Die Macht des Verfahrens. Englische Hochverratsprozesse, 1554-1848 [1 ed.]
 9783402146590

Table of contents :
Krischer_VVE_3_Cover.pdf
Krischer_Inhalt_19-07-17_kl.pdf

Citation preview

Krischer Die Macht des Verfahrens

André Krischer

Die Macht des Verfahrens Englische Hochverratsprozesse 1554–1848

Verhandeln, Verfahren, Entscheiden Historische Perspektiven Herausgegeben von Barbara Stollberg-Rilinger und André Krischer Band 3

Finanziert durch das Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detailliert bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

© 2017 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster www.aschendorff-buchverlag.de Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Printed in Germany Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ISSN 2363–9385 ISBN 978–3–402–14659–0

V

Inhalt Einleitung (1) 1. Absichten und Erkenntnisinteresse (2) – 2. Zum Untersuchungsfeld Hochverrat (12) – 3. Vorgehensweise (18) – 4. Forschungslage (25) – 5. Quellen (30)

1550–1650: Das rhetorische Regime I.

Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns im 16. Jahrhundert (37)

1. Anklageerhebung durch die Grand Jury (39) – 2. „Definitive proceedings in causes criminall“ – Gerichte, die öffentliche Verhandlung und ihre Akteure (41) – 3. Öffentlichkeit (47) – 4. Arraignment und Pleading: Gelegenheiten für dissentierendes Engagement  (49)  – 5. „The partie indited shall not haue councell learned in the law“: Zum Anwaltsverbot im traditionellen Verfahren und seinen Begründungsweisen (54) – 6. Entscheidbare Sprache: Das Indictment (56) – 7. Die Jury (58) – 8. Die Unbestimmtheit der Hauptverhandlung (61) – 9. Jenseits der Dialoge: Das Verfahren als ein Ensemble aus Praktiken, Räumen, Materialitäten und Sequenzen (67) – 10. Entscheiden und Urteilen (74) – 11. „Dead men talking“: Das Schafott als diskursiver Ort (84) – 12. Resümee (90)

II.

Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts (93)

1. Maßlose Gewalt und Verschwörungstheorien: England und die katholischen Missionare unter Elisabeth I. (93) – 2. Der Prozess gegen Edmund Campion als öffentliches Exempel (106) – 3. Hinrichtungen als Fortsetzung des Verfahrens (122) – 4. Kurze Prozesse (139) – 5. Resümee (144)

III.

„The Execution of Justice in England“: Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts (147)

1. Schreckensbilder: Katholische Repräsentationen der englischen Strafjustiz (147) – 2. Common Law im Ausnahmezustand: Zur Rechtfertigung der Folter in

VI

Inhalt

Theorie und Praxis (158) – 3. Fälle für die Geschichtsbücher (165) – 4. In der Hand der Vorsehung: Zum Wandel der Hinrichtungspublizistik (185) – 5. Resümee (189)

IV.

Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik: Der Fall des Levellers John Lilburne 1649 (193)

1. Die Offenheit forensischer Kommunikation in der Mitte des 17. Jahrhunderts (193) – 2. Lilburne als Kritiker der Republik (196) – 3. Der Prozess beginnt mit einem dilatorischen Paradestück (199) – 4. Die Doppelbödigkeit von Lilburnes Sprechhandlungen (204) – 5. Gegen die Förmlichkeit des Verfahrens (210) – 6. Verfahren nach der Goldenen Regel (214) – 7. Das überforderte Verfahren (218) – 8. „The State hath thought of another way of Trial“ – Konsequenzen des Lilburne-Prozesses für die weiteren State Trials während des Interregnums (225) – 9. Resümee (227)

1660–1730: Das Untersuchungsregime V.

Gerichtsprozesse im Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution (229)

1. London, 1660: Annäherungen an neue Formen des Forensischen (229) – 2. Unsicheres Wissen in der neuen Naturphilosophie (242) – 3. Zeugenbefragungen als Tatsachenerzeugung und Ordnungsmuster (258) – 4. Resümee (275)

VI.

Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts (277)

1. Titus Oates und sein Popish Plot  (278)  – 2. Der Prozess gegen Edward Coleman (284) – 3. Schauprozesse und Formalisierung (307) – 4. Hinrichtungen und nachträgliche Legitimationsversuche  (314)  – 5. Diskurse über die Krise des Verfahrens im Umfeld des Rye House Plot (325) – 6. Das Schafott als Forum für Justizkritik (344) – 7. Zur publizistischen Markierung des Bruchs mit der traditionellen Strafrechtspraxis (349) – 8. Resümee (355)

VII. Reformprozesse (357) 1. Parlamentarische Verhandlungen (357) – 2. Anwälte bei den Prozessen gegen die Verschwörer von 1696 (363) – 3. Der Prozess gegen Christopher Layer (384) – 4. Zur weiteren Ausdifferenzierung der Strafverfahren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (423) – 5. Resümee (439)

Inhalt

VII

1780–1850: Das Normalisierungsregime VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens (443) 1. London, 1781 (443) – 2. „Constructive Treason“ und „Seditious Conspiracies“: Umrisse der politischen Verbrechen um 1800 (444) – 3. Die Normalisierung der Förmlichkeit (459) – 4. Resümee (500)

IX.

Anwälte und ihre Angeklagten (503)

1. „Councellor ego“: Anwaltszentrierung im Verfahren um 1800 (505) – 2. Verteidigung als „Kunst“ (514) – 3. Dezentralisierung des Angeklagten (520) – 4. Unzurechnungsfähigkeiten (524) – 5. Abwesende als anwesend behandeln (530) – 6. Die Anwaltskritik der Radikalen und das Verfahren als umkämpftes Machtfeld (535) – 7. Engagement ohne Subversion: Der Prozess gegen Henry ‚Orator‘ Hunt 1820 (544) – 8. Resümee (552)

X.

Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen (555)

1. Das Lernen der Ankläger (556) – 2. Legitimation der Verfahren – Legitimation durch Systemvertrauen? (559) – 3. Verurteilen und Strafen im Zeitalter des Loyalismus (567) – 4. Revisionsverfahren als operative Schließung (580) – 5. Resümee (600)

Ergebnisse (603) Quellen und Literatur (617) Abkürzungsverzeichnis (697) Abbildungsverzeichnis (699) Quantitative Auswertung der Hochverratsprozesse 1554–1848 (701) Danksagung (709) Personenregister (711)

1

Einleitung Als Slobodan Milošević, der gestürzte jugoslawische Präsident, am 3. Juli 2001 das erste Mal vor seine Richter des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag geführt wurde, machte er deutlich, dass er das Gericht nicht anerkannte und den Prozess als eine Farce ansah. Er ignorierte die Aufforderung, sich im Sinne der Anklage für schuldig oder unschuldig zu bekennen und quittierte die Frage des vorsitzenden Richters May, ob er die Anklage noch einmal hören wolle, mit der Bemerkung That is your problem. Einen Verteidiger lehnte er ab. Als er dann das Gericht beschuldigte, die Verbrechen der NATO in Jugoslawien zu beschönigen, wurde ihm sein Mikrofon abgestellt. Trotz dieser Renitenz begann an diesem Tag ein Prozess, der viereinhalb Jahre dauerte und der weitgehend abgeschlossen war, als Milošević am 11. März 2006 an einem Herzinfarkt verstarb. Bis dahin waren fast 300 Zeugen vernommen und tausende andere Beweismittel vorgelegt worden.1 In den ersten drei Jahren hatte sich Milošević selbst verteidigt. Gleichwohl waren von Beginn an Pflichtverteidiger im Gerichtssaal, die als sogenannte amici curiae über die Rechte des Angeklagten wachten, die immer wieder Einwände erhoben und Zeugen vernommen hatten. Als sich Miloševićs Zustand im Sommer 2004 verschlechterte und es deswegen immer wieder zu Prozessunterbrechungen kam, verfügte das Gericht, dass aus den beiden amici curiae nun Miloševićs ordentliche Verteidiger wurden. Auch wenn der Angeklagte dies partout nicht wollte: Von nun an sprach der ganz formell mit Robe und Perücke agierende britische Kronanwalt (Queen’s Counsel) Steven Kay für ihn.2 Die Verteidigung dauerte bis zum Frühjahr 2006. Wäre Milošević nicht verstorben, hätte ihn das Gericht angesichts der Beweislage mit höchster Wahrscheinlichkeit schuldig gesprochen, genauso wie zahlreiche Angeklagte aus dem ehemaligen Jugoslawien vor und nach ihm, die sich teilweise genauso renitent verhalten hatten wie der Ex-Präsident. War das Siegerjustiz?3 Ohne Fragen waren und sind die machtpolitischen Rahmenbedingungen essentielle Voraussetzungen für die Den Haager Kriegsverbrecherprozesse. Aber der Umstand, dass seine Urteile und auch der Verlauf des Milošević-Prozesses von großen Teilen der Weltöffentlichkeit als legitim wahrgenommen wurden, lässt sich nicht allein auf allgemeine Machtverhältnisse zurückführen. Vielmehr wurde Macht 1

2 3

Boas, The Milošević trial; Waters, The Milosevic trial. Zur Vereinheitlichung der englischsprachigen Literatur wird bei Zitationen in Anlehnung an die Bibliography of British and Irish History konsequent die Kleinschreibung angewendet, außer bei Satzanfängen, Namen, Eigennamen und Orten. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Freitag, 03.09.2004, Nr.  205, S.  2 und Mittwoch, 08.09.2004, Nr. 209, S. 5. Vgl. die Diskussion bei Scharf, The international trial of Slobodan Milosevic.

2

Die Macht des Verfahrens

auch im Verfahren selbst generiert, wurde Legitimation – die soziale Akzeptanz von Entscheidungen – nicht nur durch die äußeren Bedingungen des Verfahrens, sondern auch durch das Verfahren selbst gestiftet. An diesem Prozess der Legitimation durch Verfahren hatte Milošević selbst großen Anteil, konnte sein Engagement als Anwalt in eigener Sache zu „unbezahlter zeremonieller Arbeit“ werden, wie Niklas Luhmann dies in seiner Mikrosoziologie des Gerichtsverfahrens bezeichnet.4 Selbst seine notorische Renitenz machte sich für den Prozessverlauf letztlich „bezahlt“, um im Bild zu bleiben. Denn auch seine dilatorischen und obstruktiven Praktiken führten zu etwas, das Luhmann „Verstrickung in ein Rollenspiel“ nennt und als „heimliche Theorie des Verfahrens“ bezeichnet.5 Denn „gerade die Mitwirkung derer, die möglicherweise den Kürzeren ziehen, hat für eine Bestätigung der Normen, für ihre Fixierung als verbindliche, persönlich-engagierende Verhaltensprämisse besonderen Wert“.6 1. ABSICHTEN UND ERKENNTNISINTERESSE Wenn in dieser Arbeit von der „Macht des Verfahrens“ die Rede ist, dann also in dem Sinne, dass diese Macht wesentlich durch die interaktive Form des Verfahrens generiert wird, durch den Umstand, dass Gerichtsverfahren zumindest teilweise als „Kommunikation unter Anwesenden“ verlaufen und dabei in einem Zusammenspiel von technisch-instrumentellen und symbolisch-expressiven Praktiken verbindliche Entscheidungen hervorbringen.7 Eine solche dynamische Auffassung liegt auch der Machttheorie von Wolfgang Sofsky und Rainer Paris zugrunde.8 Ihre Untersuchung von „Figurationen sozialer Macht“ ist heuristisch aufschlussreich 4 5 6 7

8

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 114. Ebd., 87. Zur Funktionsweise dieses Effekts vgl. Kieserling, Simmels Formen in Luhmanns Verfahren. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 115. Zur Theorie der „Legitimation durch Verfahren“ vgl. Kieserling, Simmels Formen in Luhmanns Verfahren; Krischer, Das Problem des Entscheidens in systematischer und historischer Perspektive. Die historische Forschung hat sich in den letzten Jahren vielfach mit diesen symbolisch-technischen Dimensionen von Verfahren befasst (mit einem gewissen Schwerpunkt auf den symbolischen Dimensionen), vgl. dazu etwa die Beiträge in Neu / Sikora / Weller, Zelebrieren und Verhandeln; Stollberg-Rilinger / Krischer, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen; Dartmann / Wassilowsky / Weller, Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren; Peltzer / Schwedler / Töbelmann, Politische Versammlungen und ihre Rituale; Biagioli, Galilei, der Höfling; Neu, Inszenieren und Beschließen; Neu, Die Erschaffung der landständischen Verfassung; Köhler, Strategie und Symbolik. Verfahren der Informationsgewinnung und die Bedeutung des Informiertseins für die Inszenierung des spanischen Königs als Entscheider im späten 16. Jahrhundert hat Brendecke, Imperium und Empirie, 73–85; Brendecke, Die Blindheit der Macht, untersucht. Sofsky / Paris, Figurationen sozialer Macht. Zwar kommt bei Luhmann Macht durchaus auch in Interaktionssituationen vor, vgl. dazu zuletzt Luhmann, Macht im System. Grundsätzlich versteht Luhmann Macht allerdings als ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium, dessen Erfolg nicht immer eigens erst forciert werden muss (etwa durch Gerichtsverfahren), sondern dessen Gelingen auf abstraktere Weise sichergestellt wird. Macht wird daher bei Luhmann auch als Zentralmedium des politischen Systems, nicht des Rechtssystems gehandelt, vgl. dazu allg. Brodocz, Mächtige Kommunikation.

Einleitung

3

für die Frage, auf welche Weise in konkreten Kontexten das Nein des Einzelnen nicht nur gebrochen, sondern irrelevant gemacht werden kann.9 Denn genau das passiert (zumindest idealtypisch) in modernen Verfahren: Hier geht es nicht darum, die Unterlegenen zur Einsicht zu bringen, sondern darum, ihre Behauptungen soweit zu neutralisieren, dass sie keine soziale Unterstützung mehr mobilisieren können.10 Wehrlosigkeit und Isolation des Verlierers oder die Interpretation seiner Urteilsschelte als verstockt und querulatorisch sind zentrale, wenn auch unbeabsichtigte Effekte von Verfahren. Und eben das meinte Luhmann mit dem Begriff „Legitimation durch Verfahren“ in Bezug auf Gerichte – im Unterschied zu den dominanten rechtstheoretischen Positionen, die die Anfertigung wahrer und gerechter Urteile als den Zweck von Gerichtsverfahren angeben.11 Von Bedeutung sind daher Ansätze, die helfen zu verstehen, wie eine solche, auf Isolierung und Neutralisierung zielende Macht im Mikrokontext von Gerichtsverfahren aufgebaut, durchgesetzt oder zum Scheitern gebracht wurde. Sofsky und Paris sprechen hier von der „Organisation der Macht“ und sagen damit, dass diese in Mikrokontexten nicht als etwas Gegebenes betrachtet werden kann, sondern nur hinsichtlich von Bildung, Reproduktion und Verlust.12 An solchen Machtprozessen wirkt in Verfahren ganz wesentlich auch symbolisch-rituelle Kommunikation mit, die Luhmann im Auge hatte, wenn er von den „symbolisch-verstrickenden Wirkungen des Verfahrens“ sprach oder auf die „dramatische Darstellung des Verfahrens“ verwies.13 Weitere Hinweise auf machtgenerierende und machtstützende Effekte symbolischer Praktiken in Verfahren finden sich darüber hinaus in Pierre Bourdieus Aufsatz „La force du droit“, in dem er auf die Bedeutung von Sprechakten und sprachlichen Markierungen von Handlungen und Personen verwies.14 Auf Bourdieus Einsicht, dass die Macht der juristischen Förmlichkeiten und Prozeduren auch darauf beruht, dass diese objektiviert und quasi naturalisiert werden15, komme ich im Laufe dieser Arbeit verschiedentlich zurück. Aber natürlich wird es im Folgenden nicht um die Gegenwart, sondern um die Geschichte der Organisation von Macht durch interaktionsförmige Gerichtsverfahren gehen, beginnend im 16. Jahrhundert, endend in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Blick richtet sich dabei auf England. Dort setzte sich in der Frühneuzeit ein Strafverfahren als öffentliches und mündliches Geschehen mit räumlicher und 9 10 11

12

13 14 15

Sofsky / Paris, Figurationen sozialer Macht. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 112. Ebd., 117.; ders. Rechtssoziologie, 261ff. Die frühen kontroversen Reaktionen auf Luhmanns Verfahrenstheorie, die Wahrheit als Medium und nicht als Prozessziel auffasst, bündelt Machura, Niklas Luhmanns „Legitimation durch Verfahren“ im Spiegel der Kritik; für die spätere Rezeption vgl. Wittreck, Legitimation durch Verfahren in der Rechtswissenschaft; auf empirische und kulturwissenschaftliche informierte Verfahrensanalysen verweist Reimer, Verfahrenstheorie, 149ff. Sofsky / Paris, Figurationen sozialer Macht, 13. Die Studie von Brodocz, Die Macht der Judikative, blickt gerade nicht auf die interaktive Generierung von Macht in Verfahren, sondern auf die ideengeschichtlichen Voraussetzungen der Deutungsmacht des Bundesverfassungsgerichts. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 224f. Bourdieu, La force du droit; eine englische Fassung des Aufsatzes erschien als Bourdieu, The force of law. Bourdieu, La force du droit, 17f.

4

Die Macht des Verfahrens

zeitlicher Einheit durch.16 Auf dem Kontinent und im Einflussbereich des Römischen Rechts hingegen entstand im Spätmittelalter ein sehr anders gelagertes, nichtöffentliches, schriftbasiertes und als Machtmittel die Folter einsetzendes Verfahren, bei dem der Untersuchungs- und Entscheidungsteil räumlich und zeitlich getrennt waren.17 Auch das ließe sich unter verfahrenshistorischen Gesichtspunkten untersuchen, aber nicht mit den Perspektiven, die hier eine Rolle spielen: nämlich mit Blick auf ein Verfahren, das sich in der Frühen Neuzeit entwickelte und in seiner basalen Gestalt, jenseits aller besonderen Prozessvorschriften, als Interaktionsordnung zum globalen Standard geworden ist, auch am International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, wie das Haager UN-Gericht offiziell heißt. Dennoch ist es nicht die Absicht, lediglich eine frühneuzeitliche Vorgeschichte des modernen Gerichtsprozesses zu schreiben, auch wenn der konkrete Gegenstand der Untersuchung, Hochverratsprozesse, in verschiedener Hinsicht mit den Haager Kriegsverbrecherprozessen zu vergleichen wäre. Es handelt sich nicht um eine Arbeit, die nur durch den Fluchtpunkt auf ein fertiges, entwickeltes Gebilde strukturiert wird – das hier mehr als heuristischer Aufhänger dient. Das Erkenntnisinteresse ist vielmehr auf eine genaue Rekonstruktion der Veränderungen und Unterschiede innerhalb der Frühen Neuzeit und der Sattelzeit gerichtet. Die Untersuchung stellt in Rechnung, dass Hochverratsprozesse – bei weitgehend ähnlicher Deliktdefinition – im 15. Jahrhundert gänzlich anders verliefen als im 18. Jahrhundert. Als William De La Pole, der Herzog von Suffolk, 1450 wegen Hochverrats in der Westminster Hall vor den König und die Lords gestellt wurde, wurde der Prozess nicht durch eine mündliche Verhandlung entschieden, sondern dadurch, dass Suffolk vor dem König niederkniete und deswegen begnadigt wurde.18 Diese Praxis wäre in den Hochverratsverfahren des Jahres 1746, als die aufständischen schottischen Lords Lovat, Kilmarnock und Balmerino ebenfalls in Westminster Hall angeklagt wurden, völlig undenkbar gewesen. Rund fünfzig Jahre später, bei den Prozessen gegen britische Jakobiten 1794, dauerten die Prozesse bereits mehrere Tage, weil jeweils Dutzende Zeugen von professionellen Anwälten vernommen wurden. Die allmähliche Ausbildung und Verfestigung dieser Verfahrensform, die im 18. Jahrhundert schon weitgehend als „normal“, als unhinterfragbar gegeben erachtet wurde, ist Gegenstand dieser Arbeit. Beides, Ausbildung und Verfestigung bzw. Normalisierung, gilt es im Folgenden zu rekonstruieren. Ich verstehe diese Studie dabei als einen Beitrag zur Kulturgeschichte des Rechts und der Rechtspraxis, die Fragen, Methoden und Perspektiven stellt und einbezieht, die so in der

16

17

18

Die nach den Regeln des Römischen Rechts geführten Prozesse vor der Star Chamber und dem Konsistorialgericht (High Commission) werden hier nicht berücksichtigt, zu deren Verfahrensweisen vgl. Cockburn, The spoils of law; Clegg, Censorship and the courts of star chamber and high commission in England to 1640; Vande Zande, Coercive power and the demise of the star chamber. Trusen, Der Inquisitionsprozeß; Jerouschek, Die Herausbildung des peinlichen Inquisitionsprozesses in Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit; Härter, Strafverfahren im frühneuzeitlichen Territorialstaat. 1 ST 272ff.

Einleitung

5

‚klassischen‘ Rechtsgeschichte, sei es in deutscher oder in anglo-amerikanischer Variante, bislang keine Rolle spielten.19 Rekonstruktion langfristiger Entwicklungen Eine Absicht dieser Arbeit ist also die Rekonstruktion der langfristigen Entwicklung einer Verfahrensform, die für moderne Staatlichkeit schlicht konstitutiv ist, weil mit ihr verbindliche Entscheidungen im Bereich des Strafrechts hergestellt werden können. Solche Langfristperspektiven zu eröffnen, ist in der Frühneuzeitforschung allerdings nicht unproblematisch. In der englischsprachigen Forschung wird so etwas schnell als „Whig Interpretation of History“ verdächtigt, die doch durch den Revisionismus und Post-Revisionismus als überwunden gilt. Im deutschsprachigen Forschungsfeld bekommt man wiederum den Vorwurf zu hören, eine Modernisierungstheorie ins Spiel zu bringen, die frühneuzeitliche Eigenheiten zu bloß unterentwickelten Vorstufen des Späteren herabstufe.20 Dieser Vorwurf hat vermutlich unter anderem mit disziplinären Abgrenzungstendenzen der Frühneuzeitforschung zu tun: Die eigene Epoche soll nicht als defizitärer Vorläufer der ‚tatsächlich‘ Neueren Geschichte („Am Anfang war Napoleon“21) erfasst werden. Zudem scheint der Vorwurf einem teleologischen Verständnis von Modernisierung aufzusitzen, das damit Fortschrittsoptimismus, Rationalisierung, Leistungssteigerung, Wachstum, Aufklärung und nicht zuletzt Eurozentrismus assoziiert.22 Anstelle dieses qualitativen Vorverständnisses von Moderne und der damit einhergehenden qualitativen Unterscheidung von Vormoderne (Tradition) und Moderne verstehe ich unter Moderne eine Form gesellschaftlicher Differenzierung nach Funktionen und unter Modernisierung die Prozesse funktionaler 19

20

21 22

Natürlich werden auch in der Rechtsgeschichte seit langem innovative und theoretisch höchst informierte Perspektiven eingenommen, gerade auch in Bezug auf Rechtspraxis und Verfahren, verwiesen sei hier nur auf Fögen, Römische Rechtsgeschichten; Fögen, Rechtsverweigerungsverbot; Teubner, Recht als autopoietisches System; Fischer-Lescano, Rechtskraft; Vismann, Medien der Rechtsprechung; Vismann, Das Recht und seine Mittel; Lahusen, Rechtspositivismus und juristische Methode; Lahusen /  Renner, Gespenster zweiter Ordnung; Oestmann, Hexenprozesse am Reichskammergericht; Oestmann, Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht; Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich; Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte im Alten Reich; Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte. Die Nachteile des selbstauferlegten Verzichts auf Modernisierungstheorien als heuristische Mittel zur Erklärung von langfristigen Entwicklungen und Strukturtransformationen – was eigentlich zur Kernaufgabe der Frühneuzeitforschung zählt – heben auch Hirschi, Colberts Vertrauen in Verfahren, 260f., und Zwierlein, Der gezähmte Prometheus, 11–15, hervor. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, 11. Der Bezugspunkt dafür sind sicherlich die sozialgeschichtlichen Debatten der 1970er Jahre, vgl. etwa Lepsius, Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“; Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte; Zapf, Die soziologische Theorie der Modernisierung; zur Einordnung dieser Debatten durch die historische Forschung sowie Hinweise über aktuelle Kontroversen und weiterführende Literatur vgl. Schildt, Modernisierung; Großbölting / Livi / Spagnolo, Jenseits der Moderne?.

6

Die Macht des Verfahrens

Differenzierung.23 Historisch datieren lassen sich diese (nicht synchron verlaufenden) Prozesse auf die Zeit zwischen Hochmittelalter und 19. Jahrhundert. Im Unterschied zu einem trivialen Verständnis von Moderne wird diese wiederum gerade nicht unausgesprochen als Epoche höherer Rationalität vorgestellt und insofern der Prozess der Modernisierung nicht mit Rationalisierung gleichgesetzt. Zumal für den Bereich moderner Verfahren der Entscheidungsfindung hat man eine solche Auffassung von Moderne und Modernisierung bereits gründlich entzaubert.24 Im Grunde trifft für die Strafverfahren zu, was Michel Foucault für den Wandel des Strafvollzugs festgestellt hat: Es wurde zunächst einmal anders – ob auch besser, rationaler, effizienter oder gerechter, ist damit überhaupt noch nicht gesagt.25 So sind die (vielschichtigen, widersprüchlichen, diskontinuierlichen) Modernisierungsprozesse ja durchaus nicht auf ein einheitliches Zentrum zugelaufen, sondern auf „die Ausdifferenzierung unterschiedlicher gesellschaftlicher Wertsphären und Sinnstrukturen, die, ohne in eine Hierarchie gebracht werden zu können und gesellschaftsübergreifenden Normen und Weltbildern zu folgen, polyzentrisch nebeneinander stehen“.26 Insofern handelt es sich bei dieser Arbeit auch um eine Fallstudie zur Ausdifferenzierung des Rechtssystems am Beispiel der Gerichtsverfahren.27 Prozesse funktionaler Ausdifferenzierung kann man für das Recht auf verschiedenen Ebenen beobachten: Institutionen- und behördengeschichtliche Zugriffe kämen hier ebenso in Frage wie rollen- und professionsspezifische Studien.28 Auch das sich wandelnde Verhältnis von staatlich-politischer Macht und Recht oder die Entwicklung der juristischen Dogmatik (das bevorzugte Feld der ‚klassischen‘ Rechtsgeschichte) wären mögliche Gesichtspunkte.29 Der hier gewählte Fokus auf Gerichtsverfahren – also auf „law in action“ – bietet allerdings nun Möglichkeit, die in Frage stehenden Modernisierungsprozesse ganz konkret auf die Ebene der Praxis herunterzudeklinieren, um sie dort zu beobachten und zu rekonstruieren. Diese nicht an Fortschritt und Rationalisierung, sondern an funktionaler Differenzierung orientierte Langfristperspektive unterscheidet meine Geschichte der 23 24

25 26 27 28

29

Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 609ff. Vor allem durch die empirisch fundierten Arbeiten der neoinstitutionalistischen Organisationssoziologie, vgl. etwa Meyer / Rowan, Institutionalized organizations; March, Decisions and organizations; March, A primer on decision making; Weick, Der Prozeß des Organisierens; Weick, Sensemaking in organizations. Ich beziehe mich dabei natürlich auf Foucault, Überwachen und Strafen. Pollack, Modernisierungstheorie – revised, 226f. Zur besonderen „Stellung der Gerichte im Rechtssystem“ vgl. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 297–337, hier 305. Während die Geschichte gerichtlicher Behörden in England in der Frühneuzeit bislang kaum erforscht wurde (ganz anders als etwa für den deutschsprachigen Bereich, eine Ausnahme ist Hart, The rule of law 1603–1660) liegen eine Reihe von Arbeiten zur Entstehung des Juristenstandes und für weitere Akteure im Rechtsfeld (Sheriffs, Friedensrichter etc.) vor, verwiesen sei an dieser Stelle nur auf Brooks, Pettyfoggers; Prest, The rise of the barristers; Lemmings, Gentlemen and barristers; Lemmings, Professors of the law; May, The bar and the Old Bailey; Corfield, Eighteenth-century lawyers. Verwiesen sei auch auf Kypta, Die Autonomie der Routine, als einschlägige Studie zur Ausdifferenzierung einer mittelalterlichen Organisation (Schatzamt). Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechtssystems, 44–52.

Einleitung

7

englischen Gerichtsverfahren (bei Hochverrat) daher von rechtsgeschichtlichen Zugängen, die genau diese Paradigmen immer schon voraussetzen. Nach dem Abebben einer im 17. Jahrhundert entstanden Vorstellung, das Common Law sei ja schon perfekt gewesen30, war die englische Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts im Besonderen ein Beispiel für das Whig History-Interpretament. Die fünfbändige „History of the English Law“ (1783–1829, mehrfach wiederaufgelegt) des Richters John Reeves erzählte die Geschichte des Rechts vom Mittelalter bis zur „Glorious Revolution“ als eine Abfolge von Aufstieg (im Mittelalter), Fall (unter den Stuarts) und Wiederaufstieg (seit 1689). Die „History of English Law“ (1829) des Anwalts George Crabb präsentierte das Fortschrittsparadigma bereits im Titel: „An Attempt to trace the Rise, Progress, and Successive Changes of the Common Law: From the earliest period to the present time“. Die dreibändige „History of the Criminal Law of England“ von Sir James Fitzjames Stephen – auch er war praktizierender Jurist, zuletzt als Richter an dem 1873 als Zivilgerichtshof eingerichteten High Court of Justice – erschien 1883 zum ersten Mal und wird bis heute vertrieben. Auch Stephen geht von einer progressiven Entwicklung der Rechtsgeschichte aus: „Of course of criminal procedure is greatly superior to that of our ancestors“, was gleichzeitig einen zivilisatorischen Sprung markiere: „The consideration and humanity of our modern criminal courts for accused persons, are due in a great degree to the fact that the whole framework of society, and especially the Government in its various aspects – legislative, executive, and judicial, is now immeasurably stronger than it was before, and that it is accordingly possible to adjust the respective interests of the community and if individuals with an elaborate care which was formerly impracticable“.31 Der derzeit einflussreichste Historiker des englischen Strafverfahrens, der in Yale lehrende Rechtshistoriker John H. Langbein, präsentiert die „Origins of the Adversarial Criminal Trial“ ebenso als eine Erfolgsgeschichte. In mehreren, für das Verständnis der Verfahrensentwicklung unentbehrlichen Aufsätzen hat Langbein vor allem die allmähliche Integration von Strafverteidigern als Kriterium für Fortschrittlichkeit herausgestellt.32 Im Unterschied zur deutschsprachigen Rechtswissenschaft, die offiziell nach wie vor davon ausgeht (und ausgehen muss), dass Gerichtsverfahren richtige und wahre Entscheidungen hervorbringen können33, stellte Langbein klar, dass Wahrheit im modernen „Adversarial Criminal Trial“

30

31 32 33

Es handelt sich dabei um den ancient constitution-Diskurs, dazu Pocock, The ancient constitution; Burgess, The politics of the ancient constitution; Asch, Das Common Law als Sprache und Norm der politischen Kommunikation in England, ca. 1590–1640. Stephen, History of the criminal law, Bd.1, 365. Die dann überwiegend in seiner 2003 erschienenen Monographie Langbein, The origins of adversary criminal trial aufgegangen sind. Die für den deutschsprachigen Rechtspositivismus kennzeichnende Auffassung, dass man per Verfahren zu einer richtigen Entscheidung gelangen könne, rekapituliert zuletzt Herbst, Die These der einzig richtigen Entscheidung; Saliger, Rechtsphilosophische Probleme der Rechtsbeugung, 141–143; Backhaus, Der gesetzliche Richter im Staatsschutzstrafrecht, 195–198; kritisch zu solchen Positionen des Rechtspositivismus u.a. Lahusen, Rechtspositivismus und juristische Methode.

8

Die Macht des Verfahrens

nur ein Nebenprodukt darstellt.34 Doch an der grundsätzlich positiven Entwicklung möchte Langbein nicht rütteln lassen, das zeigt etwa seine entschiedene Zurückweisung der Dekonstruktion der Strafjustiz des 18. Jahrhunderts als einem Instrument der herrschenden Elite durch die kriminalitätshistorischen Pioniere um Edward P. Thompson und Douglas Hay.35 Langbeins jüngste Publikation zeigt, wieso ihm allzu weitgehende Kritik nicht recht ist: Denn für ihn ist die Geschichte des englischen Common Law in der Frühneuzeit immer auch die Vorgeschichte zur modernen Rechtskultur der Vereinigten Staaten.36 Dekonstruktion universalisierender und idealtypisierender Konzeptualisierungen Setzt sich die Arbeit also einerseits vom rechtshistorischen Paradigma des Fortschritts ab, so steht sie andererseits (in gewisser Hinsicht) in Distanz zu jenen Ansätzen, die Gerichtsverfahren als eine überzeitliche Verkörperung von Macht sehen. Hier handelt es sich zum einen um Arbeiten aus dem sozio-linguistischen Feld, das mittlerweile eine Vielzahl von Studien zu den durch sprachliche Muster erzeugten Machtmechanismen in Gerichtsverfahren hervorgebracht hat, die insbesondere die Laien (Angeklagte, Zeugen, Opfer) benachteiligen.37 Hier argumentiere ich natürlich nicht gegen die Benachteiligungs- und Bloßstellungsmechanismen in den Verfahren – auch das gehört zur „Mikrophysik der Macht“ (Foucault) –, sondern vielmehr gegen die Gewohnheit, diese strukturellen Mechanismen umstandslos in die Vergangenheit zurück zu projizieren. Es geht im Folgenden darum, überhaupt erst einmal zu verstehen, wie Machtfelder im Verfahren aufgebaut und perpetuiert wurden. Macht im Verfahren wird damit als ein Forschungsproblem verstanden, das re- und dekonstruiert und nicht, wie in den „courtroom studies“, entschleiert und kritisiert werden soll. Die Soziolinguisten haben den frühneuzeitlichen englischen Strafprozess schon länger als Untersuchungsfeld für sich entdeckt.38 Wenn aber etwa in Studien über die Pragmatik des Fragens bei Zeugenverhören stillschweigend davon ausgegangen wird, dass sich die Ordnung der Redezüge in der 34 35

36 37

38

Langbein, The origins of adversary criminal trial, 331ff. Gemeint ist Hay / Linebaugh / Rule / Thompson / Winslow, Albion‘s fatal tree; darauf antwortete (fast zehn Jahren später) Langbein, Albion‘s fatal flaws; vgl. auch die Replik darauf von Linebaugh, (Marxist) social history and (conservative) legal history. Kritik an Langbeins Rechtsgeschichte, die blind sei für gesellschaftliche Kontexte, übte auch Wiener, Reconstructing the criminal. Langbein / Lerner / Smith, History of the common law. Die Pionierstudien stammen von Garfinkel, Conditions of successful degradation ceremonies und Atkinson / Drew, Order in court; häufig zitiert werden auch Conley / O’Barr, Just words; einige neuere Arbeiten dazu stammen u.a. von Lakoff, Talking power; Philips, Ideology in the language of judges; Wagner / Le Cheng, Exploring courtroom discourse; Mutambwa, Power relations in courtroom discourse; Winiecki, The expert witnesses and courtroom discourse; Eades, Courtroom talk; McGaughey / Stiles, Courtroom interrogation of rape victims; Taslitz, Rape and the culture of the courtroom. Culpeper /  Kytö, Early modern English dialogues; Kryk-Kastovsky, Speech acts; Kryk-Kastovsky, Historical courtroom discourse; Kryk-Kastovsky, Representations of orality in early modern English trial records; Nevalainen, Ladies and gentlemen; Heffer, The language of jury trial; Hiltunen, „Tell me, be you a witch?“.

Einleitung

9

Mitte des 17. Jahrhunderts genauso darstellte wie im späten 19. Jahrhundert, nur etwas ungerechter, dann werden damit wichtige Unterschiede ausgeblendet.39 Typischerweise wird dabei auf Material aus ganz verschiedenen Prozessen rekurriert, so dass aber die individuelle Gestalt, die den Prozessen in der späten Stuartzeit zu eigen war, zugunsten einer Parallelisierung sprachwissenschaftlich interessanter Einzelsequenzen nivelliert wird. Ein Erkenntnisgewinn über die frühneuzeitliche forensische Praxis und ihrer Veränderungen geht damit nicht einher. Nun müsste man sich als Historiker eigentlich nicht unbedingt mit Anachronismen und methodischen Idiosynkrasien in den Nachbardisziplinen befassen. Allerdings werden diese Arbeiten auch von Historikern rezipiert, und für ihre Konzeptualisierung des älteren englischen Strafprozesses ist eine solche pauschalisierende Sicht nicht untypisch. Da ist dann etwa von Zeugen- und Kreuzverhören die Rede, wo doch erst einmal gezeigt werden müsste, wann und unter welchen Umständen die mit diesen Begriffen bezeichneten, höchst voraussetzungsreichen Kommunikationsmuster tatsächlich ausgebildet wurden. Es ist also für die historische Forschung überaus kennzeichnend, bei den Strafverfahren in der Frühneuzeit eine Art von fixer Form vorauszusetzen und Veränderungen auf unterschiedliche personelle Zusammensetzungen, Rechtsnormen oder Verhandlungsthemen zurückzuführen.40 Nicht als eine überzeitliche, aber als eine Angeklagte und Zuschauer gleichermaßen durch ihre Rituale und Symbole schier überwältigende Macht-Inszenierung, hat auch Douglas Hay Strafprozesse (nicht Hochverratsprozesse) des 18. Jahrhunderts beschrieben.41 Schließlich gilt auch für die Forschungen zu den Strafprozessen des 19. Jahrhunderts, dass diese als Institutionen der Macht immer schon vorausgesetzt werden und die Frage, wie sie eigentlich dazu geworden sind, nicht gestellt wird.42 Genau diese Genese der Organisation von Macht in Verfahren – die operative Schließung und Autonomie voraussetzt – ist Gegenstand dieser Arbeit, die damit eine Alternative zur Großen Erzählung der Rechtsgeschichte darstellt, die davon ausgeht, dass der Abbau oder zumindest die Ausbalancierung von Macht das Kennzeichen der Entwicklung gewesen sei. Daher wird es eine weitere Absicht dieser Arbeit sein, diesem essenzialisierenden Umgang mit Gerichtsverfahren mit einem alternativen Analyseprogramm 39

40

41 42

Vor allem bei Archer, Questions and answers in the English courtroom (1640–1760); Kryk-Kastovsky, Impoliteness in early modern English courtroom discourse. Gleichwohl können aus diesen Arbeiten wichtige Begriffe und Konzepte zur Analyse von Verhören rezipiert werden. Schwoerer, The trial of Lord William Russell, 1683; Patterson, The trial of Nicholas Throckmorton; Nenner, The trial of the regicides; Steffen, Defining a British state; Orr, Treason and the state; Hillier, The mysterious case of Elizabeth Canning; Turvey, The treason and trial of Sir John Perrot; Sil, „My bitter comedie“; Clayton, Changes in Old Bailey trials; Howlin, Passive observers or active participants?. Hay, Property, authority and the criminal law, 26–31. Genau das bemängelt jetzt auch Griffiths, The Prisoners’ Counsel Act 1836; beispielhaft für das Desinteresse an der Gewordenheit der prozeduralen Macht stehen auch die (im übrigen hervorragenden) Arbeiten Wiener, The sad story of George Hall; Robb /  Erber, Disorder in the court; Goddard, A case of injustice?; Davies, Murder, magic, madness; Palk, Gender, crime and judicial discretion 1780–1830; King, Crime and law in England, 1750–1840; Gordon, The infamous Burke and Hare; King, Ethnicity, prejudice, and justice.

10

Die Macht des Verfahrens

zu begegnen. Dabei geht es nicht nur darum, die Gerichtsverfahren historisch zu kontextualisieren – das haben für einige Fälle auch schon andere Historiker getan. Vielmehr sollen die Verfahren selbst als Kommunikationsfelder verstanden und untersucht werden. Sie sollen dabei aber nicht schematisch an einem abstrakten oder gar stillschweigend vorausgesetzten Typus gemessen werden. Vielmehr ziele ich auf eine möglichst weitgehende Historisierung der Prozesse, die ihre unterschiedlichen Abläufe akzentuiert und deutlich hervortreten lässt. Das macht mikrogeschichtliche Rekonstruktionen der Verhandlungen erforderlich: Einzelne Redezüge müssen ebenso berücksichtigt werden wie pedantisch anmutende Rechtsargumente. Erst so lässt sich aber die jeweilige Organisation von Macht in den Blick bekommen und zeigen, woran der Aufbau von Macht scheitern konnte. Wenn man Macht im Verfahren als eine Ressource versteht, die nur durch Kommunikation erzeugt und verstetigt werden konnte, dann zeigen Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts ein hohes Maß an diffuser Macht, analog zu diffusen Kommunikationsweisen. Auch wenn solche Prozesse mit Schuldsprüchen endeten, so war das doch in vielen Fällen kein Zeichen von Macht, zeigte das Forcieren von Verurteilungen eher die Ohnmacht der Verfahrensveranstalter an. Formen des Aufbegehrens gegen die juristischen Spektakel der Macht sind von der Forschung durchaus nicht übersehen worden. Die subversiven Praktiken von Angeklagten in politischen Prozessen (nicht Hochverrat) gegen Reformer, Jakobiner und Radikale im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert haben vor allem die Historiker James Epstein und Michael T. Davis in verschiedenen Studien eindrucksvoll konturiert.43 Inwiefern aber durch die Widerspenstigkeit rhetorisch versierter Angeklagter strukturelle Defizite von Gerichtsverfahren um 1800 exponiert wurden, wird zu überprüfen sein. Es steht daher zur Debatte, unter welchen Bedingungen Gerichtsprozesse als Machtinszenierungen oder aber als Foren für Gegenperformanzen und ‚agency‘ der Angeklagten in Erscheinung treten konnten. Grundsätzlich verstehen sich die Forschungen von Epstein und Davis aber nicht als Beiträge zur Rechts- und Verfahrensgeschichte, sondern fokussieren auf politische Handlungsspielräume und performativ erstrittene Partizipations- bzw. Artikulationschancen auf den Bühnen der Justiz.44 Deren Veränderlichkeit wird dabei ebensowenig reflektiert wie der Umstand, dass gerade die – in vielen Studien verwendete – Theatermetapher (Gericht als Bühne) dazu beitragen kann, die tatsächliche Eigenmächtigkeit der Verfahren und seiner Förmlichkeiten zu übersehen. Mit dem Fokus auf der dichten Beschreibung der Kommunikationsfelder von Verfahren unterscheidet sich diese Arbeit schließlich auch von jenen Forschungen, die die Gerichtsprozesse und im besonderen die Hochverratsprozesse untersucht 43

44

Epstein, ‚Our real constitution‘; Epstein, „Equality and no king“; Epstein / Karr, Playing at revolution; Davis, „Good for the public example“; Davis, „I Can Bear Punishment”; Davis, Prosecution and radical discourse; Davis, „The impartial voice of future times will rejudge your verdict“; vgl. ferner auch Yuval, Between heroism and acquittal; für das 17. Jahrhundert vgl. jetzt Kishlansky, A whipper whipped; Kishlansky, Martyrs‘ tales. Das ist auch das Thema bei Howlin, Passive observers or active participants?; Howlin, The politics of jury trials in nineteenth-century Ireland.

Einleitung

11

haben, weil darin bestimmte zeitgenössische Konflikte ausgetragen und reflektiert wurden oder weil darin politische Diskurse zum Tragen kamen, wie bei den großen state trials in der Bürgerkriegszeit oder in der Zeit der Französischen Revolution.45 Dagegen spielen in dieser Arbeit die Prozesse selbst die Hauptrolle. Doch auch wenn Hochverratsprozesse vor allem deswegen ausgewählt wurden, weil sie in singulärer Weise die Annäherung an forensisches Handeln möglich machen, ist ihr Gegenstand selbst auch Teil der Analyse. Dass diese Arbeit, wie der Untertitel besagt, eine Geschichte der Hochverratsprozesse ist, ist ernst gemeint. Damit werden aber nicht nur illustrative Absichten verfolgt und die Eintönigkeit einer verfahrenshistorischen Analyse durch die Buntscheckigkeit von Geschichten über Verräter, Aufrührer und Verschwörer aufgelockert. Vielmehr lässt sich gar nicht so einfach zwischen dem ‚Was‘ und dem ‚Wie‘ des Verhandelns und Entscheidens trennen, müssen also die jeweiligen Umstände der Hochverratsprozesse und die Argumentationen vor Gericht als integraler Bestandteil der Untersuchung von Macht und Verfahren betrachtet werden. Denn es geht dabei auch immer um die Grenzen dieser Macht. Das impliziert nicht nur den Blick auf die Handlungsmöglichkeiten der Angeklagten vor Gericht, sondern auch die Frage, inwiefern es den Verfahrensveranstaltern gelang, die Deutungshoheit über die verhandelten Delikte zu erlangen. Daher werden die jeweiligen öffentlichen Diskurse über die Hochverratsfälle in Flugschriften, Pamphleten oder Zeitungen in die Untersuchung miteinbezogen, allerdings nur hinsichtlich der Frage, was dies über die Deutungsmacht der Verfahren besagt. Eine Geschichte der Konstruktionen von politischen Verbrechen, die man anhand des Materials gut schreiben könnte, stellt diese Arbeit somit ganz klar nicht dar, wohl aber einen Beitrag zur Reaktion des Strafrechts auf Formen politischer Delinquenz.46

45

46

Russell, The theory of treason; Hast, State treason trials; Prochaska, English state trials in the 1790s; Smith, Treason in Tudor England; Minogue, Treason and the early modern state; Barrell, Imagining the king‘s death; Lobban, Treason, sedition and the radical movement; Steffen, Defining a British state; Orr, The juristic foundation of regicide; Orr, Treason and the state; Maniquis, British radical culture of the 1790s; Whatmore, Treason and despotism. Eigene Überlegungen dazu habe ich vorgestellt in Krischer, Verräter, Verschwörer, Terroristen; Krischer, Aufruhr als Hochverrat?. Zum Desiderat einer Geschichte politischer Delinquenz im Rahmen der Historischen Kriminalitätsforschung vgl. Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, 170–177. Die Pionierarbeiten dazu stammen von Härter, Legal concepts of terrorism as political crime and international criminal law in eighteenth and nineteenth century Europe; Härter, Revolten, politische Verbrechen, rechtliche Reaktionen und juristisch-politische Diskurse; Härter, Early modern revolts as political crimes in the popular media of illustrated broadsheets; Härter, Political crime in early modern Europe.

12

Die Macht des Verfahrens

2. ZUM UNTERSUCHUNGSFELD HOCHVERRAT Wenn die publizistisch aktiven und einflussreichen Common Lawyer der Frühneuzeit wie Sir William Staunford (1509–1558), Sir Edward Coke (1552–1634), Sir Matthew Hale (1609–1676) oder Sir William Hawkins (1673–1746) über die Vorbereitungen und den Ablauf von Strafverfahren schrieben, dann hatten sie dabei Hochverratsprozesse vor Augen.47 Auch die Rechtshistoriker des 19. Jahrhundert wie Sir James F. Stephen schrieben die „History of the Criminal Law“ anhand der großen Hochverratsprozesse des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Und wenn im 19. Jahrhundert rechtsantiquarisches Interesse gepaart mit literarischen Ambitionen Bücher über „The Lives and Criminal Trials of Celebrated Men“ hervorbrachte, dann ging es am Beispiel des Herzogs von Norfolk, Sir Walter Raleighs oder der Pulverfassverschwörer um Hochverratsprozesse.48 Denn anders als etwa in Frankreich, wo man gegen die Majestätsverbrecher mit einer procédure extraordinaire vorging49, wurden die Hochverratsprozesse in England nach den gleichen Prozessregeln geführt wie bei gewöhnlichen Delikten auch. Gleichwohl wurde die Gleichsetzung der Strafrechtsgeschichte mit ihrem exponiertesten Delikt von John H. Langbein 1978 als problematisch kritisiert: Wenn es der Anspruch der Rechtsgeschichte sei, sich der Wirklichkeit der vormodernen Justizpraxis zu nähern, dann könne dies nicht allein auf der Grundlage einiger weniger celebrated trials gegen Mitglieder der gesellschaftlichen Oberschicht geschehen.50 Langbein machte in diesem Zusammenhang auf eine Quellengruppe aufmerksam, die heute zu den wichtigsten Quellengruppe für die Kriminalitätsgeschichte des frühneuzeitlichen Englands zählen, nämlich die gedruckten Berichte der Sitzungen des Londoner Old Bailey-Gerichts, die Old Bailey Sessions Papers.51 Obwohl auch die Sessions Papers in dieser Arbeit herangezogen werden (denn Old Bailey war ein wichtiger Ort für Hochverratsprozesse), greife ich hier doch im Wesentlichen auf die Sammlungen der State Trials zurück (dazu gleich) und damit auf 491 Hochverratsprozesse zwischen 1554 und 1848, die darin kompiliert worden sind. John Langbein hat natürlich Recht damit, dass diese geringe Zahl – verglichen mit den tausenden 47

48 49

50 51

Staunford, Les plees del coron; Coke, The third part of the Institutes of the laws, 24ff.; Hale, Pleas of the crown, 173ff.; Hale, Historia placitorum coronæ, 2; Hawkins, A treatise of the pleas of the crown, Bd. 2, 281ff. Weiter zu nennen sind auch die Traktate von Pulton, De Pace Regis et Regni für das 16. Jahrhundert (vgl. dazu Kapitel 1) oder aus dem 18. Jahrhundert Tremaine, Placita coronæ. Jardine, Criminal trials. Weitere Beispiele für die Gleichsetzung von Prozessgeschichte und Hochverrat sind Borrow, Celebrated trials (6 Bde.) oder Stephen, State Trials Political and Social (42 Bde.). Cuttler, The law of treason and treason trials in later medieval France, 85–115. Außerordentlich war etwa der Einsatz der Folter zur Ermittlung des Sachverhalts und nicht (nur) zur Erzwingung des Geständnisses wie im regulären Inquisitionsprozess. Langbein, The criminal trial before the lawyers, 264ff. Diese sind neuerdings vollständig online zugänglich über die Datenbank „Old Bailey Online“, dort auch weitere Literatur. Während in der Forschung in der Regel von den Old Bailey Sessions Papers, oder kurz Sessions Papers, die Rede ist, lautet der korrekte und vollständige Titel im 18. Jahrhundert The Proceedings of the King‘s Commission of the Peace and Oyer and Terminer, and Gaol-Delivery of Newgate, held for the City of London and the County of Middlesex, at Justice-Hall, in the Old Bailey.

Einleitung

13

‚gewöhnlichen‘ Prozessen52 – nicht die Strafrechtswirklichkeit dokumentiert. Auch ist es richtig, dass bei Hochverrat Personen (Kronanwälte, Strafverteidiger) und Prozessregeln zum Einsatz kamen, die man bei gewöhnlichen Prozessen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts findet.53 Aber genau das macht die Hochverratsprozesse für eine verfahrensgeschichtliche Untersuchung so interessant: Im Falle exponierter Personen  – Adlige, Jesuiten, politische Aktivisten und Theoretiker, Jakobiten, Jakobiner und Wahlrechtsreformer, um nur die wichtigsten zu nennen – war die Strafjustiz zu einem besonders korrekten Vorgehen gezwungen, musste sich vieles von dem, was in den Strafrechtstraktaten über trial and process gesagt wurde, auch in der Praxis der öffentlichen Verfahren wiederfinden. Aus diesem Grund waren die Hochverratsprozesse für Coke, Hale und andere Common Lawyer so wichtig, und ihre Texte wirkten wiederum vielfach auf die Praxis zurück. Die Wissenschaftshistorikerin Barbara Shapiro, Expertin für die Geschichte des Beweisrechts im 17. und 18. Jahrhundert, hat die Hochverratsprozesse „Schauprozesse“ in dem Sinne genannt, dass der Strafprozess des Common Law in seiner ganzen Förmlichkeit zur Schau gestellt wurde – vor einem anwesenden Publikum, aber auch vor einer transnationalen Leserschaft, die die Prozesse anhand gedruckter Protokolle nachlesen konnte.54 Es war etwas ganz anderes, ob eine Kindsmörderin in Old Bailey, ein Straßenräuber in der Provinz oder aber der Jesuit Edmund Campion (1581), der Leveller John Lilburne (1649), der Whig-Anführer Lord Russell (1684) oder der Abgeordnete Lord Gordon (1780) in der Westminster Hall vor den Schranken der Justiz standen. Das bedeutet nicht, dass die (angeblichen) Hochverräter einen faireren Prozess gehabt hätten. Vielmehr waren solche Prozesse eine Art Selbstdarstellung der Strafjustiz, so wie sie gesehen werden wollte, in England und anderswo. Das bedeutete auch, dass das Misslingen der Hochverratsprozesse reflektiert wurde und dies wiederum Rechtfertigungsversuche oder Lernprozesse in Gang setzte. Wenn die Hochverratsprozesse den literarischen oder gelehrt-juristischen Idealisierungen des Strafverfahrens (Kap. I) nicht gerecht wurden – und das war nicht selten der Fall –, dann fiel das in besonderer Weise auf. Auch wurde die Obrigkeit als Verfahrensveranstalter bei Hochverrat publizistisch tätig, wenn die Angeklagten bzw. Verurteilten gegen Prozess und Urteil protestierten. Bei diesem Delikt lassen sich immer wieder Versuche nachträglicher Legitimierung der Urteile beobachten, die wiederum auf Defizite bei den Prozessen zurückverweisen. Auch wenn die Hochverratsprozesse also nicht typisch waren für die Strafrechtspraxis in der Breite, so waren sie aber gleichwohl ein Experimentierfeld für all jene Justizpraktiken, die mit einem gewissen zeitlichen Abstand in die gewöhnlichen Prozesse diffundierten. Nur Hochverratsprozesse waren zudem der Gegenstand von frühen Verfahrensreformen wie der Zwei-Zeugen-Regel oder der Zulassung von Strafverteidigern (1696), so dass wir es dabei schon im 18. Jahrhundert mit einer Verfahrenspraxis zu tun haben, die im 19. Jahrhundert auch bei gewöhnlichen Delikten üblich wurde. 52 53 54

Mit „gewöhnlichen Prozessen“ ist das gesamte Deliktfeld jenseits von Hochverrat gemeint. Langbein, The criminal trial before the lawyers, 266. Shapiro, Law and science, 759, FN 147.

14

Die Macht des Verfahrens

Was ist Hochverrat? Eine 1710 erschienene Sammlung von Statutes […] now in force, relating to high treason, zählte 32 Gesetze. Weitere Gesetze wurden jeweils im Zusammenhang mit Unruhe- und Bedrohungsszenarien erlassen. Das war schon 1710 (Sacheverell Riots55) der Fall, dann aber auch 1715 (Erster Jakobitenaufstand56), 1746 (Zweiter Jakobitenaufstand), 1780 (Gordon Riots57), 1795 (britische Jakobiner58) oder 1817 (Ludditenaufstände und Massenkundgebungen).59 Das Gros der frühneuzeitlichen Gesetze stammte jedoch aus der Tudorzeit. Heinrich VIII. suchte seinen Status als Oberhaupt der englischen Kirche auch dadurch abzusichern, dass er Kritik daran als Hochverrat einstufen ließ.60 Um Herrschaftssicherung und Schutz der königlichen Person ging es ebenfalls bei den Statuten unter Königin Elisabeth, ebenso wie um den Versuch, mit Hochverratsgesetzen den römisch-katholischen Glauben und jedwede Art von Missionstätigkeit zu kriminalisieren.61 Höhepunkt dieser antikatholischen Hochverratsgesetzgebung war der Jesuit Act von 1585 (27 Eliz. I, Stat. 1, Cap. 262), der die bloße Anwesenheit von Jesuiten und anderen Missionaren in England als Hochverrat wertete (und ihnen drei Tage Zeit zur Ausreise ließ).63 Dennoch ist es nicht nötig, dieser Arbeit eine ausführliche Dogmengeschichte der Hochverratsgesetze voranzustellen, wie es sie für das Spätmittelalter und die Tudorzeit auch schon gibt.64 Die für den Untersuchungskontext jeweils einschlägigen Auslegungsweisen von high treason werden zwar in den Kapiteln selbst umrissen. Darüber hinaus waren viele dieser Gesetze, die so auffällig mit Krisen und Bedrohungsszenarien zusammenhingen, aber in erster Linie „symbolische Gesetzgebung“65 und kein Regulativ für die Prozesse, bei denen die Anklagevertreter sowohl in elisabethanischer Zeit als auch im frühen 19. Jahrhundert bewusst und offensiv darauf beharrten, dass man sich einzig und allein an das Hochverratsgesetz Edwards III. aus dem Jahr 1352 halte. Wozu diese Behauptung diente, soll im konkreten Zusammenhang geklärt werden. Es war aber tatsächlich so, dass das 55 56 57 58 59 60 61 62

63

64 65

Dazu Krischer, Aufruhr als Hochverrat?, 397ff. Sankey, Jacobite prisoners of the 1715 rebellion. Krischer, Aufruhr als Hochverrat?, 405ff. Whatmore, Treason and despotism; Maniquis, British radical culture of the 1790s; Barrell, Imagining the king‘s death. Stephen, History of the criminal law, Bd. 2, 241–297. Elton, The Tudor constitution, 59ff.; Elton, Policy and police, 263ff. Ward, The treason act of 1563, 20ff.; Orr, Treason and the state. Statuten werden zitiert nach dem Regierungsjahr der Monarchin oder des Monarchen, der laufenden Nummer des Status in diesem Jahr und dem Kapitel (bzw. Unterkapitel). Ein Statut umfasste zumindest im Spätmittelalter nicht selten mehrere Einzelgesetze. Die älteren Statuten bis 1707 sind zu finden in der zwischen 1810 und 1824 auf Anordnung des Unterhauses kompilierten und gedruckten Sammlung The Statutes of the Realm (9 Bände). Cross, Orthodoxy, heresy and treason in Elizabeth England, 228f.; Youngs, The proclamations of the Tudor Queens; Youngs, Definitions of treason. Zur Hochverratsgesetzgebung nach der Pulverfassverschwörung vgl. Questier, Catholic loyalism in early Stuart England. Bellamy, The law of treason in England; Bellamy, The Tudor law of treason. Dazu etwa Kindermann, Symbolische Gesetzgebung.

Einleitung

15

(heute noch gültige66) Edwardsche Gesetz (25 Edw. III, Stat. 5, Cap. 2) geradezu den Passepartout zur Kriminalisierung politischen Handelns in der Frühneuzeit darstellte und viele Gesetze nur Auslegungen dieses Status darstellten.67 Was wurde darin geregelt? In der Common Law-Kunstsprache law-French (die bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in Gebrauch blieb68) und in der offiziellen englischen Übersetzung der Statutes of the Realm aus dem frühen 18. Jahrhundert lautete das Gesetz: q‘nt home fait compasser ou ymaginer la mort nře Seign‘ le Roi, ma dame sa compaigne, ou de lour fitz primer & heir; ou si hốme violast la compaigne le Roi, ou leisnesce filt le Roi nient marie, ou la compaigne leisne fitz & heir du Roi; & si home leve de guerre contre ne dit Seign‘ le Roi en son Roialme, ou soit aherdant as enemys nře Seign‘ le Roi en le Roialme, donant a eux eid ou confort en son Roialme ou paillours [When a man doth compasse or imagine the Death of our Lord the King, or of our Lady his (Queen) or of their eldes Son and Heir; or if a Man do violate the King’s (Companion) or the King’s eldes Daughter unmarried, or the Wife of the King’s eldes Son and Heir; or if a Man do levy War against our Lord the King in his Realm, or to be adherent to the King’s Enemies in his Realm, giving them Aid and Comfort in the Real or elsewhere].

Den Dreh- und Angelpunkt für alle Auslegungsweisen bot schon der erste Satz des Gesetzes, der besagt, es handele sich um Hochverrat When a man doth compass or imagine the Death of our Lord the King.69 Der Clou dieses Gesetzes bestand aus der Sicht der Anklagevertreter darin, dass Hochverrat nicht den Königsmord selbst darstellte, sondern vielmehr dessen Planung. Bei der Frage, was unter imagine zu verstehen sei, wo also die Planung von Königsmord anfängt und aufhört, haben die frühneuzeitlichen Kronanwälte ziemlich viel Phantasie bewiesen. Durch diese Verlagerung des Delikts in die Gedankenwelt der Angeklagten unterschied sich das englische high treason-Konzept von den kontinentalen Varianten des Majestätsverbrechens. Hier wollten die zeitgenössischen Juristen nur dann davon sprechen, wenn es tatsächlich einen tätlichen Angriff auf den Herrscher gegeben hatte.70 Die 66 67

68

69 70

URL: http://www.legislation.gov.uk/aep/Edw3Stat5/25/2/introduction. Auch die Anklage bei den großen Staatsprozessen der Bürgerkriegszeit, gegen den Earl of Strafford, Erzbischof Laud und König Karl I., beruhten auf Auslegungen dieses Statuts, vgl. Russell, The theory of treason; Stacy, Matter of fact, matter of law, and the attainder of the Earl of Strafford; Orr, The juristic foundation of regicide. Law-French (Gesetzesfranzösisch) war ein Erbe der Normannischen Invasion und eine Mischung aus Altfranzösisch, Altenglisch und Latein. Zahlreiche Begriffe des Common Law entstammen dieser, von den Juristen lange als Distinktionspraxis gepflegten Kunstsprache (asszies, attorney, defendant, jury, oyer and terminer, plaintiff etc.), dazu allg. Baker, Manual of law French. Bellamy, The law of treason in England. Dazu jetzt Rustemeyer, Dissens und Ehre, 30–101, mit Hinweisen zur Rechtslage im Reich, Frankreich, Polen-Litauen und Russland. Bei einer Verschwörung gegen den Münsteraner Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen 1673 unterschieden die Richter zwischen Vorsatz (crimen attentatum in actu remoto) und Ausführung (crimen attentatum in proximo). Weil es in diesem Fall beim Vorsatz geblieben war, wollte man nicht vom Crimen laesae maietstatis sprechen (wiewohl der Verschwörer aber doch wie ein Verräter gevierteilt wurde), vgl. Wiens, Sammlung fragmentarischer Nachrichten, 439.

16

Die Macht des Verfahrens

Besonderheit der englischen Deliktdefinition lag seit elisabethanischer Zeit darin, in bis dahin nicht bekannter Weise Verschwörungstheorien Vorschub zu leisten und diese Verschwörungstheorien und Verschwörungen (nicht alle waren ausgedacht!) zugleich justiziabel zu machen.71 Die meisten Angeklagten standen nicht als gescheiterte Attentäter vor Gericht (wie Guy Fawkes), sondern als Verschwörer, denen die Kronanwälte nachweisen wollten, dass ihr konspiratives Handeln in einem allgemeinen Blutbad hätte enden müssen, bei dem auch die Königin / der König nicht mehr sicher gewesen sei. Aufgrund solcher Konstruktionen (der Begriff constructive treason wurde bereits im 18. Jahrhundert – kritisch – verwendet) konnte den Angeklagten imagining the Queen’s / King’s death und damit Hochverrat vorgeworfen werden. Die Planung des Mordes an Ehepartner oder Thronfolger des jeweiligen Monarchen fiel ebenfalls unter Hochverrat. Dafür gibt es aber ebensowenig ein Beispiel wie für Richtermord, der ebenfalls vom Gesetz Edwards III. als Hochverrat eingestuft wurde. Folgenreicher war, dass Hochverrat auch dann der Fall war, if a Man do levy War against our Lord the King in his Realm, or be adherent to the King’s Enemies in his Realm, giving to them Aid and Comfort. Auf diese Weise ließen sich unter bestimmten Umständen Aufruhr (riots), Aufstände und Revolten als Hochverrat werten oder die Korrespondenzen von Jakobiten und Jakobinern mit ihren Briefpartnern in Frankreich zur Zeit des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688–1697) oder der Napoleonischen Kriege.72 Grundsätzlich stand das englische Hochverratsgesetz von 1351 in der Tradition römisch- und volksrechtlicher Konzeptionen von Verrat als Treuebruch. Vorstellungen, die anderswo mit proditio und perduellio einhergingen73, finden sich auch in den mittelalterlichen englischen Verratskonzepten. Dazu gehörte eine Semantik des Bösen, mit der der Verrat zu einem Ausnahmeverbrechen stilisiert und mit Untergangsvorstellungen angereichert wurde. Was die Zeitgenossen mit treason assoziierten, lässt sich jedenfalls kaum allein mit dem Blick auf die juristischen Texte und Normen eruieren, sondern immer nur mit Rücksicht auf Kontextdiskurse.74 Für die jeweils Herrschenden war es (meist) in besonderer Weise nützlich, dass Verrat als eine geradezu monströse Transgression behandelt und mit maximaler Grausamkeit bestraft werden konnte. Im Gesetz von 1351 wurde schließlich auch Münzfälschung als Hochverrat gewertet, aber das wird hier keine Rolle spielen.75 Mehr soll zu der Deliktdefinition an dieser Stelle auch nicht gesagt werden. Denn was jeweils unter Hochverrat verstanden und angeklagt wurde, lässt sich viel besser am konkreten Fall zeigen als generalisierend und abstrakt.

71 72 73 74 75

Marcus, The Tudor treason trials. Zum levy war-Konstrukt Bellamy, The Tudor law of treason, 79ff. Für die spätere Zeit fehlen systematische Forschungen. Watson, Legal origins and legal change, 119f. Vgl. etwa für das 15. Jahrhundert die Verbindungslinien von Recht und Literatur bei Leitch, Romancing treason. Eine eigene Untersuchung dazu ist geplant.

Einleitung

17

Quantifizierungen Die Frage danach, wie viele Hochverratsprozesse es im Untersuchungszeitraum gab, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Sollen Fälle oder Personen gezählt werden? Sollen summarisch geführte Massen-Hochverratsprozesse, etwa infolge der Monmouth-Rebellion 1685, einbezogen werden? Hier wurden in den Grafschaften Dorset und Somerset schätzungsweise 1.400 Personen beiderlei Geschlechts zum Tode verurteilt, von denen rund 300 hingerichtet, über 800 in die karibischen Kolonien und der Rest begnadigt wurde, ohne dass sich dazu genauere Angaben machen lassen. Sollen Fälle berücksichtigt werden, bei denen Ermittlungen durchgeführt, aber kein Prozess eingeleitet wurde? Soll man nur jene Fälle berücksichtigen, die offizielle Spuren im Rechtsbetrieb, in den plea rolls und anderen Gerichtsquellen, hinterlassen haben? Damit würden aber Fälle wie etwa gegen Missionare ausgeschlossen, die dort zwar nicht registriert wurden, aber anderweitig gut dokumentiert worden sind. All diese Fragen weisen darauf hin, dass die folgenden quantitativen Angaben nur Annäherungswerte sein können, die für meine Zwecke dennoch genügen müssen. Es geht hier nur darum, die kommunikations- und mediengeschichtlichen Untersuchungen einzelner Prozesse in Relation zu setzen mit den Konjunkturen der Prozessführung im jeweiligen Zeitabschnitt. Gezählt wurden dabei Angeklagte, die vor einer ‚ordentlichen‘ Instanz, also einem court of record standen. Ausgewertet wurden dazu die State Trials-Editionen, die Datenbanken von Old Bailey und britischem Nationalarchiv (TNA) sowie katholische ‚Märtyrer-Listen‘, die seit dem 17 Jahrhundert gepflegt wurden. Nicht berücksichtigt werden die Prozesse infolge der Aufstände von 1685, 1715 und 1746, weil es sich dabei um staatliche Racheaktionen gehandelt hatte, die man unter anderen Gesichtspunkten behandeln müsste. Auch Münzfälschen werden außer Acht gelassen. Ebenso fallen hier auch die peer trials sowie Verfahren vor Militärgerichten (während des Bürgerkriegs) oder Verurteilungen durch einen act of attainder aus dem Raster. Aufgrund dieser Selektionskriterien kommt man für die Zeit von 1554 bis 1848 auf 515 Personen. 474  Angeklagte wurden schuldig gesprochen oder bekannten sich als schuldig – in beiden Fällen folgte darauf die Verurteilung zum Tode. In den Fällen von sechs Chartisten 1848 lautete unter dem reformierten Hochverratsgesetz das Urteil auf Transportation nach Australien. Von den 474 zum Tode verurteilten Personen wurden 405 tatsächlich hingerichtet, 40 wurden begnadigt, 11 verstarben nach dem Urteil in Haft. 41 Angeklagte wurden freigesprochen. Die Hochkonjunkturen der Hinrichtungen fielen in die Regierungszeit Königin Elisabeths (1558–1603) mit 222 Fällen (bei 229 Todesurteilen) und in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts (im Zusammenhang mit dem Popish Plot, dem Rye House Plot76 und der Glorious Revolution) mit 90 Fällen. In der Mehrzahl handelte es sich bei den Hingerichteten in beiden Konjunkturphasen um katholische Kleriker und Missionare oder um Laien, die ihres Glaubens wegen angeklagt worden waren, 76

Vgl. für beides S. 277ff.

18

Die Macht des Verfahrens

auch wenn die Obrigkeit etwas anderes behauptete. Würde es in dieser Arbeit um Schuldfragen gehen, müsste man darauf hinweisen, dass die überwiegende Zahl der Verurteilten im 16. und 17. Jahrhundert konfessionell bedingten Verschwörungstheorien oder anti-katholischer Paranoia zum Opfer gefallen waren. Allerdings wurden – und das ist im Kontext einer solchen Paranoia durchaus bemerkenswert – zwischen 1679 und 1700 auch 13 Personen freigesprochen. Weitere 13 Personen wurden zwischen 1780 und 1820 für nicht schuldig befunden. In der Zeit von 1780 bis 1848 erfolgten auch die meisten Begnadigungen, was allerdings nur in Ausnahmefällen auf eine Freilassung hinauslief und in der Regel in die Transportation nach Australien mündete. 23 Personen wurden in dieser Zeit allerdings auch hingerichtet, und zwar im Kontext revolutionsfreundlicher Verschwörungen und Attentatsversuche wie dem Despard Plot (1803) oder der Cato Street Conspiracy (1820). 3. VORGEHENSWEISE Die Arbeit ist in drei große zeitliche Perioden unterteilt (1550–1660, 1660–1730, 1780–1850), die jeweils für bestimmte Verfahrensregime stehen. In Anlehnung an einen politikwissenschaftlichen Regimebegriff sind damit allgemeine Ordnungsmuster, Kommunikationsweisen und Wissensformen der Verfahren gemeint, die den einzelnen Fällen vorgelagert waren. Ein Regime lässt sich verstehen als „institutionalisiertes Set von Prinzipien, Normen und Regeln, das die Umgangsweise der Akteure in einem gegebenen Handlungszusammenhang grundlegend regelt“ und damit von anderen Regimes unterscheidbar macht.77 Für jedes der drei Regime lässt sich ein zentrales Distinktionsmerkmal nennen. Man kann hier, in Anlehnung an Foucaults Geschichte der juristischen Wahrheitsformen78, die erste Periode als ‚Rhetorisches Regime‘ von der zweiten als ‚Untersuchungsregime‘ unterscheiden. Das Jahrhundert nach 1550 war geprägt von einer noch weitgehend offenen Verfahrensstruktur, bei der sich die Wahrheits- und Entscheidungsfindung häufig als Rededuell zwischen Anklägern, Angeklagten und Richtern darstellte. Nicht zufällig mit der Restauration (1660) wurden die Verfahren dann stärker von juristischen Praktiken der Tatsachenerzeugung geprägt, vor allem durch Zeugenverhöre. Die Verfahren stellten sich vermehrt als Untersuchung selbst erzeugter Fakten dar, aus denen sich aber das Urteil nicht schon von selbst ergab, sondern die eine Entscheidung verlangten. Das Untersuchungsregime war geprägt vom Austausch mit der neuen Naturphilosophie, wo die Entscheidbarkeit unsicheren Wissens ebenfalls zum Thema geworden war. Die dritte Periode, die weitgehend in die Sattelzeit fällt, steht unter dem Vorzeichen der Normalisierung der bis dahin erreichten Verfahrensförmlichkeiten (‚Normalisierungsregime‘).

77 78

Zürn, Regime, Regimeanalyse. Foucault, Die Wahrheit und die juristischen Formen, 52ff.

Einleitung

19

Was wie eine geradlinige Entwicklungsgeschichte von einer offenen zu einer geschlossenen Verfahrensform erscheint, wird durch die konkreten Fallstudien allerdings mannigfach gebrochen und von jeder Teleologie befreit. Tatsächlich ist es das Anliegen dieser Arbeit, die Prozesse in ihrem jeweiligen Kontext dicht zu untersuchen, was allerdings jeweils unterschiedliche Vorgehens- und Untersuchungsweisen nötig macht. Es gibt keinen interpretativen Generalschlüssel, mit dem die Prozesse untersucht werden, sondern jeweils durch den Gegenstand nahegelegte praxeologische, akteurszentrierte, sprechakttheoretische, ritualtheoretische oder entscheidungssoziologische Perspektiven und Zugänge. Mit Luhmann wird dabei unter Verfahren ein Prozess des Entscheidens verstanden, der im Fall von Gerichtsprozessen ganz erheblich auf interaktiven Vollzügen beruht79, der symbolisch-expressiv in Erscheinung tritt, ohne sich in Symbolik zu erschöpfen.80 Verfahren dienen nicht nur der Herstellung von Entscheidungen, sondern auch dazu, diese Herstellung selbst darzustellen.81 Insofern ist ein Verfahren immer auch als Performanz des Entscheidens zu verstehen. Wahrgenommen wird diese Performanz nicht nur von Zuschauern, sondern auch von den Beteiligten selbst, die das Verfahren in seiner Förmlichkeit unmittelbar erleben und sich dazu verhalten: affirmativ, kooperativ oder auch subversiv. Über Luhmann hinaus soll ein Verfahren aber nicht nur als Redeordnung und Rededuell erfasst werden, sondern auch hinsichtlich seiner praxeologischen und soziomateriellen Dimensionen: als ein räumlich situiertes und verkörpertes Geschehen, bei dem Dinge in buchstäblich jedem Fall relevant waren.82 Mehr soll an dieser Stelle aber zur Theorie des Verfahrens nicht gesagt werden. Denn wie sich Verfahrensrollen ausprägten und auswirkten, wie sich Verfahren, Medien und Öffentlichkeit zueinander verhielten oder wie Legitimation durch Verfahren erreicht oder verfehlt wurden – solche und andere Aspekte werden in dieser Arbeit als historische Variablen behandelt und deswegen hier nicht generalisierend eingeführt. Das erste Kapitel („Möglichkeiten und Idealisierungen“) stellt mit den „Möglichkeiten“ allgemeine Strukturen, Komponenten, Vorgehensweisen und Akteure des alten Verfahrensregimes vor. Ein wichtiges Anliegen dieses Kapitels ist es, den 79

80

81 82

Zur Unterscheidung von Verfahren als sozialen Funktionssystemen zur Herstellung von Entscheidungen und Interaktionssystemen (die bei Luhmann schon angelegt ist: Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 3) vgl. Scheffer, Ethnographie mit System. Verfahren und Rituale unterscheiden sich dadurch, dass Rituale als eine festgelegte Kette von Handlungen betrachtet werden können, die so und nicht anders aufgeführt werden müssen und auf ein definiertes Ziel zulaufen (z.b. Königskrönung). Verfahren sind dagegen durch „die Ungewißheit des Ausgangs und seiner Folgen und die Offenheit von Verhaltensalternativen“ gekennzeichnet, dennoch sind Verfahren erheblich durch „ritualistische Elemente“ geprägt, Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 39f. Jedes Verfahren, auch wenn es sich betont ‚nüchtern‘ geben will, besitzt sein eigenes Zeremoniell. Es ist also ein Missverständnis, Verfahren und rituelle Inszenierung einander gegenüberzustellen. Vielmehr kommt es auf das Mischungsverhältnis von technisch-instrumentellen und symbolisch-expressiven Dimensionen an. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 124. Vorarbeiten und theoretische Konzeptionen dazu wurden vor allem eingebracht von Scheffer, Materialities of legal proceedings; Scheffer, Der hergerichtete Fall; Scheffer, Materialanalyse praxeologischer Körpersoziologie, grundsätzliche Einsichten dazu stammen bereits von Latour, Die Rechtsfabrik.

20

Die Macht des Verfahrens

zeitlichen Horizont nicht zu weit zu dehnen. Kriminalitäts- und rechtshistorische Studien skizzieren gewöhnlich ein „early modern trial“ anhand von Beispielen aus allen drei Jahrhunderten  – und nivellieren durch dieses idealtypische Vorgehen Eigenheiten und subtile Entwicklungen. Hier soll dagegen eine Art verfahrensgeschichtliche Ausgangslage erarbeitet werden, anhand deren die nachfolgenden Veränderungen aufgezeigt werden können. Die zeitgenössischen Quellen, auf die ich mich dabei stütze, zeigen das Verfahren so, wie es gesehen werden sollte. Es handelt sich dabei also um „Idealisierungen“, an denen sich das Vorgehen der Strafjustiz in der Folgezeit messen lassen musste. Anlässe dazu ergaben sich bei dem Vorgehen gegen katholische Missionare, wovon im zweiten Kapitel die Rede sein wird. Vor dem Hintergrund einer massiven Furcht vor Komplotten gegen das Leben der Königin Elisabeth waren für die Obrigkeit Hochverratsprozesse das Mittel der Wahl, um die als Verschwörer gehandelten Jesuiten zur allgemeinen Abschreckung verurteilen und hinrichten zu lassen. Dabei zeigte sich aber, dass die Verfahren nicht in der Lage waren, die dafür notwendige Legitimation aus sich heraus zu erzeugen, weswegen in diesen Fällen ein Bedarf an zusätzlichen Rechtfertigungsstrategien entstand. Das Schafott erwies sich daher nicht nur als ein Ort maßloser Gewalt, an dem die Verurteilten (aus der Sicht ihrer Sympathisanten) zu Märtyrern wurden. Das Schafott avancierte auch zum Forum für weitere Verhandlungen, bei denen Rechtfertigungsversuche der Obrigkeit mit Unschuldsbehauptungen der Verurteilten konkurrierten. Die „Wahrheit des Verfahrens“ wurde durch die „Wahrheit des Schafotts“ herausgefordert. Das dritte Kapitel kommt auf das Thema der Idealisierungen zurück. Die Prozesse gegen Jesuiten und andere Missionare und der nicht mehr zu leugnende Einsatz der Folter waren für katholische Publizisten auf dem Kontinent Anlass genug, um die englische Strafjustiz in Text und Bild heftig anzugreifen. Das nötigte wiederum die englische Obrigkeit zu eigenen Darstellungen der execution of justice in England. Spielte diese Kontroverspolemik bislang in der Kulturgeschichte des Martyriums bzw. der Wechselwirkungen von konfessionellen und politischen Konflikte eine Rolle, so soll sie hier als eine Diskussion über die Prinzipien der Verfahrenspraxis gelesen werden. Wie ließ sich Folter rechtfertigen, wenn es doch zu den wichtigen Idealisierungen gehörte, dass das trial by jury darauf nicht angewiesen sei? Wie ließ sich öffentlich eine Verfahrenspraxis rechtfertigen, die auf einer Art Feindstrafrecht beruhte? Die von außen kommende Kritik führte zu einer Zurschaustellung von Verfahrensweisen – in der konkreten forensischen Praxis und in Druckschriften –, hinter die man prinzipiell nicht einfach zurückfallen konnte. In dieser Studie werden Hochverratsprozesse gegen Mitglieder des Oberhauses und andere Aristokraten ausgelassen. Denn es soll um die Entwicklung der Verfahrenspraxis im trial by jury gehen. Peer trials gestalteten sich zwar ähnlich, aber auch in vielfacher Hinsicht anders. Sie folgten in wichtigen Punkten eher parlamentarischen als gerichtlichen Verfahrensprinzipien.83 Zudem sind die wichtig83

Vgl. dazu Krischer, Honour and the force of law.

Einleitung

21

sten state trials der Bürgerkriegszeit, gegen den Earl of Strafford (1641) und Erzbischof William Laud (1645) bereits gut untersucht worden84, das gleiche gilt auch für den Prozess gegen König Karl I., obwohl es sich dabei nicht um ein peer trial handelte.85 Diesem Selektionskriterium entsprechend bleiben die Prozesse gegen die jakobitischen Lords infolge der Rebellionen von 1715 und 1746 ebenfalls ausgespart. Dennoch gibt es einen Prozess, an dem man zeigen kann, was auch für die anderen state trials der Bürgerkriegszeit gilt: Die politische Sprache, die dabei dominierte, drohte die gerichtlichen Prozeduren zu unterhöhlen. Es handelt sich um den Prozess gegen den Leveller John Lilburne vor dem revolutionären High Court of Justice der englischen Republik im Oktober 1649, der im vierten Kapitel behandelt wird. Während dieser Prozess in der Forschung vor allem inhaltsbezogen untersucht worden ist (welche Leveller-Positionen verteidigte Lilburne hier und was besagt das über seine Gesinnung?86), versuche ich Lilburne hier gerade nicht beim Wort zu nehmen. Ich fasse seine Äußerungen vielmehr als Sprechakte auf, mit denen es ihm gelang, den Prozess in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken – soweit, dass am Ende nicht mehr über die Anklage, sondern über das Gericht selbst geurteilt wurde. Lilburnes Agieren vor Gericht folgte einer durchdachten Choreographie aus verbalen und nonverbalen Akten und war durchaus nicht nur ein „Polithappening“, vergleichbar mit den Berliner Kommunardenprozessen der 1970er Jahre.87 Sein Fall war zugleich Höhe- und Endpunkt des rhetorischen Verfahrensregimes. Das fünfte Kapitel zeichnet die Brüche und Wandlungen nach, die sich während der Restauration bei den Hochverratsverfahren zeigten  – eine in der Forschung bisher nicht thematisierte Zäsur. Der damit verbundene Übergang zum Untersuchungsregime soll in diesem Kapitel auf zwei Ebenen herausgearbeitet werden: Zum einen wird am Beispiel der Prozesse gegen die sogenannten Königsmörder (regicides), also die ehemaligen Richter Karls I. (1660), und gegen eine republikanische Verschwörerbande (1663) gezeigt, welche Folgen die dominantere Präsenz von Zeugen im Verfahren hatte, und zwar sowohl hinsichtlich der forensischen Wissenskultur als auch der Organisationseffekte, die den Verfahren durch Zeugenverhöre entstanden. Zum anderen wird diskutiert, wie es zu diesem Wandel kam und wieso die gleichzeitige Aufwertung unsicheren Wissens bei Gelehrten der Royal Society kein Zufall war. In den 1660er Jahren existierten zwischen Recht und Naturphilosophie epistemologische Isomorphien, so dass es sich hier sozusagen um Prozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution handelte. Das sechste Kapitel beschäftigt sich zunächst anhand von Prozessen während der Krisenphase der Stuartherrschaft (1678–1685) mit der Frage, was passierte, 84 85

86 87

Vgl. zuletzt Orr, Treason and the state. Dazu gab es zuletzt die Debatte um die Frage, inwieweit die Hinrichtung des Königs von Beginn an eingeplant und der Prozess daher nicht offen war, vgl. Kelsey, Staging the trial of Charles I; Kelsey, The death of Charles I; Kelsey, The trial of Charles I; Kelsey, Politics and procedure in the trial of Charles I; dagegen Holmes, The trial; jüngst dazu auch Wrede, Königsmord, Tyrannentod. Auf die älteren Überblicksdarstellungen gehe ich später ein, jüngere Positionen zum liberalen Lilburne werden etwa vertreten von Patterson, Early modern liberalism, 113ff.; Foxley, John Lilburne. So Schröder, Die Revolutionen Englands, 98.

22

Die Macht des Verfahrens

wenn Verschwörungstheorien unter den gewandelten epistemologischen Regimebedingungen zum Gegenstand von Verfahren gemacht wurden. Prozesse während des sogenannten Popish Plot (1678–1681) gelten als unglaubliche Skandale, als Tiefpunkte der englischen Rechtsgeschichte. Hier soll nach den weniger offensichtlichen Gründen für das Scheitern dieser Prozesse gefragt werden. Die These ist, dass ein auf Faktenerzeugung angelegtes Verfahren Entscheidungen hervorbrachte, die durch den Prozessverlauf nicht vorbereitet worden waren: Es wurden Urteile hergestellt, deren Zustandekommen aber nicht intersubjektiv einsichtig dargestellt werden konnte. Insofern entstanden hier, ein Jahrhundert nach den elisabethanischen Jesuitenprozessen, erneute Anlässe dafür, das Schafott als Forum konkurrierender Wahrheiten auszugestalten. Am Beispiel von Prozessen gegen Whig-Akteure, denen man ein Mordkomplott gegen König Karl II. zur Last legte (Rye House-Plot, 1683–1685), soll wiederum gezeigt werden, wieso es erst den Angeklagten aus diesem politischen Lager gelingen sollte, die Prozesspraxis zu skandalisieren und ein Krisenszenario zu erzeugen, das eine grundlegende Reform der Verfahrenspraxis (bei Hochverrat) als unausweichlich erscheinen ließ. Diese Reform diskutiere ich in Kapitel VII und stelle dabei zunächst die wichtigsten Regelungen vor. Vor allem die Zulassung von Strafverteidigern erwies sich als gravierende Veränderung. Mir geht es hier darum, dem in der Forschung vorherrschenden Fortschrittsoptimismus mit einer Perspektive zu begegnen, die in Rechnung stellt, dass von der Reform nicht nur die Angeklagten profitierten (was unstrittig ist), sondern auch die Macht des Verfahrens. Welche Folgen also hatte das Auftreten dieser juristischen Akteure für die forensische Interaktions- und Kommunikationsstruktur des Verfahrens? Untersucht werden soll dies anhand von zwei Prozessen, einmal unmittelbar nach Inkrafttreten der Reform von 1696, ein anderes Mal mehr als 20 Jahre später. In beiden Fällen handelte es sich um Prozesse gegen jakobitische Verschwörer (Ambrose Rookwood 1696 und Christopher Layer 1722). Die Forschung war von beiden Prozessen eher enttäuscht, weil man sich von ihnen Aufschlüsse über die Hintergründe der jeweiligen Mord- und Aufstandskomplotte erhofft hatte. Allerdings ging es tatsächlich in erster Linie um Formfragen und juristisches Klein-Klein. Genau das ist allerdings für eine verfahrenshistorische Untersuchung relevant: Was ändert sich im kommunikativen Gefüge eines Prozesses, wenn es nun vorwiegend um solche Formfragen ging und nicht mehr um politische Postulate oder Unschuldsbehauptungen? Darüber hinaus wird auch gezeigt werden, was Strafverteidigung um 1700 eigentlich ausmachte. Gerade an diesen beiden Fällen lässt sich zeigen, dass sich dieses Institut jedenfalls nicht unmittelbar zugunsten des Angeklagten auswirkte. Schließlich wird anhand des Falls von Christopher Layer auch der Wandel bei der medialen Begleitung der Hochverratsprozesse diskutiert. Waren von der elisabethanischen Zeit bis ins späte 17. Jahrhundert anlassbezogene Pamphlete das Mittel der Wahl, wenn es darum ging, Prozesse und Urteile zu rechtfertigen, so dominierten 1722 periodische Zeitungen bei der Berichterstattung. Gezeigt werden soll, wieso Verfahrensmacht von diesen Medien eher profitierte und die Meistererzählung von der machtkritischen Funktion der Zeitungen zumindest zu modifizieren wäre.

Einleitung

23

Da nach dem Fall Layer bis 1780 (bis auf wenige, hier nicht berücksichtigte Ausnahmen88) keine Hochverratsprozesse geführt wurden, wird in diesem Kapitel schließlich noch skizziert, wie sich die Prozesspraxis in gewöhnlichen Kriminalfällen des 18. Jahrhunderts darstellte. Damit geht folgende These einher: Trotz prozeduraler Innovationen im Bereich der ‚gewöhnlichen‘ Strafjustiz lassen sich bestimmte Entwicklungen und Praktiken nur anhand der von der Rechts- und Kriminalitätsgeschichte für weitgehend uninteressant erachteten Hochverratsprozesse beobachten. Es liegt also nahe, auch für den weiteren Gang dieser Studie den Fokus auf sie zu richten, wenn auch nicht zu beschränken. Der Hochverratsprozess gegen George Lord Gordon 1780 ist Ausgangspunkt der Untersuchung über das dritte Verfahrensregime (Kap. VIII). Wenn hier mit dem Jahr 1800 die frühneuzeitliche Epochenschwelle übersprungen wird, dann unter anderem deswegen, weil es unbefriedigend wäre, über die weitere verfahrensgeschichtliche Entwicklung anhand eines Prozesses aus dem frühen 18. Jahrhundert zu spekulieren. Darüber hinaus gibt es aber keinen zwingenden Grund, das frühe 19. Jahrhundert aus der Untersuchung auszuklammern. Nicht nur fehlte England bzw. Großbritannien insgesamt der epochenmachende Einschnitt durch die Französische Revolution und Napoleonische Zeit wie dem kontinentalen West- und Mitteleuropa. Auch für die Geschichte der Hochverratsprozesse wäre ein Bruch nicht um 1800, sondern frühestens um 1848 anzusetzen, als mit dem Treason Felony Act das Delikt auf eine veränderte gesetzliche Grundlage gestellt und es den kontinentalen Formen des Majestätsverbrechens angenähert wurde.89 Zunächst werden in diesem Kapitel die Umrisse der politischen Verbrechen um 1800 vorgestellt. Neben Hochverrat kommen dabei auch andere politische Delikte in Betracht. Dies sprengt aber schon deswegen nicht den Rahmen, weil die Anklagen wegen aufrührerischer Verschwörungen (seditious conspiracies) letztlich Hochverratsprozesse zweiter Klasse darstellten: Bestimmte Personen (Reformer, Radikale, Jakobiner) sollten unbedingt mit State Trials überzogen werden, aber ohne dass sich die Anklage des Risikos aussetzte, einen Freispruch zu kassieren, die bei Hochverrat um 1800 eher die Regel als die Ausnahme darstellten. Solche Anklagen waren häufig die Abschwächung ursprünglicher Hochverratsanklagen. Dann wird es um das Kennzeichen des dritten Verfahrensregimes gehen: die Normalisierung der Förmlichkeiten. Form und Gestalt des Verfahrens wurden um 1800 als unhinterfragbare Gegebenheiten betrachtet. Was historische Entwicklung war, erschien nun als gegebene und unverfügbare Institution – ein Anschein, von dem viele historische Studien ebenfalls ausgegangen sind. Die weiteren Abschnitte des Kapitels werden versuchen, diese Normalisierung und ihre latenten Machteffekte exemplarisch zu dekonstruieren. Normalität soll als das Resultat von 88

89

Die Prozesse gegen die nicht-adligen Rebellen des Jakobitenaufstands von 1745/46 wurden mit einer Art Standgerichtsbarkeit geführt und gehören zu einer Geschichte staatlicher Rachepraktiken. Der Prozess gegen den Jakobiten Florence Hensey 1758 ist einerseits quellenmäßig schlecht dokumentiert und bringt andererseits keine Einsichten über das hinaus, was im Fall von Christoper Layer herausgearbeitet wurde. Saville, 1848, 127f.

24

Die Macht des Verfahrens

Praktiken, Symbolisierungen und Materialisierungen nachgezeichnet werden. Gezeigt werden soll, inwiefern die Macht des Verfahrens auch darauf beruhte, dass es räumlich gerahmt wurde und zudem andere Materialitäten zur Verfügung stellte (Tische, Akten, Schreibutensilien). Das neunte Kapitel führt die Diskussion aus Kapitel VII über die Effekte anwaltlicher Präsenz im Verfahren fort und zeigt zugleich, wie wichtig dazu der Blick auf die weitere Entwicklung nach 1800 ist. Strafverteidigung war am Ende des 18. Jahrhunderts zu einer Art Kunst geworden, die den Anwalt als Verfahrensakteur in besonderer Weise hervorhob, während der Angeklagte in der Rolle des Mandanten dezentralisiert wurde und passiv blieb. Die Organisation der Macht profitierte davon, dass der Angeklagte als Instanz der Widerspenstigkeit zurückgedrängt wurde, noch mehr aber davon, dass er im Medium der anwaltlichen Stellvertretung von seinem eigenen Anliegen entfremdet wurde. Ob diese Tendenz durch das persönliche Engagement von Angeklagten in seditious conspiracy-Prozessen wieder gebrochen wurde – so die These von Epstein und Davis –, wird zu diskutieren sein. Kapitel X befasst sich anhand von Freisprüchen, Verurteilungen und Revisionen schließlich mit dem Problem der Akzeptanzbeschaffung der Gerichtsverfahren um 1800. Am Beispiel von Freisprüchen wird zum einen gezeigt, wie auch die Vertreter der Obrigkeit, die Verfahrensveranstalter, genötigt wurden, Gerichtsentscheidungen zu akzeptieren. Denn die Macht der Verfahren zeigt sich nicht nur in Verurteilungen, sondern ganz allgemein in der Herstellung verbindlicher Entscheidungen. Zum anderen konnten Freisprüche die Institution trial by jury stärken und insofern zur Legitimation der Verfahren beitragen. Am Beispiel der Hinrichtung von Hochverrätern 1798, 1803 und 1820 soll dann gezeigt werden, wieso selbst Justizskandale und Dissens auf dem Schafott den Gerichtsbetrieb nicht erschüttern konnten und ein Krisenszenario wie am Ende des 17. Jahrhunderts nun keine Chance mehr hatte, sich auszubreiten. Den Abschluss der Arbeit bildet die Untersuchung von Revisionsverfahren, also von Prozessen, bei denen über andere Prozesse zu Gericht gesessen wurde. Was im Bereich des Zivilrechts schon länger üblich war (sich quellenmäßig aber schlecht beobachten lässt), wurde im frühen 19. Jahrhundert bei Hochverrat und seditious conspiracies auch im Strafrecht greifbar. Anhand dreier Fälle wird zunächst gezeigt, wie diese Verfahren abliefen. Anschließend wird erörtert, inwiefern sich die gerichtsförmige Entscheidung über eine andere Gerichtsentscheidung als operative Schließung beschreiben lässt – und damit ein Beispiel dafür ist, dass modernes Recht nur rechtsförmig verändert werden kann. Mit dem Aufkommen von Revisionsverfahren wurden Gerichtsverfahren nicht von Einflüssen aus der sozialen Umwelt abgeschottet. Aber diese Einflüsse musste die Gestalt rechtlicher Kommunikation annehmen, um wirksam werden zu können.

Einleitung

25

4. FORSCHUNGSLAGE Über die „Bibliography of British and Irish History“ lassen sich zum Schlagwort „treason“ zwischen Mittelalter und Gegenwart über 500 Einträge finden. Von einer Forschungslage kann trotzdem keine Rede sein. An dieser Stelle soll daher weder ein Literaturbericht zur höchst disparaten Hochverratsforschung vorgelegt werden noch eine Auseinandersetzung mit den Grundproblemen und Tendenzen der Forschung für die historischen Kontexte der untersuchten Verfahren stattfinden. Bei dem weitgesteckten Untersuchungsfeld würde dies die Dimensionen eines Forschungsberichts zum frühneuzeitlichen England annehmen. Es gibt zwar eine Reihe von Forschungen zu bestimmten, als Hochverrätern angeklagten oder verurteilten Personen und zu den entsprechenden Prozessen. Übergreifende Paradigmen und Diskussionsthemen lassen sich jedoch nur für sehr wenige Bereiche identifizieren. Gut untersucht wurden Hochverratstopoi im antikatholischen Diskurs.90 Die Konturen des ideengeschichtlichen Wandels von high treason in der Bürgerkriegszeit sind sehr genau gezeichnet worden.91 Auch die Instrumentalisierungen des Hochverratdelikts zur Zeit der Französischen Revolution wurde eingehend untersucht.92 Im Übrigen sind die vorliegenden Arbeiten aber häufig an der Sensation einzelner Fälle oder Fallkomplexe orientiert.93 Dabei wurden nicht selten Geschichten freiheitsliebender Helden vor den Schranken einer willkürlichen Justiz erzählt, was nicht nur den jeweiligen Fallkonstellationen nur bedingt gerecht wird, sondern auch die Figurationen ungleicher Macht als gegeben voraussetzt, anstatt sie zu dekonstruieren.94 Zu nennen sind auch Forschungen zum Wechselverhältnis von Hochverratsfällen und Literatur.95 Eine mangelnde Sensibilität für die Historizität der forensischen Interaktionsordnung zeigt sich wiederum an den Editionen besonders spektakulärer Prozesse, die auf der Grundlage der ohnehin schon modernisierten State Trials des 18. und 19. Jahrhunderts weitere sprachliche Glättungen vornehmen.96 Im Unterschied zu den vorliegenden Arbeiten zum Thema high treason ist an dieser Studie neu, dass Hochverratsprozesse mikrogeschichtlich bis auf einzelne Kommunikationsakte und Interaktionen herunterverfolgt werden, um so den Aufbau, die Reproduktion und das Scheitern, die Stabilisierung und Destabilisierung von Macht- und Entscheidbarkeitsstrukturen zu beobachten. Prozedurale 90

91 92

93 94 95 96

Cross, Orthodoxy, heresy and treason in Elizabeth England; Stegner, Treasonous reconciliations; Questier, Catholic loyalism in early Stuart England; Dailey, Making Edmund Campion; Jenkins, Between the Sacraments and Treason; Marotti, Religious ideology. Russell, The theory of treason; Orr, Treason and the state; Orr, The juristic foundation of regicide; Nenner, The trial of the regicides. Im Überblick dazu Whatmore, Treason and despotism; ferner Barrell, Imagining the king‘s death; Lobban, Treason, sedition and the radical movement; Pauley, ‚Far from a consummate lawyer‘; Maniquis, British radical culture of the 1790s. Morgan / Rushton, Arson, Treason and Plot; Nicholls, Two Winchester trials. Sil, „My bitter comedie“; Whitaker, The regicide‘s widow. Leitch, Romancing treason; Lemon, Treason by words; Cunningham, Imaginary betrayals. Patterson, The trial of Nicholas Throckmorton; Turvey, The treason and trial of Sir John Perrot; Kesselring, The trial of Charles I.

26

Die Macht des Verfahrens

Feinheiten und formalistische Pedanterien genau auszuleuchten, wurde in den vorliegenden Arbeiten bisher nicht zur Aufgabe gemacht. Ebenso gibt es keine Arbeiten, die Hochverratsprozesse vergleichend in den Blick nehmen, und auch Untersuchungen für einen längeren Zeitraum, der hier vom konfessionellen Zeitalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts reicht, liegen nicht vor. John Bellamys Arbeit zum „Tudor Law of Treason“ weitet den Blick zwar auf die Hochverratsprozesse des gesamten 16. Jahrhunderts.97 Diese werden dann allerdings in einer idealtypisierenden und generalisierenden Weise behandelt, die hier gerade vermieden werden soll. Hochverräter spielen in unterschiedlichen Forschungskontexten eine Rolle. Bei ihren grundlegenden kulturgeschichtlichen Arbeiten zu konfessionellen Konflikten und Uneindeutigkeiten in elisabethanischer Zeit haben etwa Peter Lake und Michael Questier das Schafott als Ort der „Agency“ und „Appropriation“ von katholischen Missionaren herausgearbeitet, die wegen Hochverrats hingerichtet wurden.98 Gegen die von Michel Foucault stammende Lesart der Hinrichtung als einer einseitigen staatlichen Machtdemonstration99 – eine Lesart, die im englischen Kontext durch den Kriminalitätshistoriker James A. Sharpe kanonisiert wurde100 – verweisen Lake und Questier auf die unterschiedlichen Handlungs- und Selbstdarstellungsmöglichkeiten der Todeskandidaten. Das Schafott erwies sich tatsächlich als Ort mit einer „spiritual significance“, wo die Verurteilten die gegen sie gerichteten Vorwürfe wortgewaltig und mit eindrucksvollen Gesten zurückwiesen – und damit die Absicht der protestantischen Obrigkeit, Missionare als Hochverräter zu stigmatisieren, massiv untergruben.101 Als ein „forum of truth“ hat auch die Kriminalitätshistorikerin Andrea McKenzie Hinrichtungsstätten analysiert und dabei, unter anderem am Beispiel von verurteilten Hochverrätern im späten 17. Jahrhundert, ganz ähnliche Gegenperformanzen festgestellt.102 Hinrichtungen sind in dieser Studie zwar ebenfalls ein wichtiges Thema. Sie werden allerdings anders fokussiert als in den vorliegenden Studien. Es geht hier nicht darum, auf dem Schafott ausgetragene konfessionelle Deutungskonflikte bzw. gescheiterte protestantische Hegemonieansprüche zu rekonstruieren. Das Erkenntnisziel besteht auch nicht darin, Akte des Aufbegehrens unter dem Galgen als „weapons of the weak“ zu lesen.103 Relevant werden Hinrichtungen in dieser Untersuchung vielmehr als Fortsetzungen des Strafverfahrens unter anderen räumlichen, medialen und personalen Bedingungen. Dieser Konnex bzw. die Tribunalisierung des Schafotts hat die vielfältigen Forschungen zur Todesstrafe bislang nicht interessiert.104 97 98 99 100 101 102 103 104

Bellamy, The Tudor law of treason. Lake /  Questier, Agency, appropriation and rhetoric under the gallows; eine erweiterte Fassung dieses Beitrags findet sich in Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 229–280. Foucault, Überwachen und Strafen, 44–90. Sharpe, „Last dying speeches“. Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 243–247. McKenzie, God‘s tribunal; McKenzie, Tyburn‘s martyrs, 225–249. McKenzie, „God‘s Hat“ and the Highwayman‘s Shoes, 237. Zum Stand der Forschung vgl. Yetter, Public execution in England, 1573–1868, vii-xxxiv; Clark, Capital punishment in Britain; Rowbotham, Execution as Punishment in England: 1750–2000;

Einleitung

27

Auch für die neueren, kulturgeschichtlichen Forschungen zur englischen Rechtsund Kriminalitätsgeschichte standen Gerichtsverfahren als solche nicht im Zentrum des Interesses, und wenn doch, dann vor allem hinsichtlich des Verhältnisses von Strafjustiz und Öffentlichkeit.105 Das Interesse galt im Kontext dieser Forschungen vor allem der Ausbildung des Juristenstands und seiner Lebens- und Arbeitswelten.106 Im Zusammenhang mit diesen professionsgeschichtlichen Forschungen wurde auch über die Bedeutung von Strafverteidigern im Gerichtsverfahren diskutiert, und zwar infolge des aufsehenerregenden Erscheinens von John Langbeins Buch „The origins of the adversarial criminal trial“ (2003). Dabei wurde vor allem über das Ausmaß debattiert, in dem Strafverteidiger in den gewöhnlichen Gerichtsverfahren, vor allem in Old Bailey, tatsächlich aktiv geworden waren.107 An Langbeins grundsätzlicher Position, dass dies in jeder Hinsicht ein Fortschritt war, wurde nicht gerüttelt.108 Neuere Arbeiten beschäftigen sich auch mit dem Verhältnis von Gender und Prozess sowie der Rolle von ethnischen Minderheiten vor Gericht.109 Eine Untersuchung, die Kommunikation vor Gericht mit übergeordneten Fragen zur Ausdifferenzierung von Gerichtsverfahren verbindet, gibt es in der englischsprachigen historischen Forschung bisher also nicht. Anders sieht es allerdings in Bezug auf die deutschsprachige Forschung bzw. bei Forschungen zur deutschen Gerichtspraxis aus.110 So hat Willibald Steinmetz in seiner im Jahr 2000 erschienenen sozial- und kulturhistorischen Studie zum englischen Arbeitsrecht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausführlich die „Gerichtsverhandlung als Kommunikationsereignis“ behandelt.111 In Abkehr von einer simplen Erklärung mit dem Schlagwort „Klassenjustiz“ wird hier herausgearbeitet, wie das kommunikative Gefüge der Zivilprozesse insbesondere Kläger und Beklagte aus der Arbeiterschicht benachteiligte, so dass diese langfristig den Rechtsweg zu vermeiden versuchten. Auch Steinmetz kann das Verfahren (der äußere Ablauf von Zivil- und Strafprozessen ähnelte sich stark) als Raum der Benachteiligung und der Reproduktion sozialer Ungleichheitsverhältnisse schon voraussetzen, während

105

106 107 108 109 110 111

Royer, The English Execution Narrative, 1200–1700; Sharpe, Crime in Early Modern England 1550–1750, 59–101. Vgl. z.B. Lemmings, Crime, courtrooms and the public sphere in Britain, 1700–1850; Lemmings / Walker, Moral panics, the media and the law in early modern England; Devereaux, The fall of the sessions paper; Walker, Rape, acquittal and culpability in popular crime reports in England, c.1670–c.1750; Devereaux, From sessions to newspaper; Tung, Dead Man Talking; Barclay, Emotions, the Law and the Press in Britain; Foyster, Introduction: Newspaper reporting of crime and justice; King, Newspaper reporting. Lemmings, Gentlemen and barristers; Lemmings, Professors of the law; Lemmings, Ritual, majesty and mystery; May, The bar and the Old Bailey. Das geht auch einher mit Fragen nach der Rolle von Laien im Verfahren, vgl. etwa Musson, Lay participation; Berger, The criminal jury in England and France in the Late 18th century. Lemmings, Criminal trial procedure; May, Advocates and truth-seeking; Hostettler, Fighting for justice; Shoemaker, The Old Bailey Proceedings. Z.B. Shore, ‘The Reckoning’; King, Ethnicity, prejudice, and justice; King / Wood, Black people and the criminal justice system. Allgemeine Hinweise dazu auch bei Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, 194ff. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 467–533.

28

Die Macht des Verfahrens

meine Arbeit die Genese dieses Machtraums untersucht. Ich höre zeitlich dort auf, wo Steinmetz mit seiner Untersuchung eingesetzt hat, um 1850. Die Forschungen von Franz-Josef Arlinghaus fokussieren dagegen die forensische Kommunikation in der spätmittelalterlichen Stadt Köln.112 Arlinghaus kann dabei unter Rückgriff auf die systemtheoretische Konzeption zeigen, wie vor dem Hohen Weltlichen Gericht des 14. Jahrhunderts durch Rituale, Gesten und Sprechakte der forensische Diskursraum erst performativ erzeugt und gegen die soziale Umwelt und andere Diskursformationen abgegrenzt wurde. Im Ablauf des Prozesses wurde diese diskursive Abgrenzung dann durch Sprachformeln und Redundanzen aufrechterhalten. Der von der älteren Forschung als skurril erachtete Formalismus kann Arlinghaus als eine Art von funktionaler Differenzierung des Gerichtsverfahrens in actu aufzeigen.113 Das Verhältnis von symbolischen und instrumentellen Variablen, das hier zum Thema wird, ist für meine Arbeit ebenfalls zentral. Auch ich frage nach den prozeduralen und differenzierenden Funktionen von Ritualen und danach, inwiefern diese Leistungen im Laufe der Frühen Neuzeit von anderen Faktoren übernommen wurden. Das Verhältnis von Gerichtsverfahren und Medien (Presseberichte) im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde u.a. von Benjamin Carter Hett, Philipp Müller und Daniel Siemens untersucht.114 Kerstin Brückweh hat methodische Überlegungen zur Untersuchung von modernen Gerichtsverfahren vorgelegt.115 Demnach müssen Gerichtsprozesse konsequent einer „Beobachtung zweiter Ordnung“ unterworfen werden, was impliziert, „von normativen Annahmen und Bewertungen (z.B. »es war ein fairer Prozess« oder »das Urteil wurde dem Ausmaß der Taten nicht gerecht«)“, Abstand zu nehmen.116 Auch die unterschiedlichen Öffentlichkeitsdimensionen eines Verfahrens werden hier reflektiert. Vor einer Überschätzung der deutschen Geschworenengerichte als „Orte der Wahrheit“ hat wiederum Rebekka Habermas gewarnt.117 Ihre praxeologisch ausgerichtete Arbeit („Doing Recht“) rekonstruiert anhand von kurhessischen Diebstahlsprozessen um 1850 „die langsame Verfertigung des modernen Rechtsstaats aus den hunderten und tausenden von Rechtshandlungen“.118 Diebstahl wird hier als ein durch neuartige kriminologische und juristische Techniken hervorgebrachtes Konstrukt rekonstruiert, das eine „Vereindeutigung in der Beziehung zwischen Dingen und Menschen“ zur Folge hatte und insofern einen Beitrag zur Fixierung der modernen Eigentumsordnung leistete.119 Genau wie in meiner Studie geht es 112 113

114 115 116 117 118 119

Arlinghaus, Inklusion/Exklusion. Vgl. dazu auch Arlinghaus, Mittelalterliche Rituale in systemtheoretischer Perspektive, 135–146; Arlinghaus, Gesten, Kleidung und die Etablierung von Diskursräumen im städtischen Gerichtswesen (1350 bis 1650); Arlinghaus, Sprachformeln und Fachsprache, 58–67. Hett, Death in the Tiergarten; Müller, Auf der Suche nach dem Täter; Siemens, Metropole und Verbrechen. Brückweh, Dekonstruktion von Prozessakten. Ebd., 197f. Habermas, Diebe vor Gericht, 181ff. Ebd., 18. Ebd., 196.

Einleitung

29

Habermas dabei um „die Macht der Prozessordnung“ und die „performativen Dimensionen“ der Rechtsprechung.120 Die fortschrittsorientierte Meistererzählung der Rechtsgeschichte wird für diesen Kontext ebenso in Frage gestellt, insofern Habermas „die Einführung der öffentlichen, mündlichen Gerichtsverhandlung […] nicht einfach als ein linearer Zuwachs an Rechtsgleichheit, -sicherheit und -gerechtigkeit“ beschreiben will.121 Allerdings zeigen sich an den deutschen Diebstahlsprozessen auch klare Unterschiede zu den englischen Hochverratsprozessen: So wurden die Hauptverhandlungen in Kurhessen erheblich durch die Ergebnisse der Voruntersuchungen vorstrukturiert. Die öffentlichen Prozesse wurden dadurch keineswegs unbedeutend, insofern sie sich zum einen als unverzichtbare Legitimationsphasen erwiesen, getragen von eigenen Rahmungen und Symbolwelten.122 Zum anderen entwickelten sich hier durch Zeugenverhöre, Urteilsverkündigungen und andere „Irritationen“ spezifische Dynamiken und Dramen.123 Unterschiede zum englischen Fall zeigten sich nicht nur in Bezug auf die Hauptverhandlung, die sich im trial by jury doch viel mehr als distinkter und vor allem umkämpfter Ort der Wahrheitsfindung darstellte, sondern auch bei der Rolle der Strafverteidiger, die sich in den kurhessischen Untergerichten kaum derart prominent in Szene setzen konnten wie das bei den state trials nach 1700 der Fall war.124 Zudem reproduzierte und inszenierte fast jeder Diebstahlsprozess die sozialen Ungleichheiten der frühen bürgerlichen Gesellschaft.125 Die Macht der Verfahren wurde somit in Kurhessen nicht annährend so auf die Probe gestellt wie dies bei den englischen Hochverratsprozessen der Fall war. Letzte erweisen sich somit gerade auch im Vergleich mit anderen Delikten und Delinquenten als geeignete Sonde für den historischen Blick auf die Ausdifferenzierung der „force du droit“ (Bourdieu). Denn (angebliche) Hochverräter sorgten dafür, dass die Justiz ihr gesamtes Arsenal an Prozeduren und Förmlichkeiten mobilisierte und auch zur Schau stellte. Ob das bei den deutschen Prozessen wegen Hochverraths im 19. Jahrhundert auch so war, müsste allerdings noch genauer untersucht werden.126 Eine Studie über Prozesse während der Weimarer Republik als Orte für politische und revolutionäre Botschaften hat wiederum Henning Grunwald vorgelegt.127 Dabei standen die Verteidiger im Zentrum des Geschehens, die weniger an einem Freispruch als vielmehr an ihrer propagandistischen Agenda interessiert waren. Die Bedeutung von Performanz als Analysekategorie für Gerichts- und Verfahrensgeschichte wird nicht nur von Grunwald betont, sondern auch von Daniel Siemens.128 120 121 122 123 124 125 126 127 128

Ebd., 21. Ebd., 209. Ebd., 181–208. Ebd., 209–239. Ebd., 199–208. Ebd., 234ff. Erste Eindrücke dazu vermittelt Tondorf, Strafverteidigung in der Frühphase des reformierten Strafprozesses. Grunwald, Courtroom to revolutionary stage. Grunwald, Justice as ›performance‹?; Siemens, Towards a New Cultural History of Law; Siemens, „Vor den Schranken von Moabit“. Zur Kulturgeschichte der Weimarer Strafjustiz.

30

Die Macht des Verfahrens

Dass „machtvolle Verhandlungen“ schließlich auch von einfachen Leuten geführt werden konnten, hat Alexandra Ortmann am Beispiel bayerischer Landgerichte während des späten 19. Jahrhunderts gezeigt.129 In den Studien zur forensischen Praxis des 19. und 20. Jahrhunderts treten die Verfahren (nicht zufällig) als fixierte Routinen in Erscheinung, die allerdings von den unterschiedlichen Akteuren zum Teil erheblich moduliert werden konnten. Im Unterschied zu solchen akteurszentrierten Forschungen zum ‚Recht in Aktion‘ geht es mir im Folgenden sozusagen um die ‚agency‘ der Verfahren selbst. 5. QUELLEN Während die Inquisitionsprozesse auf dem Kontinent nicht öffentlich verliefen, dafür aber akribisch, nicht selten wortwörtlich von den obrigkeitlichen Akteuren protokolliert wurden130, war es bei den englischen Prozessen genau umgekehrt: Die öffentlichen Verhandlungen wurden von den offiziellen Gerichtsschreibern nicht (wortwörtlich) protokolliert. Ihre Schreibarbeit beschränkte sich darauf, bestimmte Prozesspassagen zu registrieren, also etwa einzutragen, ob sich der Angeklagte für nicht schuldig bekannt hatte oder wie das Verdikt der Geschworenen lautete. Entsprechend bieten die archivalischen Überlieferungen zu den Prozessen in The National Archives (London) scheinbar wenig Material – bei einer gleichzeitig immensen Überlieferungsdichte. Die Akten zu den Hochverratsprozessen vor der King’s Bench wurden bis ins 19. Jahrhundert in sogenannten bagae de secretis im Tower aufbewahrt, also in „geheimen“ Ledersäcken, vollgestopft mit Schriftstücken, die kaum dazu gedacht waren, häufiger wiederverwendet zu werden.131 Wenn sich die Juristen im 17. oder 18. Jahrhundert über den Verlauf von Gerichtsprozessen informieren wollten, dann griffen sie auf jene Quellen zurück, die auch für diese Arbeit zentral sind, nämlich auf gedruckte Verlaufsprotokolle. Diese wurden allerdings nicht von obrigkeitlicher Seite angefertigt und publiziert, sondern von privaten Akteuren, die damit ganz unterschiedliche und nicht zuletzt kommerzielle Interessen verfolgten. Auf dem ab der Mitte des 17. Jahrhunderts florierenden Markt für Druckerzeugnisse in London und England hatten gedruckte trials (nicht bei Hochverrat) ihren festen Platz.132 Allerdings waren Hochverratsprozesse die ersten, die mittels einer neu entwickelten Kurzschrifttechnik zumindest dem Anschein nach wortwörtlich protokolliert werden konnten. Die ursprünglich zum Mitschreiben von Predigten verfeinerte Kurzschrifttechnik133 wurde zuerst bei den 129 130

131 132 133

Ortmann, Machtvolle Verhandlungen. Vgl. dazu vor allem die Forschungen von Michael Niehaus, etwa Niehaus, Wort für Wort?; Niehaus, Epochen des Protokolls; zuletzt am Beispiel von Hexenprozessen Gerst, Hexenverfolgung als juristischer Prozess. Dazu unten S. 72f.; allg. Vernon Harcourt, The Baga de Secretis. Zur Rolle der forensischen Publizistik auf dem entstehenden Druckmarkt vgl. Harris, Trials and criminal biographies; McKenzie, Useful and entertaining; Snell, Trials in print. Dazu zuletzt Ferrell, Method as knowledge.

Einleitung

31

großen state trials der Bürgerkriegszeit als Aufzeichnungsmedium eingesetzt.134 Seit der Restauration (1660) gab es kein Hochverratsverfahren, das nicht schon wenige Tage nach Urteil und Hinrichtung von unterschiedlichen Publizisten zum Kauf angeboten wurde. Wie bei Pamphleten konnte auch bei der Prozesspublizistik das Titelblatt, etwa im Fall der prorepublikanischen Verschwörerbande um Thomas Tonge 1663, zwar eine bestimmte Botschaft transportieren und das ganze Unternehmen als eine stupendious tragedie late intended to be acted by the satanical saints of these reforming times stigmatisieren.135 Die Wiedergabe der Prozesskommunikation blieb davon allerdings unberührt (Abbildung 1).

Abb. 1: Titelblatt und Auszug aus dem gedruckten Prozess gegen die Tonge-Verschwörer, 1663, aus: Anon., A brief narrative of that stupendious tragedie late intended to be acted by the satanical saints of these reforming times […] London 1663. 134 135

Kilburn / Milton, The public context of the trial and execution of Strafford. Dieses Pamphlet wurde von einem der Kronzeugen bei diesem Prozess, William Hill, in Umlauf gebracht, vgl. Greaves, Deliver us from evil, 113. Die Grenzen zwischen Pamphleten und den Drucken der trials waren gerade im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts fließend: Pamphlete beinhalteten nicht selten ausführliche Prozesspassagen, die Gerichtspublizistik wiederum vermittelte vielfach auch politische Botschaften und enthielt kommentierende Passagen; vgl. zur Entwicklung des Pamphlets und seiner politischen Mobilisierung zwischen Restauration und Glorious Revolution Raymond, Pamphlets and pamphleteering, 323–381.

32

Die Macht des Verfahrens

Absichtliche Eingriffe in den Text, also in die Wiedergabe der forensischen Dialoge, verboten sich aus mindestens drei Gründen: Erstens hatten viele Käufer der Texte den Prozessen beigewohnt, so dass Überarbeitungen auffielen. Zudem konnte es sich bei den Käufern auch um Sympathisanten der Angeklagten handeln, die Mittel und Wege kannten, auf eine Entstellung des Textes hinzuweisen – nicht zuletzt durch eigene Veröffentlichungen. Wenn die Person des Angeklagten publizistisch diffamiert werden sollte – was nicht selten vorkam – dann wurden weitere Pamphlete in Umlauf gebracht, aber nicht die Dokumentation des Prozesses verfälscht. Zweitens war es in der Regel nicht nur ein Publizist, der seine Mitschriften auf den Markt brachte. Gerade Hochverratsprozesse boten verschiedenen Schreibern und Druckern Absatzchancen. Schon der Konkurrenzdruck sorgte für gewisse Standards bei der wortgetreuen Wiedergabe. Die königlichen Zensoren beteiligten sich in den 1680er Jahren auch daran – kontrollieren oder gar verhindern konnten sie die Drucke jedoch nicht. Allerdings wurde es seit dem späten 17. Jahrhundert üblich (wenn auch nicht zwingend), die Imprimatur desjenigen Richters einzuholen, der bei dem Prozess den Vorsitz geführt hatte. Auch das sorgte für eine gewisse Qualitätskontrolle. Drittens ließen im 18. Jahrhundert die Editoren eines trials dieses vor Veröffentlichung sowohl den Kronanwälten als auch den Anwälten des Angeklagten zukommen, um sie davon zu überzeugen, that Nothing was inserted but what truly pass’d.136 Kurzum: Auch wenn sich die in Dialogform gedruckten Prozesse nicht mit modernen stenographischen Berichten eigens damit beauftragter Gerichtsprotokollanten vergleichen lassen und nicht den Reichtum an paraverbalen Äußerungen aufweisen, den die Prozesstranskriptionen moderner Rechtssoziologen oder Konversationstheoretiker besitzen, so ermöglichen sie – jedenfalls ab der Mitte des 17. Jahrhunderts – doch eine gewisse Annäherung an die verbalen Dimensionen des forensischen Geschehens.137 Zumindest lassen sich auf dieser Grundlage jene Prozesse analysieren, die die Zeitgenossen selbst gelesen hatten.138 136

137

138

Anon., A supplement to the London Journal. Diese Praxis ist natürlich auch ein Hinweis darauf, dass auch die Zeitgenossen gegenüber der Authentizität der trials, zumal bei Hochverrat, skeptisch waren und von deren Zuverlässigkeit überzeugt werden wollten. Die relative Zuverlässigkeit der trials des späten 17. Jahrhunderts betont auch Langbein, The criminal trial before the lawyers, 265. Auch ethnomethodologische Beobachtungen, die für diese Arbeit wichtig sind, sind anhand dieses Materials zu gewinnen. Historiker können natürlich keine Feldarbeit leisten wie es modernen Ethnographen möglich ist. Dennoch reduziert dies die Möglichkeiten des Historikers nicht auf den Horizont der Lehnstuhl-Ethnographie des 19. Jahrhunderts, bei der sich die Gelehrten anhand von Reiseberichten von Dritten über fremde Kulturen informierten. Denn als Historiker ist man nicht an eine Narration gebunden, sondern man kann sich, wie in dieser Arbeit, ein breite und in sich sehr differenzierte Auswahl an Quellen erschließen, die zumindest ethnomethodologische Perspektiven, wenn auch keine Ethnographie, möglich werden lassen. Im Übrigen können Ethnographen im Feld zwar versuchen, sich die „Eingeborenenperspektive“ anzueignen und damit Beobachtungen erster Ordnung zu machen. Allerdings müssen sie diese wiederum verschriftlichen, so dass sie bei ihrer interpretativen Arbeit, genau wie der Historiker, wiederum auf Beobachtungen zweiter Ordnung zurückgreifen, die zumal in der Ethnographie auch schon als „Krise“ der schriftlichen Repräsentation diskutiert wurden. Ein unter den frühneuzeitlichen Bedingungen hohes Maß an Zuverlässigkeit attestiert den Drucken auch Mendle, The ‚prints‘ of the trials.

Einleitung

33

1719 erschien in London die erste Sammlung aller bis dahin gedruckten Hochverratsprozesse unter dem Titel A Complete Collection of State Trials, and proceedings for high-treason, and other crimes and misdemeanours in fünf Bänden. Besorgt wurde diese Edition durch den Antiquar Thomas Salmon (1679–1767). 1730 erschien unter dem gleichen Titel und ergänzt um einen weiteren Band, mit Prozessen bis in die jüngste Gegenwart, eine Complete Collection des Juristen Sollom Emlyn (1697–1754). 1742 besorgte wiederum Thomas Salmon eine weitere, abermals auf acht Bände ergänzte Ausgabe, der er 1745 einen Critical Review of the State Trials beigab, der Kurzfassungen der Prozesse und kritische Kommentare dazu enthielt (aber nicht für die Prozesse nach 1700). 1766 bzw. 1769 ergänzte der Jurist Francis Hargrave diese Ausgabe um einen neunten und zehnten Band. Eine neue Sammlung, wiederum ergänzt um die zeitgenössischen Prozesse zwischen 1770 und 1820, wurde zwischen 1804 und 1826 von dem radikalen und antijakobinischen Reformer, Publizisten, Parlamentsabgeordneten, Sprachgelehrten und Farmer William Cobbett (1763–1835) herausgegeben. Zeitweise in Zusammenarbeit mit dem Juristen Thomas Bayly Howell (1767–1815), umfasste diese Complete Collection of State Trials and Proceedings for High Treason and other Crimes and Misdemeanours  dreiunddreißig Bände. Während Cobbett und Howell keine Rechenschaft über die Absichten ihres Editionsunternehmens ablegten, begründeten Salmon, Emlyn und Hargrave ihre Arbeit damit, dass Hochverratsfälle nicht nur interessant seien, sondern in vielerlei Hinsicht aufs engste verbunden with the jurisprudence and history of the country.139 In ihnen spiegle sich the excellency of our Laws, and the advantage an Englishman thereby enjoys above his neighbours.140 Die State Trials gehören also selbst zu den frühen Medien, mit denen die Fortschrittsund Überlegenheitsgeschichte des Common Law am Beispiel seines prominentesten und einflussreichsten Delikts zum Ausdruck gebracht wurde. Dass sie von den Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts auch in dieser Hinsicht gelesen wurden, ist sehr wahrscheinlich. Allerdings hatten die Kompilatoren auch ein engeres, juristisches Fachpublikum im Auge, denen die State Trials als Handapparat für das Auffinden von Präzedenzfällen dienen sollten.141 Die Editionen dokumentierten also nicht nur die Verfahrensgeschichte, sondern wirkten seit dem 18. Jahrhundert an deren Konturierung selbst mit. Sie sind daher mehr als nur rechtsgeschichtliche Quellen. Als juristische Referenzwerke waren sie einer von vielen Faktoren der funktionalen Ausdifferenzierung von Recht und Gerichtsbarkeit. Abgesehen davon sind die verschiedenen Complete Collections schlicht die Sammlung aller vorliegenden Drucke. Sie weisen die gleichen Fehler auf wie die Einzelausgaben der Prozesse. Sie sammeln, wie die Titel schon sagen, nicht nur Hochverratsprozesse, sondern andere Prozesse von allgemeinem Interesse (Ministerbestechung, Mord im Hochadel, Meineidsskandale, Aufruhr etc.). Dass es sich bei den Editionen um vollständige Sammlungen aller Hochverratsverfahren handeln soll, war allerdings eine marketingtechnische Übertreibung 139 140 141

1 ST xlvii. 1 ST xxiv. 1 ST xxii.

34

Die Macht des Verfahrens

der verschiedenen Herausgeber. Zahlreiche Prozesse wurden in keine Ausgabe der State Trials aufgenommen. Ausgelassen wurden vor allem zahlreiche Fälle aus dem 16. Jahrhunderts, und zwar deswegen, weil die Herausgeber hier nicht auf bereits gedruckte Berichte zurückgreifen konnten. Aus einem Manuskript hat zuerst Cobbett ein trial ediert, und zwar den spektakulären Fall Edmund Campion (1581). Andere Manuskripte waren Cobbett und den älteren Herausgebern entweder nicht bekannt oder nicht verfügbar – es handelte sich dabei ja nicht um obrigkeitliche, sondern um ‚private‘ Prozessdokumentationen. Die Herausgeber hatten auch keinen Zugriff auf die bagae de secretis oder die plea rolls der King’s Bench, in denen sich viele weitere Fälle nachweisen lassen. Den Auslassungen lagen also keine bestimmten Absichten zugrunde, sondern hatten ihren Grund in der begrenzten Verfügbarkeit des einschlägigen Materials. Wenn im Folgenden vorwiegend aus Cobbetts Complete Collection of State Trials zitiert wird (im Folgenden: ST), dann vor allem aus Gründen der Vereinfachung. Auf diese Weise lässt sich durchgängig ein simples Zitationsmuster verfolgen, das zudem die leichte Auffindbarkeit der Stellen gewährleistet. Zitiert wird jeweils der Band und die Seitenzahl, und zwar nach folgendem Beispiel: 1 (Band) ST 100 (Seitenzahl). Korrigierend eingegriffen haben Cobbett und Howell vor allem in Form von sprachlichen Glättungen, so dass der frühneuzeitliche Duktus z.T. verloren gegangen ist. Das ist vor allem hinsichtlich der Prozesse des 16. Jahrhunderts und dem dort gesprochenen Frühneuenglisch ein Problem. Für die in den Kapiteln I und II behandelten Prozesse wird daher auf zeitgenössische Manuskripte zurückgegriffen. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts aber unterschieden sich die zeitnah erschienenen Prozessdokumentationen (die im folgenden mit dem zeitgenössischen Begriff als trials bezeichnet werden sollen) in Syntax und Orthographie kaum mehr von jenen in den unterschiedlichen State Trials-Editionen. Für die Staatsprozesse nach 1820 wird auf die achtbändigen Reports of State Trials. New Series rekurriert, die zwischen 1888 und 1898 von einem durch den Lordkanzler Halsbury ins Leben gerufenen State Trials Committee herausgegeben worden waren. Zitiert wird aus dieser Edition wie folgt: 1 (Band) RST (Report of State Trials) 100 (Seitenzahl). Adressaten waren im Fall der RST in erster Linie Juristen mit einem Interesse am Law relating to State Officers of high rank; e.g. Ministers or Governors of Colonies.142 Für die Prozesse des späten 16. Jahrhunderts, bei denen im wesentlichen katholische Missionare vor Gericht standen, habe ich zudem die Akteneditionen englischer Jesuiten aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert genutzt. Diese (kritischen) Editionen waren zur Vorbereitung der Selig- und Heiligsprechungsprozesse der English Martyrs zusammengestellt worden.143 Sie beruhten auf Berichten, die die Angeklagten oder ihre Glaubensgenossen aus dem Tower, aus London und England hinausgeschmuggelt hatten, von wo sie nach Reims, Rom oder Paris gelangten. 142 143

1 RST v. Pollen, Acts of English martyrs; Pollen, Unpublished documents; Pollen, Mary Queen of Scots and the Babington plot; Camm, Lives of the English martyrs.

Einleitung

35

Damit sind allerdings nur die für den Ablauf der Prozesse wichtigsten Quellen erwähnt worden. Durch die Online-Datenbanken „Early English Books Online“ und „Eighteenth Century Collection Online“ ist es möglich, die publizistischen Kontexte der Prozesse zu rekonstruieren. Auf diese Weise lassen sich Pamphlete und illustrierte Flugschriften sowie das bekannte und weniger bekannte juristische Schrifttum der Zeitgenossen erschließen. Für letzteres werden zusätzlich die Bestände der Datenbank „Making of Modern Law. Legal Treatises, 1800–1926“ ausgewertet. Die Online-Datenbank „British Newspapers 1600–1950“ ermöglicht wiederum den Zugriff auf Zeitungsberichte, die ab dem 18. Jahrhundert zu den wichtigsten Kontextmedien der Prozesse zählten. Gemäß den verschiedenen Perspektiven, die in dieser Arbeit auf die forensische Praxis geworfen werden, ist das Spektrum an Quellen sehr differenziert. Selbstzeugnisse spielen eine Rolle, wenn nach der individuellen Wahrnehmung von Prozessen gefragt wird, Ratgeber für Anwälte werden ausgewertet, wenn es um eine Praxeologie der „Verteidigungskunst“ geht. Wenn möglich und heuristisch sinnvoll, wurden Bilder als Quellen herangezogen. Für das 19. Jahrhundert werden die Abhandlungen deutschsprachiger Juristen über die englischen Gerichtsverfahren herangezogen, die Männer wie Carl Mittermaier oder Johann Jacob Rüttimann aus eigener Anschauung kannten – daher werden sie hier als ‚Prozessbeobachter‘ bezeichnet. Archivalische Quellen wurden schließlich ebenfalls herangezogen. Zu nennen sind hier zum einen in der British Library überlieferte Manuskripte zu Prozessen des 16. Jahrhunderts, zum anderen die in den National Archives überlieferten Gerichtsakten. Zwar haben die eigentlichen Gerichtsakten tatsächlich kaum einen Informationswert in Bezug auf das Prozessgeschehen. Allerdings lassen sich die Formulare und Pergamentbögen unter dinggeschichtlichen Perspektiven fruchtbar machen. Schließlich noch eine Anmerkung zur Textgestaltung: Quellenzitate werden im Text kursiv dargestellt. Bei der Groß- und Kleinschreibung folge ich der Vorlage. Quellenbegriffe, die nicht eigens zitiert werden (z. B. trial by jury), werden dagegen klein geschrieben. Die State Trials werden großgeschrieben, wenn von den Kompilationen die Rede ist. Um den Text aber nicht mit Kursivierungen zu überfrachten, wird darauf verzichtet, sehr häufig vorkommende Begriffe aus der Rechtssprache wie Indictment, Arraignment, Pleading usf. kursiv zu setzen. Auch geläufige Namen von Gerichten, Ämtern und anderen Institutionen wie King’s Bench, Old Bailey, Privy Council, Attorney General, Clerk oder Royal Society werden nicht kursiviert. Das gleiche gilt für eingerückte Quellenzitate (bei der Wiedergabe von forensischen Dialogen oder längeren Zitaten). Die Attorney und Solicitor Generals bzw. die für die Krone tätigen Serjeants-at-Law werden prinzipiell als Kronanwälte bezeichnet, bei den Richtern wird das Amt des Lord Chief Justice mit Vorsitzender oder vorsitzender Richter umschrieben. Die Angeklagten werden mit ihren Namen geführt. Die Strafverteidiger werden als Anwalt N.N. bezeichnet. Biographische Angaben zu den Personen wurden stets der Online-Version des „Oxford Dictionary of National Biography“ entnommen, aber nicht eigens zitiert, um die Fußnoten nicht mit Internetadressen vollzustellen.

37

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns im 16. Jahrhundert Die unter dem Namen des Historiographen Raphael Holinshed (ca. 1525–1580) kompilierten Chronicles of England, Scotlande, and Irelande und der Traktat De Republica Anglorum von Sir Thomas Smith, Diplomat und Staatssekretär, waren beide auf ihre Art Beiträge zur Darstellung der elisabethanischen Herrschaft im Medium des Drucks. Die Chroniken, zuerst 1577 veröffentlicht, präsentierten die Geschichte der drei Königreiche von grauer Vorzeit an als eine aus Mord und Totschlag, Intrigen, Irrlehren und Aberglauben bestehende Vorgeschichte bis zur Thronbesteigung der protestantischen und rechtschaffenden Königin Elisabeth.1 Smiths De Republica Anglorum war eine humanistische Staatsbeschreibung, die England als ein im höchsten Maße wohlgeordnetes und daher gottgefälliges Staatswesen vorstellte.2 In beiden Publikationen spielen Gerichtsverfahren eine wichtige Rolle. Smith schilderte den Ablauf eines Strafprozesses (proceedings in causes criminall) im Rahmen seiner Darstellung jener politischen und rechtlichen Institutionen, die den Charakter des elisabethanischen Englands als einer im aristotelischen Sinne gemischten Monarchie besonders eindrucksvoll hervortreten lassen sollen.3 Für Smith gehört das Gerichtsverfahren zu den Einrichtungen, die die Vortrefflichkeit des englischen Gemeinwesens im Vergleich mit anderen in Europa klar hervortreten lassen.4 Holinshed präsentierte im Unterschied zu Smith keine abstrakte Ablaufskizze des Verfahrens, sondern vielmehr konkrete Prozesse. Einer davon war das Hochverratsverfahren gegen Sir Nicholas Throckmorton im April 1554, also am Beginn der Herrschaft der Königin Maria, die sich vor allem durch die Verfolgung und Hinrichtung von Protestanten den Beinamen Bloody Mary verdiente und deren kurze Herrschaft (1553–1558) von den elisabethanischen Geschichtsschreibern und Martyrologen (John Foxe) als dunkles und vor allem blutiges Kapitel dargestellt wurde.5 Bei Holinshed soll der Throckmorton-Prozess zeigen, dass selbst in 1 2 3 4

5

Walsham, Providentialism; Watts, Monarchy. Den Charakter der De Republica Anglorum als einer protestantischen Apologie unterstreicht McLaren, Reading Sir Thomas Smith‘s ‚De republica Anglorum as Protestant apologetic‘. Smith, De Republica Anglorum, Buch II, Kap. 23; dazu Hoak, Sir William Cecil, Sir Thomas Smith, and the monarchical republic of Tudor England. Zu dieser Form des humanistischen Staatslobs Shrank, Writing the nation in Reformation England, 1530–1580; zur Geschichte der parlamentarischen Verfahrensmanuale von der Frühneuzeit bis ins 19. Jahrhundert – die immer auch eine Form der Selbstdarstellung des Parlaments waren, vgl. Steinmetz, Normen parlamentarischen Redens. Freeman, Providence and prescription; Fernandes, Le sang et l‘encre; Freeman, Providence and prescription.

