. 638-640 (Auszug aus dem Schreiben des Mainzer Klubs an den Pariser vom 12. 12. 92). Ebenda, Bd 1, Vorwort, unpaginiert. Moskovskaja, ]u. Ja., a. a. O., S. 30. Scbulz-Falkentbal, Heinz, Georg Forsters Gedanken über den Staat und die Revolution, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, gesellschaftsund sprachwissenschaftliche Reihe, 1956, S. 241-252. Rödel, Wolfgang, Forster und Lichtenberg. Ein Beitrag zum Problem deutsdie Intelligenz und Französische Revolution, Berlin 1960. Lange, Erbard, Grundzüge der philosophischen Entwicklung Georg Forstet«, phil Diss. Jens 1961 Träger, Claus, Georg Forster und die Verwirklichung der Philosophie, in: Sinn und Form Beiträge zur Literatur, Jg. 14, 1962, S. 625-649. Forster, Georg, Kleine Schriften und Briefe, hg. von Claus Träger, Leipzig 1964. Forsters Werke in zwei Bänden, ausgewählt und eingeleitet von Gerhard Steiner, Berlin/ Weimar 1968. Forster, Georg, Werke in vier Bänden, hg. von Gerhard Steiner, Leipzig o. J. Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, hg. von der Akademie dei Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Literaturgeschichte, Bd 10: Revolutionsschriften 1792/93, Reden, administrative Schriftstücke, Zeitungsartikel, politische und diplomatische Korrespondenz, Aufsätze, bearbeitet von Klaus-Georg Popp, Berlin [im Druck]. Voegt, Hedwig, Die deutsdie jakobinische Literatur und Publizistik 1789-1800, Berlin 1955 Scbtel, Heinrieb, Süddeutsdie Jakobiner. Klassenkämpfe und republikanische Bestrebunger im deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 1962, 2. Auflage, Berlin 1971. Jakobinische Flugschriften aus dem deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts, eingeleitei und herausgegeben von Heinrich Scheel, Berlin 1965.

Einleitung

45

Derselbe, Deutsche Jakobiner, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 17, 1969, S. 1130

47

48

'|H M

51

bis 1140. Bubr, Manfred, Jakobinisches in Fichtes ursprünglicher Rechtsphilosophie, in: Maximilian Robespierre 1758-1794, hg. von Walter Markov, Berlin 1961, S. 479-503. Steiner, Gerbard, Theater und Schauspiel im Zeichen der Mainzer Revolution. Ein Beitrag zur Geschichte des bürgerlich-revolutionären Theaters in Deutschland, in: Studien zur neueren deutschen Literatur, hg. von Hans Werner Seiffert, Berlin 1964, S. 95-163. Grab, Walter, Demokratische Strömungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten französischen Republik, pbil. Diss. Hamburg 1966. Derselbe, Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der Französischen Revolution, Frankfurt a. M. 1967. Derselbe, Die Revotutionspropaganda der deutschen Jakobiner, in: Archiv für Sozialgeschichte. Bd 9, 1969, S. 113-156. Engels, Hans-Werner, Gedichte und Lieder deutscher Jakobiner, in: Deutsche revolutionäre Demokraten, hg. und eingeleitet von Walter Grab, Bd 1, Stuttgart 1971. Träger, Claus, Aufklärung und Jakobinismus in Mainz 1792/93, in: Weimarer Beiträge, Jg. 9. 1963, S. 684-704. Scheel, Heinrieb, Deutscher Jakobinismus und deutsche Nation. Ein Beitrag zur nationalen Frage im Zeitalter der Großen Französischen Revolution, in: Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Jg. 1966, Nr 2, Berlin 1966. Grab, Walter, Eroberung oder Befreiung? Deutsche Jakobiner und die Franzosenherrschaft im Rheinland 1792-1799, in: Schriften aus dem Karl-Marx-Haus, Heft 4, Trier 1971. Scheel, Heinrieb, La notion de patriotisme en Allemagne, à l'époque de la Révolution française, in: Actes du Colloque Patriotisme et Nationalisme en Europe à l'époque de la Révolution et de Napoléon. XIII e Congrès international des Sciences historiques (Moscou, 19 août 1970), Paris 1973, S. 85-102. Derselbe, Die Begegnung deutscher Aufklärer mit der Revolution, in: Sitzungsberidite des Plenums und der Klassen der AdW der DDR, Jg. 1972, Nr. 7, Berlin 1973. Mainz zwischen Rot und Schwarz. Die Mainzer Revolution 1792-1793 in Schriften, Reden und Briefen, hg. von Claus Träger, Berlin 1963. Scheel, Heinrieb, Die Statuten des Mainzer Jakobinerklubs, in: Jahrbuch für Geschichte (im folgenden - J. f. G.), Bd. 5, Berlin 1971, S. 303-341. Derselbe, Der Jakobinerklub zu Worms 1792 93, in J f G„ Bd. 16, Berlin 1977, S. 321-401.

°2 Godecbot, Jacques, La grande nation. L'expansion revolutionnaire de la France dans le monde 1789-1799, Bd 1, Paris 1956, S. 355. 53 Moskovskaja, ]u. Ja., a. a. O., S. 202. 51 Mainz zwischen Rot und Schwarz, a. a. O., S. 10. 55 [Metternich, Mathias], Der Aristokrat auf Seichtheiten und Lügen ertappt. Eine Widerlegung der Schrift unter dem Titel: Über die Verfassung von Mainz oder Vergleich des alten und neuen Mainz, Mainz 1793, im zweiten Jahre der Frankenrepublik, S. 18, Anm. 1. 56 Valjavec, Fritz, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815, München 1951, S. 204. 57 Vgl. Protokoll vom 25. 10. 92 Punkt [1]. 58 Matby, Helmut, Gelehrte, literarische, okkulte und studentische Vereinigungen und Gesellschaften in Mainz am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Vereinigung „Freunde der Universität Mainz", 1969, S. 74, 90.

46 59 60

61 82 63

84

65 66 67 68 69

70

72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93

94

95

Einleitung Vgl. Protokoll vom 23. 10. 92 Anm. h. Georg Forster an Voß am 27. 10. 92, in: Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, Bd 17. Georg Förster an Huber am 24. 10. 92, in: Ebenda. Mainz zwischen Rot und Schwarz, a. a. O., S. 27. Schreiber, Ernst, Französische Ausweisungspolitik am Rhein und die Nordfrankenlegion. Zwei Beiträge zur Gesdiidite der französischen Herrschaft am Rhein im Zeitalter der Revolution, Berlin 1929. Derselbe, Der Mainzer Jakobinerklub im Dienste der politischen Propaganda des Generals Custine und die ablehnende Haltung der Zünfte 1792/93, in: 'Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, Jg. 4, 1954, S. 97-100. Bockenbeimer, Karl Georg, Franz Konrad Macke, Bürgermeister von Mainz (1756-1844), Mainz 1904. Vgl. Protokoll vom 7. 12. 92 Anm. i. Vgl. Protokoll vom 23. 12. 92 Anm. e. Vgl. Protokoll vom 9. 3. 93 Anm. b. Vgl. Protokoll vom 18. 2. 93 Anm. e. Cardenal, L. de, La province pendant la révolution - histoire des clubs jacobins (1789-1795), Paris 1929, S. 60 fî. Vgl. Protokoll vom 9. 3. 93 Anm. b. So bei Streisand, Joachim, Deutschland von 1789-1815 (Von der Französischen Revolution bis zu den Befreiungskriegen und dem Wiener Kongreß), 2. Aufl., Berlin 1961, S. 39. Lesnodorski, Boguslav, Les Jacobins Polonais, Paris 1965, S. 332. Moikovskaja, Ju. Ja., a. a. O., S. 258. Vgl. Protokoll vom 6. 11. Punkt è und vom 6. 12. 92 Anm. b. Vgl. Protokoll vom 23. 12. 92 Anm. e. Vgl. Protokoll vom 1. 1. 93 Anm. e. Ebenda, Anm. f. Scheel, Heinrieb, Die Statuten, a. a. O., S. 306 ff. Vgl. Protokoll vom 1. 1. 93 Anm. e. Cardenal, L. de, a. a. O., S. 397 ff. Vgl. Protokoll vom 25. 10. 92 Punkt [3]. Vgl. Protokoll vom 26. 11. Anm. d, vom 30. 11. Anm. e und vom 3. 12. 92 Anm. g. Vgl. Protokoll vom 16. 11. 92 Punkt 3, Anm. a. Vgl. Protokoll vom 1. 11. 92 Anm. d, Art. 5. Vgl. Protokoll vom 6. 12. Punkt 11-15, Anm. i und vom 7. 12. 92 Punkt 15, Anm. g. Vgl. Protokoll vom 31. 10. Punkt [1], Anm. b und vom 8. 11. 92 Punkt 5, Anm. e. Vgl. Protokoll vom 19. 11. 92 Punkt 5 - 7 , Anm. e, f. Vgl. Protokoll vom 21. 12. 92 Anm. a und vom 4. 1. 93 Anm. d. Mainzer National-Zeitung, Nr 193 vom 20. 12. und Nr 194 vom 22. 12. 92. Der Patriot, [Nr 8] D [II vom 2. 1. 93]. Vgl. Protokoll vom 27. 1. 93 Anm. f. Vgl. Protokoll vom 10. 1. 93 Anm. t. Venedey, Jakob, Die deutschen Republikaner unter der französischen Republik, mit Benutzung der Aufzeichnungen «eines Vaters Michel Venedey dargestellt, Leipzig 1870, S. 120 f. Kersten, Kurt, Der Weltumsegier, a. a. O., S. 266; Matby, Helmut, Anton Joseph Dorsch, a. a. O., S. 21 ; derselbe. Die französische Herrschaft am Mittelrhein, a. a. O., S. 29. Streisand, Joachim, a. a. O., S. 38.

Einleitung

47

Mainz zwischen Rot und Schwarz, a. a. O., S. 29 f. Moikovskaja, Ju .Ja., a. a. O., S. 282 ff. 98 Vgl. dazu Quellen zur Gesdiichtç des Rheinlandes, Bd 4, Bonn 1938, S. 3423. 99 Der Revolutionsgeneral Gouvion Saint-Cyr sagte in seinen Memoiren von Custine: „C'était aussi le général qui faisait les plus grands efforts pour établir parmi les trempes une bonne discipline; et sous ce rapport, l'armée du HÛûtt s'est ressentie longtemps de l'avoir eu pour chef." Mémoires sur les campagnes des armées du Rhin et du Rhin-et-Moselle de 1792 jusqu'à la paix de Campo-Formio, Paris 1829, Bd 1, S. 7. 100 Vgl. Protokoll vom 17. 12. Anm. b und vom 24. 12. 92 Anm. b. 101 Streisand, Joachim, a. a. O., S. 38. 102 Godecbot, Jacques, a. a. O., S. 85. 103 Moniteur vom 20. 11. 92, Réimpression, Bd XIV, S. 517. 104 Godecbot, Jacques, a. a. O., S. 78 ff. 105 Vgl. Protokoll vom 11. 1. 93 Anm. j. 106 Georg Forster an seine Frau am 22. 12. 92, in: Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, Bd 17. 107 Vgl. Protokoll vom 13. 1. 93 Anm. a. 108 Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, in: Werke, Bd 3, Berlin 1958, S. 177. 109 Vgl. Protokoll vom 20. 12. 92 Anm. a. 110 Vgl. Protokoll vom 26. 11. 92 Anm. f. 111 Droz, Jacques, Deutschland und die französische Revolution, Wiesbaden 1955, S. 30 ff. 112 Godecbot, Jacques, a. a. O., S. 261 f. 113 Lesnodorski, Boguslav, a. a. O., S. 333. 114 Vgl. Protokoll vom 23. 12. Punkt [12] und vom 27. 12. 92 Punkt [3]. 115 Vgl. Protokoll vom 30. 11. 92 Anm. e. 96 97

116

117

1,8

119 120

1?1 122 123

124 125 126 127

128 129

130

Marx, Karl, Die Bourgeoisie uäd die Konterrevolution, in: Marz/Engels, Werke, Bd 6, Berlin 1959, S. 107. Matby, Helmut, Als -Mainz französisch war, a. a. O., S. 8, 13; derselbe, Die französische Herrschaft am Mittelrhein, a. a. O., S. 23 f., 27 f. Steiner, Gerhard!Häckel, Manfred, Forster, a. a. O., S. 54. Streisand, Joachim, a. a. O., S. 40. Scheel, Heinrich, Deutsdher Jakobinismus und deutsche Nation, a. a. O., S. 8 f. Groball, Ulrich, Bürgerliche Presse und nationale Frage in Deutschland zur Zeit der Großen Französischen Revolution - unter besonderer Berücksichtigung einiger Aspekte der nationalen Politik der Mainzer Jakobinerpublizistik, Diss. Leipzig, Sektion Journalistik, 1969, S. 99 ff. Grab, Walter, Die Revolutionspropaganda, a. a. O. Vgl. Protokoll vom 15. 11. 92 Anm. i. Marx, Karl, Die Bourgeoisie und die Konterrevolution, in: Marx/Engels, Werke, Bd 6, Berlin 1959, S. 107. StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 8, fol. 1. Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, a. a. O., Bd 2, S. 534 Anm. 2. StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 8, fol. 2. Getreues Namenverzeichnis der in Mainz sich befindenden 452 Klubbisten mit Bemerkung derselben Charakter. Im Mai 1793. Das Mainzer rote Buch oder Verzeichnis aller Mitglieder des Jakobinerklubs in Mainz. 1793. Das Mainzer Rote Buch oder Verzeichnis aller Mitglieder des Jakobinerklubs in Mainz. Im zweiten Jahr der Freiheit. 1793. Hochmutb, Karl, Die Klubbistenverfolgungen 1793-1798, Würzburg, phil. Diss. 1957, S. 69.

Einleitung Vgl. S. 819 ff. Vgl. Protokoll vom 23. 10. 92 Punkt [4], Vgl. Protokoll vom 6. 1. S 25, Anm. k, vom 29. 1. S 146, Anm. b und vom 12. 2. 93 § 227. 134 ZStA I Potsdam, Archivdepot Lübben, Packen 122 - Mainzer Stadtarchiv 11/70. 1 3 5 Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, a. a. O., Bd 2, S. 531 Anm. 2. 136 Grab, Walter, Norddeutsche Jakobiner, a. a. O., S. 22 f. ; derselbe, Die Revolutionspro-

131

132

133

137 138

139

140 141 143

143 144

145 li6

paganda, a. a. O., S. 120 ff. Scheel, Heinrieb, Die § tarnten des Mainzer Jakobinerklubs, a. a. O. Die Dokumente sind wiedergegeben in den Protokollen vom 1. 11. Punkt [3], Anm. d, vom 5. 11. Punkt [3], Anm. d, vom 7. 11. Punkt 2, Anm. b, vom 9. 11. Punkt 6, Anm. d, vom 13. 11. Anm. f, vom 10. 12. Punkt [2], vom 14. 12. Punkt 13, Anm. c und vom 23. 12. 92 Punkt [8], Anm. e. Es sind dies die Protokolle vom 23. 10., 13. 11., 24. 11., 4. 12., 10. 12., 12. 12., 29. 12. 92 und vom 29. 1., 27. 2., 13. 3. und 15. 3. 93. Vgl. Protokoll vom 6. 11. Punkt 11 und vom 7. 11. 92 Punkt [21a] und 24. Vgl. Protokoll vom 27. 2. 93 Anm. a. Aulard, François-Alphonse, La Société des Jacobins, recueil de documents pour l'histoire du Club des Jacobins de Paris, Bd 1, Paris 1889, S. I. Mainzer Stadtarchiv 11/71, 11/72, 11/73. Vgl. Protokoll vom 5. 11. 92 Anm. d, Art. 13-15. Uber die Praxis der Protokollführung berichtete der einstige Klubsekretär Adolf Steppes in seiner Vernehmung am 4. 10. 93: „Das Protokoll der ersten Sitzung habe nichts enthalten als einige Freudensbezeugungen über die Ankunft der Franzosen in Mainz, die Bildung eines Klubs und das Ersuchen an den Straßburger Klub, seine Statuten dem Mainzer mitzuteilen ; worauf die oben genannten 20 Mitglieder selbst unterzeichnet hätten. Die folgenden Tage sei angemerkt worden, welche Reden gehalten, wclche Motionen gemacht worden und was überhaupt in dem Klub verhandelt worden. Eigentlich seien zwei Protokolle geführt worden, wovon das eine nur eine kurze Anzeige aller Vorgänge gewesen sei, das andere ausführlichere hätte nach Ausweis der Straßburger Statuten, welche der Mainzer Klub ihrem vollen Inhalt nach für die seinigen adoptiert habe, zu Hause gemacht werden sollen ; Konstitut habe es aber allezeit in der Sitzung verfertigt. Dieses ausführliche Protokoll habe Konstitut von dem ersten Tag der Entstehung des Klubs bis gegen Anfang des Dezember geführt, wo ihm von dem damaligen Präsidenten Wedekind oder Patocki in seiner Abwesenheit alle Papiere des Klubs, welche ei im Hause gehabt, aus irgendeinem Verdacht gegen ihn geholt worden seien, . ." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 736; Dumont, Jakobinerklub. S. 198 f ) Vgl. Protokoll vom 5. 11. 92 Anm. d, Art. 13. Ebenda, Art. 15. 147 Ebenda, Art. 14.

148

Vgl. Protokoll vom 8. 11. Punkt 12, vom 14. 12. Punkt 20 und 21, yom 24. 12. 92 Punkt [5], vom 3. 1. § 7, vom 6. 1. § 24 und vom 11. 1. 93 § 40.

149

Vgl. Protokoll vom 24. 3. 93 Anm. c. Vgl. Protokoll vom 14. 2. § 232 und vom 15. 2. 93 5 245. StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 8, fol. 1. ZStA I Potsdam, Archivdepot Lübben, Packen 122 - Mainzer Stadtarchiv 11/70. Vgl. insbesondere Protokoll vom 7. 11. Punkt 2, Anm. b und vom 9. 11. 92 Punkt 6, Anm. d. Vgl. S. 840 ff. Becker, Jobann Nikolaus, Beschreibung meiner Reise, a. a. O., S. 26. i r " Vgl. S. 857 ff.

130 151 152

153 184 156

Scbultze, Johannes, Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte, in Blätter für deutsche Landesgeschichte. Neue Folge des Korrespondenzblattes, 98. Jg., 1962, S. 1 ff.

Tagebuch der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit

[Mainz, den 23. Oktober 1792, Dienstag]8 [1] Nachmittags (and ich bei dem neuen Aide-major b ein halb Dutzend hiesige Leute versammelt, die da überlegten, was wohl zu tun sei- Er hatte darauf angetragen, den Abend um 6 Uhr in den großen Saal im Schloß zu gehen und dort einen Klub zu stiften, den Custine selbst eröffnen würde. Niemand war seiner Meinung, und ich bestritt diese voreilige Maßregel mit allen Gründen, auf die er entweder nichts antworten wollte oder nichts zu antworten wußte. Ich berührte die zwei Gesichtspunkte, worauf, dünkt mich, alles ankommt, öffentliches Wohl und Privatinteresse, und zeigte, daß weder das eine noch das andere ganz klar durch einen solchen Schritt erreicht würde. Es sollen indessen doch ein Haufen Leute hingegangen sein, und der Saal ist hell erleuchtet gewesen.' [21 Heute abend um 6 Uhr wird eine Gesellschaft deutscher Freunde der Freiheit und Gleichheit aus allen Ständen in dem großen Akademiesaale auf dem hiesigen Schlosse sich durch einen feierlichen Eid verbinden, frei zu leben oder zu sterben. - Der Bürger General Custine hat ihr versprochen, diese Szene im Namen der Frankenrepublik durch seine Gegenwart zu verherrlichen.11 Der Zutritt steht jedem Deutschen frei, dem das Glück seines Vaterlandes und der an Sklavenketten seufzenden Menschheit ein heiliger Name ist. Nur bemerket man, daß niemand zugelassen werden kann, der nicht zur Gesellschaft gehört oder durch Ablegung des genannten Eides ihr beitreten will. Sämtliche Mitglieder unterzeichnen gleich nach dieser Feierlichkeit ihre Namen unter die Eidesformel in das Protokoll der Gesellschaft, welche sodann durch tägliche öffentliche Sitzungen die Freiheit und Gleichheit der Mainzer - und vielleicht, gebe es Gott! auch die des übrigen Teils der großen deutschen Nation vorbereiten wird.e [3] Man beschäftigte sich übrigens in dieser ersten Sitzung nur mit der inneren Einrichtung der Gesellschaft, wählte einen Präsidenten in der Person des Kaufmann[s] Höflein(s) [...], einen Vizepräsidenten in der Person des Metternichs und einen Sekretär in der Person des jungen Steppes, eines Bruders des Amtsvogten von Weisenau, der der Gesellschaft schon, am ersten Tage durch die Ablegung des Eides, frei zu leben oder zu sterben, beigetreten ist.f [4] Protokoll der Gesellschaft der Mainzischen Freunde der Französischen Konstitution. Mainz, am 23. Oktober 1792. Im ersten Jahr der Republik Frankreich. Nachdem wir das Glück hatten, durch die französischen Armeen von dem Joch der Tyrannei erlöst zu werden, so haben sich heute Unterzeichnete durch den feierlichen Eid, frei zu leben oder zu sterben, miteinander vereinigt und zugleich den Entschluß gefaßt, die Gesellschaft der Konstitutionsfreunde zu Straßburg zu ersuchen, denselben ihre Gesetze gefälligst mitzuteilen. Hierbei hat uns zugleich unser Erretter, der französische Bürger und General (Herr) Custine durch den

23. Oktober 1792

51

Bürger (Herr) Böhmer die feierliche Zusicherung im Namen der erhabenen französischen Nation erteilt, uns ewig in ihren Schutz zu nehmen. Unterschrieben: Zwanzig beeidigte freie Mainzer Bürger.« [5] Es seien diesen Abend über 100 Personen aus allen Ständen in dem Saale gewesen. Auf einmal sei Sekretär Böhmer mit Wedekind, Patocki und ein paar anderen in den Saal gekommen mit der Ankündigung, daß dringende Kriegsgeschäfte den General Custine abhielten, heute zur Versammlung zu kommen, welches den andern Tag gewiß geschehen würde. Böhmer habe zugleich einen Pack Druckschriften unter dem A r m e gehabt, von welchen er viele verteilt und die übrigen dem Meuth gegeben habe, der sich anheischig gemacht hat, solche unter das Publikum auszubreiten. E r habe gefunden, daß es die Mainzer Zeitung und einige französische Lieder und das Bulletin des französischen Nationalkonvents gewesen sei. Hierauf sei Hartmann vorgetreten und habe eine Rede gehalten, diesem sei Wedekind und dann Metternich mit einer Rede gefolgt; am E n d e habe Hartmann ihn, Konstituten, gerufen, ein Protokoll über die heutige Verhandlung niederzuschreiben, wie er es ihm diktieren würde, welches Protokoll die oben angegebenen 2 0 Personen unterschrieben hätten; die übrigen Personen, die damals gegenwärtig gewesen, seien aber schon vorher meistens aus dem Saale gegangen.*1 a Da die überlieferten Protokolle des Mainzer Klubs erst mit dem 6. 11. 92 einsetzen, andererseits aber vom 23. 10. bis 5. 11. 92 einschließlich taglich Klubsitzungen stattfanden, wird für die ersten 14 Sitzungen auf andere geeignete Quellen zurückgegriffen, um die Lücke nach Möglichkeit auszufüllen und so die Arbeit des Klubs von seiner Konstituierung an verfolgen zu können. b

c d

e

1



Custines Generaladjutant war der Straßburger Daniel Stamm, ein Küfer und Weinhändler, Schriftführer des Straßburger Klubs nach dessen Trennung von den Feuillants und Freiwilliger bei der Rheinarmee. Brief Georg Forsters an Ludwig Ferdinand Huber vom 24. 10. 92. Entgegen dieser Ankündigung berichtete Forster in einem Briefe an Huber vom 24. 10. 92: „Custine hat aber für gut befunden, alles bis auf heute abend zu verschieben, wo denn wirklich die Stiftung des Klubs, wie Sie aus der Zeitung sehen werden, vor sich gehen soll." Tatsächlich jedoch verschob sich lediglich die persönliche Anwesenheit Custines; an seiner Statt erklärte sein Sekretär und Herausgeber der „Mainzer Zeitung": „Dr. Böhmer versicherte sie auf besondern Auftrag des Bürgers Custine des beständigen Schutzes der fränkischen Republik." (MZ, Nr 169 vom 25. 10. 92) Meldung der MZ, Nr 168 vom 22. 10. 92, die vordatiert ist und als erste Nummer nach dem Einzug der Franzosen frühestens am 23. 10. erschien; nur so erklärt sich die Ankündigung der Klubgründung unter jenem Datum. Im übrigen brachte die MZ, Nr 169 vom 25. 10., auch schon die Berichtigung: „Durch ein Versehen stand in der letzten Montagszeitung bei der-Ankündigung heute, da es doch hätte heißen sollen Dienstag, den 23. Okt." Hoffmann, Darstellung, S. 101. Dieser Aussage entgegen behauptete der einstige Klubsekretär Adolf Steppes in seiner Vernehmung vom 4. 10. 93: „Metternich habe am Ende die Wahl eines Präsidenten und Vizepräsidenten auf den morgenden Tag angesetzt, und habe unter der Hand den Haefelin zum Präsidenten und Patocki zum Vizepräsidenten vorgeschlagen, um durch dieses Beispiel von Beförderung eines gemeinen Bürgers mehrere Bürger anzulocken, der Gesellschaft beizutreten." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 736; Dumont, Jakobinerklub, S. 200)

52

23. Oktober 1792

g Straßburgische Ztg., Nr 258 vom 27. 10. 92, S. 1040. Der französische Text im Moniteur, Nr 308 vom 3. 11. 92, Bd XIV, S. 365. Das Protokoll ging mit folgendem Begleitschreiben Patockis nach Straßburg: „Mainz, den 24. Oktober. Kaum waren wir durch die Tapferkeit der tranzösischen Truppen von dem Joche befreit, unter welchem wir seufzten, so bildete sich alsbald hier eine Gesellschaft französischer Konstitutionsfreunde, um unter französischem Schutze an der Befestigung der Freiheit dieses Landes zu arbeiten. Sie versammelten sich, mit Genehmigung des Generals, in dem großen Konzertsaale des Schlosses, ebenda, wo der Kurfürst so oft die Flüchtlinge bewirtet und mit ihnen an verheerenden Planen gegen die Freiheit gearbeitet hatte. Ich lege Ihnen das Protokoll der ersten Versammlung bei, welches besser, als ich nicht tun könnte, die Gesinnung des weit größeren Teils der hiesigen Einwohner ausdrückt. Mit Wonne und einer Art Trunkenheit ruft jedermann: Es lebe die französische Nation! Es lebe die französische Republik!" (Straßburgische Ztg., Nr 258 vom 27. 10. 92, S. 1040) Der Straßburger Klub nahm von Protokoll und Brief in seiner Sitzung vom 27. 10. Kenntnis und beschloß, «que les lettres de Mayence seront envoyées au rédacteur du Courrier à Strasbourg pour y être imprimées, qu'on tirera 150 exemplaires pour être envoyées aux sociétés affiliées. 2° que Dorsch écrira sans délai aux Mayençais pour les prévenir qu'incessament on leur enverra des commissaires.» (Stadtarchiv Strasbourg, Amis, t. III ; Dumont, Jakobinerklub, S. 214). Außerdem ging am 28. 10. eine tags zuvor akzeptierte Petition des Klubs nach Paris, die laut Moniteur Nr 309 vom 4. 11. 92 (Bd XIV, S. 376) am 3. 11. im Konvent verlesen worden war und folgenden Wortlaut hatte : «Législateurs, Nos frères, les Mayençais, nous demandent notre entremise près de vous pour leur obtenir l'assurance que toute la famille de républicains français, à laquelle ils veulent être éternellement unis par la fraternité, les défendra de tous ses moyens contre les tyrans, dont le citoyen général Custine vient de les débarrasser. La seule crainte qui leur agite dans ce moment, premier de leur liberté, c'est l'abandon à eux-mêmes. Assurez-les, législateurs, ils sont hommes et à ce titre nos frères. Après leur avoir fait goûter les délices de la souveraineté du peuple, les républicains français doivent leur maintenir. Décrétez que tous nos frères de l'Europe qui voudront secouer le joug de la tyrannie et chasser les rois et qui réclameront les secours des citoyens républicains français, les trouveront toujours prêts à voter à leur défense. Strasbourg, le 28 octobre l'an premier de la République. Les citoyens amis de la liberté et de l'égalité de Strasbourg.» Es folgen 16 Unterschriften. (AN Paris, C 240, Nr 273, Stück 21) l> Aussage des einstigen Klubsekretärs Adolf Steppes in seiner Vernehmung am 30. 10. 93 durch Hofrat von Fugger. (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 736 ; Dumont, Jakobinerklub, S. 196) Über den Inhalt der Reden berichtete Steppes in seiner Vernehmung am 4. 10. 93: „Hartmann habe durch seine Rede den Klub eröffnet, deren ungefährer Inhalt dieser gewesen: Dieses sei der Saal, worin noch vor einigen Monaten Pläne zur Unterjochung der Menschheit geschmiedet worden. Durch die siegreichen Waffen der Franzosen und den Beistand Gottes seien diese Pläne vereitelt und anstatt jener Despoten seien sie nunmehr in diesem ßaale, um Pläne zur Wiederauferweckung der bisher unterdrückten Menschenrechte und Einführung der Freiheit und Gleichheit zu machen. Um zu diesem Zwecke zu gelangen, müßte sich die Gesellschaft vor allen Aristokraten hüten, wovon er die Gesellschaft vorzüglich auf den Geheimen Rat Kalkhoff, den Gewaltsboten Wölfl und den ganzen hiesigen Stadtrat aufmerksam mache; er schwöre hiermit, alle seine Kräfte zur Erreichung dieses Ziels anzustrengen: Frei zu leben oder zu sterben! Hartmann sei bei dieser Rede so in Affekt gekommen, daß er beinahe ohnmächtig geworden. Worauf Wedekind und nach diesem Metternich

24. Oktober 1792

53

beinahe auf die nämliche Art das Wort ergriffen. Metternich habe zugleich auf den morgigen Tag das Wort begehrt, um eine Rede über den Zweck der Gesellschaft, und Wedekind, um eine Rede über Aufklärung halten zu dürfen." (Ebenda; Dumont, Jakobinerklub, S. 199 f.) Hansen, der noch im StA Darmstadt die Akten der Regierung des Departements Donnersberg einsehen konnte, stellte nach den damals vorliegenden Verzeichnissen der Klubmitglieder für den 23. 10. die folgende Klubliste auf: „Es waren 1) Prof. G. Wedekind, 2) Prof. M. Metternich, 3) Prof. K. Westhofen, 4) Notar J. B. Bittong, 5) Hofgerichtsrat K. Hartmann, 6) Handelsmann G. Häfelin, 7) Handelsmann J. P. Patocki, 8) Hofgerichtsrat F. Schaal, 9) der französische Sprachmeister J. Dinang, 10-20) die Kandidaten oder Praktikanten der Jurisprudenz, Medizin oder Philosophie B. Ansmann, F. Falciola, A. Fuchs, J. D. Meuth, J. Ohleur, A. Plöger, J. A. Ritz, K. A. Retzer, A. Stepper, K. Steinern, G. Wolf." (Hansen, Quellen, Bd 2, S. 470 Anm. 1) Von Steinern gibt es eine spätere Aussage vor einem kurfürstlichen: Untersuchungsausschuß, dem gegenüber er seine revolutionären Aktivitäten möglichst zu verharmlosen suchte; im Vernehmungsbericht vom 8. 4. 94 heißt es: „Er gesteht, von jenen 20 Mitgliedern gewesen zu sein, welche zusammengekommen, nicht in der Absicht, einen Klub, sondern eine gelehrte Gesellschaft zu konstituieren, wobei nichts geschehen, als daß Hartmann und Steppes die Namen der Anwesenden auf einen Zettel geschrieben und sie auf den folgenden Tag bestellt haben." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 731) Es verwundert einigermaßen, daß unter den iMitgliedern Stamm und Böhmer nicht aufgeführt sind, obwohl beide maßgeblichen Anteil an dem Zustandekommen dieser konstituierenden Sitzung hatten. Böhmer wurde später vom Nationalkommissär Simon in dessen Schreiben an den Conseil exécutif vom 13. 8. 93 sogar als der Gründer hingestellt, der darum auch die Mängel zu verantworten hatte, die im März 1793 eine Reform des Klubs an Haupt und Gliedern nötig machten: «Boehmer, en établissant le club à Mayence, s'y est pris si gauchement qu'il répugnait à beaucoup de bons patriotes de s'y faire inscrire; que d'autres, qui l'avaient fait, s'en éloignaient insensiblement.» (AAE Paris, Corr. politique, Mayence, vol. 70: 1791-94, fol. 359; Abschlußbericht von Simon, Meyenfeld und Guillot über ihre Mission, Paris, 13. 8. 93) Wenn Stamm und Böhmer zunächst nicht als Mitglieder genannt wurden, so lag es wahrscheinlich an der in vielen anderen Klubs praktizierten Regel, wonach die Mitgliedschaft Ansässigkeit in der jeweiligen Stadt voraussetzte und Auswärtige nur den Status eines korrespondierenden Mitglieds ohne Stimme erwerben konnten. Stamm und Böhmer waren erst mit Custine in die Stadt gekommen. Diese Regel war kein eisernes Gesetz, und insbesondere Böhmer hat sich im Klub sehr bald seinen Platz gesichert.

[Mainz, den 24. Oktober 1792, Mittwoch]3 [1] Avant-hier, 24 du courant, s'est ouvert à Mayence un club sous le titre des amis de la constitution et de la république française où vont se développer ces principes d'éternelles vérités qui vont réintégrer les peuples dans leurs droits. Cette utile institution est due aux soins du professeur Böhmer et du docteur Wedekind que l'un et l'autre j'ai cru devoir attacher à la cause de la révolution et à qui je fais un traitement provisoire de 500 livres par mois, pour les indemniser des

54

24. Oktober 1792

grandes sacrifices qu'ils ont faites [ . . . ] Ils feront professer désormais les principes dans une salle de ce superbe palais électoral où se trouvaient réunis au mois de juillet dernier l'Empereur François, Frédéric Guillaume, le Duc de Brunswick, les Électeurs et les ci-devant princes français, pour préparer et y jurer la ruine de la nation française. Plus de 200 citoyens mayençais se sont trouvés avanthier à la première séance.b [2] Gestern abend war die zwçite Sitzung der Gesellschaft, welche nunmehr jedem ihrer Mitbürger und Mitbürgerinnen ohne Rücksicht, ob sie Mitglieder sein wollen oder nicht, freien Zutritt anbietete [3] Gleich am Eingang in den Saal stand auf dem etwas erhöhten Orchester ein mit einem Licht versehener Tisch nebst Stuhl für den Tages vorher gewählten Präsidenten; am Fuße dieses Orchester [s] war ein etwas größerer Tisch mit zwei Lichter[n] und zwei Stühlen, wovon der eine für den Vizepräsidenten, der andere aber für den Sekretär bestimmt war; für die schon bestandenen und hoffentlich noch anzunehmenden Mitglieder war [en] in einem eiförmigen Kreis mehrere kurfürstliche Lehnstühle geordnet, in deren Mitte eine von Tannenholz verfertigte Rednerbühne aufgerichtet war; der Saal selbst(en) war aber etwas sparsam beleuchtet. Custine selbst(en) erschien in dieser teutschen Versammlung; bei dem Eintritt wurde er mit einem lauten Jubelgeschrei der gesellschaftlichen Mitglieder - es lebe die Nation - empfangen; [...] Das Beifallklatschen bei Haltung dieser Rede [Custines] war außerordentlich, so daß man oft manche Ausdrücke vor dem Lärmen nicht verstehen konnte.*1 [4] Die [ . . . ] Rede des Bürgers General Custine ist ihrem Hauptinhalte nach folgende: Meine Herren! Angenehm ist es mir, als General der Franken-Armeen hier Freunde der Konstitution, Freunde des Volks und der Menschheit versammelt zu sehen. Alle Völker machen nur Eine Familie aus, die durch die ewigen Grundsätze der Vernunft und Tugend vereinigt ist. Zwar sah sich das Volk der Franken der traurigen Notwendigkeit eines Krieges ausgesetzt, aber wir führen diesen Krieg nur darum, um keinen mehr führen zu dürfen, um die Ungerechtigkeiten zu strafen, die man gegen uns verübte, um Völker, die zur Freiheit geboren sind, mit ihren Menschenrechten bekannt zu machen. Betrogen durch Ausgewanderte, glaubten deutsche Fürsten, die Eroberung von Frankreich sei ein Kinderspiel; und die Stimmenmehrheit von 25 Millionen Menschen war nicht vermögend, diese Unglücklichen eines Bessern zu belehren. Die Armeen der Franken haben nunmehr den Wunsch ihrer Nation geltend gemacht, und zitternd vor unsern siegenden Waffen haben unsere Feinde jetzt das Land der Freiheit verlassen, sind zurückgekehrt und werden nie sich erkühnen, in dieser Feste uns anzugreifen. Täten sie's je, dann werden wir ihnen einen neuen Beweis geben, was freie Menschen über Sklaven vermögen. Feierlich verspreche ich Ihnen, meine Herren, allen nur .möglichen Schutz zur Beförderung Ihrer so ruhmwürdigen Absicht, durch gegenwärtige Versammlungen Ihre Mitbürger mit den heiligen Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit bekannt zu machen. Aber ewige Schande brandmarke alle diejenigen, denen das Rasseln ihrer Ketten lieber ist als die süßtönende Stimme der Freiheit.®

55

25. Oktober 1792

[5] Nach Endigung dieser R e d e bestieg [ . . . J Wedekind die Rednerbühne und forderte die Versammlung [ . . . ] auf, die guten und bösen Handlungen des K u r fürsten Friedrich

Karl in Parabel zu stellen, damit man demselben, [ . . . ] weil die

letzteren erstere weit überwögen, nach aller Gerechtigkeit seine verdiente Strafe angedeihen und fühlen lassen könnte. [ . . . ] Nach dieser [ . . . ] R e d e wurden einige [ . . . ] Neuigkeiten [ . . . ] verlesen und diese erste gesellschaftliche Sitzung mit der Aufnahme verschiedener neuer Glieder beschlossen. 1 * Vgl. Anm. a zum Protokoll vom 23. 10. 92. Custine an den Konventspräsidenten, Mainz, den 26. 10. 92 (BN Paris, Nouv. Acq. Fr. 250, Papiers de Merlin de Thionville, vol. 7, fol. 50/51). Zweifellos ist die hier genannte Besucherzahl zuverlässiger als die aus einer viel länger zurückliegenden Erinnerung entnommene Angabe in Hoffmanns Darstellung, S. 109, wonach bereits über 1000 Mainzer dieser Sitzung beigewohnt hätten.

b

C MZ, Nr 169 vom 25. 10. 92. Der Brief Metternichs an Wedekind liegt nicht vor, 'wohl aber «eine gegen Stumme beim Kriminalgericht am 7. Dezember erhobene Klage (ADp Lübiben, Packen 119 - Mainzer Stadtarchiv 11/51), die den Gegenstand des Streits deutlich »macht und darum hier mitgeteilt werden soll: „Bürger und Räte des provisorisch ernannten peinlichen Gerichtes! Der ingelheimische Finanzrat Stumm zeigte am Mittwoch(e), den 5. Dezember, in Gegenwart 8 oder 9 Personen im Ingelheimer Hause zwo Sackpistolen und sagte, die seien für mich; man solle es mir nur sagen. Ich bat den folgenden Morgen den Bürger Maire, mir sogleich gesetzliche Sicherheit angedeihen zu lassen, und zwar noch vor dem Abende; er wollte das nicht, weil er mir sagte, die Sache gehöre nicht für sein Forum. Wie! Polizeisicherheit, und zwar wo Verzug gefährlich ist, gehört nicht für das Forum des eisten Polizeivorstehers? Zum Glücke hatte ich meiner M^gd gesagt, daß ich für Stumm nicht zu Hause wäre; sonst wäre ich gestern, als am Donnerstage abends, zwischen 4 und 5 Uhr von Stumm ermoudet worden. Die Sache ist so: Stumm kam in der ebengenannten Stunde zu Pferde an meine Haustüre, und auf die Sage meiner Magd, daß ich nicht zu Hause sei, drang er mit dem Pferde vorwärts und wollte sie hindern, daß die Magd die Türe nicht verschließen könne; wirklich war auch schon der Kopf des Pferdes im Hause, jedoch ward die Türe noch zugeschlagen. Nach dieser Abfertigung sprengte er mit dem Pferde im Hofe herum (ich wohne im sogenannten Fürstenberger Hof) und schrie: Ich suchte den elenden Menschen, den Bürgerfreund; aber ich treffe ihn gewiß. Ihr Leute, sagt'« ihm nur: Ich werd's mit ihm ausmachen; geschieht es heute nicht, so geschieht's morgen. Ich muß noch bemerken: Warum kam Stumm zu Pferde um etwa 4Vz Uhr? War es nicht, um die vorgehabte Mordtat zu verüben und dann zu Pferde davonzueilen? Fragen, die einem }eden, der aus Umständen zu urteilen imstande ist, mit einem sehr wahrscheinlichen Ja zu beantworten es einfallen muß. . ' Ich habe midi diesen Morgen (freitags) an das Militärdepartement gewendet, um eine Sauvegarde zu erhalten, weil mir Sicherheit von der Polizei versagt worden sei, aber zur Antwort erhalten, es brauche keiner Sauvegarde, indem man in der Güte den Stumm zurechtweisen wolle. Ich klage daher den gedachten Finanzrat Stumm an, daß er gegen midi eine Mordtat zu verüben willens gewesen und ihn nur Umstände, die er nicht überwinden konnte, davon abhielten, und will ihn nach der Strenge des Gesetzes verurteilt wissen. Ich bitte, mir den möglichst kürzesten Termin anzusetzen, daß ich das angezeigte Faktum b e w e i s " solle, und midi sogleich unter dem Schutze der Gesetze persönliche Sicherheit finden zu lassen. Bemerke übrigens, da idi mich durch Versagung, dieser schon zweimal geforderten Sicherheit in äußerst übele Lage versetzt sehe, daß ich alle Verhandlungen in der Sache werde drudcen lassen, damit ich wenigstens an dem Wahrheit- und gerechtigkeitliebenden Publikum eine Stütze habe. Neufrankenbürger Mathias Metternich, Professor der Philosophie zu Mainz" Die Ursache, die Stumme zu diesen Drohungen hingerissen hatte, war aller Wahrscheinlichkeit nach eine Mitteilung, die Metternich in seinem Bürgerfreund, N r 10 vom 27. 11. 92, S. 52, eingerückt hatte und Stumme als ingelheimischen Finanzrat nicht kalt lassen konnte, sie trug die Überschrift „Unfug" und hatte folgenden Wortlaut:

6. Dezember 1792

359

„Auf Befehl des abgewichenen Grafen von Ingelheim wird dahier in seinem Hause täglich zu zweimal recht köstlich geschmaust. Hat der Ingelheim nicht etwa vergessen, daß er eine halbe Million Gulden schuldig ist und also diese Scbmausereien aus fremden Beutel [n] geschehen? Fällt ihm nicht ein, daß alle Lehen an die Nationen zurückfallen, von denen er sie trug? Und wir Mainzer wollen ihn auch erinnern, daß die Staatsschulden vermutlich zu seinem gehörigen Teile auf ihn noch kommen werden." Die Beweisartikel, die Metternich auf Verlangen des Gerichts beibrachte und durch zehn namentlich genannte Zeugen bestätigen lassen wollte (ADp Lübben, Packen 119 - Mainzer Stadtarchiv 11/51), unterstützen die Annahme, daß die oben zitierte Mitteilung die Ursache des Streits abgab; es heißt darin unter anderem: „1) Es ist wahr, daß Zeuge mit den nachstehenden andern Zeugen (NB: dieses Namensverzeichnis am Ende wird hier verlesen) am Mittwoch(e), den 5. Dezember 1792, im Ingelheimer Hofe gewesen, wohin sie Stumm zur Offizierwahl und Organisierung der Nationalgarden beschieden habe. 2) Wahr, daß Zeuge gesehen, idaß Stumm zwo Sackpistolen aus den Gilletsäcken gezogen, solche dem Kameralkandidaten Fuchs gezeigt und dabei gesprochen: Sehen Sie die zwei Terzeroleft, und sagen Sie es Ihrem Freund, diese seien für ihn bestimmt, 3) daß Fuchs zu Stumm hierauf gesagt, er, Fuchs, habe mehrere Freunde; er werde dieses demnach allen sagen müssen. 4) Stumm haibe auf diese Fuchsische Antwort ein Papier genommen und gesagt: Hier ist der Freund aufgezeichnet, den ich meine; es ist der Bürgerfreund, den ich als Lügner angeklagt habe. 5) Fuchs habe ihm hierauf gesagt, daß der Weg der Justiz oder der durch den Druck ans Publikum, wohin Metternich auch die Sache durch den Bürgerfreund habe gelangen lassen, der ordentliche s ä , aber der obige durch Pistolen sei unerlaubt. 6) Wahr, daß Stumme dem Fuchs, der früher von dem Wahlgeschäfte der Nationalgardenoffiziere abging, bis ans Tor nachgelaufen und dem Fuchs nachgerufen: Vergessen Sie es ja nicht Ihrem Freund zu sagen." Zum Streit Metternich-Stumme vgl. auch die Punkte 12-15 dieses Protokolls und vor allem das Protokoll vom 7. 12. 92 Punkt 15, Anm. g. i In der Tat existiert vom November 1792 - ein genaueres Datum ist nicht auszumachen - ein „Promemoria der mainzischen niedern und bürgerlichen Geistlichkeit an den Bürger Herrn General Custine", worin gefragt wird, ob die geforderte Eintragung in eines der Bücher als Willenspeinung des Generals aufzufassen und zu respektieren sei oder nicht. Die Antwort - sofern sie überhaupt erfolgte - liegt nicht vor; jedenfalls wurde dem Klerus nach dem Zeugnis einer konterrevolutionären zeitgenössischen Schrift der Druck dieses Memorandums verboten; „Schreiben an Custine, General der französischen Armeen, veranlaßt durch seine entehrenden Aufrufungen an die Bürger und Soldaten deutscher Nation, verfaßt von einem Manne, der ein Feind von allem Despotismus ist, der aber für das Beste seines Vaterlandes, für das Wohl seiner Mitbürger, für die Ehre Deutschlands Fürsten sein Leben aufzuopfern bereit ist. F. X. F., o. O. 1792", S. 14. Das Promemoria liegt als eine Kopie im ADp Lübben, Packen 124 - Mainzer Stadtarchiv 10/16, vor, ist außerdem als Beilage Nr 30 in Hoffmann, Darstellung, S. 381-385, veröffentlicht und hat folgenden Wortlaut: „Eine in unserer Vaterstadt errichtete Privatgesellschaft, deren Mitglieder sich Freunde der Freiheit und Gleichheit nennen, hat in der öffentlichen Mainzer Zeitung einrücken lassen, daß alle Bürger und Einwohner sich in dem Versammlungssaale der Gesellschaft entweder in ein rotes Buch (worin man bezeugt, daß man die dermalige und noch kommende franzö-

360

6. Dezember 1792

sische Konstitution annehmen wolle) oder in ein schwarzes mit Ketten beladenes Buch {worin man bezeugt, daß man ein Sklave sein wolle und sich zugleich der darin enthaltenen Bedrohung aussetzt, als ein solcher behandelt zu werden) einschreiben könnten, und dal! jene, die sich in keinem von beiden Büdiern eingeschrieben hätten, als soldie anzusehen wären, die in dem schwarzen Buche stünden und (olglich Sklaven wären. Durch diese zwangsvolle Äußerung wird die Mainzer 'niedere Geistlichkeit, die zeither als stille und gute Bürger mit tiefem Stillschweigen und mit unbegrenztem Vertrauen auf die Weisheit, Gerechtigkeit und Menschenliebe ihres Überwindet« und Beschützers ihrem Schicksale mit einem ruhigen und entschlossenen Blicke entgegengehartet hat, mit einem Male geradezu herausgefordert und förmlich gezwungen, ihre hierin hegende Gesinnung zu eröffnen, indem sogar das Schweigen als eine förmliche Erklärung angesehen werden solle. Die aufrichtigen und patriotischen Gesinnungen der Mainzer niederen Geistlichkeit sind weder für das rote noch für das schwarze Buch geeigenschaffiet. Sie weiß, daß es zwischen der französischen ¿Constitution, wie sie dermalen ist, und einer sogenannten Sklavenregierung noch unendlich viele mittlere Verfassungen gibt, unter denen vielleicht eine ist, die für die hiesigen Lande mehr als die beiden Extreme eingeführt zu werden verdienen möchte. Sie hat Vaterlandsliebe, aber Mainzer Vaterlandsliebe, denn sie weiß, daß jede vernünftige und dauerhafte Konstitution dem Charakter der zu konstituierenden Nation, dem Klima und -den mannigfaltigen Verhältnissen angemessen sein maß, wenn sie ein bestimmtes Volk glücklich machen soll. Die Mainzer niedere Geistlichkeit könnte sich zwar in dieser ihrer zwangsvollen und unangenehmen Lage sehr leicht beruhigen, da sie weiß, daß ihr großmütiger Überwinder und Beschützer in einem gedruckten Blatte, betitelt: Aufruf an die gedruckte Menschheit etc. dem Mainzer Volke freigelassen hat, sich nach seinem ungezwungenen Willen sogar einen Despoten und also vielmähr eine andere als französische Konstitution zu wählen, und daß also die Äußerungen der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit mit den Gesinnungen ihres Überwinders und Beschützers nicht in der vollkommensten Übereinstimmung stehen und folglich schon daraus schließen kann, daß die Wiilensmeiming der Freunde der Freiheit und Gleichheit nicht die seinige um da weniger sein könne, als noch zur Zeit jene sich zu einer so gearteten Aufforderung durch keine höhere Vollmacht legitimieret haben. Allein, da dieselbe ihrer eigenen Sicherheit wegen die Gewißheit in diesem Punkte mehr auf eine förmliche legale Erklärung als auf Raisonnement gründen zu müssen glaubt, so siehet sie sich gezwungein, um eine gefällige Erklärung zu bitten: Ob man die obige Aufforderung der in Mainz bestehenden Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit in betreff des roten und schwarzen Buchs als die Willensmeinung ihres großmütigen Überwinders und Beschützers Zu betrachten und zu respektieren habe oder nicht l Im ersten Falle muß die niedere Mainzer Geistlichkeit gegen den Punkt, daß ihr Stillschweigen dabin ausgedeutet werde, als wolle sie sich unter die Sklaven herabwerfen, förmlich protestieren und behält sich vor, desfalls ihre besondere Erklärung seiner Zeit mit deutscher Freimütigkeit und biederer Traulichkeit zu überreichen. Im zweiten und auch im ersten Falle muß die niedere Mainzer Geistlichkeit ihren großmütigen, nur Wahrheit und Freiheit auf alle[n] Wege[n] begünstigenden Überwinder und Beschützer bitten, eine vollkommene Preßfreibeit, als welcher die beiden edelsten Töchter der Gottheit, Wahrheit und Freiheit, ihr Dasein zu verdanken haben, durch eine ZU erlassende Proklamation zu gestatten und gegen jeclen direkten oder indirekten Eingriff nachdrucksamst zu schützen, indem Freiheit ohne Wahrheit nicht bestehen und Wahrheit nicht statthaben könne, solange es nur den geringsten Anschein hat, als wollte man nur einer Partei alles frei zu reden und zu drucken verstatten und jedem andern mündliches und schriftliches Stillschweigen auferlegen.

7. Dezember 1792

361

Freiet, edler Mannt wir haben keine Furcht, daß Sie diese mit deutscher Freimütigkeit und Bescheidenheit abgefaßte Vorstellung und gewiß billige Forderung beleidigen werde. Sie als Franke hassen alle Sklavenseelen. Bei Gott! wir sind es nicht, wir sind teutsche freie mutvolle Männer, die sich Ihrer Liebe wert schätzen. Wir wissen die Grenzen unserer Pflicht. Wir werden sie als gute Bürger und 'Kirchendiener nicht überschreiten. Wir wissen, daß unser Reich nicht von dieser Welt ist. Die bürgerliche Verfassung liegt außer unserm Wirkungskreise. Wir werden uns jede legal verfertigte bürgerliche Verfassung um so mehr gefallen lassen, als »ich die reine katholische» Religion mit jeder Regierungsform verträgt. Die niedere und bürgerliche Geistlichkeit von Mainz

Actum, den 7. Dezember 1792, [Freitag] Präsident Wedekind 1. Der Secretaire las das Protokoll vom 6. Dezember 1792 vor. 2. Ein Mitglied machte die Motion, daß man das Rote Buch hinfüra heißen solle das Buch der Konstitutionsfreunde der Frankenrepublik und daß man das Schwarze Buch ganz abschaffen solle. Übrigens sei es einerlei, ob das Buch von der Gesellschaft oder von Bürger General Custine sei hergegeben worden. Um den Streit desfafls zu heben, so solle man das Protokoll vorlesen von dem Punkt, worin von diesen zwei Büchern die Rede ist." Das Protokoll ward verlesen, es konnte aber daraus nichts entschieden werden, und die Gesellschaft beschloß, darüber zur Tagsordnung überzugehen. Angenommen. 3. Auch das ward angenommen, daß man es nicht mehr das Rote Buch, sondern, wie Art. 2 gesagt wurde, nennen solle und daß man das Schwarze Buch ganz abschaffen solle. 4. Ein Mitglied machte die Motion, daß man das benannte Buch von Custine autorisieren lassen solle und auch die Commissarii da(r)zu; sodann die Geistlichkeit ebenfalls dazu einzuladen1, weil dies beim hiesigen Publico2 mehr Eindruck machen würde.b Die Motion ward unterstützt und angenommen. 5. Auch wurde bemerkt, (daß man) in ebender Adresse, die man in oben benannter Sache an Custine erlassen wolle, anzuzeigen, wie lang man noch gesonnen sei, das Buch liegenzulassen. Angenommen.c 6. Ein Mitglied erinnerte, daß beschlossen worden sei, alle Tag ein Kapitel von den Statuten vorzulesen, man solle also dieses beobachten für die Zukunft. Angenommen. 7. Es ward beschlossen, daß hinfüro keiner mehr bei einer machenden Motion den Hut abziehen solle. Angenommen. 1 2

„sodann . . . einzuladen" am Rande ergänzt, irrtümlich statt „Geistlichkeit" erst „Gesellschaft" geschrieben. Irrtümlich statt „Publico" erst „Protokoll" geschrieben.

362

7. Dezember 1792

Correspondance 8. Es wurde die Antwort auf den Brief von der Gesellschaft zu Jouber vorgelesen."1 9. Ein Antwortschreiben an die Gesellschaft zu Chajimont.' 10. Ein Antwortschreiben an die Gesellschaft zu Hannault [?1. 11. Die Verlesung des Protokolls des wachthabenden Ausschusses wurde auf die nächste Sitzung verschoben, weil dasselbe eine lange Beratschlagung fordere. An- genommen. 12. Ein Mitglied machte die Motion, daß der Geruch in dem Saal sehr stark sei wegen den nahen3 Kranken, welches viele Leute abhielte; er trüge deswegen [an], das ehemalige Komödienhaus für die künftige Haltung unsre[r] Sitzung zu nehmen. 13. Ein Mitglied unterstützte diese Motion und bemerkte noch, daß man die bemittelte Geistlichkeit ersuchen solle, um uns zu erleichtern, mit weißen Wachslichtern zu versehen, und sodann jene Geistlichen im öffentlichen Blatte anzuzeigen, welche solchen Wachsbeitrag liefern würden. 14. Es wurde beschlossen, das Komödienhaus zu Haltung unsrer Sitzung zu nehmen und desfalls bei der Munizipalität anzufragen ;£ dieses übernahm Bruder Pape. 15. Die abgeordneten Commissaires wegen den Zwistigkeiten zwischen Stumm und Metternich statteten der Gesellschaft von ihren Verrichtungen Bericht ab.8 16. Ein Mitglied machte die Motion, daß man das [!] hiesige sogenannte aula académica nicht zu Haltung unserer Gesellschaft nehmen könne, 1) weil selbes zu klein und 2) weil es hohl gebaut, wo deshalb durch das Aus- und Eingehen immer großer Lärm(en) entstehen müsse. Angenommen.h 17. Ein Mitglied machte die Motion, daß die Gesellschaft die bemittelten Geistlichen nicht anhalten könne, Wachslichter zur fernem Beleuchtung unsres Saals herzugeben, weil dieses scheine, als wollte man einen Tribut auflegen, wozu wir keineswegs berechtigt wären, und 2) weil die Gesellschaft sich als Bettler darstellen würde(n). Deshalb(en) schlug4 18. ein Mitglied vor, solches ganz allein auf sich zu nehmen, bei den bemittelten Geistlichen die Lichter für unsre Gesellschaft zu bewirken. Angenommen. 19. Die Kommissäre für das Rote Buch für den 8. und 9. Dezember werden ernennt.' In 6dem J. G. Melzer Secretarius » Vgl. Protokoll vom 6. 11. Punkt 2 und vom 7. 11. 92 Punkt 10. b Vgl. Protokoll vom 6. 12. 92 Punkt 17 und Anm. j. c Vgl. Protokoll vom 2. 12. 92 Punkt 21. d Wahrscheinlich ist die eindeutig falsche Ortsangabe Jouber durch Jougne zu ersetzen; vgl. Protokoll vom 30. 11. 92 Punkt 7, Anm. c. « Vgl. Protokoll vom 18. 11. 92 Punkt 7. 3 4

„nahen" nachträglich zugefügt. „schlug vor" verbessert statt ursprüngl.: „übernahm".

363

7. Dezember 1792 £

Das Ergebnis dieser Anfrage scheint nicht befriedigend ausgefallen zu sein, denn es liegt außerdem im ADp Lübben, Packen 119 - Mainzer Stadtarchiv 11/52, ein vom 11. Dezember datiertes und an die Administration gerichtetes Gesuch vor, das hier bei dieser Gelegenheit in vollem Wortlaut mitgeteilt werden soll: „Gesuch der Freunde der Freiheit und Gleichheit an die provisorische Administration: Um Einräumung des Schauspielsaals zu ihren künftigen Versammlungen. Allgemeine Administration! Eine große Anzahl mainzischer Bürger, die «ich seit dem Einmarsch unserer fränkischen Brüder in einem Saale des Schlosses, den ihnen der Bürger General Custine angewiesen hatte, zu versammeln pflegten, um sich in den Grundsätzen der fränkischen Verfassung, der sie Treue bis in den Tod geschworen, immer vollkommener zu unterrichten und ihre Mitbürger genauer von den unendlichen Vorteilen derselben zu belehren - sehen sich gegenwärtig durch die Anlegung eines Hospitals genötigt, ihren bisherigen Versammlungsort zu verlassen und einen andern zu ihren gemeinnützigen und, wie sie hoffen, dem Staate nicht ganz gleichgültigen Zusammenkünften zu suchen. Das Schauspielhaus auf der großen Bleiche sdieint das einzige zu sein, welches die zu ihrem Zweck erforderlichen Eigenschaften hat und als ein öffentliches, dem Staate zugehöriges Gebäude mit gutem Fug den gesetzmäßigen Bemühungen dieser Freunde der Freiheit und Gleichheit eingeräumt werden kann. Wir Endesunterzeichnete stellen demnach dem Gutaditen der allgemeinen Administration anheim, ob dieselbe nicht der Munizipalität zu Mainz die Weisung wolle zugehen lassen, das bisherige Schauspielhaus einstweilen den hiesigen Bürgern, die sich dem nützlidien Geschäfte der gemeinschaftlichen Belehrung unterzogen haiben, zu ihrem Versammlungsort zu bewilligen, und hoffen um so viel mehr mit der Genehmhaltung unseres Ansuchens begünstigt zu werden, als das Schauspielhaus jetzt nidit nur leer steht, sondern auch der Gebrauch davon, welchen wir in Vorschlag -bringen, einen anderweitigen zu theatralischen Vorstellungen nidit ausschließt. Mainz, den 11. Dezember 1792, im 1. Jahr der Frankenrepublik Joh. Dom. Meuth Adam Reichard Franz Falciola Joseph Preißer «en., Bürger Jos. Preißer jun., m. c. Alois Becker Prof. Hofmann A. Fuchs Ant. Bauer Mich. Ant. Stöber Bernard Ansmann Niederhuber"

G. Wedekind, Präsident Johann Hauser, Sekretär der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit Johann Gerhard Melzer, Secretaire der Gesellschaft der F. u. G.

Die gleich auf dem Antrag fixierte Entscheidung der Administration lautete folgendermaßen: „Condusum: Der Munizipalität wäre zu eröffnen, man finde von Seiten der allgemeinen Administration an diesem vorgeschlagenen Platz nichts zu erinnern. Da jedoch aber die Haltung eines Liebhabertheaters neulich verstattet worden, so hätten sich beide Teile(n) gütlich zu benehmen, damit kein des anderen hinderlich sei. Mainz, am 11. Dezember 1792 J.-M. Kissel, Sekretär"

364

7. Dezember 1792

8 Vgl. Protokoll vom 6. 12. 92 Punkt 11-15 und Anm. g. - Offensichtlich endete der Streit Metternich-Stumme sehr bald und ohne großen Eklat. Wie der Bericht des Kriminaldepartements vom 8. Dezember aussagte, ergaben die Untersuchungen, daß „1. Stumme die heftigen Drohungen nicht leugne, folglich die Abhörung der weitern Zeugen unnötig sei; 2. daß Stumme seine Drohungen erläutert und sich anheischig gemacht habe, diese Drohungen nie zu vollführen; im Gegenteil daß er 3. sich mit 'Metternich in Freundschaft zu leben erboten; dagegen 4. Metternich auf einen Personalarrest gegen Stumme bestanden habe, weswegen wir die höhere Entscheidung uns erbitten, ob dieser Arrest realisiert werden solle." Die allgemeine Administration traf am 9. Dezember die folgende Entscheidung: „Auf das in Klagsacbe des Bürger Metternich entgegen den Bürger Stumm eingeschickte Protokoll hat die Munizipalität dahier dem Kläger sowohl als dem Beklagten zu eröffnen: Die allgemeine Administration sehe d a s Betragen des Bürger Stumm gegen den Bürger Metternich als eine Übereilung an, die demselben hiemit verwiesen werde mit dem Anhang, daß im künftigen iderlei Falle die Strenge des Gesetzes gegen ihn eintreten werde." Metternichs Einspruch gegen diese Entscheidung, die 'beiden Beteiligten am -10. Dezember bekanntgemacht worden war, hatte ganz gewiß keine ernsthaften Folgen und war ein bloßer Theaterdonner; in dem Entwurf eines Sdireibens an die allgemeine Administration vom 11. Dezember heißt es: „Metternich, unzufrieden mit der in dieser Sache ergangenen Entschließung, gab heute in der Anlage «eine Erklärung zu Protokoll, nach welcher er sich bei der ihm vermeintlich versagten Rechtshilf« der Selbsthilfe bedienen will. Die Verhinderung dessen überlassen wir den Maßregeln der allgemeinen Administration." Alle hier angezogenen Stücke befinden sich im ADp Lübben, Packen 119 - Mainzer Stadtarchiv 11/51. •> Dieser Nachtrag gehört zu der oben mit Punkt 12 begonnenen Diskussion über die Notwendigkeit, das Versammlungslokal zu wechseln. > Die Auslage des Roten Buches zur Unierschriftsleistung wird hier letztmalig erwähnt. Schon in der zweiten Novemberhälfte ließ diese Methode, einen Volksentscheid zugunsten der französischen Konstitution herbeizuführen, in ihrer Wirkung nach; sie war außerordentlich umständlich, vor allem aber verlangte sie ohne Rücksicht auf die überhaupt mögliche politische Reife die individuelle Entscheidung eines jeden. Ein für den Kurfürsten bestimmter Bericht aus Mainz vom 24. 11. 92 meldete: „Die Einschreibung in das Rote und Schwarze Buch in Absiebt auf Annehmung der noch nicht existierenden französischen Konstitution, wovon die Zeitung Meldung getan, geht nicht nach Wunsch vonstatten. Gestern soll die Zahl im Roten Buch auf 1200 und jene im Schwarzen Buch auf 4 gestanden sein. Die Dikasterialpersonen, die Geistlichen und der größte Teil der Bürgerschaft wartet auf ein Manifest von Herrn General Custime, ohne auf eine Zeitungsnachricht zu achten." (HHStA Wien, Mainzer Erzkanzlerarchiv, Militaria, Fasz. 118.) Schließlich entstanden unter den Klubmitgliedern über Wert und Unwert des Buches Meinungsverschiedenheiten, die natürlich nicht geeignet waren, Custine zur Autorisierung des Buches zu bewegen. Der Streit spitzte sich mit Hartmanns Attacke gegen das Administrationsmitglied Reuter außerordentlich zu; vgl. Protokoll vom 19. 11. 92 Anm. f. Als Gründe für seine Anklage hatte Hartmann angeführt, daß Reuter erstens sich noch nicht ins Rote Buch eingetragen und zweitens 1789 in einen Rechtsstreit wegen eines Weinguts in Bodenheim eine despotische Entscheidung gegen Hartmann veranlaßt hätte; (Der fränkische Republikaner, Nr 3 vom 30. 11. 92, S. 23-25). Die Administration stellte «ich mit einem Schreiben vom 5. 12. 92

7. Dezember 1792

365

an Reuter vor ihren angegriffenen Kollegen: „Die Allgemeine Administration ist durch die wegen dem Nachsteuerrecht zu Bodenheim erstatteten und vorgelegten Referate (n) überzeugt worden, daß die von Hartmann in der Wochenschrift, Der fränkische Republikaner genannt, geschehene Anklage verleumderisch und lügenhaft «ei. Man rate daher demselben, seine Verteidigung in den öffentlichen Nachrichts- und Zeitungsblätter[n] bekanntmachen zu lassen und das Publikum eines anderen zu belehren." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 288, fol. 18) Reuter entsprach diesem Ratschlage prompt und ließ am 8. 12. 92 zusammen mit dem Mainzer Intelligenzblatt eine achtseitige Verteidigungsschrift ausgehen, die äußerst raffiniert angelegt war und der Reaktion treffliche Dienste leistete. Er nannte darin das Rote Buch das Werk einer Privatgesellschaft, die prinzipiell keine verbindlichen Gesetze verkünden könne und deren Aufruf zur Einzeichnung sogar im Widerspruch zu Custines feierlicher Erklärung am 21. 10. 92 auf dem Rathause stünde; er rechtfertigte weiterhin seine Entscheidung in der Bodenheimer Sache und schloß mit der impertinenten Forderung, daß Hartmann wegen ungeläuterber Freiheitsbegriffe „nicht nur aus der Gesellschaft der Freiheit und Gleichheit sowohl als auch aus dem Roten Buche ausgestrichen, sondern auch demselben die Fortsetzung seines ohnehin wohl entbehrlichen Wochenblatts niederzulegen anbefohlen werde"; (Hoffmann, Darstellung, S. 423 f.). Natürlich versäumte es Reuter nicht, dieser Verteidigung das oben zitierte Schreiben der Administration beizufügen, gleichsam als ein behördliches Siegel unter alle zuvor aufgestellten Behauptungen. Damit war dem Roten Buch jede vielleicht noch bestehende Chance genommen, und es blieb nichts weiter übrig, als es wie zuvor das Schwarze einzuziehen. Ohne an diesem Tatbestand noch etwas ändern zu können, unterzog dennoch Metternichs Bürgerfreund, Nr 15 vom 14. 12. 92, S. 69-71, sowohl das Schreiben der Administration als auch und vor allem die freche Rechtfertigung Reuters einer scharfen Kritik: „In dem Republikaner Nro 3 wurde J. G. Reuter, Mitglied der allgemeinen Administration, von Bürger Hartmann wegen zwei Punkten angeklagt: Der erste war, daß sich Reuter noch nicht ins Rote Buch eingeschrieben und also des Aristokratisem verdächtig sei; der zweite Punkt betraf eine Relation in einem Rechtsstreite, wo Reuter gegen Hartmann geurteilt hatte. Hierauf erschien eine Beantwortung und Widerklage von Reuter gegen Hartmann im Drucke, und dieser Widerklage ist ein Schreiben der allgemeinen Administration an Reuter beigefügt, worin Hartmanns Anklage, den zweiten Punkt betreffend, als lügenhaft und verleumderisch angegeben wird. Die Sache ist also vors Publikum gebracht; und weil der Bürgerfreund die große Ehre hat, einen sehr kleinen Teil des Publikums auszumachen, so glaubt er, nach seinen Einsichten mitsprechen zu därfen, so gut er's versteht. Ich bekenne aber vordersamst, daß ich die Anklage Hartmanns und besonders den zweiten Teil niemal [s] gebilligt habe und bekenne nun aber auch, daß diese Widerklage und besonders das Schreiben der Administration auch meinen Beifall gar nicht halbe. Warum ich Hartmanns Klage nie billigte, ist überflüssig und zu weitläufig zu sagen. Aber warum ich den zweiten Vorgang nicht billige, das muß ich angeben; weil ich keinen Machtspruch tun will, indem ich Machtsprüche, und kämen sie von dreifach gekrönten Menschen, nicht leiden kann; also zu Sache 1 jedoch mit der vorläufigen Bitte, auf meine Worte und nicht auf meinen Rock zu sehen. Die Rechtfertigung Reuters, was das Einschreiben ins Rote Buch betrifft, ist - armselig; und dieses scheint die Administration gefühlt zu haben, weil sie sich auch in ihrem Schreiben großmütig darüber hinaussetzt. Reuter sagt: Es wäre kein verbindliches Gesetze dagewesen, daß man sich hätte einschreiben müssen. Das hätte noch gefehlt, daß Bürger General Custine,

366

7. Dezember 1792

oder wer sonst zu .befehlen hatte, ein Gesetze gegeben hätte, daß man sich als frei erklären müsse; das heifit, es fehlte noch an einem «ich selbst widersprechenden Gesetze. Allein wenn Reuter sagt, er berufe sich auf bestehende Gesetze, sonst habe keine Anklage statt, so läßt sieb doch auch sagen, daß um deswillen die vorige Regierung abgeschafft wurde, weil sie aristokratisdb war; und dieses Um-deswillen war, wenn es schon nicht in dem Mainzer- und Römergesetzbudie steht, dodi so was wie Gesetze; denn wenn es nicht wie ein Gesetze war, so hat man willkürlich, also ungeweiht, die vorige Regierung abgeschafft. - Daß da« Rote Buch al« ein solches das Werk (wie so stichelhaftl) einer Privatgesellschaft sei, das wollen wir so sein lassen; aber Custine forderte im Namen «einer Nation, daß sich jeder einzelne Bürger erklären solle, ob er ein Anhänger und Untertan der bestandenen despotischen Regierung bleiben oder ein freier Mensch sein wolle. Diese Forderung zu machen, hatte Custine da« Recht, weil er wissen muß, ob er Überwundene oder freie Menschen, d. h. Feinde oder Freunde, an den Mainzern haben solle. Das Rote Buch wunde als Mittel von einigen Staatsmitgliedern vorgeschlagen, weil ja doch wohl ein Mittel da sein mußte, diese Entschließung der einzelnen zu erkennen. Ich gestehe, daß ein uneingebundenes weißes Papier die nämlichen Dienste wie ein Rotes Buch getan habe und vielleicht besser; denn seht doch, - weil das Buch rot ist, so haben die Leute als geglaubt, es bedeute Soldatwerden. Aber wenn Reuter glaubt, dem Roten Buche stünde Custines Aufruf (e) entgegen, so kann unsereins diesen Schluß nicht einsehen, auch dann noch nicht, wenn ich das eben Gesagte, daß das Rote Buch nur ein Mittel war, die Erklärung an Tag zu legen, ausstreichen wollte; denn da blieb ja doch noch da, daß man sich habe erklären sollen; und die Erklärungen konnten doch nicht in den Wind geschrieben werden. Übrigens ist über die Sadie, fränkische Konstitution, Flickwerkskonstitution, die notwendig in kurzer Zeit wieder Despotie werden muß, und über Despotenkonstitution so viel gesprochen und geschrieben worden, daß man von. mir nichts mehr erwarten wird, und wer noch nicht hat sehen wollen, den zähle ich unter die unkurabelen Blinden, unter Schwarzstarige. Noch eins, Reuter glaubt, er habe es für überflüssig ansehen können, sein politisches Glaubensbekenntnis abzulegen, weil ihn Bürger General Custine zur Administration ernannte, weil Custine ihm dadurch ein offensichtliches Zeugnis gegeben, daß Reuter ein rechtschaffener Mann sei und daß Custine vom hegenden (wir setzen's so her, wie es da steht) Zutrauen des Publikums auf die Person Reuters versichert sei. Ich muß hier im allgemeinen bemerken, daß an vielen Orten und bei vielen Personen das Schild: Custine bat's gesagt, bat's getan, ebenso prahlerisch als töricht ausgehängt wird; man meint, man wäre noch immer in den Zeiten, wo es hieß: Seine kurfürstlichen Gnaden haben befohlen, es ist der Wille des Gnädigsten Herrn etc. etc. Alle diese Schildaushänger sollten sich vorher die Erlaubnis von Custine holen oder, wenn sie die nidit aufweisen, so bitte ich, daß kein Mensch dem Schilde glaube. Custine will, wie es die Gesetze und die gesetzliche Ordnung will, und ailles übrige in politischer Hinsicht ist eitel Pochwerk auf Custines Namen. Nun wieder eingelenkt. Mein lieber Reuter, Bürger General Custine kannte Sie nicht, Sie sind Custinen empfohlen worden; hat man e« Custinen gesagt, daß Sie aus Rücksichten oder was immer für Bedenklichkeiten sich nicht als einen freien Mann erklärt haben, das weiß ich nicht; genug aber, daß Custine die, welche Sie empfohlen haben, für responsable wird halten, und wir wollen zugeben, daß sie diese Responsabilität leicht über sich nehmen konnten. Ich breche hier über diesen Punkt ab, nicht aus Mangel der Gedanken, sondern des Raumes, weil ich noch etwas über das Schreiben der allgemeinen] Administration] zu sagen habe. Zugegeben, daß Hartmann im zweiten Punkte unrecht habe, so därfen wir andern doch so denken: Wer legte die Akten vor und welchem Richter? War es nicht der Beklagte, der sie

10. Dezember 1792

367

vorlegte; und waren nicht die Richter seine Kollegen, die Teil daran nehmen mußten, daß Reuter ganz frei aus der Sache schied? Hätte man nicht wenigstens bei diesen Umständen dem Hartmann eine Duplik noch zugestehen müssen? Diese Fragen mögen Gesetzverständige, aber nicht Sdilendrianer beantworten. Und dieses alles würde ich nicht gefragt haben, wenn es nicht zu hart klänge: lügenhafte, verleumderische Anklage."

Zum Protokoll der ungewöhnlichen Sitzung vom 10. Dezembris [17]92, [Montag]" [1 Der Klub beschloß,] am künftigen Diens(t)tage als am 11. ein feierliches Seelenamt für die zu Frankfurt, wie sich der Klub ausdrückte, ermordeten Brüder in der Domkirche halten zu lassen, worin nicht allein alle Glieder der Gesellschaft erscheinen, sondern auch vorher durch ein gedrucktes Blatt alle Einwohner zur gleichmäßigen Erscheinung eingeladen werden sollten.b [2] Bruder Cottas Zusätze zum Reglement, vorgeschlagen zur Behauptung der Ord* nung in den Sitzungen und zu Beobachtung des Zwecks der Gesellschaft.' I. § 1 : Die Geschäfte jeder Sitzung sind: a) Vorlesung des Protokolls der vorigen Sitzung, b) Bericht der Comités, der Commissarien zu zufälligen Geschäften, c) Anzeige anwesender Mitglieder aus andern Gesellschaften, Vorschlag, Aufnahm [e] und Beeidigung neuer Glieder, d) Ernennung der Commissarien für den Saal auf die nächste Sitzung. §2: Mit diesen gewöhnlichen Gegenständen muß jede Sitzung pünktlich zur angesetzten Stunde eröffnet und mit ihnen muß vor allen andern fortgefahren werden. §3: Nachher werden die Motionen, welche einzelne Mitglieder neu gemacht haben, vorgelesen, ehe aber über ihren Inhalt deliberiert wird, muß erst ein Schluß gefaßt werden, a) ob dies sogleich oder b) erst in einer andern bestimmten c) oder unbestimmten Sitzung d) oder gar nicht geschehen solle. Und also nur im Fall, daß die Gesellschaft sogleich über die Motion selbst deliberieren zu wollen beschlossen hat, nicht aber während dieser vorläufigen Délibération darf sich ein Mitglied über den Gegenstand selbst erklären, es sei denn, insoweit dies nötig ist, um zu zeigen, jener Gegenstand müsse sogleich, könne später, soll oder dürfe gar nicht vorgenommen werden. II. § 1 : Die besondern Gegenstände einer Sitzung sind: a) die Motionen, worüber bestimmt in der vorseienden Sitzung deliberiert werden soll, dann die,

368

10. Dezember 1792

b) worüber in einigen Tagen zu deliberieren beschlossen worden ist, c) endlich die, zu deren Vornahm[e] keine gewisse Zeit festgesetzt ist. § 2: Jede Motion in jeder Klasse nach der Zeit der Ordnung, worin sie gemacht worden ist, und über jede jeder in der Ordnung, worin er sich für dieselbe hat einschreiben lassen. § 3 : Uber diese besondern Gegenstände einer Sitzung wird mit Beseitigung alles andern so bald angefangen, als die 2. Stunde der Sitzung verflossen ist, es wäre denn, daß die Gesellschaft eine Ausnahme von dieser Regel für einzelne Fälle durch einen Schluß [sich] gefallen ließe. III. § 1 : Vor dem Schluß der Sitzung dürfen zwar noch solche Motionen gemacht werden, wovon zugleich gezeigt werden kann, daß Gefahr auf dem Verzug eines Schlusses haftet; aber dieser soll dennoch, wenn die Zahl der außer den Beamten der Gesellschaft noch anwesenden Stimmführer nicht wenigstens 30 ist, nicht andersit) als bloß provisorisch, vorbehaltlich der Ratifikation der Gesellschaft in der nächsten Sitzung, gefaßt und dieses im Protokoll deutlich bemerkt werden. § 2 : Wenn auch noch so viele Glieder wegen einer Motion das Ajournement oder die Tagsordnung anrufen oder die vorläufige Frage aufwerfen oder die Stimmung darüber verlangen, so darf doch der Präsident nicht darauf achten; er muß vielmehr die Schreier zur Ordnung verweisen, als wo(r)nach erst jeder, welcher sprechen will, dazu das Wort vom Präsidenten verlangt und erhalten haben muß, und wo(r)nach hernach jeder1 nicht bloß Ajournement, Tagesordnung, vorläufige Frage oder Stimmung aussprechen darf, sondern sein diesfallsiges Be^eKren motivieren und, ehe darüber ein Schluß gefaßt werden kann, die Gegenmotive andrer Glieder anhören muß. IV. Zusätze zum Reglement dürfen in einer ordentlichen Sitzung vor Verfluß der zwo ersten Stunden gemacht werden, Motionen hingegen zur Aufhebung 5 1 : oder zur Abändrung eines Teils des Reglement [s] dürfen nur in einer dazu angesagten besondern Sitzung vorgetragen werden. In der letzten Woche jedes Monats hält die Gesellschaft eine außerordentliche Sitzung, deren Gegenstände sind: Wahl der Beamten für den künfti§2: gen Monat; Erneurung der grade zu erneurenden Ausschüsse; Bericht des Okonomieausschusses; Bericht des Unterrichtsausschusses, nämlich ein zum öffentlichen Druck bestimmter Aufsatz über die Gesellschaftsarbeiten und Vorfälle vom zu Ende gehenden Monat, Urteil der Ausschüsse darüber, Vorlesung desselben vor alle[n] Mitglieder [n] über den Punkt, worauf die Gesellschaft in ihrem Gang nun ist, und über die Mittel, diesen Gang gut fortzusetzen. Diese Sitzung ist nicht öffentlich. 1

Im Text gestrichen: „welcher sprechen will".

10. Dezember 1792

369

V. § 1: Die Gesellschaft läßt wöchentlich zweimal, nämlich . . . tags um . . . Uht und . . . tags um . . . Uhr in ihrem Saal Vorlesungen für das Volk [halten], worin die Bulletins der Nationalzusammenkunft von Frankreich und andre öffentliche Blätter in einem zweckmäßigen Auszuge, Adressen und Reden gedachter Nationalzusammenkunft, ihrer Glieder, der Minister von Frankreich, des hiesigen Generals der Republik, der hiesigen Staats- und Gemeindeadministration, des Kriegskommissariats etc. und unterrichtende Privatschriften vorgetragen und erläutert werden. Diese Vorlesungen werden abwechselnd von Gliedern der Gesellschaft gehalten, welche der Unterrichtsausschuß dazu ernennt, und dieser Ausschuß hat auch die Aufsicht darüber. § 2 : Die ordentlichen Ausschüsse der Gesellschaft sind: der Unterrichtsausschuß, der Wachsamkeitsausschuß, der Korrepondenzausschuß, der ökonomieausschuß. Dieser letztere besteht aus 4 Mitglieder [n], welche aus sich den Schatzmeister wählen. Dessen Stimme wird im Fall, daß schon Stimmengleichheit im Ausschuß entstünde, nicht gezählt. Der Präsident und der Vizepräsident der Gesellschaft können als solche jeder Sitzung jedes Ausschusses beiwohnen; die ordentliche Zeit der Sitzungen jedes Ausschusses müssen [1] daher von ihm dem Präsidenten und Vizepräsidenten der Gesellschaft beim Antritt ihres Amtes schriftlich angezeigt werden, und ein Ausschuß, welcher eine außerordentliche Sitzung halten will, hat dieses sogleich nach gefaßtem Schluß dem Präsidenten und Vizepräsidenten anzuzeigen. Kein Ausschuß kann mit dem andern gemeinschaftliche Sitzungen halten, außer kraft eines Schlusses der Gesellschaft oder kraft einer Einladung des Unterrichtsausschusses, von welcher aber der Gesellschaft Nachricht zu geben ist. VI. § 1: Am Schreibtisch der Gesellschaft sitzen der Vizepräsident, der Präsident des Korrespondenzausschusses, die Sekretarien und der Kopist. Außer diesen darf sich keiner an den Schreibtisch setzen, wenn er nicht grade einen Auftrag der Gesellschaft daran zu vollziehen hat. § 2 : Kein Mitglied darf Stille oder Hut ab rufen; dies kommt allein dem Präsidenten zu. § 3 : Die Kosten, welche die Gesellschaft bereits hatte und welche sie bis zu Ende dieses Jahrs beiläufig noch haben wird, werden in der ersten öffentlichen Sitzung angegeben, auf die Mitglieder verteilt und von jedem noch in diesem Jahre eingezogen. Vom Januar an zahlt jedes Mitglied monatlich voraus . . . Kreuzer; dafür bekommt es ein[e] Eintrittskarte, welche mit seinem Namen bezeichnet und vom Schatzmeister unterschrieben ist. Diese Karte ist nur für einen Monat gültig, ist abwechselnd für einen Monat rot, dann blau, dann weiß, muß je am Ende des Monats beim Schatzmeister gegen eine neue, mit dem Monatsbeitrag einzulösende Karte ausgetauscht 24 Sdieel, Protokolle

370

10. Dezember 1792

weiden, und ohne Vorweisung dieser Karte kann kein einziges Mitglied unter keiqerlei Vorwand in die Versammlung der Gesellschaft kommen. § [4] : Französische Brüder. VII. § [1] : Der ältere Secretaire führt das Protokoll, der jüngere übernimmt die übrigen Ausfertigungen und die einem Secretaire zukommende Ablesung, ausgenommen die des Protokolls der vorigen Sitzung oder einzelner Stellen aus dem Laufprotokoll, als welche dem ältern Secretaire zukommen. Ankündigung Die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit zu Mainz wird nächsten . . . tag, den . . . ten Dezember ihre erste öffentliche Sitzung in dem . . .-Saal des Schauspielhauses als ihrem2 Versammlungsort halten. Jedes Mitglied der Gesellschaft wird erinnert, dieser Sitzung beizuwohnen, und jedes, welches dabei nicht erscheint, wird von der Gesellschaft angesehen werden, als wolle es nicht länger Mitglied sein. In dieser ersten Sitzung leistet jedes Mitglied einzeln den Eid, die Freiheit und Gleichheit zu behaupten oder in ihrer Verteidigung zu sterben. Alle Namen dieser Mitglieder werden sodann in eine alphabetische Liste gebracht, welche gedruckt an öffentlichen Plätzen angeschlagen, den hiesigen öffentlichen Blättern beigelegt*1 und in das Hauptqua[r]tier der feindlichen Armee geschickt werden soll.3 In ebendieser Sitzung wird auch bestimmt werden, wieviel jedes Mitglied zu den Kosten, welche die Gesellschaft bereits hatte und bis zu Ende Dezembers beiläufig noch haben wird, noch im Dezember beitragen muß und wieviel es vom Jänner an zu den künftigen Kosten jeden Monat vorauszuzahlen hat. * Da das Klubprotokoli über dieses Comité général im Gegensatz zu den außerordentlichen Sitzungen vom 13. 11. und 4. 12. 92 keinerlei substantielle Mitteilungen bringt, sondern nur die Tatsache einer solchen geschlossenen Sitzung im Protokoll vom 14. 12. 92 Punkt 2 be. stätigt, werden andere Quellen zu Rate gezogen, die etwas über die am 10. Dezember behandelten Gegenstände aussagen. Als Überschrift Küchenzettel ändern zu können glaubt, eines Mannes, der seine häusliche Einrichtung für das Modell einer guten Regierung, sich selbst für das Modell eines guten Regenten hält. - Getäuschter Mann! Warum hassest du ein Volk, das alle seine Kräfte aufbietet, auch so eine friedliche Familie wie die deinige zu werden? Es hoffte lange vergebens auf einen Hausvater, wie du bist. Die seinigen waren grausame, verschwenderische Stiefväter; und daß du diese darben und bluten siehst, ist das nicht ihre eigne Schuld? Sie wollen nichts zur Gründung des allgemeinen Glückes beitragen; sie geben sich vielmehr alle Mühe, bieten alle schändlichen Künste der Kabale auf, um sie auf immer unmöglich zu machen. Friedliche Vereinigung wollen sie nicht, und niemal[s] wird sie stattfinden zwischen Despoten und erwachenden Völkern. Wehe! auch dem Volke, wo sie stattfinden würde! Es schmiedet sich nur einen neuen Ring in die Kette seiner Sklaverei, es wird den Namen eines freien Volkes, den Namen, aber nicht die Rechte haben. Die Schranken, welche es seinen listigen Beherrschern setzt, oh! die werden bald niedergeworfen sein. Die geheimen Maschinerien des Despotism sind künstlich genug, und lähmt man auch auf ein halbes Jahrhundert ihre Räder, sie drehen sich in der andern Hälfte desto schneller. Was nützte es den Holländern, daß sie ihrem Statthalter eine so schwache Gewalt einräumten? Hätten sie das nicht getan, es wäre ihr Blut im vorigen Jahrzehend nicht durch preußische Schwerter geflossen.

23. Dezember 1792

423

Bereitet nicht der König von England, trotz der Nullität seiner Gewalt, ganz gegen den Geist und Willen der Briten Flotten und Heere zum Schutze der sinkenden Despotie? O Völker! traut diesem gleisnerischen Ungeheuer nicht! Wenn es sich vor euren Drohungen schon schmiegt, dann ist es am gefährlichsten; wenn es aber bewaffnet gegen euch steht und ihr besiegt es, dann habt ihr gewonnen für euch und eure Enkel. Jede Aufopferung von Gut und Blut in diesen kritischen Zeitpunkten sind ein Gewinn für euch und diese. Mit Wucher wird euch alles ersetzt, was ihr leideti Gerechtigkeit und Moralität werden mit vereinten Kräften die Rühe eures Staates und die Ruhe seiner Familien schützen. In despotischen Staaten ist Moralität eine verachtete Bettlerin, die man höchstens im Munde des Hofpredigers ohne Satire nennen hört. In Republiken baut man ihr Tempel, und jeder wahre Republikaner ist stolz darauf, ihr Priester zu sein. Dieses beweise ich aus dem Beispiele aller freigewordnen Völker, von denen ich nur einige anführe. - Die Römer waren unter der Tyrannei Tarquins ein Schwärm von Wo(h)llüstlingen, die bei abscheulichen Bachanalien die Menschheit entehrten. Sie kannten kein Recht und keine Sittlichkeit und genossen die Verachtung ihrer Nachbarn in verdientem Maße. Wie ganz anders müssen sie gewesen sein, als der mächtige Porsenna erklärte: daß er eines so edlen Volkes Feind nicht sein könne. - In welchem Rufe standen die Franken vor ihrer Revolution? Gab es ein Laster, dessen man sie nicht beschuldigte? Und Brüder! wie findet ihr sie itzt? Vergleicht doch die Helden der Aristokratie, welche ihr vor einem halben Jahre in euern Mauern gesehen habt, mit euren Überwindern; glaubt ihr wohl Glieder eines und des nämlichen Volkes in beiden zu sehen? Glaubt ihr, daß euch jene so brüderlich behandelt haben würden, wenn sie als Sieger bei euch gewohnt hätten? - Selbst zwischen euch und diesem edlen Volke müßt ihr den Kontrast lebhaft fühlen. Aus freier Wahl seht ihr sogar zwölfjährige Knaben alle Strapazen des Kriegs, alle Ungemache eines Winterfeldzugs, die oft Männer kaum ertragen können, willig dulden; und ich gestehe euch, daß ich vor diesen Kindern mehr Achtung habe als vor den neutralen Zünften in unsrer Stadt. Das Beispiel der Franken also, das ihr vor Augen seht, und aller freigewordnen Völker, die euch die Geschichte liefert, beweist, daß Moralität und Edelmut nur in Republiken ihre Heimat finde; und das Glück der Völker, bei denen sie wohnen, ist überzeugend genug, daß ihr Erringen auch die größten Aufopferungen verdiene. Doch ich sehe wohl ein, daß Moralität nur ein schwacher Grund ist, der euch, ihr Bürger von Mainz 1 zu denen ich dieses rede, zur Annahme einer Verfassung bewegen könnte, die euch weiter nichts als sittlich besser machte. Es findet aber noch ein Grund statt, der kräftiger würken mag. Die republikanische Verfassung bessert nicht allein eure Sitten, sie füllt auch eure Beutel; sie ersetzt hundertfach, was ein Volk bei dem Kampf um sie verliert. Als die Staaten von Holland sich die Unabhängigkeit von der Despotie der spanischen Könige errangen, hatten sie ihrer Armut wegen bei ihren Feinden den verächtlichen Namen Geusen, d. h. in unsrer Sprache Lumpen, weil sie alle ihr

424

23. Dezember 1792

Vermögen opferten, um sich eine Verfassung zu erkämpfen, von der sie voraussahen, daß sie dieselbe zu einer der reichsten Nationen des Erdbodens machen würde. Sie sind es geworden. Als die Griechen frei waren, wurden sie reich; als die Römer frei waren, wurden sie Herren der Welt. - Doch ich darf euch ja nur das Beispiel eurer Väter anführen. - HörtI Bürger von Mainz! Hört! was euch eure Räuber so sorgfältig verschwiegen. Eure Stadt gehörte einst zu den reichsten Städten Deutschlands. - Sagt! was ist sie itzt? - Durch eine schändliche Verräterei eroberte sie der Kurfürst Adolph von Nassau und machte ihrer Freiheit und dem Wohlstande ihrer Bürger ein Ende. Auf dem sogenannten Brande vor dem Kauf hause, dem letzten Denkmal jener blühenden Zeit des ausgebreiteten Handels von Mainz, wurden eure Rechte schimpflich verbrannt. In den Gewölben der Agnesenkirche findet ihr die Gräber von Dreihunderten eurer Väter, welche damal[s] auf der Gaugasse und dem Tiermarkte für ihre und eure Freiheit kämpften und starben. - Das hat man euch sorgfältig verschwiegen. Man fürchtete, wenn ihr einsehen lerntet, was ihr gewesen, ihr möchtet auch einsehen lernen, wozu ihr herabgewürdigt worden seid. Dieser glückliche Zustand kann euch durch die nämlichen Ursachen wieder werden, die ihn euren Vätern erwarben. Betrachtet die für alle Zweige des Handels so günstige Lage eurer Stadt! - Auf den Grenzen zweer großen kommerzierenden Reiche, auf den Grenzen von Frankreich und Deutschland, in gleicher Entfernung von Holland und der Schweiz, am Ufer zweer der größten deutschen Flüsse, von denen der eine euch den Weg bis in das Herz von Ostfranken öffnet, der andre in die Nordsee und an die Küsten Britanniens hinunter und in den Bodensee hinaufzuschiffen alle Bequemlichkeit euch darbietet; betrachtet diese einladende Lage und denkt euch eine dem Handel so günstige Verfassung, wie die Konstitution der Franken ist, ohne Zölle, ohne Kontrebands-Mauten, ganz euren Spekulationen (denn die hat ja jede handelnde Volksklasse) überlassen, und zweifelt, ob ein Jahr, unter solchen Gesetzen gelebt, euch nicht mehr bereichern würde, als hundert Jahre unter dem eigennützigen eisernen Bischofsstabe eurer vielbedürfenden Fürsten getan haben. O spiegelt euch an euren Siegern! Sie verlassen ihr Vaterland, dulden auf einem fernen Boden Frost, Nässe und alle Gefahren eines von den Feinden der Menschheit mit unmenschlicher Wut geführten Krieges, um eine Verfassung zu erringen, die ihr euch anzunehmen weigert. Würden sie solche unglaublichen Aufopferungen leisten, wenn sie des Ersatzes nicht gewiß wären? Man fordert k'ine solche Aufopferungen von euch, es kostet euch keinen Tropfen Blutes, um reich und glücklich zu werden, und ihr zagt? Seht doch eure unwürdigen Nachbarn in Frankfurt, die bei ihrem Schatten von Freiheit einen Reichtum erwarben, der ihnen Könige zu Schuldnern macht, die doch gewiß nicht kleine Summen fordern. Unbegreiflich ist's, und einst wird man eurer Feigheit spotten, die cuch ohne Gefahren (denn der Schutz eines mächtigen tapfern Heeres sichert euch dafür, und die Konstitution verspricht euch sogar Ersatz für alles, was ihr etwa durch eine tollkühne Frechheit ihrer Feinde leiden könntet), die euch ohne Gefahren eine Verfassung verwerfen macht, für welche eure Väter ihr Leben willig geopfert

24. Dezember 1792

425

haben würden und die zu erlangen euch nichts kostet als den Willen, sie zu besitzen. Mitbürger! laßt euch nicht ferner täuschen durch die Einlispelungen derer, die sonst eine ganz andre Sprache zu euch führten. Dankt dem Allmächtigen, daß ihr von allen Nationen die einzige seid, die ihre Freiheit nicht mit ihrem Blute erkaufen muß. Ladet nicht den Fluch der Nachwelt auf euch, die ihr durch eure niedrige Schlaffheit um ihren Wohlstand, um ihre Ruhe, um ihr ganzes künftiges Glück betrügt. Nutzt die Gunst des Schicksals, es möchte, wenn ihr sie verachtet, euch mit einer Härte züchtigen, die seiner Gerechtigkeit würdig wäre. g Vgl. dazu auch Protokoll vom 27. 12. 92 Punkt [3].

Actum, den 24. Dezember 1792, [Montag] Präsident Wedekind [1] Der Secretaire las das Protokoll der letzten Sitzung vor. [2] Der Präsident zeigte [an], daß ihm Custine gestern bereits gesagt, daß er eine solche Proklamation wolle ergehen lassen.® [3] Ein Mitglied zeigte an, daß diejenigen, welche wegen dem Schlüsse des National]-Convent[s] haben wollten, man solle den gefaßten Schluß der Gesellschaft wieder zurücknehmen, daß nämlich diese den Schluß des Natfional]-Convents nicht wohl würden verstanden haben, indem die Commissaire noch lange ausbleiben würden, er glaube deswegen, die Gesellschaft könne noch gar wohl ihre beschlossene Adresse an Custine ergehen lassen. Auch las dies Mitglied die Schlüsse des National]-Convents nebst der beigefügten Proklamation vor.b [4] Ein Mitglied bemerkte der Gesellschaft, ob sie nicht wegen der Proklamation eine Dankadresse als einzelne1 überschicken solle mit der Unterschrift aller Glieder. Angenommen.2 Noch bemerkte ein Mitglied, um die Unterschrift desto besser zu besorgen, daß jedes Mitglied einen Bogen nehmen möge und Glieder zur Unterschrift sammle. Angenommen. Ein Mitglied machte die Motion, daß Bruder Dorsch die Dankadresse deutsch und französisch drucken lassen solle, damit jeder Bürger sähe, was er unterschriebe. Ein Mitglied bemerkte, daß es nötig sei, oben an die Adresse zu schreiben: Dankadresse an das [!] National]-Convent zu Paris.' Angenommen. [5] Ein Mitglied zeigte an, daß es nun auch einmal Zeit sei, wegen den französischen Sitzungen Schlüsse zu fassen.*1 Ein Mitglied zeigte an, daß man deswegen bis Mittwoch ganz mit der Verabredung fertig sein würde. * „als einzelne" am Rande ergänzt. Danach V3 Seite freigelassen, auch nach den beiden nächsten Absätzen jeweils größere Freilassungen.

2

426

24. Dezember 1792

* Die Proklamation Custines, auf die der Klub schon seit Tagen drängte - vgl. Protokoll vom 21. 12. Punkt [9], [121—[14] und vom 23. 12. 92 Punkt [3] kam schließlich am 26. Dezember zustande, wurde in der MNZ, Nr 197 vom 29. 12. 92, veröffentlicht und hatte folgenden Wortlaut: „Im Hauptquartier zu Mainz, den 26. Dezember 1792, im ersten Jahre der Republik Proklamation von Adam Philipp Custine, Hauptgeneral der Fränkischen Armeen, an die Einwohner der Länder Mainz, Worms, Speyer und Falkenstein Liebe Mitbürger und Freundet Endlich habe ich das Dekret von der Nationalkonvention aus Frankreich eifaalten, welches ich Euch angekündigt hatte; dieses Dekret, welches den anhaltenden Ungerechtigkeiten ein Ende macht, die durch hochmütige und unrechtmäßige Besitzer sind ausgeübt worden, dieses Dekret, welches alle Rechte aufhebt, die der Geiz erfand und die nur eine unterdrückende Macht bis hieher aufrechterhalten konnte. Überall, wo die Waffen der 'Republik werden aufgepflanzt werden, überall, wo es Freunde der Menschheit gibt, wird die Freiheit der Völker und die Gleichheit unter den Menschen aufblühen. Sie werden zernichtet werden, jene eitlen Titel des Adels, diese Geburten eines törichten Stolzes. v Die Nationalkonvention hat soeben über die Aufhebung der Knechtschaft in Euren Ländern entschieden. Wie stolz waren nicht diese Menschen, die sich einbilden konnten, daß ihre Brüder, ihre Mitmenschen an ein Stückchen Erde gebunden und nur darum da wären, um ihnen zum Eigentume zu dienen, gleich den Herden, welche ihre Felder düngten, oder den Lasttieren, welche sie pflügten. Alle Rechte, welche ihren Ursprung in jener unreinen, die Menschheit entehrenden Quelle haben, sind ebenfalls und bleiben ohne Widerruf abgeschafft, wenn, wie gar nicht zu zweifeln ist, der Ewige, der das Schicksal der Völker regiert, die edlen Bemühungen einer Nation, deren einziger Zweck die Freiheit der Völker ist, mit seinem Segen beglückt 1 Eure Sache ist es, Ihr unglücklichen Landleute, welche wir verteidigen. Eure Sache, Ihr gedrückten Professionisten der Städte. - Eure Sache, Ihr Menseben, deren Kinder bei ihrer Geburt die Welt mit Tränen, diesen traurigen Vorboten der Übel begrüßen, mit welchen ihre künftige Laufbahn übersäet ist. Sie sollen künftig nichts weiter besitzen, diese Adligen, diese Reichen, als das wirkliche in beweglichen und liegenden Gütern bestehende Eigentum und die aus demselben fließenden Rechte. Ihr Wildbret soll nicht mehr Eure Felder verwüsten, nicht mehr Eure Ernten verzehren, die künftig nur Euch allein angehören werden. Tugendhafte und friedliebende DeutscheI größer als alle Eure Unterdrücker, bescheiden bei dem Triumphe der Menschheit, wendet Ihr Euch nicht an den Urhebern Eures vorigen Unglücks zu rächen suchen. Eure Mäßigung und Liebe zur gesetzlichen Ordnung werden Eurem Vaterlande beweisen, daß Ihr für die Freiheit reif und imstande seid, dieses kostbare Gut von der Zügellosigkeit zu unterscheiden. Durch die Vorsicht, welche Ihr bei Euren Wahlen beobachtet, werdet Ihr einen Beweis Eurer Überzeugung alblegen, daß ohne feste öffentliche Ordnung kein wahres Glück möglich ist. Jene weiland Adligen, jene Privilegierten, welche der gesunde Menschenverstand nicht zur Liebe jener Ordnung der Dinge wird erheben können, die der Wille und das so lange mit Füßen getretene Gesetz der Natur ist, werdet Ihr Euch begnügen, derjenigen Strafe zu übergeben, die für stolze Menschen die empfindlichste ist - der Verachtung und Schande. Wollen sie Ansprüche auf Eure Achtung machen, dann mögen sie suchen, dieselbe durch ausgebreitete Talente, -durch Geschicklichkeit, durch Eifer für das Beste ihrer Mitbürger zu

427

24. Dezember 1792

verdienen; und Ihr werdet ihnen alsdann beweisen, wie weit schmeichelhafter für sie die Wahl des Volkes ist als jeder eitle Vorzug, welcher auf Geburt und Zufall sich gründet. Vor allem aber mögen sie bedenken, diese Adligen, daß sie unwiderruflich ihren Lieblingsgötzen, der Herrschaft, der unumschränkten Gewalt, entsagen und die Oberherrschaft des Volks anerkennen müssen. Wir befehlen daher der provisorischen Administration, die Art der Wahlen und die Versammlungsörter gemäß den Dekreten der konstituierenden Nationalversammlung, jedoch mit der Ausnahme festzusetzen und zu bestimmen, daß jeder männliche Einwohner, welcher an einem Orte angesessen oder wohnhaft ist, seine Stimme geben kann. Wir tragen ferner der besagten Administration auf, die Bezirke und die Vereinigungsorte der Wahlmänner zu bestimmen und überdies alle zur Vollziehung gegenwärtiger Proklamation nötigen Unterweisungen zu gelben. Unterzeichnet : Custine

Haupt-General der Armeen der Republik Dem Original entsprechend, G. W. Böhmer"

b

Den Weisungen Custines entsprechend, veranlaßte die Administration am gleichen Tage nicht nur die in der Proklamation geforderten Wahlvorbereitungen, sondern setzte auch den 15. 1. 93 als endgültigen Termin der Wahlen fest; (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 203", fol. 406). Unter den Schlüssen des Nationalkonvents ist sein Dekret vom 15. Dezember mit allen Ergänzungen zu verstehen; vgl. dazu Protokoll vom 17. 12. 92 Anm. b. Dieses Dekret wurde von einer Proklamation begleitet, wie sie die französischen Generäle an die für die Freiheit gewonnenen Völker erlassen sollten. Dekret und Proklamation wurden im Prinzip schon am 15. Dezemlber angenommen, aber am 17. Dezember noch einer zweiten Lesung unterworfen, wobei die Texte beider Dokumente überasbeitet und dem Dekret außerdem die Artikel 10-12 zugefügt wurden. Der französische Wortlaut beider Fassungen beider Dokumente findet sich bei Aulard, Recueil des actes, I, S. 331-335. Eine weitere Ergänzung erfuhr das Dekret am 22. Dezember durch die Neufassung des Artikels 3, der selbst einem Manne wie Forster die Wahlfähigkeit absprach, weil er der Universität als einer einst privilegierten Körperschaft angehört hatte. Rivais, ein Agent des Außenministeriums, der sich damals in Mainz aufhielt und mit Forster Umgang hatte, bekämpfte eine solche Auslegung des Dekrets heftig und schrieb seinem Chef noch am 28. 12. 92: «J'ai pensé au contraire que le décret ne pouvait concerner un écrivain philosophe, éloigné par état et par sa fortune de ce qu'on appelait les grandeurs, et que son zèle pour la liberté a fait nommer l'un des administrateurs provisoires établis à Mayence. Le citoyen Custine que j'ai consulté a une opinion semblable à la mienne; mais il ne se présentera pas s'il n'est point à l'abri de toute difficulté. Il serait bien à souhaiter qu'on sût à quoi s'en tenir avant le jour fixé pour les élections. On pourrait espérer d'attacher à la chose publique un homme précieux par ses talents et par l'estime qu'il a inspirée.» (AAE Paris, Corr. politique, Allemagne, vol. 665: 1792, fol. 380) Jedoch einen Tag später schon hatte die allgemeine Administration offizielle Kenntnis von der Neufassung des Dekrets erhalten und sogleich in französischer Sprache die folgende Bekanntmachung entworfen: «Le citoyen Villemanzy, Comm[issai]re général de l'armée de la République française, s'étant rendu auprès du corps administratif, lui a communiqué le décret de la Convention Nationale du 22 décembre 1792, portant, qu'après avoir rapporté l'article III des décrets rendus le 15

428

24. Dezember 1792

et 17 décembre, elle y substitue: que nul ne pourra être admis à voter dans les assemblées primaires et communales, et ne pourra être nommé administrateur ou juge provisoire, sans avoir prêté le serment à la liberté et l'égalité, et sans avoir renoncé par écrit aux privilèges et prérogatives dont l'abolition a été prononcée par le décret des 15 et 17 et dont il pourrait avoir joui. Le citoyen Commissaire général ayant requis l'enregistrement du dit décret, l'administration gén[éra]le y a procédé sur-le-champ et en conséquence arrête l'impression et l'affiche de ce décret partout où besoin sera. A Mayence, le 29 décembre 1792 l'an 1 e r de la République française.» (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 203", fol. 321) Forster (begrüßte die Neufassung lebhaft; am 29. 12. 92 schrieb er seiner Frau: „Es ist nun das Dekret vom 22. hier, welches den dritten Artikel des vom 15. zurücknimmt. Das ändert alles." Es folgen nunmehr in Obersetzung das Dekret vom 15. Dezember, wie es die MNZ, Nr 196 vom 27. 12. 92, veröffentlichte, die Proklamation und das Ergänzungsdekret, die beide in Nr 197 vom 29. 12. 92 erschienen :

Nachdem die National-Convention den Bericht ihrer vereinigten Finanz-, Kriegsund diplomatischen Ausschüsse angehört hat, so beschließt sie, getreu ihren Grundsätzen von der Volkssöuveränität, die ihr nicht erlaubten, eine einzige mit derselben streitenden Einrichtung anzuerkennen, in deç Absicht, für die Generale der republikanischen Armeen die Regeln ihres Verhaltens in den von ihnen besetzten Ländern zu bestimmen - folgendes : 1. Die Generale sollen in den Ländern, welche von den Armeen der Republik besetzt sind oder werden, im Namen der Fränkischen Nation die Souveränität des Volkes, die Aufhebung aller eingesetzten Gewalten, Steuern und Abgaben, die Abschaffung des Zehnten, der Lehnsverfassung, der herrschaftlichen Rechte sowohl auf Lehn- als Erbzinsgüter, der-fixen oder zufälligen herrschaftlichen Gebühren sowie der Zwangrechte, der Leibeigensçhaft, der auf Gütern haftenden Dienstbarkeiten, der ausschließlichen Jagd- und Fischfangrechte, der Fronen, des Adels und überhaupt aller Privilegien augenblicklich bekanntmachen. 2. Sie sollen dem Volke verkündigen, daß sie ihm Frieden, Hülfe, Bruderliebe, Freiheit und Gleichheit bringen. Gleich hernach sollen sie dasselbe in Ur- oder Gemeindeversammlungen zusammenberufen, damit es sich eine provisorische Verwaltung wähle und einrichte. Sie sollen über die Sicherheit der Personen und des Eigentums wachen; sie sollen gegenwärtiges Dekret und die derselben [!] angehängte Proklamation in der Landessprache drucken, anschlagen und ohne Aufschub vollziehen lassen. 3. Alle bürgerlichen und Militärbeamte[n] der alten Regierung sowie auch die ehemaligen Adeligen oder die Mitglieder irgendeiner ehemals privilegierten Körperschaft sollen, jedoch nur für dieses Mal, keinen Sitz und Stimme in den Urund Gemeindeversammlungen haben, auch nicht zu den provisorischen Verwaltungs- oder Justizstellen ernannt werden. 4. Unverzüglich haben auch die Generale alle beweglichen und unbeweglichen Güter, welche dem öffentlichen Schatze, dem Fürsten, seinen Günstlingen, Anhängern und freiwilligen Trabanten, den öffentlichen Anstalten wie auch weltlichen und geistlichen Gemeinheiten zugehören, in den Schutz der Frankenrepublik zu nehmen und ohne Aufschub ein genaues Verzeichnis darüber verfertigen zu lassen, welches sie an den Vollziehungsrat einzuschicken haben. Auch sollen

24. Dezember 1792

429

sie alle nur immer in ihrer Gewalt stehenden Maßregeln ergreifen, um das Eigentum dieser Güter zu sichern. 5. Die vom Volke provisorisch ernannte Administration soll die Aufsicht und Verwaltung über die in den Schutz der Fränkischen Republik genommenen Gegenstände haben; sie hat für die Sicherheit der Personen und des Eigentums zu wachen, die bürgerlichen, peinlichen und Polizeigesetze vollziehen zu lassen. Sie soll gehalten sein, die besonderen und zur Verteidigung nötigen Ausgaben, welche die gemeinschaftliche Sicherheit erfordert, anzuordnen und einzutreiben. Sie darf Steuern erheben, jedoch allezeit mit der Vorsicht, daß nicht die dürftige und arbeitssame Volksklasse dieselben trage. 6. Sobald die provisorische Verwaltung eingesetzt ist, wird die N[ational]-C[onvention] aus ihrer Mitte Kommissarien ernennen, um sich brüderlich mit ihr zu vereinigen. 7. Auch der Vollziehungsrat hat Nationalkommissarien zu ernennen, welche sich unverzüglich an Ort und Stelle begeben sollen, um sich mit den Generalen und der vom Volke ernannten provisorischen Verwaltung über die Maßregeln zur gemeinen Sicherheit und über die Mittel zu beratschlagen, welche man anzuwenden hat, um den Armeen die nötigen Kleidungsstücke und Lebensmittel zu verschaffen und die Kosten des bisherigen und künftigen Aufenthaltes derselben in diesem Lande zu bestreiten. 8. Die von dem vollziehenden Rat erwählten Nationalkommissarien sollen ihm alle 14 Tage Rechenschaft von ihren Verrichtungen ablegen. Der Vollziehungsrat kann die getroffenen Maßregeln billigen, abändern oder verwerfen und wird sodann der Convention darüber Bericht erstatten. 9. Die vom Volke provisorisch ernannte Administration und die Verrichtungen der Nationalkommissarien sollen in dem Augenblicke aufhören, wo die Einwohner, nachdem sie sich für die Souveränität und Unabhängigkeit des Volkes, für Freiheit und Gleichheit erkläret haben, eine freie Volksregierung einführen werden. 10. Es soll Rechnung über die Ausgaben geführt werden, welche die Frankenrepublik auf gemeinschaftliche Verteidigungsanstalten verwendet, sowie über die Summen, welche sie bereits könnte empfangen haben. Die fränkische Nation wird mit der zu ernennenden Regierung alle nötigen Anstalten in Ansehung der etwa noch zu zahlenden Rückstände treffen; und im Falle das gemeine Wohl es erforderte, daß die Truppen der Republik noch nach dieser Epoche auf fremdem Boden bleiben, wird sie die zur Unterhaltung derselben nötigen Maßregeln treffen. 11. Die fränkische Nation erklärt, daß sie dasjenige Volk als ihren Feind, behandeln wird, welches die ihm angebotene Freiheit und Gleichheit nicht annehmen oder beiden entsagen und seinen Fürsten und die privilegierten Kasten behalten, zurückrufen oder mit ihnen in Unterhandlungen treten würde. Sie verspricht, nicht eher einen Friedensschluß zu unterzeichnen oder die Waffen niederzulegen, als bis die Souveränität und Unabhängigkeit des Volks gesichert ist, auf dessen Gebiete sich die Truppen der Republik befinden, als bis es die Grundsätze der Gleichheit angenommen und eine freie Volksregierung errichtet hat.