38

1550–1650: Rhetorisches Regime

den Zeiten von Willkür das Common Law und seine Verfahren ihre Funktionsfähigkeit behalten und selbst der zelotische Eifer der Ankläger und die Voreingenommenheit der Richter nicht verhindern konnten, dass Throckmorton am Ende freigesprochen wurde. Die Darstellungen von Gerichtsprozessen bei Smith und Holinshed lassen sich als Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verstehen. In beiden Fällen spiegeln die Texte nicht primär die Praxis vor Gericht, sondern sie zeigen, wie sie sein und wahrgenommen werden sollte. Im Folgenden sollen die beiden Texte sowie andere zeitgenössische Traktate zum Strafrecht dazu dienen, die Strukturen von Gerichtsverfahren nach Common Law herauszuarbeiten und mögliche Varianten anhand des Throckmorton-Prozesses zu diskutieren. Damit soll ein Ausgangspunkt markiert werden, anhand dessen sich die Entwicklungen in den folgenden Jahrhunderten einordnen lassen.6 Zwei Punkte müssen zum Throckmorton-Prozess noch gesagt werden: Dieser wird in den State Trials-Editionen stets im Wortlaut wiedergegeben. Dass es den Prozess gegen Throckmorton gegeben hatte und dieser mit einem Freispruch endete, ist gewiss. Ob er sich aber so abgespielt hatte, wie er bei Holinshed und später in den State Trials präsentiert wurde, lässt sich nicht belegen. Die Technik der Kurzschrift kam jedenfalls erst rund ein Jahrhundert später in Gebrauch, und auch bei Holinshed heißt es, der Prozess sei eigens in eine Dialogform gebracht worden, damit der Leser den Ablauf besser nachvollziehen könne.7 Doch wichtiger als die Frage nach der Authentizität der dargestellten Verhandlung ist die Feststellung, dass es hier um ein Gerichtsverfahren geht, wie es von den Zeitgenossen gesehen werden sollte. Vorbildlich hat es allemal gewirkt: John Lilburne etwa kopierte bei seinem Prozess 1649 stellenweise Throckmortons Verhalten.8 Und selbst wenn auf dieser Grundlage nicht der faktische Ablauf des Prozesses von 1554 rekonstruiert werden kann, so lässt sich auch ein literarisch überarbeiteter und dramatisierter Bericht eines Verfahrens als ein Verfahren analysieren.9 Weswegen stand Throckmorton aber eigentlich vor Gericht? Nicholas Throckmorton (1515/16–1571) war ein Höfling im Umfeld der Katherine Parr, der letzten Gemahlin Heinrichs VIII., und einer der Favoriten Edwards VI. Schon früh ein überzeugter Protestant, saß er zwischen 1545 und 1567 als Mitglied des Unterhauses in verschiedenen Parlamenten. Nach dem Tod Edwards VI. im Juli 1553 unterstützte Throckmorton die umstrittenen Nachfolgeansprüche der protestantischen Lady Jane Grey und stellte sich damit gegen Mary Tudor. Lady Jane (1537–1554), 6 7

8 9

Allg. zum Ablauf von Prozessen vor 1800 auch Cockburn, A history of English assizes, 86–133; Beattie, Crime and the courts, 314–399. Expressed in a dialog for the better understanding of euerie mans part, so Holinshed, The firste volume of the Chronicles, 1737; zur Entstehungsgeschichte des Texts vgl. Patterson, Reading Holinshed‘s chronicles; Patterson, The trial of Nicholas Throckmorton, 8–12. Der bei Holinshed abgedruckte Dialog beruht demnach auf verschiedenen Mitschriften von Throckmortons Sympathisanten von bemerkenswerten Passagen bei dem Prozess. Patterson, Early modern liberalism, 114. Zu den Wechselbeziehungen der daramtischen Dichtung und dem Gerichtswesen in elisabethanischer Zeit jetzt Raffield, The trials of Shakespeare; Skinner, Forensic Shakespeare.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

39

die Tochter des Herzogs von Suffolk, war vom Herzog von Northumberland im Juli 1553 als Königin proklamiert worden.10 Dieser Staatstreich scheiterte jedoch ebenso wie die Rebellion des adligen Draufgängers Sir Thomas Wyatt im Januar 1554. Beides sollte die Heirat der Königin mit Philipp von Spanien verhindern und Prinzessin Elisabeth (notfalls auch Lady Jane) auf den Thron bringen.11 Throckmorton hatte ohne Zweifel Kenntnisse von entsprechenden Planungen. Nachdem der Aufstand niedergeschlagen worden und Wyatt gefangengenommen war, denunzierte der Rebell Throckmorton als Mitverschwörer.12 In der Folge statuierte die Krone bis dahin unbekannte Exempel: Über hundert adlige Aufständische wurden im Tower festgesetzt, rund fünfzig von ihnen ohne Prozess hingerichtet. Auch Lady Jane wurde hingerichtet. Bei diesem Klima der Rache war das Verfahren gegen Throckmorton durchaus bemerkenswert. Dass mit ihm nicht einfach auch kurzer Prozess gemacht wurde, lag auch an seiner prominenten Stellung in der englischen Politik. Es ging der Krone aber vor allem darum, zumindest exemplarisch die Unterstützer der Wyatt-Rebellion des Hochverrats zu überführen und damit den Eindruck zu verwischen, es habe sich dabei um legitimen Widerstand vor dem Hintergrund einer noch offenen Thronfolge gehandelt. Dies war auch deswegen wichtig, weil Maria 1553 als eine ihrer ersten Regierungshandlungen die weitgehenden und als tyrannisch erachteten Hochverratsgesetze ihres Vaters zurückgenommen hatte.13 Dieser Akt war ausdrücklich als Zeichen der Konzilianz gedacht gewesen.14 Als Hochverrat galt nun wieder allein das, was schon 1351 als solches statuiert worden war: Imaginig the King’s bzw. Queen’s death. Und genau das galt es Throckmorton nun nachzuweisen. Nachdem er am 20. Februar 1554 im Tower inhaftiert worden war, fand am Abend des 17. Aprils sein Verfahren statt, das rund fünf Stunden dauerte. 1. ANKLAGEERHEBUNG DURCH DIE GRAND JURY Bei Smith stellt die öffentliche Gerichtsverhandlung den letzten Schritt (definitive proceedinges) eines umfassenden Kriminalverfahrens dar. Dessen Schritte waren erst 1555, also unter Königin Maria, gesetzlich geregelt worden.15 Diese Maßnahmen gehörten zu dem schon unter Heinrich VIII. initiierten Ausbau obrigkeitlicher Herrschaftsinstrumente und stellten auf der Ebene des Strafrechts einen Beitrag zur Staatsbildung dar.16 Bei Smith erscheinen sie allerdings als uraltes Common Law. In diesem Gesetz (2 & 3 Phil. & Mar., c. 10) war den Friedensrichtern die Pflicht auferlegt worden, bei der Kenntnis von Vergehen (bei Smith geht es nicht 10 11 12 13 14 15 16

Plowden, Lady Jane Grey. Allg. dazu Loades, Two Tudor conspiracies; Loades, The Wyatt Rebellion. Vergeblich: am 11. April 1554 wurde Wyatt hingerichtet. Bellamy, The Tudor law of treason, 53ff. Vgl. Elton, The Tudor Constitution, 69f. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 40ff. Braddick, State formation in early modern England, c. 1550–1700, 136ff.

40

1550–1650: Rhetorisches Regime

nur um Hochverrat) Ermittlungen durchzuführen, Zeugen anzuhören, ihre Aussagen zu Protokoll zu nehmen und Verdächtige bis zur nächsten Gerichtssitzung festzusetzen.17 Anders als auf dem Kontinent, im Einflussbereich des Römischen bzw. Gemeinen Rechts, wurde die Anklage nur bei geringfügigen, mit Bußen bestraften Delikten (misdemeanours) unmittelbar ex officio erhoben – der Common Law-Terminus dafür war information.18 Im Falle von an Leib und Leben zu strafenden Verbrechen – Smith denkt hier an heretiques, traitors, theftes, murders, manslaughters, rapes, false moniers, extortioners, riottes, routes, forcible entries, unlawefull games, and all such thinges19  – wurde die Anklage dagegen von einer (wie Smith es bezeichnet) great enquest erhoben.20 Damit war jenes, später als Grand Jury bezeichnetes Gremium gemeint, das aus 24 oder mehr Personen bestand und sich zu Smiths Zeiten mindestens aus der Schicht der Freisassen (yeomen) rekrutierte.21 Die Rolle der Grand Jury bei der Anklageerhebung hat der englische Rechtshistoriker John H. Baker als ein „constitutional principle of some importance“ bezeichnet, weil auf diese Weise der König keinen seiner Untertan selbst vor Gericht bringen könne.22 Das sah schon Ferdinando Pulton (1536–1618) so, der als Verfasser eines der frühesten Strafrechtskompendien (De Pace Regis et Regni, 1609) hier für die frühe Verfahrenspraxis ebenfalls zu Wort kommen soll: Niemand sollte einfach von der Straße weg vor Gericht gebracht werden können, wenn nicht twelve men at the least, men of integritie, sufficientie, and indifferencie für die Substanz der Anschuldigung bürgen würden, besonders dann, wenn life or member of man, sometime his libertie, sometime his fame and credite, sometime his Lands and Tenements, and some other time his Goods and Cattels auf dem Spiel stünden.23 Tatsächlich handelte es sich bei den Grand Jury-Sitzungen aber nicht, wie Smith behauptete, um Beratungen among themselves upon their owne knowledge.24 Das war eher die Art und Weise, wie die englische Rechtspflege von außen gesehen werden sollte: als eigenständige Untersuchungskommission, als enquest. In Wirklichkeit wurden den Juroren bei den Sitzungen durch die Friedensrichter – und im Falle von Hochverrat sogar durch die Richter selbst  – anklagende Reden gegen die Beschuldigten gehalten  – und zwar nicht-öffentlich. Dass Grand Jurys selbst Zeugen und andere Beweisstücke in Augenschein nahmen, lässt sich für das 16. Jahrhundert nicht in einem einzigen 17 18 19 20

21 22 23 24

Langbein, Prosecuting crime in the renaissance, 5ff. Baker, Criminal courts and procedure at common law 1550–1800, 265ff. Smith, De Republica Anglorum, 87. Ebd., 86. Die ursprüngliche Form der Anklage in allen Kriminalverfahren war, wie im mittelalterlichen Verfahren auf dem Kontinent auch, die Akkusation durch den Geschädigten selbst. Bis 1650 kam diese Form der Prozessinitiative bei Felonie allerdings gänzlich außer Übung. Die Gründe dafür waren die ‚Prozessgefahren‘, denen sich der ‚private’ Kläger dabei aussetzte – falsche Formeln beispielsweise führten zum Verlust des Prozesses, und bei jeder Niederlage bestand die Gefahr, nun selbst dafür vom Beklagten belangt zu werden, Baker, Criminal courts and procedure at common law 1550–1800, 262. Smith, De Republica Anglorum, 86. Baker, Criminal courts and procedure at common law 1550–1800, 263. Pulton, De Pace Regis et Regni, 162. Smith, De Republica Anglorum, 87.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

41

Fall nachweisen. Die Vertreter der Obrigkeit präsentierten den Juroren vielmehr in eindringlichen Reden die Ergebnisse ihrer Ermittlungen, die gemäß dem Gesetz von 1555 ausschließlich belastendes Material zusammentragen sollten.25 Selbst wenn die Grand Jury erst noch einen (einstimmigen) Entscheid zu fällen hatte, so war das Indictment in aller Regel und bei Hochverrat stets nichts anderes als eine camouflierte Anklage ex officio. Der Anklagetext, das sogenannte Indictment, wurde auch nicht erst in der Sitzung erstellt, sondern lag dieser in pergamentener Form schon zugrunde. Für die Eröffnung einer Gerichtsverhandlung musste die Grand Jury das Indictment für wahr befinden, was durch den Vermerk billa vera auf der Rückseite des Dokuments festgehalten wurde.26 Wenn es aber nicht zu einer Anklage kam oder kommen sollte, dann wurde dies durch den Vermerk ignoramus festgestellt, woraufhin das Indictment zerrissen wurde – it is rent into peeces immediatly.27 Das hat natürlich Konsequenzen für die Überlieferung: In den Archiven finden sich nur billa vera-Indictments. 2. „DEFINITIVE PROCEEDINGS IN CAUSES CRIMINALL“ – GERICHTE, DIE ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG UND IHRE AKTEURE Das Verdikt der Grand Jury war noch kein Urteil (no definitive sentence), sondern nur ein Vorurteil, ein praejudicium, it doeth but shewe what opinion the countrey hath of the malefactor.28 Wenn ein solches Vorurteil aber einmal erhoben wurde, musste es zum Prozess kommen: No man that is once indicted can be delivered without arraignment. For as xij have given an prejudice against him, so xij againe must acquite or condemne him.29 Diese Entscheidung wurde bei den Verhandlungen getroffen, die Smith als definitive proceedings in causes criminall bezeichnete.30 In De Republica Anglorum beschreibt er einen solchen Gerichtstag in der Provinz, wohin die in der Westminster Hall tätigen Common Law-Richter zwei Mal pro Jahr entsandt wurden. Die englische Strafgerichtsbarkeit war hochgradig zentralisiert, sie wurde in London von den gleichen Personen getragen wie in der Provinz bei den sogenannten Assisen (assizes) auch.31 Die englischen Grafschaften waren dazu bereits am Ende des 13. Jahrhunderts in sechs Kreise eingeteilt worden, in denen es wiederum mehrere Gerichtsorte (assize towns) gab.32 Auch die Verfahrensweisen waren in London und anderswo weitgehend identisch, sowohl bei Zivil- als auch 25 26 27 28 29 30 31

32

Langbein, The origins of adversary criminal trial, 43. Als bill wurde auch eine Gesetzesvorlage im Parlament bezeichnet, über die erst noch zu entscheiden war. In vergleichbarer Weise war auch das Indictment eine Entscheidungsvorlage. Smith, De Republica Anglorum, 87. Ebd., 95. Ebd. Ebd., 94. Daneben gab es eine Reihe lokaler (städtischer und grafschaftlicher) Gerichtsinstanzen, bei denen geringfügige und mit Bußstrafen sanktionierte Vergehen geahndet wurden und die vor allem der Konfliktregulierung dienten. Baker, An introduction to English legal history, 25.

42

1550–1650: Rhetorisches Regime

bei Kriminalprozessen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden Hochverratsprozesse allerdings so gut wie nie bei den Assisen durchgeführt, sondern entweder vor dem in der Westminster Hall sitzenden höchsten Strafgericht des Reiches, der King’s Bench, oder vor dem Strafgericht der City of London, das schon im 16. Jahrhundert im Volksmund Old Bailey genannt wurde.33 Die in aller Regel spektakulären Hochverratsprozesse benötigten eine gewisse Rahmung, die man in der Provinz nicht im gleichen Maße herstellen konnte wie in London. Für Zuschauer ließen sich in der Westminster Hall zudem mehr Plätze bereitstellen als bei den Assisen, wo man etwa in einem Rathaus tagte. Wenn Hochverratsprozesse bei den Assisen stattfanden, dann konnte dies bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mit der Intention verbunden gewesen sein, (kritische) Öffentlichkeit von der Gerichtssitzung möglichst fernzuhalten. Die Zentralisierung der englischen Justizpraxis ging allerdings nicht einher mit ihrer systematischen Binnendifferenzierung. Kompetenzüberschneidungen waren bei den englischen Höchstgerichten ebenso der Fall wie im Reich bei Reichshofrat und Reichskammergericht.34 Entstanden im Hochmittelalter als Gericht, das unter dem König persönlich tagte, wurden vor der King’s bzw. Queen’s Bench Zivilklagen ebenso verhandelt wie solche Kriminalfälle, an denen die Herrscherinnen und Herrscher ein persönliches Interesse hatten.35 Noch im 19. Jahrhundert wurde vor der King’s Bench ebenso über Schulden und Verträge verhandelt wie vor dem Court of Common Pleas, der auch in der Westminster Hall tagte.36 Bis zur Neuorganisation und Vereinigung der höchsten Common Law-Gerichte (Common Pleas, Exchequer, Court of Chancery und King’s Bench) zum High Court of Justice 1873 blieb die King’s Bench für das Common Pleas-Gericht die übergeordnete Instanz, wo schon vor dem 19. Jahrhundert zumindest die Urteile aus Zivilprozessen revidiert werden konnten.37 Hochverratsfälle wurden vor der King’s Bench entweder aufgrund unmittelbarer Zuständigkeit geführt, vor allem bei Fällen aus dem Londoner Stadtgebiet38, oder aufgrund eines writ of certiorari, mit dem das Gericht Fälle aus der Provinz an sich zog.39 Throckmorton wurde allerdings nicht bei der Queen‘s Bench in Westminster Hall vorgeführt. Vielmehr fand sein Prozess in der Londoner Guildhall statt, die besonders viele Zuschauer fassen konnte und die im 16. Jahrhundert ein üblicher Sitzungsort der städtischen Strafgerichtsbarkeit war. So gesehen fand sein Prozess 33 34 35 36 37 38

39

Die Cities von London und Westminster gehörten keinem der Assisen-Kreise an, vgl. Baker, The Oxford history of the laws of England, 285 zur mittelalterlichen Geschichte der King’s Bench. Stollberg-Rilinger, Die Würde des Gerichts. Turner, The origins of Common Pleas and King‘s Bench; Behrens, An early Tudor debate on the relation between law and equity; Röhrkasten, Die englischen Kronzeugen 1130–1330, 58f. und 80–93. Blatcher, The court of King‘s Bench. Baker, The Oxford history of the laws of England, 125. Der Raum, den die Zeitgenossen mit dem Begriff ‚London‘ bezeichneten, ging über die City hinaus und inkludierte auch Southwark und Westminster. Dem immensen städtischen Wachstum nach 1550 folgte keine Neudefinition von Stadtrecht und Stadtgebiet, so dass im 17. und 18. Jahrhundert auch Räume, die zur Grafschaft Surrey gehörten, diskursiv eingemeindet und als London bezeichnet wurden. Stephen, History of the criminal law, 95–97.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

43

vor der (späteren) Institution Old Bailey statt, aber nicht in deren Räumlichkeiten. Zwar existierten diese bereits seit 1539 in Form eines Anbaus am Newgate-Gefängnis (wenige hundert Meter nördlich der St. Pauls-Kathedrale). Aber die Innenräume wurden aus Angst vor Typhus (goal fever) praktisch kaum genutzt. Soweit sich das rekonstruieren lässt, wurde gewöhnlich im Vorgarten des Gebäudes Gericht gehalten.40 Bei wichtigeren Prozessen wurde hingegen in der Guildhall getagt, dem Zunft-, Rats- und Festhaus der Stadt London. Throckmorton stand dort einer special commission of oyer and terminer gegenüber. Spezialkommissionen wurden dann einberufen, wenn der Prozess aus Sicht der Obrigkeit besonders eilig war und man nicht auf die regulären Gerichtstermine warten wollte. Es gab diese Kommissionen bereits seit dem Hochmittelalter und man findet sie, trotz zeitgenössischer Kritik, noch im 19. Jahrhundert.41 Verschwörungen und Hochverrat waren ein typischer Anlass für die Bildung einer solchen, zum Hören (oyer42) und Entscheiden (terminer) von Kriminalsachen einberufenen Kommission. Die anlassbezogene Beauftragung von Juristen war im Strafrecht noch bis ins 17. Jahrhundert üblich. Die Existenz von Gerichtsorten wie der King’s bzw. Queen’s Bench sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine institutionalisierte, fallunabhängig präsente Strafjustiz noch nicht gab.43 Zu den Assisen reisten die Westminster-Richter noch im 19. Jahrhundert mit einer general commission of oyer and terminer. Auch das Gericht von Old Bailey konstituierte sich zu seinen regulären Sitzungsterminen – der englische Rechtskalender teilte sich in Michaelmas term (Oktober bis Dezember), Hilary term (Januar bis April), Easter term (April und Mai) und Trinity term (Juni und Juli) – auf Grund von Kommissionen, die ganz unterschiedliche Akteure wie den Lord Mayor der City of London, den (einem Friedensrichter vergleichbaren) Stadtrichter (Recorder of London) sowie mehrere Richter der Westminster-Gerichte zusammen auf die Richterbank setzten.44 Nicht Kommissionen an sich waren die Ausnahme, wohl aber die für Hochverratsverfahren und andere Fälle politischer Delinquenz (Revolten) zusammengestellten Spezialkommissionen. Exzeptionell war dabei die personelle Zusammensetzung, nicht die Verfahrensweise, die sich an den im Common Law üblichen Spielregeln für proceedinges in causes criminall45 orientierte und als Geschworenenprozess in Erscheinung trat. Wenn Spezialkommissionen keine größeren Freiheiten hatten als gewöhnliche Schwurgerichte, dann lag ihre Spezialität – neben der außerordentlichen Tagungsweise – vor allem in ihrer personalen Zusammensetzung, also auf einer sozialen Ebene. Throckmortons Spezialkommission bestand aus Berufs- und Laienrichtern, darunter der Lord Chief Justice of England, Sir Thomas Bromley. Ein Lord Chief Justice war genau genommen nur der zweithöchste Richter des Königreichs 40 41 42 43 44 45

Graham, Ordering law, 51f. Stephen, History of the criminal law, 107–111. Lawfrench, von audire. Baker, The Oxford history of the laws of England, 255. Ebd., 285. Smith, De Republica Anglorum, 94.

44

1550–1650: Rhetorisches Regime

nach dem Lordkanzler. Da der Kanzler in seinem Gericht, der Chancery, nach Römischem Recht und nach Billigkeit (equity) urteilte, war ein Lord Chief Justice zumindest der höchste Common Law-Richter und zugleich der Vorsitzende der King’s bzw. Queen’s Bench. Neben weiteren Juristen (Nicholas Hare, Master of the Rolls, Sir Francis Englefield, Master of the Court of Wards and Liberties, William Portmann, Richter der Queen‘s Bench, Edward Saunders, Richter des Court of Common Pleas) saß auf der Bank auch der Lord Mayor von London, Sir Thomas White.46 Weitere Mitglieder der Kommission waren Francis Talbot, Earl of Shrewsbury, der ebenso zu den Räten der Königin zählte wie Edward Stanley, Earl of Derby, Sir Robert Southwell und Sir Roger Cholmeley. Zur Kommission gezählt wurden auch die Ankläger Sir William Stanford, Sir James Dyer, der Attorney General Edward Griffin und ein Master Sendall. Die schiere Menge an Mitgliedern sollte respekteinflößend wirken47, was allerdings bei den Angeklagten in Hochverratsfällen nicht immer verfing. Die Ankläger werden im Folgenden als ‚Kronanwälte‘ bezeichnet.48 Während bei gewöhnlichen Strafprozessen der Geschädigte selbst als Kläger auftrat bzw. auftreten musste, wurde der englische König bei Prozessen seit dem 15. Jahrhundert (soweit sich das nachweisen lässt49) durch seine persönlichen Juristen vertreten. Diese stammten zunächst aus dem im 12. Jahrhundert entstandenen, exklusiven Juristen-Orden der Serjeants-at-Law mit einem eigenen Ordenshaus, der Serjeant’s Inn. Bei den Serjeants-at-Law handelte es sich um das Äquivalent des Common Law zu promovierten Juristen im Römischen Recht.50 Serjeants-at-Law kooptierten die aus ihrer Sicht fähigsten Juristen, die mit einem aufwendigen Ritual in den Orden aufgenommen wurden und dabei, ähnlich wie bei der Doktorpromotion, einen Statuswechsel durchliefen.51 Bei dem Sejeanten handelte es sich nicht nur um ein Amt, sondern um einen Stand (inklusive der Präzedenzstreitigkeiten mit Theologiedoktoren, Rittern und Richtern).52 Ihr herausgehobener sozialer Status wurde durch eine distinguierende Kleidung markiert: Vor allem durch die Haube (coif), Ring und eine in Schnitt und roter Farbe den Richtern ähnliche Robe mit Pelzbesatz.53 Serjeants-at-Law waren allerdings freie Juristen, die ihr Vermögen in der Regel als Anwälte bei Zivilprozessen machten und somit zwar auch, aber nicht nur für die Krone tätig waren.54 Mit dem Attorney General und dem im Rang, nicht in den Kompetenzen nachgeordneten Solicitor General schufen die 46

47 48 49 50 51 52 53 54

Auch bei Hochverratsprozessen in Old Bailey war die Präsenz des Lord Mayors nicht unüblich, während der Prozess allerdings dann stets vom höchsten Stadtrichter, dem Recorder of London, geleitet wurde. Swanson, The office of attorney general, 205. Grundlegend dazu immer noch Langbein, The origins of public prosecution. Baker, The attorneys and officers of the common law in 1480. Baker, The order of serjeants-at-law. Zum Promotionsritual vgl. Stollberg-Rilinger, Von der sozialen Magie der Promotion. Baker, The order of serjeants-at-law, 49–56. Zu den Präzedenzkonflikten promovierter Juristen mit anderen Ständen im Alten Reich vgl. Füssel, Gelehrtenkultur als symbolische Praxis. Ausführlich dazu Baker, The order of serjeants-at-law, 67–83. Prest, The English bar.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

45

Tudor-Monarchen daher zwei ihnen persönlich verpflichtete Juristen, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bei den state trials im Namen der Krone die Anklage führten.55 Zugleich leiteten sie in solchen Fällen auch die Vorermittlungen, in der Regel unterstützt von Mitgliedern des Privy Council, weiteren Höflingen und/oder Mitgliedern des Parlaments. Attorney und Solicitor General vertraten den König jedoch nicht nur vor Gericht, sondern fungierten auch als dessen Rechtsberater. Im Namen des Königs sichtete der Attorney General Petitionen und bereitete Urkunden vor. Am Ende des 16. Jahrhunderts hatten die Attorney Generals die mit ihnen in Rang und Kompetenzen konkurrierenden Serjeants-at-Law hinter sich gelassen. Zwar konnte ein Serjeant Attorney General werden (so wie dieses Amt bei Juristenkarrieren eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum Richteramt bildete), aber ohne dieses Amt vertraten sie nur noch in Ausnahmefällen die Anklage. Beim ThrockmortonProzess war dies allerdings noch nicht der Fall. Hier führte der Serjeant-at-Law Sir William Staunford das Wort, der zu dieser Zeit als einer der besten Strafrechtsexperten galt und 1560 mit dem (auf lawfrench verfassten) Kompendium Les plees del coron hervortreten sollte. Zu der Kommission gehörte schließlich mit Peter Tichborne ein clerk of the crown. Clerks waren unverzichtbare Akteure jener englischen Institutionen, die regelmäßig Verfahren durchführten. Entsprechend findet man clerks of the crown nicht nur bei den obersten Westminster-Gerichten und dem Court of Chancery, sondern auch im Parlament. In den Grafschaften gab es eigene clerks of the peace, und bei den Assisen ging nichts ohne die clerks of assize.56 Clerks of the crown waren nicht nur für die Anfertigung von Anklageschriften (Indictments) zuständig, sondern auch für die Einhaltung des forensischen Zeremoniells. Entsprechende Details konnte der Clerk Manualen entnehmen, die zunächst in Manuskriptform vorlagen und später gedruckt wurden. Tichborne dürfte auf den Modus intrandi Deliberationem Gaole zurückgegriffen haben.57 Unterstützt wurde der Clerk bei den obligatorischen Ansagen durch den crier, den Gerichtsrufer. Eine kolorierte Federzeichnung der King’s Bench aus dem 15. Jahrhundert (Abbildung 2) zeigt die beiden in Aktion: Am linken Bildrand sieht man den in eine weiß-blaue Robe gekleideten Gerichtsrufer, der den Geschworenen die Bibel zum Schwur hinhält, rechts steht der in ein grün-graues Gewand gekleidete Clerk. Am Tisch sitzen der prothonotary und einige sogenannte filazers, also Schreiber.58

55 56 57 58

Baker, The Oxford history of the laws of England, 425f. Baker, The legal profession, 81f. Das Manuskript befindet sich in der Bodleian Library (Oxford), vgl. Baker, The Oxford history of the laws of England, 516, FN 55. Baker, The legal profession, 81.

46

1550–1650: Rhetorisches Regime

Abb. 2: Die King’s Bench in der Mitte des 15. Jahrhunderts, kolorierte Federzeichnung.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

47

3. ÖFFENTLICHKEIT Anglophile Aufklärer wie Johann Wilhelm waren von der öffentlichen Gerichtsbarkeit in England fasziniert.59 Für die englische Rechtsgeschichte scheint dieser Umstand hingegen offenbar zu selbstverständlich zu sein, als dass er eigens und eingehend thematisiert werden müsste.60 Verfahrensöffentlichkeit wird als natürlicher Bestandteil eines guten Verfahrens erachtet.61 Tatsächlich aber war Öffentlichkeit als Auszeichnung des englischen Verfahrens eine Zuschreibung des Humanisten und Prinzenerziehers Sir John Fortescue, dessen De Laudibus Legum Angliae um 1470 im französischen Exil entstanden war. In englischer Übersetzung wurde es 1567 unter dem Titel A learned commendation of the politique lawes of Englande gedruckt. Der Traktat gehörte, wie Smiths De Republica Anglorum, zu den publizistischen Repräsentationen der elisabethanischen Herrschaft. Auch für Sir Thomas Smith demonstrierte die Öffentlichkeit des englischen Verfahrens seine Überlegenheit gegenüber dem civill Lawe: This will seeme straunge to all nations that doe use the civill Lawe of the Romane Emperours, that for life and death there is nothing put in writing but the enditement onely. All the rest is doone openlie in the presence of the Judges, the Justices, the enquest, the prisoner, and so manie as will come so neare as to heare it, and all depositions and witnesses given aloude, that all men may heare from the mouth of the depositors and witnesses what is saide.62

Die Öffentlichkeit des Verfahrens war aber kein universales Prinzip der englischen Schwurgerichtsbarkeit, sondern die Folge einer kontingenten Entwicklung: Auf dem Kontinent setzte sich unter dem Einfluss des Römischen Rechts ab dem 13. Jahrhundert der Inquisitionsprozess durch. Dabei handelte es sich um ein professionalisiertes, schriftbasiertes, nicht-öffentliches, räumlich und zeitlich diskontinuierlich verlaufendes und die Folter inkludierendes Verfahren.63 In England hielt man dagegen letztlich an der dinggenossenschaftlichen Verfahrensweise fest, bei der nun aber anstelle von Ordalen eine Jury entschied.64 Der öffentliche, allgemein zugängliche Charakter des Verfahrens blieb dabei ebenso erhalten wie der Umstand, dass es sich um ein Geschehen von zeitlicher und räumlicher Einheit handelte, das somit als Kommunikation unter Anwesenden stattfand. Wie bei einfachen mittelalterlichen Verfahren üblich, handelte es sich bei dieser Kommunikation um ein mündliches Geschehen, bei dem Schrift lediglich eine „Aufbewahrungsfunktion“

59 60 61 62 63 64

Maurer, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland, 70ff. So auch bei Langbein, The origins of adversary criminal trial. Zur Öffentlichkeit des Gerichts als „Nationalsymbol“ auch Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 511f. Wie ein Monument dazu jetzt Langbein / Lerner / Smith, History of the common law. Smith, De Republica Anglorum, 101. Trusen, Der Inquisitionsprozeß; Willoweit, Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts. Immer noch grundlegend Brunner, Die Entstehung der Schwurgerichte; ferner jetzt Langbein  / Lerner / Smith, History of the common law, 58ff.

48

1550–1650: Rhetorisches Regime

besaß65, aber kein eigenständiges Medium der Rechtsprechung war wie Schriftlichkeit im späteren Inquisitionsprozess mit seiner Aktenversendungspraxis.66 Beides, die öffentliche (openlie) und mündliche Vorgehensweise (nothing put in writing but the enditement onely […] heare from the mouth) wurde im englischen Humanismus als Auszeichnung der proceedinges in causes criminall in der protestantischen Republica Anglorum idealisiert.67 Bei Fortescue – der natürlich noch nicht in konfessionellen Kategorien dachte, sondern in denen proto-nationaler Identitätsbildung durch Abgrenzung vom französischen „Anderen“68  – war das Verfahren vor den Geschworenen ein Garant gegen die Anwendung der Folter. Für die protestantischen Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts war das öffentliche Gerichtsverfahren in gleicher Weise gottgefällig wie die öffentliche Beichte, jeweils im Unterschied zum geheimen Inquisitionsprozess und zur (nunmehr als ‚papistisch‘ erachteten) Ohrenbeichte.69 Im weiteren Verlauf der frühneuzeitlichen Geschichte sollte das öffentliche Common Law-Verfahren nur noch Pluspunkte sammeln, beispielsweise als es im Konflikt des Parlaments mit Karl I. dem Sternenkammer-Gericht entgegengestellt wurde.70 Für das 19. Jahrhundert galt dann: „Zusammen mit Magna Charta, habeas corpus, Bill of Rights und trial by jury gehörte Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens […] zu den Symbolen der englischen Freiheit. So sahen es nicht nur die Engländer selbst, sondern auch aufklärerische und liberale Kritiker auf dem europäischen Kontinent, die in diesem Punkt die englische Rechtspflege als vorbildlich priesen.“71 In dieser liberalen Kritik  – Anselm von Feuerbach und Carl Joseph Mittermaier stehen exemplarisch dafür – wurde der schon ältere Gedanke systematisch weitergeführt, wonach ein öffentliches Verfahren die Wahrheitsfindung erleichtere.72 Ob sich durch die Öffentlichkeit des Verfahrens Wahrheitseffekte einstellten, lässt sich nicht pauschal sagen. Wohl aber, dass Öffentlichkeit zu den konstitutiven Gelingensbedingungen der englischen Gerichtsprozesse zählte, es also auf der Ebene der Darstellung unverzichtbar war, die Prozesse vor Publikum aufzuführen. Wie wir noch sehen werden, bot Verfahrensöffentlichkeit auch nicht unbedingt Schutz gegen Willkür, aber sie war die Voraussetzung dafür, um diese zum Thema zu machen und zu kritisieren.

65 66 67 68 69 70 71 72

Im Sinne von Schlögl, Interaktion und Herrschaftsbildung, 125. Vismann, Medien der Rechtsprechung, 98ff. Smith, De Republica Anglorum, 101. Taylor, Sir John Fortescue and the French polemical treatises of the Hundred Years War. Hooker, The Works of that Learned and Judicious Divine, Book VI, 320–324. Holmes, Law and politics in the reign of Charles I; Kishlansky, A whipper whipped. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 511f. Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren; Vismann, Medien der Rechtsprechung, 130ff.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

49

4. ARRAIGNMENT UND PLEADING: GELEGENHEITEN FÜR DISSENTIERENDES ENGAGEMENT Die Federzeichnung der King’s Bench (Abbildung 2), zeigt eine synchronisierte Zusammenschau der bei einem Common Law-Prozess typischen Auftaktrituale: Man sieht den gefesselten Angeklagten an der Schranke, neben ihm stehen ein Wachmann sowie links und rechts zwei Serjeants-at-Law als Ankläger. Der Angeklagte hat die Hand erhoben. Erhöht stehen auf der rechten Seiten der Gerichtsrufer (crier) und auf der linken Seite der Gerichtsdiener (clerk), der den Jury-Kandidaten die Bibel zum Schwur hinhält. Am Beginn eines Prozesses stand das Ruhegebot durch den Gerichtsrufer: the cryer crieth, and commaundeth silence.73 Der Aufruf war ein ritueller Beitrag zur Rahmung des Verfahrens, das damit gegenüber anderen Vorgängen in der unmittelbaren Nähe abgegrenzt wurde. Das war nicht nur bei den Assisen in der Provinz nötig, wo der Gerichtstag immer auch Teil eines Jahrmarkts war, sondern auch in der Westminster Hall, wo die Gerichte nicht nur unmittelbar aneinander grenzten, sondern akustisch auch mit Verkaufsständen konkurrierten.74 Das Auftreten des Cryers und die Initiationsriten des Strafverfahrens erfüllten deswegen eine vergleichbare Funktion, die Franz-Josef Arlinghaus für das mittelalterliche Gerichtswesen auf dem Kontinent festgestellt hat, nämlich die diskursive, symbolische und akustische Abgrenzung des Verfahrens von seiner sozialen Umwelt.75 Die Anwesenden mussten von nun an schweigen oder ihre Stimme so dämpfen, dass sie das Verfahren als einen akustisch privilegierten Wortwechsel nicht störten. Erst dadurch, dass die Organisatoren der Verfahren auch ein akustisches Regime durchzusetzen versuchten76, ließen sich Äußerungen als erlaubte Beiträge oder aber als Störungen einordnen. Auch bei Throckmortons Prozess in der Guildhall setzte das Ruhegebot den Prozess in Gang. Anschließend wurde der Angeklagte vom Clerk zum Hochhalten seiner Hand aufgefordert: Nicholas Throckmorton knight hold vp thy hand.77 Über den Sinn des Handhochhaltens will ich an dieser Stelle nicht spekulieren – denn über die Deutung dieses Rituals wurde in späteren Prozesse selbst gerungen, und dass es sich dabei um ein Identifikationsritual handelte, wurde erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts ins Spiel gebracht.78 Mit erhobener Hand – genauso wie der Angeklagte auf der Zeichnung (Abbildung 2)  – bekam Throckmorton anschließend zu hören, was man ihm vorwarf. Der Clerk las dazu das schriftlich, auf 73 74

75 76 77 78

Smith, De Republica Anglorum, 95. „Each court was scarcely out of earshot of the others, and speakers had to compete with the noise made by the throng of suitors, attorneys and shopkeepers”, so Baker, An introduction to English legal history, 34. Arlinghaus, Gesten, Kleidung und die Etablierung von Diskursräumen im städtischen Gerichtswesen (1350 bis 1650); Arlinghaus, Sprachformeln und Fachsprache. Auf die Bedeutung des Akustischen für die historische Forschung verweist Missfelder, Period Ear. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1105. Die Sprechhandlungen dieses Verfahrens werden im Folgenden nicht aus den State Trials, sondern aus dieser Chronik zitiert. Baker, The legal profession, 282.

50

1550–1650: Rhetorisches Regime

Pergament vorliegende Indictment vor. Diese Phase des Verfahrens nannte man arraignment.79 Der Begriff stammt aus dem Altfranzösischen (araisnement), der wiederum auf das mittellateinische adrationare zurückgeht und wörtlich mit ‚zur Rechenschaft ziehen‘ übersetzt werden kann. Beim Arraignment musste sich der Angeklagte zunächst im Wortsinn den Vorwürfen stellen und dann dazu Stellung beziehen. Denn als der Clerk mit der Verlesung des Indictments fertig war, lautete seine Frage What sayes thou to it, are thou guiltie or not guiltie? (Smith) bzw. Of al which Treasons and euery of them in Manner and Form, &c., art thou guiltie or not giltie? (Holinshed). Von dem Angeklagten wurde also ein Bekenntnis verlangt: schuldig oder nicht schuldig? Es handelte sich dabei um eine echte Entscheidungsfrage, die die Unterschiedlichkeit von Strafverfahren nach Common Law und Römischem Recht zeigte: War beim Inquisitionsprozess das Geständnis Ziel und Zweck der Prozedur und das wichtigste Beweismittel80, so unterschied sich der englische Prozess in zwei Punkten davon: Erstens stand die Aufforderung zum Bekenntnis – man sprach hier von pleading – am Beginn des Prozesses und zweitens ging es beim Pleading durchaus nicht um ein Schuldeingeständnis. Angeklagte durften nicht nur sagen: not guilty – was die Regel war: This plea of not guiltie is the most common and usual plea, that he which is arraigned of treason or felonie, hath to plead upon an indictment.81 Angeklagte wurden sogar vom Richter aktiv bestärkt, sich für not guilty zu bekennen.82 Man kann daran wichtige entscheidungspraktische Unterschiede zwischen Common Law- und Inquisitionsprozess feststellen: Während beim Inquisitionsprozess nur über absolute, vom Beschuldigten durch sein (wie auch immer erhaltenes) Geständnis selbst sanktionierte Gewissheiten geurteilt werden konnte, war der Common Law-Prozess von seinem Beginn an darauf angelegt, über unsicheres Wissen zu entscheiden. Während der Inquisitionsprozess in ernste Probleme geriet, wenn der Inquisit dauerhaft seine Schuld bestritt, war eine Unschuldsbehauptung für den englischen Prozess überhaupt kein Problem – zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens. Ein not guilty setzte den eigentlichen Prozess erst in Gang. Ein Unschuldsbekenntnis war nicht nur üblich, sondern auch moralisch indifferent: Es konnte auch dann abgelegt werden, wenn der Angeklagte zuvor bereits gestanden hatte oder auf frischer Tat ertappt worden war.83 Das Pleading besaß in erster Linie eine 79

80

81 82 83

When the Custos rotulorum hath brought forth their enditements, the Judges do name one or two or three of the prisoners that be endicted, whom they will have arraigned, so Smith, De Republica Anglorum, 97; allg. zu dieser Prozessphase Baker, The legal profession, 282ff. Zumindest gilt dies für das Untersuchungsverfahren im „dualen Inquisitionsprozess“, dazu Härter, Strafverfahren im frühneuzeitlichen Territorialstaat; Kleinheyer, Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit; Jerouschek, „Mit aller Schärpffe angegriffen und gemartert“. Pulton, De Pace Regis et Regni, 193. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 19. If he pleade not guiltie, as commonly all theeves, robbers, and murtherers doe, though they have confessed the fact before the Justice of the peace that examined them, though they be taken with the maner, which in Latine they call in flagranti crimine, howesover it be, if he pleade there not guiltie, the Clarke asketh him how he will be tryed, so Smith, De Republica Anglorum, 98.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

51

prozedurale, keine wahrheitsbezogene Funktion. Unabdingbar war nur, dass der Angeklagte die Frage guilty or not guilty tatsächlich beantwortete. Genau das verweigerte Throckmorton allerdings. Statt zu plädieren bat er darum, eine Erklärung abgeben zu dürfen: Maie it please you my lords and maisters, which be authorised by the queenes commission to be iudges this daie, to giue me leaue to speake a few words, which dooth both concerne you and me, before I answer to the indictement, and not altogither impertinent to the matter, and then plead to the indictment.84

Doch dieses Ansinnen wurde von Richter Bromley zurückgewiesen: No, the order is not so, you must first pleade whether you be giltie or no. Als Throckmorton das vom Richter befohlene Vorgehen als eine Art Sonderrecht interpretierte (If that be your order and law, judge accordingly to it), erklärte ihm der beisitzende Richter Nicholas Hare: You must first answer to the matter wherewith you are charged, and then you maie talke at your pleasure.85

Throckmorton entgegnete, er müsse das, was er zu sagen habe, jetzt sagen, denn things spoken out of place were as good not spoken. Man sieht daran, dass Throckmorton die spezifische Struktur des Verfahrens als Abfolge irreversibler „Passagepunkte“ bewusst war.86 Auch Angeklagte in späteren Hochverratsprozessen besaßen ein Gespür für die Macht der Verfahrensgeschichte mit ihren „points of no return“ (Thomas Scheffer)  – und versuchten sich dieser Macht mit unterschiedlichem Erfolg zu entziehen. In diesem Fall identifizierte Richter Bromley Throckmortons Einwände als dilatorisch und forderte ihn auf, ordnungsgemäß zu antworten: These be but delays to spend time, therefore answer as the law willeth you. Throckmorton fragte darauf scharfzüngig, woher denn die Eile komme, ob die Richter vielleicht schnell zum Essen gehen wollten. Damit spitzte sich der Konflikt immer weiter zu, doch am Ende gab Throckmorton klein bei – nicht ohne das Beharren auf die Erfüllung der Form als eine Art Redeverbot zu deuten: Throckmorton: My lords I praie you make not too much hast with me, neither thinke not long for your dinner, for my case requireth leasure, and you haue well dined when you haue doone iustice trulie. Christ said, Blessed are they that hunger and thirst for righteousnesse. Bromley:

84 85 86

I can forbeare my dinner as well as you, and care as little as you peraduenture.

Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1105. Ebd. Passagepunkte dienen dazu, „eine Sache oder einen Gegenstand unwiederbringlich fest[zu]legen, [zu] verengen und so für spezifische Verwendungen bereit[zu]stellen. Diese Nadelöhre fungieren als „points of no return“ und wirken derart performativ bzw. Welt erzeugend“, Scheffer, Die transsequentielle Analyse und ihre formativen Objekte, 91.

52

1550–1650: Rhetorisches Regime

Shrewsbury87: Come you hither to checke vs Throckmorton? We will not be so vsed, no no, I for mine owne part haue forborne my breakefast, dinner, and supper to serue the queene. Throckmorton: Yea my good lord I know it right well, I meant not to touch your lordship, for your seruice and pains is euidentlie knowne to all men.88 Southwell89:

Master Throckmorton, this talke néedeth not, we know what we haue to doo, and you would teach vs our duties, you hurt your matter: go to, go to.

Throckmorton: Master Southwell, you mistake me, I meant not to teach you, nor none of you, but to remember you of that I trust you all be well instructed in; and so I satisfie my selfe, sith I shall not speake, thinking you all know what you haue to doo, or ought to know: so I will answer to the indictement, and doo plead not giltie to the whole, and to euerie part thereof.90

Throckmortons Versuch, dem Bekenntnisbefehl auszuweichen und eine andere Äußerung in das Verfahren einzuspeisen als die offiziell verlangte, wird uns bei Prozessen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts immer wieder begegnen. Sehr wahrscheinlich hat der – durch den Druck von Holinsheds Chroniken weithin bekannte – Prozess sogar das Modell dafür abgegeben, dass auch andere Angeklagte auf die Aufforderung zum Pleading ausweichend zu antworten versuchten; nicht nur, aber vor allem bei Hochverrat. Das Arraignment wurde damit zum Ort, an dem der Angeklagte zum ersten Mal als engagierter Akteur in Erscheinung treten konnte. Unter Engagement verstehe ich mit Erving Goffman das Zusammenspiel von verbalem und körperlichgestischem Ausdruck, das Aufmerksamkeit erregt. Wer sich engagiert, sorgt für Präsenz durch das was er sagt und tut.91 In Interaktionssituationen ist Anwesenheit nicht schon einfach ein physisches Datum, sondern „eine soziale Konstruktion“.92 Anwesende Personen lassen sich ignorieren, etwa Diener bei Hofe. Engagements sind expressive Handlungen, die von anderen registriert werden und aktive Anwesenheit indizieren. Die Engagements von Angeklagten waren Kennzeichen des traditionellen Verfahrensregimes. Throckmortons Verweigerung des Plädoyers war nicht nur als ein solches Engagement, sondern auch eine erste Machtprobe zwischen ihm und seinen Richtern.93 87 88

89 90 91 92 93

George Talbot, 6. Earl of Shrewsbury (1522–1590), ein altgläubiger Vertrauter der Königin Maria, als Laienrichter Mitglied der Spezialkommission. Hier deutet sich ein Konflikt zwischen den Höflingen Shrewsbury und Throckmorton an. Shrewsbury war wohl zunächst Teil der Verschwörung, bevor er sich dann offensiv auf die Seite Marias stellte. Sir Richard Southwell, ein königlicher Geheimrat. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1105. Goffman, Interaktion im öffentlichen Raum, 49ff. Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 65f. Als Machtspiel hat dies bereits Patterson, Early modern liberalism, 103 gedeutet.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

53

Konflikte beim Pleading waren aber auch Konflikte um die Übernahme von Rollen. Durch die Aussprache der geforderten Worte fand ein „Persona-Wechsel“ statt94, bei dem die soziale Alltagsrolle von der verfahrenseigenen Rolle des Angeklagten abgelöst wurde. Indem sich der Akteur auf die vom Gericht verlangten Sprechakte festlegen ließ, leistete er zum ersten Mal „unbezahlte zeremonielle Arbeit“ für das Verfahren.95 Aller Widerspenstigkeit zum Trotz hatten die Verfahrensveranstalter damit einen Etappensieg errungen, der sich allerdings als wertlos erweisen konnte. Denn eine weitere Gelegenheit für Renitenz bot dem (nunmehr) Angeklagten bereits die nächste Frage: How wilt you be tried?96 die daran erinnerte, dass es neben dem trial by jury theoretisch auch das triall by battell gab97, das aber in Wirklichkeit nicht mehr als Alternative gewählt werden konnte. Die richtige Antwort lautete hier: by God and the Countrie, for these be the words formall of this triall after Inditement, and where the prince is partie.98 Throckmorton antwortet darauf nur kurz ausweichend und sagte dann die erforderlichen Worte. Zwar stand es dem Angeklagten frei, sich für schuldig oder für unschuldig zu bekennen. Nichts oder nicht das richtige zu sagen war allerdings keine Option. Wer die richtigen Worte verweigerte, wurde als schweigend (mute) eingestuft: If he will not aunswere, or not aunswere directly, guiltie or not guiltie, after he hath beene once or twise so interrogated, he is judged mute.99 In gewöhnlichen Prozessen musste ein Angeklagter dann mit einer Art Erzwingungsfolter rechnen, der (auf law french) so genannten peine forte et dure. Er wurde in ein Verließ gezerrt und auf dem Rücken liegend festgekettet. Auf seinen Bauch wurde ein Brett gelegt, das solange mit Gewichten beschwert wurde, bis der Angeklagte doch noch plädierte  – oder aber zerquetscht wurde.100 Der katholische Martyrologe und Publizist Richard Verstegan hat diese Praxis in seinem 1588 erschienene Theatrvm Crudelitatum Haereticorum Nostri Temporis polemisch als Kennzeichen des englischen Strafverfahrens visualisiert.101 Bei Hochverrat wurde die peine forte et dure aber nicht angewandt. Wer sich hier der Antwort entzog, wurde behandelt, als ob er sich schuldig bekannt hätte.102 Ein Beispiel dafür gibt es allerdings nicht. Vielmehr versuchten Richter und Kronanwälte in solchen Fällen mit bemerkenswerter Geduld, dem Angeklagten 94 95 96 97 98 99 100

101 102

Kittsteiner, Die Entstehung des modernen Gewissens, 335. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 114. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1105. Pulton, De Pace Regis et Regni, 194–196. Smith, De Republica Anglorum, 98. Ebd., 97. Baker, The legal profession, 283. Die kulturellen Hintergründe dieser Praxis, die noch bis ins 18. Jahrhundert von zahlreichen Angeklagten durchaus häufig in Kauf genommen wurde, hat jüngst McKenzie, „This death some strong and stout hearted man doth choose“ untersucht. Entgegen der älteren Ansicht, dass Angeklagte dies nur durchlitten hätten, um ihren Besitz vor der Konfiszierung durch die Krone zu retten, konnte McKenzie auch geschlechtsspezifische Gründe nachweisen. Vgl. unten, Abb. 11. Bellamy, The Tudor law of treason, 140. Unter Heinrich VIII., als es sich bei den Angeklagten in der Regel um Adlige und Höflinge gehandelt hatte, dürfte das Interesse an der Einziehung des Besitzes allerdings schon eine Rolle gespielt haben.

54

1550–1650: Rhetorisches Regime

die richtigen Worte zu entlocken. Schweigen als Urteilsgrund zu nehmen  – damit wurde zwar häufig gedroht. Auf die legitimierenden Effekte einer Verhandlung wollte man aber gerade bei Hochverrat nicht verzichten. Vor dem 19. Jahrhundert stand das Pleading unter dem Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten: Der Angeklagte konnte nur entweder schuldig oder unschuldig sein, aber nichts dazwischen. Man konnte sich nicht in einigen Punkten für schuldig, in anderen aber für nicht schuldig erklären.103 Im traditionellen Verfahren waren Teilbekenntnisse nicht justiziabel, vielmehr mussten am Ende auch die Geschworenen dichotomisch entscheiden und durften, genauso wie der Angeklagte, nur guilty oder not guilty sagen. Seine Antwort wurde protokolliert. Dabei drehten die Protokollanten dem Angeklagten aber das Wort im Munde herum: Denn seine Unschuldsbehauptung wurde auf dem Indictment mit einem cul.prit. vermerkt, which signifies first that the prisoner is guilty, (cul. Culpable, or culpabilis) and then that the king is ready to prove him so; prit, praesto sum, or paratus verificare, wie William Blackstone später erläuterte.104 Das Kürzel stand also für das institutionelle Misstrauen gegenüber dem Angeklagten, das dem Strafverfahren seit der Regierungszeit Maria Tudors explizit innewohnte.105 Dieses Verfahren wurde, wie John Langbein betont hat, im wortwörtlichen Sinne gegen den Angeklagten geführt. Die Idee, dass es die Pflicht der Anklage war, die Richtigkeit ihrer Behauptungen zu erweisen, konnte sich bei einer solchen Verfahrenskonzeption nicht durchsetzen. Das Prinzip der Unschuldsvermutung musste sich erst noch entwickeln.106 Der Angeklagte musste zeigen, dass er nicht schuldig war. 5. „THE PARTIE INDITED SHALL NOT HAUE COUNCELL LEARNED IN THE LAW“: ZUM ANWALTSVERBOT IM TRADITIONELLEN VERFAHREN UND SEINEN BEGRÜNDUNGSWEISEN Pleading not guiltie heißt auch ein Kapitel in Pultons De pace regis.107 Dort stellte der Strafrechtsexperte fest, dass der Angeklagte persönlich plädieren müsse – and not by atturney, or councel learned. Immerhin gehe es beim Pleading um Tatsachen (this plea of Not guiltie doth tend to the fact), und da der Beschuldigte diese Tatsachen (facts) selbst am besten kenne, könne er auch am besten dazu Stellung beziehen (and therefore hee can best make answer unto it). Gelehrte Anwälte würden bei diesem Moment der Wahrheit nur stören: it may be that they woulde be so couert in their speeches, and so shadow the matter with words.108 103 104 105 106 107 108

Entsprechende Versuche für das frühe 16. Jahrhundert dokumentiert Bellamy, The Tudor law of treason, 138f. Blackstone, Commentaries, IV 339. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 43. Langbein, Torture and plea bargaining. Pulton, De Pace Regis et Regni, 192. Ebd.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

55

Wir begegnen hier dem in der englischen Frühneuzeit populären Topos vom Anwalt, der durch seine Rhetorik die Wahrheit verdreht.109 Genau genommen waren Anwälte nicht nur beim Pleading verboten, sondern während des ganzen Prozesses. Pulton führte dies auf ihre rhetorischen Künste zurück, die die Beweise verwässern (attenuate the proofs and euidence) und verhindern, dass die Wahrheit ans Licht komme: it would be hard, or long to haue the truth appeare. Er gestand dem Angeklagten zwar das Recht ein, sich von dem vorgeworfenen Delikt zu distanzieren, also seine Unschuld zu behaupten (he may estrange himselfe from the offence), aber er musste dies auf sich allein gestellt tun: shall answer in his owne person, and not by councell learned.110 Auch das Anwaltsverbot war Resultat einer historischen Entwicklung. Dass ein Angeklagter keinen Anwalt hatte, fiel erst auf, als die Gegenseite anwaltlich vertreten war. Das war aber nicht vor dem 15. Jahrhundert und nur bei Hochverrat der Fall.111 Die Verfahrensveranstalter wollten diese einseitige, zu ihren Gunsten ausschlagende Form der juristischen Professionalisierung des Verfahrens so weit wie möglich konservieren und suchten dafür nach brauchbaren, öffentlich kommunizierbaren Begründungen.112 Diese fand man u.a. in einer Art Theorie der paraverbalen Kommunikation: Demnach würde sich bei jeder Aussage das Gewissen ins Spiel bringen und die Wahrhaftigkeit des Gesagten durch Zeichen sichtbar bestätigen oder bestreiten. Bei einem Anwalt als Fürsprecher könnten sich solche Zeichen aber nicht zum Ausdruck bringen. In den Worten von Pulton: Also if the partie himselfe defend it, peraduenture his conscience will pricke him to utter the truth, or his countenance, or gesture will shew some tokens thereof, or by his simple speeches some what may be drawne from him to bolt out the veritie of the cause, which would not be wonne of men learned in the law, who indeavour to speak prouidently, and artificially, which be the causes that the offendor shall answer in his owne person, and not by councell learned.113

Das Gewissen fungierte also wie ein Lügendetektor. Im Falle einer Falschaussage sonderte es unweigerlich bestimmte körperliche Zeichen ab.114 Wer lügt, der 109

110 111

112

113 114

Der Topos war eigentlich eher bei den protestantischen Theologen (und am Ende des 18. Jahrhunderts bei den Radikalen) zu finden; Pulton war ja selber Anwalt; zur theologischen Anwaltskritik vgl. Shapiro, Political theology and the courts. Pulton, De Pace Regis et Regni, 192. Bei gewöhnlichen Strafverfahren musste der Geschädigte selbst die Klage vorbringen; das änderte sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, dazu Langbein, The origins of public prosecution; Lemmings, Criminal trial procedure. Dass Anwälte für den Erfolg bei Prozessen ausschlaggebend waren, war durch die Zivilprozesspraxis bekannt, bei der Anwälte auf beiden Seiten zugelassen waren, vgl. Bellamy, The Tudor law of treason, 142. Pulton, De Pace Regis et Regni, 193. Langbein, The criminal trial before the lawyers. Alois Hahn hat darauf hingewiesen, „daß in fast allen Gesellschaften […] Interpretationen zur Verfügung stehen, die die körperliche Funktionsstörung als Text werten, der unfreiwillig Auskunft über eine vorher verborgene Wahrheit gibt“, Hahn, Konstruktionen des Selbst, der Welt und der Geschichte, 359.

56

1550–1650: Rhetorisches Regime

stottert, gestikuliert, schwitzt, wird fahrig oder rot.115 Solche Zeichen konnte man jedoch nur dann erkennen, wenn der Angeklagte unmittelbar und ohne Stellvertreter befragt wurde. Noch der Strafrechtsexperte William Hawkins (1681–1750) lehrte in seinem einflussreichen Kompendium Pleas of the Crown von 1721, dass the very Speech, Gesture and Countenance, and Manner of Defence of those who are Guilty, when they speak for themselves may often help to disclose the truth, which probably would not so well be discovered from the artificial defence of others speaking for them.116 Bei den Prozessen im rhetorischen Zeitalter waren Körperzeichen tatsächlich wichtig – auch wenn sich nicht zeigen lässt, dass sie derart entscheidend gewesen wären, wie dies in der juristischen Theorie behauptet wurde.117 Es handelte sich dabei aber, wie wir sehen werden, nicht nur um einen weiteren Topos. Ein Wort noch zum Anwaltsverbot: Viel interessanter als die Feststellung, dass Angeklagte bei Hochverrat bis 1696 allein vor den Schranken der Justiz standen (in gewöhnlichen Verfahren noch viel länger118), ist die Frage, wer das wann mit welchen Absichten und mit welcher Resonanz zum Thema gemacht hatte. Nicht jede Klage über fehlenden Rechtsbeistand war eine dringliche Bitte um einen solchen, und die Thematisierung von Anwaltslosigkeit war nicht schon der Beginn einer anhaltenden Debatte darüber. Damit konnten vielmehr situative Selbstdarstellungsabsichten verbunden sein. Vor der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Verbot wiederum so gut wie gar nicht zum Thema gemacht, jedenfalls nicht durch die Angeklagten.119 Erst am Ende des 17. Jahrhunderts wurde es in einer Art und Weise skandalisiert, dass sich darin die Krise des traditionellen Verfahrens manifestierte – aber auch dann kam es darauf an, wer das Anwaltsverbot anprangerte. 6. ENTSCHEIDBARE SPRACHE: DAS INDICTMENT Der Text des Indictments bei Throckmorton, zumindest wie es bei Holinshed überliefert wurde, lautete: 115

116 117

118

119

Es handelt sich dabei um ein juridisches Wissen, das zuerst im mittelalterlichen Römischen Recht für das Zeugenverhör entwickelt worden war, dazu allg. Schneider, Die Beobachtung des Zeugen nach Artikel 71 der Carolina; Niehaus, Das Verhör, 242–264. Hawkins, A treatise of the pleas of the crown, 2. Im Unterschied zu den Vehören im Rahmen des Inquisitionsverfahrens wurden Körperzeichen im Common Law-Prozess nicht von Seiten der Anklagevertreter protokolliert und als formale Indizien gewertet. Selbst in den Schlussplädoyers der Kronanwälte wurden Körperzeichen so gut wie nie zum Thema gemacht. Das Wissen um die Körperzeichen gehörte im Common Law zum impliziten Wissen. Für die Inquisitonsverhöre vgl. dazu Niehaus, Das Verhör, 242ff. Während neue Forschungen zeigen, dass Anwälte in gewöhnlichen Prozessen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts für den Angeklagten Kreuzverhöre durchführten, so war es doch bis zum Prisoner’s Counsel Act von 1836 nicht erlaubt, dass sie auch die Schlussreden hielten – und gerade darauf kam es nicht selten an, dazu Beattie, Scales of justice. Der Jesuit Robert Persons nahm das Anwaltsverbot in einer Flugschrift als Indiz für die Hinterlistigkeit der englischen Strafjustiz, vgl. Bellamy, The Tudor law of treason, 142.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

57

Nicholas Throckmorton knight hold vp thy hand, thou art before this time indicted of high treason, &c: that thou then and there didst falselie and traitorouslie, &c: conspire and imagine the death of the quéenes maiestie, &c: and falselie and traitorouslie diddest leuie warre against the quéene within hir realme, &c: and also thou wast adherent to the quéenes enimies within hir realme, giuing to them aid and comfort, &c: and also falselie and traitorouslie diddest conspire and intend to depose and depriue the quéene of hir roiall estate, and so finallie destroie hir, &c: and also thou diddest falselie and traitorouslie deuise and conclude to take violentlie the tower of London, &c. Ofall which treasons and euerie of them in maner & forme, &c: art thou giltie or not giltie?120

Der Anklagetext war in diesem Fall noch sehr schlicht. Er wiederholte im Wesentlichen den Wortlaut des Hochverratsstatuts von 1351, angereichert mit Topoi des bösen Vorsatzes: didst falsly and traiterously, &c. conspire, die gleichzeitig auch andeuteten, dass man den Verrat als Folge einer Verschwörung (conspire) ansah. Diese Unterstellung konspirativer Umtriebe sollte ebenso ein klassischer Topos des frühneuzeitlichen Anklagenarrativs werden wie der Vorwurf, den Tower of London besetzen zu wollen. Das für das Hochverratsgesetz zentrale Kriterium der Imagination des Königinnenmords wurde durch den Vorwurf der Beteiligung an der Rebellion konkretisiert, und zwar mit der Wendung that thou […] falſly and trayterouſly didſt leuie warre againſte the Q. within hir Realm. &c. and alſo, thou waſt adherente to the Queenes enimies within hir Realm giuing to them ayde & comfort. Im späteren 16. Jahrhundert kamen weitere Topoi der Boshaftigkeit hinzu, sowie der Teufel, der den Hochverrat angestiftet haben soll. Der Rekurs auf den Teufel war kein mittelalterliches Relikt, sondern eine Zutat des 16. Jahrhunderts unter konfessionellen Vorzeichen. Der Teufelsglaube erlebte im englischen Protestantismus eine neue Blüte, wobei angenommen wurde, dass insbesondere die Glaubensschwachen – und das waren Hochverräter allemal – für diabolische Verführungen anfällig waren.121 Das Indictment, das beim Prozess vom Clerk laut verlesen wurde, diente allerdings nicht (primär) dazu, den Angeklagten, die Geschworenen oder das Publikum über den Fall zu informieren. Dazu war es (später) viel zu lang und für Laien in seiner Wortwahl viel zu hermetisch, in seiner Grammatik viel zu ungewöhnlich und in seinem Aufbau viel zu redundant (selbst wenn es vom Clerk auf Englisch vorgetragen wurde). Es gab Angeklagte, die darum baten, es noch einmal hören zu dürfen, weil sie es beim ersten und auch beim zweiten Mal nicht verstanden hatten. Erst ab 1696 hatten sie das Recht auf eine Abschrift, vorher blieb ihnen nichts als Zuzuhören. Die Angeklagten wurden durch das Indictment, das sie vor Gericht zum ersten Mal hörten, in erster Linie irritiert oder sogar erschüttert, und das war wohl Absicht. Die Verlesung des Indictments, seiner Semantik des Verrats und den Schreckensbildern war selbst schon eine Art Machtdemonstration. Der Angeklagte 120 121

Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1105. Johnstone, The devil and demonism in early modern England, 184ff.

58

1550–1650: Rhetorisches Regime

wurde mit einer ganzen Fülle von Anschuldigungen überschüttet, ohne ihm jedoch das Recht zur Einrede bei einzelnen Punkten oder Differenzierungen zu gestatten. Für nicht wenige Angeklagte war das unerträglich, und deshalb, und nicht aus reiner Renitenz, meldeten sie nach der Verlesung so häufig Gesprächsbedarf an, statt, wie gefordert, zu plädieren. Im Übrigen erfüllte dieser Text vor allem Funktionen für das Verfahren als Entscheidungsprozess, insofern es den ‚Fall‘ in eine „entscheidbare Sprache“ überführte.122 Nicht das Verständlichmachen des Falls für Laien war der Sinn des Indictments, sondern die Herstellung von Entscheidbarkeit.123 Es handelte sich (in erster Linie) um einen Text für das Verfahren, nicht für das Publikum, nicht einmal für die Geschworenen. Diese Entscheidbarkeit wurde bezeichnenderweise vom Angeklagten selbst sanktioniert, insofern er genötigt wurde, sich im Sinne der Anklage für schuldig oder nicht schuldig zu bekennen und damit eine Vorentscheidung zu treffen, die dann im nachfolgenden Prozess gleichsam zur Revision gestellt wurde. Wenn die Geschworenen am Ende des Verfahrens über Schuld oder Unschuld entschieden, dann handelte es sich dabei um einen selbstreferenziellen Akt.124 7. DIE JURY Das Pleading wurde mit einem weiteren Sprechakt des Clerks abgeschlossen. Hatte der Angeklagte Not guilty gesagt und By God and the Countrie, dann antwortete der Clerk: Thou hast beene endicted of such a crime, &c. Thou hast pleaded not guiltie: being asked how thou wilt be tryed, thou hast aunswered by God and by the Countrie. Loe these honest men that be come here, be in the place and stead of thy Countrie: and if thou hast any thing to say against any of them, looke upon them well and nowe speake, for thou standest upon thy life and death.125

Der Clerk rekapitulierte also zunächst einmal den bisherigen Verfahrensverlauf, und zwar unter Einschluss der letzten Erklärungen des Angeklagten. Da sich der Angeklagte entschieden hatte, seine Unschuldsbehauptung vor seinem ‚Land‘, also vor seinen Standesgenossen, auf die Probe stellen zu lassen – nichts anderes bedeutet tryal – mussten als nächstes Vertreter des Landes hinzugezogen werden, also die Zwölf Geschworenen. Zugleich belehrte die Erklärung darüber, dass gegen die Kandidaten Einwände erhoben werden durften (if thou hast any thing to say against

122 123

124 125

Seibert, Gerichtsrede, 143. Dazu mit Blick auf das 19. Jahrhundert Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 496f. Insofern weist die Textlogik des Indictments Ähnlichkeiten zur Urteilsbegründung im modernen Prozess auf, die auch in erster Linie an die nächst höhere Instanz und weniger an die Betroffenen oder das Publikum adressiert ist. Seibert, Gerichtsrede, 145f. Smith, De Republica Anglorum, 98.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

59

any of them), aber die Einwände sogleich und nicht später geltend gemacht werden mussten: and nowe speake. Die Jury, die bekannteste und namensgebende Institution des anglo-amerikanischen Strafverfahrens (trial by jury), war während der gesamten Frühneuzeit Gegenstand zahlreicher Traktate, die man jedoch stets als „ideas in context“ (Q. Skinner) sehen muss. Wer über die Jury schrieb, artikulierte sich damit fast immer in einer laufenden politischen Debatte. Gewöhnlich ging es den Verfassern beim Lob der Jury tatsächlich um die Verteidigung basaler Rechtsansprüche gegenüber einer als willkürlich dargestellten Obrigkeit. Insofern ist es wenig sinnvoll, anhand von Texten über die Jury aus dem späten 17. Jahrhundert die Ausgangssituation in der Mitte des 16. Jahrhunderts zu klären.126 Doch wenn sich auf diese Weise allmählich so etwas wie eine Jury-Ideologie zusammensetzte, dann lagen um 1550 mit John Fortescues Rechtslob schon wichtige Bausteine dazu vor. Bei Forstescue war die Jury der Inbegriff der Vortrefflichkeit des englischen Rechts gegenüber dem kontinentalen Ciuile law. Dort werde eine strittige Sache (a  matter of controuersie) aufgrund der Aussage zweier Zeugen entschieden  – Fortescue verweist hier auf die so genannte gesetzliche Beweistheorie.127 Im englischen Recht aber the truthe of the matter cannot appier euident to the juge without the othes of xii men neighbours to the place wheree such a dede is supposed to be done.128 Für die Geschworenen des späten Mittelalters war die Vertrautheit mit der zur Verhandlung stehenden Sache und eine (sogar persönliche) Bekanntschaft mit dem Angeklagten ein Selektionskriterium – im Unterschied zu heute.129 Diese Geschworenen im älteren Sinne hörten keine Zeugen, sie waren selbst die Zeugen. Diesen Charakter als Experten für den jeweiligen Fall verloren die Geschworenen im 16. Jahrhundert. Der Verdacht der Voreingenommenheit war bei Smith ein klarer Grund dafür, einen Kandidaten abzulehnen.130 Throckmorton – und das weiß man aus den Gerichtsakten, denn so etwas protokollierten die Schreiber – lehnte zehn Kandidaten ab.131 Davon ist bei Holinshed allerdings nichts zu lesen. Hier wiesen vielmehr die Kronanwälte zwei Kandidaten ab. Das war, wie im Fall des Angeklagten, ihr gutes Recht. Throckmorton meinte allerdings, die Kronanwälte dabei flüstern zu hören: I like not this iurie for our purpose, they séeme to be too pitifull and too charitable to condemne the prisoner.132 Eine offizielle Begründung für die Ablehnung verweigerten die Kronanwälte aber – und das durften sie, ebenso wie auch ein Angeklagter dafür keine Gründe liefern musste. 126 127 128 129 130

131 132

Selbst die Handbücher für Geschworene waren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in aller Regel politisiert, vgl. dazu Schwoerer, Law, liberty, and „jury ideology“. Vgl. dazu differenzierend Lepsius, Von Zweifeln zur Überzeugung; Lepsius, Der Richter und die Zeugen. Fortescue, A learned commendation, Cap. 20, fol. 42 v. Green, Verdict according to conscience; Klerman, Was the jury ever self-informing?. […] for the most part the prisoner can say nothing against them, for they are chosen but for that day, and are unknowen to him, nor they know not him, Smith, De Republica Anglorum, 98. Bei gewöhnlichen Verfahren wurde das nur selten praktiziert. TNA KB 8/29. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1105.

60

1550–1650: Rhetorisches Regime

Abgelehnt werden – to challenge war dafür der englische Ausdruck – durften bis zu sechsunddreißig Kandidaten.133 In den Hochverratsfällen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts schöpften die Angeklagten dieses Recht nicht selten voll aus, weswegen der Sheriff, der für die Rekrutierung der Jury zuständig war, für ausreichend Kandidaten zu sorgen hatte. Schon bei Throckmorton zeigte sich, dass auch das challenging Anlass für Konflikte bot. Insofern sollte man darin nicht allein einen Beitrag zu mehr Verfahrensgerechtigkeit sehen, sondern auch eine weitere Gelegenheit für den Angeklagten, tatkräftig am Verfahrensgang mitzuwirken. Wenn er dieses Recht in Anspruch nahm, bestätigte der Angeklagte einmal mehr die Spielregeln der Entscheidungsherstellung – und sich selbst in seiner Rolle. Zudem passierte er einen weiteren Passagepunkt der Verfahrensgeschichte, hinter den er nicht mehr zurückfallen konnte. Unter dem traditionellen Verfahrensregime bedeutete das challenging für den Angeklagten einen Reaktionstest. Denn er konnte seine Ablehnung nur zum richtigen Zeitpunkt aussprechen: nachdem ein Kandidat namentlich auf- und bevor er zum Schwur auf die Bibel hervorgerufen wurde. Hatte der Juror erst einmal seinen Eid abgelegt, konnte er nicht mehr ausgeschlossen werden. Dabei wussten die Angeklagten vor 1696 nicht, welche Geschworenenkandidaten überhaupt ausgewählt worden waren. Sie mussten daher im Moment des Aufrufs geistesgegenwärtig reagieren. Auch auf die Reihenfolge des Aufrufs hatten die Angeklagten keinen Einfluss. Ausgelost wurde die Reihenfolge erst im 19. Jahrhundert – bevor dann die Jury selbst per Los ausgewählt wurde. Die Frage, ob eine Jury ‚gekauft‘ war, wurde in Zweifelsfällen oft von den Zeitgenossen selbst zum Thema gemacht und soll daher an Ort und Stelle untersucht werden. Dass gekaufte Juries aber ein Merkmal der Hochverratsprozesse gewesen wären, lässt sich nicht sagen, das zeigen allein schon die gar nicht so seltenen Freisprüche. Auch die Berufung und die Vereidigung der Jury, endete mit rituellen Schlussund Überleitungssprüchen des Gerichtsdieners und des Rufers: The clarke saith to the cryer,  countes, (in French as ye would say recken) and so nameth all those that be on the quest. The crier at everie name cryeth aloude, one, then ii. iii. iiii. and so till the number be full of xii. or more, and then saith good men and true: and then sayth aloude: If any can give any evidence, or can saie any thing against the prisoner, let him come nowe, for he standeth upon his deliverance.134

Der Gerichtsdiener nannte also die Namen der Geschworenen, während der Rufer sie zählte. Dann eröffnete der Rufer die Hauptverhandlung und forderte Beweise gegen den Angeklagten – der fortan schlicht prisoner genannt wurde.135

133 134 135

Das war bereits unter Heinrich VIII. so statuiert worden, vgl. Baker, The legal profession; Pulton, De Pace Regis et Regni, 201ff. Smith, De Republica Anglorum, 98. Ebd.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

61

8. DIE UNBESTIMMTHEIT DER HAUPTVERHANDLUNG Während sich Arraignment, Pleading und Challanging als Kette von ineinandergreifenden Ritualen und Sprechakten beschreiben ließen, halten sich unsere Gewährsleute für das 16. Jahrhundert zurück, wenn es um die Beschreibung jener zentralen Sequenz des Verfahrens geht, die in der modernen deutschen Strafprozessordnung Hauptverhandlung und im Common Law trial genannt wird. Bei Pulton stand der Begriff trial bzw. triall by the countrie für den Schwurprozess insgesamt – im Unterschied zum Zweikampf (triall by battell) und dem für die Mitglieder des Oberhauses reservierten triall by peeres. Die Sequenz nach dem Auftakt bezeichnet er als euidence, weil es nun darum ging, dem Angeklagten konkret etwas zur Last zu legen, damit er schuldig gesprochen werde: When a prisoner is indicted of treason, of felony, hath pleaded not guilty, is therupon arraigned, and finished his challanges, then euidence is to be giuen against him to proue him guilty.136 Ein Zeugenbeweis war damit nicht notwendig gemeint. Bei Smith fielen unter evidence auch good ensignes, die der Ankläger damit geben konnte, indem er sagte: I knowe thee well ynough, thou robbedst mee in such a place, thou beatest mee, thou tookest my horse from mee, and my purse, thou hadst the such a coate, and such a man in thy companie.137 Eindeutige Regeln zur Evaluation dieser Vorwürfe, wie sie für das moderne Verfahren üblich sind, gab es in der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht. Als Reaktion auf die Vorwürfe folgte vielmehr ihre schiere Negation durch den Angeklagten, und diese Negation führte zu einem Konflikt (altercation): The thief will say no, and so they stand a while in altercation.138 Über den Austrag dieses Konflikts (altercation) konnte Smith allerdings nichts sagen, weil es dafür ebensowenig Regelungen gab wie für die Beweisführung. Im traditionellen Verfahrensregime war diese Sequenz (die ich von nun an hilfsweise mit dem Begriff ‚Hauptverhandlung‘ bezeichnen will) im besonderen Maße eine „Matrix möglicher Ereignisse“ und Verhaltensweisen.139 Die weitere Ausdifferenzierung des Verfahrens hatte im wesentlichen Auswirkungen auf die Ausgestaltung dieser Sequenz, vor allem durch eine Reduktion „möglicher Verhaltensweisen so weit, dass es möglich wird […], einzelne Systeme in Gang zu bringen, ihre Thematik und ihre Grenzen zu definieren und den Beteiligten bewusst zu machen“.140 136 137 138

139 140

Pulton, De Pace Regis et Regni, 205. Smith, De Republica Anglorum, 98. Ebd., 100. Der Begriff altercation (wörtlich: Disput, Wortgefecht) diente zuerst Quintilian (ca. 35– 96 n. Chr.) dazu, den im römischen Prozesswesen unüblichen und deswegen in der antiken Rhetorik der monologischen Gerichtsrede nicht beachteten agonalen Wortwechsel der Parteien vor Gericht zu beschreiben: Vor allem in zweifelhaften Fällen komme es am Ende eines Prozesses „zum erbittertsten Kampf, und nirgends wird, möchte ich sagen, mehr mit der blanken Waffe gefochten“ (zit. n. Niehaus 2003: 90). Fechtwaffen waren hier eine Metapher für die Schärfe des Wortwechsels, doch um diesen gewinnbringend zu führen, hielt Quintilian nicht zufällig Interaktionsqualitäten für erforderlich, die auch beim gewaltsam ausgetragenen Kampf nötig waren, wie „Schnelligkeit und Beweglichkeit, Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit“, Niehaus, Das Verhör, 90. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 45. Ebd., 42.

62

1550–1650: Rhetorisches Regime

Von der Möglichkeit thematischer Engführung durch eine „Begrenzung des Sagbaren“ (W. Steinmetz) war man um 1550 aber noch ebensosehr entfernt wie von einer Kontrolle der Redezüge durch richterliche Moderation.141 In modernen Verfahren sind Gesprächsinitiativen (weitgehend) formal geregelt. Man wartet also darauf, dass einem das Wort vom Richter erteilt wird.142 Bei der altercation des traditionalen Verfahrens wurde Redebedarf hingegen situativ angemeldet und durchgesetzt. Das verlieh diesem Streit eine für die Richter bisweilen nur schwer zu kontrollierende Dynamik. Auch bei Holinsheds Throckmorton stellte sich die Hauptverhandlung als Austausch unmittelbarer kontradiktorischer Behauptungen dar. Als ihm Kronanwalt Stanford z. B. vorwarf, ein principall deuiser, procurer, and contriuer of the late rebellion gewesen zu sein, entgegnete Throckmorton: No, I did not so, prooue it.143 Das versuchte Stanford dann auch, und zwar durch die Verlesung der Aussage eines William Winter, die dieser vor Friedensrichtern zu Protokoll gegeben hatte. Ein solches Vorgehen war neu und erst kurz zuvor gesetzlich vorgeschrieben worden: Bee yt therefore enacted […] That from hensforthe suche Justices or Justice before whom any person shalbee brought for Manslaughter or Felony, or for suspicion therof, before hee or they shall committ or sende suche Prisoner to Warde, shall take thexaminacion of suche Prisoner, and informacion of those that bring him, of the facte and circumstance therof, and the same or asmuche therof as shalbee materiall to prove the Felonye shall put in writing, within twoo dayes after the said examinacion […].144

Diese Protokolle von Aussagen, die unter Eid vor einer vereidigten Amtsperson abgelegt worden waren, nannte man depositions. Es handelte sich bei den Depositionen damit gleichsam um vereidigtes Papier, das den Kronjuristen als ein besonders gewichtiges Beweismittel vorkam. Kronanwalt Stanford resümierte nach der Verlesung erst triumphierend: Now my masters of the iurie, you haue heard my saiengs confirmed with Winters confession, versuchte aber dann, Throckmorton dazu zu bringen, die Wahrheit der deponierten Aussage selbst zu bestätigen, verbunden mit der Drohung, Winter andernfalls persönlich aufzurufen: How saie you Throckmorton, can you denie this, if you will, you shall haue Winter iustifie it to your face.145 Diese Passage zeigt, dass in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Anhörung von Zeugen noch überhaupt nicht obligatorisch war. Noch Fortescue hatte darauf bestanden, dass Zeugen im Common Law (anders als in den kontinentalen ciuile lawes) nicht den Ausschlag gäben, sondern vielmehr der Wahrspruch der

141 142 143 144 145

Zur Rolle des Richters als Moderator der Redeordnung im englischen Zivilprozess des späten 19. Jahrhunderts vgl. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 476f. Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 50f. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1106. 2 & 3 Phil. & Mar. c. 10 (1555). Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1106.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

63

Geschworenen.146 Das änderte sich nach 1500 zwar, aber nur allmählich. Zeugenaussagen standen als forensische Praxis zu dieser Zeit vielmehr neben dem Streitgespräch (altercation) zwischen Anklägern und Angeklagtem. Die Depositionen waren wiederum auch dazu gedacht, persönliche Auftritte der Zeugen zu vermeiden. Sie dokumentierten nicht nur einen ‚frischen‘ Wissensstand zeitig nach der Tat.147 Mittels der Depositionen konnte man zudem nur die Aussagen, nicht aber die Zeugen selbst zur Sprache bringen. Das war dann sinnvoll, wenn zu befürchten stand, dass der Zeuge seine Aussage modifizieren oder gar widerrufen könnte. Denkbar war auch, dass ein Kronzeuge im Angesicht seines ehemaligen, nunmehr angeklagten Komplizen unsicher wurde. Damit rechneten die Kronanwälte bei Sir James Croftes. Croftes hatte zu den Rebellen gehört, war dann aber zum Kronzeugen gemacht worden. Throckmorton protestierte allerdings gegen die Verlesung seiner Deposition und wollte wissen, warum Croftes denn nicht persönlich erscheine: Master Crofts is yet liuing, and is heere this daie, how happeneth it he is not brought face to face to iustifie this matter, neither hath beene of all this time?  […] Will you know the truth? Either he said not so, or he will not abide by it, but honestlie hath reformed himselfe.148 Tatsächlich sahen die Ankläger davon ab, Croftes Deposition zu verlesen oder gar den Zeugen selbst vorzuladen. Womöglich fürchtete man, dass der persönliche Auftritt des Zeugen der Glaubhaftigkeit seiner eigenen Aussage schaden konnte. Bei einer anderen Deposition machten die Kronanwälte ihre Drohung wahr und riefen den Zeugen Cuthbert Vaughan persönlich auf. Dabei ging es allerdings nicht darum, ihn zu befragen. Vielmehr sollten die Geschworenen und das Publikum so von Vaughans untadligem Charakter überzeugt werden, den Throckmorton zuvor in Frage gestellt hatte. Tatsächlich aber spielte Vaughan, kaum dass er die Bühne betreten hatte, auch schon keine Rolle mehr, weil Throckmorton ihn ignorierte und stattdessen zu seiner Verteidigung ansetzte. Dabei gelang es ihm nicht nur, in dieser Situation die Initiative zu ergreifen und über den Ablauf des Verfahrens zu verfügen. Er setzte auch eine bestimmte Sprache durch, wenn er die Verlesung der Depositionen mit einem Kommentar des Kirchenvaters Hieronymus über die falschen Zeugen bei der Vorführung Jesu vor dem Hohen Rat kritisierte: But now I will speake of Uaughans present estate in that he is a condemned man, whose testimonie is nothing worth by anie law. And bicause false witnesse is mentioned in the gospell, treating of accusation, hearke I praie you what S. Ierome saith, expounding that place. It is demanded whie Christs accusers be called false witnesses, which did report Christs words not as he spake them. They be false witnesses 146

147 148

If they that haue a matter of controuversie depending before a Juge come to the contestation of the suite vpon the matter of the deed which the lawyers of England call the issu[e] of the plea, the truth of such an issue by the ciuile lawes must be tryed by the deposition of witnesses, wherein ii. allowable witnesses are sufficient. But by the lawes of England the truthe of the matter cannot appier euident to the Juge w[ith]out the othes of xii. men neighbours to the place where such a dede is supposed to be done, Fortescue, A learned commendation, Cap. XX, fol. F.iii. Pulton, De Pace Regis et Regni, 205. 1 ST 876.

64

1550–1650: Rhetorisches Regime

saith S. Ierome, which doo ad, alter, wrest, double, or doo speake for hope to auoid death, or for malice to procure another mans death: for all men maie easilie gather he cannot speake truelie of me, or in the case of another mans life, where he hath hope of his owne by accusation. Thus much speaketh S. Ierome of false witnesse.149

Die Frage, welche ‚Sprache‘ im Sinne von John Pococks „political language“ vor Gericht durchgesetzt werden konnte, sollte sich immer wieder als Machtfrage erweisen.150 Während Richter und Anklagevertreter eine juristische – und das heißt: eine auf Entscheidbarkeit hin angelegte – Sprache zu erzwingen suchten151, probierten sich die Angeklagten in biblizistischen Sprachen oder rekurrierten, wie im Fall von John Lilburne (1649), Algernon Sidney (1683) oder Henry Hunt (1820), auf das Vokabular aus ihren politischen Theorien. Das Streitgespräch (altercation) im Throckmorton-Prozess erschöpfte sich also nicht in einem Wechselspiel aus Beschuldigungen und Zurückweisungen. Es stellte sich vielmehr als elaborierte Kommunikation dar, fast schon wie eine gelehrte Disputation. Und dabei war es Throckmorton, der über die Agenda bestimmte. Nach der Auseinandersetzung über die Zeugen und ihre Depositionen stritt er mit Richtern und Kronanwälten über die Zulässigkeit der Anklage überhaupt. Immerhin habe die Königin in ihrem letzten Parlament (1553) jene Hochverratsgesetze aufgehoben, die der Anklageschrift zugrunde lägen. Throckmorton verlangte, den Wortlaut dieses Reformgesetzes vorzulesen. Daraus wäre hervorgegangen, dass bloße Worte keinen Beweis für Hochverrat darstellten.152 Als die Richter diesen Vorstoß zurückwiesen, zitierte Throckmorton das Gesetz aus dem Kopf. Damit legte er die brüchige Anklagestrategie der Kronanwälte vor Geschworenen und Publikum offen, was zu einer indignierten Reaktion des Richters Bromley in Richtung der Kronanwälte führte: Why doo not you of the quéenes learned councell answer him?153  149

150 151

152

153

Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1108. Der Hl. Hieronymus bezog sich bei seinem Kommentar auf Mt 26, 59: Die Hohenpriester aber und der ganze Hohe Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen; und sie fanden keins, obwohl viele falsche Zeugen herzutraten. Zum Konzept der politischen Sprache pointiert zuletzt Pečar, Macht der Schrift, 4ff. In Anlehung an Conley und O’Barr hat Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 501, von einem „regelorientierten Diskurs“ gesprochen, wenn es sich um eine Redeweise handelt, „die sich nur auf solche Zusammenhänge und Fakten konzentriert, die nach den juristischen Kategorien […] zentral sind“. Davon unterschieden wird der „beziehungsorientierte Diskurs“, der „vor allem auf persönliche Statusfragen und soziale Beziehungen im Zusammenhang mit dem Konflikt abhebt“. Eine andere ‚Sprache‘ ließ sich in der Prozesspraxis des späten 19. Jahrhhunderts offenbar nicht mehr sprechen. Dazu Elton, The law of treason in the early Reformation; Thornley, Treason by words in the fifteenth century. Das Hochverratsgesetz der Königin Maria, das erste Gesetz ihrer Regierung überhaupt, brach nicht nur mit der väterlichen Kirchenpolitik, die gerade auch auf der Hochverratsgesetzgebung gegründet worden war, sondern sollte auch ein Image der Maria als gerechter und gütiger Herrscherin schaffen. Denn Herrschaft, so die Präambel, gründe nicht auf Furcht vor rigorosen und brutalen Strafen, sondern auf der Liebe und Zuneigung der Untertanen. Gesetze, durch die die Untertanen ohne es zu wollen in die Falle laufen und dann nur wegen bloßer Worte hingerichtet würden, suchlike extreme dangerous and painful laws shall be abolished, annuled and made frustrate and void, 1 Mary, St. 1, C. 1, zit. nach Elton, The Tudor constitution, 70. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1112.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

65

Throckmorton war es damit gelungen, nicht nur über die Themen bei der Hauptverhandlung zu verfügen, sondern auch die Entscheidungsaufgabe neu zu justieren. Plötzlich ging es nicht mehr um Tatfragen, sondern um Rechtsfragen, darum, ob die Anklage überhaupt von einem Gesetz gedeckt war. Genau diese Entscheidung stellte Throckmorton den Geschworenen anheim: Now I praie you of my iurie which haue my life in triall, note well what things at this daie be treasons, and how these treasons must be tried and decerned; that is to say, by open déed.154 Dass Throckmorton den Geschworenen eine andere Entscheidungsaufgabe stellen konnte als diejenige, die ihnen beim Arraignment förmlich durch das Indictment vorgesetzt worden war, ist ein Indiz für die Unbestimmtheit der forensischen Kommunikation am Beginn der Frühneuzeit. Anders als bei den Auftaktritualen gab es bei dieser Sequenz des Verfahrens noch kein Programm, noch keine konditionale Struktur, auf die man pochen und die man gegenüber dem Angeklagten als zu befolgende Ordnung geltend mache konnte. Genauso wenig aber war die Verhandlung rituell durchgetaktet wie das Verfahren des spätmittelalterlichen Kölner Hochgerichts.155 Mit einer begrifflichen Anleihe aus der Organisationssoziologie könnte man daher davon sprechen, dass die englische Strafverfahrenspraxis des 16. Jahrhunderts durch „unbestimmte Entscheidungsprämissen“ gekennzeichnet war156: Unstrittig war demnach die prinzipielle Situationsdefinition, wonach es vor Gericht um die Herstellung einer Entscheidung ging. Als unbestimmt erwies sich aber das formal richtige Vorgehen dabei, es gab noch kein Konditionalprogramm, das dem Entscheiden im modernen Gerichtsverfahren zugrunde liegt.157 Dabei determinieren Konditionalprogramme gerade nicht das Entscheidungsergebnis. Aber sie bewahren das Verfahrenssystem davor, „von jeder Schwankung in der Umwelt durcheinandergeworfen [zu] werden“ und machen es möglich, dass im Verfahren „nur auf spezifische, ausgesuchte Informationen“ reagiert wird.158 Vor allem aufgrund der unbestimmten Entscheidungsprämissen und der deswegen fehlenden Programmstruktur der Hauptverhandlung waren englische Gerichtsprozesse (vor allem bei Hochverrat, aber nicht nur) besonders störungsanfällig. Im Ausnahmefall konnte es einem Angeklagten wie Throckmorton gelingen, durch eine dominante Position in der Konversationsordnung das Entscheidungsthema zu verändern. In diesem Fall blieb den Juristen schließlich nichts anderes übrig, als auf ihre angeblich überlegene Deutungsmacht in Rechtsfragen zu beharren. Nachdem es nämlich nicht länger möglich war, die Rechtsgrundsätze vor dem Publikum zu verbergen oder diese zumindest im Unklaren zu lassen, behaupteten die Juristen, schlicht über ein besseres Rechtsverständnis als die Laien zu verfügen: Will you 154 155 156

157 158

Ebd. Arlinghaus, Inklusion/Exklusion, Kap. 4.3. Luhmann, Organisation und Entscheidung, 240. Stefan Kühl hat „nicht entschiedene Entscheidungsprämissen“ als Kennzeichen der informalen Seite von Organisationen herausgestellt, Kühl / Muster, Organisationen gestalten, 19ff. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 131f.; Luhmann, Organisation und Entscheidung, 263ff. Luhmann, Politische Planung, 117.

66

1550–1650: Rhetorisches Regime

take vpon you to skill better of the law than the iudges? The atturnie  I doubt not but you of the iurie will credit as it becommeth you.159 Rechtsbelehrungen würden zudem allein durch den Richter erteilt, nicht durch Laien oder Bücher. Auch das erklärt die Weigerung, aus den Statuten vorzulesen: Es hätte die Rollenperformanz des Richters empfindlich getroffen, wenn statt seiner ein Buch ‚das Recht‘ offenbart hätte. Zudem sei das Recht nicht nur in Statuten zu finden, sondern auch in Traditionen, eben das sei Common Law.160 Daher gehe es nicht allein um den Wortlaut eines Gesetzes, sondern auch um dessen Auslegung, und deswegen hielten die Juristen unbedingt daran fest, dass Throckmorton zu recht wegen Hochverrats angeklagt und durch sein Mitwirken bei der Verschwörung schuldig sei. Wenn es erst so weit käme, dass sich der Angeklagte durch eine allzu subtile Auslegung der Rechtslage aus der Affäre ziehen wollte, dann wäre die Königin in großer Gefahr. Diese Räson, nach der Hochverratsvorwürfe in bestimmten Fällen auch dann legitim sein sollten, wenn die Rechtsnormen dafür keine eindeutige und hinreichende Grundlage lieferten, sollte im Laufe des 16. Jahrhunderts immer wichtiger werden. Throckmorton pochte dagegen auf die buchstabengetreue Auslegung der Gesetze. Es ist nicht ganz abwegig, sein Vorgehen ‚protestantisch‘ zu nennen: Er beharrte auf der Autorität des Buchs und bezweifelte die Autorität der Richter in der Verkündung und Vermittlung des Rechts, er bestand auf die Möglichkeit, als Laie einen unmittelbaren Zugang zum Sinn des Rechts zu haben, indem er die Gesetze wörtlich las. Bei den Geschworenen, die auch Protestanten waren161, dürfte eine solche Argumentation verfangen haben; bei den geneigten Lesern von Holinsheds Chronik mit Sicherheit. Der dort präsentierte Prozess bot Angeklagten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts eine Fundgrube für ihre eigenen Verteidigungstaktiken. Adaptiert wurden nicht nur die dilatorischen Praktiken beim Arraignment, sondern auch der Versuch, Themen- und Entscheidungsstruktur der Hauptverhandlung zu beeinflussen oder die Auslegungsmacht der Juristen zu unterwandern.162 Wichtig bleibt auch die Frage, ob sich ein Prozess im Wesentlichen als Streitgespräch (altercation) darstellte, dessen Struktur situativ ausgehandelt wurde, oder ob Ansätze zu einer zentralen thematischen Steuerung erkennbar werden. Von Aushandlungen profitierten die Angeklagten, von Steuerungen die Verfahrensveranstalter. Nicht nur das Durchsetzen eines Themas bzw. einer politischen Sprache, sondern auch einer bestimmten Konversationsordnung konnte sich als Machtfrage erweisen und zusätzliche Konflikte hervorrufen. Dabei ging es aber gerade nicht darum, den Streit insgesamt aus dem Verfahren zu verbannen, sondern vielmehr darum, ihn auf bestimme Episoden zu begrenzen. Vor allem die Anfangs- und 159 160

161 162

Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1112. Auch diese Behauptungen gehörten zu einer von den englischen Juristen gepflegten politischen Sprache, vgl. dazu Asch, Das Common Law als Sprache und Norm der politischen Kommunikation in England, ca. 1590–1640, mit weiterer Literatur. Brigden, London and the Reformation, 553. Diese Auslegungsmacht, die Sir Edward Coke später artificial reason genannt hat, wurde bislang vor allem als diskursives Bollwerk der englischen Juristen im Konflikt mit den ersten beiden StuartKönigen gesehen, vgl. Pocock, The ancient constitution; Lewis, Sir Edward Coke (1552–1633); Burgess, The politics of the ancient constitution.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

67

Schlusssequenzen waren aus Sicht der Veranstalter nicht der Ort für Konflikte. Das sahen die Angeklagten allerdings nicht selten anders. 9. JENSEITS DER DIALOGE: DAS VERFAHREN ALS EIN ENSEMBLE AUS PRAKTIKEN, RÄUMEN, MATERIALITÄTEN UND SEQUENZEN Der unbekannte Verfasser des Manuskripts über Tharraignemente163 of Sir Nycholas Throgmerton, das dann in Holinsheds Chronik einging, notierte, dass er den Prozess in a dialogue überführt habe, for the bettre vnderstanding of euery mans parte.164 Auch die gedruckten Prozessberichte des 17. und 18. Jahrhunderts rückten die Dialoge in den Vordergrund. Diesen Fokus auf das Gesagte teilen sich die historischen Prozessberichte mit modernen soziolinguistischen courtroom studies, die die untersuchten Verfahren ebenfalls mit ihrer Konversationsstruktur gleichsetzen (die wiederum die Historiker bisher kaum interessiert hat).165 Allerdings erschöpft sich ein Verfahren, wenn man es als soziales System versteht, nicht in seiner sprachlichen Interaktionsordnung. Neben Sprechhandlungen wurden (und werden) Gerichtsverfahren vielmehr auch durch Räume und Materialitäten konstituiert. Auf „Materialitäten im Rechtsdiskurs“ hat vor allem der Soziologe Thomas Scheffer verwiesen.166 Er versteht den Begriff „Materialität“ in einem weiten Sinn, insofern damit Räume und Akten ebenso gemeint sind wie „Geschichten“, die unabänderlich in das Verfahren eingebracht werden. In den Hochverratsprozessen waren Anklageschriften ein Beispiel dafür. Materielle Geschichten wurden auch im Verfahren selbst produziert. Zu denken ist dabei – für die Zeit nach 1660 – an Zeugenaussagen, die dem Angeklagten im weiteren Verlauf wie ein Beweisstück vorgehalten werden konnten.167 Das gleiche gilt im 18. Jahrhundert für die Mitschriften der Richter, die sie zum Abschluss eines Prozesses den Geschworenen vortrugen. Auch wenn es sich dabei nicht um offizielle Gerichtsurkunden (records) handelte, so sorgte doch die Autoritätsperson des Richters dafür, dass über diese Zusammenfassung nicht mehr gestritten werden konnte. In diesem Sinne sind Materialitäten nicht durch ihre „Stofflichkeit“ definiert, sondern zu verstehen als „Komponente einer Situation, die aufgrund ihres spezifischen Gewordenseins (dem Schreiben von Texten, dem Erlass von Gesetzen […]) als festgelegt erscheinen. Sie sind der aktuellen Co-Produktion entzogen und stehen selbst als Co-Produzenten der Veranstaltung bereit“.168 163 164

165 166 167 168

Sic! BL Stowe 280, fol. 75. Auch der Verfasser des Manuskripts zum Prozess gegen Edmund Campion (vgl. S. 106ff.) markierte Sprecherpositionen durch ihren Vermerk am Rand, so wie in der zeitgenössischen dramatischen Dichtung. So Scheffer / Hannken-Illjes / Kozin, Criminal defence, 6; Scheffer / Hannken-Illjes / Kozin, How Courts Know, 185. Scheffer, Materialities of legal proceedings. Zur materiellen Logik des „Vorhalts“ vgl. auch Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 118–126. Scheffer, Materialitäten im Rechtsdiskurs, 351.

68

1550–1650: Rhetorisches Regime

Transsequenzielle Perspektiven Ein derart weit gefasster Begriff von Materialität verweist darauf, dass ein Gerichtsverfahren seine ihm zugewiesene Leistung (Herstellung einer bindenden Entscheidung) nicht nur durch die Interaktion zwischen Auftakt und Abschluss einer Verhandlung erreichte und daher auch nicht „Kammerspielen“ gleich analysiert werden sollte.169 Die Verfahrenstheorie von Scheffer profiliert dagegen eine „transsequentielle Analyse“ (TSA), die eine Gleichsetzung von Verfahren und Interaktion vermeidet und das (Gerichts-)Verfahren als übergreifenden Rahmen sehr unterschiedlicher Aktivitäten versteht. Darunter fallen „Sitzungen zur Erhebung von Falldaten, Sitzungen zum Aktenstudium, nicht-öffentliche Sitzungen innerhalb der Parteien, vorbereitende Sitzungen zu Koordination zwischen den Parteien, aufwendige Streitaustragungen, ‚sentencing hearings‘ sowie „Schriftwege zwischen Parteien und Gericht“.170 Zudem berücksichtigt die TSA wechselnde Akteurskonstellationen (im 18. Jahrhundert bereiteten Solicitors einen Fall vor, den Barristers dann vor Gericht vertraten) und informelle „Hinterbühnen“.171 Mit den Perspektiven der TSA wird darauf geachtet, welche diskursiven und materiellen Importe den Verhandlungen zugrunde liegen und inwiefern diese Verhandlungen ihrerseits wiederum nur eine Etappe des Entscheidungsprozesses darstellen – und für diesen weiteres Material bereitstellen.172 Damit wird die Untersuchung der interaktionsförmig verlaufenden Gerichtsverhandlungen keineswegs bedeutungslos, insofern die TSA hilft, „sowohl den Eigensinn der jeweils beobachteten Situation, als auch ihre produktive Verkettung zu rekonstruieren“.173 Für die historische Verfahrensanalyse ist die Verkettung von Sequenzen allerdings nicht einfach vorauszusetzen. Auch wenn es bei Hochverrat intensive Vorermittlungen gab, so war erst noch die Frage, was daraus in die Gerichtsverhandlung exportiert werden konnte. Dass Transsequenzialität historisch gesehen eine Variable und keine Konstante war, zeigte sich in unserem Zusammenhang unter anderem an der Fallarbeit der Juristen. Die Zurechtlegung der für die Verhandlung nötigen Materialien (bestehend aus „Akteneinträgen, Vernehmungsmitschriften, Anstreichungen, Notizen, Skizzen etc.“) – stellt für Scheffer einen Musterfall transsequentieller Praktiken dar.174 Eine solche, durchaus handwerklich gedachte Fallarbeit musste sich bei den an Hochverratsverfahren beteiligten Juristen aber erst noch ausbilden. Inwiefern Prozesse daher Kammerspielen glichen (zumal während des rhetorischen Regimes) oder Sequenzen eines übergreifenden Verfahrens waren, wird zu beobachten sein.

169 170 171 172 173 174

Scheffer, Zug-um-Zug, 395. Scheffer, Ethnographie mit System, 147. Ebd. Scheffer, Diskurspraxis in Recht und Politik, 232. Scheffer, Die trans-sequentielle Analyse und ihre formativen Objekte, 91. Scheffer, Der hergerichtete Fall, 37.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

69

Mensch-Ding-Relationen im Verfahren Die Verfahrensbeteiligten waren keine „talking heads“, also körperlose Sprechwesen. Vielmehr handelte es sich bei ihnen, wie angedeutet, um sprechende und gestikulierende, stehende, sitzende, umherlaufende, schwitzende oder ermattete Körper, deren Handlungsvollzüge wiederum konstitutiv durch den Umgang mit Materialitäten geprägt wurden. Auf diese Mensch-Ding-Relationen hat vor allem die Soziologie Bruno Latours aufmerksam gemacht, die unter dem Label AkteurNetzwerk-Theorie (ANT) von den Kulturwissenschaften seit einigen Jahren breit rezipiert wird.175 Für das Gerichtsverfahren der Gegenwart verweist wiederum Scheffer auf „die Abhängigkeit und das Eingespanntsein von Handlungen in eine komplexe Arbeitsteilung. Was etwa als ›heroischer‹, ausgeklügelter Winkelzug des Barristers in der Verhandlung beeindruckt, wird demnach vermittels eines ganzen Arsenals soziomaterialer Handlungsträgerschaften (von der Akte über das Anwaltsteam, die autoritativen Gesetzestexte bis hin zur Auslegungstradition und Verhandlungsritualen) erst ermöglicht“.176 Ein solcher Zugriff, der das Handeln in Bezug setzt zu den Dingen, die dabei buchstäblich eine Rolle spielen, zu den Räumen, die es rahmen und zu den Körpern, die dem Handeln erst eine Gestalt geben, kann auch praxeologisch genannt werden, wenn mit Praktik „kein synonymer Begriff für Handlung“ gemeint ist, sondern der „situierte[] Vollzug von Sprechakten und Handlungen im Zusammenspiel von Dingen und körperlichen Routinen von Akteuren“.177 In diesem Sinne fungiert Praxis als ein Reflexionsbegriff, der als Problem ausweist, was sonst für selbstverständlich gehalten wird, nämlich dass Handlungen (verbaler und nonverbaler Art) und Interaktionen in ihrem Vollzug stets materielle, räumliche und körperliche Dimensionen aufweisen.178 Solche Mensch-Körper-Ding-Raum-Relationen müssen aber ebenfalls wiederum historisiert werden. Es ist im Kontext einer Geschichte des Strafverfahrens zunächst einmal die Frage, wie das materielle Netzwerk zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt beschaffen war – und wie es sich veränderte. Die Federzeichnung der King’s Bench (Abbildung 2) jedenfalls zeigt zwei Serjeants-at-Law, die noch ganz anders praktizierten als der von Scheffer beobachtete Barrister an einem englischen crown court der Gegenwart. Von Akten und Assistenten finden sich keine Spuren, dafür fallen aber ihre Roben und Hauben (coif) auf, die ihren Status markieren und sie mit den anderen Trägern von Gewändern (Richter, crier, clerks, prothonotary, filazers) zu einer Gruppe zusammenfassen. Auch ihre Position ist signifikant: Sie stehen nämlich an der Gerichtsschranke (bar), von der der Stand der Prozessanwälte (Barristers) spätestens im 18. Jahrhundert seinen Namen bekam. 175

176 177 178

Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Für die Rezeption in der historischen Forschung vgl. zuletzt Füssel, Die Materialität der Frühen Neuzeit. Neuere Forschungen zur Geschichte der materiellen Kultur; Siebenhüner, Things that matter. Zur Geschichte der materiellen Kultur in der Frühneuzeitforschung. Scheffer, Zug-um-Zug, 378. Füssel, Praxeologische Perspektiven in der Frühneuzeitforschung, 26. Vgl. Ebd., 27.

70

1550–1650: Rhetorisches Regime

Unterschieden davon wurde die Richterschaft, die nach ihren Sitzplätzen bereits im späten 16. Jahrhundert als the bench bezeichnet wurde. Das Sitzen der Richter war für ihre forensische Praxis im Übrigen ein ebenso konstitutiver körperlicher Vollzug wie das Stehen für den Angeklagten. Räumliche und rituelle Rahmungen Gerichtsverfahren waren (und sind) auf eine räumliche Rahmung angewiesen: nicht notwendigerweise auf ein Dach über dem Kopf (wie die Freilufttagungen des Old Bailey-Gerichts bis ins 18. Jahrhundert hinein zeigen), aber doch auf eine durch Mobiliar geschaffene Ordnung, die den jeweiligen Ort in einer nicht nur für Experten offensichtlichen Weise als einen forensischen Raum markiert.179 Mit Martina Löw kann man hier von „Spacing“ sprechen, wodurch der Raum aber nicht nur markiert, sondern zum Medium transformiert wird, der fortlaufend die Situation als Verfahren definiert.180 Die Existenz einer solchen räumlichen Rahmenordnung war bereits von den Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts beobachtet und zum Thema gemacht worden. Bei den Assisen, so z. B. Sir Thomas Smith, tagten die Kommissionen gewöhnlich in den Rathäusern, notfalls auch unter freiem Himmel, aber in beiden Fällen waren dazu Kulissenwechsel nötig: In the towne house, or in some open or common place, there is a tribunal or place of judgement made […].181 Eine erhöhte Bank für die Richter, der Tisch für die Gerichtsschreiber und andere Funktionsträger und die Schranke (bar), vor die man die Angeklagten führte, waren sowohl in der Provinz als auch bei den Londoner Gerichtshöfen jenes Mobiliar, auf das man bei einem Verfahren nicht verzichten konnte. Bei Smith heißt es dazu: Before these Judges and Justices, there is a table set beneath, at which sitteth the Custos rotulorum, or keeper of writtes […] the undershirife, and such clarkes as doe write. At the end of that table, there is a barre made with a space for the enquests and xij men to come in when they are called, behind that space another barre, and there stand the prisoners […].182

Diese Materialitäten gaben dem Raum eine bestimmte Struktur, sie sorgten für ein gewisses Maß an Situationsdefinition und gehören deswegen ebenso zum Verfahren wie die Akteure auch.183 179

180 181 182 183

Die Schaffung spezifischer Gerichtsräume war außerhalb von London ein Phänomen des 18. und 19. Jahrhunderts, dazu Graham, Ordering law, 35–71; eine ähnlich langsame Schaffung spezifischer Gerichtsräume indentifiziert für das koloniale Nordamerika und die frühen Vereinigten Staaten McNamara, From tavern to courthouse. Löw, Raumsoziologie, 158; zu Medialität des Gerichtssaals vgl. Scheffer, Materialitäten im Rechtsdiskurs, 354; zum Raum als Medium der Interaktion allg. Schlögl, Der Raum der Interaktion. Smith, De Republica Anglorum, 96. Ebd. Auf diesen Umstand hat, bezogen auf den Tisch, Michel Foucault in einer „Auseinandersetzung mit Maoisten“ über den Charakter von Volkstribunalen bereits 1972 aufmerksam gemacht: „Ich

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

71

Darüber sollte man nicht übersehen, dass die Rahmung des forensischen Geschehens am Beginn der Frühen Neuzeit weiterhin auf rituellen Praktiken beruhte. Im älteren Verfahrensregime waren Räumlichkeiten eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Durchführung von Gerichtsprozessen. Das sinnfälligste Beispiel dafür waren die Sprechakte von Clerks und criers, die vor allem durch ihre Redundanz dazu beitrugen, den Verfahrensablauf zu formalisieren. Die Verlautbarungen der Gerichtsdiener an den Wendepunkten eines Prozesses (am Beginn, nach dem Arraignment, vor Verdikt und Urteil) markierten nicht nur den irreversiblen Stand der Verfahrensgeschichte, sondern zogen zugleich „Diskursgrenzen“ gegenüber der sozialen Umwelt des Verfahrens.184 Diskursive Grenzziehungen erfolgten durch „unalltägliches Sprechen“ in Redundanzen, aber auch durch Fachsprache (z.B. Vorlesen des Indictments).185 Die Körper der gerichtlichen Funktionäre (clerks, crier und serjeants) wirkten an der Differenzbildung ebenfalls mit, und zwar als Träger distinguierender Gewänder.186 Aufschreibepraktiken: Stumme Beiträge zur Inszenierung des Verfahrens Zu den rituellen Rahmungspraktiken gehörte schließlich auch die Schreibarbeit der filazers. Die Federzeichnung (Abbildung 2) zeigt diese Akteure beim Beschreiben der plea rolls, die seit der Entstehung der King’s Bench unter Edward I. im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts zu den zentralen Dokumentationsmedien dieses Gerichts zählten.187 Bereits im 14. Jahrhundert wurde zwischen Kriminal- und Zivilfällen unterschieden, indem erstere mit dem Vermerk rex versehen wurden. Später wurden die Kriminalsachen in sogenannten coram rege rolls registriert.188 In die Rollen – sie wurden nachträglich noch um weitere Beigaben wie Listen mit den Geschworenen und Zeugen ergänzt – trug der Protonotar oder ein Schreiber zunächst den vollständigen Wortlaut des Indictments ein (das als Pergamentrolle

184 185 186 187 188

weiß nicht, wie das in China abläuft, aber sehen wir uns doch einmal genauer an, was die räumliche Anordnung des Tribunals bedeutet, die Anordnung der Leute, die sich in oder vor einem Gericht befinden. Das impliziert eine gewisse Ideologie. Wie sieht diese Anordnung aus? Ein Tisch, hinter diesem Tisch, der die auf Distanz von den beiden Prozessparteien hält, die Dritten, nämlich die Richter; ihre Position zeigt erstens an, dass sie der einen wie der anderen Partei gegenüber neutral sind; zweitens impliziert dies, dass ihr Urteil nicht von vornhinein festgelegt ist, dass es nach der Ermittlung durch die Anhörung der beiden Parteien gemäß einer bestimmten Wahrheitsform und einer gewissen Anzahl von Vorstellungen über das Gerechte und das Ungerechte begründet werden, und drittens, dass ihre Entscheidung Befehlskraft haben wird. Genau das will letztlich diese einfache räumliche Anordnung besagen“, Foucault, Dits et écrits, 431f. Arlinghaus, Inklusion/Exklusion, Kap. 4.3. Arlinghaus, Sprachformeln und Fachsprache, 64 und 67ff. Im Sinne von Arlinghaus, Mittelalterliche Rituale in systemtheoretischer Perspektive, 136. Röhrkasten, Die englischen Kronzeugen 1130–1330, 58ff. Die physische Aufteilung in unterschiedliche Serien (coram rege rolle: TNA KB 27/28; (privatrechtliche) plea side rolls: TNA KB 101–107 u.a.) geht auf archivarische Entscheidungen im 19. Jahrhundert zurück. Die Rollen sind allerdings nur ein Teil der schriftlichen Hinterlassenschaften der King’s Bench. Die komplexe Überlieferungssituation beschreibt Meekings, King‘s Bench Files.

72

1550–1650: Rhetorisches Regime

gesondert vorlag und überliefert wurde189) und gab dann den Ablauf des Prozesses wieder. Diese Prozessdokumentation erfolge allerdings hochgradig schematisiert: Notiert wurden neben Datum und Namen das Pleading, also die Antwort auf die Frage, ob sich der Angeklagte im Sinne der Anklage für schuldig oder nicht schuldig bekannte, der Vollzug (nicht aber die Details) der Beweisaufnahme, das Verdikt und das Urteil. Gegenüber dem konkreten Verlauf des Verfahrens mit seinen unvorhergesehenen Wendungen und seinen Widersprüchlichkeiten verhielten sich die Rollenschreiber hingegen indifferent. Dass und wie Throckmorton den Prozess mitgestaltete und stellenweise dominierte, davon steht nichts in der zugehörigen Rolle.190 In den Rollen verliefen alle Prozesse gleich, abgesehen von Datum, Personen und Ausgang. Nach dem Ende des Prozesses kam die Rollen zusammen mit anderen Dokumenten (Einsetzungsurkunde der Spezialkommission, Liste der Geschworenenkandidaten, Indictment, writ of habeas corpus, Liste mit den ausgewählten Geschworenen) in einen Ledersack, eine baga de secretis (Abbildung 3).191 Dieser Sack wurde anschließend zu den anderen bagae gefügt, die gut gesichert in einem Schrank im Tower lagerten. Um den Schrank zu öffnen, bedurfte es dreier Schlüssel, die vom Lord Chief Justice, vom Attorney General und vom Solicitor General (später vom Master of the Crown Office) aufbewahrt wurden. Die bagae de secretis bildeten eine Unterserie zu den übrigen King’s Bench-Akten und Rollen, die auch in Säcken im Tower lagerten und die zwar weniger strengen Zugangsbeschränkungen unterlagen, aber schlicht durch ihre chaotische Aufbewahrungsweise  – die Säcke wurden im Wortsinn auf einen Haufen geworfen  – praktisch unzugänglich waren.192 Die bagae de secretis beinhalteten hingegen jene Fälle, deren Hinterlassenschaften unzugänglich sein sollten. Eingeführt wurde diese Art der Geheimarchivierung 1477, als Edward IV. einen gefallenen Günstling (Thomas Burdett) durch einen Hochverratsprozess loswerden wollte – und die Akten bzw. Rollen dazu gleich mit.193 Tatsächlich blieben die Säcke bis in 19. Jahrhundert unberührt, als sie von Archivaren mit einem Stöhnen über das Durcheinander erstmals gesichtet und verzeichnet wurden.194 Wenn die filazers und prothonotaries also bei Hochverratsverfahren die plea rolls beschrieben, dann konnten sie davon ausgehen, dass ihre Aufzeichnungen niemand mehr in Augenschein nehmen würde. Wenn Juristen einen Fall als interessant erachteten, dann fertigten sie dazu eigene Notizen an. Auch Indictments und die Namen der Geschworenen ließen sich anderweitig protokollieren, der öffentliche Verlauf des Prozesses ebenso. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts kamen dann die gedruckten, mehr oder weniger wortwörtlichen Berichte in Umlauf, die 189 190 191 192 193 194

TNA KB 9/10. TNA KB 8/29. Ebd. Meekings, King‘s Bench Files. Anon., Third Report of the Deputy Keeper of the Public Records, 16f. Baker, The Oxford history of the laws of England, 150.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

73

Abb. 3: Baga de secretis für die Dokumente aus dem Prozess gegen Sir Nicholas Throckmorton.

im Laufe des 18. Jahrhunderts den Status inoffizieller Protokolle gewannen – während die Schreiber vor Gericht weiter fleißig ihrer Tätigkeit nachgingen, teilweise sogar noch auf Pergament. Was also hat es mit einer solchen Schreibpraxis auf sich – und was hat dies mit Materialitäten zu tun? Offizielles Schreiben vor Gericht durch das eigene Personal war offenbar wichtig. Diese Praxis wurde auch in bildlichen Darstellungen von Gerichten und Verfahren immer wieder gezeigt. Aber im Unterschied zum kontinentalen Inquisitionsprozess, bei dem das offizielle Protokoll nicht nur den Prozessverlauf möglichst genau dokumentieren sollte, sondern auch im Medium der Aktenversendung Dritten zugänglich gemacht wurde195, blieb der Informations- und Wiedergebrauchswert der Rollen und Akten von King’s Bench und Old Bailey überschaubar und letztlich dubios. Revisionen und übergeordnete Instanzen, für die heute vor Gericht offiziell protokolliert wird, gab es vor dem 19. Jahrhundert noch nicht. Zugespitzt könne man daher formulieren, dass es im englischen Prozessbetrieb weniger darauf ankam, was als vielmehr dass geschrieben wurde. Die kontinuierliche Schreibarbeit gehörte zur Selbstdarstellung des englischen Gerichtswesens, sie leistete einen stummen Beitrag zur Inszenierung des Verfahrens in praktischer und materieller Weise. Ein offizieller Prozess musste protokolliert werden, wobei aber das Produkt, die plea roll, für das laufende Verfahren weniger wichtig war als 195

Zur Aktenversendung vgl. Vismann, Medien der Rechtsprechung, 98–105; zur Protokollpraxis im Bereich des Gemeinen Rechts Vismann, Das Recht und seine Mittel, 394–416.

74

1550–1650: Rhetorisches Regime

die sichtbare Herstellung der Rolle selbst. Das Schreiben war nicht unbedingt in dokumentarischer, wohl aber in performativer Hinsicht essentiell und ein diskreter symbolischer Beitrag zur Legitimation durch Verfahren. Die am Tisch sitzenden und fortwährend tätigen Schreiber verkörperten geradezu die Institution ‚Sitzung‘ (session, assize), zumal zu einer Zeit, als die meisten Beteiligten, abgesehen von den Richtern, vor Gericht standen. An der Beschriftung der Rollen wurde auch dann noch festgehalten, als neue Aufschreibetechniken (Kurzschrift) und die Drucktechnik diese Praxis und ihr Material buchstäblich alt aussehen ließ – und das war womöglich Absicht. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die offiziellen Prozessdokumente aus dem 16. und aus dem 18. Jahrhundert äußerlich ähneln – auch wenn letztere auf Englisch verfasst wurden. Auf der Ebene dieser Materialien inszenierte die frühneuzeitliche englische Strafrechtspraxis ihre eigene Tradition. Die ancient constitution, die die Juristen im 17. Jahrhundert erfanden, um sich gegen politische Einflussnahmen zu wehren196, wurde in Form der Pergamenturkunden buchstäblich greifbar.197 Es handelte sich dabei sozusagen um repräsentative Schriftlichkeit, die den Fall im Text konservierte, ohne dass Spuren darauf hindeuten, dass diese Texte noch einmal genutzt wurden. 10. ENTSCHEIDEN UND URTEILEN Ein trial by battle endete, wenn der Angeklagte erschlagen worden war oder bei Einbruch der Dunkelheit, wenn, wie Pulton es formulierte, Starres may be seene in the firmament.198 Die Unschuldsbehauptung des Angeklagten galt als wahr, wenn er seinem Gegner bis zu diesem Zeitpunkt standgehalten hatte. Beim trial by jury hingegen gab es weder einen fixen Termin, an dem die Verhandlung abgeschlossen war, noch ließ sich das Urteil einfach aus dem Verlauf der Verhandlung ableiten wie beim Zweikampf. Vielmehr waren die Geschworenen aufgefordert, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Bei Smith endete die Verhandlung damit, dass der Richter Kläger und Angeklagten fragte, ob sie noch etwas zu sagen hätten. Wenn das nicht der Fall war, hielt er seine Ansprache an die Jury und beauftragte sie mit der Urteilsfindung: When the Judge hath heard them say inough, he asketh if they can say any more: if they say no, then he turneth his speeche to the enquest.199 Throckmorton leitete allerdings persönlich zur Schlussansprache (conclusion) des Richters über: Stanford:

196 197

198 199

Master Throckmorton quiet your selfe, and it shall be the better for you.

Pocock, The ancient constitution. In Großbritannien werden Gesetze bis heute auf Pergament-Urkunden aus Kalbs- oder Ziegenhaut geschrieben – eine Praxis, die allerdings ihrer hohen Kosten wegen zur Disposition steht. Die Traditionsreferenz scheint entbehrlich geworden zu sein. Pulton, De Pace Regis et Regni, 194. Smith, De Republica Anglorum, 100.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

75

Throckmorton: Master atturnie, I am not so vnquiet as you be, and yet our cases are not alike: but bicause I am so tedious to you, and haue long troubled this presence, it maie please my lord chiefe iustice to repeat the euidence wherewith I am charged, and my answers to all the obiections, if there be no other matter to laie against me. Then the chiefe iustice remembred particularlie all the depositions and euidences giuen against the prisoner, and either for want of good memorie, or good will, the prisoners answers were in part not recited: wherevpon the prisoner craued indifferencie, and did helpe the iudges old memorie with his owne recitall.200

Hier drängt sich der Verdacht der literarischen Stilisierung von Throckmortons Verhalten auf, als er es war, der dem Richter die Aufgabe stellte, mit seiner Konklusion zu beginnen, und der sich die Freiheit nahm, diese Konklusion zu ergänzen, als sie ihm hinsichtlich seiner Verteidigung lückenhaft vorkam. Dennoch kann man dieses Verhalten als symptomatisch (oder einmal mehr: für nachfolgende Angeklagte vorbildlich) werten: Am Schluss einer Verhandlung kam es immer wieder zu Konflikten um das letzte Wort an die Geschworenen, bis dieses Recht 1836 formal geregelt wurde.201 Throckmorton ging dabei noch einen Schritt weiter: Als der Clerk die Geschworenen aus dem Saal geschickt hatte, pochte er darauf, dass sich die Kronanwälte von ihnen fernhielten. Diese Erklärung stellte eine vor Publikum geäußerte Misstrauenserklärung an die obrigkeitlichen Ankläger dar: Throckmorton: It may please you my lords and maisters which be commissioners, to giue order that no person haue accesse or conference with the iurie, neither that any of the quéenes learned councell be suffered to repaire to them, or to talke with anie of them, vntill they present themselues here in open court, to publish their verdict. Upon the prisoners sute on this behalfe, the bench gaue order that two seargeants were sworne to suffer no man to repaire to the iurie, vntill they were agreed according vnto order. Wherevpon then the prisoner was by commandement of the bench withdrawne from the barre, and the court adiourned vntill thrée of the clocke at afternoone, at which houre the cõmissioners returned to the Guildhall, and there did tarie vntill the iurie were agréed vpon the verdict.202

Auch bei Smith verließen die Geschworenen die Öffentlichkeit des Gerichts, um sich an einem abgeschiedenen Ort zu beraten. Dahin mitnehmen durften sie allein das Indictment, dessen Sinn ihnen der Clerk bei Bedarf noch einmal eröffnete: At their departing, they have in writing nothing given them, but the enditement, the clarke repeating to them the effect of it.203 Bei ihren Beratungen wurden sie von einem Gerichtsvogt (bailiff) bewacht, der sowohl dafür sorgen musste, that no man 200 201 202 203

Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1115. Cairns, Advocacy, 182. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1116. Smith, De Republica Anglorum, 100.

76

1550–1650: Rhetorisches Regime

doe speake with them als auch, that they have neither bread, drinke, meate, ne fire brought to them, but there to remaine in a chamber together till they agree.204 Der Rückzug der Geschworenen als performatives Element Die Entfernung der Geschworenen aus dem Gerichtssaal setzte nicht nur der Verhandlung ein Ende. Sie diente auch dazu, die Offenheit der Entscheidungsfindung zu symbolisieren: Entschieden wurde auch dann, wenn der Prozess tatsächlich eine abgemachte Sache war. Daher gehörte der Rückzug der Geschworenen auf performativer Ebene zu den Gelingensbedingungen eines Verfahrens. Die Länge der Beratung war dafür nicht ausschlaggebend. Damit es nicht übermäßig lange dauerte, wurden die Geschworenen durch äußerliche Unannehmlichkeiten (they have neither bread, drinke, meate, ne fire) dazu gedrängt, in absehbarer Zeit zu einem Urteil zu kommen.205 Bei Throckmorton verließen die Geschworenen gegen ein Uhr Mittags die Guildhall und kamen erst aboute fiue of the clocke mit ihrem Verdikt zurück.206 Sie befanden Throckmorton für nicht schuldig. Wie und warum Geschworene zu ihrer Entscheidung gelangten, bleibt für den Historiker ein Geheimnis. Die Juroren mussten ihren Wahrspruch nicht begründen, und an die Regel, darüber nachträglich keine Auskunft zu geben, haben sich die Beteiligten stets gehalten, sogar bei ihren Tagebucheinträgen. Selbst den Versuch einer fiktiven Rekonstruktion der Beratung wie etwa im Film Twelve Angry Men hält Cornelia Vismann für unbefriedigend, zu Recht.207 Die Versuche, bei den Geschworenen Sozialprofil und Entscheidungsverhalten miteinander in Beziehung zu setzen, bieten einen Erkenntnisgewinn bei Eigentumsdelinquenz208, nicht 204 205

206 207

208

Smith, De Republica Anglorum, 100f. Auch der Eid des Bailiffs, der die Geschworenen zu bewachen hatte, verpflichtete dazu, das Speiseverbot durchzusetzen: You shall well and truly keep every person sworn of this Jury together, in some private and convenient Room without Meat, Drink, Fire, Candle, or Lodging, and you shall not suffer any person whatsoever to speak to them, or any of them, neither shall you your self speak to them until such time as they agreed of their Verdict, unless it be to ask them whether they be agreed of their Verdict; so help you, Anon., The office of the clerk of assize, 48. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1116. Vismann, Medien der Rechtsprechung, 145: „Wer meint, mit diesem Film in die tiefsten Arkana des Gerichts eingeweiht zu werden, muss enttäuscht sein. Der Film kann nicht mehr darstellen, als darstellbar ist. So gern man auch einmal dem Wahnsinn bei der Arbeit zusähe – und dem Medium des Imaginären würde man dies noch am ehesten zutrauen –, der Film Die Zwölf Geschworenen dringt nicht etwa vor in die geschlossene Kammer der Beratung. Unter dem Vorsitz des Geschworenen Davis gerät die Beratung zu einer regulären Gerichtsverhandlung mit Rede und Gegenrede. Die Rollen der Anwesenden entsprechen denen im Verhandlungsraum. Es gibt Ankläger und Angeklagte, Zeugen und Richter. So geht es auch bei der Beratung zu wie in einer Gerichtsverhandlung, nur noch rationaler und braver als in Gerichtsfilmen üblich. Der ehemalige Jurastudent Sidney Lumet, der hier Regie führt, hat den Gerichtssaal lediglich in das Hinterzimmer der Beratung verlegt und dort vor allem die Dimensionen des abwägenden Argumentierens in Szene gesetzt. Wie Richter ihre Entscheidung dann letztlich treffen, bleibt auch hier ihr Geheimnis.“ Beattie, London juries in the 1690s; King, „Illiterate plebeians easily misled“; Hay, The Class Composition Of The Palladium Of Liberty.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

77

aber bei Hochverrat. Hier ließ sich aus dem Prozessverlauf ersehen, inwiefern eine Jury, wie man sagte, pack‘d war, also vom Sheriff so zusammengestellt, dass ein gewünschtes Verdikt, ein Schuldspruch garantiert war. Wahrheitssuche als Gewissenserforschung – Entscheidungswissen im 16. Jahrhundert Es kann an dieser Stelle also nicht um Spekulationen über Entscheidungsgründe von Geschworenen gehen, sondern vielmehr um eine Rekonstruktion zeitgenössischer Deutungen der Jury-Beratungen. Diese veränderten sich im Laufe der Zeit. Solche Veränderungen fallen bei einer idealtypisierenden Darstellung des frühmodernen Verfahrens leicht durch das Raster. Insbesondere die Rechtshistoriker gehen pauschal davon aus, dass Geschworene stets dazu aufgefordert waren, über die Zeugenaussagen zu beraten und dann entsprechend zu entscheiden.209 Damit wird eine Konstanz von Beweiserhebung und Erkenntnisbildung durch Zeugenanhörungen unterstellt, zeitgenössische Benennungspraktiken werden hingegen nur anekdotisch oder als Traditionsrest registriert. Die Aufgabe, die der Richter bei Smith an die Geschworenen stellte, lautete: Good men (saith he) ye of the enquest, ye have heard what these men say against the prisoner, you have also heard what the prisoner can say for himselfe, have an eye to your othe, and to your duetie, to God and the Prince and doe that which God shall put in your mindes to the discharge of your consciences, and marke well what is saide.210

Natürlich sollte es bei der Beratung der Geschworenen um das gehen, was während der Verhandlung zum Thema geworden war (marke well what is saide). Deswegen wurden bei Throckmorton am Schluss die Depositionen, Zeugenaussagen und Reden für die Jury wiederholt. Dies alles am Maßstab von Wahrscheinlichkeit zu messen und gegen bestehende Zweifel abzuwägen, was Richter den Geschworenen am Ende des 17. Jahrhunderts nahelegten, wurde ihnen hier aber nicht aufgegeben. Bei Smith war die Entscheidungsfindung der Geschworenen vielmehr eine inquisition of the xij men within themselves, and their owne consciences, also eine Art von Gewissenserforschung unter göttlicher Inspiration und vor allem abgesichert durch den Eid.211 Die Wahrheit der Jury-Entscheidung gründete in den Deutungen des 16. Jahrhunderts nicht auf einer Beratung über die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Beweismittel, sondern auf einer Art Introspektion (inquisition […] within themselves), deren buchstäbliche Gewissenhaftigkeit durch den Eid, immerhin eine „bedingte Selbstverfluchung“, abgesichert und forciert 209

210 211

Etwa Green, Verdict according to conscience. Auch die Literaturwissenschaftlerin Barbara Shapiro übersieht diese Differenzierungen, weil es ihr um eine historische Rationalisierung des Verfahrens geht, vgl. zuletzt Shapiro, Oaths, credibility and the legal process in early modern England. Smith, De Republica Anglorum, 100. Ebd., 88.

78

1550–1650: Rhetorisches Regime

wurde.212 Genau das hat auch einer der älteren Rechtshistoriker gesehen, als er notierte: „The inquests were the witnesses in contemplation of law. It was by their oath, and not by the oath of their informants, that the fact to be proved was considered to be established.“213 Wahrheitssuche als Gewissenserforschung  – das war der Sinn, den Schwurgerichtsbarkeit zumindest im postreformatorischen England angenommen hatte. Dabei standen nicht nur die Geschworenen unter Eid, sondern auch andere Beteiligte, die Gerichtsdiener und die Richter, die Kronanwälte indirekt über ihren Diensteid. Der Angeklagte wurde nicht vereidigt – und das galt als sein Vorteil, immerhin wurde ihm erlaubt, beim Pleading zu lügen. Dass seine Zeugen im Unterschied zu denen der Anklage nicht vereidigt wurden, hatte damit zu tun, dass Verteidigungs- und Entlastungszeugen im 16. und frühen 17. Jahrhundert weder in der Theorie noch in der Praxis vorkamen. Als Entlastungszeugen im späten 17.   ahrhundert bei Verfahren aktiv wurden, war es eine bewusste Benachteiligungsstrategie, sie (bis zur Reform von 1696) nicht zu vereidigen. Dennoch war es nicht verwunderlich, dass sich die protestantischen Theologen einer solchen Deutung des Verfahrens, die eine Theologie des Verfahrens war, nur mit Nachdruck anschließen konnten. In unzähligen Assisen-Predigten schärften sie ihren Zuhörern ein, Eide seien the surest ground of Judicial proceedings, and the most firm and sacred bond that can be laid upon all that are concerned in the administration of publick Justice, upon Judge, and Jury, and Witnesses.214 Auch diese Anlagerungen religiöser Deutungen an das Verfahren waren kein universales Kennzeichen. Sie waren nicht einmal mittelalterlich, sondern entstanden im Protestantismus des 16. Jahrhunderts. Die Beschreibung der Entscheidungsfindung als Gewissenserforschung war schließlich auch keine Theorie der Vorgänge bei der Beratung der Geschworenen, wohl aber ein stützender Diskurs einer forensischen Wissenskultur, bei der Zeugen eine allenfalls subsidiäre Rolle spielten. Die Ritualisierung der Entscheidungsverkündigung Die Rückkehr der Geschworenen in den Gerichtssaal folgte in der Frühneuzeit einer weitgehend gleichbleibenden Choreographie. Bei den Beratungen war nicht nur ein Verdikt gefällt, sondern auch ein Sprecher (foreman) bestimmt worden, der dem Bailiff signalisierte, dass man zu einer Entscheidung gekommen sei: they tell the Bailife, and pray to be heard. Daraufhin wurde zunächst der Angeklagte wieder an die Schranke geführt und dann jeder Geschworene namentlich aufgerufen, to which he answereth. Bevor das Verdikt verkündet wurde, versicherte der Clerk sich und alle Anwesenden durch seine Frage, if they be agreed, ob das Verdikt einstim212 213 214

Zur Konzeptualisierung des Eides allg. Holenstein, Seelenheil und Untertanenpflicht; Prodi, Das Sakrament der Herrschaft. Stephen, History of the criminal law, 255. Tillotson, The lawfulness, 3; weitere Belege bei Shapiro, Political theology and the courts; Shapiro, Oaths, credibility and the legal process in early modern England, 151ff.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

79

mig gefallen sei, worauf one or moe say yea; Stillschweigen galt als Zustimmung. Durch die nächste Frage, who shall speake for them, übertrugen die elf Geschworenen ihr Wort an den Sprecher (foreman). Alle Geschworenen mussten dann den Angeklagten anblicken: Sendall: You that bee of the Jury, looke vppon the prisoner. The Jurie did as they were enjoyned.215

Anschließend sollte der an der Schranke stehende Angeklagte seine Hand emporheben. Als nächstes erinnerte der Clerk mit formelhaften Wendungen an die Anklage, an sein Unschuldsbekenntnis und an seine Wahl des trial by jury: Thou art endicted by the name of A. of such a place, &c. being therefore arraigned thou pleadest thereto not guiltie, being asked howe thou would be tryed, thou saydst by God and thy countrie. These honest men were given to thee by God and thy Prince for thy Countrey: Hearken what they say.216

Die Verkündigung des Verdikts spiegelte also ganz deutlich das Arraignment wieder, nur dass es jetzt nicht mehr an dem Angeklagten war, zur Anklage mit guilty oder not guilty Stellung zu beziehen, sondern an den Geschworenen. Zu Beginn der Hauptverhandlung hatte der Crier ausgerufen, der Angeklagten stünde nun vor seiner Erlösung (for he standeth upon his deliverance), und zwar der Erlösung entweder von einer unberechtigten Anklage oder aber von seiner Lüge, nicht schuldig zu sein. Und diese Erlösung sollte dem Angeklagten nun widerfahren: Then he asketh of the enquest, what say you? Is he guiltie or not guiltie? The foreman maketh aunswere in one worde, guiltie, or in two, not guiltie: the one is deadlie, the other acquiteth the prisoner. So that neither Judge nor Justice hath to doe, or can reverse, alter or chaunge that matter.217

Max Weber erinnerte die Art und Weise der Verkündigung des Verdikts an ein Orakel. Denn wie ein Orakel gab die Jury keine Begründung für die geoffenbarte Entscheidung an: „Es fehlen alle logisch-rationalen Begründungen der konkreten Entscheidung.“218 Deswegen handelte es sich für Weber bei den Zwölf Geschworenen um ein „irrationales Entscheidungsmittel“, getragen vom „formalen Charakter der Prozedur selbst“.219 Nun besaß dieser Irrationalismus aber für die soziale Logik des Verfahrens einen großen Vorteil: Ein orakelhaft vorgetragenes Verdikt entzog sich einem logischen Begründungszusammenhang und sperrte sich gegen jedwede Kritik. Im älteren Verfahrensregime war ein Verdikt daher nicht revisionsfähig: neither Judge nor Justice hath to doe, or can reverse, alter or chaunge that matter.220 215 216 217 218 219 220

1 ST 899. Smith, De Republica Anglorum, 102. Ebd. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 447. Ebd. Smith, De Republica Anglorum, 101.

80

1550–1650: Rhetorisches Regime

Für die Legitimation durch Verfahren kam und kommt es zudem darauf an, die Entscheidung zu depersonalisieren: „Die Person des Entscheidenden muss aus der Darstellung ausgeschaltet werden, weil die Entscheidung als eine Folgerung aus Normen und Fakten erscheinen soll.“221 Deswegen war es wichtig, dass das Verdikt durch die Nachfrage des Clerks als einstimmiges (unanimiter) Resultat dargestellt wurde. Man mochte im Verborgenen heftig über das Verdikt gestritten und Dissentierende zum Einlenken genötigt haben: Im Gerichtssaal wurde davon nichts bekannt, dort bildete die Abgabe des einstimmigen Verdikts mit einer Stimme eine Konsensfassade. Die Juristen haben sich die Notwendigkeit zur Einstimmigkeit damit erklärt, dass das veredictum patriae an die Stelle des durch Kampf oder andere Proben hervorgerufenen iudicium Dei getreten sei.222 Dissentierende Voten wären ein Hinweis darauf gewesen, dass Gott nicht hinter dem Urteil stand, denn es war die Aufgabe der Geschworenen, einen Wahrspruch zu finden which God shall put in your mindes, wie es bei Smith hieß.223 Auf jeden Fall war die Verkündigung des Verdikts durch den Sprecher die Form, mit der die Entscheidung darstellbar und in das Verfahren einspeisbar wurde. Wie auch immer die Geschworenen zu ihrem Beschluss gekommen waren: ob durch rationale Deliberation, durch Fraktionsbildung, durch unwidersprochene Wortführerschaft, durch Drohungen oder durch Kompromiss: Erst indem der foreman den Wahrspruch für alle sagte, wurde er zu einer sozialen Tatsache, an die die weitere Kommunikation anknüpfen konnte. Bei Throckmorton lautete das Verdikt: not guilty.224 Nach dem Verdikt versicherte sich der Richter der Einstimmigkeit des Verdikts: How saie you the rest of you, is Whetstons verdict all your verdicts? Gewöhnlich eine Formalie, war die Frage bei Throckmorton ernst gemeint, denn weder die Kronanwälte noch die Richter waren dazu bereit, das Verdikt zu akzeptieren. Bromley forderte die Geschworenen unverhohlen auf, ihren Spruch zu revidieren, was ihr Sprecher Whetston aber ablehnte:

221 222 223

224

Bromley:

Remember your selues better, haue you considered substantially the whole euidence in sort as it was declared & recited; the matter dooth touch the quéenes highnesse, and your selues also, take good héed what you doo.

Whetston:

My lord, we haue throughlie considered the euidence laid against the prisoner, and his answers to all these matters, and accordinglie we haue found him not giltie agréeable to all our consciences.

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 108. Pollock / Maitland, The history of English law before the time of Edward I, Bd 1, 624. In scissura mentium Deus non est hieß es auch bei anderen mittelalterlichen Gelehrten in Bezug auf die Einstimmigkeit bei der Entscheidungsfindung, vgl. Schreiner, Wahl, Amtsantritt und Amtsenthebung von Bischöfen, 93. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1116. Genauer gesagt, wurde folgende Frage gestellt und beantwortet: How saie you,Iurie. Sendall.is maister Throckmorton knight there prisoner at the bar, giltie of the treasons wher|of he hath bene indicted and arreigned in maner and forme, yea or no? No.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

Bromley:

81

If you haue doone well, it is the better for you.225

Throckmortons Geschworene wurden für ihr Verdikt sechs Monate eingekerkert und mit einer erheblichen Geldbuße bestraft.226 Auch wenn Smith dieses Vorgehen verie violent, and tyrannical, and contrarie to the libertie and custome of the realme of England hielt, so mussten Geschworene nach diesem Fall gewarnt sein, einen Unschuldsspruch zu fällen, wenn die matter dothe touche the queenes highnesse.227 Erst 1670 wurde durch eine höchstrichterliche Entscheidung festgelegt, dass Geschworene wegen ihres Verdikts keinen Repressalien ausgesetzt werden dürfen, zumindest keinen offiziellen von Seiten der Obrigkeit.228 In gewöhnlichen Fällen musste der Angeklagte nach einem Unschuldsverdikt niederknien und sagen God save the King and this Honourable Bench. Der richterliche Freispruch, den er anschließend weiter kniend empfing, hatte also den Charakter einer Begnadigung. Das war bei Freisprüchen in Hochverratsprozessen nicht der Fall, hier reagierten die Verfahrensveranstalter in der Regel perplex und dilatorisch, während sich der Angeklagte nicht selten in eine Siegerpose warf. Throckmorton musste immerhin mehrfach darauf insistieren, dass der Richter nun die Rechtsfolgen aus dem Verdikt zog: And it may please you my lord cheefe iustice, forsomuch as I haue bene indicted and arreigned of sundrie treasons, and haue according to the law put my triall to God and my countrie, that is to saie, to these honest men which haue found me not giltie, I humblie beseech you to giue me such benefit, acquitall and iudgement, as the law in this case dooth appoint.229

Diesen formelhaften Satz, der in Kurzform eine Kausalkette von der Anklage bis zum Freispruch spannte, hätte eigentlich Richter Bromley aussprechen müssen, der Throckmorton aber wegen angeblich weiterer Vorwürfe sofort wieder verhaften ließ. Erst einige Zeit später kam er wirklich frei. Bei einem Schuldspruch verlief der Verurteilungsprozess dagegen weniger stockend. Aber auch hier versicherte man sich zunächst der Einstimmigkeit des Verdikts. Dass ein Schuldspruch durch die Standesgenossen im älteren Sinne immer auch den Ausschluss aus der Gemeinschaft darstellte, kam wiederum dadurch zum Ausdruck, dass die Geschworenen anschließend aufgefordert wurden, den Schuldiggesprochenen zu denunzieren, und zwar, indem sie an der Konfiszierung und Enteignung seiner Güter mitwirkten und ihm auf diese Weise symbolisch die Lebensgrundlage entzogen: If they say guiltie, the clarke asketh what landes, tenements, or goods, the prisoner had at the time of the felonie committed; symbolisch

225 226 227 228 229

Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1116. Patterson, Early modern liberalism, 108. Smith, De Republica Anglorum, 110. Crosby, Bushell‘s case and the Juror‘s soul. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1116.

82

1550–1650: Rhetorisches Regime

deswegen, weil die Geschworenen auf diese Frage ihre Unkenntnis darüber zum Ausdruck bringen durften: Commonlie it is aunswered they knowe not.230 Die Allokution Bevor der Richter sein Urteil sprach, wurde der Angeklagte gefragt, was er gegen das folgende Urteil noch vorbringen könne: the Judge asketh what he can now say for himself, bzw., wie es etwas vollständiger im Prozess gegen den Herzog von Norfolk 1571 hieß: thou hast been indicted of High-Treason, and hast been arraign’d upon the same, and hast pleaded Not Guilty, and hast put thy self upon thy Peers; the Lords, thy Peers, have found thee Guilty: what hast thou to say, why I may not proceed to Judgment?231 Auch hier finden wir also die Konditionalformel wieder, die den Prozess auf seine Passagepunkte reduzierte und bis zu der Stelle führte, an der nun eine neue Aktivität erforderlich wurde. Diese Aktivität wurde von den Common Lawyern allocutus genannt.232 Unter einer Allokution versteht man mehrere Redetypen, päpstliche und diplomatische Ansprachen ebenso wie die flammende Rede eines Feldherrn an seine Soldaten vor der Schlacht. Die Common Lawyer hatten dabei eine Sprechhandlung im Sinn, mit der ein Angeklagter versuchen sollte, den Richter milde zu stimmen oder Gnade vor Recht ergehen zu lassen.233 Bei gewöhnlicher Delinquenz war diese Sprechhandlung weitgehend schematisiert, insofern der Angeklagte unter bestimmten Umständen nun das sogenannte benefit of clergy erbitten konnte, eine juristische Fiktion, mit der so getan wurde, als ob der Angeklagte ein Kleriker war, der der weltlichen Justiz nicht unterstand.234 Das war bei Hochverrat nicht möglich.235 Manche Angeklagte gestanden daher an dieser Stelle ihre Schuld und flehten schlicht um Gnade: I am Guilty, I know under how merciful a queen I live; I submit myself wholly to her majesty‘s mercy. I will not stand long upon that whereof mine own conscience condemneth me.236 Standesbewusste Aristokraten wie der Herzog von Norfolk unterließen hingegen jeden Verhandlungsversuch: the Lord’s will be done.237 Interessant wurde es immer dann, wenn Angeklagte diese Situation und den an sie erteilten Redezug dazu nutzten, um weiter über ihren Fall zu verhandeln, um Einwände zu erheben oder energisch gegen das Verdikt zu protestieren. Dann war schnell ein weiterer Konflikt ausge230 231 232 233 234 235 236

237

Smith, De Republica Anglorum, 102. 1 ST 1031. Nachweise für das 14. Jahrhundert bei Bellamy, The law of treason in England, 94. Baker, The legal profession, 292. Ebd.; ausführlich dazu Herrup, The common peace, 48ff. Thompson, Religious confession privilege at the common law, 44. 1 ST 1044. Offenbar besaß die Allokution besonders in den früheren Hochverratsverfahren des 15. und 16. Jahrhunderts den Sinn, die Verurteilten an die Gnade des Königs appellieren zu lassen, der unter Umständen ein Interesse daran hatte, Hochverräter durch demonstrative Milde eher eng an sich zu binden als auf dem Schafott zu sehen, vgl. dazu Kesselring, Mercy and authority in the Tudor state. 1 ST 1031.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

83

brochen, der an dieser Stelle des Verfahrens fast noch problematischer war als ein Konflikt am Anfang. Immerhin wurde durch den Protest eine angeblich von Gott inspirierte Entscheidung in Frage gestellt, und es gab nicht wenige Angeklagte, die dabei sehr subversiv vorzugehen wussten. Das Urteil Wenn die Eröffnungszeremonien eines Verfahrens dazu dienten, das Verfahren diskursiv aus dem Alltag herauszupräparieren, dann besaßen die Schlussrituale den Sinn, die durch das Verfahren initiierte Konfliktführung wieder zu beenden. In kontinentalen Gerichtsregimen wurde dies z.B. durch das Stabbrechen symbolisiert. Im Common Law-Verfahren fungierten hingegen Sprechakte zur symbolischen Markierung des Schlusses: the judge […] proceedeth to sentence, which is doone by word of mouth onelie. Der Urteilsspruch wurde dadurch eingeleitet, dass der Richter einmal mehr den Verlauf des Verfahrens Revue passieren ließ, um dann sein Urteil als eine zwangsläufige rechtliche Folgerung aus den Fakten und dem Verlauf des Verfahrens zu sprechen: Thou A. hast beene endicted of such a felonie and thereof arraigned, thou hast pleaded not guiltie, and put thy selfe upon God and thy Countrie, they have found thee guiltie, thou hast nothing to say for thy selfe, the Lawe is, thou shalt first returne to the place from whence thou camest, from thence thou shalt goe to the place of execution, there thou shalt hang till thou be dead.238

Wenn man sich die performativen Dimensionen des Urteilens noch genauer ansieht, dann fällt schon für das späte 16. Jahrhundert eine Semantik der „Deagentivierung“ auf, bei der sich der sprechende Akteur, der Richter, hinter einer sprachlich evozierten Entität, ‚dem Recht‘, gleichsam verbarg. In der richterlichen Sprechweise sollte das Urteil nicht als persönliche Entscheidung, sondern als abstrakte Folgerung aus Normen und Fakten erscheinen, als notwendige Konsequenz des Schritt für Schritt auf seine Entscheidung zulaufenden Verfahrens, für das der Richter lediglich als Sprecher auftrat. In den Common Law-Kommentaren wurde dazu an das Rechtssprichwort iudicium est ius dicere non ius dare erinnert, und auch die Theologen des 17. Jahrhunderts schärften in ihren Assisen-Predigten ein: A Judge no longer remains a single and individual Person, but sounds a Multitude, a Legion, a Leviathan of Men, a Monopoly of Rights and Privileges.239 Dass es eine Zumutung darstellt, wenn eine juristische Entscheidung einer individuellen Person zugeschrieben werden kann und nicht einer Art Offenbarung höherer Mächte, hat 1976 schon John Langbein herausgestellt, als er über die Anfänge des trial by jury nach der Abschaffung der Gottesurteile im Hochmittelalter schrieb: „The question that spring to the lips is: ‚You who are merely another mortal 238 239

Smith, De Republica Anglorum, 103. Hascard, Gladius justitiae, 10.

84

1550–1650: Rhetorisches Regime

like me, who are you to sit in judgement upon me?’“240 Bemerkenswert ist, dass der Bedarf an Deagentivierung und Essentialisierung des Rechts bzw. der Verweis auf eine unpersönliche Programmstruktur des Verfahrens im Laufe der Zeit nicht etwa ab-, sondern zunahm. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts findet man bei Urteilsverkündigungen häufiger die Erklärung: It is the Law pronounces it.241 In einer Assisen-Predigt von 1767 bekamen die Leute zu hören: it is Law herself uttering her decrees with a human voice, who absolves without favour, and punishes without resentment.242 Auch dass sich der Richter vor dem Urteilsspruch eine schwarze Kappe aufsetzte, lässt sich nicht vor dem 18. Jahrhundert nachweisen243, so wie es erst einer Mode der Barockzeit folgte, dass die Richter und Anwälte Perücken trugen. Von dieser Entindividualisierungspraxis wollen sich Richter in Strafsachen noch heute nicht verabschieden. Man kann dies als einen Hinweis darauf werten, dass sich die Kontingenz des Urteilens und Entscheidens im Laufe der Zeit nicht einfach wegrationalisieren ließ und nur jeweils anders dargestellt, nicht aber in seiner Dramatik vollständig entschärft werden konnte.244 Kein Ritual konnte am Schluss vor Protesten schützen. Wie damit umgegangen wurde, wird man jeweils sehen. Prinzipiell lässt sich aber sagen, dass Urteilsschelte den Akt des Entscheidens massiv untergraben konnte. Meist nötigte sie die Richter und Kronanwälte zu weiteren Rechtfertigungsversuchen, was in einem weiteren Konflikt mit dem Verurteilten münden konnte, der nur noch dadurch wieder beendet werden konnte, dass man den Verurteilten gewaltsam aus dem Gerichtssaal entfernte. Damit hatten die Verfahrensveranstalter das Problem nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Denn spätestens bei der öffentlichen Hinrichtung wurden sie erneut mit Dissens konfrontiert. 11. „DEAD MEN TALKING“: DAS SCHAFOTT ALS DISKURSIVER ORT Hochverrat wurde nicht allein mit dem Tod bestraft. Wie bei Verrat und Majestätsverbrechen anderswo im vormodernen Europa entfaltete auch die englische Strafjustiz im 16. Jahrhundert jenes „Fest der Martern“ und „Theater des Schreckens“ das Michel Foucault und Richard van Dülmen eindrücklich beschrieben haben.245 Beide hatten dabei die Strafe bei Majestätsverbrechen vor Augen. Die Berücksichtigung der Hinrichtungspraxis bei Hochverrat im Rahmen dieser verfahrensgeschichtlichen Studie dient aber keineswegs nur der Abrundung. Vielmehr erwies sich die Hinrichtung im Sinne des Vollzugs des Urteils als ein ganz wesentlicher Prüfstein für die durch das Verfahren gewonnene Legitimation. Hinrichtungen bildeten mindestens bis zum Ende des 17. Jahrhundert eine Forstsetzung des Ver240 241 242 243 244 245

Langbein, Torture and the law of proof, 6. 6 ST 535. Lowth, A sermon preached, 16. Hay / Linebaugh / Rule / Thompson / Winslow, Albion‘s fatal tree, 27. Das zeigen auch die gegenwartsbezogenen Beiträge in Vismann / Weitin, Urteilen, Entscheiden. Foucault, Überwachen und Strafen, 9–12 u. 44–90; van Dülmen, Theater des Schreckens, 102–144.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

85

fahrens mit anderen Mitteln, anderen Akteuren und an anderen Orten. Anhand der Abläufe und Diskussionen auf dem Schafott lässt sich aber erkennen, was durch die Verfahren zur Rechtfertigung dieses Aktes erreicht worden war und was noch vor Ort nachträglich dazu mobilisiert werden musste – und was auch selbst dort nicht erreicht werden konnte. Es wird im Folgenden zunächst skizziert, welchen Wandel Gestalt und Funktionen von Hinrichtungen bei Hochverrat zwischen Spätmittelalter und Frühneuzeit durchlaufen hatten und welche Veränderungen insbesondere infolge der Reformation eintraten. Dabei müssen auch die in der Forschung virulenten Debatten, etwa um die Applizierbarkeit von Foucaults ‚Theorie‘ der Hinrichtung auf den englischen Fall, aufgenommen werden. Meine These ist, dass von einer ‚institutionell‘ eigenständigen Hinrichtung als bloßem Vollzug des Verfahrens keine Rede sein kann. Dann geht es um Sinn und Funktion der last dying speech, deren im Untersuchungsraum stets gedrucktes Vorliegen schließlich einige Anmerkungen über Prozesse und Hinrichtungen als Gegenstand von Printmedien in einer printmedialen Öffentlichkeit nötig machen. Der Sinn der Gewalt Wie alle anderen Hinrichtungen wurden die Urteile gegen Hochverräter seit dem Mittelalter und bis ins Jahr 1868 öffentlich vollstreckt, zumindest in den meisten Fällen. Beim Prozess gegen die Pulverfassverschwörer im Jahr 1606 schilderte Sir Edward Coke, einer der einflussreichsten englischen Juristen des 17. Jahrhunderts, welche Rituale des Tötens dabei vollzogen wurden und welcher Sinn dem zugrunde lag: Ein Verräter werde vom Gefängnis zur Hinrichtungsstätte geschleift, weil er es nicht mehr wert sei, die Erde zu betreten, aus der er selbst geschaffen worden sei. Da er seine natürliche Bestimmung pervertiert habe (retrograde to Nature), werde er rückwärts an einen Pferdeschwanz gebunden. Sein Kopf schleife dabei durch den Schmutz der Strasse, so dass er nicht mehr die Luft der Menschen atme. Zum gleichen Zweck werde ein Hochverräter anschließend stranguliert – hanged up by the Neck between Heaven and Earth, as deemed unworthy of both, or either. Doch noch lebend werde er wieder vom Galgen geschnitten und lebend müsse er es erdulden, dass ihm seine Genitalien abgetrennt und vor seinen Augen verbrannt werden – unfit to leave any Generation after him. Anschließend werde er ausgeweidet, werden ihm Gedärme und Innereien herausgerissen und ebenfalls verbrannt – denn in seinem Inneren habe er den Verrat ersonnen und beschlossen. Dann werde der Kopf abgeschnitten, in dem der mörderische Plan schließlich konzipiert worden war. Am Ende werde der Körper des Verräters gevierteilt und die Viertel an verschiedenen Orten gut sichtbar zur Schau gestellt, um von den Menschen verabscheut zu werden und den Vögeln zum Fraß zu dienen.246

246

2 ST 184.

86

1550–1650: Rhetorisches Regime

Für Coke besaß jede einzelne Handlung also eine bestimmte Bedeutung, die einzelnen Schritte der Hinrichtung spiegelten Facetten des zu bestrafenden und zu vergeltenden Delikts Hochverrat.247 Das Ritual bildete die Inversion der Perversion, die der vormoderne Diskurs dem Hochverratsdelikt zuschrieb: Der Verräter, dessen böser, geradezu monströser Wille es war, den König zu töten und damit die Ordnung aller Dinge zum Einsturz zu bringen, konnte nicht nur einfach getötet werden, das wäre dem begangenen Delikt nicht angemessen gewesen. Der Hochverräter verlor vielmehr unmittelbar mit dem Urteil seine Daseinsberechtigung als Teil der Menschheit und musste von nun an entsprechend unmenschlich behandelt werden, beispielsweise indem man ihn mit dem Kopf (eigentlich the highest and most supreme Part, as being his chief Grace and Ornament) nach unten und den Füßen nach oben, zur Richtstätte schleifte. Eine Form der Todesstrafe allein war für einen Hochverräter nicht genug. Deswegen wurde das Erhängen nicht bis zum Tode durchgeführt, noch nicht einmal bis zur Bewusstlosigkeit. Der Verurteilte spürte den Horror des Galgens, um dann aber, halb benommen, ein Messer in den Unterleib gerammt zu bekommen. Womöglich nahm er sogar noch wahr, wie ihm Körperteile abgetrennt wurden. Der Körper des Verräters sollte sukzessive physisch vernichtet werden und dabei die Vergeltung der Tat zum Ausdruck bringen. Am Ende säuberten Aasfresser die Erde von seinen Überresten. Mittelalterliche Traditionen und moderne Deutungsangebote Die Ursprünge dieser Liturgie des gewaltsamen Sterbens führen zurück in das 13. Jahrhundert, als Hochverrat noch das typische Delikt adlig-ritterlicher Rebellen darstellte.248 Die Rituale des Tötens zielten dabei nicht allein auf die physische Eliminierung des Verräters und die symbolische Inversion des Delikts, sondern ebenso auf die radikale Entwürdigung des Betroffenen, auf die Zerstörung seiner sozialen Identität (als Mann und als Ritter) und der kollektiven Ehre seiner Familie. Anders als beim Ende des 18. Jahrhunderts eingeführten ‚modernen‘ Galgen, durch dessen besondere Fallhöhe dem Verurteilten sofort das Genick gebrochen wurde, wurden die Verräter in Spätmittelalter qualvoll stranguliert, und bei diesem Prozess entspannten sich nach anfänglichem Todeskampf die Muskeln des Körpers, auch die Schließmuskeln an After und Blase. Infolgedessen mussten die nackt am Galgen Hängenden urinieren und Kot ausscheiden, bei einigen Männern setzte zudem eine Erektion ein.249 Auch der letzte Rest sozialer Schätzung, die der Verurteilte bei seinen Zeitgenossen vielleicht noch besaß, sollte durch dieses Tötungsritual ruiniert werden. Schon die mittelalterlichen Obrigkeiten ließen dabei so viele Zuschauer wie möglich zusammentrommeln – und zwar im Wortsinn – damit das Ritual der totalen Inversion und Destruktion von Identität, Ehre, Leiblichkeit und Verbrechen vor einer großen Zahl an Augenzeugen vollzogen werden konnte. 247 248 249

Zur Spiegelstrafe vgl. van Dülmen, Theater des Schreckens, 108ff. mit der älteren Literatur. Royer, The Body in parts. Westerhof, Deconstructing identities on the scaffold, 102ff.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

87

Die Betonung geschlechts- und rollenspezifischer Deutungsmuster für die Ausprägung der öffentlichen Todesstrafe in England diente in jüngerer Zeit dazu, die lange von Michel Foucault in seinem bahnbrechenden Buch „Überwachen und Strafen“ geprägte Interpretation der Hinrichtungen neu zu diskutieren.250 Da das Gerichtsverfahren in England öffentlich vollzogen wurde, anders als auf dem Kontinent, treffe, so die Kritik, für die Insel nicht zu, was im Geltungsbereich des Inquisitionsprozesses stimmen mag: dass die öffentliche Todesstrafe zur Legitimation der geheimen Prozedur der Wahrheitserforschung gedient habe: „The English courtroom kept no secrets. Thus, when Foucault writes, that »the public execution transferred the secret, written truth of the procedure to the body, gesture and speech of the criminal«, one must ask why England, with its open court proceedings and jury verdicts, also publicly executed criminals“.251 Foucault hatte in „Überwachen und Strafen“ nicht nur herausgestellt, inwiefern das vormoderne Strafritual idealtypisch auf die Zerstörung des Körpers des Verurteilten ausgerichtet war. Vielmehr sah Foucault auch die Öffentlichkeit der Todesstrafe für wesentlich an, insofern diese als Kompensation der geheimen Prozeduren von Verhören und Folter dienten und der Verurteilte durch sein vor Publikum abgelegtes Geständnis die „Wahrheit der Untersuchung“ selbst bestätigte.252 Wenn die Übertragbarkeit dieses auf französischem Material aus dem 18. Jahrhundert gründende Modell auf die englischen Verhältnisse im Spätmittelalter kritisiert wird, dann wird allerdings stillschweigend unterstellt, dass es dort bereits ein (nicht weiter untersuchtes) Verfahren gab, das aus sich heraus Legitimität stiftete und dessen Urteile dann bloß noch zu vollziehen waren und dabei symbolisch aufgeladen werden konnten. Diese Vorannahme ist symptomatisch für die Erforschung der Todesstrafe in Spätmittelalter und Frühneuzeit, die mittlerweile in überaus eindrucksvoller Weise zwar deren verschiedenen Bedeutungsebenen herausgearbeitet, dabei aber stets den der Hinrichtung vorausgehenden Gerichtsprozess bei der Analyse ausgelassen hat. Damit wird dem Ritual der Hinrichtung jedoch eine institutionelle Autonomie, eine Alleinstellbarkeit als Ereignis zugeschrieben, die so nicht zu belegen ist. Meine These ist dagegen, dass es einen engen Zusammenhang von Verfahren und Vollzug gab und Hinrichtungen vielfach geradezu eine Fortsetzung des Verfahrens unter anderen Umständen darstellten. Insofern hilft Foucaults Deutung der Hinrichtung auch im englischen Fall weiter. Die Emanzipation der öffentlichen Todesstrafe vom Prozess war eine länger andauernde Entwicklung in der Frühneuzeit, übrigens nicht nur bei Hochverrat, sondern auch bei anderen Kapitaldelikten. Für das Spätmittelalter hingegen kann man überhaupt noch nicht von einer klaren Trennung zwischen einem Gerichtsprozess einerseits und einer Hinrichtung andererseits ausgehen. Der erste Hochverräter, über dessen Prozess Genaueres bekannt ist, der walisische Fürst David ap Gruffydd (1235–1283), wurde 1283 per consideratum mag250 251 252

Paradigmatisch erfolgte diese Rezeption durch Sharpe, „Last dying speeches“. Royer, The Body in parts, 322; ähnlich argumentiere Hutson, Rethinking the „Spectacle of the Scaffold“; Westerhof, Amputating the traitor; Westerhof, Death and the noble body in medieval England. Foucault, Überwachen und Strafen, 53.

88

1550–1650: Rhetorisches Regime

natum, also auf Beschluss seiner Standesgenossen, zum Tode verurteilt.253 Der Angeklagte selbst kam aber während des Prozesses nicht zu Wort. Dem schottischen Rebell Sir Simon Fraser (1270–1306) sollte der Prozess vor Edward II. gemacht werden, doch the Kynge wolde noußt see him, but commaundede him to ben ledde away to haue his dome at London. In our Ladies Eve, the Natiuitie, he was hongede and drawe, & his heuede smyten of. 254 In diesem Fall genügte also ein Machtwort des Königs, um Fraser zum Tode zu verurteilen. Solche Beispiele für buchstäblich kurze Prozesse im Spätmittelalter ließen sich leicht vermehren.255 Der rudimentäre Gerichtsprozess256 und das dort gesprochene Urteil waren aber nur der Auftakt der Legitimation einer Entscheidung, die sich bei der Hinrichtung, also in actu, erst noch zu bewähren hatte. Deswegen kam im Spätmittelalter so viel darauf an, ob sich die Rituale des Tötens korrekt vollziehen ließen. Denn wenn das nicht der Fall war, dann lag die Vermutung nahe, dass Gott mit dem Urteil nicht einverstanden war und zugunsten des Verurteilten in das Geschehen eingriff. Galgenwunder wie ein gerissenes Seil und in manchen Fällen das Unvermögen des Henkers, den Delinquenten mit dem Beil oder Schwert mit dem ersten Schlag zu töten, galten als Beleg für die Unwahrheit des Schuldspruchs.257 Hinrichtungsrituale verkündeten nicht nur spiegelbildlich das begangene Verbrechen. Als performative Akte, die Gelingen oder Misslingen konnten, gaben sie zugleich Aufschlüsse über die Rechtmäßigkeit des ganzen Vorgangs.258 Wandlungen seit der Reformation – die ,last dying speech‘ Die Hinrichtung der Lady Jane am 12. Februar 1554 vollzog sich dagegen völlig anders. Nicht nur wurden adlige Hochverräter, gleich welchen Geschlechts, schon länger nicht mehr (nur) auf dem Schafott abgeschlachtet. Ihr Stand verschaffte ihnen seit dem 16. Jahrhundert vielmehr das Privileg der als ehrenvoll geltenden Enthauptung. Aber darauf kommt es hier nicht an. Wesentlich ist vielmehr, dass sich die Aufmerksamkeit weniger auf den Akt des Tötens richtete, sondern vor allem darauf, was die Delinquentin zuvor sagte und tat. Jane Dudley, die die Verschwörer um Throckmorton und Wyatt anstelle von Maria Tudor auf den Thron bringen wollten, gehörte zu den ersten Todeskandidaten, die auf dem Schafott eine Ansprache an die Umstehenden hielten. Diese Ansprache wurde ab dem 17. Jahrhundert last dying speech genannt.259 Der Wandel vom stumm die Strafe erleidenden Verurteilten, dem „dead man walking“, zum „dead man talking“260 hatte sich durch die Verchristlichung der Todesstrafe um 253 254 255 256 257 258 259 260

Bellamy, The law of treason in England, 25. Brie, The Brut, or: The Chronicles of England, 201. Bellamy, The law of treason in England, 47–58. Ebd., 22–58. Vgl. dazu in generalisierender Perspektive Schuster, Hinrichtungsrituale in der Frühen Neuzeit. Schuster, Verbrecher, Opfer, Heilige, 55–59. Sharpe, „Last dying speeches“. Dazu Royer, Dead men talking.

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

89

1500 angebahnt.261 Wenn Delinquenten unter Heinrich VIII. Beichtväter zur Verfügung gestellt wurden, die sie zwischen Urteil und Hinrichtung begleiteten, dann diente dies nicht nur der Seelsorge. Die geistliche Betreuung erfüllte immer auch den Zweck, dem Verurteilten eine neue Rolle anzuverwandeln, die des Armen Sünders, des dying penitent, der auf dem Schafott, ganz im Sinne des Foucault’schen Modells, laut und deutlich seine Schuld gestand und damit die Legitimität der Strafe zum Ausdruck brachte. Diese Art der Seelsorge, eine Art von „Pastoralmacht“ (Foucault), erfüllte obrigkeitlich gewünschte Funktionen: Die confessio auf der Richtstätte war Beichte und Geständnis zugleich.262 Entsprechend wurde die last dying speech in der älteren Forschung als obrigkeitliches Machtinstrument gesehen.263 Allerdings war das Eingeständnis von Schuld für eine last dying speech überhaupt nicht konstitutiv. Sie konnte, wie bei Lady Jane, auch eine Beteuerung der Unschuld beinhalten: Auf dem Schafott im Inneren des Towers, also in einer eingeschränkten Öffentlichkeit, beobachtet von Vertretern der Krone, Klerikern, den Wachleuten des Towers, Mithäftlingen von Rang und Namen sowie Janes Kammerzofen, erklärte sie: Good people I am come hither to die, and by a lawe I am condemned to the ſame. My offence agaynſt the Queenes highneſſe was onely in conſent to the deuice of other, which nowe is deemed treaſon, but it was neuer of my ſeeking, but by counſail ſo thoſe who ſhoulde ſeeme to haue further vnderſtanding of things than I, whiche knewe little of the lawe, and much leſſe of the tytles to the crowne. But touching the procurement and deſire thereof by mee, or on my behalfe, I doe waſhe my handes in innocencie thereof before God, and the face of all you (good Chriſtian people) thys daye, and therewith ſhe wrung hir handes, wherein ſhee hadde hir Booke. Then ſayde ſhee, I pray you all good Chriſtian people, to beare me witneſſe that I dye a true Chriſtian woman, and that I looke to be ſaued by none other mea|nes, but onelye by the mercie of God, in the bloud of hys onelye ſonne Ieſus Chriſt […].264

Lady Jane erklärte also, zwar rechtskräftig verurteilt worden zu sein (by a lawe I am condemned to the ſame), ebenso bekannte sie ihre Verwicklung in die Verschwörung. Doch sie stritt ab, den Putsch selbst (mit) geplant zu haben und daher eine Hochverräterin zu sein (But touching the procurement and deſire thereof by mee, or on my behalfe, I doe waſhe my handes in innocencie thereof). Ihre Unschuldsbehauptung unterstrich sie wiederum mit einer Geste (ſhe wrung hir handes, wherein ſhee hadde hir Booke) vor einem Publikum, das für sie auch eine christliche Gemeinschaft darstellte (before God, and the face of all you). 261 262

263 264

Vgl. zu diesem Strukturwandel Schuster, Hinrichtungsrituale in der Frühen Neuzeit; Royer, Dead men talking; Schuster, Verbrecher, Opfer, Heilige, 74ff., 215ff. Vgl. zu diesem Wechselverhältnis schon Hahn, Konstruktionen des Selbst, der Welt und der Geschichte, 197ff. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelang es in der Regel, eine schuldbekennende last dying speech zu erwirken, vgl. Smith, English treason trials and confessions in the sixteenth century. Sharpe, „Last dying speeches“; McGowen, The body and punishment in eighteenth-century England; Linebaugh, The London hanged; Beattie, London crime. Holinshed, The firste volume of the Chronicles, 1732.

90

1550–1650: Rhetorisches Regime

Ob die Rede so gehalten wurde, lässt sich genausowenig klären wie der genaue Verlauf von Throckmortons Verfahren. Beides wurde erst durch Holinsheds Chronik popularisiert, und es ist gut möglich, dass auch last dying speech der Lady Jane überarbeitet worden war.265 Allerdings kommt es in beiden Fällen nicht auf den faktischen Ablauf selbst an, sondern auf die Wirkung der Darstellungen in der Chronik. Wenn Throckmortons Prozess die Blaupause für einen engagierten, eigensinnigen und standhaften Angeklagten darstellte, dann war der Bericht über Lady Janes Hinrichtung vorbildlich für alle Verurteilten, die das Schafott dazu nutzten, um ihrer Unschuldsbehauptung maximales Gewicht zu verleihen. 12. RESÜMEE Anhand der Beschreibung des englischen Gerichtsprozesses bei dem Humanisten Sir Thomas Smith und der literarisch stilisierten Darstellung des Hochverratsprozesses gegen Sir Nicholas Throckmorton in der Chronik von Raphael Holinshed, wurden in diesem Kapitel Möglichkeiten und Idealisierungen des Strafverfahrens ausgelotet. Das Gerichtsverfahren nach Common Law ließ sich schon am Ende des 16. Jahrhunderts in seinem Ablauf beschreiben. Dabei legte Smith besonderen Wert auf den rituellen Auftakt des Prozesses, der sich in einer Abfolge von redundanten Sprechakten und nonverbalen Handlungen in Gang setzte. Diese ritualistische Initiierung des Prozesses war ein typisches Kennzeichen vormoderner Verfahren, die immer noch mehr Ereignis als Institution waren. Während die Auftakt- und Schluss-Sequenzen des Prozesses bei Smith sehr detailliert beschrieben werden konnten, ließ sich über die Hauptverhandlung offenbar nur sagen, dass sie sich als ein Streitgespräch (altercation) vollzog. Von formalen Regelungen der Erkenntnisbildung war bei Smith ebenso wenig die Rede wie von ausführlichen Zeugenverhören. Bei den Hochverratsverfahren erfuhr dieser Teil des Verfahrens allerdings dadurch eine gewisse Strukturbildung, dass bei diesen Fällen Kronanwälte die Anklage vertraten. Dass sich dieser Umstand auch konfliktverschärfend auswirken konnte, zeigte der Prozess gegen Throckmorton, bei dem im Grunde die gesamte Verhandlung mit einem Streit identisch wurde. Hochverratsprozesse wurden im Übrigen geführt wie andere Strafprozesse nach Common Law auch. Die Öffentlichkeit des Verfahrens war konstitutiv und wurde von Smith und zuvor schon von Sir John Fortescue als Vorzug gegenüber den kontinentalen Inquisitionsprozessen hervorgehoben. Ob aus der Öffentlichkeit des Verfahrens prinzipiell Wahrheitseffekte hervorgingen, scheint allerdings zweifelhaft zu sein. Viel eher gehörte Öffentlichkeit zu den performativen Bedingungen des Verfahrens. Zu den Eigenheiten des Common Law-Prozesses gehörte ferner das Arraignment, bei dem der Angeklagte aufgefordert wurde, sich im Sinne der Anklage für schuldig oder unschuldig zu bekennen. Bei den älteren Prozessen boten diese Sequenz und die als Pleading 265

Bei Lady Jane kam hinzu die Dokumentation in John Foxes Book of Martyrs (zuerst erschienen 1563).

I. Möglichkeiten und Idealisierungen forensischen Handelns

91

bezeichnete Frage nach „schuldig“ oder „nicht schuldig“ dem Angeklagten Raum für Engagement, was sich als Kennzeichen des Verhaltens von Angeklagten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erweisen sollte. Dieses Engagement steigerte sich bei Throckmorton zu einer regelrechten Machtprobe mit dem Gericht. Weitere Kennzeichen des älteren Verfahrens waren das Verbot von Anwälten, das auf den mittelalterlichen Ursprung des Verfahrens verweist, ab der Frühen Neuzeit aber durch ein Unmittelbarkeitsgebot zu rechtfertigen versucht wurde: Nur, wenn kein Anwalt für den Angeklagten spricht, sprechen auch seine Körperzeichen für ihn, und vielleicht sogar die Wahrheit. Der Anklagetext (Indictment) zielte weniger auf allgemeine Verständlichkeit, sondern darauf, das Delikt entscheidbar zu machen. Die Institution der Geschworenen wies in der Mitte des 16. Jahrhunderts noch die älteren Züge eines Gremiums von Kennern des Falls auf, die nicht Zeugen hörten, sondern selber Zeugen waren. Insofern verwundert es nicht, dass ihre Entscheidungsfindung als eine Art Gewissenserforschung beschrieben wurde, also als eine selbstreferenzielle, nicht auf äußere Beweise verpflichtete Reflexion. Es wäre allerdings ein Missverständnis, sich die Hochverratsprozesse als nicht-ergebnisoffene Verfahren vorzustellen. Dagegen sprechen schon Freisprüche wie im Fall von Throckmorton. Ein Gerichtsverfahren lässt sich allerdings auf einen sprachlichen Diskurs reduzieren, sondern muss als ein Ensemble aus Sprechakten, körperlichen Gesten, räumlichen Rahmungen und dinglichen Arrangements verstanden werden. Zum Verfahren gehörte schließlich, zumindest im 16. und 17. Jahrhundert, auch der Vollzug des Urteils. Das Schafott zeigte sich als ein Ort, an dem die Legitimität des Urteils sowohl bestätigt als auch massiv in Frage gestellt werden konnte.

93

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts 1. MASSLOSE GEWALT UND VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN: ENGLAND UND DIE KATHOLISCHEN MISSIONARE UNTER ELISABETH I. Die Verhaftung von Alexander Briant am 28. April 1581 war ein Zufallstreffer. Eigentlich hatte Thomas Norton mit einigen Wachleuten das Haus am Themseufer durchsucht, weil ihm zugetragen worden war, dass sich dort Robert Parsons versteckt hielt. Doch wie so oft zuvor, war es dem berühmten Jesuitenpater Parsons auch diesmal um Haaresbreite gelungen, zu entkommen.1 Norton, der seit 1578 als Sonderbeauftragter (commissioner) für die Verfolgung katholischer Umtriebe fungierte, war darüber jedoch nur kurz enttäuscht. Denn es zeigte sich, dass man mit Briant einen sogenannten Seminarpriester erwischt hatte, dem man unterstellen konnte, Informationen über Parsons, dessen Druckmaschinen und überhaupt alles über die als so existenziell bedrohlich stilisierte englische Mission der beiden Jesuiten – der andere war Edmund Campion – in Erfahrung zu bringen.2 Um Briants Willen zu brechen und ihn zum Reden zu bringen – Norton hatte bereits miterlebt, dass Seminarpriester lieber ihr Leben ließen, als ihre Glaubensbrüder zu verraten –, steckte man diesen in den Schuldturm in der Wood Street, der als besonders übles Loch galt. Dort ließ man ihn einige Tage ohne Essen und Trinken und gab ihm dann ein paar Krumen Hartkäse und Brot, die Briant aber nur noch durstiger machten. In seiner Not leckte er an den Wänden, um seinen Mund wenigstens zu befeuchten. Am 5. Mai wurde er dann in den Tower gebracht, wo er dem dort ebenfalls gefangen gehaltenen Seminarpriester John Hart über seine bisherigen Leiden berichtete. Hart, der später selbst hingerichtet wurde, hat diese und die folgenden Misshandlungen in seinem Tagebuch genau protokolliert.3 Wie die anderen englischen Gefängnisse dieser Zeit ließ der Tower zwar keine Gefangenen, aber Informationen vergleichsweise ungehindert ein und aus.4 Bereits am 3. Mai hatte der Privy Council eine Order erlassen, wonach Norton und der Lieutenant des Towers, Sir Owen Hopton, Briant verhören und foltern sollten. Er sollte sagen, wo Par1 2 3 4

Zu den Anfängen der englischen Jesuitenmission vgl. McCoog, The Society of Jesus 1541–1588, 129–177. Zur Verhörpraxis allg. Covington, The trail of martyrdom, 103–134. Camm, Lives of the English martyrs, 406. Zu den Kerkern als Stationen des Martyriums vgl. Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 188–207; zu den Kerkern als Orten des Schreibens und zu den Möglichkeiten der Informationsweitergabe vgl. Shell, The writing on the wall; Ahnert, The Rise of Prison Literature, 112ff.

94

1550–1650: Rhetorisches Regime

sons steckte, wo dieser die Messe las und wo die Druckerpresse stand, aus der die Schriften stammten, mit denen die Jesuiten angeblich die Untertanen gegen ihre Königin aufwiegelten.5 Man hielt sich allerdings nicht lange damit auf, Briant zur Aussage zu überreden. Nachdem ihn weder der Durst noch eiserne Fesseln hatten bezwingen können, stieß man Briant spitze Nadeln unter die Fingernägel, eine Prozedur, die aus Hexenverhören bekannt war und üblicherweise selbst die zum Sprechen brachte, von denen man annahm, dass sie gewöhnliche Folterschmerzen fortzaubern könnten. Doch selbst damit konnte man Briant nicht beeindrucken. Angeblich äußerlich gelassen (M. Brian was not moved at all, but with a constant minde and plesant countenance said the Psalme Miserere, desiring God to forgive his tormentors6) ließ er diese unsäglichen Qualen über sich ergehen. Seine Peiniger waren nur kurz über seine Standhaftigkeit erstaunt, dann banden sie ihn auf die Streckbank, die sie soweit drehten, bis sie Briants Schultern und Hüfte luxierte. Ihre Fragen beantwortete er ausweichend, zu Parsons sagte er nichts. Daher warf man ihn, schwer verletzt, ohne Essen, Trinken und Licht, für acht Tage in das pit, ein sechs Meter tiefes Loch innerhalb des Towers. Danach wurde er wieder auf die Streckbank gelegt. Immer noch verriet Briant kein Wort über Parsons. Doch Norton ließ nicht von ihm ab und folterte ihn am nächsten Tag erneut, noch brutaler als zuvor.7 Als Briant das Bewusstsein verlor, schüttete man ihm Wasser ins Gesicht und weckte ihn so wieder auf. Hopton prügelte auf ihn ein, dann ließen sie ihn eine ganze Nacht auf der Streckbank liegen, bis zum Anschlag gedehnt. Erst als er am nächsten Tag immer noch nichts sagte und, wie man berichtete, sich sogar noch über seine Folterer lustig machte (Is this all you can do? If the rack is no more than this, let me have a hundred more for this cause8), gaben sie auf. Sie brachten ihn zurück in den Schuldturm, in dem er irgendwie die folgenden Monate überlebte. Auch von hier drangen Informationen und Botschaften nach außen: Briant schrieb einen Brief über seine Torturen im Kerker an Parsons und trat in dieser Zeit sogar noch in den Jesuitenorden ein. Sein Prozess fand schließlich am 15. November des Jahres 1582 in der Westminster Hall statt. Kurz bevor er dorthin gebracht wurde, hatte er sich aus Holzstückchen ein kleines Kreuz gefertigt, auf das er mit Kohle den Gekreuzigten malte. Als er in die Halle gebracht wurde, hielt er das Kreuz in beiden Händen und blickte starr darauf, bis es ihm aus der Hand geschlagen wurde. Die Anklage warf ihm vor, sich im Priesterseminar von Reims oder anderswo beyond the seas gegen das Leben der Königin verschworen zu haben, den Umsturz von Religion und politischer Ordnung geplant zu haben. Zu diesem Zweck habe er Fremde auf5

6 7 8

And if he shall refuse by persuasion to confess such things as they shall find him able to reveal unto them, then they shall offer unto him the torture in the Tower and in case upon the sight thereof he shall obstinately refuse to confess the truth, then shall they put him unto the torture, and by the pain and terror of the same wring from him the knowledge of such things as shall appertain, zit. nach Camm, Lives of the English martyrs, 404f. Allen, A briefe historie, 87. Zur Rolle Nortons als Foltermeister vgl. Graves, Thomas Norton, 230–278. Dies jedenfalls berichtete Allen in einem Brief an den Alfonso Agazzari, den Rektor des Englischen Kollegs in Rom, vgl. Camm, Lives of the English martyrs, 409f.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

95

gestachelt, in das Königreich einzufallen. Außerdem habe er die Untertanen zu überreden versucht, sich von Treue und Pflicht gegenüber der Königin loszusagen und dem Papst gehorsam zu sein. Zum weiteren Verlauf des Prozesses sind kaum Einzelheiten überliefert, die Anklagepunkte stimmten jedenfalls mit jenen überein, die nur zwei Tage zuvor gegen den mittlerweile ebenfalls gefassten Edmund Campion ausgesprochen worden waren. Nach dem Bericht eines vermutlich altgläubigen Augenzeugen wirkte Briant während des Prozesses überaus gefasst und entschlossen, der – voreingenommene – Beobachter fand sogar, er sehe so unschuldig aus wie ein Engel. Als das Urteil gesprochen wurde, zitierte Briant auf Latein den Psalm 43,1: Judica me Deus, et discerne causam meam de gente non sancta.9 Dann wurde er in den Tower zurückgebracht und dort zwei Tage in Ketten gelegt, und zwar als Strafe für das Tragen des Kreuzes. Am 1. Dezember wurde er mit dem Kopf nach unten auf einen Schlitten (hurdle) gebunden und so vom Tower nach Tyburn geschleift. An der Londoner Hinrichtungsstätte angekommen, konnte er sehen, wie der Henker Campions Leiche in Stücke hackte und ein anderer Jesuit, Ralph Sherwin, halbtot vom Galgen geschnitten wurde, um ausgeweidet zu werden. Briant wurde auf einen Karren unterhalb des Galgens gestellt, von dort richtete er das Wort an die vielen Zuschauer, gab Rechenschaft über sein Leben, seine Erziehung in Oxford und seinen Glauben. Als er barsch unterbrochen und aufgefordert wurde, seinen Verrat zu gestehen (confess thy treason), antwortete Briant mit lauter und fester Stimme I am not guilty of any such thing, nor am I deserving of this kind of death. I was never at Rome, nor was I at Rheims. Mit der Verschwörung habe er nichts zu tun. Er konnte noch hinzufügen Miserere mei, Deus, als der Karren fortgezogen wurde. Doch Briant hatte Glück: Er verstarb noch am Galgen. Sein Leichnam wurde, wie das bei Hochverrätern geboten war, trotzdem ausgeweidet, zerhackt und gekocht, sein Kopf wiederum auf einer Lanze aufgesteckt.10 Abgesehen von der Quälerei mit den Nadeln waren Haft, Verhöre, Folter, Prozess und Hinrichtung des Alexander Briant überaus typisch für den Umgang mit (angeblichen) katholischen Hochverrätern im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. Die Vorgehensweisen zeugen von den besonderen Herausforderungen, mit denen sich die englische Obrigkeit im Umgang mit katholischen Missionaren konfrontiert glaubte. Ein bei den obrigkeitlichen Akteuren tief verwurzelter Verschwörungsglaube und die allgegenwärtige Befürchtung von Attentaten auf die Königin ließ die Folter ins Spiel kommen.11 Vor Gericht wiederum ging es darum, überhaupt die obrigkeitliche Situationsdefinition durchzusetzen, wonach es um Hochverrat und nicht um Glaubensfragen ging. Letzteres suchten die Angeklagten aber immer wieder zu symbolisieren, Briant etwa mit dem Holzkreuz und dem Aufsagen von Psalmen sowie seiner Unschuldsbehauptung auf dem Schafott. Ähnliche 9 10 11

Richte mich, Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten. Camm, Lives of the English martyrs, 419ff. Zu dieser ‚konspirativen Gouvernementalität‘ (meine Formulierung) und ihren Folgen für das obrigkeitliche Vorgehen vgl. jetzt Alford, The watchers, 125–138, 298–314 et pass.

96

1550–1650: Rhetorisches Regime

Strategien lassen sich auch bei den anderen als Verrätern angeklagten Missionaren beobachten. Es handelt sich dabei nicht um unbekannte Fälle. Vielmehr ist bereits sehr viel darüber geschrieben worden, im Grunde von der konfessionell geprägten Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts bis zur Kulturgeschichte des frühneuzeitlichen Martyriums in der Gegenwart.12 Wenn ich im Folgenden noch einmal darauf blicke, dann nicht, um der im Großen und Ganzen bekannten Geschichte einige neue Aspekte hinzuzufügen, sondern vielmehr, um sie aus einer ganz anderen Perspektive zu untersuchen. Der Kulturgeschichte des Martyriums ging es um die Praktiken der Selbst- und Fremddarstellung der Missionare als Märtyrer und ihre Rolle bei der Ausbildung konfessioneller Identitäten.13 Die Gerichtsverfahren interessierten dabei nur am Rande oder wurden als fixe Prozeduren behandelt.14 Dagegen steht im Folgenden die Frage im Vordergrund, wie sich Hochverratsprozesse gegenüber todesbereiten Katholiken Geltung verschaffen konnten, welche Ressourcen zur Legitimation von Entscheidungen mobilisiert werden mussten, wo die Grenzen der Verfahren lagen, in welchen Kontexten die Prozesse überhaupt stattfanden und welchen Einfluss gedruckte Medien, also verfahrensexterne Faktoren, besaßen. Während die Märtyrerforschung darauf geachtet hat, wie Missionstätigkeiten als Hochverrat stilisiert wurden, geht es mir darum, mit welchen Problemen die Verfahrensveranstalter zu rechnen hatten, wenn in Hochverratsprozessen märtyrerhafte Stilisierungen praktiziert wurden. Auch die Hinrichtungen sollen nicht unter martyriologischen Gesichtspunkten untersucht werden, sondern als Fortsetzung des Verfahrens, als Tribunal, bei dem die gerichtliche Wahrheit massiv in Frage gestellt werden konnte. Um diese Probleme herauszuarbeiten, werde ich zunächst kurz die Situation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schildern, die zum Nährboden für Verschwörungstheorien geworden war. Wie diese Theorien als Hochverrat vor Gericht gebracht werden konnten, wird dann für den Fall des Cuthbert Mayne (1577) skizziert, dessen Prozess die Folie dafür abgab, wie man es bei weiteren Fällen nicht mehr machen sollte, wollte man den Vorwurf eines Ketzerprozesses vermeiden. Die nachfolgenden Abschnitte dieses Kapitels drehen sich um den Prozess von Edmund Campion und seinen Gefährten, um Strategien der nachträglichen Urteilslegitimation auf dem Schafott und in der Publizistik, um kurze Prozesse gegen weitere katholische Missionare, die Skandalisierung der englischen Justiz in der katholischen bzw. kontinentaleuropäischen Publizistik und die englischen Reaktionen wiederum darauf, sowie schließlich um das Abebben nachträglicher Rechtfertigungsbemühungen am Ende des 16. Jahrhunderts. 12

13 14

Lake /  Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 229–280; Dillon, The construction of martyrdom; Covington, The trail of martyrdom; McCoog, Construing martyrdom; Freeman, Imitatio Christi; Lake / Questier, The Trials of Margaret Clitherow; Glickman, Early modern England. Dazu im Überblick Freeman, So much at stake. In den Arbeiten von Dillon, The construction of martyrdom und Dailey, Making Edmund Campion werden Gerichtsprozesse kaum berücksichtigt. Ausdrücklich auf die Bedeutung von Gerichtsverfahren bei der Erzeugung einer Märtyrer-Rolle verweist hingegen neuerdings Covington, ‚The Tribunals of Christ and of Man‘; allerdings nur für die Zeit unter Maria Tudor.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

97

Der paranoide Stil des Politischen unter Königin Elisabeth Die englische Religions- und Kirchengeschichte im Zeitalter Elisabeths I. entzieht sich bekanntlich im besonderen Maße dem Konfessionalisierungsparadigma, mit dem Heinz Schilling und Wolfgang Reinhard Prozesse auf dem Kontinent zwischen 1550 und 1650 zu erfassen versucht haben.15 Eine reformatorische Bewegung der einfachen Leute hat es auf der Insel nicht in vergleichbarem Ausmaß gegeben wie in vielen anderen Teilen Europas, und Elisabeth selbst sowie die Elite des englischen Klerus verstanden sich durchaus nicht einfach als Protestanten. Die 1563 vom Parlament beschlossenen und damit zur offiziellen Kirchen- und Glaubensordnung erhobenen XXXIX Articles besaßen zwar calvinistische Tendenzen, waren in zentralen Fragen, z.B. hinsichtlich von Transsubstantiation und Liturgie, eher unentschieden formuliert. Die englische Kirche unter Elisabeth trat nicht zuletzt in äußerer Form und Glaubensinhalten so in Erscheinung, als ob sie nach wie vor die katholische Kirche wäre.16 Eben diese Weiternutzung älterer Rituale und Symbole (v.a. der Chorrock) war Ausgangspunkt für die Formierung des Puritanismus. In England gab es unter Elisabeth zunächst eigentlich nur Katholiken und Puritaner, aber noch keine Protestanten.17 Identitätsbildend für die Formierung des englischen Protestantismus war kein allgemeiner Antikatholizismus, sondern, spezifischer, ein ‚Antipapismus‘, also die Typisierung des Papstes und seiner Anhänger (vom Klerus bis zur spanischen Krone) als Gegner und Feinde Englands und seiner Königin.18 Beim Antipapismus ging es nicht um subtile Glaubensfragen, sondern um die entschiedene Zurückweisung jeglicher Machtansprüche der Kurie, die man im wörtlichen Sinne für mit dem Teufel im Bunde hielt. Freigesetzt wurde dieser Antipapismus vor allem durch die Exkommunikation der Königin 1570, was bei den königlichen Beratern und den puritanischen Parlamentariern nicht nur Wut und Empörung hervorrief, sondern auch ein konspiratives Denken, dem nicht zuletzt die Schriften des puritanischen Juristen, Parlamentariers und Poeten Thomas Norton (1532–1584) Ausdruck verliehen. Nicht nur die in Sicherheitskategorien denkenden Sekretäre Elisabeths, William Cecil, Lord Burghley (1520–1598), und Sir Francis Walsingham (1532–1590), sondern auch die puritanisch gesinnte Mehrheit des Unterhauses sahen in der Bulle einen Aufruf zum Hochverrat. Zudem erkannte man nun überall verborgene Zusammenhänge: Der Aufstand katholischer Magnaten in Nordengland 156919, die Heiratspläne des Herzogs von Norfolk mit Maria Stuart und die Ex15

16 17

18 19

Vgl. allg. zur englischen Religionsgeschichte des 16. Jahrhunderts Haigh, The continuity of Catholicism; Haigh, English reformations; Tyacke, Aspects of English Protestantism, c.1530–1700; Tyacke, The Puritan paradigm. Kluxen, Geschichte Englands, 213. Milton, Catholic and reformed. Gleichwohl wird deren Existenz immer schon vorausgesetzt. Für eine an konkrete Praktiken rückgebundene Erforschung der Genese des Protestantismus in England stehen vor allem die Forschungen von Walsham, Providence in early modern England; Walsham, Catholic reformation in protestant Britain; Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat. Dazu Clifton, Fear of popery; Lake, Anti-Popery. Kesselring, The northern rebellion.

98

1550–1650: Rhetorisches Regime

kommunikationsbulle schienen Teile eines großen, papistischen Komplotts zur gewaltsamen Rückführung Englands unter das römische Joch zu sein.20 Some Lynkes in the chaine of Treasons betitelte Thomas Norton ein Manuskript, das diese vermeintlichen Zusammenhänge zu Papier brachte.21 Mit Richard Hofstadter lässt sich hier von einem paranoiden Stil des Politischen sprechen.22 Antipapismus blieb allerdings nicht nur ein Faktor im religiösen Diskurs, sondern wurde ein allgemeines Merkmal im gesellschaftlichen Leben Englands im späten 16. Jahrhundert und ein ‚nationales‘ Identitätssymbol, zumindest bei der politisch-sozialen Elite.23 Weiter gestreut wurden der Antipapismus und die damit untrennbar verbundenen Verschwörungstheorien in parlamentarischen Debatten, Predigten und in der Druckpublizistik.24 Grundsätzlich gingen Burghley, Walsingham und die anderen Mitglieder des Privy Council davon aus, dass die katholischen Mächte unter der Führung des Papstes eine Invasion vorbereiteten, um England gewaltsam zu rekatholisieren.25 Das waren keine völlig abwegigen Vorstellungen. Entsprechende Planungen hatte es in Rom und am spanischen Hof tatsächlich gegeben, und 1588 wurden diese auch in die Tat umgesetzt. Bereits 1578 hatte der englische Priester und Publizist Nicholas Sanders (1530–1581) an der irischen Südwestküste Aufständische mit sechshundert spanischen Soldaten unterstützt. Was als Vorhut für eine Invasion Englands gedacht war, endete jedoch nach einigen Monaten recht kläglich – für die Kronräte war es allerdings ein weiterer Beweis für die verschärfte Bedrohungslage.26 Mit großer Sorge wurde auch die Nachricht von einem missglückten Attentat auf Wilhelm von Oranien am 18. März 1582 zur Kenntnis genommen. Sir John Norris, der englische Gesandte am Hof des Statthalters, konnte Walsingham davon berichten, dass in der Kleidung des getöteten Attentäters (Jean Jaureguy) spanische Briefe und ein merkwürdiger Zettel (vermutlich eine Reliquie) mit der Aufschrift Jesus Maria gefunden worden waren.27 Selbst die Verschwörungen und Mordpläne gegen die Königin, die in den Hochverratsverfahren und in der obrigkeitlichen Publizistik narrativ zugespitzt wurden, waren keine reinen Phantasiegebilde.28 Noch in den 1590er Jahren gab es mehrere Giftanschläge auf Elisabeth.29 Dennoch gestaltete sich die Beobachtung 20 21 22

23 24 25

26 27 28 29

Kelly, Panic, plots, and polemic. BL Cotton, Titus C/VII, f.169–172. „I call it the paranoid style because not other word adequately evokes the qualities of heated exaggeration, suspiciousness, and conspiratorial fantasy that I have in mind […] I am not speaking in a clinical sense, but borrowing a clinical term for other purposes“, Hofstadter, The paranoid style in American politics, and other essays, 3. Dazu zuletzt Larkin, The making of Englishmen. Walsham, „This newe army of Satan“; Frazer, Protestant propaganda. Vgl. zu ganz ähnlich gebauten protestantischen Verschwörungstheorien auf dem Kontinent zur gleichen Zeit Zwierlein, Security politics and conspiracy theories in the emerging European state system (15th/ 16th c), hier 82ff. Auf weitere Planungen verweist McCoog, The Society of Jesus 1541–1588, 183ff. TNA SP 83/15 f.72. Vgl. Alford, The watchers, 172–174. McCoog, The Society of Jesus 1589–1597, 148ff.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

99

der diffusen Bedrohungslage durch die königlichen Minister und Ratgeber bereits seit den 1570er Jahren als in Hofstadters Sinne paranoid, weil man nun überall klandestine Verbindungen sah und unterstellte, dass alle katholischen Mächte Europas es nur auf die Eroberung Englands und die Abschlachtung der wahren Gläubigen abgesehen hätten. Kronräte, wie Walsingham, waren davon überzeugt, dass man gegen diese konspirativen Umtriebe proaktiv vorgehen müsse, damit es nicht irgendwann zu einem ähnlichen Massaker komme wie 1572 in Paris. Er hatte die Bartholomäusnacht als englischer Botschafter dort persönlich miterlebt.30 Neben repressiven Maßnahmen gegen Katholiken in England setzte der Privy Council und vor allem Walsingham seit den späten 1570er Jahren vermehrt auf Spitzel. Es ging dabei aber nicht nur um das Sammeln und Übermitteln von Informationen31, sondern auch darum, die realen und imaginierten konspirativen Machinationen selbst auf konspirative und subversive Weise zu durchdringen.32 Als Teil des großen Komplotts galten für die Kronräte auch die Seminare zur Ausbildung von englischstämmigen Priesterkandidaten, die zur Mission nach England geschickt werden sollten. Das eine befand sich in Douai in den südlichen Niederlanden, das andere in Rom. Das Seminar von Douai wurde 1568, das in Rom 1579 von William Allen gegründet. Allen (1532–1594) hatte 1561 die Universität Oxford verlassen und sich in die Niederlande begeben müssen.33 1565 war er kurzzeitig ins heimatliche Lancashire zurückgekehrt, wo er mit Entsetzen beobachtete, dass die dortigen Katholiken zu protestantischen Gottesdiensten gingen und sich auch sonst um äußerliche Konformität bemühten. In Antwerpen begann er 1567 mit seiner polemischen Publizistik gegen das elisabethanische Regime, zugleich plante er – mittlerweile zum Priester geweiht – mit anderen Exulanten den Aufbau von Seminaren zur Ausbildung von Missionaren, die die englischen Katholiken auf den rechten Pfad des tridentinischen Katholizismus bringen sollten. Beide Seminare wurden finanziell und logistisch durch Spanien und die Kurie unterstützt, so dass sie schon sehr bald nach ihrer Gründung ihren Studien- und Ausbildungsbetrieb aufnehmen konnten. Kandidaten gab es unter den vielen englischen Exulanten genug. In Douai studierten 1576 über einhundert Seminaristen, in Rom waren es bereits kurz nach der Gründung des English College (auf der Basis eines bereits im 14. Jahrhundert von Engländern gegründeten Pilgerhospizes) mindestens ebenso viele. Zwischen 1578 und 1593 wurde das Kolleg kriegsbedingt von Douai nach Reims verlegt, weswegen die Missionare, die zur Hochphase der Verfolgung (1581–1595) nach England kamen, Reimser Missionare genannt werden. Neben den rigiden theologischen Studien  – Jesuiten gehörten auch diesen Kollegien an und bestimmten den Bildungsplan mit – gehörte die Bereitschaft zum

30 31 32 33

Alford, The watchers, 52f. Kempe, Burn after Reading. Alford, The watchers, 56–80. Es gibt kaum neuere Literatur zu Allen. Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf den Artikel im ODNB von Eamon Duffy.

100

1550–1650: Rhetorisches Regime

Martyrium zum spirituellen Programm beider Seminare.34 Allen und seine Mitbrüder standen damit für eine offensive Variante der Gegenreformation, für eine Missionstätigkeit unter Einsatz des eigenen Lebens. Von den 471 Missionaren, die während der Regierungszeit Elisabeths aus beiden Kollegien nach England kamen, wurden rund 300 zumindest zeitweilig eingekerkert und 116 als Hochverräter hingerichtet. Siebzehn Missionare verstarben in den Kerkern.35 Die Kollegien zählten ihre Märtyrer (denen unmittelbar kultische Verehrung zuteil wurde und deren Todesbereitschaft als vorbildlich galt36) sehr genau. Angesichts der Bedeutung dieser Seminare war es nicht verwunderlich, dass der Privy Council dort Spitzel installierte. Einer davon, Charles Sledd, legte Walsingham ausführliche und in düsteren Farben ausgemalte Berichte unter dem Titel A general discourse of the Popes Holynes devices vor.37 Spionage war zu dieser Zeit ein Patronageverhältnis, und spektakuläre Geschichten waren dabei der Einsatz des Klienten.38 Sledds Bericht porträtierte das römische Seminar um 1580 als Hort laufender Komplotte, die zum Ziel hatten, Königin Elisabeth gewaltsam zu beseitigen oder zu ermorden. Die Seminaristen seien dabei die Vorhut der militärischen Invasion: yt is the Popes holynes pleasure to send prestes into England accordinge to his former promises, secretlye to persuade & call all the Catholikes togeather & so to make a sodon resistance and rebelyone againste the Q: Majestie which hath governed the same realme of England and Ireland, werse than ever did Jesabell, for the space of 22 yeares. And now the Popes holynes is myilded to deprive her of her princlye dignityes, eyther by conspiringe her deathe secretlye, or openlye, by rebellyone & sodayne envasione of her lands. And we are sente as messengers to prepayre the wayes & meanes, for she is excommunicated all redye.39

Vorangestellt waren seinem Bericht the names of all the prests, pentioners & scollers with others in Rome to me knowne & also in many other places, also eine Liste mit denjenigen englischen Katholiken im Ausland, die England gefährlich werden konnten. Anthony Munday hingegen wollte offenbar wirklich Priester werden. Er war jedenfalls kein beauftragter Spitzel wie Sledd. Ob er in Rom vom Glauben abgefallen war oder alles nur Teil seines opportunistischen Vorgehens war, lässt sich nicht klären. Zurück in London, veröffentlichte er jedenfalls seine angeblichen Erlebnisse unter dem Titel The English Romayne lyfe Discouering: the liues of the Englishmen

34 35 36 37 38 39

Mit Bezug auf das 1589 gegründete Englische Kolleg in Valladolid vgl. Cano-Echevarría / SáezHidalgo, Educating for martyrdom. Alford, The watchers, 125. Malo, Intimate devotion. BL Add. MS 48029, fol. 121–142b. Zu Sledd vgl. Alford, The watchers, 69–86; zur Spionage als Patronagepraktik vgl. Pohlig, Marlboroughs Geheimnis, 340ff. BL Add. MS 48029, fol. 134.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

101

at Roome.40 Das Pamphlet war, nach damaligen Maßstäben, ein Bestseller.41 Darin erschien das Kolleg als Abgrund perverser Praktiken (gegenseitiges Auspeitschen) und hochverräterischer Phantasien: it would astonishe a heart of  Adamant,  to heare the horrible Treasons inuented againste her Maiestie and this Realme, and so greedily followed by our owne Countrye men. […] You haue hearde heerein, howe at sundrye places, and by seuerall spéeches, there was a generall agreement of Treason, expected and daylye looked for to the harme of our gracious Soueraigne, and hurte of her whole Realme. All these matters wee heard before we came to  Roome,  from whence the treason shoulde cheefely procéede: we séeing such deuillish deuises to be talked on by the way, we might well iudge Roome to be Hell it selfe.42

Die Mitglieder des Kronrats nahmen die Schilderungen in Sledds und Mundays Berichten vielleicht nicht für bare Münze.43 Sie passten aber perfekt ins Konzept, um Missionare als Verbrecher und nicht als Häretiker zu verfolgen. Der Papst – und dabei meinte man weniger Pius V., Gregor XIII. oder Sixtus V. persönlich, sondern eine abstrakte Figur – galt als Drahtzieher allen Übelwollens gegen (und in) England, als Erzfeind der Königin: the Bishop of Rome [is] the Queenes enemy.44 Durch diese Feindschaft war der Papst auch ein Verräter an Gott. In den Worten von Munday, der in den 1580er Jahren als wortgewaltiges und publizistisch aktives Sprachrohr des obrigkeitlichen Antipapismus in Erscheinung trat: the Pope is to God a traitour, und seine Anhänger waren in dieser Logik auch Verräter: all his adherents are principall traitours: for treason admitteth no accessaries bzw. euerie Papist, that is to saye, euerie one that beléeueth all the Popes doctrine, to be true: is an enimie and traytour, against the Maiestie and honour of God.45 Wenn der Papst als Feind konzipiert wurde, dann griff gegenüber seinen Anhängern auch die Bestimmung des Gesetzes von 1352, demzufolge es auch Hochverrat war to be adherent to the King’s Enemies in his Realm. Bei dieser offensiv vorgetragenen Unterscheidung zwischen Religion und Politik war es konsequent, Seminarpriester und Jesuiten wegen Hochverrats und nicht wegen Häresie anzuklagen.46 Es war innerhalb dieser Logik auch folgerichtig, dass die in England verbreiteten Flugschriften von Jesuiten wie Edmund Campion in der Gegenpolemik nicht als Irrglauben, sondern als aufrührerisch und subversiv bezeichnet wurden. Ob die obrigkeitlichen Akteure wirklich an das Bedrohungs40 41 42 43

44 45 46

Munday, The English Romayne lyfe. Alford, The watchers, 67. Munday, The English Romayne lyfe, 10–11f. Alford, The watchers, 85f., weißt darauf hin, dass ein Sekretär des Kronrats den dramatisch klingenden Titel von Sledds Bericht nicht übernahm, sondern das Schriftstück unter der Bezeichnung Priests and seminaries beyond the seas ablegte. Camden, Annales, 240. Munday, A vvatch-vvoord to Englande, 39 u. 36. Interessanterweise bestärkten die angeklagten Missionare diese Unterscheidung selbst, wenn sie umgekehrt darauf beharrten, dass ihre Absichten nur auf religiöse, nicht auf politische Fragen zielten.

102

1550–1650: Rhetorisches Regime

szenario geglaubt hatten, lässt sich natürlich nicht sagen. Fest steht aber, dass sie nach diesem diskursiv selbst erzeugten Szenario handelten. Die elisabethanischen Hochverratsgesetze Was waren aber nun die gesetzlichen Grundlagen für das Vorgehen gegen die als so bedrohlich eingestuften ‚Papisten‘? Es seien im Folgenden nur diejenigen erwähnt, die für die Prozesse Auswirkungen hatten. Insgesamt wurden unter Königin Elisabeth mehr Hochverratsgesetze erlassen als unter irgendeinem anderen englischen bzw. britischen Monarchen.47 Die ersten elisabethanischen Hochverratsgesetze reaktivierten dabei die Strafwürdigkeit der Infragestellung des kirchlichen Supremats der Monarchin, den ihre Vorgängerin Maria außer Kraft gesetzt hatte.48 Die Hochverratsgesetze von 1571 (13 Eliz. c.1/2) reagierten wiederum auf die Exkommunikationsbulle Regnans in exclesis von 1570. Demnach machte sich des Hochverrats schuldig, wer in Wort oder Schrift die Königin als Häretikerin bezeichnete by Wryting Pryntinge Preachinge Speache expresse Wordes or Sayinges, malitiously advysedly and directly publishe set forthe and affyrme that the Queene our sayd Soverayne Ladye Queene Elizabeth is an Heretyke Schesmatyke Tyraunt Infidell or an Usurper of the Crowne of the sayd Realmes.49

Darüber hinaus kriminalisierte das (maßgeblich von Thomas Norton verfasste) Gesetz auch den Besitz und die Verbreitung der Bulle, die in gedruckter Weise massenhaft vorlag und von der die Parlamentarier einen propagandistischen Erfolg bei den einfachen Untertanen befürchteten. Naughtie and subtill practysers könnten diese Bulle benutzen, um symple and ignorant persons die Absolution zu erteilen und sie damit verye secretly and moste seditiously wieder unter die Oberhoheit des Papstes zurückzubringen. Aus diesem Gehorsamsverlust würden zwangsläufig greate dysobedience and boldnesse sowie wycked and unnaturall Rebellyon entstehen – und das sei Hochverrat.50 Erachteten die Verfasser dieses Gesetzes Leute, die in England päpstliche (Ablass-)Bullen verbreiteten, ohnehin schon für gefährliche Intriganten und Komplotteure, so hielt man es eigens für nötig, auch konkrete Dinge als unheilbringend und damit als straferschwerend zu markieren. Gemeint waren thynges called or named by the Name of an Agnus Dei, or any Crosses Pyctures Beades or suche lyke vayne and superstitious Thynges from the Bysshop or Sea of Rome, also Devotionalien wie ein aus Silber gefertigtes Lamm Gottes, Holzkreuze, Heiligenbildchen und Rosen-

47 48 49 50

Ausführlich dazu Bellamy, The Tudor law of treason, 45–82. Bellamy, The Tudor law of treason, 61f. 13 Eliz. c.1, i. 13 Eliz. c.1, ii.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

103

kränze, die später als Romish trash bezeichnet wurden.51 Wem solche Dinge angeboten würden, der müsse dies einem Friedensrichter melden. Andernfalls drohten Geldbußen oder Kerkerhaft.52 Das Hochverratsgesetz von 1581 (23 Eliz. c.1) reagierte auf die seit 1574 anhaltende Ankunft Douanier bzw. Reimser und römischer Missionare in England. Gemäß der Devise, dass es in England keine Glaubensverfolgung gäbe, wurde den Missionaren nicht etwa angelastet, Leute zum alten Glauben zu bekehren, sondern vielmehr, damit die Gehorsamspflichten zu untergraben: all persons […] which […] shall by any Wayes or Meanes put in practise, to absolve perswade or withdrawe any of the Queenes Ma. Subjecte […] from their naturall Obedience to […] or to withdrawe them for that entent, from the Relygeon nowe by her Highenes aucthoritie established within her Highenes Domynions, to the Romyshe Religeon […] shalbe to all Intentes adjudged to be Traitors, and being thereof lawfullye convicted shall have Judgement suffer and forfaite as in case of Highe Treason.53

Am 1. April 1582 wurde mittels einer königlichen Proklamation festgestellt, dass Seminaries and Jesuites nach England kämen, um her Maiesties naturall Subiectes von ihrem natürlichen Gehorsam (naturall duetyes & alleageance unto her Maiestie) abzubringen und zu Rebellion und Aufruhr anzustacheln. Daher seien Seminarpriester und Jesuiten als solche Verräter. Sie zu beherbergen oder auch nur in irgendeiner Weise zu unterstützen (harbour, aide, comfort) sei selbst Hochverrat, sie zu denunzieren die Pflicht eines jeden loyalen Untertanen.54 Die Regelung wurde 1585 durch ein weiteres Gesetz (27 Eliz. c.2) insofern etwas entschärft, als man Missionaren nun vierzig Tage Zeit ließ, um England wieder zu verlassen. Ihre Unterstützung durch englische Untertanen wurde als felony eingestuft – ein nach wie vor kapitales Delikt, das aber nicht mehr die Nachkommen betraf wie bei Hochverrat.55 Der Prozess gegen Cuthbert Mayne (1577) als negatives Exempel Ab 1574 hatten sich Missionare nach England aufgemacht, bis 1580 stieg ihre Zahl auf rund 100.56 In Briefen nach Douai und Rom berichteten die Missionare überschwenglich von mehreren Dutzend bekehrten Menschen täglich.57 Das dürfte aber eher ein Hinweis darauf sein, dass die Glaubenswelten der einfachen Unter51 52 53 54 55 56 57

Etwa von Lord Burghley, vgl. unten S. 158 ff; vgl. zu solchen konfessionellen Materialitäten jetzt Walsham, The Pope’s Merchandise. 13. Eliz. c.2, i, iv, v. 23 Eliz. c.1, i. Anon., By the Queene. A proclamation; zur Einordnung dieser Proklamation und ihres rechtlichen Status vgl. Youngs, Definitions of treason. Bellamy, The Tudor law of treason, 74f. Pollen, The English Catholics, 268f. Ebd., 258.

104

1550–1650: Rhetorisches Regime

tanen noch flexibel waren.58 Tatsächlich war der Aktionsradius der meisten Seminarpriester auch recht beschränkt: Sie wirkten zumeist im Haus eines wohlhabenden Gönners aus der Gentry, und das hatte zur Folge, dass ein dogmatisch bewusst elastisch gefasster, gleichwohl aber tridentinischer Katholizismus in den 1570er Jahren zu einem lokal begrenzten Oberschichtenphänomen wurde. Die Tätigkeit des aus Douai gekommenen Seminarpriesters Cuthbert Mayne auf dem Anwesen des Francis Tregian (1548–1608) in Cornwall 1576–77 stellte ein Beispiel dafür dar. Mayne war 1577 der erste Missionar, der wegen Hochverrats nach dem Gesetz von 1571 verurteilt und hingerichtet wurde. Sein Prozess auf Launceston Castle bildete in den 1580er Jahren die Folie dafür, wie man es bei den anstehenden Prozessen nicht mehr machen wollte. Ich werde diesen Musterprozess im Negativen daher hier kurz schildern. Nach seiner Verhaftung im Juni 1577 wurde Mayne am 15. September in Launceston/Cornwall vor Gericht gestellt. Der Kronanwalt John Popham teilte seine Anklage in insgesamt sechs distinkte Indictments ein.59 Im Sinne von 13 Eliz. c.1/2 wurden Mayne folgende Punkte zur Last gelegt: (1.) der Erwerb einer Ablassbulle in Rom, (2.) die Verbreitung der Ablassbulle in England, (3.) die Behauptung, der Papst habe Autorität über England, (4.) das Einschmuggeln und Aushändigen einer Devotionalie (ein silbernes Agnus Dei) an seinen Gönner, (5.) das Einschmuggeln und Aushändigen derselben an andere sowie (6.) das Lesen von Messen.60 Der Prozessverlauf gestaltete sich für die Veranstalter als Fiasko. Weder hatte man für die Anklagepunkte Zeugen, noch konnten sie durch die Behauptungen des Kronanwalts plausibel gemacht werden. Die Geschworenen kamen, wenn man dem von einem Katholiken verfassten Bericht glaubt, zunächst mit einem Unschuldsverdikt von ihren Beratungen zurück und mussten vom Sheriff unter Drohungen umgestimmt werden.61 Anders als die Verfasser des Gesetzes von 1571 konnten sich die Geschworenen offenbar nicht vorstellen, dass von einem kleinen Silberlamm und einem im Übrigen schon 1575 abgelaufenen Ablass so große Gefahren für Krone und Staat ausgehen sollten, wie sie im Indictment heraufbe58

59

60 61

Über das Wesen des englischen Katholizismus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind intensive Debatten geführt worden. Auf der einen Seite hat Bossy, The English Catholic Community, 1570–1850, die These vertreten, wonach dieser erst die Folge der Missionstätigkeit war, die Mehrheit der Historiker ist allerdings der These von Haigh gefolgt, wonach der vorreformatorische Katholizismus überlebt habe und die Mission somit keinen Bruch darstelle, vgl. Haigh, The continuity of Catholicism. Mayne musste also sechsmal vortreten, die Hand hochhalten und sich schuldig oder unschuldig bekennen. Popham avancierte in den 1580er Jahren zu einer juristischen Autorität in England, eine Laufbahn, die 1592 mit dem Amt des Chief Justice der King’s Bench gekrönt wurde. Pophams Entscheidungen wurden noch von Coke als vorbildlich gepriesen. Doch ganz ähnlich wie dieser muss man offenbar auch bei Popham zwischen dem glänzenden Theoretiker des Common Law und dem skrupellosen Prozessanwalt unterscheiden. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die beiden mit Popham im Campion-Prozess agierenden Kronanwälte Edmund Anderson (1530–1605), der später Chef des Court of Common Pleas wurde, und Thomas Egerton (1540–1617), dem später als Großjuristen gefeierten Lord Ellesmere (ab 1603). Morris, The troubles of our catholic forefathers, Bd. 1, 93–96. Ebd., 88f.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

105

schworen worden waren. Der paranoide Stil des Antipapismus war offenbar noch nicht in alle gesellschaftlichen Schichten diffundiert. Um den für die Jury nicht ersichtlichen Zusammenhang von Devotionalien und der Bedrohung der englischen Sicherheit zu verdeutlichen, griffen Popham und der sich aktiv an der Anklage beteiligende Chefrichter Sir Roger Manwood daher auf eine Art Indizienbeweisrecht zurück62: in causes where direct proofs cannot be had, there presumptions must be allowed.63 Man müsse einen Mörder nicht auf frischer Tat ertappen, um ihn wegen Mordes zu verurteilen. Ein blutiges Messer in seiner Hand und Blut an der Kleidung seien Indizien (presumptions) mit höchster Beweiskraft und eine hinreichende Grundlage für das Urteil. Bei Hochverrat hätten die Urteile bisher stets auf Indizien beruht: otherwise traitors would never be known. Die päpstliche Bulle, das Silberlamm oder auch das bei der Hausdurchsuchung gefundene Messgeschirr: All das sei ein klarer Beweis dafür, dass Mayne ein Papist sei, und that Papists were traitors and most wicked persons, sowers of sedition and sharers of rebellion, not to be suffered in any commonwealth, not worthy to recieve the benefit of law.64 Nachdem schon die Geschworenen die Ableitung einer Verschwörungstheorie aus einer abgelaufenen Bulle, einer Devotionalie und anderen kleinen Dingen nur unter Drohungen sanktioniert hatten, störte am Tag der Verurteilung ausgerechnet der beisitzende Richter Sir John Jeffrey die Inszenierung ganz erheblich. Gerade wollte Manwood das Urteil aussprechen, als Jeffreys Skrupel signalisierte und sich anschließend mit dem Richter darüber im Flüsterton austauschte: much contrariety and disagreement appeared in their talk.65 Auch dieser Dissens auf der Richterbank konnte von allen wahrgenommen werden, und er konnte nicht ausgeräumt, sondern nur mit einem Machtspruch beendet werden: In the end therefore he who was chief in commission in some choler to be contraried, was heard to say thus: „Well, it maketh no matter; for all that, I will give judgment,“ and therewithal turning himself to Cuthbert Maine gave judgment against him […].66

Tatsächlich wurde das Urteil aber nicht sofort vollstreckt. Der örtliche Sheriff fragte deswegen vielmehr noch einmal per Brief beim königlichen Geheimen Rat an, der erst nach einigen Wochen den Hinrichtungsbefehl erteilte. In der Zwischenzeit vollendete sich die Verwandlung Maynes zum Märtyrer, die schon während des Prozesses begonnen hatte: Nachdem das Urteil gesprochen worden war, sah der katholische Berichterstatter den Verurteilten with a most mild and gladsome countenance, lifting up his eyes and hands unto heaven, only said, „God be thanked“.67 Im Kerker wurde er von vielen Leuten besucht, die sehen konnten, wie er unter den schweren Ketten zu leiden hatte. 62 63 64 65 66 67

Bellamy, The Tudor law of treason, 32. Morris, The troubles of our catholic forefathers, 79. Ebd., 83. Ebd., 91. Ebd., 91. Ebd., 92. Wie Märtyrer aus gerichtlichen Prozeduren hervorgingen zeigt schon Burschel, Sterben, 35ff.

106

1550–1650: Rhetorisches Regime

2. DER PROZESS GEGEN EDMUND CAMPION ALS ÖFFENTLICHES EXEMPEL Der Jesuitenpater Edmund Campion (1540–1581) war mit zwei Ordensbrüdern, Robert Parsons und Ralph Emerson, am 24. Juni in Dover an Land gegangen und nach London gereist. Dort begannen die Jesuiten nun zu predigen, und Campion verfasste zudem eine handschriftliche Eingabe an den Geheimen Rat, in dem er die Ziele der Jesuiten darlegte und dazu aufforderte, mit ihm über Religionsfragen zu disputieren.68 Provozierend behauptete er darin: I know perfectly that no one Protestant […] can maintain their doctrine in disputation.69 Die Kronräte dachten nicht daran, auf diese Forderung einzugehen. Aber sie waren nun gewarnt, dass Campion, sollte er verhaftet und vor Gericht gestellt werden, mit Sicherheit versuchen würde, seinen Prozess in eine Disputation zu verwandeln. Mit der Eingabe begab er sich auch aus seiner Deckung und wurde der am meisten gesuchte Mann Englands.70 Die Eingabe zirkulierte derweil in zahlreichen Kopien. Durch die Gegenpolemik der puritanischen Theologen William Charke und Meredith Hanmer erlangten sie und ihr Autor sogar noch größere Bekanntheit.71 Beide Theologen hatten große Teile der Eingabe in ihren jeweiligen Konfutationen mit abgedruckt.72 Da die Jesuiten vor 1580 mit England nichts zu tun gehabt hatten, spielten spezifisch antijesuitische Verschwörungstheorien hier vor der Ankunft von Parsons und Campion nur am Rande eine Rolle.73 William Charke konnte daher das Feld neu bestellen, auch wenn er dabei auf kontinentale Vorlagen zurückgriff. Womit man es bei Jesuiten zu tun habe, machte er schon am Anfang mit einem drastischen Beispiel deutlich: as Affrica is saide still to bring foorth some new monsters, so the schooles of the Romish church are continually occupied in forging some new misshapen arguments and instruments against the Gospel.74

Charkes verschwörungstheoretisches Vorgehen bestand nun darin, sämtliche Aussagen in Campions Eingabe in ihrer Aufrichtigkeit zu bezweifeln und in seinen 68 69 70 71 72 73

74

McCoog, The Society of Jesus 1541–1588, 146. Die Eingabe ist in modernisiertem Englisch abgedruckt bei Pollen, The English Catholics, 349–352. Nach Pollen, The English Catholics, 351. McCoog, ‚Playing the champion‘. Zu Campion vgl. jetzt die fulminante Biographie von Kilroy, Edmund Campion. Zu dieser Pamphletkontroverse vgl. McCoog, The Society of Jesus 1541–1588, 141–166. Charke, An answere to a seditious pamphlet; Hanmer, The great bragge. U.a. in der 1570 bei Hof gehaltenen Predigt von Drant, Two sermons preached; ferner Naogeorg, The Popish kingdome; oder in einer aus dem Französischen übersetzten Darstellung der französischen Religionskriege, Serres, The three partes of commentaries; für die Entwicklung des antijesuitischen Diskurses vgl. Marotti, Religious ideology, 32–65. Alle folgenden Zitate aus Charke, An answere to a seditious pamphlet, ohne Seitenzählung. Charke druckte als Anhang eine aus dem Lateinischen ins Englische übersetzte „Enthüllungsschrift“ des ehemaligen Jesuitenpaters und Professors an der Wiener Universität Christian Francke von 1578, Breve Colloqvivm Iesuiticvm unter dem Titel A Conference or Dialogue discouering the sect of Iesuits mit ab. Franckes Schrift erschien zuerst in Basel.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

107

Kommentaren als Täuschungsmanöver zu denunzieren. Wenn Campion schrieb, seine Mission diene the glorie of God and the benefit of souls,75 dann fragte Charke: What glory of God can come by a man sworne to Antichrist against Gods glory: sworne to the Councill of Trent against the peace of this kingdom? Und warum habe er sich so lange verkleidet und versteckt? Charke wusste die Antwort: Um dem Papst im Verborgenen den Weg zu bereiten (make way for the Pope priuately). Und die Verkleidung – Campion hatte sich bei der Ankunft in England wie ein Kaufmann gekleidet und unter falschem Namen ausgewiesen – belege, dass der Jesuit ein Wolf im Schafspelz sei (come to vs in sheeps clothing, being inwardly rauening wolues).76 Wenn Campion bekannte, dass er ein Priester der katholischen Kirche sei, dann klärte Charke über den wahren Charakter dieser Kirche auf: Such as the  Church is, such is his priesthood also: the Church Antichristian, & the priests thereof ministers of Antichrist.77

Abb. 4: Die angeblichen Verschwörer wurden später auch zum Gegenstand antikatholischer Bildpublizistik. Auf dieser Darstellung händigt Robert Parsons Edmund Campion eine ‚Popes Licence‘ für allerlei konspirative Umtriebe aus, Campion schwört einen Eid. Im Hintergrund werden Ausgangspunkt und Ende der (rebellischen) Verschwörungen gezeigt, mit einem Priesterseminar rechts und Campion am Galgen links. Der Stich wurde vom niederländischen Kupferstecher Frederik van Hulsen für George Carltons 1627 erschienene ‚A Thankful Remembrance of God’s Mercy‘ angefertigt. 75 76 77

Nach Pollen, The English Catholics, 251. Zu dieser Tiersymbolik vgl. Niemetz, Antijesuitische Bildpublizistik, 185. Charke, An answere to a seditious pamphlet, ohne Seitenzählung.

108

1550–1650: Rhetorisches Regime

Vor allem aber warnte Charke seine deare contrey men, sich bloß nicht von Campions Behauptung in die Irre führen zu lassen, wonach seine Mission nichts mit Politik zu tun habe (I never had mind, and am strictly forbidden by our Father that sent me, to deal in any respect with matter of State or Policy of this realm).78 Religion und Politik ließen sich in England überhaupt nicht trennen (Religion and policie in Englande are, through Gods singular blessings, preserued together in life, as with one spirite), und wer sich an dem einen zu schaffen mache, mache auch dem anderen den Garaus (hee that doeth take awaye the life of the one, doeth procure the death of the other).79 Religionsgespräche als Entlastung des Gerichtsverfahrens Im August 1580 verließ Edmund Campion sein Versteck in London und begab sich auf eine rund zwölfmonatige Missionsreise durch halb England.80 Am 17. Juli 1581 wurde er schließlich verraten und verhaftet. In einer Art Schandprozession wurden er und neun seiner Anhänger durch London zum Tower geführt und darin sofort und noch vergleichsweise zurückhaltend gefoltert. Während seiner rund viermonatigen Einkerkerung folgten noch mehrere, weitaus schonungslosere Torturen durch Thomas Norton, der vor allem in Erfahrung bringen wollte, wo die Druckerpressen standen, bei wem Campion Zuflucht gefunden, wo er die Messe gelesen und wem er  – was als besonders subversiv galt  – die Absolution erteilt hatte.81 Es ging also auch darum, noch nicht als solche enttarnte Katholiken in der Provinz ausfindig zu machen und damit ein Bild über die Unterstützerszene der Jesuiten zu gewinnen. Zudem wollte Norton wissen, inwiefern der König von Spanien in das Unternehmen verwickelt war.82 Weil aber der Tower kein hermetisch von der Außenwelt abgeschlossener, sondern eher ein teilöffentlicher Ort war, stand die Folter im Wechselspiel mit insgesamt vier, weitgehend inszenierten Religionsgesprächen, wie sie Campion in seiner Eingabe an den Geheimen Rat selbst gefordert hatte.83 Verblüffend schnell war am Kaiserhof (in Prag) oder an den deutschen Jesuitenkollegs bekannt geworden, dass Campion misshandelt wurde. Und als man wiederum in London wusste, was die anderen wussten, wollte man der katholischen Welt beweisen, dass man selbst mit dem Staatsfeind Nummer Eins fair umging. Zu den vier Tower-Disputationen im August und September 1581 hatte daher auch ein größerer Kreis von Zuschauern Zutritt.84 Darunter waren zahlreiche Campion-Sympathisanten, die schon kurz

78 79 80 81 82 83 84

Nach Pollen, The English Catholics, 350. Charke, An answere to a seditious pamphlet, ohne Seitenzählung. Kilroy, Edmund Campion, 176f. Ebd., 239–269. Simpson, Edmund Campion, 338ff. Camm, Lives of the English martyrs, 339ff.; Simpson, Edmund Campion, 324ff. Simpson, Edmund Campion, 357ff.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

109

danach Pamphlete über ihre Sicht auf den Verlauf der Disputationen in Umlauf brachten, und zwar wiederum für ein europäisches Publikum.85 Diese druckmediale Fortsetzung der Disputationen war nicht die einzige Parallele zu den Gerichtsprozessen. Die Anlehnung an die zeitgenössische forensische Praxis war vielmehr überdeutlich: So wie Angeklagte möglichst lange über die Verhandlungssache in Unkenntnis gelassen werden sollten, wurde auch Campion erst kurz vor Beginn der ersten Disputation über deren Abhaltung informiert, er war zudem zuvor noch brutal gefoltert worden und in entsprechend schlechter körperlicher Verfassung.86 Wie die Vertreter der Anklage hatten sich seine Kontrahenten bei der Disputation dagegen minutiös vorbereitet, zudem nutzten sie Aufzeichnungen und theologische Literatur, während Campion nur die Bibel als Hilfsmittel gestattet wurde. Auf die Gegenstände der Debatte  – es ging um die Rechtfertigungslehre, um Ekklesiologie, die Eucharistie und die Autorität der Schrift – sollte Campion keinen Einfluss haben, ebenso wenig wie ein Angeklagter auf die einzelnen Punkte der Anklage. Auch die Formen des Gesprächs wurden restringiert, Campion hatte nur zu antworten und durfte selbst keine Fragen oder Gegenfragen stellen.87 Es handelte sich eigentlich gar nicht um eine Disputation, letztlich nicht einmal um eine Art Verfahren mit ergebnisoffenem Ausgang, sondern vielmehr um ein Verhör.88 Dem entsprach auch die räumliche Ordnung bei den Sitzungen in der St. Johanniskapelle: Campion saß auf einem Stuhl, ihm gegenüber durch ein Podest deutlich erhöht saßen seine Opponenten, schon durch ihre Zahl (bis zu neun Personen) eine Übermacht darstellend.89 Mit Gerichtsprozessen vergleichbar war der Umstand, dass die Obrigkeit die Wirkungen einer Disputation allen Vorkehrungen zum Trotz nur begrenzt kontrollieren konnte, so dass auch der Verlauf dieses Verfahrens ein Eigenleben entwickelte. Campion schlug sich jedenfalls trotz aller geplanten Benachteiligungen und trotz seiner sichtbaren schweren Verletzungen so gut, dass die Mehrheit der Zuschauer in ihm den Sieger sah.90 Den dabei anwesenden Philip Howard, Earl of Arundel, soll Campions Standfestigkeit nur noch mehr darin bestärkt haben, zur römischen Kirche zu konvertieren. Trotzdem lassen sich die Religionsgespräche im Tower als Teil eines langfristig angelegten Legitimierungsversuchs verstehen. Sie sollten aber dafür sorgen, den 85 86 87 88 89

90

Holleran, A Jesuit challenge, 51ff. Damit wurden die bis dahin geheim gehaltenen Folterpraktiken aber nun publik und sorgten für Gesprächsstoff, vgl. Kilroy, Edmund Campion, 271. Holleran, A Jesuit challenge, 42. Zum Übergang der Disputation zum Verhör (bei Ketzern) vgl. Niehaus, Das Verhör, 170–188 und 228ff. Simpson, Edmund Campion, 364. Bei Disputationen visualisierte die räumliche Ordnung sonst die Gleichheit der Redner; allg. zur englischen Disputationskultur im 16. Jahrhundert jetzt Rodda, Public religious disputation. Camm, Lives of the English martyrs, 341f. Eine zeitgenössische Ballade, die Campion als Sieger feiert: His reasons were ready, his grounds were most sure, / The enemy cannot his force long endure. / Campion in camping on spiritual field, / In God’s cause his life is ready to yield. Zu den Disputationen neuerdings auch Kilroy, Edmund Campion, 271–297, unter Heranziehung bislang ungenutzter Quellen.

110

1550–1650: Rhetorisches Regime

späteren Hochverratsprozess von religiösen Fragen zu entlasten. Glaubensfragen sollten als schon abgearbeitet gelten können. Man wollte Campion während des Gerichtsverfahrens nicht die Chance zuteil werden lassen, sich als religiös Verfolgter darzustellen wie seinerzeit Cuthbert Mayne. So schlecht sich der konkrete Verlauf auch planen ließ und so überzeugend sich Campion dabei präsentierte: Mit den öffentlichen Disputationen (die letzte fand am 27. September statt) konnte immerhin dem Vorwurf vorgebeugt werden, dass man vor Gericht einen Ketzerprozess veranstalte. Dort sollte es jetzt nur noch um Hochverrat gehen, nicht mehr um Häresie. Mit dieser Vorgehensweise wurde die später von der Obrigkeit auch publizistisch untermauerte Behauptung, Jesuiten als Staatsverbrecher und nicht als Ketzer vor Gericht zu bringen91, buchstäblich in die Tat umgesetzt. Ob sich diese Distinktion aber auch im Laufe des Prozesses bewähren würde, musste sich allerdings erst noch zeigen. Prämisse, nicht Beweisziel: Die Verschwörungstheorie vor Gericht Ende Oktober 1581, also rund zwei Monate nach der letzten Disputation, wurde von den Kronjuristen ein erster Text der Anklage gegen Campion vorgelegt.92 Darin warf man ihm vor, dass er traitorously pretend to have power to absolve the subjects of the said Queen from their natural obedience to her majesty, and with the intention to withdraw the said subjects of the said Queen from the religion now by her supreme authority established within this realm of England to the Roman religion, and to move the same subjects of the said Queen to promise obedience to the pretensed authority of the Roman See to be used within the dominions of the said Queen.93

Obwohl dieses Indictment an den neuen Hochverratsgesetzen orientiert wurde, verwarf man es bald wieder und brachte eine andere Anklage in den Prozess ein. Offenbar befürchtete man, dass dieses Indictment danach klang, Campion aufgrund von religiösen Vergehen und Missionsarbeit anzuklagen, und dieser Eindruck sollte ja unbedingt vermieden werden. Zudem wollte man dem geistesgegenwärtigen Angeklagten den Wind aus den Segeln nehmen, indem sich die Anklage zumindest nicht primär auf neue Gesetze gründete, sondern vor allem auf das klassische, nun gewissermaßen vorkonfessionelle Hochverratsstatut Edwards III. von 1351. Angeklagt wurden Campion und seine Mitstreiter daher ausdrücklich nicht für ihre Missionstätigkeit, sondern wegen ihres angeblich von langer Hand und durch eine weitverzweigte Verschwörung geplanten Königinnenmords. Schon kurz nach dem Prozess machte William Allen die Unterstellung publizistisch zum Vorwurf: 91 92

93

Vgl. S. 158ff. Grundlegend dazu ist jetzt Kilroy, Edmund Campion, 299–330, unter vergleichender und quellenkritischer Heranziehung sämtlicher verfügbarer Quellen. Zum Ablauf des Prozesses vgl. auch Dailey, The English martyr, 102ff. Zit. nach Simpson, Edmund Campion, 393.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

111

they practised how to make him and his fellowes away by some shew of iustice, and that not for the new made treasons; that is to say, for meere religion, which in truth few of our adversaries have any care of, but for matters of treason, so called of old, and action against the state […].94 Als Campion zusammen mit den Seminarpriestern James Bosgrave, Ralph Sherwin, Luke Kirby, Thomas Cottam, Robert Johnson, Henry Orton und Edward Rushton am 14. November zum Arraignment und am 20. November zum Prozess in die bis auf den letzten Platz besetzte Westminster Hall und dort vor die Queen’s Bench gebracht wurde,95 lautete die Anklage: The jury present in behalf of the Queen, that William Allen, D.D., Nicholas Morton, D.D., Robert Parsons, clerk, and Edmund Campion, clerk, James Bosgrave, William Filby, Thomas Ford […] being traitors against the Queen, not having the fear of God in their hearts, nor weighing their due allegiance, but led astray by the devil, intending altogether […] at Rome and Rheims, and in divers other places in parts beyond the seas, falsely, maliciously, and traitorously conspire, imagine, contrive, and compass, not only to deprive, cast down, and disinherit the said Queen from her royal state, title, power, and rule of her realm of England, but also to bring and put the same Queen to death and final destruction, and to excite, raise, and make sedition in the said realm, and also to beget and cause miserable slaughter among the subjects of the said Queen throughout the realm, and to procure and set up insurrection and rebellion against the said Queen, their supreme and natural lady, and to change and alter according to their will and pleasure the government of the said realm, and the pure religion there rightly and religiously established, and totally to subvert and destroy the state of the whole commonwealth of the realm, and to invite, procure, and induce divers strangers and aliens, not being subjects of the said Queen, to invade the realm, and to raise, carry on, and make war against the said Queen; and in order to bring to pass the said wicked and traitorous designs, the said Allen, Morton, Parsons, and Campion did, on the last day of March at Rome, and on the last day of April at Rheims, and on other days, falsely and traitorously conspire, treat, and debate by what ways and means they could compass the death of the said Queen and raise a sedition in the realm; and with the said intent and purpose the said Allen, Morton, Parsons, and Campion did afterwards, on the 20th of May, 1581, at Rome aforesaid, and on divers other days before and after, both by persuasions and letters, move, exhort, and comfort divers strangers and aliens to invade the realm and raise war against the Queen. And further, that the same Allen, Morton, Parsons, and Campion did, on the 20th day of May at Rome, and on the last of the same month at Rheims, traitorously agree that the said Parsons and Campion should go into England, there to move and persuade such subjects of the Queen as they could come at to aid and assist such strangers and aliens as they should traitorously bring into the realm to make war and rebellion against the Queen, and to change and alter the religion established. And that the said Parsons and Campion did after, to wit on the first day of June, 1580, by the treason, procurance, comfort, and command of Allen and 94 95

Allen, A briefe historie, 60. Die Seminarpriester Alexander Briant, Thomas Ford, Lawrence Richardson und John Collyton wurden am 21. November mit der gleichen Anklage vorgeführt. Nur Collyton wurde nicht zum Tode verurteilt. Angeblich war es in der Halle an beiden Prozesstagen noch voller als beim Prozess gegen Norfolk, so Allen, A briefe historie, 63.

112

1550–1650: Rhetorisches Regime

Morton at Rheims, set out to come into England to perform their aforesaid treasonable intents against their due allegiance, and against the peace of the said Queen, her crown and dignity, and in manifest contempt of the laws of this realm, and against the form of divers statutes in this case made and provided.96

Bei dem Text des Indictments handelt es sich um die englische Übersetzung des lateinischen Originals in der Coram Rege Roll zu diesem Fall.97 Darin findet sich die unter Elisabeth üblich gewordene Rhetorik einer Hochverratsanklage: Vom Teufel verführt, hätten die Angeklagten der Königin Treue und Gehorsam aufgekündigt und sich in übelwollender Weise gegen sie verschworen (falsely, maliciously, and traitorously conspire, imagine, contrive, and compass). Die fatalen Konsequenzen dieser Verschwörung wurden skizziert (death and final destruction; miserable slaughter among the subjects; change and alter according […] the government of the said realm, and the pure religion; and totally to subvert and destroy the state of the whole commonwealth; induce divers strangers […] to invade the realm), dann nannte das Indictment Details: Es unterstellte allen siebzehn genannten Personen, sich am 31. März 1580 in Rom, dann am 30. April in Reims, dann am 20. Mai wieder in Rom und am 31. Mai erneut in Reims miteinander verschworen zu haben, die Königin zu töten, eine Invasion vorzubereiten und das Reich in Aufruhr zu stürzen (falsely and traitorously conspire, treat, and debate by what ways and means they could compass the death of the said Queen and raise a sedition in the realm). Um diesen hochverräterischen Plan auszuführen, seien Campion und Parsons am 1. Juni 1580 nach England aufgebrochen. Die Kronanwälte hatten in diesem Indictment die Informationen von Spitzeln, aus abgefangenen Briefen und sonstigen Quellen über katholische Aktivitäten in Rom und Reims zusammengetragen.98 Doch nicht nur für den Historiker dürfte es merkwürdig klingen, dass sich die Verschwörer in kurzen Abständen dreimal zwischen den rund 1500 Kilometer auseinanderliegenden Orten getroffen haben sollten. Auch Campion gab zu bedenken: it was unpossible for me to be guylty of the least of theis accusations.99 Allerdings ging es den Verfassern der Anklage überhaupt nicht um Alltagsplausibilitäten, sondern darum, die Verschwörungstheorie in eine forensisch entscheidbare Form zu überführen. Dabei wollten sie aber keinesfalls auf die Topoi verzichten, die für die antipapistischen Verschwörungstheorien typisch waren und 96

97 98 99

Zit. nach Simpson, Edmund Campion, 394ff. Die Dokumentation des Prozesses bei Simpson und auch in 1 ST geht zurück auf zwei vermutlich am Ende des 16. Jahrhunderts verfasste Manuskripte (BL Sloane MS 1132 und BL MS Harley 6265, fol. 14r-22v). Es handelt sich in beiden Fällen nicht um wortwörtliche Mitschriften. Da hier allerdings auch Campions Verhalten während des Prozesses phasenweise als durchaus vorteilhaft wiedergegegeben wird, stellen die Manuskripte nicht die Vorstufe zu obrigkeitlichen Pamphleten dar, die den Angeklagten in ein schlechtes Licht zu stellen versuchen. Die Rekonstruktion des Prozesses bei Kilroy, Edmund Campion, 299–330, beruht auf BL MS Harley 6265. Ich werde aus Kilroys ausführlichen Transkriptionen im Folgenden ebenfalls zitieren. TNA KB 27/1279, rot. 2/3, ediert bei Anon., Cause of the canonization, 293–298. Alford, The watchers, 112. Zit. nach Kilroy, Edmund Campion, 301.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

113

wonach die neuen Feinde Englands allesamt unter einer Decke steckten: die geistigen Wortführer der Rekatholisierung Englands in Rom und Reims, die dazu nötige militärische Macht in Spanien und die verräterischen Seminarpriester vor Ort. Unmittelbar nach der Verlesung der Anklage beschwerte sich Campion darüber, dass darin alle unterschiedslos für das gleiche Delikt verantwortlich gemacht würden. Das führe zu großer Konfusion, die Geschworenen wüssten am Ende nicht mehr, welche Sachlage, welche Beweise und welcher Angeklagte zusammengehörten. Da es hier um Leben oder Tod gehe, solle für jeden Angeklagten ein eigener Verhandlungstag anberaumt und eine spezifische Anklage formuliert werden. Mit einer differenzierten Anklage, wie Campion sie einforderte, hatte Kronanwalt John Popham bei dem Prozess gegen Cuthbert Mayne 1577 allerdings keine guten Erfahrungen gemacht. Daher wollte er diesmal den Schwierigkeiten entgehen, die es der Anklage bereitete, auf offener Bühne einen roten Faden zwischen katholischen Frömmigkeitspraktiken und Hochverrat zu entwickeln. Aus diesem Grund war die Annahme einer staatsgefährdenden Verschwörung im Campion-Prozess nicht das Beweisziel, sondern dessen Prämisse.100 Neben dieser konspirativen Prämisse wies das Vorgehen der Kronanwälte Edmund Anderson, John Popham und Thomas Egerton typische Merkmale eines paranoiden Stils auf, der es ihnen ermöglichte, nicht auf Campions überaus schlagfertige Einwände und zwingende Gegenargumente einzugehen, sondern diese als Beispiele für die Verneblungspraktiken eines Verschwörers stehen zu lassen. Ther is no cloath so course but Campion can cast a colour on yt101, bemerkte Anderson beispielsweise an einer Stelle, als Campion dessen Vorwürfe zuvor sehr überzeugend zurückgewiesen hatte.102 Die Ankläger konnten es sich jeweils aussuchen, ob sie Campions Beiträge für wörtlich oder symptomatisch nahmen, ob sie diese als Teil des forensischen Dialogs beurteilten und darauf antworteten oder stillschweigend in ihre Verschwörungstheorie integrierten: Were yt not that your dealing afterwards had fullie bewrayed you, your present speache perhaps had byn more credible, but all afterclappes make those excuses but shadowes & your dedes & actions proue your words but forged103, bemerkte Anderson an anderer Stelle.104 Aufgrund dieser doppelbödigen Wertung der Kommunikation vor Gericht war es möglich und sogar der Anklage dienlich, Campion ausführlich zu Wort kommen zu lassen. 100

101 102 103 104

[…] that they in the dayes of the last March and Aprill, Anno 22 Eliz: at Champaine Rhemes Rome and other places beyonde the Seas, had conspired the death of the Queenes Majestie, the overthrowe of the Religion nowe professed in England, the subvertion of the state, and that for the attempt therof, they had stirred up straungers to invade this Realme: moreover that the viiith daye of Maye nexte followinge, they tooke there Jorneye from Rhemes towardes England, to perswade and seduce the Queenes subjectes to the Romyshe Religion, obedience to the Pope, from there duetyes and allegiaunce to her Highnesse, and that the ffyrst of June, they arrived in this countrye for the seife same purpose, wie der Verfasser jenes Manuskript das Indictment wiedergibt, das späteren Ausarbeitungen des Prozesses zugrundelag, BL MS Harley 6265, fol. 14r. Sloane MS 1132, p.16. Im Folgenden werden Abkürzungen stillschweigend aufgelöst. 1 ST 1065. Sloane MS 1132, p. 10. 1 ST 1059.

114

1550–1650: Rhetorisches Regime

Campion sollte sich selbst um Kopf und Kragen reden. Entsprechend lange dauerte die Verhandlung für die damaligen Verhältnisse, nämlich rund zwölf Stunden. Ähnlich den Tower-Disputationen hatten die Verfahrensveranstalter auch den Prozess als Inszenierungsaufgabe verstanden. Die zahlreichen Besucher in der Westminster Hall bei der Hauptverhandlung am 20. November wurden überwiegend auf zwei einander gegenüberstehende, längsverlaufende Tribünen loziert, die in der Mitte einen Kanal bildeten, auf dem die aktiv Beteiligten agierten. Die Angeklagten wurden auf einem eigens errichteten Gerüst (scaffold) exponiert.105 Dieses Arrangement war bereits bei dem als peer trial durchgeführten Hochverratsprozess gegen den Herzog von Norfolk im Januar 1571 gewählt worden.106 Campions Hagiograph Paolo Bambino (1575–1648) hatte einen Gewährsmann, der berichtete, dass Campion nicht mit den anderen Angeklagten in die Halle geführt worden war, sondern eigens mit einem Boot vom Tower hergebracht wurde. Was womöglich als eine Art Spießrutenlauf gedacht war, in der Art, in der man Campion unmittelbar nach seiner Verhaftung durch London geführt hatte, gestaltete sich in den Augen seiner Anhänger jedoch als Ankunft eines Helden, dessen Charisma durch die sichtbaren Folgen der Folter – er konnte kaum die Arme bewegen – nur noch vermehrt wurde. Ungerührt sei Campion durch die zudringliche Menge zu seinem Platz auf dem Gerüst gegangen. Mit seiner typischen Ernsthaftigkeit habe er alle beeindruckt, nicht zuletzt auch seine Mitangeklagten, die sich vor ihm so tief verbeugten wie vor einem Fürsten (mox proximum magna totius corporis inclinatione venerabundi quasi principem sui agminis consalutant).107 Symbolisierung von Fairness Obwohl mit Campion eine Art Staatsfeind vor Gericht stand, achteten die Verfahrensveranstalter auf Gesten der Fairness. Diesen Eindruck begünstigte vor allem die Verhandlungsleitung des vorsitzenden Richters, Chief Justice Christopher Wray (1522–1592). Schon beim Arraignment, als Campion empört alle Vorwürfe von sich wies und damit den Gang des Verfahrens störte, wurde er nicht einfach barsch zur Ordnung gerufen. Vielmehr erläuterte ihm Wray auffallend wohlwollend die geltenden Spielregeln: The tyme is not yet come, wherin you shal be tried, & therfore you must now spare speache, & reserue yt till then, at which tyme you shall fynd full libertie of defence & me to sit indifferent betwene her majesty & your self.108

Bei der Hauptverhandlung wandte sich der Richter wiederum gleichsam außerhalb seiner Rolle, sozusagen von Mensch zu Mensch, an Campion. Kronanwalt Anderson hatte zuvor die verschwörungstheoretisch durchtränkte Anklage durch 105 106 107 108

Kilroy, Edmund Campion, 303. 1 ST 957. Bombino, Vita et martyrium Edmundi Campiani, 268. Sloane MS 1132, p. 1.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

115

sein Auftreten überaus dramatisch vorgetragen (very vehemently pronounced with a graue & austere countenance) und dadurch die Angeklagten irritiert: This speache […] dismaied them all & made them very impatient & troublesomly affected, for yt semed by their distemperature that it sounded verie criminously to ther triall.109 Als sich Campion darüber beschwerte, versuchte Wray Andersons Verhalten zu erklären (und damit als strategisch zu entlarven) und zu entschuldigen: You must haue patience with him & the rest likewise for the being of the Queen’s counseil they speak of no other intent than of dutie to her maiestie. and I cannot but mervail that men of your profession should vppon any such occasion, be so much distempered, for as concerning the matters which my brother Anderson hath alleaged they be but inducements to the point ytself & thereto every one shall haue his seuerall answere.110

Tatsächlich unterschieden die Angeklagten am Schluss des Prozesses zwischen dem scharfen Auftreten der Anklage und der Ausgewogenheit, die der Richter an den Tag gelegt hatte. Dafür dankten sie ihm sogar: They all thanked his lordship & said they could not otherwise affirme but that they had found of the court both indifferencie & justice.111 Nicht zu klären ist, aus welchen Gründen Wray derart konziliant auftrat. War er selbst ein verkappter Katholik, der seinen Glaubensbrüdern soweit wie möglich entgegenkommen wollte?112 Oder handelte es sich hier um eine perfide Technik, „a show of impartiality, to obtain what convictions he desired“, wie der benediktinische Ordenshistoriker Bede Camm 1904 vermutete?113 Henry Walpole, ein katholischer Zuschauer, verglich Wray sogar mit Pilatus: desirous of liberating him, but for fear of Cesar, upon the verdict of the jury, condemned him to death.114 Wie dem auch sei: Durch Wrays expressive Unparteilichkeit konnte dargestellt werden, dass das englische Recht als solches, verkörpert durch den Richter, nichts mit dem unerbittlichen Vorgehen der Kronanwälte zu tun hatte und noch weniger mit den bereits als skandalös diskutierten Folterpraktiken.115 Zudem konnte sich die Institution der King‘s Bench davon freimachen, dass die Ankläger die Geschworenen und die Zeugen ‚gekauft‘ hatten und ihr ganzes Vorgehen auf Verschwörungstheorien gründete, die möglicherweise für die Kronanwälte selbst plausibel geklungen haben mögen, nicht aber für alle Zuschauer.116 Unbeteiligte Juristen, die nicht einmal Katholiken waren, haben sich jedenfalls über den Gang des Verfahrens und den Schuldspruch gewundert. Einer der geheimen Unterstützer der Jesuiten, Thomas Fitzherbert, wollte von einem Anwalt and earnest Protestant […] 109 110 111 112 113 114 115 116

Sloane MS 1132, p.4. Ebd., p. 4f. Ebd., p. 21. So Holleran, A Jesuit challenge, 209. So Camm, Lives of the English martyrs, 346. Pollen, Acts of English martyrs, 42. Zur Funktion von „expressiver Rollendistanz“ für ein Verfahren vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 95ff. Zu den Zahlungen an die Zeugen Kilroy, Edmund Campion, 324.

116

1550–1650: Rhetorisches Regime

present at the arraignment gehört haben, dass dieser das Urteil überhaupt nicht nachvollziehen könne. Dieses sei keine Sache des Rechts, sondern der Staatsräson: in truth the evidences that were given against Father Campion were so weak, and his answers so sufficient and clear, that he could not persuade himself that he should be condemned, until he heard the chief Judge give the sentence of death. And when I asked him how it could stand with conscience to condemn innocent men, he answered that it was necessary for the State.117

Ganz ähnliches berichtete Henry Walpole über ein Gespräch während des Prozesses mit einem Anwalt namens Strickland. Auch dieser konnte sich bei dem Verlauf der Verhandlung nicht vorstellen, dass Campion und seine Mitangeklagten schuldig gesprochen werden könnten. I asked a lawyer called Strickland, a friend of mine, who stood near me, if he thought they would be condemned, and what he thought of Campion. „As far as he is concerned,” was the answer, „he surely cannot be touched, his answers to all that has been laid to his charge have been so excellent. I should say the same of all the rest, except of one or two, who may be found guilty on the insinuations against them“.118

Die Aussagen der beiden Juristen sind aber nicht nur aufschlussreich für den als paradox empfundenen Ablauf des Prozesses. Sie zeigen auch, dass sie die faktischen Kommunikationsweisen dabei keineswegs für ungewöhnlich erachteten. Bei aller Kritik schien es nicht das Problem gewesen zu sein, dass sich der Prozess im wesentlichen als Wechselspiel aus Rede und Gegenrede darstellte. In ihren Augen hatte Campion eben his answers so sufficient and clear bzw. so excellent die Anschuldigungen hinreichend zurückgewiesen. Genuin juristische Wahrheitstechniken, also vor allem Zeugenbeweise, hatten die Juristen offenbar gar nicht vermisst, weder bei den Angeklagten noch bei den Kronanwälten, deren rhetorische Wucht allerdings ebenfalls nicht als Problem markiert worden war. Rede und Gegenrede: Zum Ablauf der Verhandlung Wie gestaltete sich nun konkret der Verlauf des Prozesses, wie muss man sich die Argumentation der Anklage und wie Campions Verteidigung vorstellen? Dies soll im Folgenden nur exemplarisch rekonstruiert werden: Kronanwalt Anderson eröffnete die Anklage mit einer Lobrede auf das Wohlergehen Englands im 23. Regierungsjahr der Königin, es herrsche Ruhe und Frieden, das Evangelium sei die Richtschnur allen Handelns, die Engländer liebten Gott und ihre Königin, und diese Liebe würde von Gott erwidert. Doch wo Licht sei, da sei auch Schatten. Anderson bediente sich im Folgenden nicht nur fast wörtlich aus Thomas Nortons Some lynkes in the chaine of treasons. Er versuchte auch selbst eine rote Linie von 117 118

Pollen, Acts of English martyrs, 39. Ebd., 43.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

117

den Machinationen aus der frühen elisabethanischen Zeit bis hin zu Campion, Sherwin, Kirby und den anderen Seminaristen zu ziehen: Wer erinnere sich nicht mehr an den Aufstand im Norden (1569), an den Verräter Dr. John Story, der sich mit den Spaniern gemein gemacht habe (1571) oder an andere treulose Praktiken der Papisten: the matter is fresh in remembrance. Ther quarters are yet skarc consumed, they were discouered, they were conviced, they suffered we saw yt.119 Wer, fragte Anderson, wenn nicht der Papst persönlich, stecke hinter all diesen Dingen? Für den Kronanwalt war also der Papst die Schlüsselfigur bei all diesen Vorgängen, zwischen denen es einen verborgenen Zusammenhang gab: he hath byn alwayes like himself, & never liker in ought than in this, he knew well enough no forreinc hostilitie was convenient, the Spaniard would be discouered the frencheman [would be] suspected, the romain not beleued. how then? forsoth men born & bred in our nation, perfect in our own tongue & language, instructed in our own vniversities, they & only they must endeuour our overthrow.120

Und wie sie den Umsturz erreichten? They must comm secretly into the realme, they must change their habite & names, they must dissemble ther vocations, they must wander vnknown. Und dann? Disswade the people from ther allegeance to ther prince, to reconcile them to the pope to plant the Romishe religion, to supplant both prince & province. Und mit welchen Mitteln? By saying of masse, by ministring the sacramente, by hearing confessions. Und wenn man nun immer noch nicht glaube, dass dies alles Hochverrat sei, then ad this for ther they were prince & parties to the rebellion in the northe they instrumente to the practises of Storie, they were ministers to execute the Bull sent from pius Quintus against her maiestie.121 Wieso er das behaupten könne? Aufgrund ihrer eigenen Reden und Aussagen. Sie hätten den Aufstand im Norden verteidigt, die Standhaftigkeit des Dr. Story gepriesen, zudem hätten sie die Exkommunikationsbulle mitverfasst und Sympathien für den Überfall der papistischen Truppen auf Irland bekundet, weswegen sie wohl auch dort ihre Finger im Spiel hätten. Deswegen sei es für alle Zuschauer und besonders die Geschworenen von großer Bedeutung, alle Umstände und Möglichkeiten zu registrieren, aber nicht nur für sich, sondern als Zeichen des Verrats: note all circumstances, note all probabilities not on amongest all but notes them for traitours.122 Nachdem sich die Angeklagten über diese Rede sehr erregt hatten und Wray sie zu beruhigen versucht hatte, setzte Campion (der in diesem Prozess nicht nur für sich, sondern zumeist auch für seine Mitangeklagten sprach) zu einer Gegenrede an, und zwar sowohl mit Blick auf das Vorgehen der Kronanwälte als auch auf ihre Behauptungen selbst. Wo seien denn die Beweise für die ungeheuerlichen Anschuldigungen? Denn selbst wenn es nur um einen halfpenney ginge, verlange das englische Recht die Anhörung von Zeugen, soe that probabilities, agravations, invectives, are not the Ballance wherin Justice must be weyghed, but witnesses, oa119 120 121 122

Sloane MS 1132, p. 3. Ebd., p. 3f. Ebd., p. 4. Ebd.

118

1550–1650: Rhetorisches Regime

thes, and apparant guyltness.123 Campion unterschied zwischen einem orator, dessen Anklage bloß auf Worten und rhetorischen Mittel wie Spekulationen, Übertreibungen und Schmähungen beruhe (probabilities, agravations, invectives), und einem Anwalt (pleader), der für seine Anschuldigungen auch Beweise habe. The wysdome and providence of the Lawes of England beruhten darauf, dass Schuld nicht durch eine affektierte Rede (affected speech), bloße Wahrscheinlichkeiten und blanke Mutmaßungen (shiftes of probabilities, and conjectural surmises) festgestellt werde, sondern durch handfeste Beweise und Zeugen, die im Prozess öffentlich aussagten (profe of the cryme, by sufficient Evidence and substantiall witness […] viva voce).124 Abgesehen davon: was folge denn aus den geschilderten Umständen? We fledde our countrye, what of that? The pope gave us interteynment, how then? We are catholykes, what is that to the purpose? We perswaded the people, what followeth? We are therefore traytors?125 Und dass man die Untertanen dazu verführt habe, der Königin den Gehorsam aufzusagen? Dieser Vorwurf sei weit hergeholt. Man habe mit der Welt nichts zu schaffen, man sei nur wegen der Errettung der Seelen unterwegs: We are dead men to the world, soe onelye traveled for soules, we touched neyther state nor pollyce, we had no such commission.126 Worin bestehe denn dann die Verführung? Und wenn der Kronanwalt behaupte, dass man mit den Rebellen des Nordens, mit Story, Felton und Sanders unter einer Decke gesteckt und dies selbst eingestanden habe, dann rufe man Gott zum Zeugen, dies so nie gesagt oder so gemeint zu haben: God is our witnesse, we never ment it, we dreamed it not.127 Alles, was die Kronanwälte bislang vorgebracht haben, seien entsprechend zurecht gemachte Indizien, aber keine zwingenden Argumente für Hochverrat: These matters ought to be proved and not urged, declared by evidence and not surmysed by anye. Notwithstanding it ought to be soe, yet muste all circumstances note us for traytors, indeed all yet that is layed agaynst us be but bare cyrcumstances and noe sufficient arguments to prove us traytors.128 Campions Biograph Gerard Kilroy bemerkte zu Campions Verfahrenskritik, dass darin das Ideal des trial by jury um Ausdruck komme, wie es auch bei Sir John Fortescue dargestellt worden sei.129 Campions Kritik an der nicht-evidenzbasierten, sondern oratorischen und assoziativen Anklagepraxis verhallte dennoch ungehört. Sie wurde weder von den Kronanwälten gekontert noch stimmten die von dem Prozessablauf sonst wenig überzeugten zuschauenden Juristen in die Kritik mit ein. Selbst die nachträglichen publizistischen Beiträge, die entschieden für Campion Partei ergriffen, bemängelten gerade nicht das Abweichen vom Ideal des Strafprozesses nach Common Law. Es handelte sich bei Campions Einreden also um Sprechhandlungen, die weder eine Wirkung im Verfahren erzeugten noch 123 124 125 126 127 128 129

Zi. nach Kilroy, Edmund Campion, 307. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., 307f. Ebd.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

119

über das Verfahren hinauswirkten – so wie das bei Verfahrenskritiken von Angeklagten in Prozessen des späten 17. Jahrhunderts der Fall war. Vor allem wurde durch den Appell an das Ideal die faktische Konversationsstruktur nicht verändert. Es blieb beim Wechselspiel von Rede und Gegenrede. Tatsächlich interessierten sich die Kronanwälte überhaupt nicht für Campions ausführliche Gegenargumente. Die hochgradig spekulativen Anschuldigungen waren nicht dazu da, um von den Angeklagten widerlegt zu werden. Sie dienten vielmehr als Reaktionstests. Man wollte sehen, ob man die Angeklagten damit aus der Ruhe bringen konnte. Das gelang etwa mit dem Auftritt von George Elyot, einer von Walsinghams Spionen, der sich erst das Vertrauen Campions erschlichen und ihn dann an die Obrigkeit verraten hatte.130 Elyot trat nun mit der Unterstellung als Zeuge auf, dass der Jesuit eine Invasion päpstlicher und spanischer Heere vorbereite. Campion nannte ihn daraufhin erregt einen Judas.131 Genauso schien es in das Konzept zu passen, dass die angeklagten Priester an einer anderen Stelle in Rage gerieten und sich lautstark beschwerten, dass man sie aufgrund von Religion verurteilen wolle: they all cried yf wheras they were endited of treason they feared lest vnder vizard of that they should be condemned of religion.132 Man konnte diesen Gefühlsausbruch als Zeichen von schlechtem Gewissen deuten. Die Lektüre paraverbaler Botschaften war in diesem Prozess besonders wichtig. Den katholischen Berichterstattern des Verfahrens kam es etwa darauf an zu betonen, dass Campion sich von den Anschuldigungen nicht habe aus der Ruhe bringen lassen und Augenblicke der Irritation nicht auf eine Gewissensunruhe, sondern auf die gerechte Empörung über die Maßlosigkeit der Vorhaltungen zurückzuführen sei: after he had heard the exaggerations of the Attorney and lawyers endeavouring to please the Government, to maintain heresy, and display their skill; exaggerations which doubtless he never expected he seemed wonder-stricken; then, lifting his eyes to heaven, and recollecting himself, he began his answer.133

Die marginale Rolle der Zeugen Die Anklage rief ungefähr in der Mitte des Prozesses mehrere Zeugen auf, darunter Anthony Munday. Tatsächlich lasen die Zeugen aber nur vorbereitete Aussagen ab, sie fungierten somit als Sprachrohr schon fertiger Geschichten über höchst konspirative Praktiken in Rom oder in den Häusern ihrer Gönner und über hochverräterische Reden, die sie angeblich hier und dort belauscht hätten.134 Munday präsentierte dabei fast wörtlich das, was er auch schon in The English Romayne

130 131 132 133 134

Alford, The watchers, 104f. 1 ST 1063, vgl. dazu Kilroy, Edmund Campion, 316f. Sloane MS 1132, p. 6. So Henry Walpole, in: Pollen, Acts of English martyrs, 44. 1 ST 1067ff.

120

1550–1650: Rhetorisches Regime

lyfe behauptet hatte.135 Charles Sledd wiederum, dessen Zeugnis gegen Luke Kirby gerichtet war, zitierte aus seinem A general discourse of the Popes Holynes devices.136 Nach ihren Vorträgen traten die Zeugen sofort wieder in den Hintergrund und wurden nicht weiter verhört. Kritische Rückfragen der Angeklagten blieben einfach im Raum stehen. Von einem Kreuzverhör im Sinne einer Ordnung von konkurrierenden und agonalen Redezügen konnte bei diesen Anhörungen keine Rede sein. Durch diese Zeugenaussagen wurden auch keine neuen Informationen in das Verfahren gespeist, Anderson hatte alles, was sie zu sagen hatten, in seinen Reden schon ausführlich erwähnt. Wie beim Throckmorton-Prozess dienten die Zeugen auch hier der leibhaftigen Verifizierung bereits bekannter Behauptungen. Vor allem aber belasteten die Aussagen keinen der Angeklagten unmittelbar. Die Zeugenaussagen sollten offenbar vor allem den Eindruck erwecken, dass hier ein ordentliches Verfahren stattfand, mit Zeugen viva voce. Wenn zu dieser Zeit überhaupt Zeugen vor Gericht auftraten, dann allein für die Anklage. So wie unter Königin Maria die Voruntersuchungen als Phase konzipiert wurden, bei der allein belastendes Material zusammengetragen wurde137, so kam zu dieser Zeit niemand auf die Idee, Entlastungszeugen zu fordern – selbst die Angeklagten nicht. Sie konnten das an sie explizit erteilte oder situativ ergriffene Rederecht vollumfänglich für Erklärungen, Rechtfertigungen, Richtigstellungen, Zurückweisungen und gelehrte Ausführungen nutzen. Unter einer Beweispflicht für ihre Aussagen – wie sie Campion von Anderson forderte, wenn er kritisierte, dieser agiere als ein vehement pleader without wytnes […] testifying the same138 – standen sie dabei nicht. Campions Reden wurden hingenommen, weil man sie vor Publikum beständig als Vernebelungsrhetorik eines Verschwörers denunzierte. Dafür beriefen die Angeklagten aber auf Gott als Zeugen, mit Sprechakten wie I protest before God139; I take God to witness140; God is our witnesse, we never ment it, we dreamed it not141; God he knows.142 Schon ganz zu Beginn des Prozesses antwortete Campion auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe I protest before god & his angels, by heauen & earth & before this tribunall, which I pray god may be a mirrhour of the iudgment to come, that I am not guiltie of these treasons contained in the enditement or of any other whatsoever & to proue these thinges against me it is merely impossible.143

Durch diese Sprechakte verliehen die Angeklagten ihren Aussagen eine eidesstattliche Qualität. Solche Praktiken der Selbstvereidigung waren bis zum Ende des 17. Jahrhunderts typisch. Allerdings entfalteten diese Sprechakte kaum Resonanzen 135 136 137 138 139 140 141 142 143

1 ST 1063. 1 ST 1068. Langbein, The origins of public prosecution. Kilroy, Edmund Campion, 307. 1 ST 1066. 1 ST 1058. 1 ST 1054. 1 ST 1063. Sloane MS 1132, p. 1.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

121

im Verfahren – die Kronanwälte gingen darauf nicht ein, weder hier noch in anderen Fällen. Für ihre Wirkung benötigen solche performativen Sprachformeln einen spezifischen Ort, und das war nicht der Gerichtsprozess, sondern die Hinrichtungsstätte.144 Erst dort wurde die Wahl Gottes als Zeugen für die Wahrheit der Behauptungen von Todeskandidaten zu einem Problem für Obrigkeit und Verfahrensveranstalter, auf das reagiert werden musste. Prekäres Ende und unerwünschte Kritiker Alle Angeklagten wurden am Ende schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Als zwingend erschien Beobachtern dieses Urteil aber nicht. Die Irritationen anwesender Juristen, die einen Freispruch für logisch hielten, wurden schon erwähnt. Aber noch eine andere Handlung war bezeichnend: Als die Kronanwälte am Beginn des Prozesses den bekannten und einflussreichen Common Lawyer Edmund Plowden (einer der Urheber der Lehre von den King‘s two bodies) unter den Zuschauern ausmachten, ließen sie ihm eine Notiz zukommen, worin es ihm untersagt wurde, das Geschehen mitzuschreiben, wie das offenbar unter Juristen üblich war. Zudem wurde ihm das Verlassen des Gerichts nahegelegt, was Plowden, der selbst ein Katholik war, dann auch tat, um weiteren Ärger zu vermeiden.145 Offenbar hofften die Kronanwälte, dass ihre Vorführung im Hier und Jetzt des Verfahrens auf die Zuschauer Eindruck machte, aber sie wollten vermeiden, dass ihr Vorgehen in die Kommentare der Common Lawyer einging. Campions Hagiograph Bombino wusste, dass sich Richter Wray nach dem Urteil sorgenvoll an die Kronanwälte gewandt haben soll: Noch einmal so ein Prozess und die Justiz sei diskreditiert. Zwei der Geschworenen weigerten sich zudem, bei einer weiteren Jury mitzuwirken.146 Auch das expressive Verhalten der Angeklagten war eine Art Verfahrenskritik in actu. Wenn ihre Verhöre als Reaktionstests gemeint gewesen waren, dann hatten sie diese gut bestanden. Das musste sogar Munday zugeben, der nicht verhehlen konnte, dass ihn Campion beeindruckt hatte und der die Einzelheiten dieses eindrucksvollen Verhaltens genau benennen konnte: Campion habe sehr ruhig und souverän geantwortet, mit zurückhaltender Mimik (coy looks), Geistesgegenwart und Unmittelbarkeit (protestation of action, showing prompt and ingenious capacity). Seine Rede sei zugleich schön und verständlich gewesen: in very quaint and familiar eloquent glosses he stood upon quirks and fine device of speech.147 Darüber hinaus sorgten bestimmte Szenen wie beim Pleading für Aufsehen, als der von der Folter gezeichnete Campion es nicht vermocht hatte, seine Hand hochzuhalten – obwohl er diese Geste gar nicht verweigern wollte. Einer seiner Gefährten hat ihm dann den Arm gestützt, nachdem er dieses Gliedmaß (so abused for the 144 145 146 147

Ich folge hier dem Argument von McKenzie, God‘s tribunal, 136. Simpson, Edmund Campion, 434. Kilroy, Edmund Campion, 329. Simpson, Edmund Campion, 406.