430

24. Dezember 1792

12. Der Vollziehungsrat soll gegenwärtiges Dekret durch außerordentliche Kuriere an alle Generale schicken und die zur Vollziehung derselben nötigen Maßregeln treffen. Proklamation der fränkischen Nation an das Volk... Brüder und Freunde! Wir haben die Freiheit errungen, und wir werden sie aufrechterhalten. Wir bieten Euch den Genuß dieses kostbaren Gutes an, welches von jeher Euch zugehörte und das Eure Unterdrücker Euch nicht rauben konnten, ohne ein Verbrechen zu begehen. Wir haben Eure Tyrannen verjagt. Zeigt Euch als freie Menschen, und wir werden vor ihrer Rache, vor ihren Anschlägen und vor ihrer Rückkehr Euch schützen. Von diesem Augenblicke an verkündigt die Nation der Franken die Souveränität des Volks, die Unterdrückung aller bürgerlichen und militärischen Gewalten, welche Euch bis auf diesen Tag beherrscht haben, aller Auflagen, welche Euch drücken, unter welcher Gestalt sie immer bestehen mögen, die Abschaffung des Zehnten, der Lehnsverfassung, der herrschaftlichen Rechte sowohl auf Lehn- als Erbzinsgütern, der fixen sowie der zufälligen herrschaftlichen Gebühren, der Zwangrechte, der Fronen, der Salzsteuer, der Weg- und Brückenzölle und überhaupt aller Arten von Auflagen, mit welchen Euch Eure Unterdrücker belegt haben. Auch verkündigt sie bei Euch die Abschaffung aller adeligen, priesterlichen und andern Korporationen, aller Vorrechte und Privilegien, welche der Gleichheit zuwiderlaufen. Brüder und Freunde! Ihr seid von diesem Augenblicke an alle Bürger, alle an Rechten einander gleich, werdet einer wie der andere berufen, Euer Vaterland zu regieren, ihm zu dienen und es zu verteidigen. Bildet Euch auf der Stelle in Ur- oder Gemeindeversammlungen. Eilet, Eure provisorischen Administrationen und Justizkollegien zu ernennen. Die Geschäftsträger der Frankenrepublik werden sich mit ihnen einverstehen, um Euer Glück und die Brüderschaft, welche künftig zwischen uns herrschen soll, sicherzustellen. Im Namen der Republik befiehlt der provisorische Vollziehungsrat allen Verwaltungskörpern und Tribunalen, gegenwärtiges Gesetz einregistrieren, lesen, bekanntmachen, öffentlich anschlagen und in ihren respektiven Departementern und Gerichtsbezirken vollstrecken zu lassen. Zu Urkunde dessen haben wir unsre Unterschrift und das Siegel der Republik beigefügt. Paris, den 15. Dezember 1792, im ersten Jahre der Frankenrepublik. Unterzeichnet Garat, Präsident des provisorischen Vollziehungsrats, kontrasigniert: Garat und gesiegelt mit dem Siegel der Republik. Dem Originale entsprechend, Georg Wilhelm Böhmer Ergänzungsdekret vom 22. Dezember: „Keiner kann zur Stimmung in den Ur- und Gemeindeversammlungen zugelassen noch auch zu einer provisorischen Verwaltungs- oder Justizstelle ernannt werden, ohne zuvor den Eid der Freiheit und Gleichheit abgelegt und schriftlich den Privilegien und Vorrechten entsagt

25. Dezember 1792

431

zu haben, deren Abschaffung durch das Dekret vom 15. und 17. bekanntgemacht ist und die er bis dahin könnte genossen haben. Die Übereinstimmung mit dem Originale bezeugt G. W. Böhmer." c

Laut Hofimann, Darstellung, S. 499, erhielt diese Adresse folgende Gestalt:

Danksagungsschreiben an die Nationalkonvention Mainz, den 25. Dezembet 1792, im ersten Jahr der Frankenrepublik Bürger Gesetzgeber! Ihr habt uns frei und an Rechten gleich gemacht. Wir danken Euch und werden in Zukunft beweisen, daß wir der Wohltat, wenn Ihr uns teilnehmen, laßt, nicht unwürdig sind. Ob alle Khifamitglieder diese Adresse unterschrieben und ob sie tatsächlich nach Paris abging, konnte der Verfasser der Darstellung nicht ermitteln, d Vgl. Protokoll vom 8. 11. Punkt 12, vom 14. 12. Punkt 20, 21 und vom 20. 12. 92 Punkt [11],

Actum, den 25. Dezember 1792, [Dienstag]" Präsident Wedekind [1] Der Präsident zeigte an, daß der König von England, der monatlich 50000 Taler aus dem Kurfürstentum Hannover [ziehe], dieser habe seinen Untertanen verboten, in ihren Gesuchen sich unmittelbar an den König zu wenden. [2] Es wurde ein Schreiben von der Gesellschaft von Chamberi und Aix verlesen, worin die Fortsetzung1 des procès verbal ihrer Gesellschaft enthalten war. Ein Mitglied begehrte, daß (man) von dem eben verlesenen Protokolle ehrenvolle Meldung geschehen und daß es sodann dem Comité d'instruction sollte übergeben werden. Unterstützt und angenommen. [3] Das Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen. [4] Es wurden verschiedene Kandidaten als Mitglieder unserer Gesellschaft aufgenommen. Sie legten den Eid ab und unterschrieben sich eigenhändig, wie die Anlage sub /83/ bezeugt. [5] Die Commissaire für die Polizei des Saals wurden ernennt. [6] Der Präsident ladet die Glieder und alle Anwesende[n] ein, morgen mittag um 1 Uhr hier zu erscheinen, wo Bruder Hornung seine Volksbelehrungen anfangen werde.b [7] Ein Mitglied hielt eine Rede, worin er die Schrift, welche beweisen soll, daß die französische Demokratie keine eigentliche sei und sie also die Mainzer nicht annehmen könnten, widerlegt.' die Fortsetzung" am Rande ergänzt.

432 a

b

c

25. Dezember 1792

Diese Sitzung, sofern sie nicht als Comité général angelegt -war, fällt aus dem statutarisch festgelegten Turnus .der öffentlichen Klubsitzungen ; vgl. Protokoll vom 13. 11. 92 Anm. f, Art. 5. Es könnte sein, daß der erste Weihnachtsfeier tag zu einer zusätzlichen öffentlichen Veranstaltung einlud, denn gegen ein Comité général an diesem Tage sprechen mehrere Gründe: Erstens fehlt jeder Hinweis auf eine solche Absicht in einer der voraufgegangenen Sitzungen; zweitens fände vier Tage später schon ein zweites Comité général statt; dritten« hinterläßt der Protokolltext ganz und gar nicht den Eindruck von einer geschlossenen Tagung, die sich mit Fragen der inneren Organisation abgegeben hätte. Im Gegenteil: Im Punkt 6 unterscheidet der Präsident ganz deutlich die Mitglieder von den übrigen Anwesenden und bestätigt damit die Öffentlichkeit dieser Sitzung. Solche Volkslbelehrungen waren statutarisch schon" seit zwei Wochen festgelegt - vgl. Protokoll vom 10. 12. 92 Punkt [2] Abschnitt V § 1 ; sie wurden jetzt erstmalig realisiert, ohne daß man die Kraft gehabt hätte, .sie auch durchzuhalten. D i e Miteiliung im MI, N r 103 vom 29. 12. 92, S. 804, reduzierte die Zahl der Vorlesungen bereits auf eine pro Woche: „An allen Sonn- und Festtagen nachmittags um 3 Uhr wird künftig im Schauspiellhause eine öffentliche Vorlesung gehalten werden, wozu man das Publikum einladet." Der Redner war Georg Wedekind, der sich, wie versprochen, mit dem dubiosen Ratgeber auseinandersetzte - vgl. dazu Protokoll vom 17. 12. 92 Punkt [8], Anm. d. In seiner Wochenschrift Der Patriot, [Nr 10] B [III vom 16. 1. 93], S. 1 - 2 1 , veröffentlichte er den „Auszug einer von mir in der Gesellschaft der Republikaner zu Mainz gehaltenen Volkisrede: Ist die Regierung durch Stellvertreter der reinen Demokratie vorzuziehen, paßt die fränkische Konstitution auch auf Mainz?" Der Text dieses Auszuges lautete:

Der ungenannte Verfasser einer vor wenigen Tagen hier erschienenen Schrift*) widerrät Euch die Annahme der fränkischen Konstitution; er sagt, sie werde in Aristokratie ausarten, sie passe nicht auf Euere Lage und Denkungsart. Nach Gründen suche ich bei ihm umsonst. - Doch will ich über seine Schrift mit Euch reden, damit er niemanden überrasche. Wir werden leicht übereinkommen, wenn wir den Begriff von einer Repräsentativen Demokratie bestimmt uns vorstellen. Doch vorher erlaubt mir noch die Frage: Was ist denn Regierung überhaupt? Alle Menschen haben ihre Wünsche, Bedürfnisse, Pflichten, Interesse. Insoweit dieses Interesse auf keinen andern Bezug hat, gehet es auch nur allein mich an; aber insofern das Interesse des einzelnen auch das Interesse vieler oder aller ist, gehört es auch für das Gutachten und die Teilnahme der Mitbürger - für den Staat oder die Vereinigung der Bürger zu dieser Teilnahme, deren Vollstreckung man die Regierung nennt, womit es denn nach der besondern Art der Vereinigung der Bürger eine verschiedene Bewandtnis hat, die man durch das Wort Regierungsform ausdrückt. Dieses gemeinschaftliche Interesse kann, wie ich Euch bewiesen zu haben glaube, in Demokratien am vollkommensten betrieben werden, weil in ihnen**) die oberste Gewalt, sowohl was die Bestimmung als was die Ausübung der Gesetze betrifft, auf dem Volke, d. i. auf der Gesamtheit der Bürger, ruhet. Entweder versammelt sich das ganze Volk und entscheidet über alle Gegenstände, *) Wohlgemeinter Rat an die Mainzer Bürgerschaft usw. **) S[iehe] meine Rede von den Regierungsverfassungen. Mainz 1792.

25. Dezember 1792

433

die sein gemeinschaftliches Interesse betreffen, nach Mehrheit der Stimmen, und das nennt man eine reine Demokratie. Oder aber das Volk wählt eine angemessene Zahl von Stellvertretern {Repräsentanten, Deputierten), denen es unter größern oder geringem Einschränkungen die Macht, Gesetze zu geben und sie zu vollstrecken, anvertrauet; und das ist die repräsentative Demokratie. Es ist indessen nie möglich, daß alle Menschen einen gleich tätigen Anteil an der Regierung nehmen. Für gewisse besondere Fächer sind auch nur einzelne und gewisse Menschen mit Erfolg zu gebrauchen, weil Geschicklichkeiten dazu erfordert werden, die besonders erlernt sein wollen. Mit einem Wort: jeder Staat braucht Beamte, denen alle Bürger einen Teil ihrer Gewalt abtreten, um denselben von ihm in ihrem Namen vollziehen zu lassen. Also mit einer Demokratie, worin ein jeder an der Staatsverwaltung gleichen Anteil nähme, ist es eine Grille. Das Wesen der Demokratie besteht in der höchsten Gewalt bei dem Volke. So wenig der Monarch den Staat ohne Diener regieren kann, denen er einen Teil seiner Gewalt abtritt, so wenig auch das souveraine Volk. Nur ganz kleine Staaten können durch eine solche Einrichtung fortkommen, wobei das Volk mit Ausnahme einiger wenigen Beamten die öffentlichen Angelegenheiten oder die Regierungssachen dergestalt versieht, daß jeder unmittelbar dazu beiträgt, einer so viel wie der andere. Ihr habt Euch von Aristokraten genug sagen lassen, die Nationalversammlung in Paris wäre zu groß, als daß man darin ruhig und bedächtig sich beratschlagen könnte, und doch besteht sie nur aus etwa 700 Mitgliedern. Nun denkt aber einmal, wie das hergehen würde, wenn der Staat nur 7000 Bürger zählte? Denkt, wie das hergehen müßte, da diese 7000 Leute von der verschiedensten Sittlichkeit sein würden, die auf keine Weise mit einer Anzahl von 700 aus 25 Millionen auserlesenen Männern in Vergleichung zu bringen wären? - „Dem Übel wäre leicht abzuhelfen, wenn man die Bürger zu Hunderten sich versammeln und beratschlagen ließe und denn die Stimmen vergliche." - Aber welche Langsamkeit, welche Untätigkeit, welche Zwiespalte endlich zwischen den Hunderten würden daraus erwachsen? - Die Erfahrung überzeugt uns hinreichend von dem, was ich da gesagt habe; ich brauche nur Graubünden in der Schweiz als Beispiel anzuführen. - Auch lehrt sie uns, daß von einer solchen demokratischen Verfassung, worin nicht eine Anzahl auserlesener Männer das Ruder des Staates führt, sondern das Volk selbst, indem es in Volksversammlungen zusammentritt, die Regierungsgeschäfte betreibt, daß da die Herrschsucht unruhiger, eigennütziger, reicher und hochmütiger Menschen sehr leicht sich den Willen der übrigen unterwerfen und ihre Schwachheiten benutzen könne. Darauf hatte der Mann, der die repräsentative Demokratie des Aristokratismus beschuldigte, nicht gedacht - denn auch um diesen Aristokratismus zu vermeiden, müssen Volksversammlungen, die man in Frankreich Gemeinde- oder Urversammlungen nennt, nur selten gehalten werden, und sie dürfen, seltene Fälle abgerechnet, keinen andern Zweck haben als die Wahlen derjenigen Männer, welchen das Volk die Ernennung seiner Beamten anvertrauet. Und das ist ein Geschäft, dem das Volk vollkommen gewachsen ist. Ein jeder Bürger kennt durch den allgemeinen guten Ruf, dieses sicherste Merkmal der Güte eines Mannes, diejenigen, 28

Schect, Protokolle

434

25. Dezember 1792

welche sich durch Rechtschaffenheit und Verstand besonders auszeichnen - diesen überläßt es denn die Wahl seiner Beamten und Stellvertreter in der gegründeten Überzeugung, daß sie durch eine gut getroffene Wahl seinen Dank und seine fernere Achtung zu erhalten suchen werden; und so wird mithin gewiß (einzelne Ausnahmen, die bei jeder menschlichen Einrichtung stattfinden müssen, freilich abgerechnet) die Handhabung der Souveränität des Volks in die Hände braver und geschickter Männer fallen. Wenn nun aber gleich auf die Art das Volk nicht selbst die Regierung unmittelbar verwaltet, sondern sie seinen Stellvertretern übergibt, so bleibt darum doch die höchste Gewalt ebensogut in seinen Händen wie die des Fürsten, der das Land durch die von ihm ernannten Minister regieren läßt, in den Händen des Fürsten bleibt. Denn die Stellvertreter dürfen ihren Auftrag und die einmal vom Volke angenommene Konstitution nicht verändern. Sie können Veränderung der Gesetze oder neue Gesetze dem Volke bloß vorschlagen, wo es nun auf die Mehrheit der Stimmen desselben ankommt, ob es sie annehmen oder verwerfen will. So müssen alle Gesetze, welche der konstituierende Nationalkonvent gibt, wenn sie Landesgesetze werden und für die Zukunft gelten sollen, erst durch die Stimmenmehrheit des ganzen Volkes (in den Urversammlungen) beschlossen worden sein. Zwar kann und muß allerdings eine Nation ihren Stellvertretern auftragen, auch Gesetze zu machen, welche zu gewisser Umständen folge schnell entworfen und ausgeführt werden müssen. Der Fall findet z. B. im Kriege und auch dann statt, wenn eine Nation noch würklich keine gehörig von ihr bestimmte Konstitution hat und sie erst entwerfen läßt. Man sieht nun leicht ein, daß diese Regierung durch Stellvertreter sehr vorteilhaft sei, wenn sie anders gehörig eingerichtet ist. Denn 1) leidet es kein Zweifel, daß das Volk im ganzen gewiß immer den würdigsten Leuten das Wahlgeschäft auftragen werde. Eine kleine Anzahl tüchtiger Männer, die öffentlich unter den Augen des Volks arbeiten müssen und riach Verlauf von zwei Jahren sich nach Verdienst dem Beifall oder dem Tadel ihrer Mitbürger ausgesetzt sehen, wird immer besser wie ein chaotischer großer Haufen zur Regierungsführung tauglich sein. 2) können diese Repräsentanten ihre ganze Zeit den Sorgen für das allgemeine Wohl widmen, da das Volk für ihren Unterhalt sorgt und sie also durch Nahrungssorgen keine Unterbrechung in ihren Geschäften leiden. Auch sieht man ein, daß eine solche Regierung weit von der Aristokratie verschieden sei, denn 1) das Volk erhält zu seiner Regierung diejenigen, in die es Zutrauen setzt, da hingegen die Leute, die in der Aristokratie am Ruder sitzen, ihre Gewalt erblich besitzen. 2) Wenn das Volk mit seinen Stellvertretern unzufrieden war, so erhält es sie nicht wieder, indem es seinen Unwillen durch die Ernennung anderer Wahlmänner an den Tag legt, 3) der Aristokrat aber fragt nicht danach, ob das Volk mit ihm zufrieden ist oder nicht. Ist das Volk sehr unzufrieden mit seinen Repräsentanten, so versammelt es sich nach der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise und setzt seine Stellvertreter ab. Ich kann nun nicht begreifen, wie es möglich wäre, daß die repräsentative demokratische Regierungsform in eine Aristokratie

25. Dezember 1792

435

übergehen könnte? Sollten die Repräsentanten auf den Einfall geraten, ihre Stellen auf Zeitlebens behalten und ihren Kindern auferben zu wollen, ein Gedanke, den eine große Anzahl von gewählten Bürgern, worunter doch sicher der größte Teil rechtschaffene Männer sein werden, nie äußern noch zu äußern wagen wird: so müßte derselbe doch erst dem ganzen Volke in den Urversammlungen vorgelegt und die Mehrheit der Stimmen der Nation dazu verlangt werden, die sich doch wohl gewiß hüten wird, ihre Rechte zu verschleudern und ihre Souverainität für nichts und wieder nichts zu verschenken. War es bis itzt einem König von Polen, einem Doge[n] von Venedig, von Genua u. a. unmöglich, daß sie ihre Stellen erblich machten oder auf längere Zeit nur behielten, so wird dieses einer großen Versammlung schlechterdings ohnmöglich sein. Daß das Volk durch selbstgewählte Repräsentanten und Beamte in manchen Stücken hintergangen werden könne, will ich nicht leugnen. Aber es wird doch das einsehen und bemerken und in der Folge bei seinen Wahlen mit mehr Vorsicht und Überlegung zu Werke gehen, es wird auch nötigenfalls Bevollmächtigte mit dem Auftrage zusammentreten lassen, um das Übel, welches die schlechten Repräsentanten anrichteten, wieder zu verbessern.*) So hätte ich denn nur noch auf eins unserm Ratgeber zu antworten. - Er behauptet, doch ohne Gründe, daß die französische Konstitution sich nicht auf uns . passe, daß wir uns eine eigene, unserer Lage und Denkungsart angemessene machen, daß wir also eine Republik für uns bilden müssen. Die französische Konstitution paßt also nicht auf uns? - Weiß der Verf[asser] auch, was eine Konstitution ist? Manche verwechseln die Begriffe, wenn sie von Regierungen und von Konstitutionen reden. Aber wozu denn hier zwei verschiedene Ausdrücke? - Weil die Sachen nicht dieselben sind, weil eine Konstitution nicht das Werk eines Gouvernements oder einer Regierung, sondern das Werk eines Volkes ist, welches sich eine Regierung erst geben will, weil ferner eine Regierung ohne Konstitution eine unrechtmäßige Gewalt sein würde. - Alle Gewalt, welche über eine Nation ausgeübt wird, muß entweder genommen oder zugestanden worden sein. Nichts anders findet statt. Jede anvertraute Gewalt ist eine Art von Darlehn oder vielmehr ein heiliges Pfand; jede genommene ist eine Beraubung oder Usurpation. Die Länge der verstrichenen Zeit verändert weder die Natur der einen noch die der andern, und Jahrtausende können dem geraubten Gute nicht die Ehre eines *) Sehr schön sagt Paine von der repräsentativen Demokratie: „Dasjenige, was Regierung genannt wird oder vielmehr was wir uns unter Regierung denken sollten, ist nichts weiter als ein gemeinschaftlicher Mittelpunkt, in dem alle Teile der Gesellschaft sich vereinigen. Dieses kann durch kein Mittel erreicht werden, welches alle die verschiedenen Vorteile des gemeinen Wesens so würksam beförderte als das repräsentative System. Es konzentriert in der Versammlung der Volksdeputierten die zum Besten der Teile und des Ganzen notwendige Kenntnis. Es setzt die Regierung in einen Zustand fortdauernder Reife, ist niemals jung, niemals alt, ist weder der Unreife noch der Gebrechlichkeit unterworfen, nie in der Wiege noch auf Krücken. Es läßt keine Absonderung zwischen Kenntnis und Macht zu und ist, wie die Regierung immer sein sollte, über alle Zufälle des einzelnen Menschen und folglich übet das, was Monarchie genannt wird, erhaben." 28

436

25. Dezember 1792

rechtmäßigen Besitzes schenken. - Die Konstitution ist also der Inhalt oder der Zusammenhang von den Gesetzen, die sich ein freies Volk selbst gegeben hat, um sich nach ihnen regieren zu lassen. Doch gehören nicht alle Gesetze zur Konstitution. Es gibt viele Gesetze, die nur durch zufällige Umstände veranlaßt werden; die auch nur, solange diese Umstände dauern, gelten können; Gesetze, deren längere Fortdauer sogar eine Ungerechtigkeit wäre. So z. B. waren die Gesetze, welche den Zünften gewisse Gerechtsame verliehen, zu ihrer Zeit notwendige Gesetze, auch wohl noch auf mehrere Jahre lang werden sie notwendige Gesetze bei uns bleiben, indem ohne sie eine Menge von Staatsbürgern brotlos werden würden. Aber es wird die Zeit kommen, wo das allgemeine Interesse die Abschaffung dieser Gesetze fordern wird, dieser Gesetze, die nicht geradezu, sondern nur bedingungsweise aus den Rechten des Menschen und des Bürgers hergeleitet werden können. - Mithin können sie nie mit unter die Artikel einer Konstitution aufgezählt werden. Der Krieg gehört auch sowohl an und für sich als vermöge seiner Folgen unter die besondern Umstände, welche besondere Gesetze rechtfertigen, die sonst Ungerechtigkeiten sein würden. So z. B. hängt man im Kriege die Spione auf, da man doch in Friedenszeiten den Gesandten, die auch Spione sind, große Ehre erweiset. Dürfte man also das Gesetz, nach welchem der Spion hängen muß, der Konstitution einverweben ? Gewiß nicht. Denn der Krieg ist nichts Notwendiges, auch läßt es sich sehr wohl gedenken, daß die kriegführenden Mächte sich wechselseitig die Versicherung gäben, keinem Spion etwas zuleide zu tun. Was folgt: alles, was eine Konstitution enthält, muß nicht dem Wechsel der Dinge unterworfen sein, muß auf ewigen Vernunftgesetzen beruhen, muß aus dem Naturrecht oder den Rechten des Menschen und des Bürgers als notwendige Folge hergeleitet werden können. Mit einem Worte, die Konstitution darf nur allein Regeln, nie Ausnahmen enthalten. Wie sollte man auch Ausnahmen zur Grundlage einer Regierungsform machen können? - Ausnahmen zu einer Grundlage? Wie töricht! Da müßte man wenigstens alle Tage eine andere Konstitution machen, weil alle Tage die Umstände sich ändern können. Auch soll eine Konstitution ein Zusammenhang von den Grundsätzen sein, nach denen ein Volk regiert sein will. Wie lassen sich aber Ausnahmen in einen Zusammenhang bringen? Die eine Ausnahme widerspricht der andern. Diese Ausnahmen von den Regeln, welche die Konstitution erlaubt, oder, um richtiger zu reden, alle Gesetze, die nur unter dem Dasein gewisser Umstände und Bedingungen von dem höchsten Gesetze, dem zu bewahrenden Heile des Staats, gebilliget werden können, diese Umstandsgesetze, die nie vorausgesehen werden können, weil die sie heischenden Umstände nicht vorauszusehen sind, bleiben also bloß der Einsicht der Repräsentanten überlassen; obwohl das Volk sich das Recht vorbehält, sie durch seine Stimmenmehrheit zurückzurufen und sie zu verwerfen, wenn es sie tadlenswert findet, falls nach veränderten Umständen die Repräsentanten diese Zurücknahme nicht selbst beschließen sollten. Nun sind wir imstande, zu bestimmen, ob der Verf [asser] des wohlmeinenden Rats recht habe, wenn er behauptet, die Mainzer müssen sich nach der Beschaffenheit ihrer Denkungsart und ihrer Lage eine besondere Konstitution geben.

25. Dezember 1792

437

Recht wird er haben, wenn die Mainzer etwas ihnen notwendig und nicht zufälligerweise Eigentümliches haben; sobald aber es erwiesen ist, daß dasjenige, was sie von andern Völkern unterscheidet, nur etwas Zufälliges ist, insofern kann auch in der Konstitution keine Rücksicht darauf genommen werden, sondern es kann dasselbe höchstens einigen Umstandsgesetzen Veranlassung geben. Zuerst ein paar Worte von dem Eigentümlichen der Mainzer in betreff ihrer Denkungsart. Ich will nicht untersuchen, ob der Vorwurf, den man den Mainzern macht, als fehle es ihnen an Charakter oder an Eigentümlichkeit, gegründet sei; ich will nicht untersuchen, wie der Vergleich zwischen den Savoyern, Baslern, Brabäntern und den Lüttichern mit den Mainzern zu ihrem Vorteil ausfalle. Ich will nicht untersuchen, inwieweit die Mainzer seit der Franken Ankunft ihre Volkswürde behauptet haben. - Aber werdet Ihr es mir auch verargen, liebe Mainzer, wenn ich Euch sage, daß Ihr unter Emmerieb Josephs Zeiten, als der Despotism Euch noch nicht so tief gesenkt hatte, Euch anders wie itzt benommen haben würdet; wenn ich Euch daran erinnere, daß der Volkscharakter von der Regierungsform, die Ihr selbst so sehr tadlet, und von der Erziehung, die nach Eurer eignen Meinung bei Euch auch nicht viel wert ist, abhängt? Seid Ihr denn so mutlos, daß Ihr fürchtet, Eure Denkungsart werde sich nie ändern? Und hofft Ihr das, so ist ja Eure itzige Denkungsart nichts Wesentliches, und Ihr dürft in Eurer Konstitution keine Rücksicht darauf nehmen. - Sagt an: war es Euer Kurfürst, seine Räte, der Adel oder die Geistlichkeit, welche Euch mit Euerm wahren Interesse bekannt machten? O auch der einfältigere Teil unserer Bürger hat, Dank sei es dem Handel und Wandel und den Bemühungen der im stillen unter uns immer tätig gewesenen Volksfreunde, die der Eigennutz der Standespersonen und ihre Furcht vor der Aufklärung des großen Haufens durch die Beinamen Illuminaten, Freimaurer, Ketzer usw. Euch verhaßt zu machen suchten! Dank sei es insonderheit den Bemühungen eines Emmerich Josephs, eines Bentzels und anderer damals mit so gutem Erfolg tätig gewesener Männer! daß unser letzter Kurfürst umsonst den von ihnen gelegten Keim zur Aufklärung zu unterdrücken suchte. - Dank sei es, sage ich, allen diesen glücklichen Ereignissen, daß auch der einfältigere Teil unserer Mitbürger dem Unterrichte, welchen man der Jugend einzubläuen sucht, nicht recht mehr trauen will und wenigstens so weit gekommen ist, daß er mit sich selbst uneins sich fühlt. - Sind nun aber - ich komme zur Schlußfolge - sind nun aber die Mainzer noch nicht reif genug in der Aufklärung, um über ihr wahres Interesse gehörig urteilen zu können, wie wollen sie denn fähig sein, sich eine neue Konstitution zu entwerfen? Eine Konstitution, einen Inbegriff der Grundsätze, nach welchen sie am besten regiert werden können - ohne genaue Einsicht in die Rechte des Menschen und des Bürgers - welch ein Unsinn! Itzt wundert es Euch nicht mehr, warum der Verf [asser] dem Volke die Wahl von Stellvertretern mißrät? Ihm war wohl bange, das Volk möchte vernünftige Leute zu Stellvertretern erhalten, die ihm bald und in aller Ruhe und Stille eine heilsame politische Einrichtung vorschlügen. Da hätten dann freilich die Volksbedrücker von allen Farben beihin geschossen! Gewiß, das Pfiffigste, was er tun konnte, war auf die Eitelkeit des Mainzers Jagd zu machen, indem er ihnen die

438

25. Dezember 1792

Stellvertreter abriet. Da würde denn wohl Unordnung, Mord und Raub erfolgen, sobald die Franken den Rücken kehrten, und da müßte denn ganz natürlich der große Haufen geneigt gemacht werden, in seine alte Knechtschaft, worin doch immer noch ein Schatten von Ordnung war, sich zurückzuwünschen. „Bewahr uns, lieber Herr Gott, vor den Pfiffen der Feuillants", laßt uns beten; das sind die wahren Pharisäer unserer Zeit! Unsere Lage, d. i. unser Klima, unsere Nachbarschaft usw. können uns ebensowenig Veranlassung geben, eine von andern Völkern ihrer verschiedene Konstitution zu machen. Die Rechte des Menschen und des Bürgers sind sich gleich allenthalben, sind im kalten Grönland und in Äthiopien dieselben. Nun darf ja aber nichts in die Konstitution aufgenommen werden, was nicht notwendig und ohne Rücksicht auf zufällige Ereignisse aus diesen Rechten des Menschen und des Bürgers fließt. Wohl kann der Einfluß des Himmelstrichs und der der nachbarschaftlichen Verhältnisse besondere Einrichtungen und Gesetze rechtfertigen, insofern sie sich mit den Grundgesetzen der Regierungen aller Völker vertragen; allein da sowohl Klima als nachbarschaftliche Verhältnisse sich ändern können, so gehört jede Einrichtung, die auf sie Bezug hat, nicht mit zur Konstitution. Doch der Verf [asser] des Rats verrät deutlich genug seine Absicht, die in nichts anderm bestehen mag, als daß er das Volk irremachen will, damit irgendein - Der und Der im trüben fischen könne, indem er Euch rät, einen eigenen Staat für Euch zu bilden und er Euch also die Vereinigung mit Frankreich mißrät. Dieser Rat mußte, wie leicht vorherzusehen war, dem übel verstandenen Patriotismus, der nichts anders als das Gegenstück der allgemeinen Menschenliebe und der Weltbürgerschaft ist, eine süße Schmeichelei werden! Durch seine Eitelkeit - ist diese etwa das Eigentümliche in der Denkungsart, welchem die Konstitution des Mainzers angepaßt werden muß? - durch seine Eitelkeit betört, sollte der Mainzer die Überlegung verlieren, daß er, ohne mit Frankreich eine Konstitution anzunehmen, nicht frei werden, ohne die Verbindung mit Frankreich seine Freiheit wenigstens nicht behaupten kann; er sollte die Überlegung verlieren, daß, im Fall Mainz und die angrenzenden Gegenden diesseits des Rheins einen eigenen Staat formierten, auch in unsern Gegenden stets der Schauplatz künftiger Kriege sein würde; er sollte die Überlegung verlieren, daß unsere Festungswerke den Franken eigentümlich zugehören, da sie nach dem vorigen System nicht dem Volke, sondern dem Kurfürsten zugehörten; er sollte die Überlegung verlieren, daß Frankreich es der Sorge für die Erhaltung seiner Freiheit und Sicherheit schuldig ist, diese Festungswerke nie herauszugeben. Da sollte denn Zwietracht zwischen dem Mainzer und seinen Befreiern gesäet werden - seht, wie gut Euch der Mann rät! Überhaupt findet Ihr leicht, daß kleine Staaten nie recht glücklich sein können. Jeder besondre Staat hat denn sein eigenes Interesse, welches dem des andern Staats entgegen ist. Das seht Ihr ja schon beim Chausseebau in Deutschland, der, solange Deutschland aus vielen kleinen Staaten besteht, nie zur Vollkommenheit gedeihen kann. Kleine Staaten können nicht den Aufwand bestreiten, der zu mancherlei nützlichen Einrichtungen erfordert wird, die aber dem großen Staate einen

27. Dezember 1792

439

kaum merklichen Aufwand verursachen, z. B. die Grabung von Kanälen. Entsteht in einem kleinen Staate Hungersnot, so sucht der Nachbar eh(end)er davon Nutzen zu ziehen, als daß er dem leidenden Staate unter die Arme griffe. In kleinen Staaten bleiben auch die Menschen kleinlich, weil sie nicht genugsam auswandern, nicht genugsam mit Fremden sich vermischen. Sie bleiben daher unaufgeklärte, einseitige und auf ihre Einseitigkeit stolze Pfahlbürger, woran Ihr in manchen Reichsstädten das Beispiel sehet. Kurz, in kleinen Staaten bleibt alles Stückwerk und kleinlich. Also, liebt Ihr Glück und Ruhe, so werdet Franken ! ! !

Actum, den 27. Dezember 1792, [Donnerstag] Präsident Wedekind [1] Das Protokoll der vorigen Sitzung wurde verlesen. [2] Das Protokoll des Comité d'instruction wurde verlesen. [3] Ein Mitglied schlug vor, den Gedanken, eine eigene Zeitschrift herauszugeben, aufzugeben, weil sie offenbar so wie der Verf [asser] des Patrioten Schaden haben würde; der benannte Verfasser erbietet sich, das Bulletin der Gesellschaft und die vorzüglichsten Aufsätze und Reden in seinen Patrioten aufzunehmen, wodurch der Zweck der Gesellschaft ebenfalls erreicht würde.® - Ein Mitglied erinnert, daß der V[erfasser] des Patrioten dadurch nicht beeinträchtigt werde, und wenn die Sperre der Post aufhörte, beide hinlänglich Abgang finden werden. Zwei andre Mitglieder sind ebenfalls der Meinung, daß das Gesellschaftsjournal herauskomme(n). Ein Mitglied erinnert, man habe von dem Comité d'instruction und d'oeconomie vereiniget hierüber Bericht abgefordert, wären also die Secretaire anzuweisen, diesen Comfités] Ext[ractum] prot[ocolli] zu geben.b Ein Mitglied verlangt die Tagsordnung; angenommen, und die Gesellschaft geht zur T[ags]o[rdnung], [4] Es wurde vorgeschlagen, die Secre[taire] der verschiednen Comité[s] am Bureau Platz anzuweisen, um die Stellen, welche die Comité[s] beträfen, aufzuzeichnen. Angenommen. [5] D a nach Ausweis des Protokolls] des C[omités] d'inst[ruction] verschiedne Mitglieder der Comptés] ausgetreten sind, so schlägt das Comité d'instruction vor, diese Glieder bei den respektiven Comités zu ergänzen. Wurde von der Gesellschaft beschlossen, die Comités hätten in nächster Sitzung die erforderliche Zahl Mitglieder vorzuschlagen. [6] Das Protokoll des Comités de correspondance wurde verlesen. [7] Ein Mitglied schlug vor, die hiesige Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit möchte (n) die Affiliation mit den Gesellschaften im Münsterthal im Elsaß, die aus 50,000 Gliedern bestehe1, nachsuchen, und erbietet sich, diese Verbrüderung zu erwürken. 1

„die aus 5 0 , 0 0 0 Gliedern bestehe" am Rande ergänzt.

440

27. Dezember 1792

[8] Ein Mitglied unterstützt die Motion und erweitert sie noch dahin, mit allen fränkischen Gesellschaften in Korrespondenz zu treten und dem Comité de correspondance dieses aufzutragen. Ein Mitglied ladet den Vorsprecher ein, ein Verzeichnis der bestehenden Gesellschaften zu liefern. Der Vorsprecher sagt, dieses Verzeichnis wäre von der Straßb[ur]ger Gesellschaft zu bekommen. [9] Das Protokoll des Comité d'oeconomie wurde verlesen.2 [10] Es wird ein Stempel zu Bezeichnung der Billets vorgeschlagen.0 - Angenommen, und hat das Comité d'instruction hierüber das Fernere zu besorgen. [11] Das Protokoll des Comité de surveillance wurde abgelesen. [12] Da die rote Kappe vom Freiheitsbaum entkommen, der Baum selbst auch umgeworfen, so schlagt ein Mitglied vor, [daß] am Neuj[ahrs]fest ein neuer Baum gepflanzt und nach Art der Savoyer darüber eine Adresse an die verbrüderten Gesellschaften erlassen werde. Unterstützt. Ein Mitglied verwirft den N[eu]j[ahrs]tag und schlagt den Dreikönigstag vor d , und das Comité d'oeconomie möchte für die Beischaffung des Baums 3 sorge[n]. Allgemein angenommen. Ein Mitglied schlagt vor, dem Comité d'instruction aufzutragen, für die Art und Feierlichkeit, welche hiebei beobachtet werden solle, zu sorgen. [13] D a zwei Schneidermeister, Münch und Gärtner 4 , bedroht wurden, von ihren Zünften ausgeschlossen zu werden, weil sie Klubisten sind e , so zeigen sie dieses dem C[omité] de surveillance] an. Ein Mitglied schlug vor, man möchte dieser Glieder Klage Custine vortragen. Unterstützt. Ein Mitglied schlug vor, man solle5 diese zwei Schneidermeister einladen, sich morgen um 9 Uhr bei Bruder Wedekind ein [zu] finden, der sich erbietet, sie zu dem Bürger Custine zu führen, wo sie sofort ihr[e] Beschwerde vorbringen können. Unterstützt und angenommen. Es wurden demnach Münch und Gärtner vom Präsidenten] eingeladen, um die obenbenannte Stunde [sich] einzufinden. D a keiner von beiden aber der heutigen Sitzung beiwohnte(n), so erhielt Provisor den Auftrag, sie hievon zu benachrichtigen. a

Den Einwand gegen den im Comité d'instruction geborenen Gedanken eines eigenen Klubjournals erhob der Herausgeber der Wochenschrift Der Patriot, Georg Wedekind. b Vgl. Protokoll vom 23. 12. 92 Punkt [12]. c Es handelt sich um die Eintrittsbilletts zum Besuch der Kluihsitzungen ; vgl. Protokoll vom 10. 12. 92 Punkt [2], Abschnitt VI, § 3. d Das Fest der Heiligen Drei Könige wird am 6. Januar gefeiert. c Die Schneiderzumft wallte bei der Abstimmung ülber die Annahme der französischen Verfassung angeblich neutral bleiben und war darum schon von Zech heftig attackiert worden; vgl. Protokoll vom 21. 12. 92 Anm. b. 2

3 4 6

In diesem Satz sind statt einer unleserlichen Streichung zugefügt: „Das Protokoll des" und „wurde". Geändert statt „für den Baum". „Münch und Gärtner" zugefügt. Geändert statt „möchte".

30. Dezember 1792

441

Actum, den 28. Dezember 1792, [Freitag] Präsident Wedekind [1] Der Secretaire las das Protokoll der letzten Sitzung vor. [2] D i e Gesellschaft beschloß, daß morgen Comité général sein solle. [3] Der Secretaire des Comité d'instruction las das Protokoll desselben vor; in demselben werden verschiedene Glieder zu dieses [!] Comité vorgeschlagen und angenommen.® * Die Vorschläge erfolgten in Erfüllung des Beschlusses vom Vortage; vgl. Protokoll vom 27. 12. 92 Punkt [5].

[Mainz, den 29. Dezember 1792, Sonnabend]2 [1 Wahl eines neuen Präsidenten,] von dem man diesmal verlangte, daß er der französischen Sprache ganz mächtig sei, weil ihm die Obliegenheit aufgelegt worden war, alle von den Franzosen in der französischen Sprache gehaltenen Reden am Schlüsse derselben den übrigen Mitbrüdern wenigstens dem Hauptinhalte nach in das Teutsche zu übersetzen. Die wirkliche Wahl begann, und Forster erhielt, obzwar nicht einstimmig, doch wenigstens durch die Mehrheit der Stimmen diese Würde [.. .]•> a

b

Ein Protokoll dieser Sitzung existiert nicht; jedoch ist der Beschluß, an diesem Tage ein Comité général zu hallten, laut Protokoll vom 28. 12. 92 Punkt [2] eindeutig. Die Tagesordnung ergab sich aus der statutarischen Notwendigkeit einer neuen Präsidentenwahl. Hoffmann, Darstellung, S. 499; dort ist diese Sitzung irrtümlich auf den 24. Dezember verlegt. Forster übernahm im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht sofort, sondern erst mit dem Beginn des nächsten Monats seine neue Funktion. Am 31. 12. 92 teilte er seiner Frau mit: „In zwei Ausschüssen war ich schon Präsident, nun haben sie mich auch zum Präsidenten der ganzen Gesellschaft erwählt, umd morgen fange ich mein Amt an."

Actum, den 30. Dezember 1792, [Sonntag] Präsident

Wedekind

[1] Der Secretaire las das Protokoll der letzten Sitzung vor. [2] Ein Mitglied las einen Brief von einem Mitbruder unserer Gesellschaft vor, worin derselbe anzeigt, warum er sich dermalen in Straßburg aufhalte, nichtsdestoweniger aber schwört, seinem Schwur immer getreu zu sein.3 [3] Ein Mitglied las eine Nachricht von der Armee des Bournofn] ville aus dem Bulletin vom 22. vor. b

442

30. Dezember 1792

[4] Ein Mitglied las eine Rede, betitelt: Etwas über das Etwas des Gottlob Teutsch, vor. c [5] Es wurde ein Kandidat als korrespondierendes Mitglied aufgenommen 1 , legte den Eid ab und unterschrieb sich eigenhändig laut der Anlage sub /83/. Verschiedene Kandidaten wurden das erste Mal zur Annahme als Mitglieder verlesen. [6] Die Polizeikommissäre für die künftige Sitzung wurden ernennt. " Wahrscheinlich handelt es sich um Kaspar Hartmann. Im Protokoll des Strasbourger Klubs vom 26. 12. 92 heißt es: «Un membre'de la Société de Mayence est présenté à la Société. Le Président l'invite à prendre part à nos séances pendant son séjour dans notre ville. Le citoyen de Mayence demande la parole pour la première séance allemande, elle lui est accordée.» (Stadtarchiv Strasbourg, Amis, t. III; Dumont, Jakobinerklub, S. 216) h Im Moniteur, Nr 357 vom 22. 12. 92 (Bd. XIV, S. 804) heißt es dazu:

On lit l'extrait de deux dépêches du général Beurnonville, en date des 15 et 16 décembre. Elles annoncent la prise des hauteurs de Vavrin par le corps de troupes d'entre la Sarre et la Moselle. L'attaque était disposée sur trois colonnes, dont une de réserve; trois mille Autrichiens, retranchés avec de l'artillerie sur la première hauteur, en ont été débusqués par la colonne des grenadiers, composée seulement de douze cents hommes. «Vous jugerez, dit la dépêche, de la difficulté de cette attaque, quand vous saurez que cette montagne était couverte de trois pieds de neige, et qu'il a fallu une heure à nos braves grenadiers pour la gravir; ils ont monté par une charge, aux cris de vive la nation, vive la république! Ils ont chassé l'ennemi, se sont emparés d'une pièce de sept avec son caisson.» La seconde colonne a dispersé la cavalerie des ennemis, en même temps que notre artillerie démontait leurs batteries. Ce succès doit entraîner la prise de Consarrebruck. Les généraux estiment, dans les différentes actions depuis le 6 jusqu'au 16, la perte de l'ennemi à huit ou neuf cents tués et blessés, environ cent prisonniers, et autant de déserteurs que j'ai fait enrôler. Celle des Français va à sept tués et quarante-sept blessés. c

Es handelt sich um eine weitere Auseinandersetzung mit der konterrevolutionären Schrift ALbinis; vgl. Protokoll vom 2. 12. 92 Punkt 19, Anm. g. Als die Rede im Klub gehalten wurde, lag sie bereits als gedruckte .Flugschrift vor, die den Titel trug: „Etwas über das Etwas des Dr. Gottlob Teutsch an den Verfasser des mainzischen Bürgerfreuades über die mainzische Konstitution von einem Bürger auf dem Lande, Mainz 1792, im ersten Jahre' der Freiheit und der Gleichheit." Der fränkische Republikaner, Nr 5 vom 14. 12. 92, S. 40, zeigte schon die Schrift als erschienen an; ihr Verfasser war Kaspar Hartmann. Obwohl ihr gesamter Vortrag nicht in dieser einen Klubsitzung möglich war - vgl. Protokoll vom 31. 12. 92 Punkt [9] - wisd der Text dennoch hier vollständig wiedergegeben:

Ich bin nicht Doktor, habe auch keinen Beruf, die 100 Dukaten des Bürgerfreundes, den ich nicht persönlich und nicht einmal zuverlässig dem Namen nach kenne, zu decken, da ich sie ohnehin nicht im Gedränge sehe; bin auch nicht willens, dem Bürgerfreunde in einer Beantwortung vorzugreifen, wenn er eine für nötig er1

Am Rande: „J. Machri".

30. Dezember 1792

443

achten sollte: aber so eins und das andere möchte ich Ihnen doch auf Ihr Sendschreiben antworten, mein Herr Doktor TeutschY Ich sehe, daß Sie die Dinge, wovon Sie schreiben, entweder nicht recht verstanden oder absichtlich so pfeilschnell darüber hinflogen, um sie nicht zu tief aufzurütteln. In einem und dem andern Falle drückt's mich, und ich kann's nicht übers Herz bringen, nicht entweder Sie oder wenigstens das mißleitete Publikum, vielleicht auch den guten Doktor Bürgerfreund auf eine Portion Landwahrheiten aufmerksam zu machen. Also zur Sache! Sie erlauben mir, daß ich Ihrem Sendschreiben schrittweis folge. Ich übergehe Ihre Einleitung und Ihre gegründete Erwartung: daß manche andere vielleicht finden, daß Sie so unrecht nicht haben (was hätten Sie aber auch schreiben müssen, um das nicht erwarten zu dürfen!), und überlasse es dem Bürgerfreunde, die Beschwernisse, mit denen er bei seinem edlen Werke zu kämpfen haben mag, zu erwägen, wenn dies, woran ich fast zweifle, nicht schon geschehen sein sollte. Aber Ihre Fragen sind meines Erachtens leicht beantwortet. Weder Kurfürst noch Domkapitel sollen eine Konstitution machen, auch die Bürgerschaft von Mainz nicht, die, wie Sie sehr richtig bemerken, den ganzen Mainzer Staat nicht repräsentieren kann; aber ein gewisser (auch Doktor) Wedekind hat den Vorschlag gemacht, es von den Franken zu lernen, wie sich ein Volk repräsentieren und konstituieren soll, er hat sogar vorgeschlagen, daß Mainz (ich verstehe darunter nicht bloß die Stadt) die französische seit vier Jahren eingeführte Verfassung unter gehörigen Abänderungen annehmen und sich an diese Republik anschließen soll. Ich glaube, er hat recht, denn wenn auch der Mainzer Staat die besten Köpfe aus seinen eigenen 100000 Menschen zu seinen Repräsentanten wählte, so wird mir doch wohl schwerlich einer behaupten, daß dann dessen konstituierender, gesetzgebender Körper aus jenen hellsehenden großen Köpfen bestehe, die man aus 25 Millionen Menschen aussuchen könnte. Ich wollte dann noch hinterher behaupten, daß die großen Männer aus einigen 100000 nicht in der Zeit und mit einer so vortrefflichen Verfassung zustande kommen würden als jene aus 25 Milionen gewählte [n]. Wenn sich also (ich will das Verhältnis hoch nehmen) eins gegen 25 wetten läßt, daß wir nichts Besseres machen werden, wozu die langen Beratungen? Wozu aber auch dann Ihre Fragen, Herr Doktor? Freilich müssen dann Sie und das ganze teutsche Reich vergessen, daß Mainz kein souveräner Staat war, daß es zum deutschen Reiche gehörte, daß einst ein Kurfürst von Mainz als Reichserzkanzler und Direktor des kurrheinischen Kreises war; all das vergessen, was Sie von Vasall, Lehen, Attributen, Regalien, Verraten, Kaiser und Einwilligung zu einer Konstitutionsveränderung sagen, wegen welcher sich der Kurfürst von M[ainz] keine Verantwortung aufhalsen soll, wenigstens hat's ihm noch niemand meines Wissens zugemutet. - Aber das müssen Sie nicht vergessen, daß das Mainzer Volk seiner Despoten müde und so glücklich war, unter dem Schutze der siegreichen Franken dies Joch abzuschütteln, wozu seine eignen Kräfte freilich nicht hingereicht hätten! Sie fragen, warum der Bürgerfreund der Stadt und dem Lande Mainz eine andere Konstitution geben wolle, und führen zur Ursache an, weil er, Bürgerfreund,

444

30. Dezember 1792

wohl den Mainzer Staat bei seiner dermaligen Konstitution unglücklich wähne. Sie hielten also dies im Ernste für Wahn? Gewiß, denn Sie glauben noch, daß der Bürgerfreund den Staat nicht oder doch nicht so kenne, wie er es bei seinem Reformationswerke sollte. Sie reden, um dies zu beweisen, erst von der Stadt, dann vom Lande: „Die Stadt Mainz war bisher eine der glücklichsten Städte, die ich weit und breit angetroffen habe." (Hätten Sie gesagt: der glänzendsten, so wäre ich mit Ihnen ganz einverstanden; allein, um auch ein Wort Latein zu sprechen, non omne nitidum aurum!) „Der Wohlstand dieser Stadt und ihrer Bürger lachte mir noch vor einem halben Jahre entgegen. Sie wissen wohl nicht, lieber Herr Doktor! daß diese ganze Stadt bei ihrer herrlichen Nahrung das ganze Jahr mehr nicht als eine feste Summe von 4000 fl. kontribuiert!" Sie machen wahrlich einen schönen Übergang zu Ihren Betrachtungen über das Landl An Ihrer Stelle würde ich es von einer Konstitution, die ich zu loben und zu deren Beibehaltung ich zu raten im Begriffe wäre, nicht angeführt haben, daß die Verteilung der Staatslasten in derselben so ungleich bestehe, daß die Hauptstadt, welche bis an 50000 Seelen zählt, dazu mehr nicht als 4000 fl. jährlich kontribuiert. Ich will es indessen zur Ehre der alten Konstitution glauben, daß die Bürger von Mainz nebst den 4000 fl. noch manches an Zoll, Akzis, Renten-Service und, was wissen wir auf dem Lande, was für Geld zu kontribuieren gehabt haben wird.*) Und nun folge ich Ihnen gerne aufs Land. „Es kontribuierte", sagen Sie, „als der jetzige Kurfürst zur Regierung kam, 14 Simplen. Dieser böse Kurfürst hat ihm 2 Simplen abgenommen, es zahlt also jetzt nur zwölfe. Ich bitte Sie, erkundigen Sie sich etc." Wie groß dünkt Sie wohl, Herr Doktor! der Vorsprung, den Sie gewonnen, wie stammhaft der Lorbeer, den Sie hiermit um die Schläfe Ihres bösen Kurfürsten gewunden haben? Doch! lassen Sie uns hier nicht mit einem witzigen Einfalle drüber hingleiten, die Sache ist wichtig. - Es ist wahr, daß der böse Kurfürst einige Jahre statt der sonstigen 14 Simplen nur 12 erheben ließ; was werden Sie aber sagen, wenn ich mit Ihnen, Herr Doktor! das Mainzer Land hin und her durchziehe und an jedem Örtchen anfrage, wie viele Simplen sie bezahlen, wenn Sie dann aus den zuverlässigsten Quellen an dem einen von 14, an andern von 16, 18 Simplen hören, wenn wir uns Rechnungen von einigen Jahren her vorlegen lassen, nach denen die Untertanen 20 Simplen zahlen mußten, wenn Sie aus ebendiesen Rechnungen sehen, daß die Forensen (oder Ausländer) noch auf diese Stunde das Duplum, 30 Simplen, zahlen? Wenn ich Ihnen aus echten Quellen sage, daß die Stadt H. noch vor 4 Wochen abermal [s] bittlich eingekommen ist, man möge ihr erlauben, nur 12 Simplen zu erheben, da sie damit nicht nur ausreiche, sondern auch Überschuß habe, also der zwei übrigen zu Entrichtung ihrer Abgaben nicht bedürfe? Wenn ich Ihnen sage, daß diese Gemeinde *) Jawohl! Abgaben unter mancherlei Rubriken. - Aber Herr Teutsch hätte in Erwägung ziehen sollen, daß die Glückseligkeit des Bürgers am wenigsten durch die Summe der Abgaben bestimmt werde. - A. d. H.

30. Dezember 1792

445

schon 3 Jahre in Rücksicht der Weinmißjahre um diesen Nachlaß bat, der ihr nicht nur abgeschlagen, sondern auch ihr auferlegt wurde, nebst der gewöhnlichen Schätzung diese rückständigen 2 Simplen jetzt noch von den singulis nachzuerheben? - Wenn ich Sie zu einer Witwe führe, die 1 Morgen Acker, IV3 Morgen Weinberge, ein halbes Haus und eine halbe Scheuer besitzt und davon einige 20 fl. jährlich an Abgaben zu entrichten hat und doch noch die Hälfte der Fronden und des Kopfgeldes trägt? ( E s versteht sich, den Zehnten nicht mitgerechnet, denn bei allen Auflagen auf dem Lande kömmt es in keinen Betracht, daß der gnädigste Herr von dem Segen des Landmannes schon den Zehnten- und oft noch einmal den Drittenteil voraushat, ehe ihn noch des Bauern Scheuer oder Keller sah.) Wenn Sie hören, daß der Bürger, nachdem er von seinem Weine Zehnten, Drittteil, Zins, Beet etc. abgegeben hat, nun von demjenigen, was man ihm übrigließ, audi noch einmal Ohmgeld bezahlen muß, wenn er ihn verzappen will? - Wie werden Sie endlich Ihren bösen Kurfürsten retten, wenn ich Ihnen nur die Rubriken all der ständigen Abgaben anführe, die der Untertan bisher noch nebst den vielen Simplen entrichtete? Wenn ich Ihnen den Zehnten, Dritteil, Zins-, Hubund Beelwein und Früchte, Zoll, Akzis, Aufschlag, Lagergeld, Geldzins, Rindergeld, Kopfsteuer, Herdschilling, Königsbeth, Not- und Frauengeld, Weidgeld, Atzgeld, Zentkosten, Zinshahnen und Eier, Ernte- und Fastnachtskappen, Remigisch&cin, Käsegeld, Martinsgänse, Blutzehnden, Leibshuhn, Sommerhahnen, Handlohn, Kaufhaber, Hirtenpfründe, Glockengarbe etc. etc. nenne? Wenn ich Ihnen sage, daß er bei besondern Gelegenheiten noch für die Bürger- oder Meister annahm, Ausruf scheine, für Dispensation von den Kriegsdiensten, von den Wanderfahren, von dem gesetzlichen Alter, für Loskaufung von der Leibeigenschaft, an Besthaupts- und Wattmahlsgebühren, für Konzessionen und Kanzleitaxen zum Holzbieb, Hausbau, an Kesselgeld, Wasserfall, Stempelpapier etc. etc. ein Beträchtliches zahlen mußte? Wenn ich Ihnen sage, daß jede Gemeinde ein Beträchtliches jährlich in die Landeschausseekasse entrichten, die Chaussee in ihrer Gemarkung aber selbst in der Fronde unterhalten und endlich der Singulus an gnädigste Herrschaft das Chausseegeld zahlen mußte, wenn er außer Land fuhr (und was braucht es, um aus dem Mainzer Lande zu fahren, für eine Strecke?). Wie fassen Sie sich, wenn ich endlich nach dem allem den Beschluß mit den gemessenen und ungemessenen herrschaftlichen ]agd-, Chaussee-, Bach-, Hand- und Fuhrfronden, mit Wacht, Hut und Botengehen und dannn mit den Gemeindsfronden mache? Sie dürfen nicht glauben, daß Sie nun alle Rubriken kennen, ich setzte Ihnen nur die hie[r]her, welche mir mein Gedächtnis eben darbot, es bleibt deswegen immer noch ein kleiner Katalog übrig, und wenn es auch nur die Gerichtssporteln wären, um die er sich Gerechtigkeit kaufen mußte, welche der Untertan, der Abgaben bezahlt, nicht außerdem noch bezahlen soll. - Und nun, werden Sie nun noch einen Fürsten, der bei all diesen Rubriken, unter denen seinem Volke der letzte blutige Heller mit himmelschreiender Gewalttätigkeit ausgepreßt wird, eben dies Blutgeld mit steinerner Gefühllosigkeit an einer schwelgerisch besetzten Tafel, in den Armen einer Metze, an müßige niederträchtige Schurken und Schmeichler ver-

446

30. Dezember 1792

prassen und verschwenden kann, werden Sie diesen Fürsten noch mit Ironie einen bösen Kurfürsten nennen? Der Spott, Herr Doktor, ist zu bitter. „So glücklich {fahren Sie fort) die Stadt Mainz ist, wenn sie von den übrigen Kurlanden in ihren Bedürfnissen unterstützt wird*), so verzweifelnd würde ihr Schicksal ohne diese Unterstützung sein." Ganz gewiß, Herr Doktor 1 und wenn Mainz die Kunst verstünde, auf seinen Straßen und Dächern Getreide und andere Erzeugnisse zu bauen, und zehn Kurfürsten und eine noch schlechtere Konstitution hätte als die alte, so könnte es dies alles in dem Falle, den Sie angeben, im Falle der mangelnden Unterstützung von ihren Nachbarn nicht retten. Sie fragen daher richtig: „Umringt von fremden Landen, woher soll Mainz seine Wintervorräte nehmen?" Und ich hätte Lust zu antworten: daher, woher es sie sonst nahm. - „Ist aber Ihre Meinung (schreiben Sie weiter), daß die übrigen Kurlande mit Mainz vereint bleiben sollen, so zeigen Sie doch erst den guten mainzischen Bürgern, wie Sie dies zu zwingen gedenken, ehe Sie mit Ihnen von einer bessern Konstitution handeln. Lehren Sie uns, wie sich zwischen Trier, Pfalz, Hessen, Sachsen, Hannover, Würzburg und mehr andern Landen in zerstreuten kleinen Landesstrichen eine französische Konstitution bilden lasse und wie diese Konstitution bestehen könne." Das war mächtig viel auf einmal; ich will mir Zeit nehmen und fragen: ist es Ihre Meinung, daß Mainz seine Vorräte aus der Verbindung mit den oben genannten Ländern beziehe? Oder bestimmter: finden Sie den Grund des von obenbenannten Landen bisher mit Mainz gepflogenen Verkehrs ihrer überflüssigen Produkte in dem reichsverfassungsmäßigen Zusammenhange derselben mit Mainz? Und glauben Sie, wenn Mainz aus diesem Zusammenhange tritt, daß die Aufhebung des gedachten Verkehrs die natürliche Folge sei? Wäre diese Ihre unmaßgebliche Meinung, dann wollte ich, ohne Sie gu kennen, wetten, daß Sie zwar ein Doktor, aber kein Doktor der Handlungs- oder Polizeiwissenschaft sind. Ich erkläre mir die Sache ganz unmaßgeblich und sehr einfach so: Pfalz, Hessen, Trier, Würzburg etc. erzeugten bisher mehr Lebensbedürfnisse in ihren Landen, als sie selbst nötig hatten, Mainz hingegen wenigere, als es bedurfte. Nach den ersten Regeln der Polizei suchten also diese Staaten den Überfluß ihrer Landesprodukte an solche Staaten abzusetzen, die daran Mangel hatten. Im letztern Falle befand sich Mainz. Sie führten also dieselben nach Mainz und empfingen dort entweder solche Produkte, die ihnen zu Hause mangelten, oder bares Geld, um sich jene Notwendigkeiten, die sie nicht selbst erzeugten, anders(t)woher zu kaufen, auch ihre gnädigsten Herrschaften zu bezahlen, die sie nur mit Geld, nicht mit Produkten befriedigen konnten. Ich setze noch hinzu: hätten die angeführten Staaten keinen Überfluß an Produkten erzeugt, sie hätten gewiß keine ausgeführt; und hätte Mainz nicht Mangel daran gehabt, es hätte sie ihnen gewiß nicht abgenommen. Und nun mache ich den einfachen Schluß: solange die genannten *) Wenn Mainz von den übrigen Kurlanden abgerissen ist, so darf es auch vor dem furchtbaren Augenblicke nicht zittern, w o den Untertanen die Bezahlung der harrenden Landesschulden angekündigt werden wird. A. d. H.

30. Dezember 1792

447

Staaten einen Überfluß an Produkten erzeugen werden und solange Mainz dieser Produkte von außen benötiget sein wird, so lange wird auch Mainz seine Vorräte von daher erhalten, es müßte dann {wohlgemerkt) der Fall eintreten, daß die Häupter dieser Staaten im gerechten Zorne gegen das freie Mainz es für gut fänden, dasselbe dem Mangel auszusetzen, und sollten ihre eignen Untertanen durch den aufgehobenen und streng verbotnen Verkehr mit Mainz selbst darüber in Not gesetzt und ihr Land ruiniert werden. Ich kann letzteres des Raums wegen nicht gründlicher ausführen. Und wenn Sie, Herr Doktor I nun noch der Meinung sind, daß der Reichsnexus an der Erhaltung der nötigen Vorräte für Mainz die Ursache war, so müssen Sie mir auch zugeben, daß England, Holland, Spanien, Portugal, Schweden, Dänemark, Frankreich und Preußen, Frankfurt und die Levante, Sina, Ost- und Westindien, kurz! daß die ganze handelnde Welt in einem Reichsnexu oder gar fränkischen Konstitution stehen müssen, wenn sie nicht alle an dem Not leiden wollen, was sie nicht selbst in ihren Ländern erzeugen. Oder finden Sie mich hier lächerlich?? Noch eine Frage: hat es wohl Mainz auch der Vereinigung mit den übrigen Kurlanden zu danken, daß Pfalz und Hessen nach hohem Belieben und ohne den Magen der Mainzer zu fragen eine Sperre aller Viktual[i]en anlegen? Hatte man es dem Reichsnexus zu danken, daß vor 3 Jahren, wo doch die Ernte recht gut geraten war, Pfalz und Hessen gegen Mainz sperrten, wo indessen auf der andern Seite mehrere 100000 Malter, ja, so viele Früchte nach Frankreich geführt wurden, daß die Pfälzer Bauern an ein und andern Orten für gut fanden, sich mit Gewalt ins Mittel zu legen und ein non plus ultra zu gebieten? Der Herr Fürst von Bretzenheim soll damals von jedem Malter Frucht, das an Frankreich verkauft wurde, einen Laubtaler erhalten haben, und dies war hinreichender Grund, die Mainzer hungern zu lassen oder doch im besten Fruchtjähre zu kostspieligen Magazinierungen zu zwingen und die eignen Untertanen an der Grenze so sehr in ihrem Gewerbe zu hemmen. Kann es auf diese Art dem freien Mainz übler ergehen, als es dem im Reichsnexu gestandenen erging? Oder finden Sie vielleicht gar wahrscheinlicher, daß obbesagte Lande {in Ihrer Voraussetzung der fortdauernden Existenz derselben) aus schuldigem Respekte gegen ihren mächtigen Nachbarn, die fränkische Republik, gegen das unter dem Schutze derselben stehende freie Mainz nicht so leichtsinnig mit Sperre verfahren werden als ehmals, wo es bloß von dem fruchtlosen reichsgesetzmäßigen Geschreibe ejner Regierung unterstützt war? Es dünkt mich auch schier. - Wie nun aber übrigens zwischen den Ländern, die Sie nennen, eine Konstitution, und zwar eine fränkische zu bilden sei, mögen Ihnen allenfalls Custine, Dumourier, Bournotwille und alle die tapfern Franken begreiflich machen, vor deren Waffen Schrecken und Freude in der glücklichsten Verpaarung einhergehen! „Der Grund Ihrer Konstitution (heißt es weiter) soll Gleichheit und Freiheit sein im strengsten Sinne der fränkischen Konstitution. Sie wollen also keinen Kurfürst, kein Domkapitel, keinen Adel, keine geistlichen Stifter und Klöster? Alles recht schön und gut! - Wie wollen Sie aber der Stadt Mainz die Einkünfte verschaffen, welche der Kurfürst, das Domkapitel, der Adel und die Geistlichkeit

448

30. Dezember 1792

bisher in Mainz verzehrt haben? Oder glauben Sie wohl, daß die mainzischen Bürger gebessert sein würden, wenn sie diese Einkünfte entbehren müßten?" Hierüber, Herr Doktor! nur einige Wörtchen im Vertrauen. - Wenn kein Kurfürst kömmt, also keine Einkünfte mehr verzehrt, so verschwendet er auch keine, und dabei, denke ich, sollen wir alle gewinnen; wenn das Domkapitel nicht mehr kömmt, so haben wir dessen Einkünfte im Lande, und das Land bedarf dieses geistlichen Balsams für seine alten Wunden. Dem Adel, dem das knechtische Hofleben nicht zur unvertilglichen Gewohnheit geworden ist, stehen heute wie morgen die Tore der Stadt offen, und er kann ungekränkt von dem Seinigen Besitz nehmen und sich an dem ungewohnten großen Anblick eines freien Volkes weiden; nur muß er niemanden fühlen lassen wollen, daß er von oder zu ist; doch! solche köpf- und herzlosen Geschöpfe verachten ein freies Volk, und das ist das Klügste, was sie tun. - Die Geistlichkeit, mit Ihrer gütigen Erlaubnis, wird keine Not haben, wenigstens die jetzt lebende nicht; also bleibt auch diese Quelle offen, und bis der jetzt lebende Klerus ausgestorben ist, haben sich hoffentlich die Nahrungsquellen in Mainz so glücklich und vorteilhaft gewendet, hat sich alles längst so eingeleitet, daß die Mainzer dieses Qüellchens nicht mehr bedürfen werden. - Was für Erhebens ist aber wohl von dem Nahrungs- und Wohlstande einer Stadt zu machen, der auf so schwachen Füßen steht wie jener von Mainz? Der Nachfolger des verschwenderischen Erthal dürfte ein Filz sein und Schätze für seine Familie häufen, wie dann? Der Hof wäre dann aufs kärglichste eingerichtet, die zahlreiche Dienerschaft entlassen oder auf schmale Pension gesetzt; der vollwichtige wie der lioner Adel und die Dikasterialpersonen würden nach ewigen Gesetzen des Hoflebens sich in die Maxime des gnädigsten Herrn schmiegen, vielleicht sich der Gelegenheit im stillen freuen, mit Ehren durch Sparsamkeit an ihren zerrütteten Umständen zu flicken, und dann läge ein beträchtlicher Teil der jetzt so gepriesenen Erwerbsquellen; - wie stünde es dann um den Wohlstand, wenn noch überdem eine solche Regierung zwanzig und mehrere Jahre dauerte! - Wie kann man aber auch überhaupt den Wohlstand einer Stadt preisen, der auf den Ruin des Landes gebaut ist? Muß nicht dieser auf so schlechtem Grunde ziehende Wohlstand notwendig aufhören, sobald das Land zu arm geworden ist, um dem fürstlichen Verschwender ferner Geld in die Stadt zu schicken? Und wahrlich! das Land war mit Riesenschritten auf dem Wege zum gänzlichen Ruin. Ich kenne Gemeinden, in dehen einem ansehnlichen Teile der Bürger nicht ein Bund Strohes zum Lager übrigbliebe, wenn man von ihnen die vollständigen Schätzungen erheben wollte. - Gibt es denn für das so glücklich gelegene Mainz keine dauerhafteren Quellen der Nahrung und des Reichtums als die Verschwendung und Schwelgerei des Fürsten und Adels? O gewiß! Mainz lebte im Wohlstand, in besserem vielleicht, obwohl nicht so glänzendem Wohlstand als jetzt, ehe Fürst und Adel so verschwenderisch waren. Und Mainz wird erst in der Folge einsehen, wie sehr glücklicher und unerschütterlicher sein Erwerb gegründet werden kann, wenn es, mit Frankreich verbunden, die glücklichste Verfassung eines Freistaats genießt. „Sie sind mit dem jetzigen Kurfürsten nicht zufrieden, weil er zuviel Aufwand

30. Dezember 1792

449

gemacht habe. War abet dieser Aufwand wirklich ein Unglück für die Stadt Mainz?"*) Wie verschmitzt Sie hier, mein teurer Herr Doktor, nur die Stadt nennen I Ich glaube, es ließ sich viel über das Unglück, wenigstens über das moralische Unglück sagen, welches durch den Aufwand des gnädigsten Herrn über die Stadt kam!! Man sehe den Mainzer Bürger, dessen Frau, dessen Kinder - fast alles ist von der Prachtliebe ihres Fürsten oder Adels, von dessen Schwelgereien und Ausschweifungen angesteckt. Man staunt, zu hören, daß jenes mit Hut und Federn im seidnen Kleide einherrauschende Mädchen eine Schneiders-, eine Schusterstochter, daß jener junge Herr, den man dem ersten Anblicke nach wenigstens für einen jungen Herrn von Adel nimmt, ein Sohn eines Handwerkers oder gar ein Geselle sei.**) Man setze hinzu die täglichen Ausschweifungen so vieler Männer im Weine und Spiele, der Töchter und Söhne auf den Promenaden und in den Gärten oder Dörfern um die Stadt; man suche sodann Gelegenheit, in dieser Leute Haushaltung eine genaue Einsicht zu gewinnen, und - der Flitter schwindet, man findet, was die Lateiner splendida paupertas (glänzende Armut) nennen. Wie kann nun in einem Hause, wie in einer Stadt wahres Glück wohnen, wo jung und alt vom Beispiele des Fürsten und Adels zur übermäßigen Pracht und Schwelgerei verwöhnt ist? Wie kann ein junger Mensch, ddr jetzt an Spazieren, Tanz, Spiel und Wein gewöhnt ist, ein fleißiger Bürger, ein guter Haushälter, ein guter Ehemann, ein guter Vater einst werden? Wie kann ein Mädchen, eine Handwerkerstochter, die sich Hüte, seidne Kleider und Mäntel beilegt, jeden Sonnund Feiertag wenigstens ihre Lustpartie zu machen für unumgänglich nötig erachtet, sich von Domherrn und Kavalier die Aufwartung machen zu lassen liebt, wie kann diese einst ihren Mann, wenn sie ja noch einen findet, beglücken, wie ihre Kinder als nützliche Staatsbürger erziehen, wie das Ihrige 'zusammenhalten und ihrem Hauswesen in der Ordnung vorstehen? Und wie, frage ich, mein Herr Doktor, wie kann in einer Stadt wahres Glück zu Hause sein, wo so wesentliche Dinge in den Haushaltungen des einzelnen Bürgers fehlen? - Soviel von dem Unglück der Stadt, und nun erwarte ich, was Sie mir auf folgende Gegenfragen antworten: „1) War dieser Aufwand wirklich ein Unglück für das Land? (Wohlgemerkt, für das Land, denn ich finde billig, daß dieses, welches seinen Schweiß dazu hergab, auch in Betracht komme. - ) 2) Hat der Kurfürst neue Auflagen oder Schulden auf die k. domainfe] Güter gemacht?" Das erstere hat er getan; das zweite ebenfalls nach Aussage der Leute, die es wissen können.***) Ich habe keinen diplomatischen Beweis hierüber, aber das weiß ich, daß ein beträchtlicher in Weinbergen besfandner Teil der Domaincn gar veräußert wurde. Sie brachten keinen *) Aller Erwerb bringt keinen wahren, dauerhaften Vorteil, wenn er Folge vom Luxus der Großen ist. Das Geld kommet nicht unter die niederen Klassen. Wohlhabend wird der Staat, wenn der arme Bauersmann, wäre es auch nur durch mühsame Spinnerei, viel gewinne. A. d. H. **) Also eine Abart der Gleichheit fand man hier. ***) Er hat nicht nur viele Schulden auf dieselben gemacht, sondern auch viele davon veräußert, er hat die gesparten 200000 fl. und 400 Stück Wein des vorigen Kurf[ürsten] verputzt usw. A. d. H. :•)

Schccl,

Protokolle

450

3 0 . Dezember 1 7 9 2

Vorteil, sagen Sie? Gut, aber wohin kam das Geld dafür? Der alte Herr hat alle Vermutung für sich, daß er es gut angelegt habe. - (Wie sieht es um den Universitätsfonds aus??) Hat er alles dieses nicht getan, ja nu, wer hat dabei verloren? Nein, Herr Doktor, das ist zu arg, von einem Doktor gewiß zu arg! Wenn sich also der Fürst begnügte, die Staatseinkünfte, welche der Untertan zu Bestreitung der Staatsbedürfnisse von seinem sauern Schweiße hergibt, wenn er sich begnügt, sage ich, diese Einkünfte bloß zu verschwenden, ohne grade neue Auflagen oder Schulden auf seine domainen zu machen, dann verliert niemand dabei? Und wenn Sie denn gar weiter fragen, „wo ist ein Fürst, sonderlich ein geistlicher Fürst, der nicht zuwenig oder zuviel verzehrt?", wem sollte da nicht die Geduld reißen! Mit der einzigen Frage, armer Herr Doktor, schlagen Sie ja Ihre ganze Partie! Ist denn (nach Ihrer Frage) das wenig oder viel Verzehren der Maßstab der Güte und Tüchtigkeit eines Fürsten? dann wehe uns!!! Nein! nicht wehe uns; sehen Sie, weil die Frankennation einsah, daß bei jedem Fürsten immer das Zuwenig oder Zuviel eintreffen würde, eben deswegen will diese Nation keine Könige mehr haben; und eben weil jeder Kurfürst von Mainz, der noch obenein geistlich ist, nach Ihrer Frage immer entweder zuwenig oder zuviel verzehren muß, eben deswegen soll und will Mainz keinen Kurfürsten mehr haben, dann hört diese Klage von sich selbst auf. Der Fürst, der zuwenig verzehrt in der Absicht, seine Familie zu bereichern, bestiehlt sein Volk und mästet die Seinigen; und der, welcher zuviel verzehrt, muß es bestehlen, muß es plündern, um durchsetzen zu können. - Und Sie, Herr Doktor, sollten Mainz noch raten, einen Kurfürsten zu haben? Das soll mich keiner glauben machen, bis Sie mir es selbst sagen, und das traue ich Ihnen nicht zu, Sie müssen Ihre eigne Frage gar schröcklich ins Angesicht schlagen! Auch sagen Sie, ein Fürst sei ein unglückliches Ding. Eine Ursache mehr, warum Sie den Mainzern nicht raten und nicht geraten haben sollten, einen Kurfürsten beizubehalten; oder warum wollten Sie die Mainzer zum täglichen traurigen Anblick eines unglücklichen Dinges verurteilen? Ist es nicht eine der ersten Menschenpflichten, die Zahl der Unglücklichen auf dieser Erde, soviel an uns ist, zu mindern? Und Sie fordern Mainz zur Verletzung dieser heiligen Pflicht auf? Herr Doktor!!! Sie sind auch kein Doktor der Moral.*) - Auch darin irren Sie übrigens ungemein, wenn Sie sagen: es zürnt der „Mittelstand, der nichts davon genießt"; auch das gedrückte Landvolk zürnt, zürnt noch mehr, nicht weil es nichts davon genießt, sondern weil es seinen so sauer erworbenen Pfennig so sündlich verprassen sieht. Sie schreiben weiter, „die geistlichen Staaten sind einmal in unsere teutsche Konstitution verwebt". Ums Himmels willen, sagen Sie doch von dem Verwebtsein nichts weiter, Sie beweisen damit offenbar zu viel. Das willkürliche Würgen der Wesire, das willkürliche Plündern schuldloser, aber reicher Partikuliers ist in die türkische Konstitution verwebt, also? - Die himmelschreiendsten Bedrückungen der Völker, die sündlichsten Gerechtigkeitsverzögerungen, man könnte fast sagen, gänzlicher Gerechtigkeitsmangel ist auch in unsere teutsche Konstitution verwebt, also? - Werden Sie denn auch hier auf * ) Ob Sie gleich einen schwarzen Rock tragen und ein sogenannter geistlicher

Herr

sind. A. d. H.

30. Dezember 1792

451

die Beibehaltung des Verwebten stimmen? Das lassen Sie sich nicht gelüsten, odet all das bißchen Kredit, was Ihnen Ihr Sendschreiben ja beim Publikum noch übriggelassen haben mag, ist ohne Rettung dahin. Das Sprichwörtchen „unterm Krummstab ist gut wohnen" gehört, wie Sie selbst gestehen, unter die Dinge von ebmals-, und war's je wahr, so muß der Krummstab damal[s] in andern Händen gewesen sein, welches ich leicht glaube, oder es hat seinen Ursprung von klugen Leuten, die unter zwei Übeln das kleinste zu wählen verstanden. Vielleicht ließe sich auch ein anderer historischer Ursprung davon finden. - Daß die protestantischen Fürsten auch in ihren Staaten über Religion verordnen, ändert an unsrer Sache nichts, sie sind auch Fürsten, und Sie selbst gaben mir weiter oben den Beweis in die Hand, daß ein Volk, um wahrhaft glücklich zu sein, durchaus keinen, also auch keinen protestantischen Fürsten haben müsse. Über dies alles sowie über Wahlen, Wahlmänner und das leichte Abhelfen der Gebrechen bei der Manier der Wahlen hat der redliche Bürger Wedekind und Metternich so viel Schönes gesagt, daß es Sünde wäre, zu glauben, daß sich darüber noch etwas Gründlicheres und Wahreres sagen ließe. „In Ansehung des Adels", so lautet Ihr Text weiter, „bin ich mit Ihnen einverstanden, daß er dem wahren persönlichen Verdienste weichen müsse; nam genus etc.: Ich kenne selbst eine Menge hochadliger Müßiggänger." Ich dankte dem Himmel und freute mich herzlich bei dieser Stelle, daß Sie dem guten Bürgerfreunde auch einmal Gerechtigkeit widerfahren ließen und gar dessen Meinung noch mit einer Stelle aus einem römischen Dichter unterstützten; allein wie bald gereuete Sie dies! „Ist es aber gerecht", fragen Sie, „deswegen andere rechtschaffene Männer und Familien zu betrüben, den ganzen Adel zu vertilgen oder ihm seine auf Grundgesetzen ruhenden Vorrechte zu nehmen?" Lassen Sie sich erzählen, mein lieber Herr Doktor! Mein Freund ward vor länger als einem Jahre bestohlen. Die Diebe, die nicht eigentlich ihm seine Kostbarkeit nehmen, sondern sich auf eine gemächliche Art Geld verschaffen wollten, verkauften das Gestohlne. Anselm, der ein sehr kennbares Stück gekauft hatte, verschenkte es nach einiger Zeit an Bernard, der es nun schon ein halbes Jahr zu seiner großen Freude besitzt. Mein Freund bekam vor kurzem dies Stück zu Gesichte, er kannte es, klagte beim Richter auf die Herausgabe dieses ihm gestohlnen Gutes, bewies seine Ansprüche, und ihm mußte der Raub zurückgegeben werden. Bernard zu betrüben, - Ist es aber gerecht, fragte ich ihn, diesen rechtschaffenen den ordentlich geschlossenen Kauf, die giltige Schenkung zu zerstören und ihm sein auf so rechtmäßigen Erwerbungstiteln gegründetes Recht zu nehmen? Mein Freund machte große Augen zu meiner Frage; du glaubst also nicht, daß es gerecht sei, mein mir durch List oder mit Gewalt entrissenes Eigentum, wo ich es finde, wieder an mich, seinen wahren Herrn, zu ziehen? Unsere Gesetze sprechen doch so. - Ich sah das Unüberlegte meiner Frage bald ein und schwieg. - O möchten doch auch Sie, mein Herr Doktor, und alle, die Ihrer Meinung sind, so gelehrig sein wie ich und das bei einem ganzen Volke nicht ungerecht nennen, was bei jedem einzelnen schon vor so vielen Jahrhunderten niemand bestritt. Doch ich nehme die Sache wohl zu ernsthaft; sind Sie nicht selbst einverstanden, daß 29»

452

30. Dezember 1792

det Adel dem persönlichen Verdienste weichen müsse? Und wann wich je der Adel dem persönlichen Verdienste? Oder wann wird er ihm. je weichen, solange er Adel bleibt? Es ist gegen seine Natur. Das Ganze ist Ihnen also wohl selbst nicht recht Ernst und Ihr gegen Ihre Überzeugung geschriebenes Sendschreiben vielleicht ein öffentliches verdienstvolles Opfer, irgendeinem hoch- oder hochwohlgebornen Mäzenaten von Ihnen gebracht! Bei Ihrem Vergleiche zwischen dem erkauften Doktorat und dem Adel bin ich schon nicht so gelehrig. Freilich, wenn der Käufer des Diploms ein doctor juris, philosophiae oder auch theologiae wär, so könnte man das Ding noch mit ansehen, er würde dem gemeinen Wesen keinen Nachteil bringen. Gesetzt aber, er wäte ein Mediziner und glaubte sich durch sein Diplom zum Menschenmorden berechtigt, so sollte meines Erachtens ihm zwar sein Stück Pergament, welches er redlich bezahlt hat, gelassen, aber alle Ausübung der damit verbundenen Rechte untersagt, auch allenfalls die gewissenlose Fakultät, die ihn doktorisierte, für allen Schaden verantwortlich gemacht werden, den er stiftete. Wenden Sie das selbst auf Ihren Adel an.*) - „Mir scheint es", fahren Sie fort, „es sind alle wohlerworbenen und giltig verliehenen Rechte, Privilegien und Immunitäten des Adels, welche neben einer guten Polizei bestehen können, nicht weniger wie jedes andere Eigentum zu respektieren." - Ich könnte dies alles vielleicht zugeben, wenn es mit dem wohlerworben und giltig verliehen erst seine ganze Richtigkeit hätte. Allein, ist nicht selbst unser hoher Adel Teutschlands bei seiner Entstehung eine von einem eroberungssüchtigen Regenten zur Unterjochung schuldloser Völker mit einträglichen Stellen besoldete Geisel? Müßte ich nicht allen Respekt gegen Ihr Doktorat verloren haben, wenn ich Ihnen die Entstehungsgeschichte des niedern Adels und der Reichsritter aus den mittlem Zeiten erzählten wollte? Oder glauben Sie, man kenne die Geschichte der überall sichtbaren alten Raubnester, den Ursprung der Meßgeleite nicht? Und das nennen Sie wohlerworben, nennen Sie gültig verliehen? Glauben Sie dann ferner im Ernste, daß sich die Rechte und Privilegien des Adels mit einer guten Polizei vertragen, Rechte und Privilegien, welche wollen, daß dem Unwissendsten, dem Ausschweifendsten Stellen des Staates anvertraut werden müssen, von denen das hervorleuchtendste Verdienst des übrigen ohne Vergleich größern Teiles des Volks verdrängt wird? Verträgt sich eine ganze Menschcnklasse, die nicht arbeitet und nur verzehrt, wirklich mit einer guten Polizei, die nur arbeitende Hände in einem Staate geduldet wissen will? Ich kann's mir nicht zusammenpassen. „Der Adel", sagen Sie, „war oft nur eine kärgliche Belohnung wesentlicher Verdienste um den Staat, die sonst mit Gelde hätten bezahlt werden müssen; so wie nun Geld und Gut als ein unstreitiges Eigentum auf die Erben gekommen sein würde, ebenso kann auch diesen Erben der Adel als ein väterliches Erbe nicht entrissen werden." Sie setzen dem armen Bürgerfreund hart zu, mein unwider*) So ist auch der Fall in wohleingerichteten Staaten. D e r D o k t o r , der nicht bei dem Collegium medicum bestehet, erhält zum Praktizieren keine Erlaubnis, obgleich ihm niemand seinen gelehrten Adelsbrief, das D o k t o r p a t e n t , nimmt. A. d. H.

30. Dezember 1792

453

stehlicher Herr Doktor: wenigstens scheint dieser Einwand sehr gegründet und billig. Lassen Sie sehen. - Ich will nicht untersuchen, inwieweit der wesentliche Dienst wirklich dem Staate oder aber, welches so gewöhnlich verwechselt wird, der Person, dem Beutel des Fürsten erzeigt wurde; ich will nicht zeigen, wie äußerst selten der erste Fall eingetreten sein mag; aber fragen will ich, was kann das so lange gebudelte Volk dafür, daß sein Fürst den verdienten Mann mit einer Münze auszahlte, die jetzt nach Jahrhunderten außer Kurs zu kommen beginnt? Was kann mein Freund davor, daß ein Räuber dem guten Anselm eine Sache verkaufte, um gutes Geld verkaufte, die nicht sein gehörte, die er also nicht verkaufen konnte? Dann endlich, hat nicht das arme Volk von ewigen Zeiten her alle Dienste, die dem Staate je geleistet wurden, und noch unzählig mehrere, die ihm hätten geleistet werden sollen, himmelschreiend teuer mit seinem Schweiße und Blute bezahlt? - Wer will es verantwortlich machen, wenn die Zahlung nicht an den rechten Mann gekommen ist?? Und ist es nicht Lohn genug für den ausgearteten Erben des verdienten Mannes, wenn er der Strafe für all seine Verbrechen durch seinen Stand bisher entging, der er nicht entgangen wäre, hätte er nur Bürger zu Urvätern gehabt? Dat veniam corvis, Herr Doktor! vexat censura columbas! I! Auf Ihre ferneren Äußerungen, daß der Adel in Mainz weder für seine Person noch Güter zu Hause sei, und auf den hiebei von Ihnen angewendeten Grundsatz der Staatspolizei habe ich, wie mich dünkt, eben bei dem Nahrungsstande der Stadt Mainz gesprochen. Auch von der Vereinbarlichkeit der Rechte und Privilegien des Adels mit guten Polizeigesetzen war die Rede; nehmen Sie aber ja hierbei nicht die bisherige Polizei monarchischer Staaten zum Maßstabe, die dem Adel angepaßt waren, statt daß der Adel sich wie jeder andere Bürger den Gesetzen anpassen sollte. Auch von der Geistlichkeit habe ich gesagt, daß sie schwerlich von der neuen Konstitution etwas zu besorgen habe, und bis sie ausgestorben ist, haben auch die Einkünfte derselben den Weg aus dem Auslande nach Mainz gelernt. Oder glauben Sie, wenn Mainz aus dem belobten Reichsnexu ist, die Fürsten, aus deren Lande sie kommen, werden die Grundsätze von Hessen anwenden, welche die mainzische Universität empfand, als Mainz noch in dieser segenvollen Vereinigung stand? Ich besorge das nicht, sondern glaube, daß sich dann wohl eher ein executor finden sollte. Und nun, werden Sie nun noch fragen: „Wie soll bei all diesen in den besondern Verhältnissen des Mainzer Staats liegenden Hindernissen eine dem Bürger nützliche Konstitution auf Gleichheit und Freiheit gegründet werden können?" Werden Sie noch immer, mein lieber Herr Doktor, so viele Prügel im Wege finden? Ich denke nicht; also weiter. „Freiheit", sagen Sie, „hat der teutsche Bürger und insonderheit der Mainzer wirklich schon so viel, als mit einer gesellschaftlichen Verfassung bestehen kann. E r lebt mit seinem Eigentume unter dem Schutze der Gesetze, und der Kurfürst selbst muß ihm, wo er ihm immer zuviel tut, zu Recht stehen." Wie können Sie, Herr Doktor, solche Dinge in die offene Welt schreiben und gar drucken lassen, in eine Welt, wo jeder, dessen Vernunft noch ein bißchen Spann-

454

30. Dezember 1792

kraft aus ihren Fesseln gerettet hat, bei sich selbst fühlen muß, daß dieser ganz dreiste Satz Worte, aber kein Quentchen Wirklichkeit enthält! Der Teutsche hat so viel Freiheit, als mit der gesellschaftlichen Verfassung bestehen kann? Als mit dem Interesse des Fürsten und des Adels bestehen kann, hätten Sie sagen sollen. Er hat Freiheit, Stiefel oder Schuhe zu tragen, wenn er aber eben zu einem gnädigen Herrn geht, so muß er Schuhe anziehen; er hat Freiheit, das Tuch zu seinem Kleide, sein Salz, seinen Tabak etc. von Hans oder Kunz zu kaufen, wenn aber der Hans mit einer Summe Geldes dem gnädigsten Herrn oder seinem Minister oder seiner Mätresse begreiflich macht, daß es vorteilhafter für das Ganze sei, wenn er, Hans, allein diese Ware verkaufte, so muß er sie bei diesem Hans um jeden Preis kaufen, und wäre die Ware noch so schlecht; er hat Freiheit, zu wohnen, wo es ihm beliebt, wenn er aber aus des alten Herrn Lande zu ziehen beliebt, so nimmt ihm dieser den 5., 6., 7. Teil seiner Habe; er hat Freiheit, zu arbeiten und zu erwerben, wenn er aber stirbt, so nimmt der Fürst aus seinem Vermögen das beste Haupt, das beste Kleid; er hat Freiheit, sein Feld das ganze Jahr zu bauen, mit beliebigen Früchten zu besäen und bepflanzen, wenn aber die Zeit kömmt, den Lohn seines Fleißes zu ernten, so nimmt der gnädigste Herr den Zehnten Teil seiner Früchte voraus weg. Er bat Freiheit, sich eine Frau zu wählen, mit ihr Kinder zu zeugen, sie fleißig und arbeitsam zu erziehen; wenn aber der Sohn groß und stark genug ist, dem Vater bei seinen abnehmenden Kräften in seiner schweren Arbeit die gewünschte Unterstützung zu leisten, so muß er vor des gnädigsten Herrn Türe Schildwache stehen. Er hat Freiheit - o er hat Freiheit, daß es zum Erbarmen ist!!! „Er lebt mit seinem Eigentum unter dem Schutze der Gesetze", das heißt nach der bisherigen Observanz: der Fürst hat sich in den von ihm gemachten Gesetzen allein und ausschließlich das Recht vorbehalten, seine Untertanen zu plündern; greift ihm hier einer ein, so wird er gehangen. „Und der Kurfürst selbst muß ihm, wo er ihm immer zuviel tut, zu Recht stehn."!!! Gibt's wohl in der gelehrten oder politischen Welt eine größere Chimäre als dies Zu Recht stehn? Man sollte Sie, Herr Doktor, für keinen Teutschen halten, da Sie so wenige Kenntnis des teutschen Reichs verraten. Lassen Sie sich gefälligst an die Universität zu Mainz und an Hessen erinnern. Bürger Wedekind sprach auch schon ein Wörtchen davon; lesen Sie dort. - „Auch gleich sind alle mainzischen Einwohner vor den polizeibürgerlichen und peinlichner [!] Gesetzen!" - Gerechter Himmel! Herr Doktor, wo dachten Sie wohl hin, als Sie dies schrieben? Sie waren doch wie ich in Mainz und haben sich nicht von der Unwahrheit dieses Satzes überführt? Oder ist es Folge der Gleichheit, daß der adelige Kutscher Kinder und Erwachsene auf den Straßen trotz allen Polizeigesetzen wie eine Rübe niederjägt? Daß der arme Bürger im Streite mit dem Reichen dem letzteren gerne das Feld läßt, weil er weiß, daß er bei dem kostspieligen Rechtsstreite verhungern müßte? Daß der Cavalier und Domherr sich nicht verbunden glaubt, dem schmachtenden Bürger seine alte Schuld zu bezahlen und ihn, wenn er so unverschämt ist, sie zu erinnern, lieber gar prügelt? Ist es auch Gleichheit vor den

30. Dezember 1792

455

Gesetzen, daß man, wenn ein hocbwürdig-gnädiges Domkapitel beklagter Teil ist, den redlichen Beistand, den sieb eine geplünderte Bürgerschaft zu Verfechtung ihres unstreitigen Rechts wählt, verräterisch überfällt und gefänglich niedersetzt?? Es hat mancher ehrliche Kerl sein Leben zwischen Himmel und Erde oder auf dem Schafott beschlossen, der nicht den tausendsten Teil der so allgemein schädlichen Schurkenstreiche verübt hatte wie ein Vetter unsers weiland gnädigsten Herrn vor ungefähr fünf Jahren. Man sah sich in die traurige Notwendigkeit versetzt, ihn mit seinen Teilhabern in gefängliche Haft zu bringen. Ist es auch Gleichheit, frage ich, daß alle didse Unglücklichen noch in ihren Straförtern schmachten, währenddem der gräfliche Herr Vetter, ihr schändliches Haupt, schon einige Jahre lang wieder frei umhergeht und sogar Genugtuung an die Gerechtigkeit fordert? Und es ist der Gleichheit nicht zu verzeihen, wenn er sie nicht erhielt. - Ich würde nicht fertig, wenn ich Ihnen das ganze Register der Freiheiten und der Gleichheiten hersetzen wollte, die bisher im Gange waren. — Und dies alles sollte Ihnen entgangen sein? „Bei den Abgaben und dem Gerichtsstande in Mainz ließ sich in der Güte viel Nützliches ausrichten"; hoffentlich, und wenn nicht böse Menschen und Sendschreiber die Hand ins Spiel mischen, wird in Mainz alles in Güte eingerichtet werden, aber flicken sollen und wollen die Mainzer nicht. „Eine gänzliche Gleichheit jedoch ist nicht tunlich, sie würde in Rücksicht so mancher rechtmäßigen Erwerbungstitel ungerecht sein." Dies alles haben Sie, Herr Doktor, erst zu beweisen. „Und es kann ohne sie das allgemeine Wohl sehr gut bestehen." Wie wollen Sie dies dartun? Vielleicht damit, daß es bisher so bestanden habe? Freilich sehr unumstößlich bewiesen! Uberhaupt beweisen Sie durch all das Gerede weiter nichts, als daß Sie eigentlich gar nicht wissen, wovon die Rede ist. Lesen Sie die vortrefflichen belehrenden Reden der edlen Volksfreunde in Mainz, besonders die so populäre als philosophische Rede Wedekinds über Freiheit und Gleichheit, lesen Sie selbst den Bürgerfreund in seinem VIII. Stücke, um sich erst die Begriffe von Freiheit und Gleichheit, die hier zum Grunde liegen, eigen zu machen, um erst zu lernen, wovon denn eigentlich die Rede sei. Soviel kann ich Ihnen sagen, daß von körperlicher Gleichheit nicht die Sprache ist, die die Natur uns nicht gibt, die aber auch in das Glück der Staaten keinen Einfluß hat, sondern daß man auf gleiche Rechte eines jeden Staatsbürgers an der Gesetzgebung und der Ausübung derselben und auf die Abstellung aller der Privilegien, die nur als Beeinträchtigungen des Dritten gelten können, zielt. In Rücksicht dieser Rechte sind wir alle von dem Augenblicke unserer Geburt an gleich ohne Betracht der körperlichen Ungleichheiten. Oder behaupten Sie, daß der einäugige, der hinkende, der häßliche, der dumme Adelige weniger adelig sei, das heißt weniger Anteil an den dem Adel zustehenden Rechten und Privilegien habe als der mit zwei Augen, mit gesunden Beinen, mit Schönheit und Verstand ausgerüstete? Bei allen natürlichen Vorzügen also, deren Abschaffung von uns nicht abhängt, läßt sich diese persönliche Gleichheit sehr gut denken, indem dem Starken, dem Schönen, dem Klugen, dem Reichen kein größerer Anteil an der Gesetzgebung und der Ausübung der-

456

30. Dezember 1792

selben im Staate zukömmt als dem Schwachen, dem Häßlichen, dem mindet Klugen, dem Armen. „Ist der Reiche", sagen Sie, „weniger stolz auf seinen Reichtum als der Adelige auf seinen Adel?" Gut, lassen Sie ihn stolz sein, der Ärmste wird ihn seines grundlosen Stolzes wegen verachten lernen, und sein Reichtum ist dem Wohl des Staates unschädlich. - Bei dem Adel ist es mit Verachtung nicht getan, bei ihm ist das allgemeine Wohl durch Verachtung nicht im geringsten gegen den bedenklichsten Nachteil geschützt. Sie fragen noch weiter: „Wird es der Reiche nicht noch mehr sein, wenn er weiß, daß sein Reichtum künftig der einzige reelle Vorzug ist, den er sicher auf seine Kinder vererben kann?" Ich muß Ihnen hier meine Meinung sagen: Wenn der Reiche der Art ist, daß er seinen Reichtum für ein so großes Verdienst hält, daß er darauf stolz sein zu können glaubt, wenn er diesen Reichtum gar mit Ihnen, Herr Doktor, für einen reellen, und zwar den einzigen reellen Vorzug hält, den er auf seine Kinder vererben kann, so ist er ein schwachköpfiges, keiner Achtung wertes Geschöpf. Ist aber der Reiche ein vernünftiger Mann, so sieht et leicht ein, daß Reichtum weder ihm noch seinen Kindern unter seinen gleichen Mitbürgern einigen Vorzug geben kann, er wird also seinen Reichtum zur bestmöglichsten Erziehung seiner Kinder verwenden, er wird ihren Verstand, ihr Herz zu bilden suchen, daß sie einst das Zutrauen, die Achtung und Liebe ihrer Mitbürger verdienen und so ihrem Vaterlande, ihren Brüdern nützlich werden können. Dieser Reiche wird den gebildeten Verstand, das wohltätige menschenfreundliche Herz seiner Kinder für den einzigen reellen Vorzug ansehen, der unter gleich freien Menschen stattfindet; und er wird sich nicht irren. Nun, Herr Doktor! eile auch ich zum Schlüsse meiner Epistel. Sehen Sie noch einmal auf all das zurück, was Sie als die offenbarsten handgreiflichen Unwahrheiten in die Welt gesandt haben. Wenn Sie das alles, was Sie schrieben, nicht besser wußten, wenn Sie also aus Unwissenheit fehlten, so hätten Sie freilich gar sich nicht mit Dingen abgeben sollen, die Sie nicht verstanden; doch das verzeihe ich Ihnen und freue mich der Gelegenheit, Sie vielleicht belehrt und zurechtgewiesen zu haben. Wenn aber Ihr Sendschreiben kein Kind der Unwissenheit ist, wenn Sie sehr gut vom Gegenteile des Geschriebenen überzeugt waren (und welcher Teutsche, welcher Doktor, wenn er sein Diplom nicht mit klingender Münze von irgendeiner Fakultät erhandelt hat, sollte in seinem Wissen nicht bis zu dem gekommen sein, was jeder Schulbube des Mainzer Landes aus dem Munde seines klagenden Vaters nachzuerzählen weiß), wenn Sie in diesem Falle dennoch schrieben, dann ist's schröckliche Bosheit, für die Sie öffentlich an den Pranger gestellt zu werden verdienten; Bosheit, den Keim des entstehenden Völkerglücks zertreten zu wollen. Merken Sie, zu wollen, denn es zu können, dazu sind Sie, ist jeder sterbliche Fuß zu schwach, wenn er auch aus vielen hunderttausend Füßen zusammengesetzt wäre. Ich glaube, der Bürgerfreund und jeder Freund der guten Sache weiß es selbst Ihrer Bosheit Dank, daß Sie Ihre Feder eintauchten, denn zu einer gänzlichen Niederlage Ihrer Partie bedurfte es nur - Ihres Sendschreibens.