122

1550–1650: Rhetorisches Regime

confession of Christ) zuvor geküsst hatte.148 Wie immer es um Campions Gesundheit bestellt gewesen war: Es war natürlich eine gelungene martyriologische Geste, sich den Spielregeln des Verfahrens nicht verweigern zu wollen, doch körperlich kaum in der Lage dazu zu sein, sie zu erfüllen. Am Ende des Prozesses, nachdem Richter Wray das Urteil bereits gesprochen hatte, verloren einige der Angeklagten allerdings die Fassung und brachen in Tränen aus. Nicht so Campion und Sherwin, die inmitten der Unruhe plötzlich mit klarer und lauter Stimme ein Te Deum Laudamus anstimmten, in das die anderen Verurteilten allmählich einstimmten. Die verwirrten und  – so ein Beobachter  – auch gerührten Zuschauer sahen die Verurteilten mit großer Freude das Gotteslob singen.149 So sehr es den Kronanwälten gelungen sein mag, das Religionsthema im Prozess klein zu halten: Sie konnten nicht verhindern, dass die Verurteilten an dieser Stelle des Prozesses und auf der öffentlichen Bühne durch ihre Handlungen die martyriologische Umdeutung in Gang setzten, die sich auf dem Schafott fortsetzen sollte.150 3. HINRICHTUNGEN ALS FORTSETZUNG DES VERFAHRENS Konkurrierende Deutungen auf dem Schafott Am Morgen des 1. Dezember 1581 wurden Campion, Sherwin und Briant auf Schlitten gebunden und durch die Stadt nach Tyburn geschleift. Die öffentliche Hinrichtung – und dazu gehörte, wie das Urteil besagte, auch der Weg zur Schädelstätte – zog stets ein großes Publikum an, das zusehen wollte, wie der verurteilte Verräter zuerst radikal entehrt und dann physisch vernichtet wurde. Eine solche Symbolik der Schändung und Eliminierung setzte allerdings voraus, dass die Veranstalter des Rituals die Deutungshoheit behielten. Seit der Diskursivierung und Subjektivierung der öffentlichen Hinrichtung im Laufe des 16. Jahrhunderts gelang dies allerdings nur noch partiell.151 In diesem Fall vermochten die Verurteilten den Sinn der Hinrichtung soweit zu verkehren, dass nicht wenigen Zuschauern – und zwar Protestanten ebenso wie heimlichen Katholiken – eher das Martyrium von Glaubenszeugen vor Augen stand als die Todesstrafe für Hochverräter.152 Schon das Schleifen nach Tyburn gestaltete Campion als seine via dolorosa. Er tröstete die Umstehenden, sprach ihnen Mut zu und segnete sie. Sympathisanten unterstützen den Eindruck eines Kreuzwegs, wenn sie ihm mit Lappen das 148 149 150

151

152

Simpson, Edmund Campion, 397. Kilroy, Edmund Campion, 328. Nicht alle Verurteilten wurden hingerichtet. James Bosgrave wurde auf Bitten des polnischen Königs begnadigt. Auch Campion bekam die Chance, durch Abbitte sein Leben zu retten. Die Begnadigung sollte seine Verwandlung zum Märtyrer unterbinden. Von seinem Entschluss, in den Tod zu gehen, ließ sich Campion aber nicht abbringen, vgl. Kilroy, Edmund Campion, 335. Im Zeichen des ‚material turn‘ wurde jüngst auch darauf verwiesen, dass selbst die Kleidung der Todeskandidaten von Signifikanz war und unterschiedliche Botschaften vermitteln konnte, Hayward, ‘We should dress us fairly for our end’. Kilroy, Edmund Campion, 331–348.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

123

Gesicht sauberwischten, so wie Veronika Jesus das Schweißtuch gereicht hatte.153 Bei Tyburn hatte sich eine große Zahl von Zuschauern versammelt. Diese hörten, als Campion auf einen Wagen unter den Galgen gestellt wurde, von ihm ein lateinisches Zitat des Paulus aus dem ersten Korintherbrief (4,9): spectaculum facti sumus mundo et angelis et hominibus.154 Bevor er weitersprechen konnte, wurde er vom Sheriff unterbrochen und dazu gedrängt, vor der versammelten Menge seine Schuld einzugestehen. Doch Campion beteuerte seine Unschuld: I desire you all to bear witness with me that I am thereof altogether innocent.155 Ein königlicher Geheimrat, der neben Campion stand, fragte, wie das denn sein könne, wo er doch aufgrund hinreichender Beweise (sufficient evidence) verurteilt worden sei. Campion entgegnete, wenn der katholische Glaube Hochverrat sei, dann sei er schuldig, im Übrigen aber habe er keine Verbrechen begangen.156 Nachdem Campion und die Vertreter der Obrigkeit einander noch ein Weile ihre Schuld- und Unschuldsbehauptungen entgegenhielten, trat ein als schole maister vorgestellter Mann namens Thomas Hearne vor, der mit lauter Stimme eine von ihm verfasste Erklärung verlas (openly with lowde voyce unto the people), die gleichzeitig im Druck an die Zuschauern verteilt wurde.157 Hearnes Vortrag und das Pamphlet erinnerten die Zuschauer daran, dass at the late  arraignments at Westminster […] it was manifestly declared and fully proued, how they all, vnder pretence of the names of Iesuites, Seminarie Priests, & other persons of like condition, had secretly come into this Realme […] to change […] Religion […] and […] to depriue her Maiestie of her life, crowne and dignitie […].158

In seinem fünf Seiten umfassenden Pamphlet versicherte Hearne wiederholt, dass Campion und seine Gefährten zu Recht verurteilt worden seien, und zwar auf der Grundlage hieb- und stichfester Zeugenbeweise (by many good proofes and witnesses produced and sworne before their faces).159 Er führte die Rechtmäßigkeit der bevorstehenden Hinrichtung also auf den Verlauf des Verfahrens selbst zurück, bei dem auf der Grundlage angeblich unumstößlicher Beweise (it was manifestly declared and fully proued) die Wahrheit der Hochverratsanklage zutage gefördert worden sei. Diese Hochverratsanklage wiederholte Hearne zwar nicht wortwörtlich, aber mit ähnlichen Wendungen und Formulierungen wie im Indictment auch: they all, vnder pretence of the names of  Iesuites, Seminarie  Priests, & other persons of like condition, had secretly come into this Realme by the sending of sundrie persons authorized by the Pope, to moue the people by their secret perswasions to change their professions in the matter of Religion, of long time quietly established in this Realme, and to be reconciled to the obedience of the Pope, and withdrawen 153 154 155 156 157 158 159

Simpson, Edmund Campion, 448. „Wir sind ja ein Schauspiel für die Welt geworden, für Engel und Menschen“, das Zitat ist belegt bei Alfield, A true reporte, C1r. Simpson, Edmund Campion, 451. Kilroy, Edmund Campion, 338. Simpson, Edmund Campion, 452. [Hearne], An aduertisement, A.iii. Ebd.

124

1550–1650: Rhetorisches Regime

from their naturall allegeance due to the Queenes Maiestie, and by these meanes to be readie in their heartes and mindes and otherwise prouided, to ioyne their forces aswell with such as their Heads & superiours which sent them, intended speedily to procure to be sent into this Realme, as with other rebellious Subiectes by them to be thereto also excited, of purpose to depriue her Maiestie of her life, crowne and dignitie […].160

Alle diese Vorwürfe seien beim Verfahren glasklar nachgewiesen und nach altem Recht als Hochverrat und nicht als Religionsvergehen verurteilt worden: it did manifestly appeare vpon their Juditements and at their arraignements by sundrie confessions of some of their owne companions, and by many good proofes and witnesses produced and sworne before their faces, that their factes, whereof they were arraigned and condemned, were such as were in trueth high Treasons committed against her Maiesties most Royall person, and against the ancient Lawes and Statutes of this Realme, which many hundred yeeres past were in force against like Traytours, and not for factes of doctrine or Religion, nor yet for offences against any late or newe Statutes.161

Tatsächlich hatte es dem Verfahren eben an diesen juristischen Formen der Wahrheitsfindung – many good proofes and witnesses produced and sworne before their faces – gemangelt. Campion hatte zudem in der Westminster Hall diesen Mangel auch wortgewaltig hervorgehoben. Dennoch wurde unter dem Galgen die Legitimität des Urteils auf diese Förmlichkeiten gegründet. Eine solche Umdeutung des Verfahrens war deswegen möglich, weil es sich bei der Hinrichtung nicht um das selbe Publikum handelte wie beim Verfahren. Von diesem Wechsel der Öffentlichkeiten bei Gericht und Hinrichtung konnten aber auch die Verurteilten profitieren. Ihre durch nichts zu erschütternden und eidesstattlichen Versicherungen, zu Unrecht verurteilt worden zu sein, dürften gerade bei solchen Zuschauern Zweifel geweckt haben, die das Verfahren nicht miterlebt hatten. Der katholische Beobachter Thomas Alfield behauptete jedenfalls, dass die Zuschauer bei Hearnes Vortrag die Absicht der Obrigkeit (they did also disyre some better colour or faster vizard for their procedings) durchschaut hätten.162 Ein Exemplar seines Pamphlets weist dagegen viele Unterstreichungen auf, die sich als Zustimmung des unbekannten Lesers mit Hearnes Positionen und Schlussfolgerungen deuten lassen.163 Campion selbst verzichtete auf eine Replik und blieb im stillen Gebet versunken. Nachdem er dieses beendet hatte, zog man ihm den Karren unter den Füßen fort. Campion hing bis zum Tod am Galgen. Umstehende hatten den Henker mit gezückter Waffe davon abgehalten, den Verurteilten noch bei lebendigem Leibe auszuweiden. Die martyriologische Performanz erzeugte also unmittelbare Mit160 161 162 163

[Hearne], An aduertisement, A.iii. Ebd. Alfield, A true reporte, C2r; Kilroy, Edmund Campion, 339. So die Vermutung von Kilroy, Edmund Campion, 339, der das Exemplar in der Folger Shakespeare Library (Washington, D.C.) gesichtet hat.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

125

leidseffekte mit einer Person, die zuvor noch als Personifizierung der papistischen Bedrohung betrachtet worden war.164 Was zeigen diese Vorgänge? Die Hinrichtung war ganz offensichtlich nicht nur die Ausführung des schon ergangenen Urteils, sondern vielmehr eine Art Fortsetzung des Gerichtsverfahrens. Die öffentliche Hinrichtung avancierte vielmehr zu einem Forum der Wahrheit165, auf dem weiterhin um die Legitimierung des Urteils gerungen wurde, wo aber die öffentliche Delegitimierung und Umdeutung als Martyrium ebenso möglich wie wahrscheinlich war. Eidesförmige Unschuldsbehauptungen in der last dying speech sowie flankierende Gesten entfalteten auf dem Schafott eine ähnliche Virulenz wie Reinigungseide auch.166 Dies galt nicht nur für protestantische Todeskandidatinnen unter Maria Tudor, sondern auch für katholische Hochverräter.167 Solche Unschuldsbehauptungen führten zwar in keinem (bekannten) Fall zum Abbruch der Hinrichtung.168 Aber sie nötigten die Obrigkeit und ihre Akteure dazu, dem öffentlich artikulierten Dissens etwas entgegenzusetzen und die Deutungshoheit über das Geschehen zurückzugewinnen. Wenn letzte Worte wie Eide wirkten, dann konnte man sie im Falle wenig überzeugend verlaufener Verfahren nicht einfach ignorieren. Die naheliegendste Taktik war, dem öffentlich artikulierten Dissens unmittelbar auf dem Schafott zu widersprechen.169 John Slade z.B., ein katholischer Hauslehrer, der den Supremat der Königin bestritten hatte, erklärte vor seiner Hinrichtung auf dem Marktplatz von Winchester in der Grafschaft Hampshire am 30. Oktober 1583: I am come hither this day to suffer for my faith, worauf der Sheriff Sir William Kingsmell sofort entgegnete: Slade, do not thus delude the people with plausible speeches. You come hither to suffer for high treason against her Majesty. You have been lawfully and sufficiently convicted therof, and therefore you are brought to endure the punishment that law hath assigned you.170 Auch hier wurde die anstehende Vollstreckung des Urteils mit dessen angeblich korrekter und hinreichend mit Beweisen unterfütterter Herleitung vor Gericht begründet. Geständnisse wurden auf dem Schafott auch von jenen Verurteilten gefordert, die ihre Schuld nicht bestritten. Das zeigt die Wichtigkeit dieses Rituals als nachträgliche Urteilslegitimation. Für England galt damit das gleiche, was auch für das öffentliche Schuldeingeständnis bei Hinrichtungen in Frankreich oder im Alten Reich festgestellt wurde: Der „Schuldige [wird] zum Herold seiner eigenen Verurteilung gemacht. Er muß die Wahrheit dessen, was ihm vorgeworfen wird, ver164 165 166 167 168 169 170

Kilroy, Edmund Campion, 341. Im Sinne von Foucault, Überwachen und Strafen, 52f. McKenzie, God‘s tribunal; McKenzie, Tyburn‘s martyrs, Kap. 8; McKenzie, On the „very brink between time and eternity”. Ausführlich dazu: Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 243–254. Es handelte sich dabei nicht um das funktionale Äquivalent zum Galgenwunder, das im Spätmittelalter in einigen Fällen genau so etwas bewirkt hatte, vgl. Schuster, Verbrecher, Opfer, Heilige, 245f. So hatte man dies bereits 1577 bei Cuthbert Mayne getan, vgl. Morris, The troubles of our catholic forefathers, 99. Pollen, Acts of English martyrs, 59.

126

1550–1650: Rhetorisches Regime

künden und bezeugen“.171 In beiden forensischen Regimen, in Common Law und Ius Commune, reichten die forensischen Prozeduren allein zur Herbeiführung von Todesurteilen nicht aus, kam es auf die ausdrückliche, wie auch immer forcierte Bestätigung des Betroffenen an. Selbst ein öffentliches Verfahren war dafür  – noch – kein Ersatz, schon gar nicht, wenn es sich so vollzog wie in den Fällen von Campion und anderen katholischen Missionaren. Die Aufforderung zum Schuldbekenntnis konnte sich allerdings gegen die Obrigkeit kehren, und zwar dann, wenn die Verurteilten das an sie erteilte Rederecht wiederum für Unschuldsbehauptungen nutzen. Von Alexander Briant forderte Sheriff Sir Francis Knowles: confesse thy treason, was Briant aber nicht tat: Whereupon he answered, / am not guiltie of any such death. I was never at Rome; nor then at Remes, when D. Saunders came into Irland.172 Briant war kein Einzelfall. Ralph Sherwin, der am gleichen Tag wie Campion und Briant den Tod fand, wurde vom Sheriff Knowles rüde beim Gebet unterbrochen: you haue declared your faith, and vve knovv it, come to the point, and confesse your treason & disloyaultie tovvards your Prince. Sherwin entgegnete darauf aber nur I am innocent and guiltless.173 Die obrigkeitlichen Strategien zur fortgesetzten Legitimation des Urteils auf dem Schafott beruhten also zum einen auf dem Einsatz von Akteuren, die den sakramental wirkenden Unschuldsbehauptungen direkt widersprachen und zum anderen auf der Rechtfertigung des Geschehens durch Druckschriften, die schon bei der Hinrichtung verfügbar waren oder aber kurz danach in Umlauf kamen.174 Doch auch diese blieben nicht unwidersprochen. Pamphlete als Instrumente zur nachträglichen Legitimation Im Frühjahr 1582 erschien A true reporte of the death & martyrdome of M. Campion Iesuite and preiste, & M. Sherwin, & M. Bryan preistes175 des Reimser Missionars Thomas Alfield (1552–1585), der in diesem Jahr nach England gekommen war, um Campions Prozess und Hinrichtung zu beobachten.176 In seinem Pamphlet entwarf Alfield ein lively Image of resolute martirs, constantly professing their faith & belief, resolutly disclaming from all treasons and treacheryes falslie intendid againste them: 171 172 173 174

175 176

Foucault, Überwachen und Strafen, 58; für den deutschsprachigen Bereich vgl. van Dülmen, Theater des Schreckens, 88ff. Allen, A briefe historie, 86. Ebd., 77. Singulär blieb der Versuch, die öffentlichen Diskussionen über die Legitimität von Verfahren und Hinrichtungen gesetzlich verbieten zu lassen. Eine entsprechende Proklamation erschien am 1. April 1582, nachdem private whisperings und schließlich public speeches über den Fall Campion immer mehr zugenommen hatten, vgl. Kilroy, Edmund Campion, 330. Allerdings bemerkte schon ein zeitgenössischer Beobachter, dass dieses ungewöhnliche Vorgehen die Zweifel eher noch wachsen ließ: vvich strange course caused men to suspect far more then, al vvent not vvel, Allen, A briefe historie, 27. Alfield, A true reporte. Das Pamphlet wurde von Richard Verstegan in London gedruckt, der kurz darauf aus England floh, vgl. Kilroy, Edmund Campion, 359f.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

127

and loyaly behaving them selues towards our queene & country.177 Damit wollte er jenen Berichten widersprechen, die seiner Ansicht nach höchst abfällig, falsch und böswillig über die Hingerichteten sprachen, spred to diminish the honour of their resolute departure & Martirdome. Neben Hearnes Pamphlet waren damit offiziöse Drucke gemeint, die allerdings nicht erhalten geblieben sind. Alfields Replik zielte aber nicht nur auf die Verteidigung der posthumen Würde der Hingerichteten.178 Vielmehr handelte es sich auch um eine kritische Auseinandersetzung mit der englischen Justizpraxis als solcher: Anstelle des Rechts zählten in England nur noch Macheuilian practises, mit denen aus Wahrheit Verrat und aus Religion Rebellion (truth is made treason, religion rebellion) gemacht werde.179 Mit einer Art Scheinprozess were lately condemned thirtene priestes, and one lay man, agaynste lawe, equitie, conscience, without special euidence, vpon general presumption, by testimony of three or foure lewde Apostates, vnlawful persons, and notoriously infamed.180 Die Geschworenen seien durch falsche Beweise irregeführt worden: the Iurie might be deceaued, and more also put in the evidence then was true. Da habe es nichts geholfen, dass der Sheriff Campion auf dem Schafott genötigt habe to confesse his treason against her maiestie, and to acknowledge himself gilty.181 Da Campion seine Unschuld bis zum letzten Atemzug beteuert habe, müsse man ihm glauben: crauing credit geuen to this answere, as to his last answere made vpon his death & soule.182 In Paris sorgte derweil die Flugschrift L‘histoire de la mort que le R. P. Edmonde Campion für Aufsehen.183 Der englische Botschafter berichtete, dass deswegen auch am Hof unvorteilhaft über das grausame Regiment der Königin im Allgemeinen und die Gerichtsprozesse im Besonderen gesprochen werde.184 Walsingham reagierte darauf, indem er Anthony Munday mit einer weiteren Gegendarstellung beauftragte, die gleich in zwei Auflagen erschien, aber nicht in französischer Sprache; sie waren also an ein englisches Publikum gerichtet.185 Wenn der Verfasser der L‘histoire (Munday nannte ihn nur our namelesse Historiographer) behauptete, die Zeugenaussagen seien allesamt nichts wert gewesen, weil sie von notorischen Lügnern vorgetragen worden seien (Munday, Cradocke, Sled and Hill, all of very base condition, who were so well seene in lyes), dann entgegnete Munday, dass Jesuiten notorisch jede Wahrheit verdrehten und das Offenkundige verneinten: 177 178 179 180 181 182 183

184 185

So der Untertitel von Alfields Pamphlet. Alfield, A true reporte, 7. Ebd., 8,11. Zur anti-machiavellistischen Polemik am Ende des 16. Jahrhunderts vgl. Zwierlein, Machiavellismus, 914–922. Alfield, A true reporte, 11. Ebd., 15. Alle Zitat aus Alfield, A true reporte, C. Anon., L‘histoire de la mort, vgl. Simpson, Edmund Campion, Nr. 8. Die Schrift erschien am 4. Januar 1582. Zudem lässt sich auch das in Douay gedruckte englischsprachige Original in Paris nachweisen. Simpson, Edmund Campion, 468. Munday, A breefe aunswer.

128

1550–1650: Rhetorisches Regime

they denied all manifest truethes, brought and prooued against them, and neither had we a fowle ouerthwart, or any motion of a disproofe: but in déede Maister Campion oftentimes would offer to trippe me in my tale, and would question with the other subtillie, according to his vsuall wunt.186

Wenn der namelesse Historiographer bemerkte, dass Campion durch sein gelassenes Verhalten Richter und Publikum tief beeindruckt habe187, dann versuchte Munday die Evidenzen des körperlichen Ausdrucks zu relativieren: Es sei zwar richtig, dass Campion with a smoothe and cullorable countenaunce in Erscheinung getreten sei. Aber Judas habe sich als genauso bescheiden zur Schau gestellt – bevor er Jesus verriet. Und bei genauerem Betrachten seien Campions Antworten bloß spitzfindig gewesen (Sophistical conueyances, and […] déepe pointes of Logique).188 Auch wenn das alles kurzfristig für Eindruck gesorgt habe: Dass sie schuldig gewesen seien und entsprechend ihrer Schuld auch bestraft gehörten, daran habe letztlich niemand gezweifelt: little dyd any there thinke to heare them declared guiltlesse, their treasons so apparant, and the proofe so euident, but rather thought no torment sufficient, to reward them who were so haynous offendours, and therefore woorthilie, and according to desart, they were giuen vp guiltie.189

Allerdings hielt der Privy Council noch weitere Rechtfertigungen von Prozess und Hinrichtung für angezeigt. Entsprechend sollte Munday die Botschaft von der rechtmäßigen Verurteilung der Jesuiten auch durch Balladen unters Volk bringen. Ob seine Reime im Zeitalter Shakespeare‘scher Dichtkunst allerdings Beifall gefunden haben, wissen wir nicht. Allerdings handelte es sich nicht um das einzige Beispiel für offiziöse Rechtfertigungslyrik, man ging also offenbar davon aus, mit solchen Zeilen etwas erreichen zu können: Reioyce, be glad, triumph, sing Himnes of ioy, Campion, Sherwin, Brian, haue their due: They are supprest that sought our great annoy, I hope their fellowes shortly shall ensue. For faithfull minds doo lothe yt they should liue: Who to their Countrey, doo dishonour giue.190 

Am 29. Januar 1582 hatte Munday ein weiteres umfängliches Pamphlet verfasst, das zeigen sollte, how thorowe the whole course of their araignement [was]: they 186 187

188 189 190

Munday, A breefe aunswer, C.i.r. And all this whyle (sayth he) the good religious Campion, shewed him selfe so prudent, and aunswered with such pietie and modestie: that he not onely astonied the people there present, but also brought the Iudges into admiration of him, he was so present to him selfe, and defended with so great equitie, bothe his owne and his companions cause, that it was esteemed they should be declared guiltlesse, Munday, A breefe aunswer, C.i.v. Ebd. Ebd., C.ii.v. Morfill, Ballads from manuscripts, 186.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

129

were notably conuicted of euery cause.191 Zudem zensierte er auch erneut das Verhalten der Angeklagten beim Prozess. Demnach hätten diese vor allem durch Unverfrorenheit und Respektlosigkeit auf sich aufmerksam gemacht. Im Übrigen hätten sie sich einfach dumm gestellt: With this continuall course of boldnesse and impudencie, Maister Campion and his fellowes would graunt nothing, but stiflie denied euerie cause: and Maister Campion,  he tooke it for a custom, to wrest euerie thing as pleased him […]. Yet Maister  Campion,  and the rest of his fellowes, they pleade ignorance in all these causes, they bolster vp one another with large protestations, rayling woordes, and subtyll surmises: affyrming that they were not sent hyther for any such intent, which is as vntrue, as we knowe it for trueth, that the Lord God lyueth in Heauen.192

Munday hielt es auch für möglich, den Prozessverlauf völlig anders zu rekapitulieren, als die katholische Unterstützerszene ihn wahrgenommen und geschildert hatte. Er behauptete, das Todesurteil sei eine zwangsläufige Folge aus erdrückenden und unumstößlichen Beweisen gewesen: This was manifestly prooued, by verie large and ample euidence, credible witnesses, and their owne confessions and writinges: whereon the Iewrie hauing wisely and discréetlie pondered, and searched and seen into the depth of euerie cause, woorthilie and deseruedlie gaue them vp all guiltie, of the Treasons whereof they were endighted and arraigned.193

Die Geschehnisse bei der Hinrichtung ließen sich dagegen nicht so einfach umdeuten: Tausende hatten gehört, dass Campion, Sherwin und Briant ihre Schuld abgestritten hatten: he constantly said: I am innocent & guiltles.194 Munday versuchte dies zu relativieren, indem er die Verurteilten als Heuchler (hypocrite) denunzierte. Munday schilderte zwar den Verlauf der Hinrichtung genauso wie Alfield und andere Sympathisanten, inklusive der Unschuldsbehauptungen und Bibelzitate. Die Diskrepanz zwischen dem gesprochenen Wort und der eigentlichen Gesinnung machte Munday nun aber daran fest, wie Campion die Dinge gesagt haben sollte: Als er gefragt worden sei, ob er die Königin als seine rechtmäßige Herrscherin anerkenne, habe er auffällig undeutlich gesprochen und sich sogar versprochen, und das deute auf eine great timeritie and vnstable oppinion of his conscience hin. Die körperliche Regung sei symptomatisch dafür, dass bei Campion alles auf Täuschung angelegt sei: Héere is with iudgement, a déepe point and high matter to be considered, that this man, alwayes directing the course of his life to a vaine glorious imagination, and alwayes couetous to make himselfe famous: at this instant made a perfect discouerie of himselfe.195 191 192 193 194 195

Munday, A discouerie of Edmund Campion. Ebd., E.i.r. Ebd., Aiiiiiii.r. Gemeint war Campion, Alfield, A true reporte, 15. Munday, A discouerie of Edmund Campion, G.i.r.

130

1550–1650: Rhetorisches Regime

Seine jesuitische Ausbildung habe es ihm erlaubt, die meisten Situationen mit eindrucksvollem Auftreten (magesticall countenaunce) zu meistern. Aber das sei nur das Antlitz der Heuchelei, die Fassade für seine Verführungskünste: The visor of vanitie, aptly fitting the face of onely hipocrisie: what was sounde he would make Sophisticall, what was the infallible trueth of it selfe, he would carry in his own conceit, and delude the people with a pleasant quirk, or some such stuffe, onely to purchase him credit and affection. And he […] set a couragious countenaunce on euery such slight reason: whereby he peruerted many, deceyued more, and was thought suche a Champion, as the Pope neuer had the like.196

Jener Mann, der sich rühmte, weder die Folter noch den Tod zu fürchten, sei nun von seiner eigenen Furcht entlarvt worden, seine Täuschungen seien offensichtlich geworden: But nowe beholde the man, whom neyther Racke nor Rope should alter, whose faithe was such as he boasted inuincible: feare had caught holde on this braue boaster, and terrour entred his thoughtes, whereby was discouered his impudent dissimulations.197

Deswegen sei den Worten des Verurteilten und seinen, für einige Zuschauer so herzerweichend klingenden, Unschuldsbehauptungen (the outward protestations of this man, vrged some there present to teares) kein Glauben zu schenken. Diese seien nur ein conceyte of his inward hipocrisie.198 Doch Munday behielt hier nicht das letzte Wort. Im Sommer 1582 erschien William Allens erste große Abrechnung mit der englischen Katholikenverfolgung, A  briefe  historie  of the glorious martyrdom of XII.  reuerend priests. Der im Englischen Seminar in Reims (wohin man aus Douai wegen der kriegerischen Ereignisse in den Niederlanden zwischen 1578 und 1593 ausgewichen war) hergestellte Druck wurde in mehreren hundert Exemplaren nach England geschmuggelt. Umgekehrt beruhte Allens A briefe historie auf Augenzeugenberichten, die er sehr zeitnah von englischen Informanten, Sympathisanten und Glaubensbrüdern erhalten hatte.199 Die englische Obrigkeit veranstaltete eine regelrechte Jagd auf das Pamphlet200, denn Allen kompilierte darin nicht nur extrem desavouierende Schilderungen des obrigkeitlichen Tötens, sondern auch eine Fundamentalkritik an der englischen Strafjustiz im Allgemeinen201 und an Mundays offiziösen Erläuterungen der Hinrichtungen im Besonderen. Gewöhnlich, so Allen, könnten Verbrecher mit einem Schuldeingeständnis auf dem Schafott ihr Schicksal nicht mehr ändern. Den verurteilten Katholiken sei aber als Belohnung für ein Geständnis die Begnadigung versprochen worden: no 196 197 198 199 200 201

Munday, A discouerie of Edmund Campion, G.i.r. Ebd., G.i.v. Ebd., G.ii. Anon., Cause of the canonization, 239. Allen, A briefe historie, 4. Vgl. dazu unten, S. 148f.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

131

lesse revvard for acknovvledging the pretended crime, then grace & life.202 Wenn nun aber die Verurteilten vor einer solchen Wahl stünden: Wer könne denn dann noch ernsthaft ihre Unschuldsbeteuerungen bezweifeln? Hovv much lesse may any man mistrust these men vpon their soule and saluation denying the fact: who might haue had no less revvard for acknovvledging the pretended crime, then grace life, offered to them diuers time before they came to execution […] Can any man thinke that these men would lye to their damnation, at the very going out of their breath into the iudgement of god? […]203

Wenn solche learned and well qualified persons unter dem Galgen standhaft die Anschuldigungen zurückwiesen, dann sei dies nichts weniger als ein inuincible proofe of their innocencie.204 Wer könne da noch von Dissimulation sprechen, wenn jemand das falsche Mittel zur Errettung seines Lebens ausschlage und bei der Wahrheit bleibe? Can any man thinke that these men would lye to their damnation, at the very going out of their breath into the iudgment of God: whose conscience was so religious, that for al the preferment profered, and life graunted would not do or say one vvord against the profession of their faith, or that which in conscience they thought not lavvful to do?205

Wenn Munday behaupte, es sei ohnehin alles stets gelogen, was die Verurteilten sagten – warum bemühe man sich dann aber so sehr um ein Geständnis? Doch wohl nur deswegen, weil sie eigentlich genau wüssten, dass eine Unschuldsbehauptung unmittelbar vor dem Tod stets wahr sei: In giueth vs an inuicible proofe of their innocence, & an eternal reproach to al the enemies of Gods Church and Priesthod.206 Munday nannte das Verhalten der Verurteilten stets verdächtig und heuchlerisch. Akribisch wurden die Gesten beim Todeskampf registriert: Hatte Sherwin nicht versucht, das Seil zu fassen, damit es ihn nicht stranguliere? Hatte Campion nicht gezittert, bis er tot war? Allen schrieb hingegen (topisch) von cheerful oder smiling countenances207, mit denen die Verurteilten auf dem Schafott standen, und lobte ihre Manieren (mildness), die sie auch noch in ihrer Todesstunde und allem Grauen zum Trotz beherrschten.208 Während Mundays Pamphlete sich auf bereits vollzogene Hinrichtungen bezog, stand das Ende Mai 1582 beim Hofdrucker Christopher Barker und im Namen der Königin erschienene Pamphlet A particular declaration or testimony of the vndutifull and traiterous affection borne against her maiestie by Edmond Campion Iesuite, and other condemned priestes für den Versuch, die Hinrichtungen von Tho202 203 204 205 206 207 208

Allen, A briefe historie, 25. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., 26. Ebd., 121. Ebd., 108.

132

1550–1650: Rhetorisches Regime

mas Ford, John Shert, Robert Johnson und Luke Kirby schon vorgreiflich zu rechtfertigen. Die vier Priester waren unter der gleichen Anklage wie Campion am 16. November 1581 zum Tode verurteilt worden. Unmittelbar nach dem Prozess hatten hochrangige Personen allerdings zu Protokoll gegeben, dass die Verurteilten zur fraglichen Zeit tatsächlich nicht in Rom, sondern in England gewesen waren. Die unterstellte Mitwirkung an der Verschwörung geriet dadurch so sehr ins Wanken, dass die Hinrichtung so lange aufgeschoben wurde, bis andere ‚Beweise‘ für ihren Hochverrat vorlagen.209 Diese wurden im Mai 1582 durch die beiden Kronanwälte John Popham und Thomas Egerton sowie zwei Doktoren des Römischen Rechts, John Hammond und Daniel Lewis, unter Einsatz der Folter im Tower fabriziert.210 Damit wurde im Anschluss an das als Legitimationsinstanz gescheiterte trial by jury ein Inquisitionsprozess angeschlossen, der darauf zielte, den Verurteilten (dabei faktisch in der Rolle von Inquisiten) Aussagen und Geständnisse abzunötigen, die man nun gegen sie verwenden wollte. Die A particular declaration or testimony diente dazu, die Ergebnisse dieser Verhöre publik zu machen. Bei den Verhören wurden Ford, Shert, Johnson und Kirby gefragt, ob sie die Exkommunikationsbulle für rechtmäßig erachteten, ob die Engländer Königin Elisabeth trotz der Bulle weiterhin Gehorsam schuldeten, ob der Papst dazu befugt sei, die englischen Untertanen von ihrem Gehorsam zu entbinden und auf welcher Seite sie kämpfen würden, sollten papistische Heere England erobern wollen: If the Pope doe by his Bull or sentence pronounce her Maiestie to be depriued, and no lawful Queene, and her subiects to be discharged of their allegiance and obedience vnto her: & […] doe inuade this Realme, which part woulde you take, or which part ought a good subiect of England to take?211 Mit diesen (von den Zeitgenossen so genannten) bloody questions wollte man die Inquisiten zu hochverräterischen Aussagen verleiten. Wenn sie stumm blieben oder ausweichend antworteten, konnte auch das gegen sie verwendet werden, insofern man Schweigen als Zustimmung auslegte: if they refuse to answer, the refusal is set down as a clear proof of a rebellious will and of treason.212 Allein Robert Johnson erklärte rundheraus, that if such depriuation and inuasion should be made for temporal matter, he would take part with her Maiestie: but if it were for any matter of his faith, he thinketh hee were then bounde to take part with the Pope.213 In der Vorrede des Pamphlets wurde bereits angekündigt, dass man certaine answeres lately made to certaine articles vorweisen könne, und zwar nicht nur im Wortlaut, sondern auch mit eigenhändiger Unterschrift.214 Das Pamphlet simulierte tatsächlich die von den Inquisitoren und dem Inquisiten unterschriebenen Verhörprotokolle, 209 210 211 212 213 214

Camm, Lives of the English martyrs, 447f. Ebd., 450. Anon., A particular declaration, D.ii.; dazu Monta, Martyrdom and literature, 28; McGrath, The Bloody Questions reconsidered; Covington, The trail of martyrdom, 133f. So der Jesuit Robert Southwell 1588 in einem Brief an den Jesuitengeneral Aquaviva, Pollen, Unpublished documents, 325; zu dieser Strategie auch Dailey, Making Edmund Campion, 77. Anon., A particular declaration, C.iiii.v. […] in such precise forme of words, as the same haue bene acknowledged and subscribed, not onely with the proper hands of certaine persons of publique calling and credite that were present at their

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

133

deren Wortlaut in der Statutenfraktur (black-letter) abgedruckt wurde, also jener Schrifttype, mit der man sonst Gesetze, Proklamationen oder andere obrigkeitliche Verlautbarungen bekannt machte und der man deswegen eine gewisse Autorität zuschrieb (Abbildung 5).215 Bei den Hinrichtungen am 28. und 30. Mai wurde aus den Verhören vorgelesen, damit die Zuschauer most euidently sehen sollten, howe iustly they were condemned for treason and not for points of religion […].216 Dabei präsentierte der Sheriff Rich-

Abb. 5: Aus: A particular declaration or testimony, of the vndutifull and traiterous affection borne against her Maiestie by Edmond Campion Iesuite.

215 216

examination & haue subscribed thereunto, but also with the proper hands of the offenders themselues, Anon., A particular declaration, A.iii.v. Mish, Black letter as a social discriminant in the seventeenth century; Sharpe, Selling the Tudor monarchy, 208. Anon., A particular declaration, A.iii.v.

134

1550–1650: Rhetorisches Regime

ard Martin auch die Verhörprotokolle im Original. Die Unterschriften bürgten dem Sheriff zufolge für die besondere Wahrhaftigkeit des Dokuments.217 Die gewaltsam abgepressten Antworten und Unterschriften dienten auf dem Schafott als materielles Äquivalent zu den eigentlich erwünschten verbalen Schuldeingeständissen. Daher wurden Unterschriften auch jenen Inquisiten abverlangt, die nach der Folter den Federkiel kaum noch halten konnten. Als man z.B. Henry Walpole 1595 in York als Hochverräter hinrichtete, bekamen die Zuschauer ein vom ihm und auch von Francis Bacon unterschriebenes Verhörprotokoll zu sehen (Abbildung 6). Nach der Hinrichtung der vier Priester im Mai 1582 beauftragte der Kronrat Munday allerdings mit einem weiteren Rechtfertigungspamphlet, schon um die ungewöhnlich lange Spanne zwischen Urteil und Vollstreckung zu erklären. Demnach habe man den Verurteilten Zeit geben wollen, um sich zu läutern: to try if eyther the feare of God, woulde take place in them, consideration and respecte of theyr owne duties mooue them, or the meere looue, and accustomed clemencie of her Maiestie might winne them, to acknowledge her to be theyr lawfull Soueraigne, and them selues her Subiectes bounde to serue her, notwithstanding, any pretence or authority to the contrary.218

Doch keiner habe dieses Angebot angenommen, which causeth Iustice to stop before Mercye, committing them to the rewarde of theyre leude and vnnaturall dealing.219 Ihre Verstocktheit sei selbst auf dem Weg nach Tyburn nicht gewichen, obwohl ihnen viele fromme Menschen mit reinem Herzen zugeredet hätten. Munday inserierte und fingierte auf diese Weise eine zuschauende Öffentlichkeit, die trotz der Überzeugung von der Schuld der Verräter zu christlichem Mitgefühl fähig war. Auch der Sheriff habe vergeblich versucht, den Verurteilten christliche Demut und Reue nahezubringen.220 Thomas Ford und die anderen weigerten sich, irgendetwas einzugestehen.221 An dieser Stelle wurden daraufhin nicht nur die unterschriebenen Protokolle verlesen und gezeigt. Vielmehr stieg Munday selbst auf das Schafott, who iustified the causes to his face, that at hys araignement was layd to his charge, and he euidently and plainly found guiltye thereof.222 Mit diesem Auftritt Mundays wurden die Rechtfertigungsstrategien auf dem Schafott um eine weitere Facette ergänzt: Die Hinrichtung avancierte immer mehr zu einem Tribunal.

217 218 219 220 221

222

Allen, A briefe historie, 58. Munday, A breefe and true reporte, B.i. Ebd. These good endeuours tooke no wished effect, their owne euil disposition so blinded them, that there was no way for grace to enter, Munday, A breefe and true reporte, B.i.v. Ford erklärte stattdessen: Wheras I am come hither to die, for matters layd vnto my charge of treason, which shoulde be conspired against the Quéene, within these two yeares or somewhat more. I giue you to vnderstande, that of any such matter I am innocent and free, Munday, A breefe and true reporte, B.ii. Munday, A breefe and true reporte, B.ii.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

135

Abb. 6: Von Henry Walpole unterschriebenes und bei dessen Hinrichtung vorgezeigtes Verhörprotokoll. Unterschrieben haben ebenfalls die Verhörenden, Edward Drewe, Miles Sandes, Richard Topcliffe, Richard Young und Francis Bacon, aus: Pollen, Unpublished Documents, nach S. 258.

136

1550–1650: Rhetorisches Regime

Die Hinrichtung als Tribunal Mit vier weiteren Glaubensbrüdern (James Fenn, Thomas Hemerford, John Nutter und John Munden) wurde George Haydock, am 12. Februar 1584, nach Tyburn geschleift und dort vom Sheriff zur Rede gestellt, und wie alle anderen verurteilten Katholiken zuvor bestand er darauf, kein Verräter zu sein: Mr Haddock calling God to witnesse, protested upon his soule that he was not guilty of the treason, and therfore would not aske the Queen forgivenesse.223 Verhörprotokolle über die bloody questions wurden in diesem Fall allerdings nicht vorgezeigt und vorgelesen. Stattdessen behauptete der Sheriff, dass man nach seinem Prozess noch weitere belastende Beweise gefunden habe: There is since thy arrainment worse matter found against thee, die man jetzt durch Munday, dessen English Romaine lyfe mittlerweile erschienen war, zu Gehör bringen wollte. Then Antony Munday was brought in, who uttered these speeches, Upon a time you and I, with another whose name I have forgotten, walking together at Rome, the other wished the harts [i.e. heads] of 3 of the nobility being of her counsell. Whereupon you sayd, M’ Haddock, To make up a masse, I would we had the hart [i.e. head] of the Queen. Then sayd Spenser and other of his officers, Away with the villaine traytor.224

Die Obrigkeit glaubte demnach, dass selbst ein so laxes Zeugnis wie dieses – Munday konnte sich nicht einmal an den Namen des angeblichen Mitverschwörers erinnern – ausreiche, um Haydocks Schuld zu beweisen. Als Haydock fragte, warum Munday diese Anschuldigungen nicht schon während des Prozesses unter Eid vorgebracht habe, erklärte dieser: I never heard of your arraingement.225 Diese Rechtfertigung war symptomatisch für die Relevanzverschiebung, die sich seit 1582 vollzogen hatte: Der Prozess (arraignment) spielte bei der Legitimation der Entscheidung kaum eine Rolle, während die Hinrichtung – das tribunal of God in den Worten von Haydock226 – immer wichtiger wurde. Das Geschehen auf der Richtstätte war nicht mehr nur die Fortsetzung des Verfahrens. Die Richtstätte wurde vielmehr selbst zum Tribunal. Mit Cornelia Vismann soll unter Tribunal ein „juridische[s] Verfahren“ verstanden werden, das sich in mehreren Punkten von einem ordentlichen Gerichtsprozess unterschied: Zum einen sind Tribunale dadurch gekennzeichnet, dass sie „nicht an eigens dafür bestimmten Rechtsprechungsstätten stattfinden. Oftmals werden dafür Räume ausgesucht, die für eine größere Anzahl von Zuschauern geeignet sind.“227 Diese Selektionslogik verweist auf das zweite Kennzeichen: Tribunale stehen für einen konstitutiven Öffentlichkeitsbezug: Sie dienen nicht der Herstellung der Entscheidung – die, wie gezeigt werden wird, nötigenfalls forciert 223 224 225 226 227

Pollen, Unpublished documents, 60. Ebd., 61. Ebd. Ebd. Vismann, Medien der Rechtsprechung, 150.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

137

wurde – sondern allein zu deren Darstellung: „Schaut niemand hin, versinkt ein Tribunal in der Bedeutungslosigkeit. […] Ein Tribunal ist daher ein Schau-Prozess im wörtlichen Sinn.“228 Weitere Merkmale eines Tribunals sind „die Anklage nach außerrechtlichen Kategorien, die simultane Regelaufstellung und -anwendung, der Vernichtungswille“, der sich gegen den Betroffenen richtet.229 William Allen hat diese Relevanzverschiebung in seiner Martyrologie klar gesehen, als er davon sprach, dass den Verurteilten auf dem Schafott zum zweiten Mal der Prozess gemacht werde: second arraignement and condemnation euen at the gallovvs.230 Es sei überaus bizarr (the strangest thing that euer we haue seen, redd, or heard of), dass die Verurteilten am Tag ihres Todes noch einmal vor Gericht geführt würden, wobei in diesem Fall nicht die zwölf Geschworenen, sondern das ganze Volk über sie urteile (not novv xij. men representing the countrey, but the whole people should be iudge). Dabei gehe es aber nicht um Gerechtigkeit und Wahrheit, sondern nur um das Schuldbekenntnis als Verräter, und wenn das nicht abgelegt werde, dann käme Anthony Munday auf die Bühne und gaukele der Menge vor, dass er intime Kenntnisse über die angebliche Verschwörung habe, weil er selbst einmal ein Schüler des Papstes gewesen sei: Yet it serued them for a pretie colour, to say in the hearing of the multitude, ‚Loc here is one of your companions, the Popes ovvne scholler to aduovv it to your face‘. Und wenn dieser Narr (the foole) nichts Überzeugendes zu sagen habe, dann zaubere man einfach neue Beweise und neue Verbrechen hervor, indem man die Verhörprotokolle mit den bloody questions vorlese und die Unterschriften vorzeige: they went to nevv euidence and nevv crime, set forth in the book of their ansvvers, a Minister euer willed to read that ansvvere, that the party there to be executed had made and subscribed.231 In den offiziösen Hinrichtungsbeschreibungen wurde stets betont, wie empört, leidenschaftlich und vor allem laut die Zuschauer im Anschluss an die Verhöre auf dem Schafott gefordert hätten, den Verräter endlich zu töten: At which woords the people cried, away with the traytor, hang him, hang him.232 Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass das ‚Land‘, in dessen Namen die Geschworenen das Urteil gesprochen hatten, dieses ausdrücklich sanktionierte und dessen Vollzug persönlich autorisierte. Auch Allen registrierte diese Zurufe, behauptete aber, dass sie von Claqueuren stammten und keineswegs so zu werten seien, als spräche hier das ganze Volk sein Urteil: And a fevve of the people set on by the Ministers that vse to follovv the gallovvs, gaue verdit and aime to the rest that stood farther of, to cry avvay with them, avvay with them. Though thousands went home after the sight of so notorious a spectacle […] weeping a lamenting the case.233

228 229 230 231 232 233

Ebd., 151. Ebd., 163. Allen, A briefe historie, 32. Ebd., 32f. Munday, A breefe and true reporte, Biii.r. Allen, A briefe historie, 33.

138

1550–1650: Rhetorisches Regime

Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass Allens Darstellung der Zuschauerreaktionen von einem martyriologischen Interesse bestimmt war, so gibt es zahlreiche Belege dafür, dass die Menge auf die Verhöre nicht so reagierte, wie sich die Obrigkeit das wünschte.234 Es ging aber nicht nur darum, dass das Publikum keineswegs geschlossen Zustimmung artikulierte und damit das Verfahren legitimierte. Auch die Illusion, dass den Papisten auf dem Schafott die Phalanx glaubensfester Protestanten gegenüberstand, es mithin um wahre (protestantische) Engländer einerseits und um die Anhänger des Antichristen andererseits ging, löste sich immer wieder auf. Es gehörte zu den letzten Akten der Verurteilten, das Ausmaß an konfessioneller Uneindeutigkeit bloßzustellen, so wie sie in ihrer grenzenlosen jesuitischen Disziplin das Schafott als letzte Gelegenheit zur Missionsarbeit sahen. Schon mit der Schlinge um den Hals bat etwa Haydock all Catholics to pray with him and for his country. Where upon sayd one of the standers-by, Here be noe Catholicks. Yes, sayd another, we be all Catholics. Then sayd Mr Haddock, I meane Catholicks of the Catholick Roman Church, and I pray God that my bloud may encrease the Catholick faith in England.235

Als Leute anfingen, mit ihm auf Latein zu beten, unterbrach der Sheriff das Geschehen und ließ Haydock töten: whereunto sayd Spenser: The Catholic faith, the devel‘s faith. Away with the traytor! Drive away the carte!236 Ein second arraignement […] at the gallovvs wurde auch, am 7. Juli 1591, in Winton/Dorset bei der Hinrichtung des Reimser Missionars Roger Diccinson veranstaltet. Der Sheriff versuchte zunächst mit verschiedenen Taktiken, Diccinson zu einem Geständnis zu verleiten. Als das nicht gelang, holte er den Zeugen aus Diccinsons kurzem Prozess (dazu gleich) aufs Schafott. Zusätzlich schaltete sich auch der örtliche Friedensrichter George Powelett in die Diskussion ein und verhörte Diccinson über die Frage, ob er auch zum Papst bete oder nur zu Gott. Als der Verurteilte dies richtiggestellt hatte, fügte er noch hinzu, wie ungerecht die neuen Gesetze seien. Bevor er aber noch mehr sagen konnte, wurde ihm die Karre unter den Füßen weggezogen.237 Bei der Hinrichtung des Missionars Polydore Plasden in London am 10. Dezember 1591 agierte kein geringerer als Sir Walter Raleigh auf dem Schafott-Tribunal. Der Höfling und Abenteurer Raleigh hatte sich gerade erst die Gunst der Königin verscherzt, indem er eine ihrer Hofdamen geschwängert und geheiratet hatte. Sein Auftritt unter dem Galgen war daher auch ein Versuch, seine Loyalität durch einen politischen Konversionserfolg unter Beweis zu stellen. Er verhörte Plasden zunächst über die Frage, ob er Elisabeth bei seinem Gebet für die Königin meine und ob er diese against all her foreign and domestical enemies verteidigen würde. Nachdem Plasden sie bejaht hatte, wunderten sich – jedenfalls nach Auskunft des katholischen Beobachters – die Leute über den Grund für die Strafe: There is no 234 235 236 237

Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 243ff. Pollen, Unpublished documents, 61. Ebd. Pollen, Acts of English martyrs, 93f.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

139

cause why this honest man should die. He would never say thus at death, except he thought so in his heart. Raleigh bat den Sheriff daraufhin, mit der Hinrichtung zu warten. Er wolle der Königin berichten, which this man hath now confessed, denn dieses Bekenntnis sei alles, was sie von ihren Untertanen erwarte. An diesem Punkt griff Foltermeister Topcliffe und damit ein Profi in Sachen Schafottverhör ein: Er könne hier und jetzt beweisen, dass Plasden ein Verräter sei. Dazu stellte er dem Verurteilten die fatale Frage: If the King of Spain or the Pope would come into this country by force […] to establish that faith which thou believest […] would thou resist them? Plasden entgegnete, dass er als Priester überhaupt nicht kämpfe. Auf weitere Nachfragen erklärte er, dass er allen raten würde, die Rechte der Obrigkeit zu achten. Raleigh hielt dies erneut für eine erfreuliche Auskunft, die auch der Königin gefallen würde, aber Topcliffe war mit seinem Verhör noch nicht fertig: Habe die Königin denn auch das Recht to maintain this religion, and to forbid yours? Hier konnte Plasden nicht mehr anders als Nein zu sagen. Topcliffe verhörte ihn weiter: Aber wie könne er dann sagen, er unterstütze den Papst nicht, wenn er komme um thy religion einzuführen? Speak, what sayest thou to this? I charge thee before God. Falls Plasden dissimuliert hatte, wollte er dies nun nicht länger tun. Er antwortete, als katholischer Priester würde er niemals gegen seine eigene Religion kämpfen oder andere dazu ermuntern. Das Galgenseil küssend erklärte er: O Christ […] I will never deny Thee for a thousand lives. Damit hatte Topcliffe sein Beweisziel erreicht. Die eben noch gnädig gestimmten Zuschauer forderten nun Fie on the obstinate traitor, der daraufhin am Galgen getötet wurde.238 4. KURZE PROZESSE Die Tribunalisierung der Hinrichtung korrespondierte mit der Tendenz zu kurzen Prozessen. Kurz waren die Prozesse nicht aus zeit-, sondern aus wahrheitsökonomischen Gründen: Sie ersparten ihren Veranstaltern jene Passagen, bei denen die Beweis- und Plausibilisierungslasten zu groß wurden. Ein frühes Beispiel dafür war der Fall des Missionars Richard Kirkman 1582 in York. Als Kirkman zum ersten Mal vor Gericht geführt wurde, handelte es sich dabei noch gar nicht um die Hauptverhandlung (trial). Vielmehr entpuppte sich die Situation als Anhörung vor der Grand Jury, bei der ein Angeklagter sonst nicht zugegen war. Vor der Grand Jury war es bislang die Aufgabe der Kronanwälte gewesen, die Geschworenen von der Belastbarkeit der Vorwürfe zu überzeugen, damit sie das Indictment verifizierten (billa vera). Hier aber wurde Kirkman ohne sein Wissen und offenbar bei einer für ihn unklaren Situationsdefinition dazu missbraucht, eine solche billa vera zu erwirken. Mit den Worten der Jesuiten-Proklamation vom April des gleichen Jahres239 wurde er vom Kronanwalt gefragt, ob er gekommen sei, um die Leute aufzuwiegeln. Kirkman verneinte: Er sei gekommen, um die Menschen zur wahren 238 239

Alle Zitate aus Pollen, Acts of English martyrs, 112–114. Dazu oben, S.103.

140

1550–1650: Rhetorisches Regime

Religion zurückzuführen und die Sakramente zu spenden. Vor dem Hintergrund der Deutungsregel, wonach eine solche Art der Bekehrung Hochverrat war, weil die Bekehrung notwendigerweise die Aufkündigung von Gehorsam impliziere, reichte Kirkmans Aussage nicht nur für eine billa vera. Das Schuldeingeständnis hatte er in den Augen der Prozessveranstalter gleich mitgeliefert. Die Frage, ob er im Sinne der Anklage schuldig war, erübrigte sich, da er die Anklage selber formuliert und als wahr autorisiert hatte.240 1584 wurden in Lancaster vier Priester und der katholische Laie John Finch zunächst im Geheimen verhört. Finch wurde gefragt, ob er in einem der Seminare beyonde the seas gewesen sei, was er in den zurückliegenden Jahren gemacht habe, ob er mit Seminarpriestern und Jesuiten Umgang gepflegt habe, ob er die Messe gehört habe, was er über die Exkommunikationsbulle denke, ob er die Königin für die lawfull queene of this realme halte usf.241 Gefragt, auf wessen Seite er in einem Krieg zwischen Königin und Papst stehe, antwortete er: I take parte with the Pope and Catholike Church.242 Am darauf folgenden Tag wurde Finch dann amongest theves and murtherers vor Gericht gestellt. Bei dieser Paarung mit gewöhnlichen Kriminellen handelte es sich bewusst um eine praktizierte, stigmatisierende Zurschaustellung.243 So sollte der Eindruck forciert werden, dass katholische Hochverräter Verbrecher und keine Häretiker waren. Bei der Verhandlung wurden erneut die Fragen aus dem Verhör vorgelegt. Als er bei seinen Antworten blieb (he answered very resolutly that he was to follow and obay whatsoever the Pope should command […] and that he was to take parte with the Catholike Church against whomesoever), wurden die Geschworenen hinausgeschickt. Sie kamen postwendend mit einem Schuldspruch zurück.244 In den Rahmen des Jury-Prozesses war also eine Art Schauverhör interpoliert worden. Eine Sachverhaltsaufklärung, etwa durch die Einbindung von Zeugen wie im Fall von Campion, wurde nicht einmal mehr simuliert. Beim Prozess gegen Nicholas Woodfen, Edward Stransham, William Thompson und Richard Serjeant reichte 1586 wiederum die Feststellung, dass es sich bei ihnen um Priester handelte, die sich entgegen dem Hochverratsgesetz von 1585 (27 Eliz. c.2) in England aufhielten, für die Todesurteile.245 Ein Großteil der Fälle wurde in den späten 1580er und den 1590er Jahren auf diese Weise durchgeführt: Konnte man feststellen, dass es sich um einen katholischen Kleriker oder um einen konvertierten Laien handelte, dann genügte dies für eine Verurteilung.246 Wie man diese Identifikation durchführen konnte, auch wenn der Angeklagte nicht auf Fragen antwortete, zeigt ein Beispiel von 1593: John Thomas wurde vor Gericht unvermittelt ein Kruzifix, also Romish trash, in die Hand gedrückt. Er enttarnte 240 241 242 243 244 245 246

Camm, Lives of the English martyrs, 585f. Pollen, Unpublished documents, 85f. Ebd., 86; vgl. dazu auch Covington, The trail of martyrdom, 133f. Camm, Lives of the English martyrs, 598; ein weiterer Beleg dafür findet sich bei Pollen, Acts of English martyrs, 136, in Bezug auf William Davies (1593). Pollen, Unpublished documents, 88. Ebd., 129. Zahlreiche Beispiele dafür dokumentiert Pollen, Acts of English martyrs, 298–367.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

141

sich, indem he took [it] and made obeisance thereunto and kissed it.247 Solche Dinge wurden auch auf dem Schafott eingesetzt, um letzte Zweifel an der ‚Schuld‘ auszuräumen. Dabei achteten die Richter stets darauf, dass die Angeklagten nicht zu viel sagten, suspecting, as was the case, that by the words of the Martyrs the injustice of the judgment would be exposed.248 Kurze Prozesse konnten nur gelingen, wenn sich Engagements der Angeklagten soweit wie möglich unterdrücken ließen. Jede dissentierende Artikulation und jede Geste der Unbeugsamkeit drohte das fragile Verfahrenskonzept zu unterminieren. Heikel war zudem jede Art von Verfahrenskritik durch die Betroffenen, wenn sie etwa nach Zeugen verlangten oder die Rolle des Richters hinterfragten. Hatte sich Richter Wray beim Campion-Prozess noch durch demonstrative Unparteilichkeit in Szene zu setzen versucht, so traten Richter nachfolgend – und auch noch in der frühen Stuart-Zeit – durch expressiven Eifer hervor. Mit Blick auf die Oratorik des Lord Chief Justice Sir Thomas Fleming in Old Bailey fragte etwa 1610 der Benediktiner John Roberts: Sir, are you my judge or my accuser? Both offices cannot be united in the same person.249 Beim Prozess gegen Edmund Gennings am 4. Dezember 1591 in Old Bailey kam der Angeklagte überhaupt nicht zu Wort. Wie bei Richard Kirkman (1582) ließ man den Prozess auch diesmal so laufen, als handele es sich um die Anhörung vor einer Grand Jury, die erst noch über die Anklage zu befinden hatte, bevor die eigentliche Hauptverhandlung beginnen konnte: The quest of twelve men was now empanelled, and after evidence was read and avowed by Topcliffe, forthwith was found by the twelve billa vera.250

Die billa vera, die gewöhnlich den Entscheid der Grand Jury über die Zulässigkeit der Anklage bedeutete, wurde auch in diesem Fall als ein Schuldverdikt genommen. Offenbar hatte es den Geschworenen ausgereicht, dass Richard Topcliffe (der die Nachfolge Nortons als Chef-Folterer angetreten hatte) vor Gericht bestätigte, dass Gennings während eines Verhörs gestanden hatte, die Messe gelesen zu haben.251 Tatsächlich hatte Topcliffe seine Anschuldigungen nach der Auffassung eines katholischen Beobachters sehr massiv vorgebracht und Gennings gedroht, er werde hängen.252 Mit dem Schuldspruch war der Prozess aber noch nicht vorbei. Vielmehr wurden Gennings und seine Mitangeklagten zur Allokution gerufen und gefragt, what they could say why the Judge should not pronounce sentence of death against them.253 Der Sinn dieses Vorgehens bestand in diesem Fall und in vergleichbaren anderen Fällen darin, die Verhandlung aus der bequemen Position eines schon er247 248 249 250 251 252 253

Pollen, Acts of English martyrs, 233. Pollen, Unpublished documents, 326. Pollen, Acts of English martyrs, 148. Ebd., 101. Pollen, Unpublished documents, 206; dazu auch Questier, Elizabeth and the Catholics, 70. Pollen, Unpublished documents, 206. Pollen, Acts of English martyrs, 101.

142

1550–1650: Rhetorisches Regime

gangenen Verdikts weiter führen zu können. Es ging dann nur noch darum, die Angeklagten vorzuführen. Sie bekamen zwar die Gelegenheit, noch etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen. Doch das wurde dann so verkehrt, dass es am Ende gegen sie verwendet werden konnte. In a word, so resümierte der Jesuit Southwell, der bei zahlreichen Prozessen zugeschaut hatte, whatever answer they give, it never satisfies the minds ot these judges, unless it is one that imperils the prisoner’s life.254 Oder man machte sich über sie lustig. Als Polydore Plasden klagte: They find us guilty […] of treason for exercising our priestly function, which was in all ages an honourable calling, as you the learned on the Bench have read in your own laws and histories, if yet you dare to speak the truth,

antwortete Richter William Fleetwood what […] dost thou talk so, Plasden? Methinks thou wouldst better wind a horn; for I think thy father is an horner dwelling at Fleet Bridge, at which all men laughed.255 Im Prozess gegen den als hinfällig beschriebenen Priester James Bell (*1520) im April 1584 nutzten die Ankläger die Allokution dazu, um den Verurteilten mit terrible words and captious questions zu bestürzen. Für seine Rechtfertigungsversuche erntete er nur Spott: And then they laughed and scorned, as though the ould man had answered absurdlye.256 Als der Benediktiner George Gervase 1608 in Old Bailey über die bloody questions verhört wurde und auf die Frage, ob der Papst Herrscher exkommunizieren und absetzen könne, antwortet: Yea, and also all princes in the world, brach das Publikum in Gelächter aus.257 Der Versuch, die Angeklagten der Lächerlichkeit preiszugeben, konnte jedoch auf den Spötter zurückfallen. Im Prozess gegen die Missionare Robert Anderton und William Marsden 1586 wollte der Bischof von Winchester den bereits gelaufenen Prozess dazu nutzen, um sich bei einer Art Schaudisputation als Sieger zu inszenieren. Das gelang ihm aber so schlecht, dass Gelächter aus dem Publikum laut wurde.258 Bei einem anderen Prozess (1588) behauptete der Bischof von London, John Alymer, viel klüger zu sein als William Allen. Als er sich dabei mit einem Elefanten verglich, mussten alle lachen: „Of a truth thou seemest to act after the fashion of Alexander’s dog, which despising bears and vulgar animals of that sort, did not even growl whet it saw them, but would at once bark if it caught sight of an elephant, thinking that noble animal was alone deserving of its attention. I am the elephant, and thou the puppy. What right hast thou to dispute with me, who in extent of reading and depth of intellect surpass even your Allen?“ By which words the conceited fellow provoked a laugh not only from our Martyrs, but from the whole assembly.259

254 255 256 257 258 259

Pollen, Unpublished documents, 325. Pollen, Acts of English martyrs, 102. Pollen, Unpublished documents, 77. Pollen, Acts of English martyrs, 293. Ebd., 70. Pollen, Unpublished documents, 326.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

143

Bei Edmund Campion war es noch darum gegangen, durch die Abhaltung von Disputationen vor dem Prozess die Bereiche Religion und Recht so weit wie möglich zu trennen. Die nachfolgenden Prozesse avancierten hingegen immer wieder zu Foren konfessioneller Überlegenheitsbehauptungen von Seiten der Kronanwälte, Richter und Kleriker (letzte ohne klare Verfahrensrolle) gleichermaßen. Solche Sequenzen religiöser Kommunikation sind Beispiele für die diskursive Offenheit der Verfahren während des rhetorischen Regimes. Der Rekurs auf religiöse Sprache war allerdings heikel, weil die Verurteilten diese zumeist besser beherrschten als die Ankläger. Auch aus diesem Grund wurden solche und andere kurze Prozesse nur selten von ihren Veranstaltern dokumentiert. Doch auch die katholischen Protokollanten verfolgten eine Agenda: Der Prozess sollte möglichst schlecht und unfair, der Angeklagte möglichst gut und unbeugsam aussehen. Man könnte sich daher bessere Quellen wünschen, um der Prozesspraxis der 1580er Jahre auf die Spur zu kommen.260 Doch die gibt es nicht. Man kann nur versuchen, der narrativen Agenda nicht aufzusitzen und zwischen den Zeilen zu lesen. Der Prozess gegen den Reimser Missionar William Davies in Beaumaris, einer Kleinstadt auf der Insel Anglesea im äußersten Nordwesten von Wales, zeigt schließlich noch eine weitere Variante kurzer Prozesse, bei der Verhandlungs- und Urteilsphasen zeitlich weit voneinander getrennt wurden. Davies war im März 1591 verhaftet worden, während er die Reise von vier jungen Männern aus der Gegend in ein spanisches Priesterseminar vorbereitet hatte – was nach dem Gesetz von 1585 als Hochverrat galt. Erst ein Jahr später, im Juli 1592 wurde er vor Gericht gestellt. Darüber gibt es keine anderen Quellen als einen von Davies selbst verfassten Bericht.261 Demnach wurde er mit anderen Delinquenten vor Gericht gestellt, wo einmal mehr die billa vera der Grand Jury als Schuldspruch fungierte: Das Indictment warf ihm vor, dass er das Land verlassen, in Reims die Priesterweihe empfangen und damit Hochverrat begangen habe. All das war bereits in den Vorverhören festgestellt worden, und Davies stritt es auch gar nicht ab. Insofern gab es vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage tatsächlich nicht mehr viel zu verhandeln. Vor dem Urteil sollte er allerdings selbst die fraglichen Hochverratsgesetze aus dem Statutenbuch vorlesen, damit den Zuschauern klar wurde, warum er schuldig sein sollte. Doch auch dann sprachen die Richter noch nicht ihr Urteil. Sie hatten sich offenbar vom lauten Weinen und Klagen seiner Kinder – Davies war erst als Witwer zum Priester geweiht worden  – beeindrucken lassen.262 Hier sorgte also der soziale Druck innerhalb einer übersichtlichen Gemeinschaft für eine Unterbrechung des Verfahrens. Erst ein Jahr später, bei den nächsten Assisen, wurde der Prozess mit der Allokution fortgesetzt. Seine Kinder hatten in der Zwischenzeit erfolglos Gnadenbitten 260

261 262

Die Frage ist, ob die Verfasser martyriologischer Berichte, wie sie von Pollen, Acts of English martyrs, oder Camm, Lives of the English martyrs, dokumentiert werden, die Unwahrheit schreiben durften (bzw. nicht die ganze Wahrheit) oder sich beim Verfassen ähnlicher mentaler Vorbehalte bedienen durften wie beim equivokalen Sprechen. Pollen, Acts of English martyrs, 128–136. Ebd., 133ff.

144

1550–1650: Rhetorisches Regime

eingereicht. Der soziale Druck, aufgrund dessen man mit der Urteilsverkündung gezögert hatte, war im Laufe eines Jahres offenbar weitgehend verpufft, bzw. war er durch die Gnadengesuche formalisiert und entschärft worden. Der Prozess konnte daher an der Stelle fortgesetzt werden, an der er bei den letzten Assisen aufgehört hatte. Er endete diesmal mit dem Todesurteil.263 Kurze Prozesse mit dem Verzicht auf Geschworene oder mit der Paarung von Missionaren und gewöhnlichen Delinquenten wurden nicht nur, aber vor allem in der Provinz geführt.264 In London, wo die Aufmerksamkeit für Gerichtsprozesse und die Wahrscheinlichkeit, dass Berichte angefertigt wurden, viel höher war, versuchte man zumindest den äußeren Anschein der ordentlichen Schwurgerichtsbarkeit zu wahren. Nicht zuletzt sollte auf diese Weise auch der Kritik an der englischen Justiz, die seit 1582 nicht nur in England, sondern vor allem auf dem Kontinent immer lauter und massiver geworden war, mit einer Zurschaustellung der Leistungsfähigkeit der Verfahren begegnet werden. 5. RESÜMEE Die obrigkeitlichen Akteure der elisabethanischen Zeit waren zutiefst davon überzeugt, dass die über den Ärmelkanal kommenden ‚Seminarpriester‘ und Jesuiten die Missionsarbeit nur als Vorwand nutzten, um England wieder unter die Oberhoheit des Papstes zu führen – ein Szenario, das man sich ohne die Auslöschung der politisch-sozialen Führungsschicht inklusive der Königin nicht vorstellen konnte. Jesuiten und andere Missionare wurden dabei als Teil einer gegen England gerichteten Superverschwörung gesehen, für deren Beweis Aufstände katholischer Magnaten und Attentatsversuche auf Elisabeth I. angeführt wurden. Vor dem Hintergrund dieser ‚konspirativen Gouvernementalität‘ wurde die Fahndung nach der kleinen Zahl an Jesuiten zu einem Gebot der Staatsräson. Obwohl die elisabethanischen Hochverratsgesetze Missionsarbeit oder das Verteilen von Devotionalien kriminalisierten, hatte es sich bei einem Prozess in Cornwall 1577 als problematisch herausgestellt, die Anklage darauf zu gründen. Zu sehr hatte sich der Eindruck eines Ketzerprozesses aufgedrängt, während es das obrigkeitliche Ziel war, Missionsarbeit nicht als Religions-, sondern als Staatsverbrechen zu definieren. Dies gelang nur, wenn man die Anklage auf das Statut von 1351 gründete und den Angeklagten die Absicht zum Königinnenmord unterstellte. Der Prozess gegen Edmund Campion und andere Jesuiten im November 1581 sollte diese Absicht in die Tat umsetzen. Dabei gründete der Prozess im Wesentlichen auf einer umfänglichen Anklagerede des Kronanwalts, die nichts Anderes war als eine Verschwörungstheorie. Zeugen spielten bei diesem Prozess nur am Rande eine Rolle, die Verteidigungsversuche der Angeklagten wertete man immer wieder als Beleg für die Existenz der Verschwörung. Ihnen wurde sozusagen das Wort im Munde 263 264

Pollen, Acts of English martyrs, 137f. Camm, Lives of the English martyrs, 598.

II. Die Wahrheit des Verfahrens und die Wahrheit des Schafotts

145

herumgedreht. Wie skrupellos der Prozess in der Westminster Hall auch gelaufen war – es zeigte sich, dass man auf den Schein eines Prozesses nach Common Law selbst im Umgang mit den vermeintlichen schlimmsten Staatsfeinden nicht verzichten wollte. Doch so leicht sich ein Schuldverdikt auch forcieren ließ – viel gewonnen war damit nicht. Man könnte auch sagen: Gerade für einen Schauprozess waren die existierenden forensischen Routinen nicht geeignet. Bereits Anwesende hatte der Verlauf des Prozesses irritiert. Die Unschuldsbekundungen auf dem Schafott sollten daher systematisch gekontert und widerlegt werden. Unterschiedliche obrigkeitliche Akteure versuchten die Zuschauer davon überzeugen, dass die Urteile zu Recht ergangen waren. Bei der Hinrichtung von Edmund Campion rekapitulierte man dazu auf dem Schafott den Verlauf des Prozesses, bei dem die Schuld des Jesuiten angeblich fully proued worden sei. Der Wortlaut seiner Behauptungen wurde in gedruckter Form, als Pamphlet, unter den Zuschauern verteilt. Bei weiteren Hinrichtungen wurde allerdings weniger auf den Prozessverlauf verwiesen, der offenbar zu wenig überzeugungskräftige Anknüpfungspunkte bot. Stattdessen wurde auch das Schafott zur Kolportage der Verschwörungstheorie genutzt. Eine weitere obrigkeitliche Strategie bestand darin, Geständnisse aus Verhören vorzulesen, die außerhalb der Gerichtsprozesse durchgeführt worden waren. In einigen Fällen wurden die Verhörprotokolle im Original mit den Unterschriften der Verhörten vom Schafott herab dem Publikum vorgezeigt. Wenn man also die Hinrichtung als Testfall für die Überzeugungskraft des Verfahrens versteht, dann war durch die Prozesse kaum etwas dazu geleistet worden. Das Schafott wurde daher selbst zu einem Tribunal, wo mit ganz unterschiedlichen Praktiken versucht wurde, die Rechtmäßigkeit der bevorstehenden Hinrichtung ad hoc zu erweisen. Dass man sich überhaupt dazu herausgefordert sah, publizistisch auf die Unschuldsbekundungen der Verurteilten zu reagieren, hatte mit der ‚transnationalen‘ Beobachtung der Prozesse und der Kritik daran zu tun. Dennoch wurden die Gerichtsprozesse sprichwörtlich kurz und dienten kaum mehr zur geregelten Herstellung von Entscheidungen, sondern zur Bloßstellung und Demütigung der Angeklagten. Als Instanz der Wahrheit und Forum zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen waren die Gerichtsprozesse gegen katholische Missionare dramatisch gescheitert – und zwar gemessen an den Idealisierungen der Zeitgenossen selbst.

147

III. „The Execution of Justice in England“: Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts 1. SCHRECKENSBILDER: KATHOLISCHE REPRÄSENTATIONEN DER ENGLISCHEN STRAFJUSTIZ Nach der Hinrichtung von Campion hatte eine publizistische Debatte um dessen Verhaftung, Prozess und Hinrichtung eingesetzt, der man transnationale Dimensionen zuschreiben kann. Die Menge der Drucke, die in den 1580er Jahren erschienen (und es wurden bis zur Jahrhundertwende noch viel mehr) schuf eine neue Ebene der Kommunikation im konfessionellen Konflikt, eine printmedial geschaffene, europäische Öffentlichkeit.1 Die Verfolgung von Katholiken in England passte hervorragend zur Gegenpropaganda der katholischen Reiche wie Spanien, Frankreich und dem Kirchenstaat, die von deutschen, französischen und niederländischen Protestanten publizistisch als Verfolger an den Pranger gestellt worden waren.2 Mit dem Privilege du Roy erschien in Paris nur vier Wochen nach Campions Hinrichtung, am 4. Januar 1582, die oben erwähnte L’Histoire de la Mort que le R.P. Edmond Campion.3 Der englische Botschafter Sir Henry Cobham berichtete Walsingham davon, dass die Schrift enormes Aufsehen und anti-englische Proteste auf den Straßen hervorgerufen habe, so dass König Heinrich III. schließlich die Weiterverbreitung untersagt habe. Allerdings erschienen italienische und verschiedene lateinische Übersetzungen der L’Histoire und sorgten damit für Resonanzen auch im südeuropäischen Raum.4 1583 erschien in Trier die umfangreiche Schrift Concertatio ecclesiae catholicae in Anglia adversus Calvinopapistas et Puritanos der beiden Jesuiten John Gibbons und John Bridgewater, die das Leid der Missionare detailreich ausgeschmückt schilderten.5 Im gleichen Jahr wurde in Ingolstadt eine Übersetzung von Robert Parsons De Persecutione Anglicana unter dem Titel Bericht von der grausamen, tyrannischen Verfolgung der Calvinisten wider die frommen katholischen Christen in England gedruckt.6 Über Campion, Sherwin, Briant, Johnson und Bosgrave beispielsweise war hier zu lesen, dass sie biß zur Zerreissung aller Glider / und vast zum Todt selbs mit einer besonderen Folter (ist ein Marterung 1 2 3

4 5 6

Lake / Questier, Puritans. Dillon, The construction of martyrdom, 78ff.; Tutino, Law and conscience, 34f. Anon., L‘histoire de la mort. Es handelte sich um eine Übersetzung aus dem Englischen. Die Schrift ist aber im Original nicht nachweisbar, was darauf hindeutet, dass sie wohl exklusiv für die französischen Leser angefertigt wurde. Kilroy, Edmund Campion, 351f. Zur Rezeption vgl. z.B. Künast, Welserbibliotheken. Zu Parsons Schriften vgl. Houliston, Catholic resistance.

148

1550–1650: Rhetorisches Regime

da sie einen am Ruck ligendt erstlich außspannen / vnd Hand vnnd Fuß von Glid zu Glid binden / dann die Stricke damit er gebunden / mit Rädern allgemach anziehen / biß alle Glider außgeriben und verruckt werden) gemartert worden waren.7 Vier weitere Auflagen mit solchen Beschreibungen maßloser Gewalt auf Latein, drei auf Französisch und zwei auf Italienisch folgten. Auch ohne gedruckte Vermittlungen dürften europäische Fürsten mit einem jesuitischen Beichtvater von den Vorgängen in England gewusst haben – die handschriftliche Nachrichtenübermittlung funktionierte auch hier sehr gut. Aufmerksam und beachtlich rasch wurden Informationen über die englischen Vorgänge verbreitet und kommentiert, und das Echo dieser Kommentare erreichte wiederum in wenigen Wochen England. So war schon während des Campion-Prozesses die Empörung über die Folterpraktiken des Thomas Norton derart angeschwollen – in England selbst, aber vor allem auch auf dem Kontinent –, dass ihn der Geheime Rat nicht zuletzt aus Gründen der Imagepflege in den Tower werfen ließ und für eine Weile aus dem Verkehr zog.8 Die oben bereits erwähnten Pamphlete von Thomas Alfield, William Allen und anderen katholischen Publizisten fokussierten nicht nur die Folterungen und Hinrichtungen ihrer Glaubensbrüder, die sie als Martyrium darstellten.9 Vielmehr enthielt diese konfessionelle Flugpublizistik stets auch eine mehr oder weniger ausführliche Fundamentalkritik an der englischen Strafjustiz.10 William Allen rechtfertigte in seiner 1584 erschienenen True, sincere and modest defence, of English Catholiques seine publizistischen Aktivitäten damit, dass auch die englische Obrigkeit in publique gegen angebliche Verräter vorginge, indem sie diese vor ein Tribunal zerrte und anschließend öffentlich hinrichtete. Wer aber die Öffentlichkeit suche, um einen Schein von Gerechtigkeit zu erzeugen, könne sich nicht beschweren, wenn andere ebenfalls öffentlich dagegen protestierten, dass Katholiken gefoltert und hingemetzelt würden: For the thinges there done dailie in publique, cannot othervvise be hidden from the world: and seing they are passed by lavv, and order of pretended iustice, ther can be no cause vvhy them selues should mislike the diuulging thereof.11 Ein solches Vorgehen sei keine Form der Majestätsbeleidigung, sondern gleichsam Notwehr im Medium des Drucks.12 Daher müsse sich die englische Obrigkeit auf diesem Wege, also öffentlich fragen lassen: Haue you not ordinarilie threatened men with the rackes and dongeons, and sometimes brought them to the racke-house doore, yea, and laid some on the racke, without either cause or intent to touche them, but onely by thos terrors to driue them

7 8 9 10 11 12

Persons, Bericht von der grausamen tyrannischen Verfolgung, 65. Graves, Thomas Norton, 274ff. Dillon, The construction of martyrdom; McCoog, Construing martyrdom. Zur literarischen Justizkritik vgl. neuerdings die Beiträge in Beecher, Taking exception to the law. Allen, A true, sincere and modest defence, *3. Zur Orientierung der katholischen Märtyrerliteratur an einem europäischen Publikum vgl. McCoog, Construing martyrdom. Neben William Allen zu nennen sind etwa die Historia Ecclesiastica de Martyrio des Franziskaners Thomas Bourchier (+1586) oder die Historia Aliquot Nostri Saeculi Martyrum in Anglia (Brügge 1583) des Maurice Chauncy (+1581).

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

149

to deny their Faith, or to confesse wher they had said masse, or other like thinges which you desired to knowe?13

In England herrschten – und das war schon zu dieser Zeit ein herber Vorwurf – Machiauellian Policies.14 Allen hatte dabei zwei besonders kurze Prozesse in der Provinz im Auge, wenn er von such strange proceedinges, which they perceiued to be erroneous and insufficient in ther owne laws sprach.15 Als weiteres Beispiel nannte Allen die Tribunale auf dem Schafott, wenn einer der cheefe gentlemen and ministers of execution ther present den Verurteilten auffordere Confesse your fault […] for satisfaction of the vvorld, in the cause of your death, der Verurteilte aber darauf beharre, nur seines Glaubens wegen sterben zu müssen: other treasons, except they make hearing the holie Masse, or saying, Aue Maria, treason, I haue committed none.16 Bereits in seiner 1582 erschienenen Briefe historie of the glorious martyrdom hatte Allen die Auswüchse der Strafverfahren in aller Deutlichkeit herausgestellt: Für die bedrohlich klingenden Anklagen gegen Campion und die anderen 1581 verurteilten Missionare (für Allen handelte es sich dabei um Märtyrer), that they practised the Q[ueen’s] death at Rome and Remes, and inuasion of the realme by forraine povvers, habe es vor Gericht nicht nur keinerlei Beweise gegeben  – die Vorwürfe seien zudem auch mehr als unwahrscheinlich: there was neither witnes, confession of the parties, probable presumptions, nor any word spoken, or euidence in the world, that was to the point of the enditement.17 Bei den Prozessen im Dezember 1581 habe man einfach die (angeblichen) Verbrechen der einen – pretended crimens & conspiracies – auch den anderen angelastet. Auch das Verhalten des Richters Wray beschrieb Allen als skandalös, insofern er den Zeugen nicht nur ihre grotesken und verlogenen Aussagen habe durchgehen lassen, sondern auch nicht verhindert habe, dass die Angeklagten damit willkürlich belastet wurden.18 Schon das sei the most pietiful practiz that euer vvas heard of to sheed innocent bloud by face of publike iustice gewesen.19 Eine vngodly practise sei es, dass Missionare für etwas hingerichtet würden, vvereof they vvere neuer directly endited & arraigned, and vvich in deed is by lavv no treason at al.20 Schließlich ging Allen auch auf die sinful pollicie ein, dass den Missionaren vor Gericht Vorwürfe zu Last gelegt wurden, die zuvor anhand der bloody questions erfoltert worden waren. Dabei seien ihnen zunehmend nicht mehr zurückliegende Verrätereien untergeschoben worden, sondern auch Fragen über ihr zukünftiges Verhalten gestellt worden: if such a thing or such a thing should fal: & what if they had been in Irland vvhen the rebellion vvas there, vvhat vvould they haue done. Diese Vorgehensweise führe dazu, dass das Hochverratsverbrechen erst beim 13 14 15 16 17 18 19 20

Allen, A true, sincere and modest defence, 13f. Ebd., 30. Zum Vorwurf von Machiauellian Policies vgl. allg. Zwierlein, Machiavellismus, 914ff. Allen, A true, sincere and modest defence, 5. Ebd., 5f. Allen, A briefe historie, [8]. Beobachter wie Henry Walpole sahen Wray dagegen positiver, vgl. oben S. 115. Allen, A briefe historie, [10]. Ebd.

150

1550–1650: Rhetorisches Regime

Verhör erzwungenermaßen begangen werde: By Ifs and Ands, they vvould driue these poore men into the compasse of treason.21 Für die Strafjustiz waren nicht nur solche Vorwürfe kompromittierend, sondern auch die bebilderten Werke des englischstämmigen, in den südlichen Niederlanden tätigen katholischen Polyhistors und Publizisten Richard Verstegan.22 1583 erschienen in Paris eine lateinische und eine französische Ausgabe seiner Descriptiones quaedam illius inhumanae et multiplicis persecutionis, quam in Anglia propter fidem sustinent Catholice Christiani (bzw. Briefve description des diverses cruautez que les Catholiques endurent en Angelterre pour la foy). Darin wurde nicht nur geschildert, sondern auch visualisiert, auf welche Art und Weise die englische Obrigkeit Katholiken verfolgte, quälte und tötete.23 Verstegan begann mit der Darstellung brutaler Verhaftungen und willkürlich anmutender Hausdurchsuchungen – ein in England damals schon sensibles Thema, das auch Parsons in seinem Bericht aufgegriffen hatte. Die nächste Darstellung (7) fungierte als Zusammenschau der notorischen Folterpraktiken (Tormenta in Carceribus inflicta) und zeigt, wie einem Priester Nadeln unter die Fingernägel getrieben wurden, so wie das bei Briant der Fall gewesen war (A), wie andere Priester in Käfige gezwängt (E) oder auf der Streckbank von Archicarnifex Norton cum suis satellitibus verhört wurden (B ).24 Die Strafjustiz in ein schlechtes Licht rücken sollte auch die folgende Abbildung 8, die eine Gerichtsszene darstellt, bei der es vor allem darauf ankam zu zeigen, dass Katholiken aus adligem Stand (viri nobiles) wegen ihres Glaubens mit gemeinen Dieben und Mördern vor Gericht gestellt und schändlich an Leib und Leben bestraft wurden. Diese Paarung der angeblichen Hochverräter mit gewöhnlichen Delinquenten war tatsächlich so vor allem in der Provinz praktiziert worden.25 Wenn man die vielen in der Box zusammengedrängten Angeklagten beachtet, muss man zudem davon ausgehen, dass diese ein eher kurzer Prozess erwartet. Von Geschworenen ist auf diesem Stich ebenfalls nichts zu sehen. Tatsächlich fing diese Darstellung Auswüchse der forensischen Praxis ein. Auf einen Wiedererkennungseffekt setzte auch das letzte Bild aus Verstegans Descriptiones. Vor dem Hintergrund eines durch den Turm der St Paul’s Cathedral angedeuteten London-Panoramas entfaltet sich das ganze Theater des Schreckens (Abbildung 9). Das Bild übertreibt dabei durchaus nicht, weil das Ritual des Schleifens, Hängens, Ausweidens, Zerhackens und Ausstellens der Köpfe auf den Stadtmauern im Falle katholischer Hochverräter nicht selten tatsächlich mit aller Akribie durchgeführt wurde. Bei den Kupferstichen handelte es sich nicht nur um Illustrationen. So wie Kupferstiche etwa dem Humanisten und Arzt Andreas Vesalius dazu dienten, die ana21 22 23

24 25

Allen, A briefe historie, [31]. McCoog, Construing martyrdom, 103ff. Arblaster, Antwerp and the world, 32f. Die Descriptiones wurde 1585 in Rom zusammen mit Giovanni Battista Cavalieris Ecclesiae militantis triumphi sive Deo amabilium martyrum gloriosa pro Christi fide certamina gedruckt. Aus dieser Ausgabe stammen auch die folgenden Abbildungen. Vgl. Dillon, The construction of martyrdom, 242. Vgl. oben, S. 144.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

151

Abb. 7: Folterszene aus Richard Verstagen, Descriptiones quaedam illius inhumanae et multiplicis persecutionis, quam in Anglia propter fidem sustinent Catholice Christiani.

152

1550–1650: Rhetorisches Regime

Abb. 8: Gerichtszene aus Richard Verstagen, Descriptiones quaedam illius inhumanae et multiplicis persecutionis, quam in Anglia propter fidem sustinent Catholice Christiani.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

153

Abb. 9: Hinrichtungsszene aus Richard Verstagen, Descriptiones quaedam illius inhumanae et multiplicis persecutionis, quam in Anglia propter fidem sustinent Catholice Christiani.

154

1550–1650: Rhetorisches Regime

tomischen Details des menschlichen Körpers anschaulich zu machen und damit seine Erkenntnisse zugleich zu beweisen, so erlangten Stiche auch in anderen sozialen Kontexten zunehmend die Funktion einer verifizierenden Dokumentation. Den bis ins Detail genauen Kupferstichen wurde die Leistung zugeschrieben, persönliche Augenzeugenschaft konservieren zu können, regelrecht zu verdinglichen, um sie anderen zugänglich zu machen.26 Bei Verstagans Descriptiones sollte der (gebildete, des Lateinischen mächtige) Leser durch das Zusammenspiel von Text und Bild in die Lage versetzt werden, sich selbst ein Urteil über die fora iudiciorum publica in England zu machen. Der englische Botschafter in Rom sah in diesen Bildern denn auch eine Beleidigung seiner Königin und versuchte, so viele Exemplare wie möglich von Verstegans Buchs vernichten zu lassen.27 Deren Zirkulation konnte das aber nicht unterbinden. Die Descriptiones waren allerdings nur eine Art Vorstudie für Verstegans noch viel weiter verbreitetes und wiederholt aufgelegtes Theatrum Crudelitatum Haereticorum, das zuerst 1587 in Antwerpen erschien und in dem die Folterpraktiken nicht mehr auf einem Bild kondensiert, sondern detailliert in mehreren Bildern gezeigt werden.28 Das Verhör auf der Streckbank wurde dabei als eine öffentliche Praxis dargestellt (Abbildung 10, li.), während die noch schlimmeren Peinigungen zwar in occulto durchgeführt wurden, dieses Arcanum aber nunmehr durch

Abb. 10: Aus Richard Verstegan, Theatrum Crudelitatum Haereticorum, Antwerpen 1587.

26 27 28

Voges, Augenzeugenschaft und Evidenz. Arblaster, Antwerp and the world, 33. Ebd., 41ff.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

155

das Bild aufgedeckt wurde.29 Eine weitere Abbildung zeigte auch die peine forte et dure als eine dieser Praktiken (Abbildung 10, re.). Tatsächlich war diese Folter bei Hochverrat nicht angewendet worden, auch bei Katholiken nicht. Allerdings war die peine forte et dure ein prominenter Bestandteil des englischen Strafverfahrens. Für Verstegan war es vermutlich gerade deswegen ein willkommenes Beispiel für die Grausamkeit der englischen Strafjustiz, auf das er nicht verzichten wollte. Bereits 1583 war die Kapelle des englischen Kollegs in Rom mit einem vierunddreißig Fresken umfassenden Bilderzyklus über die englischen Märtyrer von der Frühzeit bis zur eigenen Gegenwart ausgestattet worden.30 Die Bilder wurden 1584 von Giovanni Battista de Cavalieri (1525–1601) in Kupfer gestochen und unter dem Titel Ecclesiae anglicanae trophaea publiziert.31 Auch hier wurde  – im Unterschied zu Verstegan allerdings nicht in einem historischen, sondern in einem antikisierend-heroischen Bildkontext – die Brutalität der englischen Justiz verbildlicht (Abbildung 11).

Abb. 11: Folter- und Hinrichtungsszene aus: Giovanni Battista Cavalieri / Nicolò Circignani, Ecclesiae militantis triumphi sive Deo amabilium martyrum gloriosa pro Christi, Rom 1585. 29

30 31

Verstegan, Theatrvm Crudelitatum; benutzt wird ein online zugängliches Exemplar der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel (Tq 1300a); weitere Auflagen erschienen 1588, 1592 und 1604; dazu Freedberg, The representation of martyrdoms during the early Counter-Reformation in Antwerp; Lestringant, Préface; Burschel, Sterben und Unsterblichkeit, 245ff.; Arblaster, Antwerp and the world. Dillon, The construction of martyrdom, 170–242. Cavalieri, Ecclesiae anglicanae trophaea. Als Anhang zu dieser Publikation wurde auch Verstegans Descriptiones mitpubliziert.

156

1550–1650: Rhetorisches Regime

Gezeigt wurde unter anderem, wie Campion und Briant auf die Streckbank gebunden wurden, wie sie nach Tyburn geschleift und dort gehängt, wie ihre Leiber ausgeweidet, geköpft, gevierteilt und gekocht wurden.32 Zur Folterszene (li.) erläutert die Bildunterschrift, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handele. Vielmehr würden auf diese Weise in England viele Missionare gefoltert, und zwar so lange, bis ihre Gliedmaßen völlig taub seien. Für das katholische Europa waren solche Martyrologien in Text und Bild höchst willkommen  – sowohl als Propagandainstrument als auch zum identifizierenden Miterleben des Schicksals der Glaubensbrüder in England.33 Denn die visuelle Darstellung konfessionell motivierter Gewalt war bislang von den Protestanten dominiert worden, etwa von John Foxe in seinem Book of Martyrs oder den zahlreichen illustrierten Flugschriften (den sogenannten Quarante Tableaux, die um 1570 in Genf erschienen waren) über die Massakrierung von Hugenotten während der französischen Religionskriege (Wassy, Sens und Tours 1562).34 Es war wohl kein Zufall, dass Heinrich von Guise, der Anführer der katholischen Liga in Frankreich, als Förderer von Verstegans und Cavalieris Bildgeschichten in Erscheinung getreten war.35 Nachdem also bisher protestantische Märtyrer in England, den Niederlanden und Frankreich medial konstruiert worden waren, besaß nun auch die katholische Seite entsprechende Darstellungen.36 Die katholischen Darstellungen der englischen Strafjustiz kollidierten heftig mit jenen, die davon in England gezeichnet wurden. Damit sind an erster Stelle die Traktate von Sir John Forstescue und Sir Thomas Smith gemeint. Fortescues De laudibus legum Angliae – verfasst um 1470 – war erst 1567 unter dem Titel A learned commendation of the politique lawes of Englande vvherin by moste pitthy reasons & euident demonstrations they are plainelye proued farre to excell aswell the ciuile lawes of the Empiere, as also all other lawes of the world gedruckt worden.37 Übersetzung und Veröffentlichung von Fortescues Rechtspanegyrik waren ein Beitrag zur Darstellung der Vortrefflichkeit der politischen Ordnung unter Elisabeth I. im Medium eines humanistischen Traktats. Wie der Titel der Übersetzung schon andeutet, spielte der Vergleich mit den französischen Institutionen und Verfahren eine große Rolle. Fortescue diente dieser Vergleich vor allem dazu, die Überlegenheit der englischen Praxis im Politischen und Rechtlichen herauszustellen. Ausführlich beschrieb Fortescue daher die Unterschiede im Gerichtsverfahren in England und dort, wo die ciuil laws herrschten. Verachtenswert sei vor allem, dass the law of Fraunce unterschieds- und hemmungslos die Folter anwendet, wodurch Unschuldige in zahlloser Menge zum Tode verurteilt worden seien. Die konkreten 32 33 34

35 36 37

Dillon, The construction of martyrdom, 226ff. Darauf verweist Dillon, The construction of martyrdom, 82 und 150. Dazu El Kenz, Die mediale Inszenierung der Hugenotten-Massaker zur Zeit der Religionskriege, 51–73; Benedict, Graphic history; Burschel, Das Heilige und die Gewalt, 341–368; Emich, Gewalt kommunizieren. McCoog, Construing martyrdom, 105. Ebd., für eine konfessionsübergreifende Kulturgeschichte des Martyriums vgl. Burschel, Sterben und Unsterblichkeit. Fortescue, A learned commendation.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

157

Folterpraktiken vermöge er gar nicht zu beschreiben, so schrecklich seien diese: my penne abhorreth to put that writting.38 Auch Thomas Smith pochte darauf, dass die Folter allein im englischen Strafprozess keinen Platz habe: torment or question which is used by the order of the civill lawe and custome of other countreis to put a malefactor to excessive paine, to make him confesse of him selfe, or of his felowes or complices, is not used in England, it is taken for servile.39

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Selbstdarstellung einerseits und der Verfahrenskritik von Allen, Alfield und anderen katholischen Publizisten andererseits  – der sichtlich gemarterte Campion hatte bei der Disputation im Tower sogar Fortescues kategorische Ablehnung der Folter zitiert40  – sah sich die englische Obrigkeit genötigt, zu reagieren und Erklärungen über das Vorgehen der englischen Strafjustiz zu veröffentlichen. Ihre publizistischen Reaktionen bezogen sich dabei nicht nur auf einzelne Prozesse, sondern auf die Verfahrensweisen insgesamt. Auch wenn diesen Deutungs- und Umdeutungspraktiken keine Agenda zugrunde lag und es sich um situative Reaktionen handelte, hatten diese aber über den konkreten Fall hinaus immer auch die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit der Execution of Justice in England vorzustellen.41 Es soll im Folgenden gezeigt werden, auf welche unterschiedlichen Weisen auf diese Vorwürfe reagiert wurde: Einmal wurde systematisch zurückgewiesen, dass man die Missionare aus religiösen Gründen verfolge. Dagegen wurde behauptet, dass es sich bei diesen Personen um extrem gefährliche Verschwörer und Verräter handele, um Feinde des englischen Gemeinwesens, auf die das Rechtswesen in besonderer Weise zu reagieren hätte. Ein anderes Mal wurde versucht, die nicht zu leugnende Anwendung der Folter als Instrument bei der Gefahrenabwehr, nicht bei der gerichtlichen Wahrheitsfindung darzustellen. In einem Pamphlet zum Prozess gegen den Verschwörer Francis Throckmorton wurde diese Folterdeutung exemplifiziert. Neben der Publizistik wurde die Aufführung von Prozessen, die nicht dem kurzen Typus entsprachen, ein wichtiges Mittel der Selbstdarstellung der englischen Justiz am Ende des 16. Jahrhunderts. Dazu zählten die Prozesse gegen den (mutmaßlichen) Verschwörer William Parry, den Jesuiten Thomas Alfield und vor allem gegen die Bande um den Adligen Anthony Babington, die wichtigsten Helfershelfer der Maria Stuart.

38 39 40

41

Ebd, 46. Smith, De Republica Anglorum, 105. Fortescue, A learned commendation, 47r-v: But whoe is so harde harted, whiche beynge once released out of so cruell a Racke, thoughe he bee innocent and fautles, woulde not yet rather accuse himselfe of all kindes of offences, then agayne to commytt himselfe to the intollerable crueltie of the tourment ones proued: and hadde not rather dye at ones (seeinge deathe ys the ende of all miseries) then so often to be kylled, and to sustaine so manye hellyshe furies, paynfuller then death it selfe? Die im Folgenden ausgewerteten Pamphlete wurden auch in der zweiten Auflage der HolinshedChronik von 1587 dokumentiert und waren damit Bestandteil der elisabethanischen Selbstdarstellung im Medium der Historiographie, Holinshed, Chronicles, 1357–1368.

158

1550–1650: Rhetorisches Regime

2. COMMON LAW IM AUSNAHMEZUSTAND: ZUR RECHTFERTIGUNG DER FOLTER IN THEORIE UND PRAXIS Burghleys ‘The Execution of Justice in England’ Das Pamphlet The Execution of Justice in England von 1583 gibt vor, von einem loyalen englischen Katholiken verfasst worden zu sein. Tatsächlich aber stammte es aus der Feder des Staatssekretärs Burghley.42 Es ist zu bezweifeln, ob diese Camouflage jemals verfangen hat, und die zweite Ausgabe von 1584 erschien dann auch unter Burghleys Namen. Die Neuauflage reagierte sowohl auf Verstegans Briefve description des diverses cruautez que les Catholiques endurent en Angelterre, die im Jahr zuvor in Paris erschienen und für erhebliches Aufsehen gesorgt hatte, als auch auf die Schriften von William Allen. Der englische Botschafter in Paris, Sir Edward Stafford, überreichte Heinrich III. persönlich ein Exemplar von The Execution of Justice in England, um dem französischen König auch die englische Sichtweise auf die umstrittenen Vorgänge zu vermitteln.43 Burghleys Pamphlet wurde 1583 und 1584 auch ins Lateinische, Französische, Italienische und Niederländische übersetzt.44 Es ging somit um die Rechtfertigung der juristischen Verfahrensweisen in England vor einem europäischen Publikum. Das generelle Anliegen der Flugschrift macht schon ihr Titel klar: Die zuletzt so heftig kritisierte Ausübung der Gerichtsbarkeit in England diene tatsächlich der maintenaunce of publique and Christian peace, against certeine stirrers of sedition, and adherents to the traytors and enemies of the realme. Der Vorwurf der Glaubensverfolgung diene nur dazu, die Staatsverbrechen (treasons) zu kaschieren: It hath bene in all ages and in all countries, a common vsage of all offendors for the most part, both great and small, to make defence of their lewd and vnlawful facts by vntruths, and by colouring and couering their deedes (were they neuer so vile) with pretences of some other causes of contrarie operations or effects: to the intent not onley to auoid punishment or shame, but to continue, vphold, and prosecute their wicked attempts, to the full satisfaction of their disordered and malicious appetites.45

In England habe man es in letzter Zeit mit Untertanen der Königin zu tun gehabt, die zwar nach außen hin Gehorsam simulierten (professed outwardly their obedience to their soueraigne Lady), die aber tatsächlich sowohl in England als auch in Irland Aufruhr und Gewalt angezettelt hätten, inducing by notable vntruthes many simple people to followe and assist them in their traitorous actions.46 Wiederholt hätten diese Leute versucht, Königin Elisabeth vom Thron zu stoßen, and to haue traiterously 42 43 44

45 46

Zuletzt dazu Jones, Governing by virtue, 206ff. Kilroy, Edmund Campion, 365. Die Übersetzungen wurden jeweils in London gedruckt, bis auf die holländische Ausgabe, die in Middelburg in Zeeland erschien. 1584 erschien auch in Frankfurt am Main eine lateinische Ausgabe (Iustitia Britannica Per quam liquet perspicue aliquot in eo regno perditos ciues). Burghley, The execution of justice, A.ii. Zu Burghleys Unterscheidung zwischen Religion und Verbrechen zuletzt Monta, Rendering unto Caesar, hier 72ff. Burghley, The execution of justice, A.ii.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

159

set in her place some other whom they liked, whereby if they had not been speedily resisted, they would haue committed great bloodsheds and slaughters of her Majesties faithful subjects, and ruined their natiue Country.47 Auch bei Burghley waren die Rebellion im Norden (1569), die Exkommunikation der Königin (an antichristian and tyrannous warrant) und die Aufstände in Irland Teile eines von Rom gesteuerten Geheimplans, um das genannte Ziel  – den Austausch der protestantischen Königin gegen some other whom they liked – zu erreichen. Da aber fire and sword bislang wenig hätten ausrichten können, sei man in Rom auf einen anderen Gedanken verfallen: In sogenannten Priesterseminaren sollten Personen in der Kunst des Umsturzes ausgebildet werden, die dann auf geheimen Wegen nach England geschickt und sich dort als Priester ausgeben würden (some of other inferior orders, with titles of ‚Seminaries‘, for some of the meaner sort, and of Iesuits for the stagers and ranker sort and such like). Mit sich führen sollten diese Leute certeine Romish trash wie geweihten Wachs, their ‚Agnus Dei‘, Rosenkränze und solche Dinge, womit sie die einfachen Leute verführen und die Mär von der absolute authorite des Papstes glauben machen sollten. Wenn nun nicht Gott selbst diesen wicked and dangerous, traiterous and craftie course aufgedeckt und zunichte gemacht hätte, dann wären daraus horrible vprores in the realmes, and a manifest blooddy destruction of great multitudes of Christians entstanden.48 Gott selber habe also dazu beigetragen, some of these sedicious seedemen, and sowers of Rebellion zu enttarnen, die dann wegen Hochverrats und nicht wegen questions of religion angeklagt, verurteilt und hingerichtet worden seien.49 Daher habe man auch bei den zurückliegenden Gerichtsverfahren kein neues Recht anwenden müssen – schon gar keine Häresiegesetze wie slaunderous libellers böswillig behaupteten –, sondern lediglich the auncient temporall lawes of the realme, and namely by the lawes of Parliament made in King Edward the thirds time, about the year of our Lord, 1330, which is aboue 200 yeares and more past, when the Bishops of Rome and Popes were suffered to have their authoritie Ecclesiastical in this realme as they had in many other countries.50

Burghley begründete das juristische Vorgehen gegen die Missionare somit als folgerichtige Reaktion des Souveräns auf gemeingefährliche Verschwörer und Verräter, deren Agitationen das Land mit Tod und Verwüstung hätten überziehen können. Es sei die Pflicht eines jeden Fürsten in der Christenheit die floods of blood, which, in ciuill warres are seen to runne and flowe, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern, mit dem Schwert und mit dem Gesetz. Bei der Execution of Justice in England handele es sich um den höchst nötigen Kampf gegen manifest and daungerous coulourable practises, and workes of sedition and rebellion. Man gehe nicht gegen gewöhnliche Verbrecher (offendors) vor, sondern gegen Verräter, adhering to the capitall enemy of her Maiestie.51 Diese Leute seien 47 48 49 50 51

Ebd., A.iiv. Burghley, The execution of justice, A.iiii. Ebd., Aiiiv. Ebd., A.iiii. Ebd., A.iiii.

160

1550–1650: Rhetorisches Regime

mit Recht zum Tode verurteilt und hingerichtet worden, weil sie sich gegen die Königin verschworen hätten (these persons were iustly condemned of treason, and lawfully executed by the auncient lawes temporall of the Realme, without any other matter then for their practizes and conspiracies both abroade and at home against the Queene). Wenn nun im Ausland immer wieder die Rede davon sei, es handele sich bei den Hingerichteten um martyrs (who) haue dyed for defence of the Catholique Religion, dann müsse man präzisieren: sie starben as martyrs for the Pope, but yet as traitours to their Soueraigne.52 Als Mittel zur Rechtfertigung der juristischen Praktiken dürfte Burghleys Pamphlet nur begrenzt erfolgreich gewesen sein.53 Es ist aber eine hervorragende Quelle für die Paranoia im Kreis der königlichen Räte und Sekretäre, für den tief sitzenden Glauben an die ubiquitären Machinationen gefährlicher Verschwörer, für eine, wenn man so will, konspirative Gouvernementalität. Die englischen Justizakteure gingen demnach nicht eigentlich gegen Straftäter vor, sondern vielmehr gegen Feinde. Von denen wimmelt es in diesem Pamphlet und auch in zahlreichen anderen antikatholischen Drucken dieser Zeit: von traytors and enemies of the Realme, open and forreine enemies, rebels or open enemies, Gods enemies und dem Papst als capitall enemy of her Maiestie and her Crowne.54 Im Unterschied zu modernen Konzeptionen eines „Feindstrafrechts“ plädiert Burghley allerdings gerade nicht für ein Sonderstrafrecht, zumindest nicht in dieser nach außen gerichteten Darstellung.55 Es pochte vielmehr darauf, dass sich die Exceution of Justice in England vollkommen im Rahmen des Common Law bewege. Aus diesem Grund umging Burghleys Apologie der englischen Gerichtsbarkeit auch das Thema Folter. Aber es schaffte das Szenario für ihre Anwendung. Es genauer auszumalen, überließ er anderen. Nortons Feindstrafrecht Das 1583 anonym erschienene, offiziös wirkende und tatsächlich von Thomas Norton stammende Pamphlet A declaration of the fauourable dealing of her Maiesties commissioners verschwieg den Einsatz der Folter dann nicht mehr und zeigte das englische Feindstrafrecht in Aktion.56 Es sei richtig, heißt es dort, dass man den Verrätern unter bestimmten Umständen Gewalt angetan habe, wohlgemerkt: Verrätern, deren Schuld schon feststand und von denen man auf diese Weise nur noch weitere Informationen gefordert habe, die sie im gewaltlosen Verhör hartnäckig verweigert hätten. Unschuldige oder Katholiken als solche seien aber zu keiner Zeit gefoltert worden, schon gar nicht, um ihnen Geständnisse abzupressen: the party so racked, or tortured, was guylty, and did know, and could deliuer trueth of the thinges wherewith he was charged, […] no innocent was at any time tormented, 52 53 54 55 56

Burghley, The execution of justice, A.iiii. Kilroy, Edmund Campion, 370ff. Allen, A briefe historie, pass. Vgl. zum „Feindstrafrecht“ Frankenberg, Staatstechnik, 259–261. Zu Burghleys Autorschaft vgl. Hanson, Torture and truth in renaissance England, 81.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

161

and the racke was neuer used to wing out confessions.57 Auch habe man sie unter der Folter nicht zu ihren Glaubensüberzeugungen befragt, sondern nur zu ihren Verwicklungen in Verschwörungen, only with what persons at home, or abroad, and touching what plots, practices and conferences they had dealt about attemps against her Majesties estate or person, or to alter the Lawes of the Realme for matters of Religion, by treason or by force.58 Für die Anwendung der Folter bei den bloody questions gab es für Norton auch einen guten Grund: Bei ihrem Prozess hätten sie nämlich darauf insistiert, die treuesten und gehorsamsten Untertanen zu sein. Als der Kronanwalt sie dann aber gefragt habe, whether they would so obey and be true subiectes, if the Pope commanded the contrary, seien ihre Antworten heuchlerisch und sophistisch gewesen. Es sei daher unumgänglich, sichere Beweise zu haben, nämlich handschriftlich verfasste Geständnisse, um solchen Irrlichtern sicheren Grund gegenüberzustellen. Die Verräter seien im Übrigen jedoch niemals so brutal angegangen und behandelt worden wie das in den katholischen Pamphleten behauptet worden sei. Was immer an Schrecklichem über Campion oder Briant behauptet werde: dass jener etwa vor lauter Schmerzen nicht mehr habe laufen können und dieser Lehm gegessen habe um nicht zu verdursten, dass alles sei böswillig erfunden worden. Briant habe sich etwa jederzeit sein Essen schriftlich bestellen können (man wollte auf diese Weise eine Handschriftenprobe erlangen, um zu wissen, welche Schriften von ihm stammten). Fast verhungert und verdurstet sei er also nur aufgrund seiner eigenen Hartnäckigkeit. Nach den Verhören hätten alle Priester noch laufen und ihre Unterschriften unter die Verhörprotokolle und Geständnisse setzen können. Protokolle und Unterschriften seien daher im Original bei der Hinrichtung gezeigt worden. Kurzum: Die Folter habe nur dazu gedient, sich nicht von den Heucheleien und Ausflüchten der Jesuiten vorführen zu lassen und um jene Wahrheiten festzuhalten, die schon längst festgestanden hätten. Dabei sei man jedesmal sehr behutsam vorgegangen: the proceeding to torture was always so slowly, so vnwillingly, and with so many prepararations of perswasions to spare themselues [that…] whosoeuer was present at those actions, must needes acknowledge in her Maiesties ministers, a ful purpose to follow the example of her owne most gratious disposition.59 In der Regierungszeit Elisabeths I. lassen sich über fünfzig Fälle von Folter identifizieren, mit einem Schwerpunkt in den 1580er und 1590er Jahren. Es handelte sich dabei stets um offizielle, durch einen königlichen Befehl (warrant) angeordnete Praktiken.60 Die englischen Minister und Kronjuristen blieben bei der Sprachregelung, dass die Folter nicht dazu diene, dem Angeklagten ein Geständnis abzupressen, sondern überhaupt erst einmal Informationen über den hoch bedrohlichen Verratsfall zu erhalten.61 Burghley erklärt an anderer Stelle, die Folter sei dann nötig, wenn sich jemand beim Verhör darauf versteife, nur wegen Glaubensfragen verhaf57 58 59 60 61

Kingdon, The Execution of Justice in England by William Cecil, 48. Anon., A declaration of the fauourable dealing, A.a.ii.v. Ebd., A.a.iii.r. Langbein, Torture and the law of proof, 94–123. Hanson, Torture and truth in renaissance England, 58.

162

1550–1650: Rhetorisches Regime

tet worden zu sein. Solche Behauptungen führten stets auf Abwege, während man aber doch dringend über die gefährlichen Verrätereien Bescheid wissen müsse.62 An der Interpretation, wonach die Folter bei Hochverrat nur zur Ermittlung in Gebrauch sei, aber vor Gericht nicht als Beweis eingesetzt werde, hielt auch Francis Bacon 1603 in einem Brief an den neuen König Jakob I. fest: By the Laws of England no man is bound to accuse himself. In the highest cases of treasons, torture is used for discovery, and not for evidence.63 Auf diese Weise werde das Prinzip des englischen Rechts, wonach sich niemand selbst belasten müsse, nicht verletzt. Den Versuch, zwischen Common Law und Folter zu unterscheiden, hatte – kritisch – auch John Selden im Sinn, der erklärte: But in England they take a man and rack him I do not know why, nor when, not in time of Judicature, but when somebody bids.64 ‘Not in time of Judicature’. Die Folterung von Sir Francis Throckmorton Im Unterschied zum kontinentalen Recht, wo die Folter ein formal geregelter Bestandteil des Strafverfahrens war, das dazu diente, dem Inquisiten auf der Grundlage einer hinreichenden Indizienlage sein Geständnis abzupressen (nach der Überzeugung confessio es regina probationum)65, konnte sie im englischen Strafprozess nicht offiziell und auf der öffentlichen Bühne zur Darstellung kommen, sie war, wie Selden formulierte, unmöglich in time of Judicature. Sie musste zeitlich und räumlich vom Verfahren ferngehalten werden. Eben diese subtile Unterscheidung galt es diskursiv zu vermitteln. Ein konkreter Anlass dazu bot sich nach Prozess und Hinrichtung des Francis Throckmorton 1584. Sir Francis Throckmorton, ein Neffe des 1571 verstorbenen Sir Nicholas, gehörte zum katholischen Teil dieser Gentry-Familie. Seit 1579 hatte er im Untergrund agiert, war etwa zu englischen Exulanten nach Spa in den südlichen Niederlanden gereist, mit denen er über die Invasion katholischer Mächte in England fabuliert hatte. Er flog auf, als er im November 1583 dem französischen Botschafter in England anvertraute, dass er Maria Stuart Geld geschickt habe. Walsinghams Spitzel hatten ihn bei seiner Prahlerei belauscht. Er wurde verhaftet, und in seinem Haus fanden sich Briefe, aus denen ersichtlich wurde, dass tatsächlich eine Verschwörung unter Beteiligung katholischer Adliger in England mit dem Herzog von Guise und mit den Spaniern im Gange war. Das Ziel war, Elisabeth zu töten und Maria Stuart auf den Thron zu setzen.66 Throckmorton wurde gefoltert, als man während seiner Verhöre zu der Auffassung gelangte, dass er noch etwas verheimlichte. Genau dieses Vorgehen hatte 62 63 64 65 66

Zit. nach Hanson, Torture and truth in renaissance England, 60. Spedding / Ellis / Heath, The works of Francis Bacon, 114. In den Table Talks, zitiert nach Hanson, Torture and truth in renaissance England, 58. Dazu und auch zum Normwandel der Folter im frühneuzeitlichen Strafprozess Oestmann, Rechtmäßige und rechtswidrige Folter im gemeinen Strafprozess. Alford, The watchers, 158ff.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

163

Burghley in seinen Pamphleten vorgezeichnet, und es scheint auch so praktiziert worden zu sein. Bei seinem Prozess in der Guildhall, am 21. Mai 1584, stritt er indes alles ab und führte sein Geständnis auf die Folter zurück. Eben dieser Vorwurf machte aus der Sache eine neue Affäre, zumal es sich in diesem Fall um einen Angehörigen der englischen Oberschicht handelte, der seine Foltervorwürfe und Unschuldsbehauptungen auch noch einmal am 10. Juli auf dem Schafott wiederholte. Die Obrigkeit glaubte nach der Hinrichtung, den öffentlich artikulierten Irritationen, dem doubt or scruple […] of his just condemnation, publizistisch entgegentreten zu müssen. Damit wurde wiederum Thomas Norton beauftragt.67 Nortons Pamphlet trug in diesem Fall den Titel A Discouerie of the treasons practised and attempted against the Queenes Maiestie and the realme, by Francis Throckemorton.68 Wie schon in der Declaration of the fauourable dealing wurde auch hier der Einsatz der Folter keineswegs geleugnet. Norton beharrte darauf, dass sie vielmehr ein höchst notwendiges und für die Sicherheit von Staat, Religion und Krone förderliches Instrument sei. Als man Throckmorton aufgrund von secret intelligence verhaftet habe, sei man über das Ausmaß der Verschwörung überhaupt nicht im Bilde gewesen, aber nach dem peinlichen Verhör habe man gewusst, welcher großen Gefahr man eigentlich ausgesetzt gewesen sei. Ganz im Sinne der obrigkeitlichen Sprachregelung stellte Norton die Folter als alternativloses Instrument der Informationsgewinnung vor. Zudem sei Throckmorton auch nur ein bisschen gefoltert worden (somewhat pinched, although not much), er habe jedenfalls keine körperlichen Schäden davongetragen.69 Im Anschluss daran habe er im Übrigen ein freiwilliges Geständnis abgelegt, und nur darauf, nicht auf die Aussagen bei der Folter, habe die Anklage gegründet. Zudem verfüge man auch über die bei ihm gefundenen Briefe.70 Es habe sich daher bei dem Prozess um ein ordentliches Verfahren gehandelt (due and orderly proceedings).71 Um zu demonstrieren, was durch die Folter alles bekannt geworden sei, breitete Norton ausführlich die gewonnenen Erkenntnisse über die Verstrickungen des Herzogs von Guise und des spanischen Botschafters, Bernadino de Mendoza, aus. Anschließend bestellte er die Leser zum Richter darüber: they have bene here inserted, to the end you may better iudge of the proofes, presumptions, and circumstances following, by comparing the matters with their accidents, and so consequently see the falsehood of the Traitor, the iust and honourable proceedings of her Maiesties, and the honest and loyall endeuours of her Ministers implyed in the discouering of the treasons.72 67 68

69 70 71 72

Lake, Bad Queen Bess, 112ff. [Norton], A discouerie of the treasons. Eine lateinische Ausgabe folgte im gleichen Jahr. Handschriftliche Vorarbeiten für dieses Pamphlet finden sich in den State Papers unter dem Titel A treatise in justification of the trial and condemnation of Francis Throckmorton, setting froth the principal acts of treaseon proved against him, in: TNA SP 12/171/ f.155. Zit. nach Graves, Thomas Norton, 40. Diese waren aber vermutlich für die Anklage wertlos, weswegen man wohl auch zur Folter gegriffen hatte. [Norton], A discouerie of the treasons, A.i. Ebd., B.i.

164

1550–1650: Rhetorisches Regime

Der öffentliche Leser (you) sollte buchstäblich mit Blick auf diese Beweislage urteilen, dass Throckmorton entgegen seiner eigenen unverschämten (impudent) Behauptungen zu Recht verurteilt und hingerichtet worden war: By this discourse, contayning the principall heads of his treasons, and the proofes and circumstances of the same, you […] will clearly perciue howe impudently and untrvly he denyed, at his arraignment, the truth of his confessions, charging her Maiestie with vntruths, in their proceedings against him.73 Norton versuchte also, Folter und Gerichtsprozess voneinander zu trennen. Dreh- und Angelpunkt seiner Argumentation war der akute Zustand höchster Gefahr durch eine Verschwörung, bei der Königin Elisabeth hätte beseitigt werden und mit französisch-spanischer Unterstützung Maria Stuart auf den Thron hätte kommen sollen. Die Protestanten wären dabei in ihrem eigenen Blut ertrunken. Wenn aber, so fragte Norton rhetorisch, solche Gefahren nur dann aufzudecken und zu verhüten seien, wenn dabei die Streckbank zum Einsatz komme, leide dann wirklich das Recht? Und würden nicht alle Fürsten bei einer solchen Gefahr die Folter als letztes Mittel anwenden (the onely means left vnto princes to discouer treasons and attemps against their states and persons)?74 Doch diese Frage war keine Einladung zur offenen Debatte über die Legitimität der Folter. Denn derjenige, so schloss das Pamphlet drohend, der hier das Recht verletzt sehe, müsse wohl selbst ein friend to traitours and treasons, and an enemie to the Queen’s Maiestie sein. Wie ambivalent der Einsatz der Folter aber tatsächlich blieb und wie wichtig es war, öffentlich zu behaupten, dass sie nicht in time of Judicature (John Selden) vorkam, zeigte der Prozess gegen den Jesuiten Robert Southwell 1595. Der Priester Thomas Leake, der dabei zugesehen hatte, notierte, dass der Friedensrichter Richard Topcliffe Southwells Anschuldigung, von ihm nicht weniger als zehn Mal gefoltert worden zu sein, energisch zurückwies: If he weir rackt, let me die for it.75 Es stimmte sogar, dass der berüchtigte Folterer Topcliffe den Jesuiten Southwell nicht auf der Streckbank gequält hatte – jenem Folterinstrument, das durch Verstegans Bildpublizistik symbolisch für die Abgründe der englischen Strafjustiz stand. Allerdings hatte Topcliffe 1592 eine neue Folterweise ersonnen (und dafür die Zustimmung der Königin erhalten): Dabei wurden die Opfer mit Eisenringen an Händen und Füßen aufrecht stehend tagelang an einer Wand fixiert. Es handelte sich dabei um eine Marter, die noch nicht den Namen Folter bekommen hatte – auch Southwell erklärte it was as evill a Torture, of late devise76 –, und die Topcliffe daher die Gelegenheit gab, den Vorwurf abzustreiten. Ihm war offensichtlich daran gelegen, dass Folterungen beim Prozess nicht zum Thema gemacht würden. Eine wirklich überzeugende Erklärung dafür, wie sich das gewaltsame Vorgehen der Justizakteure mit der offiziellen Selbstdarstellung des Common Law als folterfreie Verfahrensweise vertrug, konnte von den Vertretern der Obrigkeit also zu keinem Zeitpunkt vorgelegt werden. Es blieb nur der Verweis auf einen durch 73 74 75 76

[Norton], A discouerie of the treasons, B.i. Ebd., A discouerie of the treasons, C.iiiiv. Pollen, Unpublished documents, 335. Ebd.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

165

die Präsenz von feindlich gesinnten Verrätern erzeugten Ausnahmezustand, der besondere Maßnahmen nötig machte. Die Darstellung dieser Vorgehensweisen durch die obrigkeitlichen Publizisten blieb allerdings stets widersprüchlich: Burghley pochte darauf, dass die bestehenden Gesetze und Prozeduren hinreichend seien, um mit den Feind-Verrätern fertig zu werden. Er stritt die Notwendigkeit eines gesonderten Feindstrafrechts also ab. Die Publizistik Nortons insinuierte dagegen eher das Gegenteil, einhergehend mit der Behauptung, dass sich die Funktion der Folter auf die allgemeine Sachverhaltsklärung einerseits und die akute Gefahrenabwehr (Enttarnung weiterer Verschwörer) andererseits beschränken ließe. Der gerichtliche Prozess des Entscheidens bliebe davon unberührt. Kurzum: Alle Versuche, der Anwendung der Folter eine bestimmte Logik zuzuschreiben, führten zu Paradoxien, die auch schon den Zeitgenossen aufgefallen waren. Für die weitere Verfahrensgeschichte hatten diese Paradoxien allerdings zur Folge, dass man auf den Einsatz von Folterpraktiken entweder verzichtete oder aber, im Falle der katholischen Missionare um und nach 1600, Folter so weit wie möglich kaschierte und negierte. Wenn man so will, lernte das sich ausbildende englische Rechtssystem aus diesen Paradoxien. 3. FÄLLE FÜR DIE GESCHICHTSBÜCHER Zwischen 1585 und 1603 wurden zwar mit 198 Hochverratsprozessen die meisten Verfahren gegen katholische Missionarien elisabethanischer Zeit durchgeführt. Diese wurden aber nicht mehr, wie im Kontext der Campion-Affäre, publizistisch gerechtfertigt. Zum Gegenstand von Flugschriften avancierten nach 1585 lediglich zwei Fälle. Beide zeichneten sich dadurch aus, dass Folter dabei keine Rolle gespielt hatte. Es handelte sich um die Prozesse gegen William Parry 1585 und gegen die Babington-Verschwörer 1586. Die Dokumentation konnte beide Male dazu genutzt werden, um die englische Strafrechtspraxis in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen: Bei Parry bot sich die Gelegenheit, das Beweismaterial zu veröffentlichen, um auf diese Weise einen ungünstig verlaufenen Prozess und sein Urteil zu legitimieren. Der Babington-Prozess war wiederum der Ort, an dem zum ersten Mal eine nicht paranoide, sondern juristische Verschwörungstheorie vorgeführt wurde. Zuvor wird auch der Fall des Jesuiten und vormaligen Prozessbeobachters Thomas Alfield besprochen, an dem deutlich wird, inwiefern obrigkeitliche Prozessdokumentationen auch zur Traditionsbildung gedacht waren. William Parry, 1585 Der Fall Parry ist bis heute ziemlich undurchsichtig, vermutlich hat er sich am Ende in seinen eigenen Intrigen verfangen.77 Um seinen Gläubigern zu entgehen, 77

Hicks, The strange case of Dr. William Parry; Alford, The watchers, 139–151 u. 179–192.

166

1550–1650: Rhetorisches Regime

war der hochverschuldete Parry 1577 jedenfalls zuerst nach Italien und dann nach Paris geflohen. Von dort schrieb er 1580 Briefe an Burghley und bot ihm an, für ihn zu spionieren, wenn dieser dafür sein Patron werde. Was immer auch daraus geworden war: Parry agierte in der Folgezeit in der Art eines agent provocateur, der mit englisch-katholischen Exulanten, den Jesuiten und dem Kardinal Tolomeo di Como, Staatssekretär Gregors XIII., Pläne zur Ermordung Elisabeths I. ausheckte – und anschließend darüber nach London berichtete.78 Möglicherweise war er dabei aber selbst vom Glauben abgefallen, es ist nicht ganz klar, ob aus seiner Simulation des Hochverrats nicht wirklich Pläne geworden waren, die Königin umzubringen und Maria Stuart auf den Thron zu setzen. Als er im November 1584 mit einem Sitz im Unterhaus belohnt wurde, vertraute er sich jedenfalls seinem Abgeordnetenkollegen Edmund Neville mit solchen Andeutungen an. Angesichts des Umstands, dass dieses Parlament ganz im Zeichen der Sicherheitspolitik stand und nach dem Throckmorton-Plot allenthalben nach Verrätern Ausschau gehalten wurde, war dies ein gewagter Schritt.79 Ob Parry damit in Wirklichkeit Nevilles Loyalität testen wollte80, muss offen bleiben. Neville denunzierte Parry jedenfalls bei Walsingham, der ihn sofort festnehmen ließ. Nachdem ihn das Unterhaus am 18. Februar ausgeschlossen hatte, begann eine Woche später sein Prozess vor einer Spezialkommission in der Westminster Hall. Offenbar hatte man ihm einen ‚Deal‘ vorgeschlagen: Demnach sollte er sich vor Gericht schuldig bekennen, worauf man sein Geständnis und andere inkriminierende Schriften, darunter ein Schreiben des Kardinals di Como, verlesen wollte. Im Gegenzug werde er begnadigt. Aus Sicht der Obrigkeit war das Kardinalsschreiben die eigentliche Sensation, denn daraus wurde deutlich, dass die Kurie sehr wohl gegen Königin Elisabeth intrigierte und einem Attentäter die Absolution versprach. Den zwielichtigen Parry benötigte man eigentlich nur, um das Schreiben im Rahmen seines Falls öffentlich zu präsentieren und durch sein Geständnis zu authentifizieren. Ob die versprochene Begnadigung aber ernst gemeint war? Nachdem Parry das Stück bei seiner Verhandlung, am 18. Februar 1585, zunächst mitgespielt und wie abgemacht auf guilty plädiert hatte, überkamen ihn, während die Briefe vorgelesen wurden, Zweifel daran. Nach der Verlesung widerrief er jedenfalls postwendend sein Geständnis und erklärte, er habe dies nur unter der Folter abgelegt (die ihm tatsächlich ‚nur‘ angedroht worden war). Damit hatte er jedoch sein eigenes Schicksal besiegelt. Der ‚Deal‘ mit dem Gericht galt jetzt nicht mehr. Trotz seiner hartnäckigen Beteuerungen, unschuldig und gefoltert worden zu sein, wurde er zum Tode verurteilt, und im Lichte dieser Positionierungen schied eine Begnadigung natürlich aus. 78 79

80

Alford, The watchers, 139ff. In diesem Jahr wurde auch auf Betreiben von Walsingham und Burghley der sogenannte Bond of Association ins Leben gerufen, ein Vertrag auf freiwilliger Basis, der von zahlreichen Mitgliedern der politisch-sozialen Elite unterzeichnet wurde. Gegenstand des Bundes war die Absicht, gegen jeden, der Elizabeth gewaltsam beseitigen sollte, ebenfalls gewaltsam vorzugehen. Auf diese Weise sollte jeder Ursupationsversuch als vergeblich dargestellt werden, vgl. dazu Cressy, Binding the nation. Hicks, The strange case of Dr. William Parry, 355.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

167

Der Prozess war damit aus obrigkeitlicher Sicht überhaupt nicht erfolgreich verlaufen.81 Denn es ging ja nicht in erster Linie um eine Verurteilung Parrys (die man hätte forcieren können), sondern darum, das Schreiben des päpstlichen Staatsekretärs wie eine Trophäe präsentieren zu können. Doch stattdessen mussten sich Kronanwälte und Richter auf Parrys Behauptungen, Einwände und Vorwürfe einlassen. Parry wütete auch nach dem Todesurteil weiter und verlangte die Königin zu sehen. Er wurde schließlich von den Wachleuten aus der Westminster Hall fortgezerrt. Die Aufmerksamkeit richtete sich bei diesem Prozess daher ganz auf den vollkommen aus der Rolle eines Gentlemans fallenden Angeklagten einerseits und die Foltervorwürfe andererseits. Das römische Schreiben rückte dagegen in den Hintergrund. Gleichwohl konnte durch gedruckte Repräsentation des Prozesses, die nur zwei Tage nach dem Verfahren und noch vor der Hinrichtung erschienen war, nicht nur diese Scharte wieder ausgewetzt, sondern ein weiterer Beitrag zur Selbstdarstellung der englischen Strafjustiz geleistet werden. Gegenüber dem englischen Publikum musste dabei nicht viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Verurteilung und Hinrichtung waren allgemein bejubelt worden82, so dass man das Pamphlet A true and plaine declaration of the horrible treasons, practised by William Parry the traitor, das 1585 zweimal aufgelegt wurde, zu einem Exempel über die notorische Unaufrichtigkeit von Angeklagten vor Gericht machen konnte.83 Erst diese Chance zur Umdeutung des Geschehens erklärt, warum der eigentlich misslungene Prozess nicht unter den Teppich gekehrt, sondern auch noch publizistisch bekannt gemacht wurde. Der Fall Parry wurde zudem in Holinsheds Chronik von 1587 aufgenommen, also in die Selbstdarstellungen des elisabethanischen Regimes im Medium der Historiographie. Die Kompilatoren bedienten sich dabei großzügig aus der A true and plaine declaration. Auch in den historiographischen Medien der nachträglichen Verklärung dieses Zeitalters, in William Camdens Annales. The true and royall history of the famous empresse Elizabeth, queene of England (1625)84 und in John Strypes Annales of the reformation (1731), wurde der Fall mit seinen bemerkenswerten Wendungen berichtet. In seiner nachträglichen narrativen Aufbereitung handelte es sich um einen idealen Fall für die Geschichtsbücher, auch in ihren illustrierten Varianten: In George Carletons 1627 erschienener A thankfull remembrance of Gods mercy wurde Parry gezeigt, wie er mit gezücktem Dolch in der einen und mit dem römischen Absolutionsbrief in der anderen Hand hinter der Königin im Garten von Greenwich auftauchte (Abbildung 12). Eben dort wollte er, wie Neville aussagte, die Königin eigenhändig erstechen, was er dann aber nicht übers Herz gebracht habe. 81 82 83

84

Dazu im Detail Danou, Catholic treason trials in Elizabethan England. Alford, The watchers, 192. Natürlich kann man das Pamphlet auch als Forführung der öffentlichen Diskussion mit William Allen lesen so wie Lake, Bad Queen Bess, 178–193, dem man mittels des zutage geförderten Materials Belege für konspirative Umtriebe gegen Königin Elisabeth im katholischen Millieu entgegenhalten konnte. Auf einen singulären Nenner lässt sich das Pamphlet kaum bringen. Es handelt sich dabei um die englische Übersetzung von Camdens Annales rerum Anglicarum et Hibernicarum regnante Elizabetha, die ebenfalls 1625 erschienen war. Über Parry wird in Booke 3, 75ff. berichtet.

168

1550–1650: Rhetorisches Regime

Abb. 12: aus George Carleton, A thankfvll remembrance of Gods mercy, London 1627.

Die A true and plaine declaration of the horrible treasons dokumentiert zum einen das Verfahren, das zwar nicht wortwörtlich, aber doch mit ausführlichen Paraphrasen der Dialoge wiedergegeben wurde.85 Der Text wurde später nahezu wortgleich in die State Trials übernommen.86 Zum anderen präsentiert das Pamphlet wortgetreue Wiedergaben von Nevilles Aussage, Parrys Geständnis und Briefen di Comos an Parry, in denen dieser den Verrat gutheißt. Damit wurde das Beweismaterial, auf dem die Anklage beruhte, im Medium des Drucks der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Beim Prozess selbst war all dies zwar vom Kronanwalt vorgelesen worden: for the satisfaction of this great multitude, let the whole matter appeare, that euery one may see that the matter of it selfe is as bad as the indictment purporteth.87 Doch war die Botschaft im Tumult, den Parry veranstaltete, nicht richtig zur Geltung gekommen. A true and plain declaration holte das nicht nur nach. Durch die Kompilation von Briefen, Geständnissen und Verhörprotokollen stellte das Pamphlet sich dazu dar wie ein Dossier, dessen Leser sich ein Bild davonmachen konnte, auf welcher Beweisgrundlage das Todesurteil ergangen war und welche Glaubwürdigkeit Parrys Unschuldsbehauptungen dagegen haben konnten. Die Möglichkeiten der Drucktechnik für solche Legitimationsversuche lagen darin, verschiedene Texte miteinander zu verknüpfen und visuell zu akzentuieren. Bei 85 86 87

Anon., A true and plaine declaration, 27–39. 1 ST 1096–1112. Anon., A true and plaine declaration, 30.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

169

Abb. 13: Aus A true and plaine declaration of the horrible treasons, Faksimilierende Wiedergabe eines Briefes Kardinal di Comos mit der darunter stehenden englischen Übersetzung.

der Wiedergabe der Briefe wurde anstelle von Fraktur eine kursive Schrifttype eingesetzt, die den Eindruck von Handschrift erweckte. Am Ende der Briefe standen jeweils Datum und Verfasser, so wie bei ‚echten‘ Briefen auch (Abbildung 13). Mit dem Abdruck der Briefe gingen also Authentizitätsgesten einher.88 Zugleich wurden kurze Textteile interpoliert, die aus einer anderen Perspektive die ‚Echtheit‘ der Briefe und schriftlichen Geständnisse belegen sollten  – und zwar indem sie schilderten, auf welche Weise diese Texte entstanden und wie sie in die Hände der Obrigkeit gelangt waren. Über das Geständnis Parrys in einem Brief an die Königin hieß es: there was a letter written by him to her Maiestie, very voluntary, all of his owne hand, without any motion made to him.89 Ähnlich wurde auch zu einem Verhör im Tower, nachdem Parry ein anderes handschriftliches Geständnis verfasst hatte, berichtet: William Parry […] did voluntarie and without any constraint by woorde of mouth make confession of his saide Treason, and after, set it downe in writing all with his owne hand in his lodging in the Tower.90 Zudem wurde im Pamphlet Parry selbst unter die Lupe genommen und seine schon den Zeitgenossen merkwürdig und ungereimt vorkommende Lebensgeschichte als Ausweis für die Verkommenheit dieses Subjekts vorgeführt. Hatte er nicht versucht, einen seiner Gläubiger umzubringen? War nicht sein Umgang mit den Jesuiten und römischen Kardinälen eine einzige Kette von Dissimulationen? Erschien nicht sein ganzer Charakter als korrumpiert, arrogant und eitel? Hatte er nicht wiederholt die minderjährige Tochter seiner zweiten Frau vergewaltigt? Im Licht einer solchen Biographie, die das Pamphlet ausbreitete, konnte der Gerichtsprozess ganz anders gelesen werden: So widersprüchlich wie sein Leben war auch sein Auftritt vor Gericht. Wer einer solchen Person Glauben schenkte, war 88 89 90

So wie auch bei ähnlich gestalteten Verhörprotokollen, vgl. oben, S. 133. Anon., A true and plaine declaration, 19. Ebd., 11.