31. Dezember 1792

457

Actum, den 31. Dezember 1792, [Montag] Präsident Wedekind [1] Der Secrétaire las das Protokoll der letzten Sitzung vor. [2] Es wurde der Gesellschaft ein Geschenk mit einer Schrift gemacht, sie betitelt sich: Beschwerdeführung des Landmanns über die langsame Entschließung der Bürger zu Mainz mit einem Ersuchen an die Gesellschaft der Freiheit und Gleichheit in Mainz. Diese Schrift wurde vorgelesen®, und die Gesellschaft beschloß, ehrenvolle Meldung davon im Protokolle zu machen. /84/ [3] Es wurde ein Auszug aus der französischen Zeitung deutsch verlesen.b [4] Der Präsident verlas einen Brief eines Mitglieds, worin derselbe von der Gesellschaft begehrt, ausgestrichen zu werden. [5] Ein Mitglied machte die Motion, ob gedruckte Stellen, die in Journalen und Zeitungen enthalten, hier in der Gesellschaft sollten vorgelesen werden oder ob sie für die Volkslehren sollten aufbewahrt werden.' Ein Mitglied bemerkte, daß man bei Verlesung solcher Auszüge und Neuigkeiten sehr behutsam sein müsse, damit man kein aristokratisches Zeug vorbringe. Die Gesellschaft beschloß deshalb (en), zur T[ages]o[rdnüng] überzugehen. [6] Es wurden einige Glieder zur Annahme verlesen, Waren aber abwesend. Ein Kandidat wurde das erste Mal zur Annahme verlesen. [7] Die Commissaire für die Polizei der künftigen Sitzung wurden ernennt. Ein Mitglied machte die Motion, daß es dem Comité d'instruction übergeben werden solle, wegen Ernennung der Kommissäre, welche bisher in der Willkür der Secrétaire gestanden, einen Vorschlag zu machen. Angenommen. [8] Ein Mitglied machte die Motion, eine Sammlung für die Armen sowohl von den Mitgliedern als auch andern in der Gesellschaft Erscheinenden bis auf Dreikönigstag zu machen.*1 Angenommen. Bruder Rulfs übernimmt diese Sammlung und zeigt an, daß Bruder Custine ihm eine beträchtliche Summe Gelds geschickt, um den armen Kranken oder auch sonst Armen Speis und Trank zu verschaffen. [9] Die Fortsetzung der Schrift Etwas über das Etwas des Dr. Teutsch ward verlesen.® * Die Schrift, die laut Hoffmann, Darstellung, S. 474, „nach der allgemeinen Mutmaßung Metternich" zum Verfasser haben sollte, entstand im Zusammenhang mit den von der Administration Mitte Dezember initiierten Abstimmungen in Staidt und Land - vgl. Protokoll vom 21. 12. 92 Anm. a und b - und trug den Titel: „Beschwerdefiihrung des Landmannes über die langsame Entschließung der Bürger zu Mainz mit einem Ersuchen an die Gesellschaft der Frei- und Gleichheit in Mainz. Mainz, gedruckt bei Craß, 1792". In der letzten Zeile der Schrift ist bei der Datierung zweifellos ein Druckfehler unterlaufen, so daß statt der richtigen Monatsangabe, die Dezember heißen muß, sich der völlig abwegige Oktober einschleichen konnte. Im MI, Nr 103 vom 29. 12. 92, S. 806, bot Zech die Schrift zum Verkauf an. Sie hat folgenden Wortlaut:

Nach den(en) Grundsätzen der französischen Konstitution, von den(en) von dem hohen Nationalkonvent ergangenen Dekreten soll es allen Völkern, bei welchen

458

31. Dezember 1792

ihre Fahnen aufgesteckt sind, freistehen, sich erklären zu därfen, ob sie der Frankenrepublik Konstitution annehmen oder sich eine neue geben wollen. Die Mainzer Bürger hatten das Glück, schon am Ende des Monats Oktober(s) hierzu aufgerufen zu werden; ihnen wurde Weg und Ort angewiesen, wie und wo sie sich ohne Scheu erklären konnten, ja, es wurden ihnen ihre Hofräte (wenn doch auch nur ihre Stadträte), wofür sie sich noch allenfalls scheuen möchten, abund in die Untätigkeit, ihnen zu schaden, gesetzet. Wir armen Landleute aber, an die von jeher und noch jetzo am wenigsten gedacht wird, möchten uns so gern für die fränkische Konstitution erklären und wünschen nichts als einen Weg, wie wir uns ganz freimütig, Mann vor Mann da(r)zu erklären könnten, um nicht nur uns von unserem alten Joche der harten Dienstbarkeit, sondern auch von den(en) nicht mehr auszustehenden Fouragelieferungen, die wir als ein erobertes Land den(en) Franken bis zu unserer Erklärung liefern müssen, zu befreien. Uns wird diese Sache je länger, desto schwerer gemacht, indem man uns unsere Beamten und Dorfschultheißen (welche mehr Einfluß auf dem gemeinen Manne als große Tyrannen haben) neu, obgleich nur provisorisch (welches jedermann nicht verstehet) autorisieret, die diese ihnen vergönnte Autorität nicht wenig zur Verhinderung unserer Ubereinstimmung (wie der Amtvogt zu Weisenau) ohne sträfliche Folge mißbrauchen; welches gewiß gegen den Sinn des hohen Nationalkonvents ohne Ahndung und Strafe versehen worden, da dieses hohe Konvent in ihren [1] Dekreten schon geäußert: daß man alle, besonders die Konstitutionsfreunde diesseits Rheins bis an Holland in der Freiheit unterstützen solle. Wir verließen uns in besonderer, aber getäuschter Zuversicht auf die Bürger am Ruder zu Mainz; wir sehen aber anjetzo ein, daß diese nicht nur uns wegen ihrem Eigennutz, sondern auch ihre eigenen geringeren Mitbürger, die sie stolz: Leute von geringem Stande nennen, zu hintergehen suchen, da sie die alte Konstitution vor sich, ihre Schwelgerei und vor ihre Kinder, die sie zur Arbeit nicht erzogen, behaglicher finden; ihre geringen Mitbürger sowohl, weil sie diesen nicht gleich sein wollen, als uns von Annahm der fränkischen Konstitution durch allerlei falsche Vorspiegelungen abzuhalten und daher unsere Erklärung so zu verzögern suchen, daß unsere Erretter, die Franken, wegen unserer Druckerei verdrießlich werden und uns mit unseren aufgeblasenen Handelsleuten unserem alten Schicksal überlassen möchten, damit die ehrenfesten Herren Stadträte, welche von etlichen Jahren bisher noch keine ordentliche Rechnung abgelegt, länger im Trüben fischen, vor ihre Kinder besser sorgen, ihre Schwelgerei befördern, Euren Schweiß je länger, desto heftiger aussaugen und zuletzt Euch noch gar als Sklaven behandeln könnten. Wir als Landesleute müssen Euch ein Beispiel angeben, welches Eure Räte im Handelsstand Phlegma nannten, so sich mit der Frankenkonstitution nicht verpaaren könnte, derer wir Euch mehrere im Druck bekanntmachen werden,, warum Eure Herren Stadträte und alle ihre Anverwandten Euch als ihren untergeordneten Handwerksleuten die alte Konstitution, oder diese nur ausgeflickt, unter allerlei falschen Einwendungen beizubehalten anraten. Herr Zentner hat die Landes-

31. Dezember 1792

459

Verteidigungskasse mit noch einigen Herren eine ganz kurze Zeit von etlichen Monaten verwaltet, diese Gelder hat er alle in großer Summe eingenommen und in großer Summe wieder ausbezahlt, rechnete sich aber vor diese so kurze Zeit, und eine Rechnung, die er in 5 Minuten abzulegen sich anheischig gemacht, einen Verdienst von 1600 fl. in die Ausgabe. Bürger! welcher unter Euch wird sein, der solche Sünden gewöhnt ist und in so kurzer Zeit 1600 fl. schlauchen kann? Welcher unter Euch, der nur so (wie Zentner) denken kann, wird nicht Taglöhner, die die alte Konstitution predigen sollen, für gute Zahlung anstellen? indem die neue dergleichen gute Mastungen verbietet; hieraus schließet, wie mit Euren andern Gefällen und Abgaben gehauset worden. Die Einwendungen, welche Eure volle Erklärung noch hindern, sind ungefähr nachstehende. a) Man muß die Geistlichen erhalten. b) Man kann die Dienerschaft nicht Hungers sterben lassen, die Leute verlieren schon an ihren Akzidentien genug. c) Ohne Hofhaltung leiden wir Not. d) Das Mainzer Land hat über 8 Millionen Schulden u. dgl. mehr, die aber nur auf die Beglückung des Stadtmannes und zur Beschwerung des Landmannes abzwecken. Um diese vier Einwendungen zu heben, wollen wir den(en) guten Mainzern ins Ohr sagen, daß sie nur vor sich zu sorgen haben und es bleiben lassen möchten, auf des Landmannes Kosten für andere Leute und dadurch mittelbar vor sich und ihre Kinder, die sie wegen ihrer Schwelgerei nicht so, wie es faule Leute haben wollen, versorgen können, sorgen zu wollen. Sie sollen also vor sich sorgen und die Stimmung zur französischen Konstitution beschleunigen helfen, damit sie sich des mächtigen Schutzes der Frankenrepublik teilhaftig machen, welche versichert, daß alle Brüder, die Schaden durch diesen Krieg leiden, entschädigt werden sollen. Wenn Ihr in Kriegsstand erklärten Mainzer daher (o) erst, nachdem Eure Häuser zusammengeschossen sind, Euch zur fränkischen Konstitution bekennen wollt, so nimmt Euch die Republik gewiß als Vögel in der Not nicht an, und dann wird Euch der hochgelehrte Handelsstand, worauf Ihr Euch als vom selben verführt berufet, ebensowenig als jemand anders entschädigen können. Und auf a) so viel Geistliche, als Ihr vonnöten habt, ist es auch Eure verfluchte Schuldigkeit, daß Ihr ebensowohl für diese sorget, als ein jedes Dorf für seinen Pfarrer und Schulmeister sorgen will und muß; auf unsere Zehnten oder andere Abgaben vom Land zum Unterhalt der (er) Geistlichen in Mainz braucht Ihr keinen Ziffer zu machen, denn wir gehen sämtlich zur französischen Konstitution über, in welcher Gemäßheit wir anders nichts als eine verhältnismäßige Schätzung abzugeben haben. Der Zeh(e)nte ist ursprünglich zum Unterhalt des Seelsorgers auf dem Land, dieselben genossen, bevor es so träge Sänger in Mainz gegeben hat, bestimmt; und vor unseres Seelsorgers Unterhalt wollen wir auch sorgen und nicht warten, bis Eure Söhne und Vettern aus den(en) Stiftern diesen ein Stück Brot hinreichen. Auch

460

31. Dezember 1792

b) besorget Ihr Mainzer, wenn Ihr Euch zur französischen Konstitution nicht verstehen wollt, so viel Dienerschaft, als Ihr wollt; wir brauchen niemand als einen Schultheiß mit einigen Vorstehern und einem Gerichtsschreiber, welche vor unsere innerliche Verfassung und Richtigkeit der Obligationen stehen müssen; endlich brauchen wir noch gemeinschaftlich mit fünf bis sechs Ortschaften einen Friedensrichter, vor derselben Unterhalt wir ebenso wie bisher sorgen werden. Wollet Ihr Mainzer nun vor E u r e hochwohlgebornen Herren Vetters-Söhne-Tochtermänner oder derselben Kinder, die uns alle nicht über die Achsel angesehen haben, sorgen, so tuet ihnen Barmherzigkeit aus Euren Säcken und sorget für diese so, wie wir für die Unserigen allenfalls mit Arbeit gesorgt haben und noch sorgen müssen, oder aber laßt Herrn Rulfs vor sie sorgen. Und wenn Ihr uns alsdann mit E u r e r Stadt und Festung pochet, so müssen wir Euch sagen, daß alles, was Ihr in der Stadt sehet, von unserm Schweiß schimmere und wir gefaßt bei E u r e r längeren Verzögerung sind, unsere Brüder Franken zu bitten, mit unserer beihülflichen Fronarbeit eine Stadt und Festung vor das neue rheinische Departement zu Mombach oder Weisenau anzulegen, wohin nach verliehenen so großen Freiheiten und Toleranz sich, wo nicht gleich ganz große(n) Kapitalisten und Fabrikanten, doch wenigstens solche Mormeltiersbuben setzen werden, die uns unsere ohne allen Zoll und sonstige Abgaben dahin bringende Landesprodukte(n) verschleißen und uns das Nötige zu unserer Haushaltung aus fremden Landen gegen ihren Gewinst herbeischaffen können, wonächst auch c) es uns gleichgültig sein kann, zu bemessen, ob Ihr mehr auf Dienstag und Freitag, worauf Ihr bisher wegen dem ausgemergelten Landmann gezählet, oder auf eine magere Hofhaltung und auszehrende (n) Geistlichkeit spekulieren könnet, denen Ihr alles, was Ihr nur von Euren geringeren Mitbürgern noch erpressen könnt, darreichen möget; das, wo wir von der Zeit der Eroberung der Stadt Mainz bis daher und bis Neujahrstage getan und noch tun, tun wir auf Befehl des großen General Custine. Wir hoffen aber, daß die Generaladministration uns länger nicht als bis Neujahrstag zu unseren alten Abgaben noch bei so harten Kriegslieferungen nur darum anhalten werden wolle, um jene Dienerschaft aus einigen Ämtern zu besolden, welche vor einen schwelgenden Hof und ein großes Land angenommen worden, ein jeder Diener soll seinem Herrn nachfolgen, welcher auch für ihn sorgen muß; und wie, Ihr Herrn Mainzer! Könnet Ihr uns zumuten, jene aristokratischen Leute, unsere(n) Feinde, noch länger zu ernähren, welche noch wirklich Dienste(n) bei der Generaladministration tun und diese oder die Herrn Commissarii nicht erinnert haben, daß, ehe man den Landmann diesseits Rheins mit Fouragelieferungen so aussauge, daß er außerstand anjetzo schon ist, sein nötiges Vieh(e) durchzubringen, man erst in der Bergstraße die herrschaftlichen Speicher, wo die Früchte tausendmalterweis lagen und anjetzo in feindliche Hände gefallen, man diese Früchte erst abnehmen und in Sicherheit wenigstens vor die künftige N o t bringen solle? W i e sollen wir noch jene Leute länger nähren, welche den(en) Herrn Commissariis bei ihrem besten Wissen nicht angegeben, daß in E l f e l t (an)noch 5 0 0 Maltet

31. Dezember 1792

461

hertschaftliche Flüchte gelegen, so erst am 14. Dezember durch 15 preußische Husaren nach (er) Schwalbach gebracht worden und so leicht anhero gebracht werden können. Wie, Ihr Bürger, die Ihr Euch in Mainz den ersten Rang anmaßet und daher wegen Eurem dummen Stolz weit gefährlicher als alle Adligen seid und Eure(n) Mitbürger(n) durch allerlei Kunstgriffe mehr als alle Herrschaften aussauget, Ihr wollet uns zumuten, mit diesen Euch und jene Leute länger zu nähren, welche die unsere [r] Gegend unkundigen Herren Commissarii nicht belehret, daß in den Ußinger Waldungen Holz im Überfluß sei, woraus man sich vor den ganzen Winter sowohl für Brennholz [als] Palisaden für die Kasseler Festungswerke vorsehen könne. O liebe Mitbürger von Mainz! die Ihr von Euren Fratzenmächern schon so lang mit offnen Augen verblendet worden, laßt Euch doch nicht länger von ihnen am Narrenseil führen, traget nur darauf an, daß ihnen die Papiere versiegelt und ihre Kassen gestürzet werden, und Ihr werdet finden, wie sie mit Eurem Geld umgegangen sind und warum sie Euch so ernstlich zur Beibehaltung der alten Konstitution mit ihren Freunden, Kindern und Weibern selbst raten und durch gedungene Leute raten lassen. Endlich auch d) haben wir keine Schulden gemacht, und uns hat niemand zur Unterschrift aufgeforder(e)t; das Mainzer Land hat vor längeren Zeiten, wo es nicht so sehr mit Abgaben beschweret war, einen Kurfürsten und Hofstaat gehabt und keine doch 2 h weniger Schulden gehabt; der Kurfürst und das Domkapitel haben durch ihre schlechte Haushaltung als Staatsverwalter geborget, wer aber geborget, der muß auch zahlen, wir sind nun um so weniger da(r)zu verbunden, weil(en) wir das ganze Land nicht sind. Brüder! Wir haben Euch nun als Landmänner unsere Meinung gesagt, die mir über das Verhältnis Eurer Herren und die auf Wolken tretenden Handelsleute hegen; hoffentlich werdet Ihr uns nach unserer Mundart verstehen und uns verzeihen, wenn wir nicht imstand gewesen sind, Euch das trübe Wasser, welches Euch Eu(r)er Handelsstand in die Augen immerfort lepperet, vom Gesicht abzuputzen, es war von uns wenigstens brüderlich gemeinet. Nun bitten wir Euch, ersuchet mit uns die Gesellschaft der Freiheit und Gleichheit zu Mainz, daß sie sich einmal ernsthaft um den Landmann annehme und die Administration durch eine Deputation von mehrern Gliedern ersuchen lasse, daß sie schuldig sei, nach dem Willen des Nationalkonvents allen den(en)jenigen, besonders diesseits Rheins, welche sich zur fränkischen Nation erklären wollen, Mittel und Weg da(r)zu zu eröffnen und alle Gegenstände, die hinderlich sind, zu beseitigen, daher(o) ein Dekret ergehen zu lassen, daß alle Amtsvögte, Schultheißen, Gerichts- oder Vogteischreiber ihrer Dienste entlassen seien, in jedem Ort einer aus der Klub eins [t] weilen angestellt werde und dann sogleich eine Kommission von Konstitutionsfreunden mit einem Kommando in jedes Ort abgeschickt werde, welche die Bürger Mann für Mann und nicht überhaupt, wie es bei den(en) Zünften zu Mainz übereilt gegangen und wo die gedungenen Aristokraten andere Leute überschreien, über die Annahme der fränkischen Konstitution vernehme

462

31. Dezember 1792

und alsdann sie belehre, w i e sie ihren Schultheiß und ihre Vorsteher mit einem Gerichtsschreiber nach der französischen Konstitution ordnungsmäßig wählen sollen. Falls uns dieses die Generaladministration nicht zugestehen wolle, so ersuchen wir die Gesellschaft der Freiheit, uns eine gute Adresse an das Nationalkonvent zu Paris zu verschaffen, um uns von daher Hülf und Trost erwirken zu können, da wir nicht länger mehr auf die Mainzer Erklärung warten wollen, indem wir allen Mangel, den Ihr, gute Bürger zu Mainz, und wir an H o l z leiden, Eurem schneeweißen Handelsstand zuschreiben, und wir sind mehr als halb überzeugt, daß wenn der Handelsstand Euch - nicht in Eurer bereitwilligen Erklärung anfangs durch lauter falsche Vorspieglungen gehindert und durch Eure Erklärung Custine wegen der Stadt Mainz mehr gesichert gewesen wäre, so hätte dieser große Feldherr die in Mainz so starke nötige Garnison nach (er) Frankfurt legen und dort alles Eindringen gegen die Preußen und Hessen vereitlen, fort dem Mord so vieler Frankenbürger vorbeugen können. Mainz, den 17. Oktober 1792, im ersten Jahre der fränkischen Republik Nicht gegen die republikanische Zielsetzung, aber gegen den Radikalismus in Tonart und Argumentation dieser „Beschwerdeführung" wandte sich eine Schrift, die wenig später erschienen sein muß, denn sie selbst gaib als Erscheinungsjahr noch 1792 an, und Der fränkische Republikaner, Nr 8 vom 11. 1. 93, S. 64, führte sie unter den inzwischen herausgekommenen Schriften auf. Ihr Titel lautete: „Bei bevorstehender Wahl ein Mainzer Bürger an seine Mitbürger, Mainz 1792". Die Schrift (bestätigte das Vorhandensein einer Tendenz, die mit einer weniger herben Kritik an den bisherigen Zuständen und Verhaltensweisen eine größere Aufgeschlossenheit für die republikanische Lösung zu erreichen meinte. Da diese Richtung in den Klubprotokollen zuvor nur durch Stummes Auftreten zu Worte kam - vgl. Protokoll vom 3. 12. 92 Anm. e später aber sogar von einem solchen entschiedenen Jakobiner wie Andreas Hofmann verteidigt wurde - vgl. Protokoll vom 10. 1. 93 § [39a] - , soll der Inhalt dieser Schrift hier in vollem Wortlaut mitgeteilt werden: „Liebe Mitbürgerl Es ist zeither bei uns über dergleichen ähnliche Gegenstände so viel geschrieben und gesprochen worden, daß weiteres überflüssig scheinen möchte; allein, alles wohl überlegt, gedenke ich meine Gedanken Euch vorzulegen, nicht als glaubte ich, sie enthielten etwas Neues oder Gelehrtes, denn ich Ibin kein Gelehrter, aber ich liebe unser Vaterland, d. i. unsere Mainzer Mitbürger, und unser allgemeines Beste trotz jedem anderen; und da ich ein angesessener Mann bin, der Frau und Kinder hat, so ist mein Glück oder Unglück mit dem des ganzen Vaterlandes verbunden, darum habe ich das Recht, auch etwas mit dareinzureden. Ich bemerke vors erste, daß diejenigen, welche zeicher von einer freien Verfassung zu uns geredet oder geschrieben haben, diese Sache größtenteils als eine unserm Vaterland ganz fremde und erst neuerfundene Sache ansehen: allein die Freiheit ist in unserer Stadt und in der sie umgebenden Landschaft vor Zeiten nichts Unbekanntes, sondern im großen Werte und Flor gewesen; und wir brauchen uns nur jene Gerechtsame, welche die Fürsten, der Adel und die reiche Geistlichkeit nach und nach dem Bürger abgenommen halben, wieder bei der jetzigen günstigen Gelegenheit anmaßen und uns wieder unsere uralte Verfassung geben, um der Freiheit und Gleichheit uns zu erfreuen. Ich will Euch einen kurzen A b r i ß unserer ehmaligen herrlichen Verfassung aus einer Schrift, betitelt: „Geschichte von Mainz", darlegen, welche unser .braver und gelehrter Mitbürger, der

463

31. Dezember 1792 Professor Vogt,

kürzlich erst aus alten Urkunden zusammengeschrieben und drucken l a s s e n . * )

E s heißt darin unter a n d e r n : bei unseren V o r f a h r e n in der S t a d t M a i n z und in den umliegenden G e g e n d e n wählte j e d e G e m e i n d e ihre eigne G e m e i n d e v e r w a l t u n g oder Munizipalität aus ihren Mitbürgern ( S e i t e 2 7 ) , welche die S t a d t oder die G e m e i n d e zu verwalten und zu richten h a t t e ; -

wenn Sachen von großer Wichtigkeit vorfielen, welche das ganze

Land

( o d e r G a u ) betroffen, so versammelten sich die sämtlichen Einwohner einer G a u und beratschlagten über diese G e g e n s t ä n d e

so, w i e nun in Frankreich

die U r - und

Wahlversamm-

lungen tun. - A l s G l i e d e r des Reiches nahmen unsere G a u e ( n ) ( S . 3 1 ) und Einwohner mit Sitz und Stämme entweder unmittelbar u n d durch eigne G e g e n w a r t a l s mitteilbar durch ihre Stellvertreter

oder

Repräsentanten

teil an

der großen

Reichs-

oder

Nationalversammlung,

welche(r) jaihrlichim M ä r z u n d M a i unter freiem Himmel auf offnem F e l d e gehalten w o r d e n ; in unserer G e g e n d selbst wurden mehrere dergleichen Reichsversammlungen gehalten.

-

D i e Geistlichkeit unseres L a n d e s machte d a m a l s keinen eignen S t a a t a u s ( S . 3 7 ) , weil dieselbe noch näher a n ihrem reinen Ursprung, nämlich den Regeln des E v a n g e l i u m s , geblieben war, sie stand nicht unter eigner, sondern der bürgerlichen Gerichtsbarkeit w i e jeder andere B ü r g e r ; ja, d i e Bürger wählten selbst mit unsere Bischöfe, w o r a u s nach und nach die K u r fürsten geworden sind. - D i e Verteidigung der S t a d t und G e g e n d beruhte auf einer Stadtoder L a n d m i l i z nach Art der fränkischen N a t i o n a l g a r d e n , die ihre H a u p t l e u t e und

Führer

selbst wählte und aius bloßen Bürgern b e s t a n d ( S . 8 4 ) , die mit dem G e w e h r und den W a f f e n so gut umzugehen wußten als diie jetzigen Soldaten und mit B l u t und G u t für ihre Freiheit zu streiten gewohnt w a r e n ; man findet im Rheingau noch Spuren

hiervon.

D i e s e der jetzigen französischen V e r f a s s u n g ganz ähnliche Schilderung ist das beneidenswerte Bild unserer Vorfahren, welches aber nach und nach gegen den Willen des V o l k e s und zu dessen Schaden ist verändert worden. D e n A n f a n g machten die A d e l i g e [ n ] ( S . 5 1 ) , welche damals und a n f a n g s meistens bloße Reuter waren, welche die ehrlichen und wohlhabenden Bürger und Handelsleute auf Reisen u. dgl. anfielen, plünderten und diesen R a u b in ihre Bergschlösser schleppten, womit dann ihre N a c h k o m m e n so stolz t u e n ; sie fingen endlich an, nachdem sie reich und mächtig geworden waren, den gemeinen Bürger zu verachten, und schämten sich, mit denselben gleichgehalten zu w e r d e n ; sahen sich f ü r Wesen einer höhern Eigenschaft an. D i e Geistlichkeit, welche ehedem d e m Bürger in allem gleichgehaltcn wurde und nur durch auferbauliches und sittsames Betragen und durch Gelehrsamkeit

sich von demselben

schied ( S . 6 6 ) , fing an, durch Schenkungen reich und stolz zu werden, und so aus anfänglichen Klöstern

die reichen Domherren, welche den

unter-

entstanden

Bürger gering ansahen

und

endlich bloß dem A d e l Zutritt und A u f n a h m e in ihre K a p i t e l verstatteten, d a s zuvor allen Bürgern offenstand. Unsere K u r f ü r s t e n waren a n f a n g s bloße Seelenhirten, welche durch das V o l k selbst gewählt wurden,

um

in

allen

Tugenden

demselben

vorzugehen;

nach und

nach

maßten

sich

die

Domherrn allein das Recht an, dieselben zu wählen, und gemeiniglich wählten sie nicht d&i Würdigsten, sondern jenen, welcher sie a m meisten für ihre Stimme bezahlte. Unsere geistlichen Fürsten

ließen

mit der Zeit

jenes

d e m geistlichen

S t a n d e geziemend

einfache

und

populäre Betragen beiseite, u m g a b e n sich mit einem großen H o f s t a a t e , mit Schmeichlern, Musikanten, Köchen und allerlei Poinp und Pracht, welchefs] großen unnützen A u f w a n d fordert, den das V o l k mit seinem Schweiße bezahlen mußte, und es k a m endlich dahin, d a ß unsere Oberhäupter sich mehr um ihre kostspieligen Vergnügungsarten als um d a s Wohl ihrer H e r d e bekümmerten, für die sie hätten wachen sollen. Auf d i e s e Art, meine lieben Mitbürger! und * ) E i n e Schrift, worin jeder Mainzer seine alte V e r f a s s u n g kennen und dieselbe mit der neueren französischen vergleichen lernen kann.

464

3 1 . Dezember 1792

ohne daß es sehr merklich auffiel, sind wir in diesen Zustand der Geringachtung und der Unterdrückung geraten, und so sind uns teils mit List, teils mit Gewalt mit der Zeit unsere ehmaligen schönen Gerechtsame und die dem Bürger und Menschen von Rechtis wogen gebührenden Freiheiten entzogen worden. Es (ragt sich nun, kann man mit Fug und Recht sich seine alten geraubten Freiheiten wieder beilegen und anmaßen? Antwort: Wer wird daran zweifeln? und wer wind es einem verübeln, daß man sich mit Recht die Freiheit wieder nimmt, welche man mit Unrecht uns genommen hatte? - Denn der Mißbrauch der Gewalt gibt kein wahres Recht, sobald diese Gewalt aufhöret oder sobald man diese unrechtmäßige Gewalt uberwältigen kann, so kann man sich die Freiheit nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit wieder verschaffen. Wir finden auch im Evangelio keinen Beweis, daß dies unerlaubt sei; Jesus Christus gebietet uns, als Brüder einander anzusehen und zu lieben; also ist die Freiheit und Gleichheit, verbunden mit dem Gehorsam gegen das Gesetz, eine Haupomaxime der christlichen Religion, und wir wissen auch wirklich aus der heiligen Schrift, daß die ersten Christen, welche genauer als wir nach den Grundsätzen des Evangeliums lebten, an Rechten und selbst an Gütern sich einander ganz gleich machten, daß ihren Seelenhirten verlbaten war, nach Reichtum und fetten Pfründen zu trachten, daß sie sich bloß Schätze im Himmel, das heißt reine Sitten, erwerben sollten. - Es ist also falsch, daß in der Religion die unrechtmäßige Gewalt und der Reichtum der Priester und Fürsten gegründet sei. Wahr ist es, die Religion und die gesunde Vernunft veobietet uns, die öffentliche Ruhe zu stören und dem Gesetze ungehorsam zu sein, sie verbietet uns, Unordnungen anzufangen, und die Klugheit widerratet es, selbst gegen U(Usurpationen und unrechtmäßig erworbene Gewalt sich aufzulehnen, wenn vorauszusehen, daß diese Widerstrebungen zu nichts führen, als neue Unordnungen und noch größeres Unglück uns und unseren Mitbürgern zuzuziehen. Allein unsere jetzige politische Situation ist von diesen Einschränkungen, wie mich dünkt, sehr verschieden; und ob wir gleich würden nicht wohl gehandelt haben, wenn wir vor ein bis zwei, drei Jahren an Verbesserung unserer Verfassung hätten arbeiten wollen, so glaube ich, daß itzt im Gegenteil es die rechte Zeit ist, um uns und unseren Kindern eine anständigere, nützlichere und freiere Regierungsart zu verschaffen; um dies zu zeigen, so wollen wir einen Blick auf unsere jetzige Lage werfen und auch auf einige Zeit zurückgehen. Vor vier bis fünf Jahren war in ganz Europa noch derjenige Gang der Politik, welchen die List der Höfe seit vielen Jahrhunderten eingeführt hatte; die nach und nach eingeführten Verfassungen der Reiche schienen fest und unumstößlich durch die Macht der Heere zu sein, welche jeder Potentat unterhielt, ebensowohl um sich gegen seine Untertanen als gegen seine Nachbarn zu schützen. - Der Druck war von Jahr zu Jahr gestiegen, bis er endlich in Frankreich auf einen unerträglichen Punkt gekommen war und in eine innere Gärung ausbrach, welche die lange eingewurzelten schädlichen Einrichtungen verbesserte und, kurz, jene berühmte Revolution hervorbrachte, welche sich noch einstens in ganz Europa verbreiten wird, denn überall wird das gedrückte Volk endlich des Lastes müde werden und sein Joch abschütteln. Die Fürsten und Adligen sahen bei der französischen Revolution bald ein, wie sehr sie zu fürchten hätten, daß diese für das Volk so günstigen Einrichtungen überall großen Eindruck machen und alle Völker früh oder spät reizen würden, ähnliche Veränderungen einzuführen; die emigrierten französischen] Prinzen stellten den Fürsten vor, daß die Gefahr sie selbst beträfe, und bewegten überdies durch viele Schmeicheleien und Lügen die Potentaten, das französische Volk zu .bekriegen und zu unterdrücken. Unser Kurfürst nahm auch an dieser Verbindung teil, und aus Unüberlegtheit schickte er seine wenigen Truppen aus unserer Staut nach Speyer, da sie zu ihrer Verteidigung noch mehrere bedurft hätte; dies tat er, eh noch der Reichskrieg erklärt ward und ohne die Folgen zu berechnen, welche dieser Schritt für

31. Dezember 1792

465

seine verlassenen Untertanen und Bürger haben konnte, und ohne selbst um den Rat unserer Regierung sich zu bekümmern, deren weise Mitglieder dagegen waren. - Die Folge war. daß die Franzosen unsere Stadt wegnahmen; und es ist ein Glück, daß ihre menschlichen Grundsätze es verhindern, daß wir nicht ärger mitgenommen werden, denn es wird euch wohl bekannt sein, liebe Mitbürger, daß die Preußen zu Frankfurt und anderswo geradezu vom Bürger müssen bezahlt und unterhalten werden. Die Franken handeln a Die monatliche Beitragsquote für das einzelne Mitglied betrug 15 Kreuzer; vgl. Protokoll vom 27. 2. 93 § 300. Diese Klage über säumige Beitragszahler erscheint wiederholt - vgl. beispielsweise Protokoll vom 3. 2. 93 S 176 - und kennzeichnet keineswegs eine besondere Situation des Mainzer Klubs, denn aile Klubs hatten zu allen Zeiten die gleiche Sorge und kämpften mit den unterschiedlichsten Mitteln, aber dem gleichen geringen Effekt dagegen an; siehe Cardenal, La province pendant la révolution, S. 83. Im übrigen sagen die im Protokoll angegebenen Mitgliederzahlen klar aus, daß trotz zunehmender Furcht vor einer Wiedererobeiung durch die Preußen der Dezember 1792 keine Massenflucht aus dem Klub brachte. Das gleiche gilt für den viel kleineren Klub zu Worms, der nach dem Zeugnis des einstigen Syndikus der Reichsstadt vom 2. 1. 93 aus 40 Mitgliedern bestand, „die wenigsten davon sind Bürger [ . . . ] " (StA Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 15: 1793). Der Drucker und Herausgeber der Wormser National-Zeitung, Kramzbühler, der selbst Klubmitglied war, sprach in einem Rechtfertigungsschreiben vom 9. 6. 93 an den Kaiser von 44 Mitgliedern. (Ebenda, Fasz. 17: 1793) '

Vgl. Protokoll vom 24. 12. Punkt [5], vom 20. 12. Punkt [11], vom 14. 12. Punkt 20, 21 und vom 8. 11. 92 Punkt 12. j Das Protokoll III liefert zu diesem Punkt präzisere Angalben; es heißt dort: E s w u r d e n mehrere K a n d i d a t e n zur A n n a h m e als M i t g l i e d e r verlesen,

waren

aber bis auf einen a b w e s e n d , welcher d e n E i d ablegte u n d sich e i g e n h ä n d i g unter-' schrieb laut der A n l a g e / 8 6 / . Dieser Paragraph wurde aus dem Protokoll III übernommen.

1

Actum, den 4. Jänner 1793, [Freitag] Praeside

Förster D a s Protokoll der letzten Sitzung w u r d e verlesen.

§ 10 Z w e i M u n i z i p a l e v o n W o r m s 1 , Clausius und E [ n ] d e m a n n , w u r d e n eingeladen, unsern Sitzungen beizuwohnen. D i e Mitglieder w u r d e n verlesen, und ' „Zwei Munizipale von W o r m s " am R a n d e ergänzt. il

SAccl,

Protokolle

482

§ 11

§ 12

§ 13 d

§ 14d

2 3 4

5 6 7

8 9 10 11

4. Jänner 1793

die Aufgenommne[n] leisteten den Schwur®: ¥ucbs, Johs von Heidesheim; Kremer, Johann Daniel von Worms; Scbraud. von Worms; Scbmit von Wöllstein 2 ; Kern, Heinr[ich] von Wöllstein2. Das Protokoll vom Wachhabenden Ausschuß wurde verlesen. Und über die Motion, wie weit die Grenzen dieses Comités gehen sollen und daß desfalls ein Comité réuni müsse gehalten werden, bemerkte ein Mitglied, daß bereits die Plane für alle Ausschüsse in der Arbeit seien.b Die Commissaires für die Eingänge wurden bestimmt. Die übersetzte Dankadresse an die Pariser G[esellschaft] der Freunde der F[reiheit] und Gleichheit] wurde verlesen IV, darin man3 der Gesellschaft für die bereits erwiesene Bruderliebe und Sorgfalt für uns4 gedankt und von unserer aufrichtigen Erkenntlichkeit und Bruderliebe überzeugt hat.c Ein Mitglied stattet Bericht von seiner Sendung aufs Land ab, daß die Gauböckelheimer5, noch zu tief vom Despotismus gebeugt, ganz unempfindsam für die Menschenrechte, für Freiheit und Gleichheit seien, jedoch über ihren Entschluß - ob sie ihre alte oder eine neue Konstitution verlangten,6 hätten sie sich Bedenkzeit ausgebeten.e Wie niedergeschlagen der Bruder Meuth und Falciola 7 dies verstockte Ort verlassen - und wie erfreut er in Wöllstein8 bei seiner Ankunft einen Freiheitsbaum, mit Mütze und dreifarbigen Bänder [n] geschmückt, erblickt habe, - wie da die Furcht vor Despoten verbannt und wahrer Republikanersinn herrsche, - daß diese aus Haß gegen Unterjochung sehnlichst wünschten, von G[eneral] Custine aufgefordert zu werden, um gegen Despotenknechte, gegen Hessen und Preußen streiten zu därfen. - Ein alter 78jähriger Mann will auch noch einmal seine Mähre besteigen, und jeder will mit ihm seinen letzten Blutstropfen für Freiheit und Gleichheit vergießen. - Diese Männer9 halten auch Klubs und einen 75jährigen Greis, einen Mann voll echt patriotischem Feuer, haben sie zu ihrem Präsidenten. Der sprechende Bruder10 verlangte sonach11, daß diesen Männer[n] von unsern Schrift[en] sollen zugeschickt werden. - Unterstützt und angenommen.' Ein Mitglied machte gleiche Bemerkungen von Allgesheim - daß da H[err] Amtskeller nichts weniger als gutgesinnt, der dasige Schultheiß aber ein wahrer Republikaner sei, dem das Wohl seiner Untergebenen so sehr am

Im Manuskript: „Welsstein". „man" ergänzt. „und Sorgfalt für uns" am Rande ergänzt, das folgende „unser" entsprechend verbessert statt „der". Im Manuskript: „Gaubekelheimer". Stilistischer Umbau des nachfolgenden Satzteils, begann ursprüngl.: „wollten . . ." „der Bruder Meuth und Falciola" am Rande ergänzt statt ursprüngl.: „er", das zu streichen vergessen wurde. Im Manuskript: „Welschstein". „Männer" nachträglich ergänzt. „Bruder" zugefügt. „sonach" zugefügt.

4. Jänner 1793

483

Herzen läge, daß er in seinem eigen Hause Klubs halte. - Der Sprecher bemerkte ferner12, auch die Sarmsheimer seien vortreffliche Männer, da unterschrieben sich nicht allein alle 49 Bürger, sondern auch die junge Mannschaft war dabei, und ein alter Greis, der schon 4 Jahr lang nicht vor die Tür gegangen13, kam aufs Rathaus und wollte frei leben oder sterben14. Jedermann ist da bereit, für die Freiheit zu streiten - und der gute Alte will jährlich 100 Livres für die Freiheit opfern.« § 15 Ein Mitglied zeigt an, daß er bei seinen geistlichen Freunden verleumdet worden, indem man da angegeben, er habe über Geistlichkeit und ihre schwelgerische Lebensart gesprochen; er bat sonach die Gesellschaft, ihm öffentlich zu bezeugen, daß er niemals über Geistlichkeit, wohl aber für die gute Sache gesprochen. Die Gesellschaft gab das verlangte15 Zeugnis öffentlich und ist erbötig, solches auch schriftlich zu geben.h § 16 Das Protokoll des Unterrichtsausschusses ward verlesen - und über die Feierlichkeiten bei Pflanzung des Freiheitsbaums hat man erinnert, 1. daß der Zug ohne Rang und 2. ohne militärische Wache geschehen soll. 3. Bruder Hofmann ward eingeladen, bei der Pflanzung des B[aumes] 18 eine Rede zu halten. 4. soll das Comité de correspondance die Mitbrüder vorschlagen, welche die Deputierte [n] des N[ational]-C[onvents] und den G[eneral] Custine zur Feierlichkeit einladen sollen. 5. daß die Männer, welche den Freiheitsbaum pflanzten, rote Kappe[n] aufhaben sollten. 6. sollen dreifarbig gekleidete Schulkinden17 den Kranz für den Freiheitsbaum tragen.' Hiermit ward die Sitzung geschlossen. a Protokoll III fährt hier fort:

[ . . . und unterschrieben ihre Namen eigenhändig laut der Anlage sub /87/. •> Das Comité réuni umfaßte die Gesamtheit der Ausschüsse, durfte nur auf Beschluß der Gesellschaft zusammentreten - vgl. Protokoll vom 10. 12. 92 Punkt [2], Abschnitt V, § 2 - und ist nicht mit dem Comité général zu verwechseln, der geschlossenen Sitzung sämtlicher Kliubmitglieder. Protokoll III ist in der Wiedengabe dieses Punktes etwas präziser:

Es wurde das Protokoll des Comité de surveillance verlesen, worin vorgeschlagen wurde, noch einmal Comité réuni zu halten, um darin die Grenzen jedes Comités zu bestimmen. Ein Mitglied machte die Motion, diese Grenzenbestimmung dem Comité d'instruction zu überlassen, welches desfalls einen Plan vorlegen solle. Angenommen. Das vom 25. 12. 92 datierte Dankschreiben wurde sicher von einem Mitglied des Korrespon-

c

idenzausschusses verlesen; vgl. Protokoll vom 3. 1. 93 § 5 . Offensichtlich war Forster der Verfasser des Schriftstückes, das zunächst in französischer Sprache aufgesetzt worden war; denn

12 13 H 10 d die Ordensgeistlichen 'beikommen ihre guten Pensionen, können auch itzt Pfarreien oder Vikariate versehen, und so nutzen sie doch der Christenheit mehr als sonst, wo einige in den Abteien so viele Tausende umsonst verschweißten und andere durch ihr Betteln den ohnehin gedrückten Leuten täglidi zur Last waren. Und was haben die Franken nicht durch die ungeheueren Klos Oergüter gewonnen? Sie bezahlen damit erstens ihre Schulden >und ersparen dadurch zweitens auch viele j ährliche (n) Abgaben. Aber so christlich und so heilsam alles dieses ist, so leicht könnt Ihr doch denken, daß viele damit nicht zufrieden waren. Bischöfe, denen es nicht ums Apostelamt, sondern um die Einkün£te(n) und weltliche Pracht zu tun war; Domherren und Kanonicbe, die nicht mehr Vorzug und Einkommen als die übrigen Geistlichen behalten haben; Abteigeistliche(n), die nicht mehr ohne Arbeit Tag und Nacht schwelgen könnten, urad arme Mönche, die des Bettlens einmal gewohnt waren und lieber betteln als arbeiten wollten; allen diesen schmeckte die Neuerung der Dinge nicht, weil sie sich bei ihrem alten Schlendrian besser befanden. Sie hetzten daher die Leute gegen die neuen Gesetze auf, und um sie ganz in Gärung zu bringen, sagten sie ihnen, die katholische Religion könne nicht mehr bestehen, wenn man mit den Geistlichen das alte Wesen nicht wieder einführte. Bei vielen einfältigen Leuten brachten sie auch mit der Zeit alles so in Verwirrung und Unruhe, daß man endlich genötigt wurde, sie als Rebellen und Seelenmörder des Landes zu verweisen. Idi hoffe, daß sich meine geistlichen Mitbrüder in Deutschlande an diesem Beispiele spiegeln werden. Ich hoffe, daß sie als Jünger Christi nicht Zwietracht, sondern den lieben Frieden unter den Gläubigen stiften werden. Ich hoffe, daß sie als wahre Seelsorger ihren Pfarrkindern den Weg zur zeitlichen und ewigen Glückseligkeit zeigen und nebst der christlichen Lehre auch vortragen werden, wie glücklich sie durch die Annahme der fränkischen Verfassung werden können. Doch, liebe Landsleute! sollten noch Geistliche die Bosheit im Herzen tragen und Euch unter dem Deckmantel der Religion von Euenm wahren Interesse zu entfernen suchen, o so glaubet nur diesen Pharisäern nicht, gebet sie vielmehr bei der Regierung als Ruhstörer an, die aus ihrem Eigennutze Euere Glückseligkeit untergraben wollen. Und in der Tat, Ihr guten Leute I in der Tat ist durch die fränkische Verfassung an der katholischen Religion nichts verändert worden. Geht nur selbst nach Frankreich und erkündigt Euch um alles aufs genaueste, und Ihr werdet finden, daß ich Euch die Wahrheit gesagt halbe! Man hat noch in Frankreich dasselhige Evangelium, denselbigen Katechismus, dieselbige Lehre, die man vor hundert Jahren hatte. Man hat noch die sieben heiligen Sakramente wie sonst. Man hält noch den katholischen Gottesdienst wie soost. Mao lieset noch die heilige Messe wie sonst. iMao erkennet auch den Papst als das Oberhaupt der römischen Kirche wie sonst. Kurz, die Franken sind noch so gute Christen, als sie vorhin waren. Und bei ihrer Freiheit und Gleichheit sind sie weit bessere und glücklichere Bürger, als sie bei der alten Siklaverei waren. Dieses, liebe Landsleute 1 beherzigt und nehmet es als einen Rat von einem alten, wohlmeinenden katholischen Seelsorger an: werfet Euch in die Arme der mächtigen Franken-Republik! und Kindeskinder werden Euch noch in Euem Gräbern segnen, daß Ihr Euere ganze Nachkommenschaft glücklich gemacht habet. Mainz, den 4. Januarius im zweiten Jahre der fränkischen Republik" e Vgl. Protokoll vom 6. 1. 93 § 17. Es handelte sich um Reubells zweite Rede vom Vortage

10. Jänner 1793

h

i

i k

503

- vgl. ebenda, § 19 wie sich aus den folgenden Worten des § 35 ergibt. Obwohl Dorsch die deutsche Ubersetzung der Rede Reubells drucken zu lassen versprach, liegt kein Druck vor. Der aus Danzig gebürtige Goldschläger und in Mainz als tolerierter Protestant lebende Johann Ephraim Grön war, als er nach Biebrich ginig, in preußische Hände gefallen und nach achttägiger Haft wieder freigelassen worden; (StA Würaburg, MRA V Khibisten, Nr 268). Vgl. Protokoll vom 17. 1. 93 § 71, Anm. m. Der Wohltätigkeitsausschuß war die fünfte und letzte Ausschußgründung des Klubs; vgl. Protokoll vom 10. 12. 92 Punkt [2], Absatz V, §2. Möglicherweise war der Initiator wieder Forster, der schon am 31. Dezember eine regelmäßige Sammlung im Klub für die Armen angeregt und durchgebracht hatte; vgl. Protokoll vom 31. 12. 92 Punkt [8], Anm. d. Da diese erste Aktion zeitlich begrenzt war ¡und am 6. Januar, dem Dreikönigstag, auslief, wurde nunmehr mit der Ausschußgründung eine ständige Einrichtung zur Armenpflege durch den Klub geschaffen. Zur weiteren Tätigkeit des Wohltätigkeitsausschuses vgl. Protokoll vom 17. 1. 93 §67.' Buzini übernahm die Stelle des Sekretärs in diesem Komitee, die aber schon Ende des Monats durch seinen Klubaustritt wieder vakant wurde; vgl. Protokoll vom 29. 1. 93 § 149. Nachdem die Bemühungen, die Kochsche Schauspieltruppe zu halten, gescheitert waren - vgl. Protokoll vom 6. 11. Punkt 17 und vom 7. 11. 92 Punkt 6, Anm. f - , beschäftigte sich der Klub erstmalig wieder mit Theaterfragen. Inzwischen hatten Theaterfreunde neue Pläne entwickelt, die von der Allgemeinen Administration nicht ungünstig aufgenommen worden waren. So hatte Dorsch schon am 4. Dezember 1792 die Munizipalität wissen lassen: „Wegen Errichtung eines Liebhabertheaters findet die allgemeine Administration kein Bedenken, die Erlaubnis zu erteilen, wenn der Bürger Schmieder das dazu Nötige herbeischaffen kann." (ADp Lübben, Packen 119 - Mainzer Stadtarchiv 11/51, Tom. XXV) Die Administration gab dann auch das Startzeichen, indem sie an diesem 7. Januar der Munizipalität die folgende Mitteilung machte: „Da verschiedene junge Bürger von hier schon längst um die dem Theater zustehende Garderobe und Verzierungen angestanden haben, um das hiesige Publikum mit interessanten Schauspielen zu unterhalten, so wird der Munizipalität erlaubet, obbenannten Bürgern die vorhandene Garderobe und Verzierungen ausfolgen zu lassen und denselben solches sogleich bekanntzumachen." (Ebenda, Packen 115 - Mainzer Stadtarchiv 11/34, Tom. XVI) Zu den Bemühungen .um die Begründung eines National-Bürgertheaters vgl. Steiner, Theater, S. 126 ff. Zu der von Deyer angekündigten Rede vgl. Protokoll vom 20. 1. 93 §96.

Sitzung vom Donnerstag, dem 10. Jänner 1793 Praeside

Forster

D a s Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen. § 38 Darauf bemerkte ein Mitglied, daß in Frankreich bei den Freiheitsbäumen eine Tafel aufgerichtet sei mit der Inschrift: „Vorübergehende Nachbarn! Dieses Land ist frei. Tod demjenigen, der dasselbe angreifen will." Er wünschte, daß auch hier solche Tafel bei dem Freiheitsbaum gesetzt werden möchte. D e m Vorsprecher erinnerte man, daß dies nur für die Grenzen anginge, nicht aber in die Mitte der Stadt, so sei solche Tafel zu Straßburg an der Brücke zu sehen. Ein Mitglied behauptete, daß solche in Paris zu

504

10. Jänner 1793

sehen, und die Gesellschaft beschloß1, eine Tafel dem Freiheitsbaum beizufügen." § 39 Ein Mitglied, Gomber, Grenadier aus Macon, ward nach vorgezeigtem Certificat eingeladen, teil an unsern Sitzungen zu nehmen. [§39a Hofmann hielt die in der letzten Sitzung angekündigte Rede.] b Der gestrige Abend kam, alles war voll Erwartung. Ich, der ich die ganze Folge schon wußte, trieb, was ich konnte, die Leute hinein. Die Commiss[aire] des N[ational]-K[onvents] waren zugegen. H [ofmann] betrat die Tribüne. Man klatschte ihm wieder den lautesten Beifall. Er sagte wie am Mon(d)tage: „Klatscht nicht, mir ist's nicht drum, mich zu freuen; und Ihr werdet auch nicht Euch freuen, wenn ich fertig sein werde." Er wiederholte kurz die aufgeworfnen Fragen der Gesellschaft.0 Hierauf machte er den Eingang seiner Rede damit, daß er anzeigte, welche entsetzliche Menge Klagen gegen die Gesellschaft überhaupt und einzelne Mitglieder ihm zu Ohren gekommen seien, daß ihm das Herz davon breche und er nicht Raum genug finde, sie alle anzuzeigen. [...] Der Redner fuhr fort: „Wenn ich nicht Wahrheit rede, so ruft mir zu: Du lügst! Wenn ich aber die Wahrheit rede, so bessert Eure schändlichen Gebrechen, da es noch Zeit ist, wie es ehr lieb [enden] Menschen und braven Republikanern] zukömmt. Ich bin aufgefordert worden durch die Gesellschaft selbst. Wenn ich aber auch nicht aufgefordert worden wäre, so würde ich doch nicht geschwiegen haben, wie ich immer und zu jeder Zeit die Wahrheit und laut rede und geredet habe. Es ist nun der Augenblick nicht mehr, heimlich die Sachen abzutun; er ist verspätet, und ich muß nun öffentlich Euern Krebsschaden aufschneiden. Wenn der Magen verdorben ist, so hat man bitterer Essenzen nötig, um ihn zu kurieren; Süßigkeiten verderben den sittlichen und politischen Menschen, darum sind schöne Mädchen selten zu guten Weibern tauglich. Lacht nicht, mir ist's nit ums Lachen 1 Schreit nicht, wenn ich Euch ins Fleisch schneide, murrt nicht, scharrt nicht und laßt mich ununterbrochen reden" etc. [...] Der erste Teil enthielt die Vorwürfe einer schlechten Verfassung, der Anmaßungen, des Despotismus und der Albernheiten sowohl der ganzen Gesellschaft als einzelner Mitglieder: a) Sie hätte eine Menge verrufener, schlechter Mitglieder aufgenommen und dadurch die ehrlichen Leute verscheucht. b) Sie hätte durch ihre albernen Motionen und unnützes Gewäsche die edle Zeit, die man mit Blut erkaufen sollte, verdorben, die Volksmeinung verdorben statt zu verbessern. Hier nannte er Metternich und den Bürgerf[reund]. Metternich] hätte die Mainzer B[ürger] minorenn(es) geheißen. b) Sie hätte sich despotische] Anmaß [ungen] erlaubt, die Schrift des Handelsstandes undLennigs unterdrückt und statt zu widerlfegen] geschimpft.d c) F[orster] und W[edekin]d hätten ihren Patrioten in die Welt geschickt, 1

Davor gestrichen: „will solch", danach gestrichen: „durch Stimm", beide Male im Wort abgebrochen.

10. Jänner 1793

505

und als sie durch seinen geringen Abgang wohl hätten merken können, daß man ihn nicht wollte, hätten sie, anstatt('s) Schuld einzuziehn, noch die Gesellschaft um eine Beisteuer angesprochen. Ist das patriotisch ?e d) Sie hätten die Mainzer überall beschimpft. Forsters Brief an die Jakobiner], den er nicht vorgelesen und worin er die Mfainzer] als erbärmliche Leute und Aristok[raten] geschildert. F[orster] hätte die M[ainzer] bei den Commiss[airen] verleumdet.* e) Sie hätten Komplotte und Meutereien angezettelt, Klub im Klub gemacht, willkürlich Komiteen gemacht, sich einander zu Präsidenten] gewählt, Zettelchen austeilen lassen. Hier nannte er D[orsch], W[edekind] und F[orster] und beschuld [igte] den letzteren des criminis ambitus. Als Dforsch] hierüber heftig dagegen sprach, leugnete, rief Hofm[ann] den Lux auf. Dieser bezeugte in einer männlichen Sprache, daß ihm Zettel in die Hand gegeben worden sei, und als er unterbrochen ward, sagte er: „Man soll H [ofmann] ausreden lassen. Wenn man hier nicht mehr Wahrheit hören will, so soll man mich ausstreichen. Ich heiße Adam L[ux] und bin B[ürger] zu Kosthfeim]. D[orsch] ward zur Ruh verwiesen.« f) Nun kam er auf P[apes] Motion, seinen Brief an den K[önig] v[on] Pfreußen] und seinen Wisch über die Rel[igion] zu sprechen. Er hieß ihn einen albernen, eingebildeten, bösen Menschen, der die Rel[igion] und Volksmeinung angegriffen, den K[önig] v[on] P[reußen] prostituiert, den Kaiser ein K[ai]serche[n] und den Kölner das Pfaffchen von Köln geheißen hätte. Er nannte dies Unsinn und Buberei, er hätte die Kinder und Eltern entzweit und die gute Bürgerchaft in Furcht gesetzt. Er sagte ihm, daß es das Symptom der Dummheit wäre, etwas zu unternehmen, was immer schaden, nie aber nützen könnte. Gel(ler)t, wie dies. Mit den heftigsten Ausfällen und ohne sich einzuschränken, sagte er alles über ihn, was man sagen kann. Er schloß mit der Motion, den P[ap]e als einen verderblichen Menschen aus dem Klub herauszustoßen, als wodurch sie allein ihre Ehre retten könnten, da sie eine so schlechte Mot[ion] angenommen; ferner in einer eignen Schrift die läppische Adresse des P[ap]e anzugreifen, der seine Gesinnungen für die Gesinnungen der Gesellschaft ausgegeben. Er bewies in seiner gewöhnlichen treuherzigen] Art, indem er Zeugen anführte, daß er keine Persönlichkeit gegen ihn habe, indem er ihn gar nicht kenne. Als P[ape] dagegen aufstand und auf H[ofmann] losziehen wollte, ich sage nur: wollte, ward er durch Pfeifen, Scharren und alle nur erdenklichen Arten des Mißfallens abgewiesen. Er spielte das Präven[ire] und dankte auf der Stelle ab mit dem Vorbehalt, als Mitglied der Straßb [urger] Gesellschaft korrespondierendes Mitglied zu bleiben1.11 Der zweite Teil enthielt die häufigsten Klagen gegen die Kr[iegs]kommiss[äre], ihre heillosen Plünderungen, rechtswidrige, schändliche, himmelschreiende Prozedur gegen die unschuldig verhafteten Rheingauer', ihre Schwänke gegen die Landlfeute], denen sie die Quittung ableugneten', ihre Mißhandl[ung] und Despotisierung der Landlfeute], vorzüglich der armen

10. Jännet 1793

Rheingauer, ihre Ränke, die M[ainzer] von der Annahme der Konstitution] abzuhalten, damit man sie als Feinde behandeln und plündern könne'S ihre ausgezeichneten Mißhandlungen] derjenigen Orte, die sich erklärt hätten. Und das alles mit so vieler Energie, Leidenschaft, Wärme und Wehmut, daß alle sehr bewegt wurden. Er ging hierauf auf die Gesellschaft über und zeigte, daß sie ihre heiligsten Pflichten auf das schändlichste vernachlässigt, indem sie diesen Schindereien nicht, soviel an ihr gewesen wäre, Einhalt getan habe.1 Er bewies durch aufgerufene Zeugen, daß Blanchard und ein Sek[retär] d[es] Vill[emanzy] öffentlich behauptet hätten, die Franzosen könnten sich in M[ainz] nicht halten. „Und der General", setzte er hinzu, „setzt uns fünf Galgen auf diese Nase und droht, uns aufzuhängen, wenn wir Laien, die wir gar nichts vom Kriegshandwerk verstehen, nur an das denken, was solche Menschen öffentlich behauptet, nämlich daß die F r a n ken] M[ainz] verlassen würden."™ Merlin sprang auf: „Das ist nicht wahr!", schrie er. Sein Amtsbruder Reubell fing an zu reden. Er sagte, daß M [erlin] den H [ofmann] nicht verstanden habe. M [erlin] glaube, daß diese Behauptung eine Behauptung von H [ofmann] sei; darum habe er: Das ist nicht [wahr] I gerufen. Übrigens, versicherte er, seien die Beschuldigungen] nur zu wahr, die H[ofmann] vorbringe. Er erbat sich das Wort und bestieg die Tribüne. Nach der Erklärung, daß er zwar nicht gut Teutsch spreche, aber von Herzen rede, nach einer kurzen, aber nachdrücklichen Lobrede auf den ihm schon bekannten redlichen und patriotischen Charakter und die republikanischen] Bemühungen des braven Bürgers H[ofmann], der, wie er itzt sehr deutlich sehe, die allgemeine Liebe des guten M[ainzer] Volkes habe, nach einer nochmaligen Versicherung, daß die Beschuldigungen], die H[ofmann] gegen die Kr[iegs]kommiss[äre] vorgebracht, leider! leider! zu wahr wären, nach einem Verweise und einer Frage an H[ofmann], warum er ihnen, den Kommissfären], diese Verbrechen nicht zuerst angezeigt, da sie doch alle Bürger aufgefordert hätten, nachdem er aber auch hinzugesetzt, daß er die ganze Absicht von H [ofmanns] Rede noch nicht verstünde, erklärte er die festen Gesinnnungen des Konv[ents] und der Nat[ion], daß sie nie M[ainz] verlassen würden, daß sie stark genug wären, es gegen jeden Feind zu verteidigen] usw. „Und", setzte er hinzu, „der, der das Gegenteil behauptet, ist ein schlechter Kerl, und er muß hier sterben oder ich." Lauter Beifall, der ihn jezuweilen unterbrochen, folgte der Rede.0 [...] H [ofmann] betrat die Tribüne wieder. Er erklärte gegen die Kommiss[äre]: Die Ursache, warum' er mit den Klagen noch nicht eingekommen, sei die erstaunende Menge der Punkte, von der er noch kaum die Ubersicht geben könne. Er setzte hinzu, daß er es auch [ohne] eine Aufforderung getan haben würde, und nun wandte er sich gegen die Gesellschaft und ersuchte sie, den Kommiss [ären] den Vortrag itzt zu tun, den er durch eine Deputation] an sie zu machen ihnen heute hätte vorschlagen wollen. Der Inhalt des Vortrages, mit welchem er sich sogleich gegen die Kommiss [äre] wandte,

10. Jänner 1793

507

war folgender: Sie sollten eine Proklamation] an alle Einwohner der Stadt und des Landes ergehn lassen und sie auffordern, ihre vielfältigen Beschwerden bei ihnen einzugeben. Er bat sie, den armen Leuten die Entschädigung], die sie versprochen hätten, doch so bald als möglich ihnen angedeihn zu lassen.0 Er kam nun auf den dritten Teil seiner Rede, auf die Privatverbrechen zweener Mitglieder, welche vorzüglich dem Fortgange der guten Sache geschadet hätten, und auf die Vorwürfe, die er der ganzen Administration] qua Mitgliedern des Klub zu machen hätte. Er wiederholte noch einmal die Verbrechen des Pape und seine desfallsige Motion. Und hierauf ging er auf das andere Mitglied über, und wer, glauben Sie, wer gemeint gewesen sei? D[orsch]! Er beschuldigte ihn, daß er ohne die gehörigen und bekannten Kenntnisse um die erste Landesstelle gebuhlt, den Gen[eral] betrogen, daß er die andern Stellen nach Willkür verteilt, auf dieser Stelle seine Schuldigkeit auf die schlechteste Weise versehen, den Räubereien der Kr[iegs]kom[missäre] nicht Einhalt getan, sogar den Raub mit ihnen geteilt - wem sind die Gemälde, D[orsch], die Schütz, die Kobel[l], die Bergh[em], die in Deinem Zimmer hängen? -•>, den Nimis in das Vikariat habe eindrängen wollen unter dem schalen Vorwande, es sei nicht besetzt genug; daß er dadurch, unwissend in den Fundamenten] jur[is] can[onici], dem Vikar [iat] als einer delegierten Gewalt habe zumuten wollen, etwas zu tun, das sie nicht tun durften, nämlich zu subdelegieren. Er beschuldigte ihn ferner, daß er dem Vik[ariat] aufgebürdet habe, etwas loben zu müssen, was sie nicht loben konnten, und als sie es hätten sehen wollen, habe er's ihnen nicht gezeigt, und sie hätten's doch loben sollen. Er habe die ganze Geistlichkeit] verleumdet und nicht, wie es einem ehrlichen Manne gebührt hätte, die einzelnen Übelgesinnten angezeigt.4 „Gott weiß es, ich habe die Zunft der Pfaffen und Mönche nie leiden köilnen, aber den einzelnen ehrlichen Mann hab ich unter jeder Gestalt geliebt." Er habe sich an dem Vikariat wegen alters her reiben und dadurch zeigen wollen, daß ein kleiner, ein kl [einer] Mann auch ein großer Despot sein könne. D[orsch] klatschte bei dieser Stelle. H[ofmann] rief ihm zu: „O klatsch nicht, klatsch nicht! Ich weiß, woher Dein Klatschen kömmt." Er habe ferner in der Geschichte des Peez [Petz] mit seiner Frau nicht wie ein ehrlicher Richter gehandelt; er habe dem Advok[aten] des Peez [Petz] gesagt, wie er doch dazu kommen könnte, die Sache eines so garstfigen] Mannes gegen eine so schöne Frau zu verteid [igen]. Er warf ihm hier sein Scharwenzen um die Weiber in seinem ledigen und itzt sogar im verheirateten Stande vor. 1 Er hielt ihm und der Administration] ihr gesetzwidriges] Betragen in der Hartmännisch-Reuter [sehen] Sache vor. Er warf ihm vor, daß ihm der Kopf nach der Bischofsmütze jucke. Er hätte mit andern den großen Rat formiert, woraus sie die Administration] gemacht und worin sie alles abgetan hätten. „Für diese und noch andere Schlechtigkeiten mehr", fuhr er fort, „hättest Du verdient, daß man Dich zur Stadt hinausjagte, und wenn der

508

10. Jänner 1793

Klub die Gewalt hätte, jemanden zu verbannen, so würde ich mit Dir reden wie Cic[ero] zu Cat[ilina]: Egredere ex urbe, Catil[ina]! Aber so haben wir diese Gewalt nicht. Ich mache darum die Motion, Dich dieser Deiner begangenen Verbrechen halber als ein schädliches Mitglied aus dem Klub hinauszustoßen. - Und wißt Ihr alle Eure Gebrechen, die ich weiß; bessert siel Gute Nacht 1" E r stieg herunter.» Dorsch hatte während dem Ende der Rede sich an die Commis[saire] angenistet und suchte sie in ein leises Gespräch zu ziehen; allein sie wollten nicht anbeißen, sondern hörten aufmerksam zu. D[orsch] trat vor. E r sagte, wenn alle die Verb [rechen] wahr wären, die Brfuder] H [ofmann] mit so vieler Bitterk[eit] ihm aufzubürden sich bemühte, so verdiente er allerdings wie Cat[ilina] zur St[adt] hinausgej [agt] zu werden. E r bot sich hierauf an, sich entweder morgen oder heute noch zu verteidigen, wie es die Gesellschaft fordere. E r fürchte aber, es sei für heute schon zu späte, setzte er hinzu. Man rief: Zeitl Zeit! und es ward auf morgen bestimmt. Er forderte einen Auszug der Klagpunkte, um sich verteidigen zu können. H [ofmann] trat ans Bureau und legte seine Reder nieder: „ D a ist's, braucht's, wie Ihr wollt", sagte er. „ E s soll mir lieb sein, wenn D u Dich rein bringst, aber ich fürchte, ich fürchte, D[orsch], D u kannst's nicht." F[orster] erinnerte noch, daß er eben von H [ofmann] bemeldter Ursachen willen einen Brief in der Tasche habe, worin die Administration] um ihre Entlassung ansuche.' Man ging auseinander. « Dieser Beschluß 'bezog sich auf die für den kommenden Sonntag angesetzte Freiheitsbaumpflanzung; vgl. Protokoll vom 13. 1. 93 Anm. a : Die Schilderung des Festzuges nach Hoffmann, Darstellung, S. 579 f. b Vgl. Protokoll vom 7. 1. 93 §33. - Der Bericht über diesen Tagesordnungspunkt fehlt sowohl im Protokoll II als auch im Protokoll III, da auf Beschluß des Klubs aus beiden die Blätter herausgerissen wurden, die darüber Mitteilungen machten; vgl. Protokoll vom 11. 1. 93 Anm. j. Als Ersatz dient der ausführliche Bericht, den gleich am nächsten Tage Joseph Schlemmer als Augen- und Ohreinzeuge dem Niklas Vogt brieflich übermittelte. Dieser Bericht ist bisher lediglich von Bockenhedmer seinem wesentlichsten Inhalte nach, jedoch nicht wörtlich in einem Aufsatz wiedergegeben worden (Bockenheimer, Zwei Sitzungen, S. 10-17). Hier dagegen wird er getreu dem Original wortwörtlich mitgeteilt (Stadtarchiv Mainz, Briefsammlung Nr 165, Schlemmer an Vogt, 11. 1. 93, S. 4 f., 7 - 2 0 ) . Ein zweiter Augenzeugenbericht stammt aus der Feder des KlubmitgUeds Johann Alois Becker, der in einem Brief vom 30. 1. 93 an die ihm befreundeten Brüder Johann und Friedrich Dumont, die sich in Italien aufhielten, die folgende zusammenfassende Schilderung gab: „Von unserm Klub, der itzt im Schauspielhause seine Sitzungen hat, ist es schwer, Euch einen richtigen Begriff zu geben; ungeachtet der ungeheuern Volksmenge, die als Zuschauer kom. men, ist sein Einfluß aufs Volk noch wenig sichtbar; ein Hauptfehler liegt in seiner innern Organisation, die noch nicht so vollkommen ist, als sie sein könnte. Die Mainzer sehen es als ein Spektakel an, das sie in Ermangelung eines andern genießen; die für sie ungewohnte Sprache und die Meisterstücke von Reden, die Hofmann, Forster, Metternich und mehrere andere darin halten, imponieren zwar auf sie, aber ohne bleibenden Eindruck. Fürchterliche Debatten hatten wir schon mehrere gehabt. Neulich dauerte eine Geschichte drei Tage, die

10. Jänner 1793

509

ganz Mainz in Bewegung und Alarm setzten. Hofmann griff in einer Rede Dousch, den Präsidenten unserer provisorischen Administration, noch mehrere Mitglieder dieser Administration] nebst den französischen Kriegscommissaires a h Staatsverbrecher an; er beschuldigte sie der Eingriffe in das Eigentum der Nation und der Beeinträchtigung der persönlichen Sicherheit; er verglich den Dorsch, wenn er ihm nicht zu klein dafür schiene, mit Catilina und beschuldigte ihn gleich diesem einer Verschwörung gegen den Staat. Er ging unstreitig in vielen Sachen zu weit, aber auf Dorsch blieb trotz seiner Verteidigung noch vieles zurück. Dieser war gegenwärtig und versprach seine Verteidigung auf morgen." (Stadtarchiv Mainz, Briefsammlung Nr 151, Becker an Dumont, 30. 1. 93, Bl. 2) Ein dritter Augenzeugenbericht hat Franz Anton Krach zum Verfasser, der noch am gleichen Abend ebenso sachlich wie ausführlich die Niederschrift anfertigte. Sie war offensichtlich für den kurpfälzischen Regierungsrat Reibeid bestimmt, der zur Vertretung kurpfälzischer Interessen in das Hauptquartier Custines beordert worden war und von dort regelmäßig Berichte an die kurpfälzische Regierung nach Mannheim sandte; der Bericht des Krach liegt jedenfalls dem Bulletin aus Mainz vom 20. 1. 93 bei, das Reibeid an Oberndorff schickte und dieser unter dem 24. 1. 93 weiter nach München gelangen ließ. Krachs Bericht befindet sich dementsprechend im Geh. StA München, K.schw. 6288 1 : Correspondenz Oberndorffs 1793, und hat folgenden Wortlaut: „Mainz, am 10. im Jänner 1793 Die heutige iSitzung der Konstitutionsfreunde war die merkwürdigste, welche .seit der Entstehung der Gesellschaft ist gehalten worden. Nach mancherlei größtenteils unbedeutenden Erörterungen über die in den Protokollen der verschiedenen Ausschüsse der Gesellschaft zur Entscheidung und Bestimmung vorgetragenen Gegenstände und nach manchen eben auch nicht sonderlich merkwürdigen Vorschlägen trat Hofmann, Professor der Geschichte der Philosophie und des Naturrechts, auf und sprach, was vor ihm keiner wagte und in der Folge vielleicht keiner außer ihm mehr wagen wird. - Nach einer ziemlich weitläufigen Einleitung über die unlängst aufgeworfene Frage: ,Was müssen Volksgesellschaften wirken, wenn sie ihren Zweck nicht verfehlen wollen, und was muß die Mainzer Gesellschaft insbesondere tun, um das verlorne Zutrauen der Bürger wiederzugewinnen?', dann über den Gesichtspunkt, aus welchem er seine(r) Rede betrachtet und beurteilt zu werden wünschte, breitete er sich über die Fehler und Gebrechen der Gesellschaft sowie über die Unachtsamkeit und Sorglosigkeit derselben in Dingen, wo sie wachsam und tätig sein und zum Besten des Volkes hätte wirken und hindern sollen, mit einer erstaunenswürdigen Freimütigkeit aus, indem er die Klagen nach der Reihe hererzählte, welche das Volk über das Betragen der Gesellschaft führt. Schwere Beschuldigungen trafen den Vorsteher des Verwaltungsrates Dorsch, gräßlicher Untaten wurden die Kriegscommissarien der fränkischen Armee angeklagt. Hofmann erklärte, daß er hier nur als Widerhall der Volksstimme spreche, daß er aber im Erforderungsfalle bei den Kommissarien der Nationalkonvention als Ankläger auftreten und seine Anklagen mit Beweisen behaupten wolle. - Von Dorsch hieß es: Er sei ohne Landes- und Geschäftekenntnis auf dem krummen Wege der Aufwartung in den Vorzimmern zu der Stelle gelanget, welche er bekleide, die übrigen Stellen habe er nach Willkür mit lenksamen, seinem Willen und Ansehen unterworfenen Geschöpfen besetzt, die ebenfalls ohne Kenntnis der Regierungskunst, ohne Kenntnis der Lage und der Bedürfnisse des Landes der Verwaltung nicht gewachsen und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht gewesen seien. - Er habe sich mit den Kriegskommissarien in den Raub des Landes geteilt, woher sonst die kostbaren Gemälde von Berghem und Schütz aus den Zimmern des Kurfürsten, welche in seinen Zimmern aufgehängt seien? - Er habe, anstatt den Pflichten seines Amtes gemäß Gerechtigkeit zu befördern, dem gerechten Verlangen des ehemaligen Hofgerichtsrates Petz um Wiedererlangung seiner Kinder von seiner

510

10. Jänner 1793

nach Straßburg entwidienen Frau bei der dortigen Munizipalität und seinen Freunden durch vorläufige Briefe Hindernisse in den Weg gelegt und sich gegen einen rechtschaffenen Bürger, der sich des N Petz angenommen, geäußert: .Mein Gott, wie mögen Sie sich eines garstigen Mannes gegen ein so schönes himmlisches Weibchen annehmen?' - Er habe sich eine despotische Oberherrschaft in dqm Klub angemaßt und mit Wedekind und andern durch heimliche Austeilung von Zetteln und Unterstellungen sich und seinen Anhängern die Stelle des Präsidenten zu verschaffen und zuzusichern gesucht. - Durch ihn sei Custine übel berichtet und zu mancher Maßregel verleitet worden, die der General, von einem besseren Ratgeber geleitet, zum Besten des Volks und zur Ehre der. Frankennation unterlassen hätte. - Durch seine beständigen Neckereien an dem Generalvikariat habe er die Absicht nicht undeutlich verraten, die Räte dieser Stelle verdrossen und auseinandergehen zu machen, um auch in geistlichen Dingen sich eine Obergewalt anzumaßen und am Ende vielleicht sich die Mainzer Bischofsmütze aufzusetzen. .Wenn ich an Redekraft ein Cicero und Dorsch ein Catilina zu sein fähig wäre, dann würd ich', so sprach der Redner, ,ihm zurufen: Egredere ex urbe, Catilina I' Dorsch versuchte es einigemal, durch motionen ä l'ordre du jour den Redner zu unterbrechen, aber das ungestüme Murren und das laute Verlangen der Tribünen, daß der Redner ruhig und ununterbrochen bis an das Ende seiner Rede gehört werde, schreckte ihn von weiteren unnützen Versuchen ab. Die Verbrechen, welche den Kriegskommissarien zu Last gelegt wurden, sind schrecklich und empören jedes menschlich fühlende Herz. Raubsucht, wilde Grausamkeit, Niederträchtigkeit aller Art sind Benennungen, womit der Redner ihr Verfahren bezeichnet. Sechs Wochen lang hätten sie Landleute auf der Fronde zurückgehalten, ohne Obdach und Futter für sie und ihr Vieh. Sie hätten mit grausamer Strenge im Lande Rheingau, wo eis des kläglichsten Menschenelendes so viele Beispiele gebe, den armen dürftigen Landmann ausgeplündert und gewaltsame Gelderpressungen verübt. Hier bestieg Reubell, einer der Kommissarien des Nationalkonvents, die Bühne und sprach: Er bedauere nichts so sehr, als daß er der deutschen Sprache nicht so mächtig sei wie der vorsprechende Redner, um den Unwillen in seiner ganzen Stärke auszudrücken, welchen sein Herz über all den Greueltaten empfinde. Hofmanns Anklagen seien, soviel er im voraus, ohne dieselben untersucht zu haben, beurteilen könne, allerdings einigermaßen gegründet, und von einem so treuen und eifrigen Patrioten wie Hofmann seien nur reine, das Beste des Volks bezweckende Absichten zu vermuten. Die Nationalkonvention habe kaum die Klagen über die Bedrückungen und Ungerechtigkeiten der Kriegscommissaires gehört, als sie auch schon Kommissarien aus ihrer Mitte mit unumschränkter Gewalt zur Abhilfe und zur Bestrafung der Verbrechen abgeordnet habe. Und er schwöre es hier im Angesichte des Volks, daß er nicht eher ruhen wolle, daß er lieber sein Leben hier verlieren als die begangenen Verbrechen ungeahndet lassen wolle. Hofmann fuhr fort: Als nach der unglücklichen Geschichte von Frankfurt die Preußen im Anzüge gegen das Rheingau geweisen seien, hätten ihm die Kriegscommissaires am 4. im Christmonde v[origen] Jfahres] den Befehl zugefertiget, alles Heu, welches er nicht über den Rhein herüberbringen könne, in Brand zu stecken, und doch hätten sie, als er schon in die Gefangenschaft der Preußen geraten gewesen wäre, die Ungeschicklichkeit gehabt, 15 Wagen mit Mehl ohne alle Bedeckung über den Rhein zu schicken. E(i)lf Bürger aus dem Rheingau habe man als Verräter dieses Transports gefangen hier eingebracht, sie zusammen in ein finsteres Loch gesperrt und ihnen höchst schlechte armselige Kost gereicht. Sechs Wochen hätten sie hier in diesem unmenschlichen Gefängnisse sogar ohne Stroh zur Liege(r)stätte unverhört gesessen, sie seien in ihrem eigenen Unräte beinahe verfault, und als man nach

10. Jänner 1793

511

einem dreimaligen Verhöre keine Schuld auf sie hätte bringen können, seien die Kriegscommissairas so unverschämt gewesen, ihnen dafür, daß sie unschuldig befunden worden, eine willkürliche Geldstrafe aufzulegen. - Bei dem Palisaden- und Brandholzhiebe für die Bäckerei in dem Forlen Walde bei Gonsenheim sei der Gemeindewald ganz ausgehauen und zugrunde gerichtet worden, der Wald des Domkapitels aber unversehrt stehengeblieben. Vertraute Secretaires der Kriegskommissarien hätten sich in mehreren Gesellschaften geäußert: Wie doch die Mainzer so dumm und töricht sein könnten, zu glauben, daß die Franken die hiesige Stadt zu behaupten im Sinne hätten; und Custüne habe Galgen für die errichten lassen, welche von Räumung und Übergabe der Stadt reden würden. So hätte die provisorisch angeordnete Administration, so die GeselLsdiaft der Konstitutionsfreunde überall, wo sie hätte handeln und reden sollen, geschwiegen und nicht gehandelt, durch übertriebene Versprechungen und Vorspiegelungen irregeführt und, indessen die Kriegskommissarien durch ihre gewalttätigen Bedrückungin und Erpressungen alles Zutrauen zur Gesellschaft und zur guten Sache, alle Achtung und Liebe gegen die Frankennation verscheuchet, hätte man in der Gesellschaft mit elenden und unnützen Wortstechereien die Zeit verdorben. Die Pflicht der Gesellschaft sei es gewesen, den Bürger und Landmann zu belehren, welche Nachteile auch der menschlichst geführte Krieg unvermeidlich mit sich führe. Aber gegen Räubereien und Ungerechtigkeiten der Art, wie sie von den Kriegskommissarien ausgeübt worden, hätte sie laut ihre Stimme erheben und verhindern sollen, was zu verhindern war. Dadurch hätten sie den Dank und das Zutrauen ihrer Mitbürger verdient und gewiß erhalten. Um diese Vernachlässigung, insoweit es tunlich sei, in etwas wieder gutzumachen und nach so mancherlei Vorschlägen endlich einmal zu wirken, um das verlorene Zutrauen wieder zu erwerben, schlug der Redner vor, eine Deputation an die Kommissarien des Nationalkonvents aus dem Mittel der Gesellschaft zu ernennen und diese Abgeordnete!«] der Nation zu ersuchen, daß sie in einer zu erlassenden Proklamation das Volk zu Anbringung seiner Beschwerde einladen und den Beschädigten wenigstens einen Teil der so oft versprochenen Entschädigung angedeihen lassen möchten. Pape wurde wegen seiner unbesonnenen tollkühnen Zuschrift an den König von Preußen hart mitgenommen. Es sei ein auch dem Republikaner höchst unanständiges Verfahren, von einem Könige, der Acton sich gegen den fränkischen Gesandten erlaubt hatte, Genugtuung zu fordern. Er legte sich also in der Bay von Neapel mit seinem Geschwader vor die Fenster des königlichen Palastes und schickte einen Offizier {denselben, der jetzt vor den Schranken der N[ational]k{onvention] stand) an den König mit der ihm aufgetragenen Botschaft. Bei seinem Anländen wimmelte es von Einwohnern auf den Straßen, 50 000 Stimmen schrien: ,Es lebe die Nation I Brave Franken kommt, wir stehen euch bei!' Der König forderte Bedenkzeit und Mediation; letztere schlug ihm der Offizier ab, und zum Bedenken gab er ihm eine halbe Stunde. Die Ohnmacht dieses Königes und die Nähe der Gefahr zeigten ihm bald, was er zu tun hätte. Er erklärte das Betragen seines Gesandten für unstatthaft und verleugnete allen Anteil daran, versprach, ihn sogleich zurückzuberufen, äußerte den Wunsch, mit der Frankennation in beständiger Freundschaft und gutem Vernehmen zu leben, und beschloß mit der feierlichen Anerkennung der Republik. Sobald der abgeordnete Offizier mit dieser Genugtuung zum Admiral Latouche zurückgekommen war, schickte der König an Bord, um Offiziere und Besatzung des ganzen Geschwaders zu sich einzuladen und ihnen Erfrischung und Erholung am Lande anzubieten; allein die Antwort lautete: Republikanern ziemt es nicht, vor Königen zu erscheinen; wir brauchen nichts, und unsere Pflicht ist es jetzt, die erhaltene Genugtuung unserer Nation zu überbringen. Nachdem die N[ational]k[onvention] diesen Bericht angehört hatte, sprach der Präsident: ,Mitbürger! die Könige stehen bei uns an der Tagesordnung; ihr babt's gehört; wir haben abermals einen Bourbon überwunden; wir dürfen uns der Freude ungestört überlassen, denn dieser Sieg kostete kein Blut.'" 8 Unter den Neuaufgenommenen befand sich laut MNZ, Nr 6 vom 14. 1. 93, auch ein Bauer aus Wöllstein.

[Sitzung vom Montag]1, dem 14. Jänner 1793, im 2. Jfahr]2 d[er] fränkischen] R[epublik] [§] 48 Das Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen. Im Protokoll des Wachhabenden Ausschusses vom 12. Jänner wurde die Anzeige gemacht, daß vier Hallgarter Bürger wegen ihrer Anhänglichkeit zur f [ränkischen] Konstitution beim Einfall der Preußen Haus und Hof ver1 2

Der Anfang dieser Zeile ist durch Beschädigung des Blattes unleserlich. Im Original fälschlich: „ 1. J[ahr]".

542

14. Jänner 1793

lassen und sich itzt im dürftigsten Zustand befänden. a D a der Tagverdienst, den sie durch Holzmachen erhalten, ihnen die nötige Nahrung nicht reichte, indem sie nur 20 kr. p[ro] Tag verdienen können. Die Gesellschaft beschloß, eine Kollekte sogleich vorzunehmen, und der Betrag wurde am Bureau gezählt und mit 8 fl. 1 pf. den vier Bürgern zugestellt. -

Über Korrespondenz § 49 (.Böhmer) Ein Mitglied verlas ein Schreiben von Waffenbrüder [n], so zu Luxemburg Kriegsgefangne wären; darin beklagen sich dieselbe[n] über die üble Behandlung mit Prügel, Säbelhiebe und über das schlechte schimmlichte Brot zur einzigen Nahrung (beklagen) und verlangen Rache.b § 50 {Metternich) Ein Mitglied bemerkte aus einem Schreiben von Merseburg, der Freund sei von hier abgereiset, wo er demnach hingekommen, habe man ihm die abscheulichsten Lügen vorgelegt und seine Bestätigung verlangt, er aber habe der Wahrheit zur Steuer das Gegenteil vergewissert; man habe ihn desfalls für einen Klubisten und Emissaire gehalten und seine Handlungen genau beobachtet. - Der Freund berichtet jedoch, daß er allenthalben demokratisch und Gutgesinnte angetroffen habe. § 51 ( B [rüder] Forster) verlas die übersetzte Rede, welche Bürger Commissaire der N[ational]-C Convention] Anton Merlein von Thionvill[e] gehalten und worin die vortreffliche3 Absicht der Anwesenheit der drei Commissair[es] des N[ational]-C[onvents] gezeigt wird. Die Gesellschaft beschloß, die Rede auf eigne Kosten drucken zu lassen und den Überschuß oder Nutzen davon der Kasse des Wohltätigenausschusses zukommen zu lassen. - c Ferner beschloß die Gesellschaft, daß des Übersetzers, des B[ruders] Forster(s), im Protokoll ehrenvolle Meldung geschehen solle. Auch solle diese Rede in das Bulletin der Gesellschaft eingerückt werden.d § 52 {LebneY Ein Mitglied macht der Gesellschaft Vorwürfe, daß sie so viele Sitzungen mit zwecklosen Motionen zugebracht, wo fürs Glück der Bürger nichts getan, und schlägt am Ende der Gesellschaft vor, daß B [rüder] Hofmanns Verdienste durch ehrenvolle Meldung im Protokoll bezeugt werden sollen. - Ein Mitglied widerspricht dem Vorschlag und behauptet, daß eben ein guter Patriot keine Belobung verdiene, indem er so und nicht anders habe handeln müssen. Hofmann bemerkte darauf der Gesellschaft, daß er zufrieden war, in der alten Verfassung nicht gelobt zu werden, er wolle daher auch in der neuen Verfassung nicht belobt werdend § 53 Ein Mitglied zeigte an, daß bei der Streitsache zweier Mitglieder, {Dorsch und Hoff mann), die kostbare Motion verlorengegangen sei, eine Deputation an die Commissair[es] des N[ational]-C[onvents] zu schicken mit dem Ersuchen, eine Proklamation ins Land ergehen zu lassen, worin die durch den Krieg Bechädigte[n] vorgeladen werden und einen Teil ihres Schadens ersetzt bekommen sollen1, jedoch solle mit denen der Anfang gemacht werden 3

4

„vortreffliche" zugefügt.

{Lehne)

am Rand zugefügt.

14. Jänner 1793

§ 54 § 55

§ 56

§ 57

5 6

7 B

543

baldmöglichst5, die sich mit Handunterschrift für die Konstitution erklärt haben. Hiedurch würde das Vertrauen aufs Wort der Franken wieder eintreten und die Aufschrift der Frankenfahnen, Krieg den Schlössern und Friede den Hütten, würde alsdann auch gute Wirkung tun. Der Präsident ernennte zu Deputierten die Bruder Hofmann, Dorsch, Deuer, Böhmer. Ein Mitglied verlangt, daß das Reglement der Gesellschaft immer auf dem Tisch liegen solle. Unterstützt. Ein Mitglied machte verschiedene Motionen, und B [rüder] 6 Pape wurde zur Rechtfertigung aufgefordert, warum er sich dem Vorschlag widersetzt 7 , eine Deputation an den G[eneral] Custine zu schicken, um da den Ubelberichtabstatter zu erfahren und dem General bessere Meinung von der Sache des Hofmann (s) beizubringen, ob er allenfalls selbst der falsche Anbringer gewesen. Darauf rechtfertigte sich Bruder Pape, der Absendung habe er sich niemals widersetzt und sei selbigen Tages, wo diese Sache vorgegangen, nicht ein Mal in der Dompropstei gewesen.« B [rüder] Cotta bestätigt die Aussage, und die Gesellschaft ist damit zufrieden. Auch B [rüder] Wedekind reinigte sich über seine getanenen Schimpfreden, und die Gesellschaft bezeugte Wohlgefallen an seiner offenherzigen Äußerung.*1 Noch eine Sache sei zu erörtern, die die Sache des Volks sei. Das Volk spricht, Hofmann ist ein ehrlicher Mann, hat sich immer als ein uneigennütziger und kühner Freund seines Vaterlandes bewiesen; er hat den Franken die Magazine der Aristokraten entdeckt, er hat ihnen die wichtigsten Dienste dabei geleistet', er hat sich mehrmal [s] mit Gefahr seines Kopfes für das Beste der Nation gewagt. Er hat sich bei Gefahr eines nächtlichen Überfalls nicht gescheut, dem Feinde die Stirn zu bieten, und wich nicht von seiner Kanone; er hat durch seine Schriften und Reden die Flamme der Freiheit angefachet, er hat vor zehn Jahren schon8 die Menschenrechte verteidigt und gegen alle ihre Feinde, gegen Höflinge, Speichellecker, Pfaffen, Jesuiten und sonstige Waffen des Despotismus und gegen den Despoten selbst mit Hintansetzung aller Vorteile verfochten. Er hat gesagt und behauptet, die eingeschränkte Monarchie, die Königsmonarchie, sei das Gift der Freiheit, - Republikanismus sei die Seele des bessern Wirkens, der Weg zur Vollkommenheit.'" Er hat, als unser Despot an dem Tage der schändlichen Flucht Ludwig Capets den Untergang der Nation in Gretrys Richard Löwenherz in ebendiesem Hause beklatschtek und Banditen und Spione(n) dem Demokratismus mehr als jemals auf lauschte [n], an diesem Tage hat er

„baldmöglichst" am Rand unter Fehlzeichen ergänzt. Vor ,,B[ruder]" steht im Manuskript „1."; es wurde zu streichen vergessen, während die im § 56 ursprüngl. stehenden „2." und „3." getilgt wurden. Diese Zählung erübrigte sich für den Protokollanten vermutl. durch seinen wegen engerer Schrift erkennbaren nachträgl. Einschub: „Ein Mitglied machte verschiedene Motionen und". „widersetzt" zugefügt. „schon" zugefügt.

544

14. Jänner 1793

öffentlich zu seinen9 Kandidaten vom Katheder herab gesagt - laßt die Despoten nur klatschen, in ein paar Tagen klatschen sie nicht mehr. Er hat in dem Eingange seines Naturrechts gesagt, wenn es auch den Despoten gelingen sollte, die fränkische Konstitution umzuwerfen, so muß uns doch daran gelegen sein, die göttlichen Grundsätze, worauf sie gebaut ist, nicht zugrund gehen zu lassen. -10- Er hat sich wegen seinem Hasse gegen Despoten mehrere Inquisitionen auf den Hals gezogen. Da das Volk diese Meinung von ihm hegt, so muß man sich gar nicht wundern, daß dasselbe mit dem äußersten Unwillen aufnimmt, daß Dorsch den Beifall, den das Volk diesem Manne gab, einen gedungnen Beifall nannte.1 Dorsch muß - obschon die Gesellschaft die Privatstreitigkeiten des Dorsch und Hofmanns 11 annulliert hat - unser Volk beruhigen und seinen beschimpfenden Vorwurf widerrufen. B [rüder] Dorsch bezeugte Wohlgefallen an der Aufforderung 13 , sprach ganz als Patriot und Republikaner für die gute Sache13, und lauter Beifall war der Beweis der befriedigten Gesellschaft.1" § 58 Ein Mitglied wünscht, daß dermalen, wo wir als freie Menschen14 erkläret seien, auch die vielen Galgen beiseite geschafft würden, und 15 schlug der Gesellschaft vor - den Bürger General darum zu bitten, indem die Laternenpfähle wie zu Paris statt der Galgen dienen könnten." Dem Vorsprecher wurde bemerkt, daß die Galgen nicht für Bürger, sondern für Missetäter errichtet seien, - ferner die Stadt befinde sich im Kriegszustande sei als eine berennte Stadt anzusehen. § 59 Ein Mitglied schlug daher vor, das Comité d'instruction solle über den Belagerungszustand und über den Kriegszustand unserer Stadt dem Volke Unterricht geben. Unterstützt und angenommen.0 Damit war die Sitzung geschlossen. • Preußische Streifkorps im Rheingau hatten unter anderem in Hallgarten Franzosenfreundc arretiert und nach Koblenz verschleppt. Laut Bericht des Amtmanns Bender von Rauenthal vom 11. 3. 93 entkamen dabei jedoch der Weingärtner Christian Barth und Anton Reibert rechtzeitig nach Mainz, die zu den Initiatoren der Freiheitsbaumpflanzung in Hallgarten gehörten; (StA Würzburg, MRA V Klubisten, N r 618, fol. 45). Der dritte Hallgartner war Edmund Hombach, während der vierte Flüchtling, Valentin Schmitt, gar nicht von dort, sondern aus Erbach stammte; (ebenda, Nr 421, unfoliiert). Vgl. auch Protokoll vom 27. 1. 93 §131, Anm. i. t> Diese Petition ehemaliger Kriegsgefangener wurde am 5. Januar vom Kriegsminister dem Konvent vorgelegt und vom Moniteur, Nr 7 vom 7. 1. 93, Bd XV, S. 63 f., in vollem Wort-

9 10

11 12 13 14 10

„öffentlich zu seinen" verbessert statt der Streidiung: „mehr als jemals". Es folgt der gestrichene Satztorso: „er hat öffentlich in seinem Collegio gesagt, ich weiß, daß mir". „des Dorsch und Hofmanns" unter Fehlzeichen am Rande ergänzt „bezeugte . . . Aufforderung" zugefügt. „und Republikaner für die gute Sache" am Rande ergänzt. Es folgt eine unleserliche Streichung. „und" ergänzt.

14. Jänner 1793

545

laut veröffentlicht. Böhmer verlas die Übersetzung nicht nur im Klub, sondern brachte sie auch mit unwesentlichen Kürzungen in seiner MNZ, Nr 7 vom 17. 1. 93, heraus:

Bürgerl Wir wenden uns an Sie, um von unsern Gesetzgebern Gerechtigkeit für alle die Greuel zu erlangen, welche die Sklaven des deutschen Reichs an den Bürgel-Soldaten der fränkischen Republik verübt haben. Durch das Schicksal des Krieges zu Gefangenen gemacht, waren wir berechtigt, von diesen Unmenschen das nämliche zu erwarten, was alle Franken den Knechten der Despoten leisten, aber kaum waren wir auf dem Wege nach Luxemburg, als wir überzeugt wurden, daß der Name Mensch nichts in ihren Augen gilt. Da wir von Strapazen und Elend ganz ermattet waren, suchten sie uns durch Prügel und Säbelhiebe in die Gefangenschaft zu bringen. Bei unserer Ankunft in Luxemburg erhielten wir reichlich auf Befehl der Generale dieselben Behandlungen, und für unsere ganze Nahrung bewilligte man uns auf den Tag ein kleines schimmlichtes Stück Brot und zwei Sous\ An Pflegung der Kranken war gar nicht zu denken. Wir waren zu Fünfhunderten in einem kleinen Räume aufeinandergehäuit, wo wir eine faule, um so viel pestilenzialischere Luft einatmen mußten, da unsere unglücklichen Waffenbrüder an Krankheiten darnieder lagen. Bürger! Ist dies der Lohn für das Dekret, das unsere Gesetzgeber den 7. August zugunsten der feindlichen Gefangenen gaben? Feindliche Offiziere und Soldaten finden in Frankreich Unterstützung, ihres Lebens Unterhalt und brüderliche Gesinnung; und die fränkischen Soldaten schmachten in Ketten und Banden, unter Schmach und Elend und Streichen! Was Sklaven dann nicht zu tun gewagt hätten, als wir unter dem Despotismus lagen - das erlauben sie sich, da Frankreich frei ist. Bürger, wir schreien Rache! - nicht für uns, denn wir sind dem Vaterlande zurückgegeben, und wir werden uns auf dem Schlachtfelde rächen, aber für unsre Brüder, die noch in der Gefangenschaft schmachten! (Hier folgten eine Menge Unterschriften.) c

Merlin hielt diese Rede am Vortage nach der Begrüßung durch Forster im Klub und vor dem Abmarsch des Zuges zur Pflanzung des Freiheitsbaumes; vgl. Protokoll vom 13. 1. 93 Anm. a. Das MI, Nr 16 vom 23. 2. 93, S. 103, zeigte die deutsche Übersetzung als erschienen an; vgl. auch Protokoll vom 27. 2. 93 Anm. a. Die Rede - irrigerweise vom 12. Januar datiert hatte folgenden Titel: „Rede in der Gesellschaft der Freunde der Freiheit [und] Gleichheit zu Mainz, gehalten von Anton Merlin aus Thionville, Kommissär der Nationalkonvention bei den Armeen am Rhein, im vogesischen Gebirg und an der Mosel, den 12. Jänner 1793, im zweiten Jahre der Frankenrepublik, Mainz 1793". Sie lautete:

Mitbürger! Bekleidet mit der Macht der Franken-Republik kommen drei Stellvertreter dieser siegreichen Nation hieher, um mit dem souveränen Volke des Mainzer Landes brüderlich sich zu vereinigen; sie kommen, um laut zu verkünden, was die Vernunft und die Natur schon von Ewigkeit her für alle Völker des Erdrundes beschlossen hatte; sie kommen, euch zu sagen, daß euer Tyrann nie das Recht hatte, euch zu unterjochen. Die Franken zersprengten eure Ketten, jetzt ist's an euch, eine der Freiheit würdige Spannkraft zu äußern, und wir - wir kommen her, euch das Mittel an die Hand zu geben, sie euch auf ewig zu erhalten. 35

Scheel, P r o t o k o l l e

546

14. Jänner 1793

Eine lange, bitterböse Erfahrung hat uns gelehrt, diese Mittel auszuwählen; allein, ehe die sanften Brudergefühle euren Herzen hörbar werden können, liebe Mitbürger, muß zuvor die Hoffnung darin wieder aufsprossen, die Furcht daraus verbannt werden und vor allen Dingen das Vertrauen diejenigen zu euch zurückführen, die ein unglückseliges Vorurteil von der neuen Ordnung der Dinge entfernte; der ruhige Bewohner dieser vom Kriege - vom Kriege, der stets eine Plage ist - heimgesuchten Gegend muß nicht länger glauben, daß dies der gewöhnliche Zustand freier Menschen sei. Mainzerl ihr, die ich mit so großer Freude meine Mitbürger nennen würde, werdet klug durch unsere Torheiten. Ihr wollt die Freiheit, das schwöre ich; ich schwöre es bei dieser Gesellschaft selbst, die ihr Entstehen der heiligen Vaterlandsliebe verdankt, welche in euere Herzen flammt. Die Abkömmlinge der alten Germanier, sollten die der Sklaverei Vorzug geben können? Doch ihr wollt die Freiheit "ohne Gewitterstürme. Wohlan ! die Franken haben die Wolken berührt, und es hängt ja nur von euch ab, den Blitz abzuleiten. Das Heer der Franken saht ihr siegreich in diese Mauren ziehn, wo euch ein Priester angekettet hielt. Beim Anblick der Verteidiger der Volksrechte floh der Despot mit seinen armseligen Knechten; wie Artois, Conde und alle diejenigen, denen Gleichheit eine Beleidigung, eine Strafe scheint, so zogen auch eure Privilegierten hinweg, um Hilfe und Schutz bei demselben Tyrannen zu erbetteln, den Frankreich aus seinem Schöße stieß und dessen unmächtigen, lächerlichen Drohungen mit dem Blute seiner Knechte ausgelöscht wurden. Jenseits des Rheins harren sie des Augenblicks, um zu entrinnen; aber von hier, von dieser Stätte aus werdet ihr das Grab erblicken, das vier mächtige Heere der Republik ihnen bereiten. Das eine steht im preußischen Geldern, 56000 freie Franken unter Custines Befehlen verteidigen diese Stadt und ihre Grenzen. Wenn dann auch neuerlich einige Bürger - was sage ich Bürger? - wenn etliche dieses Namens unwürdige Menschen die Schande dem Tode vorgezogen haben, wenn sie vergessen konnten, was sie dem Vaterlande schuldig waren, so ist die Verachtung von ganz Frankreich die Strafe ihres Verbrechens geworden. Die übrige Armee aber wird euch jederzeit ins Gedächtnis zurückrufen, was der Mut der Franken vermag. Bald werdet ihr Zeugen der Taten sein, wozu die Liebe der Republik sie anzuführen vermag. Glaubt ihr's - o glaubt es nimmermehr! daß jene Sieger, die damals den so mächtigen König der Preußen zu Boden warfen, jene Sieger, die an der Mosel vordringen, noch die Armee eines Tyrannen fürchten werden, von der sie die Hälfte auf denselben Ebenen von Champagne verscharrten, wo Attilas Heer eine unermeßliche Grabstätte fand! So müsse dann die Furcht, verlassen zu werden und unter eures alten Tyrannen Zuchtrute zurückzukehren, nie wieder eure Republikanerseelen erschüttern. Horcht nicht länger auf die Einlispelungen heimlicher Werkzeuge des ehemaligen Despoten. Sie verbreiten unter euch die verpestete Luft der bürgerlichen Zwietracht und würden sich überglücklich schätzen, wenn sie eure Entscheidung über die für euch passende Regierungsform nur einen Augenblick verzögern könnterf. Bürger! Die Kunst aller Tyrannen, denen es an Kräften fehlt, war von jeher die List, sich in die Zeit zu schicken, niedrig zu schmeicheln, Trennungen zuwege zu bringen,

14. Jänner 1793

547

um nach und nach sich ihrer verlornen Gewalt von neuem zu bemächtigen. Erdrückt daher die Schlangen, die sich in euren Busen wärmen, und verschließt das Ohr ihrem verräterischen Gezische, womit sie euch zur Knechtschaft zurückrufen wollen. Man malt euch eure Lage mit schrecklichen Farben, um das Feuer des Patriotismus in euch auszulöschen, oder man wehklagt über die Unglücksfälle des Krieges, um euch von einer Verfassung abzubringen, die gegen alle Tyrannen Krieg führt zugunsten aller Völker. Finstre, übertriebene Bilder werden euch vorgehalten, um euch unverändert an den Aberglauben und an Schwärmerei, die stärksten Stützen der Tyrannei, zu fesseln. Glaubt ja nicht, Mitbürger, daß dies immer nur unüberlegte Schreier sind; ihr könntet mir freilich einwerfen, daß vom offenbaten Freunde des allmächtigen Despotismus sich nicht vermuten läßt, er könne nach dem Fall des Tyrannen plötzlich sein Betragen ändern. Allein, wäre nicht euer Priester gar zu ungeschickt, wenn er nur diejenigen, die ehemals vor seinem Thrönchen krochen, dazu brauchen wollte, euch irrezuführen? Es gibt ja eine andere Klasse von Menschen, deren alleinige Triebfeder ihr Privatinteresse ist; heute sind sie Franken, morgen Preußen, wenn die Frankenarmee geschlagen würde. Es gibt Menschen, die sich an die Revolution hängen, weil sie ihnen Ämter gibt, andere aber, die sich von ihr entfernen, weil Pfaffen und Mönche ihre nächsten Verwandten sind und sie nicht länger von dem Fett der Kirchen sich mästen können; es gibt Menschen, die sich ein Geschäft daraus machen, Familien zugrunde zu richten, die ihren Reichtum in den Schlund der Schikanen zu stürzen gewohnt sind, und diesen mißfällt eine Revolution, die ihnen die Krallen beschneidet. Ich würde nicht fertig werden, wenn ich euch gegen alle diejenigen warnen müßte, die zwar die Grundsätze unsrer Verfassung zugeben müssen, aber ihr aus Eigennutz, der ihnen lauter als Vaterlands- und Freiheitsliebe spricht, entgegenarbeiten. Unsere Revolution hat trotz ihren zahlreichen Feinden in Frankreich gesiegt, und auch in Mainz wird sie den Sieg behalten. Glücklicherweise hat die Mehrheit nicht von Mißbräuchen und Unordnungen gelebt, und diese Mehrheit ist's, die allen Leidenschaften und allen Schurken Stillschweigen gebieten wird; diese Mehrheit verlangt neue Gesetze und eine neue Verfassung; sie wird sich auch diese Gesetze aneignen, und der Elende, der sich von den schmutzigen Überbleibseln nährte, die man ihm aus der Höhle des ehemaligen Tyrannen von Mainz aus Gnaden zuwarf, wird unter der Gerechtigkeit dieser Gesetze zu Boden sinken; auf diesen Gesetzen wird das Reich der Gleichheit ewige Wurzeln schlagen und über den Trümmern des Throns und des Szepters aufwachsen. Ihr glücklichen Gläubiger der Natur, die ihr diese Mehrheit ausmacht, euch rede ich an, ihr friedlichen Landbewohner, die ihr die ganze Last des Tages ertragen muß[te]t, um reiche Prasser zu ernähren. Euch insbesondere will ich das heilige Buch der Natur vorhalten, ihr seid ihr näher und versteht ihre Stimme. - Freunde! Duldet es nicht, daß man euch jene unschätzbaren Vorteile wieder entreiße, die wir euch mitgebracht haben, duldet es nicht, daß man euch die Gleichheit entreiße! Der Baum der Feudalität beschattete mit seinen giftigen Zweigen eure fruchtbaren Dorfschaften, den unbedeutendsten Teil eurer Ernte durf[te]t ihr kaum euer nen35'

548

14. Jänner 1793

nen. Jetzt wollt nur die Freiheit, wollt sie nur, und das Notdürftige wird euch nie wieder mangeln; nie werdet ihr darben und euren Kindern den Bissen Brots, mit eurem Schweiß betaut, aus dem Munde reißen müssen, um den Ubermut eines müßigen Domkapitels oder eines so verschwenderischen als grausamen Herrn zu füttern. Schließt euch fest an ein Vaterland, verteidigt eine Revolution, die mit einem Schlage alle lästigen herrschaftlichen Gefälle und Abgaben, alle Fronden und Leibeigenschaften und Zehnten aufhebt; kämpft, wenn's nötig wäre, kämpft für Gesetze, die es nicht mehr erlauben, daß man die Abgaben nach den Bedürfnissen des Hofes, sondern nach den[en] des Staats berechnet. Von nun an wird sich der öffentliche Schatz nur mit geringen Geschenken füllen, die man dem Vaterlande macht, um dagegen Friedefn] und Segen einzutauschen. Freunde! wie verlangt mich, den gesamten Franken zu verkündigen, daß das Mainzer Land die Stimme der Freiheit gehört habe, daß diese schönen vom Rhein befruchteten Gefilde nicht länger vom jämmerlichsten aller Tyrannen - von einem Pfaffen - ausgesogen werden, daß Gleichheit, Ackerbau und Handel sie bereichern und bewohnen. Bürger! dieser glückliche Zeitpunkt ist nicht fern; schon ist er euer, wenn ihr allen Privathaß begrabt und euch zum allgemeinen Wohl vereinigt; wenn ihr auf die Verräter ein wachsames Auge richtet und das Glück des Vaterlands allein bezweckt. - Bisher beschäftigten euch oft kleinliche oder ärgerliche Debatten, ihr setztet Menschen an die Stelle der Sachen, ihr wurdet heftig und bitter und gabt euren Feinden Stoff zum Gelächter. Ha! atmet Tyrannenhaß, entreißt ihren Knechten die Larve, bewacht jene Elenden, deren Macht auf Irrtum und der Leichtgläubigkeit der Völker beruht; vor allem aber raubt dem guten Bürger nicht den Mut, der euch mit Rat zur Seite geht, der seine Zeit und sein Vermögen opfert, um Licht unter euch zu verbreiten. Hochmut stelle sich nicht auf den Platz der Tugend; Fähigkeit und Talent erwarte seinen Beruf, ohne sich zu beklagen, daß es ungekannt nicht aufgerufen ward; der Neid träufle sein Gift nicht mehr; still und ohne gleich verstoßen zu wollen, höre man den Mann, der den Mut hatte, einen andern zur Rechtfertigung zu nötigen. Ihr Verteidiger der Priesterschaft und nicht der Religion, befolgt doch endlich die Vorschriften der Religion und stoßt doch euern Bruder nicht in den Abgrund, anstatt ihm hilfreich die Hand zu reichen. Ergänzt durch euern Rat, was ihm an Kräften, an Kenntnissen fehlt, ihr! die ihr die Bedürfnisse des Landes kennet, und raubt ihm nicht das Zutrauen, ohne welches man nichts für seine Mitbürger vermag. Möchte diese Rede, die mir wahres Menschengefühl [eingibt] und der Wunsch, die echten Grundsätze der Freiheit [einzuführen] bei einem Volke, dessen Freimütigkeit und seiner Voreltern würdige Tugend mir eine Zuneigung und Hochschätzung einflößt, die ich ungern wieder aus meinem Herzen tilgte, möchte diese Rede die glückliche Wirkung hervorbringen, die ich davon erwarte. Verfechtet das Vaterland, ihr, meine tapfern Waffenbrüder, Franken, Republikaner; ihr habt eine zweifache Sendung zu erfüllen, erleuchtet die Völker, die ihr mittelst der Waffen eurer Freiheit teilhaftig macht, über ihre Rechte und Pflichten. Der jüngste Tag der Kriege naht heran, der erwünschte Augenblick ist da!

549

14. Jänner 1793

Jetzt, jetzt strengt alle Kräfte an, noch ein kraftvolles Bestreben, und in wenigen Stunden ist das Weltall frei! Der Himmel hat in jenem Lager vereinigt, was von Trabanten der Despoten noch übrig ist; wer seine Familie, sein Weib, seine Kinder wiederzusehen verlangt, wer sie, diese kostbaren Pfänder, die er verließ, um das Heil des Vaterlands zu erkämpfen, noch einmal umfangen will, der nehme die glückliche Vorbedeutung an, der fürchte nicht, sich über die Leichname röchelnder Sklaven einen Weg zu bahnen. Was fehlt uns dann noch zum Siege? Wenn unsere Armeen beisammen sind, so ist ihre Zahl schon allein hinreichend, um die Erde vor allen Ungeheuern zu reinigen, die sie in Ketten halten. Freunde! Eure Brüder, die unter den Mauren der Bastille, zu Nancy, auf dem Marsfelde, in der Ebene von Chalons, auf den brennenden Basteien von Rüssel und Thionville, zu Speyer und Frankfurt fielen, alle diese edlen Franken, lebten sie noch heute, würden euch die Ehre, die ersten im Kampfe zu sein, streitig machen. Seht euer Frankreich Rache für sie und Freiheit für sich selbst von euch fordern, die Welt bestimmt euch im voraus unsterbliche Siegskränze, und die Nationalkonvention bereitet euch einen Triumph. Die kommenden Zeugungen drängen sich voran, sie wollen frei geboren sein, das Schicksal der Gegenwart und Zukunft ist in euren Händen und hängt von dem Erfolg eurer Waffen ab - wie kann er denn noch zweifelhaft sein? Bürger Soldaten und Soldaten Bürger, Mainzer und Franken, die ich zusammen an mein Herz drücke, erinnert euch, daß alle Menschen Brüder sind und daß das Wort: Fremder, Ausländer eine Erfindung des Despotismus ist. Der Krieg verursacht unvermeidliche Verheerungen; doch Mainzer! das Vaterland ist da, sie gutzumachen; Franken! der Krieg verursacht unvermeidliche Verwüstungen, das Vaterland ist da und ruft euch zu, sie zu mildern. Mainzer und Franken! rechnet zusammen auf das Vaterland; laßt euch die Opfer nicht zu schwer dünken, die ihm dargebracht werden müssen: Bald glücklich miteinander auf ewig, werden wir uns die Greuel der Tyrannei und vergangener Leiden nur so erinnern, wie der Reisende im ersehnten Hafen sich der Stürme und Gefahren und der Arbeiten erinnert, die sein Mut und sein Beharren besiegte. d

Offensichtlich war der Ende Dezember geborene und bekämpfte Gedanke der Herausgabe eines eigenen Klubjournals -

vgl. Protokoll vom 23. 12. Punkt [12] und vom 27. 12. 92

Punkt [3] - immer noch lebendig, obwohl es dann doch nie zu einem solchen Bulletin kam; vgl. auch Protokoll vom 17. 1. 93 § 72, Anm. n. c

Trotz der Gegenstimme von Hofmann selbst hielt Lehne doch noch seine Lobrede; vgl. § 5 7 . Forster schrieb darüber am 20./22. 1. 93 seiner Frau: Hofmanns Anhänger „machten Motionen unter allerhand jesuitischen Vorwänden, wodurch sowohl Wedekinden als Dorschen die einzelnen Worte, die sie gegen das Publikum in der Hitze ausgestoßen hatten, vorgeworfen und sie gezwungen wurden, solche zurückzunehmen und zu entschuldigen, Hofmann hingegen ein Lob im Protokoll für seinen Patriotismus beigelegt wurde. Es war ganz umsonst, sich dieser abgekarteten Sache widersetzen zu wollen, wenn man den Klub nicht sprengen wollte".

1

Die Motion war von Hofmann gemacht worden, der damit auf einen Vorwurf reagierte; vgl. Protokoll vom 10. 1. 93 § [39a],

Reubeils

550

14. Jänner 1793

s Die Behauptung Papes, sich der Absendung einer Deputation nicht widersetzt zu haben, steht im Widerspruch zum, Bericht Schlemmers; vgl. Protokoll vom 11. 1. 9 3 S [40a]. Die Dompropstei war der Sitz Custines, seitdem das Schloß als Lazarett benutzt wurde; vgl. Protokoll vom 4. 12. 92 Anm. c. h

Die in den §§ 55, 56 und zum Teil audi 57 protokollarisch {estgehaltenen Klubäußerungen werden in dem für Vogt angefertigten Bericht von Schlemmer durdi verschiedene Details ergänzt. Nach ihm folgten auf die denkwürdigen Sitzungen vom 10. und 11. Januar weitere Demütigungen für die Gegner Hofmanns: „In der zweitfolgenden Sitzung machte der junge Deier drei Motionen, von denen die erste den Wet[ekind] betraf, welcher bei einem Disput zwischen Merlin und Potoki gesagt hatte: Die, die nicht so dächten und sprächen von den Tyrannen (es war von Pap[es] Sprache gegen den K[önig] v[on] P[reußen] die Rede), wären Hundsfötter. W[edekind] mußte widerrufen. Die zweite den P[ape], als welcher sich dem Vorschlage, eine Deputation, das Mißverständnis zu berichtigen, an den Gen[eral] zu schicken, opponiert hatte. E r mußte beteuern bei seiner Ehre, daß er es nicht gewesen sei, der dem Gen[eral] diese falsche Meinung gegen H[ofmann] beigebracht habe. Die dritte gegen D[orsch], welcher widerrufen mußte, daß die Galerien erkauften Beifall gegeben hätten. Es wurde in dieser Mot [ion] weitläufig mit Präzision und Schlauheit über H [ofmanns] Verdienste sowohl um die Vorbereitung zur Revolution als um die Franken selbst gesprochen und hieraus gezeigt, daß auf einen solchen als verdient allgemein anerkannten Mann notwendig ein schwärm [erisdier] Beifall des Volkes fallen müßte. Mit vieler Gewandtheit brachte der Redner bei dem Vortrag seiner drei Motionen die Ehre der Gesellschaft und des Publikums (das er mit keinem andern als dem schmeichelhaften, hochklingenden Namen das Volk nannte) ins Spiel, indem er sich als den Verteidiger] des Volkes darstellte. E r forderte alle jungen Leute, seine Mitschüler, auf, die Wahrheit seiner Data zu bezeugen."

(Stadtarchiv Mainz,

Briefsammlung

Nr 165, Schlemmer an Vogt, 14. 1. 93, S. 3 1 - 3 3 ) Vgl. auch oben Anm. e. '

Vgl. Protokoll vom 26. 10. 92 Anm. d und vom 10. 1. 93 Anm. i.

i

Vgl. Protokoll vom 12. 11. 92 Punkt 14, Anm. h.

k Vgl. Protokoll vom 23. 11. 92 Punkt 2, Anm. d. '

Vgl. Protokoll vom 11. 1. 93 § [40a],

m

Über Lehnes Lobrede auf Hofmann berichtete Schlemmer an Vogt: „Der junge Lehne betrat noch die Tribüne und hielt eine Lobrede auf Hofm[ann] und machte am Schlüsse derselben die Mot[ion], daß Hofmanns seiner Verdienste um die Gesellschaft halber im Protokoll ehrenvolle Meldung getan werde. Beinah allgemein beschlossen."

(Stadtarchiv Mainz,

Briefsammlung

Nr 165, Schlemmer an Vogt, 14. 1. 93, S. 33) Vgl. auch oben Anm. e. « Vgl. Protokoll vom 10. 1. 93 § [39a], Anm. m. °

Bisher war die Stadt am 13. Dezember nur in Kriegszustand (État de défense) versetzt worden; eine im MI, Nr 100 vom 15. 12. 92, S. 781 f., publizierte Bekanntmachung der Munizipalität vom 13. 12. 92 hatte dazu ausgesagt, „daß nach der unterm 13. dieses [Monats] von dem Bürger General Custine erhaltenen Zuschrift die hiesige Stadt in den Kriegszustand erkläret sei, welche Erklärung nach den Grundsätzen der fränkischen Konstitution zur Folge hat, daß alsdann in diesem Falle die Stadtpolizei der gewaffneten Gewalt und der Munizipalität unterworfen ist; als wo(r)nach jedermann aus dem Grunde besonders sich zu richten hat, weil in diesem erklärten Zustande der Stadt strengere Maßregeln und größere Behutsamkeit als in Friedenszeiten beobachtet werden müssen." Der Belagerungszustand (État de siège), womit die gesamte Exekutivgewalt an den Festungskommandanten überging, wurde über Mainz am 26. Januar verhängt; vgl. dazu Protokoll vom 20. 1. 93 Anm. c.

16. Januar 1793

551

[Mainz, den 16. Januar 1793, Mittwoch; französische Sitzung]" [1] Rede des fränkischen Bürgers Bois, gehalten den 14. Jänner in der französischen Sitzung der Gesellschaft der Freunde der Fr[eiheit] und Gl[eichheit] in Mainz. b » Vgl. Protokoll vom 12. 1. 93 Anm. a. b Titel einer Flugschrift, einen halben Bogen stark und im Oktavformat gedruckt, die im MI, Nr 16 vom 23. 2. 93, S. 103, zum Verkauf angeboten wurde. Unter dem gleichen Titel wurde die Rede in zwei Teilen sehr viel früher von der Wodienschrift Der fränkische Republikaner, Nr 10 vom 25. 1. 93, S. 7 3 - 7 8 , und Nr 11 vom 1. 2. 93, S. 8 1 - 8 2 , abgedruckt. In beiden Fällen handelt es sich um die Übersetzung der am 16. Januar natürlich in französischer Sprache vorgetragenen1 Rede. In deutscher Sprache wurde sie im Klub am 28. Januar verlesen; vgl. Protokoll vom 28. 1. 93 § 140. Eindeutig irrig ist die Datierung vom 14. Januar, denn an diesem Tage fand keine französische, sondern eine deutsche Sitzung statt, und in dieser ist Bois, wie das Protokoll bezeugt, nicht aufgetreten. Es besteht allerdings auch keine absolute Gewißheit, daß die Rede am 16. Januar gehalten wurde; da sie erstmalig am 25. Januar gedruckt vorlag, kann Bois sie auch noch auf den andern beiden französischen Sitzungen, nämlich am 19. oder 23. Januar vorgetragen haben. Diesen Möglichkeiten gegenüber hat jedoch der 16. Januar den doppelten Vorzug, erstens dem irrigen Datum vom 14. Januar am nächsten zu liegen und zweitens der Besorgung von Übersetzung und Druck einen größeren zeitlichen Raum zu gewähren. Der Text der Rede von Bois lautete:

Bürger! Meine Gesinnungen habe ich im Schöße dieser Gesellschaft schon erklärt. Was ich euch jetzt vortragen will, gründet sich auf die nämlichen von mir schon entwickelten Grundsätze, auf Freiheitsliebe und Priester- und Fürstenhaß. Ich halte es itzt nicht mehr für nötig, euch das Gemälde der von jenen Ungeheuern verübten Frevel nochmals vor Augen zu legen. Ihr kennt sie. Itzt braucht man nicht mehr die Augen aufs Vergangene zurückzuwenden. Ihr wäret Sklaven. Itzt öffnet sich euch der Tempel der Freiheit. Diese Göttin Frankreichs erwartet euren Weihrauch und eure Huldigung. Tretet furchtlos ins hohe Heiligtum, das sie bewohnt. Vor ihr fallt nieder und vor Tyrannen stehet auf. Nur zu lange wart ihr der Macht eines Priesters Untertan. Vergeßt die Tage eurer Knechtschaft; nehmet die Würde freier Menschen wieder an und schwöret mit uns, nimmermehr wieder Ketten zu tragen. Bürger! was ein Volk will, das kann es auch. Die Franken, die euch mit ihrem Beispiel vorgegangen, sind bei euch, um euch mit ihren Armen aufzuhelfen. Keine Menschenmacht kann euch jene Rechte rauben, die wir euch wiedergegeben haben, wenn ihr ihres Genusses würdig und fest entschlossen seid, sie zu behaupten. Ich muß euch aber offenherzig sagen, ich fürchte, daß Vorurteile, Angewohnheit zu gehorchen - daß ein sträflicher Egoismus euch vefleiten möchte, die Freiheit bloß für ein Gut anzusehen, dessen Erwerb zu teuer wäre und ohne welches der Mensch doch noch glücklich sein könnte. - Der schimpflichen Ruhe der Sklaverei gewohnt, scheuen vielleicht viele unter euren Mitbürgern die geräuschvolle Lebensart der Freiheit. Was ist aber jene Ruhe, die der Despotismus gewährt? Was anders als das Unvermögen des Volks, seinem Unterdrücker zu widerstehen! - Gibt's aber für gerechte und empfindsame Menschen, gibt's auf Erden Ruhe, wenn Tugenden unbelohnt und Verbrechen ungestraft

552

16. Januar 1793

bleiben? Nein! für Gerechte ist diese Scheinruhe eine Marter! - Ha! kann er glücklich sein, wenn er seinesgleichen leiden, wenn er das Laster mit frecher Stirne herrschen und die Sorge, andere zu regieren, den niederträchtigsten und lasterhaftesten Leuten anvertrauet sieht? - Nein! diesen lethargischen Schlaf, diesen Tod der Seele, der die Menschheit schändet und die Macht der Unterdrücker ausmacht, verspricht die Freiheit nicht! Nein! sie setzt den Menschen in die edle Ausübung seiner Rechte ein, sie sichert Talenten und Tugenden gerechte Belohnungen zu; sie straft mit gleicher Hand den Mächtigen wie den Schwachen. Vor ihr haben alle Menschen die nämlichen Vorteile zu hoffen und die nämlichen Strafen zu fürchten - und so ist ein Mensch dem andern gleich. Welche Seele wäre so gefühllos, so tief herabgesunken, daß sie dem edeln Gebrauche ihrer Kräfte die elenden und erbärmlichen Vorteile ruhiger Sklaverei vorziehen wollte! - Der freie Mensch kann sagen: handle ich recht, so brauche ich nichts zu fürchten; das Gesetz schützt mich gegen alle Gewalt; der Frevler, der mich beleidigt, wird gestraft. - Der Sklave hingegen muß immer zittern, muß sich sogar für den Launen der Knechte eines übermütigen Herrn fürchten. Und wagt er's zu klagen, welches Gesetz kann er wider diejenigen anrufen, vor deren Willen die Gesetze verstummen müssen? - . O Freiheit! Ohne dich ist der Mensch das verächtlichste unter allen Geschöpfen! Ohne dich gibt's kein Recht auf Erden. Der Boshafteste und der Stärkste spielen den Meister. Die Tugend ist ein leerer Name und Glückseligkeit ein Hirngespinst. Eilet also, Bürger! eines so kostbaren Guts euch würdig zu machen, und seid überzeugt, daß man es nicht zu teuer erkaufen kann. Von dieser Uberzeugung einmal durchdrungen, werdet ihr fühlen, wie euer Mut wächst. Freimütig sag' ich's euch, es fehlt euch an Kraft, - euer Charakter und eure Sitten müssen sich ändern. Ermannet euch auf den Ruf des Vaterlands! Laßt alle Furcht schwinden! Ihr seid von euren Freunden, von euren Brüdern umringt. Kämpft mit ihnen, wenn's nötig ist, und wollt ihr lernen, frei sein, so lernt, euch dem allgemeinen Besten aufzuopfern. - Aber, Bürger! ist's möglich? Beim geringsten Anscheine eines Unglücks der fränkischen Krieger zittert alles zu Mainz. Es scheint, der preußische Despot, den wir aus unsern Ländern, in welche er nur durch viele Verrätereien eindringen konnte, vertrieben haben, wolle auf diese Stadt losgehen und sich ihrer bemächtigen. Wißt ihr denn aber nicht, daß, ehe er sich ihrer bemeistern kann, seine Sklaven mit Helden zu kämpfen haben und daß er nur über unsere blutigen Leichen hier eindringen könnte? Aber nimmermehr wird er sie auch nur angreifen können. - Doch gesetzt einen Augenblick, Mainz hätte eine Belagerung auszustehen! Gut! und was braucht ihr euch darum zu fürchten, zu zittern? Am Glücke unserer Waffen zu zweifeln? Ein Heer, entschlossen zu siegen oder zu sterben, ist immer des Sieges gewiß. Ha! schwache Mainzer! ihr sähet die tapfern Pariser nicht, wie sie, von sechzigtausend Mann, die der Despotismus herbeirief und anführte, umringt, an Einem Tage aufstanden, die Waffen ergriffen, den Thron des Tyrannen darniederstürzten! Ihr sähet nicht, wie ganz Frankreich, diesem edeln Beispiele nacheifernd, Freiheit und Gleichheit und jenen heiligen Eintrachtsbund schwur, der die Stärke eines freien Volkes ausmacht! Ihr sähet es nicht, wie die

16. Januar 1793

553

unsterblichen Städte Ryssel und Thionviüe allen Schrecken der entsetzlichsten Belagerungen trotzten und die Bomben und glühende Kugeln unter dem erhabenen Ausruf: es lebe die Nation! es lebe die Freiheit! empfingen. Ihr sähet es nicht, wie Hausväter ihre Weiber und Kinder verließen, um nur ihr Vaterland zu schützen! Endlich hat das Glück ihren unerschrockenen Mut gekrönt. Die Mietlinge der Tyrannen sind verjagt worden. Zwar sind viele unserer Brüder auf ihren Posten gestorben, und es gibt keinen Franken, der nicht bereit wäre, ihnen nachzueifern. Wer die Rechte eines Menschen nicht zu behaupten weiß, verdient nicht den Namen eines Menschen. Seit drei ganzen Jahren, so das Panier des Aufstandes unter uns aufgesteckt gewesen, gibt's kein Opfer, das wir nicht der Freiheit gebracht hätten. Gut! meint ihr nun wohl, daß nach so vielen Arbeiten, Strapazen, Gefahren auch nur Ein Franke über das murre, was er noch tun soll? Neinl keine Seele unter uns ist so feig, einen so schimpflichen Gedanken zu hegen. Vaterland! Freiheit! dies sind die Gottheiten, die wir an die Stelle unserer ehemaligen Götzen stellen. Vaterland und Freiheit, die sind's, denen wir dienen, die wir anbeten! Für den Ruhm unsres Vaterlands, zur Befestigung unsrer Freiheit wollen wir alle, wenn's nötig ist, unser Leben aufopfern. Zeugen sollen mir's die braveil Krieger, die mich hören, zeugen die heilige Asche unsrer Brüder, die auf Schlachtfeldern der Wut der Tyrannen geopfert wurden! Und zeugen sollen mir's jene Tyrannen selbst; die so oft Zeugen unsrer Siege sein mußten I Ihr aber, Mainzer Bürger! was habt ihr bis auf den heutigen Tag für die Freiheit getan? - Nichts! Ihr habt zwar die fränkischen Krieger aufgenommen - aber euer nachheriges Betragen wird uns erst die wahren Beweggründe erklären, wonach ihr gehandelt habt. Sähet ihr uns für Brüder an, welche kamen, euch eure Rechte wiederzugeben und euch von euren Tyrannen zu erlösen: so habt ihr euch nicht geirrt, und dieser Begriff, den ihr euch von uns gemacht habt, muß euren Gesinnungen Ehre machen. In dieser Voraussetzung denke ich, daß die meisten unter euch, durch Vernunft und Erfahrung belehrt, sich nach einer Staatsverfassung sehnten, worin die Menschen einander gleich sind und keinen andern Herrn als das Gesetz über sich erkennen. Sähet ihr aber die Franken nur für furchtbare Feinde an, die man aufnehmen müsse, um nicht von ihnen mißhandelt zu werden; war's bloß Furcht, die euch leitete: - dann halte ich euch nicht mehr der Freiheit, der Hochachtung freier Menschen würdig - und dann beweist mir auch nichts, daß, wenn die Preußen sich hier zeigten, sie nicht ebenso wohl würden aufgenommen werden. Ein feiger, kleinmütiger Mensch ist von Natur ein Sklave desjenigen, der ihn unterdrücken will. Wären Brutus, Cassius, alle jene erlauchten Verschworenen, die Rom rächten, um ihr Vermögen, um ihr Leben ängstlich besorgt gewesen, so hätte Cäsar vielleicht nie das Verbrechen der Tyrannei mit seinem Tode gebüßt. Wären die edlen Verfechter der fränkischen Freiheit, die für sie in- und außerhalb Frankreich kämpften, feig und furchtsam gewesen, so schmachtete Frankreich noch in der Sklaverei und mit ihm vielleicht ganz Europa, das Frankreichs Beispiel zum Verjagen der Tyrannen ermuntern muß. - Ruhe, Feigheit, Furcht sind Eigenschaften des Sklaven. Standhaftigkeit, Mut, Verachtung des Lebens sind Eigen-

554

16. Januar 1793

Schäften des freien Menschen. Seine ganze Glückseligkeit setzt er in den Genuß jener heiligen Rechte, so die Natur ihm gab; und von der Würde seines Wesens überzeugt, duldet er nicht, daß ein Mensch wie er sicji zu seinem Herrn aufwerfe. - Muß er aber der Gewalt unterliegen, so kriecht er nicht, sondern er stirbt. Ohne Zweifel gibt's auch hier Bürger, die herzhaft, menschenfreundlich, auf den Menschennamen stolz genug sind, den Tod der Sklaverei vorzuziehen. Ich glaube nicht, daß es auch nur Einen Menschen gebe, der nicht von Natur Freiheit wünschte und liebte. - Ich meinesteils kann's ohne Grauen und Entrüstung nicht denken, daß ein Mensch sich die Macht anmaßen solle, über seinesgleichen zu herrschen, seine Nebenmenschen seinen tyrannischen Launen zu unterjochen! Gott, der die Welt regiert, schuf keine Könige, keine Fürsten, er schuf nur Menschen. Wir selbst, wir Unsinnige selbst sind's, die uns Herrn gegeben, die unser eigenes Elend selbst gestiftet haben! Doch - den Götzen, den wir gemacht, dürfen wir auch wohl zertrümmern. - Die Sonne der Vernunft hat jene dicken Nebel zerstreut, die die Wahrheit vor uns verhüllten. Wir wissen's, die Menschen sind von Natur und Geburt einander gleich und frei. Nur ihres allerseitigen Vorteils, allerseitigen Glücks wegen treten sie in Gesellschaften zusammen. Jeder Mensch, der uns von diesem Endzwecke entfernen will, ist nicht wert, unter uns zu leben. Jeder Mensch, der uns durch seinen bloßen Willen beherrschen will, ist ein Tyrann - und die ewigen Gesetze der Natur erlauben uns, ihm einen Dolch ins Herz zu stoßen. - Freiheit, Gleichheit, dies ist die natürliche Religion, der Ruf der Weltweisheit und die einzige Grundlage des öffentlichen Wohls. Laßt uns aber uns nicht täuschen, Bürger! Niemand hat mehrere Pflichten zu erfüllen als der freie Mensch. Er ist ein Sklav der Gesetze - aber der Gesetze, die aus dem allgemeinen Willen und nicht aus der abgeschmackten Laune eines Despoten oder seiner Mätressen und seiner Knechte herfließen. Unter der Herrschaft des Despotismus nebst der erniedrigenden Einführung und Verfassung des Adels gilt Geburt für alles. Der lasterhafteste, albernste, niederträchtigste Mensch unterdrückt durch seine Macht Talente und Tugenden. - In einem Freistaate hingegen sind Talente und Tugenden die einzigen Adelsproben. D a kann jeder Würdige zu den höchsten Ämtern gelangen. Keinem wird da das ausschließende Vorrecht, zu gebieten, angeboren; und der, den man jenes Amtes würdig hält, ist nur das Organ, der Mund der Gesetze, und kann bloß im Namen der Gesetze gebieten. - In einem Freistaate ist das Vermögen des Staats nicht der Raub eines verdorbenen Hofs, sondern der Verwalter öffentlicher Gelder muß von ihrer Verwendung Rechnung ablegen und seine Verschleuderungen mit seinem Leben bezahlen. - In einem freien republikanischen Staate führt man nicht aus Laune, aus Ehrgeiz Krieg; man führt ihn aber, wenn man sich verteidigen muß, - und vergießt man Menschenblut, so fällt der Frevel, die Verantwortung allzeit auf die Tyrannen zurück. Ihr sehet also, in einem Freistaate hat der nur den Gesetzen gehorchende Mensch nichts zu fürchten. Niemand darf ihn beunruhigen; er sagt, was er will, tut, was er will, geht, wohin er will; die Regierung bürgt für sein Eigentum und schützt seine Person.-- Dies sind mit einem Worte die Vorteile der Freiheit.

16. Januar 1793

555

Diese Vorteile seid ihr im Begriffe zu genießen, Bürger! und dafür habt ihr, wie gesagt, noch nichts aufgeopfert, ihr dürft nicht einmal etwas dafür aufopfern! In welcher günstigem Lage hat sich jemals ein Volk befunden? Das fränkische Heer ist hier, eure Tyrannen zu bekämpfen. Sagt nur: wir wollen frei sein, so seid ihr's. Beschwert euch nicht, daß ihr ein Heer bei euch habt. Ich weiß, daß nie ein so beträchtliches Kriegskorps in irgendeinem Gebiete bleibt, ohne daß die Bürger etwas zu leiden hätten. Dies ist Ungemach, das der schrecklichen Geisel des Kriegs anklebt; aber gegen so viele Vorteile gerechnet, verdient ein so geringes Ungemach, das noch dazu nur von kurzer Dauer sein muß, kaum, daß man sich dabei aufhalte. - Ebendas Heer, das euch von euren Tyrannen befreiet hat, bereichert auch noch euer Land. Handlung, Gewerbe und Künste haben wenig dabei verlieren können. Die Revolution ist euch also in jeder Rücksicht vorteilhaft. Lernt diese Vorteile gehörig schätzen. Höret nur die Stimme der Gerechtigkeit- und der Vernunft. Ränkevolle, boshafte Leute suchen Zwietracht unter euch auszusäen. Anhänger des Verbrechens und der willkürlichen Gewalt wohnen unter euch. Mainzer Bürger! solltet ihr gar so einfältig, so unvernünftig sein, euch noch nach eurer alten Regierung zu sehnen! solltet ihr des Menschennamens so unwürdig sein, daß ihr die Freiheit nicht liebtet, wohlan! so gebietet euch alles, sogar der niedrige Eigennutz gebietet euch, sie zu verteidigen. Itzt ist's Zeit, euch deutlich zu zeigen. Ungünstige Gerüchte verbreiten sich in Ansehung eurer Gesinnungen. Viele unter euren Mitbürgern machen durch verwegene und unsinnige Reden die Wachsamkeit der Franken rege. - Der Unfall, den wir zu Frankfurt erlitten, hat uns weniger zutrauend gemacht. - Wir werden allezeit gerecht, allezeit eure Beschützer und eure Freunde sein. Nie soll, wenn ihr's wollet, irgendeine Art von Tyrannen euch unterdrücken können. Zeiget euch aber freimütig. Laßt in eure Reden, in euer Betragen nichts einschleichen, das Mißtrauen und Argwohn erregen könnte. Laßt uns nicht denken, daß es eure Absicht sei, den Ausgang abzuwarten und dann die Partei des Stärkern zu ergreifen. - Ich hab's euch schon gesagt, und ich schwöre es: die Franken werden am Ende siegen. Könnten sie aber nur, sofern das Glück sie begünstigt, auf euch zählen, - so würden sie von demselben Tage an euch für niederträchtig, für Sklaven ansehen, die nicht wert wären, an ihren rühmlichen Arbeiten teilzunehmen, nicht würdig der Freiheit, die sie euch anbieten und die ihre mächtige Hand euch nehmen könnte. Bürger! ich spreche offenherzig mit euch. Überlegt wohl, was ihr zu tun habt; und bedenket, daß der Weg vor euch liegt, der euch zum Glücke führen oder auf ewig zugrunde richten kann. Der Augenblick ist gekommen, da ihr unter euren Mitbürgern die würdigsten zu euren Repräsentanten wählen müsset. Diese Wahl ist kützlich und schwer. Ehe ihr eure Stimmen gebet, überzeuget euch vollkommen von der Wichtigkeit der Amtsgeschäfte, die ihr eurem Bevollmächtigten anvertrauen wollt. Nehmet zum ersten Grundsatze, denjenigen zu verwerfen, der bei euch um das Amt betteln wollte, das er nur von eurer Gerechtigkeit, von seinen Talenten und seinen Tugenden erwarten darf. - Der gefährlichste Mensch in einem Freistaate ist der Ehrgeizige. Heute dient er seinem Vaterlande, weil sein Ehrgeiz mit seinen Pflichten

556

16. Januar 1793

zusammenstimmt; morgen kann er an seinen Pflichten zum Verräter werden, um bloß seinem Ehrgeiz zu frönen. Laßt die traurige Erfahrung der Franken euch zur Lehre und Warnung dienen. Wie viele Leute, die dem Ansehen nach dem Vaterlande eifrig ergeben waren, haben doch nachher ohne Scham das Wohl des leichtgläubigen Volks, das sie emporgehoben hatte, verraten und verkauft! Bemühet euch, den Charakter der euch vorgeschlagenen Personen gründlich kennenzulernen. Sie müssen Festigkeit, Uneigennützigkeit, Einsichten besitzen: denn Ehrlichkeit und Verlangen, sich wohl zu verhalten, sind nicht hinlänglich, man muß auch Talente haben. Sehet nicht aufs Alter des Bürgers: der Irrtum, nur bejahrte Leute für fähig zu halten, hat dem Staate immer geschadet. Ich sage noch mehr; ich sage, überhaupt genommen, sind junge Leute weniger verdorben als alte; man kann ihres Herzens Gesinnungen leichter kennenlernen, da es die Verstellungskunst noch nicht hat erlernen können; auch hat man-von ihrem Mute mehr zu hoffen. Die jungen Bürger sind die festesten Stützen der fränkischen Freiheit gewesen; und das menschliche Herz ist sich in allen Ländern gleich. Eine besondere Aufmerksamkeit kann euch für vielen schlechten Wahlen verwahren. Ich sag' es ohne Scheu: ein Beweggrund zur förmlichen Ausschließung ist der Adel- und der Priesterstand. Welche Gesinnungen sie auch bei euch mögen geäußert haben, so sind doch diese Leute in allen Ländern Anhänger und Knechte der Tyrannen gewesen. Vornehmlich aber hütet euch für den Priestern; sie sind am gefährlichsten, weil sie die größten Heuchler sind. Wir haben in Frankreich einige Adelige ihrem Vaterlande aufrichtig dienen gesehen; es sind ihrer aber so wenige, daß die von mir soeben angegebene Regel darum keine Ausnahme leiden darf. Seid überzeugt, daß Freiheit, daß Gleichheit denjenigen empören, der von seiner zarten Kindheit an gewöhnt worden, zu herrschen und zu glauben, er sei besser als seinesgleichen. - Diese Vorurteile sind unauslöschlich. Es ist die Erbsünde der Adeligen. Auch wider Willen dünken sie sich mehr als andere Menschen. - Bürger, keine Adeligen zu euren Repräsentanten! keine Priester! oder Ihr seid verloren! Diese letztere Klasse Menschen hat zu viele Macht über schwache Gemüter. Ihre Macht gründet sich auf Vorurteile und Irrtum, und will man Vorurteile ausrotten, Vernunft und Wahrheit siegen machen, so wäre es etwas Abgeschmacktes, ihre abgesagten Feinde zu ihren Verfechtern zu wählen! Erinnert Euch der Rollen, welche die Priester -in der fränkischen Revolution und in der ersten brabäntischen gespielt haben, wo diese Ungeheuer noch itzt zum Bürgerkrieg anhetzen. Erinnert Euch an das, was sie getan; so werdet Ihr sehen, daß Verschwörungen, Treulosigkeiten, Frevel aller Arten die Früchte ihrer Ränke gewesen sind. Sie haben Gold und Lügen verschwendet; sie haben die Dolche des Bürgerkrieges geschliffen; und hat das Volk sich untereinander selber nicht mit eigenen Händen gemordet, so kam es daher, daß Vernunft und Wahrheit, die stärker als alle Frevler sind, den irregeführten Bürgern die Augen geöffnet und jenen von ruchlosen Händen gelenkten Streichen vorgebeugt haben. Und doch ist auf den Ruf dieser grausamen Priester Blut geflossen; und nur durchs Verjagen derselben haben wir uns Ruhe verschaffen können. Ich sag's Euch zum voraus, daß Ihr uns hierin werdet nachahmen

17. Jänner 1793

557

müssen; ich schwöre es, daß Eute größten Feinde die Priester sind und daß der Tag, woran Ihr sie aus Eurem Schöße vertreiben werdet, die Epoche Eures Glükkes sein wird. Ratsam ist's, von einem so wichtigen Posten, als derjenige eines Stellvertreters eines Volks ist, jeden ehemaligen Anhänger Eures Tyrannen und jeden, der ihm auf irgendeine Art besonders verpflichtet sein möchte, zu entfernen. Zwar weiß ich, daß es selbst auf den Stufen des Thrones Freunde der Freiheit geben kann. Ich gebe aber eine allgemeine Regel an: Alles, was einem Tyrannen nahe ist, ist verdorben und kann das Vertrauen freier Menschen nicht haben. Ein sicheres Mittel gibt's, gute Wahlen zu treffen, und dies ist: die Verdienste der Kandidaten öffentlich zu untersuchen. D a sagt ein jeder frei, was er vom Vorgeschlagenen weiß. Und aus dieser Untersuchung kömmt notwendig die Wahrheit zum Vorschein. So könnt Ihr verfahren, wenn Ihr Euch nicht solchen Wahlen aussetzen wollet, die das Verderben Eures Vaterlandes nach sich ziehen könnten. Ich kann Euch nicht zu dringend ermahnen, Bürger! jeden persönlichen Haß und jeden Privatvorteil dabei zu verbannen. Das Wohl des Vaterlandes allein muß Eure Handlungen leiten. Verdient Euer Feind die Ehre des Vertrauens des Volks, so müßt Ihr die ersten sein, ihn mit Euren Stimmen zu beehren. Ihr wählet ihn nicht um seinet-, sondern um des allgemeinen Vorteils willen, und vor diesem allgemeinen Vorteil muß jede andere Leidenschaft verschwinden. Laßt also schlechterdings niemand einen Einfluß auf Eure Entscheidungen haben. Während den Wahlen seiner Stellvertreter verrichtet das Volk das reinste, lauterste Geschäft seiner Oberherrschaft, und da es ihnen sein Schicksal anvertrauet, so urteilet selbst, welche sorgfältige Aufmerksamkeit es auf dieses Hauptgeschäft wenden muß. Ich habe genug gesagt, Euch zu warnen, wider alle Arten von Ränken auf Eurer Hut zu sein. Ich verlasse mich auf Eure Klugheit und hoffe, daß meine Wünsche werden erfüllt werden. Ich habe kein anderes Interesse als das Eurige. Ich halte Euch für meine Mitbürger, für meine Freunde. Seid glücklich und frei, so bin ich vergnügt.

Actum, [Donnerstag,] den 17. Jänner 1793, im 2. Jahr der f [ränkischen] Republik] Praeside Wedekinda § 60 Nach Ablesung des Protokolls der letzten Sitzung vom 14. diesesb wurde erinnert, daß das Reglement der Gesellschaft, soweit es fertig, auf dem Tisch liegen solle. § 61 Über die Abänderung der Eidesformel hat die Gesellschaft nach verschiedenen Debatten beschlossen, Bruder Lehne solle dieselbe nochmals ablesen.0 § 62 B [rüder] Deyer stattete der Gesellschaft Bericht über den gehabten Auftrag an die B[ürger] C[ommissaires] des N[ational]-Convents dermaßen ab: d Die zeither geschehenen Erklärungefn] seien Bürge, daß jedermann von der

558

§ 63

§ 64

§ 65

§ 66

§ 67

1 2 ;i 4 5 6

17. Jänner 1793

f[ränkischen] Republik gewisse Entschädigung zu erwarten habe, jedoch könne dieselbe baldmöglichst nicht geschehen, zumal(en) die f [ränkische] Republik in allzu große Ausgaben versetzt sei; jedoch solle von allen Gemeinden ein genauer Etat über erlittnen Schaden gefertigt werden, und dann sollten die Kassel (1) er - Kostheimer vorzüglich besorgt werden . e Beim Protokoll des Unterrichtsausschuss[es] zeigte sich, daß B [rüder] Wedekind eine Verteidigung gegen B [rüder] Hof mann zur Einsicht sämtlicher Brüder angelegt habe. f Ein Mitglied will selbe nach dem Sch[l]uß der Gesellschaft wieder entfernt wissen - unterstützt und angenommen. Bei der Korrespondenz fand sich ein Schreiben von Toul(l)ous[e], darin die Gesellschaft] der Ffreunde] der Ffreiheit] und Gl[eichheit] Verbrüderung anbieten und dieselbe mit einem Briefwechsel dermalen äußerst nötig zeigen. Die Gesellschaft nahm 1 das Anerbieten mit Vergnügen auf und beschloß, das Korrespondenzcomite solle darüber ein Erwiderungsschreiben 2 vorlegen. Ein Schreiben von der Gesellschaft] der Freunde der F[reiheit] und Gleichheit zu Metz enthält Klagen über Verräterei, die in Paris entstünde (n) und sich in alle Teile des Reichs verbreitete(n) - sonach Beschwerde über den Minister Rolland ujid ihre desfallsige Abschickung eines Deputierten aus ihrer Mitte«, ferner ihre Unterstützung11 der Waffenbrüder 3 und das Ersuchen an das [!] N[ational]-C[onvent], um das Todesurteil des Königs zu beschleunigen - auch den mit dem Tod zu bestrafen, der da(r)wider Äußerungen zeigte. Ein Mitglied (Cotta) bemerkte der Gesellschaft, daß die Geschichte Rollands uns ebensowenig als die Gesell[schaft] zu Metz angehe; ein Gleiches erachte er über das Urteil des Königs.' Über die Unterstützung der Waffenbrüder behauptete ein Mitglied (Bloger), den Franken, unsern Verteidigern, sei ein jeder schuldig, das zu geben, was wir entbehren könnten. Ein Mitglied 4 (Franke), Soldat 5 , bemerkt, daß auf die Kriegscommissaires nicht viel zu halten sei, man solle daher jede Unterst[ützung] einer benamsten Compagnie selbst überreichen. - D a auch die Volontaires Unterstützung hätten, so solle man sich6 der Linientruppen annehmen.' Ein Mitglied bemerkt, daß auch die Bürgerschaft zur Beisteuer eingeladen werden solle, hiebei solle der Bürgerschaft eine Aufmunterung ans Herz gelegt werden. Der Mildtätige Ausschuß solle hierüber Vorschläge machen, ob nämlich die Munizipalität für die Gaben der Bürgerschaft und unser Wohltätiger Ausschuß für die Einsammlung der Gesellschaft sorgen solle. Unterstützt und angenommen.

Geändert statt: „nimmt". Geändert statt: „Gegenschreiben". „ferner ihre Unterstützung der Waffenbrüder" am Rande ergänzt. „Mitglied" zugefügt, (Franke) bezeichnet hier die Nationalität. „Soldat" zugefügt. Geändert statt: „sollen wir uns".

17. Jänner 1793

559

§ 68 Man bemerkte ferner 7 , daß in Frankreich die Frauenzimmer solche guttätigen Werke verrichteten, daß von Haus zu Haus müsse gegangen werden, daß die Munizipalität als Väter der Bürgerschaft und als Organe(n) des Gesetzes zu halten8, mithin sich auch der guten Werke anzunehmen hätten. § 69 Auf das Schreiben aus Liburna k beschloß die Gesellschaft zu antworten, daß wir nicht über Personen, sondern über Sachen der Personen zu deliberieren hätten, solang es Freiheit und Gleichheit rätlich machte. Von Ren [ne] s überschickt die G[esellschaft] der Freunde der Freiheit und Gleichheit eine Adresse, welche Bruder Haußer in nächster Sitzung übersetzt ablesen will. § 70 Ein gutgesinnter Freund von Man [n] heim berichtet der Gesellschaft, wie der gedungne dasige Zeitungsschreiber das Fest über die 50-j ährige so sehr erhoben, und schilderte dabei das bedrückte Land in einem abscheulichen Abstich.1 § 7 1 Ferner wurde des Bfruders] Grön(s) Geschichte abgelesen, wie er als Klubist von den Preußen9 in schlechte Gefängnisse geworfen und fast gar keine Nahrung erhalten, daß er noch mehr ehrliche Männer in den Gefängnissen angetroffen.1" § 7 2 Die Gesellschaft beschloß, diesen Brief von Man [n] heim und den Bericht des B[ruders] Grön in die neue Zeitung, ins Bulletin der Gesellschaft und in den Republikaner einzurücken.0 § 73 Ein Mitglied (Hornung) macht die Motion, da verschiedene Brüder Geschäften halber dem Comité [de] correspondance öfters nicht beiwohnen konnten, so sollen andre Mitglieder an deren Stelle gesetzt werden.10 (Hauser) man setzte hierzu, daß die Glieder beider Sprachen mächtig sein sollten. § 74 Die Gesellschaft verweist diese Motion an das Comité [de] correspondance selbst, um hiezu die Tauglichsten zu wählen. Die Commissair[es] wurden verlesen und die Sitzung geschlossen. [§ 74a] Viele Mitglieder begehrten schriftlich, von der Gesellschaft ausgestrichen zu werden. Dies zu besorgen ward .dem Secretaire übergeben.0 Forster war erkrankt, so daß er nicht präsidieren konnte. An' Dorsch als Präsidenten der

a

Administration, der Forster als Vizepräsident angehörte, hatte er am Morgen des 17. 1. 93 geschrieben: „Ich habe seit etlichen Tagen gegen die Krankheit gekämpft, allein heut muß ich unterliegen. Ich bin wirklich krank und muß mein Zimmer hüten. Ich bitte also, mich bei meinen würdigen Kollegen zu entschuldigen. Arbeit, die ich zu Hause verrichten kann, nehme ich gern auf mich." (StA Würzburg, M R A V Klubisten, Nr 203, fol. 1 2 0 ; siehe auch Scheel, Unbekannte Zeugnisse, S. 55 und S. 64) Protokoll III gibt dazu noch die folgende Ergänzung:

b

7 8 9 10

Geändert statt ursprüngl.: „Ein Mitglied bemerkte". Ursprüngl.: „zu halten seien". Es folgt eine unleserliche Streichung. Am Rande steht unter Fehlzeichen ein Zusatz, für den das entsprechende Positionszeidien im Text vergessen wurde, er lautet: „sollen noch Brüder beigesetzt werden und das Comité um einige vermehrt werden".

560

17. Jänner 1793

Es wurden gegen dies Protokoll verschiedene Einwendungen gemacht und der Sekretär erinnert, solche zu verbessern. c Vgl. Protokoll vom 18. 1. 93 § 81-83. Es handelt sich um eine Meldung im Moniteur, Nr 22 vom 22. 1. 93, Bd XV, S. 234, mit folgendem Wortlaut: «Le citoyen Xavier Audouin, prêtre, ex-vicaire de la paroisse SaintThomas d'Aquin et aujourd'hui secrétaire du département de la guerre, vient d'épouser la fille du ministre Pache. C'est un bon exemple de plus à ajouter à ceux qui ont déjà été donnés.» m

Weil es um die pfälzische Neutralität besorgt war, gestattete Mannheim den emigrierten Wormser Regierungsmitgliedern auf dem Pfälzer Territorium keinerlei Amtshandlungen; daher wählten diese das reichsritterschaftliche Neckarsteinach zu ihrem Amtssitz. Gegen diese Aktivitäten hatte die Administration bereits Ende November die folgende, in der Wormser National-Zeitung, Nr 100 vom 12. 12. 92, S. 406, veröffentlichte Warnung ergehen lassen: „Im Namen der Frankenrepublik. Da die verlässige Anzeige geschehen, daß mehrere Glieder der vormaligen Regierung zu Worms sich nach Neckarsteinach geflüchtet hätten, allda ihre Sitzungen nach wie vor hätten. Befehle an die Wormser Beamte[n] ergehen ließen und dieselbe[n] anwiesen, die ehemals herrschaftlichen Gelder und Gefälle an sie abzuschicken; so werden dieselben andurch aufgefordert und verwarnet, sich aller fernem Einstreuungen und Aufwieglungen bei den Inwohnern zu enthalten, widrigenfalls man sich vermüssiget finden werde, andere Maßregeln gegen sie zu ergreifen. Mainz, den 30. November 1792, im ersten Jahre der Frankenrepublik Dorsch, Präsident der allgemeinen Administration zu Mainz J. M. Kissel, Sekretär Dem Original gleichlautend

J. D. Weyher, Sekretär der Munizipalität zu Worms" ° Maire Petersen von Speyer hatte Anfang Januar eine Schrift beschlagnahmt, die die Krämerzünfte auf Winkelzusammenkünften diskutiert hatten, die als eine Vorstellung der Speyerer Bürgerschaft aufgezogen war,,an die Konventskommissäre gehen sollte und um die Beibehaltung der alten Verfassung bat; der Text der Bittvorstellung ist abgedruckt bei Rcmling, I, S. 234-236. Wie der Speyerische Syndikus Karl Anton von St. Georgen in einem für den Kaiser bestimmten Bericht am 24. 1. 93 aus Mannheim mitteilte, hatte er seine Stellung als Gemeindeprokurator mißbraucht und diese konterrevolutionäre Aktion unter der Hand nach Kräften gefördert; diese Tatsache wurde durch das Auffliegen jener Winkelzusammenkünfte bekannt und veranlaßte den Maire zu folgender Warnung an den Syndikus: „Speyer, den 7. Januar 1793, im ersten Jahr der Frankenrepublik. Ich habe bisher nur zu deutlich wahrgenommen, daß Sie derjenige sind, welcher die hiesige Bürgerschaft in ihrer

28. Jänner 1793

613

Abneigung gegen die fränkische Konstitution und in ihrer Anhänglichkeit an die alte und bisherige städtische Verfassung auf alle Art und Weise unterhält und stützt. Der neueste unleugbare Beweis davon liegt in dem heute aufgenommenen Protokoll wegen der veranstalteten Winkelzusammenkünfte der Krämerzünfte. Ich begreife nicht, wie Sie in Ihren jetzigen Verhältnissen so handeln können. Ich sage Ihnen nur, daß die Stadt Speyer nach einer von der allgemeinen Administration an die provisorische Munizipalität ergangenen Verordnung als eine in den Kriegszustand versetzte Stadt angesehen werde, wobei man die schnellsten und strengsten Maßregeln gegen alle erklärten und heimlichen Feinde der Frankennation ergreifen müsse. Prüfen Sie nun, ob Sie es aufrichtig mit den Franken meinen oder nicht, und glauben Sie, daß der Frankennation, auch wenn ich Sie nicht von Amts wegen denunziere, dennoch Ihre Denkund Handlungsart hinlänglich bekannt werde. Ich hätte wirklich Ursache, Sie von Ihrer bisherigen Stelle vorläufig zu suspendieren. Zwingen Sie mich nicht durch Ihr ferneres Betragen zu einem solchen und vielleicht noch einem weitern Schritt. Ich bin so wie der Gemeindeprokurator der Frankenrepublik für alles verantwortlich. Warnen Sie auch Ihre Frau, in ihren Gesprächen und Konversationen über die jetzige Lage der Stadt Speyer vorsichtig zu sein und lieber gar nichts darüber zu sprechen. Der Maire Petersen." (HHStA Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 15: 1793) 0 Wedekind hatte schon in seiner Zeitschrift Der Patriot, [Nr 9] A [III vom 9. 1. 93], S. 3 f., das Erscheinen dieser Publikation gemeldet, wobei er den Herausgeber Meyer irrtümlich auch zum Verfasser des „Kreuzzugs gegen die Franken" machte; es heißt darin: „Die Mainzer verdienen Entschuldigung, daß sie kein Denkmal Fausten errichteten, denn wie durfte dieses ein unter Despotism seufzendes Volk wagen, das erst seit beute frei ist! Aber wohl wären die schon seit mehrern Jahren frei gewordenen Straßburger zu tadlen, daß sie dem Schatten ihres Gutenberg(s) kein Denkmal errichtet haben. Es macht mir indessen die innigste Freude, hier anzuzeigen, daß der Straßburger Bürger Andreas Mayer, dem die Aufklärung Deutschlandes so vieles verdankt (er ist der Verfasser des Kreuzzugs, des Aufrufs und anderer der guten Sache der Menschenrechte so hülfreich gewordenen Schriften), tat, was er konnte. Er ließ auf seine Kosten die Rechte des Menseben und des Bärgers auf einen großen Foliobogen schön abdrucken - obenan mit dem sauber gestochenen Bildnisse Gutenbergs. Ein edleres Denkmal konnte er Gutenbergen nicht weihen, keines, das uns mehr mit den Empfindungen des Danks für den Erfinder der Buchdruckerkunst zu beleben vermöchte." P Wie aus einem Vernehmungsbericht vom 7. 9. 93 hervorgeht, behauptete Craß später, Forster gegenüber lediglich seine Bereitschaft erklärt zu haben, auf die 10 Gulden zugunsten des Klubs zu verzichten, wenn man ihm die ebenfalls ausstehenden 120 Gulden Druckkosten bezahlte. (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 429)

Protokoll der Sitzung vom {Montag,] 28. Jänner 1793, im 2. Jahr der ffränkischen] R[epublik] Praeside Forster § 138 D a s Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen. Ein Mitglied bemerkte bei dem Verlangen verschiedener unserer Gesellschaft gestrichen zu werden, daß dies von den Preußen herrühre, zeigte sonach, wie wenig wir von befürchten, daß diese ebenso nahe und 1 ebenso weit wie 1

Verbessert statt: „als"

Mitglieder, aus der Furcht vor den Preußen zu zeither von uns

614

28. Jänner 1793

wären, daß die heutige Bekanntmachung, wonach niemand beim Generalmarsch vors Haus gehen soll, in jeder Stadt gebräuchlich sei, wo auch der Feind noch entfernt sei.® Meutb verteidigt den Westhofen, welcher nach Haus reiste, wo er mitten unter den Preußen wohnen müsse.b § 139 Ein Mitglied berichtete der Gesellschaft eine Anekdote von einem Pfälzer Landmann aus dem Ingelheimer Grunde, der sich sehr beklagte, daß man die Pfälzer nicht in den Bund aufnehme, er habe verlobt, sein Haus und Hof den Franken zu schenken, die sollen da einkehren, und sein Sohn, den er Französisch lernen ließe, solle seinen so willkommenen Gästen aufwarten. Ein Mitglied verlangte, diese Anekdote in den Bürgerfreund und Republikaner einzurücken.0 § 140 Ein Mitglied verlas eine übersetzte Rede vom B [rüder] Boy [Bois]. Sie enthielt Freiheitsliebe, Fürsten- und Priesterhaß, Aufmunterung der Mainzer. B [rüder] Boy 2 bewies, daß das Volk das kann, was es will, empfiehlt Entschlossenheit, stellte Klagen über die Furcht bei so großer brüderlicher 3 Unterstützung an und zeigte, wie Frankreich in der größten Gefahr seine Despoten gestürzt und Menschenrechte behauptet habe; bemerkte, daß die Mainzer noch so wenig für die Freiheit getan, daß Ruhe, Feigheit und Furcht für Sklaven - Mut, Standhaftigkeit und Verachtung des4 Lebens für'n freien Mann, der nicht kriecht, der lieber stirbt. Gott schuf keine Könige, er schuf nur Menschen. - B [rüder] Boy sprach sonach über die Wahl, wobei er die wichtigsten und besonders junge Männer anempfiehlt. Adlige und Priester als die Gefährlichste [n] verwirft er ganz und rät an, die Verdienste der Kandidaten öffentlich zu untersuchen, empfahl Klugheit und schloß mit dem Wunsche: seid glücklich und frei. d § 141 Ein Mitglied verlas darauf eine Denkschrift, welche die Marseiller an das N[ational]-Convent ergehen ließen, um die Beschleunigung des Rechtsspruchs über Ludwig Capet zu erwirken. Darin wird gezeigt, daß Ludwig Capet die ganze Welt geärgert, daß nun die Marseiller, die den Tyrannen vom Thron gestürzt haben, sehen, daß der Mörder ihrer Brüder über deren Gräber [n] noch lebt. Daß daher ihr Unwillen bis zur Gerechtigkeitsforderung g e s t i e g e n : sei dann

die

Königswürde

abgeschafft,

so sprecht

das

Todesurteil. Ferner sind Klagen angestellt gegen ihre Minister, die die Bedürfnisse der Armee nicht befriedigen; es soll ein Dekret erlassen werden, worin die Emigrierte[n] zum Seedienst als untauglich erkläret. Genua habe 2000 Flinten verweigert. Erinnert Paris, wie Marseiller Paris befreit und nun verlassen würde - beruft sich Marseille auf Wachsamkeit, auf den Eid mit Hintansetzung aller Lebensgefahr, wünscht endlich, von Capet und seinem Anhange befreiet zu sein.e § 142 Ein Mitglied schlug vor, unsere Gesellschaft solle in einer Zuschrift an das „ B f r u d e r ] B o y " a m R a n d e zugefügt. „brüderlicher" a m R a n d e zugefügt. '' Es folgt eine unleserliche Streichung. 2

3

28. Jänner 1793

615

N[ational]-Convent ihre Zufriedenheit über das Urteil Ludwig Capets bezeugen. Dem Vorsprecher bemerkte man, daß wir das Benehmen andrer Gesellschaften abwarten sollen. Ein Mitglied sprach, der freie Mann soll nicht nachahmen, wir geben unsern Beifall über das, was uns gefällt. Ein Mitglied erinnerte, alle seien Bürger von Frankreich, und das Convent habe nichts als den Willen der Nation vollführt. Unterstützt und angenommen. Der Korrespondenzausschuß solle daher die Zuschrift in nächster Sitzung der Gesellschaft vorlegen.f Ein Mitglied bemerkte der Gesellschaft, daß im Seminarium junge Seminaristen seien, die wünschten, in unsere Gesellschaft aufgenommen zu werden. Man solle sie daher durch offne Blätter einladen; dieses erachte er um so nötiger, als die5 ganze Klasse sich vor ihrem Superior fürchte. Dem Vorsprecher bemerkte man, daß wir unsere Proseliten nicht einladen, sondern die gute Sache selbst müsse jeden6 einladen.« § 143 Die Brüder wurden ersucht, sich die Entreebilletten um so mehr dermalen anzuschaffen, da ohne7 selbe niemand eingelassen würde. Ein Mitglied schlug hiebei vor, diejenigen, welche ihre Billetts nicht eingelöset, in der Gesellschaft abzulesen. Unterstützt und angenommen.11 § 144 Ein Mitglied machte der Gesellschaft die nächsten Nachrichten von Ludwig Capets Tod bekannt' und verlas darauf dessen Testament.' Man verlangte, der Vorsprecher solle das Testament mit Noten drucken lassen und hiebei den 10. August bemerken, an welchem Tage 17000 Menschen umgekommen. Ein Mitglied glaubt, da das Testament dumm und gleisnerisch abgefaßt sei, so könne man es ohne Noten drucken lassen. Ein anderes Mitglied zieht aus dem Testament das Resultat, nach dem Testament sei Ludwig Capet des Todes schuldig, denn ohngeachtet die8 Frankenrepublik die Königswürde abgeschafft habe, so habe sich Ludwig Capet noch König genannt - also als Prätendent der Kron[e] und9 als einverstanden mit seinen Brüdern und Emigrierten.11 § 145 Ein Mitglied machte den Vorschlag, in nächster Sitzung den Marseiller Marsch10 {nach Art der Franken, jedoch in unserer deutschen Sprache) abzusingen; man setzte hinzu, daß im ersten Stück des Patrioten die Ubersetzung eingerückt und um 7 fr. bei B [rüder] Zech11 zu haben sei. Unterstützt und angenommen •

D i e angezogene Bekanntmachung war vom 2 8 . J a n u a r datiert, wurde im M I , N r

1 0 vom

2 . 2 . 9 3 , S. 5 3 f., veröffentlicht und hatte (olgenden W o r t l a u t : 5

E s folgt eine unleserliche Streichung.

6

Verbessert statt: „sie". „ohne" zugefügt. „die" zugefügt. „und" zugefügt. Neben diesem Vorschlag und den in § 1 4 2 und § 1 4 3 durch Kursivdruck hervorgehobenen Anträgen steht am R a n d e „ T . O . " , vermutlich als Hinweis für die künftige Tagesordnung.

7 8 9 10

11

„bei B[ruder] Zech" zugefügt.

616

b

c

28. Jänner 1793

„Im Namen der Frankenrepublik. Der gesamten Bürgerschaft und allen Bewohnern hiesiger Stadt wird auf den Fall feindlicher Beunruhigungen und eines etwaigen feindlichen Unternehmens auf unsere Festung nachfolgende, im Namen des Bürgers General en chef Custine vom Bürger General-Stadtkommandanten Wimpfen zur Beibehaltung öffentlicher Ruhe und Ordnung und zur Verhütung unangenehmer Eräugnisse weiter erlassene Verordnung vom 27. Jänner zu jedermanns Nachricht und genauester Beobachtung hiemit allgemein bekanntgemacht: 1) bleibt die wegen der Kirchen und Nichtläutung der Glocken unterm 9. Jänner bereits ergangene Verfügung in ihrer Kraft bestehen, mit der Ausnahme jedoch bei einem entstehenden Brande, in welchem Falle die alte gute Feuerlöschordnung und -anstalten alle beibehalten werden, somit ein jeder in Löschung des Feuers sich darnach zu bemessen und die ihm angewiesenen Arbeiten seinen Bürgerpflichten gemäß zu verrichten hat. 2) Wann der Generalmarsch geschlagen wird (Brandfälle ausgenommen), so sollen die Läden, Türen und Fenster in jedem Hause geschlossen werden und jedermann in dem Innern seiner Wohnung sich still und ruhig halten, bis durch die große Domglocke verkündiget wird, daß die Ruhe in der Stadt wiederhergestellet ist und die Truppen in ihre gehörigen Wohnorte wieder eingerücket sind. 3) Dieses ruhige und stille Verhalten aller Personen ohne Unterschiede des Geschlechts, Standes und Ranges ist um deswillen höchst notwendig, weil widrigenfalls diejenigen, welche dagegenhandeln, Unannehmlichkeiten und Gefahren werden ausgesetzt sein, wann sie im Augenblicke eines Auflaufes sich auf der Straße sehen und finden lassen werden. 4) In solchem Falle sind nur Munizipalbeamten, mit der Schärpe bekleidet, oder Personen, welche einen Wacheoffizier bei sich haben, geachtet und gesichert. Mainz, den 28. Jänner 1793, im zweiten Jahre der Frankenrepublik Von Munizipalitäts und gesamten Gemeinderats wegen J. B. Reussing m[anu] prjopria], Munizipal-Sekretarius" Der 23jährige Kandidat der Medizin Joseph Westhofen stammte aus dem mainzischen Niedcrhödistadt, das etwa 6 km nordwestlich von Frankfurt lag. Er war interimistisch als Munizipalitätssekretär und Distriktkommissär tätig gewesen, dann als Administrationskanzlist. Am 27. 1. 93 hatte er sich aus dem Mitgliedsregister des Klubs streichen lassen. (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 827, fol. 126-128) Möglicherweise stand die Heimreise Westhofens mit seiner finanziellen Situation im Zusammenhang. Er hatte an die von den Franzosen beschlagnahmte Mainzer Kriegskasse eine Forderung in Höhe von 192 Gulden, ohne daß sie je erfüllt worden wäre. Jedenfalls liegt eine Eingabe Westhofens aus Mainz vom 3. Mai an die allgemeine Administration vor, aus der sich folgende Feststellungen ableiten lassen: Zum ersten bestätigt eine beigelegte Erklärung der Administration unter Hofmann vom 3. April, daß sie wie ihre Vorgängerin unter Dorsch Westhofens Forderung für berechtigt hielt und er sie schon sehr lange verfocht. Zum anderen zog Westhofen aus der ihm Anfang Mai von Simon mitgeteilten endgültigen Ablehnung seiner Forderung den Schluß, ungeachtet seiner einstigen Klubzugehörigkeit über den Rhein zu gehen; erst Simons Warnung, daß ihm dann der Arrest auf dem Königstein sicher wäre, ließ ihn davon abstehen. Zum dritten schließlich hat sich Westhofen - wenn überhaupt - Ende Januar/Anfang Februar nur vorübergehend in seinem Heimatort aufgehalten, denn seine Eingabe war in Mainz datiert und endete mit der Bitte um ein Amt, das ihn ernähren konnte; Hofmann empfahl ihn dann auch der Munizipalität als eventuellen Nachfolger für den Bürger Brenneisen, der als Sekretärsubstitut und Polizeikommissärsubstitut abgesetzt werden sollte. (ADp Lübben, Packen 112 - Mainzer Stadtarchiv 11/20, Beilage 493 1/2) Die Anekdote findet sich zwar nicht im Fränkischen Republikaner, aber im Bürgerfreund, Nr 11 vom 5. 2. 93, S. 47 f., und hat folgenden Wortlaut:

28. Jänner 1793

617

Ein Landmann von N. im sogenannten Ingelheimer Grunde kam zu einem hiesigen Konstitutionsfreunde und fragte, ob man denn sie (die Pfälzer in dortiger Gegend) so ganz vergesse. Er sagte: Überall um uns herum sind die Franken, die, wie man sagt, seien geschickt worden, um die Landleute von den vielen Schruppereien frei zu machen - und zu uns kommen keine. Der hiesige Freiheitsfreund sagte ihm, daß die Franken« deswegen die Pfälzer Länder nicht beträten, weil sich ihr Kurfürst als neutral erklärt habe. Der Landmann erwiderte wehmütig, daß dann wohl keine Hoffnung für sie sei, wenn auch schon wieder die Sache von ihrem Hofe abhänge.*) Aber, fuhr er fort, ich möchte doch gern für midi etwas für die Franken tun, weil ich sie gar unaussprechlich liebhabe. Ich möchte mein Haus und Hof der Nation schenken, will mir nur die freie Bewohnung aushalten. Allein die Franken, die in unser Ort kommen, sollen frei Quartier und Aufwartung in diesem Hause haben, wenn sie bei mir einkehren. Audi soll einer meiner Söhne die Frankensprache lernen, daß er diesen guten Leuten desto besser aufwarten könne. Er ward aber mit dem Rate noch einstweilen zur Ruhe verwiesen, daß seine Erklärung ihm itzt noch sehr nachteilig werden könne; man hoffe aber doch, daß bald auch in dortiger Gegend die Menschenrechte in Ausübung kommen würden. d Vgl. Protokoll vom 18. 1. 93 Punkt [1], Anm. b. D i e vom 21. Dezember datierte Denkschrift des allgemeinen Gemeinderats von Marseille wurde im Bärgerfreund, N r 9 vom 30. 1. 93, S. 36-39, abgedruckt und hatte folgenden Wortlaut:

e

Mitbürgerl Die Verbrechen des Ludwig Capet hatten die ganze Welt geärgert; und das zu lange nachsichtige, aber doch auch furchtbare und gerechte Frankenland mußte endlich die mißhandelte Menschheit, das verratene Zutrauen, die gebrochenen Eidschwüre rächen; mußte die Untreue, den Meineid und alle durch diesen Menschen veranlaßten Mordtaten bestrafen. Vier Monate sind's nun, als er den letzten Versuch zu Morden wagte. Die Natur schauert beim Andenken der Greueltaten, welche die Rache und Barbarei anderer Erbkönige in der Seele dieses Ungeheuers angefachet hatten. Die Erbarmung selbst kann ihn ohne Abscheu nicht anblicken, und der Fluch findet keine Strafe würdig für ihn. Allein, Bürger! Ihr, denen die Ausübung jenes unveränderlichen Beschlusses, die Königswürde abzuschaffen, ganz eigens anvertraut war, was habt Ihr in dem langen Zeitraum getan zur Vollstreckung des Todesurteils, gegen diese Würde, welches doch die Nation so feierlich ausgesprochen hat? Habt Ihr etwa gefürchtet, durch schnelle Gerechtigkeitsleistung den Zorn der Könige zu reizen? Oder denkt Ihr, durch Euer Zaudern ihnen Zeit zu lassen, sich von dem erlittenen Verluste *) Guter Landmann! und ihr Tausend und Tausende in der Pfalz, die ihr ebendiese Gefühle im Herzen tragt, euch allen kann geholfen werden, wenn ihr wollt. Ihr seid gefesselt durch Zwang, durch Raub euerer Rechte; ungerecht, ewig ungerecht war der Raub. Nun sprecht: „Wir wollen diese Rechte wieder an uns und unsern Räubern wegreißen" - und es ist fertig. Allein, können euch die Franken schützen, das heißt, ist die Lage der Frankentruppen so, daß sie euch wie die übrigen schon freigewordenen Völker schützen können, so werden sie das gewiß tun. Nur ihr müßt euern Volkswillen dahin erklären.

618

28. Jänner 1793

zu erholen, ihre geschwächten Kräfte zu erneuern und so nachher mit Ungestüm und Zuversicht auf dem Kampf platze wieder zu erscheinen? Oder werdet Ihr etwa glauben, es werde dahin endlich kommen können, die allgemeine Volksgesinnung zu ändern, und daß sich das Schwert der Gerechtigkeit abstumpfe und so der Schuldige entrinne? Wir getreuen und unerschrockenen Verteidiger der dahingesunkenen Freiheit wir, die wir den Tyrannen vom Throne, den er mit Lastern besudelt und mit Dolchen bewacht hatte, herunterstürzten, ihn in Ketten warfen und den ganzen Erdenrund auf das heilsame Beispiel aufmerksam machten, daß der Kopf dieses abscheulichsten Ungeheuers auf dem Blutgerüste fallen würde; wir sollten noch bis auf diesen Tag sehen, wie dieser ehrloseste Verräter, dieser Mörder unserer Brüder, über deren Gräber [n] noch lebe, in Fülle und Überfluß von des Volkes Schweiße gemästet werde? Nein, Mitbürger ! Neinl Wir hätten das nicht träumen können, daß das Verbrechen so lange ungestraft bleibe. Diese Verzögerung erregt unsern Unwillen; und dieser Unwille ist bis zur lauten Gerechtigkeitsfordrung gestiegen. Wir fordern daher vor den unbestechlichen Richterstuhl der ganzen Nation jene von Euch, die das Zutrauen der Nation mißbraucht haben, diese schwachen unwissenden oder bösgesinnten Menschen, welche so weit sich vergessen und herabwürdigen konnten, noch zu zweifeln, ob der größte Verbrecher auch gerichtet werden könnte; ob nicht seine vorgebliche Unverletzbarkeit ihn der Strafe, die dem Laster gebührt, entziehen könne. Wir fordern jenen Königssklaven vor Gericht, der die Verbrechen Ludwigs nur als Verbrechen anderer erklären will; er erscheine, dieser freche Gesetzeschänder, der um deswillen die Todesstrafe abgeschafft haben will, damit sie nicht den grausamsten aller Tyrannen treffe. Sie erscheinen vor dem höchsten Richterstuhle, die Verräter, die es auf sich nahmen, vor dem Angesichte des Himmels den frechesten aller Schandbuben zu verteidigen. Sollten sich wohl diese niederträchtigen Menschen schmeicheln können, unsere gerechte Ungeduld länger noch aufzuhalten? Wie! Mittlerweile wir unsere Kräfte(n) aufbieten und die größten Aufopferungen machen, mittlerweile unsere Brüder für die Rettung des Vaterlandes verbluten, da gibt es Hofknechte ohne Scham und Ehre, welche ein Ungeheuer vom Tode zu retten suchen, auf daß es in Zukunft nur lebe, sich an uns zu rächen! Nein, Mitbürger! Weg mit dem Zaudern, weg mit den eiteln Wortstreiten, weg mit den Rechtsverdrehungen, die nur zu entehrend, nur das Gepräge haben, als wollte man den Schuldigen von der Bestrafung befreien. Wenn es wahr ist, daß Ihr mit uns einstimmig die Königswürde abgeschafft, ja, ganz vertilget wünscht, so beweist dieses ohne Zögern durch den Ausspruch des Todesurteils über jenen, den man mit aller Gewalt erhalten will, daß diese Würde unter uns wieder aufkommen möge. Mitbürger! Erwäget doch, daß, während ihr dieses Opfer der Gerechtigkeit darzubringen zaudert, unsere Konstitution unwirksam bleibe; die Minister geben sich alle Mühe, unsere Beherrscher zu sein; sie wollen nicht, daß man sich schriftlich an Euch wende; sie verweigern unsern Armeen die Bedürfnisse und hemmen dadurch ihre Fortschritte; sie verordnen Einschränkungen, als wenn sie diese Armeen

28. Jänner 1793

619

zugrunde richten wollten; sie trachten, uns unsere Lebensmittel zu rauben, indem sie sich unserer Ankaufe bemächtigen; man könnte sagen, sie stehen mit unsern Feinden im Einverständnisse. Welch unübersehbare böse Folgen zieht das unbestrafte Laster nicht nach, und wie sehr ermuntert das nicht die Rädelsführer, die uns untergraben! Ihr wißt's, Mitbürger! Die Könige haben sich gegen uns verbunden; sie erhalten Verräter in ihrem Solde; wir erinnern Euch, daß es höchste Not ist, sich zu waffnen, alle Schiffe der Republik in den Häfen von Brest, Toulon und Rochefort in segelfertigem Zustande auf das Frühjahr zu haben, und dieses, um entweder unsern Handel zu schützen oder um unsere Feinde zur See zurückzuschlagen. Unsere Wachsamkeit ist es, die uns die Pflicht auferlegt, Euch aufmerksam auf die Besetzung der Seeoffizierstellen zu machen; es könnte geschehen, daß der Minister hierzu Leute aus dem ehemalig königlichen Seedienste nähme, die schon seit dem Julius 1789 emigriert sind. Wir begehren, daß ein Dekret erlassen werde, welches ihnen dieses unter Todesstrafe untersage. Wir begehren ein gleiches Dekret gegen die Nationalschatzmeister, welche sich darin Nachlässigkeiten zuschulden kommen lassen, daß sie die zum Unterhalte der Truppen erforderlichen Summen nicht versenden. Unsere Fürsorge erfordert weiter, daß wir es Euch wissen lassen, daß die Republik von Genua die Ausfuhr von 2000 Flinten verweigert habe, welche wir wollten kommen lassen, um die neuerdings von dem Departement der Rhonemündung gestellten und zur Verstärkung unserer Armee in Italien bestimmten 6000 Mann damit völlig zu bewaffnen. Die Nation entschöpft sich; ihre Quellen vermindern sich, während ihre Ausgaben und Schulden sich vermehren. Kaum konnten wir dem Mangel an Lebensmittelfn] für unsere Nachbarn zuvorkommen, indessen man alle Begünstigungen für eine stolze und offenbar undankbare Stadt verschwendet; Marseille hat sie von ihrer Selbsterwürgüng, von dem eisernen Zepter des Despoten gerettet; Marseille wird, auf eine unedele Weise verlassen, noch schändlich verleumdet; seine neuen Bundesbrüder werden verkannt, und nach einem Marsche von 200 Meilen empfängt sie ein barbarischer Minister mit Herabwürdigung. Mitbürger! Wir würden nicht ans Ende kommen, wenn wir alle die Übel hererzählen wollten, die man uns antun wollte. Es ist genug, Euch zu erinnern, daß bis itzt Marseille der Unterdrückung widerstanden habe, daß es die Verschwörungen vereitelt; daß es Frankreich gerettet habe; und wir fügen noch hinzu, daß wenn Marseille seine Wachsamkeit und Tatkraft unterbräche, so würden die Feinde der Republik bald von dieser Schlaffheit, von diesem Unmute Vorteil zu ziehen wissen. Wir beschwören Euch daher, liebe Mitbürger! Euch, die Ihr mit ebender warmen Liebe wie wir für's Vaterland brennet; erinnert Euch des Eides, den Ihr schwurt, mit all Euern Kräften zu handhaben die heiligen und unverjährbaren Rechte des Menschen, diese Gleichheit und Freiheit, welche dem Menschen sein Glück und seinen Ruhm fest gründen; wir beschwören Euch, mit uns vereint und mit Hintansetzung aller Lebensgefahr die Aufrechthaltung und Einheit der Republik zu be-

620

28. Jännet 1793

schützen. Möchten doch die Gerichtspflege, die Finanzverwaltung und die öffentlichen Geschäfte eine heilsame Verbesserung und Umschwung erhalten! Möchte doch der Geschäftsgang der Nationalkonvention mehr Majestät und Ernst und Schnelligkeit annehmen; endlich möchten wir doch bald von dem schändlichen Capet und seinem ganzen verbanneten Stamme befreit sein, so könnten wir endlich ganz gerecht gegen andere sein und die Souveränität für uns unter dem Schutze der Gesetze und Tugenden im Glücke genießen. Gegeben am 21. Dezember 1792, im 1. der Frankenrepublik l

Der Entwurf einer solchen Zuschrift stand erst am 10. Februar zur Diskussion und wurde zur Überarbeitung an das Korrespondenzkomitee zurückgewiesen; vgl. Protokoll vom 10. 2. § 211, § 212, Anm. f, und vom 12. 2. 93 § 222, Anm. d. Im übrigen unterstreicht dieser Beschluß die sehr viel entschiedenere politische Haltung des Klubs in Vergleich zu der von Mitte Januar, als Cotta noch erklären konnte, daß den Klub das Schicksal des Königs nichts anginge; vgl. Protokoll vom 17. 1. 93 § 66, Anm. i. Die Meinung, die das Klubmitglied Johann Alois Becker zum Todesurteil gegen Capet in einem Briefe vom 30. 1. 93 äußerte, war im Klub sicher weit verbreitet: „Der 21. dieses Monats war der merkwürdige Tag, wo Louis Capet, der letzte König der Franken, sein Leben auf dem Schafott endigte. Die Stimmen sind hier darüber sehr geteilt; selbst unter der Armee sind viele, die seine Hinrichtung mißbilligen. Auch ich, vollkommen von seinen Verbrechen überzeugt, würde, da ich es ebenso von seiner Schwachköpfigkeit bin, bloß auf ewige Gefangenschaft gestimmt haben, aber es waren Gründe da, die seinen Tod erforderten, wenn die Republik leben sollte; also nieder mit ihm! Millionen Menschen sind den Königen geschlachtet worden und erregten nichts als kaltes Bedauern. Itzt, da der erste König dem Menschengeschlecht geopfert wird - denn Karl I. wurde es nur einer Faktion - , sucht ein lächerliches und kindliches Mitleiden die Gerechtigkeit der Handlung in Zweifel zu ziehen; immer noch wird ohne Rücksicht auf ihre moralische Schlechtigkeit der Stoff dieser elenden Usurpatoren für besser als jener der übrigen Menschen gehalten. Ein Beweis, daß es selbst bei denkenden Menschen schwer ist, sie von ererbten Vorurteilen und verwerflichen Gewohnheiten abzubringen. Bei all seinen Verbrechen hatte Ludwig doch noch mehrere Moralität als alle die gekrönten Räuber, die gegenwärtig noch im vollen Besitz ihrer usurpierten Macht und Ansehen in Europa sind, aber ihre Throne sollen so erschüttert und unterminiert werden, daß, wenn sie auch selbst den Einsturz davon nicht mehr erleben, sich ihre Nachkommen doch sicher nicht mehr darauf erhalten können. Ludwig dauert mich übrigens als Mensch, wie man jeden gestraften Verbrecher bedauert. Auch kann man das Böse, was er verübt, seinem moralischen Charakter nicht ganz aufrechnen, indem er größtenteils die tote Maschine und der nichts dabei denkende Exekutor der Verbrechen anderer war." (Stadtarchiv Mainz, Briefsammlung Nr 151, Becker an Dumont, 30. 1. 93, BI. 3) Die Mainzer Zeitungen vermieden eigene Stellungnahmen und beschränkten sich auf Mitteilungen aus den Bulletins des Konvents. Forsters Volksfreund bildet die Ausnahme, indem er in Nr 11 vom 25. 1. 93, S. 43 f., einen als Pariser Meldung vom 17. Januar aufgemachten Leitartikel brachte, der eindeutig Forsters Handschrift verrät und als eine Illustration der Denkweise jener Klubmitglieder, die für eine Zustimmungserklärung an den Konvent eintraten, hier mitgeteilt werden soll : „Ein wichtiges Eräugnis reift seiner Geburt entgegen. Eine beleidigte Nation von 25 Millionen Köpfen steht im Begriffe, einen Menschen zu richten, der den gefährlichsten Hochver

28. Jänner 1793

621

rat an ihr beging und sich noch schmeichelte, dieses Verbrechen dürfte man an ihm nicht strafen. Unstreitig aber, je größer die Macht ist,, womit ein Volk seinen ersten Beamten bekleidet, desto höher steigt auch seine Verantwortlichkeit; je unumschränkter das ihm geschenkte Zutrauen, desto schwärzer und schändlicher ist sein Mißbrauch. Wem man viel anvertraut, der kann viel Gutes und viel Böses tun; also hegte man eine vorzüglich gute Meinung von seiner Rechtschaffenheit, und er selbst, er stellte sich hier als ein vorzüglich ehrwürdiger, vorzüglich tugendhafter Mann. Es gehört also auch mehr als gemeine Bosheit dazu, um auf einem so erhabenen Posten sich wirklich zum Verbrechen entschließen zu können. Diese einfachen Sätze wird niemand leugnen wollen, und dennoch ist die Anwendung derselben so ungewöhnlich, daß viele Menschen, die einen Dieb hängen und einen Mörder köpfen sehen können, ohne das geringste Mitleid zu fühlen, in irgendeinem niederträchtigen Winkel ihres Herzens dem Vorurteile Herberge geben und den gekrönt gewesenen Missetäter, den Erzbösewicht, der eine ganze Nation plünderte und mordete oder in Ketten schlagen wollte, noch freisprechen möchten, weil er ein - König war. Warum denken sie so? Bloß darum, weil es nicht alle Tage geschieht. Wenn die Völker der Erde an einem großen Beispiele erst gelernt haben werden, ohne Ansehen der Person nach Gesetz und Gerechtigkeit zu richten, dann erst wird Wahrheit, Vernunft, Sittlichkeit und Tugend unter ihnen recht geachtet sein. Solange nur kleine Verbrecher bestraft wurden, indes der große Bösewicht keck das Haupt erheben und der Gerechtigkeit Trotz bieten durfte: so lange ist der Glaube an Tugend nicht gehörig unterstützt, und jeder wird nur streben, recht mächtig zu werden, um recht ungestraft sündigen zu können. Ist die menschliche Natur ursprünglich gut: so haben die Könige und Herrscher sie in Übeln Ruf gebracht. Ist der Mensch, wie einige Theologen meinen, von Natur zum Bösen geneigt: so ist es Ungereimtheit, Einem die Macht anzuvertrauen, die er gewiß um so viel eher mißbrauchen wird, je größer das Übel ist, das er dadurch anrichten kann. Sind wir weder gut noch böse, wenn wir geboren werden, sondern werden wir, was Erziehung, Beispiele, Gesetzgebung, Verfassung und Erfahrung aus uns machen: so leuchtet es uns allen ein, daß gute Gesetze und strenge Vollstreckung derselben die rechten Mittel sind, Ruhe in der menschlichen Gesellschaft, Glück und Zufriedenheit in unsern äußern Verhältnissen und moralische sowohl als intellektuelle Vervollkommnung im Innern eines jeden hervorzubringen. So unwiderlegbar diese Sätze sind, so unfehlbar ist auch die Folgerung, daß das Verbrechen auf dem Throne keinen Zufluchtsort finden dürfe, sondern daß es ratsamer sei, ihm solche Schlupfwinkel nicht zu bauen. Mit andern Worten: Man strafe den Verbrecher, auch wenn er König war, und man dulde keinen König mehr. Wenn etwas geschieht, was man lange für unmöglich hielt, so ist die Wirkung desto erschütternder und größer. Der Streich, der Ludwigs Kopf von seinem Körper trennt, wird das Gewissen aller Tyrannen aus dem Todesschlummer wecken! Dies ist indessen nicht die Wirkung, die uns in gegenwärtigem Augenblicke am meisten interessiert. Unsere Nationalkonvention, indem sie den Auftrag, den die Nation ihr gegeben hatte, ganz erfüllt, legt den Grundstein zu einer unerschütterlichen neuen Verfassung, vereitelt die Hoffnungen der Ruhestörer und Anarchisten und verhütet eine neue Revolution, deren Krämpfe tödlicher als die vorhergehenden gewesen wären. Daß unsere auswärtigen Feinde dies wußten, daß sie die Fortdauer innerer Uneinigkeiten von Ludwigs Erhaltung hofften, beweisen ihre ungebärdigen Drohungen in einer Angelegenheit, die uns allein betraf. Mit diesem Schlage ist folglich auch ihre Kraft gelähmt und ihre Hoffnung, den Söhnen der Freiheit zu widerstehen, verschwunden. In brüderlicher Eintracht und mit flammender Vaterlandsliebe rüsten wir uns zum neuen Feldzuge; wir zählen unsere Feinde nicht; wo konnten sie den republikanischen Scharen die Spitze bieten? Ihre Länder wollen wir nicht; ein Schluß unserer Gesetzgeber gibt uns den Rhein zur Grenze freier Menschen; am Rheine erwarten wir die Mietlinge der Despoten!"

622

28. Jänner 1793

8 Vgl. Protokoll vom 29. 1. 93 § 152. h Vgl. Protokoll vom 10. 12. Punkt [2], Abschnitt VI, § 3 und vom 27. 12. 92 Punkt [10], vöm 18. 1. § 76 und vom 24. 1. 93 § 112. > Da Böhmers Mainzer National-Zeitung, Nr 12 vom 28. 1. 93, als erste und noch dazu am Tage der Klubsitzung darüber berichtete, kann Böhmer als Sprecher angenommen werden, der seine Pariser Meldung vom 21. Januar verlas: „Heute ist sie entschieden, jene große Wahrheit, welche die Vorurteile so vieler Jahrhunderte ersticket hatten; heute hat man endlich sich überzeugt, daß ein König nur ein Mensch und daß niemand über die Gesetze ist. Völker von Europal Völker des Erdbodens! Betrachtet die Tbrone(n), sehet, daß sie nicht[s] weiter als Staub sind. - Frankreich hat ein großes Beispiel den Völkern, eine wichtige Lehre den Fürsten gegeben. Möge Ludwigs Haupt der große Weltmagnet werden, der frühe oder später die Häupter aller großen und kleinen, geist- und weltlichen Tyrannen nach sich zieht. Um 5 Uhr heute morgen wurden alle Sektionen dieser Stadt zusammenberufen. Zwischen 7 und 8 Uhr war die ganze bewaffnete Macht unter dem Gewehr, und alle Bataillone begaben sich jedes auf seinen Posten. Capet fuhr um drei Viertel auf 9 Uhr aus dem Tempel, in derselben Kutsche des Maire, in weldier er bereits zweimal zur N[ational]-CConvention] gefahren war. Neben ihm saß sein Beichtvater. Die Kutschpferde gingen Schritt vor Schritt, die größte Stille herrschte auf dieser Fahrt. Um ein Viertel auf 11 Uhr kam er an dem Revolutionsplatz (ehedem der Platz Ludwigs XV. genannt) an. Das Schafott war zwischen dem Fußgestell, auf welchem ehemals die Bildsäule des vorletzten Tyrannen ruhte, und den elisäischen Feldern angebracht, so daß der Schuldige die Tuilerien im Gesichte hatte. Capet blieb noch einige Zeit im Wagen und stieg alsdann mit dem Geistlichen aus, dessen ganzer Ornat in einem schwarzen Kleide bestand. Er stieg sodann allein aufs Blutgerüst, die Kommissarien und selbst sein Beichtvater blieben zu den Füßen desselben. Seine Kleidung war ein weißes Kamisol, Hals und Brust waren unbedeckt. Seine Haare waren hinten rund aufgerollt wie die der Abbeen. Mit herzhafter Miene und emporgehobenem Haupte näherte er sich dem Werkzeuge seines Todes, sah umher von der Rechten zur Linken und sagte mit starker Stimme: Franken! ich sterbe unschuldig; ich verzeihe meinen Feinden, ich ipünscbe, daß mein Tod dem Volke nützlich sei. - Man führte ihn hierauf näher zur Köpfmaschine (Guillotin), um ihm die gehörige Stellung zu geben, wobei er noch die Worte aussprach: ich befehle meinen Geist in die Hand Gottes. Wenige Augenblicke darauf fiel das Haupt desjenigen, um dessentwillen schon Tausende derer fielen, die er stolz seine Untertanen nannte. Damals war es 10 Uhr 24 Minuten. Die Exekution dauerte nur einige Sekunden. Noch immer herrschte die größte Stille, aber in dem Augenblicke, wo einer von den drei Scharfrichtern Ludwigs Kopf nahm und ihn den Zuschauern zeigte, erscholl ein allgemeines Geschrei: es lebe die Nation! es lebe die Republik! und alle Hüte wurden auf Bajonetten und Piken in die Höhe gehoben. Sein Körper wurde nach einem in solchen Fällen üblichen Herkommen in einen Korb gelegt und auf dem Magdalenen-Kirchhofe neben den auf dem Platze Ludwigs XV. Gefallenen vom 10. August und neben denen, welche auf der Königsstraße an seinem Hochzeittage erdrückt worden waren, begraben. Während er dorthin gefahren wurde, rief man zu wiederholten Malen: Wir haben es immer gut mit ihm gemeint, aber er hat uns allzeit übel gewollt. - In unsrer Stadt herrscht die größte Stille, keine erkünstelte Freude, aber auch keine Traurigkeit, welche mit Reue verbunden wäre. Als Menschen weinen wir Tränen des Mitleids Ludwig dem Menschen, als Bürger segnen wir den Tag, der uns von diesem verschwornen Feinde unsrer Freiheit befreite und die schon ins vierzehnte Jahrhundert getragenen Fesseln der Königswürde unwiderruflich von uns abstreifte." i

D a s Testament wurde im Moniteur erst in Nr 28 vom 28. 1 9 3 , B d X V , S

2 8 5 f , publiziert.

28. Jänner 1793

623

so daß dem Sprecher im Klub eine andere Veröffentlichung als Vorlage gedient haben muß, möglicherweise eine von den Royalisten besorgte. k Laut Hoffmann, Darstellung, S. 593, meldete sich auch Metzler im Klub zu Wort und erklärte öffentlich, „dieses so religiös abgefaßte Testament bestätige das alte Sprichwort: Wenn die Hure alt wird, gibt sie eine Betschwester". Das Testament, von dem es im Protokoll III ergänzend heißt, daß es „aber mehr Glaubensbekenntnis war", wurde von den Mainzer Jakobinern weder mit noch ohne Kommentar veröffentlicht. Forsters Volksfreund, Nr 16 vom 5. 2. 93, S. 64 f., brachte aber immerhin eine Betrachtung dazu, die geeignet ist, die spärlichen Angaben über die Diskussion im Klub zu ergänzen: „Wenn es möglich gewesen wäre, daß im Jahre 1793 nadi der Hinrichtung Ludwigs das Mitleid nicht bloß einen Schein über seine Verbrechen geworfen, sondern sie mit dem falschen Schimmer des Vorurteiles zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen gesucht hätte, so konnte nichts eine so allgemeine, so entscheidende Gegenwirkung gegen diese Bemühungen der Königsfreunde hervorbringen als das Testament, welches sie selbst nicht schnell genug haben ins Publikum bringen können. Wenn es ihre Absicht war, ihren Ludwig so bedauern und zurückwünschen zu lassen, wie in England Karl I. bedauert und zurückgewünscht ward: so hätten sie zuvor den Unterschied dieser beiden Menschen und den der Zeiten erwägen müssen; denn Unglücklicheres konnte nichts ersonnen werden als diese jämmerlichste aller Kapuzinaden, worin man den hingerichteten Exkönig in jeder Zeile bekennen läßt, daß er in allen seinen Äußerungen gegen die Nation, in allen seinen feierlichen Verträgen mit ihr, bei allen seinen Eidschwüren und Annahmen der für ihn so günstigen Konstitution nicht ein einziges Mal es redlich gemeint habe, sondern alles für ungiltig angesehen habe, was ihm seine willkürliche Gewalt im mindesten schmälerte. Die heuchlerische Frömmelei, womit er mehr als der Hälfte dieses Testaments die Gestalt eines Glaubensbekenntnisses gibt und sich allen unbegreiflichen Mysterien der papistischen Kirche mit blindem Glauben hingibt, hat den nachteiligen Eindruck gegen den verworfenen Menschen, dessen tierisches Leben jedermann kannte, vollends bis zur tiefsten Verachtung gestimmt; jedermann fühlt es tief, daß es Entehrung und Beschimpfung der Religion ist, wenn ein solcher Mensch sie zum Deckmantel seiner Missetaten nehmen will; und der Kunstgriff ist so plump, so abgenutzt, daß er kaum hie und dort einer abergläubigen alten Vettel ein Stoßseufzerlein wird abnötigen können. Man glaubt daher in Paris ziemlich allgemein, daß die Absicht der Königsfreunde bei der Bekanntmachung dieses Testaments viel tiefer liegt; der Gesichtspunkt, in welchem es den Sohn Ludwigs hinstellt als einen Prinzen, von dem sein Vater noch hoffen konnte, daß er einst wieder den Thron in Frankreich besteigen würde, scheint der schwärzesten Bosheit ein Mittel an die Hand gegeben zu haben, um das Volk zu einem Verbredien zu verführen. So wie man Ludwigs Tod nicht von der Axt des Gesetzes, sondern von der Hand eines Mörders wünschte: so wünschen jetzt die nach Frankreich sich zurückschleichenden Emigrierten und ihre nicht ausgewanderten Mitverschworenen, daß die Ermordung eines unschuldigen Kindes ihrer verzweifelten Sache eine bessere Wendung geben und das Volk von Paris verhaßt machen möchte. Allein sie haben ihren Zweck auch hier verfehlt, und es bleibt ihnen nichts mehr übrig, als vermittelst eines geschickten Hokuspokus den Geköpften wieder von den Toten zu erwecken und durch die Mummerei eines Wunderwerks auszurichten, was ihrer Bosheit, ihrer Feigheit und ihrer Unwissenheit bisher immer mißglückte. Schade nur, daß die gottlosen Mainzer Bürger Faust und Schöffer die Buchdruckerkunst erfanden! Seitdem die Kunst, Heilige und Märtyrer zu fabrizieren, im Drucke bekanntgemacht worden ist, hat der ganze Spaß daran ein Ende." 1

Die Marseillaise war mehrfach übersetzt; die hier angezeigte Übersetzung hatte Wedekind in seiner Zeitschrift Der Patriot, [Nr 2] B [I vom 21. 11. 92], S. 2 - 5 , abgedruckt. Übersetzer war der Freund Wedekinds und gebürtige Schweizer Rudolf Suter, der diese Nachdich-

624

28. Jänner 1793

tung unter seinem Namen und mit geringfügigen Abweichungen als selbständige Flugschrift unter dem Titel herausbrachte: „Marseiller Marsch, ein Geschenk an meine Brüder". Es folgt der Marseiller Marsdi nach der im Patrioten gebotenen Vorläge:

„Marseiller Marsdi 1. Aufl aufl ihr Freiheitssöhne, Brüder auf! und umarmt den frohen T a g ! Seht der Tyrannie Gefieder über uns dort ausgespannt 1 über uns dort ausgespannt! Hört ihr nicht dort auf euren Feldern dieser wilden Krieger Wut, sie fordern euer freies Blut, eurer Weib und Kinder Leben. Zu den Waffen 1 ihr Bürger, formiert nun eure Reihn. VoranI Voran! Verfluchtes Blut tränke nun unsre Flur. Voran! Voran! Verfluchtes Blut tränke nun unsre Flur.

2.

Was kann die Sklaven-Rott dort wollen? Verräter, der Tyrannen Bund? Wem die Fesseln dort? wem sollen diese Ketten, lang schon bereit? diese Ketten, lange schon bereit? Uns Franken! uns! . . . O h ! welche Schande! entflammen muß uns dies zur Räch! Wir dies? wir sollen diese Schmach tragen, wieder Sklaven-Bande? Zu den Waffen! ihr Bürger. : , : : , : 3. Was! sollen fremde Fürstcn-Scharen Gesetze geben unserm Land? Sollen gelderkaufte Waren trennen unsrer Krieger Band? trennen unsrer Krieger Band? Gott! sollen feige Sklaven-Hände ins Joch nun beugen unsre Stirn? Von elender Despoten Hirn soll abhangen unser Leben? Zu den Waffen! ihr Bürger

,

,

625

29. Jänner 1793

Tyrannen zittert 1 ihr Hyänen, der ganzen Menschheit schwarzer Greuil Zittert I euern Mörder-Plänen graut der Tag des Lohns heran, graut der Tag des Lohns heran. Ein jeder stürzt auf euer Leben; fällt auch unsrer Helden Band, zeugt neue wieder unser Land, all' bereit, den Tod euch zu geben. Zu den Waffen I ihr Bürger. : , : : , : 5. Aufl Franken, handelt edeln Kriegern gleich, mäßigt euern hohen Mut; schont die traurigen Schlachtopfer, irre durch Despoten Wut, irre durch Despoten Wut. Doch jene blutgier'gen Tyrannen tödt', jene Rotten des Bouill£. Weh über diese Tiger, weh! welche Mutterlieb verbannen. Zu den Waffen! ihr Bürger. : , : : , : 6.

Vaterland 1 o deine Liebe leit', stütze unsre Rächerhand; Freiheit, Freiheit, deine Triebe halten deiner Schützer Band, halten deiner Schützer Band. Auf deinen Ruf geh unsern Fahnen schön die Sieges-Sonne aufl Die Feinde fliehn in ihrem Lauf, die, Triumph dir, Ruhm uns bahnen! Zu den Waffen I ihr Bürger. : , : : , :

Protokoll des Comité général vom [Dienstag,] 29. Jänner 1793, im 2. Jahr der Frankenr[epublik] Praeside Förster § 146 M a n schritt zur Präsidentenwahl, und während der Einsammlung der Stimmen machte ein Mitglied die Motion, viele müßten fehlen", indem sie die Statuten und das Reglement der G e s e l l s c h a f t ] 1 nicht wüßten, man solle daher dieselbe[n] drucken lassen. D e m Vorsprecher wurde bemerkt, 1

40

„und das Reglement der Gesellschaft]" am Rande ergänzt. Scheel, Protokolle

626

§ 147

§ 148 § 149

§ 1503

§ 151 § 152 2 3

4 6

29. Jänngr 1 7 9 3

daß das Comité d'instruction die Redaktion übernommen habe - stückweis sollen sie nicht gedruckt werden, indem im Anfang Beschlüsse vorkommen könnten, die am Ende geändert oder gar aufgehoben seien. - Jedoch sei der Unterrichtsausschußb zu erinnern, dieselbe[n] sobald als möglich zu liefern. Unterstützt und angenommen. Ein Mitglied erinnerte, daß zur Tagesordnung des Comité général gehöre: 1. Generalbericht und Rechnung des ôkonomiecomité[s] vom verwichnen Monat, 2. Bericht des Unterrichtscomités, um zu sehen, auf welchem Punkte wir stehen und auf welchen Wegen wir vorzuschreiten. Das Scrutinium zeigte, daß Metternich mit 20 Stimmen zum Präsidenten und Cotta mit 25 Stimmen zum Vicepräsidenten gewählt ware[n]. Ein Mitglied zeigte an, daß er eingeladen worden sei, dem Wohltätigen Ausschuß beizuwohnen; bei seiner Anwesenheit habe er gesehen, daß 1. kein[e] gewöhnliche Stunde zur Sitzung bestimmt, 2. die Mitglieder nicht alle anwesend2 und 3. gar kein Fonds für Unterstützungen vorhanden ; man fügte hinzu, 4. daß der Secretaire des Comités (Buzini) seine Stelle verlassen und gar aus der Gesellschaft getreten sei.' Man verlangte, ad 1. die Stunde und Ort der Sitzung festzusetzen, ad 2. daß sich die Glieder, die sich selbst fürs Wohl der bedürftigen Brüder zu arbeiten anheischig gemacht, den Sitzungen fleißiger beiwohnen sollen, ad 3. hat die Gesellschaft eine wöchentliche Sammlung, und zwar an jedem Sonntag, beschlossen.11 Der Ausschuß wolle daher die Maßregeln treffen, diese Sammlunge[n] vorzunehmen. Ad 4. die erledigte Secretairestelle des Comités betreffend, hätte das Comité ein hiezu taugliches Mitglied aus der Gesellschaft vorzuschlagen - um so mehr, da dem freiwillig zusammengetretenen Ausschuß die mühesame Secretärsstelle nicht aufgebürdet werden kann. Unterstützt und angenommen. Es wurde ein Schreiben von einem Mitglied4 (Fuchs) verlesen, der berichtet der Gesellschaft, daß die Wöllsteiner5 unsere Marseiller seien, daß diese Gemeinde alle Anstalten getroffen, um den Bürger Commissaire Merl (e) in in aller Solennität zu empfangen, daß da alle Frauen und Mädchen voll Patriotismus wären und daß der dasige Kaplan Münch nächsten Donnerstag unsere Gesellschaft um seine Aufnahme ersuchen und dann den Eid für Freiheit und Gleichheit leisten wolle.6 Ein Mitglied schlug vor, daß den Donnerstag dieser Brief nochmals solle verlesen werden.1 Dem Wohltätigen Ausschuß wurden zur Unterstützung der Waffenbrüder zugestellt (1.) 5 Liv[res] in Assignat[en], 30 Sois von B [rüder] Kling, 3 Stab englisch Tuch zum Caputrocke. Man bemerkte der Gesellschaft, daß der Regens, Subregens und Ökonom

Es folgt die Streichung „gewesen". . Neben diesem § steht am R a n d : ,,Tagso[rdnung]" als Hinweis für die nächste Sitzung, siehe dort § 156. Der Satz sollte ursprünglich beginnen: „Ein Mitglied". „die" zugefügt; im Manuskript: „Welschsteiner".

29. Jänner 1793

627

des Séminaires ganz inkonstitutionelle Gesinnungen hegten: 1. daß diese für den abgewichnen Fridrich Carl Kurfürst als Regenten8 noch beten, 2. daß sie ohngeachtet der erhaltenen Weisung, die Seminaristen zum Besten der guten Sache dem Klub beiwohnen zu lassen7, diese Weisung nicht bekanntgemacht und den Ausgang zu dieser Zeit gänzlich verboten hätten.^ Da diese aristokratischen, dem Bürgersinn und der guten Sache so äußerst nachteiligen Vorsteher des Seminaires sich der Weisung der Landesadministration ohngeachtet nicht gebessert, so beschloß die Gesellschaft, es solle8 vom Instruktionsausschuß eine Adresse an die Allgemeine L[andes] administration gemacht werden, worin das inkonstitutionelle Benehmen des Vorstands im Seminaire denunzieret, um deren Dienstentsetzung angestanden und zu deren Stellen gute patriotisch gesinnte Geistliche vorgeschlagen werden. - Auf das Erinnern, daß der Kirchenkalender oder das Directorium Missale immer noch das alte sei, so solle auch hievon als eines ordnungswidrigen Benehmens in obiger Adresse Denunziation geschehen.b § 153 Ein Mitglied hielt für nötig, immer im Protokoll der ausgefertigten Adressen Erwähnung zu tun und von jedem Verwaltungscorps Antwort? zu verlangen, worüber ebenfalls im Protokoll solle Nachricht gegeben werden. Unterstützt und angenommen. Darauf wurde die Sitzung geschlossen. a

Fehlen ist hier im Sinne von falsch handeln zu verstehen; im Protokoll III heißt es auch ausdrücklich, daß „bei den Mitgliedern viele Fehler vorgingen". D a ß die Statuten beim Comité d'instruction in Arbeit seien, wurde bereits Anfang des Monats mitgeteilt; vgl. Protokoll vom 6. 1. 93 Anm. k. Inzwischen war zweimal daran erinnert worden; vgl. Protokoll vom 14. 1. § 54 und vom 17. 1. 93 § 60. Vgl. Protokoll vom 7. 1. 93 § 36 Anm. j.

b

c

d Es handelt sich, wie es auch im Protokoll III ausdrücklich heißt, um „eine wöchentliche Sammlung in der Gesellschaft"; zu diesem Beschluß vgl. Protokoll vom 7. 1. 93 § 3 6 . e Vgl. Protokoll vom 4. 1. § 13, Anm. f, und vom 31. 1. 93 § 156. £ Protokoll III fügt dieser Motion noch die Mitteilung hinzu: „Angenommen." 6 Vgl. auch Protokoll vom 28. 1. 93 § 1 4 2 und vom 10. 2. 93 §§211, 212. Regens war der Geistliche Rat Hermann Joseph Hober, Subregens der Hofkaplan Heinrich Günther. Offensichtlich hatten sie nicht nur den Klubbesuch der Seminaristen unterbunden, sondern auch die ihnen am 2. Januar zugegangene Weisung mißachtet, die .von den republikanischen Behörden ausgehenden Verordnungen bei Tisch den Alumnen vorlesen zu lassen, damit „die Unwissenheit derselben in der Folge nicht schädliche Spaltungen veranlasse" und sie „allmählich in den Geist der fränkischen Konstitution' eingeweiht werden" (zit. bei Brück, Priesterseminar, S. 67). Auf die konterrevolutionären Umtriebe im Seminar hatte Meuth im Fränkischen Republikaner, N r 10 vom 25. 1. 93, S. 79 f., durch den Artikel „Wirkung der Nähe der Preußen" aufmerksam gemacht: „Was doch unsere Aristokraten gleich so mutig die Köpfe recken, sobald sie nur ein kleines, kleines Fünkchen Hoffnung zu erhalten glauben, daß die Tage unse6 7 8 9

40*

„als Regenten" am Rande ergänzt. Danach gestrichen: „vielmehr". Ursprüngl.: „vom Instruktionsausschuß solle". ,,-corps Antwort" am Rande ergänzt statt unleserl. Streichung.

628

31. Jänner 1793

rer Sklaverei wiederkommen könnten, in denen sie sich so wohl befanden und so gemächlich von unserm Mark sich mästeten I Nach der bekannten Banditenszene in Frankfurt, als die Preußen sidi unsrer Gegend näherten, glaubte ein Superior des hiesigen Seminariums, von nun seien dieselben, auch schon in unserer Stadt oder kämen dodi wenigstens bald herein. Dies fachte seinen Mut so an, daß er die Frechheit hatte, den Alumnen zu sagen: er halte denjenigen von ihnen für den größten Kindskopf {dies ist sein eigener Ausdruck), welcher nicht wisse, daß unser Kurfürst (sein, wollte er sagen, denn wir haben ja keinen mehr) noch unser Bischof sei; daß er die Unverschämtheit hatte, zu befehlen, das salvum fac famulum tuum Fridericum Carolum Josephum mit aller Energie zu beten und allen, welche nach der Ursache fragen würden, zu sagen: Unsere Oberen haben es noch nicht abgeändert. Wie lange, Bürger Vorsteher des Seminars! werden Sie wohl noch in diesem Tone sprechen? Wie lange noch des flüchtigen Kurfürsten sich annehmen und unsere jungen Männer zu verführen suchen, welche einst unsere Seelsorger werden sollen? Wissen Sie nicht, wie es den ruhestörenden Priestern in Frankreich erging? - Ich warne Sie als wahrer Freund I M." Im Februar fand dann in der Tat ein Wechsel in der Leitung des Seminars statt: An die Stelle des ausgewiesenen Hober trat der Kaplan Kuhnmünch aus Ebersheim, der allerdings nadi sehr kurzer Zeit wieder von Arand abgelöst wurde. Protokoll III fügt noch ausdrücklich hinzu: „Unterstützt und angenommen."

h

Protokoll der Sitzung vom [Donnerstag,] 31. Jänner 1793, im 2. J[ahr] d[er] F[ranken]r[epublik] Praeside Forstera § 154 E i n patriotisches Geschenk von Bürger Peter Schmit, überreichte für 3 Grenadier [e] des braven Linienregiments, ehemals Bourboir 1 genannt, 6 Bockfell [e] für 3 Paar Hosen, 3 Paar Strümpfe, 3 Hemder, ferner von B [rüder] Staudinger 14 kr. § 1 5 5 D a s Protokoll der zwei letzten Sitzungen wurde verlesen. § 1 5 6 Ein Mitglied {Münch, Kaplan zu Wöllstein 2 ) wurde aufgenommen und leistete den Schwur für Freiheit und Gleichheit. b § 1 5 7 D a s Protokoll des Unterrichtsausschusses wurde verlesen, und der Wachhabende Ausschuß stattete wegen Hettersdorf Bericht ab. c § 1 5 8 E i n Mitglied 3 {der B[ürger] Commissaire Simon) ersuchte die Gesellschaft, ihren Sitzungen 4 beiwohnen zu därfen. D a er Mitglied der Jakobiner-Gesellschaft in Paris und ferner zu Straßburg ist, so lud ihn der Präsident ein, insoweit es seine Geschäfte(n) erlaubten, unsern Sitzungen beizuwohnen."1 D e r B[ürger] C[ommissaire] Simon zeigte, daß Preßfreiheit und Volksgesellschaften die wahren Stützen für Freiheit und Gleichheit seie[n], die Gesellschaft müsse hier und auf dem Lande Bruderliebe verbreiten, um Nutzen zu leisten; mit Rat, Tätigkeit und Fleiß unterstützt, werden 1 2 1 4

Auch in Protokoll III deutlich so geschrieben, vielleicht „Bourbon" gemeint. Im Manuskript „Welschstein". „Ein Mitglied" zugefügt. „ihren Sitzungen" zugefügt.

31. Jänner 1793

§ 159

§ 160

§ 161

§ 162

629

die Franken siegen, und die Pforte der Hölle werden® sie nicht überwinden. Man debattierte darauf über Hettersdorfs Verweisung aus der Stadt und dermalige Anwesenheit. Ein Mitglied verlangte, man solle Stamms Brief beantworten®, der Rapport des Comité [s]e habe nichts gegen den Brief bewiesen. Dem Vorsprecher bemerkte man, daß man gar nicht einsehe, warum man sich über den Brief aufhalten solle. Ein Mitglied verlas darauf eine Rechtfertigung für die Bürger-Munizipalität und sich selbst(en)7, die Verweisung des Hettersdorfs betreffend.1 Ein Mitglied sagt8, der Vorsprecher habe von Hettersdorf alles Schlimme gezeigt, jedoch solle jeder Gerechtigkeit erhalten, die Gesellschaft soll dem Stamm antworten. Ein Mitglied beschwert sich, daß man, da ohnehin die Munizipalität so sehr verantwortlich sei, nicht nur mit Faveur gegen den Aristokraten und mit Defaveur gegen die Munizipalität gesprochen hätte. Ferner bemerkte man, daß die Munizipalität ihre Schuldigkeit getan hat; in einer belagerten Stadt könne man öfter nicht nach Recht verfahren9, bloß als trierischer Domherr, gegen die wir im Krieg ständen, müsse er ausgewiesen sein. Eine konstituierte Gewalt hat einen Aristokraten ausgewiesen, und eine nicht konstituierte hat ihn wieder hereingeführet; Stamm hat unsere Munizipalität herabgesetzt, er ist also zur Rechenschaft zu ziehen.* Ein Mitglied verlangte, einen Brief von Hettersdorf zu dessen Rechtfertigung abzulesen, und die Gesellschaft wollte ihn nicht hören.h Ein Mitglied (Simon)10 zeigte, daß der Gesellschaft Pflicht sei, alle der guten Sache Gefährliche [n] anzugeben, und die Generäle haben die Gewalt, die Angegebene [n] zu entfernen. Die Gesellschaft ging hierüber zur Tagsordnung. Das Ausschußprotokoll der Ökonomie wurde verlesen. Bei der Korrespondenz berichtete ein Mitglied (Hofmann) 10 , daß er von einer Sendung zurückkäme, welche die Absicht gehabt hätte, die Klagen gegen die Franken zu erfahren und zu untersuchen11, er habe erfahren, daß der Fürst von Kirn und Kyrburg12 seinen Untertanen das selbst [ge] geben, was wir erkämpfen müssen. Das Kammergericht zu Wetzlar habe dagegen13 ein Dekret ergehen lassen, dessen Nr [?] 5 heißt: alles das, was der Fürst den Untertanen geschenkt hat, sei null und nichtig, und sagt, der Fürst ist schuldig, daher sollen die Bauren ihre Abgaben fort geben.'

0 Müßte sinngemäß „wird" heißen. " Geändert statt ursprüngl. : „man solle über Stamms Brief urteilen". ' 7 „selbst(en)" zugefügt. 8 Geändert statt: „Ein Mitglied behauptet". 9 Es folgt die Streichung: „es erhelle, die eine konstituierte Gewalt habe". 10 Der Name steht im Manuskript am Rand. 11 Es folgt die Streichung: „berichtet". 12 In beiden Protokollmanuskripten: „Kirchberg". 13 Geändert statt: „desfalls".

630

31. Jänner 1793

So wie es die Regierung hier machet, so hat es auch Herr Zwak da gemacht, er hat da14 einen gedruckten Zettel herumgegeben, darin-er den Untertanen ihre Pflichten und dauerhafte Ruhe anempfiehlt; spricht von Retter [n], die nahe sind, und will darin ein15 Vergehen den(en) Franken aufbürden, da sie ihre boshafte Pfaifheit verjagt haben.' Die Franken haben nur die Geistliche [n] vertrieben, welche gegen Patrioten wirklich gehandelt haben und ihre Absolutionen zu Bosheiten verwendeten. Man bemerkte über den Herrn Zwak, daß er vieles über Menschenrechte zu sprechen gewußt, daß er oft über die Niederträchtigkeiten des Pfälzer Hofs losgezogen. Ein Mitglied (Gesellschaft)16 stellte die Frage auf, was ist von solch einem Mann zu halten.k Man beschloß, Hofmann soll eine Antwort auf die Zwakische Schrift fertigen. § 163 Wedekind schlug der Gesellschaft vor, nächsten Sonntag wolle er eine Vorlesung über Volksbeamte halten, und lud sämtliche Anwesende[n] dazu ein.1 § 164 Ein Mitglied erinnerte, daß die Landleut[e] mißmutig und übelgesinnt seien, weil ihnen ihre aristokratischen Beamte[n] noch auf dem Halse säßen, und wenn auch irgendwo ein neuer gutgesinnter Schultheiß wäre, so kommunizierte die Administration dennoch mit den übelgesinnten Amtleuten. Man könne den Landleuten nicht zu[r] Last legen, daß sie Zügel losigkeit für ihre Freiheit wünschten, sie hätten vielmehr genaue Vorschriften verlangt und nichts erhalten. Dem Vorsprecher widersetzte man, daß nach der fränkischen Staatsverfassung das Departement mit den Distriktund Munizipalbeamten kommuniziere. Es könne kein Gesetz gegeben werden, welches nicht mißverstanden würde. In Revolutionsumständen, wo alte Ordnung abgeschafft würde, müsse immer einige Unordnung folgen. Diesem Übel vorzubeugen, sei in Frankreich die Departementsverwaltung verteilt, um die Distriktsverwaltung abzuschaffen. Um mit den Völker [n] handeln zu können, werde das Volk durch militärisch [e] Gewalt in die - neufränkisch [e] Konstitution gesetzet. Das Volk macht das Gesetz, und der Beamte ist nur der Vollzieher; alle Menschen werden aufgefordert, die Souveränität des Volks allein zu erkennen. Ein Mitglied verlas ein Schreiben von Wöllstein2, welches zeigt,, daß sich 18 Ortschaft[en] an sie schließen wollten; die Brüder sollen ihnen beistehen und eine Vorstellung an die Allgemeine Administration machen, damit ihr e [he] maliger Beamte Wolf zur Rechnung gezogen würde. Uber die Einwendung, Wolf sei zu Wöllstein2 nicht sicher, will Meuth mit seinem Kopf dafür stehen. Man bemerkte dem Vorsprecher, daß die Allgemeine] Administration beschlossen habe, Wolf solle zu Mainz Rechnung ablegen.m 14 15 16

„ d a " zugefügt. „ein" zugefügt. „Ein Mitglied" verbessert statt des ursprüngl. Satzanfangs: Streichung von „Gesellschaft" unterblieb.