170

1550–1650: Rhetorisches Regime

naiv. Sein plötzlicher Sinneswandel, seine Behauptung, das Geständnis sei erfoltert worden, konnte als Gefasel eines Verrückten, womöglich vom Teufel Besessenen abgetan werden. Auch der Prozessverlauf selbst bot für eine solche Sinngebung Anknüpfungspunkte. Als ihm die Kronanwälte nach seinem Widerruf vorwarfen, die Unwahrheit zu sagen und ein Verräter zu sein, verlor er die Haltung, he cried out in a furious manner, I never meant to kill her: I will lay my blood upon Queen Elizabeth and you, before God and the world. And thereupon fell into a rage and evil words with the Queen’s Majesty’s attorney-general.91 Bis zum Ende des Prozesses schien sich Parry nicht wieder beruhigt zu haben. Das Todesurteil beantwortete er mit einem weiteren Zornesausbruch, diesmal gegen die Königin: Parry (persisting still in his Rage and Passion) said, I here summon Queen Elizabeth to answer for my Blood before God.92 Wie immer es sich mit der Überzeugungskraft dieses 1585 mehrfach aufgelegten Pamphlets verhalten haben mag93: Immerhin konnte man (und zwar noch bis ins 20. Jahrhundert!) den Eindruck erwecken, dass es sich bei Parry um einen sehr merkwürdigen und undurchsichtigen Fall gehandelt habe und dies am widersprüchlichen Verhalten des Angeklagten festmachen.94 Um aber jeden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils auszuräumen, wiesen die englischen Bischöfe ihre Prediger an, am Sonntag nach Parrys Hinrichtung (am 2. März 1585) zunächst über die teuflischen Verrätereien an der von Gott eingesetzten Königin zu predigen, dann Parrys Geständnis von den Kanzeln zu verlesen und schließlich ein Gebet anzustimmen, in dem sein Verrat als Teil der katholischen Superverschwörung dargestellt wurde, die nichts von ihrer ungeheuerlichen Bedrohlichkeit verloren habe und vor der nur Gott England schützen könne.95 In dem Gebet deutet sich, noch schemenhaft, eine Interpretation an, die in der Folgezeit wichtiger werden sollte: Der Verrat sei mit Gottes Hilfe aufgedeckt worden, und genau das beweise, dass es den Verrat gegeben und der Verräter zu Recht sein Leben verloren hatte. Thomas Alfield, 1585 1585 war auch der Priester und Pamphletist Thomas Alfield verhaftet worden. Nach Verhören und Folter im Londoner Newgate-Gefängnis wurde ihm dort am 5. Juli 1585 der öffentliche Prozess gemacht. Der Hauptanklagepunkt bestand darin, dass er William Allens neues Pamphlet A Trve, Sincere and Modest Defence of the English Catholiques, in England verbreitet habe. Mit der Verbreitung dieses Druckwerks wollte man den Tatbestand eines 1581 erlassenen Act against sedicious Wordes and Rumors uttered againste the Queenes moste excellent Majestie erfüllt 91 92 93 94 95

1 ST 1110. 1 ST 1112. Flankiert wurde es von einem weiteren Pamphlet von Phillip Stubbes, The intended treason. Hicks, The strange case of Dr. William Parry, 343. Anon., An order of praier.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

171

sehen.96 Man stößt hier auf eine Praxis, der man während der ganzen Untersuchung in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder begegnen wird: dass mit Gesetzen über aufrührerische Worte und Schriften (seditious words bzw. libel) gleichsam ein Hochverratsprozess zweiter Klasse geführt wurde.97 Das war immer dann der Fall, wenn einer Hochverratsanklage zu wenig Chancen eingeräumt wurden – weniger mit Blick auf die Entscheidung der Geschworenen (die man forcieren konnte), als hinsichtlich der öffentlichen Plausibilität dieser Anklage. Prozesse wegen seditious words entlasteten die Ankläger davon, dem Angeklagten ein imagining the King’s death nachweisen zu müssen. Es ging dann nur noch um die Frage, ob die Worte geäußert bzw. die inkriminierten Schriften verbreitet worden waren. Während dieses Delikt um 1800 mit Gefängnisstrafen geahndet wurde, stand 1585 darauf noch der Tod – und man hielt es schon für einen Ausweis größter Milde, die Verurteilten lediglich zu hängen und nicht, wie Verräter, auszuweiden und zu vierteilen.98 Zum Prozess ist ein Manuskript vorhanden, das ähnlich wie bei Parry und Throckmorton wohl in den Druck gehen sollte, was aber nicht geschah.99 Dennoch lässt auch schon die Komposition dieses Textes erkennen, dass es hier um die nachträgliche Behauptung eines nach den Maßstäben der Obrigkeit ordnungsgemäß verlaufenen Prozesses ging. Der Verfasser des Textes gewährt deswegen auch großzügig Raum für die Schilderung der Auftaktrituale – bildete doch schon diese Sequenz einen Unterschied zu den nach ganz anderen, dem Inquisitionsprozess nahekommenden Regeln abgehaltenen Ketzerprozessen aus der Zeit Maria Tudors. Warum das wichtig war, sollten während der Verhandlung die Vorwürfe des Angeklagten zeigen. So wurde aber zunächst einmal zum Auftakt die englische Schwurgerichtsbarkeit in all ihrer damals eigenen Förmlichkeit repräsentiert, und zwar beginnend mit den Beratungen der Grand Jury, bestehend aus, wie versichert wird, angesehenen und ehrenwerten Männern (Substannciall Jurie of the best Comminers). Der Verfasser des Textes hielt es keineswegs für überflüssig, die Auftaktrituale genau in Worte zu fassen: After that done the enqueste of Inquirie went vpp into the Councell Chamber at the Sessions hall, in which place Mr. Attorney & Mr. Soliciter did reade vnto the enqueste, the three seuerall Indictments. There the offenders, vppon good Evidence geven, were indicted, and Billa vera was sett vppon euerye one of them. The enquest was returned to the Courte; and, beinge called by name, they presented the Bylls to the Courte. The Towne Clarke received them and deliuered them to the Recorder and he openned them, and shewed them to the rest of the Justices, howe they were fownde. And there vppon the Towne Clerke was willed to call them to the barr, and soe to arraigne them, who begane first with Allfeilde. The indictment redd, he was demaunded whether he were gyltie of the matter conteyned in that Indictment.100 96 97 98 99 100

23 Eliz. c.2 s.2. Für die frühe Tudorzeit vgl. Wood, „A lyttull worde ys tresson”. Für das 16. Jahrhundert gibt es dazu lediglich das eher impressionistisch-essayistische Buch von Cressy, Dangerous talk. Manning, The Origins of the Doctrine of Sedition, 119. BL, Lansdowne MS, Vol. 45, Nr. 74, 162–163f. Ebd., 162f.

172

1550–1650: Rhetorisches Regime

With much adoe habe Alfield sich schließlich für nicht schuldig erklärt, damit konnte die Hauptverhandlung beginnen. In diesem Fall sagte der Angeklagte vergleichsweise viel. Doch von Seiten des Gerichts und der Kronanwälte ging niemand darauf ein. Alfield beharrte darauf, dass es hier um Religionsfragen ging, über die gewöhnliche Geschworene nicht zu entscheiden hätten. Darauf wurde ihm nur knapp geantwortet, es gehe nicht um Religion, sondern um ein Buch und die Frage, ob er es nach England geschmuggelt habe. Kaum dass er dies ausdrücklich bejaht hatte (he aunswered that he had brought ffyve or syx hundreth of the same bookes into the Realme and that he had disparced them), zogen sich die Geschworenen auch schon zu ihrer Beratung zurück. Dabei nahmen sie Allens Pamphlet, das Indictment und die Verhörprotokolle mit in ihre Beratung, um sie miteinander zu vergleichen. Nach, wie der Verfasser ausdrücklich notierte, angemessener Zeit (competent tyme) kehrten sie mit dem Schuldspruch zurück. In dem Manuskript wurde nicht darauf verzichtet, auch die rituellen Abschlusssequenzen des Prozesses zu schildern, die Allokution und die Strafpredigt des Richters, die Alfields Niedergang vom Eton-Schüler zum Aufrührer skizzierte. In diesem Fall war es also gelungen, die Macht des Verfahrens gegen den Angeklagten auszuspielen – zumindest in der nachträglichen Narration. Seine Versuche, sich als religiös Verfolgter darzustellen, ließ man (bzw. der Verfasser des Textes) ins Leere laufen. Stattdessen gelang es den Verfahrensveranstaltern, ihre Situationsdefinition durchzusetzen, wonach es in diesem Prozess nur um die Frage ging, ob er Allens Pamphlete verbreitet hatte oder nicht. Darauf eingelassen und darin verstrickt hatte sich Alfield durch sein offensives Bekenntnis: he affirmed expreslie that the booke was a good booke and lawfull.101 Das war alles, was man aus Sicht der Verfahrensveranstalter für eine Verurteilung wissen musste. Offenbar bot der Verlauf des Prozesses Anknüpfungspunkte dafür, Alfield ausdrücklich jede Gelehrsamkeit abzusprechen – und damit jene Kompetenz, die den Gerichten bei Prozessen gegen Jesuiten zuvor so viele Schwierigkeiten bereitet, aber auch Respekt abgenötigt hatte. Ausgerechnet der Umstand, dass er sich auf die Situationsdefinition des Gerichts eingelassen und nicht weiter auf seiner Argumentation beharrt hatte, unterminierte seine Selbstdarstellung, die im Text als eitel und arrogant bezeichnet wurde: This Allfeild appered to haue noe skill at all eyther in the old or newe Testiament; there appeared noe manner of learninge in him; he was bolde, stowte and arrogant. He behaved himselffe moore arrogantlie then any that ever the Commissioners had hard or seene in theire tymes. His words were such against her maiestie that all the people fell into a murmer. He never vsed one worde of reverence towards her highnes.102

Der Text gehörte zu den Papieren der engsten politischen Berater der Königin, der Staatssekretäre Walsingham, Burghley und einiger weniger anderer Personen. Diese sehr disparate und dezentral (im Tower, im Privatbesitz) überlieferte Quellengruppe erhielt später den Namen state papers. In diesem Fall zeigt die Kom101 102

British Library, Lansdowne MS, Vol. 45, Nr. 74, 162f. Ebd., 163f.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

173

position des Textes deutlich, dass es nicht darum ging, das Verfahren lediglich zu protokollieren. Vielmehr handelte es sich um die Stilisierung eines Prozessverlaufs, dessen Ordnung im besten, das Verhalten des Angeklagten aber (einmal mehr) in denkbar schlechtem Licht erscheinen sollte. Auch dieser Text war also prinzipiell als Antwort auf die von katholischer Seite erhobenen Vorwürfe über die execution of justice in England gedacht. Warum er dann aber nicht wie in so vielen anderen Fällen als Pamphlet veröffentlicht wurde, darüber lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise wurde der Prozess am Ende für nicht wichtig genug gehalten, um ihn auf der druckmedialen Ebene zu rechtfertigen. Möglicherweise hat der jüngere Fokus der Forschung auf eine elisabethanische „public sphere“, die mit Kontroverspublizistik, mit Pamphleten und illustrierten Flugschriften gleichgesetzt wurde103, aber auch übersehen, dass es am Ende des 16. Jahrhundert noch ein ganz anderes Adressatenfeld obrigkeitlicher Kommunikation gab, und zwar die Nachwelt, die im Medium der Chronistik erreicht werden sollte.104 So findet man eine Kurzfassung des Textes bei Holinshed, dessen 1587 erschienene Chronik unmittelbare Zeitgeschichte präsentierte. Kurz und bündig heißt es dort: On the fift daie of Iulie Thomas Awfeld a seminarie priest, and Thomas Weblie diar, Aufeld and Weblie hanged for publishing of seditious bookes. were arreigned at the sessions hall in the Old bailie, found guiltie, condemned, and had iudgement as fellons to be hanged: for publishing of bookes conteining false, seditious, and slanderous matter, to the defamation of our souereigne ladie the quéene, and to the excitation of insurrection and rebellion, as more at large appeareth in their indictments. These were on the next morrow, to wit, the sixt of Iulie, executed at Tiborne accordinglie.105

Die Babington-Bande, 1586 Als ein Fall für die Geschichtsbücher wurde auch der Prozess gegen die BabingtonBande erachtet. Anfang August 1586 verhafteten Walsinghams Männer in London dreizehn junge Männer (Anthony Babington, Chidiock Tichborne, Thomas Salisbury, Robert Barnewell, John Savage, Henry Donn, Edward Abington, Charles Tilney, Edward Jones, John Travers, John Charnock, Jerome Bellamy, Robert Gage) sowie den Priester John Ballard. Francis Walsingham, der königliche Spymaster, hatte in den Monaten zuvor eine Reihe von Briefen zwischen Maria Stuart, dem Priester Thomas Morgan (ihrem Verbindungsmann in Paris) sowie Anthony Babington (1561–1586) abgefangen. Aus dieser Korrespondenz ergab sich das Bild einer neuerlichen Verschwörung.106 In diesem Fall handelte es sich aber nicht nur 103 104 105 106

Vgl. dazu oben und zuletzt Lake, The politics of ‚popularity‘ and the public sphere. Auf die Bedeutung der Memoria für die Tudors weisen dezidiert hin Sharpe, Selling the Tudor monarchy; Weiand, Herrscherbilder und politische Normbildung. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1413. Walsingham hatte die Briefe aber nicht nur abgefangen, sondern auch fingiert. So ließ er in einen Brief von Maria Stuart an Babington hineinschreiben: I will be glad to know the names and qualities of the six gentlemen, which are to accomplish the designment [i. e. den Mord an Elisabeth I., A. K.], Pollen, Mary Queen of Scots and the Babington plot, 40, der Briefwechsel wird ebd. dokumentiert.

174

1550–1650: Rhetorisches Regime

um unrealistische Pläne Einzelner wie bei Throckmorton oder Parry, sondern um sehr konkrete und materiell fundierte Planungen, Maria Stuart zu befreien, Elisabeth zu töten und mit Hilfe spanischer Truppen gewaltsam eine katholische Monarchie zu restaurieren. Anthony Babington und seine Bande sollten dafür alles Nötige in England veranlassen, und das hieß konkret: Elisabeth umzubringen und Maria zu befreien. Walsingham hatte nun, was er lange gesucht hatte: handfeste Beweise dafür, dass die schottische Königin eine Verräterin war, die sich erwiesenermaßen an Planungen zur Ermordung Elisabeths beteiligt hatte. Kaum drei Monate später wurde Maria Stuart auf Schloss Fotheringhay nach einem außerordentlichen und nicht öffentlichen Prozess wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 8. Februar 1587 ebendort vollstreckt.107 Die Verschwörergruppe, die mit dem Namen des Anthony Babington identifiziert wurde, weil er das Komplott koordiniert und auch die konspirativen Treffen arrangiert hatte, wurde bereits am 13., 14. und 15. September 1586 in der Westminster Hall vor Gericht gestellt. 108 Die Babington-Verschwörer stammten aus Familien mit Rang und Namen, waren Gentlemen, und schon aus diesem Grund schied ein kurzer Prozess in der Manier, wie man sie gegen Jesuiten und andere katholische Priester veranstaltet hatte, aus. Die niederadlige Herkunft der Angeklagten war aber nicht der einzige Grund dafür, in der Westminster Hall und vor einer sechzehnköpfigen Spezialkommission nach den traditionellen Verfahrensregeln vorzugehen. Vielmehr sollte der Prozess auch den öffentlichen Teil der juristischen Abrechnung mit Maria Stuart bilden. Vor dem Babington-Prozess kannten in erster Linie Walsingham, Burghley und ihr engerer Zirkel Einzelheiten über die Absprachen zwischen der Babington-Bande, Maria Stuart und ihren Vertrauten. Nach dem Prozess bildeten die dort coram publico vorgeführten Informationen die Voraussetzung für den nicht-öffentlichen Prozess gegen die schottische Königin, dem zum Teil die gleichen Beweismittel zugrunde lagen, vor allem Verhörprotokolle von Mitgliedern der Babington-Bande. Nicht zuletzt aus diesem Grund gab es ein großes Interesse am Gelingen eines förmlichen Verfahrens in der Westminster Hall. Und schließlich diente der Prozess auch dazu, die Leistungsfähigkeit juristischer Praktiken vorzuführen – gleichsam als ein auf der Londoner Bühne präsentiertes Kontrastprogramm zu den in der Provinz geführten kurzen Prozessen. Die Voraussetzung dafür war allerdings, dass die Angeklagten (überwiegend) geständig waren. Wenn es in diesem Fall um eine Leistungsschau juridischer Entscheidungsfindung gehen sollte, dann durfte diese nicht mit Widerstreit und Dissens durch die Betroffenen über Gebühr belastet werden.

107 108

Dazu zuletzt Loades, The English state; Alford, The watchers, 207ff., 219ff., 223–240. Vgl. Babingtons Aussagen im Verhör bei Pollen, Mary Queen of Scots and the Babington plot, 56. Walsingham hatte sich vor seiner Verhaftung sogar mit Babington getroffen. Er wollte den Verschwörer dazu bewegen, für die Obrigkeit zu arbeiten, was Babington aber ablehnte, ohne zu ahnen, dass er sich trotzdem immer weiter in das Netz des Staatsekretärs verstrickte.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

175

Über den auf drei Tage verteilten Prozess liegt ein nicht zur direkten Veröffentlichung, sondern ebenfalls zur Traditionsbildung gedachtes Protokoll vor.109 Neben Holinsheds Chronik war auch die posthume panegyrische Historiographie von William Camden (1551–1623) der Ort für (gekürzte) Darstellungen.110 Allerdings war in diesem Fall auch das anwesende Publikum zentraler Adressat des Verfahrens, das man deswegen in die Westminster Hall verlegt hatte, damit möglichst viele zuschauen konnten. Bei aller Bedeutung von Druckpublizistik schon in elisabethanischer Zeit darf man die Wirkmacht performativer Präsenz nicht übersehen. Als Medium zur expressiven Darstellung der execution of justice besaßen interaktionsförmige Prozesse vor Publikum eine mindestens ebenso große Bedeutung wie die Pamphlete. Das Protokoll mit dem Titel The Arraignment of Anthony Babington erlaubt eine dichtere Annäherung an die Prozesspraxis als die summarischen und strategisch geglätteten Pamphlete bei Francis Throckmorton und William Parry. Damit bietet sich die Chance, zu untersuchen, was sich seit dem Prozess gegen Campion verändert hatte, besonders hinsichtlich juristischer Techniken im Indictment und bei der Zuschreibung von Mittäterschaft. Anders als bei Campion basierten die Babington-Prozesse nicht auf einer paranoiden, sondern auf einer entscheidbaren Verschwörungstheorie. Die juristische Konstruktion einer Verschwörung Am ersten und zweiten Verhandlungstag wurden zunächst sieben Angeklagte vorgeführt, darunter Babington, Savage und Ballard, die im Tower bereits umfängliche Geständnisse abgelegt hatten. Wie bei den anderen Verrats- und Verschwörungsfällen waren die Verhafteten zuvor intensiv verhört worden. In diesem Fall hatte man bei den Verhören allerdings versucht, die Verschwörer gegeneinander auszuspielen. Mit der vagen Aussicht auf Gnade sollten sie dazu gebracht werden, einander wechselseitig zu belasten. Während die Verhöre von Campion und seinen Gefährten dazu dienen sollten, weitere Missionare zu enttarnen, ging es bei den Verhören der Babington-Bande in erster Linie um ein Gefüge von Aussagen, aus denen die Mitwirkung aller Angeklagten an ein und demselben konspirativen Unternehmen, in dessen Zentrum Maria Stuart stand, deutlich werden sollte. Auch diesmal waren die Angeklagten nicht gefoltert worden, womöglich nicht einmal der Priester Ballard. Denn im Unterschied zu den jesuitischen Missionaren, die das Martyrium in Kauf nahmen, ging es den Angeklagten hier durchaus darum, ihr Leben zu retten und nicht durch hartnäckiges Leugnen als verstockt zu erscheinen. Sie hatten sich daher im Tower als recht gesprächig erwiesen und zu keiner 109

110

Der in den 1 ST 1127ff. abgedruckte Bericht des Verfahrens geht zurück auf das Manuskript The Arraignment of Anthony Babington […] in BL Stowe 396, fol. 29–66v. Dieses aus dem frühen 17. Jahrhundert stammende Manuskript wurde zuerst von Francis Hargrave in seiner Ausgabe der State Trials (1776) ediert; dazu Woudhuysen, Sir Philip Sidney and the circulation of manuscripts, 1558–1640, 177. Holinshed, The first and second volumes of Chronicles, 1555f.

176

1550–1650: Rhetorisches Regime

Abb. 14: Babington with his Complices in St. Giles fields, aus: George Carleton, A thankfvll remembrance of Gods mercy, London 1627.

Zeit abgestritten, dass es die Verschwörung tatsächlich gab.111 Bei einem Verhör gab Babington dem Staatsekretär Walsingham sogar eine Warnung mit auf den Weg: The discouery of our late practize will make the next better handled with more secresie and fewer conspirators [or] rather many sondry conspiracies, to thend if one fayle, som other may take effect, especially without delaye in execution which hath bin the ouerthrow of us and ours.112 Wie die Missionare mussten auch Babington und seine Kompagnons schriftliche Geständnisse aufsetzen oder zumindest solche unterschreiben: Confessed before us, and by him self also written at sundrie times betweene the eighteenth and Twentieth of Auguste 1586, notiert Burghley unter die Verhörprotokolle.113 Dass man unter den Geständigen sogar den Priester Ballard hatte, war für die Verfahrensveranstalter besonders willkommen. Anders als bei Parry sollte es diesmal zudem gelingen, die Geständnisbereitschaft aus den Vorverhören in die Prozesse zu überführen. Bei dem in der Westminster Hall konstituierten Gericht handelte es sich einmal mehr um eine Spezialkommission. Neben den Chefrichtern der CommonLaw-Gerichte saß auch Francis Walsingham auf der Richterbank. Nachdem alle Angeklagten vor die Schranken des Gerichts geführt worden waren und der Gerichtsrufer in ritueller Weise Ruhe befohlen hatte, verlas der clerk of the crown das 111 112 113

Vgl. die Verhörprotokolle bei Pollen, Mary Queen of Scots and the Babington plot, 49–97. Ebd., 86f. Ebd., 66.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

177

Indictment, das der jesuitische Historiker John H. Pollen 1922 in seiner Edition der Verhörakten außerordentlich umständlich genannt hat: „extraordinarily cumbersome as the legal style is“.114 Tatsächlich handelt es sich bei dem Text und seiner Narration aber nicht um ein Beispiel für die zeitübergreifende Schwerfälligkeit der Rechtssprache, sondern um eine Neuerung gegenüber dem paranoiden Stil der Verschwörungstheorie im Indictment von Edmund Campion. Die Sprache des Indictments macht in diesem Fall einen vergleichsweise sachlichen und deswegen tatsächlich umständlichen, fast schon langweiligen Eindruck. Dieser rührt daher, dass für jeden der einzelnen Anklagepunkte (Mordplan an der Königin, Vorbereitung einer Invasion päpstlichspanischer Truppen, Vorbereitung eines Aufstands in Wales, Befreiung Maria Stuarts, Mord an der Königin und ihrer Minister usw.) das immer wiederkehrende Szenario eines Treffens der Verschwörer bei dem Leprosenhaus der Pfarre St. Giles in the Fields, außerhalb der Stadtmauern, unterstellt wurde. Ein Beispiel aus dem viel längeren Text der Anklage mag dies vor Augen führen: Anthony Babington […] as false traitors against the crown, and the queen’s most excellent majesty, your true and natural sovereign; intending to put away the love of her majesty’s most loving subjects, the 5th day of June, in the 28th year of the reign of our sovereign lady queen Elizabeth, by the grace of God, &c. at St. Giles’s in the Fields, within the county of Middlesex, did falsely, horribly, traitorously and devilishly, conspire, conclude and agree, the queen’s most excellent majesty not only from her royal crown and dignity to depose, but also her to kill and slay; and sedition, insurrection and rebellion to stir up and procure, and the government of this realm, and the true and Christian religion therein planted to subvert, and the whole state thereof for to destroy […]. And afterwards the 9th day of June, that you [es folgen die Namen der Verschwörer, A.K.], went to St. Giles’s aforesaid, in the county of Middlesex aforesaid, traitorously to confer how and by what means your traitorous imagined practices might be brought to pass […].115

Im Unterschied zu dem schon für die Zeitgenossen unrealistisch klingenden Indictment bei Campion und seinen Mitangeklagten, bei dem so getan wurde, als lägen Rom und Paris nur einen Katzensprung auseinander, versuchte dieser Anklagetext, den Verschwörungsvorwurf mit der Nennung eines konkreten Ortes in London zu plausibilisieren. Nicht irgendwo beyond the seas, wie es in früheren Indictments hieß, sondern an einem bestimmten Ort bei London seien die teuflischen Hochverratspläne beraten und dann gemeinsam und einvernehmlich beschlossen worden, darunter jener Punkt, bei dem Verrat und Verschwörung in einem einzigen Akt kulminierten, als die Angeklagten absolutely resolved, mutually, one to the other, that they could not effectuate and complete this except by the killing and final destruction of our said lady the now Queen.116 114 115 116

Pollen, Mary Queen of Scots and the Babington plot, cxiii. 1 ST 1132f. Es handelt sich um die englische Übesetzung des lateinischen Originals im betreffenden Baga de Secretis, TNA KB 8/48. Pollen, Mary Queen of Scots and the Babington plot, cxiii.

178

1550–1650: Rhetorisches Regime

Dass alle konspirativ-hochverräterischen Beratungen stets bei dem Leprosenhaus von St. Giles vor sich gegangen seien, war eine juristische Fiktion, eine narrative Technik, um die Vorwürfe unter einem Gesichtspunkt zu bündeln und allen Beteiligten gleichermaßen zum Vorwurf zu machen. Allerdings handelte es sich, im Unterschied zu der Verschwörungstheorie in Campions Indictment, um eine plausibel klingende und damit brauchbare Fiktion. Diese Beratung von St. Giles avancierte daher auch in der späteren antikatholischen Publizistik zum Sinnbild der Babington-Verschwörung (Abbildung 14). Die Reduktion der Verschwörung auf eine (unterstellte) Beratung unter Anwesenden erwies sich für die weitere Strafrechtsgeschichte als Meilenstein. Eine kurze Geschichte des Delikts ‘Verschwörung’ Conspiracies und conspirators waren im 16. Jahrhundert etablierte Vokabeln der politisch-sozialen Sprache in England.117 Wie sich diese allerdings zum Verständnis von conspiracy im Common Law verhielt, war weniger klar. In der mittelalterlichen Tradition verstand man unter conspiracy zweierlei: Aus der römischen Antike stammte das Verständnis der conspiratio bzw. coniuratio – die Begriffe wurden seit dem 8. Jahrhundert synonym verwendet – als einer im Geheimen vorbereiteten Straftat gegen weltliche und geistliche Herrscher, bei der sich die Mitwirkenden durch den Eid – also auf Gedeih und Verderben – auf das Unternehmen verpflichteten. Dass es sich dabei sozusagen um eine Pervertierung des Eids als dem vormodernen Gründungs- und Erhaltungsprinzip politisch-sozialer Verbände handelte, wurde klar gesehen und galt entsprechend als schlimm.118 Die ersten gesetzlichen Regelungen der conspiratio als strafbares Delikt bezogen sich im hochmittelalterlichen England allerdings auf einen anderen Zusammenhang: Offenbar war es im Kontext der noch jungen Schwurgerichtsbarkeit zum Problem geworden, dass sich Ankläger und Geschworene miteinander verbündeten, um einer dritten Person zu schaden, also das Gerichtsverfahren missbrauchten. Aufgrund solcher Machenschaften wurden Personen fälschlicherweise sowohl für Straftaten als auch zu Schadensersatz verurteilt. Entsprechend heißt es in einem unter Edward I. 1304 erlassenen Statut: Conspirators be they that do confeder or bind themselves by Oath, Covenant, or other Alliance, that every of them shall aid and [bear] the other falsly and maliciously to indite, [or cause to indite] or falsly to move or maintain Pleas […].119 Obwohl es hier nicht um Verschwörungen in einem politischen Sinne ging, galt dieser Missbrauch des gerichtlichen Verfahrens dennoch als gefährlich und hart zu bestrafen. Die Assoziation von conspiracy als 117 118 119

Nicht zufällig erlebten zu dieser Zeit auch Übersetzungen und Adaptionen von Sallusts De coniuratione Catilinae eine Hochkonjunktur, vgl. dazu Lake, Bad Queen Bess, 84–89. Hardin, Crime of Conspiracy, 92f.; vgl. zur Begriffgeschichte auch Zwierlein / Graaf, Security and conspiracy in modern history, 9ff. 33 Edw. I. Stat. 2.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

179

ein die politisch-soziale Ordnung zersetzendes Verbrechen schwang auch schon hier mit.120 Eine dezidiert politische Deutung der Verschwörung als eidlich begründetes Bündnis gegen den König erfolgte unter dem ersten Tudor-Herrscher, Heinrich VII., und zwar im Kontext der später als ‚Rosenkrieg‘ beschriebenen Thronfolgewirren. Dieses 1486, also ein Jahr nach der Krönung, erlassene Gesetz diente der Herrschaftsabsicherung, indem es gegen den König gerichtete Intrigen und Verschwörungen in unzweideutiger Weise kriminalisierte. Im zeitgenössischen Englisch stellte das Gesetz fest: For somoch as by Quarelles, made to suche as hath been in greate auctoritie office and of Councell with Kynge of this roialme, hath ensued the Destruccion of Kynge and the neer undoyng of this Realme, so as yt hath appered evedently, when compassyng of the deth of such as were the Kyngs true Subgiettis was hadd, the destruccion of the prynce was ymagyned therby; And for the most party yt hath growen and ben occasioned by envy and malice of the Kyngs owne howsold Servantes, as nowe late lyke thyng was lykely to have ensued; And for somoch as by the Lawe of this land, yf actuell Dedis be not had, ther ys no remedy for such fals compassynges ymagynasions and confederses […] and so grete inconvenyence myght ensue if such ungodly demeanyng shuld not be straytly punysshed, or the actuall Dede were done.

In Zukunft sollten daher any confyderses, compassyngs, Consperaces, ymagynacions with any p[er]sone or p[er]sons, to destroy or murder the Kyng, or any lorde of thys realme, or eny other p[er]sone sworn to the Kyngs Councell […] vor ein trial by jury gebracht und gegebenenfalls als ein Common Law-Verbrechen (felony) geahndet werden.121 Mit diesem Gesetz deutete sich zum einen die Tendenz an, Verschwörungen als ein gottloses Unterfangen anzusehen, das an sich bestrafungswürdig sei, auch wenn das damit beabsichtigte Verbrechen gar nicht zur Ausführung gekommen war (grete inconvenyence myght ensue if such ungodly demeanyng shuld not be straytly punysshed).122 Zum anderen wies bereits die Wortwahl dieses Statuts eine semantische Nähe zum Hochverratsgesetz auf, wenn es hieß: confyderses, compassyngs, Consperaces, ymagynacions […] to destroy or murdre the Kyng. Die etwas nebulöse Substanz des Verständnisses von Hochverrat als compassing bzw. imaginig the King‘s death erhielt damit auch selbst eine Präzisierung, wenn damit übelwollende Intrigen und Bündnisse von Höflingen gegen den Herrscher gemeint waren (yf eny s[e]rvunt admytted to be his s[er]vaunt in his house […] make any confyderses, compassyngs, Consperaces, ymagynacions). Die Figur des Höflings als Verschwörer und Verräter prägte noch das Indictment im Prozess gegen Sir Nicholas Throckmorton, dem vorgeworfen wurde, dass er falſly and trayterouſly didſt conſpire and intend to depoſe and depriue the Q. 120 121 122

Winfield, History of conspiracy and abuse of legal procedure, 99ff. 3 Hen. VII. c. 14. Zur (schon im späten 14. Jahrhundert einsetzenden) Ausdifferenzierung von conspiracy als eigenständigem Delikt vgl. Bryan, Law of Conspiracy, 54–65.

180

1550–1650: Rhetorisches Regime

of hir royal eſtate, and ſo finally deſtroy hir.123 Bei den vermeintlichen Verschwörern und Hochverrätern seit den 1580er Jahren handelte es sich aber nicht mehr um die Kyngs owne howsold Servantes, sondern um Personen ohne Zutritt zum Hof, bei denen es erst noch zu plausibilisieren galt, inwiefern sie der Königin gefährlich werden konnten. Behauptungen wie im Fall von Campion und den anderen Jesuiten – that these men, when they were beyond the seas: the generall agréement and determination amongest them, was to worke the death of our most gratious princess – waren dann geeignete Versatzstücke, wenn in der politischen Sprache vor Verschwörungen gewarnt wurde. Mit Richard Hofstadter lässt sich diese politische Sprache – genauer gesagt: ihr Stil – als paranoid bezeichnen, insofern sie durch „qualities of heated exaggeration, suspiciousness, and conspiratorial fantasy“ gekennzeichnet war.124 Dieser Stil ließ sich zwar für Zuspitzungen in den Pamphleten applizieren. Im juristischen Kontext wurde dieser Stil aber zum Problem, insofern die damit bezeichneten Sachverhalte für ein Gericht nicht entscheidbar waren. Im forensischen Kontext und seiner Sprache beruht Entscheidbarkeit auf Selbstreferenzialität: Geurteilt werden kann nur über das, was in der eigenen Sprache bereits als beurteilbar vorausgesetzt worden ist.125 Die Verortung der Verschwörung war eine solche entscheidbare Voraussetzung, die im Babington-Prozess zwar nicht zum ersten Mal126, aber doch zum ersten Mal in einer besonders öffentlichkeitswirksamen und einprägsamen Weise vorgeführt wurde. Die Verortung stützte zudem eine bereits im high treason-Statut von 1554 (also unter Maria Tudor) verfügte Regelung, wonach bei Hochverrat Helfershelfer genauso schuldig waren wie der oder die Haupttäter selbst (the Councellours Procurers Comforters and Abetters […] shall suffer like punishment penaltie and forfeiture as is conteined in this Acte against the principall Offenders).127 Offenbar hatten die Angeklagten im Babington-Fall tatsächlich nicht damit gerechnet, dass jeder unterschiedslos für die selben Verbrechen verantwortlich gemacht werden sollte. Die Angeklagten legten an diesem Punkt daher Widerspruch ein. Ballard etwa versuchte, sich nur in Bezug auf einige Punkte schuldig zu bekennen, nicht aber in Bezug auf den Mordplan an der Königin. Dieser Versuch eines Teilbekenntnisses wurde von den Richtern jedoch abgeblockt: Either deny the Indictment generally, or confess it generally.128 Mit dem verweigerten Teilgeständnis nötigten die Richter Ballard, sich in sämtlichen Punkten als schuldig zu bekennen und damit die der Anklage zugrundeliegende Verschwörungstheorie, wonach alle bei allem in hochverräterischer Weise mitgemacht hätten, zu sanktionieren.129Als Ballard immer noch zögerte, erinnerte man ihn an sein unterschriebenes Geständ123 124 125 126 127 128 129

Holinshed, The firste volume of the Chronicles, 1738. Hofstadter, The paranoid style in American politics, and other essays, 3. Seibert, Gerichtsrede, 143–154. Bereits im peer trial gegen den Herzog von Norfolk 1571 wurde dem Angeklagten unterstellt, dass er seine Verschwörung gegen die Königin im Londoner Charterhouse eingefädelt hätte, vgl. 1 ST 960. 1&2 Ph.&M. c.10, s.13. 1 ST 1135. Ebd.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

181

nis: Im Lichte dessen sei jedes weitere Taktieren unnütz und eitel (it is much vanity to stand vain-gloriously in denying it130). Ballard bekannte sich daher schließlich tatsächlich für schuldig in jenem Sinne, den die Anklage ihm aufgenötigt hatte. Anthony Babington schien wiederum nur darauf gewartet zu haben, sich schuldig zu bekennen. Er tat es, wie es hieß, entschlossen und mit heiterer Miene (with a mild countenance, a sober gesture, and a wonderful good grace).131 Dies war wohl ein weiterer Versuch, seine Haut zu retten, so wie er auch unmittelbar im Anschluss an den Prozess einen Bittbrief an die Königin schrieb, in dem er seine most horrible practises bedauerte. Nachdem sich auch alle anderen für schuldig bekannt hatten, hätte das Urteil eigentlich auf dem Fuße folgen können. Doch auch in diesem Fall hielten es die Kronanwälte für ratsam, jenes Beweismaterial vorlesen zu lassen, von dem sie glaubten, dass es für eine Verurteilung allemal ausgereich hätte: Then albeit nothing were to be done but Judgment to be given; yet for satisfying all the people, her majesty‘s learned Council gave in such Evidence, as would sufficiently prove the Indictment. Damit wurde als gerichtlicher Beweis vorgetragen, was nicht nur die Angeklagten, sondern auch die schottische Königin den Kopf kosten sollte.132 Neue Anklagetechniken Am dritten Prozesstag wurden unter der gleichen Anklage wie am Tag zuvor jene sieben Angeklagten vor Gericht gestellt, die bei den Vorverhören noch kein Geständnis abgelegt hatten. Darunter waren Edward Abington und Charles Tilney, auf deren Agieren hier allein geachtet werden soll. Im Unterschied zum ParryProzess wurde bei den Babington-Verschwörern nicht versucht, alle Angeklagten unbedingt zu einem öffentlichen Geständnis zu bringen und damit den Prozess als einen einzigen großen Bekenntnisakt auszugestalten. Man glaubte, durch die Vielzahl an vorliegenden und eigenhändig unterschriebenen Geständnissen genug in der Hand zu haben, um einen ordentlichen Schwurgerichtsprozess zu eröffnen. An diesem Verhandlungstag musste man also einen ‚echten‘ Prozess führen, während die Form des Verfahrens an den Tagen zuvor nur dazu gedient hatte, die Anklage, die neuartige juristische Verstrickungstheorie und vor allem die (auch für Maria Stuart fatalen) Geständnisse öffentlich vorzuführen. In der Hand hatten die Kronanwälte aber nicht nur Geständnisse von Babington, Ballard, Savage und anderen tags zuvor verurteilten Verrätern. Man hatte im Vorfeld auch aus ihren Verhören eine ganze Reihe von Passagen destilliert, die man nun gegen sie verwenden wollte. Was man bei diesem Prozess bzw. seinen textuellen Repräsentationen beobachten kann, ist also die fortschreitende Raffinierung der Anklagepraxis, in dem Sinne, dass die Kronanwälte Puckering, Popham und Egerton über Techniken und Materialien verfügten, die ihnen einen Vorsprung an Informationen und Verknüpfungsmöglichkeiten sicherten. So waren vor den 130 131 132

Ebd. Ebd. 1 ST 1137.

182

1550–1650: Rhetorisches Regime

Prozessen eigens für die drei Kronanwälte die wesentlichen Punkte aus den zahlreichen Verhören der vierzehn Angeklagten in einer Art Dossier zusammengestellt worden (A summary of the examinations and confessions of the conspirators133). Diese summary induzierte durch optische Hervorhebungen Stellen, wo sich die Verhörten wechselseitig belasteten. Die Kompilation sollte den Kronanwälten auch durch ihr Layout mit Einrückungen, Absätzen, Nummerierungen oder Randbemerkungen einen schnellen Zugriff auf die relevanten Informationen während des laufenden Prozesses ermöglichen. Es handelte sich also um einen Text, der für die Nutzung in einer Interaktionssituation gedacht war und dem Nutzer einen strategischen Vorteil sichern sollte. Dass die Kronanwälte meinten, auf ein Instrument wie die summary angewiesen zu sein, zeigt vor allem eines: Der Prozess war nicht in dem Sinne vorentschieden, dass es gleichgültig war, wie sie sich präsentierten. Wenn es auch klar war, dass Abington und die anderen das Todesurteil bekommen sollten, so mussten die Kronanwälte zur Herbeiführung dieser Entscheidung doch vor Publikum eine sinnstiftende Linie zeichnen. Die Todesurteile gegen die Babington-Bande ließen sich nicht einfach durch die allgemeine politische Situation rechtfertigen, sondern beruhten auch in diesem Fall auf der Macht, die ein Gerichtsverfahren dafür bereitstellen konnte. Nachdem die Angeklagten auf not guilty plädiert hatten, wurde gegen Abington nicht nur das belastende Geständnis Ballards vorgelesen, dessen Zeugnis von besonderem Wert war, weil damit ein Priester seine katholischen Mitverschwörer verriet und ihm deswegen besondere Glaubwürdigkeit beigemessen wurde. Man wollte Abington damit auch öffentlich einer Lüge überführen. Er hatte bei einem Verhör nämlich gesagt, dass er keinen Ballard kenne. Ballard aber hatte ausgesagt, ihn zu kennen. Zudem hatte Abington selbst bei einem anderen Verhör gesagt, Ballard schon lange nicht mehr gesehen zu haben: Also kannte er ihn doch! Abington selbst hatte bis zu diesem Zeitpunkt des Prozesses im Übrigen noch kein Wort gesagt. Während der Verhandlung waren bislang vielmehr Dialoge aus anderen Verfahren und Verhören reproduziert worden. Daran zeigte sich eine technische Leistung von Gerichtsverfahren, die auch in Zukunft wichtig bleiben sollte: Nämlich den Angeklagten mit Dialogen aus zurückliegenden Episoden zu konfrontieren, die ihm wie Tatsachen vorgehalten werden können.134 Die Prominenz dieser Strategie in den Verfahren der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts  – schon Sir Nicholas Throckmorton waren Depositionen vorgehalten worden und noch im Fall von Henry Walpole 1595 zeigte man sein mit zittriger Hand unterschriebenes Verhörprotokoll vor135 – macht noch einmal deutlich, dass Zeugenbefragungen, die von der Forschung als überhistorisches Mittel gerichtlicher Wahrheitsfindung behandelt werden, um 1600 nur eine untergeordnete Rolle spielten. Bei den Babington-Prozessen wurde nicht ein einziger Zeuge gehört. Als sich Abington mit einer eidesstattlichen Unschuldsbehauptung zu Wort meldete (I protest before heaven and earth, as I am a true Christian, I never knew thereof), 133 134 135

British Libray, Cotton MS Caligula C IX, Vol. 2, fol. 413–426v. Scheffer / Michaeler / Schank, Starke und schwache Verfahren, 432f. Vgl. S. 135.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

183

konterten die Kronanwälte dies mit belastenden Aussagen aus den Verhören von Ballard und Babington aus ihrem Dossier. Als er zu seiner Verteidigung daran erinnerte, dass es nach allen Hochverratsgesetzen, die unter Königin Elisabeth erlassen worden waren, stets zwei Zeugen geben müsse, wurde ihm Sophisterei vorgeworfen (You answer by arguments, and not by answers136). Außerdem, so Kronanwalt Puckering, verfahre man in diesem Fall überhaupt nicht nach den neuen Gesetzen, sondern nach dem Gesetz Edwards III. von 1352, bei dem es heiße, ein Hochverräter sei derjenige, der sich den Tod der Königin vorstelle (who shall imagine). Aber wie sollten ehrenhafte Leute von solchen geheimen Gedanken (secret cogitations) wissen? Verräter und Verschwörer würden so etwas doch nur unter ihresgleichen kundtun, daher müsse und könne man nur auf die Aussagen anderer Verschwörer zurückgreifen, andernfalls würde niemals ein Verrat aufgedeckt und verurteilt: How then can that be proved by honest men, being a secret cogitation which lieth in the minds of traitors? And such traitors will never reveal their cogitations unto honest men, but unto such as themselves, and they I hope be no honest men; so then they would have their treasons never revealed.137

Dieses Argument, dass bei Hochverrat die regulären Kriterien für Zeugen nicht gelten  – und an das Kriterium, dass ein condemned man kein Zeuge sein kann, hatte Abington gerade noch erinnert138 –, führten Kronanwälte in den nachfolgenden zwei Jahrhunderten immer wieder an. Die Anklagevertreter haben dies so allerdings stets nur in der mündlichen Verhandlung formuliert, üblicherweise als Argument, mit dem die Einhaltung von Kriterien für rechtmäßige (lawful) Zeugen zurückgewiesen werden konnte. In den Statuten wurde dagegen die Zwei-ZeugenRegel hochgehalten, so schon ganz ausführlich in Königin Elisabeths erstem Hochverratsgesetz von 1558, wo es programmatisch hieß: PROVIDED alwaies and be yt enacted by thaucthoritee aforesaid, That no p[er] son or p[er]sons shalbee hereafter indited or arraigned for any Offence or Offences made Treason or Misprision of Treason by this Acte, onles the same Offence and Offences of Treason and Misprision of Treason aforesaid, be proved by the Testimonye Deposicyon and Othe of twoo lawfull and sufficient Witnesses at the tyme of his and their lnditement ; whiche said Witnesses also at the tyme of than:eignement of the partye so indited, (yf they bee then lyving,) shalbe brought foorthe in person before the partye so arreigned face to face, and ther shall avowe and openly declare all they can saye against the sayd partie so indited, onles the said partye so indited shall willingly without violence confesse the same.139 136 137 138

139

1 ST 1147. 1 ST 1148. Well then, Sir, to you my lords the Judges I do now speak: There is a statute in the first and thirteenth of this queen made, That who shall conspire, &c. it shall be Treason, &c. provided, that he shall have two lawful witnesses, face to face, to avow it, &c. Now may it please your honours to have two lawful witnesses, to testify against me. As for Babington, what witness can he be, a condemned man, Savage a condemned man also, and Ballard a condemned man likewise? So then there is no witness against me; but I stand not upon this point, I stand upon mine own not guiltiness, 1 ST 1147. 1 Eliz. c.5 s.10.

184

1550–1650: Rhetorisches Regime

Während der Zeugenbeweis in den Statuten also eher die Schauseite des Rechts darstellte, wurde in den laufenden Verfahren (und hier zum ersten fassbaren Mal) eine Art Gebrauchsrecht installiert, mit dem die Anforderungen an Zeugen ins Belieben der Kronanwälte gestellt wurden. Im späten 16. Jahrhundert verzichtete man gewöhnlich auf eine Befragung von Zeugen face to face, so wie es das Gesetz forderte. Man beschränkte sich stattdessen auf Schriftstücke und auf Zeugen, die deren Inhalt lediglich bestätigten. Aber dann, als Zeugen tatsächlich in den Verfahren präsent wurden, blieb das Argument: ‚Bei Hochverrat ist nur der Komplize ein guter Zeuge‘, zentral und führte zur Institutionalisierung der Rolle des Kronzeugen. Die Bedeutung schriftlicher Beweismittel zeigte sich anschließend auch bei Tilneys Verfahren, das mit der Verlesung seiner widersprüchlichen Aussagen eröffnet wurde, so dass er direkt auf eine Rolle als Lügner festgelegt wurde. Er hatte bei einem Verhör behauptet, Ballard nicht zu kennen, was durch das Vorlesen einer Passage aus dem Ballard-Geständnis aber widerlegt werden sollte. Als Tilney darauf entgegnete, deswegen aber noch lange kein Verräter zu sein, wurden weitere Teile seiner Verhörprotokolle vorgelesen, wonach Abington im Londoner Pub The Three Tuns – also an einem benennbaren Ort! – zu ihm gesagt hatte: Why might not her majesty be as well surprised as the queen of Scots? Ursprünglich hatte Tilney diese Aussage zu Protokoll gegeben, um Abington als Mitverschwörer anzuschwärzen, und es war zuvor auch gegen diesen verwendet worden. Nicht damit gerechnet hatte Tilney aber, dass man diese Aussage nun gegen ihn wenden und als Hochverrat auslegen konnte. Denn die Kronanwälte leiteten daraus die zustimmende Kenntnis vom Attentat auf die Königin ab: You confess that you were privy to these Treasons; then we will prove directly that you did assent thereunto.140 Dazu griff man wieder auf Ballards Geständnis zurück, in dem es hieß, dass Tilney den Mord an der Königin gutheiße, da er nichts dagegen gesagt habe (he saw him not dissent when he told him these treasons).141 Daraufhin wurde aus Babingtons Geständnis eine Passage vorgelesen, wonach Tilney gesagt haben sollte, er würde zuschlagen, wenn die Königin in ihrer Kutsche sitze. Das habe er so aber nicht gesagt, antwortete Tilney vor Gericht. Vielmehr habe er bemerkt, es könne sein, dass die Königin in Gefahr sei, wenn sie mit der Kutsche fahre. Mehr habe er nicht gesagt, und schon gar nicht, dass er einem Mord zustimme. Er könne es drehen und wenden wie er wolle, entgegneten die Kronanwälte, sie hätten sein Geständnis praktisch schon dadurch, dass er dem ganzen Plan durch sein Stillschweigen zugestimmt habe:

140 141

Attorney General:

Babington said yesterday at the bar, that Tilney would have had her majesty set upon in her coach.

Tilney:

No, I said not so; only at the Three Tuns in Newgate-market, I said it might be her majesty might be set upon in her coach, and I said no more. But that proves not I did consent.

1 ST 1150. Ebd.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

185

Attorney General:

You have said enough, if we had no other evidence against you.

Tilney:

How so?

Attorney General:

Because you have confessed High Treason.

Tilney:

I tell you no, there is no such matter intended in my words.

Attorney General:

Your censure was your assent, and your censure was to kill the queen in her coach.142

Tilney versuchte schließlich, den unschuldigen Sinn seiner Worte mit einem Vergleich zu erklären – mit dem er sich in dieser Situation um Kopf und Kragen redete: Wenn ein treuer Diener sage, ‚Wäre ich ein Dieb, dann wüsste ich, wo das Geld meines Herrn ist‘, dann bedeute das nicht, dass er seinen Herrn auch ausrauben wolle. So sei es auch bei seiner Aussage gewesen, der Königin könne in ihrer Kutsche etwas zustoßen: it proveth not that I assented to the same; for I protest before God, I never intended any Treason in my life.143 Doch wenn, so Kronanwalt Anderson darauf, ein Diener unter Dieben über das Geld seines Herrn spreche, dann mache er sich mitschuldig, wenn diese das Geld dann stehlen. Wenn aber Tilney unter notorischen Verrätern darüber spreche, by what means her majesty might be slain, it manifestly proveth your assent.144 Ob es eine letzte Geste der Fairness war, dass Tilney das Schlusswort an die Geschworenen richten durfte, oder ob es bloß der Offenheit der Kommunikationssituation entsprach, bei der derjenige redete, dem es gelang, sich das Wort zu erteilen, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Jedenfalls wandte sich Tilney zunächst an die Geschworenen als my very good friends and countrymen, die er kurz darauf unverblümt bedrohte: I charge you to find me not Guilty, as you will answer me at the dreadful Day of Judgement.145 Das war sicher keine gute Idee, und die Geschworenen ließen sich nicht davon beeindrucken. 4. IN DER HAND DER VORSEHUNG: ZUM WANDEL DER HINRICHTUNGSPUBLIZISTIK Drei Tage später, am 20. September 1586, fand die Hinrichtung statt, zunächst von sieben Männern, darunter Ballard, Babington, Savage, Tilney und Abington. Es war zugleich ein Erfolg sowohl für die Strafjustiz als auch für die antikatholische Propaganda, dass nicht einmal der Priester Ballard versuchte, sich auf dem Schafott als Märtyrer zu inszenieren. Vielmehr blieb er bei seinem Geständnis: For the 142 143 144 145

Ebd. 1 ST 1151. Ebd. Ebd.

186

1550–1650: Rhetorisches Regime

matter for which I was condemned I am guiltie, bekannte er auf Nachfrage des Sheriffs.146 Wie üblich versuchten ihn die protestantischen Geistlichen noch dazu zu bringen, dem katholischen Glauben zu entsagen, aber hier blieb Ballard standhaft. Dafür wiederholte er noch einmal: I am justlie condemned.147 Babington wiederum gestand nicht nur seine Schuld, sondern bat die Königin auch um Vergebung (I aske God forgyvnes and the Queene148)  – ein letzter und vergeblicher Versuch, Gnade zu erlangen, der aber für die Zurschaustellung der Legitimität des Urteils, um die es bei öffentlichen Hinrichtungen zu dieser Zeit immer ging, besonders willkommen war. Ähnlich resigniert und geständig gingen auch die anderen Verurteilten in den Tod.149 Ihre Geständnisse wurden, wie die von Ballard und Babington, protokolliert, sozusagen als Schlussstein des ganzen Verfahrens.150 Die Hinrichtungen wurden, auf Weisung der Königin, in aller Grausamkeit durchgeführt: Genauso wie die Missionspriester wurden die niederadligen Verurteilten noch lebend vom Galgen geschnitten und ausgeweidet. Dies führte aber offenbar zu Unmutsreaktionen von Seiten des Publikums, weswegen am folgenden Tag die Botschaft verkündete wurde, die Königin sei den übrigen Verurteilten gnädig und wolle, dass sie schon am Galgen stürben.151 In diesem Fall gab es also für die obrigkeitlichen Publizisten wenig zu tun: Wo kein Dissens geäußert wurde, gab es keinen Anlass für Widerspruchspraktiken. Ganz ohne mediale Begleitung und Sinnstiftung ging es aber auch hier nicht. Der Poet George Whetstone z.B. verfasste einen Dialog, in dem sich loyall subiect(s) darüber austauschten, wie die Leute ungerührt (no sadness or alteration among the people) und mit stillschweigender Zustimmung dem schauderhaften Gemetzel auf dem Schafott zuschauten (the whole multitude without any sign of lamentation greedily beheld the spectacle from frist to last).152 Wenn Whetstone dabei auf die Schafottreden einging, dann deshalb, weil sie die Richtigkeit der Vorwürfe gegen Maria Stuart zu bestätigen schienen: The Scottish queen [is] the root of all these treasons.153 An Whetstones Pamphlet war allerdings auch etwas anders bemerkenswert: nämlich der für den Anglo-Protestantismus um 1600 so zentrale Glaube an die göttliche Vorsehung – ein Topos, der in den offiziösen Rechtfertigungstexten bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte.154 Es war kein Zufall, dass dieser Topos erst 1587, also nach einer Reihe echter oder vermeintlicher popish plots and treasons, richtig in 146 147 148 149 150 151 152 153 154

BL Harleian MS 290, fol. 170. Ebd. Ebd., fol. 171. Dokumentiert auch in 1 ST 1156–1162. BL Harleian MS 290, fol. 170ff. 1 ST 1161f. Whetstone, The censure of a loyall subiect, A4v; vgl. dazu schon Lake / Questier, The Anti-Christ‘s Lewd Hat, 234–239. Whetstone, The censure of a loyall subiect, B2; dazu auch Staines, The tragic histories, 132; Kesselring, The northern rebellion, 66ff. Die Pionierstudie dazu wurde vorgelegt von Greyerz, Vorsehungsglaube und Kosmologie; ferner Walsham, Providence in early modern England; Asch, An elect Nation?; Pohlig, Konfessionskulturelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

187

Umlauf kam.155 Es musste sich ja erst einmal erweisen, dass Gott wirklich auf Seiten der Engländer stand. Mit Blick auf die fehlgeschlagenen papistischen Verschwörungen – die Machinationen des Herzogs von Norfolk, Desmonds irische Rebellion von 1579, die jesuitischen Missionsversuche oder die konspirativen Praktiken von Francis Throckmorton und William Parry (um nur die wichtigsten zu nennen) – konnten Whetstone und andere Publizisten aber nunmehr gleichsam historisch feststellen, dass Gods prouidence mit den Engländern war: God by sundrie examples perserueth the innocent from the violent handes of the wicked.156 Wenn aber die Aufdeckung und Abwehr papistischer Verschwörungen auf den Willen Gottes zurückzuführen war, dann musste auch die juristische Abrechnung mit den Verrätern als ein Teil des göttlichen Heilsplans gelten, dann stand die Execution of Justice in England im Einklang mit der Vorsehung. Whetstone verdeutlichte dies an der Ergreifung der Jesuiten um Campion: Obwohl sich die Jesuiten, um die Königin ermorden zu können, geschickt verkleidet und verborgen hätten, notwitstanding Gods prouidence hath deliuered their Champion Campion, and diuers others of them, into the hands of Justice, and Justice by orderly trial afterward condemned Campion, and some of the most malitious of the Jesuits to the Gallowes where a number of good subjects wondered at their deformities and plainly saw that the lord of hosts157 heaped the devices of the wicked upon their own head.158

Ähnlich argumentierte auch der gelehrte Common Lawyer Richard Crompton in dem Pamphlet A short declaration of the ende of traytors, and false conspirators against the state.159 Die Königin habe nicht zufällig schon so viele wicked and trayterous conspiracies überstanden, sondern durch den Willen Gottes und das Wirken seiner Engel auf Erden.160 Die Justiz sei aber nicht nur von Gott vorgesehen worden, um das Leben in einem Gemeinwesen überhaupt erst möglich zu machen (Almighty God therefor, knowing in his euerlasting wisedome and prescience, how necessary good and holesome laws, and the execution therof, should be to rule his people […] did give the Law of the tenne Commandements in the Mount Sinay). Ihre Ausübung zur Abwehr und Verurteilung politischer Verbrechen, feiere Gott auf Erden: for by law, the honour of God is aduanced, Traytors, rebelles, and fals conspirators (the mortall enemies to every Common wealth […], are cutt off, whereby the Prince sitteth the more sure in his royall estate. By execution of iustice, we possesse our liues, our wyues, our children, our landes, our goods, and whateuer other things we haue.161 155 156 157 158 159 160 161

Vgl. im Überblick Edwards, Plots and plotters in the reign of Elizabeth I; Alford, The watchers. Whetstone, The censure of a loyall subiect, B2v; ähnlich auch Kempe, A dutiful inuectiue; Lloyd, Certaine Englishe verses presented vnto the Queenes most excellent Maiestie, by a courtier. Ein Name Gottes aus dem Alten Testament (Gen 2:1; Isa 45:12), im Sinne von Gott als dem Allmächtigen. Whetstone, The censure of a loyall subiect, D2r-v. Crompton, A short declaration. Crompton trat wenig später als Autor eines vielgelesenen Traktats über die höchste Gerichtsbarkeit in Erscheinung: Crompton, L‘authoritie et iurisdiction. Crompton, A short declaration, B1v. Zu Vorstellungen über die irdischen Aktivitäten der Engel vgl. Walsham, Angels and idols in England‘s long Reformation, 143–168. Crompton, A short declaration, E3v.

188

1550–1650: Rhetorisches Regime

Genauso sahen das auch die Theologen und predigten über Psalm 20.6 Now know I that the Lord doth saue his annointed.162 Wenn sich nun also die englische Gerechtigkeitspflege als Werkzeug der Vorsehung darstellen ließ, dann konnte man allmählich von den Rechtfertigungs- und Umdeutungsstrategien, wie Lord Burghley oder Anthony Munday sie vorgelegt hatten, Abstand nehmen, dann trat zudem auch das Problem der durch die katholische Publizistik angeprangerten Folterungen in den Hintergrund. Obwohl von 1587 bis zum Tod Elisabeths 1603 mehr Katholiken als Hochverräter zum Tode verurteilt worden waren als in den Jahren zuvor (mit einem Höhepunkt von 33 Hinrichtungen im Jahr des Armada-Angriffs 1588163), wurden die publizistischen Aktivitäten in nachträglich legitimierender Absicht nahezu eingestellt. In der kollektiven Wahrnehmung der Engländer bestätigte der Invasionsversuch der spanischen Marine dabei zweierlei: zum einen die Richtigkeit aller bis zu diesem Zeitpunkt kursierenden antikatholischen Verschwörungstheorien; zum anderen den Glauben daran, Gottes erwähltes Volk zu sein und von der Vorsehung beschützt zu werden.164 Wenn eine solche Mentalität vorherrschte, sah niemand die Notwendigkeit, das Vorgehen der Strafjustiz gegen angebliche katholische Hochverräter noch weiter zu rechtfertigen, ein Vorgehen, bei dem mehr denn je gefoltert wurde und bei dem Richard Topcliffe die Rolle des Foltermeisters übernommen hatte – bisweilen in „Zusammenarbeit“ mit Francis Bacon und Edward Coke.165 Das letzte Pamphlet dieser Art erschien Ende 1588 und berichtete über den angeblich überaus fairen Prozess und die gerechte Hinrichtung der Seminarpriester John Weldon, William Hartley und Robert Sutton, am 5. Oktober 1588, also wenige Wochen nach der Zerstreuung der Armada in den Stürmen des Ärmelkanals. Der anonyme Verfasser dieses true report of the inditement, arraignment, conuiction, condemnation, and execution of Iohn VVeldon, VVilliam Hartley, and Robert Sutton wähnte sich und England schon sicher in der Hand der Vorsehung. Verfasst habe er den Bericht, so spricht er seinen Leser direkt an, both for thy comfort and instruction, that hereby thou maist be the more sturred vp to thankefulnes unto that gratious God.166 Einen vergleichbaren mentalitätsbestimmenden Effekt wie der Armada-Angriff hatte schließlich auch die unter dramatischen Umständen aufgedeckte Pulverfassverschwörung am 5. November 1605. Auch hier schien Gottes Vorsehung gewollt zu haben, dass dieser teuflische Plan, diese mother of all … crimes, wie es König Jakob I. formulierte, zunichte gemacht wurde.167 Die vielen Verschwörungen und Verrätereien des 16. Jahrhunderts wurden auch in der antikatholischen Bildpublizistik des frühen 17. Jahrhunderts mit Armada-Angriff und Pulverfassverschwörung zu einem großen Panorama zusammengeführt. Ihr jeweiliges Scheitern galt 162 163 164 165 166 167

Etwa Rainolds, A sermon; Chardon, A sermon. Pollen, Unpublished documents, 150f. Grabes, „Elect nation“, 173–190; Maltby, The black legend in England; Lezra, „A Spaniard is no Englishman“, 119–141; Israel / Parker, Of providence and Protestant winds. Vgl. Langbein, Torture and the law of proof, 110ff.; Jardine, A reading on the use of torture, 37ff. Anon., A true report, A.2.v. Nicholls, Discovering Gunpowder Plot, 397–415; Tutino, Law and conscience, 117ff.

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

189

als gottgewollt, ebenso wie die darauf folgenden Strafen, die in der Bilderserie einer illustrierten Flugschrift von 1625 mit aufs Bild kamen (Abbildung  15).168 Wenn alle diese Vorfälle in der frühen Stuart-Zeit zum Anlass für eine, wie es im Titel der Flugschrift hieß, thankfvll remembrance of Gods mercie geworden waren, dann war die Frage, aufgrund welcher Verfahren denn die Urteile im Fall von Campion (Figure 5), Parry (Figure 9) oder der Babington-Bande (Figure 10) zustande gekommen waren, von höchst untergeordneter Bedeutung.169 5. RESÜMEE Die katholischen Publizisten kritisierten in ihren Pamphleten nicht nur den Verlauf einzelner Prozesse und Hinrichtungen. Vielmehr rechneten die Interventionen immer auch mit der englischen Strafjustiz als solcher ab, deren Verfahren und Akteure man durch machiavellistische Prinzipien als korrumpiert betrachtete. Und es blieb nicht bei Vorwürfen im Medium des Textes. Vielmehr setzten Kupferstecher wie Richard Verstegan die englische Strafjustiz auch bildlich als brutales Verfolgungsregime in Szene. Besonders die Foltervorwürfe wirkten kompromittierend, weil sie den idealisierten Darstellungen des Strafverfahrens bei John Fortescue oder Thomas Smith zuwiderliefen, die gerade die Folterfreiheit hervorgehoben hatten. Auch hier gilt, was schon mit Blick auf die Rechtfertigungspraktiken bei Hinrichtungen im letzten Kapitel festgestellt wurde: Gerade die öffentliche Artikulation von Missständen nötigte die englische Obrigkeit zu Reaktionen und Verteidigungsversuchen. Verschiedene Beispiele für öffentliche Darstellungen der Execution of Justice in England, so wie sie gesehen werden sollte, wurden in diesem Kapitel vorgestellt. In dem gleichnamigen Pamphlet des Staatssekretärs Lord Burghley wurde der Einsatz der Folter nicht abgestritten, wohl aber, dass es sich dabei um eine juristische Praxis handelte. Die Folter diene nicht als Beweis-, sondern lediglich als Informationsmittel. So befremdlich die Versuche der Unterscheidung zwischen Folter und Gerichtsprozessen geklungen haben mochten: Sie führten langfristig dazu, die Unmöglichkeit von Folter im Common Law-Prozess festzuschreiben, so dass die Option der Gewalt im Laufe des 17. Jahrhunderts tatsächlich aus dem offiziellen Arsenal der juristischen Praktiken verschwand  – und das Auffinden der elisabethanischen Folterpraktiken durch Rechtshistoriker 168

169

Die Flugschrift wurde mit Stichen des Niederländers Cornelis Danckertsz (1561–1634) illustriert, vgl. dazu Jones, The Print in Early Modern England, 61. Der anonyme Verfasser der Flugschrift (möglicherweise handelte es sich um Thomas Jenner, der sie an der Royal Exchange auch verkaufte) bediente sich beim Untertitel bei der ein Jahr zuvor erschienenen ersten, vom Titel abgesehen noch unbebilderten Ausgabe von George Carletons A thankfvll remembrance of Gods mercy, die wiederum in ihrer bebilderten Ausgabe von 1627 auf Dankertsz Motive zurückgriff. Der Stecher war in diesem Fall Frederik van Hulsen aus Frankfurt, vgl. ebd. Mit der Flugschrift „Popish Plots and Treasons“ war allerdings vor allem eine Kritik an den spanischen Heiratsplänen des Thronfolgers Karl verbunden, so wie bei anderen, ähnlich illustrierten Pamphleten dieser Zeit auch, vgl. dazu Vyroubalová, Catholic and Puritan Conspiracies in Samuel Ward’s The Double Deliverance.

190

1550–1650: Rhetorisches Regime

Abb. 15: [Cornelis Danckertsz], A thankfvll remembrance of Gods mercie by G.C., 1625.

im frühen 19. Jahrhundert einem Skandal gleichkam. Apologien der englischen Rechtspflege standen in den 1580er Jahren im Wechselspiel mit der publizistischen Darstellung von Prozessen, die aus unterschiedlichen Gründen als gelungen betrachtet werden konnten und die auch in die offiziöse Chronistik eingingen. Der Prozess gegen die Babington-Verschwörer zeigte wiederum, dass auch das anwesende Publikum ein wichtiger Adressat blieb. In diesem Fall wurde zwar einmal

III. Repräsentationen der englischen Strafjustiz am Ende des 16. Jahrhunderts

191

mehr auf das Verlesen von Geständnissen und Depositionen zurückgegriffen. Es handelte sich dabei um eine juridische Praxis ohne Zukunft, die man ab der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht mehr finden wird. Zeugen spielten in diesem Fall keine Rolle. Wichtig war bei diesem Prozess vor allem die juristische Konstruktion einer Verschwörerbande, die hier zum ersten Mal vor Publikum vorgeführt wurde. Es handelte sich dabei zugleich um eine nicht-paranoide Verschwörungstheorie, deren Funktion also nicht in erster Linier in der Erzeugung einer Alarm-Stimmung bestand. Vielmehr ging es darum, die Akteure um Babington in unterschiedsloser Weise für ein und dasselbe Verbrechen verantwortlich zu machen.

193

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik: Der Fall des Levellers John Lilburne 1649 1. DIE OFFENHEIT FORENSISCHER KOMMUNIKATION IN DER MITTE DES 17. JAHRHUNDERTS In der frühen Stuartzeit (1603–1649) gab es deutlich weniger Prozesse als im späten 16. Jahrhundert, und die, die es gab, sind quellenmäßig besonders schlecht überliefert.1 Allerdings wurden gerade in dieser Zeit die spektakulärsten Hochverratsprozesse der englischen Geschichte geführt, darunter gegen Thomas Wentworth, Earl of Strafford, im Winter 1640/41 und gegen König Karl I. im Januar 1649. In diesen beiden Prozessen wurden Grundfragen der Herrschaftsordnung zum Thema, wurde Hochverrat zu einem Delikt gegen die zum ‚Volk‘ (the people) aufgewerteten Untertanen umgedeutet.2 Diese Prozesse fallen allerdings schon deswegen aus der detaillierten Betrachtung, weil es sich dabei um Verfahren vor dem (Rumpf-)Parlament handelte. Ohne auf diese Prozesse daher im Einzelnen einzugehen, fällt doch auf, dass sie deswegen zu Foren für politische Diskurse werden konnten, weil die schon im späten 16. Jahrhundert erkennbare Tendenz, Verfahren zur Aussprache (und weniger zum Entscheiden) zu nutzen, sich hier fortsetzte und noch intensivierte. Beim Prozess gegen Strafford spielten Zeugen eine ähnlich marginale Rolle wie beim Campion-Prozess. Stattdessen dominierte der Angeklagte das Verfahren, setzte eigene Initiativen und sorgte für Wendungen, die beinahe zum Freispruch geführt hätten – wenn das Unterhaus nicht eine ‚gesetzliche Verurteilung‘, einen act of attainder, erwirkt hätte.3 Mit anderen Worten: In diesem Fall konnte die ‚gewünschte‘ Entscheidung nur durch Externalisierung an ein anderes Verfahren herbeigeführt werden. Im Grunde ähnelte der Strafford-Prozess einer parlamentarischen 1

2

3

Zwischen 1603 und 1648 wurden 73 Hochverratsprozesse als trials by jury durchgeführt, davon allein 53 bis 1620, in der Regel mit katholischen Missionaren als Angeklagten (vgl. dazu im Anhang S. 701ff.). Prozesse wegen aufrührerischer Schriften und Äußerungen (seditious libel), die als politische Prozesse in dieser Arbeit nicht prinzipiell ausgeschlossen werden, wurden während der Regierungszeit Karls I. überwiegend vor der Star Chamber und der High Commission geführt, so etwa in den Fällen von William Prynne 1633, Alexander Leighton 1634 oder John Lilburne 1637; dazu jetzt Kishlansky, Martyrs‘ tales; Kishlansky, A whipper whipped; Raymond, Pamphlets and pamphleteering, 189ff. Zur Anklage gegen Strafford klassisch: Russell, The theory of treason; die Hochverratsprozesse gegen Strafford, Erzbischof William Laud 1645 und König Karl I. wurden jenseits der literarisch ambitionierten Nacherzählung wie etwa bei Timmis, Thine is the kingdom und Wedgewood, The trial of Charles I. systematisch erstmals von Orr, Treason and the state, untersucht. Lerner, Impeachment; Timmis, The basis of the lord‘s decision.

194

1550–1650: Rhetorisches Regime

Anhörung, bei der der Angeklagte immer wieder großen Raum für Erklärungen, Rechtfertigungen, Zurückweisungen, Behauptungen und Gegenfragen erlangte.4 Wenzeslaus Hollars bekannter Stich des Prozesses, der Strafford als aktiven, mit seinen Papieren hantierenden Redner zeigte, visualisierte also durchaus ein Kennzeichen dieses Prozesses (Abbildung 16).

Abb. 16: Wenzel Hollar: Abbildung der Session des Parlaments zu London vber den Sententz des Grafen von Stafford, ca. 1641. Strafford steht in der Box im Bildvordergrund.

Strafford spielte nur sehr eingeschränkt eine Rolle als Angeklagter, was nicht nur an seinen ausführlichen Reden und Repliken lag, sondern auch an der Art und Weise, wie er sich im Prozess präsentierte. Es war ihm gelungen, höfische Verhaltensweisen in einem Ausmaß zur Geltung kommen zu lassen, dass dies auf die Zuschauer Eindruck machte. Ein – parteiisches, royalistisches – Pamphlet fokussierte 4

Die ausführlichste Dokumentation des Prozesses bietet [Rushworth], The Tryal of Thomas, Earl of Strafford, Lord Lieutenant of Ireland. Der Druck basiert auf Mitschriften.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

195

auf dieses Verhalten, wenn es hieß, Strafford with no lesse moderation and wisdome, then the other with heate and passion, spake to his own defence, and that with such a measure of Eloquence and Lively-hood, that his very Enemies were affected with it and doe mervailusly report of it.5 Ein Forum für Oratorik und hochadlige Selbstdarstellung stellte auch der Prozess gegen König Karl I. dar. Dazu hat Sean Kelsey neuerdings die These aufgestellt, dass der Tod des Königs durchaus nicht beschlossene Sache gewesen sei. Vielmehr sei der konkrete Verlauf des Prozesses für das Urteil ausschlaggebend gewesen.6 Der König verweigerte beharrlich das Plädoyer, weil er die Autorität des High Court of Justice nicht anerkannte. Dies nötigte den Vorsitzenden des Tribunals, den Serjeant-at-Law John Bradshaw, zu ausgedehnten Rechtfertigungen seines Gerichtshofs und der Macht (authority) des Unterhauses, den König vor Gericht zu stellen. Zwar entwickelte Karl im Vergleich zu Strafford weniger rednerische Aktivitäten – das wäre mit seiner Rolle als König, von der er natürlich auch im Prozess keinen Abstand nahm, kaum vereinbar gewesen. Aber auch er setzte immer wieder Akzente, selbst durch demonstrative Einsilbigkeit. Karl war im performativen Sinne noch viel weniger ‚Angeklagter‘ als Strafford. Mit seinem Verhalten und der Verweigerung des Plädoyers verhinderte der König die Durchführung eines Prozesses in der Art, wie man ihn gegen Strafford und Erzbischof Laud geführt hatte. Zeugen, die unbedingt zu Wort kommen sollten, um die Kriegsschuldfrage zu beweisen (the King began the war7), konnten, weil das Verfahren formell bei dem Arraignment hängengeblieben war, nicht offiziell und nicht in der Westminster Hall angehört werden. Der aus achtundsechzig Männern bestehende Gerichtshof zog sich zu deren Befragung daher in die Painted Chamber zurück, dem traditionellen Sitzungsraum des (faktisch aufgelösten) Oberhauses. Die Aussagen der Zeugen wurden am folgenden Tag verlesen. Die Hochverratsprozesse im Zeitalter von Bürgerkrieg und Revolution waren also im besonderen Maße Arenen politischer Kommunikation.8 Von einer gradlinig verlaufenden Formalisierung des Verfahrens und damit einhergehend einer Klärung der Machtverhältnisse im laufenden Prozess kann keine Rede sein. Wie ein Gerichtsverfahren in dieser Zeit seine eigene, wie weit auch immer schon ausgebildete Identität durch das Sprechen politischer Sprache noch weiter einbüßen konnte, soll im Folgenden ausführlich am Prozess gegen den Leveller John Lilburne gezeigt werden. Dieser Prozess bildete den Höhe-, aber auch Endpunkt des rhetorischen Regimes der englischen Verfahrensgeschichte.

5 6

7 8

Anon., A briefe and perfect relation, 3. Kelsey, Staging the trial of Charles I; Kelsey, The death of Charles I; Kelsey, Staging the trial of Charles I; Kelsey, Politics and procedure in the trial of Charles I; kritisch dazu allerdings Holmes, The trial. Salmon, A new abridgement, 219. Orr, Treason and the state.

196

1550–1650: Rhetorisches Regime

2. LILBURNE ALS KRITIKER DER REPUBLIK John Lilburne wurde am 24. Oktober 1649 in der Londoner Guildhall wegen Hochverrats vor Gericht gestellt.9 Die Special Commission of Oyer and Terminer bestand aus einundvierzig Personen, darunter waren der Lord Mayor Thomas Andrews und neun Aldermen als die Hausherren der Guildhall. Bei den übrigen handelte es sich um Vertreter der englischen Juristenelite, die sich mit der Revolution arrangiert hatten oder sogar zu ihren Verfechtern gehörten, wie der vorsitzende Richter (Lord Commissioner) Richard Keble und sein Kollege Philip Jermyn. Beide Richter erreichten allein durch den Lilburne-Prozess besondere Bekanntheit in der englischen Rechtsgeschichte. Die einen lobten sie dafür, dass sie die Würde des Gerichts gegenüber dem allzu dreist auftretenden Angeklagten verteidigt hätten, die anderen bedauerten sie, weil sie von Lilburne in einer Weise an der Nase herumgeführt worden waren, wie nur wenige Richter vor oder nach ihnen. Die neuen Machthaber hatten jedenfalls schon geahnt, dass ein Verfahren gegen Lilburne nicht ganz einfach werden würde. Doch dass man an diesem Tag nicht über das Pleading hinauskommen sollte und Lilburne am folgenden Tag freigesprochen werden würde, damit hatte niemand gerechnet. John Lilburne (ca. 1615–1657) war neben dem Schauspieler Richard Overton und dem Seidenhändler William Walwyn der bekannteste Kopf einer 1645 auftauchenden Gruppierung, die von ihren zeitgenössischen Gegnern Levellers, also Gleichmacher, genannt wurden.10 Von ihren grundsätzlichen politischen Anliegen muss hier nicht ausführlich die Rede sein – die älteren Historiker haben in den Levellers Vorboten der modernen Demokratie gesehen, was wiederum zu konkurrierenden Deutungen als Fürsprecher eines fast schon unpolitischen Besitzindividualismus herausgefordert hat.11 Obwohl die Levellers und besonders Lilburne zu den geistigen Wegbereitern von Revolution und Republik gehörten, indem sie das Prinzip der Volkssouveränität, die Abschaffung des Oberhauses und den Verratsprozess gegen den König propagiert hatten, waren sie gleichwohl keine Republikaner.12 Ihr prinzipielles Misstrauen gegen obrigkeitliche Macht schlechthin, die für die Levellers in all ihren Formen stets eine Bedrohung individueller Freiheit darstellte, ließen sie auch mit der neuen Obrigkeit aneinander geraten. Für die Levellers war das im Frühjahr 1649 konstituierte Commonwealth eine bodenlose Enttäuschung, weil sie darin den Volkswillen als pervertiert betrachteten. Sie hielten die Republik für schlimmer, ungerechter und tyrannischer als die abgeschaffte Monarchie. Das ließen Lilburne, Overton und die anderen in ihren Pamphleten nun auch alle Welt wissen.

9 10 11

12

Zur Person immer noch Gregg, Free-born John. Allg. dazu Foxley, The Levellers; Sharp, The English Levellers. Eine Bestandsaufnahme der älteren Debatten bietet der grundlegende Beitrag von Wende, „Liberty“ und „Property“; die jüngere Diskussion im englischsprachigen Raum dokumentieren Baker /  Vernon, The agreements of the people; Mendle, The Putney debates of 1647. Schröder, Die Levellers; Sharp, The Levellers and the end of Charles I.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

197

Ende Februar 1649, also kaum vier Wochen nach der Hinrichtung Karls I., hatte Lilburne sein erstes, republik-kritisches Pamphlet England‘s New Chains Discovered veröffentlicht. Darin behauptete er, nicht nur für sich, sondern in behalf of the Commonwealth zu sprechen.13 Diesen Anspruch mussten die neuen Machthaber ernst nehmen, denn Lilburne war tatsächlich eine ungemein populäre Figur. Es war ihm seit 1645 schon mehrfach gelungen, viele tausend Unterschriften für seine Petitionen zu sammeln, um dann mit einer eindrucksvollen Menge an Leuten – hier war die Rede von mehreren tausend Teilnehmern – vor das Parlament in Westminster zu ziehen und damit seinem Credo All Governments come originally from the People konkrete Gestalt zu verleihen.14 Massenaufläufe organisierte Lilburne im Februar 1649 zwar nicht, aber das Pamphlet, das er wie üblich unter seinem Namen publiziert hatte, rief ein großes Echo hervor. In den New Chains attackierte er den am 14. Februar ins Leben gerufenen Staatsrat (Council of State), der anstelle von König und Geheimrat als allzuständiges Exekutivorgan fungieren sollte. Lilburne sah darin nur ein neues Instrument zur Unterdrückung persönlicher und religiöser Freiheiten. Zudem sei es ebenso wenig durch das Volk (the people) legitimiert wie das herrschende Rumpfparlament auch. Im Mai 1649 warf man ihn wegen dieses Pamphlets wieder einmal in den Tower.15 Waren die New Chains im Ton noch moderat, so bezeichnete Lilburne in seiner im Juni 1649 erschienenen Schrift The Legal Fundamental Liberties of the People of England – die Haft hinderte ihn keineswegs an seiner publizistischen Tätigkeit – Oliver Cromwell als Despoten und die Hinrichtung Karl I. als illegal.16 Das Regime plante nun, ihn aufgrund dieser Schriften als Hochverräter anzuklagen.17 Was in der Republik unter Hochverrat zu verstehen sei, definierte das Parlament in einem Gesetz allerdings erst am 17. Juli: That if any person shall maliciously or advisedly publish, by Writing, Printing, or openly Declaring, That the said Government is Tyrannical, Ursurped or Unlawful; or that the Commons in Parliament assembled are not the Supreme Auhority of this Nation, or shall plot, contrive or endeavor to stir up, or raise force against the present Goverment […], That then every such Offence shall be taken, deemed and adjudged by the Authority of this Parliament to be High Treason.18

Es ist bemerkenswert, dass die neuen Herrscher gesprochene und gedruckte Worte für gefährlicher ansahen als Gewaltakte. Es hat fast den Anschein, als wenn das Hochverratsgesetz der Republik unter besonderer Berücksichtigung der Levellers erlassen wurde. 13 14 15 16 17 18

Lilburne, Englands new chains. Underdown, Revel. Zu Lilburnes Kerkererfahrungen vgl. Orr, Law, liberty, and the English Civil War. Schon der Titel bringt die zentrale Botschaft auf den Punkt: Lilburne, The legal fundamental liberties. Gardiner, History of the Commonwealth and protectorate (1649–56), 160; Baker, A despicable contemptible generation. Anon., An act declaring what offences shall be adjudged treason. Die Martis, 17 Juli, 1649. Ordered by the Commons assembled in Parliament, that this act be forthwith printed and published. Hen: Scobell, Cleric. Parliament‘, London 1649.

198

1550–1650: Rhetorisches Regime

Nun waren die fraglichen Pamphlete vor dem Erlass des Gesetzes erschienen. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Lilburne publizistisch nachlegte und sich damit strafbar machte. Erst nahm er sich erneut den Staatsrat vor, dann publizierte er im August sogar eine fiktive Anklage gegen Oliver Cromwell wegen Hochverrats an der englischen Freiheit.19 Er wurde verhaftet, aber unmittelbar auf Kaution wieder aus dem Tower entlassen, damit er sich um seine kranke Familie kümmern konnte. Mit dieser hat er sich allerdings nur zum Teil befasst. Denn noch Ende August publizierte er  – diesmal anonym, aber unverkennbar  – An outcry of the youngmen and apprentices of London: or, An inquisition after the lost fundamentall lawes and liberties of England.20 Darin war die Rede von einem mock Parliament, a shadow of a Parliament, dass sich nicht anders zu helfen wisse, als das Recht auf Redefreiheit mit Hochverratsgesetzen zu ersticken: New Acts of high treason to that end devised to ensnare and intrap the most conscientious, so that we cannot talk or discourse of our lost Freedoms, or open our mouths of our oppressions, but we are in as bad a condition, as our Fore-Fathers were in the daies of William the Conquerer. […] the like neves was in England, under the most tyrannical of all our Kings, that were before these in present power.21

Jetzt glaubten Cromwells Leute, genug Handfestes gegen Lilburne in der Hand zu haben, um ihm den Prozess machen zu können. Die Frage war nur, vor welcher Instanz. Da man sich die öffentliche Anteilnahme an dem Verfahren ausrechnen konnte, fiel jede Form von kurzem Prozess, wie etwa vor einem Kriegsgericht, weg. Auch der High Court of Justice besaß zu sehr den schlechten Ruf eines Revolutionstribunals, während doch behauptet wurde, dass Recht und Gesetz, Gerichtshöfe und Verfahren durch den Übergang zu einem Free State nicht im Geringsten beeinträchtigt worden seien und alles im Sinne der ancient constitution so weiterlaufe wie bisher, nur unter anderem Namen. Die King’s Bench hieß jetzt Upper Bench, und Recht wurde nicht mehr im Namen des Königs gesprochen, sondern in dem eines fiktiven Keeper of the Liberty of England.22 Dennoch wurde Lilburne am Ende vor eine Spezialkommission gestellt, so wie vor ihm etwa Nicholas Throckmorton (1554), William Parry (1584) oder die Babington-Verschwörer (1586). Zwar folgte auch eine Special Commission of Oyer and Terminer den Verfahrensprinzipien des Common Law und trat als ein Geschworenengericht in Erscheinung. Dennoch waren Special Commissions stets nur in Zeiten (angeblich) höchster Bedrohung einberufen worden. Auf diesen tribunalhaften Charakter des Gerichts sollte Lilburne mehrfach hinweisen.

19 20 21 22

Lilburne, An impeachment. Anon., An outcry of the youngmen. Ebd., 2f. Vgl. Hart, The rule of law, 241.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

199

3. DER PROZESS BEGINNT MIT EINEM DILATORISCHEN PARADESTÜCK Als Lilburne nun aus dem Tower in die, für seinen Prozess entsprechend umgebaute, Guildhall gebracht wurde, allen Anwesenden Ruhe und dem Angeklagten das Hochhalten der Hand befohlen wurde, wandte er sich an Richter Keble und fragte: Sir, will it please you to hear me? and if so, by your favor thus: […].23 Ohne dass es ihm ausdrücklich erlaubt worden wäre, hielt Lilburne im Folgenden eine rund halbstündige Rede, die nur zweimal – mit wenigen Worten und recht defensiv – von den Richtern unterbrochen wurde. Diese Rede war indes nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe längerer Beiträge, die er sich immer wieder mit Wendungen wie Sir, under favour, I crave but one word more, hear me out24 oder Sir, by your favour, in two words, I shall not be tedious,25 oder one word more, and I shall have done26 eroberte, um dann allerdings doch weitaus mehr als nur zwei Worte zu äußern. Tatsächlich füllte Lilburne mit seinen Wortmeldungen und den damit provozierten Reaktionen des Gerichts den gesamten ersten Prozesstag – sofern man überhaupt mehrere Verhandlungstage eingeplant hatte. Weil sich Lilburne weigerte, seine Hand hochzuhalten, zu plädieren und weiteres verlangte (einen Anwalt, eine Kopie der Anklage und mehr Zeit zur Vorbereitung), verging der 24. Oktober allein mit Debatten um diese Formfragen. Man kam über das Pleading nicht hinaus, weil es Lilburne gelang, ein Paradestück in dilatorischer Praxis aufzuführen, unter ungewollter Mitwirkung der Verfahrensveranstalter. Wie ihm dies gelungen war, soll im Folgenden gezeigt werden. In der Forschung wurde schon darauf verwiesen, dass die bemerkenswert defensive Haltung des Gerichts gegenüber Lilburne auch damit zu tun hatte, dass sich die Justiz der Republik unbedingt als besonders fair darstellen und dies registriert wissen wollte.27 Am Ende des ersten Tages bemerkte etwa Richter Jermyn: All that are here are to take notice of it, that the prisoner at the bar hath had more favour already, than ever any prisoner in England in the like case ever had […],28 und am zweiten Tag gab auch Richter Keble einen ähnlichen Hinweis: That your trial is so public as your offence, is for this end, that all men may take notice, that you have fair play .29 Ein weiterer Grund für die bemerkenswerte Geduld mit Lilburne dürfte darin zu finden sein, dass man es unbedingt vermeiden wollte, Lilburne aufgrund einer Formalie schuldig zu sprechen. Genau das war beim Prozess gegen den König Monate zuvor der Fall gewesen und hatte dazu geführt, dass die Entscheidung über die Schuld des Königs nicht auf der Basis einer üblichen Verfahrensweise inszeniert werden konnte. 23 24 25 26 27 28 29

Walker, Clement, The triall, of Lieut. Collonell John Lilburne, im Folgenden wird dieses Protokoll zitiert nach 4 ST 1270ff. 4 ST 1301. 4 ST 1285. 4 ST 1291. Gregg, Free-born John, 295; Veall, The popular movement, 164; Hart, The rule of law, 248. 4 ST 1314. 4 ST 1377.

200

1550–1650: Rhetorisches Regime

Aber es waren nicht nur äußere Faktoren – die Orientierung an den Erwartungen einer vergleichsweise kritischen Londoner Öffentlichkeit und die Erfahrung mit vorausgegangenen Prozessen –, die das Gericht zu seiner fast schon konzilianten Haltung und den immer wiederkehrenden Verweisen auf das Fairplay nötigten. Es handelte sich dabei vielmehr um Reaktionen und Sprechakte im konkreten Verlauf des Diskurses, den Lilburne initiiert hatte, anstatt die Hand hochzuhalten. Lilburne bat als erstes um eine Freiheit, die jedem Free-born Englishman zustünde, die Freiheit der Rede (liberty of speech).30 Es handele sich dabei um ein angeborenes Recht (birth-right), für das er in den vergangenen Jahren gekämpft habe. Und weil er schon mehrmals sein Leben für dieses Recht aufs Spiel gesetzt habe, so wolle er auch diesmal lieber sterben, als sein Recht aufzugeben. Dieses Recht stünde ihm nicht nur by the law of God and men, but also by the law and light of nature zu. Seine Redefreiheit aber, versicherte Lilburne, wolle er mit respect, reason and judgment nutzen. Den Einwand des Richters, dass es am vernünftigsten sei, einfach nicht weiter zu reden, begegnete Lilburne mit einer Art Fürbitte, dass Gott ihm jene Vernunft verleihe, mit der er diesen Prozess hoffe bestehen zu können: I hope God hath give me ability to be master of my own passion, and edow’d me with that reason, that will dictate unto me what is for my own good and benefit.31 Anschließend hörten die Anwesenden einen mehr als halbstündigen Vortrag über seine bisherige Geschichte als Angeklagter wegen Hochverrats, in seinen eigenen Worten: for sticking close to the liberties and privileges of this nation, and those that stood for it.32 Tatsächlich hatte Lilburne deswegen bereits im Mai 1641 vor dem Oberhaus gestanden, weil er während des Strafford-Prozesses Drohungen gegen den König geäußert hatte,33 sowie im Dezember 1642, nachdem er in Oxford den Royalisten in die Hände gefallen war.34 Im ersten Fall war er freigesprochen, im zweiten freigepresst worden, und zwar mit der Drohung der Parlamentspartei in London, bei seiner Verurteilung Rache (lex talionis) an den royalistischen Kriegsgefangenen zu nehmen. Lilburne erinnerte daran nicht nur, um damit zu demonstrieren, wie häufig ihm schon juristisches Unrecht angetan worden war. Mit Blick auf diese Prozesse behauptete er auch, dass ihm in beiden Fällen die liberty of speech gewährt worden sei. Diese Freiheit entspräche, wie sogar der königstreue Richter in Oxford seinerzeit angeblich bemerkt habe, the rules of the good old laws of England: and whatsoever privilege in your trial the laws of England will afford you, claim it as your birthright.35 Selbst seine schlimmsten Gegner hätten ihm also nicht die utmost privileges of the Law of England verweigern wollen. Der damalige Richter Heath habe zudem gesagt: At London your friends shall not have any just cause to say, we murdered you with cruelty, or denied you the benefit of the law, in taking away your life by the rules of our own will. Das englische Recht, so Heath weiter, sei ein law of mercy, and not of rigour, 30 31 32 33 34 35

Zu diesem für Lilburne essentiellen Topos vgl. Foxley, John Lilburne. 4 ST 1271. Ebd. Gregg, Free-born John, 86f. Ebd., 101ff. Alle Zitate 4 ST 1272.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

201

Abb. 17: Lilburne vor Gericht mit Edward Cokes ‚Institutes of the Laws of England’, Frontispiz aus: Theodorus Verax: The triall, of Lieut. Collonell John Lilburne […], London 1649, aus: George Henry Borrow, Celebrated Trials and Remarkable Cases of Criminal Jurisprudence from the Earliest Records to the Year 1825, Band 2, London 1825.

und seine Pflicht als Richter sei es, to carry myself with all fairness and evenness of hand towards you; and wherein that there shall seem any mistakes to appear, in circumstances or formalities, to rectify you.36 Und according to the Laws of England und der ihm vom Richter gewährten Freiheiten habe er zunächst einmal auf Fehler in der Anklageschrift hingewiesen und erst dann auf not guilty plädiert. Genauso habe im Übrigen auch Edward Coke die Rechte des Angeklagten beschrieben. Lilburne war deswegen in der Lage, so umfangreiche und angeblich wörtliche Zitate aus den Richterreden früherer Prozesse vorzutragen, weil er verschiedene Unterlagen – Papiere, Pamphlete, Aufzeichnungen und sogar Rechtskompendien und Statutenbücher – mit vor Gericht brachte und im Prozess darauf zurückgriff.37 Das Frontispiz des von seinen Unterstützern besorgten Drucks des Prozesses zeigt Lilburne mit Edward Cokes Institutes of the Laws of England, dessen strafrechtlicher Teil erst wenige Jahre zuvor (1644) erschienen war (Abbildung 17). Mit Papieren vor Gericht hatte bereits der Earl of Strafford 1641 gestanden, der Rückgriff auf solche Informationsressourcen war für Angeklagte in dieser Zeit also nicht ungewöhnlich. Ohne diese materiellen Hilfsmittel hätte Lilburne kaum seine rednerischen Kaskaden entfalten können. Als nächstes erläuterte er, warum er aus guten Gründen nicht Folge leisten könne, wenn er unversehens aufgefordert werde, seine Hand hochzuhalten. Er sei kein Jurist und wolle nicht aus bloßer Unkenntnis, especially in the formalities, niceties, and punctilio’s des englischen Rechts in Gefahren und Fallstricke laufen, aus denen man sich kaum mehr befreien könne (run myself with over-much hastiness in snares 36 37

Ebd. Patterson, Early modern liberalism, 116.

202

1550–1650: Rhetorisches Regime

and dangers, that I shall not easily get out of). Anstelle dieser geforderten Geste halte er es für vernünftiger, an einige fundamental liberties of an Englishman in order to this trial zu erinnern. Dazu zähle zuerst das unbedingte Recht auf einen öffentlichen Prozess, und er wolle lieber sterben als darauf verzichten (but if I be denied this undoubted privilege, I shall rather die here than proceed any further). Ob er denn nicht registriert habe, dass dies ein öffentliches Verfahren sei, unterbrach ihn Keble: Mr. Lilburne, look behind you, and see wheter the door stands open or no.38 Darauf ging Lilburne aber nicht weiter ein, sondern griff nun das Gericht selbst an, die Special Commission of Oyer and Terminer. Von einer solchen Instanz sei in den laws – und damit meinte Lilburne hier die Magna Charta und die Petiton of Right (1628) – nichts zu lesen. Spezialkommissionen seien, wie Lilburne weitausholend erläuterte, Gerichte für den Ausnahmezustand: to suppress and quiet those many extraordinary insurrections and rebellions, which do not admit of so long delay as times of ordinary trial. Doch wenn das nicht der Fall sei, when peace and quiet is the nation, as now is […] when the ordinary, legal and common courts of justice are open and free, dann seien Spezialkommissionen schlicht illegal.39 Das alles war nur die Essenz eines viel längeren Exkurses über die Unrechtmäßigkeit von Spezialkommissionen in Friedenszeiten, die Lilburne zufolge gegen alle good old laws of England verstießen. Zudem beklagte er sich über die rüden Umstände bei seiner Verhaftung (like an Algier-Captive), das Unrecht, das man ihm in der Haft angetan habe, indem man ihm das Geld, das er bei sich getragen habe, weggenommen habe und darüber, dass ihm without all Rules of Law and Justice der Kontakt mit seinem Rechtsanwalt verboten worden sei. Und wenn das Gericht nun noch immer behaupte, es sei rechtmäßig, dann solle es diesen Geltungsanspruch bitte aufgrund schriftlicher Dokumente begründen: let me hear your commission read, that so I may consider the constancy thereof to the Petition of Right, and other the good old Laws of England. Er sei aber skeptisch, ob die good old laws eine solche Begründung liefern könnten: And in the Petition of Right, and other the good old fundamental Laws of England, I can find no foundation or bottom for such an extraordinary court, as this before my eyes seems to be: And therefore I again make it my most humble suit to hear your commission read.40 Genauso wie er sich mit der Berufung auf die freedom of speech ein unbegrenztes Rederecht selbst erteilen wollte und damit ein ganz eigenes Verfahrensrecht einbrachte, so war die Nötigung des Gerichts zur Legitimation durch schriftliche Dokumente ohne Vorbild. Erst an dieser Stelle, nach dem längsten Wortbeitrag, mit dem jemals ein Angeklagter seine Weigerung begründet hatte, die Hand hochzuhalten, unterbrach ihn Richter Keble: Mr. Lilburne, you are fully heard. Weiter im Prozess kam man allerdings nicht, denn Edmund Prideaux, der Attonery-General der Republik, meinte, Lilburnes Angriffe auf die Legitimität des Gerichts kontern zu müssen. Lilburne hatte also eine kritische Masse an Behauptungen aufgestellt, die man, zumal vor Publikum, nicht einfach so stehen lassen konnte. Und so hörte man nun von Pri38 39 40

4 ST 1274. 4 ST 1277. 4 ST 1283.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

203

deaux detaillierte Erörterungen dazu, wieso es sich bei diesem Gericht eigentlich gar nicht um eine Spezialkommission, sondern um eine general commission handele und wieso diese according to the law sei, und zwar the good old laws of England […] practised in this nation for five hundered years. Der beisitzende Richter Jermyn glaubte noch eine Ergänzung liefern zu müssen und erklärte apodiktisch, das Gericht säße dort im Übrigen by lawful authority, that is from the parliament, that are the supreme authority of England, das wiederum durch die göttliche Vorsehung an die Macht gekommen sei. Zudem habe Lilburne von Seiten des Gerichts größere Gefälligkeiten (favours) bekommen als je ein Hochverratsangeklagter vor ihm.41 Diese Behauptung nahm Lilburne wiederum zum Anlass, um auf den durch Holinsheds Chronik allseits bekannten Throckmorton-Prozess während der Herrschaft der Maria Tudor zu verweisen (1554), also in der Zeit of the commonly accounted bloodiest and cruellest prince that this many hundred years has reigned in England. Throckmorton sei damals ebenfalls in der Guildhall vor eine Spezialkommission gestellt worden, weil er als Mitverschwörer in der Wyatt-Rebellion galt, und eine solche Situation rechtfertige durchaus Spezialkommissionen. Gleichwohl habe man Throckmorton noch mehr Freiheiten und Entgegenkommen gewährt als ihm jetzt. Deswegen sei es keine außerordentliche Gnadenbezeugung, wenn man ihm die Redefreiheit gewähre, sondern only my right by law and justice, and common equity. Und mit dieser sich wiederum selbst erteilten Freiheit extemporierte er nun weiter über den Status von Spezialkommissionen, um nach diesem längeren Exkurs zur Frage der hochgehaltenen Hand zurückzukommen (I will come a little closer to the business). Er könne deswegen der Aufforderung nicht nachkommen, weil er nicht wisse, was dies denn eigentlich im Sinne des Rechts bedeute (I know not what it means, neither what in law it signifies). Zwar habe er das meiste gelesen, was über das englische Recht auf Englisch geschrieben worden sei. Doch an keiner Stelle werde in den englischsprachigen Rechtskommentaren erläutert, was es mit the full signification or meaning of a man’s holding up his hand at the bar auf sich habe. Falls die Bedeutung des Rituals in den fremdsprachigen Schriften erläutert werde, auf Latein, Französisch oder Law-French, so könne er diese leider nicht verstehen. Doch wenn ihm das Gericht den genauen Sinn des Handhochhaltens erläutere, dann wolle er es sich ernsthaft überlegen (I shall serioulsy consider of it). Aber ohne eine genaue Kenntnis des Verständnisses, das dem Ritual zugrunde liege, sei es geradezu lebensgefährlich: for me to hold up my hand at the bar before I understand the true signification of it in law, (which tells me it is in itself a ticklish thing) were for me to throw away my own life upon a punctilio or nicety that I am ignorant of; and therefore, truly, I think I should be a very fool, in my own ignorance to run that danger.42 Richter Keble erklärte auf diesen Einwand, dass es keineswegs darum ginge, ihn mit dieser Geste zu verstricken (and not insnare you in the least manner). Es handele sich um ein bloßes Identifikationsritual: 41 42

4 ST 1286. 4 ST 1289.

204

1550–1650: Rhetorisches Regime

The calling the Party to hold up his Hand, is no more but for the special notice that the Party is the Man required for, or called on; and therefore if you be Mr. John Lilburne, and be the Man we charge, do but say you are the Man, and that you are there, and it shall be suffice.

Lilburne antwortete darauf, wenn es nur darum ginge, sich als derjenige auszuweisen, der man sei – wozu brauche man dann dieses Ritual, wo es viel präzisere Worte gäbe? Und so sagte er: I am John Lilburne, son of Mr. Richard Lilburne….43 Während ihn Keble unterbrach und noch einmal seine Erklärung wiederholte, holte Richter Jermyn etwas weiter aus, erinnerte an die Gleichheit von englischem und göttlichem Recht und an das jahrhundertealte Herkommen. Außerdem identifiziere das Ritual nicht nur den Angeklagten, es sage auch schon etwas über Schuld und Unschuld aus: A pure innocent Hand does set forth a clear unspotted Heart; that so the Heart and Hand together might betoken Innocency. And therefore hold up your Hand, that thereby you may declare you have a pure innocent Heart.44

Diese Erklärung war allerdings erneut kontraproduktiv, denn eine solche Assoziation der erhobenen Hand mit einem reinen Herzen zählte sonst nicht zu den offiziellen Begründungen dieses Rituals. Und auch Lilburne wollte nach dieser Belehrung über die Semiotik des Handhochhaltens nur noch mehr bei seiner verbalen Variante der Identifizierung bleiben: Sir, I beseech you, do not surprize me with punctilios or niceties, which are hard things for me to lose my life upon. I tell you again, my name is John Lilburne, son to Mr. Richard Lilburne.45

Es ging dann noch eine ganze Weile hin und her, bis endlich Richter Keble aufgab und es hinnahm, dass sich Lilburne auf seine Art dem Gericht vorstellte. Schließlich schlug er vor, dass man einfach mit der Verlesung der Anklageschrift weitermachen solle. 4. DIE DOPPELBÖDIGKEIT VON LILBURNES SPRECHHANDLUNGEN Werfen wir an dieser Stelle zunächst einen Blick auf den weiteren Prozess, denn dieser verlief im Folgenden alles andere als gewöhnlich. Lilburne hielt ausführliche Reden über das Pleading, das Recht auf einen Anwalt, über den angeblich wahren Charakter des englischen Rechts, über rechten Vernunftgebrauch, über die Ambivalenz von Rechtsformen und über Fairplay vor Gericht. Lilburne führte das Wort fast schon nach Belieben, Richter und Staatsanwalt versuchten zu beschwichtigen, seine Aussagen zu korrigieren oder irgendwie zu widerlegen. Er redete länger als Richter, Staatsanwalt und Zeugen zusammen, womit er mehr als die Hälfte 43 44 45

4 ST 1289. 4 ST 1290. 4 ST 1291.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

205

der Prozessdauer füllte. Dazu kam, dass ein Großteil der übrigen Prozesszeit am zweiten Tag damit verbracht wurde, seine Schriften als Beweismittel vorzulesen. Lilburne dominierte also den Prozess in direkter und in wiedergegebener Rede. Er ignorierte alle Ordnungsrufe des Gerichts, fiel den Richtern ins Wort und erteilte sich dieses immer wieder selbst. Er provoziert die Richter, schrie sie an und verfluchte sie an einer Stelle sogar. Er verspottete das äußere Gepränge von Richtern und Gericht. Sich selbst verglich er mit Jesus vor den Pharisäern oder Paulus vor den römischen Richtern. Am zweiten Tag blamierte er das Gericht dadurch, dass er und nicht Keble die Zuschauer zu Ruhe bringen konnte. Staatsanwalt Prideaux und Richter Thorp brachte er in eine peinliche Situation, als er ihnen vorwarf, konspirativ (hugger-mugger) miteinander zu tuscheln.46 Um die Mitte des zweiten Prozesstags stillte er ein dringendes körperliches Bedürfnis öffentlich in der Guildhall. Als er schließlich seine Schlussrede hielt, gestaltete er diese derart mitreißend, dass die Zuschauer am Ende „Amen“ riefen und minutenlang laut johlten. Erst die zusätzlich herbeigerufenen Soldaten konnten die Menge wieder zur Ruhe bringen. Wie kann man ein solches Verfahren nun analysieren? Drei Möglichkeiten bieten sich hier an: Man kann es als eine Art Heldengeschichte schreiben, als das furchtlose Agieren eines Freiheitskämpfers vor den Schranken der Willkürjustiz. Genau so ist die Geschichte des Lilburne-Prozesses bisher geschrieben worden, und eine solche Deutung ist keineswegs völlig abwegig.47 Nur eine Facette dieser Herangehensweise scheint mir zumindest problematisch zu sein: wenn man versucht, aus Lilburnes Reden und Handeln vor Gericht auf seine Überzeugungen und seine liberale Gesinnung zu schließen.48 Dabei ist es bei diesem Prozess gerade wichtig, Lilburne nicht immer beim Wort zu nehmen bzw. seine Äußerungen nicht nur auf der Inhaltsebene zu analysieren, sondern auch als Sprechhandlungen, mit denen er im Verlauf des Prozesses buchstäblich ‚etwas tun‘ konnte. Sicherlich hatte sich Lilburne mit seinen Reden auch gegen die Anklage verteidigt. Aber sie dienten nicht ausschließlich zur Verteidigung. Denn wenn man sich die Schriften anschaut, die Lilburne allein 1649 publizierte, dann wirkt das ganze Verfahren nur wie einer der vielen öffentlichen Angriffe auf die Republik. Umgekehrt hat er seine Schriften häufig als eine Art Gerichtsverhandlung über die jeweiligen Gegner konzipiert, so etwa in The Laws Funeral (1648) und noch mehr in The oppressed mans importunate and mournfull crys to be brought to the Barre of Iustice (1648), in der er all the moral honest Englishmen zur Jury in diesem schriftlichen Verfahren erklärte. Die Gerichtsverhandlung war in Lilburnes Schriften ein häufig genutztes dramaturgisches Modell zur Darstellung seiner Theorien, mithin also ein wesentlicher Bestandteil 46 47

48

4 ST 1301. Zuletzt etwa von Hostettler, Dissenters, 59ff. Das populäre Bild von John Lilburne ist recht verzerrt. So feiert etwa die britische Fernsehserie The Devil’s Whore (2008–2009, Regie: Marc Munden) Lilburne als selbstlosen Kämpfer für Freiheit und gegen Unterdrückung schlechthin. Dort wird ihm angedichtet, im Prozess gegen die Feldzüge Cromwells in Irland polemisiert zu haben. Wie Patterson, Early modern liberalism, 113ff. Bis heute ist die Leveller-Forschung stark von einer ‚inhaltistischen‘ Orientierung geprägt. Performative Elemente ihres Wirkens in der Öffentlichkeit kommen dagegen kaum in den Blick oder werden als irrationale „Polithappenings“ abgetan wie in der (schon älteren) Studie von Schröder, Die Revolutionen Englands, 98.

206

1550–1650: Rhetorisches Regime

seiner politischen Sprache.49 Deswegen war der konkrete Prozess für ihn alles andere als unvertraut: In der Guildhall machte er aus seinem Verfahren ein Forum für seine politischen Theorien, und seine Reden waren häufig nichts anderes als Digesten dieser Theorien. Während des Prozesses wurde Lilburne zum Sprachrohr seiner eigenen Publizistik. Das heißt aber auch, dass viele seiner Äußerungen in der Guildhall nur verständlich werden, wenn man diese Bezüge kennt – und diese Kennerschaft lässt sich bei dem Publikum nicht immer voraussetzen. Insofern muss man in Rücksicht stellen, dass Lilburne nicht nur die Anwesenden vor Ort adressierte, sondern auch die Leser der gedruckten Version seines Prozesses, die wiederum Querverbindungen zu seinen anderen Schriften herstellen konnten. Lilburnes Verfahren gehörte zu den ersten, das durch Kurzschrift protokolliert wurde, und zwar von dem radikalen Publizisten Clement Walker, der es nur wenige Tage nach dem Freispruch unter einem Pseudonym auch schon gedruckt vorlegte.50 Lilburnes Auftritt war also eine intermediale Darbietung und in hohem Maße selbstreferenziell. Um seine Aktivitäten in diesem Prozess zu verstehen, muss man in Rücksicht stellen, dass seine Reden und Äußerungen häufig überhaupt keine Antworten auf Fragen des Gerichts waren, sondern Bezüge herstellten zu seinen früheren Publikationen. Ein Beispiel dafür: Seine Schimpftiraden und das Gebrüll, mit denen er auf Unterbrechungen durch das Gericht reagiert, waren keineswegs emotionale Entgleisungen oder überhitzte Reaktionen auf Ermahnungen. Vielmehr handelte es sich dabei um für ihn typische Reaktionen auf diejenigen, die sich an seinen Prinzipien vergangen hatten. Das Pathos, die schrille Rhetorik sowie die häufig derben Verbalattacken kennzeichneten nicht nur sein Sprechen vor Gericht, sondern ebenso seine Schriftsprache. Es waren mithin keine Gefühlsausbrüche, sondern eher topische Reaktionen. In jener Schmähschrift gegen den Staatsrat etwa, die Teil der Anklage war, nannte er die Anhänger Cromwells und der anderen Machthaber Beagles and Spaniel-doggs (to) serve their lusts and wills.51 Er sprach von mocke power at Windsor, von einem mocke parliament, von Traytors, Tyrants, un-English-like men.52 Lilburne war sich seiner schrillen, ätzenden und verletzenden Wortwahl stets bewusst, es handelte sich dabei um eine reflektierte Praxis,53 nicht um eine Charakterschwäche, die das Gericht darin sehen wollte. 49 50

51 52 53

Vgl. dazu aus literaturwissenschaftlicher Sicht, aber in einem anderen Zusammenhang Wirtz, Gerichtsverfahren. Verax, [d.i. Walker, Clement], The triall, of Lieut. Collonell John Lilburne; dazu Patterson, Early modern liberalism, 113. Zum Verhältnis von Lilburne und Walker, der am Ende des Bürgerkriegs in Äquidistanz zu den Royalisten und der Parlamentspartei stand ohne ein Leveller zu sein, vgl. Mendle, Henry Parker, 160. Lilburne, The Picture of the Councel of State, 16. Ebd., 20. Am Ende von The Picture of the Councel of State, 23, schrieb er etwa: Curteous Reader, and deer Countryman, excuse I beseech thee my boasting and glorying, for I am necessitated to it, my adversaries base and lying calumniatious puting me upon it. […] John Lilburne, that never yet changed his principles from better to worse, nor could ever be threatened out of them […] never feared the rich nor mighty. Auch an anderen Stellen reflektierte und rechtfertigte er seinen Einsatz von harsh words, vgl. Lilburne, The lawes funerall, 11, Anm. a.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

207

Ein anderes Beispiel: Die in seiner langen Eingangsrede geübte Kritik an seiner Verhaftung und den Haftbedingungen im Tower war zwar sicherlich auch auf aktuelle Vorfälle bezogen. Gleichwohl war das Klagen über die Zustände in den Kerkern und die Brutalität der Wärter bei Lilburne topisch und gleichzeitig ein literarisches Mittel, um die tyrannischen Unterdrückungsapparate der Obrigkeit und damit ihr Vergehen an der englischen Freiheit deutlich und konkret werden zu lassen. Immerhin zwei seiner Schriften, Liberty vindicated against Slavery (1646) und The Oppressed Mans Oppression declared (1647), waren diesem Thema gewidmet: Es ging darin um Newgate, that vile and infamous Prison, the old Episcopall Slaughter house54 oder um die cruelty of all the Gaolers of England […] and particulary the Lieutenants of the Tower.55 Lilburne deutet jede Form von obrigkeitlichem Zwang, die sich gegen ihn richtete, als himmelschreiendes Vergehen an seinen personall liberties. Für ihn war die Gewalt im Kerker ebenso schlimm wie der Zwang, den er durch Verhöre und Gerichtsverfahren zu erleiden hatte. Beides waren Praktiken, mit denen Free-Born John und mithin alle Engländer und ihre Freiheitsrechte unterdrückt wurden: I have suffered abundance of lawless, bloody, wicked, cruell, barbarous, and tyrannical oppression.56 Auch die stets weitausholenden biographischen Exkurse, oder besser gesagt: seine Leidensgeschichte (England’s weeping spectacle, or, The sad condition of Lievtenant Colonell John Lilburne), die Exemplifizierung der beklagten Willkür und Tyrannei am eigenen Leib, waren typisch für seine Rhetorik sowohl in gedruckter als auch in gesprochener Form: And truly Sir, I have been an contestor and sufferer for the Liberties of England these twelfe years behauptete er etwa im März 1649 vor dem Council of State sowie in seiner darauf publizierten Darstellung dieses Verhörs.57 Das Gericht prozessierte also nicht nur gegen den physisch anwesenden Angeklagten Lilburne, sondern auch gegen die populäre Medienfigur Free-Born John. Lilburnes Reden in der Guildhall waren immer auch Fortsetzungen bzw. Summierungen seiner Theorien in einem anderen Medium  – nicht im gedruckten Pamphlet, sondern im gesprochenen Wort, wobei jedoch die politische Sprache in beiden Medien identisch war. Es ging Lilburne ohne Zweifel auch, aber nicht nur um seinen Freispruch. Vielmehr nutzte er bewusst die große Bühne, um seinen politischen Botschaften, seiner furiosen Verspottung der Republik als ein Haufen von Verrätern am Volkswillen, umgeben von speichelleckenden Schranzen, zu denen auch die Richter gehörten, Gehör zu verschaffen. So viel Courage hatten nur wenige Angeklagte in einem Hochverratsverfahren. Gleichwohl war aber die Republikbeschimpfung (state robbers, nationall fellons, traytors58) in seinen Pamphleten auch nicht weniger gefährlich. Lilburne ging also offensichtlich ganz bewusst aufs Ganze. Er konnte gar nicht anders als davon auszugehen, wegen seiner Schriften mit der Obrigkeit aneinander zu geraten, in Haft und sogar wegen Hochverrats vor 54 55 56 57 58

Lilburne, Liberty vindicated against slavery, 17. Lilburne, The oppressed man‘s oppression declared, Titelseite. Lilburne, The oppressed mans importunate and mournfull cryes, 3. Lilburne, The Picture of the Councel of State, 11. Lilburne, Englands birth-right, 39.

208

1550–1650: Rhetorisches Regime

Gericht zu kommen. Es spricht sogar einiges dafür, dass seine publizistischen Aktivitäten im Jahr 1649 darauf abzielten, einen Prozess gegen ihn zu provozieren.59 Mit seiner Furchtlosigkeit hatte er bereits 1642 während des Prozesses in Oxford Edward Hyde, den Earl von Clarendon, sowohl irritiert als auch beeindruckt: He behaved with so much impudence that it was manifest he ambitioned martyrdom for his cause.60 Im August 1649 hatte er den Freigang weniger dazu genutzt, um seiner kranken Familien zu helfen oder mit seiner Frau den Tod zweier Kinder zu betrauern.61 Vielmehr nutzte er die Freiheit dazu, um weitere polemische Pamphlete in Umlauf zu bringen. Auch seine Vorführung in der Guildhall, bei der andere Angeklagte zunächst einmal ans Überleben dachten, betrachtete er daher als eine weitere Gelegenheit für seine politische Öffentlichkeitsarbeit. Im Grunde hatte er während seines Prozesses überhaupt keine Zeit für ein Verfahren. Wie lassen sich vor dem Hintergrund dieser Doppelbödigkeit Lilburnes Sprechhandlungen nun verstehen? Ging es ihm darum, das Gericht hinzuhalten, das aus Sorge um die Meinung des Publikums (an das Lilburne sich auch immer wieder wandte) besonders nachsichtig mit dem Angeklagten verfuhr? Wollte er das Gericht lächerlich machen, es provozieren und es womöglich am Ende dazu bringen, ihn aufgrund eines Formfehlers zu verurteilen? All dies mögen seine Motive gewesen sein, aber es lohnt sich, genau auf das zu achten, was Lilburne gesagt hat. Ein Schlüssel zum Verständnis dieses Verfahrens liegt darin, dass er es schaffte, das Verfahren in ganz andere Bahnen zu lenken als eigentlich vorgesehen, so dass die Geschworenen am Ende gar nicht über die Sachlage (matter of fact) entschieden, wie es das Gericht wollte, sondern über die Form(en) des Verfahrens (matters of law).62 Diese Verfahrensformen hat Lilburne immer wieder an den Maßstäben seiner politischen Theorie gemessen. Die Pointe ist dabei, dass ihm dies innerhalb und während des Verfahrens selbst gelang – und nicht, wie in anderen Fällen, erst von anderen im Nachhinein. Auf diese Weise definierte er die den Geschworenen gestellte Entscheidungsaufgabe Schritt für Schritt neu. Als sich diese am Ende des Prozesses zurückzogen, urteilten sie nicht über Schuld oder Unschuld im Sinne der Anklage, sondern saßen über das Verfahren selbst zu Gericht. Wie war es Lilburne nun gelungen, den Entscheidungsrahmen entsprechend umzugestalten?

59

60 61 62

Auch Kishlansky, Martyrs‘ tales, verweist jetzt darauf, dass die Publizisten der 1630er Jahre, darunter an vorderster Front auch Lilburne, mit ihren Schriften die Konfrontation mit der Obrigkeit geradezu gesucht haben und die Sichtweise, dass das karolinische Regime seine Kritiker aktiv verfolgt habe, zu relativieren ist. Das Motiv, sich vor Star Chamber und High Commission wegen der inkriminierten Schriften als politischer Märtyrer zu inszenieren, spielte auch schon in diesen Prozessen eine wichtige Rolle. Neben Lilburne handelte es sich dabei um Autoren politischer Pamphlete wie William Prynne, Alexander Leighton, Henry Burton oder John Bastwick. Zu Prynne im Detail auch Kishlansky, A whipper whipped. Zit. nach Gregg, Free-born John, 102; weitere ähnliche Beispiele Ebd., 140ff. Ebd., 283f. Dabei hat Lilburne den Verlauf des Prozesses von Throckmorton in der Holinshed-Chronik adaptiert, den er natürlich kannte.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

209

Schaut man sich etwa seine ausufernde Kritik an der Spezialkommission unter der Perspektive von Doppelbödigkeit an, dann handelte es sich dabei nicht nur um den Versuch, das Gericht, vor dem er hier und jetzt stand, in den Schatten der Unrechtmäßigkeit zu stellen. Seine Missbilligung zielte nicht nur auf den laufenden Prozess, sondern rekurrierte auf eine Grundposition der Levellers, die unbedingte Gleichheit aller Engländer vor Recht und Gesetz. Diese Idee wurde besonders deutlich ab dem zweiten Agreement of the People aus dem Herbst 1648 artikuliert. Die drei Agreements of the People (1647, 1648, 1649) bildeten in einer Art Verfassungsentwurf die zugespitzte Summe jener Vorstellungen, die Lilburne, Overton, Walwyn und Prince schon in ihren zahlreichen Pamphleten vorformuliert hatten.63 So hieß es im dritten Agreement vom Mai 1649 im 13. Artikel: That all privileges or exemptions of any persons from the lawes, or from ordinary course of legall proceedings, by vertue of any tenure, grant, charter, patent, degree, or birth […], shall be henceforth void and null […].64 So wie die Justiz nicht auf die Person schauen dürfe, so müssten umgekehrt auch für alle Engländer die gleichen ordentlichen Gerichte und Verfahren zuständig sein. Dieses Postulat der Rechtsgleichheit – alle sind vor dem Recht gleich und gleiches Recht gilt für alle – war für die Levellers ein zentraler Baustein in ihrer Theorie der individuellen Freiheits- und Eigentumsansprüche.65 Erst wenn man in Rechnung stellt, dass Lilburne vor Gericht die ganze Zeit über Leveller-Prinzipien extemporierte, werden die Strategien seiner Rede erkennbar. So gründete er seine Angriffe auf die Spezialkommission darauf, dass diese unvereinbar seien mit den people’s liberties und der freedom of this nation und nichts anderes seien als die Folge von self-interest.66 Wer in diesen Jahren nur ein wenig von den Ideen der Leveller gehörte hatte, der wusste, wen sie mit self-interest meinten: die Juristen. Ihnen unterstellten sie, absichtlich die Künstlichkeit des englischen Rechts zu pflegen und damit dem Gemeinwesen massiv zu schaden. Die Juristen profitierten davon, dass niemand auf sie verzichten könne, obwohl ihre Kunstgriffe tatsächlich gar nicht nötig seien.67 Daher gehörte es auch zu den Forderungen des dritten Agreements, dass jeder vor Gericht persönlich in eigener Sache sprechen solle und dürfe. Wenn sich Lilburne also immer wieder selbst das Wort erteilte, dann berief er sich dabei nicht nur ganz allgemein auf die in dieser Zeit viel diskutierte Redefreiheit,68 sondern auf ein Element seiner eigenen politischen Philosophie. Die Juristenschelte der Levellers ging dabei so weit, dass sie Anwälten, die ins Parlament gewählt wurden, das Praktizieren untersagen wollten. Es passte für sie nicht zusammen, gleichzeitig als Repräsentant des Volks an der Supreme authority of England teilzuhaben und sich gleichzeitig mit der pauschal als korrupt beschrieben Advokaterei zu be63 64 65 66 67 68

Gentles, The agreements of the people; vgl. für eine Übersicht der Leveller-Schriften Haller / Davies, The Leveller Tracts; Aylmer, The Levellers; Sharp, The English Levellers. Zit. nach Haller / Davies, The Leveller Tracts, 324. Wende, „Liberty“ und „Property“, 149. 4 ST 1244. Die Juristen-Kritik der Levellers wurde am prononciertesten vorgetragen von Warr, The corruption and deficiency. Vgl. dazu für das frühe 17. Jahrhundert Colclough, Freedom of speech.

210

1550–1650: Rhetorisches Regime

schäftigen.69 Dies war der Hintergrund, vor dem Lilburne Staatsanwalt Prideaux als ungeeignet (unfit) für die Rolle des Anklägers rügte, denn dieser war zur Zeit des Prozesses Mitglied des Parlaments. Was Lilburne vor Gericht sagte und tat (die Hand nicht hochzuhalten), war nicht nur eine kecke Hinhaltetaktik, sondern wies vielmehr Elemente einer fundamentalen Kritik am gesamten existierenden Rechtswesen im Allgemeinen und an seinem Prozess im Besonderen auf. Und es gelang ihm, seine Richter und Ankläger in die Diskussion darüber zu verstricken, ohne dass ihnen dies immer bewusst geworden wäre. 5. GEGEN DIE FÖRMLICHKEIT DES VERFAHRENS Um zu verstehen, wie Lilburne mit seiner Rechts- und Verfahrenskritik allmählich einen neuen Entscheidungsrahmen erzeugte, muss man noch einen Schritt weiter zurückgehen, bis zum Diskurs über das Normannische Joch (norman yoke). Es war ein immer wiederkehrender Topos in seinen Schriften, dass das gesamte englische Recht mit Wilhelm dem Eroberer pervertiert worden sei. Vor der normannischen Eroberung seien Rechtsfälle vor Ort, ohne viel Aufhebens, nach der Maßgabe der Vernunft, einvernehmlich und vor allem rasch erledigt worden.70 Die Normannen wurden nicht nur für den Niedergang der Rechtsinhalte, also des materiellen Rechts verantwortlich gemacht, sondern vor allem auch für die Dekadenz der Rechtsformen. So schrieb Lilburne 1646: But if we will but impartially read our English histories, we shall clearly find, that the tedious, unknown, and impossible to be understood common law practises in Westminster Hall, came in by the will of a tyrant, namely William the Conquerer. Anstelle der honest and just laws aus der Zeit Edward des Bekenners hätten die Normannen new tearms, new constitutions, new forms of pleas, new offices, and Courts eingeführt.71 Es waren also vor allem neue forms und unverständliche practices in Westminster Hall, die mit dem Normannischen Joch in Verbindung gebracht wurden. Solche Förmlichkeiten und die unverständlichen Fachsprachen des Common Laws hätten die Anwälte erst notwendig werden lassen. Ohne diese Geziertheit des Rechts könnte jeder als Anwalt in eigener Sache agieren as before the Conquest.72 Das Normannische Joch bestand geradezu in dieser Förmlichkeit des Rechts, wie 1649 John Warr ausführte: For the law of England is so full of uncertainty, nicety, ambiguity, and delay that the poor people are ensnared, not remedied, thereby. The formality of our English Law is that to an opressed man which school-divinity is to a wounded spirit, when the conscience of a sinner is pierced with remorse.73 69 70

71 72 73

Lilburne, An agreement. Schröder, Die Revolutionen Englands, 103. Zur Virulenz der Doktrin vom Normannischen Joch im England des frühen 17. Jahrhunderts vgl. das entsprechende Kapitel bei Hill, Puritanism and revolution, 46–111. Lilburne, The iust mans iustification. Warr, The corruption and deficiency, 15. Ebd., 12.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

211

Kritik an Förmlichkeiten im Zeitalter der englischen Revolution war nichts Ungewöhnliches.74 So wie den Puritanern und anderen radikalen Protestanten der Ritus (ceremonies) beim Gottesdienst aufgrund seiner altgläubigen Herkunft als sicherer Weg ins Verderben galt, so galten juristische Förmlichkeiten zumindest bei einigen politisch-religiösen Gruppierungen der Revolutionszeit als Falle.75 Da im Verständnis der Zeitgenossen formall practices stets eine bestimmte, zwingende Finalität besaßen, so konnte dies für den Einzelnen bedeuten, dass die eigenen Absichten durch die dem Verfahren inhärenten Zweckursachen völlig verkehrt wurden. Nur derjenige, der über die Formen bestimme, profitiere auch davon. Andere tappen dagegen in eine zuschnappende Falle (to entrap, to be screw’d up into Hazards and Snares hieß es bei Lilburne). In der Revolutionszeit galten formale Verfahren nicht als Bedingung,76 sondern als Bedrängung der Freiheit des Einzelnen – jedenfalls im Verständnis derjenigen, die nicht zu politischer Macht gekommen waren und die sich daher als Benachteiligte interpretierten. Diejenigen, die durch Bürgerkrieg und Revolution zu Macht gelangt waren, beurteilten formale Verfahren natürlich ganz anders.77 Für die Levellers galten juristische Formen als Bereicherungsstrategie der Anwälte und als Vorenthalt des englischen Freiheitsrechts to be his own advocate.78 Lilburne verdeutlichte dies, wie so oft, mit einem Beispiel aus seiner eigenen Lebensgeschichte. Als er 1646 wegen seiner Pamphlete vor das Oberhaus zitiert worden war und in diesem Zusammenhang eine Apologie veröffentlicht hatte, blickte er darin auf die Prozesse und Nachstellungen gegen ihn in den vergangenen Jahren zurück: And having contested above 7 yeares, with all sorts and kind of persons that would destroy me, and having often been tried in the field, among bullets and swords to maintaine the common liberties and freedoms of England against all the declared trayterly oppugners therof, having by the goodness of God escaped many dangers and deaths, and being in my own apprehension ready to be ruined and destroyed, by a weapon inferior to a Taylors Bodkin, namly a formalite, or punctilio in law.79 Seiner eigenen Einschätzung nach haben ihm die größten Gefahren für Leib und Leben also nicht durch Gewehrkugeln und Schwerter gedroht, sondern durch eine Waffe, die kleiner sei als eine Nähnadel: eine formale Feinheit. Vermutlich wird man punctilios, niceties und formalities of law am besten mit Rabulistik und Pedanterie übersetzen. Auf jeden Fall sahen die Levellers darin einen unerträglichen Zustand: Why are so many men destroyed for want of a formality and punctilio in law? fragte 1649 John Warr in einem Pamphlet.80 Eben aufgrund dieses tiefen Misstrauens gegenüber der verstrickenden (to ensnare) Macht der Formen (to throw away my own life upon a punctilio or nicety that I am ignorant of) 74 75 76 77 78 79 80

Der Historiker James Colin Davis hat den Anti-Formalismus sogar als ein Kennzeichen dieser Zeit beschrieben, vgl. Davis, Against formality; Davis, Political thought, 380ff. Davis, Against formality, 274. Wie später in der Philosophie von John Locke, vgl. Davis, Against formality, 284, FN 284. Zur Macht der Formen aus Sicht des Rumpfparlaments vgl. Krischer, Souveränität ohne Autorität. Warr, The corruption and deficiency, 15. Lilburne, The iust mans iustification, 18f. Warr, The corruption and deficiency, 16.

212

1550–1650: Rhetorisches Regime

opponierte Lilburne so hartnäckig gegen das Handhochhalten: Es ging ihm nicht darum, dieses Ritual hinauszuzögern, sondern es überhaupt nicht abzuleisten, um den Prozess dann nach seinen Vorstellungen zu führen – und zwar idealerweise als einen form- und damit herrschaftsfreien Diskurs, bei dem nur das Wort und nicht der prozessuale Rahmen zählte. Erst wenn sich das Gericht nicht mehr auf die Macht der Formen stützen konnte, sondern nur noch auf die Kraft des gesprochenen Wortes, erst dann verfügten Gericht, Ankläger und Angeklagter über die gleichen Mittel, und erst dann herrschte Rechtsgleichheit, fair play. Dass die Rechtssprache mit französischen Begriffen durchzogen war, also vom law french, erachteten die Levellers als besonders perfides Erbe des Normannischen Jochs: Sir, I am ignorant of the formalities of the law, having no books in English wherein I can read them; and as for other tongues, I understand none: and therefore for you to take away my life for my ignorance, when the practick part of the law, or the formalities thereof, is locked up in strange language, that it is impossible for me to read or understand, is extreme hard.81

Immer und immer wieder und in verschiedenen Variationen berief Lilburne sich bei seiner Verweigerung darauf, sich nicht verstricken lassen zu wollen: For you to come to ensnare and entrap me with unknown Niceties and Formalities that are locked up in the French and Latin Tongue, and cannot be read in English Books, they being not expressed in any Law of the Kingdom, published in our own English Tongue: it is not fair Play according to the Law of England, plainly in English expressed in the Petition of Right, and other the good old Statute Laws of the Land.82

Auch hier waren seine Ausführungen über formalities und niceties, über law french, die good old English laws und Magna Charta nicht allein Verteidigungsstrategien, sondern Referenzen zu seiner Publizistik. In allen Fällen, in denen er von der Obrigkeit wegen seiner Schriften verhört worden war, und nicht allein in Gerichtsverfahren, hielt er den Verhörenden eine Predigt über formale Fallstricke und die wahren Rechte aus der Petition of Right. Bei den Verhören vor Parlamentsausschüssen verlangte er zudem stets, Zuschauer zuzulassen.83 Als er in der Guildhall verlangte, die Türen für die Öffentlichkeit zu öffnen, die aber längst geöffnet waren, war auch das ein Selbstzitat. Natürlich lehnte es Lilburne auch ab, sich für schuldig oder unschuldig zu bekennen, also zu plädieren. Zu diesem Verfahrensabschnitt, dem Pleading, hatte Richter Keble übergeleitet, nachdem man es aufgegeben hatte, Lilburne zum Handhochhalten zu bewegen. Als er nach der Verlesung der Anklage gefragt wurde guilty or not guilty, verweigerte er seine Antwort darauf aus Gründen von reason and justice. Als er weiter dazu aufgefordert wurde, präzisierte er etwas, was er mit

81 82 83

4 ST 1293. 4 ST 1294. Gregg, Free-born John, 153.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

213

reason and justice meinte: by the Laws of England, I am not to answer to questions against or concerning myself.84 Der aus dem Naturrecht abgeleitete Anspruch85, sich nicht selbst belasten zu müssen, war noch im dritten Agreement (§ 16) wiederholt worden. Es handelte sich dabei zwar keineswegs um eine Leveller-Spezialität, sondern um etwas, das von allen Gegnern des Königs bis zur Abschaffung von Sternenkammer und Konsistorialgericht 1641 gefordert worden war. Allerdings war es wieder einmal Lilburne selbst, der mit seinem Widerstand dagegen besondere Bekanntheit erlangt hatte. Lilburne war 1638 zum ersten Mal wegen subversiver Schriften (seditious libel) mit der Krone aneinandergeraten, was ihm einen Prozess vor der Star Chamber einbrachte. Dieses Gericht verfuhr nicht nach den Grundsätzen des Common Law. Vielmehr wurde der Angeklagte vereidigt und mit Hilfe dieser bedingten Selbstverfluchung dazu genötigt, unter Umständen ein Geständnis abzulegen, wollte er sein Gewissen nicht mit einer Lüge belasten, die ihn sein Seelenheil kosten konnte. Auch wenn Lilburne nicht der einzige war, der diesen Eid verweigerte – was schwere Strafen nach sich zog –, so wurde sein Aufbegehren gegen dieses als Willkürinstrument der Krone gebrandmarktes Gericht ungemein populär. Denn wie die meisten Stücke seines öffentlichen Lebens (my public proceedings) in der Jahrhundertmitte dokumentierte Lilburne auch seinen Star Chamber-Prozess im Druck.86 Darin inszenierte er seine Verweigerung des Eids als Pflicht eines wahren Christenmenschen, und zwar mit ähnlichen formalitätskritischen Argumenten wie 1649. Am Beginn des Verfahrens aufgefordert zu schwören, fragte er To what? That you shall make true answer to all things that is asked you, lautete die Antwort des Gerichts.87 Lilburne gab sich damit nicht zufrieden und wollte über Sinn und Zweck des Eides unterrichtet werden. Weil ihn die Belehrungen des Gerichts dann aber als einen – und das war die Rolle, die er sich in diesem Verfahren zuschrieb – Christenmenschen nicht überzeugten, leistete er keinen Eid und wurde vom Gericht wegen ungebührlichen Verhaltens zu einer brutalen Peitschenstrafe verurteilt. Schon in der Schrift England’s Birth Right von 1645 hatte er die verstrickenden Wirkungen der Pleading-Rituale mit denen der Eide in der abgeschafften Sternenkammer verglichen. In beiden Fällen handele es sich um eine great snare und deswegen um eine criminall Interrogatory.88 Und noch in einer anderen Hinsicht zitierte er 1649 sein eigenes Verhalten vor der Star Chamber, und zwar in der abenteuerlichen Bereitschaft, eher eine Strafe auf sich zu ziehen als seine Verfahrenspflichten zu erfüllen. Mehrmals beteuerte er am ersten und zweiten Prozesstag, lieber sterben zu wollen als sich auf die ticklish formalities of the law einzulassen.89 Zwar rügte Richter Keble dies als Worthülse: These are but words and flourished, Sir, that you are so willing and ready to die, as you declare 84 85

86 87 88 89

4 ST 1292. Denn im Fall einer sich selbst belastenden Aussage wird man zu einem self-destroyer (contrary to the law of Nature, which teacheth a man to preserve, but not destroy himself), aus Lilburne, Englands birth-right, 7. Lilburne, The Christian mans trial. Ebd., 5f. Lilburne, Englands birth-right, 7. 4 ST 1311.