„Die Gesellschaft",

wobei

die

31. Jänner 1793

631

Die Commissaires für die Eingänge wurden verlesen und die Sitzung geschlossen. « Obwohl bereits ein neuer Präsident am 29. 1. 93 gewählt worden war, führte Forster die Präsidentengeschäfte, die er ja auch erst - trotz seiner Wahl am 29. 12. 92 - mit Monatsbeginn übernommen hatte, bis zum Monatsende. Nicht ohne Stolz sprach Forster in einem Briefe vom 28. 1. 93 an seine Frau über seine Tätigkeit als Klubpräsident: „Mit Ende dieses Monats endige ich meine äußerst mühsame Präsidentschaft im Klub desto rühmlicher, da ich erst in beiden, im deutschen und im französischen, Sitzungen präsidieren mußte, hernach aber, da man sich dazu verstand, beide in eins zu werfen, jedesmal alles, was in einer Sprache gesagt wurde, in der andern zu wiederholen und tausend Schwierigkeiten durch beinahe anhaltendes Sprechen zu überwinden hatte, auch gerade diesen Monat mancher öffentliche Aktus, wie z. B. der erste Eintritt der Commissarien der N[ational]-C[onvention], die Pflanzung des Freiheitsbaumes u. dgl., vorfielen, wobei ich öffentlich reden mußte, den Auftritt Hofmanns gegen Dorsch zu geschweigen, wo ich so glücklich durch meine Rede alles für den Augenblick beruhigte, ob ich gleich erst spät die Anstrengung noch empfunden habe." b Vgl. Protokoll vom 29. 1. 93 § 150. C Vgl. Protokoll vom 27. 1. § 130 und vom 25. 1. 93 § 125, Anm. f. d Die Kommissäre der vollstreckenden Gewalt, Johann Friedrich Simon aus Straßburg und Gabriel Grégoire aus Thionville, waren erst an diesem Tage in Mainz eingetroffen; aber während der erstere sogleich den Klub aufsuchte, kam dieser schon so krank am Ziel an, daß er bereits am 7. Februar um seine Ablösung einkommen mußte, auch wenn er noch diesen einen Monat durchzuhalten versprach; am 5. März verließ er dann Mainz endgültig. (AN Paris, F 1 e 40, Briefe an Le Brun-Tondu von Simon am 31. 1. und 8. 3., von Grégoire am 7. 2. 93) Böhmer brachte in seiner Mainzer National-Zeitung, Nr 15 vom 4. 2. 93, eine späte und dürftige Meldung vom Eintreffen der beiden: „Am 31. v. M. sind die Bürger Simon (ehemaliger Mitherausgeber der .Geschichte der gegenwärtigen Zeit') und Grégoire als Kommissarien der ausübenden Gewalt hier angekommen, um das Wahlgeschäft und überhaupt die Vollziehung des Dekrets vom 17. Dezember zu befördern." Forster dagegen, der als Präsident Simon im Klub willkommen hieß und der schon immer auf die Durchführung der Wahlen gedrängt hatte - vgl. Protokoll vom 10. 1. 93 Anm. j - , setzte die Meldung an die Spitze der Nr 15 seiner Neuen Mainzer Zeitung vom 3. 2. 93 und kommentierte sie ausgiebig: „Heute trafen die beiden bevollmächtigten Kommissarien des provisorisch vollstreckenden Rats, Bürger Simon und Grégoire, hier ein, um in Befolgung der Dekrete des Nationalkonvents vom 15., 17. und 22. Dezember in unsern Rheingegenden die Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität des Volks zu proklamieren, den sämtlichen Einwohnern gegen alle Aufwiegler, Friedensstörer und Bedrücker den nachdruckvollesten Schutz der Gesetze angedeihen zu lassen und unsere so lang unter dem zwiefachen Joche des weltlichen und priesterlichen Despotismus großer und kleiner Tyrannen seufzende deutsche Nation zum ersten Gebrauch ihrer souverainen Rechte aufzurufen. Nie kann man oft genug den Menschen, die jahrhundertelang ihrer Würde und Freiheit beraubt gewesen sind, wiederholen, daß die wahre Freiheit darin besteht: unter Obrigkeiten zu leben, die sie selbst gewählt haben und an deren Stelle sie wieder neue wählen können. Jede Gemeinde und jeder einzelne freie Bürger muß daher nicht nur das Recht; haben, zur Wahl des Maires und der Munizipalbeamten seines Orts seine Stimme zu geben, sondern auch zur Wahl eines Abgeordneten in die allgemeine Versammlung der Gesetzgeber seines Landes, in die mainysche Nationalkonvention, mitzustimmen. Diese Versammlung, die auf solche Art durch den freien Willen des Volkes gewählt und mit aller Vollmacht versehen ist, vertritt sodann die Stelle des freien Volkes selbst, bestimmt das Verhältnis des frei gewordenen

632

31. Jänner 1793

Staats gegen andere Staaten, wählt die allgemeinen Verwaltungen, gibt Gesetze und verordnet die Art und Weise, wie darnach in vorkommenden Fällen entschieden, das Urteil gesprochen und vollzogen werden soll." e Gemeint ist hier das Comité de surveillance, dessen Bericht oben in § 157 erwähnt wird. 1 Der Sprecher war offensichtlich Patocki, den Stamm besonders attackiert hatte; vgl. Protokoll vom 25. 1. 93 Anm. (. 8 Vgl. oben SS 157, 159, außerdem Protokoll vom 25. 1. S 125, Anm. f und vom 27. 1. 93 S 130. In diesen Streit der Munizipalität mit Stamm wurde auch der Nationalkommissär Simon einbezogen, der eben erst in Mainz eingetroffen war, aber doch schon im Klub im Sinne derjenigen gesprochen hatte - vgl. S 161 unten - , die für die Entfernung des Heiersdorf eintraten; in seinem Abschlußbericht vom August 1793 schrieb er: «La municipalité de Mayence m'envoya un jour une députation, pour se plaindre d'un billet de Stamm, qui, en parlant en son nom privé et particulier, disait à la municipalité: Je vous ordonne. Je fis voir ce billet à Custine qui en fut indigné lui-même et dit: Je ne me permettrais pas un pareil ton envers un caporal, fût-il même coupable. Cependant les choses en restaient toujours là. La municipalité ne recevait pas la moindre satisfaction, et M. Stamm ne continuait pas moins à faire la pluie et le beau temps.» (AAE Paris, Corr. politique, Mayence, vol. 70: 1791-94, fol. 359; Bericht von Simon, Meyenfeld und Guillot vom 13. 8. 93) Im gleichen Sinne trat Simon auch im Prozeß gegen Custine auf; da sich seine Kritik gegen den Adjutanten Custines richtete, belastete sie des letzteren Konto: „Der Adjutant Stamm erteilte in seinem eigenen Namen nach seiner eigenen Willkür den Magistratspersonen dieser Stadt Befehle." Custine hielt dem entgegen: „Stamm ist ein guter Republikaner; [ . . . ] Als ich unterdessen erfuhr, daß er sich allerhand Unbedachtsamkeiten gegen einige Zivilbeamte erlaube, ließ ich ihn kommen, und nachdem ich ihm einen derben Wischer gegeben, befahl ich ihm, die Munizipalität um Vergebung zu bitten und in Zukunft sich gegen sie mit mehr Überlegung zu betragen." (Custines Zeugenverhör, S. 133) Hofmann trat ebenfalls als Zeuge in diesem Prozeß auf und sagte unter anderem aus: „Sein Adjutant namens Stamm unterhielt einen Briefwechsel mit einem Domherrn zu Mainz." (Ebenda, S. 145) 1> Vgl. Protokoll vom 1. 2. 93 § 170. '

Friedrich III., Fürst von Salm-Kyrburg, war im Luxus der französischen Hofgesellschaft großgeworden, bewohnte das Hotel de Salm in Paris und kam lediglich nach Kirn, dem Hauptort seiner Herrschaft, um kostspielige Sommerfeste zu feiern. Daraus resultierten endlose Plackereien der Untertanen und eine so gründliche Verschuldung, daß sämtliche Einkünfte von den Gläubigern mit Beschlag belegt waren. Seit dem Bastillesturm versuchte es Friedrich III. als Parteigänger der Revolution; vgl. auch Protokoll vom 19. 11. 92 Punkt 3, Anm. c. Über seine Zukunftsträume äußerte er sich in einem Schreiben vom 1. 11. 92 an seinen Reichstagsgesandten in Regensburg, das der Moniteur, Nr 321 vom 16. 11. 92, Bd XIV, S. 478, in französischer Übersetzung abdruckte. Friedrich III. wies darin den Gesandten an, unter allen Umständen gegen den Reichskrieg zu stimmen, und formulierte als Alternative: «Ne serait-il pas plus sage de former avec la France une ligue défensive, semblable à la confédération du Rhin, dont un prince de Salm fut grandmarédial sous le règne de Louis XIV ? Héritier de l'attachement de mes ancêtres pour cette puissante et estimable nation, je regarderais le jour de cette alliance comme le plus beau de ma vie, surtout j'étais assez heureux pour y contribuer.» Sein nächster Schritt, die demonstrative Anerkennung der Volkssouveränität, fand schon nicht mehr das von ihm erwartete Echo; der Moniteur, Nr 338 vom 3. 12. 92, Bd XIV, S. 629, gab dazu den folgenden knappen Bericht über das Auftreten des Deputierten Rühl in der Konventssitzung vom 2. Dezember: «Ruhl: Je suis chargé par le prince régnant Frédéric de

633

31. Jänner 1793

Salm-Kirbourg, prince d ' É t a t d'Empire et citoyen français, comme il signe, d'annoncer à la Convention qu'il reconnaît la souverainité du peuple, qu'il n'appelle pas ses anciens sujets, mais ses concitoyens, ses amis, ses enfants; il demande le secours d e la France pour abolir dans ses États le fanatisme des prêtres, des moines, de la servitude personnelle. - L a Convention passe à. l'ordre du jour.» D i e Mainzer Zeitungen spendeten der Handlungsweise des Salm-Kyrburgers damals keineswegs ungeteilten Beifall. Böhmers Mainzer National-Zeitung, N r 190 vom 13. 12. 92, kommentierte das Verhalten des Konvents folgendermaßen: „ S o wenig der N[ational]-C[onvent] auch den Wert dieser Gesinnungen und Handlungen verkannte, so ging man doch zur Tagesordnung über, weil der Fürst noch Fürst

bleiben

will und es der Souveränität des Volks zu-

widerlaufen würde, eine Erklärung anzunehmen, nach welcher ein einziger

sich dasjenige be-

harrlich anmaßt, was aUen gehört." Metternichs Bürgerfreund, N r 16 vom 18. 12. 92, S. 75 f., lieferte eine noch gründlichere K r i t i k : „ V o n einem Fürsten,

der Bürger

ward.

In der franzö-

sischen National-Zeitung ( L e Moniteur) vom 3. des Dezembers steht, daß ein Mitglied des Nationalkonvents den Vortrag gemacht h a b e : D e r Fürst Fri[e]derich von Salm-Kyrburg, Fürst des Deutschen Reichs und Frankenbürger (so habe er sich nämlich unterschrieben), habe die Souveränität ( d i e oberste G e w a l t ) des Volkes anerkannt; er nenne seine ehemaligen Untertanen nicht mehr seine Untertanen, sondern seine Freunde, seine Kinder. Dieser Fri[e]derich ersuche Frankreich um Hilfe, daß er in seinen Staaten den Fanatisem der Pfaffen und Mönche beseitigen und die Personaldienstbarkeit aufheben könne. Der Nationalkonvent ging hierüber zur Tagesordnung. Und wahrlich konnte diese Versammlung schlechterdings nichts anders tun. Denn 1. wenn sich Fri[e]derich unterschreibt* Fürst

des Reiches und Neufrankenbürger, so sind das ein Paar Begriffe, die sich widersprechen, gerade so wie kalte Feuerflamme oder trockenes fließende[s] Wasser. 2. Er, Fri[e]drich, ersucht die Macht der Franken, um die Pfaffheit zur Raison zu bringen und die Dienstbarkeit aufzuheben. So was muß das Volk dieses Landes tun, oder wenn er im Namen des Volkes sprechen will, so muß er sich legitimieren, daß ihn das Volk hierzu gewählt habe. 3. scheint Fri[e]drich bei seiner Bekehrung über die allgemeinen Menschenrechte hinausgesprungen zu sein, denn nach diesen müssen die Personaldienstbarkeiten von selbst aufhören. D i e Neuigkeit, daß dieser Fürst sich zum Bürgerstande bekehrt habe, war hier schon vor drei Wochen bekannt; man freuete sich dessen; allein nun sieht man auf einmal, daß diese Bekehrung weder halb, weder ganz ist; also zur TagesordnungI" Friedrich III. reagierte auf diese Kritik, indem er erstens seiner allgemeinen Deklaration in Kirn am 14. Dezember eine Verordnung folgen ließ, die die Aufhebung feudaler Einrichtungen verkündete, und zweitens mit einer öffentlichen Erklärung, die unter anderen Zeitungen auch Forsters Volksfreund, N r 9 vom 20. 1. 93, S. 38, kommentarlos abdruckte: „Ich habe in mehrern deutschen Zeitungen einen mich betreffenden Artikel gelesen, dessen Inhalt mich um so weniger befremdete, als selbst französische Blätter denselben übel vorgetragen haben. D e r französischen N [ a t i o n a l ] - K o n v e n t i o n ]

habe ich keineswegs die Anzeige getan, daß ich

die Hoheit der Republik anerkannte. Selbige bedarf dieser Huldigung nicht. Auch habe ich derselben lediglich eröffnet, daß, so wie ich die Grundsätze der fränkischen Nation billig fände, ich in der Absicht mich zu Menschen begeben wurde, die ich ehemals meine Untertanen, jetzt aber meine Mitbürger, meine Freunde, meine Kinder nenne, um die Leibeigenschaft,

die

Zünfte, die A b g a b e des Besthauptes, überhaupt alle die barbarischen Überreste des Lehenrechtes, mit denen die Einwohner beschweret waren, aufzuheben. Den 14. dieses Monates geschah wirklich diese Aufhebung in hiesiger Stadt. Tränen der Freude des Vaters und der Kinder bezeichneten diese Handlung der Billigkeit, und dieses ist das Eigentliche jenes übel

634

31. Jänner 1793

verstandenen Artikels, welches ich wörtlich einzurücken und dadurch jenen Artikel zu berichtigen bitte. Kirn an der Nahe, den 19. Dezember 1792 Fri[e]drich {durch den ausdrücklichen Willen meiner Mitbürger) Fürst von Salm-Kyrburg" D a der total verschuldete Fürst mit dieser großartigen Geste in erster Linie seine vielen Gläubiger prellte, aber selbst keinerlei Opfer brachte, konnte das Reichskammergericht in seiner Entschließung vom 10. 1. 9 3 recht wirksam argumentieren: „Dann kann zwar 5. den(en) von dem Herrn Fürsten den(en) Untertanen den 14. anni et mentis praeteriti verliehenen Befreiungen, Erlassungen und andern von demselben zur Verkürzung seiner Kreditoren und zum Nachteile der Lehnherrn, auch anderer Interessenten getroffenen Verfügungen die gesetzmäßige Wirkung und oberstrichterliche Genehmigung nicht erteilt werden, und ist solches den Untertanen und ihrem für ihr Bestes, soweit es sich mit den Rechten und der Verfassung vereinbaren läßt, sorgenden Syndico, dem Rat Weihers, von den subdelegierten Kommissarien bekannt- und jenen begreiflich zu machen, auch ihr Betragen hiebei, daß sie nämlich von den gedachten unstatthaften Konzessionen keinen Gebrauch, noch darauf bisher einigen Anspruch gemacht haben, zu loben; werden aber die Salm-Kyrburgischen Untertanen sich wider Rechts in einem oder dem andern Punkt beschwert zu sein erachten und zu Abhelfung dieser Beschwerden oder zu ihrer Erleichterung tunliche und annehmliche Vorschläge bei der Kommission tun, so hat diese darauf gehörig zu reflektieren, die Beschwerden und Vorschläge zu untersudien und darüber an dieses kaiserliche Kammergericht ihren gutachtlichen Bericht zu erstatten." (Girtanner, Annalen, Bd 2, S. 71) Die bisherige Günstlings- und Mißwirtschaft hatte den Fürsten auch um allen moralischen Kredit gebracht, so daß die Gemeindedeputierten des Oberamts Kyrburg eine Entschließung des Reichskammergerichts am 28. Januar akzeptierten; und es gelang weder Hofmann noch Merlin, die an diesem Tage nach Kirn kamen, Vertrauen in die Verordnungen Friedrichs III. zu wecken. i

Der von Wetzlar aus amtierende Lehendirektor des fürst-rheingräflidien Gesamthauses - d. h. der Fürsten zu Salm-Kyrburg, Salm-Salm und der Wild- und Rheingrafen - , kyrburgisdie Geheimrat und zur salm-kyrburgischen Finanzkommission ernannte kaiserliche Subdelegatus von Zwackh hatte am 19. 12. 92 eine gedruckte Mahnung ausgehen lassen, die Treue zu den überkommenen Institutionen forderte und -von der baldigen Ankunft kaiserlicher und preußischer Truppen sprach. In dieser Schrift, die den scharfmacherischen Titel „Die Jakobiner in Teutschland, eine Skizze aus dem Fürstlich Salm-Kyrburgischen" trug und auch keine Lügen scheute, hieß es unter anderem: „Laßt Euch durch keine Anlockungen von des regierenden Herrn Fürsten zu Salm-Kyrburg Dürchlaucht und seiner verächtlichen Helfer, nicht durch gedungene Emissarien der französischen Truppen verführen, ( . . .] Betrachtet Eure Nachbarn, die Mainzer, welchen man Freiheit aufgedrungen hat: Sie müssen Abgaben mehrere zahlen wie Ihr, ebenso Fronden leisten wie Ihr, und noch dabei wird jeder Hausvater genötiget, einen Mann zur Verteidigung der französischen Republik unter die Nationaltruppen zu stellen, damit die Deutsche[n] ,für eine fremde Sache gegen Deutsche fechten und sich morden.

(HHStA

Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 1 6 : 1793). Der angezogene Vergleich des Zwackhschen Vorgehens mit dem, „wie es die Regierung hier macht", zielte auf den gedruckten Flugzettel, der im Januar heimlich in Mainz verbreitet wurde und folgenden Wortlaut hatte: „Mainzer Bürger! Einwohner des Mainzer Landes! Eure Befreiung naht heran. Erwartet sie ruhig. Eure Treue und Standhaftigkeit ist Euern Vorstehern in ihrer Entfernung bekannt. Sie sorgen für Euch in der Stille. Nur Vorsicht, Eure Personen nicht mehrern Bedrängnissen aus-

635

31. Jänner 1793

zusetzen, hindert sie, öffentlicher für Eudi zu wirken. Auch die braven Preußen, Hessen und Österreicher, die zu Eurer Rettung herbeieilen, kennen und ehren Eure Rechtschaffenheit. Rechnet auf sie, rechnet auf uns. Das Ziel ist gesteckt für die Gewalttätigkeiten Eurer Unterdrücker. Die Zeit kommt heran, wo Rechtschaffenheit und Verbrechen jedes seinen verdienten Lohn erhält. Und trotz aller Bestrebungen der Ruhestörer sollen gesetzlich^ Ordnung und Sicherheit und Wohlstand wieder in die Mainzer Stadt und Land zurückkehren. Eure abwesenden Freunde und Vorsteher." (HHStA Wien, Mainzer Erzkanzlerarchiv, Militaria, Fasz. 119, Beilage zum Bericht des Grafen Stadion vom 10. 1. 93) Insbesondere gegen diesen Flugzettel richtete sich der „Von Aufrührern und Verführern" über£

schriebene Artikel im Bürgerfreund, Nr 6 vom 18. 1. 93, S. 22-24, der nicht ungeschickt argumentierte und den Mainzern unter anderem klarmachte: „Schon seit ein paar Wochen fangen die Feinde der Menschheit stärker an als je, auf Euch loszustürmen, Schriften aller Art durch allerlei Mittel und Wege Euch in die Hände zu bringen. Aufrüh[re]risch sind solche Schriften; denn man will Euch darin weismachen, es sei nicht recht, daß Ihr selbst Euer einziger Herr wäret; daß Ihr noch Herrn da oben zu Würzburg, Aschaffenburg und Heiligenstadt hättet. Ja, diese Gattung Menschen nennt sich noch Euere Vorsteher, wo(r)zu Ihr sie doch nicht gemacht habt, und macht Euch also hierdurch geradezu bekannt, daß sie Euch das wichtigste Recht, Euch Euere Vorsteher selbst zu wählen, gar nicht zugestehe. Diese großen Herrn Vorsteher wollen es sehr gut mit Euch meinen, aber Ihr sollt es da(r)gegen selbst nicht gut mit Euch meinen; denn sie wollen, daß Ihr auf die beiden Rechte, Euch Euere Vorsteher selbst zu wählen und Euere Abgaben selbst zu bestimmen, auf immer Verzicht tun sollt. Aber eben daher, daß die Fürsten das Recht hatten, beides nach ihren Absichten zu tun, eben daher kam das Elend unter Euch Brüder auf dem Lande, auch unter Euch." Als eine besonders wirkungsvolle Entgegnung stellte sich die in Reime gebrachte und in Mainz ohne weitere Angaben erschienene Flugschrift dar, die den konterrevolutionären Aufruf bewußt mißverstehend paraphrasierte: „Jüngst ist ein Zettel uns zugekommen. Worin wir klar und deutlich vernommen, Wie daß man auch außerhalb an uns noch gedenkt Und uns sein gütiges Zutrauen schenkt. Zwar haben die Herrn, die's Ding ausgeheckt, Ziemlich viel Zettel uns zugesteckt: Doch, wie ich höre, hat's lang nicht gegleckt, Um uns all' nach Not von des Königs in Preußen, Des Kaisers und Kurfürsten Meinung zu unterweisen; Ich hab's daher für meine Pflicht eracht Und von dem Werk noch 'ne Auflag gemacht; Hab's benebst mit Noten versehn, Damit es auch jedermännlich möge verstehn. Ich denke, ich werd' einst, da ich soviel hasardiert, Und dazu tu', daß ihr Kompliment zirkuliert, Dem Kanzler (so wie mir's auch wahrlich gebührt) Oder wohl gar dem Hofnarren auf den Dienst adjungiert. Die Titulatur ist nach Ordnung und Brauch: Zuerst kömmt der Bürger, der Bauer dann auch; Zwar waren's auch alle jene gemeint, welche zur Stunde noch unter uns seind: Die's Land auf unserer Seite bewohnen,

Mainzer B ü r g e r ! Einwohner des Mainzer L a n d e s !

636

31. Jäaner 1793

Z. B. das Restchen Dikasterialpersonen; Auch die Herrn und Damen könnt's interessieren, Die auf dem Turm und im Zuchthaus logieren; Doch weil die erstem eine geheime Korrespondenz noch führen, Und die andern auf die Staatsverfassung ohnehin räsonnieren; Vermuten wir mit Recht, daß unsre abwesende Freund Niemand als den Bürger und Bauern gemeint. Es heißt nun, wie folget {spitzt's Ohr und habt acht, Es ist euch darin klar ins Gewissen gesagt I): Eure Befreiung, ihr Bürger, nahet heran I Zwar wissen wir selbst noch nicht, wie oder wann, Doch etwas, das glaubt uns, ist sicherlich daran; Jeder streckt sich, sagt's Sprichwort, nicht mehr, als er kann. -

Eure Befreiung n a h e t heran.

Erwartet sie ruhig I - so ruhig wie wir; Wir sitzen im Trocknen und pflegen uns hier; Wir essen und trinken weit mehr als wie ihr Und schliefen, das könnt ihr uns glauben aufs Wort, Wenn's Nacht immer bliebe, in einem Stück fort: Drum macht's so wie wir!

E r w a r t e t sie ruhig.

Eure Treu' und Standhaftigkeit ist aller Orten Sogar schon zum Sprichwort geworden: Und wenn etwas, das die Untertanen angeht, Gedruckt und geschrieben schon überall steht, So könnt ihr wohl denken, daß es der Preuß, Der Heß und - potztausend11 der Kurfürst gar weißt

Eure T r e u e u n d Standhaftigkeit ist euren Vorstehern in der E n t f e r n u n g bekannt.

Eure Vorsteher sorgen für euch in der Still' I Drum ist es, daß man es vermerken nicht will; Sie haben's auch immer vordem so gemacht, Und haben's - im stillen recht vor sieb gebracht.

Sie sorgen f ü r euch in der Stille.

Nur Vorsicht für euch und für euer Glück, Hält uns und unsre Herrn Vettern zurück: Sonst lägen wir euch wieder schon lang auf dem G'nick!

N u r Vorsicht, eure P e r sonen nicht m e h r e r e n Bedrängnissen a u s zusetzen, hindert sie, öffentlicher f ü r euch zu wfirken.

Auch die braven, preußischen, hessischen und östreicher Soldaten Gedenken eurer samtlich in Gnaden.

Auch die braven Preußen, Hessen und Ostreicher, die zu eurer Rettung herbeieilen, kennen und ehren eure Rechtschaffenheit.

637

31. Jänner 1793 Rechnet auf sie, auf uns rechnet auch: Mit Kreid' auf den Buckel oder auf den Bauch; (Das ist mir zu rundig, ich muß es gestehn. Denn so etwas hab ich mein Tag nicht gesehn, Daß man Soldaten und Vorsteher Erlaucht Zu Rechentafeln je hätt' gebraucht.)

Rechnet auf sie, reebnet auf uns.

Wir sprechen gar wenig, wie aus dem Zettel ersehen ihr könnt, Und bandeln verstehn wir, das wißt ihr, recht aus dem Fundament: Low' Lorch und andere, die itzt florieren, Die können und werden's uns auch attestieren!

Wir sprechen wenig, aber wir handeln.

Das Ziel ist gesteckt - man weiß auch schon wen? dem Herrn v. Weiland, der Frau v. Vordem, Dem Fräulein v. Ehmals, dem Ritter v. Vorm-Jabr, Sr. Gnaden v. Sonst, und wem dann noch gar? Ohl allen den Herrn und Fräuleins und Frauen, Die viermal, wohl fünfmal des Tages verdauen Und alles verdauen: Gold, Holz und auch Stein, Den Bürger, den Bauern und's Land obendrein.

Das Ziel ist gesteckt für die Gewalttätigkeiten eurer Unterdrücker.

Die Zeit kommt heran, wo vor aller Welt Die Tugend und's Laster den verdienten Lohn erhält! Nun, 's ist auch mal Zeit, daß es ordentlich geht Und daß der nicht erntet, welcher nicht sät; Es ging ja alles drunter und drüber, Die Wahrheit holte Nasenstüber; Der Tugend gab man den Fuß vor'n Hintern Und Marzipan den armen Sündern; Ließ ungestraft Betrügen und Rauben! Ei, war das recht? - ich kann's kaum glauben.

Die Zeit kommt heran, wo Rechtschaffenheit und Verbrechen jedes seinen verdienten Lohn erhält.

Zuletzt euch noch gesagt sein laßt: (Und merkt wohl auf, auf wen es paßtl) Trotz der Ruhestörer Bestreben Werden die Mainzer in Wohlstand leben! Gesetzliche Ordnung wird wiederkehren, Und allen Schurken, die uns übel getan, Wird man, ihr Herrn, von jetzund an Das Mausen und Scharwenzen verwehren!

Und trotz allen Bestrebungen der Ruhestörer sollen gesetzliche Ordnung und Sicherheit und Wohlstand wieder in die Mainzer Stadt und Land zurückkehren.

Das ist der Inhalt von dem Blatt! Das man zum Trost gegeben euch hat! Das Loco sigilli ist unterblieben,

638

31. Jänner 1793

Sie haben sich schlecht und recht unterschrieben.

Eure abwesenden

Freunde

( D i e wie der Fuchs um den Hühnerkorb gehn) und Vorsteher

Eure abwesenden Freunde und Vorsteher.

( D i e jetzt so ziemlich hintenstehn). Ich hab's darum euch in Versen gestellt, Weil man die Verse viel besser behält. Zwar könnt einer sagen: 's ist gar schlecht geglückt, Doch paart man - so wie sicb's zusammen

auch schickt."

Wie ernst die konterrevolutionäre Aktivität genommen wurde, die sich in dem heimlich verbreiteten Flugblatt offenbarte, bestätigt die Tatsache, daß sich noch eine weitere Schrift damit beschäftigte; dieser „Aufruf an die Mainzer Bürger" hatte folgenden Wortlaut:

„Mitbürger!

D i e Zeit nahet heran, wo ihr euch eure Vorsteher selbst wählen sollet; dies

Geschäft kann einem vernünftigen Manne unmöglich mißfällig sein, indem es unserer Bürgerschaft natürlicherweise angenehmer und vorteilhafter sein muß, wenn sie einer Obrigkeit gehorchet, die sie selbst ausersehen, bevollmächtigt hat und wozu sie diejenigen unter allen Bürgern aussuchen kann, welche ihr die redlichsten und tätigsten zu sein dünken, als wenn wie zeither von dem Kurfürsten und dessen Anhange oder von einem andern, der ein Fremder ist, unsere Obrigkeit gesetzt würde. Man hat jedoch aus Übeln Absichten unter allerlei Vorwänden euch gegen diese Wahl gleichgültig oder gar davon abwendig zu machen gesucht; diese Absicht hat unter andern Kunstgriffen, die man anwendete, ein kleiner gedruckter Zettel, welcher vor einigen Tagen von außen in unsere Stadt herein zu mehrern Bürgern geschickt wurde. Dessen Inhalt ist, daß die Mainzer Bürger standhaft abwarten sollten, bis die Preußen und östreicher ( d i e aber auch noch lange wegen Mangel an Magazinen nicht über den Rhein setzen können) zu unserer Befreiung herbeikämen (vermutlich um uns durch Hunger, Feuer und Schwert zu beglücken); - es heißt unter andern, daß unsere entfernten Vorsteher (welche uns aber zur Zeit der N o t verließen) für uns in der Ferne sorgten (vermutlich dadurch, daß sie kein Holz und Frucht herunter gehen l a s s e n ) ; ferner soll dieser Zettel die Wirkung bei uns tun, uns den Franken, die eine große Armee in unsern Mauern haben, verhaßt

und verdächtig

zu

machen,

indem dieselben unsere Unterdrücker, welche Gewalttätigkeit an der Stadt verübten, genannt werden; es heißt ferner in diesem Zettel, daß Rechtschaffenheit und Verbrechen einst jedes seinen verdienten Lohn erhalten werde. - Dies ist eine unstreitige und tröstliche Wahrheit, die wir alle glauben, und es ist billig, diese Reihe und die Strafe werde zuerst jene

Vorsteher

treffen, welche schuld sind, daß man unsere wenigen Truppen gegen Speyer schickte und daß man unsere Stadt belagert und unser L a n d der Kriegsschauplatz ist. Endlich heißt es, Sicherheit und gesetzliche Ordnung würden trotz der Bemühungen der Ruhestörer wieder in unsere Stadt kommen. -

An Sicherheit hat es uns noch nicht gemangelt, und gesetzliche Ordnung

herrschet, soviel in einem Staat möglich, worin die eigentlichen Ruhestörer von Deutschland und Europa durch ihre Unbesonnenheit ein fremdes Heer zogen. Mitbürger I es enthält dieser Zettel für die jetzige Lage, worin unsere Stadt sich befindet, so viel Schädliches und Ungereimtes, daß man nicht glauben kann, derselbe komme von den ehemaligen Vorstehern her, wie seine Unterschrift lautet; denn dieser Zettel ist ohne Druckort, ohne Datum und ohne Namensunterschrift. Wenn er echt sein sollte, so müßten diese drei Stücke dabei sein; wie lächerlich wäre es, daß die Vorsteher einer großen Stadt in einem obrigkeitlichen Schreiben sich fürchten sollten, ihren Aufenthalt und ihren Wohnort beidrucken zu lassen 1 - Sollte aber wider Vermuten dieser Zettel echt sein, so müssen wir, werte Mitbürger, um so mehr seinem Inhalt und seinem Verfasser mißtrauen; denn wie gut meinten es

639

31. Jänner 1793

wohl diese Herren mit uns hierl Sie sitzen droben in Miltenberg, ziehen die hübschen Gehalte, lassen sich wohl sein, während wir hier leiden, und obgleich ihre Personen fern vom Krieg und Feinde gesidiert sind, so getrauen sie sich nicht einmal, ihre Namen zu unterschreiben. Ei, welche Herzhaftigkeitl Von uns hingegen verlangen diese Helden, daß wir armen Bürger uns hier in der Stadt gegen die Neuerung der Regierung, uns dem Willen der Franken widersetzen sollen, damit allenfalls beim Wiedereinzuge man die Stadtdirektorsstelle u. dgl. mehr wieder antreffen möchte I Fürchten sich diese vorgeblichen Vorsteher deshalb (en), ihre Namen zu nennen, aus Furcht, ihre Möbel oder Häuser, die sie etwa in der Stadt haben, möchten dann von den Franken härter mitgenommen werden? -

Dies sieht solchen Herren sehr ähnlich, -

sie selbst haben

doch die Haut gesidiert und verlangen, daß wir uns lieber alles nehmen, Brandschatzung ansetzen und selbst henken lassen, als uns den Gesetzen und dem Willen der Überwinder unterwerfen sollen. Mitbürger! öffnet endlich die Augen und betrachtet die Fallstricke, die man euch unter eure Füße leget; trauet nicht den Einlispelungen und den Schriftchen dieser Leute; denn sie sind dafür sehr gut bezahlt, daß sie durch ihre Ränke, durch Vorspiegelungen aller Art hier in der Stadt Unordnung, Mißtrauen und Spaltung erregen, damit sie unsere Bürger abhalten, sich eine bessere Verfassung zu wählen, aus Furcht, das Gerücht hievon möge über dem Rheine Nachahmer hervorbringen. Auf diese Art werdet ihr von jenen Unverschämten verleitet, in euer eignes Unglück zu rennen, - denn überlegt ihr's nicht, gute Mainzer, daß, wenn ihr den treulosen und schädlichen Vorspieglungen Gehör gebet, ihr euch in die gefährlichste Lage setzet! Seht ihr nicht, daß, wenn ihr nicht zur Wahl schreitet, wenn ihr eure zeitherige Gleichgiltigkeit oder Halsstarrigkeit beibehaltet, ihr von den Franken alsgleich, wie sie es letzthin in Brüssel machten, als ein erobertes Volk nach den strengsten Gesetzen des Krieges mit starker Kontribution werdet zugrunde gerichtet werden; daß die Franken mißtrauisch auf euch werden und jeden Augenblick und oft ohne Grund mehrere von euch einer Komplettierung, der Frankfurter ähnlich, beschuldigen und bestrafen werden? - Seht! all diesem könnt ihr abhelfen; denn die Franken lassen euch hierin Willkür, entweder nach Art der freien Völker zur Wahl von euren Vorstehern zu schreiten, und dann behandeln sie euch als Freunde, Brüder, oder auf dem Alten hartnäckig zu bleiben, und alsdann behandeln sie euch ihrem Dekrete zufolge als Feinde; alsdann werdet ihr erst einsehen, in welches Unglück ihr euch gestürzt, wie arm ihr und das Land werdet! - Vielmehr hätten eure ehmaligen Vorsteher, wenn sie, wie sie vorgeben, so väterlich für euch sorgen, euch ungefähr folgendes zuschreiben sollen: .Mainzer! da ihr nun einmal in dieser Lage euch befindet, an der unsere Unvorsichtigkeit schuld ist, so vermehret euer Unglück nicht durch eure Halsstarrigkeit gegen das Gesetz und den Willen der Eroberer, sondern richtet euch nach demselben, wählet wackere Vorsteher aus eurer Mitte, welche imstande sind, ungerechten Eingriffen Einhalt zu tun, welche euer Eigentum verteidigen und verhindern, daß ihr nicht ausgesauget werdet; denn ihr könnet gar nichts durch eure Hartnäckigkeit zum Ausgange des Krieges beitragen, - wohl aber dadurch euer eignes Elend vermehren.' - So hätten sie sprechen sollen, auf diese Art hätte man an ihnen guten Willen und Vorsorge für uns entdeckt; wir wären ruhig und dächten, wir handelten recht, und hätten in der Zukunft von unsern alten Herren nichts zu fürchten, darum, daß wir das Elend, in das sie uns stürzten, uns so erträglich als möglich zu machen gesucht hätten. Aber - werdet ihr sagen - wir haben dem Kurfürsten und dem Reich geschworen, - wir brechen nicht gern unsern Eid. - Diese Sprache, meine braven Mitbürger, ist an sich nicht zu tadeln, es kömmt nur auf die Untersuchung an, ob dies eigentlich ein Eidbruch sei. Unser ehmaliger Kurfürst und das Reich haben uns im Stich und den Franken überlassen; und aus dem dritten Punkt der Kapitulation bei der Übergabe unserer Stadt an die Franken erhellet, daß nicht die alte Ver-

640

31. Jänner 1793

fassung, also auch nicht unser alter Eid beizubehalten stipuliert sei; diese Kapitulation und also auch die Folgerung derselben ist mit Genehmhaltung der ehmaligen kurfürstlichen Stadthalterschaft festgesetzt worden. Laßt uns also, werte Mitbürger, unsere Umstände wohl überlegen und durch unsere Vernunft uns leiten! Laßt uns verhindern, daß man uns eine Obrigkeit wider unsern Willen und zu unserm Schaden niedersetze, es dadurch verhindern, daß wir fleißig die Ur- und Wahlversammlungen besuchen, daß wir uns um das gemeine Beste und um unser Vaterland annehmen, und laßt uns unsern sogenannten Vorstehern selbst ihre Hochachtung abzwingen, indem wir ihnen zeigen, daß wir nicht gleich ihnen das Vaterland im Falle der Not verließen, sondern in der Gefahr ihm mit Ehre und Aufopferung dienen. - Es gibt unter unserm Handelstande und der übrigen Bürgerschaft so manche wackeren und redlichen Männer, - kommt nun, ihr Brüder, und nehmt Teil an der gemeinen Sache; itzt oder niemals könnt ihr euch Verdienste ums Vaterland sammeln; ermahnet eure Mitbürger, zum Wahlgeschäft zu eilen, und bestrebe sich jeder aufs beste und redlichste, daß er gewählt werde; denn wenn nur wenige die Wahlversammlungen besuchen, so werden schlechtere Obrigkeiten gewählt, und dadurch leidet die ganze Stadt; denn wo der Vorsteher, der Hirte, schlecht ist, da leidet die Herde. Wackere Mainzer! fürchtet euch nicht, wenn ihr diesem unserm Rate folget, (nidit) dafür bestraft zu werden, wenn durch eine Änderung des Kriegsglückes eure Stadt wieder in die alten Hände fallen sollte; im Gegenteil wisset, ihr würdet von euern alten Herrn Dank dafür erhalten, daß ihr in ihrer Abwesenheit statt ihrer für die Bürgerschaft zu sorgen die Mühe über euch genommen habet. Übrigens ist es bei weitem nicht an dem, daß unsere Stadt in die alten Hände zurücke fallen sollte, ob man gleich vorgibt, unsere Retter seien nahe. Ei, desto schlimmer für uns; denn diese Retter würden gerne den Hof und seine Schwelgereien wieder in Statu quo setzen, während wir zuvor, durch Hunger und Feuer bedrängt, halb zugrunde gerichtet wären: denn glaubt man, die Franken würden Mainz verlassen, ehe der Hunger die sämtliche Bürgerschaft aus der Stadt vertrieben und die Franken halb hingerafft hätte? Oder wollen die Deutschen Mainz gleich wie Frankfurt in einem halben Tage mit Sturm erobern? Ei, dies ist gleich gesagt und von Dummköpfen gleich geglaubt; allein, werte Mitbürger, unsere Festung hat noch nie mit Sturm können weggenommen werden, und die Franken sind von je die besten Festungsverteidiger in Europa gewesen. - Würde aber dieselbe mit Kapitulation übergeben, so ist gewiß, daß vermöge derselben keinem wegen der notwendig gemachten Neuerung werde Leides geschehen und noch weniger dem redlichen Bürger, der aus Liebe zum Vaterlande ein Amt vom Volke sich auflegen ließ. - Wählet ihr nicht, so werdet ihr als Feinde behandelt. Es ist nicht gewiß, ja nicht einmal wahrscheinlich, daß die Deutschen Mainz wieder bekommen, aber es ist gewiß, daß die Franken es haben: ein Haben ist stets besser als hätte ich, - darum besinnet euch wohl, ehe ihr beschließt, die Wahl nicht zu frequentieren: euer Schicksal steht in euren Händen, - macht ihr's gut, so habt ihr's gut. Einer eurer Mitbürger k

Zwackh hatte zu den ersten Anhängern Weishaupts gehört und beim Aufbau des Illuminatenordens eine bedeutende Rolle gespielt. Nach dem Verbot des Ordens durch Karl Theodor floh er aus Bayern. In seiner Landshuter Wohnung fand man einen guten Teil der geheimen Korrespondenzen und andere Schriften des Ordens, mit denen die bayerische Reaktion die Notwendigkeit einer erbarmungslosen Verfolgung der IUuminaten bewies. Zwackh hatte selbst außerhalb des bayerischen Hoheitsgebietes Mühe, sich den Nachstellungen zu entziehen, noch 1789 forderte Karl Theodor von dem Salm-Kyrburg seine Auslieferung. Wie er selbst gesehen werden wollte, geht aus einem Bericht vom 1. 11. 92 an Friedrich III. hervor; darin verwahrte

31. Jänner 1793

1

641

er sich gegen den Vorwurf des Aristokratismus, aber grenzte sich auch scharf gegen jeden Demokratismus ab: „Immer war ich der eifrigste Verteidiger gegen willkürliche Madit, der Untertan fand bei mir Schutz gegen Druck und Mißhandlungen; allein ich stand auch vor der Obrigkeit, wenn der Untertan die Schranken des Gehorsams und der Achtung verletzen wollte." (HHStA Wien, Reichskrieg gegen Frankreich, Fasz. 16: 1793) Die schon Ende Oktober von Wedekind angeregten Volksbelehrungen außerhalb des Klubs, die später auch einen Platz in den Klubstatuten erhielten und Ende Dezember erstmalig durchgeführt wurden, waren also trotz der negativen Erfahrung, die Hofmann im Januar madien mußte, keineswegs grundsätzlich aufgegeben worden; zur bisherigen Geschichte der Volksbelehrungen vgl. Protokoll vom 26. 10. Punkt [3], vom 10. 12. Punkt 2, Abschnitt V, § 1, vom 25. 12. 92 Punkt [6], Anm. b und vom 6. 1. 93 § 26. Wedekind machte nicht nur im Klub auf seine Absicht aufmerksam, sondern setzte audb eine Anzeige ins MI, Nr 10 vom 2. 2. 93, S. 55: „Künftigen Sonntag (den 3. Februar) werde ich nachmittags um 3 Uhr in dem ehemaligen Schauspielhause eine öffentliche Rede halten, worin ich über die Eigenschaften guter Volksbeamten, über die Stücke, worauf man bei der Wahl derselben hauptsächlich zu sehen hat, und von dem Benehmen des Volks gegen seine Stellvertreter Betrachtungen anstellen will. Ich lade also meine Mitbürger zur Anhörung dieser Rede ein. G. Wedekind" Bereits eine Woche später zeigte der Buchbinder Stenz im MI, Nr 12 vom 9. 2. 93, S. 68, an. daß die inzwischen gehaltene Rede nun auch gedruckt bei ihm zu haben wäre. Sie trug den Titel: „Die Volksglückseligkeit bei einer vernünftigen Staatseinrichtung, gegründet in der Wahl und in der Behandlung der Stellvertreter und der Volksbeamten; veranlaßt durch die von den Deputierten-Kommissarien der fränkischen Nationalkonvention bei der Gesellschaft der Republikaner zu Mainz zur Tagesordnung gebrachten Frage: Worauf hat man bei der Wahl von Volksbeamten zu achten? von Georg Wedekind, Mainz, im zweiten Jahr der Frankenrepublik 1793, gedruckt in der St. Rochus Hospitals Buchdruckerei." Da diese Rede - wie es im übrigen auch der Titel bestätigt - unmittelbar aus den Diskussionen im Klub erwachsen ist, soll sie hier in vollem Wortlaut mitgeteilt werden: „Ja, wir müssen zwischen Mensch und Bürger, zwischen persönlichem und öffentlichem Interesse in unserm Urteil unterscheiden; aber wo der Mensch, der nicht Glied der Gesellschaft, oder wo der Bürger, der nicht auch Mensch wäre? Unzertrennlich also ist der Mensch vom Bürger, der Bürger vom Menschen; unzertrennlich in der wirklichen Welt das persönliche vom öffentlichen Interesse. Durch gesellschaftliche Einrichtungen befriedigen wir unsere Triebe und Bedürfnisse. Je besser ein Land regieret wird, um so zufriedner kann ich darin leben, um so besser die Kräfte meines Geistes entwickeln, um so ungehinderter den Ergießungen eines guten Herzens Luft machen, um so ungestörter die Früchte meines Fleißes einernten usw. Steht denn die Privatglückseligkeit aller in einem so genauen Verhältnisse mit der Güte der Regierung, so ist es auch aller Pflicht, zur Vollkommenheit derselben beizutragen. - Worin ist aber diese Güte der Regierung gegründet? In zwei Stücken: in einer guten Einrichtung oder Konstitution und in der gehörigen Ausführung derselben, besonders durch die Wahl guter Beamten. Beide müssen zusammentreffen, wenn die Sache gut gehen soll. Was die Gründung einer guten Konstitution anbetrifft, so können wir dem Schicksale nicht genug danken, welches uns hier so wunderbarlich unter die Arme greift, welches uns dieses Werk auf eine sonst in der Geschichte beispiellose Weise erleichtert. Jahrhunderte durch mußte England bluten, bis es seinen Tyrannen einen Nachlaß von Sklaverei abtrotzte, wodurch es so lange Zeit im Gegenstand des Neids und der Bewunderung anderer Nationen blieb, die nicht Kraft hatten, einen solchen Nachlaß zu erzwingen. - Fürchterliche Zuckungen mußte Holland überstehen, bis es das spanische Joch abgeschüttelt hatte; in

41

Scheel,

Protokolle

642

31. Jänner 1793

Helvetien wallfahrtet man noch immer nach den mit Bürgerblut gedüngten Gefilden, wo seine Ahnherrn der Freiheit den Tod fürs Vaterland starben. Aber weder Helvetien noch Holland konnten in jenen finstern Zeiten sich eine recht glückliche Verfassung geben, und allerlei zufällige Ereignisse vermehrten noch die Fehler ihrer Staatseinrichtungen, so beglückend sie auch, mit jenen der monarchischen Staaten verglichen, ausfielen. - Acht Jahre hindurch mußten die englischen Kolonien in Amerika von ihrem Mutterlande die Freiheit erkämpfen, von ihrem Mutterlande, welches wie ein eigennütziger und herrschsüchtiger Vormund die Majorennität seiner Pflegekinder nicht anerkennen wollte, die eine Unabhängigkeit forderten, wozu ihnen ihre Lage, ihre Kultur und ihre Volksmenge ein so natürliches Recht gab. Der Jugendkraft dieser Staaten, in denen ein Zusammenfluß von den verschiedensten Nationen, von den mannigfaltigsten Charaktern, von den sonderbarsten Religionen und Meinungen - der Vernunft zur Schiedsrichterin bedurfte; in denen noch kein Adel, keine Feudalrechte und was sonst die Aristokratie Schreckliches hat - die Menschen an die Ketten der Sklaverei gewöhnt und worin noch kein übertriebener Luxus und keine zu sehr abstechende Verteilung der Reichtümer die Fesseln der Usurpation vergoldet und weder hier mit Übermut noch dort mit sklavischer Mutlosigkeit die Nation verpestet hatte, - diesen Staaten, sage ich, konnte es endlich einmal gelingen, das Muster einer guten Konstitution der leidenden Menschheit zu geben, die, wie sie einmal dastand, mit Riesenschritten das Wohl des Volkes beförderte und alle helldenkenden Köpfe erstaunen machte, warum man nicht früher die Wohltätigkeit der repräsentativen Staatsverwaltung anerkannt hatte. Auf die Franken mußte dieses große Beispiel, welches Amerika der ganzen vernünftigen Welt gab, zuerst wirken; zuerst mußte eine so aufgeklärte, so gefühlvolle, seit Jahrhunderten von ihren Königen, Priestern und Adeligen gemißhandelte und nun auf den verzweiflungsvollen Punkt des öffentlichen Staatsbankerotts gebrachte Nation zu dem einfachen Entschlüsse reifen, daß sie sich auch selbst die wohltätige Verfassung gab, welche durch ihre Unterstützung die Amerikaner sich gegeben hatten. - Aber wie fürchterliche Hindernisse setzten sich nicht dem Enthusiasmus des edlen Volkes entgegen! - Amerika hatte nur mit Frankreichs Beihülfe das englische Joch abzuwerfen, und ohngehindert fanden ihren Eingang die Rechte des Menschen und des Bürgers, es gab da keinen Adel, keine herrschende Geistlichkeit, keine Generalpächter, keine reichbesoldete Dienerschaft, die Gleichheit brauchte man nicht zu erzwingen, und die Ränke der Usurpatoren waren mit den englischen Beamten aus dem Lande getrieben. Aber vier Jahre mußte Frankreich mit eingewurzelten Vorurteilen aller Art, mit allen Lastern und mit dem wütenden Fanatismus die schrecklichsten Fehden führen, es mußte die hartnäckigsten Verteidiger des Aberglaubens, der Sklaverei und des Lasters ausspeien, Ströme von Bürgerblute mußte[n] fließen, man mußte endlich und kaum noch zu guter Zeit einsehen, daß das Haupt der alles verschlingenden Hyder noch im Tempel (der Ort, wo Ludwig Capet gefangen saß) sei - und nur die gespannteste Energie der Rechtschaffenen konnte endlich Capets Haupt fallen machen. Und welche Aufopferung an Gut und Blut wird nicht noch Frankreich für den Sieg der Freiheit und der Gleichheit zu machen haben? Bedenkt das alles, liebe Landsleute, vergleichet mit der Geschichte Helvetiens, Hollands, Englands, Amerikas, Frankreichs - euere glückliche Lage und betet an die Wege der Vorsehung, die auf eine so wunderbare Weise aus dem Bösen das Gute euch keimen ließ. Durdi schlechten Volksunterricht, durch verschmitzte Begünstigung des Aberglaubens und des Fanatismus hatte man euern Augen beinahe den Anblick der Ketten entzogen, die ihr tragen mußtet, und was ihr etwa von diesen Fesseln gewahr wurdet, hatte der Luxus des Hofes, der Adel und die Pfaffheit zu schön vergoldet, als daß ihr sie in ihrer wahren Gestalt hättet sehen können; mit einem Worte, ihr wäret noch lange nicht reif zu einer heilsamen Revolution, und die Summe eures Unglücks konnte noch sehr steigen, um euer unterdrücktes Selbstgefühl für

31. Jänner 1793

643

kraftvolle Tätigkeit zu erwecken. - Da begeht nun euer voriger Fürst die Torheit, die Auswürflinge Frankreichs als seine Freunde aufzunehmen, er reizt durch Maßregeln, die nur die lächerlichste Eitelkeit erklären kann, eine große Nation zur Rache. Die Franken kommen, unterscheiden aber mit einer Gerechtigkeit und Güte, die viele hier noch nicht fassen können, zwischen der Vergehungen der Fürsten und denen "der Bürger; sie züchtigen bloß den ersten und verzeihen denen seiner Untertanen, welche gleichfalls ihre Feinde gehegt und gepflegt hatten, - ja ohne einmal die Strafbaren kennenlernen zu wollen, bieten sie uns allen, uns allen die größten Güter auf der Erden wie im Himmel - die Freiheit und die Gleichheit an; sie versprechen uns ihren Schutz, sie wollen uns nicht verlassen, bis sie uns, ihre Nachbaren, glücklich wissen. Wie wenig werden wir also in Vergleich mit andern Staaten, die sich frei machten, in Vergleich mit Frankreich selbst an Revolutionsschmerzen zu leiden haben I Wir genießen das bei ganzen Völkern sonst unerhörte Glück, daß wir ohne eigene gefährliche Erfahrung, fast allein durch Leitung und durch Unterricht, politisch, weise und glücklich werden können. Das Glück, um welches wir die Jugend beneiden, ist das unsrige. Unsere Lehrmeister gehen uns zur Seite und sind auch, wie in unserer Kindheit unsere Lehrmeister es waren, unsere Beschützer und Verteidiger! Eine gute Konstitution und Schutz bei dieser Konstitution könnt ihr also ohne großen Aufwand von Kräften, ohne verhältnismäßige Aufopferungen aus den Händen eurer Nachbarn empfangen. - Aber dreifach froh würde mich dieses Geschenk machen, wenn ihr durch dasselbe allein glücklich werden könntet I Wie gern wollte ich mich bei dem Gedanken trösten, daß unsere Nachkommen ein wärmeres Herz in ihrem Busen tragen und mit fränkischem Feuer Freiheit und Gleichheit lieben werden! Leider ist es nun nicht bloß die Konstitution, was euer Bürgerglück machen kann; es hängt das ebensosehr von der weisen Wahl guter Stellvertreter und Beamten ah und von der Art, wie ihr mit ihnen umgebt. Wie wahr das sei, erhellet aus der Betrachtung mancher Staaten, die, weil sie eben gute Beamte haben, doch viel besser regiert werden, als man es in Erwägung ihrer Konstitution glauben sollte. - Dieser Gegenstand verdiente also wohl von den Deputierten des Nationalkonvents eurer ernstlichen Beherzigung empfohlen zu werden! In der repräsentativen Demokratie {Regierung durch vom Volke frei gewählte Stellvertreter, so will es die fränkische Konstitution) sind obrigkeidiche Personen und Beamten aller Art nichts anders als Diener des souveränen Volks, Leute, die gehorchen, indem sie befehlen, weil die Obrigkeit, wenn sie befiehlt, dem Volke untertänig ist, dessen Willen sie vollstreckt. Aber nicht alles läßt sich den Beamten haarklein vorschreiben; in vielen Fällen kann das Gesetz des Volkes, dem der Beamte gebietend gehorchen soll, nur im allgemeinen abgefaßt sein, und dem Kopf und dem Herzen des Beamten bleibt die besondere Anwendung und die Auslegung desselben anheimgestellt. Das Volk setzt oft voraus, daß der Beamte seinen Willen durch die Kenntnis, welche ihm die Entstehungsart der Gesetze, ihre Vergleichung untereinander, das natürliche Recht und die allgemein anerkannte Billigkeit verschaffen, treffend erraten und ausüben solle. Es irrt sich aber nicht selten in dieser Voraussetzung, weil es eine unglückliche Wahl in der Person des Beamten traf und weil es durchaus unmöglich ist, für freie Menschen Gesetze zu machen, die ein schlechter Beamter nicht mißbrauchen könnte. Ich würde nicht als unparteiischer Mann dastehen, wenn ich nicht frei heraus unsere fränkischen Brüder wegen ihres Leichtsinnes, den sie bei der Wahl ihrer Beamten gezeigt haben, tadlen wollte, als ich sie in Ansehung des Scharfsinnes, den sie bei der Einrichtung ihrer Staatsverfassung selbst an den Tag legten, lobe. Sie gestehen es selbst, daß fast alles Unglück, welches sie die vier Jahre her betroffen hat, von dieser leichtsinnigen Beamtenwahl die Folge ist. Vielleicht, daß in diesem Stücke der Deutsche, der sich nicht so leicht zugunsten eines Menschen hinreißen läßt, der zwar langsamer, aber auch bedächtiger in seinen Schritten zu sein •41

644

31. Jänner 1793

glaubt, weniger in dem Falle sein möchte, bei dem Wahlgesdiäfte durch traurige Erfahrung behutsam gemacht zu werden wie der Frankreicher. Wenigstens haben wir auch hier die Erfahrung der Franken zu unserer Lehrmeisterin, und wir verdienen das Unglück, welches durch schlechte Beamte über uns kommen kann, wenn wir sie nicht benutzen. Laßt uns darum, ehe wir das Wahlgeschäft selbst anfangen, all unsere Aufmerksamkeit auf diesen großen Gegenstand wenden und über die Eigenschaften und die Merkmale eines guten Volksbeamten ernstlich nachdenken. Nur im allgemeinen kann ich von dieser Sache reden, da verschiedene Stellen auch verschiedene Talente erfordern. - Ein guter Volksbeamter zu sein, erfordert vieles. Ihr findet leicht Leute, die gut zu befehlen wissen, Leute genug, die gut gehorchen können, aber gewiß selten sind diejenigen, die beides verstehen. Ein guter Volksbeamter muß, wie ich bereits gesagt habe, sowohl zu befehlen als zu gehorchen wissen. Zu dem einen wird Tätigkeit und Kraft, zu dem andern nicht selten ein hoher Grad von Selbstverleugnung erfordert. Im Namen des Volks zu reden - zu fühlen: ich bin der Kopf für tausend Köpfe - wie leicht wird dem Menschen bei dem Gedanken schwindlig! Wie leicht vergißt er, daß sein Verstand nur die Wünsche seiner Mitbürger sammelen und auffassen, daß er sich alles eigenmächtigen Würkens, alles Glaubens an Überlegenheit und Unfehlbarkeit enthalten solle. Und der gutmütige, sanfte, bescheidene Mann, der gern jedes seiner Nebenmenschen Willen zuvorkommen möchte, wie leicht verfällt dieser nicht in eine gänzliche Unentschlossenheit, oder wie leicht hält er nicht, was doch nur die Meinung einiger wenigen ist, für allgemeinen Willen? Der erste wird zum Tyrannen, der andere zur Schlafhaube oder zum Organ seines Weibes, seiner Freunde, und er verwirrt die Geschäfte. Wählt also weder den gar zu leidenschaftlichen noch den gar zu sanften und gefälligen Mann. Ein guter Beamter muß ein Mann von Verstände, ein Mann von Kenntnissen sein, er muß ein gutes Herz und keinen derjenigen Fehler an sich haben, die auch einen sonst guten Mann oft für sein Amt untauglich machen. - Laßt uns diese verschiedenen Seiten, die wir in dem guten Beamten vereiniget sehen müssen, genauer betrachten. Verwechselt ja nicht den gelehrten mit dem verständigen Manne. Gelehrsamkeit ist allerdings ein Mittel, um den Verstand aufzuklären und im Denken zu üben, sie vergrößert aber seine natürlichen Kräfte nicht. Wem es am Mutterwitze gebricht, mag aller Welt Bücher gelesen und aller Welt Sprachen gelernt haben, und dennoch werdet ihr von ihm über die gewöhnlichsten Vorfallenheiten des gemeinen Lebens die absurdesten Urteile hören, weil er da nicht die auswendig gelernte Meinung eines andern euch vortragen kann, weil er selbst urteilen muß. Merkt es wohl, Gelehrsamkeit ist die Frucht des Fleißes, Verstand das Werk der Natur. Ob ein Mann viel Verstand habe, darüber könnt ihr euch am besten aus der Beobachtung seines häuslichen Lebens und seines Benehmens bei ungewöhnlichen und unerwarteten Vorfällen unterrichten. Der Schuster, der auch einem ungewöhnlich gestalteten Fuße einen guten Schuh anzupassen weiß, der Geschäftsmann, der nicht immer seinen gewöhnlichen Schlendrian geht, sondern sich nach den Umständen richtet, das ist ein vernünftiger Mann! Der vernünftige Mann nimmt sich Zeit zum Nachdenken, wenn die Umstände es gestatten; aber er trifft auch eine passende Maßregel auf der Stelle, wenn schnell gehandelt sein muß. Der vernünftige Mann prahlt nicht, vielmehr überläßt er mit einer gewissen Gleichgültigkeit dem Publikum das Urteil über seine Verdienste; ruhig wandelt er seines Weges, und er sucht nicht in Kleinigkeiten zu glänzen. Der kluge Mann ist des Erfolges seiner Handlungen sicher; ihr hört ihn nicht mit verlegener Miene fragen: Aber was sollten auch wohl die Leute dazu sagen? Von der Geschicklichkeit oder von den Kenntnissen der Beamten hängt vieles, vieles ab; sie müssen der Vernunft zum Mittel dienen. W e r kein Französisch versteht, mag in den itzigen Zeitläuften nodi so klug sein, und er wird doch in hundert Vorfällen mit seinem Verstände

31. Jänner 1793

645

nichts ausrichten. Aber verschiedene Amter erfordern verschiedene Erkenntnisse. Hat der Mann, den ihr wählen wollet, sich noch in keinem öffentlichen Amte gezeigt, so müßt ihr untersuchen, ob er auch wirklich Gelegenheit hatte, etwas zu erlernen, ob er lange genug auf Schulen und auf Universitäten war, ob er in dem Rufe eines fleißigen jungen Mannes stand, oder ob er seine Zeit lüderlich verschwendet habe etc. Eine ziemlich treffende Regel ist, daß ihr Leute(n), die über alles mit einreden, die alles verstehen wollen, nicht für geschickte Leute halte[t]. Wer von seinen Kenntnissen mit vieler Selbstgenügsamkeit euch vorprahlt, von dem könnt ihr wenigstens glauben, daß er die Lücken in seiner Wissenschaft nodi nicht sehen kann; denn je mehr einer weiß, um so mehr er fühlt, daß ihm noch sehr viel zu erlernen übrig sei. Die Lehrer sind darum meistens viel bescheidener als ihre Schüler. Der Anfänger und der Halbwisser spricht über alles mit einer entscheidenden Dreistigkeit; der wahre Gelehrte läßt euch an der Art seines Vortrags merken, daß die Sache noch nicht ganz im reinen sei. Der Mann muß aber nicht bloß vernünftig und geschickt, er muß auch brav, rechtschaffen, tugendhaft sein. Geschicklichkeit und Verstand bei einem bösen Herzen sind gefährliche Dinge. Ihr fragt also mit Recht: Hat der Mann auch ein gutes Herz? Nur warne ich euch hier vor Übereilung; den meisten Dummköpfen rühmt man nach, daß sie ein gutes Herz haben. Über die Dummköpfe geht das Publikum in seinem Urteile gern zur Tagesordnung über, weil ihre bösen Handlungen eben nicht in die Augen fallen, weil man Mitleid mit ihnen hat, weil sie keine Neider finden. Von der andern Seite kann der kluge und der geschickte Mann ihm nachteiligen Urteilen nicht ganz ausbeugen, weil er sich in so manches einläßt und einlassen muß, weil er es unmöglich allen recht machen kann, weil die Einfältigen die ihn betreffenden Folgen seiner Verdienste, welche sie selbst zu erkennen unfähig sind, für erschlichenes Glück halten und darum sie ihm mißgönnen und weil andere kluge Leute ihn beneiden und zu verdrängen wünschen. Der kluge Mann erregt Aufmerksamkeit, er bekömmt Neider, ihm paßt die Verleumdung auf jeden seiner Schritte, und wenn man mit dem Tadel nicht anders durchkommen kann, so muß es heißen: der Mensch hat doch ein böses Herzl - Nie werdet ihr einen klugen, geschidcten und tätigen Mann finden, der nicht viele Feinde, der nicht eine Gegenpartei hätte, die ihn mit bitterer Galle verfolgt. Wer immer in der ganzen Stadt einstimmig gelobt wird, wer keine Gegenpartei hat, den bin ich immer geneigt für einen unbedeutenden Menschen zu halten, von dem man weder große Laster zu fürchten nodi große Tugenden zu hoffen hat, der sich scheuet, einem Volksurteile Stirne zu bieten, der gegen jeden gefällig und niemands Freund ist. - Woran erkennt man denn aber den braven Mann? Daran, daß aus allen seinen Handlungen ein gewisses sich leicht offenbarendes Gefühl des Wohlwollens und der Billigkeit hervorleuchtet, wenn nicht sein Verstand oder sein natürlicher Abscheu gegen das Böse ihn zu gerechter Strenge auffordert. Beobachtet die Gesichtszüge des Mannes, den Laut seiner Stimme, die Fügung seiner Worte, wenn er von andern Böses redet und sich nicht beobachtet glaubt; beobachtet ihn, wenn er Verleumdungen anhört; beobachtet ihn beim unerwarteten Anblick eines leidenden Bruders; beobachtet ihn bei Gewahrwerdung einer schönen Tat, die sein Feind beging; beobachtet ihn, wenn sein Freund eines Fehlers überführt wird; - beobachtet ihn endlich, wie er sich als Gatte, als Vater, als Sohn, als Freund benimmt; denn glaubt mir, wem die Bande der Verwandtschaft nicht heilig sind und wer kein Gefühl für warme Freundschaft hegt, der wird nie ein guter Bürger sein. Der Heuchler kann täuschen, aber auch nur den Unbehutsamen, der nicht den Mann in seinem häuslichen Zirkel zu beobachten sucht, oder den Unweisen, der nicht auch aus der Art, wie sein Nebenmensch Uberraschungsfehler begeht, ihn zu schätzen weiß. Es gibt auch gewisse besondere Fehler, die einen sonst brauchbaren Mann zum öffentlichen Beamten untauglich machen. Der erste Fehler davon ist der Eigennutz• Wer ohne, daß er es durchaus nötig hätte, von

646

31. Jänner 1793

seiner Handlung Vorteil zu ziehen sucht; wem die Freude, etwas Gutes gewirkt zu haben, nicht über alles geht; wer nur gefällig ist, um größere Gegendienste zu erpressen; wer sich in die Schwächen seines Nebenmenschen fügt, um von ihm etwas zu erhalten; wer endlich gar nimmt, wo er geben sollte, - der ist ein eigennütziger Mensch. Solche eigennützigen Leute taugen durchaus nicht, sie sind bestechlich, sie haben ein böses Herz. - Nur bitte ich euch, seht auf den ganzen Menschen, nicht auf einzelne seiner Handlungen. Auch der Knauser ist zuweilen ungewöhnlich freigebig, - da, wo es Aufsehen macht, und bei Gelegenheiten, wo es darauf ankömmt, sich beliebt zu machen. Nehmt euch aber auch keinen Verschwender zum Staatsbeamten. Wer für sich und die Seinigen kein guter Haushälter ist, wird es auch schwerlidi für den Staat sein; obwohl allerdings Ausnahmen stattfinden, wo nicht Nachlässigkeit, nicht Sinnlichkeit den Menschen zum Verschwender machen. Ein Verschwender kömmt leicht in den Fall, plötzlich Geld zu gebrauchen. Wie leicht kann es nicht geschehen, daß eben ein solcher Fall zur Bestechung benutzt wird? Gewiß um so leichter, wenn der Mann viel Ehrgeiz hat, wenn er seine häuslichen Angelegenheiten in Verwirrung sieht etc. Eitelkeit, diese ebenso häufige als nur zu sehr entschuldigte Schwäche der Menschen, halte ich für denjenigen Fehler, auf welchen man gerade am allermeisten sehen muß bei der Wahl eines Volksbeamten. Wer sich auf zufällige, äußre, unwesentliche Vorzüge viel zugute tut, ist eitel; wer sich auch darum über andere erheben will, ist hochmütig, hoffärtig. Den einen macht sein Reichtum, den andern seine Herkunft, den dritten seine Gestalt, den vierten sein hübscher Rock oder sein schönes Haus eitel oder hoffärtig. - Da gibt es ein kleines Männchen, welches sich einbildet, das artigste kleine Männchen zu sein, und im Geschmack, in Kleidung, Hausgerät, Soupees usw. jeden zu übertreffen wähnt und diesen Torheiten auch dann noch seine ganze Aufmerksamkeit schenkt, wo das Vaterland in Gefahr ist und wo man nicht genüg Achtsamkeit für wichtige Geschäfte haben kann. Der Geist der eiteln Menschen hängt zu sehr an Kleinigkeiten und nimmt die Schale für den Kern, den schönen Einband für das Buch, den Rock für den Mann. Nie ist ein Eiteler auch ein recht verständiger Mann, weil dieser sich nur mit dem Wesentlichen, mit dem Menschen selbst, nicht mit dem Kleide beschäftigen will. Niemand öffnet unwilliger der Wahrheit sein Ohr, niemand zeigt sich empfindlicher gegen den, welcher es wagt, ihm die Wahrheit zu sagen; selbst der vertrauteste Freund - soweit nämlich ein solcher Mensch wahre Freunde haben kann - wird gemieden, ja von ihm verfolgt und alle ihm schuldige Dankbarkeit verkannt, weil er eine seine Eitelkeit kränkende Erinnerung gab. Der Haß, den der eitle Mensch gegen alle faßt, die seiner Eitelkeit, wenn auch ohne alle Absicht, wehe getan haben; die schnelle Zuneigung für alle, die seiner Eitelkeit kitzeln; endlich denn auch seine Marklosigkeit und sein oberflächliches nachdruckloses Wesen machen ihn zu einem Intriganten, den geraden Weg verlassenden Mann. Weswegen ich aber ganz vorzüglich euch rate, ja keinem eitlen Menschen eine Stelle zu geben, ist die Beobachtung, daß niemand bestechlicher, niemand wohlfeiler zu bestechen ist als er. Man darf nur seine Hauptschwäche kennen, so wirkt ein einziges Kompliment auf ihn oft mehr als auf den Eigennützigen eine große Summe Geldes. Der Eitle strebt nach hohen Würden, ja er ist herrschsüchtig und das nicht um großer Zwecke willen, sondern um zu glänzen; denn deshalb tut ein solcher kleiner Egoist alles. Warum ich den Wollüstigen ebenfalls für ein öffentliches Amt untauglich finde, könnt ihr leicht erraten. Zu mächtig ist der Reiz zur Wollust im Menschen, als daß er den Trieb, für das allgemeine Wohl zu arbeiten, nicht schwächen sollte. Ein schönes Weib, eine gute Mahlzeit, ein gutes Faß Wein bringen darum oft die Ehrlichkeit des Mannes zu Grabe. Noch einige Vorsichtsregeln will ich euch ans Herz legen, damit ihr euch nicht hintergehen lassen möget von Leuten, die ihre Karten gut zu mischen wissen.

31. Jänner 1793

647

Es gibt ihrer, die, soviel Lärmens sie im Publikum auch machen, sosehr sie es auch darauf anlegen, die Stimmenmehrheit zu gewinnen, sosehr sie auch das Volk gegen rechtschaffene Beamte aufzuhetzen suchen, gleichwohl bei allem dem dem Publikum Sand in die Augen zu streuen wissen, daß es ihre wahre Absicht nicht merke. Denn bei jeder Gelegenheit schreien .sie: ,lcb will nichts werden', und ihr könnt mir glauben, der Mann will alles werdenl Ein braver Patriot will gern was werden, weil er gern nützen will; nur drängt er sich nicht auf, nur verabscheuet er jedes Mittel, wodurch seine Bürget getäuscht werden könnten. Er zeigt sich immer, wie er ist, er bedarf keiner Schminke, denn Fehler, die er hat, sucht er zu verbessern, und Tugenden, die ihm fehlen, sucht er zu erlangen, - und zwar nicht eiteln Lobes und Tadels halber, sondern weil das Pflicht ist. Wenn ich ein Amt bei euch suchte, so ließe ich auf einen Zettel drucken: .Liebe Mitbürger, ich sähe gern, daß ihr mich zu dem und dem Amte wähltet. Aus den und den Gründen glaube ich für das Amt zu passen.' Ich würde mich nicht schämen, wenn man mich nicht wählte. Laßt doch einmal die alten Ideen von Ämtern fahren. Ämter sind ja keine Leibrenten! Der Beamte dient gegen eine Entschädigung (nicht Belohnung) dem Publikum. Will das Publikum meine Dienste nicht, nun so habe ich das Meinige getan. Kurz, ich halte es nicht nur für anständig, sondern fast für Pflicht, daß man sich zu Ämtern anbiete. Ihr leset in den Zeitungen, daß der große Dumourier sich nicht gescheuet hat, ebendas zu tun. Noch eins, es gibt eine Klasse von Menschen, aus denen ihr ohne die allergrößte Vorsicht keinen wählen dürft. Das sind die Privilegierten, nämlich die Edelleute, die Pfaffen, die alten Fürstenknechte. - Von diesen heißt es: und wenn ihr sie auch im Mörsel zerstießet, so wiche doch ihre Aristokratie nicht von ihnen. - Die Geschichte Frankreichs gibt euch hierüber die Beweise. Eingewurzelte Vorurteile sind nicht aus dem Menschen zu bringen, auch wenn der Mensch selbst es wollte. Ein Fuchs kann eh(end)er seinen Balg ablegen als ein Edelmann die Meinung von dem Unterschied der Stände. - Wenn auch gar kein Adel mehr gilt, so teilt er doch die Menschen in zwei Klassen: in hübsche, honette Leute und in Pöbel. Pöbel ist denn auch jeder, den der Tanzmeister nicht recht zugestutzt hat; der über nidits nicht schwätzen kann; der geradezu sagt, was wahr, was recht ist, der die Sachen bei ihrem Namen nennt. Auch will den alten Fürstenknechten der Gedanke an die Gleichheit nicht in den Kopf; sie hören nicht auf, sich einzubilden, daß das Volk des Beamten wegen da sei, und sie gewöhnen sich nicht wohl im Ernst daran, zu denken, daß der Beamte nur des Volks wegen vorhanden und dessen Diener ist. Die Pfaffen endlich haben einen unvertilgbaren Zug (character indelebilis) von Stolz, Sinnlichkeit und Hinterlist. Wer einmal jahrelang daran gewöhnt war, durch Heuchelei, Lügen und Hanswursti(an)aden sich Ansehen und Überfluß zu verschaffen, wie kann ein solcher aufrichtig, wahr, bieder und einfach werden? Der Lügner von Profession glaubt am Ende an seine eigene Erdichtung. Der Baron Münchhausen, dieser berüchtigte Lügner, schwört darauf, daß er den lieben Gott hätte fluchen hören. So geht es auch manchen Pfaffen; aber die meisten wissen es besser und wollen es nur nicht sagen. Ein Volksbeamter darf aber nicht selbstsüchtig sein, er muß jede Art von Betrug hassen, er muß lieber den Kopf verlieren als eine Unwahrheit sagen wollen. So urteile ich im allgemeinen und nicht ohne Ausnahme von der Pfaffheit, und damit kann vollkommen die Hochachtung bestehen, die ich vielen Seelsorgern, welche weise Ratgeber, liebevolle Sittenrichter, - kurz, Ärzte für den menschlichen Willen sind, gewidmet habe. Aber solche Männer sind ja schon in ihrem Berufe wirklich - Volksbeamten-, laßt sie auf ihren ehrenvollen PostenI Ohne dieser Männer Unterricht bleiben oft die besten Gesetze unbefolgt. Sie sind die Stütze der Sittlichkeit, die wieder eine Stütze des Staats ist. Der gute Ruf von Patriotismus oder die allgemeine gute Meinung von der patriotischen und

648

31. Jänner 1793

republikanischen Denkungsart des Mannes ist eine Eigenschaft, worauf ihr ebenfalls Rücksicht nehmen müßt. Seht aber darauf, ob der Mann in der Tat die Freiheit und die Gleichheit liebt; denn es gibt auch Demokraten aus Eitelkeit und Eigennutz. Der wahre Freund der Freiheit und Gleichheit ist es nicht erst seit dem Ausbruche der Revolution; er war auch vorher gegen Leute, die nicht seines Standes waren, zutraulich, zutätig, billig; er zeigte sidi auch in seinem Hause durch eine billige freundschaftliche Behandlung seines Gesindes und seiner Untergebenen als ein Menschenfreund; er sprach von jeher mit empörtem Gefühl laut gegen jede Art von Unterdrückung. Hütet euch vor den Menschen, die Freiheit und Gleichheit im Munde und Aristokratie im Herzen haben! Hütet euch auch vor denen, die dem Volke schmeicheln wie ehedem ihrem Fürsten und Edelleuten. Der wahre Volksfreund scheuet sich nicht, auch bittere Wahrheiten dem Volk zu sagen. Das meiste, aber noch nicht alles, habt ihr durch eine kluge Wahl guter Beamten erreicht. Der gute Beamte bleibt leider nicht immer gut! Seine Schwächen - und wer hat ihrer keine? arten in Fehler aus, wenn ihr ihn nicht gehörig behandelt. Nachsicht und Unbilligkeit, Liebe und ungegründeter Tadel von Seiten des Volks haben mandien guten Beamten verdorben. Ihr dürft nicht warten, bis die Fehltritte euerer Beamten ganz offenbar geworden sind; ihr müßt ihnen auch euern Verdacht bekanntmachen, wenn ihr Vermutungen gegen sie habt. Aber das geschehe mit Achtung, mit Sanftmut, mit der Erinnerung, wie schwer es ist, ein guter Beamter zu sein, und wie sehr es den rechtschaffenen Mann kränkt, in der guten Meinung seiner Mitbürger sich ohnverdient gesunken zu sehen. Hört darum die Rechtfertigung eures Beamten mit aller Aufmerksamkeit an, verzeiht ihm auch kleine Fehler, wenn er sie wieder gutmacht; denn - wer ist fehlerfrei? Euere Aufmerksamkeit auf die Handlungen des rechtschaffenen Beamten muß den Zweck haben, ihn gegen Fehltritte zu sichern, indem ihr ihn nötigt, stets auf seiner Hut zu sein. Nehmt euch aber ja in acht, mit den Denunziationen und Beschuldigungen es nicht zu weit zu treiben, nicht mit Bitterkeit und Verachtung ihn zu tadeln, wenn ihr noch keine Beweise in Händen habt. Dadurch macht ihr den einen furchtsam und untätig, den andern aber mürrisch, ja wohl gar zum Verräter. So süß es ist, zu wissen, daß das Volk für unsere Bemühungen Achtung hegt, ebensosehr schmerzt es auch, wenn wir unsern guten Willen und unser Bestreben für das allgemeine Wohl verkannt sehen. Allmählich keimt ein Volkshaß im Herzen, und daraus wird wohl gar ein Antrieb zur Rache. Übrigens muß der Volksbeamte wissen, daß, wenn auch sein Diensteifer noch so groß ist, dennoch das Volk ihm keinen Dank schuldig wird, daß Danksbezeugungen nur für ganz außerordentliche Fälle den Beamten aufgespart werden dürfen. Sonst würdet ihr den Patriotismus schwächen, denn ihr sch[w]ächtet den Begriff von der Pflicht und Schuldigkeit, sein Amt treu zu beobachten, diesen Begriff, welcher dem Beamten um so mehr immer gegenwärtig sein soll, da er selbst ein Teil des Volkes ist, dem er seine Kräfte widmet. Die öffentliche Achtung, das ist die wahre und gerechte Belohnung für euere Beamten; das Bewußtsein, ihre Pflicht getan zu haben, muß ihnen über alles süß sein! Nie müsse sich aber diese jedem Beamten, der sie zu verdienen weiß, so ehrenvolle Achtung in eine lebhaftere Empfindung von Anhänglichkeit für denselben erhöhen. Das Volk soll seine guten Beamten ehren und hochachten, aber ja nicht lieben, denn Liebe ist blind, weil ohne Leidenschaft keine Liebe stattfindet. Nichts ist für die Freiheit gefährlicher als die Liebe, welche das Volk für die hegt, welche es leiten. Denn wißt es, die Leidenschaften des Volks sind die Werkzeuge, deren sich die Herrschsüchtigen bedienen, um es zu unterdrücken. Die fränkische Nation hat eine sechshundertjährige Knechtschaft ihrer blinden Liebe für ihre Könige beizumessen, und auf Rechnung ebendieser abgeschmackten Königsliebe kommen die meisten Fehler, welche sich in ihre Konstitutionen von 1791 eingeschlichen haben. Nie dürfen

31. Jänner 1793

649

mich die Tugenden eines Volksbeamten bestimmen, ihn zu lieben, sosehr ich ihn audi hochachten werde; denn eben seine Tugenden können ihn zum Despoten machen. Die Menschheit würde nicht noch unter so großem Drucke seufzen, es würden nidit noch ein paar Hunderte von Tyrannen sich in die Erde und in die Menschen, welche sie bewohnen, teilen, wenn nicht auch noch die Unwissenheit mit einer dreifachen Binde die Augen der Sterblichen verschlösse, wenn die größere Anzahl derselben nicht ihre ewigen und geheiligten Rechte verkennte, sondern ihrer Menschenwürde sich bewußt wäre. Seid überzeugt, daß, wenn der Mensch noch fast überall in Sklaverei und Drucke seufzet, dieses ganz vorzüglich dem Unglücke beizumessen sei, daß es auch gute Könige und Fürsten gab, deren Tugenden das Joch der Sklaverei erträglich und die Übel, welche so viele andere Tyrannen der Menschheit zufügten, vergessen machten. Das gewalttätige Laster empört das Volk, die Tugend unterjocht es, und willig begibt es sich seiner geheiligten Rechte, um sie dem Gegenstande seiner Liebe, seinem vergötterten Regenten, aufzuopfern. So wurde es möglich, daß die Könige die Völker bis zu einem solchen Grade unterdrücken konnten! Mit Gewalttätigkeiten fingen sie die Unterjochung an, mit ihren Tugenden vermehrten, vollendeten sie dieselbe. - Der letzte echte Römer, Brutus, antwortete dem Cäsar, der sich der Oberherrschaft der Republik bemächtigt hatte, als ihn dieser fragte: .Was hast du denn gegen midi, Brutus?' Deine Tugenden, antwortete Brutus, eben deine Tugenden. - Denn ohne die würde man deine Ungerechtigkeit sich nicht gefallen lassen, und ohne deine verdammte Güte, wodurch du das Volk deine Fesseln lieben machst, würdest du die ganze Welt nicht täuschen können. Wenn ich hier von den Gefahren sprach, in welche die Völker durch die Liebe für ihre Regenten sich stürzen, so wollte ich damit gar nicht sagen, als wenn es minder schlimm sei, wenn das Volk in Freistaaten seine öffentlichen Beamten liebt. Die blinde Zuneigung der französischen Nation für verschiedene mächtige Personen hat schon mehrmals bei ihm die Fackel zum Bürgerkriege angezündet. Die Athenienser, die man sonst in manchem mit den Mainzern vergleichen kann, kannten jedoch besser die Freiheit als irgendein anderes Volk und können uns hierin füglich zum Muster dienen. Alles, was der Freiheit dieses republikanischen Volkes Gefahr zu drohen schien, setzte es in die größte Tätigkeit; sogar die Beredsamkeit seiner Redner war ihm nicht gleichgültig, und es suchte diese gefährlidie Kunst von seinen Rednerbühnen zu verbannen. Entronnen wie wir dem Joche ihrer Herrscher, flößte schon das Wort Regent ihm einen solchen Schauder ein, daß es, mißtrauisch gegen jede Art von Überlegenheit, alle Bürger, deren Ansehen, ja selbst deren Verdienste und Tugenden ihm gefährlich werden zu können schienen, zehn Jahre lang auf eine ehrenvolle Art des Landes verwies. Dieses war auch das Schicksal des tugendhaften Aristides. Ein atheniensisdier Bürger, der, ohne ihn persönlich zu kennen, für seine Verweisung gestimmt hatte, gab dem Aristides auf die Anfrage, was er ihm denn je zuleid getan hätte, die Antwort: .Ich bin es überdrüssig geworden, dich immer den Gerechten nennen zu hören.' Solch ein übertrieben scheinendes Mißtrauen gegen alles, was der Freiheit nachteilig werden kann, vermag nur allein das Volk gegen die Wirkungen des Ehrgeizes seiner Beamten zu schützen, die so oft sich in das Gewand der Tugend hüllen, um sich durch die erworbene Volksliebe eine ungerechte Herrschaft zu sichern. - Ich wiederhole es euch, wenn wir nicht Mut genug in uns fühlen, um wie unsere fränkischen Nachbarn die Athenienser nachzuahmen, oder wenn wir die Landesverweisung als ein gehässiges Gesetz ansehen, da sie doch nur eine weise Vorkehrung ist und nichts Entehrendes für denjenigen hat, welchen sie betrifft, so laßt wenigstens uns hüten, daß wir unsere Beamten nicht lieben; laßt uns sie hochachten, ja sie verehren, wenn sie es verdienen; aber wohlbedächtlich unterscheidend zwischen dem Mann und dem Amte, zwischen dem Menschen und dem Beamten. Den Beamten müssen wir als unsern Stellvertreter ehren, aber nicht an den Menschen denken, der den Stellvertreter macht.

650

31.Jänner 1793

Seid auch sparsam im Loben euerer Beamten, schweigt nie, wenn ihr ihnen mit Grunde etwas zur Last legen könnt, und wenn auch sonst der Beamte der beste Mann wäre. Der nach Lobeserhebungen geizende Beamte ist seiner Stelle unwert, welche er nicht ohne Verzichtleistung auf alles persönliche Interesse annehmen durfte. Er muß es wissen, daß niemand ihm für seine Bemühungen Dank schuldig ist, daß jeder das Recht hat, ihn zu tadeln; daß darum seine Lebensweise und Aufführung so offen sein müsse wie jenes Römers, der nichts sehnlidier wünschte, als daß die Augen aller seiner Mitbürger ihn in dem geheimsten Winkel seines Hauses beobachten könnten. Unglücklich derjenige, welcher das Amt, welches er bekleidet, nur als den Weg, zu Glück und Ansehen zu gelangen, betrachtet; denn ohnmöglich wird er Geistesstärke genug besitzen, die damit verbundene unangenehme Seite zu ertragen; unglücklich das Volk, welches solchen Beamten seine Führung anvertrauet. Kein Beamter darf sich von den Pflichten seines Amtes lossagen, ohne auch zugleich auf die Vorteile; welche es ihm verschaffte, Verzicht zu leisten. Wenn es ihm beliebt, kann er sein Amt niederlegen, denn das Volk hat nicht das Recht, irgend(en) jemand ein Amt aufzudringen, welcher vorgibt, es nicht länger führen zu können. Hat der Beamte von seinem Ansehen Mißbrauch gemacht, so muß seine Absetzung dem Erweis seines Verbrechens auf dem Fuße nachfolgen. Ich habe von der Strenge geredet, womit das Volk auf seine obrigkeitlichen Personen und Beamten sehen muß, habe auch gewarnet, ja nicht mit euerm Lobe gegen sie verschwenderisch zu sein, ja, ich habe euch die harte Pflicht ans Herz gelegt, daß ihr nicht einmal euere Beamten lieben dürft. Wie sehr würde ich aber diese Äußerungen bereuen, wenn man daraus folgern wollte: die republikanische Freiheit und Gleichheit würden euch des manchem so lästigen Gehorsams gegen die Befehle der Obrigkeiten überheben, würden jede Ausgelassenheit gegen dieselben rechtfertigen. - O nein, meine Mitbürger, nirgend kann die obrigkeitliche Würde, nirgends der Befehl des Beamten mehr und herzlicher respektiert werden als in einer auf den Grundsätzen der Freiheit und der Gleichheit gegründeten Republik. Sooft der Beamte im Namen des Gesetzes zu euch redet, sind seine Befehle für euch so heilige Antriebe als die Anregungen eueres eigenen Willens, wenn ihn die Vernunft rechtfertiget. Ihr selbst wäret es, die ihr dem Beamten ein gewisses Maß von Macht in die Hände gäbet, ihr sagtet zu ihm: ,Das und das ist unser Wille und von dir fordern wir seine Vollziehung.' So streitet ihr also gegen euch selbst, so gebt ihr den lächerlichsten Widerspruch zu erkennen, daß ihr etwas wollet und auch nicht wollet, wenn ihr dem Beamten nicht den allerstrengsten Gehorsam leistet. Ihr müßt ihn hochachten wie euern eigenen Verstand und Willen, da es euer Verstand war, der es erkannte, daß er in vielen Dingen den Verstand und Willen des Beamten vor sich handeln lassen wolle. Ihr könnt den Befehl eueres Beamten tadlen, aber gehorchen müßt ihr, wenn er nicht schnurstracks den Gesetzen entgegen befiehlt; ihr könnt euern Beamten anklagen, wenn ihr glaubt, daß er etwas verbrochen habe; aber ihr müßt in euerer Klage keinen andern als den Weg gehen, welchen das von euch gut geheißene Gesetz einmal vorschrieb. Denkt, welche Unordnung würde es geben, wenn jeder Bürger in jedem besondern Falle handeln wollte, wie es ihm eben einfällt, wie seine Leidenschaft ihn antreibt. Die durch das Gesetz bestimmte Ordnung ist zu betrachten als die Regel, welche die reife, kaltblütige Überlegung vorgeschrieben hat. Wir müssen uns ihr unterwerfen, weil wir vernünftige Menschen sein wollen, die nach Regeln und Grundsätzen, nicht, nach Leidenschaft und Laune handeln." m

Der beispielhaften patriotischen Gesinnung der Wöllsteiner wurde im Klub mehrfach gedacht; vgl. insbesondere Protokoll vom 4. 1. § 13, Anm. f, aber auch vom 29. 1. § 150 und vom 31. 1. 93 § 156. Bei dem ehemaligen Wöllsteiner Amtsvogt, den die Wöllsteiner zur Rechenschaft gezogen

651

31. Jänner 1793

haben wollten, handelt es sich um niemand anderen als den ehemaligen kurfürstlichen Hofgerichtsrat und Gewaltsboten Wolf, den die Allgemeine Administration am 5. Dezember zum Munizipal von Mainz ernannt hatte und der am 2. Januar um seine Entlassung eingekommen war, als diese Funktion für seine konterrevolutionären Aktivitäten keine Deckung mehr bot; vgl. Protokoll vom 21. 12. 92 Anm. b und vom 3. 1. 93 Anm. a. Schon am 13. Januar, als Wolfs Amtsniederlegung in Wöllstein bekannt wurde, hatten der Ortsvorsteher Philipp Jakob Schmitt und drei weitere Wöllsteiner namens der Gemeinde an die Konventskommissare die folgende Eingabe gerichtet: „Bürger Gesetzgeberl Gestern haben wir vernommen, daß unser ehemaliger Amtsvogt zu Wöllstein und zeitheriger provisorischer Munizipalrat in Mainz namens Wolf seine Stelle niedergelegt und auswandern wolle. D a nun derselbe von seinem beinah siebenjährigen Amte bei uns keine Rechnung abgelegt und doch nach den allgemeinen Klagen des ganzen Ortes und Amtes Neuba(u)mberg der gegründetste Verdacht auf demselben liegt, so ersuchen wir Sie, Bürger Commisaires, gemessene Ordre zu geben, daß obgedachter Wolf nicht eher Mainz verlassen darf, noch ihm von seinem Eigentum etwas verabfolgt werde, bis derselbe seine Rechnung abgelegt. Der Angeklagte will schon morgen, höchstens übermorgen abreisen; wir ersuchen Sie daher, Bürgerl uns schleunige Hülfe zu geben und sind, Bürger Gesetzgeber, die Bürger von Wöllstein namens der Gemeinde. Mainz, den 13. Jänner 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik Philipp Jakob Schmitt, Vorsteher Paul Kumba Heinrich Kern Caspar Heiß" Die Konventskommissare gaben das Schreiben am gleichen Tage zur sofortigen Erledigung an die Administration weiter, die ebenfalls noch am 13. Januar die Munizipalität anwies, Wolf nicht vor seiner Rechnungslegung abreisen zu lassen. (ADp Lübben, Packen 110 - Mainzer Stadtarchiv 11/11, Tom. I, Beilage 16) Wolf übergab daraufhin der Munizipalität am 14. Januar eine schriftlidie Erklärung, die den inzwischen abgereisten Klägern zugestellt wurde, aber so wenig befriedigte, daß der Munizipalität am 21. Januar eine neue Eingabe der Wöllsteiner vorlag, worin sie verlangten, „daß ihr vormaliger Amtsvogt Bürger Wolf angewiesen werden möchte, über die verschiedenen Beschwerden der Einwohner persönlich daselbst sich zu rechtfertigen." Während Wolf sich wieder nur zu einer schriftlichen Erklärung bereit fand, beharrten die Wöllsteiner auf mündlicher Rechtfertigung im Beisein eines Mitglieds der Administration und gaben der Munizipalität am 22. Januar die Versicherung ab, daß „Wolf bei seiner persönlichen Gegenwart zu Wöllstein nicht die mindeste weder wörtlich- noch tätige Beleidigung zugefügt werden sollte". In diesem Sinne war auch die Empfehlung gehalten, die die Munizipalität am gleichen Tage an die Administration gelangen ließ. (ADp Lübben, Packen 110 - Mainzer Stadtarchiv 11/12, Tom. II, Beilage 68) Der Verlauf der nächsten Etappe wird aus dem Sitzungsprotokoll der Allgemeinen Administration vom 24. 1. 93 deutlich. Jener Empfehlung entsprechend hatte die Administration den Generalprokurator Boost zu ihrem Vertreter ernannt und Wolf aufgefordert, sich zusammen mit ihm nach Wöllstein zu begeben; Wolf aber hatte sich geweigert, auf ein ihm gewährtes kurfürstliches Absolutorium verwiesen und den Klägern mit einem gerichtlichen Prozeß gedroht. Die Administration verlangte daraufhin von Wolf die unverzügliche Mitteilung seiner Weigerungsgründe, „widrigenfalls derselbe sich selbst(en) beizumessen hätte, wenn schärfere Mittel gegen ihn eintreten würden, um ihn zu vermögen, daß er sich künftigen Samstag ohnfehlbar dahin verfüge, um über das, was ihm von Seiten der Gemeinde Wöllstein wegen ver-

652

1. Februar 1793

schiedener Rechnungsanstände(n) zu Last gelegt wird, ohne prozessualische Weitläufigkeit auf der Stelle Rede und Antwort zu geben". (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 203, fol. 493, 495) Wolf entsprach dieser Forderung und unterbreitete am 25. Januar der Administration eine Reihe von Schauergeschichten, die den angeblich blutrünstigen Charakter der Wöllsteiner belegen und seine Behauptung glaubhaft machen sollten: „Bloße Besorgnis um die Sicherheit meiner Person ist die einzige Ursache meiner Weigerung." Überraschenderweise fand Dorsch die dargelegten Beweggründe nicht nur „erheblich", sondern wies am gleichen Tage auch die Munizipalität an, den Wöllsteinern mitzuteilen, daß sie ihre Klage in Mainz vorzubringen hätten. (ADp Lübben, Packen 110 - Mainzer Stadtarchiv 11/12, Tom. II, Beilage 86) In dieser Situation entschlossen sich die Wöllsteiner zu dem Hilfsersuchen an den Klub. Obwohl aus seinen Protokollen nicht klar hervorgeht, ob er effektive Hilfe geleistet hat, darf zumindest eine Unterstützung durch einzelne Klubmitglieder wie etwa durch Meuth als sicher angenommen werden. Die Gemeinde jedenfalls ging von ihrer Forderung nicht ab und erklärte z.B. noch am 18. Februar in einer Eingabe mit 120 Unterschriften kategorisch: „Weil(en) so viel Einwohner sind, denen er so viel und die ganze Gemeind in Rechnung übernommen, die ganze Gemeind will haben, daß er soll nach Wöllstein kommen und soll Rechnung ablegen, anders könnte es die Gemeind nicht tun." (ADp Lübben, Packen 110 Mainzer Stadtarchiv 11/12, Tom. II, Beilage 86) Schließlich geht aus dem Munizipalitätsprotokoll vom 28. 1. 93 hervor, daß Wolf Sicherheiten für die Wöllsteiner hinterließ, um die Erlaubnis zur Ausreise erhalten zu können. (Mainzer Stadtarchiv 11/3, S. 357 ff.)

Protokoll der Sitzung vom [Freitag,] 1. Februar 1793, im 2. JfahrJ der F [ranken] r [epublik] Cotta Präsident* § 165 D a s Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen. Gegen die neuen Mitglieder wurde erinnert, daß sie als Franke[n] von Franken'müßten proponiert werden. Ein Mitglied (Pape) erklärte, daß er sie kenne, sie seien zur Annahme als gute Patrioten zuzulassen. § 166 D i e neuen Mitglieder wurden aufgenommen und leisteten den Schwur für F[reiheit] und Gleichheit]. Ein neues Mitglied bat sich's Wort aus und bezeugte 1 seine Empfindung und warmen Dank über seine Aufnahme; bemerkte hierauf, daß er sich mehrere Jahre hier aufgehalten und traurige Auftritte des Despotismus mit angesehen habe, daß es ihn außerordentlich freue, hier Freiheit und Gleichheit blühen zu sehen, und verspricht, alle seine Kräfte anzuwenden, unserer Gesellschaft ein nützliches Mitglied zu sein. § 167 D a s Protokoll des Wohltätigkeitsausschussfes] wurde verlesen und dabei das Verzeichnis über die eingekom [me] nen Gelder und Kleidungsstücke für die Waffenbrüder vom 18. bis den 31. Jänner 1793 vorgelesen und sub / I / aufs Bureau gegeben, wo es jeder einsehen kann. 1

Geändert statt: „sprach".

653

1. Februar 1793

Der Korrespondenzausschuß bemerkte der Gesellschaft, daß sich ein Schreiben von Bruder Koch vorfände, weil aber dieser Bruder wegen großem Verbrechen in Verhaft säße, so erachte der Ausschuß, das Schreiben nicht vorzulegen.1" § 168 B [rüder] Majers Schreiben enthielt eine Anklage und Beschuldigung gegen2 B[rüder] Zech und Ausschließung aus d[er] Gesellschaft]. Bruder Zech erklärte, daß diese Beschuldigung ihn niemals treffen könne, indem er nicht den Druck der Ode an * , sondern seinen Arbeits- und resp[ekti]ve Heftelohn bezahlt genommen und er ihm beweisen wolle, daß er nur 16 kr. von Fremden bezahlt genommen, wo er doch 100 und mehr an Hiesige umsonst abgegeben. B [rüder] Majer solle seinen Schurken zurücknehmen0, man ging darüber zur Tagesordnung. §169 Auf das Verlangen verschiedner Mitglieder, die austreten3 und aus dem Verzeichnis der Mitglieder wollten gestrichen sein, machte ein Mitglied die Motion, man gehe mit diesen Glieder [n] mit allzuviel Gelindigkeit zu Werk - die G[lieder] hätten geschworen - ; man solle sie anhalten, ans Bureau zu treten und da die Ursache ihres Austretens anzugeben; es trete hier der Grundsatz ein: wer nicht mit uns ist, ist wider uns. D e m Vorsprecher bemerkte man, die Brüder

hätten geschworen,

Ausgetretene[n] ihren Beitrag

unserer Schulden

frei

leben

oder sterben. Sie könnten demnach ihrem Schwur treu bleiben, ohne in der Gesellschaft zu sein. Ein Mitglied fügt bei, der monatliche Beitrag von 15 kr. sei die Ursach des Austritts - indem alle diese, solang sie in der Gesellschaft gewesen, noch keinen Kreuzer zu den gehabten Unkosten beigetragen hätten. Ein Mitglied findet das Austreten derjenigen, die ihrem Angeben nach doch gute Patrioten seien und verbleiben wollten, immer als einen großen Fehler, indem sie hier wirken und tätig sein sollten. Ein Mitglied gibt den häuslichen Frieden als eine bewegliche Ursache zum Austreten an, da erhielt die Frau des Ausgetretenen (B [rüder] Burkart} einen Brief von Würzburg und weiß so viel von Ankunft der Feinde - Belagerung der Stadt etc. zu schwätzen, daß sie den Mann lang verfolgte, bis dieser unsere Gesellschaft verlassen hat. d Man behauptete ferner, daß die zur Abzahlung

leisten müß-

ten - aus allem diesem erhelle, daß Schwäche, Schüchternheit und Eigennutz die Beweggründe der ausgetretenen Brüder seien. - D a die Vorschläge mit Gründen nicht ausführbar seien, ging man zur Tagesordnung über. §170 In einem Schreiben verlangte Herr v. Hettersdorf seine Rechtfertigung gegen die Anschuldigungen des B[ruders] 4 Hauser zu hören.® Ein Mitglied (Stamm) bemerkte über Heiersdorfs Geschichte, daß ein hiesiger Bürger (der nur dann Obrigkeit vorstellte, wann er eine Schärpe anhabe) dem Hettersdorf befohlen hätte, die Stadt zu räumen. Er habe den Hettersdorf - Geändert statt: „des B[ruders] Zech(s)". ! Verbessert statt ursprüngl.: „Auf das Verlangen, daß verschiedne Mitglieder austreten". '' Davor eine nicht lesbare Streichung.

654

1. Februar 1793

wegen diesem Benehmen zurückgeführt, und Hettersdorf müsse so lang hier bleiben, bis er von Obrigkeits wegen einen Befehl erhalten würde.' Ein Mitglied verlas Hettersdorfs Rechtfertigung«, darin er sich beschwert, Hauser habe ihn nur allein französisch verleumdet, an seiner adeligen Geburt sei er nicht schuld. Als General Ha(r)tzfelds Freund habe er keine Zettel herumgetragen, wohl aber dessen Schmähschrift gegen den Geheimen Staatsrat Müller in den Drei Reichskronen umgeteilth - bei Madame Guttenhofen [Coudenhoven] sei er nicht gar oft gewesen' - bei den Aristokraten habe er sich amüsieret - die aristokratische5 Dame bei Manche habe er weder aristokratisch noch demokratisch, sondern nach eignem System behandlet. Die Tribüne habe er nicht bestochen, hierüber verlange er Beweise von B [rüder] Hauser und will nach dem Wunsche gleich abreisen. Häuser berüft sich auf Debillaud, und dieser fand Anstand, seinen Mann zu nennen, will ihn jedoch dem Präsidenten oder dem Comité [de] surveillance angeben. Majer schimpfte den Debillaud einen Schurken, wenn er ihn nicht öffentlich nennen wolle, und Debillaud beschwerte sich anfangs über Zwang und Schimpfen und nannte den hiesigen Bürger Nohetschek6, welchem Hettersdorf selbst • gesagt hat, daß er das Poltern und Händeklatschen auf den Tribünen 7 veranstaltet habe. Hierüber ging man zur Tagsordnung. §171 Der Secretaire des Korrespondenzausschusses klagte über die Untätigkeit der Mitglieder des Ausschusses. Man bemerkte hiebei, daß die Korrespondenz die Hauptsache unserer Gesellschaft sei; daß wir durch unsere Tätigkeit die Achtung und den Patriotismus fürs ganze Land bewürkten; man schlug demnach vor {da dieses Comité mit vieler Arbeit und Beschwernis verbunden sei), die Brüder, welche sich den Geschäften dieses Comités widmen wollten, einzuladen, ans Bureau zu treten und da ihre Namen aufzeichnen zu lassen; und vier Brüder offerierten sich sogleich zu dem Comité. § 172 Ein Mitglied erinnerte, daß er einem Bruder eine französische Rede zum Übersetzen gegeben, daß ihm dieser Bruder außer Gedächtnis gekommen und er diese Rede nicht zurückerhalten könne. Er trage daher darauf an, daß jeder, der eine Arbeit auf sich nehme, immer ein Recipisse ausstellen solle - wann er nämlich die Arbeit erhalten und bis wann sie solle abgeliefer(e)t sein. Unterstützt und angenommen. §173 Ein anwesender Frankenbürger zeigt an, daß er unserer Sitzung wie ein Mitglied beiwohne, daß er eine Entreekarte um 15 kr. erhalten und daß er nunmehr(o) als Mitglied in den Correspondanceausschuß aufgenommen sei, ohne ein Mitglied unserer Gesellschaft zu sein. Auf nähere Erkundigung, warum er denn in die Gesellschaft eingedrungen, erklärte er, daß er schon Mitglied in affiliierten Gesellschaften sei; man lud ihn darauf ein, dies zu 5 ß 7

„aristokratische" zugefügt. In Protokoll III „Nohaschek". „auf den Tribünen" zugefügt.

655

1. Februar 1793

beweisen oder die Gesellschaft zu verlassen. Darauf wurde die Sitzung geschlossen. » Protokoll III kennzeichnet hier präziser die stellvertretende Funktion Cottas durch die Formulierung: „Präsident: Cotta ä l'absence du citoyen Metternich." •> Vgl. Protokoll vom 27. 1. § 129, Anm. d, vom 3. 2. § 177 und vom 4. 2. 93 § 178. c Der heftige Angriff Meyers auf Zech, den er einen Schurken schimpfte und sogar aus dem Klub ausgeschlossen wissen wollte, beruhte offensichtlich auf dem Verdacht, daß Zech mit der 2. Auflage der „Ode an ****" unlautere Geschäfte gemacht habe. Diese anonym erschienene Ode hatte das angebliche Liebesverhältnis Custines zu Marie Eva Daniels, geborene Zitier und Frau des Wundarztes Daniels, zum Gegenstand. Um dem Gerücht zu begegnen, daß Angehörige des Generalstabs dieses Gedicht unterdrückt hätten, und um gleichzeitig zu demonstrieren, wie gründlich sie den Klatsch um dieses Liebesverhältnis verachteten, hatte Meyer eine zweite Auflage der Ode mit folgender Vorbemerkung herausgebracht: „Das gegenwärtige Ding - heißt es in Mainz - sei gleich bei seiner Erscheinung von den Offizieren des Generalstabes unterdrückt worden. Diese elende Sage zu widerlegen, erscheinet hier eine zweite Auflage der anonymen verleumderischen Scharteke. Im Hauptquartier zu Mainz, den 16. Jänner(s) 1793, im zweiten Jahre der Republik. Meyer, fränkischer Bürger und Offizier beim Generalstabe" Die „Ode an ***•" hatte folgenden Wortlaut: „Edel, kühn und stark zu Löwenkämpfen Schwingt die Freiheit hoch ihr Siegspanier, Dumpfheit, Wahn und alle Laster krämpfen Ihre Todeskrämpfe unter ihr. Wollust weicht, die fürstliche Erfindung, Die ein Volk zu guten Sklaven macht; Republikentugend ist zur Gründung Neuen Menschenheiles aufgewacht. Jeder träge Häuslerschlummer schwindet, Und Spartanergeist schießt straff hervor, Der Gedanke Vaterland, entzündet, Freiheit, Gleichheit heben jach empor. Franke, ha! in deinem Muster müssen Deutsche Ahmer hoch verehren dich; In Entzückungen dahingerissen Fühlt der Deutsche neu Tuisker sich. Aber ach! itzt trifft ein Harmgedanke, Die Besorgung eines Bruders ihn. Denn er sieht's - ein großer, edler Franke Wallt den trüben Pfad der Schwächung hin. Er, der Führer dieser tapfern Scharen, Die der Rhein an seinem Ufer sieht, Er, in dessen ehrergrauten Haaren Längst der Kranz der Nation geblüht,

Schwelgt, mit eines andern Weib verbunden, Einer wollustvollen Buhlerin; Bringt dem Vaterland geweihte Stunden Unter niedrigen Genüssen hin. Nah zu sein den Herzen seiner Krieger Fordert ungehemmte Wachsamkeit, Und der Frankenführer sdilummert sicher In dem Schwächungsarm der Weichlichkeit. Seine Streiter sieht man blutend fechten. Doch - der Führer weilt in träger Rast; Wie, wenn sie gleich Dir beim Becher zechten, Den Du rechtlos dir gewonnen hast. Sollte strenger Mut mit Wollust tauschen, Heldenruhm mit feiler Dirnen Gunst, Sich ein Heer in Wein und Lieb berauschen. Trägt der Beispielgeber nicht die Schuld? Trägt er nicht die Schuld, wenn Frauenschwächer, Mädchenschänder frechen Raub begehn? Wenn die fürchterlichen Unschuldrächer Kühn mit Gottes Rachschwert auferstehen? Mannus neuer Enkel haßt Verbrechen, Die sich Frevel über ihn erlaubt; Hermann wüßt' es schröcklich einst zu rächen, Daß man ihm Tusnelden weggeraubt. Gleidi dem glühenden Cherusker dürsten Grimm und Räch in mancher Männerbrust; Fand nicht Mainz in seinem schwachen Fürsten Schimpflich diese Sybaritenlust? Und das Muster strenger Frankenhelden Sollte seiner Würde Schänder sein? Sollte vor dem Augenmerk der Welten Sich kampanischen Gelüsten weihn? Freie Männer nennen dich mit Tadel Einen trägen, schwachgesunknen Mann. Wisse Held, daß deines Geistes Adel Mit des Scheitels Ruhmzweig welken kann. Oh! es ist ein leichtes, das ersticken, Was einst unter Strömen Bluts gedieh; Scipionen wollen Republiken, Doch Sardanapalen fluchen sie.

Ruhen sie, die sieggewohnten Fahnen? Ruht das Schwert, für unsern Feind geschärft? Ohl gedenk der hatten Veteranen Hannibals, die Kapua entnervt. Mancher Held, der hohe Kraft verspendet, Vaterlandeswürde zu erhöhn, Hat schon gleich Antonius geendet In den Armen der Kleopatren. Wollust war von je die Pest der Staaten, Welche Mark und Blüte aufgenagt, Die den Ruhm der schönsten Heldentaten Immerhin um allen Glanz gebracht. Wollust ist der schändlichste Tyranne, Der des Menschen Herz in Fesseln schlägt Und dem blinden, irrgeführten Manne Seinen Stempel auf die Stirne prägt. Die Eroberung des gelobten Landes War von Titus leichter ausgeführt Als die Machtbezwingung jenes Brandes, Den ihm Berenize angesch(n)ürt. Aber dennoch ist sie ihm gelungen, Frankenführerl gleich dem edlen Mannt Zeige allen, daß, schon halb verschlungen, Sich ein Starker dennoch retten kann. Werf sie ab, die jämmerliche Bürde, Unter der ein starker Geist erschlafft. Tritt zurück in deine eigne Würde, Sammle dich zu neuer Heldenkraft. Heldensöhne, die für Freiheit streiten. Müssen frei an Geist und Körper sein Und von Wünschen, welche Schwache leiten, Sich wie ein Fabrizius befrein. Nimmersatte Wünsche durchzutummeln Ist für den Despotensklav Gewinst Und zu stehlen gleich den trägen Hummeln Fremder Mühen Honig ihr Verdienst. Aber den Republikaner reget Kühne Wachsamkeit und Heldenbrand; Vaterland, die Liebe, die er heget, Und sein Wunsch, sein Zweck ist Vaterland.

658

1. Februar 1793 Wollust ist's ihm, jeden Trieb zu zähmen, Der aus falschen trüben Quellen springt, Wollust ist's ihm, jeden Feind zu lähmen, Der dem Vaterlande Wunden bringt. Vaterland ist ihm die Allgeliebte, Mut und Tugend ist ihr Weihaltar, Alle Taten, die der Held nur übte, Die er üben wird, bringt er ihr dar. Und sein Heldenlohn, am Ziel erfochten, Ist ein frischgebrodiner Segenskranz, Von der Allgeliebten Hand geflochten, Mild bestrahlt von ihres Auges Glanz. Dir noch einmal, Führer unsrer Franken, Dir noch einmal unsern Weckerruf: Bringe nicht den festen Bau zum Wanken, Den dein starker Waffenarm erschuf! Männer, längst der Freiheit zugeschworen, Hör! sie rufen brüderlich dir zu, Gib nicht ihren Bruderrat verloren, Gib durch Fotgung ihren Seelen Ruh!"

d

Dr. Burkards Frau hat in der Tat nicht nur daran gearbeitet, ihren Mann vom Klub zu lösen, sondern auch versucht, ihn bei den kurfürstlichen Behörden wieder akzeptabel zu machen. In einer Eingabe von Anfang Januar 1793 argumentierte sie, daß er als Stadtphysikus die Stadt nach der Einnahme nicht hätte verlassen können; er mußte also bleiben „und sich den gefährlichen Zudringlichkeiten der vornehmsten Mitglieder des Klubs aussetzen, denen er endlich aus Furcht vor Mißhandlungen unterlag, aber es dabei doch so weit brachte, daß er den vorgeschriebenen Eid weder abzulegen noch bei den Versammlungen jederzeit gegenwärtig zu sein brauchte. Mit vieler Mühe und Gefahr befreite er sich endlich nach einigen Wochen durch den Abtritt von dieser Verbindung, wo man ihn wider sein Wissen und seinen Willen auf einen Tag zum Vizepräsidenten gewählt hatte." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 116, fol. 60)

e Vgl. Protokoll vom 31. 1. 93 § 160. 1 Das Protokoll III formuliert hier präziser:

[ . . . ] bis er von der obern Polizei, die in den Händen des Generals Custine sei, einen Befehl erhalten würde, die Stadt zu räumen. e

Diese Rechtfertigung des Heddesdorf ist nicht im Wortlaut überliefert, wohl aber seine am 29. Januar aufgenommene Aussage vor dem Polizeikommissariat (ADp Lübben, Packen 120 Mainzer Stadtarchiv 11/59), die hier als Ersatz mitgeteilt werden soll: „Er heiße Joh. Philipp Heddesdorf, 26 Jahre alt und ledig, sei vormals in dahiesigen militärischen Diensten beim Hatzfeldischen Regimente als Lieutenant gestanden, habe aber ohngefähr schon vor 1 Jahr seine Demission beim Militär freiwillig genommen, habe hierauf eine Plaisirreise nach Brüssel vorgenommen, woselbst er ohngefähr 5 oder 6 Monate privatisiert, von seinem eignen Ver-

3. Februar 1793

659

mögen gelebt; und von da nach einer kleinen Reise,.um die dortigen Lagen zu sehen, nach Trier, Koblenz und wieder hieher gereist. Seit dieser Zeit sei er nicht mehr von hier hinweggereist und habe bis hieher von eignen Mitteln gelebt. Bei dem Einzüge der Franken in hiesige Stadt sei er vor der Stadt in dem Hause des Manching [Mangin] gewesen und habe in dem nämlidien Hause, wo er noch logiere, ohngefähr 4 Tage nach der Franken Einzug sein eignes altes Logis bezogen. Hierauf sei er ohngefähr 10 Wochen lang an einer Krankheit bettlägerig gewesen, sei also die ganze Zeit über nicht vor die Stadt gekommen. Da er übrigens selbst hier in keinem verdächtigen Umgang steht, sondern ihm jedermann das Zeugnis eines rechtschaffenen Mannes würde geben müssen, so gewärtige er, daß man ihn auch von Polizei wegen für einen solchen halten werde, bis irgendeiner das Gegenteil würde erprobet haben." h Zu dem Streit Hatzfeld-Müller, der Anfang 1792 audi öffentlich ausgetragen wurde, vgl. Henking, Müller, S. 296 ff. ' Die Gräfin von Coudenhoven war eine geborene Hatzfeld und auch mit dem Mainzer Kurfürsten verwandt, an dessen Hof sie eine bevorzugte Stellung einnahm. Der Kopenhagener Kirchenhistoriker Münter, den eine Bildungsreise im Sommer 1791 auch nach Mainz geführt hatte, bezeichnete sie als die Mätresse des Kurfürsten, der nur seinen Nepoten traue, „der Hatzfeldischen Familie, die arm ist und das Land aussaugt. Besonders ist die Frau von Guttenhofen, die allgemein verhaßt ist, mächtig bei ihm." An anderer Stelle heißt es im Zusammenhang mit den kurfürstlichen Finanzen: „Frau von Guttenhofen hat viel gefressen. Als sie herkam, hatte sie nur zinnerne Löffel und Leuchter. Nun sieht's besser aus." (AndreasenMathy, Münters Reise, S. 66, 69)

Protokoll der Sitzung vom [Sonntag,] 3. Februar11793 Praeside

Cotta1

§ 1 7 4 D a s Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen, und über die Ablesung des Protokolls in französischer Sprache bemerkte ein Mitglied, d i e Ablesung des Protokolls diene dazu, um die Richtigkeit der Abfassung zu beurteilen; da nun die deutschen Brüder das Protokoll als richtig angenommen, so sei das Urteil der französischen Brüder überflüssig. D e m Vorsprecher bemerkte man, d a ß die Ablesung einmal statutenmäßig sei, es müsse daher abgelesen werden. b D i e Ablesung wurde unterstützt und angenommen. D i e neuen Mitglieder wurden verlesen, und die aufgenommnen leisteten den Schwur. § 1 7 5 Bruder Bömesritter offerierte sich, zur Handhabung guter Ordnung einen Monat lang den Eingang der Mitglieder zu besorgen - die Gesellschaft beschloß, seines rühmlichen Anerbietens Meldung im Protokoll zu tun. § 1 7 6 D a s Protokoll des ökonomieausschuss [es] wurde verlesen, und bei Ablesung der vielen Brüder, die im vorigen Monat keinen Beitrag zu den monatlichen Kosten der Gesellschaft geleistet, bemerkte man, daß die Gesellschaft monatlich 70 fl. ständige Ausgaben habe, jetzt folgten noch Kor1

42*

Fälschlich „ J ä n n e r " ; von anderer Hand verbessert.

660

4. Februar 1793

respondenz-Schreibmaterialien und andre nicht ständige Ausgaben, und man2 zeigte, daß die Gesellschaft nicht bestehen könne, wenn die Brüder nicht ordentlicher ihren Beitrag leisten würden. 0 § 177 Ein Frankenbruder verlangte, ein Schreiben vom Br[uder] Koch außer der Ordnung abzulesen; der Präsident verwies den Vorsprecher3 zur Ordnung, und auf sein und mehrerer Frankenbrüder wiederholtes Verlangen wurde immer die Tagesordnung vorgeschlagen. Ein Mitglied schlug vor, künftighin sonn- und feiertags ganz deutsche Sitzungen zu halten, und verlangte, das C[omite] d'instruction solle hierüber weitern Bericht abstatten, auch hierüber die Bürger Commissaires des N[ational]-C[onvents] zu benachrichtigen. - Ohne das Wort zu verlangen und ohne dasselbe zu erhalten, sprachen 6 - 8 - 1 0 F [ranken] brüder auf einmal.4 Der Präsident setzte daher5 den Hut auf und ersuchte die Brüder, zu schweigen - und nach dreimaliger fruchtloser Wiederholung hatte der Präsident die Sitzung geschlossen.11 a

Das Protokoll III kennzeichnet hier exakt die stellvertretende Funktion Cottas: „Präsident: Cotta k l'absence du citoyen Metternich." b Der Streit um die Verlesung der französischen Fassung des Protokolls spiegelt die erwarteten Schwierigkeiten wider, auf die schon in der Diskussion hingewiesen worden war - vgl. Protokoll om 24. 1. 93 SS 112, 113 - , als die französischen Klubmitglieder ihre separaten Sitzungen aufgaben und die Wiederaufnahme der gemeinsamen Sitzungen verlangten. Vgl. auch unten § 177, Anm. d. c Vgl. dazu die Berichterstattung über die Beitragszahlung für den Mon^t Dezember im Protokoll vom 3. 1. 93 S 6, Anm. h. Vgl. Protokoll vom 28. 1. 93 § 142, Anm. f. c Vgl. Protokoll vom 27. 1. 93 § 133. d Vgl. Protokoll vom 7. 2. 93 § 197; außerdem vom 28. 1. § 142 und vom 29. 1. 93 § 152, Anm. g. e Die geforderten Zusätze bezogen sich auf das erstgenannte Schreiben und waren, wie das Protokoll III bezeugt, offensichtlich keineswegs nebensächlicher Art. Es heißt dort:

Es war 1) ein Brief an die Nat[ional]-Conv[ention] nach Paris in französischer Sprache. - Ein Mitglied zeigte, daß dieser Brief nicht deutlich genug die Empfindungen der Gesellschaft ausdrücke etc., und verlangt, daß diese Adresse anders (t) ausgefertigt werde. - Ein Mitglied erwiderte dem Vorsprecher, daß er diesen Brief nicht recht müsse verstanden haben, indem darin die Empfindungen eines freien Mannes ganz deutlich und lebhaft ausgedrückt seien. - Der Präsident zeigte alsdann, daß der Zweck dieses Briefs ganz verfehlt sei, indem er die Zufriedenheit und den Dank unserer Gesellschaft hätte enthalten sollen, welche die Gesellschaft über die Hinrichtung Ludwig Capets, des größten Verräters, bezeigte, und trägt darauf an, daß diese Adresse anders (t) gemacht würde. - Die Gesellschaft beschloß, daß das Comité de correspondance diesen Brief anders abfasse. f Bei dem in diesem Zusammenhang erwähnten Comité der Ökonomie handelt es sich offensichtlich um einen Irrtum, der dem Schreiber unterlief, denn wie auch aus dem sehr ausführlichen Protokoll III hervorgeht, gab es nur die Alternative Comité de correspondance oder Comité d'instruction :

Es bemerkte ein Mitglied, daß, da die Sache eine öffentliche Meinung beträfe, so gehöre die Adresse platterdingen an das Comité d'instruction. Unterstützt. - Ein Mitglied sprach dagegen und behauptete, es sei eine bloße Anzeige, gehöre also an das Comité de correspondance. Auch unterstützt. - Ein Mitglied bemerkte, 6 7

Ursprüngl. : „diese müßten". Ursprüngl. geschickter ausgedrückt: „Die Übersetzung in das Französische wird in nächster Sitzung abgelesen werden."

698

10. Februar 1793

daß das Comité de correspondance um so mehr verbunden sei, diese Adresse auszufertigen, da die ganze Gesellschaft ihm solche aufgetragen. - Ein Mitglied machte die Motion, daß er ganz zufrieden sei, daß man dem Comité d'instruction die Ausfertigung dieser Adresse überlasse, nur möge man auch in selbiger die Ursachen der Beschuldigungen der Vorgesetzten des hiesigen Seminars anzeigen. - Dagegen sprach ein Mitglied, daß diese Bemerkung ganz unnötig sei, da sich dies doch gewiß schon von selbst verstünde. - Da nun die vorgehenden Motionen wegen Fertigung der Adresse alle unterstützt waren, so wurden sie zur Stimmung gebracht, und die Gesellschaft beschloß, daß das Comité d'instruction die gemeld [e]te Adresse fertigen sollte. 8 Herzog Karl II. floh am 9. 2. 93 gerade noch rechtzeitig aus seinem Karlsberger Schloß nach Mannheim, bevor die französische Patrouille eintraf, die ihn ausheben wollte. Eine im Moniteur, Nr 79 vom 2 0 . 3 . 9 3 (Bd XV, S. 737), gebrachte Mannheimer Meldung vom 4. März schilderte diese Ereignisse in allen Einzelheiten. Die im Protokoll HI festgehaltene Mitteilung über die Ereignisse in Zweibrücken lautet anders und greift der Entwicklung entschieden vor:

Ein Mitglied zeigte an, daß die Zweibrücker Bürger die Konstitution angenommen und ihre eigene Nationalgarde errichtete [n]. Tatsächlich wurde in der Stadt Zweibrücken erst am 11. Februar ein Freiheitsbaum errichtet, am 22. Februar das Konventsdekret vom 15. 12. 92 verkündet und am 28. Februar die erste Urversammlung durchgeführt. h

Die Proklamation war zu dieser Zeit noch nicht veröffentlicht; vgl. Protokoll vom 12. 2. 93 S 220, Anm. c. Das Protokoll III nennt die Gründe für die beantragte Verschiebung mit größerer Ausführlichkeit:

Ein Mitglied bemerkte, die Ursachen, warum er gegen die Verlesung dieser Proklamation gesprochen, seien, weil sie üble Sensationen bei unsern Bürgern machen würde und weil er sich vorgenommen habe, vor der Publikation derselben erst selbst noch hierüber mit Bürger General Custine zu besprechen. Möglicherweise mochte dabei auch der Gesichtspunkt eine Rolle spielen, auf den die Hoffmannsche Darstellung, S. 597, die Aufmerksamkeit lenkte: „Für die Einwohner der Stadt Mainz mußte diese Proklamation um so auffallender sein, um da mehr, da die angeordnete Munizipalität durch ihre wahrhaft bürgerfreundliche Bemühung ein Frucht- und Mehlmagazin angelegt hatte, dessen eigentlicher Wert sich auf 38 646 Gulden belief und welches, weil die reicheren Bürger sich schon selbst(en) für eine lange Zeit vorgesehn hatten, einzig und allein für die Ärmere[n] bestimmt war und der sich von Tag zu Tag ereignete Abgang durch neue Ankäufe ersetzet wurde, so daß man vergewissert sein konnte, daß am Tage, wo die Stadt durch teutsche Truppen geschlossen würde, dieser nämliche Vorrat sich noch vorfinden würde." '

Die Proklamation, die als selbständiger Druck erschien, findet sich als Beilage Nr 54 in Hoffmann, Darstellung, S. 617-624, und hat folgenden Wortlaut:

Im Hauptquartier zu Mainz, zweiten Jahr der Republik den 10. Februar 1793, im Wir halten es für unsere Pflicht, allen Einwohnern der Stadt Mainz zu erklären, daß wir durch die großen Zurüstungen unserer Feinde genötiget sind, die Festung Mainz in Belagerungszustand zu setzen und aus dem Umfange ihrer Mauern und

10. Februar 1793

699

Festungswerke(r)n alle Gebäude, welche ihrer Verteidigung nachteilig werden könnten, wegzuschaffen. Nicht daß wir dächten, die Feinde würden jemals die ihnen von einem schon so oft betrogenen Stolze eingegebenen Drohungen in Erfüllung bringen, sondern weil eine lange Erfahrung uns überzeugt hat, daß das sicherste Mittel, all seinen Feinden zu widerstehen, ja, selbst ihnen jede Unternehmung zu verleiden, dieses ist; ihnen durch seine Vorkehrungen zu beweisen, daß man alle ihre Anschläge vorausgesehen hat und daß man Anstalten gemacht hätte, sie zu vereitlen. Die beiden mächtigsten Monarchen von Teutschland hatten sich miteinander verbunden; versichert, uns ohne Verteidigung zu finden, verbreiteten [sie] sich im Jahr 1792 über unsere Grenzen hin. Sie verwüsteten unsere Felder, sie zerstörten unsere Herden, unsere Ernten, unsere Wohnungen und überhäuften uns mit Drohungen, den gewöhnlichen Waffen der Despoten. Aber weit entfernt, dadurch Schrecken zu verbreiten, bewürkten sie nichts weiter als Verachtung bei einer großen Nation, die sich lieber unter ihren Ruinen begraben als jemals ihre Ketten zurückgeben läßt. Sie sind zurückgetrieben von unsern Grenzen, aber haben sie wohl jemals den Gedanken, die Staatsklugheit gehabt, diesem Kriege ein Ziel setzen zu wollen, einen Vorschlag zum Frieden zu tun? Nein! sie haben es darauf abgesehen, die Rechte der Menschheit zu zerstören und die Nation, welche zuerst den Mut hatte, sie zu verkündigen, in das äußere Elend zu stürzen. Die Nationalkonvention, der provisorische Vollziehungsrat, die Generäle der Republik kannten zu gut die Grundsätze unserer Feinde, um nicht zu wissen, daß das einzige Mittel, die Plane des Krieges von uns zu entfernen, darin bestehe, die Despoten, welche ihn hervorbrachten, weit von unsern Grenzen zurückzutreiben. Aber diesen Entschluß bestärkte noch ein neuer Grund, dieser nämlich, mit den sogenannten Untertanen der benachbarten Reichsstände die Früchte jener Freiheit zu teilen, welche sie einst mit uns in der süßen Ruhe eines festgegründeten Friedens genießen werden. Noch, liebe Mitbürger! von Mainz, Kassel und Landau, nötiget mich, um diesen so glücklichen Zweck zu erreichen, die Vorsichtigkeitsregel, euch anzukündigen, daß ihr am nächstkommenden 15. April mit Getreide auf sieben Monate versehen sein, wenigstens hinlängliche Versicherung haben müßt, daß eure städtischen Magazine und eure Bäcker euch sieben Monate lang ohne fremde Zufuhr mit Mehl und Brot versehen können. Den Einwohnern dieser Festungen, welche bis dahin sich nicht gehörig versehen oder sich nicht die nötige Versicherung verschafft haben, muß ich anzeigen, daß sie die genannten Plätze(n) mit andern, weniger vom Feinde bedroheten Wohnsitze [n] verwechseln müssen. Dieses ist die letzte Maßregel, welche die neuen Bemühungen unserer Feinde von meiner Klugheit erheischen. Statt daß diese Feinde durch einen aufrichtigen Frieden den Anblick so vieler unvermeidlichen Kriegsübel (n) euch hätten ersparen sollen, kündigt die Vereinigung so vieler Fürsten und Könige unserm Weltteile den furchtbarsten Stoß an, nur der einzige Kurfürst von der Pfalz scheint noch einigen Schein von Neutralität beibehalten zu wollen. Möchte der Ewige, welcher die Herzen der Könige lenkt,

700

10. Februar 1793

zu euerm Glücke das seinige von jenem Schwindelgeiste bewahren, welcher heutigestages ihre Anschläge zu leiten scheint! Möchtet ihr selbst, Brüder der frei gewordenen Franken, geliebte Pfälzer, euch vor all den Schlingen hüten, die euch von nachgeordneten Agenten gelegt werden, deren eigennütziger Wunsch ist, das Reich des Despotismus, welchen sie über euch ausübten, zu verewigen. Mit Vergnügen kündige ich euch an, daß die Stellvertreter des neufränkischen Volkes, allezeit gerecht gegen die Nation, die Scheine fordern, welche man euch für alle Arten von Lieferungen und für Fuhren gegeben hat, daß diese Scheine vergütet werden sollen, wenn sie zuvor von dem Commissaire-Ordonnateur zu Mainz werden unterschrieben sein, und daß ein genaues Verzeichnis derselben an die Nationalkonvention geschickt werden soll. Noch verkündige ich euch, daß künftig die Fuhren und Lebensmittel(n) sogleich bezahlt werden sollen. Ich verkündige dem Volke zu Mainz, zu Kassel, zu Worms, Speyer und den umliegenden Gegenden, daß ihr Interesse der fränkischen Nation so teuer ist als das Interesse der Pfälzer; daß folglich die Besitzungen und Felder, welche die Franken sich genötiget sehen zu zerstören, ebenfalls bezahlt werden sollen bis dahin, wo die Früchte(n) der Ländereien ihren rechtmäßigen Besitzern, verstehet sich, daß dieselbe[n] nicht ausgewandert sind, wieder zustatten kommen. Wie angenehm ist es nicht für einen Bürger, durch den ein großes Volk seinen Willen erklärt, indem er genötiget wird, in Euren Gegenden einen durch die Wut unserer Feinde erregten Krieg fortzusetzen, euch wenigstens ankündigen zu können, daß er die Schrecken desselben mildern wird. Möchten die Soldaten der Despoten, dieser Menschen, welche ihre Größe darin suchen, die Erde zu verwüsten, und deren Triumphe keinen andern Zweck haben, als die Freiheit der Völker zu unterdrücken; möchten diese Soldaten, sage ich, ihren Regenten ankündigen, daß sie, verblendet durch den Stolz der sie umgebenden Adligen, ihrem törichten Ehrgeize das wahre Glück ihrer Völker, dieser friedlichen Handwerker und Bauern, oder jener Menschen aufopfern, welche dadurch, daß sie den Handel unter den Staaten blühend machen, die stärkste Stütze derselben sind, und daß wirklich die Zeit gekommen ist, wo man der Ungerechtigkeit entsagen muß, wenn man fernerhin auf ihren Dienst zählen will. Als General eines freien und mächtigen Volkes fürchte ich nichts von all jenen eiteln Bemühungen unserer Feinde, ich kenne die Vorzüge unserer Lage, und der Ewige, der allezeit gerecht war in der Sache der Völker gegen die Könige, der diejenigen schlug, die einer großen Nation den Untergang geschworen hatten, wird meine schwachen Bemühungen segnen und mir Mittel an die Hand geben, unsern Feinden die stärksten Streiche gerade in dem Augenblicke zu versetzen, wo sie sich dem Siege am nächsten glauben; selbst die Bemühungen der größten Köpfe wird er vereiteln, sobald sie den unedeln Zweck haben, das Reich der Sklaverei zu erhalten. Dies war fast allezeit ihr Schicksal bei Bündnissen, und gab es je ein gottloseres als das gegen die Freiheit einer großen Nation? Ich habe alles versucht, um der Weisheit den Sieg zu verschaffen. Unermüdet habe ich durch Schriften die Finsternisse zu zerstreuen gesucht, welche die Ratgeber der

701

10. Februar 1793

Könige umhüllen. In der festen Überzeugung, daß meine Handlungen bewiesen, kein Plan von Ehrgeiz habe mich jemals geleitet, wiederhole ich hier jene Sprache, die ich schon seit dem 26. August 1791 öffentlich geführet habe. - Meine Seele ist rein, und mit heitrer Stirne werde ich dem Augenblicke entgegensehen, der meine Laufbahne beschließen wird. Ich kündigte es damals meinen Kollegen in der konstituierenden Nationalversammlung an und wiederhole es heute: Man kann die Franken besiegen, aber um ihnen die errungene Freiheit wieder zu nehmen, muß man sie aus dem Range der Völker vertilgen, ihre Ländereien mit Ruinen bedecken, ihre Weiber und Fluren in Ungeheuer, mit Staub und Asche bedeckte Wüsten verwandeln. Sie haben keinen andern Zweck als das Glück und die Ruhe der Völker. Was mich anbetrifft, liebe Mitbürger! so werde ich mein Leben endigen, ohne die Empfindungen der Furcht zu kennen, und ins Grab steigen ohne Vorwürfe meines Gewissens. Mit solchen Gesinnungen erwartet nun ruhig alle Ereignisse, und meine Heiterkeit wächst noch durch den Anblick der braven Mitstreiter, die mich umgeben, wenn ich an das Vertrauen denke, welches sie in mich setzen und das nichts in der Welt mir entreißen soll. Unterzeichnet Custine dem Original entsprechend Georg Wilhelm Böhmer i

Vgl. Protokoll vom 7. 2. 93 § 198, Anm. m. Das Protokoll III ergänzt die Inhaltsangabe der Rede durch die Mitteilung, daß sie auch „die Art seines Tod[e]s, sein Leichenbegängnis und den Nutzen, der aus dem Tode dieses Freiheitsmärtyrers fließe", behandelt habe. Die Hoffmannsche Darstellung, S. 598, behauptet: „Die ganze Feierlichkeit bestand in der türkischen Musik, die nebst zwei Trauerstücken mehrmalen den Marseillanermarsch und das beliebte Ça ira spielte, und in dem Absingen einiger Freiheitslieder, •[...]" Offensichtlich war Metternich nicht der einzige, der an diesem Tage für Lepeletier eine Gedenkansprache hielt; es liegen Teile einer Rede vor, die der Offizier des 1. Freiwilligenbataillons vom Niederrhein, Vincent, auf dieser Klubsitzung gehalten und dem Pariser Konvent übersandt hatte, der - wie ein Marginale des Sekretärs aussagt - die ehrenvolle Erwähnung dieser Tatsache im Bulletin verfügte. Die dem Konvent übersandten Aufzeichnungen (AN Paris, C 250, Nr 407, Stück 16) haben folgenden Wortlaut:

La Société des Amis de la Liberté et de l'Égalité à Mayence, pour honneurs funèbres à la mémoire de Lepeletier, a dans sa séance du 10 février fait chanter avec accompagnement l'hymne à la liberté. Fragments du discours tenu dans cette séance par Vincent, Jacobin unitaire de Strasbourg, officier au 1 er b[ataill]on de v[olontai]res du dép[artemen]t du BasRhin. Sous l'inquisition politique nul n'aurait pu s'occuper de la mémoire d'un défunt, s'il n'eut été membre d'une belle académie ou au moins de la secte en possession du privilège de la chère, et nul n'aurait pu prétendre à des honneurs publics après le trépas, si par une vie tissue de bassesses il [n'eut] encensé les trônes de l'oppression. Sous le règne de l'égalité il en est autrement: Le plébéien peut faire retentir

702

10. Februar 1793

la voix panégyrique, la simple vérité anime seule ses accents, la vertu est son seul héros, le bien de la patrie et de l'humanité entière est sa seule récompense. L'événement qui nous rassemble en ce lieu est de ceux qui doivent faire époque dans l'histoire de 18 e siècle Lepeletier, quoique né dans les ci-devant prérogatives, ne fut point ébloui par ce talisman du hazard. Homme privé, il fut probe et cher à ses concitoyens; homme public et siégeant dans l'ancienne magistrature, il fut recommendable par ses lumières, son équité, et par une opposition soutenue aux entreprises du vieux gouvernement de quatre-vingt-huit. Représentant du peuple, il en fut constamment l'ami, le défenseur; mais c'est surtout dans le dernier période de son existence politique qu'il montra une stoicité digne des plus beaux jours de Rome. Appelé à prononcer sur le sort de ce dernier roi de la France, qui de tous les crimes, de tous les parjures a donné un exemple, il eut l'âme de le condamner hautement. A peine sorti du sanctuaire de la représentation nationale, un ci-devant garde du despote, armé d'un fer liberticide, l'aborde et lui demande audàcieusement, s'il est vrai qu'il ait voté pour la mort. Oui, répond Lepeletier, j'ai voté pour la mort, ma conscience me l'imposait - et soudain le janissaire du traitre condamné lui perce le flanc Q u e Cassius, pour délivrer son pays, aille de son propre mouvement poignarder le tyran, c'est un acte de vertu! Lepeletier serait-il moins vertueux en frappant le tyran du glaive de la loi? Q u e Brutus, appelé à juger un de ses proches, prévenu de trahison contre la liberté, oublie les liens du sang et le condamne, c'est un acte de vertu! Lepeletier, serait-il moins vertueux en condamnant le chef de cette superbe noblesse dont il avait été membre lui-même? Mais il y a cette différence entre Brutus et Lepeletier: que celui-là n'a point eu à braver le défi de confirmer son arrêt sous le bras levé d'un assassin menaçant. Ainsi donc les plus dignes Romains cèdent à Lepeletier le premier rang dans l'admiration des peuples Républicains, gardez de verser des larmes sur la tombe de votre concitoyen, s'il eût péri en lâche, c'est dans ce cas que vous auriez sujet d'être affligés. Mais mort héroiquement, mort pour sa patrie et la liberté il vous donne l'exemple de ne contempler que les dangers de la patrie et de la liberté. L a patrie! L a liberté! Quiconque ne sent ses entrailles émues, alors que ces mots sacrés viennent vibrer à ses oreilles, n'est qu'un serpent dans le corps social ! Q u e des peuples, encore sous le joug sacerdotal, encensent la bière d'un prélat par des jérémiades, c'est être conséquent; mais un peuple régénéré qui veut honorer la mémoire d'un juge intègre de la tyrannie, ne le fait dignement qu'en chantant l'hymne à la liberté Mayençais, c'est pour nous une satisfaction indicible de nous trouver confondus parmi vous. Soyez dès ce moment irrévocablement convaincus, que la liberté n'est pas l é bien d'une seule nation, qu'il appartient à toutes, qu'il est de tous les lieux comme il aurait dû être de tous les temps, que Lepeletier n'est pas mort seulement pour la cause de sa patrie, mais qu'en mourant pour la liberté, il est mort pour la

12. Febtuar 1793

703

cause de tout le genre humain, pour la vôtre! Désormais quand nous marcherons à l'ennemi, c'est par Lepeletier que nous jurerons la victoire ou la mort! Puisse son nom vous servir de ralliement! Puisse son nom vous apprendre à condamner, à combattre les tyrans I ! Vincent

Protokoll der Sitzung vom [Dienstag,] 12. Februar 1793, im 2.J[ahr] d[er] F[ranken]r[epublik] Praeside Metternich § 219 Das Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen.» Die neuen Mitglieder wurden verlesenb, und die aufgenom[me]nen leisteten den Schwur.1 Die Commissaires für die Eingänge wurden bestimmt. § 220 Ein Mitglied bemerkte, daß gestern eine Proklamation, § 2162, abgelesen worden sei, ohne daß sie von irgendeiner Gewalt proklamiert sei;c er verlange, daß in Zukunft derlei Vorlesungen von der Gesellschaft nicht angehört würden. Unterstützt und angenommen. § 221 Ein Mitglied verlas hierauf einen Auszug aus einem Schreiben, darin gesagt wird, daß die Despotie unsers ehmaligen alten Kurfürsten noch wirke, er habe nämlich im Hanauischen eine Jagd veranstaltet. Hiezu habe er die Schweine aus dem Spessart frondweis bringen lassen und den König von Preußen zu dieser Freudenjagd eingeladen. - Der Freund machte hierüber in seinem Schreiben sehr3 patriotische Bemerkungen und sagte, daß er mitten unter den Aristokraten ça ira singe4. § 222 Der Präsident lud die Brüder ein, die Unterschriften zu den Dankadressen einzuliefern, um so mehr da man dieselbe [n] bald abzuschicken gesonnen sei.d § 223 Ein Mitglied verlas hiernach die übersetzte5 Rede von P. C. Corbeau, Artilleriehauptmann, in der Kirche zu Neubreisach bei Gelegenheit des Tedeum gehalten, welches wegen der Abschaffung der Königswürde am 5. Oktober 1792, im 1. Jahr der F [ranken] r[epublik] gesungen wurdet Darin wurde von den ältesten Zeiten her gezeigt, daß Könige und Regenten immer das Unglück der Völker6 veranlasset, daß diese die Menschen zu Werkzeugen und7 Schlachtopfern ihrer8 Willkür gemacht haben, daß, da Üppigkeit und Ausgelassenheit9 den Verfall der schönsten Republiken nach 1 2 3 4 5 6 7 s 9

Danach gestrichen: „für". „§ 216" zugefügt. „In seinem Schreiben sehr" ergänzt. „und sagte . . . singe" am Rande zugefügt. „übersetzte" zugefügt. „Völker" zugefügt. Es folgt die Streichung: ,,Marsch-Sol[daten]". Geändert statt: „nach". „und Ausgelassenheit" zugefügt.

704

§224

§225

§226 §227

12. Februar 1793

sich gezogen, wie durch10 tugendhafte und eingezogene Lebensart die ewige Dauer unserer Republik erhalten wollten. Ein Mitglied zeigte an, daß sich die B[ürger] Commissaires des Nfational]-C[onvents] wegen der allgemeinen Klage über Unreinlichkeit der Stadt sich mit G[eneral] Custine besprochen hätten und daß da sei festgesetzt worden, noch diese Woche sollen die Straßen gereinigt werdend Ein Mitglied verlas die Rede über den Tod des ermordeten Lepeletier in französischer Sprächet Ein Mitglied erinnerte hiebei, daß Pâris, der feige Mörder, sich gleich nach der Ausführung dieser schändlichen Tat mit einer Pistol erschossen habe.h Die Statuten der G[esellschaft] der F[reunde] der Konstitution zu Straßburg wurden verlesen', allein man bemerkte nach Ablesung etlicher Paragraphen, daß diese von den unserigen weit verschieden seien. Man verlangte daher, daß die unserigen Statuten zuerst sollten gefertigt und abgelesen sein, ehe und bevor man diese hören wolle. Man erinnerte, daß das Comité d'instruction11, welches unsere Statuten auszuliefern hätte, ganz auseinandergetreten, mithin dieselbe[n]12 so. bald nicht zu erwarten wären. Die Gesellschaft beschloß, zuerst die, Statuten unserer13 Gesellschaft und hierauf jene der Straßburger zu hören. Die Sitzung wurde hierauf mit Absingung des Marseiller Marsches geschlossen.

a

Protokoll III betont, daß die Verlesung „teutsch und französisch" erfolgte. Das Protokoll dieses Tages vermerkt nur die Zugänge, nicht aber die Abgänge, die weiterhin erfolgten; an diesem 12. Februar ließ sidi beispielsweise Meisenzahl aus dem Register streichen. (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 506) c Die Zeitangabe „gestern" ist irrig und muß richtig „vorgestern" heißen. Im Protokoll III ist die Aussage eingeschränkter gefaßt: „[. ..] bevor sie von Bürger General Custine ratifiziert und dann publiziert sei". d Es handelte sich offensichtlich um die nach Paris und nach Weißenburg bestimmten Schreiben, die Dank und Anerkennung für die Verurteilung Capets bzw. fUr die Geschenksendung an die Truppen aussprachen; vgl. Protokoll vom 10. 2. 93 §§ 211, 212, Anm. b, c, e. « Vgl. dazu Protokoll vom 7. 2. 93 § 200, Anm. r. I Die Klage über die zunehmende Unreinlichkeit der Stadt war allgemein. Am 1. Februar lag der Munizipalität ein von Megele unterzeichnetes Gutachten der medizinischen Fakultät vor, die sich als consilium sanitatis betrachtete und unmittelbare Seuchengefahr signalisierte; (ADp Lübben, Packen 116 - Mainzer Stadtarchiv 11/36, Tom. XVII). Den Grad der Verschmutzung der Stadt schilderten Simon und Grégoire in ihrem ersten großen Bericht sehr eindringlich: «Toute la ville de Mayence était si malpropre, qu'elle ressemblait à un marais, et les immondices répandues partout en plaine rue et même dans l'intérieur des maisons la faisaient prendre pour un grand cloaque. Ce qui révoltait d'autant plus les habitants, qu'ils étaient en général très accoutumés à un degré de propreté qui faisait leur délice. La malpropreté était au point, que des médecins nous faisaient des représentations pour prévenir à l'approche du printemps

b

10 II 12 13

„durch" zugefügt. „d'instruction" zugefügt. ,,dieselbe[n]" zugefügt. Geändert statt: ..der".

12. Februar 1793

705

une épidémie.» (AN Paris, F i e 40: Brief an den Conseil exécutif vom 20. 2.93) Die herkömmlichen Methoden reichten einfach nicht mehr zu: Früher hatten die Bauern der Umgebung den Unrat unentgeltlich abtransportiert, um ihn als Dung zu verwenden; der mit der Anwesenheit der Truppen sehr viel größere Anfall an Pferdemist machte für die Bauern zunächst den anderen Unrat uninteressant, bis die zunehmende Gefahr, mit ihren leer ankommenden Fahrzeugen vom Militär für andere Fuhren requiriert zu werden, jegliches Interesse an solchen Transporten erlöschen ließ. Die immer wiederkehrenden Ermahnungen von seiten der Munizipalität und der Administration - siehe dazu auch Scheel, Unbekannte Zeugnisse, S. 57 f., S. 67 - dokumentierten nur das Unvermögen dieser Organe, mit diesem Problem fertigzuwerden. Entgegen der Mitteilung im Klub, wonach die Konventskommissäre die Initiative ergriffen hätten, bezeichneten es Simon und Grégoire als ihre Leistung, die notwendigen Maßnahmen zur Reinigung der Stadt eingeleitet zu haben: «Pour gagner le public, nous nous sommes empressés à remplir le vœu général, c'est-à-dire à pourvoir à la propreté de la ville de Mayence. Nous avons eu le bonheur de concerter un plan entre le général et la municipalité provisoire pour parvenir à ce but. Le général fit sur nos remonstrances une proclamation pour le militaire, et la municipalité fit règlement de police. Cependant, pour faire nettoyer la ville, il lui fallait la somme de mille écus, que la caisse militaire lui a avencée sur notre réquisition à titre de prêt, et que la municipalité élue par le peuple pourra rembourser en faisant une imposition sur tous les propriétaires des maisons. Maintenant la ville est parfaitement propre, et les habitants nous en savent beaucoup de gré.» (AN Paris, F 1 e 40: Brief an den Conseil exécutif vom 20. 2. 93) Erst im Ergebnis der genannten Besprechung konnte die Munizipalität eine vom 11. Februar datierte Verordnung erlassen, die vom MI, Nr 15 vom 20. 2. 93, S. 89 f., veröffentlicht wurde und der zunehmenden Seuchengefahr mit einiger Aussicht auf Erfolg zu Leibe zu gehen versprach. Entscheidend war der 8. und letzte Punkt der Verordnung, der die aktive Beteiligung des Militärs und die notwendigen Gelder sicherte: „Da endlich 8) das starke dahier einquartierte Militär bekanntlich itzt die Unreinigkeit der Straßen größtenteils veranlasset, so wird auch dieses zur Beförderung der so nötigen Reinlichkeit der Stadt das Seinige mitwirken. Und ist zu dessen Behufe vermöge ergangener Ordre des Bürgers General en chef Custine das Militär wirklich befehliget und angewiesen, auch seinerseits besonders an den Häusern, in welchen, starke Einquartierungen sind, vor ihren Türen wie die übrigen Stadteinwohner täglich zu kehren und die Straßen bestens zu reinigen, sofort die Ecken, Winkel und Seiten der Straßen besser, als bisher nicht geschehen, sauber zu halten, auch eine mehrere Reinigkeit in den von ihm bewohnten Häusern selbst zu beobachten. Schließlich ist auch mit Genehmigung des gedachten Bürgers Generals en chef zur unaufhaltlidien Vollführung dieser so gemeinnützlich- und notwendigen Arbeit und zur Bestreitung der desfallsigen Kosten ein Geldvorschuß von 3000 Livres aus der fränkischen Kriegskasse an die Polizeikasse der Munizipalität unter Einstimmung des Gemeinderats zugesichert worden. Mainz, den 11. Februar 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik J. B. Reussing, Munizipal-Sekretär" s Vgl. Protokoll vom 10. 2. 93 5 218. < ' Über den Selbstmord des ehemaligen königlichen Leibgardisten C. Paris hatte bereits die MNZ, Nr 16 vom 7. 2. 93, berichtet. Der Mörder Lepeletiers hatte sich keineswegs sogleich nach der Tat, sondern erst bei seiner Entdeckung in Forges-les-Eaux, einige Tagesreisen nordwestlich der Hauptstadt, erschossen. ' Laut Protokoll III waren es nicht nur die Straßburger Statuten, sondern auch die der „Pariser Jakobinergesellschaft". 45

Schccl,

Protokolle

706

14. Februar 1793

Protokoll der Sitzung vom [Donnerstag,] 14. Februar 1793, im 2. Jahr der F[ranken]republik Praeside Metternich § 228 Das Protokoll der letzten Sitzung wurde deutsch und französisch abgelesen und die Commissaires für die Eingänge bestimmt, ß 228a] Ein Mitglied zeigte an wegen dem Brief des letzt abgewiesenen Frauenzimmers etc.a § 229 Bei der Korrespondenz wurde 1. ein Schreiben von der Gesellschaft zu Bo(u)rd[e]aux an das NationalC[onvent] verlesen, darin dem N[ational]-C[onvent] wegen der Hinrichtung des Verräter[s] Ludwig Capet(s) Glück gewünscht1 und unsere Gesellschaft zu gleicher2 Handlung aufgefordert wird. Man bemerkte hierauf, daß bereits unsere Gesellschaft das nämliche beschlossen und der Korrespondenzausschuß3 die Adresse abzufassen hat.b 2. Ein Schreiben vom Kantonierungsbataillon zu Hochheim enthielt auf die Beschuldigung und Anklage des G[enerals] Custine(s) das Anstehen und Verlangen eines Martialgerichts über die Verhandlung des Bürger [s]1 G[eneral] Custine(s).c 3. berichtete ein Mitglied der Gesellschaft, daß beim Kommandanten zu Nackenheim seit 3 Wochen bis fünfthalbhundert Deserteurs angekommen seien, deren Aussagten] dahin übereingekommen, daß auf ihrer Seite Mangel aller Art von Lebensmittel [n] sei. 4. wurde aus dem Bulletin vom 6. Februar a[nni] c[urrentis] das Schreiben der holländischen Patrioten an das N[ational]-C[onvent] verlesen, darin das Dekret vom 1. Hornung belobt und die gute Gesinnung der Holländer, um teil an den großen Maßregeln zu nehmen5, gezeigt wird.d § 230 Der Commissaire der Galerie verlangte das Wort zur Ordnung und zeigte dabei an, daß sich ein Mensch in einer Loge befinde, der, anstatt sich zur Ordnung verweisen zu lassen, ihn insultiert und mit Schlägen gedrohet hätte; er ersuche den Präsidenten und die Gesellschaft um Unterstützung. Der Mensch verlangte zur Ungebühr das Wort, allein der Präsident wollte ihn zur Ruhe verweisen, und als er sein schlechtes Betragen zu weit trieb und andre Brüder6 gleiche Auftritte in vorherigen Sitzungen7 mit ebendemselben gehabt zu haben anzeigten, so beschloß die Gesellschaft, ihn durch 1

Ursprüngl.: „gewünscht wird". Es folgt eine unleserliche Streichung. 3 „ausschuß" ergänzt. 4 Geändert statt ursprüngl.: „. . . Kantonierungsbataillon von Hochheim enthielt Vota, Anklage am N[ational]-C[onvent] und die Verlangung eines Martialgerichts über den B ü r g e r . . . " 5 „zu nehmen" zugefügt. 6 Es folgt eine unleserliche Streichung. ' „in vorherigen Sitzungen" am Rande ergänzt. 2

14. Februar 1 7 9 3

707

eine Patrouille der Munizipalität zu übergeben, und zwei Mitglieder gingen mit, um die Anklage zu bewerkstelligen.' Die Tagesordnung wurde hierüber8 verlangt, unterstützt und angenommen. § 231 Die neuen Mitglieder wurden verlesen, und die angenom[me]nen leisteten den Schwur. E[ins] der neuen Mitglieder zeigte sein Vergnügen, grad zu der Zeit aufzuschwören, da viele austräten, er sei schon lange Republikaner und habe schon lang seine Ruhe und Vermögen der Freiheit und dem allgemeinen Wohl aufgeopfert und würde seinem Vorhaben immer treu bleiben. § 232 Ein Mitglied verlangte, da wegen den vielen Sitzungen die Glieder der Comités alle ihre Zeit diesen Geschäften aufopfern müßten und doch manche Gegenstände ohnverrichtet blieben, die Gesellschaft solle daher wöchentlich nur drei Sitzungen halten. Man bemerkte hiebei, daß ohnehin sonntags von der Gesellschaft des9 Liebhabertheaters Komödien gespielt würde [n] und daher große10 Unordnung entstehen müßte1, man solle daher den Sonntag aussetzen. Die Gesellschaft ajournierte diesen Gegenstand auf die nächste Sitzung.11 § 233 Ein Mitglied verlas die Rede des Bruder [s] Mündi(s) zum zweiten Male«, - und hierauf wurde die Sitzung mit Absingung des Marseiller Marsches geschlossen. Dieser Punkt ist aus einem anderen, fragmentarischen Protokoll dieser Sitzung vom 14. Februar

a

übernommen, das aus irgendwelchen Gründen unter die Justizprotokolle der Mainzer Regierungsakten geriet (StA Würzburg, M R A V Klubisten, N r 4, fol. 3 ) und so auf uns gekommen ist. Wahrscheinlich war es Forster, der über die Angelegenheit Fiebig referierte, wie er sie am gleichen Tage vor der Munizipalität vertreten hatte. Das Munizipalitätsprotokoll

vom

14. 2. 9 3 (Mainzer Stadtarchiv 1 1 / 3 , S. 3 2 8 f.) sagt darüber folgendes aus: „Die Abreise der Bürgerin Fiebigin betr. übergibt Administrationsrat Bürger Forster Vorstellung mit dem Ersuchen, der verwittibten Frau Professorin Fiebig den erforderlichen Reisepaß eher nicht zu erteilen, als bis sie über die Ablieferung der in beigehendem, in Copia mitgeteiltem Verzeichnis erhaltene Bücher legitimiert haben wird. Conclusum: Dem Paßcomite zuzustellen." b Vgl. Protokoll vom 28. 1. § 142, vom 10. 2. § § 2 1 1 , 2 1 2 , Anm. e und vom 12. 2. 9 3 § 2 2 2 . Das in Anm. a genannte Protokoll gibt eine etwas abweichende Darstellung dieses Punktes; es heißt dort:

Ein Mitglied verlas einen Brief von den Brüdern zu Bordeaux, worin dieselbe [n] die gerechte Hinrichtung des Verräter[s] Ludwig Capet(s) melden; sie bezeigen' darin der Nationalkonvention ihre Zufriedenheit. Ein Mitglied begehrt, man solle ein ähnliches Schreiben an die Nationalkonvention nach Paris schreiben. Dem Vorsprechenden wurde bemerkt, daß dies bereits schon geschähe. Ein Mitglied 8 9 10 11

45»

„hierüber" zugefügt. „Gesellschaft des" ergänzt. Im Manuskript steht - vermutl. irrtümlich - „große" doppelt. Ursprüngl. folgte nach einem Gedankenstrich der letzte Satz des Protokolls: „und h i e r a u f . . . geschlossen". Ein Fehlzeichen an dieser Stelle verweist auf die vor dem Gedankenstrich einzuschiebende Ergänzung am Rande: „§ 2 3 3 Ein . . . Male".

708

14. Februar 1793

begehrt, daß man an die Brüder zu Bordeaux ein Schreiben schicke, ihnen für ihre Nachricht danke und einen beständigen Briefwechsel mit ihnen wünschte. Dies zu besorgen wurde dem Comité de correspondance übergeben. c

D a s oben in Anm. a genannte Protokoll gibt eine klarere Darstellung des Inhalts

dieses

Punktes; es heißt dort:

E s wurde ein Schreiben verlesen von den Frankensoldaten, die bei der Affaire zu Hochheim gewesen; es geht an die National]konv[ention] nach Paris, worin dieselbe[n] zeigen, daß die Sache sich ganz anders verhalte, als sie General Custine darstellt, und begehren ein Martialgericht. Es

handelt

sich

um Vorfälle im

Zusammenhang

mit

dem

Gefecht

bei Hochheim

vom

6. J a n u a r ; vgl. dazu Protokoll vom 6. 1. 93 § 2 2 , Anm. g. Custine nahm in einem vom 5. Februar datierten Befehl Stellung, der von dem Volksfreund, N r 19 vom 12. 2. 93, S. 78 f., veröffentlicht wurde, von der Kriegszudit im allgemeinen handelte und im besonderen ausfährte: „ E s werden Briefe unter der Armee verbreitet und gedruckt, welche die strenge Unparteilichkeit des Hauptgenerals beschuldigen und ihm eine ihm ganz fremde Sprache in den Mund legen. Allen Kriegern in der Armee ist er die Abstellung eines jeden ihnen hartfallenden Anlasses zu Klagen schuldig. A m sechsten des vorigen Monats erfuhr er durcl^ ein öffentliches Gerücht, die Soldaten des 37. Regiments klagten: Heut bat man uns nicht angeführt, wie man sollte. E r erkundigte sich nach der Veranlassung dieser K l a g e bei demjenigen, der ihm Rechenschaft darüber schuldig war. Noch jetzt glaubt der General, diese Rechenschaft darüber so empfangen zu haben, wie sie sein sollte, und seine Gründe stehen in dem Briefe, den er deshalb an den Minister geschrieben hat. Diesem Bericht zufolge hat er behauptet, daß der Bürger Laferrière nicht seine Schuldigkeit getan habe; hingegen hat er die Soldaten dieser Brigade nicht beschuldigt; er weiß es nur zu wohl, daß der fränkische Krieger, wenn er gut angeführt wird, allemal den Gefahren trotzt. D e r Hauptgeneral hat also seiner Pflicht ein Genüge geleistet, indem er über diese Sache Untersuchungen hat anstellen lassen, ohne auf diese sich einen Einfluß zu erlauben. D e r Bürger Laferrière hat einen Kriegsrat verlangt; der General war hierin seinen Wünschen zuvorgekommen. Den Offizieren des 48. Regiments mußte er hingegen sagen, daß sie wenig Achtung gegen das Gesetz bezeigt hätten, indem sie ihm einen von allen Offizieren ihres Bataillons unterzeichneten Brief überreichten ; er mußte hinzusetzen, daß er sie nicht anhören könne, und dasselbe kann er ihnen nur nochmals wiederholen. Klagen sie darüber, so wird er dem von der Nation gewählten Tribunal sagen: Ich achte das Gesetz und erkenne dessen despotisches Ansehen, welches über alle Menschen herrschen muß und welches ich über alle diejenigen geltend machen will, deren Oberbefehl mir anvertraut ist. D a s ist mein Glaubensbekenntnis, das ich allen mir untergeordneten Soldaten bekanntmache. An euch müssen sie sich nicht wenden, wenn sie über mich angeblich zu klagen haben. Glaubte ich, daß eine meiner Handlungen einem Bürger, der als Krieger unter meinem Befehl steht, zu nah treten könnte: idi beginge sie nicht. Glaubt er, daß ihm Genugtuung zukomme, so wende er sich an das Tribunal, das zwischen ihm und mir richten muß. Dies ist der rechtmäßige, der einzige Weg, den er einschlagen darf. Ich kenne und achte nur das Gesetz. D e r Hauptgeneral Custine D e r Gencraladjutant des Details Chadelas" ^

D a s in der Konventssitzung vom 6. Februar verlesene Schreiben der holländischen Patrioten wurde im Moniteur, N r 38 vom 7. 2. 93, Bd X V , S. 371 f., mitgeteilt und hatte folgenden Wortlaut:

14. Februar 1793

709

«Législateurs, les patriotes bataves peuvent donc enfin espérer de voir bientôt la liberté, depuis si longtemps opprimée, revivre dans leur patrie I Le décret, digne de vous, rendu dans la mémorable séance du 1 e r février, va décider à jamais du sort de l'Europe; c'est un combat à mort contre tous les despotes; il fixera votre place au premier rang des bienfaiteurs de l'humanité. Représentants du peuple français, nous venons, au nom de nos concitoyens, applaudir, adhérer et concourir, autant qu'il est à nous, à la grande mesure qu'une sublime énergie vous a dictée. Non, vous ne vous trompez pas, en séparant la cause des peuples d'avec celle des tyrans qui les oppriment. Votre décret a déclaré la guerre au stathouder, c'est-à-dire à celui qui, de tout temps, s'est montré contrairf aux intérêts de la nation française; qui, dans la guerre d'Amérique, a mis en jeu toutes les intrigues pour faire échouer les vues généreuses de la France; qui a rendu inutile l'alliance conclue entre elle et notre république; enfin, qui n'a épargné aucun moyen de montrer sa haine contre les Français, depuis le moment où ils ont recouvré leur liberté. C'est avec justice que votre décret établit cette distinction entre Guillaume de Nassau, ses adhérents et la saine partie de la nation batave, amie de la liberté et de l'égalité, parmi laquelle nous nous faisons gloire de nous compter. Cette distinction équitable fait l'essence même de votre décret; elle est pour nous le gage non-seulement de notre confiance, mais aussi de notre gratitude nationale. Législateurs, depuis cinq ans nous soupirons après cet heureux moment; repoussés depuis si longtemps par tous les genres d'aristocratie, l'heure est enfin arrivée, où nous pouvons nous montrer dignes de suivre vos traces, où nous pouvons espérer qu'aucune intrigue de nos ennemis ne pourra prévaloir contre la volonté nationale. Encore quelques jours, et le soleil luira sur un peuple de plusl Encorç quelques semaines, et les bouches du Rhin seront libres comme celles du Rhône! Citoyens représentants, le despotisme est abattu en France; dans les autres contrées sa chute se prépare; les peuples indignés s'élèvent de toutes parts contre ses dominateurs insolents qui avaient su se partager la terre. C'est à vous, c'est aux Français qu'est dû le grand exemple qui affranchit les hommes. Parlerions-nous, législateurs, des avantages que la délivrance de notre patrie, rendue à son indépendance nationale, va procurer à votre cause, je me trompe, à la cause générale des peuples? Nos flottes, notre numéraire, nos magasins, nos soldats, nos matelots, voilà, voilà de quoi assurer par la suite vos succès; voilà de quoi porter le désespoir au sein de ce ministère britannique, odieux, insultant, qui vous joue et qui nous asservit depuis tant d'années, mais qui doit frémir aujourd'hui aux approches de sa chute inévitable. Parlerions-nous de nos principes? Citoyens législateurs, il ne peut plus exister de division, de séparation à cet égard. La liberté, l'égalité, voilà les divinités que la raison offre aux humains; ce sont les vôtres; ce sont les nôtres, ce seront bientôt celles du monde entier. Législateurs, si quelques nuances ont paru diviser les patriotes de notre pays, si quelque diversité de sentiments a pu être aperçue parmi eux, tout est évanoui; tous ces nuages sont dissipés. La grande mesure que vous avez décrétée, l'intérêt commun et sacré de la patrie, les vastes lumières qui, depuis le glorieux événement du 10 août, éclairent la face de l'Europe, ont réuni parmi nous tous les esprits. II n'est plus qu'un seul objet, qu'un seul sentiment, qu'un seul cri, c'est la chute du despotisme, c'est la triomphe de la sainte égalité; nous protestons ici avec vous que le bonheur des hommes tient à ces principes irréfragables, que tout doit disparaître devant cette éternelle vérité. Nous rejetons de notre sein, nous prononçons anathème contre tout ce qui pourrait désormais s'en écarter, et les Bataves régénérés, se glorifiant de descendre des gueux du XVI e siècle, se montreront dignes de marcher sous la bannière des droits de l'homme avec les sans-culottes de Valmy et de Jemappes. Législateurs, il est des renseignements de la plus haute importance, utiles pour le succès de

710

15. Februar 1793

la guerre que vous avez décrétée; la prudence ne permet pas que nous les donnions publiquement, nous demandons à les communiquer à vos comités. Nous déposons sur le bureau cette adresse.» * Vgl. Protokoll vom 15. 2. 93 § 243. f Die im MI, Nr 14 vom 16. 2. 93, S. 82, veröffentlichte Anzeige bestätigte, daß die Bemühungen um ein republikanisches Liebhabertheater - vgl. Protokoll vom 7. 1. § 37, Anm. k und vom 20. 1. 93 5 96, Anm. j - von Erfolg gekrönt waren. Die Anzeige lautete: „Künftigen Sonntag, den 17. dieses [Monats], wird die Liebhabergesellschaft die Ehre haben, zum ersten Male auf dem hiesigen Theater aufzuführen: Der schwarze Mann von Gatter; den Beschluß macht: Der Magnetismus. Der Eintrittspreis ist für eine Loge zu 4 Personen ein französischer Taler, auf der Galerie 40 Kreuzer, auf dem Parterre 24 Kreuzer, auf dem dritten Range 16 Kreuzer, auf dem letzten Range 8 Kreuzer. Die Einnahme ist nach Abzug der Kosten für die Armen und wird jeden Monat abgegeben werden. Die Billetts sind beim Eingänge zu haben." Wie der Regierungskanzlist Hoffmann in zwei von Heimes in Frankfurt durchgeführten Vernehmungen am 29. 4. bzw. 15. 5. 93 zu Protokoll gab (StA Würbzurg, MRA V Klubisten, Nr 332, fol. 2-15), wäre ihm von Krach die Einrichtung des Liebhabertheaters aufgedrängt worden; er rechnete es sich als Verdienst an, daß auf dem Komödienzettel von keinem National-Bürger-Theater, sondern von einer Liebhabergesellschaft die Rede war, daß man Stücke wie „Der schwarze Mann" und „Der Magnetismus" statt „Die Despoten auf dem Land", „Die Aristokraten in Deutschland" oder „Der Aristokrat in der Klemme" einstudiert habe. Als Akteure auf der Bühne nannte Hoffmann, der selbst auch spielte, den Dichter Müller, Theyer, Krach, Wolf, die drei Stieftöchter des Lebkuchenbäckers Gaul und die Tochter des Schneidermeisters Münch. Siehe audi Steiner, Theater, S. 140 ff. 8 Vgl. Protokoll vom 4. 2. 93 S 190, Anm. k.

Das Protokoll der Sitzung vom [Freitag,] 15. Februar 1793, im 2. Jahr der Frankenrepublik § 234 D a s Protokoll der letzten Sitzung wurde deutsch und französisch verlesen, und ein Mitglied zeigte der Gesellschaft eine Urkunde zur Berichtigung des letzten Protokolls vor, vermöge welcher der Störer der guten Ordnung, nachdem er auf der Munizipalität seine Exzesse (n) eingestanden 1 , die Gesellschaft um Verzeihung bittet und mit seiner Handesunterschrift Greck bescheiniget." § 235 Bei dieser Unordnung verlangte ein Mitglied, daß in Zukunft die Commissaires aus eigner Autorität befugt seien, im Namen der Gesellschaft ohne alle Anzeige die Ruhestörer 2 arretieren zu lassen und nach dem Akt nur responsabel bliebe[n]. Unterstützt und angenommen. § 236 D i e Commissaires für die Eingänge wurden bestimmt, und darauf folgten die Ablesungen der Ausschußprotokolle(n), vermöge welcher im W[ohl1 2

„nachdem . . . eingestanden" am Rande ergänzt statt der ursprüngl. Fassung: „der Störer der guten Ordnung die Gesellschaft für seine Exzesse(n) um Verzeihung bittet." „die Ruhestörer" am Rande ergänzt.

711

15. Februar 1793

tätigkeits]ausschuß für ein verhindertes Mitglied ein andres vorgeschlagen wurde, und der Korrespondenzausschuß verlangte ein Gleiches. - Ad 1. wurde Vilneuf [Villeneuve] und ad 2. Jaquin unterstützt und angenommen. § 237 Darauf wurde ein Schreiben vom Bruder Münch zu Wöllstein verlesen3, er verlangt, daß die Gesellschaft] seine Beobachtungen in dasiger Gegend hören solle, und bemerkt, daß auch da, wo das patriotische Gefühl über den Aristokratismus das Übergewicht hat, es noch heimliche und offenbare Feinde der Frankenkonstitution gäbe. So seien zu Flo(h)nheim und U f f hofen die besten Gesinnungen, allein Pfaffen von beiderlei Religionen, Beamte und deren Diener und Schmeichler unterdruckten teils durch persönliches Ansehen, teils durch Vorspiegelungen, teils durch Erweckung der Furcht alle Äußerungen des Patriotismus und Freiheitsliebe.b Herr Rat Fola sei insbesondre ein starker Antagonist der Freiheit.' Dieser habe die Früchte, um die Flo(h)nheim und Uf[f]hofen notdringlichst angestanden, an einen Juden verkauft, und da die Gemeinde beim B[ürgerJ Gjeneral] Custine um die noch wenigen übrige [n] angestanden, auch diese bewilligt erhalten hatten, so stellte der Rat Fola vor, wie daß er hierüber seine gnädige Herrschaft begrüßen müsse - als wenn auch G[eneral] Custines Wort unter seiner g[nädigen] Herrschaft stünde; so müsse die immerwährende Vorschützung des herrschaftlichen Willens notwendigerweis [e] Furcht und Zurückhaltung erzeugen.4 § 238 Die Proklamationen, welche die Commissaires zum Anschlagen hergegeben, habe er verboten anzuschlagen. Bruder Münch wünscht, daß dieser fürchterliche Aristokrat durch nötige Maßregeln zurechtgewiesen und so der guten Sache der Weg geräumt würde. Die Gemeinde U f f h o f e n habe eine Unterschrift veranstaltet, welche die Aufschrift hatte: Verzeichnis derjenigen, welche es mit der Gemeinde halten. Man siehet hieraus, wie sie der alten Verfassung müde sind, jedoch aus Furcht sich nicht getrauen, gradaus die fränkische zu benamsen.2 Verlangt demnach Commissaires, welche durch ihr Ansehen das Ansehen der gefährlichen Obrigkeiten unterdrücken müßten, hiedurch könnte allein der Patriotismus in unserm Vaterlande erweckt werden. Gleichfalls solle man zur Rettung der Menschheit in die falkensteinischen, nassauweilbergischen, rheingräflichen Ortschaften eilen, um auch da keine Gelegenheit zu versäumen, welche dem Heile der Völker 6 so günstig ist. d Am Fastnachtsdienstag pflanzten die Neubamberger mit vieler Solennität einen Freiheitsbaum, wobei der dasige Schultheiß, ein sehr rechtschaffner Mann, eine sehr erbauliche Rede hielt.e 3 4 5 6

Ursprüngl.: „ . . . e i n Schreiben verlesen E s folgt die Streichung: „so habe er das Geändert statt: „jedoch aus Furcht nicht „ V ö l k e r " statt des gestrichenen „Mensch

vom B r u d e r . . . " ; im Manuskript: „Welschstein". Commissorium". gradaus die fränkische benamsen". [heit]".

712

15. Februar 1793

§ 239 Die Gesellschaft beschloß 1. einen Auszug des Btudet Münchs Schreiben den B[ürgern] Commissarien der Vollziehenden Gewalt zu geben,{ 2. den Ortsschultheißen um seine Rede zu ersuchen. § 240 Ein Mitglied bemerkte hiebei, daß bei Kreuznach drei Ortschaft[en], die aus 600 Mann bestünden, nichts Sehnlicheres wünschten, einmal von ihrem Joche befreiet zu sein.« Man fügte hinzu, daß zu Flo(h)nheim eine ziemliche Anzahl Männer sich verschworen hätten, alle(n) ihre(n) Kräfte (n) aufzubieten, um die Constitution der Franken zu erhalten.h §241 Ein Mitglied zeigte ein Schreiben vom B[ürger] Clermont, in dessen Gemäßheit er zu Sa[a]rlouis verleumdet worden, daß man von ihm aristokratische Schreiben (von ihm) verlesen hatte. D a nun die Gesellschaft von dessen Unwahrheit überzeugt sei, so wollte er sich hierüber ein Zeugnisschreiben ausbitten und zeigte hiebei ein gleiches Zeugnis vom B[ürger] Gfeneral] Custine vor. Die Gesellschaft beschloß dessen Ausfertigung vom Secrétaire mit der Unterschrift des Präsidenten im Namen der Gesellschaft. § 242 Verschiedene Mitglieder verlangten, aus der Gesellschaft ausgestrichen zu sein.' §243 2 f l . 26 kr. zur Unterstützung der Waffenbrüder wurden vom B [rüder] Stenner aufs Bureau gegeben mit der Erklärung, daß er dieselbe [n] von patriotischen Landleuten erhalten habe. § 244 Ein Mitglied verlangte, eine Proklamation gegen die Reichsachtserklärung abzulesen; worauf man erinnerte, daß bereits ein Schluß d[er] Gesellschaft] obwalte, in dessen Gemäßheit noch nicht promulgierte Proklamationen nicht sollten abgelesen werden, § 220 7 . Und man schritt zur Tagesordnung, um so mehr, da dieselbe Proklamation ohnehin in jedermanns Hände käme und wir nur die Zeit verderben würden.' § 245 Ein Mitglied machte hierauf die Motion, in Zukunft wöchentlich nur drei Sitzungen zu halten; hiedurch würden die Comités in Stand gesetzt, gehörig wirken zu können, indem sonst(en) die Brüder der Comités alle ihre Zeit für die Ge[sell]sch[a]ft verwenden müßten, ohne doch alles verrichten zu können. Die Gesellschaft debattierte hierüber, und nachdem man in Erwägung gezogen, daß Sonntag Komödien gespielt würden, mithin bei diesen Sitzungen manche Unordnung eintreten könnte(n), so hat die Gesellschaft beschlossen, in Zukunft wöchentlich dreimal, und zwar dienstags, Donnerstag und samstags, Sitzung zu halten.k § 246 Ein Mitglied lud hierauf die Brüder zur Komödie ein mit der Hoffnung, daß sich die Brüder um so häufiger einfinden würden, da die Einnahme größtenteils für die Armut bestimmt sei.k § 247 Ein Mitglied verlas eine Abhandlung: Was für Folgen kann die Leistung oder Nichtleistung des Bürgereides für die Mainzer haben? Sie ist zu lesen im XIV. Stück des Bürgerfreunds.1 Darin wird gezeigt, daß der so schwört, 7

Im Manuskript: „pag. 2 2 0 " .

15. Februar 1793

713

sich zu der unbezweifeltesten Wahrheit b ennt, d a ß er ein Mitglied des Staats, ein ruhiger und gesetzliebender Bürger sein w o l l e ; und wer ihn zu schwören sich weigert, der hört auf, Bürger zu sein, muß also aj^ Fremder oder gradezu als Feind des Landes angesehen werden. D a s letzte ist Kriegsgesetz. § 248 D i e Sitzung wurde mit Absingung des Marseiller Marsches geschlossen. » Vgl. Protokoll vom 14. 2. 93 § 230. Die Orte Flonheim und Uffhofen gehörten neben zehn anderen Dörfern, die in vier voneinander getrennten Landfetzen nicht weit von Wöllstein lagen, den Wild- und Rheingrafen. c Ein anderes, fragmentarisches Protokoll dieser Sitzung vom 15. Februar, das aus irgendwelchen Gründen unter die Justizprotokolle der Mainzer Regierungsakten geriet und so auf uns gekommen ist (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 4, fol. 3) spricht von dem „Beamten zu Flonheim Rat Vola". Es handelt sich um den salm-kyrburgischen Sekretär und Amtmann in Flonheim Christoph Vola. d Die Grafschaft Falkenstein war kaiserlich und bestand aus einem Dutzend Landsplittern, einer davon in unmittelbarer Nähe von Wöllstein; der ansehnlichste Teil der Grafsdiaft lag am Donnersberg mit dem Hauptort Winnweiler. Der Fürst von Nassau-Weilburg vereinte unter seiner Herrschaft im Linksrheinischen das kleine, eine gute Stunde von Wöllstein entfernte Amt Alsenz und ein größeres geschlossenes Gebiet am Donnersberg mit dem Hauptort Kirchheim-Bolanden und einigen zwanzig Dörfern; zusammen zählte die Bevölkerung knappe 6000 Einwohner. Zu den Wild- und Rheingrafen vgl. oben Anm. b.

b

e

Neubamberg war kurmainzisch. Der Schultheiß hatte sich bereits bei der Mitte Dezember von der Administration eingeleiteten Abstimmungskampagne - vgl. Protokoll vom 21. 12. 92 Punkt [3], Anm. a und vom 4. 1. 93 §§ 13, 14 - sehr aufgeschlossen gezeigt. Die tabellarische Übersicht, die sich auf die von den Abstimmungskommissaren in den einzelnen Orten aufgenommenen Protokolle stützt, vermerkt bei Neubamberg : „Die [ . . . ] Bürger Kommissärs bemerken, daß der größte Teil der Einwohner abwesend gewesen; daß der Schulze sie nach Weihnaditen versammeln und ihre Stimmen sammeln wollte, worüber sie ein von den Ortsvorständen unterzeichnetes Zeugnis beilegen." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 208, fol. 5)

1

Das oben in Anm. c genannte Protokoll bringt eine Erweiterung des Beschlusses : Motion: daß dies an die Commissaire der exekutiven G e w a l t in einem Auszuge gemeldet und auch an das Comité de surveillance unserer Gesellschaft gegeben werde.

g In dem oben in Anm. c genannten Protokoll wird eine erweiterte Fassung dieser Mitteilung geboten : Ein Mitglied zeigt an, d a ß drei pfälzische Ortschaften in der Gegend von Kreuznach sehr wünschten, die fränkische Konstitution anzunehmen, und daß ein Bürger von einem Orte ihm gesagt, er habe 500 Gulden von der fränkischen Nation für Lieferungen zu fordern, und diese wolle er gerne vor ein patriotisches Geschenk hingeben, wenn sie nur frei würden. "> Vgl. § 237 oben. 1

Das oben in Anm. c genannte Protokoll enthält die hier fehlende Mitteilung: Es wurde ein Mitglied zur Annahme verlesen.

'

Vgl. Protokoll vom 4 2 93 § 184, Anm f, g. Diese „Proklamation der fränkischen Natio-

714

15. Februar 1793

nalkommissarien der vollstreckenden Gewalt für die Inwohner der Gegenden zwischen Landau, der Mosel und dem Rheine, das sogenannte kaiserliche Mandatum avocatorium vom 19. Dezember 1792 betreffend" wurde erst am 17. Februar offiziell herausgegeben, so daß ihre Verlesung dem Beschluß des Klubs vom 12. 2. 93 § 220 widersprochen hätte. Sie lag jedoch schon am 15. Februar fertig vor, denn Simon und Grégoire schickten sie noch am gleichen Tage nach Paris, wobei sie nicht versäumten, an das von ihnen angeregte entsprechende Konventsdekret zu erinnern, als dessen Vorläufer sie die eigene Verlautbarung betraditeten: «Nous profitons du courrier du général pour Vous faire parvenir un exemplaire en allemand de la proclamation que nous avons faite relativement au mandat impérial de la cour de Vienne. La traduction française n'est pas tout à fait achevée. Elle suivra aveç le premier courrier. Nous attendons avec impatience le décret de la Convention qui garantit l'indemnité des citoyens étrangers qui se trouvent au service de la République.» (AN Paris, F 1 e 40: Brief an den Conseil exécutif vom 15. 2. 93) Der Volksfreund, Nr 21 vom 17. 2. 93, S. 84 f., brachte die Proklamation als bloße Mainzer Meldung vom 17. Februar. Den authentischen Wortlaut liefert das einem späteren Schreiben Simons und Grégoires beigelegte Exemplar; (AN Paris, F 1 e 40: Brief an den Conseil exécutif vom 20. 2. 93). Die ebenfalls mitgeschickte französische Übersetzung stammte aus Forsters Feder und war, wie Simon dem Außenminister schrieb, zur Veröffentlichung in Pariser Blättern gedacht: «La traduction en a été faite par Forster. Il compte sur la publication de cette pièce et serait peiné de se voir détrompé dans son attente. Il se flatte même que Vous voudrez en faire lecture à la Convention.» (AN Paris, F 1 e 40: Brief an Le Brun-Tondu vom 9. 3. 93) Es folgt die Proklamation, deren Wortlaut zwar auch in Hoffmann, Darstellung, S. 624-629, als Beilage Nr 55 veröffentlicht ist, aber wegen der darin enthaltenen Abweichungen nach der von Simon und Grégoire nach Paris geschickten Fassung wiedergegeben wird: „Mainz, den 17. Hornung 1793, im zweiten Jahre des fränkischen Freistaates Lange haben wir das sogenannte kaiserliche Mandatum avocatorium oder den Abberufungsbefehl vom 19. Dezember 1792, der in einigen deutschen öffentlichen Blättern erschienen, für unecht angesehen, weil es die unverschämtesten Verleumdungen gegen die freie fränkische Nation und die kindischsten Drohungen gegen diejenigen Deutsdigeborenen enthält, welche in die Dienste des fränkischen Freistaates getreten. Wir sind aber genötigt, diese lächerliche Geburt der sterbenden Despoterei als echte Ware anzusehen, und glauben, den schwachen und schüchternen Bürgern zu Liebe, die bisher in fränkische Dienste getreten oder in diese Dienste noch zu treten wünschten, eine einstweilige Erklärung im Namen der freien fränkischen Nation geben zu müssen. Es ist nämlich weltkündig, wie die meisten deutschen Fürsten mit den französischen Auswürflingen Plane geschmiedet, wodurch sie die Freiheit in Frankreich in ihrer ersten Geburt ersticken wollten. Es ist bekannt, daß sie {ohne von der fränkischen Nation [gereizt zu sein], die bloß allein frei sein, d.h. das erste von Gott eingepflanzte Menschen- und Naturrecht ausüben wollte) nach greulichen Manifesten mit Sklavenhorden in das fränkische Gebiet eingefallen und alles mit Feuer und Schwert verwüstet haben. Sie haben die Fackel an die Wohnungen unschuldiger Landleute gelegt und wimmernde Mütter zurückgehalten, die ihre brennenden Kinder aus den Flammen retten wollten. Sie haben sich an der Verzweiflung solcher Mütter gelabt. Sie haben alle Menschen- und Völkerrechte mit Füßen getreten und wie blutdürstige Tiger auf dem fränkischen Gebiete gewütet. Was taten die Franken? Sie trieben die Ungeheuer von ihrem Grund und Boden, sie verfolgten ihre sie angreifenden Feinde, sie kamen ihren Nachbaren zu Hülfe, die, des Joches ihrer Despoten

715

15. Februar 1793

müde, ihre Fesseln abschütteln und wie die Franken freie Menschen sein wollten. Wie könnten die Franken ein Menschen- und Völkerrecht verletzen, sie, die allein für Menschen- und Völkerrecht Hab und Gut, Leib und Leben aufopfern? Die Franken entschädigen diejenigen Privatpersonen, deren Eigentum zu den nötigen Verteidigungsanstalten notwendig verletzt werden muß. Sie seufzen über das Ungemach, das von dem Kriege, wozu sie ihre Feinde gezwungen haben, unzertrennlich ist. Die ganze Menschheit wird daher die Franken segnen, die sich für Menschen- und Völkerrecht aufopfern, und nur die Despoten, die ihre letzten Kräfte aufbieten, um dieselben von dem Erdboden zu vertilgen, werden deswegen auf ewig gebrandmarkt dastehen und die unausbleiblichen Folgen früh oder spät einernten, die sie sich von der beleidigten Menschheit selbst zugezogen haben. Wenn die in dem erwähnten Mandat der fränkischen Nation gemachten Aufbürdungen dreiste Unwahrheiten sind, so sind alle die darin enthaltenen Drohungen von der äußersten Lächerlichkeit: denn wenn deutschgeborene Männer, in deren Adern altdeutsches, nach Freiheit ringendes Blut rollt, der deutschen Despoterei müde, lieber einem freien Volke dienen wollen, welche menschliche Macht hat das Recht, sie davon abzuhalten? - Wollen deutsche Despoten die Güter solcher Bürger, die in dem noch unterdrückten Deutschlande liegen, einziehen, so hat die fränkische Nation Mittel in Händen, sie reichlich darüber zu entschädigen: denn mehrere deutsche Fürsten haben in dem ehemaligen Elsaß und Lothringen für einige hundert Millionen liegendes Vermögen, das eingezogen und zur Entschädigung der bedrückten Neufranken verwendet werden kann. Wir haben deswegen an die Repräsentanten des. fränkischen Volkes geschrieben und von ihnen eine feierliche Erklärung im Namen der Nation begehrt, wodurch die deutschgeborenen Bürger, die fränkische Dienste genommen, vollkommen beruhigt werden müssen. Es wird diesen Bürgern gedroht, ihren ehrlichen Namen zu brandmarken! - als wenn es für einen freien Mann nicht die größte Ehre wäre, von den Despoten und ihren Knechten gehaßt und verfolgt zu werden. Man droht mit Verlust des Wappens und der Privilegien! - als ob ein freier Mann auf alberne Wappensfirlefanzereien den mindesten Wert legen könnte und nicht selbst auf alle Privilegien oder ausschließenden Rechte Verzicht täte, weil er wünscht, daß jeder seiner Mitmenschen die nämlichen Rechte zur Glückseligkeit mit ihm teilen möchte und daß nur bloßes wahres und persönliches Verdienst Vorzug haben sollte. Aber man droht sogar mit dem Tode!! Hier erklären wir im Namen des Generals Custine, daß er - wenn unsere Feinde ihre Unmenschlichkeit so weit treiben sollten, irgendeinen Deutschgeborenen, der in fränkische Dienste getreten, gegen alles Kriegsredbt des Lebens zu berauben - dagegen auf der Stelle zwei östreichische oder andere Offiziere, die unsere Kriegsgefangenen sind, würde aufhängen lassen. Dann wird all das unschuldig vergossene Blut um so mehr Rache gen Himmel schreien, und die ganze Menschheit, welche die Despoten unterjochen und nach ihrer Laune mißbrauchen wollen, wird sich nur desto mehr gegen sie empören. Einige haben sich in diesen Gegenden gefürchtet, eine Volksstelle indessen anzunehmen: darüber antworten wir in einer andern Proklamation, die sich auf die bevorstehenden Volkswahlen bezieht und worin wir den Bürgern zwischen Landau, der Mosel und dem Rheine darstellen, was sie von der fränkischen Nation zu hoffen und zu fürchten haben, wobei sie selbst wählen und entscheiden müssen. Unterzeichnet: Die Kommissarien der vollstreckenden Gewalt der Frankenrepublik Simon Gregoire Friedrich Lehne Sekretär der Kommission"

716

15. Februar 1793

Bereits vor dieser offiziellen Proklamation war als Beilage zum MI, N r 14 vom 16. 2. 93, verbreitet worden ein „Unterricht für diejenigen Bürger, die vielleicht durch die jüngsthin erschienene Reichsachtserklärung erschröckt worden sind. Mainz, den 16. Hornung 1793"; sein Text lautete: „Man weiß, daß die Franken, wohin sie kommen, ihre Grundsätze von Freiheit und Gleichheit mitbringen; sie wurden daher durch die Übergabe der Stadt und Festung Mainz berechtiget, die nämlichen Grundsätze audi den hiesigen Einwohnern zu predigen; diese hingegen erhielten auf gleiche Weise die gesetzmäßige Erlaubnis, solche artzuhören und sich nach dem Willen ihrer Eroberer zu schmiegen. Liebe Mitbürger I nach dieser Übergabe habt ihr aufgehört, kurfürstliche und Reichsuntertanen zu sein; euch trifft deswegen die jüngsthin von Kaiser und Reidi erlassene Achtserklärung nicht. Auch ihr von den Franken angestellten Räte, Munizipalitäten und sonstigen Beamte[n] habt nach Anleitung der gesunden Vernunft, des Natur- und Völkerrechts diese Achtserklärung nicht zu fürchten, und zwar um so weniger, als ihr nicht den Franken, sondern eurem Vaterlande dienet. Liebe Mainzerl verbindet euch mit den Franken; denn, wenn ihr euch diese nicht zu Freunden macht, so seid ihr allenthalben von Feinden umrungen; oder sind das vielleicht eure Freunde, die euch so lange durch Hunger und Kummer, durch Bomben und glühende Kuglen ängstigen und abmerglen wollen, bis ihr von den Franken herausgegeben werdet? Wenn jene eure Freunde wären, so würden sie aus Liebe zu euch von der bekannten Kriegsregel diesmal abweichen, nach der es erlaubt sein solle, seinen Feind zu verfolgen, wo man ihn antrifft; hat man euch nicht den Franzosen ganz mutwillig preisgegeben? Fühlt ihr die Drohungen der Franken nicht, die keine anderen als freie Menschen in ihre Freundschaft aufnehmen? Wenn jene, die sich eure Freunde nennen und nächstens kommen wollen, um euch, wie sie vorgeben, aus den Händen der Franken zu erlösen, nur das mindeste Gefühl von Menschlichkeit, will nicht sagen von Freundschaft und Liebe gegen euch in ihrem Busen hätten: so würden sie euch auffordern, eure Beschwerde gegen die vorige Verfassung vorzubringen und die Mittel vorzuschlagen, wie euer Schicksal gebessert werden könnte; sie würden eingedenk sein, daß ihr schon hart genug die Drangsale(n) eines unglücklichen Krieges empfindet, daß alles Kommerz, alles Gewerb, aller Verdienst aufhöre, daß Wälder und Obstbäume weit umher zusammengehauen, die Felder aus Mangel des Viehes der Verwüstung nahe und einige tausend arme Leute, die sich nicht mit Lebensmitteln auf 7 Monate versehen können, in Gefahr seien, aus der Stadt gejagt und dem größten Elend überlassen zu werden. Sie würden daran denken, daß die einzige Schuld dieses erschröcklichen Unglücks ganz allein auf ihnen hafte und daß die Reihe an ihnen sei, nachzugeben, wenn sie nicht eure Mörder werden wollen. Die Franken, welche Sieger sind, gehen gewiß nicht aus Mainz, ehe der härteste Schlag geschlagen ist, ein Schlag, der euch, liebe Mitbürger I weit empfindlicher treffen wird als die Franken selbst, wenn diese auch, welches die gerechte Sache nicht zugibt, unglücklich sein sollten. Gute Mainzer! warum zögert ihr, zu schwören, daß ihr dem Grundsatz der Freiheit und Gleichheit wenigstens insolang treu bleiben wollt, als ihr unter der Gewalt und unter dem Schutz der Franken steht? Darf nicht ein jeder Eroberer die Huldigung von euch fordern? Und doch sind die Franken so edelmütig und verlangen dieses von euch nicht - ihr sollt nur schwören, daß ihr freie Menschen sein wollet, solang euch diese edle Nation bei eurer Freiheit schützet, weil ihr solche mit eignen Kräften zu schützen nicht im Stand seid - und doch laßt ihr euch durch Blendwerk abschröcken, das zu tun, was euch fürs Gegenwärtige nützlich und in die Zukunft niemals schädlich ist. Setzet, wenn ihr wollt, den ganz unwahrscheinlichen äußersten Fall, daß die Franken genötiget würden, die Stadt und Festung Mainz herauszugeben, so geschiehet doch solches nie ohne Kapitulation oder Friedensschluß. In die-

15. Februar 1793

717

sem Friedensschluß werden die Franken, wenn ihr als freie Menschen mit denselben in Bündnis und Freundschaft stehet, gewiß für euch sorgen und auch alsdann nodi sorgen, wenn ihr gezwungen wäret, einen Teil der alten Verfassung, die man euch gegen den Willen der Franken niemals mehr so ganz, wie sie war, aufdringen kann, wieder anzunehmen. Tretet in eure Urversammlungen zusammen, wählet euch erfahrne und rechtschaffene Männer zu Repräsentanten und Obrigkeiten; auf dieser Wahl beruhet euer ganzes Heil; denn eben diese Männer sind es, aus welchen seiner Zeit jene Bevollmächtigten herausgenommen werden, die wegen eurem künftigen Schicksal nicht nur mit den Franken, sondern vielleicht auch noch mit andern Völkern Unterhandlungen werden pflegen müssen. Diejenigen, welche bei den Wahlen nicht erscheinen, legen ihr Schicksal stillschweigend in die Hände derer, die sich hierbei einfinden; denn ihr Nichterscheinen hemmt den Plan der Franken nicht; wollt ihr denn, daß die Franken euch als Feinde ansehen und als überwundene Feinde behandlen, von euch den Huldigungseid fordern, euch Obrigkeiten vorsetzen sollen? Sie dörfen es - wenn ihr ihre Brüder nicht sein wollet, so bleiben sie eure Herren; und wie lang? So lang gewiß, als ihr ihre Brüder sein könntet, wenn ihr wolltet. Kehrt euch nicht an jene kurfürstlichen Räte und andere dergleichen sogenannte Gelehrte, die von hier abreisen oder sich hinter den Vorhang stellen, um, wie sie vermeinen, recht schlau abzuwarten, bis sie die Vorteile einer neuen Verfassung ruhig mitgenießen können, welche von Männern errungen sind, die all jene schwarzen Verleumdungen verachten, dergleichen man in einer unlängst unter dem Titel: Schöne Raritäten erschienenen anonymischen Druckschrift sich bedienet hat. - Merkt ihr wohl, liebe Mitbürger! was man durch dergleichen Verleumdungen zu erzielen suche? Man will euch irremachen, daß ihr gar nicht mehr wisset, was ihr tun und wen ihr wählen sollet. Wenn die Lüge ihre Verteidiger findet, so muß es auch Männer geben, die für die Wahrheit kämpfen - der Krieg mag ausgehen, wie er will, so wird das alte Mainzer Wirrwarr gewiß nicht mehr hergestellt werden, unter dessen Begünstigung die Mainzer Finanzkammer in einen Schuldenlast von beinahe 3 Millionen Gulden gestürzt worden - unter dessen Begünstigung ein schwacher Fürst der Bewahrer einer Festung sein sollte, die die wichtigste des Reiches ist, - unter dessen Begünstigung der Regent bald als ein unabhängiger Selbstbeherrscher handien, bald sich nach Gutbefinden hinter die Reichsverfassung stecken dürfte; hinter eine Verfassung, der man den nahen Einsturz voraussagen kann." k Vgl. Protokoll vom 14. 2. 93 § 232, Anm. f. 1 Der Bürgerfreund, Nr 14 vom 15. 2. 93, S. 58-60, brachte nur den ersten Teil der Abhandlung, die in Nr 15 vom 19. 2. 93, S. 61 f., fortgesetzt und beendet wurde. Die gesamte Abhandlung hatte folgenden Wortlaut: Was für Folgen kann die Leistung oder die Nichtleistung des Bürgereides für die Mainzer haben? D e r Bürgereid, den das Volk, bei und unter welchem man häuslich lebt, von einem jeden Mitbürger fordert, ist ein feierliches Bekenntnis, die Gesetze, welche das Volk macht, zu halten und dem Volke, bei welchem man lebt, getreu zu sein. D a s letzte heißt eigentlich soviel als: es mit dem Volke so gut zu meinen, die Wohlfahrt des ganzen Volkes so nach Kräften zu befördern, wie es ein Kind oder Hausgenosse mit der Familie meint, zu welcher er gehört. Es ist so oft von mir erwiesen worden, daß eine jede Nation ihr Herr sei und kein einzelner mit Recht, auch nicht einmal durch einen Vertrag, noch weniger durch Geburt die Oberherrschaft des Volkes führen kann. In dieses Recht ist nun dermal ein großes deutsches Volk gesetzt worden durch die siegreichen Waffen

718

15. Februar 1793

der Franken. Wer an dieser so oft gesagten Wahrheit noch zweifeln will, dessen Lehrer kann ich nicht weiter sein; denn die von mir im vorigen Jahr, besonders im VII., IX. und XVIII. Stücke unwiderleglich dargestellten Grundsätze, auch was oben in der Note (c) steht, ist für den Menschenverstand genug; auch sind alle bisher gemachten Widersprüche eitel Worte des Eigennutzes oder eines verkehrten oder bestochenen Sinnes; ja, manches so unbegreiflich überzwerch, daß man nur sagen muß: Dort jener Schreier widerspricht und verhalsstarrigt nur, um zu zeigen, daß er widersprechen kann. Ist aber die Wahrheit, daß die höchste Gewalt bei dem Volke sei, unwiderleglich und begreiflich für jeden, der nur ein wenig darüber denken will: so hört der auf, Mensch zu sein, der dagegenhandelt; er wird notwendig ein Tyrann an der Menschheit. Dieses Bekenntnis, daß das Volk nur sein Herr sei, nur sich zu regieren befugt sei, also sich selbst Gesetze zu geben, seine bürgerliche Verfassung und seine Staatsbedürfnisse und Abgaben zu regulieren das alleinige Recht habe, dieses Bekenntnis liegt in dem Bürgereide. Wer ihn schwört, bekennt sich zu der unbezweifeltesten Wahrheit, bekennt, daß er ein Mitglied des Staates, ein ruhiger und gesetzeliebender Bürger sein wolle; tut also gerade das, was seine höchste und unnachlässige Bürgerpflicht fordert. Und wer ihn zu schwören sich weigert, der hört auf, Bürger zu sein, muß also als Fremder oder geradezu als Feind des Landes angesehen werden; das letzte ist Kriegesgesetz. Und da es dermal eine Zeit ist, wo es durch ein Gesetze gefordert werden kann, daß man es an den Tag lege, ob man Bürger dieses Volkes oder Untertan und Anhänger und folglich Parteinehmer der Despoten sein wolle, so ist alles Ausfluchtnehmen eine vergebliche Sache. Wenn man aber fragt, wer hat dieses Gesetze gegeben? So ist die Antwort: Die Umstände des Krieges machen es notwendig auf der einen Seite, auf der andern Seite aber kann der Teil Menschen unter dem Volke, der von der Wahrheit, seine Rechte ergreifen zu müssen, überzeugt ist, unmöglich darauf verzichten, daß er nicht je eher je lieber zu dem Besitze dieses Rechtes komme. Die Menschheit (d. h. die gegenwärtig Lebenden und die künftigen Generationen) fordert ohne Umstände, ohne Rücksicht des Interesseis] und Parteigeistes der einzelnen diesen Schritt der bürgerlichen Erklärung, weil man der Menschheit zutrauen muß, daß sie nach Vernunft, nach reinem, höchstem und gesetzlichem Rechte will behandelt sein. Die Sage ist, daß sich ein großer Teil der Mainzer, um dem obigen Gesetze so halb genug zu tun, sich erbieten wolle, den Huldigungseid der Frankennation, von der sie überwunden wären, zu schwören, aber nicht zu schwören, daß sie die Menschenrechte, welche sich auf Freiheit und Gleichheit gründen, anerkennen wollen. Unbegreiflich ist es, daß man sich nicht verbinden wolle, was wahr, was daher notwendig der Menschheit glückbringend ist, anzuerkennen und dasselbe zu befolgen. Allein, kann die Frankennation den Huldigungseid wie von Überwundenen annehmen? Nein, denn sie kann kein Volk erobern, das ist wider ihre Grifndsätze, ist wider das Menschenrecht, weil es sonst heißen würde: Eine Nation maßt sich eine Herrschaft über eine andere Nation an, die ihm [!] unmöglich zukommen kann, weil jedes Volk sein eigener oberster Herr ist, welches Recht ihm Despoten, aber nicht die fränkische Nation streitig machen kann. Man bedenke

15. Februar 1793

719

doch, was ich schon mehrmal erinnerte, daß der gegenwärtige Krieg von einer ganz andern Beschaffenheit sei, als sonst die Kriege waren. Sonst gelten Eroberungen der Völker und Länder; itzt gelten sie von der einen Partei nicht, diese Partei verteidigt sich nur gegen Könige und Fürsten, welche ihr ihr unstreitiges Recht mit grausamer Gewalt nehmen wollen. So stehen die Sachen in Rücksicht des Huldigungseides. Aber schon oben sagte ich, die Menschheit fordere ganz ohne alle Rücksicht, daß sie in ihre Rechte eingesetzt werde, und da ihr das Recht nicht streitig zu machen ist, so käme es nun auf Exekution dieses Rechtes an. Man weiß es, daß gewöhnlich bei Exekutionen das Recht des Stärkern gilt; Schande genug für Halsstarrige, daß zu solch strengen Mitteln muß gegriffen werden, da doch vernünftige und gesetzliche Menschen nur durch Vernunft, Ordnungs- und Tugendliebe sich sollten leiten lassen; und diese Exekution wird und muß geleistet werden. Aber das alles, was bisher für Menschen von unverdorbenen Herzen und Verstände gesprochen worden, soll doch der Verzagtheit gewisser Leute noch nicht genug sein. Ich setze aber zum voraus, daß es Verzagtheit sei und nicht wieder hinter diesem Schreckenbilde das Privatinteresse oder der unvernünftigste Aberglaube und Bigotterie versteckt sei. Also in dieser Voraussetzung ein trautes Wort über den Popanz der Verzagtheit. Sie sagen, das Glück der Waffen ist wandelbar, und wenn die Feinde der Menschheit siegen sollten, so würden sie uns, die wir das Glaubensbekenntnis der Menschenrechte beschworen haben, hart mitnehmen. Allein gesetzt, diese Menschenfeinde glaubten diese Wahrheit, zu der ihr Euch bekennt, nicht, so würde sie Menschlichkeit und Klugheit von harten Begegnungen zurückehalten. Denn wenn sie einen einzigen auch nur wegen solchen Grundsätzen, die er beschwur, mißhandeln sollten, so würden sie viele Tausende in Deutschland, ja selbst unter ihren Soldaten erbittern, und so klug sind doch wohl diese Leute, daß sie das nicht tun. Aber sie würden auch die grausamste Ungerechtigkeit ausüben, einen Menschen zu strafen, der nur getan hat, was ihm Pflicht und Umstände zu tun geboten. Und will man denn etwa von Seiten der Despoten fordern können, daß sich ein Volk ohne Regierung keine Regierung geben solle, und zwar eine solche, wodurch es Freund mit dem siegenden Teile der kriegführenden Partei wird? Auf der andern Seite ist schon seit einem Jahrhundert in Deutschland nicht mehr üblich, daß man Leute wegen der Religion oder wegen der Art, wie man Gott dienen wolle, verfolgt, und nun sollten die Despoten, die doch so viel von Religion immer auf ihren Schilden führen, diese sollten den Menschen erlauben, Gott zu dienen, wie sie wollten, aber ganz gewaltig bös werden, wenn es Menschen gebe, die über die Verehrung und den Dienst der Könige anders dächten, als diese Könige darüber gedacht haben wollten? So können die frommen Könige und Kurfürsten nicht sein, oder sie müßten entsetzlich heucheln. Alles das habe ich in der Voraussetzung gesagt, daß die Völker- und Menschenfeinde siegen werden; allein, ist diese Voraussetzung sehr wahrscheinlich? - Nein, sie ist's nicht; das, was die Frankenwaffen getan, ist zu bekannt, wo ist der Grund, daß das Kriegsglück sich ändern werde? Sagt man, daß sich nun aber noch mehr Mächte als im

720

15. Februar 1793

vorigen Jahre gegen Frankreich verbunden hätten, so antworte ich: Frankreich ist aber auch stärker um Savoyen, Piemont, Basel {das Bistum), Genf, Lüttich und um die ehemaligen östreichischen Niederlande und um unsere Rheingegenden. Ist etwa auch der Mut unter den Frankensoldaten gesunken? Oh! Trotz all dem Gelüge, welches von einigen dieser Soldaten herkommen soll, so wird sich's zeigen, daß mit jeder Gefahr der Mut wachsen wird. Einem Weichling und Feigen ist es freilich ungedenkbar, daß es Menschen von starker Tugend geben könne, weil er ganz ungewohnt mit diesem Gefühle ist; aber - konnte es Heilige geben, die sich für Religion, wie sie nämlich dieselbe als die einzig beste erkannten, martern und oft unmenschlich martern lassen konnten, warum sollte es nicht Menschen itzt noch geben können, die auch von der Heiligkeit ihrer Rechte und von dem Gefühle, für ihr und der Ihrigen Glück zu fechten, dem Tode trotzen? Doch wahres Menschengefühl in dieser Sache läßt sich durch Worte nicht einprägen, nur Überzeugung von wahren Grundsätzen gewährt es. Aber man wendet noch weiter ein: „Die Mainzer sind von ihrem dem Fürsten geleisteten Eide noch nicht befreit, sie können also keinen zweiten schwören." Ich antworte zuerst so: Die Menschenrechte sind unveräußerlich, und jeder Vertrag (der Eid ist nichts anders als ein feierliches Bekenntnis eines Vertrages), welcher gegen diese Rechte gemacht ist, kann nicht gelten; und wenn dergleichen Verträge doch lange gegolten haben, so beweist das nichts für ihre Giltigkeit; denn was vor 1000 Jahren seiner Natur nach ungiltig war, kann nach tausend Jahren, ja in Ewigkeit nicht giltig werden; und dieses gilt von dem Eide, den man dem Fürsten leistete. Allein das eben Gesagte wird vielleicht Leute, die eben an diese Rechte nicht glauben, die nicht Menschen sein wollen, nicht so ganz überzeugen; und für diese will ich einen ebenso unwidersprechlichen Beweis hersetzen, daß der Eid, den Mainzer (n) ihrer vorigen Regierung leisteten, aufgehoben sei. Diese vorige Regierung hat die Mainzer in der Kapitulation übergeben, und zwar so übergeben, daß eine überzeugende Verzichtleistung auf alle Regierungsansprüche darin liegt. Die Regierung setzte nämlich in ihre Unterhandlungspunkte auch den, daß der Sieger Custine alles bei dem Wesen der bis itzt bestandenen Regierung belassen solle; allein dieser Punkt wurde von Custine nicht angenommen. Die Mainzer Regierung wußte, was in der ganzen Welt damal[s] bekannt war, wie es mit den Völkern gehalten werde, die von ihren Despoten durch Frankenwaffen frei würden; diese Regierung übergab Mainz bei diesem Bewußtsein, auch da ihr der obige Artikel von Custine abgeschlagen war; also zählte sie die Mainzer selbst von aller Verbindlichkeit gegen sie los. Also ist es sogar nach den bisher bestandenen Gesetzen nunmehr völlig rechtlich, daß diese vorige Regierung keine Ansprüche auf die Mainzer haben kann. Also sind die Mainzer in jedem Betrachte frei; und es hängt von ihnen ab, ob sie diese Freiheit wie Menschen gebrauchen wollen, die nach Wahrheit als der höchsten Pflicht handeln müssen.

19. Februar 1793

721

Protokoll der Sitzung vom [Dienstag,] 19. Februar 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik Präsident Kottaa § 249 Das Protokoll der vorigen Sitzung wurde verlesen. §250 Ein Mitglied (Cotta) 1 stellt der Gesellschaft vor, daß 1) die Secretaires bis auf einen von hier abgegangen seien, ohne andre 2 an ihre Stelle provisorisch ernennt zu haben, 2) das nämliche von den Comités und 3) vom Provisor. Er fragt die Gesellschaft, was sie hierüber dächte. Ein Mitglied sagte, es läge hierin bloß ein Mißverständnis. b Ein Mitglied (Plöger) 3 schlägt vor, die Gesellschaft sollte den Secretairen, Comités und dem Provisor darüber eine Ermahnung geben, weil sie abgereist seien, ohne zuvor andre an ihre Stelle zu bestimmen. Unterstützt und angenommen.4 6 § 251 Die Tagsordnung führte zum Verlesen der Polizeicommissaire für die nächste Sitzung. Der Präsident bemerkte aber, daß das Namensverzeichnis der 6 Mitglieder nicht da wäre, man also auch keine Commissaire ernennen könne. Er schlug vor, er wolle in der nächsten Sitzung die zu Commissairen ernennen, die zuerst in die Gesellschaft kommen würden. Unterstützt und angenommen. § 252 Ein Franken-Chirurgmajor wurde zur Annahme verlesen.' § 253 Ein Mitglied (Cotta) 7 machte die Motion, die Gesellschaft solle den Mainzer Bürgern feierlich erklären, daß bei der bevorstehenden Volkswahl keines der Mitglieder ein öffentliches Amt annehmen wolle. Man debattierte hierüber, und ein Mitglied (Mercklein) 7 begehrte, zur8 Tagesordnung überzugehen. Unterstützt und angenommen. § 254 Der Präsident bat ein Mitglied, die Provisorstelle einstweilen zu versehen. Die Sitzung wurde geschlossen. a

Cotta übernahm als gewählter Vizepräsident - vgl. Protokoll vom 29. 1. 93 § 148 - den Vorsitz, da Präsident Metternich zu den Deputierten gehörte, die zur Vorbereitung der Wahlen von den Kommissären der vollziehenden Gewalt, Simon und Grégoire, aufs Land geschickt worden waren.

•> Die plötzliche Abreise so vieler Funktionäre hing mit dem Wahlgeschäft zusammen, das in den nächsten Tagen zu besorgen war; vgl. Protokoll vom 8. 2. 93 Anm. j. Diese Tatsache wird durch den Bericht bestätigt, den Simon und Grégoire tags darauf für Paris anfertigten und worin es im Hinblick auf die Wahlvorbereitungen hieß: 1

Der Name steht unter Fehlzeichen am Rand. „andre" statt des gestrichenen „einen". 3 Der Name wurde unter Fehlzeichen zugefügt. „Unterstützt und angenommen" am Rande ergänzt. 5 Im Manuskript irrtümlich § 151, die nun fortlaufend falsche Zählung ist berichtigt. 6 Ursprüngl.: „die Liste des". ' Der Name steht unter Fehlzeichen am Rand 8 „zur" verbessert statt: „die" 1

46

Schecl,

Protokolle

722

19. Februar 1793

«Nous avons été soutenus par la plume de plusieurs autres écrivains patriotes du pays qui l'un en vers, l'autre en prosa ont encouragé le peuple à se réunir à la France et à faire cause commune avec elle. Tous ces imprimés étant prêts, nous avons envoyé une cinquantaine de commissaires dans les différents endroits de notre arrondissement pour préparer les habitants aux élections, pour soutenir de vive voix ce qui est indiqué dans les imprimés, et pour déjouer les intrigues des malveillants, qui étaient répandus partout. Nous avons muni ces apôtres de la liberté et de l'égalité des pouvoirs nécessaires à cet objet.» (AN Paris, F 1 e 40: Brief an den Conseil exécutif vom 20. 2. 93) Die Zuverlässigkeit der Angaben der beiden Nationalkommissäre wird durch folgendes Protokoll der allgemeinen Administration belegt: „Verbal-Procès vom 14. Hornung 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik Unterm heutigen Dato erschienen in der Sitzung der Allgemeinen Administration der Bürger Kommissär Simon, der Bürger Macke, Gemeindeprokurator, und die Bürger Munizipalen Patocki und Häf[e]lin, um mit den Mitgliedern der Allgemeinen Administration gemeinschaftlich die Maßregeln und Einrichtungen zu verabreden, welche zur Betreibung und Vollziehung der Wahlen festzustellen wären. Es wurden demnach die örter, an welche Kommissäre geschickt werden sollten, bestimmt, sodann die Kommissarien ernannt, die Vollmacht für dieselben entworfen und über die denselben auszuwerfenden Diäten deliberiert, worüber man denn beschloß, daß das Maximum für die einem jeden Commissaire täglich mit Inbegriff aller Fuhr-, Zehrungs- und übrigen Ausgaben nicht höher als sechs Gulden steigen solle." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 203, fol. 385) Der im Protokoll der Administration erwähnte Entwurf der Vollmacht findet sich auf einem andern Blatt, das außerdem an seinem linken Rand die Namen von 44 Bürgern aufführt, denen eine solche Vollmacht ausgestellt werden sollte; da der Name Endemann zweimal dabei auftaucht, sind es möglicherweise auch nur 43 Bürger. Vollmacht und Namensliste lauten: „Im Namen der Frankenrepublik! Die von dem vollstreckenden Rate der Frankenrepublik in die Rheingegenden gesandten Kommissärs erteilen dem Bürger N. N. den Auftrag, die Gemein [d] en, zu welchen ihn seine Sendung führt,-versammeln zu lassen, ihnen die von der Nationalkonvention zu Paris erlassenen Dekrete vom 15., 17. und 22. Dezember 1792, soweit sie noch einer bessern Aufklärung bedürfen, zu verdeutlichen und die auf den 24. Februar bestimmten Wahlen vorzubereiten. Zu dem Ende befehlen wir allen Schultheißen und Ortsvorständen, diese im Namen der Frankenrepublik geschickten Deputierten zu erkennen und ihnen die schuldige Ehrfurcht, Folge und Unterstützung zu leisten. Mainz, am . . ten Hornung 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik. An den Bürger: Ritz; Müller, Notable; Gaul; Plöger; Wolff; Falciola, Kanonikus; Bittong; Deyer; Preißer; Krebs; Falciola, Vater; Falciola, junior; Meuth; Ackermann, Doctor medicinae; Metternich, Munizipal; Patocki, Munizipal; Westhofen, Professor; Bleßmann, Sécretaire général; Endemann, Pfarrer zu Worms; Dorsch, Präsident der Allgemeinen Administration zu Mainz; Schlemmer; Lux; Alois Becker ; Cyrer; Suter, Doctor; Solms; Endemann; Löwer, Gemein [djeprokurator in Worms; Schweikard; Schraut, junior; Gugel, Generalkommissär zu Winnweiler; Schalz; Eitelwein; Fuchs; Forster, Mitglied der Allgemeinen Administration zu Mainz; Häf[e]lin, Munizipal; Rompel; Stumm[e] ; Frank, Sekretär in Worms; Betz; Hofmann; Pape; Caprano; Ogg." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 203, fol. 453) Daß die Wahlkommissäre auf diese Weise gewonnen und ihre Zahl sich auch späterhin in diesen Grenzen hielt, bestätigt der Abschlußbericht von Simon, Meyenfeld und Guillot vom 13. 8. 93: «Le nombre de ces comm[issai]res montait jusqu'à 50. Ils m'ont été désignés par

21. Februar 1793

723

l'administration provisoire de Mayence" (AAE Paris, Corr. politique, Mayence, vol. 70: 1791-94, fol. 360). « Vgl. Protokoll vom 21. 2. 93 § 259.