214

1550–1650: Rhetorisches Regime

you are.90 Doch als Lilburne mit seiner Parole ‚(Form-)Freiheit-oder-der-Tod‘ nicht aufhören wollte, sahen sich Keble und seine Kollegen immer wieder selbst zu dem Bekenntnis genötigt, für ihre Grundsätze ebenfalls sterben zu wollen: We are willing to die, too, We are upon our lives too, as well as you.91 Wieder einmal machten die Richter bei Lilburnes Sprachspielen mit. Auch das letzte Ritual beim Pleading stellte Lilburne auf den verfahrenslogischen Prüfstand. Auf die Frage: By whom wilt thou be tried, hatte ein Angeklagter gewöhnlich By God and my Country zu antworten. Auch in diesem Fall verlangte er Auskunft über den Sinn dieser Formalie, was Richter Keble zunächst mit dem Verweis auf ein verbindliches Herkommen erklärte: This is the form and the law of the land: Wilt you plead, Mr. Lilburne, according to the Laws of England?, was dieser aber unter Berufung auf sein eigens Rechtsverständnis ablehnte: Truly I never read it, Sir, in the Laws of England, what is good to plead in this nature. Wieder ging es dann eine Zeitlang darum, ob es sich bei dieser Formality nicht auch wieder einmal um eine Falle handelte und welche Rolle Gott eigentlich im Verfahren spielte: War er ein Richter über Lilburne, wie Richter Jermyn das sah, oder aber, nach Lilburne, auch über die Richter selbst, eine Art Hüter der Gerechtigkeit, der genau wusste whether any of your hearts be possessed with a premeditated malice aganist me.92 Tatsächlich verlief auch dieser Versuch, Lilburne auf die Initiationsriten des Verfahrens zu verpflichten, im Sande. 6. VERFAHREN NACH DER GOLDENEN REGEL Gleichwohl war damit eines der ungewöhnlichsten Pleadings in der frühneuzeitlichen englischen Rechtsgeschichte immer noch nicht zu Ende. Lilburne verlangte nun einen Verteidiger, das sei schließlich sein birth right. Angeblich sei ihm schon vor dem königlichen Gericht in Oxford ein Anwalt gewährt worden, und er glaube nicht, dass ein Gericht der Republik hinter dieses Fairplay zurückfallen wolle: If you will not be so just as the cavaliers were […], let God and all righteous men judge betwixt you and me.93 Die Forderung erscheint auf den ersten Blick paradox: War es nicht Lilburnes Ideal, dass jeder vor Gericht für sich selbst sprechen sollte? Man könnte zunächst vermuten, dass er auch nicht blind war für die Asymmetrien vor Gericht und in Wirklichkeit einen Anwalt brauchte. Betrachtet man die Anwaltsfrage jedoch im Zusammenhang mit Lilburnes früheren Prozessen, dann zeigt sich auch hier eine Doppelbödigkeit, dann wird es ungewiss, ob es ihm wirklich um einen Verteidiger ging oder nicht doch eher darum, die Obrigkeit einmal mehr als willkürlich und ungerecht herauszustellen. Denn die Anwaltsfrage bei Lilburnes Prozessen lässt sich so zusammenfassen: Wo ihm ein Rechtsbeistand gewährt wurde, wollte er 90 91 92 93

4 ST 1308f. 4 ST 1309 und 1317. 4 ST 1295. 4 ST 1299.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

215

partout keinen, wo er ihm aber verweigert wurde, dort versteifte er sich darauf. Als ihm etwa 1648, bei einem Prozess wegen seditious libel vor der King’s Bench ein Anwalt gewährt werden sollte, lehnte er diesen kategorisch ab: I will trust never a Lawyer in the Kingdome to plead for me […] Mr. Justice Bacon demanded of me where my Concell was, and being standing up upon a high place before the Bench, with a loud voice I answered him, I had non, neither would I have any, but desired to cast the weight of my Cause upon my own abilities […] and therefore Sir, said I, (with a shrille voice) I crave and demand at your hands, as my naturall and undoubted right, the same benefit and priviledge that Paul always injoyed from the hands of the Pagan and Heathen Roman Judges, who always gave him free liberty as his Right to plead his Cause before them, and to speak in the best manner he could for himselfe.94

Beim Hochverratsprozess in der Guildhall behauptete er, dass ihm das Gericht der Royalisten in Oxford einen Anwalt gewährt habe. 1648 hatte er sich gegen das vermeintlich vergiftete Angebot, einen Anwalt zu nehmen, ebenfalls mit genau dieser Geschichte gewehrt und sie mit einem gegenteiligen Sinn erzählt. Damals hatte er beteuert, dass sich die Gerechtigkeit des Oxforder Gerichts daran zeige, dass er keinen Anwalt brauchte. Richter Heath habe ihm das utmost priviledge that the Law of England would afford zugestanden, to plead for my selfe, and say whatsoever I could for my selfe.95 Es ist daher naheliegend, dass es sich bei Lilburnes Forderung nach einem Anwalt, die sich durch das ganze Verfahren zog, um eine Strategie handelte, die gar nicht darauf abzielte, tatsächlich einen Prozessvertreter zu bekommen. Lilburne kannte die Prozesspraxis seiner Zeit gut genug, um zu wissen, dass Anwälte in Hochverratsverfahren prinzipiell nicht zugelassen wurden. Er hatte die Werke von Edward Coke in ähnlicher Weise verinnerlicht wie die Bibel auch,96 und Coke galt hinsichtlich des Anwaltsverbots als oberste Autorität.97 Sein Ruf nach einem Rechtsbeistand war also nicht wörtlich gemeint, sondern erfüllte vielmehr konkrete Funktionen für sein Agieren vor Gericht – wobei ein Anwalt letztlich nur gestört hätte: Zum einen konnte er auf diese Weise die Diskussion immer wieder weg von der Sache und auf die formalen Fragen des Verfahrens lenken, um die es ihm die ganze Zeit vor allem ging. Sobald es für ihn einmal eng wurde, wenn ihm bestimmte Schriften nachweislich zur Last gelegt werden konnten, dann lenkte er die Aufmerksamkeit auf das Unrecht des Anwaltsverbots. Durch gezielte Provokationen (O Lord! Was there ever such a pack of unjust and unrighteous judges in the world98) nötigte er sodann seine Richter, ihm eben darauf zu antworten. Besonders Richter Jermyn fiel immer wieder darauf herein. Lilburne verstrickte sich tatsächlich weniger in den Verfahrensformen als er seine Richter in seine politische Sprache ver94 95 96 97 98

Lilburne, The lawes funerall, 3. Ebd. Gregg, Free-born John. Bodet, Sir Edward Coke‘s third institutes. Lilburne, The lawes funerall, 33.

216

1550–1650: Rhetorisches Regime

wickelte. Zum anderen diente ihm die Anwaltsfrage dazu, seinen Grundsatz eines idealen Strafprozesses vorzustellen. Ohne einen Anwalt der Verteidigung herrsche ein eklatantes Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse, was sicher nicht im Sinne des Rechts sei: But I am sure the law, in the equity and intention of it, would have all trials to be equal, and not prejudicial. Während sich die Ankläger und womöglich die Richter penibel auf den Prozess vorbereitet hätten, stehe er mit leeren Händen und unvorbereitet vor den Schranken der Justiz. Es könne aber nicht im Sinne des Rechts Gottes sein, dass man ihm mit Winkelzügen und Spitzfindigkeiten (Snares, Tricks and Provocations) das Leben nehme. Das Recht Gottes, das auch das Recht von England sei, schreibe vielmehr vor: Do as you would be done.99 Dieses ethische Prinzip der Gegenseitigkeit, in Luthers Übersetzung von Tob. 4, 5: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu, ist bekanntlich die Goldene Regel. In der nachantiken Ethik hatte die regula aurea allerdings vor dem 17. Jahrhundert kaum eine Rolle gespielt. Nach 1600 jedoch und zunächst vor allem in England wurde sie immer häufiger beschworen und schließlich von Hobbes zum Grundprinzip des Naturrechts erklärt. Für Lilburne war die Goldene Regel nicht nur ein universales Gebot des menschlichen Miteinanders im Alltag, sondern eine ganz konkrete Prozessmaxime. Auf diese Regel fußte Lilburnes Verfahrensrecht im Grunde: Alle müssen sich wechselseitig die gleichen Rechte einräumen, reden die einen, dürfen auch die anderen reden. Bedienen sich die einen juristischer Kunstgriffe, dann müssen sie das auch beim anderen tolerieren. Doch am besten sollen alle darauf verzichten: The righteous man is merciful, even to a very Beast, belehrte Lilburne seine Richter.100 Wer sich bedrängt fühlt, hat das Recht, dies anzuprangern und auf Abhilfe zu pochen. Lilburne präsentierte das Prinzip der Goldenen Regel als einen unverfälschten Ausdruck der Vernunft (reason unspotted, uncorrupted, or underfiled), und zwar eben jener Vernunft, auf die er sich die ganze Zeit berief. Diese Vernunft der Goldenen Regel war wiederum auch die Grundlage der von ihm laufend ins Spiel gebrachten good old laws of England, womit er die rechtlichen Formen und Normen aus der Zeit vor der Eroberung meinte. Wenn Lilburne englisches Recht und Vernunft als miteinander identisch betrachtete (The Common Law of England, which is right reason, or as Sir Edward Coke stiles it, the absolute perfection of reason101), dann rekurrierte er dabei auf einen bekannten Topos im 16. und 17. Jahrhundert, der einen wesentlichen Bestandteil des Common Law als einer politischen Sprache im Sinne von John Pocock darstellte. Ob bei Edward Coke oder bei den weniger bekannten Panegyrikern des Common Law um 1600, allenthalben fand sich das Ineinssetzen der English Laws mit Reason.102 Doch es gab einen signifikanten Unterschied zwischen den Common Lawyern und Lilburne: Die Vernunft des Rechts im hegemonialen Common Law-Diskurs galt als das Resultat einer historischen Entwicklung, die von den grauen Vorzeiten und 99 100 101 102

Lilburne, The lawes funerall, 36. 4 ST 1378. Lilburne, The lawes funerall, 9. Vgl. die zahlreichen Belege bei Seaberg, The Norman Conquest, 796; allg. dazu Pocock, The ancient constitution; Burgess, British political thought, 45ff.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

217

unbeschadet von der Normannischen Eroberung den Zeitgenossen eine perfekte Ancient Constitution bescherte. Wenn also die Richter von den good old laws sprachen oder von der fünfhundertjährigen Geschichte der Spezialkommissionen, dann meinten sie damit etwas völlig anderes als Lilburne, für den die good old laws einen idealen Zustand vor der Eroberung bedeuteten: eine Zeit, in der die Rechtsgeschäfte noch nicht von professionellen Juristen (the wild-fire, destroyers, and bane of all just, rationall, and right-governed Common-wealth103) an sich gerissen worden waren, sondern ohne Winkelzüge (feate) zwischen gleichen, freien und ehrenwerten Männern vor Ort, rasch und fair, ja geradezu im Konsens ausgetragen worden waren.104 Keble und seine Kollegen meinten mit Vernunft hingegen die von vielen Generationen allmählich geschaffene Perfektion des englischen Rechts in Form und Inhalt, und aus dieser Perspektive zensierten sie Lilburnes Verhalten als reichlich unvernünftig (you speak not rationally; this is not the rational way you said you would go).105 In diesem Prozess prallten also zwei unterschiedliche Vorstellungen über Verfahrensformen aufeinander: die Vorstellung des Gerichts, die sich an der herkömmlichen und üblichen Praxis orientierte, und die Vorstellung Lilburnes eines von der Goldenen Regel getragenen, von formalen Verstrickungen bereinigten und geradezu machtfreien Verfahrens. Dabei stellt sich auch hier die Frage, ob Lilburne dabei wirklich von einer rückwärtsgewandten Utopie geleitet wurde oder es sich auch bei der Goldenen Regel um eine Taktik handelte. Es war für Lilburne typisch, den Gerichten jeweils Vorgehensweisen vorzuschlagen, die sie gar nicht anders als ablehnen konnten. Die Goldene Regel als Verfahrensprinzip hätte die gängigen juristischen Formen und damit einhergehende Ungleichheiten ersetzt durch ein freies Wechselspiel der Kräfte, durch den zwanglosen Zwang des besseren Arguments, durch Redefreiheit für alle ohne einschränkende Formfragen. Dies wäre zwar die unmittelbare Durchdringung des Strafverfahrens durch Lilburnes radikal-individualistische Freiheitstheorie gewesen, in der das Recht des Einzelnen ungleich mehr zählte als das der Institution. Ob er wirklich davon ausgegangen war, dass sich das Recht in einen solchen goldenen Zustand verändern ließ, erscheint doch zweifelhaft. Doch Spekulationen bringen uns hier nicht weiter, wir können nur Kommunikationen beobachten, nicht aber, was sich die Akteure dabei gedacht haben. Und in der Kommunikationspraxis wird deutlich, dass die Anwaltsfrage oder die Goldene Regel dazu dienten, die gesamte Diskussion an den Formalia festzuheften, weil er vor allem auf dieser Ebene das Verfahren mit den Kategorien seiner politischen Philosophie unter Beschuss nehmen konnte.

103 104

105

Lilburne, The iust mans iustification, 18. Deswegen sollte das Parlament auch dafür sorgen, dass dieser Zustand wieder herbeigeführt wurde: desire and sollicite our honourable Parliament […] forever to annihilate this Norman innovations, and reduce us back to that part of the ancient frame of government in this Kingdome before the Conquers days, Lilburne, The iust mans iustification, 15. 4 ST 1300.

218

1550–1650: Rhetorisches Regime

7. DAS ÜBERFORDERTE VERFAHREN Lilburne zitierte während des Verfahrens nicht nur wörtlich aus seinen Schriften, deren Drucke er vor sich liegen hatte. Er zitierte auch seine eigenen Handlungen. Denn sein Auftreten hatte eine Vorgeschichte in seinen bisherigen Prozessen. Wiederholt hatte er sich z. B. geweigert, Aussagen zur Sache zu machen, solange ihm die Formen des Verfahrens entweder als Vergehen an der Freiheit eines Christenmenschen (Sternenkammer) oder als Ausfluss des Normannischen Jochs erschienen (Common Law-Gerichte). Doch im Unterschied zu früheren Prozessen, etwa dem von 1646 vor dem Oberhaus und seiner dazu publizierten Schrift A just mans justification und The freemans freedome vindicated, in denen die korrumpierten Formen immer erst im Nachhinein konstatiert werden konnten, hatte Lilburne in der Guildhall die Chance, Versatzstücke seiner politischen Theorie in die Situation zu verlagern, sie buchstäblich performativ aufzuführen. Er behauptete nicht nur, dass die juristischen Formen zur Unterdrückung und Verstrickung des Angeklagten dienten, er inszenierte und illustrierte diese Behauptung auch zugleich. Die Richter taten ihm dabei den Gefallen, bei dieser Inszenierung mitzuspielen, ohne das Spiel selbst zu durchschauen. Lilburne brachte die Richter in der Guildhall dazu, sich genau so zu verhalten, wie er das in seinen Schriften als typisch für eine tyrannische Obrigkeit beschrieben hatte. Er führt, wie schon ein Zeitgenosse bemerkte, mit seinen Richtern ein Theaterstück auf. Es war zwar vermutlich ironisch gemeint, wenn Lilburne seinen Richtern am Ende des ersten Tages dankte: I humbly thank you for what favour I have already received.106 Doch so, wie die Richter schon am ersten Tag mit Lilburne nolens volens kooperiert hatten, war dieser Dank durchaus berechtigt. So hatten die Richter kaum eine Wahl, als sich gegen Ende des ersten Verhandlungstags plötzlich Lilburnes Anwalt Sprat in die Diskussion einschaltete. Richter Keble hatte dies zunächst nicht bemerkt, weil zwischen Richter- und Anklagebank rund zwanzig Meter lagen und sich neben Lilburne die ganze Zeit schon mehrere Personen, darunter Sprat und Lilburnes Bruder, gedrängt hatten. Wer nun von diesen Personen das Wort führte, ließ sich offenbar nicht genau erkennen. Richter Jermyn fiel es als erstem auf, und wieder reagierte er aus Lilburnes Sicht in idealer Weise: What impudent fellow is that, that dare be so bold as to speak in the court without being called.107 Lilburne konnte Jermyns Ausfall dazu nutzen, um sich über Tyranny and Injustice zu beklagen. Am zweiten Tag stifteten Lilburne, sein Bruder und Sprat erneut Verwirrung, sie flüsterten miteinander, und wieder konnte Richter Keble nicht genau erkennen, wer nun eigentlich sprach. Deswegen ordnete er an, Robert Lilburne und Sprat von dort wegzuschaffen. Das verschaffte John Lilburne nicht nur erneut die Gelegenheit, sich über unjust and bloody Proceedings auszulassen, sondern auch all this People mit einer Verfahrenspraxis vertraut zu machen, wie sie angeblich vor der Eroberung üblich gewesen war: Demnach gab 106 107

4 ST 1314. 4 ST 1305.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

219

es by the Law of England die Regel, dass Freunde und Verwandte als Fürsprecher handelten. Richter Keble brachte das alles so in Rage, dass er am Ende gegenüber Lilburnes Bruder Zwang anordnete: that Fellow come out there, with the white Cap, pull him out.108 Damit hatte das Gericht zwar seine Ordnungsvorstellungen durchgesetzt, Lilburne aber auch zugleich in seiner Behauptung bestätigt, es mit Richtern zu tun zu haben, die die good old laws mit Füßen treten, die ihn schlechter behandeln als die Pharisäer den Jesus und die Römer den Paulus, die sich nicht an das biblische Gebot der Goldenen Regel halten usf. Neben solchen Inszenierungen gründete Lilburne seinen Anspruch auf einen Anwalt am zweiten Tag auch auf einen angeblichen Präzedenzfall: Demnach habe ein gewisser Major Rolfe im Jahr 1648 bei seinem Verratsprozess zwei Anwälte erhalten, und das müsse der beisitzende Richter Nichols eigentlich bestätigen können, denn er sei damals einer der beiden Anwälte gewesen. Als Historiker kann man leicht herausfinden, dass die Sache mit Major Rolfe allenfalls zur Hälfte stimmte. Im Verfahren allerdings konnte keine Aufklärung über diese Behauptung erarbeitet werden. Sie stand im Raum, während Nichols dazu nichts sagen wollte oder konnte, und dieses vielsagende Schweigen wurde von den Beobachtern und Protokollanten des Prozesses als Information gewertet: But the judge sitting as if he had neither life nor soul.109 Wie schon im Fall seines Berichts über die angeblich bevorzugte Behandlung durch das Gericht in Oxford, aus dem er während des ganzen Verfahrens immer wieder Versatzstücke brachte, erwiesen sich auch die von Lilburnes dramaturgisch geschickt platzierten Geschichten von Major Rolfe als zu komplex für das Verfahren: Beide Geschichten ließen zu viele Fragen und Anknüpfungspunkte offen und konnten nicht mit verfahrenseigenen Mitteln verifiziert oder falsifiziert, also ‚erledigt‘ werden. Richter Keble konnte zwar das Gegenteil behaupten, aber ob Major Rolfe nun Anwälte hatte oder nicht, blieb für das Publikum ungeklärt. Aufgrund dieser unentschiedenen Lage konnte Lilburne damit fortfahren, seine Behandlung als ungerecht und im Widerspruch mit der Goldenen Regel darzustellen. Mittels ihrer bloßen Amtsgewalt würden sie ihm seine Rechte vorenthalten. Vor allem aber konnte er aus dem zweideutigen Sachverhalt um Major Rolfe eindeutige Schlüsse bezüglich der eigenen Situation ziehen: I humbly crave my Privilege and undoubted Right by the Law of England (which in a higher nature was granted to Major Rolfe, as his unquestionable Right) Therefore I humbly crave my privilege and undoubted right by the law of England, (which in a higher nature was granted to major Rolfe, as his unquestionable right) to have counsel assigned me, to help me in those things I am ignorant of, I mean the formalities and bottom of the law.110

108 109 110

4 ST 1319. 4 ST 1375. 4 ST 1377.

220

1550–1650: Rhetorisches Regime

Die Geschichten erwiesen sich für das Verfahren als irritierende Informationen, sie erzeugten ambivalente Wissensbestände, die das Verfahren überforderten. Das galt auch für die Befragung der Zeugen. Staatsanwalt Prideaux hatte einige Zeugen vorgeladen, den Drucker der Schriften, drei Soldaten, denen Lilburne in einer Taverne einige Exemplare von An Outcry überlassen hatte, sowie zwei Diener von Prideaux selbst, die in einem vorausgegangenen Verhör gehört haben wollten, dass Lilburne seine Autorschaft dieses und anderer Pamphlete zugegeben hatte. Im Kontext der immensen Redeanteile Lilburnes zeigten sich die Befragungen als Marginalien. Auch Lilburne selbst wies ihnen keine Bedeutung zu und verzichtete auf Rückfragen. Die Aussagen der Zeugen legten es nahe, dass Lilburne der Autor der fraglichen Schriften war, zumal auf den Titelblättern jeweils ein Autor namens „John Lilburne“ ausgewiesen wurde. Doch man muss diesen Befund vor dem Hintergrund der Medienrevolution in den 1640er Jahren sehen, als eine bis dahin unbekannte Flut an Druckerzeugnissen nicht nur Zensurmaßnahmen unmöglich machte.111 Zudem führte die gewaltige Menge an anonymen und akronym erschienenen Schriften auch zu einer weit verbreiteten Skepsis über die Authentizität von Gelegenheitsschriften: War der im Titel genannte Autor wirklich der Urheber des Pamphlets? Oder wollte sich jemand hinter diesem Namen verstecken, jemanden in übler Absicht heikle Aussagen buchstäblich zuschreiben? Angesichts dieser Lage konnte ein zwingender Beweis nur dann erbracht werden, wenn Lilburne seine Autorschaft offen eingestand. Daher beschloss Prideaux die Befragung mit der spitzen Bemerkung: But why will you put us to all this trouble [gemeint waren die Befragungen der Zeugen, A.K.] to prove your books, seeing your hand is to them? My lord, I had thought the great champion of England would not be ashamed to own his own hand.112 Doch davon ließ sich Lilburne nicht beeindrucken und verlagerte seine Antwort auf eine biblizistische Ebene: Als Jesus vor den Schriftgelehrten und Pharisäern oder vor Pilatus gestanden habe, da habe man den Sohn Gottes in ähnlicher Weise mit Fragen verstricken wollen (went about to insnare him) wie das auch hier der Fall sei. Doch auch Jesus habe damals nichts eingestanden, sondern gesagt, dass er seine Botschaft stets öffentlich verkündet habe (I spake openly to the world, I ever taught in the Synagoghes and in the Temple […] and in secret have I said nothing; why askest thou me?).113 So wie Christus beim Verhör durch Pilatus auf die Frage, ob er Gottes Sohn sei, geantwortet habe: „Du sagst es”, so say I, Thou Mr. Prideaux sayst it, they are my books; but prove it, and when that is done, I have a fife to lay down to justify whatever can be proved mine.114 Es gelang Lilburne aber nicht nur, den Sinn der Zeugenbefragung zu entwerten, sondern auch, deren zeitaufwendige Durchführung an sich als weiteren Beleg für die Drangsalierung durch Förmlichkeiten hervorzuheben. Erneut wurden die Formen des Verfahrens zum Thema. 111 112 113 114

Gregg, Free-born John, 242. ST 4 1342. ST 4 1373. 4 ST 1342.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

221

Nachdem nun mehr als vier Stunden lang Zeugen angehört worden waren, brachte Lilburne plötzlich seine schlechte körperliche Verfassung ins Spiel: I concieve you cannot think my body is made out of steel to stand here four or five hours together.115 Man wolle ihn sicher nicht deshalb hängen, weil er zu müde und zu erschöpft gewesen sei, um sich wirkungsvoll verteidigen zu können? Tatsächlich wurde ihm daraufhin ein Stuhl gereicht. Abgesehen von König Karl I. war Lilburne damit der einzige Angeklagte, der bis zu diesem Zeitpunkt während eines Hochverratsprozesses vor seinen Richtern gesessen hatte. Doch damit war Lilburne noch nicht zufrieden, und es war sehr wahrscheinlich wiederum Taktik, wenn er nun weitere Zugeständnisse verlangte, zu denen die Richter zwangsläufig Nein sagen mussten. Als nächstes bat er darum, sich für eine Stunde zurückziehen zu dürfen, into any private room, for an hour to recollect my thoughts, peruse my notes, and refresh my spirits.116 Einer solchen Unterbrechung des laufenden Prozesses konnte das Gericht natürlich nicht zustimmen: It’s against the law to allow you any more time, worauf Lilburne wiederum mit einer biblizistischen Parole fortfuhr, und zwar mit einer besonders derben – einem Fluch: Well, then, if it must be so, that you will have my blood, right or wrong; and if I shall not have one hour’s time to refresh me, after my strength is spent, and to consider that which hath been alledged against me, then I appeal to the righteous God of heaven and earth against you, where I am sure I shall be heard, and find access; and the Lord God Omnipotent, and a mighty judge betwixt you and me, require and requite my blood upon the heads of you and your posterity, to the third and fourth generation!117

Gerade als Lilburne diesen Fluch (which he uttered with a mighty voice, wie der Protokollant bemerkte) ausgesprochen hatte, brach ein Teil des Gerüstes in sich zusammen, das eigens für den Prozess in der Guildhall aufgebaut worden war und auf dem Lilburne sowie einige Zuschauer gestanden hatten. Alle blieben unverletzt, und Lilburne nutzte das minutenlange Chaos, um seine Akten zu ordnen, bis ihn der Sheriff aus dem Gewühl herauszog. Auch dieser Unfall zu einem für Lilburne besonders günstigen Zeitpunkt, nach seinem Fluch, erwies sich für das Verfahren als irritierende Information: War es womöglich ein Gottesurteil, wollte Gott, dass Lilburne eine Pause bekam? Dieser nutzte Tumult und Konfusion, die diffuse und zweideutige Situation jedenfalls einmal mehr für eindeutige Schlüsse und protestierte weiter gegen das, nach seiner Darstellung unrechte, Prozedere. Mit dem Gerüst war die Architektur des Verfahrens in doppelter Hinsicht, als räumliche Ordnung und als Diskurs, zusammengebrochen. Als das Gericht nach einiger Zeit darauf drängte, endlich mit dem Prozess fortzufahren, nannte Lilburne das grausam (cruel), und wenn er sich schon nicht zurückziehen dürfe, um

115 116 117

4 ST 1375. 4 ST 1378. Ebd.

222

1550–1650: Rhetorisches Regime

seinen Bedürfnissen nachzugehen, dann müsse er darauf bestehen, hier und jetzt einen Nachttopf gereicht zu bekommen: and when the pot came, he made water.118 Nach dem Zusammenbruch des Gerüsts und Lilburnes öffentlicher Toilette steuerte das Verfahren auf sein Ende zu. Die Regie lag dabei endgültig nicht mehr in den Händen des Gerichts, sondern bei Lilburne. Eigentlich wäre es nun an ihm gewesen, zur Sache zu sprechen bzw. sich zu verteidigen. Doch wieder lenkte er die Diskussion auf die Form – und trieb dabei die Brüskierung des Gerichts auf die Spitze. Keble hatte ihm zuvor in Reaktion auf sein dilatorisches Verhalten nach Unfall und Bedürfnisbefriedigung den Stuhl wegnehmen lassen und zur Aussage aufgefordert: plead what you have to say, for it grows very late.119 Doch als Lilburne anfangen wollte zu sprechen, legte sein Bruder den Arm um ihn und forderte ihn laut hörbar auf, sich noch ein wenig zu schonen, da er so erschöpft wirke. Noch bevor das Gericht eingreifen konnte, antwortete Lilburne jedoch: No Brother […] my Work is done; I will warrant you, by the Help of God, I will knock the Nail upon the Head.120 Den Nagel auf den Kopf traf er nach seiner Ansicht damit, dass endlich einmal gesagt wurde, dass die Geschworenen nicht bloß über Tat-, sondern auch über Rechtsfragen urteilten, also dass sie judges of law as well as Fact seien, die Richter aber bloß pronouncers of their sentence, will and mind.121 Zunächst glaubte das Gericht, dass Lilburne hier wohl einem Missverständnis aufgesessen sei, und Keble wies geduldig auf das Gegenteil hin. Die strikte Unterscheidung zwischen Tatsachenfragen, die Geschworene zu klären hatten, und Rechtsfragen, die zur exklusiven Entscheidungsdomäne der Richter gehörten, war noch von Coke regelrecht zum Dogma erhoben worden: ad questionem facti non respondent judices: ita ad quaestiones juris non respondent juratores.122 Doch Lilburne meinte, was er sagte: The jury by law are not only judges of fact, but of law also; and you that call yourselves judges of the law, are no more but Norman Intruders; and in deed and in truth, if the jury please, are no more but cyphers, to pronounce their verdict.123 Lilburne war mit dieser Behauptung an seinem Ziel angelangt: Es war ihm die ganze Zeit nur um die Form eines Verfahrens gegangen, das infolge der normannischen Invasion verkümmert und in sein Gegenteil verkehrt worden war. Nunmehr sollten die Geschworenen (my countrymen, upon whose consciences, integrity and honesty, my life, and the lives and liberties of the honest men of this nation, now lies124) über eben diese Form urteilen; das wahre, alte, gute englische Verfahren sollte über die normannische Rabulistik triumphieren. Ohne dass es Richter und Ankläger richtig begriffen hatten, standen nicht John Lil118

119 120 121 122 123 124

4 ST 1379. Lilburne verlieh hier sozusagen den skatologischen Dimensionen der politischen Semantik nicht nur verbalen, sondern performativen Ausdruck, zu dieser Semantik Jenner, The roasting of the rump. Ebd. 4 ST 1379. Ebd. Zit. nach Daston, Baconsche Tatsachen, 47. 4 ST 1379. Ebd.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

223

burne und seine Schriften, sondern vielmehr Verfahrensformen zur Entscheidung an, die Lilburne als ungerecht, unbegründet, unausgeglichen und unfair – kurz: als unenglisch – angeklagt hatte. Zur Sache zu sprechen kam für ihn deswegen nicht infrage, weil er in Richtern und Staatsanwalt keine Gegenpartei sah (oder das zumindest so darstellte), sondern bloße cyphers. Cypher war ein typischer Kampfbegriff der Bürgerkriegszeit, der sich als ‚ein Niemand‘, ‚ein bloßer Handlanger‘ oder ‚Erfüllungsgehilfe‘ übersetzen lässt. Trotz ihrer scharlachroten Roben, ihres majestätischen Gehabes und ihrer Unerbittlichkeit seien Richter als Cyphers nur dazu da, dem Willen der Geschworenen, ihrem Urteil in Tat- und Rechtsfragen, die Stimme zu leihen. Erwartungsgemäß war es Richter Jermyn, den diese anmaßende Erklärung aus der Haut fahren ließ (Was there ever such a damnable blasphemous heresy as this is, to call the judges of the law, cyphers?), im Unterschied zu Keble, der in dieser Situation die Ruhe behielt. Für die Richter war jedoch prekär, dass auch diesmal aus Lilburnes irritierenden Aussagen ambivalente Wissensbestände wurden. Dabei ging es nicht allein um Unklarheiten in Bezug auf Präzedenzfälle. Vielmehr zielte Lilburne unmittelbar auf die Befugnisse und die Rolle der Richter. Doch nicht nur das war unklar, sondern auch mit Hilfe welcher Autorität über Lilburnes Deutung von Geschworenen und Richtern entschieden werden konnte. Keble setzte auf einen Richterspruch, er wollte die Verfahrensfrage also kraft seiner Amtsautorität, mündlich und unmittelbar beantworten: But I shall pronounce to clear the righteousness of that law, whatsoever others will pretend against it that know it not.125 Lilburne hingegen, ganz in der Tradition des Leveller-Rechtsdenkens, beharrte auf einer schriftlichen Beweisführung (read the law to the jury), die er auch sogleich führen wollte, indem er einmal mehr Cokes Institutes emporhob: Here is the first part of Coke’s Institutes; it is owned by all the lawyers that I know, or ever heard of in England, for good law.126 Lilburne erzeugte also immer weitere Ambivalenzen, bis hin zu der Frage, wie in einem laufenden Verfahren über Zweifelsfälle entschieden werden konnte: Mündlich oder schriftlich, durch Aufsagen oder durch Vorlesen. Lilburne gab das Steuer bei diesem Verfahren bis zum Schluss nicht aus der Hand. In der letzten Phase des Verfahrens äußerte sich Lilburne nun, wie so häufig von den Richtern gefordert, zur Sache, also zu den Aussagen der Zeugen der Anklage. Lilburne erfüllte damit scheinbar Erwartungen an die Rolle eines Angeklagten, die er doch bislang systematisch durchkreuzt hatte. Er ging detailliert und im Wortlaut auf die Aussagen ein. Offenbar hatte er sich Notizen gemacht. Mit Blick darauf behauptete Lilburne, dass die einen Aussagen allenfalls Mutmaßungen seien und die anderen nicht belastbar, weil sie nur von einer Person bezeugt werden konnten und die dritten wertlos, weil sie sich auf eine Schrift bezogen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Hochverratsgesetzes erschienen sei. Wenn ihm aber nichts juristisch Belastbares vorgeworfen werden könne, wenn das eine nicht zu beweisen sei und für das andere der Satz des Paulus aus dem Römerbrief (4,15) gelte: Where 125 126

4 ST 1380. Ebd.

224

1550–1650: Rhetorisches Regime

there is no law, there is no transgression, dann sei das ganze Verfahren nichts als ein weiterer Beleg dafür, dass hier der Vorkämpfer (champion) der englischen Freiheit bzw. des wahren English Spirit, der Free Born John aus dem Verkehr gezogen werden und nicht nur mundtot, sondern wirklich ums Leben gebracht werden soll. Lilburne hatte an diesem Punkt das für Verteidigungsreden übliche Sprachmuster schon wieder verlassen und auf seine eigene Sprache bzw. seine Leidensgeschichte umgeschwenkt, was vor dem Hintergrund des zunächst Gesagten besonders auffiel. Mehrmals unterbrachen ihn die Richter und fragten: Mr. Lilburne, is this your defence? Er solle zur Sache sprechen und nicht eine story of all your life ausbreiten. Lilburne quittierte die Unterbrechungen mit Beschimpfungen, Vorhaltungen und Verfluchungen (my blood be upon your hands, and the Lord God of Heaven and Earth reward you for all your blood-thirsty cruelty towards me his innocent servant this day127) und setzte dann zu seinem fulminanten Schlusspunkt an, bei dem seine Sprache zunehmend die Form eines politischen Gebets annahm, an dessen Ende die Zuschauer lauthals Amen! riefen: […] and therefore as a free-born Englishman, and as a true Christian that now stands in the sight and presence of God, with an upright heart and conscience, and with a chearful countenance, cast my life, and the lives of all the honest freemen of England, into the hands of God, and his gracious protection, and into the care and conscience of my honest jury and fellow-citizens; who I again declare by the law of England, are the conservators and sole judges of my life, having inherent in them alone the judicial power of the law, as well as fact: you judges that sit there being no more, if they please, but cyphers to pronounce the sentence, or their clerks to say Amen to them; being at the best in your original, but the Norman Conqueror’s intruders. And therefore, you Gentlemen of the Jury are my sole judges, the keepers of my life, at whose hands the Lord will require my blood, in case you leave any part of my Indictment to the cruel and bloody men. And therefore I desire you to know your power, and consider your duty both to God, to me, to your ownselves, and to your country: And the gracious assisting Spirit and Presence of the Lord God Omnipotent, the Governor of heaven and earth, and all things therein contained, go along with you, give counsel and direct you, to do that which is just, and for his glory!128

Mit seinen Reden und wütenden Attacken, deren Wucht man für die konkrete Situation nicht unterschätzen sollte, hatte Lilburne die Autorität des Gerichts am Ende derart demontiert, dass sich sogar die Geschworenen noch eine kleine Provokation erlaubten, bevor sie den Saal verließen. Ganz offenkundig kopierten sie ein Verhalten Lilburnes, indem ihr Sprecher vor der Beratung noch ein erfrischendes Glas Weißwein für jeden verlangten, schließlich habe das Verfahren ungewöhnlich lange gedauert. Da nun aber eine solche Erfrischung strikt verboten war, wurde der Wachmann, der die Jury beaufsichtigte, doch darauf eingeschworen: You shall well and truly keep every person sworn of this Jury together, in some private and conve127 128

4 ST 1394. 4 ST 1395.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

225

nient room without meat, drink, fire, candle. Richter Jermyn schickte sie deswegen schroff fort. Nach einer Dreiviertelstunde kamen die Geschworenen zurück und erklärten Lilburne für nicht schuldig, was sowohl in der Guildhall als auch in der ganzen Stadt für langanhaltenden Jubel und Freudenbekundungen sorgte. 8. „THE STATE HATH THOUGHT OF ANOTHER WAY OF TRIAL“ – KONSEQUENZEN DES LILBURNE-PROZESSES FÜR DIE WEITEREN STATE TRIALS WÄHREND DES INTERREGNUMS Die Justiz der Republik versuchte, aus dem denkwürdigen Lilburne-Prozess zu lernen. Bei weiteren Hochverratsverfahren berief man keine umstrittene Spezialkommission mehr ein, sondern den High Court of Justice, den die Machthaber zum höchsten regulären Gerichtshof der Republik erklärten. Zudem wollte man sich nicht noch einmal von einem Angeklagten provozieren oder gar die Spielregeln des Verfahrens diktieren lassen. Der bekannte Theoretiker des parlamentarischen Absolutismus, Henry Parker (1604–1652), klagte nach Lilburnes Freispruch in einem offenen Brief über dessen Betragen, über seine elende Halsstarrigkeit (woefull obstinacy), seine weitschweifigen Appelle an vermeintliche Gerechtigkeit (proxil urging), seine eitle Geschwätzigkeit (vain loquacity), seine unverschämten Anfechtungen (obstreperous contestation) oder seine herben Attacken gegen die Richter: you treated your Judges as the most despicable creatures in the world.129 Ein solches Betragen wollte man schon im Ansatz ersticken, als, am 20. Juni 1651, Christopher Love als Verschwörer und Hochverräter vor dem High Court angeklagt wurde. Der Puritaner Love war während der Bürgerkriegszeit ein bei der Parlamentspartei hoch angesehener Prediger gewesen. Die Hinrichtung des Königs und die Ausrufung der Republik hatte er jedoch für himmelschreiendes Unrecht erklärt. In einem Pamphlet bekannte er sich als friend to a regulated Monarchy, a free Parliament, an obedient Army, and a Godly ministry; but an enemy to Tyranny, Malignity, Anarchy and Heresie.130 Im Sommer 1649 beteiligte sich Love an konspirativen Umtrieben, mit dem Ziel, den ins Exil geflüchteten Karl II. auf den englischen Thron zu bringen.131 Die Verschwörung wurde im März 1651 aufgedeckt und Love wegen Hochverrats angeklagt. Der Prozess begann am 20. Juni desselben Jahres in der Westminster Hall. Als nun Love nach der Verlesung der Anklage aufgefordert wurde zu plädieren, er aber stattdessen darum bat to express myself in a few words to this court, da kam dem vorsitzenden Richter, der wieder Richard Keble hieß, dieses Verhalten bekannt vor.132 Zwar ließ man ihn ein paar Minuten gewähren und nach einem Anwalt verlangen. Doch als er nach wiederholter Aufforderung immer noch auswich, drohte Keble: The next is Judgment, und auch Staatsanwalt Prideaux forderte, ihn 129 130 131 132

Parker, A letter of due censure. Im Langtitel von Love, A modest and clear vindication. Owen, The conspiracy of Christopher Love. 5 ST 48.

226

1550–1650: Rhetorisches Regime

aufgrund des verweigerten Plädoyers wegen Hochverrats zu verurteilen, so wie es das Herkommen verlangte. Doch Love ließ es nicht zum Äußersten kommen und bekannte sich not guilty. Auffällig war, dass man bei diesem und weiteren Hochverratsverfahren während des Interregnums auf das Handhochhalten verzichtete. Wenn es schon aussichtslos war, die Angeklagten umstandslos zum Plädoyer zu bewegen, dann wollte man den Raum für Selbstdarstellung eng halten. Denn auch die Angeklagten hatten von Lilburne gelernt, Christopher Love sogar unmittelbar: Der Leveller hatte den Prediger kurz vor dessen Prozess im Tower aufgesucht und über erfolgversprechende Obstruktionstechniken unterrichtet.133 Doch auch wenn Christopher Love das Vorbild Lilburne verschiedentlich zitierte, sich etwa mit Jesus vor den Pharisäern oder Paulus vor den Römer verglich, so gelang es ihm nicht im Ansatz, in ähnlicher Weise Kontrolle über das Verfahren zu erlangen wie der Leveller zwei Jahre zuvor. Nicht allein, dass sich das Gericht unerbittlich zeigte und alle Vorstöße in Lilburne‘scher Manier sofort erstickte. Als Love immer wieder ein Verhör unterbrach, um eine Zwischenfrage zu stellen (I beseech you ask him this Question), wies ihn Keble zurecht: You cannot over-rule us with your Beseechings and Beseechings; it will not do it. Your Over-importunity shall not prevail with us.134 Love sprach allerdings nicht Lilburnes suggestive Sprache der englischen Freiheit, seine wortreichen Einlassungen blieben vielmehr innerhalb dessen, was Richter an Ausflüchten gewohnt waren. Mit anderen Worten: Man konnte Love auch deshalb in Schach halten, weil seine Reden nur zur Verteidigung dienten und nicht zugleich politische Botschaften vermittelten und doppelbödig waren. Der Love-Prozess bewegte sich innerhalb der Grenzen des forensischen Diskurses, und das kam dem Gericht zugute, nicht dem Angeklagten.135 Allerdings hatten die republikanischen Justiz-Akteure noch etwas anderes aus dem Lilburne-Prozess gelernt: Nämlich dass es wirklich sinnvoll war, auf die Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatfragen zu verzichten. Lilburne hatte damit unmittelbar nach dem Prozess für einiges Aufsehen und publizistische Einlassungen gesorgt.136 Gestärkt wurde damit aber nicht die Institution der Geschworenen, die vielmehr abgeschafft wurde, sondern die der Richter, die zumindest in Hochverratsfällen matters of fact und matters of law gleichermaßen beurteilten. Kurz gesagt: Bei den übrigen state trials während des Interregnums handelte es sich um Schauprozesse, die der Angeklagte prinzipiell nicht gewinnen konnte. Sie dienten dazu, die schon feststehende Schuld des Angeklagten zu inszenieren, indem man stundenlang Zeugen der Anklage verhörte, die zuvor auf ihre Rolle in der Inszenierung vorbereitet wurden. Es handelte sich also nicht um Verfahren, sondern um

133 134 135

136

Wiseman, Martyrdom in a merchant world, 211. 5 ST 76. Weil sich das Gericht von diesem Angeklagten nicht herausgefordert sah, erlaubte es sogar einen Strafverteidiger (der Love allerdings, da es keine Jury gab, auch nicht mehr helfen konnte), vgl. Collins, Martial Law, 200. Etwa Jones, Jurors judges.

IV. Politische Sprache vor dem Gerichtshof der Republik

227

Rituale.137 Die Länge von Lilburnes Verfahren hatte ein Vorbild erzeugt. Doch an die Stelle von Lilburnes improper, and extrajudiciall […] discourses […], wherein so many houres were consumed sollten umfängliche Vorwürfe, Vorhaltungen und Schuldbeweise treten. Der Prozess gegen Christoper Love dauerte daher sechs volle Tage. Solange er sich verteidigte und zur Sache sprach, ließ man ihn ausdauernd reden, denn in diesem Fall fügten sich die Reden des Angeklagten in die Gesamtinszenierung. Andernfalls wurde er sofort unterbrochen. Für die Strafjustiz der Republik war der Love-Prozess, der mit Verurteilung und Hinrichtung des Angeklagten endete, nur ein sehr kurzer Erfolg. Wie am Rumpfparlament hing nun am Hohen Gerichtshof der Makel von Willkür und Tyrannei. Ausgerechnet in Hochverratsfällen auf Geschworene zu verzichten, wurde allgemein als unerhörter Bruch mit den Prinzipien des englischen Rechts empfunden. Mit jedem weiteren Hochverratsverfahren demontierte sich die republikanische Justiz selbst.138 9. RESÜMEE Die Staatsprozesse der Bürgerkriegszeit waren im besonderen Maße Foren für politische Kommunikation, wo im Rahmen einer Hochverratsanklage um die Grundlagen von Königsherrschaft und politischer Partizipation gerungen wurde. Das rhetorische Verfahrensregime kam bei diesen Prozessen voll zur Geltung, die juristischen Formen traten dagegen eher in den Hintergrund. Das wurde in diesem Kapitel am Fall des Levellers John Lilburne untersucht, der in der Geschichtsschreibung bislang als Teil einer Heldengeschichte erzählt worden ist. Ich habe dagegen nach den weniger offensichtlichen Praktiken und Taktiken gefragt, aufgrund derer es der Angeklagte vermocht hatte, den Prozess zu dominieren und zu unterminieren, ihn vom Sinn der Anklage fortzuführen und ihm sogar eine veränderte Entscheidungsaufgabe zuzuschreiben. All dies war Lilburne während des laufenden Prozesses gelungen, so dass es sich als weiterführend erwiesen hat, seine Äußerungen nicht primär unter inhaltlichen Gesichtspunkten zu untersuchen, sondern als Sprechakte. Viele seiner Äußerungen waren doppelbödig, insofern sie weniger auf den konkreten, forensischen Dialog bezogen waren, sondern Versatzstücke von Lilburnes politischer Philosophie in den Raum stellten. Andere Äußerungen, wie etwa die Bitte um einen Anwalt, waren nicht wörtlich gemeint, sondern sollten durch die zu erwartende Ablehnung das Gericht als Instanz der Willkür bloßstellen. Bemerkenswert ist, dass Lilburne die auch von der modernen Verfahrenstheorie namhaft gemachten „Verstrickungseffekte“ identifizierte und damit verborgene Mechanismen von Macht aufdeckte. Es war ihm bewusst, dass forensische Handlungen einen Sinn besaßen, der über die Absichten der Beteiligten hinausging. Aus diesem Grund verweigerte Lilburne die geforderte Mitwir137 138

Vgl. zu dieser Unterscheidung Scheffer / Michaeler / Schank, Starke und schwache Verfahren, 425. Hast, State treason trials.

228

1550–1650: Rhetorisches Regime

kung bei bestimmten Verfahrensroutinen – und legte den Prozess damit zeitweise lahm. Da den Verfahrensveranstaltern daran gelegen war, die Fairness der republikanischen Justiz zu betonen und zu vermeiden, dass der Angeklagte aufgrund von Formalien schuldig gesprochen wurde, wie König Karl I., erlangte Lilburne große Gestaltungsfreiheiten. Diese nutzte er dazu, dem Prozess seine eigenen Regeln unterzuschieben. Tatsächlich führte dies am Ende zu einem (nicht geplanten) Freispruch. Die Ohnmacht dieses Verfahrens, sich gegenüber dem Angeklagten Geltung zu verschaffen, beruhte vor allem auf der Überforderung der forensischen Kommunikation durch politische Sprache. Das Common Law-Verfahren, wie es sich seit dem 16. Jahrhundert ausgebildet hatte, beruhte darauf, dass Entscheidbarkeit durch eine Reduktion von Komplexität hergestellt wurde, durch die Definition von lösbaren Entscheidungsaufgaben im Anklagetext. Die politische Sprache, die Lilburne der forensischen Konversation aufnötigte, erzeugte dagegen fortlaufend neue thematische Gesichtspunkte, die nicht in einer einheitlichen Entscheidungsaufgabe mündeten, sondern wie lose Enden zur völligen Unübersichtlichkeit beitrugen. Lilburne hatte praktisch aufgezeigt, dass Gerichtsprozesse für politische Debatten das falsche Verfahren waren, dass man vor Gericht zwar über Politisches entscheiden konnte, aber nicht in der Sprache des Politischen. Der spektakuläre Lilburne-Prozess markierte eine rechtsgeschichtliche Zäsur: So wie hier wollten sich die Verfahrensveranstalter nicht noch einmal vorführen lassen. Das galt nicht nur für die Republik, sondern auch für die Kronjuristen und Richter der Restaurationsepoche.

229

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution 1. LONDON, 1660: ANNÄHERUNGEN AN NEUE FORMEN DES FORENSISCHEN Am 10. Oktober 1660 begannen in Old Bailey die Prozesse gegen neunundzwanzig Männer, angeklagt wegen Hochverrats an Karl I. im Januar 1649.1 Mit der Restauration als englischer Monarch hatte Karl II. seinen Untertanen eine Generalamnestie (free and general pardon) erteilt, bis auf jenen Personen, denen eine Verantwortung für Prozess und Hinrichtung seines Vaters zuzuschreiben waren und die sich damit des Hochverrats schuldig gemacht hatten.2 Vor Gericht standen daher zum einen die noch lebenden Mitglieder und damit Richter des revolutionären High court of justice, darunter Thomas Harrison, Adrian Scrope, Thomas Scot oder John Carew.3 Zum anderen wurden aber auch der Prediger Hugh Peters und der Obrist Daniel Axtell angeklagt. Diese waren zwar keine Mitglieder des High courts, standen aber vor Gericht, weil sie die Zuschauer beim Prozess gegen Karl I. aufgewiegelt haben sollten. Auch William Hewlett, der vermeintliche Henker Karls I., fand sich unter den Angeklagten. Mit den meisten Angeklagten war allerdings ein Handel verabredet worden: Sie gestanden ihre Schuld, wurden ohne weiteren Prozess verurteilt, dann aber zu einer Kerkerstrafe begnadigt (u.a. Hardress Waller, George Fleetwood, Edmund Harvey, Isaac Penington, Henry Marten, Gilbert Milington). Nach einem Prozess verurteilt und hingerichtet wurden am Ende zehn Personen: Thomas Harrison, John Carew, John Cook, Thomas Scot, Hugh Peters, Gregory Clements, John Jones, Daniel Axtell, Francis Hacker und Adrian Scrope. Über die Durchführung der Königsmörder-Prozesse hatten die daran beteiligten Juristen im Vorfeld intensiv in den Räumen der Serjeant’s Inn beraten. Involviert waren die überhaupt noch im Dienst befindlichen Richter der WestminsterGerichte, Orlando Bridgeman, Edward Foster, William Hide und Thomas Mallet, sowie die Kronanwälte Geoffrey Palmer, Heneage Finch, Edward Turner, Wadham Wyndham und John Kelyng. Letzterer hatte die Beratungen protokolliert, und mit seinem Namen wurden die 1708 gedruckten Beschlüsse fürderhin assoziiert: Kelyng-Reports.4 1 2 3 4

Nenner, The trial of the regicides. Ebd., 21. Zu Harrison zuletzt Farr, Major-General Thomas Harrison. Abgedruckt in 5 ST, 971–985. Die Reports wurden 1708 in London unter seinem Namen und dem Titel A report of divers cases in pleas of the Crown, adjudged and determined; in the reign of the late King Charles II […] gedruckt.

230

1650–1730: Untersuchungsregime

Zunächst einmal wurde beschlossen, bei Hochverratsverfahren wieder zur ordentlichen Schwurgerichtsbarkeit zurückzukehren, die in der Republik nach Lilburnes Freispruch ausgesetzt worden war. Auch hielt man es für besser, über die Angeklagten während der regulären Sessions at Newgate by Commission of GaolDelivery zu verhandeln und deswegen keine Spezialkommission einzuberufen. Der Eindruck eines Tribunals für den Ausnahmezustand, wie Lilburne seinerzeit den High Court of Justice genannt hatte5, sollte vermieden werden. Mit dem König waren auch Recht und Ordnung zurückgekehrt, und das sollte man anhand der Königsmörderprozesse auch sehen können. Geplant wurde zudem eine weitere Geste, mit der die Fairness der wiederhergestellten Gerechtigkeitspflege sinnfällig werden sollte: Den Angeklagten seien vor Gericht die Ketten abzunehmen, so that they be not in any torture while they make their defence, be their crime never so great.6 Zu den Prozessen ist durch ein zeitgenössisches Pamphlet mit dem Titel A looking-glass for traytors eine Bildquelle überliefert worden (Abbildung 18). Das Bild zeigt den für diese Prozesse präparierten Vorhof von Old Bailey – es wurde weiterhin im Freien getagt. Im Vordergrund sieht man, in der Mitte der Mauer,

Abb. 18: Anon., A looking-glass for traytors being the manner of the tryall of those barbarous wretches at Justice-Hall in the Old-Baily […], London 1660. 5 6

Vgl. oben, S. 202. 5 ST 980.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

231

einen Angeklagten, flankiert von Wachleuten mit Schwertern und Äxten. Im Bildhintergrund befindet sich (unter dem Vordach) die erhöhte Richterbank, die nicht weniger als vierunddreißig Personen umfasste. Darunter waren Sir Thomas Aleyn, der Londoner Lord Mayor als Hausherr von Old Bailey, einige Aristokraten wie der Earl of Southampton, der Duke of Somerset, der Earl of Manchester, der Earl of Sandwich oder Anthony Ashley Cooper (nach 1672 Earl of Shaftesbury). Die Berufung dieser hochadligen Laienrichter diente offenbar dazu, ehemalige Gegner der Monarchie, wie Manchester, Sandwich und Cooper, mit eingefleischten Royalisten, wie Southampton und Somerset, gemeinsam über eine als verdammungswürdig erachtete Dekade zu Gericht sitzen zu lassen. Zudem saßen die beiden Staatssekretäre Sir William Morice und Sir Edward Nichols sowie weitere Juristen auf der Bank. Samuel Pepys, der von einem Bekannten über den Auftakt des Prozesses und dessen Umstände unterrichtet worden war, notierte in sein Tagebuch: such a bench of nobleman as had not been ever seen in England!7 Unterhalb der Gerichtskommission saßen an einem langen Tisch Protokollanten, Gerichtsdiener und Sheriffs, es gab eine Box für die Geschworenen, Logen für die Zuschauer von Rang sowie für die Mitglieder von Ober- und Unterhaus, und am Rand drängte sich weiteres Publikum heran. Die auf dem Bild gezeigte Szene erinnert deutlich an die Form, mit der 1649 der High Court of Justice über Karl I. zu Gericht gesessen hatte. Zwar wurde die bekannte bildliche Darstellung dieses Prozesses zuerst 1684 gedruckt (Abbildung 19). Gleichwohl gab es bei den Königsmörder-Prozessen nicht nur genügend Zeugen, die sich noch sehr genau an die äußeren Formen des Prozesses erinnern konnten und danach befragt wurden. Auch vielen anderen Beteiligten stand das Geschehen elf Abb. 19, aus: John Nalson, A True copy of the journal of the High Court of Justice for the tryal of K. Charles I as it was read in the House of Commons, London 1684. 7

Eintrag vom 10. Oktober 1660 in der Online-Version (URL: http://www.pepysdiary.com/diary/ 1660/10/10/) [01.06.2017].

232

1650–1730: Untersuchungsregime

Jahre zuvor offenbar noch lebhaft vor Augen. Die Prozesse im Herbst 1660 spiegelten somit äußerlich den Prozess gegen den König, in der Art einer Inversion nahmen sie auf das als unerhört erachtete Geschehen vom Januar 1649 Bezug und zogen so einen Schlussstrich unter die Jahre der Great Rebellion. Ich versuche in diesem Kapitel zu zeigen, dass 1660 tatsächlich eine neue Phase in der englischen Strafverfahrenspraxis begann, und zwar auf verschiedenen Feldern. So versuchten die Verfahrensveranstalter ihre Erfahrungen mit den Prozessen aus der Bürgerkriegszeit dahingehend zu nutzen, dass dilatorische Praktiken wie bei den Prozessen gegen Karl I. und Lilburne nicht noch einmal in maximale Subversion mündeten. Es wird also zu zeigen sein, wie der Prozessauftakt so gestaltet wurde, dass er sich nicht mehr zu einer Machtprobe zwischen dem Angeklagten und dem Gericht nutzen ließ, sondern vielmehr eine einseitige Form der Machtausübung durch das Gericht darstellte und zur Integration des Angeklagten in das Verfahren beitrug. Dann wird es um einen grundsätzlichen Wandel in der forensischen Erkenntnisproduktion gehen, der von der Rechts- und Kriminalitätsgeschichte bislang noch gar nicht thematisiert worden ist: die Umstellung der Erkenntnisproduktion von der Oratorik auf formalisierte Beweismittel, und hier vor allem auf Zeugenverhöre. Daran mache ich das Aufkommen eines neuen Verfahrensregimes fest. Dass dieser Wandel von der Forschung bislang noch nicht zum Thema gemacht wurde, führe ich einmal mehr auf die essentialisierende Vorstellung des Gerichtsverfahrens zurück, dessen Struktur und Komponenten man immer schon voraussetzte und dessen Wandel somit nicht in den Blick geriet. Ohne Zweifel hatte es schon vor 1660 Zeugen, Zeugenverhöre und andere Formen der Beweisaufnahme gegeben. In der späten Republikzeit wurden, wie erwähnt, bei Hochverratsprozessen sogar tagelang Zeugen angehört. Mein Argument ist aber, dass dies seit 1660 in einer paradigmatisch anderen Art und Weise praktiziert wurde, die nicht nur die Formen der Erkenntnisgewinnung beim laufenden Verfahren veränderte, sondern diesem eine signifikant veränderte Gestalt verschaffte. Diese neue Gestalt des Verfahrens zeitigte zwar auch Machteffekte, ob dies aber schon als Legitimation durch Verfahren zu beschreiben ist, bleibt zu diskutieren. Für diesen Wandel der forensischen Praxis scheinen mir besonders zwei Ursachenfelder maßgeblich zu sein, wobei das eine Feld direkt und das andere indirekt mit dem Gerichtswesen zu tun hatte. Zum einen haben die Juristen selbst die Rolle von Zeugen gestärkt. Auf diese Weise sollte die Position der Anklage bei Hochverratsprozessen gestützt werden, ohne aber Anlass für jene Kritik zu bieten, wie sie am Ende des 16. Jahrhunderts gegenüber der Strafjustiz geäußert worden war. Zum anderen wurde diese Wandlung des Verfahrens von einem rhetorischen Wettstreit (wie bei Campion, Strafford oder Lilburne) zu einer Untersuchung selbsterzeugter ‚Fakten‘ (matters of fact) von der Durchsetzung einer empirisch ausgerichteten Naturphilosophie begünstigt, die im Jahr 1660 mit The Royal Society of London for Improving Natural Knowledge auch einen institutionellen Ort erhielt. Naturphilosophie und Gerichtsverfahren wiesen hinsichtlich ihrer erkenntnistheoretischen Prämissen und erkenntniserzeugenden Praktiken bemerkenswerte Parallelen auf,

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

233

die kein Zufall waren. Beides, empirische Naturphilosophie und Common LawGerichtsverfahren, gehörten zur gleichen Wissenskultur, die sich vom überkommenen Ideal vollständiger Gewissheit emanzipierte und dadurch in der Lage war, neues Wissen zu generieren. Dieser Problemaufriss soll nun Schritt für Schritt entfaltet werden. Ich kehre also zunächst zu der erwähnten Juristenkonferenz in Serjeant’s Inn zurück, um anhand der Kelyng-Reports die neuen Anklagestrategien zu rekonstruieren, die den Prozessen seitdem zugrunde lagen. Nach einem kurzen Blick auf den Auftakt bei den Königsmörder-Prozessen geht es im zweiten Abschnitt um die Frage, welche Rolle übergreifende wissensgeschichtliche Veränderungen in diesem Zusammenhang spielen. Der Blick auf die Praxis der Naturphilosophie im Umkreis der Royal Society soll zeigen, wie die dortige Diskussion über unsicheres Wissens nicht nur Argumente aus dem Common Law schöpfte, sondern auch auf dieses zurückwirkte. Dabei gab es nicht nur wechselseitige inhaltliche Anknüpfungspunkte, sondern auch prozedurale Analogien, insofern Experimente und Gerichtsverfahren gleichermaßen dazu beitragen sollten, unsicheres Wissen entscheidbar zu machen. Schließlich dienen methodische Anregungen aus der neueren Wissensgeschichte dazu, um im dritten Abschnitt dieses Kapitels die Zeugenverhöre vor Gericht als eine Praxis der Tatsachenerzeugung zu diskutieren. Für die neue Form des Forensischen, die mit der Restauration Gestalt annahm, spielten Zeugenverhöre aber auch noch in anderer Hinsicht eine Rolle: Sie verliehen dem Verfahren Gliederung und Struktur, die man wiederum gegenüber dem Angeklagten als zu befolgende Ordnung geltend machen konnte. Diese Ordnung sperrte sich nicht gegen Konflikte, aber sie fokussierte diese auf bestimmte Sequenzen, bei denen Auseinandersetzungen erlaubt waren und nicht länger subversiv wirkten. Die Auslegung von Hochverrat nach der Restauration 1722 bemerkte der Anwalt John Hungerford, es sei 1660 schon sehr ungewöhnlich gewesen, dass judges who were to try the criminals, and the king’s counsel who were to prosecute them, met and consulted together to form and fix the accusation.8 Das hielten die Beteiligten an der Juristenkonferenz selbst allerdings für unproblematisch, auch wenn als Ergebnis eine Art Manual für Hochverratsprozesse beschlossen wurde, das die Anklagevertreter in besonderer Weise begünstigte. Für diese Juristen schien das deswegen kein Problem gewesen zu sein, weil es bei ihren Beratungen nicht nur um die Planung der Königsmörder-Prozesse ging, also um die Abrechnung mit der Vergangenheit, sondern auch um juristische Beiträge zur safety of the King’s Person in Zukunft.9 Für die Sicherheit des Königs waren nach den Erfahrungen von 1649 sehr viele Mittel im Wortsinn Recht. Die Königsmörder-Prozesse waren für diese Maßnahmen der erste Testfall, nicht zuletzt deshalb, 8 9

16 ST 313. Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, 24.

234

1650–1730: Untersuchungsregime

weil sie einen konkreten Gegenstand für die Frage boten, wie man auch solche Personen als Hochverräter anklagen konnte, die nicht direkt an dem vorgeworfenen Verbrechen mitgewirkt hatten. Thomas Harrison, Adrian Scrope und Thomas Scott hatten 1649 immerhin auf der Richterbank gesessen. Daniel Axtell jedoch hatte lediglich als Oberst die Wachsoldaten bei dem Prozess befehligt, Hugh Peters wiederum bloß zu Beginn der Gerichtssitzungen gepredigt. Dass es sich bei Axtell und Peters um Verräter handelte, galt 1660 im allgemeinen Diskurs zwar als ausgemacht.10 Juristisch aber musste dafür erst noch die hinreichende Begründung gefunden werden, die sich auf der offenen Bühne des Verfahrens als Grundlage für ein Urteil bewähren würde. Auf die entsprechenden Formeln hatten sich die Juristen bei ihrer Konferenz in Serjeant’s Inn verständigt und diese dann den Anklageschriften zugrunde gelegt. Dabei handelte es sich aber nicht etwa um Beratungen mit Blick auf Gesetzgebungsprozesse – auch die Parlamente unter Karl II. haben verschiedene Hochverratsgesetze erlassen. Vielmehr ging es darum, sich auf bestimmte Faustregeln zu einigen, mit denen man die bestehenden Gesetze unterlaufen konnte. Das zeigt sich besonders deutlich an der Zeugenregel: Bestanden die Gesetze (seit Maria Tudor!) darauf, dass bei Hochverrat ein erheblicher Tatbestand (overt act) durch die Aussage von zwei Zeugen bewiesen werden müsse, so wurde nun beschlossen that here need not to be two Witnesses to prove every Overt Act.11 Zwei Zeugen sollten es schon sein – offenbar vor allem für die Schauseite. Aber es reiche aus, wenn die beiden Zeugen zu zwei verschiedenen Punkten aussagten: And then if two several Witnesses prove two several Acts, tending to the compassing the King’s Death, the Treason is proved by two Witnesses as the Law in Case of Treason requireth.12 Diese und alle anderen Regelungen waren den Juristen während der Restaurationszeit wohl bekannt. Sehr wahrscheinlich zirkulierten John Kelyngs Mit- und Abschriften in den Inns of Court, wo sie von den angehenden Kronanwälten und Richter studiert wurden. Im Übrigen zeigt sich, dass das Denken der Juristen auch 1660 vor allem um das grundlegende Statut von 1351 kreiste und hier vor allem um den Imagining the King’s Death-Passus. Die zahlreichen Hochverratsgesetze der Tudor-Monarchen spielten dagegen keine Rolle. Wem eine solche Imagination und ‚Herzensregung‘ (imagination of the heart) nachgewiesen werden konnte, der war ein Hochverräter, und nicht erst der, der dem König übelwollend nachstellte oder gar Hand an ihn legte. Die Bedingungen, nach denen dieser Nachweis erbracht worden war, wurden 1660 so ausgelegt, dass sie zwar den Anklagevertretern zum Vorteil gereichten, ohne dass dies aber zu deutlich auffiel. So sollte niemand nur wegen bloßer Worte oder Schriften des Hochverrats angeklagt werden.13 Dann wurde es aber subtil: Wenn jemand bereits aus einem anderen Grund des Hochverrats angeklagt worden sei, dann könnten ihm auch Worte und Schriften vorgehalten werden, nicht 10 11 12 13

Charlton, „Tis the thought of the heart which makes the treason“. Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, 24. 5 ST 978. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, das als tyrannisch erachtete Treason-by-Words-Konstrukt Heinrichs VIII. von 1534 wiederzubeleben, Bellamy, The law of treason in England, 31f.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

235

als Anklagepunkt, sondern als Beweis (overt act): But if a Man be indicted for compassing the King’s Death, there Words may be laid as an Overt Act to prove that he compassed the Death of the King. […] Denn: Words are the natural way for a Man whereby to express the Imagination of the Heart.14 Bei den Beratungen ging man zudem nicht mehr von einzelnen Tätern aus, sondern immer von ganzen Verräterbanden  – hier standen den Juristen Komplotte wie die Babington- und die Pulverfassverschwörung vor Augen. Entsprechend drehte sich die Überlegung um die bis lang nicht geklärte Frage, ab welchem Punkt das Wissen um ein Komplott lediglich als Beihilfe (misprison of treason) zum Hochverrat oder selbst als Hochverrat gewertet werden konnte. Die Juristen kamen dabei zu folgendem Schluss: Wer bloße Gerüchte über Aufstände und Verschwörungen gehört habe, doch nichts Genaues darüber wisse, keine Namen oder Pläne kenne, der habe gar nichts zu befürchten: for a man cannot be said to conceal what he doth not know.15 Misprison of Treason, ein Delikt das mit dem Tod bestraft werden konnte, sei hingegen dann der Fall, wenn jemand zufällig die Beratungen von Verschwörern mitanhöre, die Verschwörer zwar nicht wiedersehe, aber sie trotzdem nicht bei der Obrigkeit anzeige. Treffe er die Verschwörer aber noch einmal wieder und verheimliche sie dann immer noch, dann sei das selbst Hochverrat. Denn wer die Verschwörung und die Verschwörer nicht sofort melde, sheweth his liking, and approving of their Design. Wer solche Pläne gutheiße, den bewege in seinem Herzen the Imagination of the King’s Death.16 Ebenso habe sich jeder, der bei einer Verschwörung mitwirke, unterschiedslos als Verräter schuldig gemacht. Im Kreis der Verschwörer gebe es keine Mitläufer: For all are Principals in High Treason, who contribute towards it by Action or Approbation.17 Daher reiche das bloße Zusammentreffen und die Anwesenheit bei Beratungen zum Beweis (overt act): the meeting together of Persons, and consulting to destroy the King, was on itself an Overt Act to prove the compassing of the King’s Death.18 Als hätte man damit die Auslegung der Normen für die Verfahrensveranstalter nicht schon flexibel genug gemacht, wurde 1660 die auch schon praktizierte Berufung von Kronzeugen als unumgänglich für die Durchführung von Hochverratsprozessen beschlossen: It was resolved that some of those Persons, who are equally culpable with the rest may be made use of as Witnesses against their Fellows. Der Beschluss fiel allerdings nicht einstimmig aus, denn der spätere Lord Chief Justice Sir Matthew Hale (1609–1676) hielt diese Kronzeugenregel für falsch: he is bribed by saving his Life to be a Witness.19 Das war auch das Argument, mit dem später die Angeklagten in den Prozessen selbst gegen den Einsatz von Kronzeugen protestie14 15 16 17 18

19

Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, 14f. Ebd., 26. Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, 20f. Ebd., 14. Ebd. Die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Principals und Accessories war zwar schon im ersten elisabethanischen Hochverratsgesetz von 1558 statuiert worden (1 Eliz. c.6, s.9), bis zu diesem Zeitpunkt – und das zeigten ja auch die Beratungen der Juristen – war dies in den Anklagestrategien nur unzureichend umgesetzt worden. Ebd., 21f.

236

1650–1730: Untersuchungsregime

ren sollten. Doch sie bekamen dann das zu hören, was die Juristen schon gegen die Skrupel ihres Kollegen Hale ins Feld geführt hatten: dass man alle Verräter davon kommen ließe, würde man sich nicht der Kronzeugenregel bedienen: And if it were not so, all Treasons would be safe, and it would be impossible for one who conspires with never so many others to make a discovery to any purpose.20 Die Kronzeugenregelung war schließlich ausdrücklich dazu gedacht, die Erfolterung von Geständnissen wie in spätelisabethanischer Zeit überflüssig zu machen. Das Wissen der Kronzeugen galt als funktionales Äquivalent für die zuvor notfalls erfolterten oder durch Suggestivfragen fingierten Geständnisse. Die Prominenz von Zeugen in den Prozessen seit der Restauration erklärt sich auch daher, auf diese Weise jene Praktiken zu vermeiden, wegen denen die Execution of Justice in England in elisabethanischer Zeit in ein so schlechtes Licht gerückt worden war. Als im Prozess gegen die Tonge-Verschwörer (dazu gleich) ein Angeklagter behauptete, ihm sei im Tower mit der Streckbank gedroht worden, antwortete ihm der Richter – Sir Orlando Bridgeman –, davon wisse er nichts. Außerdem sei man auf sein Geständnis nicht angewiesen, da vier Zeugen, seine ehemaligen Komplizen, gegen ihn ausgesagt hätten.21 In den Fällen, in denen es keine Kronzeugen gab, wurden diejenigen Amtspersonen (Geheimräte, Friedensrichter usf.) zu Zeugen berufen, die bei den Voruntersuchungen dabei gewesen waren und bestätigen konnten, dass die Angeklagten dort ein Geständnis abgelegt hatten.22 Auf diese Weise kamen weitere Zeugen ins Verfahren. Unterschriebene Geständnisse wie in den 1580er Jahren wurden dagegen nicht mehr vorgezeigt. Auch mit Depositionen ging man in Zukunft sparsam um. Darüber hinaus wurde bei dieser Konferenz auch eine Hochverratskonstruktion präzisiert, die zwar keine Rolle bei den Königsmörder- und anderen Prozessen der Restaurationszeit gespielt hatte, dafür aber am Ende des 18. Jahrhunderts. Für die Juristen war der Bürgerkrieg aus den Tumulten in London 1640/41 hervorgegangen23, und deswegen legten sie Wert auf die Feststellung, dass die levy war-Passage aus dem Hochverratsgesetz nicht etwa eine weitere Variante von Hochverrat bezeichne, sondern ebenfalls nichts anderes sei als compassing the King’s Death – das habe man nun schließlich 1649 erlebt.24 Konsequenterweise galten nicht erst Tumulte selbst als möglicher Anklagepunkt für Hochverrat, sondern auch vorbereitende Handlungen, worunter sowohl Verschwörungen fielen (the Conspiracy compassing and intending to raise War) als auch öffentliche Artikulationen, denen man einen Aufruf zu kriegerischer Gewalt unterstellte (express or declare such Imaginations, Intentions, &c., by Printing, Writing, Preaching, or malicious, and advised speaking).25 Am 9. Oktober 1660 stellte Richter Bridgeman in seiner Ansprache an die Grand Jury für die Königsmörder-Prozesse die neuen Auslegungsweisen zum ers20 21 22 23 24 25

Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, 21. 6 ST 259. Ebd., 19. Vgl. dazu Krischer, Aufruhr als Hochverrat?, 387f. Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, 14f. Ebd., 20.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

237

ten Mal öffentlich vor, wobei er aber jeden Anschein vermeiden wollte, dass es sich dabei um Neuerungen handelte. Gleich dreimal versicherte er in seiner Rede: I do not speak mine own Sense, but the Words of the Law unto you, wenn er erklärte: Treason it is in the wicked imagination, though not treason apparent; but when this poison swells out of the heart, and breaks forth into action, in that case it is High-Treason. Then what is an Overt-Act of an imagination or compassing of the king’s death? Truly, it is any thing which shews what the imagination is. Words, in many cases, are evidences of this imagination; they are evidences of the heart. […] But if men shall go and consult together, and this is to kill the king, to put him to death, this consultation is clearly an Overt-Act to prove this imagination, or compassing of the king’s death.26

Die Prozesse selbst begannen einen Tag später. Die Angeklagten wurden in Gruppen vorgeführt, und die zuerst an der Reihe waren, versuchten in nunmehr bekannter Manier, das Arraignment zur Anmeldung von Einwänden, Dissens und Redebedarf zu nutzen. Diese Versuche wurden diesmal jedoch energisch zurückgewiesen. Das führte zwar zu Konflikten, doch diesmal behielt das Gericht die Kontrolle. Dies gelang dadurch, dass unbeirrbar auf das Plädoyer gepocht wurde und die Angeklagten so ihrer Chancen beraubt wurden, noch ganz andere Fragen aufzuwerfen. Als Thomas Harrison vorgeführt und zum Plädoyer aufgefordert wurde, fragte er: My Lords, have I Liberty to speak und wurde vom Gericht darüber in Kenntnis gesetzt: No more than Guilty or Not Guilty. […] If you plead Not Guilty, you shall be heard at large; if Guilty, you know what remains.27 Harrison hakte nach: Will you give me leave to give you my answer in my own words? und bekam zu hören: There is no answer but what the law directs […] You must plead Not Guilty, or, if you confess Guilty, there must be Judgment upon your confession. Aber er habe noch etwas ganz Grundsätzliches zu sagen, versuchte Harrison es erneut – und wurde wieder abgeblock: You must hold, and plead Guilty, or Not Guilty. If you go otherwise (as I told you before), it will be as if you pleaded not at all, and then Judgment will pass against you. The law gives the words, frames your answer, it is none else but the law, Guilty, or Not Guilty?28 Auffällig ist hier, dass sich die Richter bei ihren Anweisungen immer wieder auf die überindividuelle Instanz ‚des Rechts‘ (the law) beriefen, die hier als eine Art diskursive Ressource gegen den Angeklagten mobilisiert wurde – diesmal erfolgreicher als im Prozess gegen Lilburne. Als Harrison noch weitere Versuche unternahm, das Pleading zur Aussprache zu nutzen, verzichtete das Gericht auf weitere Belehrungen und ließ den Clerk ein ums andere Mal seine Frage wiederholen und drohte – offenbar glaubhaft – mit sofortiger Verurteilung, bis Harrison sich geschlagen gab:

26 27 28

5 ST 988f. 5 ST 998. Ebd.

238

1650–1730: Untersuchungsregime

Harrison:

May it please your lordships, I am now …

Clerk:

Are you Guilty, or Not Guilty?

Harrison:

I desire to be advised by the law, this is a special case.

Court:

The law allows nothing now, but to plead Guilty, or Not Guilty.

Court:

You must plead to your Indictment. If it be Treason, it cannot be justified; if it be justifiable, it is not Treason; therefore plead Guilty, or Not Guilty.

Harrison:

Give me advice in this…

Clerk:

Tho. Harrison, Are you Guilty? Or Not Guilty?

Harrison:

I would willingly render an account of all my doings …

Clerk:

Are you Guilty or? Or Not Guilty?

Court:

You have been acquainted with the legal proceedings. You never found in all your experience that any prisoner at the bar, for Felony or Treason, was suffered thus to discourse, or to answer otherwise than Guilty, or Not Guilty?

Clerk:

Are you Guilty? or Not Guilty?

Counsel:

I do beseech your lordships he may plead; peradventure he knows his case so well, that he thinks it as cheap to defy the Court, as submit to it.

Court:

We must enter your standing mute; that is Judgment.

Clerk:

Are you Guilty, or Not Guilty?

Harrison:

Will you refuse to give me any satisfaction?

Court:

Are you Guilty, or Not Guilty?

Harrison:

Will you give me your advice?

Court:

We do give you advice. The advice is, there is no other plea, but Guilty, or Not Guilty. You shall be heard when you have put yourself upon your trial.

Clerk:

Are you Guilty, or Not Guilty?

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

Harrison:

You do deny me counsel, then I do plead Not Guilty.

Clerk:

You plead Not Guilty? Is this your Plea?

Harrison:

Yes.29

239

In vergleichbarer Weise gelang es auch bei den übrigen Angeklagten, die im Sinne des Verfahrens ‚richtige‘ Antwort zu forcieren, in den meisten Fällen sogar ohne viel Aufwand.30 Es handelte sich dabei jeweils um Beispiele für die erfolgreiche Ausübung von Mikro-Macht durch jene verbalen Mittel, die den Verfahrensveranstaltern in dieser Situation zur Verfügung standen. Dazu gehörte vor allem das Mittel der Redundanz, also die Möglichkeit, den Dialog durch konstantes und demonstratives Wiederholen solange am fraglichen Punkt zu fixieren, bis der Angeklagte die von ihm geforderte Antwort gab. Die Bedingungen des Erfolgs lagen trotzdem nicht in dieser Anordnung des Dialogs allein. Auch das Publikum trug seinen Teil dazu bei, insofern es seine Antipathien den Angeklagten gegenüber zum Ausdruck brachte. Das lässt sich punktuell daran ablesen, dass Ausweichtaktiken mit höhnischem Lachen quittiert wurden31, etwa als Hugh Peters auf die Frage How will you be tried mit By the Word of God antwortete und damit deutlich wurde, dass seine Selbstinszenierung als Prophet wie zu Zeiten der Republik nicht in diesen Prozess hineinkopiert werden konnte.32 Nach den Arraignment vollzog sich einen Tag später die Eröffnung der Hauptverhandlung auffallend förmlich und reibungslos. Harrison, dem zuerst der Prozess gemacht wurde, durfte von den (durch den Sheriff) vorgeschlagenen Geschworenenkandidaten fünfunddreißig Personen ablehnen, was bislang in der Praxis noch nicht beobachtet werden konnte. So sehr im Vorfeld der Prozesse von bloody judges die Rede war, die nun selber vor Gericht kämen33, von barbarous wretches […] in the Old-Baily34, so sehr wurde nun darauf geachtet, die einem Angeklagten theoretisch zustehenden Rechte auch wirksam werden zu lassen. Diese Korrektheit gehörte ebenso zur Inszenierung des Gerichts wie die Unerbittlichkeit am Tag zuvor beim Pleading. Zum Gelingen dieser Inszenierung trug auch bei, dass Harrison das Recht, Geschworene abzulehnen, selbst als making use of that Liberty which the Law gives me in this Case würdigte.35 Zu den konstitutiven Auftaktritualen einer Hauptverhandlung, die bereits Sir Thomas Smith in De Republica Anglorum beschrieben hatte, gehörte neben der 29 30 31

32 33 34 35

5 ST 998f. Dazu schon Nenner, The trial of the regicides. Auf Gelächter als eine Art kommunikativer Ressource für das Verfahren hat auch Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 489f. hingewiesen. Die konversationsanalytischen Forschungen von Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 182f., haben gezeigt, dass durch Ironie und Gelächter ein „vorläufiges Zwischenergebnis eingefahren und in der laufenden Verhandlung ein ‚Meilenstein gesetzt‘ wird, und zwar in einer für alle sichtbaren und später rekapitulierbaren Weise“. 5 ST 1007. Anon., The charge and impeachment. Anon., A looking-glass. 5 ST 1010.

240

1650–1730: Untersuchungsregime

Vereidigung und Durchzählung der Geschworenen durch den Gerichtsrufer (crier) auch der Aufruf von Personen, die Zeugnis geben konnten: If any can give evidence, or can saie any thing against the prisoner, let him come nowe, for he standeth upon his deliverance.36 Dabei hatte Smith nicht nur an Zeugen im engeren Sinne gedacht, sondern auch an Friedensrichter, die aus den Verhörprotokollen vorlasen, oder an Konstabler, die über die Verhaftung berichteten. Auch der Umstand, dass niemand etwas vorbringen könnte, wurde einkalkuliert: If no man come in, then the Judge asketh who sent him to prison.37 Smith dachte also überhaupt nicht an einen formal geregelten Prozess der Beweisaufnahme durch Zeugen, sondern an verschiedene, in dieser Verfahrenssequenz mögliche Aktivitäten. Faktisch hatte sich bei den Hochverratsverfahren seit dem späten 16. Jahrhundert als Aktivitätstypus bei der markierten Sequenz die rhetorisch mehr oder weniger ausgefeilte altercation zwischen Kronanwälten und Angeklagten durchgesetzt. Das war im Falle der Königsmörder nun grundsätzlich anders: Hier standen bei der Hauptverhandlung sechs Zeugen schon bereit und wurden beim Aufruf des criers in den Gerichtssaal gebracht. Der Aufruf verlor also seine Funktion als echte Frage und wurde stattdessen zum Ritual des Übergangs von der Vereidigung der Geschworenen zur nächsten Sequenz. Bei dieser hörten die Zeugen George Masterson, James Nutley, Robert Coytmore, Holland Simpson und William Jessop zunächst, was Kronanwalt Finch den Angeklagten im Allgemeinen und Harrison im Besonderen vorwarf. Die – vergleichsweise kurze – Anklagerede soll hier nicht im Detail untersucht werden. Finch sprach über die Sakralität der Monarchie (touch not mine Anointed, saith God himself38) und das deswegen unerhörte Vorgehen (unnatural and devilish) gegen den König by a formal pageantry of justice […] a shambles of justice.39 Die Restauration der Königsherrschaft aber sei von der Vorsehung gewollt worden. Der Kronanwalt knüpfte fast wörtlich an die Beschlüsse der Juristenkonferenz an, wenn er darauf pochte, dass Hochverrat eine intention of the heart sei, die aber in bestimmten Fällen gleichsam nach Außen hervorbreche und dann anhand dieser Äußerlichkeiten, im Sinne von Worten und Taten, justiziabel sei: Not that any man can know the heart, save God alone; but because when the wicked heart breaks not into any open expressions, by which it may be judged, it is the thoughts of the heart which makes the Treason; the Overt act is but the evidence of it.40

Auch müsse man nicht jedem einzelnen Angeklagten nachweisen, dass er, wie es im Indictment hieß, verantwortlich sei für the assembling, sitting, judging, and killing of the King. Wem eines davon nachgewiesen werden konnte, auch durch Hand-

36 37 38 39 40

Smith, De Republica Anglorum, 99. Ebd. Zur Virulenz dieser Wendung aus Psalm 105 im England des frühen 17. Jahrhunderts vgl. Pečar, Macht der Schrift, 303ff.; allg. dazu Asch, Sacral Kingship. 5 ST 1014. 5 ST 1012.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

241

lungen, die nicht in der Anklage spezifiziert worden seien, der sei auch im Sinne aller anderen Punkte schuldig: We are not bound, under favour, to prove every one of these against every particular person that is indicted; for he that is in at one, is guilty in law, of all the rest, as much as if he had struck the fatal stroke itself; Nay, under favour, if we can prove any other overt-act besides what is laid in the Indictment, as the encouraging of the soldiers to cry out Justice, Justice; or preaching to them to go on in this work, as godly and religious; or any other act of all that catalogue of villainies, for which the story will be for ever infamous; this may be given in evidence to prove the compassing and imagining the king’s death.41

Das Vorgehen der Kronanwälte sollte also darin bestehen, den Angeklagten diese äußerlichen Handlungen (overt acts) nachzuweisen (to prove) und damit Beweise (evidence) für den selbst nicht sichtbaren Hochverrat im Herzen vorzulegen. Diese Beweise, so Finch weiter, wolle man auf zwei Arten führen, durch Zeugen viva voce und durch Urkunden (records of parliament): Witnesses viva voce, that shall first prove to your lordships that every person now in question did sit in that Court, when their King stood as a Prisoner at the Bar. […] And after we have done with our witnesses viva voce, if we have occasion to use records of parliament, we shall shew them too; for we have the originals or authentic copies. But now we shall proceed to our Evidence.

Tatsächlich konnten aber auch die Urkunden nicht einfach für sich sprechen. Auch ihnen mussten Zeugen erst viva voce Bedeutsamkeit und Anschlussfähigkeit für dieses Verfahren verleihen. Wie bei keinem anderen Verfahren zuvor standen daher bei den Königsmörder-Prozessen Zeugen als Akteure im Mittelpunkt des forensischen Geschehens. Dieses Phänomen lässt sich kaum auf einen Grund allein zurückführen. Es erklärt sich durch Erfahrung mit den Defiziten früherer Prozesse ebenso wie mit dem Verweis auf grundlegende epistemologische Veränderungen in dieser Zeit. Bevor der Verlauf dieses und der anderen Prozesse weiterverfolgt wird, ist es deshalb nötig, auf diesen wissensgeschichtlichen Paradigmenwechsel und dessen Konsequenzen für das gerichtliche Entscheiden etwas ausführlicher einzugehen. Wenn es unten um die Rekonstruktion von Beweispraktiken geht, muss zuvor der Rahmen abgesteckt werden, innerhalb dessen diese Praktiken Sinn erlangten und Relevanz entfalteten. Drei Punkte werden daher im Folgenden knapp erörtert: 1) Die Aufwertung von Zeugen und unsicherem Wissen in der Naturphilosophie des 17. Jahrhunderts; 2) die Möglichkeit von gerichtlichem Entscheiden unter Unsicherheit sowie 3) die strukturellen und praktischen Analogien von Experimenten und Gerichtsverfahren. Die Art und Weise schließlich, wie naturphilosophische Experimente von der neueren Wissensgeschichte untersucht worden sind, ist zugleich auch das Vorbild für die anschließende Beobachtung der Beweisverfahren in den Königsmörder-Prozessen, die abschließend als Medien der Strukturbildung diskutiert werden. 41

5 ST 1013.

242

1650–1730: Untersuchungsregime

2. UNSICHERES WISSEN IN DER NEUEN NATURPHILOSOPHIE Die offensichtliche Aufwertung der Figur des Zeugen in den Prozessen ab 1660 fiel in eine Zeit, die durch einen Wandel in der Wissenskultur gekennzeichnet war, die von den Historiker gewöhnlich als „Wissenschaftliche Revolution“ bezeichnet wird.42 In die Debatte über den Sinn dieses Begriffs will ich hier nicht einsteigen. Festzustellen bleibt aber, dass Erfahrungswissen, für dessen Aufwertung sich schon Francis Bacon stark gemacht hatte, im Zeitalter der Restauration zum epistemischen Leitbild avancierte und mit der 1660 gegründeten Royal Society of London for Improving of Natural Knowledge auch einen institutionellen Ort erhielt. Vor allem durch die Forschungen der amerikanischen Literaturwissenschaftlerin Barbara Shapiro wurde deutlich, dass Erfahrungswissen (facts) seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zum gemeinsamen Paradigma verschiedener Wissensgebiete geworden war: Ob es sich um das Recht, um Geschichtsschreibung, um Theologie oder Naturphilosophie handelte: in allen diesen Fällen lassen sich vergleichbare Ideale der Erkenntnisproduktion identifizieren, allenthalben ging es um matters of fact.43 Matters of fact waren im 16. Jahrhundert noch das exklusive Wissensparadigma des Common Law, vor allem im Zivilrecht: Es ging darum, verfahrensförmig zu klären und zu entscheiden, ob jemand eine bestimmte Handlung getan hatte oder nicht, es ging also im Wortsinn um ‚Tat-Sachen‘ und die ihnen zugeordneten Rechtsfolgen (matters of law). Seit dem Späthumanismus wurde das Tatsachenkonzept zunehmend auch für andere Wissensgebiete von Belang, zunächst für die Geschichtsschreibung, wo es ebenfalls um menschliche Taten ging, dann aber auch für die Erforschung der Natur, die als Naturgeschichte zu Papier gebracht wurde44. Nicht zufällig waren vor allem die Schriften des Francis Bacon für diese Diffusion des Tatsachen-Paradigmas in andere Wissensfelder maßgeblich, denn Bacon war bekanntlich nicht nur ein Moral- und Naturphilosoph, sondern auch ein Rechtsgelehrter (und Folterer).45 Die Rechte hatte Bacon studiert, und als Jurist machte er auch Karriere, bis zum Amt des Lordkanzlers. So wie es nun, nach Bacon im New Organon, dem Recht und der Geschichte um die deeds and works of men ginge, so der Naturgeschichte um die deeds and works of Nature.46 Bacon verstand unter Naturgeschichte eine Sammlung von Wissen über unbelebte und belebte Dinge in der Welt, wobei das Wissen darüber nach bestimmten Kriterien zu bilden sei: Es 42

43 44 45 46

In der deutschen Übersetzung seines Buchs formulierte Shapin, Die wissenschaftliche Revolution, 9, kryptisch: „Die sogenannte wissenschaftliche Revolution hat es nie gegeben, und davon handelt dieses Buch“. Vielleicht sollte man dazu sagen, dass es die Wissenschaftliche Revolution nicht im Sinne der Initiierung eines linearen Rationalisierungsprozesses gab – also im Sinne einer simplifizierenden Modernisierungserzählung, gegen die sich zuletzt etwa Krämer, Ein Zentaur in London, gewandt hat. Ich möchte aber daran festhalten, dass es diese Revolution im Kuhn’schen Sinne als eines Paradigmenwechsels bei den Beobachtungs- und Untersuchungsinstrumenten schon gegeben hat, wie sie eben bei auch bei Shapin beschrieben werden. Shapiro, Probability and certainty; Daston, Baconsche Tatsachen. Shapiro, Testimony; Shapiro, The concept „fact“. Shapiro, A culture of fact, 107ff. Zit nach Shapiro, Testimony.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

243

musste sich auf glaubhafte Zeugnisse derjenigen stützen, die die Dinge gesehen und beschrieben hatten. Dabei sollte man sich allerdings nur auf jene Zeugnisse stützen, die so glaubhaft waren, als ob sie unter Eid ausgesagt worden wären (as if every particular were stated upon oath).47 Auch die 1660 im Geiste des Bacon‘schen Empirismus gegründete Royal Society stützte sich bei ihrer Ansammlung von Naturwissen auf die Zeugnisse Dritter.48 Die Dinge der Welt könne man nicht alle persönlich in Erfahrung bringen, schrieb der Historiograph der Royal Society, Thomas Sprat. Daher müsse man sich auch auf die Zeugnisse weitgereister Händler, Diplomaten oder Seeleute stützten.49 Robert Boyle, einer der populärsten, wirkmächtigsten und publizistisch aktivsten Gelehrten der Restaurationszeit, bekräftigte ebenfalls, dass die Naturphilosophie nicht ohne Zeugen auskomme: Humane testimony is of great and almost necessary use in natural philosophy.50 Deswegen kam es für die Gelehrten auf Kriterien an, anhand derer man herausfinden könne, ob man es mit einem glaubwürdigen Zeugen zu tun habe. Solche Kriterien bezogen sie nun aus dem Common Law, das die Zeugnisfähigkeit der Person und den Wert ihres Zeugnisses an bestimmte Bedingungen (z.B. Konfession, Alter und Geschlecht des Zeugen, Verstandesfähigkeit und Sachkunde, untadliger Lebenswandel, Unparteilichkeit, Augenzeugenschaft etc.) knüpfte.51 Gleichwohl konnten sich die Gelehrten den idealen Zeugen nicht immer aussuchen. Auch wenn im Idealfall Berichte über exotische Pflanzen, Fossilien und Tiere in Übersee von Diplomaten, vom Kapitän eines Schiffs, den Offizieren oder einem ehrbaren Kaufmann stammen sollten, so hörte man auch gewöhnlichen Matrosen zu, wenn diese etwas Einschlägiges zu berichten hatten.52 Wenn der Zeuge aber höchstes Ansehen genoss, war man unter den selbst gesetzten Kriterien sogar bereit, an Wunder und Monstren zu glauben53. In dieser Hinsicht bedeutete die wissenschaftliche Revolution durchaus noch keine unmittelbare Entzauberung der Welt. Mit dem Tatsachen-Konzept war eine Absage an die klassische Dichotomie zwischen wahrem Wissen und bloßer Meinung verbunden.54 An die Stelle dieser Unterscheidung traten seit dem englischen Späthumanismus unterschiedliche Grade von Gewissheit und Wahrscheinlichkeit.55 Denn an die empirische Erforschung der Natur konnten die Gelehrten nicht länger den traditionellen, scholastischen Maßstab mathematisch-demonstrativer Gewissheit legen. Ein solcher Maßstab be47 48 49 50 51

52 53 54 55

Zit. nach Shapiro, Testimony, 250. Ebd.; Shapiro, The concept „fact“, 241f. Shapiro, The concept „fact“. Shapin, A social history of truth, 203. Shapiro, A culture of fact, 117ff.; diese Kriterien für ein glaubhaftes und damit wahrscheinliches Zeugnis diskutiert auch Locke in seinem Versuch über den menschlichen Verstand, Buch IV, Kap. 15, Abschn. 4, vgl. Dazu ausführlich Shapin, A social history of truth, 211ff. Shapiro, A culture of fact, 120f. Daston, Marvelous facts; Shapin, Die wissenschaftliche Revolution, 102–106; Angelis, Sehen mit dem physischen und dem geistigen Auge. Sargent, Scientific experiment. Shapiro, Probability and certainty, 32ff.; Daston, Probability and evidence; van Leeuwen, The Problem of Certainty; zur Kulturgeschichte unsicheren Wissens vgl. jetzt auch die Beiträge in Spoerhase / Werle / Wild, Unsicheres Wissen.

244

1650–1730: Untersuchungsregime

hinderte für Robert Bolye die Gewinnung neuen Wissens.56 Bei diesen Graden von Wissen über Tatsachen, die später von John Locke in einen allgemeinen erkenntnistheoretischen Kontext gestellt wurden, unterschieden die Gelehrten der Restaurationszeit gewöhnlich zwischen: 1.) dem mathematisch-metaphysischen Wissen, 2.) dem Wissen über das Physische und seine Gesetze und 3.) einem Wissen über historische und ‚bürgerliche‘ (moral) Tatsachen.57 Bemerkenswert war nun, dass die Gelehrten der Royal Society zwischen der zweiten und der dritten Wissensform keinen kategorialen Unterschied machten: Wissen über historisch-bürgerliche Tatsachen war prinzipiell nicht weniger wahrheitsfähig und nicht weniger wert als solches über physikalische Gesetzmäßigkeiten.58 Entsprechend dieser verschiedenen Grade des Wissens gab es auch verschiedene Formen der Herleitung und Gewinnung von Wissen durch Beweisverfahren (demonstrations). Wir können dabei dem Schema folgen, das Boyle mustergültig in seinem Traktat über die Vereinbarkeit von Religion und Vernunft (1675) aufgestellt hat: Demnach gebe es methaphysical demonstrations, physical demonstrations und moral demonstrations. Mit methaphysical demonstrations gelange man zu Schlussfolgerungen, that can never be other than true, such as’nihil potest simul esse & non esse‘59. Aber: there are many truths by the nature of the things are not capable of mathematical or metaphysical demonstrations, and yet, being really truths, have a just title to our assents; it must be acknowledged, that rational assent may be founded upon proofs, that reach not to rigid [i. S. v. mathematischen, A.K.] demonstrations, it being sufficient that they are strong enough to deserve a wise man’s acquiescence in them.60

Diese Einschränkung der absoluten Wahrheitsfähigkeit galt für Boyle bereits hinsichtlich von physikalischen Gesetzmäßigkeiten und ihrer Beweisbarkeiten wie ex nihilo nihil fit. Solche Schlussfolgerungen seien durchaus nicht so absolutely certain as the former, because, if there be a God, he may (at least for ought we know) be able to create and annihilate substances; and yet are held unquestionable by the ancient naturalists, who still suppose them in their theories.61 Diese prinzipielle Möglichkeit der Infragestellung bekannter und die Entdeckung neuer physikalischer Gesetze war für Boyle die Voraussetzung für seine empirisch-experimentelle Naturforschung.62 Schließlich gab es für Boyle aber auch moral demonstrations, die im Grade ihrer Gewissheitserzeugung zwar hinter mathematischen und physikalischen Beweisen zurückstanden, die aber für die Menschen und ihr Handeln (actions of men) trotzdem die sicherste Richtschnur (surest guide) darstellten. Das gelte sowohl für die 56 57 58 59 60 61 62

Boyle, Some considerations touching the usefulness of experimental natural philosophy. Shapiro, Probability and certainty, 29. Zur Legitimation unsicheren Wissens vgl. auch Spoerhase, Die „mittelstrasse“ zwischen Skeptizismus und Dogmatismus. Boyle, Some considerations about the reconcileableness, 93.  Zit. nach Sargent, Scientific experiment, 36. Boyle, Some considerations about the reconcileableness, 94. Sargent, Scientific experiment, 36f.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

245

private Lebensführung,63 als auch in der politischen und der juristischen Praxis. Zwar sei eine moral demonstration auf einer Reihe von Einzelheiten (particulars) aufgebaut, die an sich jeweils nur wahrscheinlich (probable), aber nicht sicher oder axiomatisch seien. Doch unter bestimmten Bedingungen, die man durch Gott als den Menschen gegeben betrachten könne, führe eine moral demonstration trotzdem zu einer gewissen Schlussfolgerung (manifest instance), und zwar zum Beispiel vor Gericht: And the conclusions of a moral demonstration are the surest guide, that men aspire to, not only in the conduct of private men’s affaires, but in the government of states, and even of the greatest monarchies and empires. And this is considerable in moral demonstrations, that such may consist, and be, as it were, made up of particulars, that are each of them but probable; of which, the laws established by God himself among his own people, as well as the practice of our courts of justice here in England, afford us a manifest instance in the case of murder, and some other criminal causes.64

Es ging Boyle nicht darum, eine Theorie der forensischen Gewissheitserzeugung zu liefern. Diese war für ihn vielmehr das Modell für die experimentell-empirische Naturphilosophie, die es zu legitimieren galt, nicht anders herum.65 Trotzdem war die Analogiebildung von Boyle und anderen Gelehrten der Royal Society, wonach moral demonstrations jedenfalls in ihrem Anwendungsgebiet (conduct of private men’s affaires, government of states) ebenso wahrheitsfähig seien wie mathematische Ableitungen im Feld der Logik und Metaphysik, für Juristen überaus anschlussfähig. Das Konzept der moral demonstrations sollte sich für das wissenschaftliche Beweisrecht des 18. und 19. Jahrhunderts als grundlegend und unverzichtbar erweisen.66 Man kann ab der Mitte des 17. Jahrhunderts also von epistemischen und verfahrensförmigen Analogien zwischen Naturphilosophie und Recht sprechen. Die Naturphilosophen bedienten sich bei der Kategorisierung empirischer Beobachtungen (matters of fact) nicht nur der Sprache, sondern auch bestimmter Methoden des Rechts: So wie ein englisches Gerichtsverfahren wurde auch ein Experiment öffentlich (oder zumindest institutsöffentlich vor den Mitgliedern der Royal Society) aufgeführt.67 Dieses Vorgehen wurde nicht zufällig als trial bezeichnet: Es ging beim Experiment, wie Boyle es formulierte, um matters of fact […] to be brought to trial.68 63

64 65 66 67 68

Das Konzept der moralischen Gewissheit stammt ursprünglich aus der im frühen 17. Jahrhundert aufkommenden Anleitungsliteratur für die persönliche Gewissenserforschung: Hier galt es für den Einzelnen, Tag für Tag zu entscheiden, ob er gesündigt hatte oder nicht, Shapiro, Religion and the law, 49. Diese Praxis der täglichen Selbstbeurteilung dürfte auf der Ebene der Individuen ein Beitrag zur Ermöglichung der modernen „Entscheidungsgesellschaft“ (Uwe Schimank) gewesen sein. Boyle, Some considerations about the reconcileableness, 94f. Sargent, Scientific experiment; Sargent, The diffident naturalist, 42ff. Shapiro, „Beyond reasonable doubt“. Shapin / Schaffer, Leviathan and the air-pump, 22ff. Zit. nach Shapiro, A culture of fact, 117. Die Ethymologie von trial führt zurück auf einen anglo-normannischen Wortgebrauch zur Beschreibung der gerichtlichen Entscheidungsfindung als Probe. Die

246

1650–1730: Untersuchungsregime

In seiner History of the Royal Society beschrieb auch Thomas Sprat die Durchführung von Experimenten in Analogie zum Gerichtsverfahren, und zwar angefangen von der Lokalität (the Place where they hitherto assembled, is Gresham College […]. Here the Royal Society has on publick Room to meet), über die zeremonielle Rahmung (the Ceremonies of their meetings69), die Definition der Verhandlungssache (to propose the Subject; to regulate the Proceedings), der Durchführung des Experiments bis hin zum abschließenden Urteil, dem judging of the matter of fact.70 An diesem Strukturwandel der Naturforschung (um den Revolutionsbegriff hier außen vor zu lassen) waren Juristen aktiv beteiligt. Viele Gründungsmitglieder der Royal Society waren Anwälte und Richter. Die Zeitgenossen scherzten, diese gelehrte Gesellschaft sei im Grunde aus den Inns of Court heraus gegründet worden.71 Ähnlich wie Francis Bacon ließen sich auch die Gelehrten dieser Zeit nur bedingt auf eine bestimmte Disziplin festlegen. Sir Matthew Hale z.B. verdiente seit 1636 sein Geld zwar als Jurist, und er war auch neben Edward Coke der wichtigste und einflussreichste Common Lawyer des 17. Jahrhunderts. Er selbst hätte sich aber kaum auf diese eine Rolle als Jurist festlegen lassen. Er war auch Theologe und Naturforscher, der selbst Experimente zur Schwerkraft und zum Magnetismus durchführte und darüber publizierte.72 Eine ähnlich offen gehaltene Rolle war auch Francis North (1637–1685) zu eigen, der als Kronanwalt und später als Richter in Hochverratsprozessen wirkte. In den 1660er Jahren hatte North mit Boyle und anderen Mitgliedern der Royal Society auf Augenhöhe über die Gravitationslehre diskutiert.73 Wenn in der neuen Naturphilosophie abgestufte Grade der Gewissheit aufgewertet und damit die Wahrheitsfähigkeit von Wissen unterhalb der Ebene mathematischer Beweisbarkeit postuliert wurde, profitierte davon auch das Gerichtsverfahren. Es bot nicht nur eine Analogie und die nötige Semantik, wenn es darum ging, die neuen Formen naturphilosophischer Erkenntnisgewinnung durch Beobachtung und Bezeugung zu beschreiben. Wenn das Gerichtsverfahren als Musterfall für die Herleitung eines Wissens von moralischer Gewissheit taugte, dann konnten auch seine Formen der Wahrheitsfindung mittels Zeugen und anderen Beweismitteln nicht ohne weiteres als defizitär gegenüber den Methoden in den sich ausbildenden Naturwissenschaften beschrieben werden. Solche Vorwürfe und ein Zweifel an der Rationalität forensischer Erkenntnisbildung waren aber in den zurückliegenden Jahrzehnten laut geworden. Als Kritiker waren zum einen die Levellers aufgetreten, deren Positionen zum Common Law und seinen Verfahren im letzten Kapitel diskutiert wurden. Zum anderen warf Thomas Hobbes den Common Lawyern vor, dass the study of the law is less rational than the study of the mathematics […] the great masters of the mathematics do not so

69 70 71 72 73

Verwendung des Begriffs trial zur Beschreibung der Durchführung eines Experiments lässt sich vor 1600 nachweisen, und in die Sprache der Naturforschung hielt trial erst durch Robert Boyle Einzug. Sprat, The history of the Royal-society, 92ff. Ebd., 99. Shapiro, Probability and certainty, 167ff. Cromartie, Sir Matthew Hale, 1609–76. Dazu mit weiteren Beispielen Shapiro, Law and science, 736ff.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

247

often err as the great professors of the law.74 Weil Hobbes aber auch in Abrede stellte, dass man mit Experimenten sicheres Wissen herstellen konnte, hatten Juristen und Naturphilosophen den gleichen Gegner.75 Und weil sie gegen Hobbes die gleichen Prinzipien des Wissens verteidigten, fielen die Apologien von Juristen und Naturphilosophen auch sehr ähnlich aus. In seinen Reflections […] on Mr. Hobbes his Dialogue of the Law räumte etwa der Jurist Matthew Hale ein, dass man im Recht zwar nicht zur gleichen Gewissheit gelangen könne wie in der Mathematik (it is not possible […] to come to the same certainty, evidence and demonstration […] as may be expected in mathematical sciences). Aber das sei auch gar nicht nötig und erstrebenswert. Man könne – und auch das war ein Topos der englischen Empiristen – über einen Gegenstand keine größere Gewissheit erlangen, als dieser selbst zulasse.76 Es sei demnach töricht (a foolish and unreasonable thing), einen mathematischen Beweis auch dort zu fordern, wo er schlicht nicht möglich sei, etwa vor Gericht. Dort sei es aber immerhin möglich, aufgrund von Zeugenaussagen (moral evidence) zu Gewissheiten über Tatsachen zu kommen, die so hoch glaubhaft (highly credible) seien, dass sie jedem vernünftigen Menschen (reasonable men) schlicht als zwingend einleuchteten, und more cannot be reasonably be expected for the proof of the fact.77 Auch der Theologe Joseph Glanvill (1636–1680) verteidigte die Gradualität der Gewissheiten gegen Anhänger eines more geometrico-Ideals, namentlich gegen Hobbes und Descartes.78 Jenseits mathematischer Ableitbarkeit, so Glanvill, gebe es eine ganze Reihe weiterer Gewissheiten, darunter solche aus eigener, unmittelbarer Anschauung. Dabei handele es sich zwar nicht um unfehlbare (infallible), aber um unzweifelhafte (indubitable) Gewissheiten. Diesen Status als unzweifelhaftes und damit höchstwahrscheinliches Wissen konnten nach Glanvill nun nicht nur Anschauungen, sondern unter bestimmten Umständen auch Zeugenaussagen besitzen: There are Certainties arising from the Testimony of others. This in ordinary cases is very doubtful, and fallacious, but again in some it is indubitable. As when the Testimony is general, both as to time and place uninterested, full, plain, and constant in matters of sense and of easy knowledge: In such circumstances as these, the evidence of Testimony is no more doubted than the first Principles of Reason or Sense. […] The Foundation of which assurance is this Principle, That Mankind cannot be supposed to combine to deceive, in things, wherein they can have no design or inter74

75

76

77 78

Hobbes, The English works of Thomas Hobbes, 3. Zwar wurde dieser Dialog erst 1681 publiziert, er war den Juristen, zumal Matthew Hale, aber offenbar schon als Manuskript bekannt. Verfasst hatte Hobbes den Text in den frühen 1660er Jahren; dazu Cromartie, Sir Matthew Hale, 1609–76, 100. Dazu Sargent, The diffident naturalist, 56ff. Die Zeitgenossen nahmen Hobbes nicht nur als politischen Philosophen war, sondern wegen seines Traktats De Corpore (1655) als wichtigsten Vertreter einer mechanistischen Philosophie; klassisch zur Kontroverse zwischen Hobbes und den Empirikern der Royal Society, vor allem Shapin / Schaffer, Leviathan and the air-pump. So hießt es bei Locke, Versuch über den menschlichen Verstand, Buch IV, Kap. XI, Abschn. 10, 318: Ferner können wir hieraus entnehmen, daß es sehr töricht und aussichtslos […] ist, Beweise und Gewißheit bei Dingen zu verlangen, die dafür nicht geeignet sind; weitere Belege bei Shapin, A social history of truth, 207ff. Hale, The primitive origination of mankind, 129. Westfall, Science and religion in 17th century England, 18ff.

248

1650–1730: Untersuchungsregime

est to do it. […] and therefore we assent to such Testimonies with the same firmness, that we would to the clearest Demonstrations in the World.79

Wenn es also keinen Grund dafür gebe, solle man Zeugenaussagen nicht mit prinzipieller Skepsis begegnen. Glanvill ging dabei so weit, auch übernatürliche Erscheinungen für etwas zu halten, über das es Gewissheit geben könne: So könne man Zeugenaussagen über Hexen nicht einfach als Unsinn abtun: Nur, weil man sich bestimmte Dinge nicht erklären könne, heiße dies noch lange nicht, dass es sich dabei nicht auch um Tatsachen handele: And if we are ignorant of the most obvious things about us, and the most considerable within our selves, ‚tis then no wonder that we know not the Constitution and Powers of the Creatures, to whom we are such strangers. Briefly then, Matters of Fact well proved ought not to be denied, because we cannot conceive how they can be performed.80

Für Glanvill galt: We should judge of the Action by the Evidence, and not the Evidence by our Fancies about the Action. Das Wissen, das Glanvill gegen den Dogmatismus der von ihm sogenannten Sadduzäer (womit er Descartes und Hobbes meinte) verteidigte, nimmt also zunächst einmal aufgrund von Zeugenaussagen zur Kenntnis, dass bestimmte Dinge und Wesen existieren und bestreitet deren Existenz nicht schon deswegen, weil man nicht weiß, wieso die Dinge so sind wie sie sind.81 Prinzipiell glaubhaft seien Aussagen über Geister, Hexen und andere Übernatürlichkeiten deswegen, weil es unwahrscheinlich sei, dass sich die ganze Welt zu einer großen Täuschung verschworen hätte. Es ist nicht verwunderlich, dass Glanvills skeptische Erkenntnistheorie von den Hexenverfolgern begeistert aufgenommen wurde. Bei den Salemer Prozessen 1694 hatten die Richter auch Glanvills Sadducismus Triumphatus zur Hand (auf dessen Frontispiz die Hexe von Endor zu sehen war). Glanvill hat daher nicht nur in der Philosophiegeschichte einen zweifelhaften Ruf.82 Glanvills schrankenloser und radikaler Empirismus wurde allerdings gerade kein Vorbild für die forensische Wissenskultur. Das vor Gericht erzeugte Tatsachenwissen wurde zwar vom Empirismus nachhaltig geprägt  – und es handelte sich dabei tatsächlich um einen Wandel in der forensischen Wissenskultur, insofern es die gleich vorzustellenden Praktiken der Tatsachenproduktion im 16. Jahrhundert so noch nicht gab. Doch dieses Wissen wurde zugleich mit einer forensischen Wahrscheinlichkeitstheorie verschränkt. Die Zeugenaussagen wurden eben nicht unmittelbar durch ihr Aussprechen als ‚Fakten‘ erachtet, sondern erst unter Abwägung ihre Glaubwürdigkeit und Plausibilität. Aus entsprechenden Abwägungsregeln, wie sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts etwa von Matthew Hale

79 80 81 82

Glanvill, Of scepticism and certainty, 49. Glanvill, Essay VI, 7. Dazu zuletzt Davies, Poisonous vapours. „In England men such as Boyle, Henry More, Ralph Cudworth and Joseph Glanvill battled to stabilize belief in the existence and operations of apparitions and spirits as part of a wider drive to uphold religion, authority and tradition“, so Israel, Radical enlightenment, 376.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

249

vorgetragen wurden83, entwickelte sich langfristig ein eigenes Beweisrecht, anhand dessen über wahr und falsch, Schuld oder Unschuld entschieden werden konnte. Die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung sorgte dafür, dass diese Wahrscheinlichkeitstheorie ein allgemeines Prozessbeobachtungsmedium werden konnte. Wenn die Jury einen Angeklagten schuldig sprach, obwohl sich die Zeugen unglaubwürdig aufgeführt hatten, dann ließ dies zumindest die Zuschauer und die Leser der gedruckten Protokolle mit größten Zweifeln zurück. Überzeugungen von der Richtigkeit des Urteils ließen sich nicht einfach durch ein formal korrektes Verfahren produzieren. Sie gründeten vielmehr in entsprechenden Darstellungsleistungen der Beteiligten. Festzuhalten bleibt allerdings, dass die Institution des Zeugen und damit das zentrale Prinzip gerichtlicher Wahrheitsfindung durch die Wertschätzung in der neuen, empirischen Naturphilosophie eine beachtliche Aufwertung erfahren hatte. Barbara Shapiro hat immer wieder betont, wie sehr die Naturphilosophie vom Recht und dessen Verfahren, Methoden und Prinzipien profitierte: Aus dem Common Law stammten sowohl das für die neue Kategorisierung der Dinge schlicht unentbehrliche Tatsachen-Konzept wie auch die Lehre vom Zeugen als einem der induktiven Wege, Tatsachen überhaupt in Erfahrung zu bringen.84 Aber der Profit war nicht nur einseitig: Auch der Status des Zeugen im Recht gewann dadurch an Wert, dass das Medium der Zeugenschaft bei den Gelehrten der Royal Society hohe Geltung besaß. Wenn man hier Zeugen zu forein, and remote matters and affairs befragte und auf diese Weise ‚Tatsachen‘ in Erfahrung brachte, die man nicht selbst in Augenschein nehmen konnte,85 dann stärkte das auch den Status von Zeugen vor Gericht, die ebenfalls über physisch unverfügbare Tatsachen wie Verschwörung und Hochverrat aussagten. Entscheiden unter Unsicherheit Ein mathematischer Beweis, so Robert Boyle, bringe die Schlussfolgerung, also das, was es zu beweisen gelte, aus sich selbst hervor. Was aus Axiomen logisch gefolgert wird, that can never be other than true.86 Wenn man keine Fehler mache, ließe sich mit einer mathematical demonstration allein durch logisches Schließen eine lückenlose Kette von den Prämissen bis zur Konklusion legen. Bei mathe83

84 85 86

Abwägen müsse man the veracity of him that reports and relates it. And hence it is, that that which is reported by many Eye-witnesses hath greater motives of credibility than that which is reported by few; that which is reported by credible and authentic witnesses, than that which is reported by light and inconsiderable witnesses; that which is reported by a person disinterested, than that which is reported by persons whose interest is to have the thing true, or believed to be true; […] and finally, that which is reported by credible persons of their own view, than that which they receive by hear-say from those that report on their own view; Hale, The primitive origination of mankind, 129. Auch Wiesenfeldt, Was demonstriert ein Experiment, diskutiert nur den Profit der Naturwissenschaften vom Recht, nicht umgekehrt. Sprat, The history of the Royal-society, 86. Boyle, Some considerations about the reconcileableness, 93.

250

1650–1730: Untersuchungsregime

matischen Beweisen existiere der Zusammenhang von Prämisse und Konklusion allerdings von jeher schon: Beide standen in einer dauerhaften, unveränderlichen und logischen Verknüpfung, die durch das mathematische Beweisverfahren nur aufgedeckt und dargestellt wurde.87 Das war bei physical und bei moral demonstrations anders. In diesen beiden Fällen wurden die Konklusionen nicht schon verfahrensförmig mitproduziert. Im Verständnis von Boyle oder Glanvill konnten durch eine moral demonstration nur eine Menge an Wahrscheinlichkeiten (probabilities) angehäuft werden, etwa in Form von Zeugenaussagen, die sich zu etwas summieren, was die Gelehrten seit der Mitte des 17. Jahrhunderts moralische Gewissheit (moral certainty) nennen.88 Doch auch eine moral certainty war noch nicht das Urteil selbst, sondern nur dessen notwendige Voraussetzung. Stets muss noch ein weiterer Akt hinzukommen, nämlich die Zustimmung (assent). Im Unterschied zur lückenlosen mathematical demonstration war eine moral demonstration also durch eine Diskontinuität gekennzeichnet. Zwischen die Anhäufung der Wahrscheinlichkeiten, die Herstellung von moralischer Gewissheit und die Konklusion musste stets noch der Akt der Zustimmung (assent) hinzutreten, also eine Entscheidung. Zwar gingen Boyle oder Glanvill davon aus, dass unter idealen Bedingungen die Zustimmung unvermeidlich sei.89 Die bei einem Experiment oder einem Gerichtsprozess gewonnenen Fakten, so Glanvill, may amount to a moral demonstration, and have force enough to obtain assent from those that are not stupid or unreasonable.90 Trotzdem blieb der Akt der (frei gewählten) Zustimmung (assent) obligatorisch. Das galt vor Gericht wie beim Experiment, das auch nicht selbst die Schlussfolgerungen aus seiner Durchführung zog. Vielmehr bestand die Aufgabe der Fellows darin, über diese experimentell erzeugten matters of fact im Wortsinn zu Gericht zu sitzen: Gleich einem großen Kollegium von Geschworenen mussten die Gelehrten über die Folgerungen aus einem Experiment beraten und ein Verdikt sprechen. Sie mussten also erst auf der Grundlage der Verfahrensgeschichte, der experimentell erzeugten Fakten, darüber entscheiden, ob mit dem Luftpumpenexperiment tatsächlich ein absolut leerer Raum erzeugt worden war: And after they have perfom’d the Trial, they bring all the History of its process back to the test.91 Mit der Beschreibung des judging of the matter of Fact der Fellows durch Thomas Sprat ließe sich auch die Entscheidungsfindung bei Geschworenen darstellen: Then comes in the second great work of the Assembly; which is to judge, and resolve upon the matter of Fact. In this part of their imployment, they us’d to take an exact view of the repitition of the whole course of the Experiment; here they observ’d all the chances, and the Regularities of the proceeding; what Nature does willingly, what constrain’d; what with its own power, what by the succours of Art; what in constant rode; and what with some kind of sport and extravagance […] never giving it 87 88 89 90 91

Locke, Versuch über den menschlichen Verstand, Buch IV, Kap. 15, Abschn. 1, 343. Shapiro, ‚To a moral certainty‘. Sargent, Scientific experiment, 36f. Glanvill, Seasonable reflections, 143. Sprat, The history of the Royal-society, 99.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

251

over till the whole Company has been fully satisfi’d of the certainty and constancy; or, on the otherside, of the absolute impossibility of the effect.92

Genauso war auch im gerichtlichen Verfahren moral certainty für assent (oder dissent) nur ein hochgradig überzeugendes Motiv, aber nicht eine Art mechanischer Auslöser. Im Strafrecht, so Boyle, können die Beweise den Richter zwar dazu bewegen, so etwas Existenzielles wie ein Todesurteil zu fällen (may warrant the judge to proceed to the sentence of death against the indicted party). Aber die Beweise entschieden das nicht schon selbst: For, though the testimony of a single witness shall not suffice to prove the accused party guilty of murder; yet the testimony of two witnesses […] shall ordinarily suffice to prove a man guilty, because it is thought reasonable to suppose, that, though each testimony single be but probable, yet a concurrence of such probabilities […] may well amount to a moral certainty, i. e. such a certainty, as may warrant the judge to proceed to the sentence of death against the indicted party.93

Einen Urteilsautomatismus, den die Common Lawyer dem Inquisitionsprozess mit seiner gesetzlichen Beweistheorie unterstellten94, gab es nicht. Im englischen Recht, so Matthew Hale, hätten die Geschworenen sowohl das Recht zum Zweifeln als auch die Pflicht zum Entscheiden. Ganz gleich wie viele Zeugen vor Gericht geladen worden waren: Hatten die Geschworenen einen just cause to disbelieve what a Witness swears, they are not bound to give their verdict according to the Evidence.95 So wie auf der einen Seite nicht die Vielzahl der Zeugen die Geschworenen zu einem bestimmten Verdikt nötige, so sei es auf der anderen Seite auch erlaubt, sich bei der Entscheidung auf die Aussage nur eines einzigen Zeugen zu stützen, wenn ihnen dieser besonders glaubhaft erschiene: and if there be just Cause to disbelieve what a Witness swears, they are not bound to give their Verdict according to the Evidence or Testimony of that Witness; and they may sometimes give Credit to one Witness, tho’ oppos’d by more than one. And indeed, it is one of the Excellencies of this Trial above the Trial by Witnesses, that altho’ the Jury ought to give a great Regard to Witnesses and their Testimony, yet they are not always bound by it, but may either upon reasonable Circumstances, inducing a Blemish upon their Credibility, tho’ otherwise in themselves in Strictness of Law they are to be heard, pronounce a Verdict contrary to such Testimonies, the Truth whereof they have just Cause to suspect, and may and do often pronounce their Verdict upon one single Testimony, which Thing the Civil Law admits not of.96

Was Boyle, Hale und andere Gelehrte aus dem Umfeld der Royal Society mit ihren Ausführungen zu den physical und moral demonstrations entwarfen, war nichts weniger als eine Theorie des Urteilens unter den Bedingungen von Ungewissheit 92 93 94 95 96

Ebd. Zit. nach Sargent, Scientific experiment, 37. Franklin, The Science of Conjecture, 59ff. Zit nach Shapiro, ‚To a moral certainty‘, 161. Hale, The history and analysis of the common law, 259.

252

1650–1730: Untersuchungsregime

und der Unmöglichkeit unfehlbarer mathematischer Deduktion.97 Genau das, die Unverfügbarkeit mathematischer Beweisbarkeiten, sei zumal im Bereich der Gesellschaft die Regel, nicht die Ausnahme  – so John Locke im Essay Concerning Humane Understanding (1690). In der modernen deutschen Übersetzung heißt es: Nun sind dem Menschen die Fähigkeiten des Verstandes nicht nur zu Zwecken des Betrachtens, sondern auch im Hinblick auf seine Lebensführung verliehen worden. Daher würde er in großer Verlegenheit sein, wenn er als Richtschnur nur das hätte, was die Gewißheit wahrer Erkenntnis besitzt. Denn diese ist, wie wir gesehen haben, oft sehr dürftig und beschränkt. Folglich würde der Mensch oft ganz und gar im Dunkeln tappen und bei den meisten Handlungen seines Lebens völlig unschlüssig bleiben, wenn er nichts besäße, was ihn in Ermangelung klaren und sicheren Wissens zu leiten imstande wäre. Stellen wir uns vor, jemand wollte nicht essen, ehe ihm bewiesen worden wäre, dass die Speise ihn nähren werde; er wollte sich nicht rühren, bevor er unfehlbar weiß, dass das Unternehmen, das er vorhat, auch gelingen werde. Diesem Menschen wird dann kaum etwas anderes übrigbleiben, als stillzusitzen und umzukommen. […] Für die Fälle, in denen ein klares und sicheres Wissen nicht zu erlangen ist, hat Gott den Menschen als Ersatz die Urteilsfähigkeit verliehen. Bei dieser Methode nimmt der Geist an, dass seine Ideen übereinstimmen oder nicht übereinstimmen, oder, was dasselbe besagt, dass ein Satz richtig oder falsch ist, ohne dass sich an den Beweisgliedern eine demonstrierbare Augenscheinlichkeit wahrnehmen ließe. Zuweilen betätigt der Geist diese Urteilsfähigkeit aus Notwendigkeit, nämlich dann, wenn demonstrative Beweise und eine sichere Erkenntnis nicht zu erreichen sind.98

Locke verstand unter dem Urteil eine Entscheidung, die sich nicht logisch ableiten lässt, also eine Entscheidung im eigentlichen Sinne: Für die Fälle, in denen ein klares und sicheres Wissen nicht zu erlangen ist, hat Gott den Menschen als Ersatz die Urteilsfähigkeit verliehen. Wer nicht urteilen wolle und für alles die Gewißheit wahrer Erkenntnis verlange, dem bliebe nichts als stillzusitzen und umzukommen.99 Auch im Bereich des Rechts gab es diese Nötigung zum Urteilen ohne die Gewißheit wahrer Erkenntnis, allenfalls mit moralischer Gewissheit. Dies war der Punkt, an dem es für Geschworene und Richter möglich war, ohne Zweifel, aber trotzdem nicht mit dem Anspruch auf absolute Unfehlbarkeit, eine Entscheidung zu treffen.100 James Q. Whitman hat überzeugend dargelegt, dass die Legitimation unsicheren Entscheidens vor allem dazu diente, Richter und Geschworene von Gewissensnöten zu entlasten, also von der Vorstellung, dass ihnen bei einer falschen Entscheidung ewige Verdammnis drohe.101 Entsprechende Warnungen bekamen Juristen und Juroren immer wieder in den Assisen-Predigten zu hören.102 Das 97 98 99 100 101 102

Das war bereits die Erkenntnis der Arbeiten von Waldman, Origins of the Legal Doctrine; Franklin, The Science of Conjecture; Shapiro, Probability and certainty. Locke, Versuch über den menschlichen Verstand, Buch IV, Kap. XIV, 340f. Zu Lockes Urteilstheorie vgl. Cope, Criteria of certainty, 96ff. Shapiro, Religion and the law; dies., The Proof of Fact, 48f. Whitman, The origins of reasonable doubt, 194–209. Krischer, Strafpredigten.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

253

moral-certainty-Konstrukt kann man daher auch als Beitrag zur Unsicherheitsabsorption im Zusammenhang unvermeidlichen und folgenreichen Entscheidens im Recht verstehen. Die Gerichtsverfahren der Restaurationszeit waren für die Naturphilosophen wiederum der Paradefall für eine moral demonstration: Beweise wurden in das Verfahren eingebracht, die jeweils den Status wahrscheinlichen Wissens hatten. Aber daraus ergab sich nicht schon von selbst das Urteil. Vielmehr vollzog das Gerichtsverfahren kurz vor seinem Ende einen Halt: Alle Zeugen waren gehört worden, und nun forderte der Richter die Geschworenen auf, ihr Verdikt auf der Grundlage des zuvor Verhandelten zu finden. In vielen, wenn auch längst nicht allen Fällen, verließen die Geschworenen dazu den Raum und markierten die Diskontinuität des Gerichtsverfahrens damit auch sichtbar. In buchstäblich jedem Fall mussten die Geschworenen das leisten, was das Verfahren nicht aus sich selbst heraus leistete: nämlich zu entscheiden. Diese Entscheidung implizierte auch die Entscheidung der Frage, ob durch die Beweise überhaupt eine moralische Gewissheit erreicht worden war. Auch diese Entscheidung wurde den Geschworenen nicht abgenommen. Für schuldig sollten sie den Angeklagten nur dann befinden, if you believe on the evidence; if you believe what the witness swore.103 Wenn sie davon aber nicht überzeugt waren, sollten sie mit einem not guilty wiederkommen. Am Ende des Hochverratsprozesses gegen den angeblichen katholischen Verschwörer Sir Thomas Gascoigne 1680 hieß es in diesem Sinne etwa: Gentlemen, here is on the one side the life of an ancient gentleman before you: on the other side there is a conspiracy against the life of the king, who is the breath of our nostrils, and whom God long preserve. I know you being upon your oaths will take into your considerations both, and give a verdict according to the evidence you have heard.104

So klar ein Richter in seine Konklusion auch einfließen ließ, wie er entscheiden würde – auffällig ist doch, dass seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Recht und Pflicht der Geschworenen zum Entscheiden im Verfahren explizit zum Thema geworden waren. Dies hatte auch zur Folge, dass selbst in jenen Fällen, in denen die Angeklagten nie eine Chance gehabt hatten, der Entscheidungsbefugnis der Geschworenen zumindest verbal die Reverenz erwiesen werden musste: So I leave it to you, upon the whole Matter. I can remember nothing besides. Go together, and consider your Verdict, according to your Evidence.105 Die Aufforderung zur Entscheidung wurde damit zu einem obligatorischen forensischen Sprechakt. Auch jetzt lässt sich nicht sagen, wie Geschworene ‚wirklich‘ entschieden. Was sich aber konstatieren lässt, ist ein Wandel in der Beschreibung des Entscheidens der Jury, und damit auch eine veränderte Rahmung desselben: Der Humanist Smith stellte dies noch als eine Art Gewissenserforschung dar. Bei ihm beruhte das Verdikt auf dem Vorwissen der Geschworenen, während der Prozessverlauf – 103 104 105

Zit. nach Shapiro, ‚To a moral certainty‘, 164. 7 ST 1041. 7 ST 417.

254

1650–1730: Untersuchungsregime

die altercation – vor allem hinsichtlich der Beziehungsebene zwischen Ankläger und Angeklagtem wichtig war. Unter dem rhetorischen Verfahrensregime wurde von den Gelehrten keine kausale Verknüpfung zwischen den Zeugenaussagen und dem Wahrspruch der Jury hergestellt.106 In der Semantik der Restaurationszeit hingegen wurde damit begonnen, die Entscheidungsfindung ausdrücklich auf jenes Wissen zu verpflichten, das während des Prozesses selbst hergestellt worden war (evidence). Zentrales Entscheidungskriterium war die Frage nach der probability von Schuld oder Unschuld im Lichte von Anklage und Beweisen. Auch dieser Begriff hatte seit dem späten 16. Jahrhundert einen Bedeutungswandel durchgemacht. Edmund Campion meinte damit in seinem Hochverratsprozess von 1581 rhetorisch gestützte Spekulationen. Seit der Restauration war damit hingegen ein Gradmesser für unsicheres, aber brauchbares Wissens gemeint, aufgrund dessen man selbst zu einer Entscheidung über Leben und Tod gelangen konnte. Probabilities meinten nicht länger oratorische Nebelkerzen, die Campion Kronanwalt Anderson zum Vorwurf gemacht hatte, sondern durch Beweise regelkonform erzeugte, legitime Entscheidungsvorlagen.107 Eher zufällig unterstrichen wurde die Entscheidungskompetenz der Geschworenen und damit die Entscheidungsbezogenheit des Verfahrens in der Restaurationszeit auch durch verschiedene Traktate, die die Jury und ihre Entscheidungsfreiheit als letztes Bollwerk der englischen Freiheiten gegen eine als willkürlich agierende Krone feierten.108 Experimente und Gerichtsverfahren: Analogien und gemeinsame Perspektiven Experimente und Gerichtsverfahren besaßen eine Reihe von äußerlichen und strukturellen Ähnlichkeiten: Beide Vorgänge fanden an speziell dafür geschaffenen Lokalitäten statt, und in beiden Fällen waren rituelle Rahmungen (Eröffnungszeremonien) nötig.109 Sowohl Gerichtsprozesse als auch Experimente verliefen interaktiv und öffentlich, und beides war für die Evidenzherstellung – oder besser gesagt: für das Gelingen der Evidenzherstellung  – konstitutiv. Nur ein öffentlich hergestelltes Wissen war ein legitimes Wissen und damit die hinreichende Voraussetzung für ein gerichtliches oder ein wissenschaftliches Urteil.110 Angelockt wurden Zuschauer in beiden Fällen von den größeren und kleineren Attraktionen, die 106 107 108 109

110

Shapiro, „Fact“ and the Proof of Fact, 48. Shapiro, ‚To a moral certainty‘, 158. Schwoerer, Law, liberty, and „jury ideology“. In beiden Fällen dürfte die rituelle Rahmung die Funktion besessen haben, den forensischen bzw. wissenschaftlichen Diskurs gegenüber sozialen Umwelten abzugrenzen und systemeigene Rollen zu vereindeutigen. Sowohl Recht als auch Gelehrsamkeit beruhten in der Mitte des 17. Jahrhunderts noch nicht auf einem Grad an Institutionalisierung, der diese Art der performativen Rahmung überflüssig bzw. zu reinem Dekor gemacht hätte. Ob dies heute der Fall ist, sei dahingestellt. Die Funktion ritueller Formen als Systemgrenzen hat Arlinghaus, Sprachformeln und Fachsprache, herausgearbeitet. Zur konstitutiven Öffentlichkeit des Experiments vgl. Shapin, Die wissenschaftliche Revolution, 125ff.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

255

man beim Experiment und vor Gericht in Augenschein nehmen konnte.111 Genauso wie ein Gerichtsurteil nicht allein durch die Kontemplation des Richters oder der Geschworenen gefunden wurde, sondern nur auf interaktive Weise, durch die Kooperation der in verschiedenen Rollen am Verfahren Beteiligten, so beschrieb Thomas Sprat auch die Arbeitsweise der Royal Society bei den Experimenten als in konstitutiver Weise arbeitsteilig: It could not be better made, than by the joint labours of the whole society. […] In Assemblies, the Wits of most men are sharper, their Apprehensions readier, their Thoughts fuller, than in theri Closets.112 Was beim Gerichtsverfahren das Indictment leistete, das leistete beim Experiment wiederum die Hypothese: In beiden Fällen handelte es sich um die Explikation und Definition dessen, was es zu verhandeln, beweisen und zu entscheiden galt.113 Zumindest der Idee nach waren Gerichtsverfahren und Experiment jeweils ergebnisoffene Prozesse. Das wiederum hatte zur Konsequenz, dass am Ende eines Experiments und eines Verfahrens eine Entscheidung folgen musste.114 Weder Verfahren noch Experiment produzierten aus sich heraus Entscheidungen, sondern benötigten dafür einen Dritten. Entschieden wurde dabei sowohl in dem einen als auch in dem anderen Bereich über selbst erzeugte Fakten. Genauso wie die Naturphilosophen der Royal Society mithilfe ihrer Maschinen und Apparaturen Erfahrungstatsachen gezielt herstellen konnten115, so wurde auch im Gerichtsverfahren auf der Grundlage von Zeugenaussagen und anderen Beweismitteln zuerst eine Sammlung von Fakten fabriziert, auf deren Grundlage dann eine Entscheidung fallen konnte.116 Mit der empirischen Wende wurden Hochverratsverfahren zunehmend als selbstreferentielle Prozesse organisiert: Genauso wie Experimente eine künstliche Natur schufen, wurde auch vor Gericht über solche Probleme verhandelt und entschieden, die erst im Verfahren selbst auf Entscheidbarkeit hin reformuliert worden waren. Die den Geschworenen zugemuteten Entscheidungen gründeten sich daher nicht nur auf deren subjektive Überzeugungen, sondern vor allem auf im Verfahren und mit verfahrenseigenen Mitteln diskursiv erzeugte Relevanzen und Gesichtspunkte.117 Schließlich wurde es auch üblich, die Protokolle von Experimenten in den Druck zu geben, damit der Leser deren Verlauf Schritt für Schritt nachverfolgen 111 112 113 114

115 116

117

Nate, „I thought in worth the tryal“, 299. Sprat, The history of the Royal-society, 97f. Zur Bedeutung der Hypothesen für Experimente vgl. Sargent, The diffident naturalist, 55f. Sprat, The history of the Royal-society, 100–119. Allerdings war die Entscheidungsfindung der Gelehrten im Unterschied jener der Geschworenen beobachtbar, so dass Thomas Sprat das conjecturing on the Causes durch die Fellows als eine Art Paradefall rationalen Entscheidens darstellen konnte. Shapin, Die wissenschaftliche Revolution, 114ff. Bei dem Begriff ‚fabrizieren‘ folge ich Knorr-Cetina, Die Fabrikation von Erkenntnis. Der Begriff ist nicht gleichbedeutend mit ‚fingieren‘, ‚imaginieren‘ oder ‚konstruieren‘, bezieht sich dort auf ein Ensemble aus Praktiken, Lokalitäten, Materialitäten und Prozeduren, mit denen im Labor Erkenntnisse gewonnen werden – aber nicht über die Natur an sich, sondern über eine im Labor rekonstruierte Natur. Bei der Konzeption des Entscheidungsverfahrens als einer selbstreferentiellen, faktenerzeugenden Prozedur stützte ich mich auf Scheffer, Kritik der Urteilskraft.