Protokoll der Sitzung vom [Donnerstag,] 21. Februar 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik Präsident Kotten § 255 Man verlas das Protokoll der vorigen Sitzung, und der Präsident ernannte die Commissaire für die nächste Sitzung. § 256 Ein Mitglied machte bekannt, daß soeben die Commissaire des National' conventes angekommen wären und das Dekret mitbrächten, vermöge welchem sie alle Hindernisse, welche bei den bevorstehenden Gemeindeversammlungen im Wege stehen könnten, aus dem Wege räumen sollten.b § 257 Das Protokoll des Wohltätigkeitsausschusses wurde verlesen und handelte von dem Empfang und der Austeilung der Kleidungen. § 258 Die Tagesordnung führte zur Korrespondenz, wobei ein Brief von einem gefangenen Mitbruder vorkam, welcher die Gesellschaft bat, da er für unschuldig sei befunden worden, doch seine Loslassung zu befördern. Ein Mitglied machte die Motion, die Copie dieses Briefes der Munizipalität mitzuteilen und sie um Endigung und Befreiung dieses Mannes zu bitten.' Der Präsident ernannte zu diesem Geschäft zwei Mitbrüder: (Wedekind und Müller). Unterstützt und angenommen. § 259 Es erschien ein Brief von einem Unbenannten, welcher vorgelesen wurde, worin der Verfasser sagt, ob er gleich kein Mitglied der Gesellschaft wäre, so wäre ihm doch viel am allgemeinen Wohl gelegen. Er habe den Bürgern manchen falschen Irrtum benommen, nur diesen könne er ihnen nicht benehmen, daß die fränkische Konstitution der katholischen Religion zu nahe ging, indem die Geistlichen dem Papste abschwören müßten. Dieser Irrtum herrsche vorzüglich bei den Landleuten, und er könne ihnen nur dadurch benommen werden, wenn die Landpfarrer genötiget würden, von ebender Rednerbühne, von der sie das Volk bisher irregemacht hätten, dasselbe hierin belehren zu müssen. Ein Mitglied bemerkte, daß die Frankenkonstitution mit dem Papste und den Bischöfen sehr wohl in geistlichen Sachen harmoniere. Er (Wetekind) schlug vor, man solle den Priestern deutlich1 erklären, daß Frankreich mit dem Papste als geistlichem Seelsorger wohl bestehe. Mehrere Mitglieder sprachen dafür und dagegen. Zuletzt machte ein Mitglied die Motion, diese Erklärung in einer Adresse bloß an die Bürger und Landbewohner zu tun. Unterstützt und angenommen.2 1 2

46 ;

„Er . . . deutlich" wurde gestrichen, dann die Streichung wieder rückgängig gemacht. Es folgte ursprünglich der gestrichene Text: „Ein Mitglied (Wedekind) erbot sich, in der nächsten Sitzung etwas hierüber vorzutragen. Angenommen."

724

21. Februar 1793

Mehrere ließen sich aus dem Gesellschaftsregister ausstreichen / l / 3 . M a n verlas mehrere französische Briefe. D a s neu aufzunehmende Mitglied wurde verlesen, und das in der letzten Sitzung angenommene {Garnier, Chirurgien major) leistete den E i d für Freiheit und Gleichheit. d S 260 Ein französisches Mitglied schlug vor, jede Sitzung mit Ablesung der Bürger- und Menschenrechte anzufangend Unterstützt und angenommen. Ein andrer { W e d e k i n d ) 4 schlug 5 vor, diese Rechte nicht nur abzulesen, sondern sie auch zu erklären, und d i e Gesellschaft solle hiezu einige ernennen. Unterstützt und angenommen. E i n Mitglied ( W e d e k i n d ) erbot sich, hierüber nächstens etwas vorzutragen.' Angenommen. $ 261 Ein Mitglied {Schmitz) 4 las eine R e d e über die Gerechtigkeit und Allmacht Gottes vor, welche d i e Franken nie verließe. D i e Sitzung wurde geschlossen. » Vgl. Protokoll vom 19. 2. 93 Anm. a. Diese Mitteilung war identisch mit dem Inhalt des Schreibens, das Simon und Grégoire nur wenige Stunden zuvor durch ihren Sekretär Lehne der Munizipalität überbringen ließen: „Mainz, den 21. Hornung 1793 Bürger Munizipalen 1 Soeben kommen die Kommissarien des Nationalkonvents. Ein ganz neues Dekret gibt ihnen die nötige Vollmacht, daß sie einstweilen alle Schwierigkeiten heben können, die sich der Vollziehung des Dekretes vom 15. Dezember 1792 entgegensetzen möchten. Die Wahlen bleiben also auf den künftigen Sonntag festgesetzt, und wir ersuchen Sie, die nötigen Anstalten deswegen fortzusetzen. Die Kommissarien der vollstreckenden Gewalt Simon, Grégoire" (ADp Lübben, Packen 116 - Mainzer Stadtarchiv 11/36, Tom. XVII) Zur Erläuterung dieser Mitteilung sind folgende Daten nachzutragen: Am 6. Februar hatten sich die drei Konventskommissäre Merlin, Reubell und Haussmann zur Mosel-Armee begeben und die Vorbereitung der Wahlen den Kommissären des Comité exécutif Simon und Grégoire allein überlassen. Unter deren Verantwortung erschien der vom 10. Februar datierte „Unterricht für die Gemeindeversammlungen", der den Wahlmodus festlegte und zugleich den 24. Februar als Wahltag bekanntmachte; vgl. Protokoll vom 8. 2. 93 Anm. j, k. Am 16. Februar folgte eine Proklamation Custines als Plakatdruck in französischer und deutscher Sprache, die unter Androhung der Ausweisung von allen ehemals Privilegierten und Beamten die in § 10 des „Unterrichts" angezeigte Verzichtserklärung von den Mainzern bis zum 20. und in den anderen Orten bis zum 23. Februar verlangte. Die Erklärung sollte lauten : „Ich, N. N., schwöre, treu zu sein dem Volk und den Grundsätzen der* Freiheit und Gleichheit, und entsage hierdurch feierlichst sowohl dem Kurfürsten (oder, wenn es in andern Gegenden ist, dem Bischöfe zu Worms oder zu Speyer, dem Kaiser als Grafen von Falkenstein, dem Fürsten von Nassau-Weilburg etc.) und seinem Anhang als auch allen meinen bisher genossenen Privilegien und Vorrechten {meinem Adel etc.). N. N., den . . . Februar 1793 . . . N . N." (ADp Lübben, Packen 111 - Mainzer Stadtarchiv 11/15, Beilage 208) Die Pro-

b

3

4

Die 1 ist am Rande im Rhombus wiederholt, daneben stehen die Namen : „Peter Hillebrand, Schiffmann; Andres Albert, Schreinermeister; Laurenz Faust, Studierender; Kaspar Janda, Sdilossermeister ; Adam Martin, Kleiderhändler". Der Name steht unter Fehlzeichen am Rande. Ursprüngl.: „trug".

21. Februar 1793

725

klamation ist in deutscher Sprache außerdem im Volksfreund, Nr 22 vom 19. 2. 93, S. 90, mitgeteilt. Gegen die Mißdeutung dieser von Custine geforderten Verzichtserklärung als religionsfeindlich, weil gegen die geistlichen Oberhirten von Mainz, Worms und Speyer gerichtet, verwahrten sich Simon und Grégoire am 18. Februar in einer Proklamation, die folgende Kurzfassung an die Stelle der Custineschen Formulierung setzte : „loh, N. N., entsage allen Privilegien und schwöre, den Grundsätzen der Freiheit und Gleidiheit treu zu sein." (ADp Lübben, Packen 111 - Mainzer Stadtarchiv 11/15, Beilage 208) Eine umfangreidie, ebenfalls vom 18. Februar datierte „Proklamation der fränkischen Nationalkommissarien der vollstreckenden Gewalt an die Inwohner der Gegenden zwischen Landau, der Mosel und dem Rheine, die bevorstehenden Volkswahlen betreffend" bestätigte den vorgesehenen Wahltag und führte an Hand der Dekrete des Nationalkonvents vom Dezember 1792 nochmals die Vorteile einer Wahlbeteiligung gegenüber den Nachteilen einer Nichtbeteiligung vor Augen f (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 172, fol. 20-23). Der „Unterricht" und diese Proklamation waren massenhaft an die Mainzer Munizipalität gelangt, die daraufhin am 20. Februar beschloß, sie durch „alle Polizeidiener, Zeitungs- und Blättchenträger nicht nur bei allen Zünften und Korporationen in zwei bis drei Exemplarien, sondern auch in jedem Hause in der Stadt eins oder zwei Exemplarien abzugeben"; Munizipalitätsprotokoll vom 20. 2. 93 (ebenda, fol. 25 f.). Außerdem brachte die Mainzer Munizipalität am 20. Februar eine gedruckte Bekanntmachung heraus, die schon detaillierte Anordnungen über die Durchführung der Wahlen in den einzelnen Sektionen der Stadt am kommenden Sonntag traf; (ebenda, fol. 12). Inzwischen formierten sich aber auch die Gegenkräfte. Von den ehemals Privilegierten und Beamten, denen bis zum 20. Februar die besondere Entsagungserklärung abverlangt worden war, lagen an diesem Tage drei negative Stellungnahmen vor. Die Mainzer niedere Geistlichkeit lehnte in einer Eingabe an den Stadtkommandanten General Wimpfen (abgedruckt in Hoffmann, Darstellung, S. 703-709, als Beilage Nr 59) den geforderten Eid ab, der sie angeblich vom Episkopat trennen würde, und behielt sich das Redit vor, an den Nationalkonvent zu appellieren, wenn auf Ausweisung bestanden würde; bei negativem Entscheid auch dieser Instanz verlangte der Klerus freien Abzug gemäß den in der Kapitulation vom 21. 10. 92 festgelegten Bedingungen. Eine von elf Dikasterianten unterzeichnete und an die Kommissäre des Comité exécutif gerichtete Eingabe (abgedruckt ebenda, S. 710-717, als Beilage Nr 60) lehnte den Eid mit Berufung auf frühere Äußerungen Custines und die Kapitulation ebenfalls ab. Schließlich erklärten auch die beim Kammeramt, Stadtgericht und Pfandamt tätigen Beamten mit wenigen Ausnahmen in einer Eingabe an die Administration (abgedruckt ebenda, S. 719-726, als Beilage Nr 61) ihre Absicht, den Eid mit Rücksicht auf den ungewissen Ausgang des Krieges nicht zu leisten und im Falle der Ausweisung die Kapitulationsbedingungen in Anspruch zu nehmen. Noch größere Hindernisse türmten die Zunftvorstände auf, an deren Spitze wieder der Handelsstand mit Daniel Dumont - vgl. Protokoll vom 8. 11. Anm. e und vom 29. 11. 92 Anm. c marschierte. Wie Dumont in einem Promemoria berichtete, das er nach seiner Ausweisung in Frankfurt am 27. Februar verfaßt hatte und das sich in einer Abschrift im StA Würzburg, MRA VI Kriegsakten, Nr 236 III, befindet, rief er schon am 17. Februar den Handelsstand zusammen, „zeigte ihm die Annäherung des bevorstehenden Eides an und machte ihn auf die schädlichen Folgen aufmerksam, welche dieser Schritt in Hinsicht auf die Frankfurter Messe und unsere Gewerbe haben dürfte. Einstimmig war sonach das Verlangen der versammelten Mitglieder, daß ich durch eine Vorstellung an die Munizipalität diesem Unglück zuvorkommen möge. Die Entschließung des Handelsstandes ward ruchbar. Nach seinem Beispiel traten

726

21. Februar 1793

auch die übrigen Zünfte zusammen, und mehrere Vorstellungen waren schon bei der Munizipalität eingeloffen, als idi am 20. Februar jene des Handelsstands persönlich überreichte." Im Ergebnis einer gemeinsamen Sitzung am 19. Februar entstanden eine Reihe längerer und auch lakonisch kurzem Erklärungen der Zünfte, die vornehmlich mit Rücksidit auf ihre verschiedenen rechtsrheinischen Beziehungen und die gefährliche Nähe der deutschen Truppen Eid und Wahl bis zum Friedensschluß auszusetzen baten. Diese Aktionen beeindruckten einen Teil der Munizipalität, darunter den Maire und den Gemeindeprokurator, in einem so starken Maße, daß sie sich zu Verhandlungen und Kompromißlösungen gezwungen glaubte. Das obenerwähnte Promemoria Dumonts sagt dazu aus: „Unsere Gesinnungen stimmten bald dahin überein, daß man den Franzosen den gewöhnlichen und in allen Rechten gebilligten Eid der Treue und Sicherheit leisten könne, ohne den Grundsätzen der deutschen Verfassung zu nahe zu treten, und daß idi die Bürgerschaft zu diesem Auskunftsmittel bereden sollte. Den 21. wurden daher alle Vorsteher der Zünfte auf das Stadthaus vorgeladen, und alle ließen sich den Vorschlag gefallen." Doch nicht nur die Munizipalität in ihrer Mehrheit, sondern sogar die Kommissare des Comité exécutif Simon und Grégoire ließen sich überrumpeln. Mit ihrem Einverständnis erging vom General Wimpfen, der als Vertreter des am 19. Februar abgereisten Custine unterzeichnete, die folgende Proklamation, die von der MNZ in Nr 22 vom 21. 2. 93 abgedruckt wurde: „Da sowohl mir als den Commissarien der vollstreckenden Gewalt Vorstellungen von Seiten der Bürger dieser Stadt gemacht worden sind, welche sich zum Teil auf die ihnen zugestandene Kapitulation, zum Teil auf andere, durch das Gesetz nicht vorher gesehene Betrachtungen gründen, so benachrichtige ich die Bürger dieser Stadt, daß ich bei der National-Convention um ihre entscheidenden Befehle nachgesucht habe und daß von jetzt an bis zu der Rückkunft des Courriers die von dem General Custine in seiner Proklamation vom 16. d. M. angekündigten Maßregeln, insoweit sie die Bürger dieser Stadt betreffend, ausgesetzt bleiben sollen. Mainz, den 21. Februar 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik unterzeichnet Franz Wimpfen dem Original entsprechend Georg Wilhelm Böhmer" Der weitere Verlauf der Ereignisse an diesem Tage erhielt durch das unerwartete Eintreffen der Konventskommissare Merlin, Reubell und Hausmann dann die entscheidende Wendung. Um allen weiteren Hinhaltemanövern einen Riegel vorzuschieben, veröffentlichten die drei Kommissare am gleichen Tage, gestützt auf das Konventsdekret vom 31. 1. 93 (abgedruckt im Moniteur vom 2. 2. 93, Bd XV, S. 328), die folgende, vom 21. Februar datierte und in der MNZ, Nr 23 vom 23. 2. 93, abgedruckte „Proklamation der Commissarien des NationalConventes des fränkischen Freistaates an das Volk der Stadt Mainz : Intrige, Fanatismus, Heuchelei und Privatinteresse drehen und wenden sich auf tausenderlei Art und bieten alle Kräfte auf, um Euch wieder in Eure alten Ketten zu schmieden. Der Tag ist gekommen, wo man zwischen Freundschaft der Frankenrepublik und dem Hasse wählen muß, den sie den Tyrannen und ihren Anhängern geschworen haben ; wo man zwischen Freiheit und Sklaverei wählen muß. Wenn Ihr Euch frei erklärt, so behaltet Ihr unsre Freundschaft. Wollt Ihr Sklaven sein, dann sollt Ihr auch als solche von uns behandelt werden, und dies nach dem Dekrete vom 15. und 17. Dezember 1792 und vom 31. Jänner dieses Jahres. Euere Urversammlungen sollen am 24. d[ieses] Mfonats] stattfinden, und wir erklären alle Akte und Proklamationen für'null und nichtig, die dagegen sind. Demzufolge haben alle Bürger den Eid abzulegen, der in der Proklamation des Generals Custine vom 16. dfieses]

23. Februar 1793

727

M[onats] kraft erwähnter Dekrete vorgeschrieben ist, und alle und jede Adligen oder Privilegierten sollen sdiriftlich ihrem Adel und ihren Privilegien vor dem 24. d[ieses] entsagen, sonst werden - da man sie als Unterhändler und Anhänger der Feinde der Frankenrepublik betrachten muß - ihre Güter eingezogen. Auch sollen noch außerdem gegen sie alle anderen allgemeinen Maßregeln ergriffen werden, welche man für die öffentliche Sicherheit notwendig finden wird. Gegeben zu Mainz, den 21. Hornung 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik. Die Kommissarien des National-Conventes der der Frankenrepublik Reubel, Hausmann, Merlin Für die Echtheit der Übersetzung haften die Nationalcommissarien des Vollziehungsrates Simon, Gregoire" Sowohl die MNZ, Nr 23 vom 23. 2. 93, als auch der Volksfreund, Nr 24 vom 24. 2. 93, S. 95 f., attackierten heftig die nicht ohne Geschick in den vergangenen Tagen unternommenen Versuche der Reaktion zur Torpedierung der Wahlen. Simon und Grégoire, die dabei eben nicht sehr glücklich operiert hatten, entschuldigten ihr Verhalten in einer öffentlichen Erklärung mit unzureichenden Vollmachten; die Erklärung erschien gedruckt im Volksfreund, Nr 25 vom 26. 2. 93, S. 99 f., in der MNZ, Nr 25 vom 28. 2. 93, als Extrablatt und im MI, Nr 18 vom 2. 3. 93, S. 109 f. Es blieb jedoch nicht nur bei Proklamationen und Deklarationen: Früh am 23. Februar wurde Daniel Dumont als Verfasser der Petition an den Nationalkonvent und als einer der aktivsten Organisatoren des reaktionären Widerstandes arretiert; wie er selbst in einer anonym erschienenen Flugschrift später berichtete, versiegelte man „ihm sein Vermögen und schickte ihn mit einer starken Wache über die Brücke gegen die Vorposten bei Hochheim". (Dumont, Belagerung, S. 127) Das gleiche Schicksal teilten mit ihm, wie der Volksfreund, Nr 25 vom 26. 2. 93, S. 100, berichtete, eine Anzahl Geistlicher. « Vgl. dazu Protokoll vom 27. l . . § 129, Anm. d, vom 3. 2. 93 §177, *Anm. d, vom 4. 2.

SS 178, 182, 183, vom 7. 2. S 194 und vom 23. 2. 93 § 269, Anm. e. à Vgl. Protokoll vom 19. 2. 93 S 252. c Die Anregung wurde durch die neu gefaßte, am 15. Februar im Konvent durch Gensonné verlesene Déclaration des droit naturels, civils et politiques de l'homme veranlaßt, die der Moniteur, Nr 49 vom 18. 2. 93, Bd XV, S. 473 f., zusammen mit dem von Condorcet begründeten Verfassungsentwurf veröffentlicht hatte. Vgl. auch Protokoll vom 26. 2. 93 § 284, Anm. c. f Vgl. Protokoll vom 24. 2. § 279 und vom 26. 2. 93 S 283, Anm. b .

Protokoll der Sitzung vom [Sonnabend,] 23. Februar 1793, im 2. Jahr der Frankenrepublik Präsident Müllera § 262 Man verlas das Protokoll der vorigen Sitzung deutsch und französisch. § 263 D i e Tagesordnung führte zur Korrespondenz, wobei sich mehrere aus dem Register der Gesellschaft streichen ließen / l / 1 . Ein Mitglied, Vincent 2 , 1

Unter Wiederholung der 1 stehen am Rande die Namen: „Manera, Ferdinand; Schmitt, Jacob; Grunwald; Kunkel, Georg". ' Der Name steht unter Fehlzeichen am Rande.

728

23. Februar 1793

machte die Motion, man solle solche Briefe nicht mehr lesen, sondern nur die Namen derer, die sich wollten streichen lassen.b Unterstützt und angenommen.3 Der Präsident ernennte die Polizeikommissäre für die nächste Sitzung.4 § 264 Ein französischer Bruder (Comperse) wurde angenommen und ein andrer zum erstenmal verlesen. § 265 Ein Mitglied {Metternich) betrat die Tribüne und sagte, die geringe Anzahl der gegenwärtigen Mitglieder käme bloß von den Geschäften der andern her. Viele Bewohner von Mainz machten sich ein Geschäfte daraus, die Gesellschaft verächtlich zu machen, indem sie derselben Sachen andichteten, die man derselben nicht beweisen könne. Er sagte, er verachte viele Mainzer, sehr viele bedaure er aber, weil sie verführt wären. Man hätte die Religion, ja sogar den Beichtstuhl dazu gebraucht, um die Menschen zu verführen. Er hätte vernommen, man wolle die Gesellschaft sprengen und die Mitglieder vertreiben und morden. Allein dieser Vorsatz sei elend, indem die Glieder der Gesellschaft ihre Grundsätze hätten und Menschen mit Grundsätzen nicht umgeworfen werden könnten. Man sollte hier nur ein Beispiel an den Franken nehmen. Die Gesellschaft würde doch ferner aus 36 Glieder[n] bestehen, und die Schlüsse würden fest stehen. Die ganze Menschheit müsse gerettet werden, man müsse daher keine Rücksicht auf die jetzt lebenden Menschen nehmen. § 266 Man (Melzer) verlas eine Adresse von Carpentras5 an das Nationalconvent über verschiedne Schlüsse, die dasselbe über Ludwig Capets Tod abgefaßt hätte (n). c § 267 Ein Mitglied •(Metternich) redete darüber, daß die Bürger von Mainz viele Furcht hätten, weil sie glaubten, sie würden gezwungen werden, nachdem sie geschworen hätten, das Gewehr auf die Schulter zu nehmen. Der Satz wäre falsch, und der Bürger, welcher so etwas glaubte, könnte ja nur ganz laut in der Kirche sagen: ich will schwören, aber wenn ich hernach sollte gezwungen werden, das Gewehr zu ergreifen, so erkläre ich meinen Schwur für null und nichtig. Er sagt: man soll ja nichts schwören, als daß man Mensch und Bürger sein will, und doch haben die Leute eine Abneigung dagegen. E r sagte ferner: die Niederländer wären so fanatisch, so sehr religiös, daß sie sich für einen Jerusalemer Rosenkranz martern ließen, und doch hätten sie sich gefügt und den Eid für Freiheit und Gleichheit abgelegt. §268 Ein andres Mitglied (Melzer) sprach davon, daß die Landleute, wo er auf Kommission gewesen wäre, auch gesagt hätten, sie wollten nicht schwören, weil sie sonst als Soldaten dienen müßten. Man [sol]lte ihnen von den Deputierten des Nationalconvents und dem General Custine eigenhändig 1 4 Ä

„Unterstützt und angenommen" nachträglich zugefügt. Vor diesem Satz steht noch einmal „§ 2 6 3 " bzw. nach falscher Zählung „§ 1 6 3 " Im Manuskript

„Carbendras"

23. Februar 1793

729

unterschrieben bringen, daß sie keine Soldaten werden müßten, und nachdem sie dieses erhalten hätten, hätten sie sich entschlossen, zu schwören.*1 § 269 Die an die Munizipalität abgeschickten Deputierten statteten wegen dem gefangenen Bruder (Koch) den Bericht ab, daß sie seine Sache endigen wollte. e § 270 Ein Mitglied (Böhmer) 6 sagte, das Gerücht ginge, die Preußen wollten, wenn die Mainzer schwören würden, die Stadt in einen Aschenhaufen verwandeln. Allein Frankreich wäre mächtiger als alle Despoten zusammen. Er sagte ferner, er hätte auf einem Spaziergang nach Weissenau noch ein Schild mit der Aufschrift Judenzoll gesehen; er denunziere alle jene, deren Schuld es wäre, daß das Schild noch da wäre. Er sagte: Es ist ja der Zweck unsrer Gesellschaft, zu belehren; warum habt ihr euren Zweck verfehlet dadurch, daß ihr auf Sonntage, wo die meisten Bewohner Muße haben, euch beizuwohnen, keine Sitzungen haltet und statt dessen Schauspiele halten lasset. Ich ehre die Schauspieler und ihren Zweck; allein man darf deswegen die Sitzungen nicht aussetzen. Ich fordre also, daß künftighin am Sonntage dennoch Sitzung gehalten werden soll. Ein Mitglied (Metternich) bemerkte darüber, daß die Schauspieler nutzten; man sollte am Sonntag Komödie halten lassen, indem die Schauspieler Gefühl erregten. Ein Mitglied (Müller) sagte, der erste Sprecher sei sehr übel gegen die Komödie gestimmt; auch habe er zu den Deputierten des Nationalconvents gesagt, es wundre ihn sehr, daß man Komödie spiele, da sie einen unedlen Zweck hätte. Das hier angegriffene Mitglied (Böhmer) leugnete dieses und sagte, er hätte den Deputierten gesagt, er wundre sich, daß man Komödien aufführte, die den edlen Zweck nicht hätten, den die Sitzung hätte. Die Deputierten wären auch seiner Meinung gewesen. Er sagte, der Zweck der Schauspieler wäre sehr edel, allein es gäbe wenige deutsche rein patriotische Stücke, und begehrte, die Gesellschaft solle alle Sonntage Sitzung halten. Ein Mitglied (Metternich) begehrte Aufschub bis zur nächsten Sitzung, weil nur wenige Glieder mehr da wären. Man debattierte hierüber, und die Gesellschaft beschloß, die Sache in der nächsten Sitzung zu entscheiden. § 271 Die Gesellschaft beschloß, am Sonntage, dem 24. Februar, weil an diesem Tage keine Komödie gespielt würde, Sitzung zu halten. Die Sitzung wurde geschlossen. a

b

c

6

Wahrscheinlich war es Johann Peter Müller, der vielleicht wegen anfänglicher Abwesenheit des Präsidenten Metternich - später trat Metternich sogar als Redner auf - an diesem einen Tage den Klubvorsitz übernommen hatte. Mit der Aussonderung solcher schriftlicher Gesuche aus der zu verlesenden Korrespondenz wurde die Erwähnung der Streichungsanträge in den folgenden Protokollen noch spärlicher. Nachweislich ohne Erwähnung aus der Klubliste gestrichen wurde beispielsweise am 24. Februar auf eigenes Begehren Kaspar Janda. (StA Würzburg, MRA V Klubisten, N r 339) Die Zuschrift der Völksfreunde zu Carpentras an den Pariser Konvent stammte vom Der Name steht unter Fehlzeichen am Rande.

730

23. Februar 1793

24. Januar, wurde im Bürgerfreund, Nr 16 vom 22. 2. 93, S. 68, abgedruckt und hatte folgenden Wortlaut:

Stellvertreter des Volkes! Die freien Menschen wünschen Euch Glück wegen dem bewiesenen Männermut. Ihr habt Euere Pflicht erfüllt, indem Ihr den Capet des Hochverrates schuldig erklärt, die Appellation ans Volk verworfen und sofort den Tyrannen zum Tode verurteilt habt. So ist nun der erste, aber auch der starke Stoß den wankenden Thronen der Despoten versetzt. Ihr habt den Völkern ein großes Exempel zur Nachahmung vorgezeichnet; auch habt Ihr die Republik gerettet. Die Könige und ihre Anhänger drohen uns, sie haben sich gegen uns verbündet, das wissen wir. Der Tod eines Tyrannen, die Handlung der Gerechtigkeit und Tugend, ist in ihren Augen ein Verbrechen; aber wir spotten ihrer tollen Wut. Sind die Despoten, sind die Völker, die sich nicht schämen, ihre Sklaven zu sein, etwa zu fürchten? Wir wollen durchaus frei sein, und können wir da überwunden werden? Die gekrönten Zwerge werden nur durch den Angriff auf uns ihren Untergang beschleunigen; desto geschwinder wird die Freiheit das kostbarste Kleinod aller Völker der Erde werden. Wir versammelten uns nach erhaltener Nachricht Euers gerechten Urteiles und schwuren allen denen den Untergang, die es gelüsten wolle, auf Capets Trümmern je einen Königsthron zu errichten. Dieser Schwur, den alle Franken mit uns taten, wird die Ehrgeizigen mit Schrecken erfüllen, welche ihre Herrschersucht nur auf Kosten der Republik befriedigen wollen. Die Römer waren nicht das, was die Franken sind, sie waren außerhalb ihres Landes greuliche Despoten, und innerhalb genossen sie nur den Schatten der Freiheit, ohne Unterlaß waren sie von zwo innerlichen Parteien gehudelt; und Römer waren nie von dem Hochgefühle zur Freiheit entflammt wie die Franken; und doch gebar Rom einen Mucius, der allein den Porsenna mit seiner Armee, die den Tarquin beschützte, in die Flucht jagte. Lange nachher lieferte Rom einen Servilius, der dem Melius, dem Mitverschwornen gegen die Freiheit, den Dolch in die Brust stieß. Dieses Rom, die Bezwingerin der benachbarten Staaten, ward endlich durch die Gallier in einen Schutthaufen verwandelt, und die Republik bestand nur noch auf dem Kapitolium. Marcus Manlius rettete nun wieder Roms Freistaat, indem er die Gallier von dem Felsen stürzte, den sie bestürmten; allein er selbst, dieser Marcus Manlius, ließ sich's einfallen, König zu sein, und ebender Fels(e), auf welchem er so große Ehre eingeerntet hatte, ward ihm zur Strafstätte. Und die Franken sollten weniger Mut und Unerschrockenheit haben als die Römer? Nein, draußen werden wir dem Marcius und im Innern dem Servilius und dem Cassius und Brutus gleichen; dieses schwören wir freie Männer von Carpentras. Hierbei folgen über 600 Unterschriften. d

Solch eine Versicherung hatten bereits tags zuvor die Konventskommissäce für Mainz ausgestellt und der Munizipalität überbringen lassen: «Nous députés à la Convention nationale de la république de France et ses commissaires aux armées du Rhin, des Vosges, et de la Moselle, particulièrement chargés de l'exécution des décrets du 15, 17 décembre et 31 janvier, promettons au peuple mayençais au nom de notre république de ne jamais exiger qu'aucun

23. Februar 1793

e

731

citoyen serve dans nos années. A Mayence, le 22 février 1793 l'an 2 de la république de France. Les commissaires de la Convention nationale Reubell, Merlin de Thionville, N . Haussmann.» ( A D p Lühben, Packen 116 - Mainzer Stadtarchiv 11/36, Tom. XVII) Vgl. Protokoll vom 21. 2. 93 § 258, Anm. c. Trotz dieser Zusage von Seiten der Munizipalität blieb Koch weiterhin in Haft. Am 12. März wandte er sich als „Mitbruder" in ungelenken Worten brieflich „an die Gerechtigkeit liebende Jakobinerversammlung zu Mainz" mit der dringenden Bitte, seine und seines Vaters Sache - beide säßen seit sieben Wochen im Arrest, und sein Verhör wäre schon vor vier Wochen abgeschlossen - zu beschleunigen. Er dankte für die der Mutter erwiesene Unterstützung: „Von dem Zustand, in welchem sich meine Mutter befindet, ist Eudi bekannt, indem sie von Euere gütige Zusammensteuer ein Gesdienk erhalten. Ich danke Euch deswegen." Er schloß mit der Versicherung: „Idi werde alle meine Kräfte daran wenden, Euch, Euere milde Gaben durch meinen patriotisdien Eifer und durch meinen zukünftigen Lebenswandel, welches ich für die Beschützung der Freiheit und Gleidiheit und für Euch aufopfern werde." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 4, fol. 50) Anfang April befand sich zwar der Vater Sebastian Koch in Freiheit, aber der Sohn saß immer noch auf dem Holztor. Am 4. April veranlaßte das Justizkomitee der neuen Administration, daß die vom Vater übergebene Vorstellung zugunsten des Karl Koch der Mainzer Universität mit dem Auftrag zugestellt wurde, diese „peinliche Untersuchungssache" entweder schleunigst zu beenden oder innerhalb von zwei bis drei Tagen eine Stellungnahme vorzulegen. (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 509) D a ß republikanische Behörden mit Koch ein Klubmitglied festsetzten, blieb kein Einzelfall. So wurde Mitte Februar 1793 der Student und Kinderlehrer Friedrich Karl Heimberger wegen Wechselfälschung, also wegen eines eindeutig kriminellen Vergehens, verhaftet. Sein Versuch, die Klubmitgliedschaft zu nutzen, um seine Situation günstig zu beeinflussen, hatte keinerlei Erfolg; am 13. 3. 93 hatte er es mit einem Brief „an die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit des wachthabenden Ausschusses in Mainz" versucht: „Liebe Mitbrüder! Das Unglück betraf mich, in der Prison sitzen zu müssen; wiewohl ich kein Verbrecher der Gesetze bin, so scheinen bald alle meine angewendete Bitte und Mühe um meine Erlösung und geraubte Freiheit vergebens zu sein. Der einzige trostreiche Gedanke für mich fiel mir soeben ein: Euch, Mitbrüder, meine unglückliche elende Lage, in die ich unter der Despotie noch nicht fiel, zu eröffnen und flehendlichst Euch zu bitten, aus Bruderliebe zu meiner verlornen Freiheit und Erlösung behilflich zu sein. Ich weiß nicht, woher es kommen mag, daß man mich so lang Eurer brüderlichen Gesellschaft entziehet, da mir zwar eine hochweise Munizipalität versprach, mich, sobald es möglich sein kann, loszumachen. D i e vielen Geschäfte mögen vielleicht auch schuld sein, da sich die Bürger des Schwörens wegen mit Gewalt weigern, daß man deswegen meine Sache nicht sogleich entscheiden kann; und das ist eben das Empfindlichste für mich, daß ich zu der Zeit eben nicht auch für die Freiheit und gute Sache mitarbeiten helfen kann, da ich dieser Freiheit zu Gefallen 36 Stunden weit hierher reiste, meine Despotie verließ und mich mit Euch Brüdern der Rechtschafienheit und Liebe vereinigte. Und glaubet fest, Brüder, daß ich allein schon nur durch Briefwechsel mit den Vornehmen meines Orts meine ganze Geburtsstadt in den Gesetzen der Freiheit der Republik unterrichtete, daß ich eben von diesem Gemeinderat Briefe bekam, daß sie jetzt ihrer Sklaverei müde sind und mit Sehnsucht die Erlöser, die Franken, erwarten, auch desfalls schon wirklich heimlich eine Gesellschaft miteinander bilden. Mein Verlangen zu Euch, Mitbrüder, treibt mich um so mehr an. Euch zur Hilfe meiner Be-

24. Februar 1793

732

freiung aufzufordern, besonders da ich als Klubist meinen abgelegten Eid nochmal aufs neue dem Volke und den Gesetzen schwören möchte. Ich verlasse mich daher auf Euch, liebe Mitbrüder, und durch Euch kann ich wieder zu meiner Freiheit gelangen, durch Euch werde ich fähig, in Freiheit zu leben und für die Freiheit zu streiten, bis alle um uns liegenden Despoten und Tyrannen ins Reich der ewigen Verwerfung verdammt sind. Euer seufzender Mitbruder Karl Heimberger, Lehrer Eisentörchen, den 13. des März 1793, im 2. Jahr der Freiheit Die Ursach meiner Arretierung will ich kurz sagen. Ein Schulkandidat, aus Kleinwallstadt gebürtig, der mich zwar kannte, aber nicht durch Umgang, ersuchte mich freundschaftlich, weil ich mit vornehmen Leuten in der Stadt bekannt wäre, auf einem vom Niederolmer Gerichte ausgefertigten Aufsatz Geld auszumachen, mit der Aussage: Ein Niederolmer Mann namens Müller, der ihm gut bekannt sei, auch schon oft bei ihm gewesen, hätte ihm diesen Aufsatz, weil er krank wäre, geschickt, für ihn Geld auszumachen. Da ich aber, sagte dieser, nicht so bekannt bin in der Stadt als ich, so wollte er mich deswegen gebeten haben, ihm und auch dem Manne den Gefallen zu tun. Ich nahm diesen Aufsatz, dachte an nichts weiter, als daß die ganze Aussage gegründet sei, ging ohne allen Scheu zu jedem, und es wurde gleich entdeckt, daß dieser Aufsatz falsch ist. Da man nun glaubet, ich hätte Umgang mit diesem Schulkandidaten, der auch sitzen soll, wie ich hörte, gehabt, wurde ich festgesetzet, wurde auch schon verhöret, und Bürger Gemeindsprocuratorsubstitut Niederhuber und Gemeindsprocurator Waßmann haben meine Akten. Tun Sie mir die Bruderliebe an und schreiben Sie mir einige Zeilen, und trösten Sie mich dadurch in meiner vier Wochen langen Gefangensdiaft." (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 305) Wenn Heimberger in der zweiten Märzhälfte aus dem Gefängnis entlassen wurde, so um ihn über die Brücke ins feindliche Gebiet abzuschieben und sich von einem Kriminellen zu befreien. Heimberger, der nicht versäumte, sich nunmehr als von den Mainzer Jakobinern Verfolgter darzustellen, fälschte in Frankfurt flugs drei weitere Wechsel und saß bereits am 8. April wieder hinter Schloß und Riegel. (Ebenda, Nr 304, 305)

Protokoll der Sitzung vom [Sonntag,] 24. Februar 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik Präsident

Cotta1

§ 272 Man verlas das Protokoll der vorigen Sitzung und ging zur Korrespondenz über. Ein Mitglied {Hausmann) las einen Brief von dem Pfarrer von Na[c]kenheim vor, worin derselbe seinen aristokratischen Sinn sehr deutlich zeigte, indem er schrieb, er führe das Präsidium bei seiner Gemeindeversammlung. 1 ' § 273 Ein korrespondierendes Mitglied (Stenner) machte der Gesellschaft bekannt, daß die Gemeinde (Bretzenheim) sehr damit zufrieden gewesen wäre, daß sie hätte schwören sollen, allein ebenso unzufrieden wäre sie auch gewesen mit dem dahin gesandten Commissaire (Boost), der sich

24. Februar 1793

733

zwei Nächte hindurch bei den berüchtigsten Aristokraten daselbst aufgehalten und hernach gesagt hätte, sie sollten sich eine den Franken ähnliche Konstitution geben, aber nur solche zu ihren Vorstehern wählen, welche zugleich deutsch und französisch sprächen etc. Ein Mitglied {Hauser) machte die Motion, die Gesellschaft solle den als korrespondierendes Mitglied gegenwärtigen Bruder einladen, sich zu den Deputierten des Nationalconvents zu begeben, damit er einen andern Commissaire mit sich dahin bekäme, der die Gemeindeversammlung besser zurechte brächte, zumal (en) da die nämliche Gemeinde bei Pflanzung des Freiheitsbaumes fast durchgängig sich so patriotisch gezeigt hätte.c Angenommen. § 274 Der Präsident1 beklagte sich darüber, daß das Comité de surveillance der Gesellschaft keinen Bericht mehr abstatte. § 275 Nach Ablesung der Polizeicommissaire für die nächste Sitzung führte die Tagesordnung zur Aufnahme der neuen Kandidaten. Drei französisdie Kandidaten {Gumpertz, Rensch und Germain) wurden aufgenommen. § 276 Man ging zur Entscheidung der in der letzten Sitzung ajournierten Frage über: Soll am Sonntage Sitzung und Komödie oder Sitzung und keine Komödie sein? Ein Mitglied {Böhmer) bemerkte, daß er zwar den Zweck der Komödie als sehr gut erkenne, allein der Zweck der Gesellschaft wäre, nicht durch Komödie, sondern durch Vorträge der Entwicklung der Vorzüge der Frankenkonstitution zu belehren. Er begehrte, die Gesellschaft solle ihren Schluß, am Sonntage keine Sitzung zu halten, wieder aufheben, weil am Sonntag der größte Teil des Volkes unsren Sitzungen beizuwohnen Muße hätte. Ein Mitglied {Cotta) bemerkte, daß, da die Gesellschaft ihre Sitzungen im Komödienhause zu halten beschlossen hätte, daß sie zugleich aber auch beschlossen hätte, sich vorher erst mit jenen zu besprechen, welche Komödie spielen wollten, weil denen zuerst das Haus von der Munizipalität gestattet worden sei. Ein Mitglied {Hausmann) unterstützte den ersten Sprecher und sagte, die erste Bemühung der jungen Leute müsse sein, Patriotismus zu verbreiten, nicht aber Komödie zu spielen. Ein Mitglied {Bois) sagte, das Komödiehalten und das Halten unsrer Sitzung könnten beide am Sonntage gehalten werden. Ein andres Mitglied {Wedekind) sprach dagegen und sagte, alsdann würden entweder wenige in die Gesellschaft oder wenige in die Komödie kommen, der Zweck würde also alsdann auf den zwei Seiten verfehlt. Ein Mitglied {Vincent) machte einem andern {dem Böhmer) den Vorwurf, daß er gesagt hätte, 1) daß junge Leute nicht wohl Komödie spielen könnten; 2) sagte er: wenn sonntags keine Komödie ist, so leiden die Armen den Schaden; 3) man muß die Sache ajournieren und der Schauspielergesellschaft2 vorlegen, ob sie uns wolle den Saal geben. Das andre 1

Geändert statt: „Ein Mitglied ( C o t t a ) " . - „Schauspielergesellschaft" geändert statt: „Munizipalität", nach dieser Änderung vermutl. erst der Nebensatz zugefügt.

734

24. Februar 1793

Mitglied (Böhmer) verteidigte sich und antwortete auf 1), die jungen Leute können nicht gut Komödie spielen und dadurch nützen, weil sie Anfänger sind; ad 2) die Gesellschaft hat einen Ausschuß, wodurch sie Wohltätigkeit für den Körper ausübt, und sie hält Sitzungen, wodurch sie für die Seele wohltätig ist; ad 3) der Munizipalität haben wir die Sache nicht vorzulegen, weil sie uns den Saal gelehnt hat. Ein Mitglied {Simon) bemerkte, die Streitfrage beruhe auf zwei Punkten, 1) will die Gesellschaft sonntags Sitzung halten? 2) wo will sie dieselbe halten? E r begehrt, die Gesellschaft solle Deputierte an die Munizipalität senden mit der Frage, ob dieselbe den Saal der Gesellschaft oder den Schauspielern leihen wolle. Ein Mitglied (Reubel) schlug vor, das Comité d'instruction sollte den nächsten Freitag 3 hierüber einen Bericht abstatten, da dieses eine allerdings wichtige Sache wäre und da die Gesellschaft schon einen Schluß hierüber gefaßt hätte. Unterstützt und angenommen. § 277 Ein Mitglied (Debillaud) erklärte, daß ihm ein Haus bekannt wäre, auf welches man, wenn man das Dach aufhebe, schicklich 6 Batterien aufrichten könne.4 Ein Mitglied (Mercklein) sprach, der vorsprechende Bruder 5 solle dem Etatmajor die Anzeige machen. Ein andres Mitglied (Simon) schlug vor, der Bruder {Debillaud) solle es den Deputierten des Nationalconvents anzeigen. Angenommen. Der Präsident forderte den Bruder (Debillaud) auf, die Sache bei den Deputierten anzuzeigen, und ein andrer Bruder (Simon) bot sich auf Begehren der Gesellschaft an, denselben dahin zu begleiten. § 278 Die sonntägliche Sammlung für die Armen wurde vorgenommen, und das Comité de bienfaisance erhielt 1 fl. 27 kr. § 279 Ein Mitglied (Wedekind) wollte den in der vorigen Sitzung versprochenen Anfang der Erklärung der Menschen- und Naturrechte unternehmen, allein es war zu spät, er erhielt also das Wort für die nächste Sitzung"1, und die Sitzung ward geschlossen. » Vgl. Protokoll vom 19. 2. 93 Anm. a. Des Pfarrers Arand Brief, der diese herbe Kritik erfuhr, war in gänzlich anderer Absicht ge-

b

schrieben und wurde auch entgegen Haussmann, der sich an einer einzigen

Formulierung

stieß, in der MNZ, Nr 24 vom 25. 2. 93, mit einem positiven Kommentar abgedruckt; der Brief lautete:

Hochzuverehrende Nationalconventskommissarien,

liebste Brüder und Freunde!

Die im Regimente der Dinge sitzende Vorsehung segnete meine Pastbralunterrichte auf folgende Weise : Nach 7 Uhr ließ ich sämtliche Pfarrbürger in den Pfarrhof berufen, und nach hingelegten Gründen und beantworteten Einwürfen fragte ich sie, ob sie .meine Person als Pfarrer beizubehalten wünschten? Auf die Herzens-Jaantwort erwiderte

ich, daß diese Beibehaltung sich ohne Ablegung des Eides nicht denken lasse. -

3 4 5

„Freitag" geändert statt: „Dienstag". Es folgt die Streichung: „Er begehrt, der Präsident". Verbessert statt: „der Bruder".

24. Februar 1793

735

Nach nochmaliger Eideserklärung ließ ich zusammenläuten. Vor dem Anfang der Pfarrmesse beteuerte ich feierlich, daß der abgeforderte Eid der cbristkatholiscben Religion nicht schädlich sei und daß ich unter die Zahl aufhetzender Volkspriester, welche die Besteigung des Altars nicht verdienen, ungezählt sein wolle. Nach geendigter Messe, welche die Musikanten des durchaus braven 6. niederrheinischen Bataillons mit dem der heutigen Nationalfeierlichkeit entsprechenden 9a ira anfingen, wiederholte ich in möglichster Kürze alle Pastoralunterrichte. Zufriedenheitstränen zitterten in den Augen meiner Pfarrbürger. - Die Handlung nahm ihren feierlichen Anfang, der vorgeschriebene Eid wurde unter der auferbauendsten Rührung geleistet, ich als Stimmensammlerpräsident bin schon so weit gekommen, daß die Zettel (n) für die Wahl des Maire und Gemeindeprokurator schon im Kelche liegen. Die ganze Handlung wird sich zur Beschimpfung aufhetzender Kreaturen und Volksfeinde endigen, ohne daß zum Anfange und Fortgange militärische Hülfe vonnöten - Ich empfehle mich Ihrer Liebe und bin Bärgerkommissarien l Ihr beeidigter Nationalpfarrer Arand, der Weltweisheit und Gottesgelehrtheit Doktor Nackenheim als dem Mainzer Grenzorte am 24. Februar 1793, im 2. Jahre der Frankenrepublik Die Mainzer National-Zeitung ließ diesem Brief noch einen Bericht des Daniel Stamm aus Nackenheim vom 24. Februar folgen, der den weiteren Verlauf der Wahlhandlung schilderte : „Nachdem die ganze versammelte Bürgerschaft den Eid der Treue, Freiheit und der Gleichheit geschworen hatte, so schritt sie zur Wahl ihres Maire, Munizipalbeamten und Deputierten des National-Convents über und wählte zu letzterem den biedern Pfarrer Arand. Abends sicherte ihn der Bürger Stamm im Namen der Abgeordneten der Franken Schutz, Sicherheit und Freundschaft zu. Gegen acht Uhr war der ganze Ort erleuchtet, der Pfarrer, der Kommandant Mainoni, die ganze Bürgerschaft, alle dort kantonierten Freiwilligen zogen unter dem Klange der Musik und unter dem Geschrei: es lebe die Nation, es lebe die Republik, die Straßen durch und längs (t) dem Rhein auf und nieder. Die Feinde der Menschheit sammelten sich an jenseitigem Ufer, der brüllende Donner unserer Kanonen machte ihnen bekannt, daß die Einwohner zu Nackenheim die ersten waren, die die Franken mit brüderlicher Liebe empfingen und nunmehr die ersten sind, die freudig das Joch der Sklaverei abschüttelten.

c

Der Bürger Aide de Camp des Haupt-Generals, Daniel Stamm" Der Intervention Philipp Stenners lagen neben sachlichen offensichtlich auch persönliche Motive zu Grunde, vgl. dazu Protokoll vom 28. 2. 93 §304, Anm. b. Pfarrer Faulhaber von Bretzenheim schilderte die Wirksamkeit des Kommissärs Boost als insgesamt erfolgreich und betrachtet die Intervention Stenners als gegen sich als Eidverweigerer gerichtet: „Den 19 Februar kam der Kommissarius Boost, ehemals Amtsverweser zu Höchst, nunmehr procurator generalis, nach Bretzenheim, um mich und sämtliche Gemeindeglieder zur Eidesleistung aufzufordern Ich entwarf die buchstäblich niedergeschriebene Erklärung

736

d

26. Februar 1793

,Auf die von dem Herrn Boost getane Aufforderung einer Eidesleistung erklären sich Unterzeichnete mit den(en) in dem vom gesamten Clero an den Bürger General Custine übergebenen Promemoria enthaltenen Schlußworten: »Die bürgerliche Verfassung liegt außerhalb des Wirkungskreises eines Geistlichen; wir werden eine jegliche legal verfertigte bürgerliche Verfassung um so eh(end)er uns gefallen lassen, je mehr die reine katholische Religion mit jeglicher RegierungsfQrm sich verträgt.« Erkennen uns aber während des Aufenthaltes des Herrn Generals im Kurtum Mainz dazu verpflichtet, daß wir nichts Feindseliges gegen die Franken unternehmen. Wir wünschen allen unsern Mitbürgern die möglichste Stufe der Glückseligkeit, Frankreich und Deutschland baldige Ruhe und Frieden. Beide Priester des Friedens F. A. Faulhaber, Pfarrer zu Bretzenheim] Augustin Keck, Kaplan daselbst.' Ich ließ diese Erklärung von meinem mir freiwillig beigegebenen Kaplan unterzeichnen, übergab sie dem Commissario, der bei mir das angebotene Logis akzeptierte, mit Verweigerung des geforderten Eides, und sie wurde gut aufgenommen. Nur sagte Boost zu mir: Reden Sie ja nicht öffentlich gegen die fränkische Konstitution, damit Sie keinen Verdruß bekommen. Von meiner Pfarrgemeinde schwuren mindestens 60, jedoch ohne Solennitäten, oder vielmehr versprachen sie mit Handesleistung, die fränkische Konstitution anzunehmen, schritten zum Wahlgeschäft, wählten vorzüglich alte Männer zu Skrutatoren .[...] Nach dieser vorgenommenen Organisation der Gemeinde Bretzenheim ging Boost nach Mariaborn, um ein Gleiches dort vorzunehmen. Den 24. Februar machte mein ehemaliges Pfarrkind, nunmehr bei Finthen wohnhaft, P[hilipp] S[tenner], die Motion im Klub, Boost hätte Unvorsichtigkeit gehabt, bei dem erzaristokratischen Pfarrer zwei Tage und zwei Nächte zu logieren; er hätte noch die Unförmlichkeit begangen, die Gemeinde durch einen Glockenschlag um 6 Uhr aufrufen zu lassen. Er verlangte die Beigebung eines andern Kommissärs, um mich von der Pfarrei zu entfernen und so die übrigen Bürger zur Eidesleistung eh(end)er zu vermögen. Von diesem Vorgang wurde idi durch einen gewissen D „ der, in dem Klub zugegen, alles mit anhörte, den Montag früh benachrichtigt." (Aufzeichnungen Faulhabers, Sp. 182 f.) Wie aus den Aufzeichnungen Faulhabers weiterhin hervorgeht, hatte Stenner insofern Erfolg, als Hauser im Auftrage der Konventskommissäre zusammen mit Zech und Stenner am 25. Februar in Bretzenheim erschien, um;den Pfarrer nach Mainz zu schaffen, von wo er zwei Tage später über die Brücke mit verbundenen Augen zu den preußischen Vorposten bei Hochheim gebracht wurde; (ebenda, Sp. 183 und 202 ff.). Vgl. Protokoll vom 21. 2. § 260 und vom 26. 2. 93 § 283, Anm. b.

Protokoll der Sitzung vom [Dienstag,] 26. Februar 1793, im 2. Jahr der Frankenr[epublik] Präsident Metternich § 280 Nach Ablesung des Protokolls der vorigen Sitzung ging man zur Korrespondenz über. Die in der vorigen Sitzung deutsch1 vorgelesene Adresse von Carpentras" an das Nationalconvent wurde französisch vorgelesen. Man verlas einen Brief von Chäteauroux2 an die Gesellschaft und beschloß, ihn in der nächsten Sitzung in deutscher Sprache vorzulesen. 1 2

„deutsch" zugefügt; der Ortsname im Manuskript wieder „Carbendras" geschrieben. „von Chäteauroux" am Rande ergänzt.

26. Februar 1793

737

§ 281 Der Präsident machte der Gesellschaft bekannt, daß notwendigerweise morgen, Mittwoch, am 27. Februar, Comité général sein müsse, um einen neuen Präsidenten und Vizepräsidenten zu wählen und die unordentlichen Comités in Ordnung zu bringen. Angenommen. Er lud also die Mitglieder ein, sich alle einzufinden. § 282 Der Präsident ernennte die Polizeicommissaire für die nächste Sitzung. § 283 Ein Mitglied {Wedekind) fing mit der Erklärung der Rechte des Menschen und der Natur an.b §284. Ein Mitglied {Cotta) machte bekannt, daß man ein Projekt zur Erklärung der natürlichen bürgerlichen und politischen Rechte des Menschen3 in 33 Artikeln erfunden habe.c § 285 Ein Mitglied {Metternich) sprach über die Hartnäckigkeit der von Pfaffen und Anhängern der Fürsten verführten Mainzer.*1 Er sprach davon, wie hart es ihm gehalten habe, einige zu beruhigen und zu überzeugen. Er sagte, der Nachbar solle doch zum Nachbarn sprechen und ihn überzeugen. Er sprach von der Hartnäckigkeit des Pfarrers von Bingen und seinen Kaplänen, da er sie belehren wollte.® Ein 4 Mitglied {Cotta) bemerkte, in der Stadt ginge das Gerücht, die Mitglieder der Gesellschaft hätten nicht einmal alle in der Urversammlung5 geschworen. Er macht die Motion, dem Comité de surveillance aufzutragen, der Gesellschaft jene genau ausfindig zu machen, die nicht in der Kirche geschworen hätten, damit sie für immer von der Gesellschaft mit einer besondern Note6 ausgeschlossen würden. Angenommen. Ein Mitglied (Wedekind) setzte hinzu, auch jene aufzufordern, die sich ins Rote Buch eingeschrieben hätten, und jene, die aus der Gesellschaft getreten wären7, zu schwören oder sie als Verräter zu erklären.1 Ein Mitglied {Cotta) bemerkte, daß wir gegen jene, die keine Glieder unsrer Gesellschaft wären, nichts beschließen könnten. Der andre Bruder {Wedekind) sagte, wir hätten aber doch gewiß das Petitionsrecht an die Deputierten des Nätionalconvents. Ein Mitglied {Cotta)8 sagte9, wir könnten doch nichts anderes gegen sie zuwege bringen, als was man gegen jeden andren ausrichten könnte. Er begehrt, man solle sich deshalb an die Munizipalität und nicht an die Deputiertefn] des Nationalconvents wenden. Ein Mitglied {Metternich) begehrte hierüber Ajournement. Angenommen. § 286 Ein französischer Bruder {Riquot) [Rigaud] sprach von der Hartnäckigkeit der Mainzer und der Bosheit der verführenden Pfaffen und begehrte das Wort für die nächste Sitzung. -1 „des Menschen" am Rande ergänzt. 4 Davor steht noch einmal „§ 285" bzw. nach falscher Zählung „§ 185". 5 Davor steht der Wortanfang „Gen" gestrichen, sollte vermutl. Generalversammlung heißen. 0 „mit einer besondern Note" am Rande ergänzt. 7 „und jene . . . wären" am Rande ergänzt. " „Cotta" unter Fehlzeichen am Rande ergänzt. 9 Statt ursprüngl.: „begehrte". 47

Scheel, P r o t o k o l l e

738

26. Februar 1793

§ 287 Ein Mitglied {Wedekind} begehrte, das Comité de surveillance soll genau untersuchen» durch welche Mittel und von w e m das Rote Buch sei unterdruckt worden.« Angenommen. 1 0 D i e Sitzung wurde geschlossen. ? Vgl. Protokoll vom 23. 2. 93 § 266, Anm. c. t> Die schon zweimal angekündigten umfangreichen Ausführungen Wedekinds - vgl. Protokoll vom 21. 2. § 260 und vom 24. 2. 93 § 279 - werden hier vollständig mitgeteilt, obwohl er sie an diesem Tage keineswegs beenden konnte. Er brachte sie auch als selbständige Flugschrift heraus, die das MI, Nr 22 vom 16. 3. 93, S. 129, als erschienen anzeigte und die den Titel trug: „Die Rechte des Menschen und Bürgers, wie sie die französische konstituierende Nationalversammlung 1791 proklamierte, mit Erläuterungen von Georg Wedekind, Mitgliede des Nationalkonvents der freien Deutschen zu Mainz, Mainz im zweiten Jahr der Freiheit und der Gleichheit 1793." Darin waren der Rede folgende Bemerkungen vorausgeschickt: „Vorrede. Man hat an dem Aufsatze: Rechte des Menschen und des Bürgers manches zu tadlen gefunden. Aber welche Nation hat etwas Ähnliches aufzuweisen? Systçm und genauere Bestimmung wären freilich besser ausgefallen, wenn die Notwendigkeit, dem Volke den Kern des Natur- und Gesellsdiaftsrechts in die Hände zu geben, nicht so dringend gewesen wäre. Man wird dem neuen französischen Gesetzbuch die Rechte des Menschen und des Bürgers einschalten. Gut, demohngeachtet glaubte ich meinen Mitbürgern durch die Ausgabe der Rechte des Menschen und des Bürgers, wie sie die französische Nationalversammlung von 1791 entwarf, und durch die Erläuterung derselben nützlich werden zu können, da ich sie als eine Sammlung kurzgefaßter Sätze betrachte, die immer die allerwichtigsten Sätze bleiben werden, weil sie Wahrheiten in sich fassen, die dem Menschen am allerwichtigsten sind, weil sie ihn am nächsten angehen. Das Volk, dessen Aufmerksamkeit für diese Sätze gestimmt wird, gleicht dem ängstlich Träumenden bei seiner Rückkehr in die würkliche Welt." Die Rede selbst hatte folgenden Wortlaut : Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers Warum unterscheidet man in dieser Aufschrift zwischen Mensch und Bürger? Laßt uns zuerst fragen, was versteht man unter Rechten oder Gerechtsamen? D a s Recht ist die Befugnis, welche die Gerechtigkeit jedem gibt. Wenn ich sage: ich habe Recht zu dieser Sache, so heißt das soviel als: diese Sache gehört mir zu; oder nach Umständen: ich kann von ihr Gebrauch machen. Auf nichts habe ich Anspruch, was ungerecht wäre, ich kann nichts verlangen, was mir nicht gebühret. Also ist die Ungerechtigkeit die Grenze des Rechts; man sagt ja im gemeinen Leben: Niemand darf mehr verlangen, als was recht ist. Man kann mir nicht verweigern, daß ich mir etwas zueigne, was die Gerechtigkeit mir zuerkennt. So habe ich denn gerechten Anspruch auf alles, was die Gerechtigkeit mir erlaubt oder zueignet. Die Gerechtigkeit erlaubt mir aber alles das, was meinesgleichen nicht schadet - und darin besteht das Wesen der Gerechtigkeit. So habe ich denn ein Recht auf alles, was ich nehmen und dessen ich mich ohne jemands Nachteil bedienen kann. Es versteht sich auch von selbst, daß die Gerechtigkeit allen andern Leuten wiederum zu tun oder zu nehmen verbietet, was mir schaden könnte. Sie will, die Gerechtigkeit, daß keiner dem andern zu nahe trete. So habe ich denn ein Recht, alles das zu tun, was andern Leuten zu keinen gegründeten Beschwerden Gelegenheit geben kann - und ein Recht, nicht zu leiden, daß andere 10

E s folgt fälschlich noch einmal: „angenommen".

26. Februar 1793

739

etwas tun, was mir Nachteil bringen könnte. Seht, darin bestehen nun die Rechte des Menschen. Sie heißen Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung. Diese natürlichen Rechte der Menschen werden aber durch die bürgerliche Vereinigung derselben in einen Staatskörper nicht geschwächt noch zernichtet; vielmehr erhalten sie eine neue Stärke durch die bürgerliche Gesellschaft, welche ohne die wechselseitige Zusicherung derselben nicht glücklich sein, ja nicht einmal bestehen könnte, wenn man die natürlichen Menschenrechte bis über einen gewissen Punkt hintansetzen und verletzen wollte. Die Menschen würden sich denn entweder untereinander aufreiben oder aber auseinandergehen müssen. - J e vollkommener nun diese natürlichen Rechte von dem gesellschaftlichen Kontrakt, das ist von der Konstitution und der Regierung eines Landes, beschützt und jedem zugesichert werden, um so vollkommener ist die Landesverfassung. Wenn also die französische Nationalversammlung diese Rechte vor ihrem Gesetzentwurf bekanntmachte, so geschah das in der Absicht, um das Volk urteilen zu lassen, wie sehr ihre Gesetze mit diesen natürlichen Rechten harmonieren. Alle Bürger müssen mithin vollkommen dieser Rechte genießen; aber demohngeachtet können verschiedene Bürger auf verschiedene Rechte Anspruch machen, welche ihnen von der Gesellschaft eigen (d)s sind übertragen worden. So z. B. unterscheidet man zwischen einem stimmenfähigen {Aktivbürger) und einem nicht stimmenfähigen Bürger {Passivbürger), wozu alle jungen Leute unter 21 Jahren und alle Dienstboten gehören, indem man von den ersteren kein verständiges, von den andern aber, weil sie sich freiwillig in einen Stand der Abhängigkeit begeben haben, kein unparteiisches, freies Urteil erwartet. So haben auch nur Leute von wenigstens 25 Jahren auf Ämter im Staate Ansprüche. Mit verschiedenen Ämtern sind verschiedene Rechte verbunden. - Alle diese verschiedenen bürgerlichen Rechte laufen aber den natürlichen Rechten darum nicht entgegen, weil sie zu ihrer Erhaltung und Sicherung dienen müssen. - Ferner, nachdem die Lage eines Landes, nachdem der Himmelsstrich, nachdem die Erwerbsmittel der Inwohner usw. verschieden sind, nachdem können es auch die bürgerlichen Rechte sein; nur müssen sie nie denen des Menschen in den Weg treten, vielmehr zu ihrer Erhaltung würken. „Das ist gewiß alles sehr richtig", werden viele hier bemerken, „allein schade, daß die Ausübung nicht mit der Lehre, die Worte nicht mit der Tat übereinstimmen. Man hat doch seit dem Anfange der Revolution in Frankreich so manche harte Maßregel getroffen, man hat auch hier bei uns hin und wieder eine Strenge blicken lassen, welche dem Satze, daß die Rechte des Menschen denen des Bürgers nie aufgeopfert werden sollen, nicht gemäß ist." Die Grundsätze der Freiheit und der Gleichheit finden nur denn eine vollkommene Anwendbarkeit auf alle einzelnen Menschen, wenn sie als wahr anerkannt und begriffen werden, wenn man ferner ihre ruhige Anwendung zuläßt. Die Verteidiger der Freiheit und der Gleichheit verhalten sich zu ihren Gegnern, den Royalisten, Aristokraten und den Privilegierten, wie die Verteidiger der Toleranz zu den Intoleranten. So wie die Freunde der Toleranz (die alle mit dem Wohle

740

26. Februar 1793

des Staats vereinbaren Religionen geduldet wissen wollen) keine Religion dulden dürfen, welche Intoleranz zur Pflicht macht (welche ihren Anhängern befiehlt, daß sie keine anderen Glaubensgenossen neben sich dulden sollen), weil diese intoleranten (unduldsamen) Menschen als Feinde der toleranten (duldsamen) auftreten: so dürfen auch die Freunde der Freiheit und Gleichheit die Aristokraten nicht dulden, oder sie müssen selbst aufhören, Freunde der Freiheit und der Gleichheit zu sein. Nun ist mir aber erlaubt, gegen einen jeden Feind, der ein mir zuständiges Recht mir nehmen will, alle nötigen Maßregeln zu ergreifen, und mein Feind hat sich den Schaden selbst beizumessen, den ihm meine getroffenen Maßregeln verursachen. Der Zustand des Kriegs macht gewaltsame Maßregeln nötig, so auch der Zustand innerer Gärung, welche einen Staatskörper betrifft. Jedes nötige Zwangsmittel, zum Behuf der Freiheit und der Gleichheit angewandt, ist hier erlaubt, sobald es ohnmöglich ist, auf dem Wege der Güte zurechtzukommen. Der Weg der Güte besteht darin, daß wir den Leuten die Augen öffnen und ihre Vorurteile durch Vernunftgründe zu heben suchen. Mißlingt dieser Weg, so bin ich den der Gewalt einzuschlagen befugt, da mir für die Erhaltung meiner unveräußerlichen Menschenrechte jedes nötige Mittel wider meinen Feind zu Gebote steht. In diesem Falle der Selbstverteidigung befinden sich itzt die Franken. Wollen sie in dem Besitze ihrer von ihren Feinden angegriffenen Rechte der Freiheit und der Gleichheit sich erhalten, so müssen sie diese Grundsätze auch auf dem diesseitigen Ufer des Rheins gelten machen. Wer diese Grundsätze nicht annimmt, ist ihr Feind, wie jeder intolerante Mensch der natürliche Feind des toleranten ist, er mag auch im übrigen brav sein, er mag auch noch so viele Freundschaftsversicherungen ausstellen: trauen kann man ihm nicht. - So bleibt denn den Franken nichts übrig, als ihre Feinde zu entfernen und sie über den Rhein zu schicken. Alles, was von ihnen gefordert werden kann, bestehet darin, daß sie ihren Feinden nicht mehr Schaden zufügen, wie zur Erreichung ihres gerechten Zweckes unumgänglich erfordert wird. - Gebe Gott, daß wir bald im angenehmen Schatten unter dem Ölbaum des Friedens über die Rechte des Menschen und des Bürgers miteinander reden können! Die Stellvertreter des französischen Volks erkannten, daß Unwissenheit, Vergessenheit oder gar Verachtung der Menschenrechte die einigen Ursachen des bürgerlichen Elends und der Ausartungen der Regierungen sind. So haben sie denn die ohnverjährbaren und geheiligten Rechte des Menschen und des Bürgers öffentlich und feierlich bekanntzumachen sich entschlossen, damit dieselben allen und jeden immer vor Augen liegen und ihnen das Bewußtsein ihrer Rechte wie ihrer Pflichten immer gegenwärtig erhalten mögen; damit ferner alle Handlungen, sowohl der gesetzgebenden wie der vollziehenden Macht, bei jeder Gelegenheit leicht nach dem wahren Zwecke jeder öffentlichen Einrichtung beurteilt und darum auch durch Anerkennung ihres wahren Wertes um so genauer befolgt werden mögen; damit endlich auch inskünftige alle Forderungen und Ansprüche der ein-

741

26. Februar 1793

zelnen Bürger durch Beziehung auf einlache und unumstößliche Grundsätze dem allgemeinen Besten stets entsprechen mögen. Schlechte Erziehung, Einflößung einet Menge von Vorurteilen in der Jugend, Verfälschung der Religion zum Besten der Pfaffheit, des A d e l s und der Unterdrücker überhaupt, schlechte Beispiele endlich konnten es würklich dahin bringen, d a ß die natürlichen Rechte des Menschen (Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Sicherheit und Verteidigung) sozusagen in Vergessenheit gerieten. Der Beweis liegt schon darin, weil wir finden, d a ß die sogenannten wilden Völker, deren Rohheit wir beseufzen, richtiger darüber denken. Ein großer Teil unseres Wissens bestand darin, über Vorurteile und Meinungen, d i e man für ausgemachte Wahrheiten hielt, viele Spitzfindigkeiten zu erlernen und auszubrüten. Dadurch w u r d e die A u f merksamkeit für die dem Menschen am nächsten liegenden Dinge unterdrückt, vom Würklichen aufs Mögliche geleitet, und so entstand eine grobe Unwissenheit des Wissenswürdigsten - der Rechte des Menschen und des Bürgers. J a , es k a m sogar zur Verachtung dieser Rechte, w i e wir dieses am deutlichsten bei dem A d e l und bei der Geistlichkeit wahrnehmen, deren Hochmut und Unterdrückungsgeist einmal so tiefe Wurzel geschlagen hat, d a ß sie lieber als Halunken in der W e l t herumirren w i e durch eine feierliche Versicherung ihr Anerkennen der Grundsätze der Freiheit und der Gleichheit bezeugen wollen. J a , auch mancher Mensch vom Bürger- und vom Bauernstande ist so verblendet, d a ß er viel lieber dem augenscheinlichsten Elende sich aussetzen als die Rechte, deren Erhaltung Gott seinem

Verstände anvertrauet hatte, sich öffentlich

zueignen

- das heißt ja, den

Bürger-

eid schwören will\ Ist nun einmal das traurige Los der Menschheit, über Dinge, d i e unserm Verstände am nächsten liegen, die am nächsten uns angehen, so leichtsinnig wegzusehen, denn w a r es ohnstreitig ein höchst lobenswürdiger Entschluß der konstituierenden Nationalversammlung Frankreichs (von 1791), durch eine Art von Proklamation d i e Rechte des Menschen und des Bürgers jedem vor Augen zu legen und sie dem Gesetzbuche, welches jeder Bürger besitzen muß, einzuverleiben, damit sie niemals wieder in Vergessenheit geraten können und damit niemand weder von dem Staate noch von einzelnen Menschen etwas begehren möge, welches den natürlichen Rechten entgegenläuft. D i e Menschen haben sich in eine Gesellschaft vereiniget, um sich wechselseitig ihre Freiheit und ihre natürlichen Rechte einander zu verbürgen. Also hat der in der Gesellschaft lebende Mensch oder der Bürger das Recht, an der Bestimmung der Gesetze, welche seine Menschenrechte sicherstellen sollen, teilzunehmen, sich jeder Beeinträchtigung derselben zu widersetzen und nur den Anordnungen Folge zu leisten, die er entweder selbst getroffen oder in welche er doch gebilliget hat, w ä r e es auch nur insofern, als er sich dem allgemeinen Willen unterwirft. Diesem allgemeinen Willen (der M a j o r i t ä t ) nur unterwirft sich jeder, dem die Erhaltung seiner Freiheit lieb ist, d a dieser allgemeine Willen nie ungerecht sein kann, indem jedes Glied der Gesellschaft daran Anteil nimmt. Wenn diejenigen, welche gehorchen, die Gesetze, welche sie zu befolgen haben, selbst machen, so können sie sich auch nie mit der Unkenntnis des Gesetzes entschuldigen. Dieses jedem Bürger zuständige Recht, seine Stimme mit der allgemeinen Volksstimme zu verbinden

742

26. Februar 1793

oder im Gegenteile allen den Gesetzen seine Zustimmung zu versagen, welche seine rechtmäßigen Ansprüche verletzen würden, das, sage ich, ist die Schutzwehre seiner Rechte, denn ohne sie würde nie die Mehrheit der Stimmen herrschen. Wer dieser Schutzwehre entbehren muß, ist nicht frei, der hat keine Rechte, ist kein Bürger mehr - ist Sklav. Die Rechte der Bürger zusammengenommen sind die Rechte des Volks oder der Nation. Hat jedes Volksglied nur sich selbst(en) zu gehorchen, indem es das Gesetz befolgt, so muß auch das ganze Volk nur seinem eigenen Willen unterworfen sein. Und darum ist auch das Gesetz nichts anders als der allgemeine Willen aller, das heißt der ganzen Nation, welchem keines einzelnen Wille vorschreiben darf. Dieses Recht des Volkes macht seine Souveränität aus. Wenn eine ganze Nation etwas will, so kann ihr Wunsch, wenigstens ihrer Absicht nach, nicht anders als gerecht sein. Das liegt in der Natur der Sache, da nie eine ganze Nation etwas Wollen kann, wovon sie einsiehet, daß es den gerechten Ansprüchen jemands entgegen wäre. So bestimmt denn die Gerechtigkeit ihres Willens ihr Recht; denn die Souveränität des Volks hört wie das Recht eines einzelnen da auf, wo die Ungerechtigkeit anfängt; das heißt, sie kann sich nie bis zu Anmaßungen erstrecken, wodurch die Rechte des Menschen gekränkt werden. I. Artikel. Die Menschen sind und bleiben von Geburt an frei und an Rechten einander gleich. Bürgerliche Unterscheidungen können sich nur auf gemeinsamen Nutzen gründen. Der Kaiser zeugt seine Kinder wie der Bettler, und die Kinder beider werden nach gleichen Naturgesetzen im Mutterleibe genährt und aus demselben auf die Welt gesetzt. Der Prinz unterscheidet sich bei seinem Eintritte in die Welt von dem Kinde des Bettlers nicht anders, als wie sich das Kind des einen Bettlers von dem Kinde des andern unterscheidet. Nie las man auf der Stirn eines Kindes die Worte: ich bin ein Prinz, ein Edelmann usw. Fürsten und Bauern sind denselben körperlichen Gebrechen unterworfen, und der eine bedarf wie der andere den Beistand des Arztes. Daß ich ein König bin, gibt mir keine ewige Jugend, und im hohen Alter werde ich so kindisch wie der gemeinste Mann, denn auch in der Austeilung der Verstandeskräfte richtete sich die Natur ebensowenig nach dem Unterschiede der Stände, und wenn, im ganzen genommen, die großen Herren weniger Geist haben, so liegt die Schuld in den Ausschweifungen, welche sie entnerven.*) Der Unterschied der Stände liegt also gewiß nicht in der Natur. Alle Menschen rüstete sie teils mit gemeinsamen, teils mit verschiedenen besondern Anlagen aus. Allen Menschen gab sie den Willen oder den Trieb, von ihren Anlagen und Kräften Gebrauch zu machen, und insofern sie dies tat, schuf sie uns alle frei und an Rechten einander gleich. Keinem von uns machte sie es zur Pflicht, in der Ent*) Daher

kommt

Schwäche

erbt

es,

daß

in d e r

Tat

auf

die

Kinder

fort,

nicht leben, wie sie sollten.

die

meisten

nicht

weil

Fürsten die

andern

Eltern

Menschen

Fürsten

sind,

nachstehen. sondern

weil

Die sie

743

26. Februar 1793

wickelung und in der Ausbildung seiner Kräfte von einem andern sich gängeln zu lassen. Wenn der stärkere und einsichtsvollere Vater sein schwaches, noch nicht zur Vernunft gekommenes Kind zu zwingen weiß, so liegt das zwar in der Natur der Sache; der Stärkere, der Klügere ist immer derjenige, dem die Überlegenheit eigen ist, indessen ich habe keine Verbindlichkeit, mich zwingen zu lassen, wenn ich der Schwächere nicht bin. - Sehr leicht kann aber von solcher Überlegenheit an Kräften des Leibes und des Geistes ein Mißbrauch gemacht werden, wodurch der Schwächere am Genüsse des Maßes von Glückseligkeit, wozu er fähig ist, gehindert wird; sehr leicht kann durch Auferbungen und durch Begünstigungen der Fall eintreten, daß der Schwache den Starken, der Dumme den Klugen beherrscht. D e r Verstand erkennt, wie schädlich dieses sei, und darum sieht er auch ein, daß die Einrichtung der Gesellschaft so getroffen werden müsse, um dergleichen Übel zu verhüten. Bürgerliche

Unterscheidungen

dürfen nur in Ansehung der Ämter oder Stellen,

schlechterdings nicht in Ansehung der Menschen das gemeine

Beste

selbst stattfinden, und nie darf

zu einem Vorwande dienen, um die natürliche Gleichheit der

Glieder des Staatskörpers aufzuheben. Dieser Vorwand des gemeinen

Besten(s)

war es eben, wodurch die Erblichkeit der Regierungen eingeführt, wodurch die Prinzen von Geblüt Vorrechte vor allen übrigen Staatsbürgern erhielten - dieser Vorwand war es ebenfalls, dem alle die den einzelnen auf Kosten der Menge begünstigenden Privilegien ihren Ursprung verdanken. besteht vornehmlich in der Erhaltung der Gleichheit,

Nein, das gemeine Beste so, daß jeder Mensch von

seinen Anlagen und Kräften jeden den Mitbürgern unschädlichen Gebrauch machen kann, daß keiner dem andern im W e g e stehet, daß einer für alle und alle für einen arbeiten müssen. Leute, die sich durch Rechtschaffenheit, Verstand und Kenntnisse geschätzt zu machen wissen, sind mit der Gleichheit

darum sehr zufrieden, denn eben sie ist

es, welche sie in den Stand setzt, von diesen Vorzügen Gebrauch zu machen. Nur der Edelmann und der Privilegierte ohne Verdienste beklagt den Verlust des Adels und der Privilegien, weil er fühlt, daß er ohne sie eine sehr schlechte Rolle in der Gesellschaft spielt. D i e D a m e will sich gar nicht in die neue Gleichheit fügen; denn weder der Titel ihres Mannes noch der Umstand, daß sie halb oder ganz französisch gekleidet geht, gibt ihr einen Vorzug mehr; sie muß arbeiten, sie muß die Sorgen ihres Mannes teilen, sie muß ihre Kinder selbst erziehen, wenn sie geachtet sein will - und das sind ihr böhmische Dörfer. Manche leiden an dem Wahne, als brächte die Gleichheit auch eine gleiche Austeilung der Güter mit sich, da sie sich doch nur auf die Personen

erstrecket. E s muß einmal A r m e und Reiche

geben, wenn der Fleiß seine Belohnung finden, wenn wir nicht alle in Trägheit versinken sollen. Die Gerechtigkeit muß der Gleichheit zur Seite stehen. Jene will, daß alle[s], was mir mein Fleiß auf eine niemanden kränkende Weise erwirbt, mein Eigentum sei; sie will, daß ich davon freien Gebrauch machen und es meinen K i n d e r n hinterlassen kann; diese, die Gleichheit aber, macht es mir zur Pflicht, d a ß ich mich wegen meines Reichtums nicht über a n d r e erhoben dünke und mir ein größeres M a ß von Freiheit zueigne.

744

26. Febraar 1793

II. Artikel. Der Zweck jeder politischen Verbindung ist die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen. Diese Rechte sind die Freiheit, die Gleichheit, das Eigentum, die Sicherheit und die Selbstverteidigung. Man stelle sich vor, daß die Menschen in ganz und. gar keiner Verbindung untereinander stünden, so würden sie alle die eben genannten Menschenrechte: Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Sicherheit, Selbstverteidigung ausüben. Darum nennt man sie Rechte des Menseben. Aber sich so die Menschen ohne wechselseitige Verbindung zu denken ist eine bloße Idee oder Vorstellung. Es entsteht immer ein gesellschaftlicher Bund unter ihnen. Aber leider gehn in der Gesellschaft die Rechte des Menschen leicht größtenteils verloren. Die gesellschaftliche oder politische Verbindung muß darum so getroffen werden, daß sie den Besitz dieser Rechte des Menschen sichert. - Die Bewohner einer gewissen Landschaft, erzählte mir einst mein Vater, hatten sich entschlossen, alle Verbindung untereinander aufzuheben. Das Elend, welches sie unter verschiedenen Regierungen erdulden mußten, veranlaßte sie dazu. Sie fingen damit an, alle bösen Menschen aus dem Lande zu jagen, und nun sorgte jeder für sich, so gut er nur konnte. Im Anfang ging die Sache fürtrefflich, keiner bezahlte Abgaben, ein jeder bemühte sich, dem andern mit Freundschaft zuvorzukommen, man kaufte und verkaufte, ein Ja galt mehr als sonst ein Schwur. Indessen, so brav auch das Völkchen war, von so kurzer Dauer war gleichwohl seine Glückseligkeit. - Gerhards Wiesen durchschlängelte ein silberheller Bach, der ihnen Fruchtbarkeit und dem guten Gerhard noch überdem Fische gab. Nicht weit davon wohnte Klaus, dem es am nötigen Wiesenwuchs zum Füttern für seine Herden mangelte. Ein leichtes Mittel schien ihm, dieser Verlegenheit abhelfen zu können. Er leitete den Bach durch seine Äcker und hatte noch in dem Jahre die ergiebigste Heuernte, da indes seines Nachbar[n] Gerhards Wiesen unfruchtbar dalagen. Beide gerieten in Streit; aber wer konnte ihn schlichten, da man alle politische Verbindung aufgehoben hatte, da man übereingekommen war, daß niemand dem andern etwas vorzuschreiben hätte. So lebten nun die beiden Nachbar(e)n in Zwist, und jeder glaubte recht zu haben. Die Kornernte war herbeigekommen, aber Klaus hatte sein Getreide noch auf dem Felde. Ein fürchterliches Gewitter stieg auf. Regengüsse folgten auf Regengüsse, der neue Bach schwoll zusehends an, und nun sah Klaus bald alle seine Äcker überschwemmt. Itzt wollte er den Bach gern wieder in sein voriges Bett führen, aber Nachbar Gerhard dämmte entgegen und hatte für diesmal keine Lust, an dem Unglück der Überschwemmung Anteil zu nehmen. Ähnliche Mißbräuche der Freiheit ereigneten sich täglich im Ländchen, und daraus entstand so viel Unglück, daß man endlich übereinkam, die Freiheit so zu bestimmen: daß nur alles das zu tun erlaubt sein sollte, was niemandem schadete oder seines rechtmäßigen Besitzes nicht verlustig machte. Auch sah man sich genötigt, noch über viele andere Dinge sich untereinander zu verstehen, weil das gute Völkchen bei all seiner Rechtschaffenheit doch immer unter sich in Streit lebte, weil in schwer zu entscheidenden Fällen immer jeder zu seinem Vorteile urteilt. So setzte man denn auch noch der Bestimmung der Freiheit bei, daß alles

26. Februar 1793

745

zu tun erlaubt sein sollte, was dem Gesetze nicht entgegen wäre. - Zur Handhabung der Gesetze mußte man Richter ernennen. Es gefiel einem dieser Richter, seine Stelle einem andern abzutreten, und das unbefragte Volk schwieg. Ein anderer Richter starb, und sein Sohn trat, ebenfalls ohne den Willen des Volks einzuholen, in seine Stelle. So wurden die Ämter das Eigentum der Beamten, ein erbliches Eigentum - und so entstand Aristokratie. Eine Gegend wurde von Hungersnot heimgesucht. Ein reicher Mann öffnete endlich seine Speicher jedem, der ihm Jagd und Fischerei überließ, der ihm wöchentlich zweimal frönen, seinen Befehlen huldigen und seiner Stimme bei Volksversammlung entsagen wollte. Das erbte sich auch auf die Kinder fort, und so entstand in diesem Falle die Ungleichheit an Rechten. Den Enkeln wollte das endlich nicht mehr behagen. Sie sagten zu dem Erben des reichen Mannes: „Wie können wir uns durch Verträge binden lassen, welche von Leuten geschlossen wurden, die schon längst verfault sind. Überdem war der Vertrag äußerst unbillig, und der Dienst, der deiner Vorfahren einer den unsrigen erwies, ist längst überflüssig bezahlt worden. Doch wollen wir, da du ein so unbilliger, harter Mann bist, für den Zehnten, die Jagd und die Fischerei dir etwas Gewisses an Gelde geben und uns so von dir abkaufen. Aber über unsere Personen und Gerechtsame hast du ebensowenig ein Recht als die Asche unserer Väter, denn die Toten haben den Lebendigen nichts vorzuschreiben. Also die Fronden hören auf, du hast uns weiter nichts zu befehlen, und wir haben auf dieselben Ämter im Lande Anspruch wie du. Gnädiger Herr nennen wir dich auch nicht mehr, denn alle Menschen haben gleiche Rechte." Der Aristokrat, statt so» sehr billige Vorschläge einzugehen, wurde äußerst böse, er wendte alle möglichen Mittel an, die armen Leute zu plagen, bis sie endlich in gerechter Wut ihn als Feind behandelten, aus dem Lande jagten und sein hochadeliges Schloß in den Brand steckten. Andern Gemeinden, welche auch unter dem Druck der Aristokraten seufzten, folgten diesem Beispiele, und nun ging es im Lande drunter und drüber. Jeder wohlhabende Mann hieß nun ein Aristokrat, niemand wollte seine Schulden bezahlen, niemand eingegangene Verbindlichkeiten erfüllen. Man mußte also den Begriff von Gleichheit festsetzen: er bestand darin, daß man alles tun, annehmen, verweigern darf, was auch ein anderer zu tun, anzunehmen, zu verweigern befugt ist, kurz, in der Befugnis, sich derselben Rechte in dem nämlichen Verhältnisse wie jeder andere zu bedienen, er mag auch sein, wer er immer wolle. Fronden und Adel wurden also nun feierlich aufgehoben, jeder Mensch konnte zur Gesetzgebung mitwürken, und jedem Menschen standen alle Plätze offen. Es fanden sich im Ländchen viele Leute, die keine Abgaben bezahlten, weil ihre Voreltern dem Staate einen Dienst geleistet hatten. Aber das Volk sagte: „Ein guter Dienst verdient freilich seine Belohnung, aber diese Belohnung von Menschen fordern, welche zur Zeit, da der Dienst geleistet wurde, noch nicht vorhanden sind, das heißt aus anderer Leute Leder Riemen schneiden oder, wie der heilige Cfispinus tat, aus gestohlenem Leder Schuhe machen. Die Auflagen mußten nun gleichförmig ausgeteilt werden, niemanden konnte man zwingen, für das allgemeine Beste mehr zu tun wie andere, die sich mit ihm in gleicher Lage befanden, und so sah

746

26. Februar 1793

sich nun nicht länger die arme Witwe genötigt, ihre Stütze, ihren einzigen Sohn, unter das Gewehr zu stellen, wenn der vornehme Mann seine Kinder der Wollust und der Üppigkeit überließ. In betreff des Eigentums bestimmte man, daß alles, was einer auf eine rechtmäßige, niemand beeinträchtigende Weise sich verschafft hat, um seinen Wünschen und Bedürfnissen ein Genüge zu leisten, ihm auch von niemandem streitig gemacht werden könne, daß jeder sich zueignen dürfe, was noch keinen Besitzer hat, daß jeder Besitzer seinen Besitz einem andern abtreten könne, wenn und wie er wolle, und daß so das Eigentum vom einen auf den andern übertragen werden könne. Der Adel, der im Lande geblieben war, ob er gleich auf allen Vorzug an Rechten Verzicht leisten mußte, blieb also in dem Besitz seiner Güter, und das Gesetz schützte ihn. - So hatte nun schon der kleine Staat, dessen Geschichte ich hier mitteile, eine Verfassung, eine politische Verbindung bekommen; aber leider konnten die Gesetze nicht immer ausgeführt werden. Es hieß zwar: du sollst nichts tun, was andern schadet; aber dennoch war man nicht vor Diebstahl und Mord gesichert, weil es Leute genug gab, die nicht gerecht genug dachten, um dem Gesetze zu folgen. Auch machten benachbarte Völker manchmal Streifereien ins Land und nahmen den Bürgern ihr Eigentum. Darum mußte man noch Einrichtungen treffen, wodurch die Gesetze Kraft erhielten und wodurch die Feinde von den Grenzen abgehalten werden konnten. So entstand die Polizeigewalt und die Kriegsmacht, wovon die erste die Gesetze vollstrecken und die andere den Staat gegen die Angriffe der Feinde verteidigen mußte. So hatte man nun für Sicherheit gesorgt. - Noch aber hatte man nicht alles getan. Der Bürger war doch nicht ganz gegen Unterdrückung gesichert, sogar die zu seiner Sicherheit bestimmte Polizei- und Kriegsmacht wurden manchmal selbst die Unterdrücker. Man mußte also bestimmen, daß jeder Bürger das Recht habe, aus allen seinen Kräften Gewalt gegen Gewalt zu setzen, wenn man ihn auf eine nicht gesetzmäßige Weise wozu zwingen, wenn man etwas von ihm verlangen wollte, wozu die Gesetze kein Recht geben, was nicht durch sie bestimmt war. So konnte ich nun fordern, daß der Beamte, der Polizeirichter usw. in jedem vorkommenden Falle die Befugnis, die sie zu haben behaupteten, etwas von mir zu verlangen oder mir zuzumuten, mir durch Aufschlagung des Gesetzbuchs vor Augen legten und daß sie nur im Namen des Gesetzes von mir Gehorsam zu verlangen berechtiget seien. - Und nun war der kleine Staat, der sich aus den Fesseln der Tyrannei in eine ebenso schlimme Gesetzlosigkeit geworfen hatte, durch Einrichtungen, die die Rechte des Menschen und des Bürgers sicherten, ein wahrer Freistaat geworden. III. Die Quelle aller Landeshoheit (Souveränität) ist die Nation; weder einzelne Menschen noch Korporationen (Dikasterien, Stände, Zünfte) dürfen sich je eine Macht zueignen, welche nicht aus dieser Quelle fließt. Souverän nennt man denjenigen, der sagen darf: „Ich will, daß dies geschehe", dessen Wille also ein Gesetz ist. Jeder Mensch ist Souverän in den Grenzen seiner Rechte; er kann wollen, er ist befugt, seine Rechte zu fordern, d. i. zu begehren, was ihm gebührt. Alle Menschen haben gleiche Rechte; darum liegt in aller Bür-

26. Februar 1793

747

ger Willen die Souveränität der Nation, und darum wird, was eine ganze Nation will, Gesetz für jedes ihrer Glieder. Jeder Bürger, d. i. jedes Glied des Souveräns, handelt selbst als Souverän, wenn er seinen Willen mit dem seiner Mitbürger verbindet, um zu dem allgemeinen Willen, zum Gesetze, beizutragen; ist aber einmal dieser allgemeine Willen als Gesetz förmlich angekündigt worden, so muß er sich demselben unterwerfen, so hört er auf, Souverän zu sein, so wird er Untertan. Die Macht des Souveräns, man mag nun darunter einen einzelnen Menschen oder ein ganzes Volk verstehen, hat seine Grenzen. Nur was recht ist, darf der Souverän wollen. Wo die Ungerechtigkeit anfängt, da hört die Souveränität auf - weiter ausgedehnt, ist sie - Despotism. So hat der Souverän nur allein das Recht, das Schädliche zu untersagen, und nur was gerecht ist, darf er befehlen. Jedes Gesetz, welches diese Grenzen überschreitet, ist ein Verbrechen. Gesetz ist also, was das Volk oder die Mehrheit der Bürger will, denn immer beherrscht die größere Anzahl die kleinere; und souverän ist also das Volk, weil es das Recht hat, zu verlangen, daß eine Sache geschehe oder unterbleibe, nachdem sie nämlich gerecht oder ungerecht, angemessen oder entgegen seinen Rechten, seiner Glückseligkeit ist. Eine zu zahlreiche Nation, als daß jeder Bürger zur Bestimmung des Gesetzes seine Stimme besonders geben könnte, ernennt eine gewisse Anzahl Leute, um das Gesetz zu entwerfen und ihr in Vorschlag zu bringen, und nun drückt das Volk seinen souveränen Willen aus, es mag den Gesetzvorschlag annehmen oder verwerfen. Doch kann das Volk die Genehmigung (Sanktion) der Gesetzvorschläge gleichfalls gewählten Stellvertretern übertragen (wie jede sehr zahlreiche Nation tun wird); indessen bleibt in ihm die Quelle dieser Macht oder dieses Rechts, welches es immer durch Erklärung seines allgemeineij. Willens zurücknehmen, sich wieder zueignen kann, wenn es das nötig findet; und so besteht denn seine Souveränität eigentlich darin, allen öffentlich angestellten Gewalten vorschreiben zu können. Diese Macht kann und darf das Volk nicht veräußern. Es darf sie nicht veräußern, weil niemand Herr der Zukunft ist, weil ich nichts vergeben darf, was meine Nachkommen so gut wie ich von der Natur bekommen; es kann sie nicht veräußern, weil man nichts veräußern kann, was einem von Natur eigen ist, was erst mit dem Tode aufhört. Meine Ansprüche auf Freiheit haben mil meinem Ich gleiche Dauer. Darum war es ein Fehler in der französischen Konstitution von 1791, daß die Nation dem Könige das Recht übertragen hatte, in ihrem Namen die Gesetzentwürfe der Nationalversammlung anzunehmen oder zu verwerfen, und daß von der andern Seite die Nationalversammlung und nicht das Volk nur von den Ministern des Königs über die Ausübung dieses Souveränitätsrechts Rechenschaft fordern durfte und man so die ihrer Natur nach unzertrennbare und dem Volke eigene Souveränität zwischen dem König und zwischen der Nationalversammlung auf eine abenteuerliche Art zerteilt hatte. Um diese Fehler einigermaßen gutzumachen, hatte man zwar die Einrichtung getroffen, daß wenn zwei verschiedene und aufeinanderfolgende Nationalversammlungen ein Gesetz in Vorschlag gebracht hatten, der König dem von der dritten Nationalversammlung ihm wiederum gemachten Vorschlage desselben Gesetzes seinen Beifall (Sanktion) nicht versagen durfte, indem man hier voraussetzte, daß

748

26. Februar 1793

ein Gesetz, welches in einem Zeiträume von 6 Jahren dreimal von verschiedenen gewählten Repräsentanten gegen den Willen des Königs vorgeschlagen worden war, als vom Volke stillschweigend, obgleich gewiß genug genehmiget werde, so daß überflüssig wäre, seine Genehmigung hier dem Willen des zur Sanktion der Gesetze ernannten erblichen Stellvertreters des Volks, des Königs, unterwerfen zu wollen. Allein den Aufschub von 6 Jahren zwischen dem ersten Vorschlage und der Genehmigung des Gesetzes, wodurch in dringenden Fällen unendliches Unglück entstehen konnte, abgerechnet: wie viele Mittel hatte nicht ein Mensch, dessen Name König war, dessen Einkünfte über 30 Millionen betrugen, der durch Vergebung so vieler Ämter und auf andere Weise so ungeheueren Einfluß auf das Volk hatte, in Händen, um den zweiten und dritten Vorschlag eines Gesetzes, welches seinem Interesse oder seinem Wahne nidit angemessen war, zu verhindern, wenn dasselbe auch noch so wohltätig für das Volk gewesen wäre? Uberdem lag darin eine sehr große Absurdität der ersten halbfreien Konstitution Frankreichs, daß man den Entwurf und den Vorschlag eines Gesetzes einer Anzahl von etwa 800 gewählten Stellvertretern, der Nationalversammlung, übertrug, indem man es bei der Genehmigung desselben, einer gewiß nicht minder wichtigen Angelegenheit, auf das Gutachten eines Einzigen erblichen Stellvertreters, des Königs, ankommen ließ. Und was gewann man dadurch, daß die Nationalkonvention die Minister des Königs entsetzen konnte, wenn der König die Gesetzentwürfe nicht unterzeichnen wollte? Abgerechnet die Torheit, daß die Nationalversammlung hier in ihrer eigenen Angelegenheit den Richter machen konnte, so blieb es ja dem Könige frei, sich andere Minister, die wie die vorigen dachten, auszusuchen, und wenn er seine vorigen Minister ungern entließ, so zündete man offenbar durch die Entsetzung derselben die Fackel der Zwietracht zwischen dem Könige und der Nationalversammlung an, man setzte zwei Gewalten in Feindschaft, die notwendig harmonieren mußten, wenn des Landes Wohl bestehen sollte. - Doch man kommt nicht mit einem Sprunge vom Irrtum zur Wahrheit! Nun weiß die französische Nation, daß sie das Recht, die ersten Gewalten im Staate zu leiten, und das Recht, die Gesetze zu sanktionieren, nicht mehr veräußern dürfe und daß diese Sanktion entweder vom Volke selbst und unmittelbar oder einer hinreichenden Anzahl auch freigewählter Stellvertreter ebenfalls übertragen müsse, wie sie den Entwurf des Gesetzes freigewählten Stellvertretern überträgt - damit das Gesetz immer der wahre Wille des größten Teils der Nation sei - damit es also nie ein Zwang, eine ungerechte Einschränkung der Freiheit werde. So sehen wir denn ein, daß es nicht genug gesagt ist, das Volk die Quelle aller Souveränität zu nennen; es darf sich auch der Ausübung derselben nicht ganz begeben, und wo es sich ihrer begibt, so darf das nur auf die Art geschehen, daß es sie durch eine hinreichende Menge von ihm freigewählter und nur für kurze Zeiträume angestellter Stellvertreter in seinem Namen vollziehen läßt. Wie lange hatte aber nicht die Philosophie zu kämpfen, bis man auch nur den Satz, daß die oberste Gewalt oder Souveränität vom Volke komme, einräumte das Volk, welches durch die Unkenntnis desselben so lang im Stande der Skia-

26. Februar 1793

749

verei blieb! Gottlob, daß er erkämpft ist, dieser Sieg, daß man auch in monarchischen Staaten den Regenten nicht mehr glaubt, daß sie ihre Gewalt von Gott hätten, daß fast jedem bei dieser törichten Prahlerei die Frage beifällt: „Kaiser, König oder Fürst, hast du denn auch einen Beglaubigungsbrief von Gott aufzuweisen oder sonst etwas, wodurch du dartun kannst, daß Gott es war, der dir dein Amt gab? - Du hast kein solches Kreditiv vom HöchstenI Wohlan, so übst du denn in des Volkes Namen deine Macht aus, bis es einsehen wird, daß, ohne mit seiner Freiheit zu spielen, es seine Souveränität nicht vergeben noch weniger den Händen eines einzigen anvertrauen darf." Es folgt, daß jeder Regent, der seine Macht nicht durch freiwillige ausdrückliche Übertragung vom Volke erhalten hat und gleichwohl sie behauptet, als ein Betrüger oder Usurpator anzusehen sei, den das Volk, wenn es zur Vernunft gekommen, nicht länger dulden darf; es folgt, daß das Volk jede einem oder mehreren Regenten übertragene Gewalt zurücknehmen könne; es folgt, daß das Voljc auch den Adel und alle Vorrechte der Aristokraten, die als keine von ihm verliehene Gewalt betrachtet werden können, einziehen dürfe - weil alle diese Dinge als gestohlene Sachen zu betrachten sind. IV. Artikel: Die Freiheit besteht darin, tun zu können, was niemand anders schadet. In der Ausübung meiner natürlichen Menschenrechte erkenne ich keine anderen Grenzen als die Menschenrechte aller meiner übrigen Mitbürger. Nur das Gesetz kann diese Grenzen bestimmen. „Die Freiheit ist das von der Natur jedem verliehene Recht, über seine Person und über seine Güter nach seinen besten Einsichten ohne Nachteil anderer zu bestimmen." Dieses Recht der Freiheit erhält seine Anwendbarkeit durch den Grundsatz der Sittenlehre: Jede deiner Handlungen müsse so beschaffen sein, daß sie als Gesetz für alle vernünftigen Wesen angesehen werden kann; das heißt, ich muß fühlen und erkennen, daß jeder andere sich mit mir in dem gleichen Falle befindende Mensch recht handeln würde, wenn er so handelte wie ich. Eine Folgerung aus diesem Grundsatze der Moral ist die Christuslehre: Was ihr nicht wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch nicht. Eine jede Handlung, welche sich von dieser Vorschrift nicht entfernt, ist eine freie Handlung, weil sie eine gerechte ist. Die Freiheit hört da auf, wo die Ungerechtigkeit anfängt. Diese Freiheit ist die Freiheit des im Zustande der Natur lebenden Menschen, und was man auch darüber sagen mag, so behält derselbe das volle Recht, ihrer im Zustande der Gesellschaft zu genießen. Die Einteilung zwischen natürlicher und bürgerlicher Freiheit ist falsch, aus einer irrigen Voraussetzung gefolgert. Man stellte sich nämlich vor, es hätten die in Gesellschaft verbundenen Menschen auf einen Teil ihrer Freiheit Verzicht getan, um sich den Besitz des Restes zu versichern, indem sie alle den durch gemeinschaftliche Übereinkunft gemachten Gesetzen unterwürfen; und daraus hat man geschlossen, der in Gesellschaft oder in politische Verbindung getretene Mensch sei nicht mehr so frei wie zuvor, und daß seine bürgerliche Freiheit nichts anders wäre als die Erlaubnis, tun zu dürfen.

750

26. Februar 1793

was die Gesetze nicht untersagen, ohne hinzuzusetzen - was die Gesetze auch kein Recht haben zu untersagen; denn man .sieht leicht ein, wie eine Menge ungerechter Gesetze mir wenig Freiheit übriglassen können. Es wäre doch wohl eine lächerliche Behauptung, daß die Menschen sich vereiniget hätten, um einen Teil ihrer Freiheit aufzuopfern; nur vollkommene Erhaltung ihrer natürlichen Freiheit konnte der Zweck ihrer Vereinigung sein! Überdrüssig, sich von der außer dem Zustande der Gesellschaft gültigen Gewalt des Stärkern über den Schwächern beherrschen zu lassen, war das erste Gesetz, worin sie übereinkamen, daß einer die Freiheit des andern in Schutz nehmen, das heißt, daß einer dem andern seine natürlichen Rechte zusichern sollte. Will man aber zwischen natürlicher und gesellschaftlicher oder bürgerlicher Freiheit einen Unterschied gelten lassen, so ist er in der größern Sicherheit der letztern gegründet, weil sie jedem von der ganzen Gesellschaft verbürget wird; was vorher nicht stattfand und was nur allein ihn bestimmen konnte, in Gesellschaft zu treten. Absurd wäre es, sich vorzustellen, als hätten freie Menschen das gesellschaftliche Band geschlossen, um Sklaven zu werden. Weit entfernt also, daß die natürliche Freiheit durch die zum Bestand der Gesellschaft notwendigen Gesetze Einschränkung erleiden müßte, wird sie vielmehr durch dieselben in ihrem ganzen Umfange in Schutz genommen. Die Gesetze, die ihr andere Grenzen vorschreiben, als welche bereits die Natur gezogen hat, sind unbillig, ungerecht, strafbar. Indem die Menschen als Gesellschaft sich verbanden, kamen sie überein, daß sie dieses oder jenes tun und dieses oder jenes lassen wollten, das heißt, sie gaben sieb Gesetze; sie machten sich verbindlich, daß sie die Pflichten, welche schon einem jeden insbesondere die Natur vorgeschrieben hatte, gemeinschaftlich befolgen wollten. Der erste Akt, den sie begingen, war, den Grundsätzen der Moral, die ihnen hinfüro zur Regel dienen sollten, zu huldigen und alle die Freiheit, die sie alle so eifrig zu erhalten wünschten, auch allen zuzusichern. Ohne diese freiwillige Unterwerfung unter die Gesetze, durch welche sie regiert sein wollten, hätten sie gar nicht frei sein können; niemand als sie selbst konnte ihnen Pflichten auflegen. Und dieser Grundsatz bestehet immer in seiner vollen Kraft: kein Volk ist wahrhaft frei, wenn es sich nicht selbst Gesetze gibt oder wenn es nicht diejenigen, welche in seinem Namen gemacht worden, anerkennt. Noch gehöre dazu, wenn es einer vollkommen [en] Freiheit genießen soll, daß die Gesetze, die es macht oder billigt, nie mit denen der Natur in Widerspruch stehen; denn sonst würde es, von seinen eigenen Irrtümern mißgeleitet, den Umfang seiner natürlichen Rechte einschränken. Die Erhaltung der natürlichen Menschenrechte, unter welchen die Freiheit obenan stehet, war der erste Zweck der Verbindung einzelner Familien zu einem Staate, der erste Zweck zur Einrichtung der Regierungen. Auf diesen Zweck müssen alle bürgerlichen Einrichtungen hinwürken; ohnmöglich kann das aber geschehen, wenn sie nicht lediglich das Werk derjenigen sind, welcher Rechte sie versichern sollen. Soll daher ein Volk frei sein, so darf es niemand sonst als sich selbst zum Ge-

26. Februar 1793

751

setzgeber haben. Das Vermögen, sich selbst Gesetze vorzuschreiben, ist der Schild der Freiheit; überläßt das Volk diese Schutzwehre an andere, so stürzt es sich in Sklaverei. Aus dieser Wahrheit läßt sich folgern, welche Regierungsform das Volk annehmen müsse, um glücklich zu sein: Diejenige, worin man sich selbst zu gehorchen hat, di& Demokratie. Es ist aber nicht genug, daß das Volk sich selbst Gesetzgeber sei, daß seine Gesetze von solchen gemacht werden, die es selbst dazu ausersehen hat; es ist auch noch nötig, daß diese Gesetze von ihm selbst genehmiget {sanktionieret) werden: sonst würde es sich dem Willen seiner Stellvertreter sklavisch unterwerfen müssen und nicht mehr seinem eigenen zu gehorchen haben; einer diktatorischen Gewalt würde es untertänig werden. So gerecht auch immer die Befehle seiner Bevollmächtigten sein möchten, so kann das Volk sich ihnen nicht blindlings unterwerfen, ohne dem schönsten seiner Rechte zu entsagen, dem Rechte, nach Gutbefinden zu billigen oder zu verwerfen; diesem Rechte, wovon die Ausübung aller übrigen abhängig ist. - Müssen die Beschlüsse der bevollmächtigten Stellvertreter gleich ausgeführt werden, so kann das nur provisorisch, vorläufig und in Erwartung ihrer Billigung vom Volke geschehen. Ohne diesen unumgänglich notwendigen Geschäftsgang zu beobachten, ist an gar keine Freiheit zu gedenken. Auch versteht es sich von selbst, daß niemand der Nichtbefolgung eines provisorischen Gesetzes wegen bestraft werden könne; sie sind bis zu ihrer Billigung vom Volke nur als Ratschläge zu betrachten. Die politische oder Volksfreiheit war nur ein leeres Wort in Frankreich, da noch der König dem Gesetze die Sanktion geben mußte. Man schaffte daher die königliche Würde ab, und man ernannte eine Nationalkonvention, welcher man nur so lange die Ausübung der Souveränität des Volks provisorisch übertrug, bis sie, und dies war der höchste Zweck ihrer Sendung, einen solchen Vorschlag zur Abfassung einer neuen Konstitution, die dem Volke das Recht, die Gesetze zu genehmigen oder zu verwerfen, in die Hände gibt, öffentlich vorgelegt haben wird, der den Beifall des Volks erhalten haben wird. So hängt denn die Lehre von der Freiheit genau mit der vom Gesetze zusammen. Die erstere ist der Zweck, das andere ist das Mittel. - Doch aber nicht immer das richtig getroffene Mittel. Das Gesetz ist der Ausdruck des Willens aller Bürger oder doch der Mehrheit der Nation, welchem zufolge entweder etwas geschehen oder unterlassen werden soll. Die Mehrheit nicht nur, ja, die ganze Nation kann irren. Das Gesetz bleibt demohngeachtet gültiges Gesetz, und wenn es auch noch so schädlich wäre, bis die Mehrheit der Nation zu bessern Einsichten gekommen ist. So gibt es denn leider auch ungerechte Gesetze! - Je aufgeklärter ein einzelner Mensch ist, um so richtiger wird er von seinen Rechten und Pflichten urteilen, um so seltener etwas Ungerechtes wollen. So auch verhält es sich mit ganzen Nationen. Der einzelne Mensch wird über Zwang klagen, wenn man ihn gegen seine irrigen Einsichten zu etwas Besserm anhält; eine ganze Nation wird sich unterdrückt fühlen, wenn man weise Gesetze ihr aufdringt. Die Brabänter haßten Josephs weise Gesetze, und darum war ihre Empörung gerecht, wenn sie gleich eine Empörung gegen an sich gerechte Gesetze war. - Ich mache hier zwei Bemerkungen, die erste: ich muß mich jedem

752

26. Februar 1793

Gesetze, welches die Majorität des Volkes bestimmt hat, unterwerfen, wenn es auch ungerecht sein sollte. Die Ursach ist leicht zu finden. Ich würde nämlich, und das ohne etwas Gutes zu würken, Unordnung in die Gesellschaft bringen und auch ungerecht handeln, indem ich verlangte, daß viele Menschen ihren Willen dem meinigen unterwerfen sollen, da doch jeder an seine Einsichten Glauben hat und mithin bei entstehenden Widersprüchen der einzelne oder die kleinere Anzahl dem Gutachten der Mehrheit aller Billigkeit gemäß nachgeben muß. Und gesetzt, ich könnte meinen besondern Willen gegen den meiner Mitbürger durchsetzen, würde ich sie denn nicht unglücklich machen, weil doch unser aller Glückseligkeit mit der Überzeugung von der Rechtmäßigkeit und Zuträglichkeit unsers Willens in der engsten Verbindung steht? - Das wahre Mittel in solchen Fällen besteht darin, alles mögliche anzuwenden, um unsere Nebenmenschen mit uns gleich denkend, gleich wollend zu machen. Wir müssen sie zu überzeugen suchen, daß sie sich irren, daß wir uns nicht irren - und denn werden sie auch mit uns gleich wollen. Ich kann also alles, was ich gegen ein Gesetz zu erinnern habe, bekanntmachen, ich kann seine Schädlichkeit so kräftig erweisen, als es mir nur möglich ist, ja, ich bin dazu verbunden; aber von der andern Seite ist es auch nicht minder meine Pflicht, mich in das Gesetz zu fügen, solange es die Majorität als gültig anerkennt. Also auch Joseph hätte seine Niederländer zuvor von der Güte seiner neuen Einrichtungen überzeugen und sie aufklären müssen. - Eine andere Bemerkung bezieht sich auf unsere hiesige Lage. Man beschuldigt die Neufranken einer politischen Intoleranz, man sagt, sie tun unrecht, daß sie andern ihre Grundsätze aufzwingen wpllen. Ich finde diesen Vorwurf ungegründet. Wer macht ihn? Die Freunde der alten Verfassung, eben die, welche die landesherrliche Gewalt unsers ehemaligen Regenten als eine rechtmäßige Gewalt anerkennen, die zwischen dem Kriege mit dem Fürsten und dem mit den Untertanen keinen Unterschied machen. Diese Leute wissen aber auch, daß das Benehmen ihres Herrn gegen die Franken diese nötigte, unser Land zu erobern, sie waren diese Maßregel ihrer von jenem angegriffenen Sicherheit schuldig. Es folgt, daß ihnen auch die Rechte der Eroberer bei uns zukommen, welche darin bestehen, den Eroberten keine Freiheit zu lassen, welche dem Eroberer nachteilig sein könnte. Wie machen es nun die Franken? Sie sagen, wählt zwischen einem von beiden: entweder versichert uns, daß ihr unsere Grundsätze anerkennen wollt, und da werden wir euch, bis euere Handlungen uns vom Gegenteil überzeugen, als Freunde behandeln, oder entfernt euch. Ein jeder von euch, der die Entfernung wählt, bleibt im Besitz seines Vermögens, wenn er uns nicht durch sein Betragen überzeugt hat, daß er davon einen uns nachteiligen Gebrauch machen werde. Wir müssen jeden, den seine Handlungen uns als Feind zu erkennen geben, außer Stand setzen, uns zu schaden - das ist alles, was wir tun - und wir beklagen es, daß unsere Feinde bei dieser Maßregel verlieren müssen. Gibt es auch unumstößliche Gesetze? Allerdings, denn es gibt Wahrheit, und wer diese einmal anerkennt hat, wird nie von ihr weichen! Alle Gesetze also, welche zur Sicherung der natürlichen Rechte des Menschen notwendig sind, werden auch wie Regeln der Rechenkunst ewige Dauer haben, sobald sie einmal begriffen wur-

26. Februar 1793

753

den. Solche Gesetze müssen den Inbegriff einer Konstitution ausmachen, wenn sie vollkommen sein soll. Es gibt aber auch noch andere Umstandsgesetze, provisorische Beschlüsse mödite ich sagen, Beschlüsse, die nur auf Umständen beruhen. Diese werden immer mit Veränderung der Sitten, der Gewohnheiten, mit dem Steigen oder dem Fallen der Aufklärung, ferner nach Zeitbedürfnissen, nach Beschaffenheit des Klima [s], der besondern Lage, der Verhältnisse mit auswärtigen Völkern usw. entstehen, abgeändert oder gar aufgehoben werden müssen. So z. B. macht der Aufenthalt vieler Fremder an einem Orte, der Handel, eine Teuerung, eine Pest usw. allerlei Verordnungen nötig, welche sich auf diese Umstände beziehen. - Ich merke nur noch an, daß, wenn konstitutionelle Gesetze nicht ohne die ausdrücklich erklärte Willensmeinung der Nation gegeben oder abgeändert werden dürfen, die Umstandsgesetze allerdings von den Repräsentanten der Nation provisorisch anbefohlen werden können, wenigstens wenn an der schnellen Ausführung des Gesetzes gelegen ist.