256

1650–1730: Untersuchungsregime

und sich bei der Lektüre von der Richtigkeit der daraus gezogenen Schlüsse durch eine Art von virtueller Teilnahme überzeugen konnte.118 Ganz ähnlich funktionierten auch die in der Bürgerkriegszeit aufgekommenen und seit der Restauration institutionalisierten Drucke von Hochverrats- und anderen Gerichtsverfahren als Wortprotokolle.119 In beiden Fällen leistete der Druck mehr als nur eine Darstellung von Experiment und Verfahren: Vielmehr handelte es sich um die Re-Inszenierung der Vorgänge in einem anderen Medium, und zwar mit dem Effekt, dass die prints von experiments und trials für den Leser in äquivalenter Weise Tatsachen (matters of fact) vermitteln konnten wie die Prozesse und Versuche selbst auch.120 Der Publizist und Tagebuchautor John Evelyn (1620–1706) war sicher nicht der einzige, der die Drucke der Hochverratsverfahren für so zuverlässig hielt (we having them commonly so exactly published by those who take them in short-hand), dass er den Prozessen nur in Ausnahmefällen persönlich beiwohnte und sich ansonsten durch Lektüre darüber informierte, also „virtual witnessing“ (Steven Shapin) praktizierte.121 Autorisiert wurden Experimental- und Prozessberichte zudem auf ähnliche Weise: Bei den einen vergab die Royal Society die Imprimatur, bei den anderen die vorsitzenden Richter.122 Schon an dieser Stelle lässt sich sagen, dass den gedruckten trials als Prozessdokumentationen die Zukunft gehören sollte – und nicht etwa den Pamphleten, deren propagandistische Absichten in der späten Stuartzeit zu offensichtlich wurden.123 Die dem eigenen Anspruch nach wortwörtlichen trials blieben dagegen bis ins späte 19. Jahrhundert die Art und Weise, um die englische (bzw. später britische) Strafjustiz nach außen zu dokumentieren. Experimente und Gerichtsverfahren wiesen also nicht nur äußerliche und epistemische Analogien auf. Sie können auch in ähnlicher Weise untersucht werden. Anders als etwa die Wissenschaftshistorikerin Barbara Shapiro fragt Steven Shapin nicht danach, mit welchen Kriterien richtige und wahre Tatsachen zu gewinnen waren. Mit dieser Frage beobachtet Shapiro die Praxis auf der gleichen Ebene wie die Zeitgenossen auch, d. h. sie nutzt zur Beantwortung ihrer Frage die repräsentativen Aussagen zeitgenössischer Juristen und Philosophen. Shapin beobachtet die Experimente hingegen auf einer anderen Ebene, die er „playing the stranger“ nennt. 124 Damit nimmt er eine ethnographische Perspektive ein, die 118

119 120

121 122 123 124

Sprat, The history of the Royal-society, 95. Steven Shapin hat hier von „virtual witnessing“ gesprochen, vgl. Shapin, Pump and circumstance, 97; ferner dazu auch Serjeantson, Proof and Persuasion, 169f. Mendle, The ‚prints‘ of the trials. Die gedruckte Darstellung eines Experiments in der Art und Weise, die Robert Bolye in den 1660er Jahren entwickelte hatte, sei nicht nur „something that is merely a ‚report‘ of what was done elsewhere; we are dealing with a most important form of experience and the means for extending and validating experience“, so Shapin, Pump and circumstance. Die Idee der gedruckten Re-Inszenierung von konkreten Akten wurde auch schon in der Zeremonial- und Festforschung diskutiert, vgl. dazu Vec, Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 227ff. (mit weiterer Literatur). Weiterführend dazu auch Cunningham, Virtual witnessing. Das Evelyn-Zitat stammt aus Bray / Evelyn, The diary and correspondence of John Evelyn, 141. Serjeantson, Proof and Persuasion, 170f. Vgl. S. 324f. Shapin / Schaffer, Leviathan and the air-pump, 6.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

257

danach fragt, unter welchen Bedingungen des praktischen Vollzugs Experimente und die Produktion von Tatsachen in einem konkreten historischen Kontext gelingen und misslingen konnten. Shapin versteht und untersucht Experimente somit als performative Akte. Genauso wie Luhmann in Bezug auf das Gerichtsverfahren geht auch Shapin für die Experimentierpraxis nicht davon aus, dass Öffentlichkeit schlicht die Wahrheitsfindung fördert, sondern vielmehr eine Gelingensbedingung für legitime – und das heißt: – sozial akzeptable Fakten war. Es machte einen Unterschied, ob matters of fact bei einem öffentlich zugänglichen, für Zuschauer einsehbaren Experiment im Gresham College oder aber in der verschlossenen Kammer eines Alchemisten hergestellt worden waren.125 Mit der gleichen ethnographischen Brille („playing the stranger“), mit der Shapin auf Experimente blickt, werde ich im Folgenden auch auf Zeugenverhöre in den Prozessen der frühen 1660er Jahren schauen. Mir geht es dabei ebenfalls nicht um die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussagen.126 Ebenso wenig ziele ich, wie die Critical Courtrooms Studies in Bezug auf die forensische Praxis der Gegenwart, auf die Aufdeckung verborgener Machtverhältnisse und struktureller Unfairness.127 Dass die Zeugenverhöre in den Hochverratsprozessen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts alles andere als fair waren, springt unmittelbar ins Auge und kann an dieser Stelle für die weitere Untersuchung vorausgesetzt werden; zur Sprache kommen wird es ohnehin. Mir geht es vielmehr darum, den Zeugenverhören ihre scheinbare Selbstverständlichkeit zu nehmen.128 Im Sinne ethnographischer Annäherung impliziert dies vor allem ‚dichte Beschreibungen‘ des Vollzugs von Zeugenverhören und Beweisverfahren.129 Es geht im Folgenden somit nicht um die (bereits gut erforschte) Ideengeschichte des Beweises130 und auch nicht um seine sozialen bzw. institutionellen Rahmenbedingungen131, sondern um die konkrete Praxis des Beweisens vor Gericht. Damit kehre ich von der wissensgeschichtlichen Kontextualisierung der Gerichtsverfahren im Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution zu deren Praxis selbst zurück.

125 126 127 128 129 130

131

Shapin / Schaffer, Leviathan and the air-pump, 57; Shapin, The house of experiment, 59–88. Was dann etwa, wie bei Schwoerer, The trial of Lord William Russell, 1683, zu einem negativen Urteil über die Verfahren führt. Z. B. Eades, Courtroom talk; Ptacek, Battered women. „Das Offensichtliche zum Problematischen machen“, wie Knorr-Cetina, Die Fabrikation von Erkenntnis, 49 es nennt. Dazu Hirschauer / Amann, Die Befremdung der eigenen Kultur; Knobloch, Fokussierte Ethnographie. Shapiro, The concept „fact“; Shapiro, Testimony; Shapiro, Classical rhetoric and the English law of evidence; Franklin, The Science of Conjecture; Darr, Marks of an Absolute Witch; Whitman, The origins of reasonable doubt; Dolan, True relations; Serjeantson, Testimony and proof in earlymodern England. Shapin, The Man of Science; Schiebinger, Women of Natural Knowledge; Grafton, Libraries and Lecture Halls; Moran, Courts and Academies; Smith, Laboratories.

258

1650–1730: Untersuchungsregime

3. ZEUGENBEFRAGUNGEN ALS TATSACHENERZEUGUNG UND ORDNUNGSMUSTER Wenn man das Indictment als eine Hypothese für das gerichtliche Experiment versteht, dann fungierten die Auftaktreden der Kronanwälte ab 1660 als eine Vorstellung der Versuchsanordnung. Im Fall von Harrison, Scrope und Scot sollte der Hochverrat auf zwei Arten erwiesen werden: Durch den Nachweis ihrer Mitwirkung am High Court of Justice sowie durch ihre Unterschriften auf dem Befehl zur Hinrichtung Karls I. Beide Beweisziele blieben dabei nicht implizit, sondern wurden in den Auftaktreden ausdrücklich und mit der Funktion eines deklarativen Sprechakts als solche genannt: We shall call witness to prove his132 sitting in the Court, sentencing his king, while his king stood a prisoner at the bar; the warrant for execution of the king, directed to certain persons to see execution done accordingly, was under hands and seals, and among those hands and seals, the hand and seal of the prisoner at the bar is one.133

Mit der Definition beider Beweisziele ging eine erhebliche Reduktion von Komplexität einher. Es ging jetzt nicht mehr um das Große und Ganze, um den Bürgerkrieg, die frevelhafte Verurteilung und Gefangennahme des Königs sowie all das Gottlose, das daraus folgte, sondern nur noch um zwei Fragen: ob die fraglichen Personen als Richter im High Court of Justice gesessen hatten, oder nicht, und wie ihre Zustimmung zum Urteil sichtbar und damit persönlich zurechenbar geworden war. Diese Fragen ließen sich dadurch beantworten, dass Zeugen genau dazu Stellung nahmen. George Masterson, ein Baptistenpastor aus Shoreditch, war als erster für diese Rolle vorgesehen. Wie die anderen vier Zeugen hatte er die Anklage mitangehört. Ob sein Aufruf als Zeuge mit einem Platzwechsel verbunden war, lässt sich nicht sagen. Einen baulich als besonderen Ort ausgezeichneten Zeugenstand, wie er sich in Old Bailey um die Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisen lässt, gab es zu dieser Zeit noch nicht. Abgesehen von der Richterbank war der forensische Raum kaum eigens arrangiert, und das hatte bisweilen ein gewisses Durcheinander zur Folge. Eine schlechte Akustik war das Eine. Offenbar standen aber auch Publikum, Angeklagte, Geschworene und Wachleute mehr oder weniger ungeordnet beisammen, so dass von der Richterbank hin und wieder Ermahnungen kamen, Angeklagten und Geschworenen freie Sicht zu lassen: Gentlemen, that are not of the Jury, pray clear the Passage. The Prisoner is here for Life and Death, let him have Liberty to see the Jury.134 Im späten 18. Jahrhundert wurde jeder Zeuge eigens vereidigt. Das damit verbundene Ritual sorgte nicht nur für einen Rollenwechsel vom Anwesenden zum Zeugen, sondern markierte auch jede Zeugenaussage als eigenständige Sequenz. In den Königsmörder-Prozessen wurden die Zeugen zu Beginn der Hauptverhand132 133 134

Gemeint ist in diesem Fall Thomas Scot. 5 ST 1061. 5 ST 1011.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

259

lung hingegen kollektiv vereidigt.135 Als Zeugenbefragung wurde die Situation nur dadurch definiert, dass an Masterson eine Frage gerichtet wurde: Mr. Masterson, whether did the Prisoner136 at the Bar sit in what they called the High Court of Justice, to Sentence the King, or no? Masterson antwortete demonstrativ ergeben, wobei er eingangs an seine Vereidigung erinnerte und damit die Vertrauenswürdigkeit seiner Aussage unterstrich: Upon the Oath I have taken (my Lords, and Gentlemen of the Jury), I saw the Prisoner, Tho[mas] Harrison, sit in that which they called the High Court of Justice, upon the 27th Day of January, in the Year 1648, to Sentence the King. Der Kronanwalt fragte weiter: War dies der Tag, an dem das Urteil gefällt wurde? It was the day of the Sentence. Wie habe Harrison seine Zustimmung zum Urteil (Assenting to the Sentence) zum Ausdruck gebracht? I saw the Prisoner at the Bar, together with others, stand up, to my Apprehension, as assenting to it. Gab es nicht die Anweisung, dass alle aufstehen sollten? I do not know that; but when the Sentence was read several of them did stand up, and he among the rest, as assenting to the Sentence, as the spectators understood.137 Ohne Übergang wurde als nächster Zeuge William Clarke angehört. Clarke war die rechte Hand von General Monck und damit einer der Protagonisten des gewaltlosen Übergangs von der Republik zur restaurierten Monarchie. Clarke hatte dem Prozess gegen Karl I. als Sekretär des Militärrats angehört und darüber zum Teil Protokoll geführt. Daher galt er als besonders wichtiger Zeuge, der allerdings nur das bestätigte, was Masterson bereits gesagt hatte: Harrison habe unter den Richtern gesessen und sei aus offenbar freien Stücken aufgestanden, um seine Zustimmung zum Urteil auszudrücken. Die vermutlich voreinstudierten Antworten blieben auch im Folgenden und bei den weiteren Zeugen kurz und präzise, auch deswegen, weil diese das jeweils Gefragte lediglich bejahend oder verneinend wiederholten. Performative Dimensionen der Tatsachenherstellung Solcherart geführte Zeugenbefragungen lassen sich nun als eine soziale Handlungssequenz beschreiben, die unter bestimmten Umständen dazu führen konnte, aus den Aussageinformationen als wahr geltendes Wissen, also Fakten, herzustellen. Auf einer Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung stand dieser Herstellungsprozess unter den Bedingungen von Gelingen oder Misslingen: Es geht somit auch für den Historiker nicht darum zu klären, ob die Zeugen die Wahrheit sagten oder nicht, sondern darum, warum ihre Aussagen unter Umständen einen Status gewinnen konnten, den die Beteiligten als Tatsache (matter of fact) erachteten. Eine zentrale Gelingensbedingung für die Faktenerzeugung war das Medium der Frage. Weder die Kronanwälte noch die Angeklagten konnten, wie unter dem rhetorischen Regime, Sachverhalte einfach behaupten (oder zurückweisen). Beide 135 136 137

Whereupon George Masterson, Stephen Kirk, Francis Hearn, William Clark, Robert Coytmore, and James Nutley, were called, and sworn, 5 ST 1017. Gemeint war hier Thomas Harrison. 5 ST 1018.

260

1650–1730: Untersuchungsregime

Seiten waren vielmehr darauf verwiesen, Sachverhalte durch ein Frage-AntwortSpiel sukzessiv zu erzeugen. Die forensische Faktenproduktion wurde damit als Dialog angelegt. Indem Befragungsdialoge den Ablauf eines Verfahrens dominierten, traten konstative Beiträge in den Hintergrund. Sie besaßen, wie gesagt, zwar den Status als Hypothese oder als Konklusion, aber nur auf der Grundlage einer anderweitig, nicht monologisch aufgebauten Faktenlage. Gerichtsrede und Befragung wurden als forensische Diskurstypen voneinander getrennt. Durch das Medium der Frage trat der Common Law-Gerichtsprozess als ein empirisches Verfahren der kooperativen (also auf verschiedene Akteure verteilten) Informationsgewinnung in Erscheinung.138 Als beherrschende Sprachform hatte die Frage aber auch noch einen weiteren Effekt: Erst indem vor Gericht vornehmlich gefragt wurde, löste das Untersuchungsregime das rhetorische Regime tatsächlich ab, wurde es üblich, erwartbar und ‚normal‘, dass vor Gericht legitimes Wissen nur durch Fragen zutage gefördert werden konnte.139 Eine zentrale Bedingung des Gelingens der Transformation von Aussagen in Tatsachen bestand daher in der Vereidigung des Zeugen, die aber zu dieser Zeit noch nicht durchgehend als ritueller Akt gestaltet war. Daher thematisierten die vereidigten Zeugen ihre besondere Glaubwürdigkeit immer wieder selbst (upon the Oath that I have taken).140 Eine weitere Gelingensbedingung war Redundanz, also die Wiederholung der inhaltlich bekannten Aussage durch weitere Zeugen, die dann, wenn sie mit der ersten identisch war, deren Wahrheit verbürgte.141 Zum Prozess der Herstellung von Fakten durch Zeugenaussagen gehörten desweiteren die Beweiszieldefinitionen durch einen performativen Sprechakt: My Lords, we will prove that this Prisoner at the Bar was one of them that took upon him the conducting the trial of the King.142 Der definitorische Sprechakt diente hier vor allem zur Disambiguierung und Formalisierung der Kommunikation.143 Als performativer Akt stellte sich auch der Ablauf einer Zeugenbefragung selbst dar: Wenn es zur Tatsache werden sollte, dass Harrison im High Court of Justice gesessen hatte und somit im Sinne der Anklage des Hochverrats schuldig 138

139 140

141

142 143

Zu den empirischen Verfahren als frühneuzeitlicher Herrschaftstechnik, bei der es auch darauf ankam, den Herrscher als wohl informiert zu inszenieren, vgl. Brendecke, Imperium und Empirie, 73–86. „Mit der Untersuchung nahm die souveräne Macht das Recht in Anspruch, das Wahre mittels gewisser geregelter Techniken zu ermitteln“, so Foucault, Überwachen und Strafen, 289. Die durchaus eingehende Erforschung der frühneuzeitlichen englischen Kultur des Eides war bisher für diese performativen Dimensionen blind, vgl. etwa aus der jüngeren Forschung Jones, Conscience and allegiance; Condren, Argument and authority; Spurr, A profane history; Shapiro, Oaths, credibility and the legal process in early modern England. Die „Zwei-Zeugen-Regel“ wurde bekanntlich schon in der mittelalterlichen Kanonistik definiert und von den englischen Juristen übernommen. Sie war ein zentrales Element in allen Hochverratsgesetzen seit Maria Tudor, dazu Hill, The Two-Witness Rule; zu ihrem Status als einer allgemeinen Klugheitsregel im 17. Jahrhundert vgl. Shapin, A social history of truth, 213ff.; zur Übernahme von nicht situativ hergestelltem Wissen in Verfahren vgl. Scheffer, Die trans-sequentielle Analyse und ihre formativen Objekte. 5 ST  1020; zu solchen performativen Akten der Gerichtssprache aus linguistischer Sicht Danet, Language in the legal process. Kryk-Kastovsky, Speech acts, 443f.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

261

war, dann musste dies durch einen Zeugen, hier Stephen Kirk, bei der Befragung so gesagt werden: Counsel:

Mr. Kirk, you hear the question. Did you see the prisoner at the bar in Westminster hall, sitting upon the bench in that which they called the High Court of Justice, when the King stood prisoner at the bar there?

Kirk:

My lord, I did see the prisoner at the bar sit several days in that which they called the High Court of Justice. I was there every day of their sitting.144

Wenn es wiederum zur Tatsache werden sollte, dass sich Harrison oder Thomas Scot (aus dessen Prozess das folgenden Beispiel stammt) als Richter des High Court von ihren Plätzen erhoben hatten, als ob sie mit dieser Geste dem Urteil persönlich zustimmten, dann musste dies durch einen Zeugen, hier William Clarke, ebenfalls so gesagt und (wie bei den meisten anderen Aussagen auch) durch einen zweiten Zeugen bestätigt werden: Counsel:

Did he stand up as assenting to the sentence?

Mr. Clark:

They all stood up, to my apprehension, I know not particularly whether the prisoner at the bar did.

[…] Counsel:

Whereas these gentlemen (Mr. Masterson and Mr. Clark) have declared, that, as assenting to the Sentence, they all stood up; did you see them stand? and whether by direction, or no?

Mr. Kirk:

As for the direction, I know nothing of it; but the members then present in the Court, (after Sentence was read) as far as my eyes could perceive, stood up unanimously, I suppose, as assenting to the Sentence.145

Ganz ähnlich wie die Naturphilosophen der Royal Society in ihren Experimentalberichten darauf achteten, apodiktische Formulierungen zu vermeiden und stattdessen, wie Boyle zugab, ganz bewusst immer wieder Wendungen wie perhaps, it seems, it is not improbable einstreuten  – Shapin nennt dies die demonstrative „modesty of experimental narrative“146, so war es der Glaubwürdigkeit der Zeugen durchaus nicht abträglich, wenn sie Unwissenheit, Erinnerungslücken oder die Grenzen ihrer eigenen Wahrnehmung thematisieren wie hier der Zeuge Kirk.147 144 145 146 147

5 ST 1018. 5 ST 1062. Shapin / Schaffer, Leviathan and the air-pump, 65. Dieser Umstand läßt sich auch in der modernen Prozesspraxis beobachten, vgl. Wolff /  Müller, Kompetente Skepsis, 106ff.

262

1650–1730: Untersuchungsregime

Doch nicht allein der (z. T. bereits bekannte) Inhalt, sondern ebenso die Formung bzw. Rahmung der Aussage – durch die dafür rituell in den Stand (Vereidigung) gesetzte Person, in der gerichtlichen Öffentlichkeit, zum vorgesehenen verfahrensinternen Zeitpunkt, auf Nachfrage usf. – war für die Tatsachenproduktion entscheidend.148 Man darf die Beobachtung des Verfahrens also nicht, wie das in den konversationsanalytischen Courtroom Studies in der Regel gemacht wird, auf seinen Text reduzieren.149 Es ging bei der Zeugenbefragung als einer Form der Tatsachenproduktion nicht nur um Worte, sondern – genauso wie beim naturphilosophischen Experiment – auch darum, dass es sich dabei um einen hörbaren und sichtbaren, lozierten und verkörperten Vorgang handelte, der ein „symbolischidentifizierendes Miterleben“ möglich machte.150 Abgesehen von diesen buchstäblichen „Rahmen-Bedingungen“ im Sinne von Erving Goffman hing das Gelingen von Tatsachenbehauptungen ferner davon ab, ob diese auch in Zweifelsfällen oder bei Widerspruch durchgesetzt werden konnten. Das lässt sich am Beispiel des Prozesses gegen Adrian Scrope zeigen, der genau wie Harrison ein Richter des High Court gewesen war. Scrope gab von Anfang an zu, auf der Richterbank gesessen zu haben. Er hielt diesen Umstand mit Blick auf den vorausgegangenen Prozess gegen Harrison bereits für eine erwiesene Tatsache, die er nicht abstreiten wollte. Scrope orientierte sich also an den mit verfahrenseigenen Mitteln bereits erzeugten Wahrheitsbeständen: Scrope:

My lords, you may desist in examining witnesses touching my sitting.

Court:

Do you acknowledge you did sit in that which they called the High Court of Justice?

Scrope:

Yes, I see it proved, and I see a gentleman here in my eyes that I know very well. I will not deny it.151

Allerdings wollte Scrope nicht zugeben, dass er aufgestanden sei, was die Kronanwälte als Zeichen der Zustimmung zum Urteil werteten. Anders als das kontinentale Inquisitionsverfahren war der englische Prozess nicht darauf angelegt, den Angeklagten zu Geständnissen zu bringen. Man konnte auch über unsicheres Wissen entscheiden. Scropes Weigerung, sein Aufstehen einzugestehen, wurde daher nicht als Problem behandelt. Sein Geständnis wurde als möglicher, aber nicht zwingender Beitrag gewertet, denn mit dem Zeugenbeweis hatte man ein funktionales Äquivalent, dass auch viel besser zur traditionellen Selbstbeschreibung des englischen Gerichtsprozesses als eines nicht-inquisitorischen Verfahrens passte. 148 149 150 151

Zur forensischen Tatsachenproduktion aus soziolinguistischer Sicht vgl. Heffer, The language of jury trial, 93. Vgl. Scheffer, Jenseits der Konversation. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 230. Für die Bedeutung sichtbarer Performanz beim Experiment vgl. dazu Shapin / Schaffer, Leviathan and the air-pump. 5 ST 1038.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

263

Wenn er das Aufstehen nicht zugebe, so der folgende Sprechakt des Kronanwalts, dann werden man eben beweisen, dass er dies getan habe: Court:

Did you sit upon the Sentence day, that is the evidence, which was the 27th of January? You are not bound to answer me, but if you will not, we must prove it. Do you confess that?

Scrope:

I do not confess that I stood up as assenting to the Sentence.

Mr. Clark called. Counsel:

Mr. Clark, what say you to that?

Clark:

I did not take particular notice of him that day, that he stood up; but the whole Court stood up, to my apprehension, but I took notice that he was there then present.

Counsel:

Mr. Clark, do you remember that you saw any of them sit?

Clark:

I did not take notice of any that sate then, but all stood up, to my thoughts.152

Auch in diesem Fall wurde nach dem Zeugen Clark noch ein weiterer Zeuge gehört. Sir Robert Carr war ein königstreuer Offizier, der den Prozess gegen den König mitangesehen und den Namen von Scrope einem damals erworbenen Pamphlet entnommen hatte, das er nun auch beim Königsmörder-Prozess dabei hatte und auf das er während seiner Aussage einen Blick warf: Counsel:

Mr. Carr, Tell my lords and the jury whether you did see the prisoner at the bar sitting in that which they called the High Court of Justice.

Carr:

My lords, and gentlemen of the jury, the 22d, 23d, and 27th of January 1649 I was present when the names of that they called the High Court of Justice were called, and amongst others that were judges of that Court, as was printed in a Paper, which I then had in my hand, I found the name of Mr. A. Scrope, who I saw did there sit and appear. [Mr. Carr looked in that paper when he gave his evidence.]153

Scrope, der selbst Jurist war, zweifelte nun an, dass der Rekurs auf das Dokument zulässig und ein Beweis erbracht worden sei: I hope you will not take any evidence from a printed list. Zwar war es für den Solicitor General Finch angeblich das Normalste von der Welt, dass Zeugen schriftliche Aufzeichnungen als Gedächtnisstütze nutzen (nothing is more usual than for a witness to make use of a paper to help his memory) – und die Nutzung von Aufzeichnungen sollte in der Folgezeit auch tat152 153

5 ST 1039. Ebd.

264

1650–1730: Untersuchungsregime

sächlich unter bestimmten Umständen zulässig werden. In der aktuellen Situation aber schien Scropes Einwand das Gelingen des Beweises tatsächlich zu behindern, zumindest nahm Finch den Einwand des Angeklagten (no witness ought to use any paper, or look upon any paper when he gives evidence) zum Anlass dafür, die Befragung zu wiederholen, und zwar diesmal ohne die Nutzung des Dokuments: Counsel:

Ask him the question without his paper […] We do not need his paper in this case, he will tell it without a paper; Mr. Carr, speak without a paper.

Carr:

My lords, upon the calling of those that were Judges in that court which they called the High Court of Justice then sitting, this gentleman the prisoner at the bar did answer to his name then called.154

Erst jetzt, als der Zeuge seine Aussage nur viva voce without a paper gemacht hatte, wie einer der Richter feststellte, waren die Gelingensbedingungen erfüllt worden. Dass Scrope auf der Richterbank gesessen hatte und damit im Sinne der Anklage ein Hochverräter war, war nun ein Fakt geworden. Ob er aufgestanden war oder nicht, spielte dafür keine Rolle. Zumindest verzichtete der Angeklagte darauf, diese Beweislücke offensiv zu thematisieren. Damit deutete sich schon an diesem Punkt an, was für das trial by jury auch noch in der Moderne gilt: Es war und ist stets die Aufgabe der jeweiligen Gegenseite, die Wahrheitspraktiken des Gegners zurückzuweisen, der Richter war dazu nicht von Amts wegen verpflichtet. Insofern konnten auch lückenhafte Beweise – denn ob Scrope aufgestanden war, blieb ungewiss – Tatsachen erzeugen, wenn dem nicht widersprochen wurde. Dass schriftliche Beweise im trial by jury nicht einfach für sich schon als Fakten taugten, sondern erst noch mit verfahrenseigenen Mitteln, durch performative Akte, dazu gemacht werden mussten, zeigte sich wiederum im Prozess gegen Harrison. Seine Unterschriften auf den two bloody warrants for trial, and for execution of his Majesty, also der Hinrichtungsbefehl, sollten ebenso als overt act des Hochverrats gelten wie seine aktive Mitwirkung auf der Richterbank. Bevor die beiden Urkunden (warrant) aber als Beweise vorgezeigt und vorgelesen werden konnten, mussten sie erst Stück für Stück in ‚beweiskräftiges‘ Material transformiert werden. Das begann einmal mehr mit einem zieldefinierenden Sprechakt: Mr. Windham: My lords, we shall now produce to you two Instruments which were made, the one for convening and summoning the assembling of that which they called the High-Court of Justice, and shew this prisoner’s hand and seal to that; and then shew you likewise that which was the consummating of all, that Bloody Warrant for execution of his late majesty of blessed memory, with the hand and seal of the prisoner at the bar unto it amongst others.155

154 155

5 ST 1039. 5 ST 1020.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

265

Der erste Schritt bei diesem Transformationsprozess bestand in der Authentifizierung der beiden Urkunden als echt, und dazu legten die Kronanwälte Rechenschaft darüber ab, wie sie an die Schriftstücke gelangt waren. Auch diese erste Beweiszieletappe wurde als solche explizit definiert: Solicitor: My lords, it will be fit before this to give you an account how he came by these Instruments.156

Dazu wurde ein William Jessop zum Zeugen berufen und um eine Autopsie gebeten. Jessop, ein ehemaliger Parlamentssekretär, waren 1649 die Akten des Prozesses gegen Karl I. zur Archivierung übergeben worden. Genau dieser Umstand ließ sich nun für eine Zeugenaussage nutzen, um die vorliegenden Urkunden in Tatsachen umzuwandeln: Counsel:

Shew to Mr. Jessop the Warrant for summoning that Court.

Solicitor:

Mr. Jessop, pray tell my lords and the Jury how you came by that instrument you have in your hand.

Mr. Jessop:

May it please your lordships, I having the honour to attend the house of commons, the house was pleased to make an Order that Mr. Scobell should deliver into my hands all such books and records, papers, and other things, as did belong to the house of commons; and in pursuance to that order I did receive amongst other things this instrument, as a thing that had been formerly in his hands, as clerk of the house of commons.

Damit konnten zwar die lückenlose Überlieferung und die Echtheit der Urkunden als bewiesen gelten, nicht aber die Frage, ob die Unterschriften darauf auch wirklich von Harrison stammten. Zum Nachweis dessen war wiederum ein Zeuge nötig, der die Handschrift des Angeklagten kannte. Dazu wurde erneut Stephen Kirk gehört, der auf die Frage: Mr. Kirk, have you seen the hand-writing of the prisoner at any time? antwortete: I have very often seen it, and am well acquainted with it; and so far as it is possible a man can testify touching the hand of another person I do verily believe this to be his hand.157 Es galt aber noch weitere Lücken zu schließen, bevor die Unterschrift von Harrison als erwiesen galt. Denn zu den Gelingensbedingungen der forensischen Tatsachenproduktion gehörte schließlich auch, dass die Aussagen nicht nur für die Kronanwälte plausibel klingen mussten, sondern auch für Geschworene und Zuschauer. Die Kronanwälte hielten es jedenfalls für nötig, Kirk erklären zu lassen, warum er denn überhaupt Harrisons Handschrift kannte, denn das war auch nicht einfach selbstverständlich: How came you to be acquainted with his hand? Auch darauf hatte der Zeuge eine Antwort: As he was a member of the House of Commons, and my employment having relation thereto, I have seen him set his hand several times.158 156 157 158

5 ST 1021. Ebd. Ebd.

266

1650–1730: Untersuchungsregime

Allerdings war durch die Aussage dieses Zeugen der angekündigte Beweis (we shall shew that instrument was made under the hand and seal of the prisoner at the bar) immer noch nicht erbracht worden. Kirk hatte nur sagen können: I do verily believe this to be his hand und es war daher immer noch zweifelhaft und eben nicht gewiss, ob es sich wirklich um Harrisons Unterschrift handelte. Ein weiterer Zeuge namens Farrington konnte diese Zweifel aber auch nicht beseitigen: Counsel:

Do you believe that this is the hand-writing of the prisoner at the bar? (The Instrument being shewed him.)

Farrington:

I did not see him write it, my lords, but I believe it to be his, for I have often seen his hand-writing. It is his hand, so far as possibly a man can know any person’s hand that did not see him write.159

Strafverteidiger in den Hochverratsprozessen des 18. und 19. Jahrhunderts hätten in vergleichbaren Fällen alles getan, um diese Zweifel im Raum stehen zu lassen. Sie hätten die Geschworenen vor ihrer Entscheidungsfindung daran erinnert, dass über die Echtheit der Unterschrift keine Gewissheit herrsche. Auf eine solche Taktik aber wollte Harrison nicht ausweichen – falls ihm dies überhaupt in den Sinn gekommen sein sollte. Stattdessen verlangte er, die Dokumente zu sehen, und erklärte anschließend: I believe it is my own Hand.160 Auch Harrison war sich also nicht wirklich sicher, aber für das Gelingen der Beweisführung hielt der Kronanwalt die Einschätzung durch den Angeklagten für hinreichend: If you think it, the Jury will not doubt it.161 Die bloody warrants sowie Harrisons Unterschrift waren nun zu gerichtlich verwertbaren Tatsachen umgewandelt worden. Als solche konnten sie von nun an behandelt und öffentlich vorgezeigt werden. Ihr Inhalt konnte nun verlesen und als Beweis gegen Harrison verwendet werden. Als das geschehen war, erklärte Kronanwalt Windham die Beweisführung der Anklage für beendet.162 Zuletzt folgte die Zusammenfassung der Beweislage durch die Vertreter der Anklage. Besser gesagt: Die zuvor Stück für Stück erzeugten Tatsachen wurden nun wie eine Sammlung präsentiert, namentlich für die Geschworenen, aber natürlich auch für alle anderen bei Gericht Anwesenden. Zunächst ging es um die Auslegung des Rechts: Hochverrat habe nothing of killing the King there, but of imagining 159 160 161 162

5 ST 1021. Ebd. 5 ST 1022. Die Durchführung von Zeugenverhören und die damit verbundenen Vorstellungen von Tatsachengewinnung waren 1660 natürlich nicht vollkommen neu. Schon von Smith wurde die Befragung von Zeugen angedeutet (or who can give any indices or tokens which we call in our language evidence against the malefactor), aber immer nur als eine Option unter anderen. Auch in der Praxis der Strafverfahren vor der Restauration – und wir kennen hier nur die Hochverratsprozesse, über die Verhandlungen gewöhnlicher Delinquenz ist fast nichts überliefert – zeigte sich die Dominanz von Streitgesprächen zwischen Angeklagten und Anklägern. Das Wissen um die Durchführung von Zeugenbefragungen stammt aus den Zivilprozessen, die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts rapide zugenommen und damit auch zu einem Professionalisierungsschub bei den Juristen geführt hatten. Allerdings sind auch diese Prozesse nur summarisch überliefert, so dass über die konkrete Verfahrenspraxis nichts bekannt ist, allg. dazu Brooks, Pettyfoggers.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

267

and compassing the death of the King. The going about it, that’s the Treason. Die Planung allein, the going about it, that’s the Treason […] the rest are but overt-acts. If there be such an imagination or compassing the death of the King once declared, though no fruit at all follow, it is Treason.163 Für solche Planungen (imagination) des Königsmords habe man umfassende Beweise vorgelegt (you have a very full evidence given). Schon die Anklage des Königs vor dem High Court an sich, selbst dann, wenn Karl I. freigesprochen worden wäre, sei Hochverrat: Assuming a power to put the King to death is an overt-act declaring such an imagination. Allerdings habe man noch viel klarere Beweise gegen den Angeklagten zusammengetragen: You see this prisoner was no ordinary actor in it; his hand is in at all games. […] He sat many times, as you hear, and sentenced him, and assented to that sentence by standing up, and likewise by concluding the catastrophe of that sad beginning of sufferings, his making a Warrant for his execution; and accordingly you know what did follow: I think a clearer evidence of a fact can never be given than is for these things.164

An diese Stelle wurde es im Publikum laut: Here the Spectators Humm’d, was der vorsitzende Richter Bridgeman energisch rügte. Man sei hier vor Gericht, nicht im Theater: Gentlemen, this humming is not at all becoming the gravity of this Court. Let there be free speaking by the Prisoner and Counsel. It is more fitting for a stage-play than for a Court of Justice.165

Seit der englischen Renaissance-Dichtung stand humming, also das Summen der Bienen, metaphorisch für „the mode of expressing approbation in a public meeting“.166 Es handelte sich bei den Verlautbarungen aus dem Publikum also um Zeichen der Zustimmung, die sicher nicht zufällig die Behauptungen des Kronanwalts über die glasklaren Beweise quittierten und damit signalisierten, dass das Beweisexperiment auch aus Zuschauersicht geglückt war – was selbst dann bemerkenswert ist, wenn man die ohnehin große Abneigung der Zuschauer gegenüber Harrison in Rücksicht stellt. Dass Richter Bridgeman dies trotzdem nicht dulden wollte, zeigt sein Bemühen um die Wahrung der Form: Die Entscheidungsfindung sollte nicht auf Akklamation beruhen, sondern auf der zwingenden Gewissheit der vorgeführten Beweise. Zum Ende des Prozesses sprach Bridgeman zu den Geschworenen, unmittelbar bevor diese über ihr Verdikt berieten. Auch diese conclusion lässt sich als distinkte Sequenz zuerst bei den Königsmörder-Prozessen beobachten. Im Fall von Lilburne hatte dieser noch selbst das letzte Wort gehabt – und er schloss mit einer Art politischem Gebet. Nun trat der Richter mit einer Art Entscheidungsempfehlung hervor, die auf einer öffentlich vorgetragenen Abwägung der eingebrachten Bewei163 164 165 166

5 ST 1023. 5 ST 1024. Ebd. Richardson, A new dictionary, 1023; Harbaugh, Some chapters on Humbug, 34.

268

1650–1730: Untersuchungsregime

se beruhte. Auch der Richter konnte sich dabei aus der vorliegenden Sammlung von Tatsachen bedienen. Wie der Kronanwalt rekapitulierte Bridgeman zunächst die Rechtslage, wonach das consulting, proposing, sitting, or setencing der Richter des High Court Hochverrat im Sinne von Imagining the Death of the King sei und befand dann: there is a full Proof for all […]. You have heard what the witnesses have said, and the prisoner’s own confession. Witnesses have sworn their sitting together; and that he was one: one swears he sat four times, another twice; some several times. There are several witnesses for this, as Mr. Masterson, Mr. Clark, Mr. Kirk, and Mr. Nutley. And then you have another thing too […] as appears by his own hand to the warrant for summoning of that traitorous assembly, the High Court of Justice, as they called it. And also it appears by his hand to the warrant for execution; that Bloody Warrant.167

Für Bridgeman hatte sich durch die Beweislage ein Höchstmaß an Gewissheit aufgebaut, so dass die Entscheidung der Geschworenen für ihn nur noch eine Formalie war: The Evidence is so clear and pregnant as nothing more. I think you need not go out.168 Tatsächlich blieben die Juroren im Raum, steckten nur kurz ihre Köpfe zusammen und befanden Harrison dann für schuldig. Auf den sonst obligatorischen und performativ wichtigen Rückzug konnte hier verzichtet werden, insofern das Verdikt nicht als Entscheidung, sondern als Ableitung aus erdrückenden Beweisen inszeniert werden sollte – und konnte. Das war aber nicht in allen Fällen so möglich. Strukturierung des Verfahrens durch Zeugenverhöre Die dominierende Präsenz von Zeugen und Zeugenbefragungen hatte allerdings nicht nur Auswirkungen auf die forensische Wissenskultur, auf die Aufwertung unsicheren Wissens bzw. der Ermöglichung eines Entscheidens unter Unsicherheit. Auch die Konversations- und Interaktionsstruktur der Prozesse wurde durch Zeugenbefragungen nachhaltig verändert. Indem es den Verfahrensveranstaltern gelang, diese gegenüber spontanem Redebedarf des Angeklagten durchzusetzen, gewann ein Verfahren immer mehr an Struktur und innerer Gliederung, die wiederum gegenüber dem Angeklagten als zu befolgende Form geltend gemacht werden konnte. Dadurch ging der agonale Charakter von Gerichtsprozessen durchaus nicht verloren. Aber an die Stelle der einigermaßen freien Konkurrenz von Sprechhandlungen, die nicht selten in Streitgesprächen zwischen dem Angeklagten und den Anklägern gemündet hatten, traten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts rudimentäre Ansätze eines „erlaubten Konflikts“.

167 168

5 ST 1033. Ebd.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

269

Damit ist gemeint, dass Konflikthandlungen in Verfahren  – das Zurückweisen, Abstreiten, Negieren oder Relativieren bestimmter Aussagen – nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und auch dann nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen sind.169 Die Institution des „erlaubten Konflikts“ bewahrt den gerichtlichen Interaktionsprozess davor, mit einem Konflikt identisch zu werden – eine Möglichkeit, die bei Interaktionssystemen stets gegeben ist: „Interaktionssysteme können offene Konflikte schlecht nebenherlaufen lassen, dazu sind sie nicht komplex genug. Sie haben nur die Wahl, Konflikte zu vermeiden oder Konflikte zu sein“.170 Der Lilburne-Prozess war ein Beispiel dafür, wie die Interaktion fast vollständig von einem unerlaubten Streit absorbiert wurde.171 Die Gerichtsprozesse wurden zwar schon im 16. Jahrhundert von einer gewissen Gliederung durchzogen, vor allem bei den rituellen Auftaktsequenzen. Wichtig wurde die Konfliktregulierung aber vor allem bei der Hauptverhandlung. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete die Institutionalisierung von Zeugenverhören. Beispiele für die strukturierenden Effekte von Zeugenverhören finden sich stellenweise schon in den Königsmörder-Prozessen. Wenn es aber auch darum gehen soll zu zeigen, wie sich Konflikte nicht nur auf bestimmte Sequenzen begrenzen ließen, sondern auch, wie sie durchgeführt wurden, wird weiteres Anschauungsmaterial nötig. Dies bietet der Prozess gegen die Verschwörer um Thomas Tonge am 11. Dezember 1662. Nur kurze Hinweise zum Kontext müssen genügen. Die schon von den Zeitgenossen so genannte Tonge-Verschwörung gehörte zu einer Serie von Konspirationen und Widerstandsaktionen, mit denen die Anhänger der alten Ordnung – Republikaner, Puritaner und andere Profiteure der Cromwell-Diktatur – die Restauration der Monarchie zu unterminieren versuchten.172 Anfang Oktober 1662 suchte ein John Baker, ehemals Offizier von Cromwells Leibgarde, nach Gleichgesinnten im puritanisch-nonkonformen Untergrund Londons, und er musste nicht lange suchen: Nicht nur in London, sondern auch aus zahlreichen anderen nonkonformen Gemeinden Englands (man stand untereinander in regem Kontakt), meldeten sich Quäker, Quintomonarchisten, Baptisten oder Presbyterianer, die bereit waren gegen die Tyranny of an Outlandish Dog – gemeint war Karl II. – und gegen that Antichristian thing called Monarchy vorzugehen.173 Wie so häufig bei Verschwörungen gab es aber auch hier Verräter an der eigenen Sache. William Hill, John Bradley und Edward Riggs, die schon unter Cromwell gespitzelt hatten, berichteten der Obrigkeit über die Vorgänge im NonkonformistenMilieu.174 Doch noch wollte man nicht gegen die Verschwörer losschlagen. Hill, Bradley und Riggs wurde vielmehr Straffreiheit zugesichert, wenn sie zunächst als Lockspitzel agierten, geflissentlich über das Vorgehen der Verschwörer berichteten 169 170 171 172 173 174

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 100ff. Luhmann, Interaktion, Organisation, Gesellschaft, 17. „Wenn der Konflikt ein Parasit ist, der zur Vertilgung seines Gastgebers neigt, dann ist die Interaktion ein gefundenes Fressen“, Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 282. Dazu allg. Engehausen, Von der Revolution zur Restauration. Zit. nach Greaves, Deliver us from evil, 114. Es wurden noch weitere Spione auf die Verschwörung angesetzt, vgl. Marshall, Intelligence, 142ff.

270

1650–1730: Untersuchungsregime

und später vor Gericht als Kronzeugen auftraten. Es ging Staatssekretär William Morice darum, zunächst einmal genauere Aufschlüsse über die anti-monarchische Stimmung im Lande zu bekommen und vor allem an die Namen der Drahtzieher zu gelangen. Die Spitzel berichteten in den folgenden Wochen von wiederholten Treffen im Hause des Londoner Schnaps- und Tabakhändlers Thomas Tonge, an dem sie selbst und einige andere Verschwörer teilgenommen hatten. Dabei waren konkrete Planungen über einen bewaffneten Aufstand vorgenommen und mit nonkonformen Gemeinden in den englischen Grafschaften koordiniert worden. In Dorset, Kent und Devon, aber auch in Nottingham, Leicstershire und Mansfield standen angeblich mehrere Zehntausend Männer mit Waffen und Pferden bereit. Um aber auch die weniger radikalen Engländer zu den Waffen greifen zu lassen, sollte das Gerücht über eine papistische Verschwörung und angebliche Massaker an den Protestanten in die Welt gesetzt werden. Den ‚Papisten‘ wollte man dann auch in die Schuhe schieben, was Tonge und seine Mitverschwörer selbst vorhatten: in Windsor Castle einzudringen und dem König und seiner Familie die Hälse durchzuschneiden. Die Planungen zogen sich allerdings in die Länge. Ende November hatte der Staatssekretär genug gehört, Tonge und seine Mitverschwörer wurden verhaftet. Ein weiterer Kopf der Verschwörung, John Baker, konnte fliehen.175 Vor Gericht standen neben Tonge George Phillips, Francis Stubbs, James Hind, John Sellers und Nathaniel Gibbs. Der Prozess begann mit einem auffällig knapp gehaltenen Indictment und Angeklagten, die ohne weiteres die Hand hochhielten und sich für not guilty bekannten. Sir Edward Turner, 1660 zum Kronanwalt berufen und seitdem mit aller Härte gegen die Anhänger der Republik zu Felde gezogen, eröffnete die Anklage mit einer recht schematisch gehaltenen Rede, die im Wesentlichen das Indictment wiederholte, das der Clerk gerade erst noch bei der Geschworenenbelehrung zum zweiten Mal vorgelesen hatte. Das erste Mal war es beim Pleading zur Verlautbarung gekommen. Die dreifache Wiederholung der Anklage führte nicht zur Vermehrung von Informationen, sondern diente zur Verdichtung der sozialen Situation. Allerdings brachte Kronanwalt Turner am Ende seiner kurzen Ansprachen eine entscheidende Wendung ins Spiel. Der Clerk hatte die Geschworenen noch in traditioneller Weise in ihre Pflichten eingewiesen: Es sei ihre Aufgabe zu ermitteln, ob die Angeklagten Hochverräter seien oder nicht.176 Diese überkommene Formulierung rekurrierte auf die alte Rolle der Geschworenen als Zeugen und Urteiler zugleich. Turner präzisierte allerdings, dass das Beweisen und Bezeugen die Sache der Anklage sei, die Geschworenen hätten daraus nur die entsprechende Schlussfolgerung zu ziehen: if we prove them guilty, you must find them so.177 An dieser Stelle übernahm der Kronanwalt Sir John Maynard die Rolle des Redners, der Ge175 176

177

Greaves, Deliver us from evil, 109–124. Your charge is to enquire whether they be guilty of the High Treason in manner and form, as they stand indicted, or Not Guilty; if you find that they, or any of them are guilty, you shall inquire what goods and chattels, lands and tenements, they or any of them had at the time of committing the said treasons, 6 ST 231. 6 ST 231.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

271

schworenen und Publikum die Anklagepunkte bildreich vor Augen zu führen versuchte, dabei aber gleichzeitig versicherte, dass die Schilderung der Einzelheiten der Verschwörung noch nicht deren Beweis darstelle: I shall open the particulars of that evidence, that we conceive will be made good by the oaths of Witnesses to be produced to you.178 Was sich schon bei den Königsmörder-Prozessen angedeutet hatte, wurde in diesem Prozess besonders deutlich: Die Kronanwälte betrachteten ihre Auftaktrede ausdrücklich nicht als Beitrag zur Faktenermittlung oder gar, wie in den Prozessen des späten 16. Jahrhunderts, als Beweismittel, sondern stellten damit gleichsam nur die Versuchsanordnung für das erst noch durchzuführende Experiment vor. Ihre Rede war daher auch eine Situationsdefinition: Sie bestanden darauf, mit ihren Sprechhandlungen lediglich einen Ausblick auf die Beweislage zu geben, aber noch nicht darauf, zur Sache selbst zu sprechen – was faktisch natürlich doch der Fall war. Als aber einer der Angeklagten, Francis Stubbs, den Ausblick auf das, was die Zeugen zu den Gesprächen der Verschwörer sagen würden, nicht mehr aushielt und mitten in Maynards Rede hineinrief: I never opened my Mouth to that purpose, antwortete ihm der Kronanwalt: That will be left to proof: I undertake not of myself to prove this, but to open it, let the witnesses speak.179 Während in den älteren Prozessen ein solcher Einwand typischerweise einen Disput zwischen Ankläger und Angeklagtem initiiert hatte, es also sofort um die Sache ging, wurde der Einwand hier dadurch neutralisiert, dass er als vorzeitig und an die falsche Person adressiert dargestellt wurde. Stubbs Negation bezog sich auf etwas, was im Sinne des Verfahrens noch gar nicht als Tatsache behauptet worden war. Und die Behauptung wurde auch nicht vom Kronanwalt aufgestellt, sondern von einem Zeugen. Erst wenn dieser ausgesagt hatte, machte eine Gegenbehauptung des Angeklagten unter den neuen Bedingungen überhaupt Sinn. Die Intervention des Angeklagten wurde also nicht einfach durch einen Machtspruch zurückgewiesen, sondern deswegen, weil der Einwand unzeitig vorgebracht wurde, also formal falsch war. Diese Abweisung aus formalen Gründen erfüllte eine weitere Funktion: Sie ließ sich dem Richter nicht als persönliche Ungerechtigkeit zurechnen. Die Mikrophysik der Macht des Verfahrens beruht auch darauf, dass die Beteiligten (und vor allem die Angeklagten) nicht von den Veranstaltern sichtbar schikaniert werden, sondern Einflussnahmen subtil vorgenommen werden. Eine Möglichkeit dazu konnte etwa darin bestehen, dass Richter und Kronanwälte als Hüter der zu befolgenden Formen auftraten. Das lässt sich nicht nur bei diesem Prozess beobachten, sondern auch schon bei den Königsmörder-Prozessen drei Jahre zuvor: Als der Zeuge Masterson aussagte, er habe Adrian Scrope bei der Urteilsverkündigung aufstehen sehen (as to my apprehension, testifying his assent), versuchte der Angeklagte, dies unmittelbar richtig zu stellen: I beseech your lordships that I may speak without offence and answer to this. Tatsächlich wurde diese Unterbrechung nicht 178 179

Ebd. 6 ST 232.

272

1650–1730: Untersuchungsregime

einfach gerügt und damit auf einer konfliktären Ebene beantwortet. Vielmehr wurden Scrope Mittel und Wege genannt, wie er seinen Einwand für später aufheben konnte: Mr. Scroop, you may please to have paper, and pens, and ink, to take notes, or to ask any questions.180 Nachdem die Möglichkeit, Schreibfeder und Papier zu nutzen, bei Scropes Prozess am 12. Oktober zum ersten Mal und in der Situation der Störung offeriert worden war, tauchte sie einen Tag später, beim Prozess gegen Hugh Peters, bereits bei einer anfänglichen richterlichen Belehrung des Angeklagten auf, als ein Recht und als seine damit einhergehende Pflicht, beim Verhandlungsablauf nicht dazwischenzureden: if you have a mind, take pen, ink, and paper, and take notes of the witnesses, and make exceptions to them one after another; but interrupting one, and so another, we shall never have done.181 Wieder zwei Tage später, als Daniel Axtell vor Gericht stand, wurde bereits so getan, als sei es gutes altes Recht, die Zeugen der Anklage ausreden zu lassen und dann erst darauf zu antworten: Take the old and ancient course, let the witnesses that are produced for the King be all heard, then give your answer to all of them together. Als Axtell dem Richter darauf entgegnete, sich das nicht alles merken zu können (My memory is not very good), erhielt auch er den Rat, sich Notizen zu machen (You have pen, ink, and paper. Mr. Axtell).182 Die Überlassung von Tinte, Feder und Papier, die den Angeklagten, wenn nötig auch eigens vom Gerichtsdiener, ausgehändigt wurden, erfüllte für das Verfahren mindestens drei Funktionen: Sie stellte erstens die Zurückweisung bzw. Verschiebung von Redebedarf des Angeklagten sozusagen auf eine materielle Basis, so dass die Aufforderung, erst alle Zeugen ausreden zu lassen, nicht zynisch erschien. Die Überlassung von Aufschreibematerialien konnte zweitens als Geste besonderer Fairness herausgestellt werden. Drittens führte die Gewährung von Notizpapier auch dazu, dass ein Angeklagter im Verfahren nur noch auf jene Notizen zurückgreifen konnte, die er während der Verhandlung selbst angefertigt hatte. Der Rückgriff auf andere, mitgebrachte Schriften, von denen Strafford und Lilburne intensiven Gebrauch gemacht hatten, wurde Angeklagten in den Prozessen nach der Restauration dagegen verwehrt. Diese unterschwellige Art der Benachteiligung hörte erst auf, als Angeklagte von Anwälten vertreten wurden. Die Durchsetzung von Zeugenverhören als dem dominanten Aktivitätsmuster bei der Hauptverhandlung hatte zur Folge, dass diese nun auch erste Ansätze einer konditionalen Programmierung aufwies – einem für Entscheidungsverfahren ganz wesentlichen Ablaufschema: Erst wenn die Zeugen der Anklage gesprochen hatten, dann durfte auch der Angeklagte sprechen. Der Sprecherwechsel wurde am Ende der Befragung eines Zeugen durch den Kronanwalt explizit markiert: Court: If the Prisoners will ask him any Questions, they may.183 Die Institutionalisierung von Zeugenbefragungen restringierte also auch für die Angeklagten mögliche Äußerungstypen. Das ihnen erteilte Rederecht erlaubte 180 181 182 183

5 ST 1038. 5 ST 1121. 5 ST 1149. 6 ST 238.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

273

keine Rechtfertigungen, Erklärungen, Gegenbehauptungen oder Zurückweisung, sondern nur Fragen an die Zeugen. Dabei durften aber keine Fragen über die Zeugen gestellt werden. Eine Rückfrage des Angeklagten John Sellers an die Richterbank, ob man die Aussagen des Kronzeugen Hill für glaubhaft halte, wurde daher zurückgewiesen: Sellers:

I would fain know whether the bench and Jury are satisfied with this evidence.

Court:

That you will hear anon: What else will you ask him?184

Erlaubt und in bestimmten Fällen sogar erwünscht waren hingegen Fragen der Angeklagten an den Richter, wenn es sich dabei um matters of law, also um Rechtsfragen handelte. Als Thomas Tonge zum Ende der Verhandlung die Frage aufwarf, ob es sich bei William Hill und Edward Riggs überhaupt um zulässige Zeugen der Anklage handelte, schließlich seien diese selber einmal Teil der Verschwörung gewesen (they being in the same Case), kam diese Frage dem Richter Bridgeman in dreifacher Hinsicht gelegen: erstens, weil Tonge dieses matter of law nicht, wie Lilburne, selbst beantwortete oder den Geschworenen zur Entscheidung vorlegte, sondern tatsächlich dem Richter überantwortete, der sich damit, zweitens, als Beistand (councellor) des Angeklagten inszenieren konnte. So hatte Tonge Richter Bridgeman auch schon in seiner Anfrage adressiert: My lord, as you are my judge, so I hope you will be my councellor and I pray your advice, whether Mr. Tyler and Mr. Riggs be competent witnesses against me, they being in the same case.185

Drittens kam die Anfrage auch deshalb wie gerufen, weil Sir Orlando Bridgeman auf diese Weise öffentlich die neue Kronzeugenregelung vorstellen konnte,186 auf die sich die Juristen erst 1660 in seinem Beisein verständigt hatten: Solange der Zeuge nicht für den Verrat verurteilt worden sei, sei seine Aussage für die Geschworenen relevant, though he is not so upright a witness as others. Doch bei Hochverrat handele es sich um works of darkness, these are things men will not do by day-light, but in darkness; and who can discover these works of darkness better than they that have to do with them, if God turn their hearts?187 Kreuzverhöre gab es zu dieser Zeit noch nicht, und damit auch keine Versuche, Zeugenaussagen mit konkurrierenden Aussagen zu falsifizieren oder die Zeugen systematisch in Widersprüche zu verwickeln. Konflikthaft wurden die Verhöre der Zeugen der Anklage – und es gab zunächst einmal nur Zeugen der Anklage – vor allem durch das Handeln der Verfahrensveranstalter selbst. Als die Zeugen 184 185 186

187

6 ST 239f. 6 ST 259. Öffentlich auch deshalb, weil seine Auskunft in den Abdruck des Prozesses übernommen wurde, den Kronzeuge Hill selbst besorgt hatte – auch das war wohl eine Strategie, um sich reinzuwaschen, vgl. Hill, A brief narrative, 33. 6 ST 259.

274

1650–1730: Untersuchungsregime

die Verästelungen der Verschwörung und die Verstrickung der Angeklagten darin breit schilderten, wurde sie von der Richterbank immer dann unterbrochen, wenn sie Personal- oder Indefinitpronomen benutzten. Dann fragte einer der Richter, durchaus rüde: Who ist that, ‚he‘? […] Whose House? […] They: Which they? Name them! […] What Design? Express it! Mit den Interventionen sorgten die Richter nicht nur für eine (mögliche) Präzisierung der Sache. Sie feilten dabei auch an ihrer eigenen Rolle, insofern sie sich gegenüber den Zeugen der Anklage ähnlich streng gerierten wie gegenüber den Angeklagten. Es handelt sich bei den Interventionen um erste Ansätze zur Inszenierung richterlicher Unparteilichkeit und damit um eine Stärkung der Autonomie des Verfahrens auf der Ebene der Rollen, denn so wie die Richter die Zeugen der Anklage auf die Erfüllung bestimmter Regeln der forensischen Kommunikation festlegten, so konnten sie auch die Angeklagten ermahnen, ohne als parteiisch zu erscheinen.188 Doch auch die Kronanwälte mussten ihren Zeugen mit einem gewissen Maß an Distanz gegenübertreten. Selbst wenn man die Aussagen im Vorfeld abgesprochen und womöglich sogar einstudiert haben sollte, so durften Hill, Riggs und Bradley auf der Bühne des Verfahrens nicht als verlängerter Arm der Anklage in Erscheinung treten, sondern als Verkörperung der eingangs von den Kronanwälten als erdrückend vorgestellten Beweislage (proof). Aus diesem Grund wurden die Zeugen bisweilen auch von einem Vertreter der Anklage zur Genauigkeit ermahnt: I ask you this; I do not desire large stories, but firm and close answers: were you present at any meeting when the securing the king, Tower or Whitehall was discoursed of, or no?189

Zeugen mussten also damit rechnen, unterbrochen, zurechtgewiesen oder bisweilen sogar eingeschüchtert zu werden. Das war (und ist) kennzeichnend für die Situation des Verhörs. Dies lässt sich mit Michael Niehaus als eine „bedrängende Situation“ beschreiben, bei der vieles, was in der alltäglichen Interaktion gewöhnlich vermieden wird, typisch ist.190 Das Arsenal von entsprechenden Bedrängungspraktiken war um 1660 allerdings noch eher spärlich bestückt. Praktiken des Bloßstellens, Blamierens, In-Widersprüche-Verwickelns usf. wurden als „Anwaltskunst“ erst um 1800 entwickelt.191

188 189 190 191

Auch im modernen Prozess gehört es zu einer idealen Rollenausfüllung des Richters, wenn dieser allen Beteiligten mit wahrnehmbarer Skepsis begegnet, vgl. Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 23f. 6 ST 244. Niehaus, Das Verhör, 265f. Vgl. unten, S. 514ff.

V. Gerichtsprozesse im Zeitalter der Wissenschaftlichen Revolution

275

4. RESÜMEE Bei den Prozessen gegen die sogenannten Königsmörder wurde nicht nur mit der revolutionären Zeitgeschichte abgeschlossen. Die Prozesse standen auch am Beginn eines Strukturwandels in der forensischen Praxis, die veränderte Formen der Erkenntnisbildung aufwiesen sowie eine – im Vergleich zu früheren Prozessen – geregeltere Ablauforganisation. Dieses Kapitel diente dazu, um diesen Wandel zu skizzieren, in den wissensgeschichtlichen Kontext einzuordnen und praktische Konsequenzen aufzuzeigen. Die Akteure der Strafjustiz hatten aus den subversiven Praktiken von Angeklagten wie Lilburne gelernt. Das rigorose Beharren auf der Erfüllung der Form beim Pleading zeigte, dass man sich von den „Königsmördern“ auf keinen Fall den Schneid abkaufen lassen wollte. Die zunehmende Organisation und Formalisierung der Verfahren hatte aber auch mit der Aufwertung von Zeugen zu tun. Unter dem rhetorischen Regime spielten Zeugen in der forensischen Praxis nur eine marginale Rolle. Wozu man Zeugen im 16. Jahrhundert auch immer brauchte – ihr Beitrag bei der Erzeugung von Wissen vor Gericht fiel im Vergleich zu Persuasionstechniken wie der Anklagerede bescheiden aus. Das änderte sich im Zeitalter der Restauration dramatisch: Zeugen und Zeugenverhöre standen seitdem im Mittelpunkt der Prozesse. Zur Aufwertung von Zeugenschaft trug auch die Wissenskultur der Naturphilosophie bei. Für die Gelehrten der Royal Society waren Zeugen wichtige Informationslieferanten. Gleichzeitig wurde das Ideal geometrisch-demonstrativer Gewissheiten für die Gewinnung neuen Wissens als hinderlich aufgefasst. Dass aber auch unterhalb dieser Ebene Gewissheiten möglich waren, verdeutlichten Naturphilosophen wie Robert Boyle am Strafverfahren – dessen Epistemologie auf diese Weise mit aufgewertet wurde. Empirisch-experimentelle Naturphilosophie und Gerichtsprozesse beruhten nicht nur gleichermaßen auf Tatsachenwissen, sondern teilten die Entscheidungsbedürftigkeit dieses Wissens, das seine Schlussfolgerungen nicht selbst zog. Wurde die Wahrheitsfindung bei Thomas Smith noch als Gewissenserforschung beschrieben, so implizierte sie fortan eine Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit der vorgeführten Beweise. Deren Erzeugungsweisen wurden mit Hilfe praxeologischer Perspektiven beschrieben, die in der neueren Wissensgeschichte schon bei der Dekonstruktion von Experimenten zum Einsatz gekommen waren. Dabei stand nicht die Frage im Vordergrund, ob durch Zeugenund andere Beweise wirklich Tatsachen gewonnen wurden, sondern unter welchen sprachlichen und rahmenden Bedingungen ein als wahr geltendes Wissen erzeugt werden konnte. Schließlich wurde gezeigt, wie sich die Interaktionsordnung durch die neue Dominanz von Zeugenverhören änderte: Erst jetzt trat die Hauptverhandlung als Abfolge von Sequenzen in Erscheinung. Der Prozess entwickelte eine zeitliche Struktur, die gegenüber dem Angeklagten als Ordnung geltend gemacht werden konnte. Die veränderten Weisen der forensischen Erkenntnisbildung hatten klare Konsequenzen für die Machtstrukturen des Verfahrens.

277

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts Nach der Tonge-Verschwörung 1663 folgte die nächste Konjunktur von Hochverratsprozessen zwischen 1678 und 1685. Ganz ähnlich wie im späten 16. Jahrhundert waren auch diesmal Verschwörungstheorien und konspirative Praktiken ein fruchtbarer Boden für die Verfahren. Die erste Welle der Prozesse fand im Kontext des berühmt-berüchtigten Popish Plot statt, bei der zweiten Welle standen Leute vor Gericht, die man als Rye House-Verschwörer bezeichnete. Eng damit verbunden waren auch die Prozesse infolge der sogenannten Monmouth-Rebellion unmittelbar nach dem Tod Karls II. 1685. Anhand dieser Prozesse sollen in diesem Kapitel drei Punkte fokussiert werden: Erstens: Was passierte, wenn unter den veränderten Bedingungen forensischer Wissensproduktion eine Verschwörungstheorie zu einer entscheidungsrelevanten Tatsache gemacht werden sollte? Mit einer Geschichte wie dem Popish Plot waren die Gerichte noch nicht beschäftigt worden, seitdem sich mit der Restauration das Zeugenverhör als zentraler Modus der Gewissheitserzeugung durchgesetzt hatte. Weder im Fall der Königsmörder noch bei der Tonge-Bande basierten die Prozesse auf einer derart ungeheuerlichen, aber damit auch fragilen Schilderung wie beim Popish Plot. Das Skandalöse an diesen Prozessen, auch schon für die Zeitgenossen, lag darin, dass hier von den Richtern Entscheidungen forciert wurden, die durch den Prozessverlauf selbst überhaupt nicht vorbereitet worden waren, dass also die Herstellung einer Entscheidung und die Darstellung ihrer Herstellung merklich auseinanderklafften. Die Popish Plot-Prozesse erzeugten Paradoxien und Entscheidungen, deren Kontingenz auch den Zeitgenossen auffiel. Die Probleme dieser Prozesse lagen nicht nur darin, dass die Zeugen Schauermärchen erzählten, sondern dass sich mittlerweile ein forensisches Wissensregime entfaltet hatte, bei dem Entscheidungen auf der Grundlage von Tatsachen und dadurch gewonnenen höchsten Wahrscheinlichkeiten fallen sollten, aber nicht mehr aufgrund von rhetorischen Persuasionstechniken wie bei den Prozessen in den 1580er Jahren. Wenn die Entscheidungsaufgabe des Richters lautete: I leave it to your consideration upon the whole matter, whether the evidence of the fact does not satisfy your consciences, that these men are Guilty1, dann durfte die Entscheidung selbst den Prozessverlauf nicht ohne Kritik auf den Kopf stellen. Zweitens ist es die Frage, ob diese durch Zeugenverhöre strukturierten Prozesse bereits aus sich heraus Legitimation erzeugen konnten oder ob nicht auch weiterhin die Hinrichtung ein Ort blieb, an dem Nachverhandlungen stattfanden und 1

7 ST 220.

278

1650–1730: Untersuchungsregime

welche Funktionen printmediale Strategien in diesem Zusammenhang erfüllen sollten. Anhand der Prozesse aus dem Umfeld des Rye House Plot soll dann drittens gefragt werden, wieso erst in diesem Zusammenhang – und nicht schon bei den Popish Plot-Prozessen (deren Status als Schauprozess ebenfalls zu diskutieren sein wird) – die Verfahrenspraxis skandalisiert und als Beispiel für die tyrannische Herrschaft der Stuarts, mit der es zu brechen galt, markiert werden konnte. 1. TITUS OATES UND SEIN POPISH PLOT Der Popish Plot war wohl die spektakulärste Verschwörungstheorie der europäischen Frühneuzeit. Nachdem politische Gruppierungen um den Earl of Shaftesbury ihren Protest gegen die Thronfolge des zum Katholizismus konvertierten Herzogs von York ab den späten 1670er Jahren in eine Semantik des Growth of Popery and Arbitrary Government gekleidet hatten,2 lief der Hochstapler Titus Oates mit seiner Geschichte von einem Mordkomplott gegen den König und einem Massaker an den englischen Protestanten bei der antikatholischen Fraktion des Parlaments offene Türen ein. Obwohl König Karl II. die ganze Geschichte für absurd hielt, wurden zwischen Ende November 1678 und Juli 1681 55 angebliche Verschwörer (und eine angebliche Verschwörerin, Elisabeth Cellier) wegen Hochverrats vor Gericht gestellt, von denen dreißig hingerichtet wurden.3 Während der Popish Plot lange Zeit als Ausdruck einer irrationalen Massenhysterie gedeutet wurde,4 hat der Historiker Jonathan Scott strukturelle Gründe dafür genannt, warum Oates‘ Geschichte eine solche außerordentliche Resonanz entfalten konnte: erstens die schon ältere Tradition konspirativen Denkens in England, an die hier wieder angeknüpft werden konnte5; zweitens die bei den englischen Protestanten im Zeitalter Ludwigs XIV. vorherrschende und wachsende Besorgnis, dass der Protestantismus durch die gegenreformatorischen Mächte allenthalben auf dem Kontinent ausgelöscht werde und England die letzte Bastion des wahren Glaubens sei6; drittens die weitverbreitete Irritation über die Politik Karls II., der im Holländischen Krieg nicht entschieden Partei für die Konfessionsgenossen in den Niederlanden ergriff, 2

3 4 5

6

So der Titel des 1677 in Amsterdam erschienenen Pamphlets von Andrew Marvell (Marvell, An Account of the Growth of Popery), dessen programmatischer Satz die Existenz eines gegen politische Ordnung und Konfession gerichteten design behauptete: There has now for diverse Years, a design carried on, to change the Lawfull Government of England into Absolute Tyranny, and to convert the established Protestant Religion into downright Popery. Es handelte sich bei dieser Flugschrift ohne Zweifel um eines der politisch folgenreichsten Druckerzeugnisse des 17. Jahrhunderts, so schon Kenyon, The Popish Plot; allg. dazu Knights, Politics and opinion in crisis. Hinzukommen Priester wie Edward Mico, Thomas Monford, Thomas Jenison, Francis Levinson, William Atkins oder Richard Lacy, die in der Haft verstarben. So etwa noch 1972 von Kenyon, The Popish Plot. Wiederaufgelegt wurden ältere Pamphlete zu den angeblichen Verschwörungen unter Königin Elisabeth, zur Pulverfassverschwörung und angeblichen papistischen Machinationen am Vorabend des Bürgerkriegs. Dazu präsentierten zahlreiche neue Kompendien den Popish Plot als weiteren Beleg für die England ständig drohenden Popish Plots and Treasons. Vgl. dazu zuletzt auch Kampmann, Ein großes Bündnis.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

279

dafür aber seinen katholischen Untertanen Gewissensfreiheit versprach; und viertens die nicht zu unterschätzende Wirkung der Druckmedien, die nach dem Auslaufen des Zensurgesetzes (Licensing Act) im Mai 1679 unkontrolliert den ohnehin schon florierenden Markt für Druckerzeugnisse überschwemmten.7 Zahllose Pamphlete und illustrierte Flugblätter haben dem Popish Plot erst seine Reichweite und auch seine über viele Monate anhaltende Aktualität verschafft, indem immer wieder neue Details und Wendungen in die Welt gesetzt wurden.8 Auch wenn sich die Entfaltung des Popish Plot nicht mit kollektivpsychologischen Kategorien erklären lässt, so kann man doch sagen, dass die Druckmedien zu einer kollektiven Verunsicherung und zumindest zeitweilig zu einer breiten Zustimmung zu der neuerlichen Katholikenverfolgung geführt haben.9 Dabei wurde sogar das allmähliche Abflauen des Glaubens an die Papistenverschwörung Ende 1679 auf eine Verschwörung zurückgeführt: Katholische Kreise hätten demnach versucht, den Popish Plot als Erfindung der Presbyterianer auszugeben.10 König Karl II. stand der Geschichte mit wachsender Skepsis gegenüber, als immer offenkundiger wurde, dass die Verschwörungstheorie der Kampagne des Shaftesbury-Kreises (die von ihren Gegnern bald Whigs genannt wurden) gegen die Thronfolge seines Bruders perfekt ins Konzept passte. Stuartkritische Publizisten wurden nicht müde, das Thema What wee must expect under a Popish successor immer wieder neu zu variieren, besonders eindrücklich auch in den Bildmedien. Dem Illustrator der gleichnamigen Bildergeschichte zu Folge waren bei einer katholischen Thronfolge ein neuerlicher Brand Londons, Gräueltaten an den englischen Protestanten, gotteslästerlichen Mummenschanz sowie eine Invasion französischer Truppen mit bloody Tories in ihrem Gefolge so gut wie sicher (Abbildung 20).11 Die Skepsis des Königs ist in diesem Zusammenhang deshalb von Interesse, 7 8

9

10 11

Dazu knapp Knights, Politics and opinion in crisis, 156f. Scott, England‘s troubles, 182f. Auch am Popish Plot zeigt sich, dass Verschwörungstheorien erst durch massenhaft vorliegende Druckmedien eine über Kleingruppen hinausgehende Relevanz entfalten konnten. Dieser Befund, der kürzlich auch noch einmal für die konspirativen Neigungen der neuen rechtspopulistischen Bewegungen hervorgehoben wurde (Kaube, Moderne und Aberglaube), stellte die Überzeugung infrage, wonach die Zunahme von Kommunikation rationalisierende Wirkungen hat. Die medialen Dimensionen des Popish Plot sind mehrfach hervorgehoben worden, so etwa von Knights, Politics and opinion in crisis; Raymond, Pamphlets and pamphleteering; Love, The look of news; Randall, Newspapers and their publishers during the Popish Plot and exclusion crisis; Clarke, Re-reading the exclusion crisis. Die eigens dem Thema gewidmete Studie von Hinds, ‚The horrid Popish Plot‘, enttäuscht dagegen, da sie im Wesentlichen lediglich die Pamphlete auflistet, impressionistisch bleibt und das Verhältnis von Druckmedien, Öffentlichkeit und konspirativem Diskurs in einer analytisch weiterführenden Weise nicht in den Blick bekommt. Für das Phänomen einer medieninduzierten, kollektiven Verunsicherung gibt es im englischen den Begriff der „moral panic“, der jüngst auch für das Verständnis des Popish Plot fruchtbar gemacht worden ist: Walker, „Remember Justice Godfrey“. Zur Massenpamphletistik beim Popish Plot vgl. schon Harris, London crowds, 96ff. Etwa Anon., A just narrative of the hellish new counter-plots, dazu Dolan, Whores of Babylon, 159–210. Für weitere Belege dieser Art von Bildpublizistik während der „Exclusion Crisis“ vgl. Knights, Politics and opinion in crisis; Knights, Possessing the visual; Pierce, The Devil‘s Bloodhound; Pierce, Unseemly pictures; Morton, Intensive Ephemera. Die in die Luft gemalten Gräueltaten wurden

280

1650–1730: Untersuchungsregime

Abb. 20: Anon.: A scheme of Popish cruelties or A prospect of what wee must expect under a Popish successor, London [1681].

weil damit klar wird, dass die Richter, trotz ihres parteiischen Verhaltens während der Prozesse gegen angebliche Papisten-Verräter, nicht einfach im königlichen Auftrag agierten, dass mithin ausgerechnet im Kontext dieser Prozesse, die in der Rechtsgeschichte als absoluter Sündenfall gelten, ein Autonomiegewinn der Rechtsprechung zu beobachten ist. Die Frage, inwiefern Richter nur ein verlängerter Arm der Krone waren, wurde auch seit dieser Zeit intensiv diskutiert, so dass es nicht verwundert, dass in den Reformen nach der Glorious Revolution die Bindung der Richter an die Gunst der Krone zugunsten einer Berufung auf Lebenszeit abgeändert wurde.12 Nicht nur der König war skeptisch, auch seine engsten Minister wie Thomas Osborne, Earl of Danby, oder der Lord Chancellor Heneage Finch

12

dabei zumeist als popish treasons bezeichnet, was den engen Zusammenhang der antikatholischen Agitation mit dem in Hochverratsprozesse mündenden Popish Plot belegt. Havighurst, The judiciary and politics; Shetreet / Turenne, Judges on trial, 25ff.; Kay, The Glorious Revolution, 83ff.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

281

misstrauten der Geschichte von der Papistenverschwörung.13 Im Unterschied zum späten 16. Jahrhundert sah gerade das engste politische Umfeld des Königs jedenfalls ab der Jahreswende 1678/79 keine wirkliche Gefahr für das Leben Karls II. Oates‘ Aussage vor dem Geheimen Rat Am Morgen des 28. September 1678 hörte der Geheime Rat Titus Oates dann zum ersten Mal persönlich an. Schon mehrfach hatte der ehemalige Jesuitenschüler versucht, den König und seine Minister vor jenen ungeheuerlichen Vorgängen zu warnen, die in den Jesuitenkollegs in Frankreich, Spanien und in Rom ausgeheckt worden waren.14 Demnach sollte der König sein Leben verlieren, in Irland und Schottland sollten Aufstände angezettelt, in London Tausende Protestanten massakriert und die Stadt wieder in Brand gesteckt werden, wie schon im Jahre 1666. Sodann werde England wieder unter die Oberhoheit Roms zurückgebracht. Im Sommer 1678 seien mehrfach Anschläge auf den König versucht worden. Nur durch Zufall seien die beiden von den Jesuiten engagierten Auftragsmörder, Thomas Pickering und John Grove, gescheitert: Einmal seien sie nicht im Stande gewesen, das Kurzgewehr abzufeuern, ein anderes Mal hätten sie das Pulver vergessen, ein drittes Mal habe die Pistole gehakt. Misserfolge seien im Plan der Jesuiten jedoch einkalkuliert worden: Wenn man den König nicht erschießen könne, dann wollte man einen seiner Leibärzte bestechen, damit er ihn vergifte. Dies sei bei konspirativen Treffen im April 1678, unter anderem in der Londoner White Horse-Taverne, so beraten und durch die Unterschrift der Beteiligten beschlossen worden. Riesige Mengen Geld seien für diesen Plan von Rom bereitgestellt worden. Verwickelt seien in den Abb. 21: Oates‘ Aussage vor dem Geheimrat spielte auch in den Bildmedien eine wichtige Rolle, als zusätzliche Absicherungsstrategie. Mit dem Abdruck der Bildgeschichte des Popish Plot auf Spielkarten sollte der Glaube an die Existenz der Verschwörung auch im Alltag wach gehalten werden. Das Kartenset wurde 1679 gedruckt.

13 14

Kenyon, The Popish Plot, 67. Die Geschichte war dem König selbst durch den Kleriker Dr. Israel Tonge, einem von Oates‘ Vertrauten, im August 1678 bei einem Spaziergang im St. James’s Park unterbreitet worden. Der Earl of Danby hatte darauf weitere Untersuchungen angeordnet und den Friedensrichter von Westminster, Sir Edmund Berry Godfrey beauftragt, Oates‘ Aussagen zu Protokoll zu nehmen.

282

1650–1730: Untersuchungsregime

Plan neben den Jesuiten in England und im Ausland auch alle anderen katholischen Kleriker und Mönche und zudem einer der Sekretäre des Herzogs von York, Edward Coleman. Wenn England erst wieder katholisch geworden sei, sollte Edward Coleman Staatssekretär werden, während die anderen wichtigen Ämter im neuen Staat von den katholischen Lords Bellasis, Petre, Powis, Stafford und Arundel bekleidet werden würden.15 Er, Oates, sei bei allen wichtigen Planungen und Beratungen dabei gewesen, habe als Briefträger fungiert und könne daher über alles und jeden Zeugnis ablegen. Nur zur Tarnung sei er konvertiert und in den Jesuitenorden eingetreten, in Wahrheit sei er immer Protestant geblieben. Nachdem er schließlich genug über die teuflischen Pläne erfahren habe, habe er seine Tarnung aufgegeben und sich sofort an die Obrigkeit gewandt, und zwar an den Friedensrichter von Westminster, Edmund Berry Godfrey. Der Zeitpunkt sei gekommen, um aller Welt zu zeigen, welche Abscheulichkeiten und Verrätereien der römische Papismus und seine Werkzeuge, die Jesuiten, im Schilde geführt hätten.16 Bis zu jenem Morgen vor dem Privy Council hatte Titus Oates ein eher unstetes Leben geführt: Er hatte sich in den 1670er Jahren als Schulmeister und Schiffskaplan durchgeschlagen, war aus diesen Ämtern aber wegen angeblicher homosexueller Handlungen entlassen worden. 1677 war er zum Katholizismus konvertiert und am Jesuitenkolleg in Valladolid aufgenommen worden. Von dort wurde er aber kurze Zeit später schon wieder verwiesen. Er kehrte nach London zurück, ging nach Frankreich, wurde am Kolleg der englischen Jesuiten in St. Omer im Artois aufgenommen,17 das ihn im Juli 1678 wieder vor die Tür setzte. Oates kehrte daraufhin erneut nach London zurück und wurde bald darauf zu einem der berüchtigtsten Hochstapler des 17. Jahrhunderts.18 Es ist nicht zu klären (und für die folgenden Erörterungen aber auch nicht wichtig), ob Oates‘ Verschwörungstheorie der Versuch war, sich zu rehabilitieren und an den Jesuiten zu rächen oder ob seine Kampagne von Anfang an durch den Shaftesbury-Kreis gefördert wurde. Fakt ist nur, dass Oates seine Geschichte, die er in 81 Punkte untergliedert hatte, zunächst vor dem Friedensrichter von Westminster, Sir Edmund Berry Godfrey, und dann Ende September vor dem Privy Council ausbreitete. Ihr Detailreichtum und der Umstand, dass er sich bei dem Verhör durch die Geheimräte offenbar gut schlug, ließen diese nach anfänglicher Skepsis zu dem Schluss kommen, dass man in der Sache weiter ermitteln müsse – die unglaubliche Geschichte wurde somit zu einem obrigkeitlichen Untersuchungsgegenstand objektiviert.19 Oates wurde Ende September und Anfang Oktober wiederholt vor den Privy Council gerufen, bei einigen Sitzungen war der König selbst zugegen, und zu diesem frühen Zeitpunkt war Karl II. über die Sache, bei der immerhin sein Leben auf dem Spiel stand, durchaus noch besorgt.20 15 16 17 18 19 20

Dazu Kenyon, The Popish Plot; Marotti, Religious ideology; Hinds, ‚The horrid Popish Plot‘. Oates, A true narrative; vgl. dazu Kenyon, The Popish Plot, 54–70. Das Artois war im Pyrenäenfrieden 1659 zu Frankreich gekommen. Zur Biographie zuletzt Hinds, ‚The horrid Popish Plot‘, 19ff. Kenyon, The Popish Plot, 66ff. Ebd., 68f.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

283

Als den Geheimen Räten dann noch einige Briefe in die Hände gespielt wurden, die angeblich von den in London wirkenden Jesuiten William Ireland, John Fenwick und Thomas Whitebread an den Beichtvater des Herzogs von York, den Jesuiten Thomas Bedingfield, geschrieben worden waren – tatsächlich stammten sie alle aus Oates‘ Feder –, sah man unmittelbaren Handlungsbedarf gekommen: Edward Coleman wurde verhaftet, und in seinem Haus fand man tatsächlich höchst verdächtig anmutende Korrespondenzen mit dem Beichtvater Ludwigs XIV., François d’Aix de la Chaise, allgemein bekannt als Père Lachaise. Während der bereits von Oates so genannte Popish Plot zunächst nur die Obrigkeit beschäftigt hatte – den Privy Council ebenso wie das Unterhaus, das eigens dafür ein secret commitee eingerichtet hatte, wurde die Sache durch den mysteriösen Tod von Sir Edmund Berry Godfrey in der ganzen Stadt zum alles dominierenden Thema.21 Bei Godfrey hatte Oates unter Eid seine Geschichte zum ersten Mal zu Protokoll gegeben. Als der Friedensrichter dann am 17. Oktober auf Primrose Hill erstochen aufgefunden wurde, wirkte das wie ein Katalysator für die Verbreitung der Verschwörungstheorie.22 Dabei waren es einmal mehr Druckmedien (Texte und Bilder), die eine Verschwörungstheorie zum Gegenstand kollektiver Befürchtungen werden ließen.23 Im Herbst 1680 waren bereits so viele Pamphlete zu allen möglichen Aspekten und Varianten des Popish Plot erschienen, dass der Chefzensor Roger L’Estrange in antikonspirativer Absicht einen Compleat catalogue of all the stitch‘d books and single sheets printed since the first discovery of the popish plot herausgab, der mehrere hundert Veröffentlichungen dokumentierte.24 Zu diesem Zeitpunkt hatte die Verschwörungstheorie ihren Zenit zwar schon überschritten.25 In den Monaten zuvor hatte die Geschichte des Lügners Titus Oates aber zwanzig Menschen das Leben gekostet. Sie alle waren wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden, und zwar in Prozessen, bei denen Oates als Hauptzeuge seiner eigenen Verschwörungstheorie auftrat. Edward Coleman wurde dann am 27. November 1678 vor der King’s Bench der Prozess gemacht.26 Bis zum Beginn dieses Prozesses hatte Oates‘ allerdings Hausarrest, nachdem er bei einer Anhörung vor dem Unterhaus tatsächlich so weit gegangen war, Maria von Modena als Mitverschwörerin anzuschwärzen.

21 22 23 24 25 26

Marshall, The strange death of Edmund Godfrey. Walker, „Remember Justice Godfrey“. Raymond, Pamphlets and pamphleteering, 331ff.; Knights, Possessing the visual; Knights, Representation and misrepresentation, 234ff. L’Estrange, A compleat catalogue; dazu Raymond, Pamphlets and pamphleteering, 362f. Kenyon, The Popish Plot, 177f. Am 21. November war allerdings schon der katholische Londoner Bankier William Staley zum Tode verurteilt worden. Angesichts der antikatholischen Stimmung hatte Staley über den König geflucht, dass er ihn am liebsten umbringen würde. Diese in einer Taverne geäußerten Worte waren denunziert und wörtlich genommen worden, 6 ST 1501–1511.

284

1650–1730: Untersuchungsregime

2. DER PROZESS GEGEN EDWARD COLEMAN Edward Coleman (*1636) war in den frühen 1660er Jahren offen zum katholischen Glauben konvertiert und zur gleichen Zeit in die Dienste des Herzogs von York eingetreten. Nach dessen Konversion 1673 wurde er zum Privatsekretär von Jakobs höchst unbeliebter, weil erzkatholischer Gemahlin Maria von Modena ernannt. Seit dieser Zeit führte er offenbar auf eigene Faust Korrespondenzen mit den Beichtvätern des französischen Königs, mit denen er sich über Möglichkeiten zur Beförderung des katholischen Glaubens in England austauschte, etwa durch Subsidien für Karl II., damit dieser vom Parlament unabhängiger wurde. Dazu bearbeitete er auch den französischen Botschafter. Bei Hof waren seine Aktionen in groben Zügen durchaus bekannt, Coleman galt dort als unangenehm ehrgeizig.27 Als Oates Coleman beschuldigte, gab es also plausible Anknüpfungspunkte zu der Verschwörungstheorie und im Übrigen eine Menge Leute, die ihm Übles an den Hals wünschten. Der sichergestellte und später gedruckte Briefwechsel mit Père Lachaise und die darin gefundene Passage: We have here a mighty work upon our hands, no less than the conversion of three kingdoms, and by that perhaps the utter subduing of a pestilent heresy, which has domineered over great part of this Northern world a long time; there were never such hopes of success since the death of our queen Mary, as now in our days, schienen den Hochverrat zu bestätigen und gaben – vor allem aus der Sicht der Whig-Gruppierungen im Parlament –, hinreichenden Anlass zur Eröffnung des Prozesses.28 Auftakt und Anklage Die Akten und Schriftstücke zu Colemans Fall wurden nicht in einen baga de secretis überliefert, und auch die plea rolls der King’s Bench bestätigen lediglich den Vollzug des Arraignments am 23. November, bei dem sich der Angeklagte für nicht schuldig bekannt hatte. Der Prozess lässt sich allerdings in einer Dichte wie nur wenige Prozesse zuvor durch die von privaten Publizisten angefertigten und gedruckten Mitschriften rekonstruieren. Eine vollständige Version des Prozesses, die später auch in die State Trials-Editionen aufgenommen wurde (sprachlich kaum verändert), legte der Drucker Robert Pawlet mit der exklusiven Imprimatur des vorsitzenden Richters William Scroggs vor (I do appoint Robert Pawlet to Print the Tryal of Edward Coleman: And that no other Person presume to Print the same).29 Es gab zwar noch weitere Drucke dieses Verfahrens, aber nur in gekürzter Version, was aber verschleiert wurde, wenn eine Ausgabe von sich behauptete, The whole tryal of Edward Coleman zu beinhalten.30 27 28 29 30

Barclay, The rise of Edward Colman. 7 ST 56. [Pawlet], The tryal of Edward Coleman. Anon., The whole tryal of Edward Coleman; eine knappe Zusammenfassung mit wortwörtlichen Passagen findet sich auch bei L’Estrange, The history of the Plot, 1–11.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

285

Auch Pawlets Dokumentation schweigt zum Arraignment und beginnt mit der Hauptverhandlung in der Westminster Hall vor einer Spezialkommission am 27. November. Notiert wurden die Vereidigung der Geschworenen und die Verlesung der Anklageschrift. Diese bot die übliche Rhetorik (falsely, maliciously and traitorously proposed, compassed, imagined and intended, to stir up, and raise sedition and rebellion within the kingdom England) und erklärte den Tatbestand des Hochverrats durch zwei Briefe Colemans an Père Lachaise als gegeben. Nach dem rituellen Aufruf des Clerks If any one will give evidence on the behalf of our sovereign lord the king, against Edward Coleman the prisoner at the bar, let him come forth, and he shall be heard; for the prisoner now stands at the bar upon his deliverance buchstabierten die Kronanwälte die Anklage ausführlich und mit einem schrillen antikatholischen Alarmismus aus. Wäre es nur um die Briefe gegangen, hätte man die Sache angeblich schnell abschließen können: Kronanwalt Sir William Jones erklärte, Coleman habe ihm mit seiner Korrespondenz eigentlich viel Zeit erspart: for he hath left such elegant and copious narratives of the whole design under his own hand, that the reading of them will be better than any new one I can make.31 Aber die Kronanwälte gingen davon aus, dass man Coleman allein aufgrund der Briefe nicht hätte verurteilen können. Vor Gericht mussten die Briefe daher mit Oates‘ Popish Plot in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden. Erst vor dem Hintergrund einer solchen Narration konnte man verdächtig klingende Passagen über das mighty work upon our hands, no less than the conversion of three kingdoms, über die pestilent heresy in England und über die Diagnose there were never such hopes of success since the death of our queen Mary, as now in our days in nachvollziehbarer Weise als Hochverrat deuten. Deshalb stellte der Kronanwalt in Aussicht, sich nicht nur um die Briefe zu kümmern, sondern auch den Zeugen Oates anzuhören, denn Mr. Oates was the first man, that we hear of, that discovered this treason; he was the single man that discovered so many active agents in so great a treason as this was. Von ihm wisse man etwa, dass sich Jesuiten mehrmals in konspirativer Weise getroffen hätten, to consult of very great things, of a most diabolical nature, no less than how to Abb. 22: Die Verschwörer unterschreiben den Beschluss, König Karl II. zu töten, aus einem Set von Spielkarten mit Motiven zum ‚Popish Plot‘, 1679. 31

7 ST 9.

286

1650–1730: Untersuchungsregime

take away the life of the king our sovereign. Dabei sei auch der Eid geleistet worden, that this most wicked and horrible design should be attempted, koste es was es wolle.32 So phantastisch Oates‘ A true narrative of the horrid plot im Ganzen auch klang – er evozierte nichts weniger als eine paneuropäische Jesuitenverschwörung, deren Beteiligte durch einen perfekt organisierten Briefverkehr miteinander verbunden waren: Damit die Geschichte juristisch verwertbar wurde, brauchte es die Figur des Verschwörertreffens an konkreten Orten, die Oates mit Berichten über Treffen in verschiedenen Spelunken lieferte. Tatsächlich hatten sich im April 1678 verschiedene Jesuiten in der Londoner White Horse Tavern getroffen, um über laufende Angelegenheiten zu beraten. Oates machte daraus das Gründungstreffen der papistischen Verschwörer.33 Dieses und weitere Treffen, bei denen Coleman angeblich auch zugegen war und sich auf das Komplott verpflichtet hatte, wurden 1679 ebenfalls auf Spielkarten visualisiert. Die Einwilligung der Beteiligten in das hochverräterische Unternehmen wurde dabei als Unterschriftenleistung in Szene gesetzt (Abbildung 22). Zum Zeitpunkt des Prozesses befanden sich schon zahllose Gerüchte über die Verschwörung in Umlauf und der gewaltsame Tod des Friedensrichters hatte der Geschichte zusätzlich Plausibilität verliehen. Der Coleman-Prozess aber war der Ort, wo Oates zum ersten Mal seine Kolportage vor einem weiteren Publikum vortragen durfte, die gedruckten Versionen über den Horrid Popish Plot erschienen erst im April 1679. Die Kronanwälte stellten Oates nun nicht nur als Hauptzeugen vor, sondern als Retter der Nation, als Helden der Stunde. Oates kam also mit einem immensen Kredit in das Verfahren. Seine Aussagen, so Jones, seien ein wesentlicher Bestandteil für die general parts of our Evidence, und alle sollten sich schon einmal darauf einstellen, that our evidence will be very long, and will take up much of your time.34 Um einen kurzen Prozess handelte es sich in diesem Fall bestimmt nicht. Die Eröffnungsrede des Kronanwalts Jones hatte fast schon wieder die Dimensionen aus der Zeit vor der Restauration. Aber obwohl Jones hier mittels einer Amplifikationsrhetorik das ohnehin schon dramatisch klingende Indictment weiter entfaltete, machte er auch deutlich, dass seine Rede noch kein Beweisverfahren darstelle, seine Ausführungen vielmehr nur einen Ausblick auf das geben würden, was die Zeugen allen zu Gehör bringen würden: you will find, as is usually practised in such horrid conspiracies, to make all secure, that there was an oath of secrecy taken, and that upon the Sacrament. You will find agreements made, that this most wicked and horrible design should be attempted. You will find two villains were found among them, who undertook to do this execrable work; and you will hear of the rewards they were to have: money in case they did succeed, and masses good store in case they perished; so that their bodies were provided for in case they survived, and their souls if they died […].35 32 33 34 35

7 ST 10. Kenyon, The Popish Plot, 56. 7 ST 9. 7 ST 10.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

287

Tatsächlich handelte es sich dabei nicht nur um einen Ausblick auf eine erst noch zu leistende Verifizierungsarbeit, sondern vielmehr um eine Behauptung, die sich durch den Verweis auf die späteren Zeugenaussagen selbst eine Art Vorschusskredit gewährte. Neben dem Ausblick auf den schier unerhörten Sachverhalt selbst instruierte Kronanwalt Jones die Zuhörer auch über die 1660 von den Kronjuristen beschlossene Auslegung, wonach es bei Hochverrat keine Mitläufer gebe. Wenn sich daher ein Indiz dafür finden lasse, dass Coleman dem Popish Plot seine Zustimmung erteilt habe, dann sei er schuldig im Sinne der Anklage: in all treasons there is no accessary, but every man is a principal. And thus much we have against him, even as to this part of the design, which will involve him in the whole guilt of it, that Mr. Coleman consented to it, though his hand were not to do it.36

Auch Richter Scroggs nahm eine Befürchtung des Angeklagten – Coleman meinte, die offensichtlich grassierenden antikatholischen Ressentiments könnten die Wahrheitsfindung behindern – zum Anlass, um den Charakter des Gerichtsprozesses als demonstratives Verfahren zu unterstreichen: Es bestehe kein Anlass zur Sorge: Wenn es zu einer Verurteilung komme, dann nur aufgrund zwingender Beweise, die vorzubringen Aufgabe der Anklagevertreter sei: The labour lies upon their hands; the proof belongs to them to make out these intrigues of yours […] the proof must be plain upon you […] and without a fair proof, there shall be no condemnation.37 Wenn man das Verfahren als ein Experiment betrachtet, dann waren hier von leitender Stelle dessen Gelingensbedingungen definiert worden. Zum Ablauf des Prozesses Bevor ich mit der mikrohistorischen Analyse fortfahre, sei kurz der Ablauf des Prozesses bis zum Verdikt skizziert und ein weiterer Akteur vorgestellt: Nach der Auftaktrede kam es zu einem kurzen Redewechsel zwischen dem Angeklagten, dem Richter und den Kronanwälten. Anschließend wurde Titus Oates als erster Zeuge verhört, wobei Coleman ausdrücklich das Recht zum Kreuzverhör eingeräumt wurde (If the prisoner at the bar be minded, he may ask him any question), was er auch nutzte. Als zweiter Zeuge wurde William Bedloe aufgerufen, ein nicht minder gerissener Blender als Oates, der zu einem äußerst erfolgreichen Trittbrettfahrer von dessen Verschwörungstheorie geworden war.38 In seinem Lügenmär36 37 38

Ebd. 7 ST 14f. Bedloe schlug sich bis 1677 als kleiner Gauner in London durch, bevor er dann vor der Strafverfolgung nach Spanien floh. Bedloe hatte immer schon Kontakte zum katholischen Milieu, und offenbar glaubte er, dass die Jesuiten in Valladolid jeden mit offenen Armen empfangen würden, der es sich mit der englischen Obrigkeit verscherzt hatte. Jedenfalls traf er im dortigen Kolleg auf Titus Oates, der ihm wohl von seinen Phantastereien berichtet haben muss. Bedloe selbst fiel dort wegen einiger Schelmereien unangenehm auf, er beklaute sogar Oates, bevor er sich dann im Sommer 1678 wieder in Richtung London aus dem Staub machte. Als dann Friedensrichter Godfrey tot aufgefunden wurde, schwindelte er der Obrigkeit vor, alles darüber und über den Popish Plot zu

288

1650–1730: Untersuchungsregime

chen stellte er sich als Bote der englischen Jesuiten vor, der zahlreiche Briefe von Coleman nach Paris gebracht haben wollte und auf dem Rückweg Post vom Papst mit Anweisungen an die Verschwörer dabei gehabt habe. Nachdem Bedloe durch die Kronanwälte verhört worden war, erhielt Coleman an diesem Punkt noch keine Gelegenheit zu einem Verhör der beiden Zeugen. Stattdessen verlas der Clerk nun die fraglichen Briefe von Coleman: Man hatte mit den beiden Kronzeugen jenen Kontext geschaffen, in dem man den Briefen eine hochverräterische Absicht unterstellen konnte. Die Kronanwälte erklärten daraufhin die Beweisaufnahme von ihrer Seite für abgeschlossen, hatten aber keine Einwände dagegen, als Coleman darum bat, Oates noch einmal verhören zu dürfen, was er dann auch tat. An Bedloe hatte er keine Fragen. Anschließend hielt der dritte Kronanwalt Sir Francis Winnington das Schlussplädoyer, nach dem sich Coleman wiederum zu Wort meldete. Nach kurzem Disput mit Richter Scroggs hielt dieser seine Zusammenfassung mit der Empfehlung an die Geschworenen, Coleman schuldig zu sprechen, der sie folgten. Die nachfolgende dichte Beschreibung des Coleman-Prozesses soll vor allem zeigen, wie dabei prozedurale Paradoxien generiert wurden. Paradoxien stellten sich vor Gericht ein, wenn Verhandlungsverlauf und Urteil auseinanderklafften, wenn also eine Entscheidung gefällt wurde, die durch den Ablauf des Verfahrens nicht sinnstiftend vorbereitet wurde. Prozedurale Paradoxien waren ein Kennzeichen des Untersuchungsregimes, sie konnten sich erst unter dem veränderten „epistemisches Setting“39 ausbilden, das Entscheidungen auf selbst erzeugte Fakten gründete und Publikum bei dieser Faktenerzeugung zuschauen ließ. Unter diesen Bedingungen wurde es zum Problem, Entscheidungen derart zu forcieren unter dem rhetorischen Regime. Die Entfaltung von Paradoxien machte Strategien zu deren Eindämmung nötig, die am Ende des Coleman-Prozesses vom Richter gehaltene Strafpredigt ist ein Beispiel dafür. Sie verschaffte aber auch dem Angeklagten Anknüpfungspunkte für Kritik. Darüber hinaus dient mir der Coleman-Prozess als Beispiel für ein Verfahren unter den veränderten epistemischen Bedingungen, die insofern transitorisch waren, als sie durch die Verfahrensreform von 1696 und die damit verbundene Zulassung von Anwälten erheblich verändert wurden. Es wird sich u.a. zeigen, welchen Grad an Aktivität Angeklagter, Kronanwälte und Richter in diesem Kontext entfalten konnten oder inwiefern Unglaubwürdigkeit kein Charakterzug, sondern eine Interaktionseffekt war. Schreckliche Richter? Als der Kronanwalt seine Auftaktrede beendet hatte, ergriff Coleman unmittelbar das Wort. Zu dieser Rede könne er nur sagen, dass er ihre Prämissen für weithergeholt und künstlich (too strong and artificial) und die Schlussfolgerung, nämlich

39

wissen. Titus Oates musste sich in den nächsten Monaten den Status als Retter der Nation mit dem von ihm verabscheuten Bedloe teilen. Im Sinne von Brendecke, Imperium und Empirie, 309.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

289

dass er ein Hochverräter sei, für falsch halte. Mit dieser Intervention stellte sich Coleman in die Tradition engagierter Angeklagter in der Nachfolge von Throckmorton. Eine Antwort auf seinen Einwand gab allerdings nicht einer der Kronanwälte, sondern Richter Scroggs. Ähnlich wie bei dem Tonge-Prozess sollte auch in diesem Fall ein Richter eine höchst aktive Rolle einnehmen, mit dem Angeklagten streiten und Zeugen verhören. Auf Colemans Vorwürfe bekam er von Scroggs zu hören, dass er in der Tat einen guten Staatssekretär abgegeben hätte, weil die auch nichts von Logik verstünden. Die Behauptung des Angeklagten, er wisse nichts von irgendwelchen jesuitischen Konspirationen, wies Scroggs wiederum mit der Bemerkung zurück, er glaube ihm kein einziges Wort. Ein solcher Kommentar von der Richterbank würde bei einem modernen Geschworenenprozess zu einem mistrial, also zu einem Fehlprozess führen. Für die Rechtshistoriker des 19. Jahrhunderts waren Einlassungen wie die von Scroggs untrügliche Anzeichen dafür, dass man es bei den Richtern unter den späten Stuarts mit tools of tyrants and instruments of oppression zu tun hatte.40 Bei Coleman und in auch in anderen Prozessen kujonierte Scroggs tatsächlich die Angeklagten und stellte sie bloß. Mit großer Selbstverständlichkeit schaltete er sich in die Zeugenverhöre ein und kommentierte diese. Seine Schlussreden an die Geschworenen waren keine Entscheidungsempfehlungen, sondern Aufträge, einen Schuldspruch zu finden, den er als weise lobte, wenn die Jury postwendend mit einem solchen zurückkam. Nicht viel anders verhielten sich Scroggs Kollegen Francis North und George Jeffreys.41 Dass man im 19. Jahrhundert mit Blick auf ein solches Verhalten von schrecklichen Richtern – atrocious judges – sprach, verwundert nicht. Dennoch ist der Rekurs auf schlechten Charakter, zumal als Kollektivdiagnose, unbefriedigend. Richter des 16. und 17. Jahrhunderts waren abhängig von der Gunst des Monarchen, ihre Anstellung währte, solange sie sich in dessen Augen gut aufführen – quamdui se bene gesserint bzw. durante bene placito, lauteten dafür die zeitgenössische Formeln in ihren Berufungsurkunden.42 Es ging dabei nicht nur um die Gefahr des Amtsverlusts, sondern vor allem um Karrierechancen, die ohne ein Wohlwollen von ganz oben nicht gegeben waren. Unter den Stuarts waren Richter damit ähnlich in offizielle Patronagestrukturen, in die „formalisierte Informalität“ (B. Emich), eingebettet wie andere Amtsträger im 17. Jahrhundert auch.43 Die bei den höchstrichterlichen Patronageverhältnissen geltende Währung, also die Art und Weise, wie ein Richter die königliche Gunst (und damit Karrierechancen) zurückzahlte44, war dabei das kompromisslose Eintreten für die safetie 40 41 42

43 44

So der Untertitel von Campbell, Atrocious judges. Havighurst, The judiciary and politics, 68f. Havighurst, The judiciary and politics, 64; McIlwain, The Tenure of English Judges; knapp zum Gunstprinzip beim Richteramt jetzt auch Shetreet / Turenne, Judges on trial, 21–29; Aylmer, The crown‘s servants, 55–61. Aus der Menge an Literatur sei nur verwiesen auf Hoyle, The Masters of Requests. Allg. zur Zirkulation von materiellen und immateriellen Gütern bei Patronageverhältnissen Droste, Patronage in der Frühen Neuzeit; Biagioli, Galilei, der Höfling, 30–43; Engels, Die Geschichte der

290

1650–1730: Untersuchungsregime

bzw. securitie of her/his maiesties royal person, also die persönliche Sicherheit des Monarchen. Als semantisches Objekt des politisch-rechtlichen Diskurses seit dem späten 16. Jahrhundert fassbar, hatte die safetie of the royal person Juristen wie Coke oder Francis Bacon zu Folterern werden lassen und die Richter nach der Restauration, als die Tötung eines Königs bereits zum „Erfahrungsraum“ und die Wiederholbarkeit einer solchen Tat zum „Erwartungshorizont“ zählte (Reinhart Koselleck), zu einem resoluten und gnadenlosen Vorgehen gegen alle Aufwiegler und (vermeintlichen) Verschwörer veranlasst. Die Beschlüsse der von Sir John Kelyng dokumentierten Juristenkonferenz (1660) waren die Blaupause für eine Verfahrensleitung, bei der die Anklage wegen Hochverrats für den Richter gleichbedeutend war mit der Aufgabe, dafür einen passenden Schuldspruch herbeizuführen. Wenn das Verfahren für den richterlichen Klienten das öffentliche Forum dafür war, sein kategorisches Eintreten for the better security of His Majesty and his government öffentlich unter Beweis zu stellen, dann blieb für Unparteilichkeit kein Raum, dann musste er durch sein Verhalten eindeutige und ausdrucksstarke Loyalitätsnachweise liefern.45 Die aufgrund sozialer Verpflichtungen nötige Demonstration politischer Werte durch den Richter im Gerichtssaal relativierte die Autonomie der Hochverratsverfahren ganz erheblich, trotz aller, durch die Inserierung von Zeugenverhören gewonnenen Programmstruktur.46 Dieser durch die richterlichen Bindungen an die Gunst der Krone verursachte Autonomiemangel ist nicht nur von allgemeinem verfahrensgeschichtlichem Interesse. Der Autonomiemangel hatte, und darauf kommt es hier an, auch konkrete Folgen auf der Ebene der Interaktion bei der Verhandlung. Scroggs musste davon ausgehen, dass er mit seinem unerbittlichen Vorgehen gegen Hochverräter ganz im Sinne des Königs handelte. Entsprechend hatte er bereits beim (relativ kurzen) Prozess gegen den katholischen Bankier William Stayley am 21. November 1678 mit merklicher Vehemenz für einen Schuldspruch geworben, der mit Blick auf die sonst drohenden Gefahren unausweichlich sei: Excuse me, gentlemen, if I am a little warm, when perils are so many, murders so secret. When things are transacted so closely, and our king is in great danger, and religion is at stake, I may be excused for being a little warm.47 Auch in den Prozessen gegen Coleman und andere vermeintliche Popish Plotter Ende 1678 und in der ersten Hälfte des Jahres 1679 wurde Scroggs a little warm und teilweise ausfällig gegenüber den Angeklagten. Erst als er im Juli 1679 gewahr wurde, dass Karl II. überhaupt kein Interesse an einer Verurteilung von Katholiken als ‚papistischen‘ Verschwörern hatte (weil dies zunehmend auch auf seine Frau Katharina von Braganza und ihr engeres Umfeld zurückfiel), änderte Scroggs nicht nur seine Prozessstrategie (Schuldsprüche um jeden Preis), sondern auch seine Verhaltensweisen. Bis dahin aber sorgten nicht nur widerständige Angeklagte, sondern auch Scroggs für einen parasitären Befall von Prozess-

45 46 47

Korruption, 37–82; konkret zu den Richtern; Brooks, Law, politics and society in early modern england, 185ff. Beispiele bei Havighurst, The judiciary and politics, 68f. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 69–74 u. 129–135. Zit. Nach Campbell, Atrocious judges, 168.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

291

sequenzen mit Konfliktkommunikation. In diesen Fällen gelang es dem Richter nicht, die Rolle des „unabhängigen Dritten“ zu spielen, der durch die Aufgabe der Konfliktentscheidung dafür sorgen kann, dass der Konflikt zwischen Anklägern und Angeklagten moderiert und damit verfahrensverträglich organisiert werden kann.48 Das galt aber nicht nur für Scroggs, sondern auch für seine Nachfolger bis zur großen Prozessrechtsreform von 1696. Oates als Zeuge – die Befragung als offene Situation Colemans nächste Intervention galt seinem Status als Angeklagter: Er sei bloß ein poor ignorant man, der ohne anwaltlichen Beistand Angst habe, von der juristischen Logik überrumpelt zu werden.49 Diese Befürchtung gab Scroggs wiederum die Gelegenheit, auf die Prinzipien hinzuweisen, auf denen dieser Prozess seiner Ansicht nach beruhe: Es werde hier um glasklare Beweise mit zwingenden Schlussfolgerungen gehen (the proof must be plain upon you, and then it will be in vain to deny the conclusion). Daher sei ein Anwalt überflüssig. Das Thema Rechtsbeistand wurde hier also berührt. Es entfaltete in diesem Prozess allerdings noch keine vergleichbare Virulenz wie in den Prozessen gegen die Rye House-Verschwörer zwei Jahre später. Auch Coleman ließ die Anwaltsfrage auf sich beruhen und erklärte, größere Sorgen bereitete ihm der grassierende Antikatholizismus: Another thing seems most dreadful, that is, the violent prejudice that seems to be against every man in England, that is confessed to be a Roman Catholic.50 Coleman stellte also die Frage nach der Autonomie des Verfahrens gegenüber der öffentlichen Empörungs- und Skandalisierungswelle. Darüber solle er sich keine Sorgen machen: you shall have a fair, just and legal trial.51 Wenn er verurteilt werde, dann aufgrund stichhaltiger Beweise. Die Behauptung, dass es sich um ein fair trial handele, wurde in den folgenden Jahren zu einem Topos der Verfahrensveranstalter, genauso wie die Behauptung, dass der Prozess nichts anderes sei als ein demonstratives Verfahren: without a fair Proof, there shall be no Condemnation.52 Richter Scroggs schien gewillt, an diesem Punkt noch weiter mit dem Angeklagten über mögliche Beweismittel und über die Erkenntnis aus den Voruntersuchungen zu diskutieren. Coleman war im Newgate-Gefängnis ausführlich verhört, aber zu keinem Zeitpunkt gefoltert worden, man hatte aus den Folterskandalen des späten 16. Jahrhunderts also tatsächlich gelernt. Es waren dann aber die Kronanwälte, die darauf pochten, die strittigen Punkte nicht auf diese Weise, in einer Art Streitgespräch, sondern durch die Befragung von Zeugen zu klären. Erst danach dürfe der Angeklagte sprechen, und zwar so lange, wie er dies für richtig halte, garantiert ohne Unterbrechung. Die strukturie48 49 50 51 52

Im Sinne von Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 276. 7 ST 13. 7 ST 14. Ebd. Ebd.

292

1650–1730: Untersuchungsregime

rende und sequenzenbildende Wirkung von Zeugenverhören wurde also explizit ins Spiel gebracht. Coleman wurden Papier und Schreibfeder ausgehändigt, damit er sich Notizen machen konnte und nicht zu Zwischenfragen genötigt war. Doch der erste Zeuge, Titus Oates, solle bitte ebenfalls ohne Unterbrechung angehört werden: We desire that Mr. Oates may not be interrupted.53 Warum man dies für nötig hielt, sollte sich im Verlauf des Prozesses zeigen. Die Verschwörungstheorie geriet durch Nachfragen sehr schnell ins Wanken. Sie geriet im Untersuchungs-Verfahren auf einen Prüfstand, dem sie nicht standhielt. Offenbar eigneten sich Pamphlete weitaus besser zur Medialisierung von Verschwörungstheorien als ein gerichtlicher Interaktionsprozess, der aufgrund der Kopräsenz der Beteiligten unmittelbare Reaktionen möglich machte. Es zeigte sich dabei aber auch ein gravierender Unterschied zu den Prozessen in der elisabethanischen Zeit, als die Verschwörungstheorien von den Kronanwälten selbst vorgetragen wurden und die Richter dazu keine Nachfragen stellten. Doch genau diese Freiheit nahm sich Richter Scroggs jetzt. Die erste Frage des Kronanwalts an den Zeugen lautete: what account he can give of the prisoner at the bar, whether he was any way privy to the murder of the king?54 In den Begriffen der Soziolinguistik handelte es sich hier um eine offene Frage, die dem Zeugen die Möglichkeit gibt, sich nach eigenen Vorstellungen über die Sache zu äußern. Eine offene Frage geht mit einem Minimum an sozialer Kontrolle durch den Verhörenden einher – im Unterschied zu halboffenen ‚Wer-Wie-Was-WiesoWeshalb-Warum-Wann-und-Wo-Fragen‘ (mittlere Kontrolle) und geschlossenen Entscheidungsfragen, auf die man nur mit Ja oder Nein antworten kann und die deshalb ein hohes Maß an sozialer Kontrolle implizieren.55 Kronanwalt Jones wollte mit seiner offenen Frage die Chance zur ausführlichen Schilderung geben. Doch Oates kam nicht sehr weit. Er berichtete darüber, wie er angeblich im November 1677 (zu diesem Zeitpunkt war er von Valladolid nach London zurückgekehrt und kurz davor, nach St. Omer zu gehen) von Coleman beauftragt worden sei, einen Brief in das nordfranzösische Kolleg der englischen Jesuiten zu bringen. Dort angekommen, habe er miterlebt, wie der Rektor des Kollegs den Brief geöffnet habe. An diesem Punkt wurde Oates von Richter Scroggs mit Detailfragen überzogen: In welcher Sprache war der Brief verfasst? In Englisch. An wen adressiert? An den Rektor des Kollegs, und es handele sich um die Antwort auf einen Brief von Père Lachaise an die englischen Jesuiten. Warum sei der Brief dann nach St. Omer gekommen? Er würde von dort nach Paris weitergeleitet. An wen habe Père Lachaise den ersten Brief geschrieben, an Coleman? Nein, an Richard Strange, den Provinzial der englischen Jesuiten. Und warum habe der nicht selbst zurückgeschrieben? Weil Strange sich an der Hand verletzt habe. Und deswegen habe Coleman den Brief geschrieben? Ja. Was habe in dem Brief gestanden? Danksagungen für das Geld, das man den englischen Jesuiten für die große Sache habe zukommen lassen, und Coleman habe den Brief unterschrieben. Nicht der Provinzial Strange? Nein, Coleman – 53 54 55

7 ST 15. Ebd. Luchjenbroers, ‘In your own words …’, 482f.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

293

aber er, Oates, sei sich nicht mehr ganz sicher, vielleicht war es doch Strange. Aber der habe sich doch an der Hand verletzt? Coleman habe auf jeden Fall den Hauptteil des Briefes verfasst, wer unterschrieben habe, sei ihm eigentlich nicht erinnerlich. Scroggs fragte noch weiter zu anderen Details, warum er denn – gerade erst in St. Omer angekommen – ins Vertrauen gezogen worden und bei der Öffnung des Briefes anwesend gewesen sei, woher er eigentlich so genau wisse, dass Coleman den Brief geschrieben habe, ob er denn auch dabei gewesen sei usf. Erst nach dieser Kaskade aus halboffenen und geschlossenen Fragen intervenierte einer der Kronanwälte mit der Bitte, Oates jetzt lieber zu den konspirativen Treffen der Jesuiten in London und Colemans Verwicklung in den geplanten Mord am König aussagen zu lassen. Das passierte dann auch, bis Scroggs erneut intervenierte. Man sieht bereits an dieser Passage, dass es sich bei Zeugenbefragungen am Ende des 17. Jahrhunderts noch um hochgradig offene Kommunikationsformate handelte. Die Kronanwälte hatten in diesem Fall keine andere Strategie als Oates reden zu lassen. Das elaborierte Schema des Zeugenverhörs im trial by jury, bestehend aus der Trias von Haupt-, Kreuz- und Rückverhör, das sich seit dem späten 18. Jahrhundert nachweisen lässt, taugt also gerade nicht als heuristisches Modell, um sich die forensische Praxis ein Jahrhundert früher vorzustellen. Die Kreuzverhöre wurden praktisch vom Richter durchgeführt, der auf diese Weise aber das Verfahren unbeabsichtigt in eine andere Richtung steuerte als geplant. Unglaubwürdigkeit als Interaktionseffekt Scroggs war an den Vorermittlungen zum Popish Plot beteiligt gewesen. Er kannte die ganze Geschichte in allen Details und hatte auch die Haftbefehle gegen die angeblichen Verschwörer ausgestellt. Zu Beginn verfolgte Scroggs den Popish Plot viel eifriger, als es der König selbst für nötig hielt. Zwischen November 1678 und Juni 1679 schickte er vierzehn Männer als Hochverräter aufs Schafott. In einer spektakulären Wendung empfahl er den Geschworenen dann aber am 18. Juli 1679, den Leibarzt der Königin, Sir George Wakeman, freizusprechen. Er hielt den Unsinn von Oates und anderen Kronzeugen nicht länger aus.56 Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Oates waren Scroggs schon beim ColemanProzess gekommen. So dramatisch der Hochstapler seine Geschichte auch erzählen mochte – wenn man sie im Verhör auf Plausibilität abklopfte, dann wackelte sie gehörig. Damit sorgte der Richter für einen Beitrag zur Paradoxieentfaltung: Obwohl er Coleman und die Angeklagten in den nachfolgenden Prozessen unbedingt zum Tode verurteilen wollte, tat im Ablauf des Prozesses wenig dafür, dass auch eine dem Urteil entsprechende Verfahrensgeschichte generiert wurde. Offenbar konnte er in den konkreten Situationen nicht an sich halten, wenn sich Oates wieder und wieder in Widersprüche und Implausibilitäten verhedderte. Diese Unduldsamkeit kam auch zum Ausbruch, als Oates durch Coleman verhört wurde. 56

Kenyon, The acquittal of Sir George Wakeman.

294

1650–1730: Untersuchungsregime Abb. 23: Eines von Oates Hirngespinsten: Coleman bezahlt die Auftragsmörder, aus einem Set von Spielkarten mit Motiven zum ‚Popish Plot‘, 1679.

Nachdem Scroggs dazu übergeleitet und dieses einmal mehr als Ausweis von Verfahrensgerechtigkeit hervorgehoben hatte (You shall have as fair a search and examination in this matter for your life as can be, therefore, Mr. Oates, answer to what Mr. Coleman saith), fragte Coleman den Zeugen, wie es denn sein könnte, dass er ihn vor einigen Wochen während eines Verhörs vor dem Geheimrat nicht habe identifizieren können. Angeblich würden sie einander doch so gut kennen, dass er ihm sogar die Post mit den Verschwörungsplänen anvertraut habe. Oates versuchte das damit zu erklären, dass er im schwachen Kerzenschein in der Ratsstube nichts habe sehen können. Vielleicht hätte er mit dieser Ausrede durchkommen können, aber ausgerechnet Richter Scroggs streute weiter Salz in die Wunde: Das Problem sei nicht so sehr, dass er in der Ratsstube nichts habe sehen können, sondern dass er dort nicht alles das zu Protokoll gegeben habe, was er nun vor Gericht aussage. Zum Beispiel habe er damals überhaupt nicht erwähnt, dass Coleman persönlich die vier irischen Auftragsmörder bezahlt habe. Diese erst nachträglich von Oates aufgestellte Behauptung wurde nicht zufällig auch auf Spielkarten visualisiert (Abbildung 23). Bei den Vorverhören hatte Oates seine Geschichte wöchentlich mit neuen Einzelheiten angereichert. Das schien sich jetzt zu rächen. Oates versuchte die Lücken damit zu erklären, dass er beim Verhör in der Ratsstube so unendlich müde gewesen sei. Schließlich sei er zuvor zwei Tage und Nächte mit den Soldaten unterwegs gewesen, um Katholiken zu verhaften – ein Vorgehen, das viel zu seinem vorübergehenden Heldenstatus beitrug. Er habe nicht mehr klar denken können, aber er hätte das alles sicher gesagt, wenn man ihn danach gefragt hätte. Und wie gesagt: I being so tired and weak that I was not able to stand upon my legs, and I remember the council apprehended me to be so weak that one of the lords of the council said, that if there were any occasion further to examine Mr. Coleman, that Mr. Oates should be ready again, and bid me retire.57 Scroggs bohrte weiter: Aber warum habe er dann aber bei der nächsten Ratssitzung auch nichts über Coleman zu Protokoll gegeben? Oates: Because I had spent a great deal of time in accusing other Jesuits. Aber wenn doch gerade Coleman ein so gefährlicher Mann sei – jemand, der Auftragsmör57

7 ST 26.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

295

der bezahlt –, warum habe Oates ihn dann nicht einmal erwähnt? So einer hätte doch sofort verhaftet werden müssen. Auch dafür hatte Oates eine Erklärung: Er beschuldige Leute nur dann, wenn er sie face to face sehe. Aber, wie gesagt, beim ersten Verhör sei die Sicht schlecht, beim zweiten Verhör sei Coleman nicht zugegen gewesen. Scroggs wurde nun immer misstrauischer: Woran er denn beim ersten Verhör Coleman überhaupt erkannt habe? An der Stimme. Als Oates dann zu neuerlichen Ausreden ausholen wollte, reagierte Scroggs genervt: Mr. Oates, Answer the question in short and without confounding it with length.58 Selbst wenn das Publikum Oates Glauben schenken wollte, so hatte Scroggs auf offener Bühne dafür gesorgt, dass der Kronzeuge der Nation zunächst einmal ziemlich unglaubwürdig dastand.59 Durch die spezifische Gestalt der Verhandlung als Frage-Antwort-Spiel stellte sich Unglaubwürdigkeit als Effekt und Resultat der konkreten Interaktion ein, die von den Beteiligten miterlebt und nicht mehr fortdiskutiert werden konnte. Es handelte sich hier, in den Worten der Soziolinguistik, um eine „interaktive Konstruktion von Unglaubwürdigkeit“.60 Die Situation ließ sich im Sinne der Anklage nur dadurch retten – und daran war Scroggs ja interessiert! –, dass man den Sekretär des Geheimen Rats, Sir Robert Southwell, als eine Art Stützungszeugen (allerdings unvereidigt) zu den Umständen des ersten Verhörs befragte.61 Demnach habe man Oates in Anwesenheit des Königs stundenlang verhört und dabei seien sehr viele Dinge zur Sprache gekommen: Mr. Oates gave so large and general an information to the council, that it could not easily be fixed.62 Er könne sich zwar nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, sagte Southwell. Doch er sei sich sicher, dass Oates Coleman beschuldigt habe, mit dem Beichtvater des französischen Königs zu korrespondieren. Auch habe er gesagt: Wenn man diese Briefe fände, dann kosteten sie Coleman den Kopf.63 Southwell lieferte das, wonach Scroggs gesucht hatte: Einen Ausweg aus der von ihm selbst herbeigeführten Glaubwürdigkeitskrise des Kronzeugen, eine Eselsbrücke, um gegenüber Coleman behaupten zu können, dass Oates sich nicht in Widersprüche verwickelt hätte: he doth not charge you now as if there were new things started, but with the very conspiracy of having a hand in paying the money for murdering the king.64 Als nächstes wurde William Bedloe zum Zeugen berufen und von Kronanwalt Winnington verhört. In einem knapp gehaltenen Austausch von Fragen und Antworten – Scroggs selbst hatte Winnington zuvor ermahnt Mr. Attorney, pray keep 58 59 60 61 62 63

64

7 ST 28. So schon Kenyon, The Popish Plot, 125. Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 137f. Auf ein solches Vorgehen hatten sich die Juristen 1660 ja verständigt. 7 ST 29. He had a great deal to do, he was to repeat in the afternoon on Sunday when the king was present, all he had said to the lords on Saturday. He did say of Mr. Coleman, that he had corresponded very wickedly and basely with the French king‘s confessor, and did believe if Mr. Coleman‘s papers were searched, there would be found in them that which would cost him his neck, 7 ST 30. 7 ST 30.

296

1650–1730: Untersuchungsregime

to that question close65 – kam heraus, dass Bedloe Briefe zwischen Coleman und Père Lachaise befördert haben wollte. Er habe Colemans Vertrauen besessen und daher immer, wenn er in Colemans Haus gewesen sei, höchst Verdächtiges mitangehört. Das Geld etwa, das man ihm aus Paris versprochen habe, sei dazu gedacht gewesen to carry on the design to subvert the government of England, to free England from damnation and ignorance, and free all Catholics from hard tyranny and oppression of Heretics. Ein anderes Mal I heard Mr. Coleman say, If he had a hundred lives, and a sea of blood to carry on the cause, he would spend it all to further the cause of the Church of Rome, and to establish the Church of Rome in England: and if there was an hundred Heretical kings to be deposed, he would see them all destroyed.66 Der Sinn von Bedloes Zeugnis bestand also darin, den anschließend verlesenen Briefen Colemans eine konspirative Absicht zu unterstellen. Ohne diese narrative Einbettung war es nicht so einfach, in der Korrespondenz einen Beweis für Colemans Hochverrat zu sehen. Bevor die Briefe jedoch verlesen wurden, erklärten die Kronanwälte, dass sich der Verdacht noch erhärten ließe, wenn die Umstände ihrer Sicherstellung zur Sprache kämen – eine juristische Praxis, die im Prinzip schon im Prozess gegen Thomas Harrison angewendet wurde. Es sollte der Beweis inszeniert werden, dass die Briefe eindeutig von Coleman stammten und in verdächtig anmutender Weise in dessen Haus versteckt worden waren. Coleman hatte allerdings bereits zugegeben, die Briefe verfasst und an einem sicheren Ort aufbewahrt zu haben. Nachdem auch ein Bediensteter des Geheimrats als Zeuge ausgesagt hatte, wo er die Briefe bei der Hausdurchsuchung gefunden hatte (not in his own study, but in another place behind the chimney; the box was tacked together with a nail67), hielt Scroggs es daher für überflüssig, dass Colemans ehemaliger Diener Boatman nun auch noch die Handschrift seines Herrn identifizieren sollte: Little proof will serve the turn, because they were taken in his possession.68 Doch diesen Trumpf wollten die Ankläger unbedingt ausspielen. Die wenigen wirklich ‚harten Fakten‘, die man hatte, sollten auch zur Darstellung kommen: AG:

I desire to prove it fully; look upon all the papers, turn all the leaves, see if they be not all one hand, and whether you believe all to be Mr. Coleman’s hand-writing or not?

Boatman:

I believe it to be all his hand.69

Bei den drei verlesenen Briefen von Coleman an Père Lachaise handelte es sich um typische Beispiele für höfisch-diplomatische Korrespondenzrhetorik, voller Höflichkeitsfloskeln, den Versuchen, sich als vertrauenswürdiger Korrespondenzpartner vorzustellen (Coleman und Lachaise kannten einander nicht persönlich) und 65 66 67 68 69

7 ST 31. 7 ST 32. 7 ST 33. 7 ST 33f. 7 ST 34.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

297

dem Bemühen, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.70 Coleman gab selbst zu, dass er in den Briefen promiscuous words, also uneindeutige Begriff verwendet habe, um nicht forsch zu klingen. Obwohl den Anklägern die Regeln der Patronagekommunikation vertraut gewesen sein dürften, versuchten sie, ihm daraus einen Strick zu drehen. Wenn Coleman an Lachaise etwa schrieb, er sei der katholischen Sache schon lange verbunden gewesen und habe bereits mit dessen Vorgänger korrespondiert, wenn er also um Vertrauen warb, dann meinten die Kronanwälte den Beleg dafür zu haben, dass Coleman schon seit etlichen Jahren konspirierte. In den Briefen ging es im Wesentlichen darum, dass Coleman ein von antikatholischen Ressentiments überschäumendes Parlament dafür verantwortlich machte, dass der König 1672 seine Declaration of Indulgence nicht habe durchsetzen können. Wenn nun aber, so Coleman in den Briefen, der König in finanzieller Hinsicht vom Parlament unabhängiger würde, könne er auch die katholische Sache besser befördern, und das sei doch auch im Interesse Frankreichs. Coleman hatte also gewollt, dass Père Lachaise Ludwig XIV. dazu überredete, die ohnehin schon an Karl II. reichlich fließenden Subsidien zu erhöhen, denn: we have here a mighty work upon our hands, no less than the conversion of three kingdoms, and by that perhaps the utter subduing of a pestilent heresy, which has domineered over great part of this Northern world a long time; there were never such hopes of success since the death of our queen Mary, as now in our days: When God has given us a prince, who is become (may I say a miracle) zealous of being the author and instrument of so glorious a work; but the opposition we are sure to meet with, is also like to be great: So that it imports us to get all the aid and assistance we can, for the harvest is great, and the labourers but few.71

Aus diesen Briefen wurde deutlich, dass Coleman in den Außenbeziehungen aktiv wurde – wenn nicht im Namen, so doch im Interesse des Herzogs von York und vermutlich sogar des Königs selbst.72 Zudem erhoffte sich Coleman eindeutig eine Rückkehr zum katholischen Glauben. Wenn wirklich zusätzliche Gelder in dieser Sache geflossen wären, dann wären diese allerdings – wie die übrigen Subsidien auch – an den Hof gelangt. Wie Coleman diese Gelder eigentlich hätte abzweigen und für den Popish Plot nutzbar machen können, dazu besagte die Verschwörungstheorie nichts. Offenbar ging es zu diesem Zeitpunkt noch darum, die königliche Familie aus der Theorie herauszuhalten. Auch für Karl II. und York bot Oates‘ Geschichte den Vorteil, dass in ihr die Akquise französischer Subsidien nicht als Umgehung des Parlaments und damit als Beleg für aribtrary government vorkam, sondern als hochverräterische Strategie eines Einzelnen, mit der der König nichts 70 71 72

Zu diese Form der Kommunikation vgl. Droste, Im Dienst der Krone; Bastian, Verhandeln in Briefen. 7 ST 56. Bei der Kommentierung des Falls bemerkte Thomas Salmon 1737, das einzig Kriminelle an Colemans Handeln sei sein eigenmächtiges Werben um Subsidien gewesen, it tended only to corrupt the Members of the Commons by French Money; Salmon, A new abridgement, 325. Die Briefzeile: When God has given us a prince, who is become (may I say a miracle) zealous of being the author and instrument of so glorious a work, kann sich allerdings auch auf den Herzog von York beziehen. Doch dafür, dass Coleman dessen Thronfolge gewaltsam beschleunigen wollte, gibt es keinerlei Belege.

298

1650–1730: Untersuchungsregime

zu tun hatte. Auch deshalb unternahm der Hof nichts, um Coleman zu retten, obwohl man die ganze Sache für eine Farce hielt.73 Der Richter als ungewollter Verteidiger Die Kronanwälte erklärten nach der Verlesung der Briefe, diese sprächen für sich. Die Beweisaufnahme von Seiten der Anklage war damit abgeschlossen. Nun war Coleman an der Reihe, sich zu verteidigen. Er verzichtete darauf, zu den – fraglos brisanten – Briefen Stellung zu nehmen, und verlangte stattdessen, Titus Oates zu verhören. Dieser hatte sich allerdings, angeblich völlig erschöpft und müde, schon vom Gericht entfernt. Er wurde aber zurückgeholt. Oates sollte in den folgenden Prozessen immer wieder seine körperliche Verfassung ins Spiel bringen, wenn er sich bedrängt sah. Coleman wollte von Oates nun wissen, an welchem Tag im August 1678 er sich denn mit den Jesuiten in London getroffen haben sollte, um das Attentat auf den König vorzubereiten. An das genaue Datum konnte sich Oates aber nicht erinnern (I cannot so far charge my memory74), nur daran, dass man dem Treffen in der White Horse Taverne beschlossen habe, Pickering und Grove mit dem Attentat auf den König zu beauftragen. Coleman habe davon gewusst und die Sache gutgeheißen. Einmal mehr schaltete sich Scroggs mit Detailfragen ein: Wer sei denn eigentlich bei dem Treffen im White Horse dabei gewesen, Coleman auch? Nein, der sei ein paar Tage später dazu gekommen and there he expressed that he approved of it. Wie habe er seine Zustimmung ausgedrückt? He did consent to it. Und wie genau, mit welchen Worten? Oates blieb schwammig: Er habe seine Zustimmung auf jeden Fall zu erkennen gegeben. Weil beide Richter an diesem Punkt aber den genauen Wortlaut der Zustimmung hören wollten, geriet der Hauptzeuge der Anklage wieder einmal aus Glatteis: Scroggs:

Did he use any words to declare his assent?

Oates:

Two things lie couched in the question, whether your lordship means the consult or the instructions he did approve of.

Scroggs:

How long after the consultation was it that he approved of it?

Oates:

It was two or three days before he did give his approbation.

Scroggs:

What words did he say?

Oates:

He did express his consent; but to say the very words, I cannot tell.75

Dann kam Coleman wieder an die Reihe, der nicht locker lassen wollte, nach dem exakten Datum des Treffens zu fragen, so dass Scroggs Oates zunächst beispringen 73 74 75

Kenyon, The Popish Plot, 117f. 7 ST 58. Ebd.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

299

musste (He saith he doth not remember the day), bevor dieser aber dann noch eine Festlegung wagte: I will not be positive in it, it was about the 21st day of August.76 An diesem Tag, sagte Coleman, sei er aber auf dem Landsitz des Earl of Danby in Warwickshire gewesen, achtzig Meilen von London entfernt. Fast den ganzen August sei er London ferngeblieben. Es nütze ihm aber nichts, das einfach nur abzustreiten, entgegnete Scroggs darauf, er müsse es durch eigene Zeugen beweisen. Aber die hatte Coleman nicht. Schlussplädoyers Als nächstes hielten die Kronanwälte Winnington und Pemberton ihre Schlussplädoyers, bei denen sie erklärten, dass these treasons have been punctually proved, as well by two witnesses, as by letters under Mr. Coleman’s own hand, whereby he corresponded with M. La Chaise, the French king’s confessor, as also by the answers which were sent by M. La Chaise to Mr. Coleman.77 Als gute protestantische Untertanen könnten die Geschworenen nun gar nicht mehr anders, als Coleman schuldig zu sprechen. Die Beweise läge in einer solchen Fülle vor, dass man annehmen müsse, Gott selbst habe sie zusammengetragen. Kein vernünftiger Mann könne daraus etwas anderes als Colemans Schuld ableiten: I think you, gentlemen of the jury, have had such evidence as will satisfy any man.78 Ob ein Angeklagter auch ein Schlussplädoyer halten durfte, und wenn ja, wann (vor oder nach den Anklagevertretern), wurde erst 1836 gesetzlich geregelt. Es hing also vom jeweiligen Fall (und später von bestimmten Faustregeln) ab, ob auch der Angeklagte noch zu den Geschworenen sprechen durfte. Bei Coleman war dies, wenig überraschend, nicht vorgesehen, und so reagierte Scroggs ungehalten, als der Angeklagte noch einmal das Wort ergriff und erklärte, an Oates‘ Zeugnis sei nichts wahr. Das könne man schon an den unklaren und widersprüchlichen Aussagen erkennen, und sage man nicht: if there be one error in his testimony, it weakens all the rest?79 Er bleibe jedenfalls dabei, dass er London am 10. August verlassen und bis zum Ende des Monats in Warwickshire geblieben sei. Auch hier entgegnete Scroggs nur, wenn er dafür keine Zeugen habe, dann sei seine Behauptung nichts wert:

76 77 78 79 80

Scroggs:

Have you any witness to prove that?

Coleman:

I cannot say I have a witness.

Scroggs:

Then you say nothing.80

Ebd. 7 ST 61. 7 ST 65. Ebd. Ebd.