V. Artikel. Das Gesetz darf nur der Gesellschaft nachteilige Handlungen verbieten. Was das Gesetz nicht untersagt hat, kann nicht verhindert und niemand kann gezwungen werden, zu tun, was das Gesetz nicht befiehlt. Wer sieht nicht ein, daß von den Gesetzen der meisten Staaten ein sehr großer Teil ausgestrichen werden müßte, wenn man sie mit diesem Probiersteine - nur der Gesellschaft nachteilige Handlungen darf das Gesetz verbieten - untersuchen wollte? Alle Gesetze, welche Verbote enthalten, die keine der Gesellschaft nachteiligen Handlungen betreffen, sind schädlich, denn sie sind unerlaubte Einschränkungen der Freiheit, welche eben die Gesetze sichern sollten. Ebenso darf auch das Gesetz nichts zu tun befehlen, welches der Gesellschaft keinen wahren Vorteil brächte. - Ehedem war England der einzige Staat, in welchem niemand wozu angehalten oder einer Sache wegen bestraft werden konnte, worüber das Gesetz nicht ausdrücklich entschieden hatte. Man zog das auswärts sehr ins Lächerliche, weil die buchstäbliche Auslegung des Gesetzes zu allerlei Schikanen Gelegenheit gab. Wer fühlt aber nicht, daß ohne die im Text enthaltene Vorschrift der Despotismus unvermeidlich wäre? Der Richter würde denn nach Gutdünken befehlen. Die Schikanen lassen sich übrigens größtenteils vermeiden, wenn es an allgemeinen Gesetzen nicht fehlt, welche Grundsätze enthalten, woraus die speziellen Gesetze erklärt und ergänzt werden können, und wenn mit der Bekanntmachung jedes Gesetzes auch zugleich die Bewegungsgründe oder Motive zum Gesetze dem Publikum vorgelegt werden. So war z. B. einst in England durch ein Gesetz verboten worden, nach Frankreich Korn auszuführen. Nun schickte man ohngestraft das Mehl nach Frankreich, weil in dem Gesetze nichts von Mehl gesagt war. Wäre dieses Gesetz gehörig motiviert worden, hätte nämlich der Gesetzgeber angezeigt, „weil wir itzt Krieg mit Frankreich führen und unserm Feinde keine Lebensmittel zukommen lassen dürfen, so ist die Ausfuhr des Korns verboten" - denn würde man mit der Schikane, daß im Gesetz vom Mehl die Rede nicht sei, nichts ausgerichtet haben. •'•j Sdbcel, Protokolle

754

26. Februar 1793

VI. Artikel. Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Bürger haben ein Recht, zu dessen Entwurf entweder persönlich oder durch Stellvertreter mitzuwirken. Das Gesetz, es mag nun beschützend oder bestrafend sein, muß für alle und jede gelten. Alle Bürger sind sich in den Augen des Gesetzes gleich, können zu allen Würden, Stellen und Ämtern zugelassen werden, wozu sie die Fähigkeiten besitzen, und ohne alle andere Auszeichnung als diejenige, welche ihre Tugenden und Talente ihnen beilegen. In kleinen Republiken geht es an, daß alle Bürger unmittelbar zur Entwerfung des Gesetzes mitwürken können; in großen und volkreichen Republiken können sie es aber nur mittelbar tun, indem sie eine der Volksmenge angemessene Anzahl von Stellvertretern ernennen, denen sie den Auftrag geben, das Gesetz zu entwerfen. Hier hat der Bürger mittelbaren Anteil an dem Entwürfe des Gesetzes, weil er nur solche Deputierte wählen wird, von denen er sich es versprechen kann, daß sie seinem Wunsche gemäß den Gesetzentwurf abfassen werden. Diese Einrichtung gewährt überdies den großen Vorteil, daß geschicktere und sachkundigere Männer nebeneinandergestellt werden, um über den Gesetzentwurf sich zu beratschlagen, da auch der Bürger von geringen Einsichten der Stimme des allgemeinen Rufs nach einen geschickten Mann zu seinem Stellvertreter wählen wird. Auch sieht man leicht ein, wie übel es sein würde, wenn unaufgeklärte, ungeschickte oder moralisch schlechte Menschen nicht durch die Einrichtung der Repräsentation abgehalten würden, und wie schwer es halten müsse, ja wie es fast ohnmöglich sei, daß eine ganze Gemein [d]e, so wie sie da ist, über den Zweck und die Abfassung eines Gesetzes vernünftig zu Rate gehen könne. Bei uns wenigstens ist das Volk so weit noch in der Aufklärung zurück, daß dergleichen Versammlungen sich entweder, ohne daß etwas entschieden wäre, oder gar mit Schlägen endigen würden. Die Beratschlagung über das Gesetz und den Entwurf desselben überläßt das Volk also besser Leuten, auf deren Einsichten es Zutrauen setzt. Ist das Gesetz aber einmal nebst Anzeige der Gründe, warum es so und nicht anders abgefaßt worden, entworfen, alsdenn kann auch ein Mensch von geringen Einsichten wohl fühlen, ob es gut oder nachteilig sei. Man kann mithin die Sanktion oder das Recht, das von den Repräsentanten vorgeschlagene Gesetz anzunehmen oder zu verwerfen (ein Recht, welches, wie ich bereits zu beweisen gesucht habe, das Volk sich nie vergeben darf, falls von keinen bloßen Umstandsgesetzen die Rede ist), dem Volke allerdings ohne Besorgnis überlassen. Nur muß die Sache dem Volke so erleichtert werden, daß es weiter nichts zu tun hat, als ja oder nein zu sagen, da denn die Mehrheit der Stimmen entscheidet, ob das Gesetz gelten soll oder nicht. Man könnte auch, wenn die Mehrheit für die Annahme des Gesetzes gestimmt hat, noch eine zweite Stimmung, auch auf )a oder nein, vornehmen, um ausfindig zu machen, ob das Volk auch mit der Art, wie das Prinzip oder der Zweck des Gesetzes im Gesetzentwurfe ausgeführt worden ist, zufrieden sei oder nicht; da denn im ersten Fall der Entwurf, so wie er gemacht worden, angenommen ist, im andern Falle aber abgeändert und noch einmal vorgelegt werden muß.

26. Februar 1793

755

Das Gesetz muß für alle und jede gelten, es darf nicht heißen: kleine Diebe hänget man und große läßt man laufen. Der Bettler und der Reiche müssen denselben Gesetzen unterworfen sein, weil sie beide auf Menschenrechte und auf Vorteile, welche die gesellschaftliche Verbindung gewährt, gleiche Ansprüche haben - das heißt, weil sie sich als Bürger einander gleich sind. - Aber die Gleichheit darf nicht bloß in Ansehung des Gesetzes unter den Bürgern bestehen, sie muß sich auch dahin ausdehnen, daß sich niemand Vorzüge anmaße, die weder persönliche Vorzüge noch Vorzüge in Atisehung des Eigentums sind. Wir können nicht alle gleich reich, gleich einsichtsvoll und geschickt sein; der eine hat zu diesem, der andere zu jenem Berufe mehr natürliche Anlage. Die Natur hat uns alle, aber auch alle mit verschiedenen Fähigkeiten ausgerüstet. Also gab sie uns auch das Recht, uns ihrer zu bedienen und sie geltend zu machen. Und darin besteht ein Hauptvorzug der Demokratie, daß hier die Verfassung dem Fleiße, dem Genie und den besondern Fähigkeiten des Menschen keinen Zwang anlegt, daß jeder diejenigen Stellen im Staate erhalten kann, wozu er taugt, er mag nun dieses oder jenes Mannes Kind sein. Weder der Adel, ein Vorzug, der, weil er kein persönlicher Vorzug ist, nun wegfällt, noch sonstige Privilegien können hinfüro das Verdienst hindern, sich geltend zu machen. Die erste konstituierende Nationalversammlung Frankreichs sündigte selbst gegen den Inhalt dieses sechsten Artikels, indem sie entschied, daß nur Leute, welche eine gewisse Summe an Abgaben jährlich beitragen, zu den Gesetzen mitwürken könnten und daß auch nur solche zu Bekleidung öffentlicher Amter fähig sein sollten. Man supponierte, daß ärmere Leute nicht das Interesse für des Landes Wohl und nicht die Ausbildung des Geistes haben möchten, die hier erfordert werden. Wie kann mir aber der Reichtum, dieser zufällige Vorzug, ein Vorrecht als Bürger geben? Die Gesetze sind zum Genuß der Menschenrechte aller notwendige Anordnungen. Und welches Menschen Rechte werden leichter beleidigt wie die des Armen? Wie unbillig also, ihn von der Mitwürkung zu den Gesetzen auszuschließen. Oh, dem Armen ist sein einziges Kleid so lieb wie dem Reichen alle seine Güter! Hat nicht auch der Reiche ohnedem mehr als zu viele Mittel in Händen, seine Stimme geltend zu machen und seinen Einfluß zu erweitern? Menschen und nicht Sachen sind der Gegenstand der Gesetze. In Frankreich ergab es sich auch aus der Erfahrung, daß bei den Armen mehr Patriotismus war wie bei den Reichen. So wie der Arme dem Armen eh(end)er gibt wie der Reiche, so machte auch die ärmere Klasse die meisten Aufopferungen. Freilich hat der Reiche mehr Gelegenheit, seinen Verstand auszubilden und sich Kenntnisse zu erwerben; aber der Arme hat auch mehr Fleiß; und wieviele großfe Gelehrte gab es nicht, die man im eigentlichen Sinne des Worts Arme nennen konnte. Man sehe also bei Besetzung der Stellen auf Geschicklichkeit, sie möge sich linden, bei wem es immer sei. Vn. Artikel. Niemand darf weder angeklagt, aufgehalten oder in Verhaft genommen werden als in den(en) vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen und nach den(en) von demselben vorgeschriebenen Formalitäten. 48»

756

26. Februar 1793

Wer willkürliche Befehle bewürkt, ausfertigt, ausübt oder vollzieht, ist straffällig, wer aber in Kraft des Gesetzes vorgeladen oder ergriffen wird, ist augenblicklichen Gehorsam zu leisten schuldig und wird durch Widerstand straffällig. So wie der Mensch außer der Gesellschaft lediglich der Stimme seiner Vernunft zu gehorchen hat, so muß der Bürger nur der Stimme der Vernunft des ganzen Staates, das heißt dem Gesetze, gehorchen. Sonst ist es um die Freiheit geschehen. Wem fallen hier nicht die willkürlichen Strafen, Verhaftsbefehle, auch Hinrichtungen ein, wovon man in allen deutschen Staaten genug zu erzählen weiß? V m . Artikel. Nur offenbar und durchaus nötige Strafen darf das Gesetz bestimmen. Niemand darf gestraft werden als kraft eines vor der Begehung seines Verbrechens abgefaßten, publizierten und auf eine rechtskräftige Art angewandten Gesetzes. IX. Artikel. Da jedermann so lange für unsdiuldig gelten muß, bis er würklich als schuldig erklärt worden ist, so soll, im Falle es nötig wäre, sich seiner Person zu versichern, alle unnötige Härte gegen ihn durch das Gesetz ernstlichst verhindert werden. Die Materie von den Verbrechen und den Strafen ist so wichtig, die Meinungen darüber sind so verschieden, und es ist bis auf diese Stunde in Ansehung ihrer so ungemein gefehlt worden, daß einige allgemeine Ideen über Verbrechen und Strafen hier sehr zweckmäßig vorausgeschickt werden. Verbrechen sind Verletzungen der Naturgesetze. Diese lassen sich nach dem Grundsatze beurteilen: was ihr nicht wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch nicht; und alle Abweichungen von diesem Grundsatze sind also Verbrechen. Die Verletzung der Gesellschaftsgesetze (Sozietätsgesetze) ist nur in dem Falle ein Verbrechen, wenn dieselben mit dem Naturrechte übereinkommen. Jedes von dem Staate gegebene Gesetz, welches nicht auf einem natürlichen Gesetze beruhet, welches nicht auf Gerechtigkeit und auf Vernunft gegründet ist, ist schon in sich 'selbst ein Verbrechen. Niemand sollte angehalten werden, Gesetzen zu gehorchen, die wider die Natur sind; nur die Gewalt kann Menschen zwingen, sich ihnen zu unterwerfen; alle, welchen die Befolgung solcher Gesetze zugemutet wird, erfüllen eine heilige Pflicht, wenn sie ihnen den Gehorsam versagen; ihr Ungehorsam ist Tugend! - Nur wenn solche Gesetze der gemeinschaftliche Willen aller sind, denn darf niemand sie verletzen; aber alle Glieder der Sozietät müssen sich bestreben, den ihnen selbst schädlichen Irrtum, worauf das Gesetz beruhet, zu verbessern. Bloß als der Natur folgsame Kinder können die Menschen glücklich sein. So z. B. ist das Gesetz, welches jemandem die Ehe verbietet, eine Beeinträchtigung des natürlichen Gesetzes. Wer also das Zölibat bricht, kann nur in den Augen der Tyrannen strafbar sein oder in den Augen der ränkevollen oder törichten Menschen, welche dieses der Vernunft und der Gerechtigkeit widersprechende Gesetz einführten: nur die es einführten und aufrechterhalten sind strafbar

26. Februar 1793

757

und doppelt strafbar, wenn sie gar den Übertreter ihres absurden Gesetzes bestrafen. Sie verfallen hier, wie das immer bei Übertretung der Naturgesetze geschieht, aus dem einen Verbrechen in das andere. Als die Natur den Menschen schuf, legte sie die große Wahrheit in seine Seele: „Mensch, du bist frei, dein ist die Erde, teile sie mit deinesgleichen, was ein jeder unter euch bebauet, wird sein Eigentum; er genieße dessen in Frieden. Verteidige dich gegen alles, was dir schaden könnte, laß dir den Umfang deiner Rechte schlechterdings nicht einschränken." Jedes menschliche Gesetz, welches der Natur widerspricht, indem es meine Freiheit und den unbegrenzten Gebrauch meines Eigentums einschränkt, ist ein Verbrechen, weil nur das Verbrechen genannt werden kann, was die Natur untersagt. Wenn also Gesetze mir die Freiheit, nach meinem Gutdünken zu reden und zu handeln, untersagen, ohnerachtet dasjenige, was ich sage oder tue, niemandem schadet, so steckt das Strafbare im Gesetze und nicht in der Handlung gegen dasselbe. Das Verbrechen des Menschen, der auf seinem Acker jaget, ohne von seinem gnädigen Herrn dazu Erlaubnis zu haben, könnte nur ein konventionelles Verbrechen höchstens genannt werden; im Grunde liegt hier das Strafbare in der unnatürlichen Einrichtung, das heißt in dem strafenden Gesetze selbst. Die Einführung verbotener Waren ist eine Brechung der Sozietätsgesetze, aber den natürlichen Gesetzen nicht zuwider. Die erstem müssen wie die andern alles einzuhandeln und zu verkaufen mir erlauben, was ich immer will und wo ich immer will, sie dürfen mir schlechterdings keine Einschränkung meines Eigentumsrechtes machen. Wenn ich von der Gesellschaft als strafbar betrachtet werde, indem ich einen Handel schließe, den sie mir untersagt, so ist sie selbst zuerst strafbar, indem sie mir etwas verbietet, wozu ich ein natürliches Recht habe. Dieses Raisonnement läßt sich auf alle übrigen Arten von Verbrechen anwenden, welche nicht gegen die Ordnung der Natur laufen: Wahn oder Tyrannei hat sie geschaffen. Es gibt also kein anderes Verbrechen als dasjenige, welches der ewigen Gerechtigkeit zuwiderläuft. Alles übrige ist Ungehorsam gegen das, was man menschliche Rücksichten nennt, und sollte also auch keiner Bestrafung unterworfen sein. Jeder Mensch, der die Rechte eines andern antastet, ist strafbar, ist allein strafbar; derjenige, welcher der einmal von der Gesellschaft willkürlich eingeführten Ordnung zuwiderhandelt, begeht kein Verbrechen, sondern nur eine Gesetzwidrigheit. Wenn man ihn also bestraft, so darf es nie mit der Strenge geschehen, mit welcher Verbrecher behandelt werden müssen. Auch muß der Staat in betreff der Einrichtung der Strafen soviel möglich die Natur zur Führerin nehmen. Indem der Staat bestraft, übt er mehr eine Pflicht als eine Souveränitätshandlung aus - die Pflicht, das Übel zu hindern, ohne deren Ausübung der Staat bald das Schlachtopfer davon werden müßte. Immer muß die Strafe dem Verbrechen und der Gesetzwidrigkeit angemessen, immer, wenn sie anders gerecht sein soll, auch durchaus nötig sein. Das Gesetz kann nicht ohne Verbrechen Verbrechen befehlen. - Nichts rechtfertigt vollkommen die Todesstrafen - den Mord von Rechts wegen. Das größte Verbrechen ist ohnstreitig der Mord; schon der bloße Gedanke da-

758

26. Februar 1793

von empört alles Gefühl - man wünscht die beleidigte Natur auszusöhnen. Heißt aber das, ihr Genugtuung verschaffen, wenn man noch einen andern umbringt? Kann man ein von jemand anders gegen die Natur begangenes Verbrechen aussöhnen, wenn man es auch begeht? Ist strafbar der Mörder, weil er einem Menschen das Leben nahm, ist es denn nicht auch die Gesellschaft, die den Mörder ermorden läßt? Allein, sagt man dagegen: der Mörder kannte ja die auf sein Verbrechen gesetzte Strafe; warum beging er es denn? Es war also seine eigene Schuld. - Er mußte den Tod erwarten, weil ihr, Gesetzgeber, es wolltet, daß er ihn erwarten sollte; aber das hättet ihr nicht wollen können, wenn ihr euch die Billigkeit der Natur zum Muster gewählt hättet, die den Mörder leben ließ, der Natur, die ein Mord beleidigte und die ihr nun durch einen andern aussöhnen wollt. Seid ihr aber von euerer Unschuld überzeugt und schiebt ihr auch den zweiten Mord auf den Mörder - wer veranlaßte ihn? Ihr! - Der Tod des Mörders, sagt ihr auch noch, soll andern zum abschreckenden Beispiele dienen. Aber dürft ihr selbst Verbrecher werden, um Verbrechen zu verhüten? Ohne Zweifel müssen die Qualen des armen Sünders jeden, der zu seinem Verbrechen geneigt wäre, heftig erschüttern, aber hundertmal grausamer wie der Mörder selbst waren die Gesetze, die ihn richteten. Und wenn wir denn gar finden, daß die so hodi gerühmten Exempel ohne Nutzen sind, wenn uns die Erfahrung lehrt, daß der Anblick eines Mordes das Fürchterliche in der Idee davon schwächt, wenn ihr Gesetzgeber also ohne allen Nutzen gerichtlich morden laßt, mit welchem Vorwande könnt ihr denn euer Verbrechen beschönigen? Wißt, daß man sich an den Anblick des Todes gewöhnen kann. Wer oft Hinrichtungen beiwohnt, wird durch ihren Anblick nicht mehr gerührt. Überdem glaubt eine starke Seele, wie wir sie bei den meisten Mördern voraussetzen müssen, nicht an den Jammer des Todes und trotzt mutig den bald sich endigenden Schmerzen; sie wird ihn oft viel weniger fürchten als eine langdauernde Bestrafung. Man hat oft genug Engländer den Tod einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe bei freier Wahl vorziehen und diese sogenannte Begnadigung sich verbitten sehen. Beweis genug, daß sie schwerlich ihr Verbrechen begangen haben würden, wenn sie vorhergewußt hätten, daß man es mit lebenslänglicher Gefängnisstrafe ahnden würde. So scheint es denn an allen Bewegungsgründen zu fehlen, welche die Sozietät entschuldigen könnten, wenn sie irgendeinem ihrer Glieder das Leben nimmt.*) Die Freiheit muß man dem Mörder hinlänglich einschränken. Zwar ist sie wie das Leben ein Geschenk der Natur; aber die Gesellschaft hat das Recht, zu verhüten, daß niemand durch ihren Mißbrauch schade. - Wenn ich das Raubtier umbringe, so tue ich dies in der Überzeugung, daß es seine wilde Natur nicht ablegen *) Die Regel gehört für den Text, die Ausnahme für die Note. Die Gesellschaft kann zuweilen in einen widernatürlichen Zustand versetzt werden, worin widernatürliche Maßregeln ergriffen werden müssen und w o die sanfte'Stimme der Vernunft gegen die W u t der Verwirrung nicht gehört wird. Im Kriege und bei Revolutionen kommen solche Fälle vor. Das Standrecht ist in beiden Fällen unvermeidlich. Auch kann es geschehen, daß ein Verbrecher nicht anders unschädlich gemacht werden kann, als wenn man ihn hinrichtct - wie den letzten König von Frankreich.

26. Februar 1793

759

wird, ich würde es an Ketten legen, wenn ich auf sein Leben einen Wert setzte aber ganz anders mit dem Menschen! Reue kann sein Herz erfüllen, sein Verbrechen geschah gar oft in einem Augenblick der Verführung, er kann sich mit der Tugend wieder aussöhnen, durch gute Handlungen seine verlorene Würde wieder behaupten und die Gesellschaft mit sich aussöhnen. Und in Fällen, wo auf Besserung nicht zu hoffen ist, kann der Verbrecher doch noch der Gesellschaft Dienste leisten, dagegen er ihr durch seinen Tod unnütz wird. Man sollte die strafbarsten Verbrecher zur Austrocknung der Moräste anwenden, deren Ausdünstungen die Luft des Landes verpesten; andere minder Strafbare sollte man in den Kalchöfen und Bergwerken arbeiten lassen; andere wiederum zur Ausbesserung der Landstraßen gebrauchen. Der große Zweck, die Verbrechen zu vermindern, würde weit sicherer erreicht werden durch den warnenden Anblick einer anhaltenden Strafe wie durch den so schnell vorbeistreichenden Schauder des sobald geschehenen Hinrichtens, wodurch der Gesellschaft ein(e) ihr immer auf irgendeine Weise nützliches Glied geraubt und das Volk an das Zusehen barbarischer Handlungen gewöhnt wird. Soviel nur möglich soll die Strafe so eingerichtet werden, daß sie von der kürzesten Dauer sein kann - daß sie den Verbrecher bessere. Wie sehr ist darum an wohleingerichteten Zuchthäusern gelegen! „Die Strafe muß unumgänglich nötig sein, niemand darf anders als kraft eines Gesetzes bestraft werden, dieses Gesetz muß auf eine rechtskräftige Art angewandt werden und vor der Begehung des Verbrechens bekanntgemacht worden sein." Wer fühlt nicht die Notwendigkeit dieser Regel, um dem Despotismus nicht nur des Regenten, sondern auch der Übermacht des Stärkern über den Schwächern Grenzen zu setzen. Der Züchtling ist schon schlimm genug daran, daß er einen großen Teil seiner Freiheit entbehren muß. Warum setzte man ihn ins Zuchthaus? Um ihn unschädlich zu machen und um ihn zu bessern. Möchte doch alle Idee von Rache von dem Begriff von Strafe getrennt sein! Rache ist Verbrechen. Ist es also nicht sündlich, wenn man den armen Züchtling mit Schlägen peinigt, wenn man ihm nicht in seiner traurigen Lage so viel Lebensgenuß gibt, als sie zuläßt. O Richter, die ihr dem Verbrechen Einhalt tun wollt, euere Hauptsorge sei, das Volk auch zur Billigkeit gegen den Verbrecher zu gewöhnen. An euch ist es, Beispiele der Billigkeit, der wahren Gerechtigkeit zu geben, für deren Ausübung ihr berufen seid. - Wenn's erlaubt wäre, zu strafen denjenigen, der das Gesetz nicht kennt - und wie tausendfältig geschieht das nicht in allen Fürstenstaaten, wo nur der studierte Jurist genaue Kenntnis von den Gesetzen hat, wo man die [1] Jugend mit Schwärmereien der Priester den Kopf füllt und von der Landesverfassung sie nicht unterrichtet - , wenn erlaubt wäre, zu strafen, was kein Gesetz noch verboten hatte, als die verbotene Handlung begangen wurde - und wie tausendfältig ist auch dieses in Fürstenstaaten der Fall - , o denn würden wir Republikaner bei unserer Freiheit Sklaven werden! - Aber eine wichtige Bemerkung habe ich hier zu machen. Die Rede kann in dem achten Artikel nur sein von der Übertretung solcher Befehle, die nicht auch Befehle der Natur sind. Jede einzelne Handlung, die nach dem Naturrechte strafbar ist, kann und muß bestraft werden, wenn auch

760

26. Februar 1793

das Gesetz nicht über sie entschieden hätte, und das bei allen Menschen ohne Ausnahme, weil alle dem Naturrechte unterworfen sind. Eine Schikane war es darum und nichts weiter, wenn man die Unverletzbarkeit des Königs von Frankreich auch auf solche Fälle ausdehnen wollte, wo er gegen das Naturrecht sündigte. Derselbe Ludwig, der es für Beleidigung hielt, daß das Volk verschiedene von ihm mißbrauchte Rechte wieder zurücknahm, ebender Ludwig erkühnte sich, das Leben von so vielen Tausenden aufzuopfern und so 25 Millionen Menschen die Fesseln der Sklaverei wieder anlegen zu wollen. Und doch gab es Sklavenseelen genug, die seine Unverletzbarkeit, welche nur in Ansehung bloß gesetzwidriger Handlungen galt, auch auf wahre Verbrechen ausdehnen wollten. Besucht die Gefängnisse fast aller Staaten, beobachtet den beklagenswürdigen Zustand auch solcher Gefangenen, deren Verbrechen man noch nicht erwiesen hat, und ihr werdet schaudern, daß man Verbrechern die Untersuchung solcher anvertrauet, von denen man noch nicht weiß, ob sie Verbrecher sind, ja ob sie nur einmal gegen konventionelle Gesetze gefehlet haben. Gott ist Richter über das Verborgene! Solang ich noch nicht überzeugt bin, daß jemand ein Verbrecher sei, muß ich ihn für rechtschaffen, solang ich noch nicht weiß, daß jemand gegen die Gesetze gefehlt habe, muß ich ihn für einen guten Bürger halten. Kann man denn nicht umhin, jemanden einzuziehen, dessen imputiertes Verbrechen noch unerwiesen ist, so erleichtere man ihm seinen unangenehmen Zustand auf alle mögliche Weise.

X. Artikel. Niemand darf seiner Privatmeinung wegen beunruhiget werden, selbst wegen seiner besondern Meinungen in Religionssachen nicht, solange ihre Bekanntmachung die durch das Gesetz eingeführte öffentliche Ordnung nicht störet. D i e Wahrheit, ihres Wertes sich bewußt, duldet den Widerspruch. Das Vorurteil und die Lüge scheuen ihn; jenes, weil die Überzeugung nicht recht fest, nicht auf Gründe gestützt ist, denen der Menschenverstand seinen Beifall nicht versagen kann; diese, weil es ihrer Absicht entgegenläuft, daß die Wahrheit erkannt werde. Die Intoleranz war also stets eine Eigenschaft verblendeter oder boshafter Menschen. Niemand trieb es so weit wie der römische Hof, der das Zweifeln, diesen einzigen Weg zur Wahrheit, diesen einzigen Probierstein derselben zur Sünde machte und einen blinden Glauben einführte. Dadurch wurde aller Forschungsgeist erstickt, dadurch setzte er sich in den Besitz, eine Menge von selbstgemachten Verbrechen durch Lösung des Ablaßgeldes oder der Dispensationsgebühren wie eine Kaufmannsware zu behandeln und durch ein Wort einen großen Teil der Menschheit zu regieren. Weil niemand seine Gedanken frei äußern, folglich der Einsichtsvollere den Menschen von eingeschränktem Verstände nicht belehren konnte, so blieb die Geistlichkeit in dem Besitz der ungeheuersten Güter, sie konnte ihres Leibes pflegen, ohne ein sittliches Leben zu führen, sie konnte ernten, wo sie nicht gesäet hatte - die Menschen mußten ihr untertänig sein, und alles ihr Tun bestand in der Erhaltung eines blinden Glaubens; ein Zweck, zu dessen

26. Februar 1793

761

Erreichung sie kein Mittel schonte, und nach sichern Berechnungen hat die christliche Geistlichkeit durch Religionskriege, durch Kreuzzüge, durch Verbrennung der Ketzer etc. weit mehr Menschen gemordet, als würklich auf dem ganzen Erdboden leben. Die französische Konstitution erlaubt einem jeden, über Religionssachen zu denken, wie er will; und so hat niemand sich zu beschweren. Ist es darum nicht lächerlich, wenn man der fränkischen Einrichtung den Vorwurf macht, daß sie die Religion untergrabe? Untergräbt eine Einrichtung die Religion, welche alle Religionen duldet? Nur hindert sie, daß Leute sich das Recht anmaßen, Andersdenkende zu verfolgen und ihnen darum, weil sie anders denken, den freien Genuß ihrer Menschen- und Bürgerrechte zu versagen. Die Erfahrung lehrt in der ganzen Welt, hat von ¡eher gelehrt, daß bei den verschiedensten Religionen ein Staat bestehen kann. Die Natur gab allen Menschen das Recht, zu denken und zu reden, was sie für gut fanden. Die Gesellschaft darf das Recht, frei zu reden, nur insoweit einschränken, als sie mir untersagt, keinem durch meine Reden etwas zuzufügen, was ich mir nicht von ihm zugefügt wissen möchte. Ich darf also niemand belügen, niemand verleumden etc. Aber wenn ich Katholik oder ich Lutheraner etc. mir das Recht anmaße, jemandem von meinen Religionsmeinungen als Katholik, als Lutheraner etc. etwas vorzusagen, so muß ich auch hinwiederum ihm das Recht zugestehen, daß er mir die seinigen als Jud, als Türke, als Heide etc. mitteile. Sonst unterdrücke ich, sonst maße ich mir eine Gewalt an, die mir nicht zustehet. Ebendas gilt auch in Absicht auf politische Meinungen. - Das Gesetz kann nur verbieten, was ungerecht oder der Gesellschaft schädlich ist. Mag nun die Einrichtung des Staates beschaffen sein, wie sie immer wolle, so kannn keinem Bürger verboten werden, seine Meinung über dieselbe zu äußern. Im Gegenteile ist es Pflicht für jeden Bürger, daß er die Fehler, die er an den Gesetzen zu bemerken glaubt, bekanntmache, weil es Pflicht jedes Bürgers ist, für das Beste des Staats aus allen seinen Kräften zu sorgen. Nur Despoten, die bei der Gesetzgebung nichts weiter als ihr Privatbestes zum Zwecke haben, untersagen die freie Mitteilung der Gedanken über politische Gegenstände, sie erlauben sie nur denn, wenn diese Mitteilung eine Vermehrung der landesherrlichen Rechte, Einnahmen, Ansprüche etc. betrifft. Wer darüber etwas zu sagen weiß, kann nicht nur frei reden, sondern wird auch mit Geld, Titeln, Orden etc. belohnt; dagegen man den guten Bürger, der etwas dem Privatinteresse des Regenten Zuwiderlaufendes noch so gründlich sagt, schwer bestraft. - In Republiken, die eine demokratische Verfassung haben, muß jeder über die Gesetzgebung frei urteilen dürfen. Allen ist hier daran gelegen, daß die Gesetze die gemeinschaftliche Glückseligkeit der Bürger möglichst befördern. Wie können aber die Gesetze vollkommen werden, wenn sie nicht frei von jedem untersucht werden dürfen? Sagt jeder seine Meinung, wiegt man Gründe gegen Gründe ab, so muß die Majorität die Wahrheit treffen und also der Wunsch des Republikaners, der nur durch Beförderung des gemeinen Bisten auch sein Privatglück erhöhen kann, die Wahl des Besten zur Folge haben, weil nach der Entwickelung der Gründe leicht zu raten ist.

762

26. Februar 1793

XI. Artikel. Die freie Mitteilung seiner Gedanken und Meinungen ist eines der schätzbarsten Rechte des Menschen. So kann denn jeder Bürger frei reden, schreiben und drucken lassen, und er ist nur in den von dem Gesetz bestimmten Fällen für den Mißbrauch dieser Freiheit verantwortlich. Leben ist Tätigkeit; die vernünftige Tätigkeit Denken und Wollen. Wir können den Gedanken so wenig wehren wie den Bewegungen unsers Herzens und unserer Schlagadern. Ist aber freies Denken natürlich, so ist es auch die Mitteilung der Gedanken, wozu wir alle angeborne Neigung haben, ohne welche wir alle unglücklich sein würden. So müssen wir uns mithin wechselseitig in der menschlichen Gesellschaft diese Freiheit verbürgen. Kaum wird es die Nachwelt glauben, daß man sogar das freie Denken den Leuten nicht gestatten wollte. Alle Gedanken, die sich mit denen der Priester und der Despoten nicht vertrugen, nannte man sündlich; das Volk mußte sie angeben und dafür büßen. Konnte man die Tyrannei auch weiter treiben? Aber ist es nicht beinah ebenso tyrannisch, wenn man den Menschen - Geschöpfen, die sich durch bestimmte Mitteilung ihrer Gedanken am wesentlichsten von den übrigen Tieren auszeichnen, diese Freiheit schmälern will? Und warum denn schmälern? Weil das Beste des Staats diese Einschränkung notwendig macht, sagt man. O denn sei von mir verflucht das Band der menschlichen Gesellschaft! Erfunden, um durch Vereinigung der einzelnen Glieder den freien Genuß der angeerbten Menschenrechte gegen die Gefahren zu beschützen, welche die Mißbrauchung des Rechts des Stärkern über den Schwächern, des Schlauen über den Einfältigen usw. herbeiführen, schwächst du die Kraft des Geistes und wirst ein Mittel, das schlimmer wie die Krankheit ist. Beruhet die Vollkommenheit eines Staatskörpers auf der Vollkommenheit seiner Glieder; ist die Vollkommenheit des Menschen vorzüglich in seiner sittlichen Natur gegründet; kann diese sittliche Natur nur durch freie Übung der Geisteskräfte vervollkommnet werden, o denn müssen Menschen und Staaten in einem Zustande von Unvollkommenheit bleiben, worin man die freie Mitteilung der Gedanken nach Belieben einschränkt. Man wende nicht ein, daß diese Einschränkung nicht allgemein sei, daß sie nur die Mitteilung solcher Gedanken betreffe, die Religion und Politik zum Gegenstande haben; daß man über so viele tausend andere Gegenstände so frei denken könne, wie man immer wolle. - Ich frage hier zuvörderst: warum soll denn der Bürger nicht über Religion und Politik frei reden und schreiben dürfen? Ist Religion dem Menschen ehrwürdig, o so muß sie von Irrtümern geläutert, sie muß reine Empfindung und Wahrheit sein. Wer unter euch Sterblichen hat aber ein Recht, von seinem Nebenmenschen zu verlangen, daß dieser keine Mängel finde, wo er welche wahrnimmt? Und wer sich des Besitzes reiner Wahrheit sicher weiß, warum sollte der keine Widersprüche dulden? Kommen wir denn nicht alle überein, daß richtig erwiesener Wahrheit jeder vernünftige Kopf huldige, wenn sie ihm gehörig vorgetragen wird. Geben also nicht offenbar die Pfaffen und die Regenten ihre Schwäche bloß, indem sie das freie Reden und Schreiben über Religionsgegenstände untersagen? Wie, eine Religion, die von Gott ist, die göttliche

26. Februar 1793

76ß

Wahrheit lehrt - eine solche Religion sollte durch die Zweifel eines Irrenden leiden können! So ist es denn euer Eigennutz, Regenten und Priester! der schnöde Mißbrauch, den ihr von Menschen macht, daß ihr nur glauben lassen wollt, was euern Absichten gemäß ist, was euch zur Unduldsamkeit bestimmt. - Und mit dem Verbote, über politische Gegenstände nicht frei reden und schreiben zu dürfen, sieht es nicht anders aus. Wolltet ihr eine Politik für das Volk, so würdet ihr es gern sehen, wenn jeder durch den einzigen Weg zur beruhigenden Überzeugung, durch vörgängiges Zweifeln, sich von ihrer Güte überzeugte; so würdet ihr es gern sehn, wenn jeder Bürger zu ihrer Vervollkommnung sein Scherflein beizutragen sich bemühete. Aber ihr wollt eine Staatsverfassung für euern Privatnutzen. - Aber es ist auch durchaus ohnmöglich, daß der Mensch, dessen Vernunfl ihr von verschiedenen Seiten Fesseln anlegt, für andere Zwecke seine Fähigkeiten entwickele. Vorurteile stoßen allenthalben an, und ohnmöglich kann der ein guter, sittlicher Mensch sein, der sogar seinen Gott von dem Affekt der Rache nicht frei glaubt. Nur dann, wenn ich durch mündliche oder durch schriftliche Äußerungen meinen Nebenmenschen zu nahe trete, .so mache ich einen strafbaren Mißbrauch von meiner Rede- und Schreibfreiheit. Es muß also die Gerechtigkeit den bestrafen, der seinen Nebenmenschen verleumdet, den, der durch seine Reden oder Schriften strafbare Handlungen veranlaßt - aber nicht vor geschehener Sache - , das Reden und das Schreiben steht mir frei, nur bin ich verantwortlich für den Schaden, den ich dadurch angerichtet habe. Darum hat der Staat ein Recht, zu fordern, daß jeder Schriftsteller oder an seiner Statt der Buchdrucker, der den Schriftsteller kennet, sich öffentlich nenne, um nötigenfalls verantwortlich zu sein.

XII. Artikel. Zur Sicherung der Rechte des Menschen und des Bürgers ist eine öffentliche Gewalt (Zivil- und Militärstand) notwendig, welche aber zum Vorteile aller und nicht zum besondern Interesse derer, denen sie anvertrauet worden ist, gereichen soll. Öffentliche Gewalt nennt man die Einrichtung im Staate, wodurch der im Gesetze erklärte Willen des Volks vollzogen wird. Dahin gehören also alle Beamte, sowohl vom Militär- als Zivilstande, welche für die Vollstreckung der Gesetze und für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit im Namen des Volkes Sorge tragen. Eine solche öffentliche Gewalt ist notwendig, weil teils nicht alle Bürger dazu die Geschicklichkeit und den Charakter besitzen, teils weil es der gute Fortgang der Geschäfte erfordert, daß diejenigen, welche sie besorgen, unter einer besondern Verantwortlichkeit stehen und sie zu ihrer Hauptverrichtung machen. Man nennt also einen Beamten (er heiße nun Richter, Schullehrer, Soldat, oder wie er heißen möge) jeden, der sich anheischig gemacht hat, irgendeine öffentliche Angelegenheit im Namen und zum Besten des Volks zu besorgen. Indem der Beamte dieses tut, dient er auch sich selbst(en), weil er selbst mit zum Volke gehöret und mit dem öffentlichen Besten auch sein eigenes von jenem unzertrennliches Privatglück befördert. Er hat also auch kein Recht auf weitere Belohnung; genug, wenn ihn das Volk für Verantwortlikcheit, Zeitaufwand, Versäumnis und

764

26. Februar 1793

Mühe entschädigt. Gibt man dem Beamten mehr, so ist das ungerechte Verschwendung; denn der Beamte ist des Volks wegen und nicht das Volk des Beamten wegen da. Der Beamte ist ein Bürger, der durch seine Bemühung sich und seinen Mitbürgern nützt, und nur insofern hat er Recht auf Entschädigung, indem er Geschäfte übernimmt, in welche seine Mitbürger sich sonst teilen müssen. Dafür, daß er an ihrer Stelle arbeitet, bezahlen sie ihn, das heißt, sie geben ihm dafür eiuc Entschädigung, weil er in der Zeit, welche er seinem Amte widmen muß, sich sonst nichts verdienen kann - denn arbeiten muß jeder Bürger, der von einem Staate geduldet sein will, worin niemand dem atidern zur Last werden und jeder tätig sein soll. Man erkennet also, daß in Freistaaten alle großen Besoldungen, wie sie die Fürsten gaben, wegfallen müssen. Warum gaben die Fürsten diese starken Besoldungen? Weil sie Werkzeuge zur Unterdrückung des Volkes sich erkaufen müssen denn alle sogenannten Gnaden der Fürsten sind - Bestechungen! Das Volk, um dessen Willen Fürsten und Beamte da sind, geht in Lumpen, indessen diese sich von der ihm abgejagten Beute mästen und, an Schwelgerei gewöhnt, nur in der sklavischen Ausübung tyrannischer Befehle das; Mittel zur Fortsetzung ihres üppigen Lebens finden. Überdem ist der Diener des großen Herrn ja nur Diener, nicht Glied des Souveräns - er dient nicht sich selbst(en), er dient nur seinem Herrn. Also lasse er sich von diesem bezahlen, was er bekommen kann. Kaiser Joseph II. hätte als Kaiser nichts Unsinnigeres sagen können, als „daß er nur der erste unter den Dienern des Volks sei", denn sobald die Diener eines großen Herrn sich in allem Ernst für Volksbeamten halten, so ist es um den großen Herrn geschehen! Zu starke Besoldungen haben in Republiken auch den Nachteil, daß sich denn die Leute gar zu eifrig um Stellen bemühen und daß man auf Ränke sinnt, um Stellen zu bekommen und sich in ihrem Besitze zu erhalten. Indessen soll man auch nicht von der andern Seite zu sparsam diejenigen entschädigen, welche dem Volke dienen. Man sehe dabei 1) auf die Größe des Zeitaufwandes und der Hintansetzung des bürgerlichen Erwerbs, welche das Amt erfordern; 2) auf die Mühe und den Aufwand an Zeit und an Kosten, welche erfordert wurden, um sich zu dem Amte zu befähigen; 3) auf die Gefahr, die Verantwortlichkeit und das Unangenehme, welches mit dem Amte verbunden ist und die Bürger abhalten würde, dasselbe zu übernehmen, wenn sie keine angemessene Entschädigung erhielten. XIII. Artikel. Zur Unterhaltung der öffentlichen Gewalt und zur Bestreitung der Verwaltungskosten ist eine gemeinschaftliche Steuer durchaus notwendig, welche unter alle Bürger nach Verhältnis ihres Vermögens ausgeteilt sein muß. Kontribuieren heißt beitragen, seinen Teil zu irgendeiner gemeinschaftlichen Ausgabe hergeben. Kontribution' ist der Beitrag, den jeder für sich bezahlt. Ich habe meine Kontribution erlegt, das heißt nichts anders als, ich habe meinen Anteil zur Bestreitung einer Ausgabe hergegeben. Der Zweck der Vereinigung der Menschen in eine Gesellschaft ist, einem jeden

26. Februar 1793

765

den ruhigen und vollkommenen Genuß seiner natürlichen Rechte zuzusichern; alle öffentlichen Einrichtungen führen zu diesem Zwecke. Von diesen aber macht fast jede gewisse Kosten unumgänglich, wozu ein jeder das Seinige hergeben muß, weil er an dem Nutzen dieser Einrichtung Anteil nehmen will. Die Armee dient zur Beschützung unserer Sicherheit gegen die Angriffe der Feinde von außen; die Gerichte schützen mir meine Freiheit, mein Eigentum und überhaupt meine Rechte gegen die Angriffe übelgesinnter Mitbürger. Diese Vorteile erkaufe ich mir, indem ich jährlich einen Teil meiner Einnahme dafür aufopfere. Keine willkürliche Gewalt hat das Recht, den Anteil, den ich dazu hergeben muß, zu bestimmen; ich selbst bin es, der ihn nach einer mit meinen Mitbürgern getroffenen Übereinkunft zu bestimmen hat. Es läßt sich also erwarten, daß dieser Beitrag den Bedürfnissen des Staates und den Vermögensumständen jedes Bürgers entsprechen müsse; denn je mehr ich besitze, um so mehr habe ich auch des Schutzes vom Staate vonnöten, und es ist gerecht, daß ich zu den Kosten der Staatsverwaltung auch nach dem Verhältnisse hergebe, nach welchem sie mir zustatten kommt. Der Beitrag zu den Kosten der Staatsverwaltung ist also eine natürliche Pflicht; in seiner Bestreitung findet ein jeder die Bürgschaft seiner Rechte; aber er ist nur insofern eine Pflicht, als diese Kosten von dem Volke, welches sie bestreiten soll, für nötig anerkannt worden sind. Jedes Volk, welches das Recht, sich selbst seine Auflagen zu machen, nicht ausübt, ist Sklav; und weit entfernt, daß es eine Pflicht für dasselbe wäre, die Auflagen zu bezahlen, womit man es willkürlich belastet, liegt ihm vielmehr ob, die geforderten Auflagen nicht zu erlegen. Denn wenn der Zweck der Auflagen kein anderer ist als Sicherstellung der natürlichen Rechte, so folgt, daß man einer Regierung nichts geben müsse, welche die Erwartung des Volks hintergeht, indem sie es der Ausübung eines natürlichen Rechtes beraubt. Man hat nur denn Pflichten, wenn man auch Rechte hat. Wen man seiner Rechte beraubt, den entläßt man auch seiner Pflichten. Das Volk sagte ganz und gar nicht zu den Beamten, die es ansetzte: „Wir wollen blindlings alle Auflagen bezahlen, welche ihr uns ansetzen werdet, und ihr habt ganz und gar nicht nötig, euch hierin nach unserm Willen zu richten." So weit hat es der Despotismus nie bringen können. Wenn auch die Könige sich so gebärdeten, als wenn eine solche Ubereinkunft zwischen ihnen und ihren Untertanen stattfände, wenn auch das Volk nicht laut widersprach, so war das eine Folge der knechtischen Denkungsart, welche sie ihm beizubringen gewußt hatten; war ein Beweis, daß sie von jeher Unterdrücker der Menschheit waren. Alle Nationen haben das Recht, nach Belieben die Ausgaben ihrer Regierung zu erweitern oder einzuschränken und selbst zu bestimmen, was sie geben wollen.

XIV. Artikel. Die Bürger haben das Recht, entweder selbst oder durch Deputierte die Notwendigkeit der öffentlichen Beiträge zu bestimmen, ihre freiwillige Einwilligung zu geben, über die Art der Anwendung nachzusehen und die Summe, die Quellen, woraus die öffentlichen Einkünfte bezogen werden, auch die Art der Erhebung und die Dauer der Abgaben festzusetzen.

766

26. Februar 1793

Es folgt, daß in monarchischen Staaten die Abgaben eine Prellerei sind. Man darf da nicht einmal über ihre Notwendigkeit und Anwendung frei reden. Der Grundsatz der Finanziers {wie die Blutigel des Volks sich nennen) ist der: so viel dem Volke abzunehmen, als es bezahlen kann, ohne für gleich große oder noch stärkere Abgaben in der Folge unfähig zu werden. Man schere die Wolle, ohne die Haut zu beschädigen. Und auch dieser Grundsatz wird nur zu oft überschritten. XV. Artikel. Die Gesellschaft (das Land) hat das Recht, von der Amtsverwaltung jedes öffentlichen Beamten Rechenschaft zu fordern. Sonst wäre der Beamte zum Despoten gemacht. Er ist aber nur Stellvertreter, der Agent des Volks, welches wissen muß, wie er seine Aufträge in Erfüllung bringt. XVI. Artikel. Kein Staat kann sich des Besitzes einer Konstitution rühmen, in dem die Gewährleistung der Menschenrechte nicht versichert noch die Absonderung der Gewalten genau bestimmt ist. Unter Konstitution versteht man die Übereinkunft der Bürger zur Sicherung ihrer Menschen- und Bürgerrechte nach gewissen Gesetzen oder Vorschriften. Es gehören also zu einer Konstitution drei Stücke: 1) die Gesetze und Regeln, nach welchen der Staat verwaltet, das heißt, wonach die Sicherheit der Freiheit, der Gleichheit, des Eigentums, der Person und des Verteidigungsrechtes geleistet werden soll. Dieses nennt man die gesetzgebende Gewalt. 2) Die Ausführung der Gesetze, welches die vollziehende Gewalt genannt wird, die sich in die bürgerliche und militärische unterscheidet. 3) Daß diese beiden Gewalten durch Übereinkunft des Volkes bestimmt und geleitet werden. Dem Volke liegt es ob, die Gesetze zu sanktionieren oder zu bestätigen, seine Gesetzgeber und seine Beamte [n], welche die Gesetze ausführen sollen, zu wählen. Ein Land kann also wohl eine Regierungsverfassung haben; allein eine Konstitution erhält es erst dann, wenn die Regeln, nach welchen es regiert werden soll, als ein von den Bürgern freiwillig eingegangener Vertrag gelten können, den das Volk in seinen Urversammlungen beschlossen hat. - Die erwähnten drei Gewalten müssen genau unterschieden werden. Die gesetzgebende darf sich nicht die vollstreckende Gewalt anmaßen, wenn kein Despotismus entstehen und das Volk nicht seine Rechte zur Sanktion der Gesetze und im Notfalle zur Insurrektion (Aufstande) gegen beide übertragene Gewalten verlieren soll. Die vollstreckende Gewalt muß ebenfalls von der gesetzgebenden abgesondert sein, weil sie dieser gehorchen soll. Das Meisterstück einer guten Konstitution erfordert aber auch noch, daß die eine Gewalt die Würksamkeit der andern nicht entkräfte oder hindere - ein Gegenstand, der itzt ganz vorzüglich die fränkische Nationalkonvention beschäftiget. XVII. Artikel. Da das Eigentum immer ein heiliges, unverletzbares Recht bleibt, so darf niemand desselben beraubet werden, es sei denn, daß es das allgemeine Beste durchaus erfordere und daß diese Notwendigkeit rechtskräftig dargetan sei. Dann aber muß der Eigentümer gehörig entschädigt werden.

26. Februar 1793

767

Z. B. das allgemeine Beste machte es- notwendig, einen Ort zu befestigen wie itzt Kassel bei Mainz. Hier werden dem Eigentümer seine Gärten genommen, um den Platz zu Festungswerker [n] zu verwenden. Aber der Eigentümer muß Entschädigung haben. So auch bei Anlegung von öffentlichen Landstraßen usw. Im Kriege darf ich das Eigentum meines Feindes in dem Falle nehmen, wenn er mir damit schaden würde. Meine Sicherheit erfordert diese Maßregel, sonst wäre sie ungerecht. c

Cotta bezog sich auf die in 33 Artikel gegliederte Neufassung der Déclaration des droits de l'homme, die kürzlich im Pariser Nationalkonvent verlesen worden war; vgl. dazu Protokoll vom 21. 2. 93 Anm. e. Die MNZ, Nr 25 vom 28. 2. 93, brachte eine Pariser Meldung vom 18. Februar, die über das Vorgehen des Konvents im Hinblick auf diese Erklärung und den sich darauf gründenden neuen Verfassungsentwurf unterrichtete : „Sitzung vom 15. Februar. [.. .] Condorcet bestieg die Rednerbühne und zeigte der Versammlung die Arbeit des Konstitutionskomite[es] an. Die neue Konstitutionstakunde gründet sich auf eine neue Erklärung der Rechte des Menschen, die in 33 Artikeln besteht. Diese wurde abgelesen, das übrige auf morgen ajourniert. Sitzung vom 16. Februar. Die Verlesung des Plans der neuen Konstitution war gestern nicht vollendet worden. Gensonné nahm sie wiederum vor und brachte sie in dieser Sitzung zu Ende. Auf den Vorschlag des Bürgers Lesage wurde dekretiert, daß dieser Plan gedruckt und an die Departements, Distrikte, Munizipalitäten, Armeen und Volksgesellschaften gesandt werden sollte. In der Absicht, über diesen Gegenstand alles mögliche Licht zu verbreiten, erhielten auch alle Mitglieder, die ihre Gedanken darüber entworfen haben, Vollmacht, durch den Druck solche bekanntzumachen. Und endlich: um den schädlichen Einfluß zu verhüten, den das erste Konstitutionskomitee durch seine Beibehaltung während der Untersuchung seines Projektes ausübte, wurde das Konstitutionskomitee aufgehoben."

d

Die Attacken vor allem gegen die konterrevolutionäre Geistlichkeit lagen ganz auf der Linie, die Simon und Grégoire vertraten: «Au moment des élections, les prêtres qui ont fait une sainte coalition nous donnent du fil à retordre; mais nous les travaillons à revanche.» (AN Paris, F 1 e 40: Brief an den Conseil exécutif vom 25. 2. 93) Wie im Klub trat Metternich dementsprechend auch in diesen Tagen im Bürgerfreund gegen die Umtriebe des Klerus auf; als ein Beispiel, das sich zeitlich mit seiner Klubrede nahezu deckt und sie zu illustrieren geeignet ist, wird der in Nr 17 vom 27. 2. 93, S. 76, begonnene und in Nr 18 vom 1. 3. 93, S. 77 f., beendete Artikel „Pfaffenlügen vom Bürgereide" gebracht: „Da wird uns gesagt, daß in ,dem Eide: Ich schwöre, getreu zu sein dem Volke und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit, eine gefährliche und bedenkliche Sache für die Religion läge; denn - sagen die Herrn GeistlichenI - wer dem Volke zuschwört, der schwört Gott ab; ferner ist die Freiheit ein[e] entsetzlich gefährliche Heit. Da darf man alles tun, was dem lieben Gott mißfällt. Und endlich gar die Gleichheit; ja, da sollt ihr dem Papst und der katholischen Kirche abschwören. Mainzerl Um Gottes willen, wie lange noch soll's währen, daß man Euerer Vernunft spotte? Wie lange noch wird eine Menschenklasse, deren Gott nur ihr Bauch ist, deren Herz nie schlug für Menschenliebe und Menschenwohltätigkeit; wie lange noch wirst du, Mainzer Volk, dich von diesen ausgearteten Menschen belügen lassen? Ist es nicht in dem X. Artikel der Menschenrechte, welche sich auf die Grundgesetze der Freiheit und Gleichheit gründen, ist es nicht in diesem Artikel ausdrücklich verboten, auch nur jemand wegen der Religion zu beunruhigen, vielweniger ihn zu kränken oder gar (oh! welche boshafte(n) Pfaffenlüge) ihm einen Eid abzufordern, derselben abzuschwören! Aber die Gottlosigkeit der Pfaffen ging noch weiter, sie bedienten sich der Beicht sogar und versagten die

768

e

26. Februar 1793

Lossprechung denen, die den obigen Bürgereid schwören würden; besonders legten sie es den Weibern auf, ihre Männer ja abzumahnen, daß sie diesen Eid nicht schwören möchten. Der Kniff war fein ausgedacht; denn man hatte beredinet, daß die Sache nicht herauskomme, weil sich die Männer schämen würden, zu sagen: Wir dürfen und wollen nicht schwören, denn unsere Weiber leiden's nicht. Und nun, was soll dann in der bürgerlichen Verfassung gegen die Religion eigentlich liegen? Dieses soll's sein: Die Gemeinden sollen in Zukunft ihre Pfarrer und die Geistlichkeit eines Bistums allein, oder die Geistlichkeit, verbunden mit dem Volke, soll den Bischof wählen; also nicht mehr der gnädige Herr oder dessen Frau oder dessen Maitresse oder dessen Kammerfrau oder die Schwester des Lakaien, also alle diese feinen Menschen und Menscher sollen nidit mehr die Pfarreien und Bistümer vergeben; und das soll gegen die Religion sein?l Sie sagen weiter: Und der Papst wird die so gewählten Bischöfe nicht konfirmieren, und da gibt es ein Schisma in der Kirche, und dann ist es um die Religion geschehen. Also wissen die Herrn schon, daß der Papst sich einer verbesserten Ordnung in Bestellung der Beschöfe und Pfarrer widersetzen werde? - Das letzte läßt sich von einem vernünftigen Papste nicht denken; und wenn es doch geschehen sollte, so halten wir uns an dem Urstifter der Christus-Religion und dessen Apostel, die die Wahlen ja selbst angestellt haben. - Hat nicht Christus seine Apostel(n) gewählt? Hat er nicht Heuchler, z. B. einen jungen Menschen, der noch zu sehr am Eigennutze hing und sich zu ihm gesellen wollte, fortgeschickt? Haben nicht die Apostel unter vielen den Barrabas und Mathias ausgewählt und das Los wegen diesen beiden nochmal gezogen? Wählen nicht selbst die Kardinäle zu Rom einen Papst aus ihrer Mitte, ohne weiter(s) die Bischöfe in der übrigen Welt darum zu fragen? Und nun noch weiter sagen sie: In der neuen (besser uralten) Staatsverfassung will man keine Gelübde mehr anerkennen. Aber ich antworte: Man kann und wird sie auch nicht verbieten, weil man keinen in Religionsmeinungen kränken darf. Und wo steht das in dem Grundbuche der Religion, daß Gelübde einen Teil der Religion ausmachen? Doch ich muß hier abbrechen und verweise auf die gründliche Rede des Bürger[s] Kaplan von Wöllstein; ich bin sicher, sie ist überzeugend, unwiderlegbar wahr und für jeden, der der Vernunft nicht abgeschworen hat, ganz beruhigend. Aber alles werden Euch die Pfaffen vormalen, nur das nicht, was ihnen am meisten auf dem Herzen liegt. Unsere Stifts- und Klostergeistlichen, besonders die erstem erhielten bei dem müßigsten Leben ein allerliebstes Einkommen, wodurch sie imstande waren, alle Lebensergötzlichkeiten in vollem Maße zu genießen; und in der bürgerlichen Verfassung heißt es: Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen. - Unsere Pfarrer wurden der Gemeinde vorgesetzt wie uns die sogenannten Regenten itzt sollen sie nicht zur Pfarre kommen, bis die Wahl der Gemeinde entschieden hat, ob sie auch des Zutrauens wert sind; itzt sollen sie von der Gemeinde abhängen; und das alles schmeckt nicht; denn diese Gattung Menschen hat immer geglaubt, sie wären wenigstens um das alterum tantum besser als andere Leute. Da steckt der Verfall der Religion." Was Bingen und die Eidesleistung angeht, so fehlte es selbst in der Stadtverwaltung nicht an Verfechtern der französischen Konstitution. Dennoch kam unter dem maßgeblichen Einfluß der Binger Geistlichkeit am 21722. Februar eine Deputation der Bürgerschaft nach Mainz mit dem Ziel zustande, sich dort eine Eingabe fertigen zu lassen, die sich in ihrer Argumentation dann auch eng an die von Dumont geführte Mainzer Gegenbewegung anschloß. Der Stadtschultheiß Kämmerer konnte zwar nicht verhindern, daß in Bingen Unterschriften für diese Eingabe gesammelt wurden, aber er unterband dann doch die Absendung an die Nationalkommissäre und sorgte mit dafür, daß am 26. Februar „unter mancherlei tückischer Beschimpfung" der Pfarrer zusammen mit dem ebenfalls eidverweigernden Kapuzinerkonvent - ein einziges Mitglied ausgenommen - nach Mainz und von dort über den Rhein gebracht wurde. Eine Kopie jener Eingabe ohne jede Unterschrift findet sich als Anlage 4 eines Schreibens, das Dechant und

769

2 6 . Februar 1 7 9 3

Kapitel des Mainzer Domstifts in Würzburg am 1. 5. 9 3 an den Kurfürsten richteten, um die Verfolgung der Binger Jakobiner nach der Einnahme der Stadt durch die Preußen zu bewirken; die Mitteilung über Entstehung und Schicksal der Eingabe ist dem Promemoria

entnommen,

das die Zunftvorsteher zur eigenen Rechtfertigung unter preußischer Besatzung an das Binger Vicedomamt richteten und das als Anlage 1 dem obenerwähnten Schreiben des Mainzer Domstifts beiliegt; ( H H S t A Wien, Mainzer Erzkanzlerarchiv, Militaria, Fasz.

120:

1790-1799).

Entgegen den hier gemachten Angaben wird allerdings in einer Binger Meldung vom 3. März behauptet, daß die Eingabe tatsächlich an die Nationalkommissäre abgesandt wurde;

(MNZ,

N r 3 2 vom 16. 3. 9 3 ) . Vgl. auch Protokoll vom 3. 3. 9 3 § 3 2 2 , Anm. f. f

Zu Cottas Anregung vgl. Protokoll vom 2 7 . 2. § 2 9 7 , vom 5. 3. § 3 2 5 , vom 7. 3. § 3 2 8 und vom 9 . 3. § 3 3 1 . Wedekind brachte das R o t e Buch in Erinnerung, weil sich darin weit über 1 0 0 0 Mainzer eingeschrieben hatten -

vgl. Protokoll vom 7. 12. 9 2 Anm. i - , während die

Wahlbeteiligung am 2 4 . Februar in der Stadt sehr viel geringer war. Ein recht zuverlässiges Bild von der Wahlbeteiligung vermitteln die von der

Munizipalität

angefertigten „Verzeichnisse der stimm- und wahlfähigen Bürger dahier in Mainz und derjenigen, welche den Eid der Treue dem Volke und den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit am 2 4 . Februar 1 7 9 3 sowohl in den Pfarrkirchen als bei der Munizipalität auf dem Gemeindehause mündlich als auch schriftlich abgelegt haben"; (StA Würzburg, M R A V Klubisten, N r 1 7 1 , fol. 1 1 6 ) . Diese Quelle stellte für die mit den Buchstaben A bis F gekennzeichneten sechs Sektionen der Stadt folgende Zahlen gegenüber: „Stimm- und Wahlfähige in den Sektionen

haben geschworen

A

-

656

B

-

601

36

C

-

1120

137

D

-

793

63

E

-

662

33

F

-

794

56"

47

Demnach hatten von 4 6 2 6 Stimm- und Wahlfähigen 3 7 2 , d . h . 8 % , den E i d geleistet. In der Zahl 3 7 2 sind Nachzügler enthalten, die sich erst am 2 5 . und 2 6 . Februar zum E i d entschlossen hatten; das war möglich, weil die Wahlen, die in der ersten Runde am 2 4 . nicht die notwendigen absoluten Mehrheiten für die Ämter des Maire und des Gemeindeprokurators erbracht hatten, erst am 2 6 . Februar abgeschlossen werden konnten. Im übrigen wird die Tatsache, daß in der Zahl 3 7 2 Eidesleistungen der genannten 3 T a g e enthalten sind, ausdrücklich bestätigt durch das ebenfalls durch die Munizipalität zusammengestellte „Verzeichnis der Bürger, so den E i d der Freiheit und Gleichheit abgelegt, T o m . V " (Mainzer Stadtarchiv 1 1 / 9 5 ) . Zweifellos haben die reaktionäre Gegenpropaganda und die Furcht vor den Preußen wesentlich zu der geringen Wahlbeteiligung

beigetragen;

doch entscheidend war die mangelnde

Vor-

bereitung der meisten, um den Riesenschritt aus der jahrhundertelangen Unmündigkeit in eine einigermaßen komplizierte staatsbürgerliche Praxis zu tun. Auch in Frankreich haben sich bei allen Wahlen immer nur Minoritäten beteiligt, und in Paris, das 8 0 0 0 0 Aktivbürger zählte, wurde im November 1791 der Jakobiner Petion mit ganzen 6 7 2 8 Stimmen zum Maire gewählt. Um so erstaunlicher aber ist es, daß es der Mainzer Munizipalität - wie das „Verzeichnis der Kunstgewerbs- und Handwerksleute, so den französischen Bürgereid geleistet und in Notfällen unentbehrlich sind, Tom. I V " (Mainzer Stadtarchiv 1 1 / 9 4 ) ausweist - allein bis zum 12. April gelang, über 9 0 0 Mainzer aus solchen Berufen, die bei einer Belagerung besonders wichtig waren, zum Eide zu bewegen. D a man noch bis Mitte Mai Eidesleistungen entgegennahm, stieg 49

Schecl.

Protokolle

770

27. Februar 1793

die Gesamtzahl der Geschworenen am Ende sogar auf über 2000, wobei Doppeleintragungen und andere Irrtümer schon berücksichtigt sind; diese Zahl ist einmal zu entnehmen dem alphabetisch geordneten „Verzeichnis der geschworenen Stadtbewohner, Tom. III" (Mainzer Stadtarchiv 11/93) und zum anderen auch dem obenerwähnten Tom. V, das die Eidesleistungen datumsmäßig festhält. « Vgl. Protokoll vom 7. 12. 92 Anm. i.

Protokoll des Comités général(s) am [Mittwoch,] 27. Februar 1793, im 2. J[ahr] d[er] F[ranken]r[epublik] Präsident Metternich § 288 Die Gesellschaft wählte einen Präsidenten, Vizepräsidenten und Provisor, und durch die Mehrheit der Stimmen ward Cotta Präsident, Wölfl, Vic[arius], Vizepräsident und Neukirch Provisor. § 289 Man ging zur Frage über: Soll das Comité de surveillance nicht von jenem der Ökonomie getrennt sein? Das Comité d'oeconomie legt sodann seine Rechnung ab. a § 290 Der Präsident lud alle Mitglieder, die etwas an die Gesellschaft zu fordern hätten, ein, ihre Rechnung zu bringen. § 291 Ein Mitglied (Pfeiffer) beklagte sich, daß noch niemals ein Comité am Ende des Monats Rechnung abgelegt hätte, daß daraus Verwirrung entstünde. Ein Mitglied (Steinern) entschuldiget das Comité d'oeconomie dadurch, daß er sagt, die Buchhalter des Comités seien als Emissaires auf dem Lande. b § 292 Ein Mitglied (Metternich) schlägt vor, die Gesellschaft solle den Bruder Stumme aus dem Comité de correspondance 1 in jenes d'oeconomie 2 versetzen. Angenommen. § 293 Ein Mitglied, Melzer 3 , will das Comité de surveillance von jenem d'oeconomie getrennt haben. Ein Mitglied (Hauser) schlägt vor, Bruder 4 Stumme soll Mitglied des Comités d'oeconomie werden, allein die Glieder des Comités de surveillance sollten] wöchentlich eine Sitzung für die Oeconomie halten. Angenommen. § 294 Ein Mitglied (Metternich) schlägt vor, das Comité de bienfaisance mit jenem d'oeconomie zu vereinigen, weil beide wenig Geschäfte hätten. Ein Mitglied (Cotta) 5 widersetzt sich dagegen und sagt, das Comité d'oeconomie könnte nofh sehr viele Geschäfte erhalten. § 295 Ein Mitglied (Metternich) schlägt vor, die Gesellschaft solle den Bruder Lux als Mitglied des Comités de correspondance ernennen, weil er beide 1 2 3 4 5

„Correspondance" geändert statt: „instruction". „d'oeconomie" geändert statt: „de correspondance". „Melzer" unter Fehlzeichen am Rande ergänzt. „Bruder" zugefügt. „(Cotta)" unter Fehlzeichen am Rande ergänzt.

27. Februat 1793

§ 296

§ 297

§. 298 § 299

§ 300

§ 301

§ 302

a

771

hierzu nötigen Sprachen schreibe und spräche. Angenommen. Metternich erbietet sich als Mitglied des Comités d'instruction. Angenommen. Ein Mitglied {Metternich) schlägt vor, das Comité d'oeconomie soll8 mit dem neuen Provisor einen Vertrag machen, was er für einen dreimonatlichen Gehalt haben soll.c Ferner schlägt er vor, das Comité d'oeconomie soll ein genaues Verzeichnis aller Habseligkeiten der Gesellschaft vorlegen. Angenommen. Ein Mitglied (Cotta) wiederholte den in der letzten Sitzung gefaßten' Schluß, das Comité de surveillance soll ein genaues Verzeichnis jener Glieder liefern, welche in der Gesellschaft den Eid für Freiheit oder Tod, aber doch in der Urversammlung nicht für Freiheit und Gleichheit und für Treue gegen die Nation geschworen hätten."1 Das Comité de bienfaisance begehrte einige neue Mitglieder. Ein Mitglied {Wohlstatt) bot sich dazu als Secretaire an. Angenommen, Ein Mitglied (Müller) schlug8 vor, die Gesellschaft solle einem ehemaligen Mitglied (Natan Maas) das noch in seinen Händen befindliche Certificat abbegehren, weil er sich dessen bedienen könne, um sich an andern Orten als Mitglied der Gesellschaft zu produzieren, da er im Begriff sei, abzureisen. Imgleichen solle die Gesellschaft darauf dringen, seinen noch schuldigen Beitrag zu bezahlen. Angenommen.® Ein Mitglied (Stöber)9 schlägt vor, in Zukunft sollte jedes neu angenommene Mitglied sogleich eine gewisse Summe zahlen. Ein Mitglied (Hauser) unterstüzte dies, jedoch mit dem Zusätze, jene nicht zahlen zu lassen, die es nicht imstande wären. Ein Mitglied (Vincent) schlug8 vor, jedes Mitglied sollte künftighin für alle Monate 1 fl. zahlen. Ein Mitglied (Stöber) sprach dagegen, weil die Gesellschaft Glieder hätte, die 15 kr. nicht, viel weniger also 1 fl. zahlen könnten. Ein Mitglied (Wohlstatt) schlug vor, das Comité d'oeconomie solle zuerst reguliert werden; bis dahin solle man also dieses aufschieben. Angenommen. Ein Mitglied (Mercklein) begehrte, die Gesellschaft solle nun wieder einmal die Namen jener an die Muttergesellschaft zu Paris schicken, die sich hätten ausstreichen lassen. Angenommen. Der Präsident erinnerte den neuen Provisor, seine Schuldigkeit zu tun, der alsdann ein genaues Verzeichnis seiner Pflichten begehrte. Die Sitzung10 ward geschlossen.

Vor knappen drei Wochen hatte das Comité de surveillance die Geschäfte des Ökonomieausschusses mitübernommen, um „einmal zu sehen, ob keine Ordnung in die Sache zu bringen sei" ; vgl. Protokoll vom 7. 2. 93 § 196, Anm. g. Seitdem ist in den Protokollen eine regel0

Es folgt die Streichung: „künftighin". ' Geändert statt: „die in der letzten Sitzung angenommenen". " Verbessert statt: „schlägt". J Geändert statt: „(Vincent)". Geändert statt: „Gesellschaft".

49*

772

27. Februar 1793

mäßige Berichterstattung des ökonomieausscbusses vor dem Klub nidit mehr verzeichnet, was jedoch nicht unbedingt heißen muß, daß überhaupt keine Rechensdiaftslegung erfolgte; die beispielsweise im Protokoll vom 15. 2. 93 § 236 vermerkten „Ablesungen der Ausschußprotokolle" machen das Auftreten des ükonomieaussdiusses zumindest wahrscheinlich. Auf jeden Fall hat dieser Ausschuß gearbeitet, und die Zeugnisse seiner Arbeit sollen hier an dieser Stelle, wo expressis verbis seine Rechenschaftslegung bescheinigt wird, mitgeteilt werden. Im Mainzer Stadtarchiv, Abt. 11/83, findet sich ein allerdings nur zwei Seiten starkes „Protokoll des Ökonomieausschusses der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit in Mainz", das von den ersten beiden Sitzungen des am 7. Februar neugebildeten, mit dem Sicherheitsausschuß identischen Ökonomieausschusses berichtet: „Protokoll des ökonomieausscbusses vom 9• Februar 1793, erste Sitzung. Gegenwärtig: Emmerich (Präsident); Becker; Bittong; Melzer; Wolff; Steinern; Müller, Nikolaus; Kunkel; Falciola; Deyer (Secretaire). Abwesend: Bayer; Weishaupt; Eisenberg; Müller, Wilhelm. Der Ausschuß überträgt das Schatzmeisteramt dem Bruder Emmerich, die Buchhalterei dem Bruder Becker, die Revision dem Bruder Wolff und bestätigt Deyer als Secretaire; die Kassiererstelle zirkuliert nach dem Alphabet des Namens. Die Besorgung wegen dem Druck von Merlins Rede überträgt das Comité dem Bruder Falciola. Der Ausschuß beschließt, der Gesellschaft den Antrag zu machen, einen Stempel machen zu lassen, den sie jeder Schrift, die sie herausgibt, aufdrucken kann, und auch an jede ihrer Schriften den Preis andrucken zu lassen. Da in den Rechnungen des vorigen Comité sowie in dessen ganzer Verwaltung der Ökonomie sich Fehler eingeschlichen haben, die nicht alle zu bessern sind, so beschließt der Ausschuß, seine ganze Verwaltung und Verantwortlichkeit da anzufangen, wo seine erste Sitzung sich anfängt, und alles Papier vom alten ôkonomiecomité bloß seinem Protokoll beizulegen. Protokoll des Ökonomieausschusses vom 11. Februar 1793, zweite Sitzung. Falciola berichtet, er habe Merlins Rede mit Buchdrucker Craß akkordiert: 1500 Exemplare, wobei 50 auf Schreibpapier, für 11 Gulden; beim Buchbinder habe er akkordiert: für Merlins Rede zu heften das Hundert für 36 Kreuzer; für jene Reden, die mit ganzen Decken eingebunden werden, das Stück 1 Kreuzer; dabei sollte aber das Comité das farbige Papier stellen. Emmerich erbot sich zu diesem Endzweck, für die 50 Schreibpapierexemplare der Rede von Merlin das farbige Papier dem Comité zum Geschenk zu machen. Diese Rede von Merlin - beschloß das Comité - soll ungebunden 3 und gebunden 4 Kreuzer kosten und dies in der Rede hinten beigedruckt werden. Meisenzahl übergab Kasse an das Comité die Emmerich als Schatzmeister empfing ; nebst Custine: Becker gab für gelöste Billette an Emmerich : Bittong gab für dito:

3 Gulden 30 Kreuzer, 11 Gulden 4 Gulden 44 Kreuzer 30 Kreuzet

Für Emmerich in Cassa Summa

19 Gulden 44 Kreuzer

Der Ökonomieausschuß beschloß, keine Rede, die die Gesellschaft drucken läßt, mehr in Kommission zu geben, sondern gegen bare Bezahlung, jedoch bei 100 25%. Falciola erhielt von Emmerich 54 Kreuzer für 3 Protokollbücher; eins ward für den ökonomieausschuß, eins für die Buchhaltung von Becker verwendet, eins ist noch vorrätig. Gegenwärtig: Emmerich; Becker; Bittong; Falciola; Melzer. Abwesend: Müller, Wilhelm; Müller, Nikolaus; Deyer; Wolff; Steinern; Weishaupt; Eisenberg; Kunkel."

28. Februar 1793

773

Bei der Rede Merlins, über deren Druck in beiden Sitzungen des Ökonomie-Ausschusses beraten wurde, handelt es sidi um die Ansprache, die Merlin am 13. Januar im Zusammenhang mit der Freiheitsbaumpflanzung gehalten hatte; vgl. Protokoll vom 14. 1. 93 §51, Anm. c. b Vgl. Protokoll vom 19. 2. 93 Anm. b. c Zur ursprünglichen Gehaltsfestsetzung, die angesichts des reduzierten Mitgliederbestandes offensichtlich nicht mehr annehmbar war, vgl. Protokoll vom 13. 11. 92 Punkt 2. d Vgl. Protokoll vom 26. 2. § 285, vom 5. 3. § 325, vom 7. 3. § 328 und vom 9. 3. 93 § 331. e Vgl. Protokoll vom 2. 3. 93 § 314, Anm. g. Am 26. Februar hatte Maas sich als Mitglied streichen lassen. Daß der Klub gerade ihm das Zertifikat so nachdrücklich abverlangte, hatte sicher etwas mit seinen Geldgeschäften im allgemeinen zu tun. Im besonderen mag die Anfrage der Anstoß gewesen sein, die Kaspar Hartmann am 18. 1. 93 von Straßburg aus an den Mainzer Klub richtete: „Was ist der Jude Maas, Hofagent von Saarbrücken, für ein Mann? Darf man ihm trauen? Es ist mir sehr vieles an dieser Frage gelegen. Er ist Mitglied unserer Gesellschaft, wenigstens sagt er mir's." Wie Maas später in einer Untersuchung am 18. 3. 96 aussagte, hatte er von Hartmann in Straßburg 9 Karolinen leihweise erbeten und erhalten r (StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 477). Wie der kurpfälzische Schultheiß zu Oggersheim, Leger, der im Hauptquartier Custines die pfälzischen Interessen zu vertreten hatte, am 26. Dezember aus Mainz mitzuteilen wußte, hatte Hartmann bereits um diese Zeit die Stadt verlassen: „Derjenige, so den .Republikaner' schreibet, ist von hier ein bißchen abgegangen. Ob nun dieser wieder zum Vorschein kommet oder ob der .Republikaner' von einem andern fortgesetzt wird, muß abgewartet werden." (Geh. StA München, K. schw. 62881, Stück 95, fol. 4)

Protokoll der Sitzung vom [Donnerstag,] 28. Februar 1793, im 2. J[ahr] d[er] F[ranken]r[epublik] Präsident

Metternicha

§ 303 Nach Ablesung des Protokolls der vorigen Sitzung und des Comités générales) ging die Gesellschaft zur Ablesung der Protokolle ihrer Comités über. D e r Secretaire des Comités d e bienfaisance las das Protokoll ab, w o bei sich d i e Rechnung für den Monat Februar 1793 befand. D i e Einnahme betrug 2 4 fl. 12 kr. und die Ausgabe 19 fl. 5 0 kr., also blieb dem Comité noch 4 fl. 22 kr. N e b s t der Einnahme an G e l d empfing das Comité de bienfaisance v o m Bürger W o l f , Stadthauptmann: 1 Rock, 1 H e m d , 1 Paar Hosen, 1 dto Strümpfe, 1 dto Schuhe. D i e Ausgaben sind durch Quittungen richtig belegt. § 3 0 4 D i e Gesellschaft ging zur Korrespondenz über. Ein Mitglied (Metternich) trug der Gesellschaft vor, er habe einen Brief von Lüttich gelesen, worin ein D o k t o r der Medizin seinem Freunde schreibt, daß er, seines 54jährigen Alters ungeachtet, in 4 Tagen mit seinem Sohne die Sache der Franken verteidigen helfen würde. Ein Mitglied (Hauser) erklärte der Gesellschaft, er habe einen Brief von Rotterdam an einen Mainzer gelesen, worin der Verfasser sagte, er wünsche den Mainzern Glück, daß sie so mutvoll gewesen wären, einen Freiheits-

774

28. Februar 1793

bäum zu pflanzen. Er sagt: wir werden auch bald einen pflanzen, und sollte es auch 10000 Mann kosten. Man las einen Brief von Bretzenheim, worin der Verfasser (Christian Beker) die gegen den Bürger Boost von Bürger Stenner gemachte Anklage als falsch deklariert. Der Verfasser beschuldigt darin den Bürger Stenner, daß er verleumderisch und gesetzwidrig an Boost gehandelt habe, und begehrt von der Gesellschaft, sie solle den Bürger Stenner auffordern 1 , die gegen Boost angebrachte Verleumdung zu2 widerrufen. b Ein Mitglied (Metternich) schlug vor, zwei Commissaire nach Bretzenheim zu schicken, um sich genau um die Sache zu erkundigen. Ein Mitglied (Hauser) bietet sich an, da er doch am nächsten Samstag Geschäfte halber nach Bretzenheim ginge, dieses Geschäfte unter Begleitung eines andern Bruders zu übernehmen. Ein Mitglied (Cotta) schlägt vor, das Geschäfte dem Comité de surveillance zu übertragen und den vorsprechenden Bruder (Hauser) einzuladen, dem Comité de surveillance das mitzuteilen, was er am nächsten Samstage zu Bretzenheim von der Sache erfahren würde; ferner den vorsprechenden Bruder einzuladen, wegen einigen Stellen den .Brief den Deputierten des N[ational]-C[onvents] zu bringen. Angenommen. Ein Mitglied (Cotta) schlug vor, weil Bruder Boost sich wegen seines öffentlichen Amtes hätte verleumden lassen, ohne sich zu rechtfertigen, die Gesellschaft solle ihm sein [!] Mißfallen daran bezeigen. Ein Mitglied (Hausmann) sprach dagegen, 1) Bruder 3 Boost hätte viele Geschäfte, 2) die Gesellschaft hätte ihm erst zu wissen tun sollen, er wäre hier angeklagt worden, und ihn auffordern sollen, sich in der Gesellschaft zu verteidigen, 3) aber wenn er sich alsdann nicht gerechtfertigt hätte, dann erst hätte ihn die Gesellschaft aus ihrem Register ausstreichen sollen. Er schlägt daher vor, die Gesellschaft solle 1) dem Bruder Boost zu wissen tun, daß er bei ihr angeklagt sei, und 2) ihn auffordern, sich in der Gesellschaft und zu Bretzenheim zu verteidigen. Angenommen. Man verlas einen Brief von der Metzer Gesellschaft der Freunde der F[reiheit] und Gleichheit] an unsre Gesellschaft, worin sie uns zu wissen tut, das Metzer Departement habe die Verfertigung der Poudre, Stärke und des Bieres untersagt, weil man von der Menge Frucht, welche diese drei Punkte erforderten, Brot für die Armen um einen Mittelpreis verfertigen könne. Die Gesellschaft4 machte die Petition an das National-Convent, die Verfertigung besagter drei Stücke in der ganzen Republik zu untersagen, und forderte uns auf, sie hierin zu unterstützen. Man verlas eine Adresse an das National-Convent5 von Carcassonne vom 7. Februar 1793, worin die Vorzüge Rolands geschildert werden. 1 2 3 4 5

„auffordern" am Rande ergänzt. „zu" zugefügt. ,.1) Bruder" zugefügt. Geändert statt: „Das Departement". Geändert statt: „einen Brief von Carcassonne".

28. Februar 1793

775

Man verlas den in der vorigen Sitzung in französischer Sprache8 verlesnen Brief von Chäteauroux in deutscher Sprache.0 Es erschien ein Brief von einem dürftigen Mitglied (Grön), worin er die Gesellschaft um Unterstützung bittet. Ein Mitglied (Mercklein) schlug vor, den Brief nicht vorzulesen, sondern ihn ans Comité de bienfaisance zu verweisen. Angenommen. Ein französischer Bruder {Rougemaitre) stattete folgenden Bericht über die Äff aire bei Winnweiler ab: Ich traf die nach Winnweiler abgeordneten Emissaire7 alldort an; d die Bewohner wollten nicht schwören und waren vom Pfarrer und besonders vom Schulzen sehr verführt. Die Emissaire nahmen also sogleich den Pfarrer und Schultheißen gefangen, ließen nach mehreren Vorstellungen den Pfarrer los und beorderten die Kavalleristen, im Namen der Frankenrepublik8 den Schulzen festzuhalten. Allein plötzlich kamen viele Weiber, die den Herrn Schulzen beweinten; die Emissaires9 wurden durch diese Tränen gerührt und befahlen den Kavalleristen im Namen der Frankenrepublik, den Schulzen loszulassen. Daraus hatten die Bauern geschlossen, die Emissaires hätten keinen Mut, hatten sogleich Sturm geläutet, sich rottieret und gestellet. Von den neun anwesenden Dragonern sprengten zwei in die Kirche, jagten die Glöckner fort und hinderten die Zusammenkünfte so viel, als möglich war. Die Emissaire sagten zum Volke, auf dem Markte wollten sie sprechen. Sie10 sagten dort: wir wollten nur euch zeigen, daß wir Macht und Force haben. Darauf speisten die Emissaire bei den berüchtigsten Aristokraten, bei solchen Leuten, welche jedem, der die Franken verjagen helfen würde, einen Schoppen Wein und 3 Livres an Geld versprachen. Die Bauern stellten sich zur Wehr, schössen einigemal, aber ohne zu schaden, waren mit ihren Feldwerkzeugen versehen, wurden versprengt, einige Instrumente(n) erobert und ein Bauer gefangen, welcher sagte, zwei Stunden von da seien 300 Bauern, mit verschiednen Instrumenten versehen, ausgerückt, die sich gegen die Franken zur Wehre stellen wollten. Am andern Tage nahmen die Bauern die Emissaire gefangen und zwangen sie, ihnen die Treue zuzuschworen, d. h. nichts gegen den Kaiser oder einen andern Feind der Franken agieren zu wollen. Ja, die Emissaire hätten sogar den ihnen zu Hülfe eilenden Truppen den Zettel entgegengeschickt: Im Namen der Frankenrepublik befehlen wir euch, haltzumachen und nicht weiter vorzurücken. Es sind nun einige Tausend Mann nebst Artillerie11 hinmarschiert, und wenn 6 7

8 9

11

„in französischer Sprache" am Rande ergänzt. „Emissaire" ist - vermutl. später mit Bleistift - unterstrichen, daneben am Rande in blasser anderer Handschrift: „Forster, Bleßmann". „Im Namen der Frankenrepublik" am Rande ergänzt. „Emissaires" ist auch hier und im folgenden Text gleicherweise unterstrichen, am Rand stehen wiederholt blaß die Anfangsbuchstaben „F. Bl." „Sie" unterstrichen, am Rande: „F. Bl." „nebst Artillerie" am Rande ergänzt.

776

28. Februar 1793

es Truppen das Leben kostet, so ist bloß die Unbesonnenheit der Emissaire Ursach daran. Dieses vorsprechende Mitglied begehrt, die Sache solle genau untersucht werden. e Ein Mitglied {Lehne) bittet den vorsprechenden Bruder, ihm diesen Vortrag zu geben, um ihn den Deputierten der vollstr[eckenden] Gewalt zu geben. Ein Mitglied (Hausmann) bemerkte der Gesellschaft, soeben wäre ein Brief von dem Deputierten des Nat[ional]-Conv[ents] Merlin, von Grünstadt datiert, angekommen, worin er schriebe, bei seiner Ankunft wären die Bauern mit Flinten und andern Instrumenten versehen gewesen, um sich ihm zur Gegenwehr zu stellen; allein sobald sie ihn gesehen hätten, hätten sie sogleich den Freiheitsbaum gepflanzt und den Eid geschworen^ E r würde heute noch nach Winnweiler kommen und auch d a die Boshaften zurechtbringen. Ein Mitglied (Rougemaitre) bemerkte, zu Landstuhl hätten sich sechs emigrierte französische Pfaffen niedergelassen und wären sehr freundschaftlich empfangen worden.« E r begehrt, die Gesellschaft solle dies den D e p u t i e r t e n ] der vollstreckenden] G[ewalt] anzeigen. Der Präsident lud ihn ein, die Anzeige selbst zu machen. § 305 Der Präsident ernennte die Polizeicommissaire für die nächste Sitzung. § 306 Ein französischer Bruder (Vanner) wurde als Mitglied angenommen. Die Sitzung 12 ward geschlossen. a

b

Wie seine beiden Vorgänger Forster und Wedekind führte auch Metternich seine Präsidentengeschäfte bis zum Monatsende, obwohl der neue Präsident bereits am Vortage vom Comité général gewählt worden war. Zur Anklage, die Stenner gegen Boost vorbrachte, vgl. Protokoll vom 24. 2. 93 § 273, Anm. c. Der Brief Christian Beckers an den Klub fand sich unter den Papieren Hausers, die nach der Wiedereinnahme von Mainz von den kurfürstlichen Behörden beschlagnahmt wurden, und liegt heute im StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 285. Der Text des Briefes lautete:

Bürger, Freunde der Freiheit und Gleichheit! Bretzenheim, den 27. Hornung 93 Mit dem größten Mißvergnügen erfuhr ich, daß eines eurer Mitglieder, der Bürger Stenner von Bretzenheim, den Bürger Karl Boost in einem Aufsatze, der in eurer Gesellschaft vorgelesen wurde, verschiedener Verbrechen und besonders der Ambition um die Repräsentantenstelle beschuldigt hat. Der Bürger Boost aber, der eine ganze Gemeinde zum Beweis seiner Unschuld und der Falschheit der Verleumdung hinstellen kann, würdigte diese leidenschaftliche Anklage nicht einmal einer Verteidigung. Der Bürger Stenner aber, als er sah, daß er [mit] seinem Aufsatze nichts zuwege(n) gebracht, hatte noch die Unverschämtheit, im Angesichte der ganzen G e " meinde zu Bretzenheim den rechtschaffenen Bürger nicht geradezu der Ambition (denn da hätte ihm die ganze Gemeinde widersprochen) zu beschuldigen, sondern er dichtete ihm zuerst andere schlechte Streiche an, um am E n d e die Gemeinde leicht überreden zu können, daß sie sich einen andern Repräsentanten wählen solle. r2

Geändert statt: „Gesellschaft".

28. Februar 1793

777

Stenner sagte unter andern verleumderischen Ausdrücken zu der versammelten Gemeinde: Boost wäre ein solcher schlechter Kerl, daß er von Haus und Hof seiner Schlechtigkeiten wegen verjagt worden wäre; er wäre ein solcher Spitzbub, daß er zu Mainz seines Dienstes wäre entsetzt worden; und deswegen hätte er hier so gebettelt, daß man ihn [zum] Repräsentanten wählen sollte. - Dann forderte er ganz diktatorisch die Gemeinde zu Bretzenheim auf, bis Sonntag(e) einen andern Wahlmann zu wählen. Wer den Zustand des Boostes nur ein wenig kennt, wird wissen, daß er aus Lieb zur gerechten Sache, zur Freiheit und Gleichheit, seine Frau, Haus und Hof, seine vielen Güter und seinen Dienst, der ihm jährlich wenigstens 1600 Gulden eintrug, verließ und nach Mainz zu den Franken überging, um zu dem Gebäude der Mainzer Freiheit ein dauerhaftes Fundament graben zu helfen. Will also jetzt ein Bürger seinen Bruder einen schlechten Kerl heißen, weil die Preußen ihn einen schlechten und abtrünnigen Mann, einen Verräter an seinem Vaterland nennen, da er, müde der Ungerechtigkeiten, die er so lange mit Verdruß ausüben sehen und nicht hindern konnte, zu den Franken überging? Will er deswegen sagen, Boost wäre als ein schlechter Kerl vom Haus und Hof verjagt und seine Güter konfisziert worden, da sie die Feinde [der] Republik in Beschlag genommen? Gereicht dies nicht dem Boost zur Ehre? Und was will Stenner den Boost deswegen einen Spitzbuben nennen, weil er bei der Wahl nicht wieder zum Procureur General sindic. erwählt wurde? Sind also alle Männer, die bei einer neuen Wahl nicht wieder gewählt werden, Spitzbuben? - Dann wäre auch der rechtschaffene Raatzen ein Spitzbub, weil er nicht wieder zum Maire gewählt wurde. Da nun Stenner den braven und rechtschaffenen Bürger Boost recht verleumdet und schwarz geschildert hatte, forderte er die Gemeinheit auf, sich bis den Sonntag einen andern Deputierten zu wählen 1 Allein, soll ein Verleumder das Recht haben, eine feierlich geschehene Wahl, die den Willen der Gemeinheit anzeigt, für ungiltig zu erklären? Oder denkst du vielleicht, Stenner! Repräsentant zu werden? - O so wisse, daß die ganze Gemeinde laut sagt: „Wenn auch' das wahr ist, was Stenner von Boost sagt, so kann doch Boost kein schlechter Kerl so sein, als der Stenner ist"; denn - doch die Gemeinheit soll selbst reden - . Ich beschwöre also die Gesellschaft bei ihrer heiligen Pflicht, Wahrheit zu verteidigen und auszubreiten, den Stenner aufzufordern, daß er seine lügenhaften Verleumdungen, die er frech genug war, öffentlich in der Gemeindeversammlung am 26. dieses M[onats] und in Wirtshäusern auszustreuen, widerrufen und dem Boost Gerechtigkeit widerfahren lassen solle. Sollte dies aber vor Sonntag nicht geschehen können, so bitte ich, wenigstens in einer Adresse der Gemeinheit zu Bretzenheim bekanntmachen zu lassen, daß Stenner ein Verleumder und Boost ein rechtschaffener Mann sei, bis Stenner sein Wort mündlich vor den(en) Männern wiederholen kann, vor denen er so frech lügen konnte. Euer und aller Republikaner Freund und aller Despoten Feind Christian Becker von Bretzenheim]

778

28. Februar 1793

c Vgl. Protokoll vom 26. 2. 93 S 280. d Bei den nachträglichen Namensangaben für die Emissäre, auf die in Anm. 7, 9 und 10 verwiesen wird, liegt ein Irrtum vor, denn Bleßmann und Forster befanden sich zu keiner Zeit in Winnweiler, sondern waren zwischen dem 21. und dem 28. Februar in Grünstadt. Lediglich Bleßmann ist von dort einmal nach Mainz geschickt worden, „um in einer dringenden Angelegenheit Bericht zu erstatten", wie es in Forsters Brief an seine Frau vom 27. 2. 93 hieß. Von Merlin begleitet, war er an diesem 27. Februar wieder nach Grünstadt zurückgekehrt. e Winnweiler war der Hauptort der kaiserlichen Grafschaft Falkenstein, deren geschlossenster Teil am Donnersberg lag. In Winnweiler hatte bereits am 23. 12. 92 Kremer als Kommissär der Allgemeinen Administration deren Besdiluß verkündet, „die Grafschaft Falkenstein mit den übrigen am Rheinstrom eroberten Landen im Namen der Frankenrepublik zu vereinigen". Da er sich der alten Beamten nicht sicher war, hatte er dem Bürger Gugel in aller Form „bis zur Einrichtung der Landesverfassung die Oberaufsicht in Justiz-, Polizei- und Ökonomiesachen übertragen". Als unter dem Eindruck des kaiserlichen Avocatoriums die provisorisch beibehaltenen Beamten den Dienst zu quittieren beabsichtigten, sprach sich Gugel in einem Bericht an die Administration vom 2. 1. 93 dafür aus, denn „1. werden die Geschäfte dieser Männer ohne Tätigkeit gemacht, weil sie ihr Interesse an das Haus Österreich bindet, 2. sind diese Aristokraten uns immer im Wege und hindern ganz außerordentlich durch ihre bloße Gegenwart die Ausbreitung des neuen Systems und die Anpflanzung des edlen Gefühls für Freiheit und Gleichheit in den Herzen der sonst biedern hierländischen Bürger". Die Administration stimmte am 9. 1. 93 zu und gab Gugel den Wormser Eitelwein als Sekretär zur Seite. - Die angezogenen Quellen zu den bisher mitgeteilten Fakten befinden sich im StA Würzburg, MRA V Klubisten, Nr 188.

1

. Am 9. Februar hatte Gugel zwar auch di^ Entlassung des katholischen und des protestantischen Pfarrers beantragt, da beide sich weigerten, die republikanischen Verlautbarungen von der Kanzel zu verlesen; aber offensichtlich war inzwischen nichts derartiges geschehen, so daß die von Chasseurs begleiteten Kommissäre am 24. Februar auf den geschilderten Widerstand stießen. Es waren nicht einige tausend, sondern mehrere hundert Mann, die General Landremont nach Winnweiler schickte, um den Widerstand zu brechen; (Chuquet, Mayence, S. 110 Bericht Landremonts an Ligneville vom 2. 3. 93, Archives du Ministère de la Guerre). Grünstadt war der Sitz der beiden Linien des gräflichen Hauses Leiningen-Westerburg, nämlich der von Altleiningen und der von Neuleiningen, also zweier regierender Grafen. Sie, ihre Familien, ihre Bedienten und Beamten zum Verzicht auf ihre Privilegien zu veranlassen, erschienen am 21. Februar als Kommissäre Forster und Bleßmann und besprachen mit den Grünstädter Konstitutionsfreunden ihr weiteres Vorgehen. Um die Privilegierten gehörig einzuschüchtern, wurde der am 22. Februar eingetroffene Trupp von 60 Soldaten ausschließlich in die Wohnungen der herrschaftlichen Beamten einquartiert. Am 23. Februar forderte Forster durch Zirkularschreiben alle Privilegierten zur Eidesleistung auf, die aber mit Gegenvorstellungen antworteten, so daß Forster den Druck verstärkte und weitere 150 Mann einrücken ließ. Am 25. und 26. Februar wurden den Einwohnern sämtliche Waffen aller Art abgefordert, und am 27. Februar schickte Forster die in der Stadt anwesenden drei Grafen von Leiningen gefangen nach Landau. Nachdem sich die bewaffnete Macht noch um 250 Mann erhöht hatte, bequemte sich am Nachmittag auch die gesamte geistliche und weltliche Beamtenschaft zum geforderten Eid. Mit der Errichtung des Freiheitsbaumes auf dem Neumarkt endete dieser Tag. - Der Verlauf der Ereignisse ist nach der ausführlichen Schilderung wiedergegeben, die vom gräflichen Hause veranlaßt und in Druck gegeben wurde; die ohne Verfasser- und Ortsangabe erschienene Schrift trägt den Titel: „Zuverlässige Nachricht von den großen und außerordentlichen Drangsalen, welche im Jahre 1793 in der Samtgrafschaft Leiningen-Wester-

2. März 1793

779

bürg von französischen Kommissarien und Völkern und von ihnen verführten treulosen Untertanen den Regenten und Herrschaften, der geist- und weltlichen Dienerschaft und sämtlichen treuen Untertanen in Stadt und Land zugefügt worden sind, o. O. 1793." Eine knappe Schilderung der Grünstädter Vorkommnisse, die den Vorzug der Unmittelbarkeit hat, findet sich in Forsters Brief vom 27. 2. 93 an seine Frau: „Ich bin jetzt während der Volkswahlen auf dem Lande, um sie zu betreiben. Überall hatten die Aristokraten und Fürstenknechte uns Widerstand bereitet. Hier in Grünstadt waren die Grafen von Leiningen sogar geblieben, um meine Operationen zu vereiteln. Ich ließ 60 Mann kommen und forderte die Grafen nebst allen ihren Beamten auf, Frankenbürger zu werden. Sie protestierten, sie kabalierten, sie hetzten Bürger und Bauren auf, sie ließen einen meiner Soldaten überfallen und verwunden. Ich beorderte noch 130 Mann, und in dem Augenblicke, wie sie ankommen, stellte ich mich an ihre Spitze, nahm Besitz von beiden Schlössern und setzte die Grafen gefangen. Heute habe ich sie gefangen nach Landau geschickt; die Weiber gehen morgen über den Rhein. So muß uns alles weichen, was der guten Sache widerstrebt." Die Verhaftung der Grafen von Leiningen erfolgte übrigens auf Anordnung der Konventskommissäre vom 26. 2. 93, die am selben Tage von Mainz aus den Konvent davon unterrichteten: «Nous vous envoyons notre réquisition pour faire arrêter et conduire comme prisonniers à Landau les ci-devant comtes de Linange convaincus d'hostilité et de conspiration contre la République et d'attentats contre ses agents civils et militaires.» (Aulard, Recueil des actes, II, S. 212) Im Vergleich zur sachlichen Darstellung Forsters bauschte Merlins Brief, über den Haussmann im Klub berichtete, die Dinge außerordentlich auf, ohne daß natürlich mit dieser Feststellung die aktive Rolle Merlins geleugnet werden soll. 8 Landstuhl war gemeinschaftlicher Besitz der Grafen von Sickingen.

Protokoll der Sitzung vom [Sonnabend,] 2. März 1793, im 2. Jahr d[er] F[ranken]r[epublik] Präsident Cotta § 307 Man verlas das Protokoll der vorigen Sitzung. Ein Mitglied bemerkte der Gesellschaft, daß der Präsident niemalen das Protokoll unterschriebe, und begehrte, der Präsident solle es jedesmal tun.® Angenommen. § 308 Ein Mitglied (Lehne) las einen Aufsatz, worin sich die Emissaire 1 zu Winnweiler verteidigen und die Schuld auf einen andern (auf Mangé) werfen. Der Aufsatz ward in der Mitte abgebrochen. Ein Mitglied (Böhmer) schlug vor, die Gesellschaft solle zwei Commissaire2 an die Deputierten des Nation[al]-Conv[ents] mit der Bitte abschicken, die vier zu Winnweiler befindlichen Commissaire abzurufen und andre dahin zu schicken, welche das Geschäfte, das ihnen obläge, besser besorgten. Ein Mitglied (Häflin) sprach dagegen, daß, da selbst ein Deputierter des National]Convfents] dahin abgereist sei, dieses unnötig wäre.b Angenommen. 1

2

„Emissaire" ist wieder nachträglich - vermutlich mit Bleistift Rand ganz blaß der falsche Vermerk: „Forster, Bleßmann". „Commissaire" geändert statt: „Deputierte".

unterstrichen, daneben am

780

2. März 1793

§ 309 Ein Mitglied {Hausmann) las die Adresse des Nationalconvents an alle Franken aus dem Bulletin vom 23. Februar 1793 in französischer Sprache vor, und ein andres Mitglied (Metternich) übernahm es, dieselbe zu übersetzen und in der nächsten Sitzung deutsch vorzulesen. Ein Mitglied (Jacquin) machte noch die Motion, diese Adresse deutsch drucken zu lassen.' Ein Mitglied (Hausmann) 3 las aus dem nämlichen Bulletin einen Brief des Kriegsministers an das National] conv[ent] vor, worin et meldet, General Biron habe 2000 östreicher mit 900 Mann Franken geschlagen, 50 getötet und 300 zu Gefangenen gemacht, worunter sich Strasoldo, der Vetter des östreichischen Kommandanten, befinde.d § 310 Ein Mitglied (Rigaut) las aus einer Zeitung, der Republikaner betitelt, einen Artikel des Lütticher National]-Conv[ents] vom 18. Februar 1793 vor, vermöge welchem das erste Convent am 17. Februar war. Jedes Mitglied desselben legte den Eid ab, entsagte allen Privilegien, erwählte den Präsidenten und Secretaire, und die Glieder beschlossen einmütig die Einverleibung mit Frankreich. Sie beschlossen, die Vorteile öffentlich zu erklären, die aus dieser Einverleibung entstünden, beschlossen, sich ganz vom deutschen Reich zu trennen und alle Korporationen aufzuheben.6 § 311 Die Gesellschaft erhielt einen Brief von Sedan aus dem Departement der Ardennen4 vom Vicaire Davrange, worin er die Gesellschaft bittet, ihm Nachricht zu geben, ob sich Giolett und seine Frau, die seine Schwester wäre, in Mainz als Demokraten befänden oder nicht.f Die Gesellschaft verwies diesen Brief ans Comité de correspondance. § 312 Man verlas das Protokoll des Comités de bienfaisance. § 313 Die Gesellschaft beschloß, am Sonntage, dem 3. März, Sitzung zu halten, da keine Komödie wäre. Ein Mitglied (Deyer) begehrte, der Präsident solle aber jedesmal dazusetzen, daß diesmal eine Ausnahme wäre und daß an andern Sonntagen Komödie wäre. Ein Mitglied (Metternich) begehrte, der Präsident sollte jeden Samstag in der Sitzung anzeigen, ob am Sonntage Sitzung oder Komödie wäre. Angenommen. §314 Ein Mitglied (Hauser) stattete Bericht über den aus der Gesellschaft getretenen Natan Maas ab, daß er vorgäbe, er hätte das Certificat verloren. Er schlug vor, die Gesellschaft solle sich an die Munizipalität wenden und die Abreise des besagten Natan Maas so lange aufhalten, bis er das Certificat herausgäbe. Der Präsident erklärte, daß er diese Motion nicht zur Stimmung bringen würde, weil eine ganze Gesellschaft sich nicht an die Munizipalität wenden könne. Ein Mitglied (Metternich) schlug vor, an die benachbarten Gesellschaften zu schreiben und es ihnen zu wissen zu tun, damit der Ausgetretene sich des Certificats nicht bedienen könne. Angenommen.« § 315 Als Mitglied wurde ein Kandidat angenommen, und er schwur den ge3 4

„Hausmann" unter Fehlzeichen am Rande ergänzt. „Departement der Ardennen" unter Fehlzeichen am Rande ergänzt.

2. März 1793

781

wohnlichen E i d