300

1650–1730: Untersuchungsregime

Addition von Komplexität: Scroggs’ Konklusion Scroggs hielt daraufhin die Schlussrede (die später dafür üblichen Bezeichnungen lauten summing up oder conclusion) an die Geschworenen. Es handelte sich dabei um eine rhetorische Handlung, die sich als distinkte Form und als eine richterliche Aufgabe erst in den Prozessen seit der Restauration nachweisen lässt, und das auch erst in Ansätzen. Beim Tonge-Prozess waren die Geschworenen von einem beisitzenden Richter noch mit knappen Worten hinausgeschickt worden. Im ColemanProzess findet sich daher in nuce der Aufbau der richterlichen Rede, die von nun an den Schlusspunkt der Hauptverhandlung darstellen sollte. Diese Rede erfüllte mehrere Aufgaben: Sie fasste die Zeugenaussagen und anderen Beweise zusammen – später nicht selten in Form wörtlicher Verlesungen der Zeugenaussagen, so dass sich an dieser Stelle große Teile der Hauptverhandlung zumindest inhaltlich wiederholten. Englische Richter waren im späten 18. Jahrhundert gehalten, die Aussagen der Zeugen mitzuprotokollieren, und schon diese anstrengende Schreibarbeit machte es Richtern unmöglich, sich derart aktiv einzubringen wie Scroggs. Dieser hatte allerdings bei Oates und Bedloe nicht nur nicht mitgeschrieben – er ignorierte diese (für ihn ja unglaubwürdigen) Aussagen sogar und konzentrierte sich im Übrigen auf Colemans Briefe an Père Lachaise.81 Seine Ausführungen endeten mit einer Entscheidungsempfehlung an die Geschworenen.82 Kurios war nun, dass Scroggs seine Empfehlung auf eine eigene Verschwörungstheorie gründete, die zwar nicht völlig unplausibel klang, die den bisherigen Verfahrensablauf jedoch weitgehend entwertete, weil sie völlig neue Aspekte ins Spiel brachte: Demnach hätten die Briefe in Wahrheit eine französische Invasion in England vorbereiten sollen. Denn das ganze Gerede in den Briefen von einer Beförderung des Katholizismus durch eine gesetzlich gewährte Gewissensfreiheit sei an den Haaren herbeigezogen. Die Engländer seien mittlerweile gute Protestanten geworden, niemand sei bereit, freiwillig zur römischen Gottlosigkeit zurückzukehren. Da eine Bekehrung Britanniens durch Toleranzpolitik (toleration of religion) und durch das allmähliche Wiedererstarken des katholischen Bevölkerungsanteils also abwegig seien, könne dies alles nur durch Gewalt und Königsmord, also durch Hochverrat erreicht werden. Im Übrigen glaube er, dass es Coleman nur ums Geld gegangen sei. Denn wer als Protestant geboren und erzogen worden sei, könne gar nicht ernsthaft zum katholischen Glauben wechseln oder für die Gegenreformation sein Leben einsetzen wollen: Your pension was your conscience, and your Secretary‘s place your Bait.83 Wenn eine richterliche Schlussrede dazu dienen sollte, die Komplexität der Verfahrensgeschichte zu reduzieren, dann war diese kein Beispiel dafür. Scroggs lieferte mit seiner persönlichen Verschwörungstheorie keine Reduktion, sondern 81 82 83

For the other part of the Evidence, which is by the testimony of the present witnesses, you have heard them. I will not detain you longer now, the day is going out, 7 ST 70. Es handelte sich beim summing up also um eine Art Urteilsbegründung vor dem Urteil, das der Common Law-Richter auf der Sachverhaltsebene nicht selbst trifft. 7 ST 69.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

301

vielmehr eine Addition von Komplexität. Offenbar wollte er auf diese Weise die hanebüchenen Aussagen der Kronzeugen vergessen machen. Stilbildend wurde allerdings der Schluss der richterlichen Rede, bei der seine Entscheidungsempfehlung einherging mit einer demonstrativen Betonung der Entscheidungsfreiheit der Geschworenen: And so, gentlemen, I shall leave it to you, to consider, what his Letters prove him guilty of directly, and what by consequence; What he plainly would have done, and then, how he would have done it; And whether you think his fiery zeal had so much cold blood in it, as to spare any others? Die Betonung der Entscheidungsfreiheit war aber auch eine Erinnerung an die Pflicht zu entscheiden. Der beisitzende Richter Wild ergänzte noch, dass sich die Geschworenen mit der Entscheidung Zeit lassen sollten: We do not speak to you to make more haste, or less, but to take a full consultation, and your own time; There is the death of a man at the stake, and make not too much haste.84 Sie entfernten sich zwar vor Ort des Geschehens, kamen aber postwendend mit einem Schuldspruch zurück. Weil es jedoch schon spät geworden war, vertagte das Gericht die Urteilsverkündung auf den nächsten Morgen. Unerlaubte Nachverhandlungen Am Morgen des 28. November wurde Coleman vom Clerk zur Allokution aufgefordert: Edward Coleman, hold up thy hand. Thou hast been indicted of high treason, thou hast thereunto pleaded Not Guilty; thou hast put thyself upon God and thy country, which country hath found thee Guilty; What canst thou say for thyself, wherefore judgment of death should not be given against thee, and an execution awarded according to law?85

Coleman nahm die Frage zum Anlass für neue Verteidigungsreden. Er hoffe, dass man ihn kurz gewähren lasse, um zu zeigen, how impossible it is that those testimonies [von Oates und Bedloe, A.K.] should be true.86 Es sei sehr merkwürdig, dass Oates, der seine Aussagen doch sonst mit peinlich genauen Datumsangaben versehe, der stets auf den Tag genau zwischen dem julianischen und dem gregorianischen Kalender unterscheide, auf einmal nicht genau wisse, wann das konspirative Treffen im August nun genau stattgefunden haben solle: I only offer this to your lordship, that seeing Mr. Oates did name so many particulars and circumstances, it is very strange, that he should fail in a particular of such importance as about killing the king.87 Im Übrigen könne er mithilfe seines Rechnungsbuches beweisen, dass er bis Ende August nicht in London gewesen war. Warum man dieses Buch denn nicht als Beweis zulasse? Man könne nicht ernsthaft unterstellen, dass er dieses Buch 84 85 86 87

7 ST 70. 7 ST 71. Ebd. Ebd.

302

1650–1730: Untersuchungsregime

eigens zur Vertuschung seiner Straftat fingiert habe, es gebe Zeugen, die wüssten, dass er es schon seit langem führe. Und selbst wenn man einmal davon ausgehe, dass es ein solches konspiratives Treffen gegeben habe sollte: Es wäre geradezu absurd, wenn die angeblichen Verschwörer dabei vor wildfremden Leuten über irgendwelche Attentatspläne reden würden: and no man living of common sense would think or believe that I should speak about such a thing in company that I did not well know.88 Und wie fremd er und Oates einander seien, habe man doch daran sehen können, dass dieser ihn beim Verhör vor den Kronräten nicht erkannt habe. Daher könne er nur wiederholen, was Richter Scroggs einmal gesagt habe: that it would much enervate any man’s testimony, to the whole, if he could be proved false in any one thing.89 Mit diesen Einwänden gelang es Coleman, das Verfahren wiederaufzunehmen. Die Allokution machte möglich, was ihm der formale Rahmen der Hauptverhandlung und die dabei dominierende Fragestruktur der Konversationsordnung bislang verwehrt hatten: eine auf Vernunftgründen basierende Verteidigungsrede. Dabei erwiesen sich Colemans Argumente an diesem Punkt als zu gut, um einfach vom Tisch gewischt zu werden. Die konkrete, durch die Beiträge des Angeklagten geschaffene Situation zwang den Richter, auf Coleman und damit auf dessen Weiterführung des Verfahrens einzugehen. Das war auch deswegen nicht zu verhindern, weil die Plausibilität des Verdikts vor dem Hintergrund des Verfahrensverlaufs mehr als fragil war. Scroggs debattierte daher tatsächlich erneut mit Coleman. Er wies darauf hin, dass Sir Robert Southwell die Aussagen von Oates bestätigt habe, dass dieser selbst nicht den genauen Tag erinnern müsse, dass er im Übrigen aber sehr präzise Angaben gemacht habe usf. Vor allem versuchte er aber mehrmals, die Debatte wieder zu beenden. Die Geschworenen hätten gesprochen, es gebe nichts weiteres zu sagen, ansonsten würde kein Verfahren je zum Ende kommen: you say it in vain now, Mr. Coleman, for the jury hath given in their verdict, and it is not now to be said, for after that rate we shall have no end of any man’s trial.90 Wenn er ihm antworte, dann nur noch for your satisfaction, also ohne rechtliche Relevanz. Nach einigen weiteren Wortwechseln ließ er den Gerichtsdiener Ruhe befehlen, um dann zur Urteilsverkündung zu kommen:

88 89 90 91

Scroggs:

It is in vain to dispute it further, there must be an end. Crier, make O Yes!

Crier:

Our sovereign lord the king doth straitly charge and command all persons to keep silence while Judgment is given upon the prisoner convict, upon pain of imprisonment.91

7 ST 71. 7 ST 72. Ebd. Ebd.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

303

Eine Art Strafpredigt Seit der Restauration wurde die Verurteilung als ritueller Akt immer weiter ausgestaltet. Die Richter beschränkten sich bei Hochverrat nicht allein auf das performativ zentrale Aussprechen des Urteils, das im Tonge-Prozess mit seiner konditionalen Herleitung aus dem Verlauf des Prozesses selbst einherging.92 Vielmehr lassen sich auch Ansätze für eine Urteilsbegründung feststellen, allerdings nicht in einem rechtlichen, sondern in einem moralischen Sinne. Dass die Angeklagten schuldig im Sinne der Anklage waren, stand bei der Verurteilung ja schon fest, die Rechtsfolgen mussten deswegen nicht aufwendig begründet werden. Sie galten vielmehr als eine feststehende Konsequenz. Strafmildernde Umstände gab es noch nicht, allenfalls der König konnte Gnade vor Recht ergehen lassen. Insofern ergaben sich an diesem Punkt für den Richter Spielräume für Moralisierungen, für eine Art Verdammung von Tat und Täter. Scroggs bezog sich dabei nicht nur auf Colemans Schuld. Er forderte ihn zudem auf, umzukehren, das Verbrechen gleichzeitig auch als eine Sünde einzugestehen und Gott dafür um Vergebung zu bitten – kurzum, er hielt ihm eine Bußpredigt, und zwar im Wortsinn. Scroggs sprach hier nicht nur als Jurist, sondern auch als Seelsorger, oder, in seinen eigenen Worten, von Christ zu Christ: I have, Mr. Coleman, said thus much to you as you are a christian, and as I am one, and I do it out of great charity and compassion, and with great sense and sorrow that you should be misled to these great offences under pretence of religion.93 Wenn er seine Taten noch weiter bestreite, dann versündige er sich vor Gott, vor dem er aber sehr bald stehen werde. Denn eines sei klar: das ihn erwartende Todesurteil sei endgültig. Auch wenn der König in seiner grenzenlosen Güte inkliniert sei, ihn vor dem Schafott zu retten, so würde das Parlament die Exekution durchsetzen: I do remember you once more, that in this matter you be not deluded with any fantastic hopes and expectations of a pardon. Er sage das nur, um ihm alle eitlen Hoffnungen auszutreiben (I speak this to shake off all vain hopes from you).94 Da ihm der Tod nun gewiss sei, solle er nicht länger behaupten, er sei unschuldig: But still you say you did not design that thing, but to tell you, he that doth a sinful and unlawful act, must answer, and is liable both to God and man, for all the consequences that attend it, therefore I say you ought not to think yourself innocent.95 Wäre er, Scroggs, an Colemans Stelle, dann würde er nun nichts mehr in seinem Herzen verbergen: But seeing you have but a little time, I would have you make use of it to your best advantage; for I tell you, 92

93 94 95

Bridgeman: Thomas Tonge, George Phillips, Francis Stubbs, James Hind, John Sellers, and Nathaniel Gibbs, you six prisoners at the bar, you have been here indicted for one of the greatest crimes that can be committed upon earth as to this world, against God, our King, and your country, and against every good body that is in this land, for that capital sin of High Treason, which is a sin inexpiable, and indeed hath no equal sin as to this world. Upon this you have severally been arraigned, and have severally (except one) pleaded not guilty, and put yourselves upon God and the country for your trials; and your country have found you guilty […], 6 ST 264. 7 ST 74. 7 ST 75. 7 ST 73.

304

1650–1730: Untersuchungsregime

that though death may be talked of at a distance in a brave heroic way, yet when a man once comes to the minute, death is a very serious thing; then you will consider how trifling all plots and contrivances are, and to how little purpose is all your concealments.96 Die Zeit für Behauptungen und Versteckspiele sei vorbei. Vielmehr sei der Punkt gekommen, um Buße zu tun. Es blieben ihm nur noch wenige Momente bis zur finsteren Unendlichkeit des Todes, und die solle er besser nutzen, um seine Sünden zu bekennen und zu bereuen. Und dieses Bekenntnis gefalle Gott besser, wenn es nicht, wie bei den Papisten üblich, in das Ohr eines Priesters gebeichtet werde, sondern öffentlich: but as your offence is public, so should your confession be; and it will do you more service than all your auricular confessions.97 Nach dieser christlichen Ermahnung kehrte Scroggs zur juristischen Sprache zurück, in der er das Urteil verkündete: In which I having discharged my conscience to you as a christian, I will now proceed to pronounce Sentence against you, and do my duty as a judge: You shall return to prison, from thence to be drawn to the place of execution, where you shall be hanged by the neck, and be cut down alive, your bowels burnt before your face, and your quarters severed, and your body disposed of as the king thinks fit; and so the Lord have mercy upon your soul.98

Der Rekurs auf religiöse Sprache ist erklärungsbedürftig. Bei den Prozessen gegen die Missionare im elisabethanischen Zeitalter war es ja gerade darum gegangen, religiöse Bezüge aus den Prozessen so weit wie möglich herauszuhalten. Nur so konnte die Behauptung gestützt werden, nicht gegen Häretiker, sondern gegen Hochverräter vorzugehen. Außerdem bestand die Gefahr, dass Glaubensfragen durch jesuitischen Scharfsinn, der nicht einmal durch die schlimmste Folter getrübt werden konnte, entschieden wurden. Im Ensemble der juridischen Praktiken dieser Zeit war religiöse Sprache ein Kennzeichen des Diskurses auf dem Schafott, nicht beim Prozess. Seit der Restauration wurden predigthafte Sprechhandlungen hingegen zum Bestandteil richterlicher Redeweisen.99 Der Versuch, den Verurteilten zum Geständnis zu bringen, hatte sich sich vom Richtplatz in den Gerichtssaal verlagert. Die Funktion dieser Sprache hatte sich allerdings nicht verändert: Durch Buße sollten Defiziten des Verfahrens kompensiert werden. Nach wie vor war es wichtig, dass Verurteilte ein Sünden- und Schuldeingeständnis ablegten und damit die Wahrheit des Verfahrens bestätigten.100 Allen verfahrenstechnischen Innovationen 96 97 98 99

100

7 ST 74. 7 ST 73. 7 ST 75. Nicht nur im Prozess gegen die Tonge-Verschwörer, sondern auch im Prozess gegen den Drucker und Verleger anti-monarchischer Pamphlete John Twyn, vgl. 6 ST 536: Do not think of any time here, make your peace with God, which must be done by confession, and by the discovery of those that are guilty of the same crime with you. God have mercy upon you; and if you so do, he will have mercy upon you. Genauso wie im Inquisitionsprozess, vgl. Foucault, Überwachen und Strafen, 53.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

305

zum Trotz war der ausdrückliche Konsens des von der Entscheidung Betroffenen weiterhin von großer Relevanz. Natürlich ging es im Coleman-Prozess auch darum, dass der Verurteilte mit seinem Geständnis die haarsträubenden Ungereimtheiten der Hauptverhandlung ausbügeln sollte. Aber selbst da, wo sich die Tatsachenermittlung überzeugender vollzog, wie z.B. im Tonge-Prozess, war das Geständnis ausdrücklich erwünscht. Zumindest hatten die Verurteilten in diesem Prozess aufgrund ihrer Hoffnung auf Gnade nicht fortwährend gegen das Urteil protestiert. Aber genau das tat Coleman. Der Prozess als misslungenes Experiment In den meisten älteren Fällen war der Urteilsspruch der letzte Redezug vor Gericht. In diesem Fall aber gelang es Coleman, sich noch einmal Gehör zu verschaffen. Man schnitt ihm nicht gleich das Wort ab, wohl deswegen, weil er dem Richter zunächst sehr höflich dankte und damit scheinbar eine Verhaltenserwartung an den nunmehr zum dying penitent verwandelten Angeklagten erfüllte: My lord, I humbly thank your lordship, and I do admire your charity, that you would be pleased to give me this admirable counsel, and I will follow it as well as I can.101 Dann aber lenkte er seine Aussagen in eine ganz andere Richtung: Es sei richtig, dass das Sündenbekenntnis (confession) für einen Todgeweihten (a dying man) von größter Wichtigkeit sei. Wenn der Richter damit aber auch ein Bekenntnis der Schuld im Sinne der Anklage meine, dann könne er nur sagen, dass er dazu nichts zu bekennen habe. Als dying man könne er vielmehr versichern, not to tell a lie, no not a single lie, not to save my life. Und deswegen sei es auch wahr, wenn er sage: I never in all my life either made any proposition, or received any proposition, or knew or heard directly or indirectly of any proposition towards the supplanting or invading the king’s life, crown or dignity, or to make any invasion or disturbance to introduce any new government, or to bring in popery by any violence or force in the world. In Bezug auf die Anklage sei er so unschuldig wie ein Neugeborenes: I say […] I am as innocent of any crime that I now stand charged as guilty of, as when I was first born.102 Problematisch waren Colemans Aussagen für das Gericht, weil sie der Rolle des dying man geäußert wurden, gemäß der Überzeugung: Todgeweihte lügen nicht. Diese Rolle hatte der Richter durch sein Urteil selbst geschaffen. Indem Scroggs zudem jede Aussicht auf Gnade in Abrede stellte und damit den unmittelbar bevorstehenden Tod zur Gewissheit werden ließ, hatte er den Rollenwechsel und die damit verbundenen Erfolgschancen für Wahrheitsbehauptungen noch zusätzlich untermauert. Während in älteren Fällen erst das Schafott als jener „sacred space“ fungierte103, durch den selbstvereidigte Unschuldsbehauptungen ihre prekäre Dramatik erlangten, sorgte der richterliche Rekurs auf religiöse Sprache in seiner Strafpredigt dafür, auch den Prozess selbst zu sakralisieren. In diesem Kontext 101 102 103

7 ST 75. 7 ST 76. McKenzie, God‘s tribunal, 136.

306

1650–1730: Untersuchungsregime

konnten Behauptungen wie I say as a dying Man I am not guilty nicht einfach ignoriert werden. Nicht zuletzt der Umstand, dass solche Sprechakte vor Publikum geäußert worden waren, nötigte Scroggs erneut dazu, mit Coleman in Verhandlungen zu treten. Der Richter musste dabei nicht nur versuchen, den Verurteilten in der Sache zu korrigieren, sondern auch dessen selbstvereidigtes „Wahrsprechen“ zu unterminieren.104 Sagte Coleman etwa: Upon the words of a dying man, and upon the expectation I have of salvation, I tell your lordship, that there is not a book nor a paper in the world that I have laid aside voluntarily, dann antwortete Scroggs: I am sorry, Mr. Coleman, that I have not charity enough to believe the words of a dying man; for I will tell you what sticks with me very much: I cannot be persuaded, and nobody can, but that your Correspondence and Negociations did continue longer than the Letters that we have found, that is, after 1675.105 Praktisch nahm die Konversation damit wieder die Züge der traditionellen altercation an. Dieser Redewechsel zwischen dem Angeklagten und seinem Richter war nicht nur wegen der performativen Unschuldsbehauptungen prekär, sondern auch, weil es Coleman gelungen war, einen Disput über die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit des zuvor ergangenen Urteils zu entfachen, also eine transzendental begründete Urteilsschelte zu betreiben. Wenn irgendwo im Verfahren ein unerlaubter Konflikt nicht nur dilatorisch, sondern zersetzend wirkte, dann unmittelbar im Anschluss an die Verkündigung des Urteils, das damit als Entscheidung in seiner Kontingenz offengelegt wurde. Davor konnte das Urteil auch nicht durch Rituale geschützt werden, wenn sich der ganze Verlauf des Verfahrens als paradox gezeigt hatte, wenn Darstellung und Herstellung der Entscheidung auseinandergefallen waren, in dem Sinne, dass der Verlauf des Verfahrens nicht das dargestellt hatte, was am Ende als Entscheidung hergestellt worden war. Bei diesem Prozess war nicht nur das Problem, was Oates berichtet hatte, war nicht nur die Lügengeschichte als solche ein Reinfall, sondern vor allem, wie und in welcher Form sie im Verfahren präsentiert worden war. In der Rolle und in der Position des Zeugen, in einer auch durch den Eid privilegierten Sprecherrolle, hatte er keine Tatsachen geschaffen, sondern sich als höchst unglaubwürdig präsentiert. Wenn Coleman aber trotzdem verurteilt wurde, dann nur um den Preis, dass sich der Richter über jene durch die juristischen Formen selbst geschaffene Gegen-Evidenz hinwegsetzen und eine geradezu paradoxe Empfehlung für eine Entscheidung geben musste, die durch den Verlauf der Verhandlung in keiner Weise gedeckt war. Wenn man das Verfahren als ein Experiment begreift, dann war es gründlich misslungen – nicht nur, weil es nicht das vorbrachte, was man sich erhofft hatte, sondern weil die erwünschte Reaktion, der Schuldspruch, in merklicher Weise fingiert worden war. Das Experiment war gescheitert, da Verdikte nicht mehr, wie im Rhetorischen Regime, als Ergebnis einer Art von Selbsterforschung durch Geschworene (die selbst die Zeugen waren) gedeutet werden konnten. Genauso wie beim öffentlichen Experiment die Zuschauer am Prozess 104 105

Im Sinne von Foucault, Der Mut zur Wahrheit, 290ff. 7 ST 76f.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

307

der Erkenntnisproduktion teilhaben konnten  – also sahen, ob die Luftpumpe funktioniert hatte oder nicht –, so mussten nun auch vor Gericht Verdikte auf der Grundlage von Zeugenaussagen intersubjektiv nachvollziehbar erzeugt werden. Auch hier musste sich die Beweisführung sozusagen sehen lassen. 3. SCHAUPROZESSE UND FORMALISIERUNG In der Forschung gelten die Prozesse gegen die angeblichen papistischen Verschwörer als Schauprozesse par exellence. Ein solches Ausmaß an Rechtsbeugung meinten Historiker erst wieder bei den stalinistischen Schauprozessen gesehen zu haben.106 Die Popish Plot-Prozesse waren Schauprozesse in dem Sinne, dass ihr Ausgang zumindest in einigen Fällen nicht offen war – allerdings zeigte der Freispruch von Wakeman, dass das nicht immer der Fall war. Auch waren Zynismus und Boshaftigkeit auf der Richterbank notorisch, und es ist kein Wunder, dass Juristen wie Scroggs oder sein Nachfolger George Jeffreys seit dem 18. Jahrhundert den Inbegriff des furchtbaren Richters vorstellen, von dem es sich für alle Juristen maximal abzugrenzen galt.107 Trotzdem waren die Papisten-Prozesse keine Schauprozesse in der Art und Weise, wie diese in Moskau 1936/37 geführt worden waren. Bei den stalinistischen Schauprozessen war die bestätigende Mitwirkung der Angeklagten konstitutiv; diese traten in den Verhandlungen als (gehirngewaschene) „Geständnisvirtuosen“ hervor. Dabei handelte es sich tatsächlich vollständig um ein Theaterstück: „Die stalinistische Inquisitionspraxis stützt sich, so paradox es klingen mag, auf den Willen der Angeklagten zum Erlernen und zur Darstellung ihrer vorgeschriebenen Theaterrollen. Nur diejenigen, die bereit sind, an der Inszenierung des Lehrstücks teilzunehmen, werden als Darsteller für die Aufführung akzeptiert. Schweigsame und unbußfertige Schauspieler sind für diese Rollen ungeeignet“.108 In den englischen Hochverratsprozessen der späten Stuartzeit waren die Angeklagten weder schweigsam noch bußfertig. Coleman und andere englische Katholiken, die nachfolgend vor Gericht standen, spielten auch sicher keine einstudierte Rolle. Sie beteuerten vielmehr bis zuletzt mit eidesstattlichen Versicherungen ihre Unschuld. Bei aller antikatholischen Hysterie irritierten solche Verhaltensweisen die zuschauende oder lesende Öffentlichkeit. Selbst der whiggistische Publizist Gilbert Burnet notierte in seinen Aufzeichnungen: I found his behaviour made great 106

107 108

Smith, English treason trials and confessions in the sixteenth century; Christenson, Political trials in history, 334ff.; Duff / Farmer / Marshall, The trial on trial, 38ff.; Scott, England‘s troubles, 48; McKenzie, Tyburn‘s martyrs, 225; Goldie / Jackson, Williamite Tyranny and the Whig Jacobites, 190. Campbell, Atrocious judges, 168ff. Zur Rezeptionsgeschichte vgl. Hamburger, Law and judicial duty. Riegel, Die Inszenierung von Verbrechen, 236. Zu den Prozessen allg. Schlögel, Terror und Traum, 103ff. Solche Schauprozesse waren extrem voraussetzungsreich und damit wohl eher die Ausnahme bei dieser Kategorie nicht-offener Verfahren; zu jüngeren Schauprozessen, etwa gegen die russische Band „Pussy Riot“ vgl. Schuler, Reinventing the show trial.

308

1650–1730: Untersuchungsregime Abb. 24: Angebliches Verschwörertreffen im ‚Wild House‘, aus einem Set an Spielkarten zum ‚Popish Plot‘, 1679.

impression of them all.109 Die Obrigkeit reagierte auf solche Performanzen der Unschuld und Unbeugsamkeit zum einen wie auch am Ende des 16. Jahrhunderts. Erneut wurden Umdeutungsversuche lanciert und publiziert oder die Verurteilten als Lügner denunziert. Darauf gehe ich in Abschnitt 4 näher ein. Zum anderen versuchte man aber auch, die Verfahren selbst als Legitimationsinstanz zu mobilisieren. Man versuchte dort, den Angeklagten dadurch die Schau zu stehlen, indem man die Förmlichkeiten des Verfahrens demonstrativ zur Schau stellte. Das hatte allerdings Effekte, die über die Intentionen der Verfahrensveranstalter hinausgingen. Genauso wie die (paradoxe) Diskussion über die Folter in den 1580er Jahren dazu führte, dass Gewaltmittel aus dem Arsenal der juridischen Praktiken verschwanden (abgesehen von der peine forte et dure), so hatte auch die Inszenierung von Verfahrensförmlichkeiten in den Hochverratsprozessen der 1680er Jahren zur Folge, dass man dahinter nicht mehr zurückfallen konnte. Auch Schauprozesse haben damit ihren (bescheidenen) Anteil an der Ausdifferenzierung und Formalisierung von Gerichtsprozessen, auch wenn das behauptete fair play kaum eine brauchbare Beschreibung des Verlaufs der zwei Verfahren gegen die Jesuiten William Ireland, Thomas Whitebread, William Harcourt, John Fenwick, John Gavan und Anthony Turner sowie die beiden angeblichen Auftragsmörder Thomas Pickering und John Grove liefert. Auch hat man es hier mit dem Grundproblem aller Schauprozesse zu tun, dass durch noch so viel Förmlichkeit Überzeugungskraft nicht einfach mitproduziert wird. Die Zurschaustellung von „fair trial“ in den Jesuitenprozessen des Popish Plot In beiden Fällen lautete die Anklage auf eine hochverräterische Verschwörung, bei der die Angeklagten im April und im August 1678 in der Londoner Taverne White Horse Pläne zur Ermordung Karls II. beschlossen haben sollten. Pickering, ein benediktinischer Laienbruder, und Grove, ein katholischer Laie, seien als Attentäter eingeplant gewesen. Beim ersten Teil des Prozesses gegen Whitebread, Fenwick, Ireland, Pickering und Grove am 17. Dezember 1678 – die anderen „Verschwörer“ hatte man noch nicht gefasst – hatten die Anklagevertreter dafür gesorgt, dass Oa109

Burnet, History of his own time, 437.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

309

tes besser auf Befragungen vorbereitet war als beim Coleman-Prozess. Vor allem sollte er in die Lage versetzt werden, bei Detailfragen nicht ins Schwimmen zu geraten. Die Fragen kamen in diesem Prozess nicht nur von Scroggs und den Angeklagten, sondern auch von den Geschworenen.110 Dabei kam es Oates zupass, dass ihm das Lügen bei diesem Teil der Geschichte viel leichter fiel, insofern er behauptete, bei einem Treffen von Jesuiten und Benediktinern im Wild House (der Residenz einer katholischen Gentry-Familien in London) dabei gewesen zu sein (Abbildung 24).111 Mit eigenen Augen habe er gesehen, wie die Verschwörer den Beschluss unterzeichnet hätten.112 Darüber ließen sich leichter Einzelheiten aussagen bzw. erfinden als über Colemans Verstrickung in die angebliche Verschwörung. Ein Beispiel dafür:

110 111 112

Scroggs:

Mr. Oates, let me ask you once again, when there was the appointment made for Grove and Pickering to kill the king, who signed it?

Oates:

At least forty signed it.

Scroggs:

Did the other three sign it?

Oates:

Yes, my lord, all of them.

Scroggs:

Name them.

Oates:

There was Whitebread, Fenwick, and Ireland.

Scroggs:

And you say you went from place to place, and saw it signed?

Oates:

Yes, my lord, I did.

Scroggs:

Were you attendant upon them?

Oates:

My lord, I ever was since the year 1666.

Scroggs:

At whose lodgings did you use to attend upon the consultation?

Oates:

At the Provincial’s chamber, Mr. Whitebread.

Scroggs:

Where was it first signed?

Oates:

At the Provincial’s chamber.

Dagegen ist rechtlich bis heute nichts einzuwenden, es wird aber, wie in Kapitel 4 gezeigt wird, seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr praktiziert. Pollock, The Popish Plot, 197. Die englischen Verschwörungstheorien des 16. und 17. Jahrhundert malen sich die Planung des Bösen stets als einen rationalen, schriftlich dokumentierten, protokollierten und besiegelten Vorgang aus, der nicht anders verläuft als legale Beratungen, etwa von königlichen Ministern, auch.

310

1650–1730: Untersuchungsregime

Scroggs:

Who carried it from lodging to lodging?

Oates:

I did.

Scroggs:

When was it?

Oates:

The 24th of April.113

Dass anhand von Detailwissen Glaubwürdigkeit inszeniert und damit der gesamten Anklage Plausibilität verliehen werden konnte, war auch schon den Verfahrensveranstaltern bewusst. Nach einer längeren und ins Detail gehenden Befragung des zweiten Zeugen, Bedloe, erklärte der Richter: The meaning of all this is only to shew the Jury and satisfy them, that he was an agent for these men, and hath been employed by them for five years together, and he names you the particular places whither he hath been sent, to shew you the reasons of his knowledge in this matter, and upon what account he comes to be informed of this design.114

Zu den Praktiken der Erzeugung von Glaubwürdigkeit, zum „epistemological decorum“ des 17. Jahrhunderts, gehörte allerdings auch das (öffentliche!) Eingeständnis von Nichtwissen.115 Gerade der Umstand, dass Oates im Coleman-Prozess so getan hatte, als wisse er über alles und jeden Bescheid, hatte Richter Scroggs immer wieder in Rage gebracht. Dagegen gab der Zeuge Bedloe zu, über Whitebread und Fenwick nichts zu wissen. Er konnte und wollte also ausdrücklich nicht bezeugen, dass diese beiden das Todesurteil Karls II. unterschrieben hatten: Scroggs:

What say you to Whitebread?

Bedloe:

They have said, that he was very active in the plot; but I know it not.

Scroggs:

That is not any evidence against him. What can you say, as to Fenwick?

Bedloe:

No more than I have said, as to Mr. Whitebread: I only know him by sight.

Scroggs:

Then he charges only these three upon oath, Ireland, Pickering, and Grove.116

Scroggs zog aus diesem Eingeständnis von Nicht-Wissen die Konsequenz, Whitebread und Fenwick aus dem Verfahren auszuschließen:

113 114 115 116

7 ST 98. 7 ST 108. Shapin, A social history of truth, 237. 7 ST 110.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

311

it is a great evidence that is against them; but it not being sufficient in point of law, we discharge you of them; it is not a legal proof to convict them by, whatsoever it may be to satisfy your consciences. Therefore remove Mr. Fenwick and Mr. Whitebread from the bar, and let the other three say what they will for themselves.117

Was als Geste der Fairness und als strikte Rechtsförmigkeit (we must go according to law […] it [is] not sufficient in point of law118) erscheinen sollte, war aber in Wahrheit ein perfider Trick. Indem Scroggs die beiden Jesuiten aus dem Prozess entfernte, verhinderte er, dass sie offiziell freigesprochen wurden. Auf diese Weise konnten sie, als neue ‚Beweise‘ vorlagen (also weitere verlogene Zeugen gefunden waren), erneut vor Gericht gestellt werden, ohne gegen das ne bis in idem-Prinzip119 zu verstoßen. Richter Scroggs machte auch keinen Hehl daraus, dass der Ausschluss vom Verfahren keinen Freispruch zu bedeuten habe.120 Der Prozess lief in diesem Fall für die Veranstalter auch deshalb besser, weil die Angeklagten passiver agierten als Coleman drei Wochen zuvor. Das hatte auch mit dem fortgeschrittenen Alter von Whitebread (*1618), Fenwick (*1628) oder Pickering (*1621) zu tun. Die Männer wirkten während des Prozesses konsterniert, überfordert und resigniert. Ihre Bereitschaft, unerlaubte Konflikte auszulösen, war gering. An den wenigen Punkten, wo sie die Befragung der Zeugen unterbrachen, wurden sie von Scroggs auf später vertröstet, stets einhergehend mit der Behauptung, genau diese geregelte Abfolge der Verfahrensschritte sei das Kennzeichen eines fair trial: Whitebread:

My lord, we can prove …

Scroggs:

You shall have time sufficient to make what defence you can, you shall be sure to have a fair trial, and be stopt of nothing that you will think fit to say for yourselves. Mr. Oates, were Pickering and Grove present?121

Der Verweis auf ein fair trial war in diesem Prozess regelrecht topisch. Das zeigt, wie wichtig es inmitten einer antikatholischen Hysterie selbst bei einem Prozess gegen Jesuiten war, zumindest den Anschein von Gerechtigkeit zu erwecken. Tatsächlich aber diente Scroggs der fair trial-Topos immer wieder dazu, um den Angeklagten mögliche Rechte zu verwehren. Als Fenwick etwa erklärte, dass er vom Magistrat der Stadt St. Omer mit Brief und Siegel bestätigt bekommen könne, dass sich Oates im April 1678 noch im dortigen Jesuitenkolleg aufgehalten hatte, antwortet ihm Scroggs: 117 118 119 120

121

7 ST 120. Ebd. I. S. v.: Niemand darf zweimal wegen der gleichen Sache vor Gericht gestellt werden. Scroggs: (speaking to the gaoler) you must understand they are no way acquitted; the evidence is so full against them by Mr. Oates‘s testimony, that there is no reason to acquit them. It is as flat, as by one witness can be; and the king hath sent forth a proclamation for further discovery; before the time therein prefixed be out, no question there will come in more evidence therefore keep them as strict as you can, 7 ST 120. 7 ST 105.

312

1650–1730: Untersuchungsregime

You shall have a fair trial; but we must not depart from the law or the way of trial, to serve your purposes. You must be tried according to the law of the land.122

Als William Ireland verlangte, dass man seinen Beichtvater aus St. Omer als Zeugen herbeirufen sollte, hielt Scroggs ihm das als einen faulen Trick vor, der in einem fair trial nichts zu suchen habe: Mr. Ireland, you shall have a fair trial, but you will not have cunning or art enough to deceive the jury, nor will Mr. Whitebread have learning enough to baffle the court.123

Scroggs glaubte also nicht, dass sich Jesuiten aus Frankreich tatsächlich auf den Weg nach England machten, um ihre Brüder durch ihre Aussagen zu entlasten – schließlich galt die Einreise von Jesuiten seit 1581 als Hochverrat. Allerdings sollten Whitebread und die beiden anderen Angeklagten tatsächlich Entlastungszeugen berufen. Zumindest sollte die Möglichkeit dazu als Ausweis von fair play symbolisiert werden. Denn als ihnen die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben wurde – auch der Übergang zu dieser Sequenz wurde in diesem Prozess viel klarer markiert als in den Prozessen zuvor (Now Gentlemen, you shall have liberty to make your full defence124) – war damit eben nicht eine freie Gegenrede gemeint, sondern das Recht, Zeugen zu berufen. Denn genausowenig wie die Kronanwälte konnten auch die Angeklagten nicht ihre eigenen Zeugen sein, mussten sie, um Tatsachen zu schaffen, ebenfalls Zeugen für sich sprechen lassen. Unter ihren Haftbedingungen war das natürlich so gut wie unmöglich, erklärte etwa Ireland: Scroggs:

Call your witnesses.

Ireland:

If there be any of them here.

Scroggs:

Whoever comes to give evidence for you, shall go and come in safety; they shall not be trepanned for any thing of that, but they shall be heard.

Ireland:

My lord, we are kept so strict, that we are not permitted to send for any body.125

Das sei dann aber seine eigene Schuld, entgegnete Scroggs. Denn er habe Ireland Besuche von seiner Schwester erlaubt. Durch sie hätte er Zeugen ausfindig machen lassen können.126 Scroggs hielt Ireland also das Fehlen von Zeugen als selbstverschuldetes Versäumnis vor. Zugleich nutzte er diesen Umstand dazu, um die Ver-

122 123 124 125 126

7 ST 105. 7 ST 116f. 7 ST 120. 7 ST 121. Scroggs: As soon as your sister came to me, I ordered she should have access to you, and that you should have pen, ink and paper, in order to your defence; therefore call those witnesses you have, to prove what you say, 7 ST 121.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

313

teidigung des Angeklagten zu erschweren. Ohne Zeugen, so Scroggs, galten seine Behauptungen vor Gericht nichts: Scroggs:

Your sister had leave to go to whom you thought fit, in your behalf. You said you would prove it. Why don’t you?

Ireland:

I do as much as I can do.

Scroggs:

What, by saying so?127

Weil es also zunächst keine Entlastungszeugen gab, nutzen die Kronanwälte die Gelegenheit, um eine Sarah Paine, ein ehemaliges Hausmädchen von Grove, als Zeugin aufzurufen. Scroggs entlockte ihr die Aussage, dass sich Grove und Ireland im August 1678 in London aufgehalten hätten, woraus der Richter schlussfolgerte, dass sie dann auch bei den konspirativen Treffen gewesen sein müssten. Bei aller Förmlichkeit schien es also kein Problem gewesen zu sein, bei einer Sequenz, die ausdrücklich für die Verteidigung reserviert worden war, dem Gang des Verfahrens Zeugen der Anklage unterzuschieben. Ebenso unproblematisch war es aber, Irelands plötzlich auftauchende Mutter und Schwester kurzfristig zu Wort kommen zu lassen. Beide versicherten, dass sich der Angeklagte den ganzen Sommer über auf einem Anwesen in Staffordshire aufgehalten habe. Die spontane Integration dieser Zeugen war auch deshalb möglich, weil die Zeugen der Verteidigung nicht vereidigt wurden. Darüber beschwerten sich nicht nur die Angeklagten heftig. Diese schon schon ältere Gewohnheit war auch von den Common Lawyern stets mit Stirnrunzeln betrachtet worden. Kein Geringerer als Edward Coke hatte sich über diese Praxis gewundert: And to say the truth, we never read in any act of parliament, ancient author, book, case, or record, that in criminall cases the party accused should not have witnesses sworne for him, and therefore there is not so much as scintilla juris against it.128 Obwohl also gegen das Vereidigungsverbot nicht einmal ein Rechtsfünkchen (scintilla juris) stand, versteiften sich die Verfahrensveranstalter darauf. Der beisitzende Richter Francis North erklärte: In no capital case against the King can the Witnesses for the Prisoner be sworn.129 Zum Skandal wurden unvereidigte Zeugen allerdings nicht bei den Popish Plot-Prozessen, sondern erst, als Whigs zwischen 1683 und 1685 vor Gericht standen. Im laufenden Fall nahmen die jesuitischen Angeklagten diese gewollte Benachteiligung schließlich resigniert hin, genauso wie sie den Rest der Verhandlung über sich ergehen ließen, an deren Ende Ireland, Pickering und Grove schuldig gesprochen wurden. Zur Allokution aufgefordert, antwortete John Grove nur: I am as innocent as the Child unborn.130

127 128 129 130

7 ST 121. Coke, The third part of the Institutes of the laws, 79. 7 ST 359. 7 ST 137.

314

1650–1730: Untersuchungsregime

4. HINRICHTUNGEN ALS NACHTRÄGLICHE LEGITIMATIONSVERSUCHE Es verwundert nicht, dass die Verurteilten ihre Unschuldsbehauptungen nicht am Prozessende einstellten. Wie bei der Hinrichtungswelle am Ende des 16. Jahrhunderts nutzten die angeblichen Hochverräter auch diesmal das Schafott als Bühne zur Artikulation von Dissens und Protest.131 Und wie in elisabethanischer Zeit erzielten sie damit erhebliche Resonanz. Der whiggistische Theologe Gilbert Burnet bescheinigte Coleman, dass dieser bis zum letzten Atemzug alles das bestritten habe, which the witnesses had sworn against him. Davon habe er selbst dann nicht lassen wollen, als man ihm für sein Geständnis einen Strafnachlass angeboten habe. He still protested his innocence, auch noch unter dem Galgen, und dieses Verhalten made great impression auf die Zuschauer.132 Auf der toryistischen Seite erinnerte der Chefzensor der Krone, Roger L’Estrange, der den Popish Plot von Anfang an für eine reine Verschwörungstheorie hielt und darin vor allem eine Wiederholung der antiroyalistischen Stimmung der 1640er Jahre sah, in seiner bereits 1679 erschienenen History of the Plot an Colemans Unschuldsbehauptungen: Afters Sentence past, the Prisoner denyed the making or recieving; the knowing or hearing, either directly or indirectly, of any propositions for the destroying of the King; the subverting of the Government; or the bringing in of popery by violence, or by the help af any Forein power. He declared upon his Salvation, that he had given the House of Commons a true acoompt of all his Books, Papers, and Correspondences […]. Upon the Tuesday following, the Sentence was Executed upon him, at Tyburn; where he thanked God that he dyed a Catholick […].133 Auch der Chronist Narcissus Luttrell hob hervor, dass Coleman denied all.134 Ganz ähnlich verhielt es sich bei Ireland, Grove und Pickering im Frühjahr 1679 – they denied to the last every particular that was sworn against them135 – sowie bei den fünf Jesuiten im Juni dieses Jahres: At their execution they did with the greatest solemnity, and the deepest imprecations possible, deny the whole evidence upon which they were condemned.136 Einmal mehr ließ sich also die öffentliche Hinrichtung als ein Forum konkurrierender Wahrheitsansprüche instrumentalisieren.137 Das hatten die Verurteilten auch selbst sehr genau gewusst. William Harcourt, einer der fünf Jesuiten, begann seine Dying Speech am 20. Juni 1679 mit der Erklärung: The words of dying persons have been always esteemed as of greatest authority; because uttered then, when shortly after they are to be cited before the high tribunal of Almighty God. Eben aus dem Grund, weil den Worten eines Todgeweihten besondere Wahrhaftigkeit zu eigen sei, hoffe er, dass man ihm glaube, wenn er sage: in the presence of Almighty 131 132 133 134 135 136 137

Vgl. dazu McKenzie, Tyburn‘s martyrs, 225f. Hier zitiert nach der Ausgabe Burnet, Bishop Burnet‘s history of his own time, Bd. 2, 170. L’Estrange, The history of the Plot, 11. L’Estrange publizierte schon auf das als Wegbereiter der Verschwörungstheorie geltende Pamphlet von Marvell, An Account of the Growth of Popery. Luttrell, A brief historical relation, Bd. 1, 4. Burnet, History of his own time, 183. Ebd., 222. Dazu grundlegend McKenzie, God‘s tribunal, 225–249.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

315

God, the whole court of heaven, and this numerous assembly, that as I ever hope, by the merits and passion of my Lord and sweet Saviour Jesus Christ, for eternal bliss, I am as innocent as the child unborn of any thing laid to my charge, and for which I am here to die.138 Ähnliche Formulierungen, angereichert mit eidlichen und quasieidlichen Versicherungen, nutzten auch die anderen Verurteilten, z.B.: Whitebread:

So that I am not now upon terms to speak other than the truth; and therefore, in his most holy presence, and as I hope for mercy from his divine majesty, I do declare to you here present, and to the whole world, that I go out of the world as innocent and as free from any guilt of these things, laid to my charge in this matter, as I came into the world from my mother’s womb […].139

Turner:

I am bound in conscience to do myself that justice, as to declare upon oath my innocence from the horrid crime of treason, with which I am falsly accused […]I call God to witness, that I was never in my whole life present at any consult or meeting of the Jesuits, where any oath of secrecy was taken, or the sacrament, as a bond of secrecy, either by me, or any one of them, to conceal any plot against his sacred majesty […].140

Grove:

We are innocent; we lose our lives wrongfully; we pray to God to forgive them that are the causers of it.141

Diese Unschuldsbekundungen wurden durch gedruckte last dying speeches einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und zwar sowohl durch die katholische Unterstützerszene als auch von kommerziellen Pamphletisten.142 Nicht zuletzt wegen dieser massenhaften Verbreitung waren die Äußerungen zum Problem geworden, und zwar so sehr, dass eine ganze Reihe von offiziösen Pamphleten gedruckt wurde, die die Unschuldsbehauptungen umzudeuten versuchten. Trotz der antikatholischen Pogromstimmung  – die Verurteilungen hatten beim Publikum 138 139 140 141 142

7 ST 493. 7 ST 492. 7 ST 493f. 7 ST 143. Zum kommerziellen Vertrieb von Hinrichtungsreden Faller, Turned to account; Shesgreen, The cries of London. Die Prozesse und Hinrichtungsreden der fünf Jesuiten waren von dem Benediktiner James Corker (1636–1715) in Umlauf gebracht worden. Bei seinen Publikationen handelte es sich um ausführliche Darstellungen der Verfahren auf der Grundlage von KurzschriftManuskripten, die offenbar nicht subversiv wirken sollten, sondern eine Art Leidensgeschichte für Glaubensgenossen darstellten. Es ging Corker aber offenbar auch darum, die Katholiken als treue Untertanen des Königs zu präsentieren, die sich den Verfahren stellen, auch wenn sie ihre Unschuld bis zum letzten Atemzug beteuerten. 1680 verfasste er – anonym – ein noch in diesem Jahr dreimal aufgelegtes, kurzes Traktat über Roman-Catholick principles in reference to God and the King (Corker, Roman-catholick principles), in dem er die Loyalität und den Patriotismus der englischen Katholiken zu beweisen versuchte und seine Glaubensgenossen dazu aufrief, den Oath of Allegiance nicht zu verweigern; die Publikationspraxis des katholischen Untergrunds beleuchtet Knights, John Starkey and ideological networks.

316

1650–1730: Untersuchungsregime

im Gerichtssaal und auf den Straßen Londons für Jubel gesorgt – schien es keine Option gewesen zu sein, die Unschuldsbeteuerungen einfach im Raum stehen zu lassen. Denn wie voreingenommen die englischen Protestanten auch immer waren: Das Geschehen auf dem Schafott sorgte für erhebliche Irritationen. Burnet hatte registriert, dass these executions, with the denials of all that suffered, made great impressions on many.143 Der Herausgeber der ersten State Trials-Edition, Thomas Salmon, bemerkte 1737, dass die Protestations of so many dying Men, that they knew nothing of any Plot, auch deswegen erhebliche Resonanz entfaltet hätten, weil die Leute diese gegen die Beweise und die Aussagen der Kronzeugen abgewogen hätten. Die numerous Improbabilities and Contradictions in their Evidence staggered the Faith of the most willing Believers.144 Gerade, weil Gerichtsprozesse der Restaurationszeit nicht mehr als Streitgespräche, sondern als Faktenerzeuger verstanden wurden, bekamen sie ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn die zu einem Todesurteil nötigen Fakten eben nicht erzeugt worden waren. Insofern stimmt es auch nicht, wenn der Historiker John Kenyon schreibt, dass die Hochverratsprozesse des Popish Plot nicht der Wahrheitsfindung gedient hätten: „It was a morality play, staged as a demonstration of government power, an affirmation of kingly authority, and a warning to the unwary”.145 Als Moralschauspiel hatten sie vielmehr ebenso versagt wie als Wahrheitsgarant – eine Erwartung, die von öffentlicher Seite sehr wohl an die Verfahren gerichtet wurde. Umdeutungsversuche Schon Tage nach der Hinrichtung von Coleman im Dezember 1678 erschienen zwei Pamphlete, mit der Botschaft, dass Coleman zwar sein Verbrechen nicht eingestanden habe, man aber sein körperliches Verhalten als ein nonverbales Schuldeingeständnis nehmen könne.146 Nach einer kurzen (Verfalls-)Geschichte von Colemans Leben (geboren als Protestant, verführt durch Jesuiten, gewirkt als eifernder Zelot, der dem König nach dem Leben trachtete und deswegen zurecht wegen Hochverrats verurteilt worden war), skizzierte der Verfasser das Verhalten Colemans am Tag seiner Hinrichtung: wie er scheinbar vollkommen ungerührt im Schlitten saß, den Hut auf dem Kopf und in die Lektüre eines Breviers vertieft, weswegen keiner der Zuschauer am Straßenrand sein Gesicht sehen konnte (was verdächtig war). Auf dem Schafott neben dem Henker habe er dann sehr aufrecht gestanden (with a very erect body) und Haltung gezeigt, wobei man Tränen in seinen Augen habe sehen können, was für die Roman Catholick Gallantry üblich sei147 – ein subtiler und konfessionell begründeter Hinweis auf die gekünstelten, geradezu heuchlerischen Verhaltensweisen, die man Höflingen zuschrieb und von denen sich aufrechte Pro143 144 145 146 147

Burnet, History of his own time, 223. Salmon, A new abridgement, 367. Kenyon, The Popish Plot, 116. Anon., The true manner of the execution. Ebd., 5.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

317

Abb. 25: Anon., A looking-glass for traytors, or, High treason rewarded being a full account of the examination of the second person that was executed in Novem. 1678 by name, Edward Coleman, [London] [1687].

testanten bewusst abgrenzten.148 Ein anderes Pamphlet über die Hinrichtung, eine True relation of the execution of Mr. Edward Coleman at Tyburn, berichtete, Coleman habe auf dem Weg nach Tyburn immer wieder Stoßgebete (ejaculations) zum Himmel geschickt – erkennbar an the lifting up of his hands and Eyes.149 Dies hätten die Leute zum Zeichen dafür genommen, that he had a true sense of his wickedness. Auch wollte der anonyme Berichterstatter – obwohl doch the noise of the multitude was so great, that even those who were nearest him had much ado to hear any thing distinctly that he spake – gehört haben, dass Coleman seine Absichten, so viele Engländer wie möglich dem Papst untertan zu machen, eingestanden habe.150 Wie in den 1580er Jahren so setzte man auch diesmal auf Rechtfertigungslyrik. Neu war aber, dass man die Verse auf bekannte Melodien nun auch singen konnte und zudem holzschnittartige Bilder zum Einsatz kamen. Zu Colemans Hinrichtung wurde mit A looking-glass for traytors ein solcher bebilderter Druck unters Volk gebracht (Abbildung 25). Neben allgemeinen Warnungen vor Hochmut, Verrat und Papismus reimte die Ballade auch ganz konkret über Colemans Verfahren und die angeblich so klaren Beweise. The Prisoner being brought to VVestminster; / And there in Court, Indicted at the Bar: / His Crimes were all laid open unto view, / As horrid things, as ever Christian knew. […] The Evidence against him did appear, / And prov’d the accusation to be 148 149 150

Vgl. Smuts, Culture and power in England, 116ff. Anon., A True relation, 5. Ebd.

318

1650–1730: Untersuchungsregime

clear: / His sinful evasions could not satisfie; / The truth was as apparent as the sky / The Tryal lasted for eight hours at last, / Where multitudes of people throng’d and prest: / Before my Lord Chief Justice he was try’d, / And many other Learned men beside. / At lenght the Jury in their verdict brought, / And in the Court declared as they ought: / The Prisoner of High Treason guilty was, / But being night, no sentence then did pass. / Next Morning he was brought unto the bar, / Where Sentence did proceedd on him so far: / That he should drawn, Hang’d, quartered be, / For this his Treason, and his Treachery.151

Auch anlässlich der Hinrichtung von Ireland, Grove und Pickering wurde gereimt, dass die Unschuldsbehauptungen der Verurteilten ohne Grund seien, weil die Urteile aufgrund gerechter Prozesse gefällt worden seien, und zwar nicht wegen ihres katholischen Glaubens, wie nun schon wieder allenthalben in den katholischen Ländern behauptet werde, sondern wegen Staatsverbrechen: On Tuesday the 14th last past, 1678, these Romish Emissaries, on a most fair and equal Tryal, were Condemned to die, not in the least for their Religion […]; for ‘twas a Crime of the same species that at first made Angels Devils; I mean High Treason.152

Eine andere Strategie verfolgten die Pamphlete, die nach der Hinrichtung der fünf Jesuiten im Juni erschienen waren. Auch diese Männer beteuerten ihre Unschuld bis zum letzten Atemzug. Zur nachträglichen Rechtfertigung der Hinrichtungen wurden die last dying speeches im Wortlaut abgedruckt, um sie dann als großes Lügengebäude zu entlarven: Die Protestanten seien es gewohnt, ihre Worte gewissenhaft zu wählen. Sie erachteten es als eine Todsünde, in der Stunde ihres Todes nicht die Wahrheit zu sagen. Daher hielten sie gewöhnlich diejenigen für unschuldig, who, when they are dying, assert their innocency with the highest asseverations.153 Die ehrlichen und friedliebenden Protestanten hätten nichts mit Kriminellen zu tun, noch seltener mit Jesuiten, und womöglich begegneten sie solchen Leuten daher unvoreingenommen. Doch gerade die Jesuiten wüssten, that the last words of dying men bear a great sway amongst the living, and that the swanlike sentences of those that sing at their departure, being cunningly insinuated and politicly made use of, penetrate more deeply than can be imagined in the hearts of the credulous and unstable.154 Die Leute kämen aber nicht nur dann zu einer anderen Einschätzung dieser dying speeches, wenn sie die überwältigende Beweislage zur Kenntnis nähmen, sondern vor allem, wenn sie wüssten, dass Lügen eine altbekannte papistische Methode sei: For by the common doctrine taught and received amongst them, they are furnished with expedients whereby they may deny what is most true, and affirm what is most false; and that with most solemn oaths or dreadful imprecations […] and so may without any scruple endeavour to deceive others by the use of such falseness, as at 151 152 153 154

Anon., A looking-glass for traytors. Anon., The execution of William Ireland, 4; inhaltsgleich ist Anon., The confessions and execution of the two Jesuits. Anon., The true speeches of Thomas Whitebread, zit. nach 7 ST 543. Anon., The last speeches of the five notorious traitors, zit. nach 7 ST 491.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

319

other times, so even when they are dying. Their principal artifice, to wave others, is that which they call mental equivocation, not on account of the ambiguousness in the words, though they may make their advantage of this also; but because of a double sense in some proportion, partly expressed, and partly reserved in their minds; so that it is true in their own sense, but false in the sense of all that hear it. The use of it is allowed by all sorts of Papists, and particularly the Jesuits […].155

Der Verfasser des Pamphlets spielte hier auf die Praxis der Dissimulation an, die man für eine typisch katholische Technik der Irreführung hielt. Bei den Ermittlungen gegen den 1595 als Verräter hingerichteten Jesuiten Robert Southwell war ein handschriftlicher Treatise of Equivocation aufgetaucht.156 Für die englische Obrigkeit war der Fund ein Glücksfall, ließ sich damit von nun an behaupten, dass die Jesuiten eine nevv art of lying entwickelt hätten und man ihren Behauptungen deswegen keinen Glauben schenken müsse.157 Bei der Äquivokation, auch Mentalreservation genannt, handelte es sich um eine kasuistische Doktrin, die es einem Sprecher unter bestimmten Bedingungen erlaubte, zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten zu unterscheiden.158 Diese Doktrin war tatsächlich den um 1600 nach England gehenden Jesuiten mitgegeben worden, als eine Art Überlebensstrategie, um sich vor Obrigkeiten nicht ohne Not als Missionar erkennen geben zu müssen.159 Eine Unschuldsbehauptung im Prozess oder gar auf dem Schafott war damit aber nicht gedeckt.160 Von der sündigen Praxis der Mentalreservation lasse sich, so fuhr der Pamphletist fort, heutzutage niemand mehr beeindrucken: Seriously such words in circumstances, would have been very significant from men whose principles allow of nothing but truth and sincerity; but from those whose doctrine bids defiance to both, they signify little, besides a warning to take heed lest we be deluded. Und daher gelte die Regel: we must not, as the case stands, believe a Jesuit, whether he says or swears, no not when he is dying.161 Um die Leute über die angebliche Kunst der Äquivokation aufzuklären, wurden in dem Pamphlet nicht nur die vollständigen Reden abgedruckt, sondern auch eine Art Digest über typische eidesförmige Unschuldsbehauptungen, die aber stets im gegenteiligen Sinne aufgefasst werden sollten (Abbildung 26).162 In anderen, nach Hinrichtungen publizierten Pamphleten wurde die häufig vorkommende Erklärung der Verurteilten to be as innocent as the child unborn bereits als eine scheinheilige und topische Phrase (old canting expression) denunziert.163 Neben den antikatholischen Ausdeutungen des Hinrichtungsgeschehens erschienen zwischen 1679 und 1681 noch dutzende Pamphlete, die sich der jesuitischen Dissimulationspraxis im Detail widmeten und daraus 155 156 157 158 159 160 161 162 163

Anon., The true speeches of Thomas Whitebread, zit. nach 7 ST 543. McCoog, The Society of Jesus 1589–1597, 188ff.; Carrafiello, Robert Parsons. Mason, The nevv art of lying couered by Iesuites; Morton, A full satisfaction. Zagorin, Ways of lying; Tutino, Shadows of doubt; Walsham, Church papists. Rose, Cases of conscience. Tutino, Between nicodemism and ‚honest‘ dissimulation. Anon., The true speeches of Thomas Whitebread, zit. nach 7 ST 552f. Anon., The true speeches of Thomas Whitebread, 9. Anon., Animadversions on the last speech, 3; Oldham, The Jesuits justification.

320

1650–1730: Untersuchungsregime Abb. 26: Übersicht der als Lügen zur erachtenden Eidesformeln der Verurteilten, aus: Anon., The true speeches of Thomas Whitebread […], S. 9 .

die angeblichen moralischen Grundfesten der Jesuiten deduzierten, bestehend aus Lüge, Falschheit, Hochverrat und der dahinter stehenden Absicht, alle Protestanten in Europa gnadenlos zu massakrieren.164 Vielfach handelte es sich dabei um Neuauflagen der antikatholischen Polemiken, die anlässlich der Jesuitenmission von 1580, der Pulverfassverschwörung von 1605 oder des irischen Aufstands von 1641 erschienen waren. Die verurteilten Jesuiten wussten, dass man ihnen Dissimulation unterstellte, und sie versicherten daher in ihren dying speeches, nicht mit Mentalreservationen zu sprechen. Allerdings konnte dies von ihren Gegnern wiederum als Strategie denunziert werden: Es war auch eine Lüge, dass sie nicht logen: The Church of Rome allows those of her Communion to say what is false, yea swear what is false, and this when they say and swear to others, that they do neither speak nor swear falsley, nor use any Equivocation or Mental Reservation. […] these things have been practised of old and justified by their Teachers as lawful even at the hour of death, therefore we need not to be surpris’d to find any Papist using this art in his Last Speech.165 Diese Unterstellung der doppelten, verschachtelten Lüge versuchten die Verurteilten wiederum auf dem Schafott mit einer Kaskade aus Unschuldsbehauptungen und Versicherungen, dabei die Wahrheit zu sprechen, zu kontern.166 164

165 166

Etwa Anon., Autokatakritoi; Anon., The Damnable principle of the Jesuites; Anon., The Jesuits unmasked; Arnauld, The king-killing doctrine; Anon., The Jesuites lamentation; weitere Belege bei Hinds, ‚The horrid Popish Plot‘, 168–197. Anon., Animadversions on the last speech, 1. So etwa der Jesuit John Gavan: What I shall say in this great hour I hope you will believe. And now in this hour, I do solemnly swear, protest and vow, by all that is sacred in heaven and on earth, and as I hope to see the face of God in glory, that I am as innocent as the child unborn of those treasonable crimes which Mr. Oates and Mr. Dugdale have sworn against me in my trial, and for which sentence

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

321

Mit dem Vorwurf der Mentalreservation glaubten die antikatholischen Pamphletisten, ein höchst wirksames Instrument in der Hand zu haben, um die Macht von Unschuldsbehauptungen in dying speeches zu brechen. Den Lügen-Vorwurf bezog man aber auch auf die Verteidigungsstrategien und Unschuldsbehauptungen während des Verfahrens. Hier bekamen die Angeklagten nach guten Argumenten zu hören: But if you have a religion that can give a dispensation for oaths, sacraments, protestations and falsehoods that are in the world, how can you expect we should believe you?167 Wer in notorischer Weise lüge, dem könne man niemals trauen, und daher seien auch alle Versuche, die Existenz einer hochverräterischen Verschwörung und ihre Beteiligung daran zu negieren, schlichtweg als Ausflüchte zu bewerten. Vielmehr zeige sich im Lichte solcher papistischen Morallehren umso deutlicher, dass juristischerseits alles mit rechten Dingen zugegange sei: on a fair Tryal […] Justice was done.168 Man habe keineswegs einen kurzen Prozess veranstaltet, sondern den Angeklagten ausreichend Zeit gegeben, um sich zu verteidigen (their tryal was very tedious, lasting from before nine a clock in the Morning, to seven or Eight in the Evening),169 und erst nachdem man ihnen und ihren Zeugen trotz allem wohlwollend (favourable) zugehört habe, sei das Urteil ergangen: So that after a full hearing of all the Witnesses they could produce (though all Romanists, who yet were Impartially heard and recieved) and whatever they had to say for themsenlves (which rather consisted in flourishes and little Captious Tricks of Subtility, than any solid Defence to the matters they stood Charged with), they were all most justly, and to the great satisfaction of all unprejudiced Autitors, Convicted of the High Treason they were Indicted for.170

Eines sei klar: Niemals zuvor hätten Missetäter einen solch gerechten und ausgewogenen Prozess gehabt, noch habe sich jemals ein Gericht derart viel Zeit genommen, um all dem zuzuhören, womit sich die Angeklagten meinten verteidigen zu können. Dies habe die Geschworenen (very Substantial Gentlemen) nicht aber beeindruckt, diese hätten vielmehr den zwingenden Beweisen der Anklage Glauben geschenkt. Wenn die Verurteilten auf dem Schafott ihre Unschuld beschworen, dann geschehe dies gegen matters of fact, die in einem just and legal tryal nach allen Regeln der Juristerei erwiesen worden sei: clearly and sufficently demonstrated to the World.171

167 168 169 170 171

of death was pronounced against me the day after my trial. And that you may be assured that what I say is true I do in the like manner protest, vow, and swear, as I hope to see the face of God in glory, that I do not, in what I say unto you, make use of any equivocation, or mental reservation, or material prolocution, or any such like way to palliate truth. Neither do I make use of any dispensations from the pope, or any body else: or of any oath of secrecy, or any absolution in confession, or out of confession, to deny the truth: but I speak in the plain sense which the words bear; and if I do speak in any other sense, to palliate or hide the truth, I wish with all my soul that God may exclude me from his heavenly glory and condemn me to the lowest place of hell-fire: And so much to that point, 7 ST 495f. So Scroggs gegenüber Whitebread, 7 ST 100. Anon., Some account of the tryals. Das Pamphlet wurde mehrfach wieder aufgelegt und wortgleich unter anderem Titel abgedruckt. Anon., Some account of the tryals, 3. Ebd., 78. Anon., An Answer to the Mr. Langhorn’s Speech.

322

1650–1730: Untersuchungsregime

Die Verfahrensveranstalter der späten Stuartzeit standen also, allen Innovationen und Formalisierungen zum Trotz, vor einem bekannten Problem: In den Fällen, in denen die Verurteilten mit quasi-eidlichen Versicherungen ihre Unschuld beteuerten, drohte die ganze Leistung eines Verfahrens, die Praktiken der Evidenzerzeugung, zu Makulatur zu werden. Das war nicht nur der Fall, weil das Lügengebäude der Zeugen Oates und Bedloe in seinen Umrissen immer deutlicher erkennbar wurde. Es gab Beobachter wie Burnet oder den Chronisten Narcissus Luttrell, die die Aussagen glaubhaft fanden und den standhaften Protest gegen das Urteil dennoch für problematisch erachteten.172 Ähnlich wie bei den ersten Jesuitenprozessen in den 1580er Jahren mussten daher auch einhundert Jahre später Anstrengungen und Versuche zur nachträglichen Rechtfertigung der Urteile unternommen werden. In buchstäblichen Zweifelsfällen konnte von Legitimation durch Verfahren noch keine Rede sein. Den eidesstattlichen Versicherungen im Verfahren und auf dem Schafott, denen die Verurteilten in der Rolle eines dying man zusätzliche Wucht verleihen konnten, musste nach wie vor direkt widersprochen werden. Anders als im späten 16. Jahrhundert verzichtete man während des Popish Plot darauf, den Verurteilten durch einen obrigkeitlichen Akteur auf dem Schafott zu widersprechen, also gleichsam Teile des Prozesses unter dem Galgen zu wiederholen. Vermutlich hielt man das für wenig aussichtsreich. Stattdessen wurden Pamphlete gedruckt, die die Unschuldsbekundungen vertuschen, umdeuten, als Lüge diffamieren oder der Lächerlichkeit preisgeben sollten. Immer wieder wurde dabei auch auf die Ergebnisse der Verfahren zurückverwiesen. Das Spektrum der Referenzen reichte von den zusammengereimten Versen auf den Einblattdrucken (The Evidence against him did appear, And prov’d the accusation to be clear: His sinful evasions could not satisfie; The truth was as apparent as the sky) bis hin zur Ausgabe vollständiger Prozess-Transkriptionen, die in der Regel schon wenige Tage nach Prozessende käuflich zu erwerben waren. Dass diese Verfahren wortwörtlich im Druck veröffentlicht (und eben nicht unter den Tisch gekehrt) wurden, zeigt, dass man von Seiten der Prozessveranstalter trotz aller Ungereimtheiten darin ein probates Überzeugungsmittel (und nicht nur, wie es in der Forschung heißt, eine zynische Machtdemonstration) sah. Öffentliche Irritationen und eine inflationär wirkende Publizistik Doch so viel die Pamphletisten auch über papistische Mentalreservationen schrieben und davor warnten, aufgrund der angeblich so gerechten Prozesse und der bestechenden Beweise auch nur ein Wort der dissentierenden dying speeches zu glauben (we cannot in Justice, Reason or Charity believe them against Such Evi172

Luttrell, A brief historical relation, Bd. 1, Eintrag zum 27.11. und 03.12.1678. Auch der brandenburgische Botschafter Otto von Schwerin d.J. berichtete nach Berlin: „Der in meinen Relationen öfter erwähnte Coleman ist gehangen und geviertheilt zu werden verurtheilt worden; obgleich er nie gestehen wollte, dass er Oates oder Bedloe, welche als Zeugen wider ihn auftraten, je gesehen oder gekannt habe“, Schwerin, Briefe aus England, 366.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

323

dence173) – eine zunehmende öffentliche Irritation über die Legitimität der Urteile aufgrund der force and power of the last word of dying men diagnostizierten und beklagten die Verfasser selbst.174 Es war mehr Wunschdenken, wenn Gilbert Burnet rückblickend schrieb, die Kenntnis der katholischen Dissimulationspraxis habe die Öffentlichkeit gegen das subversive Potential der last dying speeches immunisiert.175 Zweifel an der Legitimität der Todesurteile gegen die Angeklagten von Coleman bis zu den fünf Jesuiten waren nicht allein durch ihre dying speeches genährt worden. Auch die britischen Katholiken druckten Pamphlete. Der Ire Roger Palmer, Earl of Castlemain, veröffentlichte ein Compendium, or, A short view of the late tryals in relation to the present plot, in dem er vor allem darauf abhob, dass niemand mit gesundem Menschenverstand die widersprüchlichen und unplausible Aussagen der Kronzeugen glaubhaft finden könne. Castlemaine wandte sich dabei an das lesende, aufgeklärte Publikum, denen er die problematischen Zeugenaussagen zur eigenen Begutachtung vorlegte: by which at first glimps, you shall see both how well the Witnesses have made good their part, and how the Accused have defended themselves.176 Das Publikum im Gerichtssaal habe in Wahrheit auch mit Befremden auf die vielen Unstimmigkeiten in den Zeugenaussagen reagiert. Auf die Paradoxien des Verfahrens zielte auch Roger L’Estranges The History of the Plot: Es sei beklagenswert, dass derzeit jede Kaffeehausgeschichte (Coffeehouse tale) zu einer Glaubenswahrheit aufsteige, so auch die Mär von der Papistenverschwörung. Wie auch immer man deren Existenz beweise wolle, die deswegen veranstalteten Hochverratsprozesse taugten dazu nicht, dazu seien die Beweise der Anklage zu dürftig und die Verteidigung der Angeklagten zu überzeugend gewesen. Wie Castlemaine überließ es auch L’Estrange seinen Lesern, sich selbst ein Urteil zu bilden, und druckte dazu längere und besonders vielsagende Passagen aus den verschiedenen Prozessen ab.177 Wenn die (scheinbar) wortgetreue Wiedergabe der Prozessdialoge ein „virtual witnessing“ (S. Shapin) ermöglichen sollte, dann konnte sich auf diese Weise auch ein Lesepublikum davon überzeugen, dass Prozessverlauf und Urteil nicht zusammenpassten und es bei dem Verfahren offenbar nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Es war dazu nicht nötig, das Misslingen der Prozesse mit eigenen Worten und Behauptungen herauszustellen. Es genügte, den Prozessverlauf an sich zu dokumentieren, um das Problem sichtbar werden zu lassen. Das whiggistische Lager publizierte dagegen 1679 und 1680 eine wahre Flut an Pamphleten178, die mit allen rhetorischen Mitteln beweisen wollten, dass es den Popish Plot gab, dass die Verurteilten zurecht hingerichtet worden seien – und dass noch längst nicht alle Verräter und Verschwörer ausfindig gemacht worden seien. Gefahr sei immer noch im Verzug. Neben Gegendarstellungen zu Castlemain und 173 174 175 176 177 178

Anon., Animadversions on the last speech, 8. Anon., An Answer to the Mr. Langhorn’s Speech, 1. Burnet, History of his own time, 196. Palmer, The compendium. L’Estrange, The history of the Plot. Allg. dazu Knights, Possessing the visual; Hinds, ‚The horrid Popish Plot‘.

324

1650–1730: Untersuchungsregime

L’Estrange179 erschienen Abhandlungen über die Romish Doctrine in the Case of Conspiracy and Rebellion, das Damnable Principle of the Jesuits touching the Murdering of Kings, über General massacre intended and plotted by the Papists,180 über Popish Treasons and Cruelties gegen die europäischen Protestanten seit der Pulverfassverschwörung181 und vor allem immer wieder in neuen Varianten dargestellte Berichte über die aktuelle Papisten-Verschwörung.182 Dennoch büßte die Publizistik offenbar schon recht bald ihre Überzeugungskraft ein. Die einander laufend widersprechenden Pamphlete hatten in Bezug auf die Gerichtsprozesse die gleichen Effekte, die zuletzt auch für die kontradiktorischen Repräsentationen von politischen Vorgängen zur gleichen Zeit festgestellt wurden: eine um sich greifende Skepsis gegenüber der Verlässlichkeit und der Wahrheitsfähigkeit jener Druckmedien, die am Ende des 17. Jahrhunderts dominierten, also Flugschriften, bebilderte Einblattdrucke und mehr oder weniger umfangreiche Pamphlete.183 Die Zeitgenossen sprachen auch vom lying age.184 Der Gelehrte John Evelyn notierte im Juli 1679 in seinem Tagebuch, dass er die Hochverratsprozesse bisher ausschließlich durch ihre gedruckten Ausgaben verfolgt habe. Im Falle des Leibarztes Wakeman entschied er hingegen, dem Prozess persönlich beizuwohnen, that by ocular view of the carriages and other circumstances of the managers and parties concerned, I might inform myself, and regulate my opinion of a cause that had so alarmed the whole nation.185 Die bloße Lektüre reichte Evelyn nach all den Ungereimtheiten offenbar nicht mehr aus. Der Bedeutungsgewinn des Kaffeehauses in den 1680er Jahren als Ort für die öffentliche Diskussion von politischen Themen (und dazu gehörten in dieser Zeit ganz besonders auch Verschwörungstheorien) wäre dann eine Folge dieser Medienkrise gewesen: Interaktion von Angesicht zu Angesicht ließ sich als Modus der Überzeugungsbildung und -bestätigung nicht einfach durch diese Art von Druckmedien ersetzen.186 Dass aus dieser Medienkrise aber nicht unmittelbar eine Krise der Justiz wurde, hatte vor allem damit zu tun, wer dabei vor Gericht stand, nämlich Katholiken. Das änderte sich, als ab 1683 auch Protagonisten der WhigBewegung des Hochverrats beschuldigt wurden.

179 180 181

182 183 184 185 186

Etwa Anon., An answer to Blundell the Jesuits letter. Tonge, Dr. Tonges relation. Anon., A brief narrative. In diesem Jahr erschienen zahlreiche, zum Teil wiederaufgelegte Darstellungen der Pulverfassverschwörung, der irischen Rebellion von 1641 und über das angeblich von Jesuiten gelegte Feuer von London 1666, vgl. dazu Marotti, Religious ideology, 191–200. Etwa Gadbury, A new narrative; Anon., The plot in a dream; Anon., The Popish Plot more fully discovered; Phillips, Dr. Oates‘s narrative. Knights, Representation and misrepresentation; Dolan, True relations; Loveman, Reading fictions, 1660–1740. Knights, Representation and misrepresentation, 298. Zit. nach Dolan, Whores of Babylon, 159. Knights, Representation and misrepresentation, 248ff.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

325

5. DISKURSE ÜBER DIE KRISE DES VERFAHRENS IM UMFELD DES RYE HOUSE PLOT Noch im Jahr der Glorious Revolution, am 25. März 1689, erschien in London das Pamphlet Remarks upon the tryals of Edward Fitzharris, […] the award of execution against Sir Thomas Armstrong des Juristen John Hawles, der zu dieser Zeit schon einen Ruf als Streiter für liberale Prinzipien in der Strafjustiz besaß.187 Es ist nicht verwunderlich, dass der Jurist Hawles die Gründe für den Zusammenbruch der Stuart-Herrschaft gerade auch in den Auswüchsen der Strafjustiz und insbesondere bei den Hochverratsprozessen sah: The strange Revolution, which hath of late happened in our Nation, naturally leads one into the considerations of the Causes of it. Dabei stoße man, neben anderem, auf undue Prosecutions in Criminal, but especially in Capital Matters.188 Es sei die Absicht seiner Schrift, to consider, how far the Proceedings in Capital Matters, of late years, have been Regular or Irregular. Abgesehen von dem Irish Papist Fitzharris, ein spätes Opfer des Popish Plot, kommentiert Hawles in seiner Schrift die Prozesse gegen zehn Personen, die in die Untergrundaktivitäten der Whigs nach dem Scheitern der parlamentarischen Exklusionskampagne gegen den Herzog von York verwickelt gewesen waren, darunter William Lord Russell, Algernon Sidney oder Henry Cornish. Es ging also um die Prozesse infolge des Rye House-Plot. Auch dazu noch ein paar Worte der Erläuterung. Der Rye House Plot Die zweite Prozesswelle zwischen 1683 und 1685 kann man einerseits als eine Art Vergeltung der Krone für die Prozesse gegen Katholiken sehen, die bei Hofe von Beginn an als Angriff auf den Herzog von York und seine Frau, Maria von Modena, gedeutet wurden. Andererseits hat es im Umfeld der Whigs, nach dem endgültigen Scheitern eines gesetzlichen Ausschlusses Jakobs von der Thronfolge (exclusion bill) und der einsetzenden Verfolgung ihrer führenden Köpfe – Shaftesbury musste das Land fluchtartig in Richtung der Niederlande verlassen – durchaus Untergrundaktivitäten und konspirative Umtriebe gegeben; dabei mischte im Übrigen auch John Locke mit.189 In diesem Zusammenhang wurde vor allem über Pläne für einen Aufstand beraten, den es, in Form der sogenannten Monmouth-Rebellion, anlässlich der Thronbesteigung Jakobs II. 1685 tatsächlich gegeben hat. Für die königlichen Minister interessant waren vor allem die Berichte von Spitzeln und Überläufern, wonach sich verschiedene Whigs Ende 1682 dazu verschworen hatten, Karl II. und seinen Bruder bei der Rückkehr vom Pferderennen in Newmarket beim Rye House, einem alten Gutshof nördlich von London, zu er187 188 189

Vor allem durch sein Traktat Hawles, The English-mans right. Dieses wurde bis 1863 in Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika in insgesamt vierzehn Auflagen nachgedruckt. Hawles, Remarks upon the tryals. Greaves, Secrets of the kingdom, 86f.; Milton, Shaftesbury and the Rye House Plot; Milton, John Locke and the Rye House Plot.

326

1650–1730: Untersuchungsregime

Abb. 27: Spielkarten mit Motiven zum ‚Rye House Plot‘, 1683.

schießen.190 Der Anschlag sollte den Auftakt zu landesweiten Aufständen bilden, an deren Ende der illegitime, aber protestantische Sohn Karls II., James Scott, Herzog von Monmouth, auf den Thron kommen sollte.191 Diese Idee war wohl tatsächlich neben einigen anderen Überlegungen ventiliert worden. Ob sie aber jemals ernst gemeint waren, ist bis heute unklar.192 Die Verschwörung war jedenfalls noch nicht über einen embryonalen Status hinausgekommen, als einem der Komplotteure, Josiah Keeling, die ganze Sache zu heiß wurde und er den Plan, am 12. Juni 190 191 192

Marshall, Intelligence, 290f. Ashcraft, Revolutionary politics and Locke‘s two treatises of government, 338ff. Dazu Zook, Radical Whigs, 88–113. Unstrittig ist aber mittlerweile, dass es die konspirativen Umtriebe gegeben hatte, es sich dabei also, entgegen den Behauptungen der Whig-Historiographie, nicht um eine Erfindung der Tories gehandelt hatte.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

327

1683, dem Privy Council verriet.193 Neben Keeling wurden auch andere Aussteiger zu Kronzeugen gemacht, darunter ein Oberst John Rumsey, ein Klient des im Januar 1683 verstorbenen Shaftesbury, der detailliert über die Verbreitung von mehreren Aufständen in England Auskunft geben konnte.194 Ein anderer Verschwörer, William Howard, Baron of Escrick, bot sich nach seiner Verhaftung ebenfalls als Kronzeuge an. Bei den Vorverhören dieser Personen vor dem Privy Council wurde diesmal strikt auf die innere Stimmigkeit der Aussagen geachtet und darauf, dass sie nicht etwas hinzuphantasierten. Eine Blamage wie mit dem Zeugen Titus Oates wollten die Tories bei ‚ihren‘ Prozessen unbedingt vermeiden. Die Wichtigkeit einwandfrei glaubhafter Zeugen zeigte auch der Umstand an, dass Karl II. diesmal regelmäßig bei den Vorverhören anwesend war und aktiv daran mitwirkte. Für die Krone und die ihr zugeneigten Tory-Gruppierungen war die Aufdeckung des Rye House Plot ein Glücksfall, der auch sofort publizistisch, in Wort und Bild, ausgeschlachtet wurde.195 Genauso wie beim Popish Plot wurden Versatzstücke daraus auch diesmal auf Spielkarten gedruckt, die beim Bridge spielen an die Machinationen und ihren gerichtliche Ahndung erinnerten. (Abb. 27)196 Karo III zeigt eine konspirative Sitzung des Counsell of Six197, bei der buchstäblich der Teufel im Spiel war. Herz III zeigt Verschwörer, die zur Vorbereitung der Besetzung die City of London in Augenschein nehmen. Auf Herz X bestärken zwei Attentäter einander. Ihre Präsenz am Rye House (im Besitz eines Richard Rumbold) war ebenso fiktiv wie der Anschlag selbst, den die Karo Königin zeigt. Auf Kreuz I sehen wir, wie Josiah Keeling von Gewissensbissen geplagt wird, was schlussendlich zu Russells Prozess in Old Bailey führte, den Pik X zeigt. Versatzstücke aus dieser Narration fanden sich auch in den Anklagen wieder, die zwischen Juli 1683 und Dezember 1685 gegen zwölf Männer und zwei Frauen erhoben worden waren. Als Hochverräter hingerichtet wurden wegen ihrer angeblichen Beteiligung am Rye House Plot unter anderen William Lord Russell, der nach Shaftesbury wichtigste Protagonist der Whigs, Algernon Sidney, einer der prominentesten Theoretiker des zeitgenössischen Republikanismus, und Henry Cornish, ein ehemaliger Sheriff von London. Auf die Prozesse dieser drei wird im Folgenden hinsichtlich des Rye House Plot zu achten sein. Bereits im Juli 1683 fanden die ersten Prozesse statt, unter anderem gegen Lord Russell, der, so viel steht fest, konspirative Treffen organisiert hatte. Eben deswegen wurde er auch angeklagt und verurteilt. Die Anklage berief sich auch hier auf die 1660 beschlossene Regel, wonach ein meeting of persons, and consulting to destroy the king Hochverrat sei. Jeder, der an einem solchen Treffen teilnehme und es nicht 193 194 195 196 197

Dazu zuletzt Harris, Restoration; Krey, London and the Restoration, 1659–1683, 335–386; Greaves, Secrets of the kingdom, 90–252; Zook, Radical Whigs, 87–113; Marshall, Intelligence, 279–300. Schwoerer, The trial of Lord William Russell, 1683, 144. Harris, London crowds, 96–130. Zu den Strategien der royalistischen Publizisten, den Popish Plot medial zu kontern vgl. Hinds, „Tales and romantick stories“. Es handelte sich bei diesem Council of Six um den kollegialen Führungszirkel der Whigs nach der Flucht Shaftesburys, bestehend aus William Lord Russell, Algernon Sidney, John Hampden, Howard of Escrick, dem Herzog von Monmouth und Arthur Cape, Earl of Essex.

328

1650–1730: Untersuchungsregime

sofort der Obrigkeit melde, sei ein Hochverräter, denn eine Teilnahme sei wie eine stillschweigende Zustimmung (sheweth his liking, and approving of their Design).198 Am 21. November 1683 wurde Algernon Sidney der Prozess gemacht. Man hatte bei seiner Verhaftung das Manuskript seiner Discourses concerning Government gefunden, das als ein false, seditious, and traiterous libel eingestuft wurde. Sein Republikanismus sei nichts anderes als der Aufruf zu neuerlichem Königsmord. Der vorsitzende Richter Jeffreys prägte in diesem Prozess den ebenso berüchtigten wie wahren Satz scibere est agere und verfügte, dass das Manuskript selbst als ein Beweis für den Hochverrat anzusehen sei.199 Der ehemalige Sheriff von London und WhigRatsherr Henry Cornish galt zwar schon 1683 als Mitverschwörer. Aber erst infolge des Monmouth-Aufstands im Sommer 1685 fand sich ein Kronzeuge, aufgrund dessen Aussagen man Cornish den Prozess machen konnte. Der am 19. Oktober 1685 in London abgehaltene Prozess gegen Cornish schloss dabei für Ankläger und Gericht den Kreis zwischen Rye House-Verschwörung und Monmouth-Rebellion, die beide als Teile ein und desselben großen Whigkomplotts erachtet wurden. Geschichtsschreibung als Revisionsverfahren? Zur Deutung der Rye House-Prozesse In diesen Prozessen wiederholte sich vieles, was schon während der Prozesse gegen die angeblichen Popish Plotters zu beobachten gewesen war: Es gab eine Obrigkeit, die Verfahrens- und Beweisregeln skrupellos zu ihren Gunsten auslegte. Und es gab Angeklagte, die gegen ihre Behandlung im Prozess aufbegehrten, wo es eben ging, die auch noch nach Verdikt und Urteil mit eidesstattlichen Versicherungen ihre Unschuld beteuerten und damit auch unter dem Galgen nicht aufhörten. Dennoch entfalteten die Rye House Plot-Prozesse und die Aktivitäten der Angeklagten eine völlig andere Resonanz als die Papistenprozesse, was sich in diesem Fall auf die konfessionellen, sozialen und politischen Hintergründe der Beteiligten zurückführen lässt. Der Verlauf dieser Prozesse gegen protestantische Whigs, zum Teil aus der sozialen Oberschicht (Russell), konnte von Beobachtern wie Hawles (selber ein Whig) als Beispiel für die allgemeine Krise der letzten Jahre der Stuart-Herrschaft herangezogen werden, die notwendig in der Glorious Revolution mündete. Diese Deutung wurde nach 1688/89 zu einem Bestandteil der ‚Whig Interpretation of History‘. Um 1700 erschienen eine ganze Reihe von Drucken, die den verurteilten Whig zum Märtyrer für den Protestantismus und die englischen Freiheiten stilisierten.200 Dabei wurde die grausame Strafjustiz der späten Stuartzeit (bloody assizes) mit der angeblich tadellosen Gerechtigkeitspflege nach 1689 kontrastiert. Seitdem war – bis ins späte 20. Jahrhundert – davon die Rede, dass viele Whigs – 198 199 200

Loveland, Sir John Kelyng‘s reports, Art. 17. 9 ST 889. Schwoerer, William, Lord Russell, 41–71; Zook, The Restoration remembered, 213–234; Zook, Violence; Zook, The Bloody Assizes; Zook, Early Whig ideology.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

329

mit Russell, Sidney und Cornish als Symbolfiguren – unter Karl II. und Jakob II. Opfer von Justizmorden geworden waren.201 Unter revisionistischen Vorzeichen haben seit den 1980er Jahren die amerikanische Historikerin Lois G. Schwoerer und ihre Schüler Howard Nenner und Melinda S.  Zook allerdings daran gearbeitet, das whiggistische Geschichtsbild über Dekadenz und Despotie in der späten Restaurationszeit zu dekonstruieren. So fruchtbar dies im Ganzen auch ausgefallen ist202 – in Teilen ist man dabei aber auch über das Ziel hinausgeschossen. So behauptet etwa Schwoerer gegen die traditionelle Whig-Deutung, William Lord Russell habe im Lichte der damals geltenden Gesetze ein faires Verfahren gehabt und sei daher kein Justizopfer. Alles sei mit rechten Dingen zugegangen, gegen kein Gesetz und keine Verfahrensgewohnheit sei verstoßen worden: „The procedures at his trial criticized by Russell as ‘hard‘ and cited by subsequent writers as evidence that Charles IIs government was guilty of Russell’s judicial murder were, in fact, legal.”203 Die in Yale lehrende Literaturhistorikerin Annabel Patterson macht sich dagegen nicht nur für eine Wiederbelebung der klassischen Whig-Historiographie stark, sondern nennt auch die Gerichtsprozesse gegen Gegner der Stuart-Monarchie schlicht „unjust trials“.204 Die Kategorie gerecht/ungerecht, wie sie von Schwoerer und Patterson benutzt wird, ist allerdings kein geeignetes Instrument zur Analyse der Prozesse am Ende des 17. Jahrhunderts. Sie ist unhistorisch, weil sie eine Beobachtung erster Ordnung darstellt und gleichsam in den zeitgenössischen Diskurs eingreift, anstatt diesen zu untersuchen. Und wenn Schwoerer zu bedenken gibt, dass man sich in den Prozessen nicht über geltendes Recht hinweggesetzt habe, dann trifft dies nur insofern zu, als dieses Recht bereits von den Kronjuristen und ihren Richtern genau auf die Bedürfnisse der Anklagevertreter zugeschnitten worden war, zuletzt in der Konferenz im Vorfeld der Königsmörder-Prozesse von 1660. Anstatt also historisch mit den Prozessen in Revision zu gehen, werde ich im Folgenden skizzieren, welches Verhalten von Angeklagten, Kronanwälten und Richtern in den Prozessen wegen des Rye House Plot Anknüpfungspunkte dafür gegeben hat, um von Justizmord, ungerechten Prozessen und unerträglichen Auslegungen von Recht und Beweismitteln zu sprechen. Ich beginne mit Russell. Fordern, was nicht gewährt werden kann: Zur Taktik bei William Lord Russell William Lord Russell war am 26. Juni verhaftet und verschiedentlich verhört worden. Bei seiner Haft im Tower verfügte er als Adliger über gewisse Privilegien, darunter ein großzügiges Besuchsrecht. Nicht nur seine Frau, sondern auch An201 202 203 204

Vgl. noch Patterson, Chief justice Jeffreys. Vgl. etwa Schwoerer, The ingenious Mr. Henry Care; ferner die Beiträge in Schwoerer, The revolution of 1688–1689; Nenner, Politics and the political imagination. Schwoerer, The trial of Lord William Russell, 1683. Mit einer Formulierung von John Milton, vgl. Patterson, Early modern liberalism, 90; zu ihrem Geschichtsprojekt allg. vgl. Patterson, Nobody‘s perfect.

330

1650–1730: Untersuchungsregime

wälte durften zu ihm. Die Juristen Holt, Pollexfen und Ward, die nach der Revolution zu höchsten Richterwürden aufgestiegen waren, konnten Russell zwar nicht vor Gericht beistehen bzw. nur dann, wenn es um Rechtsfragen (matters of law) ging. Aber es war erlaubt, dass sie ihren Mandanten im Vorfeld über eine mögliche Verteidigungsstrategie instruierten. Mit auf den Weg gegeben haben die Anwälte Russell schließlich eine ganze Reihe von Punkten: Zum einen sollte er um die Überlassung der Anklageschrift, um Rechtsbeistand und eine Vertagung der Hauptverhandlung bitten, um Zeugen von auswärts berufen zu können. Zum anderen sollte er Geschworene ablehnen, sofern sie keine Grundbesitzer (freeholders) waren, und darauf pochen, dass Kronzeugen wie Rumsey unglaubwürdig seien. Schließlich sollte er von den Kronanwälten eine Erklärung dazu verlangen, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Anklage genau fuße. Die Taktik, Dinge einzufordern, die kaum gewährt werden konnten, hatte schon Lilburne angewendet, um das Gericht als eine Instanz der Willkür zu desavouieren. Ähnliches probierte unter ganz anderen Umständen nun auch Lord Russell. Während aber bei Lilburne viele seiner Sprechhandlungen gar nicht der Verteidigung, sondern der Bloßstellung des Gerichts dienten, wird man bei Russell von einer solchen Differenzierung nicht sprechen können: Er wollte hier schon in erster Linie um sein Leben kämpfen. Allerdings dürften seine Anwälte den Forderungskatalog auch danach aufgestellt haben, was vor Gericht mittlerweile als skandalös angesehen wurde. Der Diskurs um die Reformbedürftigkeit der Strafjustiz setzte nicht erst schlagartig nach der Glorreichen Revolution ein – seitdem erschien nur die Mehrzahl entsprechender Pamphlete.205 Vielmehr war schon seit dem Popish Plot Kritik an der Verfahrenspraxis zwar nicht laut, aber doch vernehmbar geworden. John Hawles hatte seine Beanstandungen bereits 1680, also in der Spätphase der Papistenverfolgung, in ein Pamphlet über die vortreffliche Institution der Geschworenen verpackt. Was derzeit bei Hochverratsverfahren gemacht werde: die Geschworenen reihenweise Todesurteile aussprechen zu lassen, erinnere an eine Anekdote über einen Arzt, von dem man gesagt habe, he had kill’d one of his Patients with the best method in the world; So here should we have an innocent man hang’d, drawn, and quarter’d, and all according to law.206 Und kein geringerer als Sir George Jeffreys, der durch sein hartes Vorgehen gegen die whiggistischen Verschwörer und Rebellen zur Personifikation des böswilligen Richters avancierte und bei der Revolution 1688 beinahe von einem Mob gelyncht worden wäre (Abbildung 28), bekannte in einem Hochverratsprozess von 1684 gegenüber dem Anwalt Pollexfen: Look ye, if you speak to me privately, as to my own particular opinion, I think it is a hard case, that a man should have counsel to defend himself for a two-penny-trespass, and his witnesses examined upon oath; but if he steal, commit murder or felony, nay, high-treason, where life, estate, honour, and all are concerned, he shall neither have counsel, nor his witnesses examined upon oath: But yet you know as 205 206

So aber Langbein, The origins of public prosecution; Havighurst, James II. Hawles, The English-mans right, 12.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

331

Abb. 28: Verhaftung von Sir George Jefferys 1688. Aus der Menge werden die Namen der von ihm zum Tode Verurteilten gerufen.

well as I, that the practice of the law is so; and the practice is the law.207

Eine andere Begründung als die, dass Recht nun einmal Herkommen und Herkommen Recht sei, konnte Jeffreys bei diesem Gespräch mit Pollexfen auch nicht dafür liefern, dass man dem Angeklagten keine Kopie der Anklageschrift aushändigte. Der Angeklagte wurde aus diesem Grund genötigt, das Ausmaß der gegen ihn gerichteten Vorwürfe nur durch Zuhören zu erschließen, ohne die Unterstützung durch einen Anwalt oder die Nutzung von Aufschreibemitteln (die zu dieser Zeit stets erst nach dem Pleading gewährt wurden). Das empfand zwar selbst Jeffreys als ein Ärgernis: it is hard for me to say, that there is any express resolution of the law in the matter; but the practice has been always to deny a copy of the indictment.208 Dieses Ärgernis ließe sich allerdings leicht beseitigen, wenn man einen Präzedenzfall dafür aufzeigen könne: you ask me as a judge, to have a copy of the indictment delivered to you in a case of high-treason, I must answer you, Shew me any precedents where it was done: For, there are abundance of cases in the law, which seem hard in themselves; but the law is so, because the practice has been so.209 Gerade die Schaffung eines Präzedenzfalls bei den Rechten des Angeklagten wollten die Richter und Kronanwälte unbedingt vermeiden. Das hatte wohl weniger damit zu tun, dass Common Lawyer generell besonders konservativ dachten, sondern eher damit, dass die benachteiligte Situation des Angeklagten für die Verfahrensveranstalter von Vorteil war. Es waren erst die gehäuften Nachfragen der Angeklagten nach bestimmten Zugeständnissen in den 1680er Jahren, die die Juristen auf das Herkommen bestehen ließen. Damit kam immer mehr davon zum Vorschein, was die Angeklagten als great hardships beklagten. In Kenntnis der damaligen Rechtspraxis mussten Russells Anwälte also davon ausgehen, dass die abgesprochenen Forderungen für die Richter und Kronanwälte kaum verhandelbar waren, ohne einen Präzedenzfall zu schaffen. Die eigentliche Absicht bei diesem Vorgehen bestand darin, die Unverhandelbarkeit von Zugeständnissen und Vorabinformationen (über Anklage, Geschworene und Zeugen) zum öffentlichen Thema zu machen und zu skandalisieren. Ob man damit die Ge207 208 209

10 ST 267. Ebd. Ebd.

332

1650–1730: Untersuchungsregime

schworenen beeindrucken konnte, war die Frage. Ratschläge jedoch, wie Russell sonst auf einen Freispruch hinarbeiten konnte, vermochten ihm die Anwälte bei der gegebenen Sachlage auch nicht zu erteilen. Am 12. Juli, einen Tag vor Russell, waren zudem mit Thomas Walcot und William Hone, die das Attentat auf Karl II. und seinen Bruder ausführen sollten, zwei Verschwörer aufgrund überzeugender Beweise – unter anderem ein schriftliches Geständnis Walcots, der vergeblich gehofft hatte, Kronzeuge zu werden – verurteilt worden.210 Die interaktive Konstruktion des Rechtslaien bei Russell, Sidney und Cornish Bei Russell, der am 13. Juli in Old Bailey vorgeführt wurde, lautete die Anklage nun auf Mitwirkung bei konspirativen Vorbereitungen der Aufstände infolge des Attentats. Auch dafür konnten die Kronanwälte durch Rumseys Aussagen plausibel klingende Indizien zusammentragen. Ein weiterer Zeuge war der Kaufmann Thomas Sheppard, in dessen Haus sich die Verschwörer zu Beratungen getroffen hatten. Dass man sich dort lediglich zu einer Degustation getroffen haben wollte, wie Russell zu seiner Verteidigung behauptete211, überzeugte nicht. Wohl aber hatte der dort verkostete Sherry dazu geführt, dass die Verschwörer viel zu laut über ihre Aufstandspläne diskutiert hatten. Sheppard konnte jedes Wort verstehen. Bei seinem Arraignment setzte Russell dann die geplante Taktik um. Nach der Verlesung des Indictments gefragt: How sayest thou? Art thou Guilty, or Not Guilty?, fragte er, ob er eine copy of the matter of fact laid against me bekommen könne, doch er wurde nur auf die Pflicht zum Plädoyer verwiesen: we can grant you nothing till you have pleaded.212 Nachdem er sich für nicht schuldig bekannt hatte, äußerte er sein Unverständnis darüber, dass Arraignment und Hauptverhandlung an einem Tag stattfinden sollten. Er habe sich aufgrund seiner Haftbedingungen (I have been a close Prisoner) nicht darauf vorbereiten können, außerdem habe er noch Zeugen außerhalb von London. Damit diese noch hinzukommen könnten, bat Russell um die Vertagung auf den folgenden Tag. Doch auch damit hatte er keinen Erfolg. Zum einen sei es überhaupt nicht ungewöhnlich, Arraignment und Prozess auf einen Tag zu legen: For crimes of this nature, my lord, we do it continually.213 Zum anderen habe man ihn außergewöhnlich früh über den anstehenden Prozess in Kenntnis gesetzt. Selbst sein Anwalt, den man ihm eigens gewährt habe, sei der Ansicht gewesen, dass der Prozess beginnen könne:

210 211

212 213

Greaves, Secrets of the kingdom, 208ff. Russell: As to my going to Mr. Sheppard‘s, I went with an intention to taste sherry; for he had promised me to reserve for me the next very good piece he met with, when I went out of town; and if he recollects, he may remember I asked him about it, and he went and fetched a bottle; but when I tasted it, I said it was hot in the mouth; and desired that whenever he met with a choice piece, he would keep it for me, 9 ST 692. 9 ST 580. 9 ST 581. Tatsächlich fielen bei Coleman Arraignment und Prozess auf verschiedene Tage.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

333

LCJ Pemberton:You have had a great deal of warning given you, you have had the liberty of counsel, which hath not been known granted to any under your lordship’s circumstances. He says, he doubts not but your lordship is prepared for your defence, because you have had so much knowledge, and warning of the time and matter for which you were to be called in question.214

Richter Francis Pemberton geriet also schon nach den ersten Äußerungen Russells in einen Rechtfertigungsmodus, ganz ähnlich wie Kronanwalt Sir Robert Sawyer, der erklärte, dass man Russell schon genau eine Woche vor dem Prozess informiert habe: My lord hath no reason to complain for want of notice. Ganz ähnlich wie in den Prozessen gegen Coleman oder die Jesuiten unterstrichen Richter und Kronanwälte auch in diesem Fall immer wieder, wie fair es hier angeblich zugehe: he hath been very fairly dealt with, he hath had the liberty of counsel to advise him; there hath been no sort of liberty denied him, which becomes any subject to have in this condition […] your lordship hath had a great deal of favour shewn you already.215 Dennoch gab es einen Unterschied: Während die Rede vom fair trial bei den Popish Plot-Prozessen zur anlasslosen Behauptung diente, dass die Strafjustiz selbst mit ihren schlimmsten Feinden gerecht verfahre, der Topos also deklarativer Natur war, nötigte Russell durch seine Forderungen erst die Verfahrensveranstalter zu entsprechenden Rechtfertigungen. Als nächstes verwunderte er das Gericht mit der Feststellung, das Schriftstück mit den Namen der Geschworenen (panel) nicht bekommen zu haben. Dies sollte ihm aber, allerdings nicht als sein Recht, sondern lediglich als eine Art Gefallen von Seiten der Kronanwälte, in den Tower gebracht worden sein. Russell erklärte jedoch, das panel nie bekommen zu haben. Daher wurden im Folgenden, auch unter Befragung von Zeugen (Boten, Tower-Wärter) Erkundigungen angestellt, ob und warum das panel nicht zu Russell gelangt sei. Als dieser aber fragte, ob er nicht einfach ein weiteres Schriftstück bekommen könne, wurde ihm dies mit Verweis auf das Herkommen verweigert – eine Entscheidung, die Russell mit einer Bemerkung quittierte, die in diesem Prozess fast schon topisch werden sollte: ‘Tis very hard, und den Kronanwalt Sawyer erneut zu einer Richtigstellung veranlasste: Do not say so; the king does not deal hardly with you; but I am afraid it will appear you would have dealt more hardly with the king: you would not have given the king an hour‘s notice for saving his life.216 Doch dann stellte sich heraus, dass Russell einem Missverständnis aufgesessen war: Er hatte geglaubt – oder gab das zumindest vor –, dass ihm tatsächlich ‚das‘ panel hätte zugestellt werden sollen: I had no panel, I will assure you, delivered me; I had some names of people that they said were usually on juries. Aber das panel gab es, wie andere zentrale Gerichtsdokumente (habeas corpus, Indictment, list of witnesses) auch, nur einmal, im Original und auf Pergament. Ihm zugestellt worden war lediglich eine Kopie auf Papier:

214 215 216

Ebd. Ebd. 9 ST 582f.

334 Russell:

1650–1730: Untersuchungsregime

I had nothing of a panel delivered to me, but some names.

LCJ Pemberton: There never was any formal panel delivered to any person accused: the copy of it is in paper always.217

Ob ihm dieser Unterschied zwischen Original und Kopie tatsächlich nicht geläufig war oder es sich auch bei diesem Missverständnis um Taktik handelte, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls diente ihm die offenkundige Verwechselung zur Selbstdarstellung als Rechtslaie, der mit den Formalien des Prozesses überfordert war. Dieser Eindruck drängte sich auch im Folgenden auf, denn die Kopie des panels mit den Namen der Geschworenen sollte Russell dazu dienen, Einsprüche gegen die Kandidaten zu erheben (to challenge). Doch auch mit Blick auf diese Aufgabe bekundete Russell seine Ratlosigkeit: Russell:

How can I know who to challenge.

LCJ Pemberton: My lord, the copy of it is in your hands; your lordship hath been deceived in this, by not understanding the true nature of these things. If we were to give you a new one, we could give you but such an one.218

Russell hatte sich erhofft, dass das Dokument auch Angaben über den Besitzstatus der Kandidaten enthielt, also die Frage beantwortete, ob es sich um freeholders handelte. Das mit seinen Anwälten abgesprochene Vorgehen sollte sein, mit Verweis auf das klassische Kriterium für Geschworene: none shall be a juryman in capital matters, but a freeholder of forty shillings yearly, sämtliche Kandidaten abzulehnen. Denn in den englischen Städten, zumal in London, gab es keine Bürger mit entsprechend viel Grundbesitz, der sich dort vielmehr in den Händen von Hochadel, oberer Gentry und den Korporationen befand.219 Als ihm hier weitere Auskünfte verweigert wurden, um keinen Präzedenzfall zu schaffen, erneuerte Russell seinen Vorwurf: it is hard: I thought the law had allowed a pretty deal of favour to a man when he came upon his life. How can I know to except against men that I never heard or saw one of them?220 Immerhin durften darauf seine Anwälte diesen Punkt noch einmal vortragen – es handelte sich dabei eindeutig um eine Rechtsfrage (matter of law), und in diesem Fall die Anwälte sprechen zu lassen, betrachtete das Gericht auch als eine weitere Geste der Fairness. Die Anwälte Holt, Pollexfen und Ward kamen hier jedoch auch nicht weiter. Richter Pemberton lehnte ihren Einspruch mit der Begründung ab, in den Städten habe man von dieser Erfordernis bislang stets abgesehen: we have very few freeholders capable of being impannelled, because the estates of the city belong much to the nobility and gentlemen that live abroad and to corporations: therefore in the city of London the challenge of freeholders is excepted.221 Russell konnte hier allerdings wieder einmal von verwunderlicher Härte sprechen 217 218 219 220 221

9 ST 583. 9 ST 584. Schwoerer, Law, liberty, and „jury ideology“, 49. 9 ST 584. 9 ST 585.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

335

Abb. 29: Sir George Hayter, The Trial of William Lord Russell, 1825.

und Pemberton damit zu einer entsprechenden Reaktion veranlassen: I must tell your lordship […] that your lordship has nothing of hardship in this case; for, notwithstanding that, I must tell you, you will have as good a jury, and better than you should have had in a county, of 4l. or 40s. a year freeholders. Den Eindruck von Hilflosigkeit als Rechtslaie konnte Russell auch in den folgenden Sequenzen verstärken: Als ihm auf Nachfrage Stift und Papier gewährt wurden, bat er darum, dass jemand für ihn die Notizen damit machen dürfe (May I have somebody write to help my memory?). Daraufhin wurde ihm gestattet, dass seine Ehefrau, Lady Rachel, diese Aufgabe übernahm. Auch das war ein offenbar geplantes Vorgehen, eine Zurschaustellung von Russell als liebender Ehemann, der nie im Leben auf die Idee kommen würde, sich an Königsmord und Hochverrat zu beteiligen.222 Lady Rachel als Schreiberin ihres vor den Schranken der Justiz heroisch agierenden Mannes – mit diesem Bild (verlegt in die forensische Architektur des 19. Jahrhunderts) wurde der Prozess in der Whig-Geschichtsschreibung erinnert (Abbildung 29).223 Die Assistenz durch seine Frau nutzte Russell aber im weiteren Verlauf des Verfahrens auch nicht viel. Die Zeugen der Anklage zu verhören, fiel im sichtlich schwer. Ähnlich den Angeklagten in Prozessen zuvor nutzte er das ihm erteilte Rederecht, um Erklärungen abzugeben. Wie nunmehr üblich, wurde er dann auf Fragen festgelegt und mit seinen Erklärungen auf später vertröstet:

222 223

Serjeant Jeffreys:

If my lord Russell pleases to ask him any questions, he may.

Russell:

Must I ask him now?

Schwoerer, Lady Rachel Russell, 109ff. Zook, The Restoration remembered; Schwoerer, The trial of Lord William Russell, 1683.

336

1650–1730: Untersuchungsregime

Pemberton:

Yes, my lord, propose your questions to me.

Russell:

I have very few questions to ask him, for I know little of the matter; for it was the greatest accident in the world I was there, and when I saw that company was there, I would have been gone again. I came there accidentally to speak with Mr. Sheppard; I was just come to town, but there was no discourse of surprising the guards, nor no undertaking of raising an army.

Pemberton:

We will hear you to any thing by-and-by, but that which we now desire of your lordship, is, as the witnesses come, to know if you would have any particular questions asked of them.224

Russell empfand das als ähnlich hard wie den Umstand, dass sich die Kronzeugen weitschweifig über die Machinationen des Earl of Shaftesbury ausließen, dabei aber nichts gegen ihn Verwertbares zutage trat. Dennoch erklärte der Richter den Geschworenen erst im Anschluss an diese Ausführungen, dass sie das Gehörte nicht in ihre Entscheidungsfindung miteinbeziehen sollten. Als später beim Prozess gegen Algernon Sidney ähnliche Ausschweifungen nachträglich als Beweise ausgeschlossen wurden, bemerkte der Angeklagte zurecht: But it prepossesses the jury.225 In seinem Fall erklärte Russell dazu nur: ´tis very hard a man must lose his life upon hear-say.226 Bei seiner Verteidigung fragte Russell, wie denn ein Treffen im Hause des Kaufmanns Sheppard Hochverrat im Sinne des Gesetzes von 1352 sein könne und welche Gründe es für einen Schuldspruch gäbe, wenn die Zeugen Rumsey und Sheppard von unterschiedlichen Treffen berichtet hätten. Die Antwort der Richter und Kronanwälte darauf zeigte, dass man zum Verständnis dessen selber Jurist sein musste. Selbst den Punkt, dass es sich hier im eigentlichen Sinne um Rechtsfragen handelte und damit Anwälte erlaubt waren, konnte Russell nicht erfolgreich begründen. Er bekam in dieser Situation einfach keinen Boden unter die Füße – und das sagte er auch klar und deutlich: My lord, I cannot but think myself mighty unfortunate, to stand here charged with so high and heinous a crime, and that intricated and intermixed with the treasons and horrid practices and speeches of other people, the king’s counsel taking all advantages, and improving and heightening things against me. I am no lawyer, a very unready speaker, and altogether a stranger to things of this nature, and alone, and without counsel. Truly, my lord, I am very sensible, I am not so provided to make my just defence, as otherwise I should do.227

Tatsächlich konnten Richter und Kronanwälte weder die Anklage noch die Beweisführung unmittelbar auf ein Gesetz zurückführen. In beiden Fällen handelte 224 225 226 227

9 ST 599. 9 ST 848. 9 ST 616. 9 ST 614.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

337

es sich um Gebrauchsrecht, das, anders als man es hier wahrmachen wollte, durchaus kein ehrwürdiges Alter aufweisen konnte, sondern erst 1660 so beschlossen worden war. Dass konspirative Treffen dann als Hochverrat nach dem Gesetz von 1351 ausgelegt werden konnten, wenn es dabei um Planungen für einen bewaffneten Aufstand ging,228 ließ sich gegenüber einem Publikum, dass Verschwörungen als eminente Bedrohung wahrnahm, vermutlich problemlos plausibel machen. Allerdings waren die Juristen auch gezwungen, einen heikleren Punkt aus dem Regelungskatalog von 1660 zu erklären – ein Regelungskatalog, der aus gutem Grund nicht in Gesetze überführt worden war und dem Publikum der 1680er Jahre kaum bekannt gewesen sein dürfte.229 Insofern war einem weiteren Publikum auch nicht unbedingt bekannt, dass man die Zeugenregel vor Gericht stets nach dem eigenen Vorteil auslegte: Zwei Zeugen, wie es die Gesetze seit Maria Tudor vorsahen, sollten es schon sein. Aber diese mussten nicht die gleiche Tat, sondern nur den gleichen Verrat bezeugen – und wie weit das Feld des Verrats durch die Vertreter der Anklage gesteckt sein konnte, das machten ihre ausufernden Indictments zu Beginn eines jeden Prozesses klar. In den Worten von Richter Pemberton: the two witnesses the statute requires are not to the same individual act, but to the same treason; if they be several acts declaring the same treason, and one witness to each of them, they have been reckoned two witnesses within the statute of Edw. 3.230

Damit wird auch klar, dass die von jedem Monarchen seit Maria I. in ihren jeweiligen Hochverratsgesetzen hochgehaltene Zwei-Zeugen-Regel (zuletzt noch von Karl II: legally convicted heißt upon the Oaths of two lawfull and credible Witnesses upon triall […] by due course of Law231) nach wie vor zur Außendarstellung diente, aber nicht zur Regulierung der Verfahren, wo man sich auf eigene Faustregeln verließ. Russell und andere Angeklagte deckten vor Gericht mit ihren Fragen zu der Art der Beweisführung letztlich auf, dass es sich bei der Zwei-Zeugen-Regel um eine Art von symbolischer Gesetzgebung handelte. Russell bestand darauf, dass es sich, wenn überhaupt, um zwei verschiedene Verratsfälle handelte (er stritt nicht ab, dass es die Treffen gegeben hatte und er dabei anwesend gewesen war), weswegen er bezweifele, dass mit den Zeugen irgendetwas bewiesen worden sei. Wenn er an diesem Punkt auf seine Unkenntnis des Rechts zu sprechen kam, dann auch, weil ihm dieses Recht im höchsten Maße befremdlich vorkam: Russell:

228

229 230 231

I am not knowing in the law. I think it is not proved; and if it was, I think its not punishable by that act. I desire counsel may be admitted upon so nice a point. My life lies at stake; here’s but one witness that speaks of a message.

To prepare forces to fight against the king, that is a design, within that statute, to kill the king; and to design to depose the king, to imprison the king, to raise the subjects against the king, these have been settled by several resolutions to be within that statute, and evidences of a design of killing the king, so Kronanwalt Sayer, 9 ST 615. Die Reports von Sir John Kelyng wurden wiederum erst 1708 gedruckt. 9 ST 615f. 13 Car. II. c.1.1.

338

1650–1730: Untersuchungsregime

Jeffreys:

The fact must be left to the jury; therefore if my lord Russell hath any witnesses to call in opposition to these matters, let him.

Pemberton:

My lord, there can be no matter of law, but upon a fact admitted and stated.

Russell:

My lord, I do not think it proved: I hope you will be of counsel for me; it is very hard for me, that my counsel may not speak for me in a point of law.232

Auch der politischen Theoretiker Algernon Sidney fand es merkwürdig, dass er vor Gericht keinen Anwalt engagieren konnte.233 Has not every Body Counsel? fragte er, nachdem ihm ein solcher verwehrt worden war. Auch wenn das vielleicht eine rhetorische Frage war, so legte Sidney damit öffentlich einen Missstand bloß, zumal es kurz zuvor einen jener Verfahrensschritte gegeben hatte, bei denen die Notwendigkeit eines juristischen Experten klargeworden war: Sidney hatte auf die Schuld/Unschuld-Frage geantwortet, dass das Indictment nach seinem Eindruck sehr verschiedene Dinge miteinander vermischt habe, so dass er davon ausgehe, dass die Anklageschrift rechtlich unzulässig sei: Sidney: My lord, I find an heap of crimes put together, distinct in nature one from another, and distinguished by law; and I do conceive, my lord, that the indictment itself is thereupon void, and I cannot be impeached upon it.234

Wie bei den Pleadings seit der Restauration üblich, verweigerten die Richter aber strikt jede Diskussion darüber: We are not to admit of any discourses, till you answer the question, whether you be Guilty or not Guilty.235 Kronanwalt Sawyer ergänzte allerdings, anstelle des Pleadings sei nur eines zulässig, nämlich ein demurrer. Bei einem demurrer (von lat. demorari, etwas aufhalten) wurde nicht der Sachverhalt bestritten, aber verneint, dass damit überhaupt eine strafbare Handlung vorlag.236 Allerdings war ein demurrer extrem riskant: Sidney hätte dann schlüssig nachweisen müssen, dass das Indictment nichtig (void) war, und darauf hätten die Kronanwälte das Recht gehabt, ihre Position vorzutragen. Die Entscheidung lag dann beim Richter: Würde er den Kronanwälten Recht geben, wäre das gleichbedeutend mit einem Schuldspruch gegen den Angeklagten, ohne jeden weiteren Prozess. Entsprechend warnte der beisitzende Richter Withins: Will you stand by it? Consider yourself, and your life, if you put in that plea, and Mr. Attorney demurs, if your plea be not good, your life is gone.237 Ein erfolgversprechendes Argument setzte hier die intime Kenntnis von Gesetzen, Präzedenzfällen und den Kommentaren von Rechtsautoritäten voraus, also juristisches Spezialwissen, das Sidney nicht besaß. 232 233 234 235 236 237

9 ST 616. Zu dem Prozess Scott, Algernon Sidney, 317ff.; Patterson, Early modern liberalism, 129–152. 9 ST 820. Ebd. Baker, An introduction to English legal history, 69. 9 ST 822.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

339

Das gab er auch unumwunden zu: I am an ignorant man in matters of this kind, I may easily be surprized in it, I never was at a trial in my life of any body, and never read a law book.238 Ohne Anwalt hätte Sidney mit dem demurrer ohne Zweifel mit sich selbst kurzen Prozess gemacht. Dass ihm allerdings weder, wie von ihm gefordert wurde, ein Tag Zeit gegeben wurde, damit er die Sache mit seinen Anwälten besprechen konnte (Pray, my lord, give me a day to consider of it), noch die Anwälte selbst zu dieser Sache sprechen durften – schließlich handelte es sich hier eigentlich um eine matter of law –, war eine Finte, die auch von Richter Jeffreys nicht begründet, sondern nur verklausuliert werden konnte: Because no prisoner under your circumstances is to have counsel, but in special cases to be assigned in matters of law, the court is bound by their oaths and duty of their places that they shall not see any wrong done to you. But the business that we are to tell you now is, you are to plead Guilty, or not Guilty, or demur, which is a confession in point of law.239

Mit dem unbeirrbaren Beharren darauf, dass Sidney entweder plädieren oder einen demurrer geltend machen müsse (Sir, I tell you, you must either plead or demur), wurde ihm auch die Möglichkeit abgeschnitten, über den Sinn der Indictments in der Alltagssprache240 oder in den Begriffen seiner politischen Theorie zu verhandeln. Anders als John Lilburne, dessen Prozessverhalten Sidney im Tower zur Vorbereitung seines eigenen Verfahrens eingehend studiert hatte241, gelang es diesem Theoretiker nicht, dem Gericht seine politische Sprache aufzunötigen. Vielmehr schien Richter Jeffreys diesen Versuch sogar zu durchschauen: Pray do not deceive yourself; you must not think the Court and you intend to enter into a dialogue. Answer to the fact; if there be not sufficient fact, the jury will acquit you.242 Wenn er etwa versuchte, den Sinn der Anklage zu hinterfragen, dann bekam er zur Antwort: The court will have patience to hear you; but at the same time I think it is my duty to advertise you, that this is but misspending of your time.243 Als er seine Schriften damit verteidigte, dass er sie nicht als Anleitung zur Rebellion, sondern als Antwort auf Robert Filmers Patriarcha, or the Natural Power of Kings (1680 zum ersten Mal gedruckt) geschrieben habe, entgegnete Jeffreys: We are not to speak of any book that sir Robert Filmar wrote, but you are to make your defence, touching a book that was found in your study, and spend not your

238 239 240

241 242 243

9 ST 820. Ebd. Now if there be here several things distinct in nature, distinguished by law, that are put together, it is impossible to make a positive answer to any one. If any one should tell me, that I by myself, or by others, by sword or by pistol conspired to kill the king, I can say, I did it, or I did it not. If any one say, I have levied war, and by several acts undertake to prove I have done it, I can say I have done it, or I have not. But here I don‘t find any thing specified, or can tell upon what statute I am indicted, 9 ST 821. Scott, Algernon Sidney, 311ff. 9 ST 862. Ebd.

340

1650–1730: Untersuchungsregime

time, and the court’s time, in that which serves to no other purpose, than to gratify a luxuriant way of talking that you have.244

Während Lilburne die Verstrickungen (snares), die einem Angeklagten im Prozess gefährlich werden konnten, identifizierte und dann umging, empfand sich Sidney, der ganz ähnliche Formulierungen benutzte (make me to run on dark and slippery places I don’t see my way) im Verlauf des Prozesses regelrecht verloren in den Formalitäten des Rechts.245 Dies sei aber die übliche Situation für jeden Angeklagten vor Gericht, bekam er darauf von Jeffreys zur Antwort: Don’t apprehend yourself to be so as if the court would run you on any inconvenience. But they are bound to see the methods of justice preserved, they are those that you, and all the king’s subjects are bound to conform to. If any one of us were in the same condition, we must observe the same methods of law.246

Auch beim Prozess gegen Henry Cornish 1685, wieder unter dem Vorsitz von Jeffreys, drängte sich der Eindruck einer übermächtigen Justiz auf, die den Angeklagten mit falschen Versprechungen auf slippery places locken wollte. Cornish hatte sich schon unmittelbar zu Prozessbeginn zu verteidigen versucht und war nur damit zum Plädoyer zu bewegen gewesen, dass ihm das Rederecht für später in Aussicht gestellt wurde: Cornish:

If your lordship pleases to allow me a little time, I do not question but I can very well satisfy your lordship, and this honourable court, that I am a very innocent person.

Jeffreys:

You will have your proper time for that, but now you must plead, that you may hear the particulars of your charge, and have an opportunity to make out your innocence; for we must keep the same method with you we do with all other persons in your circumstances; and therefore you must plead as other persons do.247

Allerdings musste Cornish bei der Hauptverhandlung die Erfahrung machen, dass man nun eben nicht alles das sagen konnte, was man wollte, to make out your innocence. Jeffreys brachte den Angeklagten damit schier zur Verzweiflung, dass er rigoros darauf bestand, dass seine Verteidigung nur darin bestehen könne, Entlastungszeugen für sich sprechen zu lassen. Nur das sei für die Jury ein relevantes Entscheidungskriterium, seine Unschuldsbehauptungen aber seien unerheblich:

244 245

246 247

9 ST 866. Sidneys moderner Biograph, Jonathan Scott, hat die Hilflosigkeit des Angeklagten ebenfalls deutlich unterstrichen. In Bezug auf die Hauptverhandlung stellte er fest: „Sidney now lost the initiative permanently. Denied the opportunity to conduct (or end) the trial on his terms, Sidney found himself with no choice but to follow Jeffreys’ direction […]. He was forced, in short, to conduct his defence on the prosecution’s terms.” Scott, Algernon Sidney, 326. 9 ST 821. 11 ST 387.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

341

Cornish:

But for my innocency, for that (I know) I have enough to say.

Jeffreys:

That is in your own breast, the jury can’t see that; will you call any witnesses?

Doch die hatte Cornish nicht, weil er bis zu seinem Prozess in einem dunklen Loch in Newgate eingekerkert gewesen war. Von einer Verteidigung, die darauf beruhte, die Unwahrscheinlichkeit der Aussagen der Zeugen der Anklage hervorzuheben, wollte Jeffreys ebenfalls nichts wissen. Als Cornish dies trotzdem versuchte, reagierte Jeffreys unwirsch auf dieses zentrale Kriterium forensischer Wissenskultur seit der Restauration: Is it enough to say, improbability, improbability, improbability? Is that enough? Have you said any more?248 Dabei hatte ihm der Richter genau diese Option bei dem Verhör der Kronzeugen versprochen, um Cornish einstweilen ruhigzustellen: You shall argue if you will, when you come to make your defence in the proper time, the improbability of any thing that he hath said, or the impossibility, or repugnancy to any truth, or any evidence that you can give to the contrary.

Auch Cornish blieb am Ende nichts anderes übrig, als zu resignieren und seine Ratlosigkeit einzugestehen: I have had no help, and it is well known, I am not skilful in the law. I don’t understand what you say, nor how to plead my cause, having no help, nor no assistance allowed me.249 Genau wie Russell und Sidney erschien auch Cornish durch solche Äußerungen (I am not a lawyer, I am not skilled in these things; I am very ignorant250) in der Position eines Rechtslaien. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass dies eine Rolle war, die erst in dieser Zeit entstand. Erst durch die immer weiter voranschreitende Formalisierung und Sequenzialisierung des Verfahrens gerieten die Angeklagten ins Hintertreffen, wenn sie sich nicht an die juristischen Spielregeln und Sprachspiele hielten.251 Der Strafprozess hatte im späten 17. Jahrhundert endgültig nicht mehr die Gestalt einer Disputation, eines Streitgesprächs (altercation) zwischen faktisch annäherungsweise gleichen Sprechern, bei denen nicht jedes, aber viele Mittel im Wortsinn Recht waren und bei dem es wortgewandten Angeklagten (Throckmorton, Campion, Karl I., Lilburne) gelingen konnte, nicht immer den Prozess, aber doch die Deutungshoheit zu gewinnen. Insofern Hochverratsprozesse in der späten Stuartzeit aber durchzogen waren von Sprechbarrieren (Mr. Cornish, if you please you shall have your time of speaking hereafter), ubiquitären Regularien (Mr. Cornish, you must observe the rules of the court) und der Notwendigkeit, Einsprüche technisch einwandfrei begründen zu können (Look you, Sir, if you have any exception against Mr. Rumsey‘s testimony, we will hear you; propound 248 249 250 251

11 ST 430. 11 ST 429. 11 ST 412. Diese Unbeholfenheit der Rechtslaien in den juristischen Sprachspielen hatte sich im 19. Jahrhundert derart institutionalisiert, dass einfache Arbeiter den Gerichten zunehmend den Rücken kehrten, vgl. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 493–511.

342

1650–1730: Untersuchungsregime

a legal exception), wurde das Postulat, dass jeder Angeklagte selbst sein bester Anwalt sei, fähig zu einer plain and honest Defense252, immer mehr als Farce wahrgenommen. Tatsächlich war dieses Postulat auch kein allgemeines Kennzeichen des traditionellen Verfahrens, sondern wurde in seinen verschiedenen Ausdrucksweisen (Criminals […] should not have any Assistance in Matters of Fact, but defend upon plain Truth, which they know best, without any Dilatories, Arts, or Evasions253) erst dann zum Topos, als in den 1680er Jahren vermehrt um Rechtsbeistand nachgesucht wurde. Die Regel wurde situativ, nicht grundsätzlich eingeführt. Es hatte sich, zumindest aus Sicht der Angeklagten, immer mehr als Illusion herausgestellt, dass sich der Prozess eindeutig in Rechts- und Tatfragen aufteilen ließe und daher every one of Common Understanding may as properly speak to a Matter of Fact, as if he were the best lawyer.254 Vielmehr waren auch die Sequenzen der Tatsachenerhebung immer weiter juridifiziert worden, beispielhaft stehen dafür Diskussionen um die Zulässigkeit von Aussteigern als Kronzeugen. Wenig ausrichten konnten die Angeklagten in der Regel dann, wenn das Gericht Dokumente als Beweismittel ausschloss. Um die Widersprüchlichkeiten in Rumseys Aussage aufzudecken, verlangte Cornish etwa, dass man Passagen aus dem gedruckten Prozess gegen Lord Russell vorlesen sollte, und bekam zu hören: Levins:

Sir, that signifies nothing.

Cornish:

It is by authority. That is a very material thing, my lord.

Jeffreys:

What is? It is no proof at all.

Cornish:

Not the printed trial?

Jeffreys:

No.255

Schon die Frage, wann es sich überhaupt um eine matter of law handelte, bei der ein Anwalt eingeschaltet werden durfte, setzte nicht nur juristischen Sachverstand voraus, sondern auch die Kenntnis der richtigen Signalwörter, mit der das Verfahren in erlaubter Weise von den Tatsachen auf die Rechtsfragen umgeleitet werden konnte: for counsel you cannot have it, unless matter of law arises, and that must be propounded by you; and then if it be a matter debatable, the court will assign you counsel, but it must be upon a matter fit to be argued.256 Die Festlegung auf die Anwendung solcher Regeln war nicht prinzipiell ungerecht – so verliefen Zivilprozesse auch, allerdings auf beiden Seiten von Anwälten geführt. Als Ungerechtigkeit

252 253 254 255 256

So der Strafrechtsexperte Hawkins, A treatise of the pleas of the crown, 400. So Chief Justice North in dem Hochverratsprozess gegen Stephen Colledge 1681; North, The Lives, 146. Hawkins, A treatise of the pleas of the crown, 400. 11 ST 434. Aus dem Prozess gegen Colledge, 8 ST 570.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

343

wurde diese Regel dann empfunden, wenn sie gegenüber rechtsunkundigen Angeklagten eingefordert wurde. Auch wenn sich die Gerichte beim Pochen auf die Einhaltung der Regularien und Förmlichkeiten sowie beim Ausschluss von Alltags- und anderen Fremdsprachen257 aus dem forensischen Diskurs weitgehend durchsetzen konnten, selbst gegenüber sprachgewandten Akteuren wie Sidney, so wirkte sich dieser Punktsieg aber keineswegs in Form eines Legitimationsgewinns aus, im Gegenteil: Das unbeirrbare Beharren auf der Strenge der Form, der Gerichtssprache und der Anwaltslosigkeit gegenüber zumeist ratlosen Angeklagten wurde als Schikane wahrgenommen. Roger Morrice, Pastor und Autor eines geheimen Tagebuchs bemerkte zum Cornish-Prozess, die ständigen Interventionen von der Richterbank wären einer Art Prozessverweigerung gleichgekommen: it was the same thing as to deny a man a tryall, and to put him under an utter impossibillity of defending himselfe.258 Der Chronist Luttrell erinnerte von Sidneys Prozess, dass sämtliche Fragen des Angeklagten zu den Grundlagen der Anklage und der Beweisregeln abgeblockt worden seien. Ein Anwalt sei ihm nicht gewährt worden: denying him councill, tho’ he earnestly demanded it.259 Der parteiische Whig Gilbert Burnet notierte zum Prozess gegen Sidney: Jefferies interrupted him often very rudely, probably to put him into passion, to which he was subject: but he maintained his temper to admiration.260 Auch Morrice betonte, Sidney habe sich von der Formstrenge des Prozesses und der ungerechtfertigten Verweigerung eines Anwalts nicht kujonieren lassen: The Prisoner did carry himselfe with much temper, and mildness, offered to say &c very many considerable things in his own defence, &c, raised many weighty points of Law […] but was overruled I think in them all, and his Counsell might not be heard once in a point of Law.261 Sidneys Seelenruhe hatte auch Luttrell beeindruckt, der noch beobachtet hatte, dass Sidney während des gesamten Prozesses immer wieder gelächelt habe, so als ob er nicht im Geringsten besorgt gewesen wäre.262 Im Unterschied zu früheren Prozessen waren den Angeklagten bei den Rye House Plot-Prozessen vor allem Reaktionen geblieben: nonverbale, mimische Ausdrucks257

258 259 260 261 262

Damit sind nicht nur politische Sprachen gemeint wie bei Lilburne und Sidney, sondern auch religiöse Sprache, wie etwa Cornish sie zu sprechen versucht hatte. Als er etwa erklärte: God is my witness, I never heard any thing of a contrivance or plot, till my lord Russel’s trial: These are very strange things, if so be so good a government as we have, shall not protect such innocent men; truly my lord, I am as innocent as any man in this court, if I were to appear before the Great God in judgment this moment, antwortete Jeffreys: Look you, Mr. Cornish, I would with all my heart allow you all the liberty imaginable, to speak pertinently to your defence; but to oppose confidence, and very great assurance, upon your being in the presence of Almighty God, against express testimony, is the weakest defence that can be; if you have any witnesses, if you have any thing to urge against the testimony of any of these persons, besides the improbability of it, which you have often mentioned over and over again, you shall be heard with all patience; if you have witnesses that you will call, we will hear them likewise, 4 ST 429. Harris, The reign of James II, 44. Luttrell, A brief historical relation, Bd. 1, 291. Burnet, History of his own time, 408. Goldie, The entring book of Roger Morrice, Bd. 2, 406. The tryall begun about 10 in the morning, and lasted till 6 in the evening, during which time he smiled several times, and was not in the least concerned even after his conviction, Luttrell, A brief historical relation, 291.

344

1650–1730: Untersuchungsregime

formen ihrer Unbeugsamkeit gingen einher mit verbalen Eingeständnissen ihrer Rat- und Hilflosigkeit. Dieses Verhalten war übrigens keineswegs originell. Sidney kopierte im Grunde die Ausdrucksformen der 1679 vor Gericht gestellten Jesuiten, die sich auch zu keinem Zeitpunkt aus der Fassung hatten bringen lassen. Und vor Lord Russell hatte bereits der Irish Papist Fitzharris seine Frau als Protokollantin engagiert. Aber erst durch die Beobachtung der Whigs, in ihren Tagebüchern, Chroniken und Pamphleten, wurde all dies zum Ausdruck reiner Menschlichkeit vor den Schranken einer ungerechten, ja tyrannischen Justiz. Bei den angeblichen popish plotters hingegen wurde das gleiche Verhalten als Dissimulation denunziert. 6. DAS SCHAFOTT ALS FORUM FÜR JUSTIZKRITIK Genauso wie die vermeintlichen Popish Plotters nutzten auch die Rye House-Verschwörer das Schafott als Forum für konkurrierende Wahrheitsbehauptungen. Im Falle von Russell haben dessen Anhänger, unter Mithilfe seiner Frau, schon unmittelbar nach dem Urteil publizistisch daran gearbeitet, aus diesem Exponenten der Whigs einen Märtyrer ihrer Bewegung zu machen.263 Als er dann, am 21. Juli 1683, unter großer öffentlicher Anteilnahme nach Lincoln’s Inn Fields zur Hinrichtung gebracht wurde, fasste er sich angesichts des durch die vielen Zuschauer verursachten Lärms kurz, verzichtete aber nicht darauf, in den uns bereits bekannten Wendungen seine Unschuld zu versichern: in the words of a dying man I profess I know of no plot, either against the king‘s life, or the government.264 Währenddessen verteilten seine Anhänger eine ausführlichere Apologie unter den Zuschauern. In den folgenden Wochen erschienen weitere Auflagen, zusammen mit der kurzen Rede selbst, und zwar sowohl in London als auch in Dublin und Edinburgh.265 Schätzungen zufolge wurden von dem Pamphlet The speech of the late Lord Russel to the sheriffs together with the paper deliver’d by him to them at the place of execution mehr als 20.000 Exemplare unter die Leute gebracht.266 Die Schrift enthielt sowohl antikatholische Polemik, eine Verteidigung der Whig-Politik seit der Exklusionskampagne als auch die Versicherung, dass es niemals jene hochverräterische Verschwörung gegeben habe. Daher versicherte Russell: I die innocent of the crime I stand condemned for.267

263 264 265

266 267

Schwoerer, William, Lord Russell, 52ff. 9 ST 683. Unter dem Titel: The speech of the late Lord Russel to the sheriffs together with the paper deliver‘d by him to them at the place of execution, on July 21, 1683. Printed by John Darby by direction of the Lady Russel, London 1683, zit. nach 9 ST 683ff. Hinds, Roger L‘Estrange, 6. 9 ST 693.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

345

„to kill by forms and subtilties of law“: Dying speeches als Verfahrensschelte In der historischen Forschung sind solche Unschuldsbekundungen nur im Kontext der Debatte über die Existenz oder Nichtexistenz dieser Whig-Verschwörung registriert worden, bzw. in neuerer, revisionistischer Perspektive im Kontext der Diskurse über den Rye House Plot. Dass damit aber auch, unabhängig von den konkreten Vorfällen und Personen, ein fundamentalkritischer Diskurs über die Verfahrensweisen der Strafjustiz entfaltet worden war, wurde nicht gesehen.268 Denn nach vielen Einzelheiten und Rechtfertigungen wurde in Russells dying speech am Ende der Vorwurf des Justizmords erhoben: For to kill by forms and subtilties of law, is the worst sort of murder.269 Diese Behauptung entsprach zumindest auch der Wahrnehmung seiner Sympathisanten: The tryall lasted till five; and tho’ there was no evidence against him for conspiring the kings death, yet the jury, after an hours being out, brought him in guilty generally, notierte Narcissus Luttrell.270 Für die Obrigkeit waren Russells Unschuldsbehauptungen und Vorwürfe ein ebenso großes Problem wie diejenigen der zuvor verurteilten Katholiken für die Whig-Propaganda. Die 1683 und im Folgenden gewählten Gegendiskurse mussten jedoch gleichzeitig zur Behauptung der Existenz der Whig-Verschwörung auch die gerichtlichen Verfahrensweisen als solche rechtfertigen – nicht nur die jeweiligen Urteile. Daher wurden, wie bereits zuvor, Balladen und bebilderte Einblattdrucke mit einprägsamen Reimen über Russell als Verräter im Auftrag oder mit Billigung der Obrigkeit gedruckt. Ebenso erschien das vollständige Protokoll des Prozesses, von dem sich Krone und Strafjustiz erhofften, dass aus ihm besonders eindeutig die Richtigkeit des Urteils hervorgehen sollte.271 Die eigentliche publizistische Herausforderung bestand aber darin, nicht nur die umstrittenen Urteile, sondern auch die Verfahrensweisen zu rechtfertigen, mit denen diese Urteile herbeigeführt worden waren. Die möglicherweise verunsicherten Leser von Russells last speech versuchte der Chefpublizist der Krone, Roger L’Estrange, damit zu beruhigen, dass er behauptete, auch Protestanten schreckten nicht vor Mentalreservationen zurück. Davon solle sich aber niemand in die Irre führen lassen, denn das höchst förmlich geführte Gerichtsverfahren habe seine Schuld klar und deutlich erwiesen: Now after all these Authoritative and Punctual Formalities of Proceeding, there is not any Man that has a Tenderness for the Memory of that Unhappy Person, but would rather […] charge him […] with double-dealing and mental Reservation in his Last Hour.272 Für die obrigkeitlich erwünschte Lesart von Prozess und Hinrichtung sollte vor allem das von Sir Bartholomew Shower verfasste Pamphlet An Antidote against 268 269 270 271 272

Genauso wie bei vergleichbaren Schafott-Diskursen ein Jahrhundert zuvor. 9 ST 694. Luttrell, A brief historical relation, Bd. 1, 268. Vgl. Schwoerer, William, Lord Russell, 59. L’Estrange, Considerations upon a printed sheet, 8f. Eine identische Ausgabe erschien noch im gleichen Jahr in Edinburgh. Ein Anonymus nannte Russell in einem weiteren RechtfertigungsPamphlet sogar einen Protestant-Jesuit; Anon., Some succinct remarks on the speech, 2; vgl. dazu ausführlich Schwoerer, William, Lord Russell, 55ff.; Hinds, Roger L‘Estrange, 7ff.

346

1650–1730: Untersuchungsregime

Poison sorgen.273 Auch der Jurist Shower wollte seine Leser davon überzeugen, dass Russells dying speech unsinnig und unwahr sei, wenn man sie im Lichte des tatsächlich überaus fairen Prozesses betrachte: […] all persons who were present at the trial of the lord Russell […] can all attest to the fairness of his trial, the respectful treating of him by the king’s counsel, as far as was consistent with their duty, without any strains upon the evidence to the favourable demeanor of the court towards him, not in the least aggravating the crime beyond the evidence, and to the fullness of the evidence upon the proofs produced.274

Shower negierte aber nicht nur die Unschuldsbehauptungen auf dem Schafott. Vielmehr ließ er in seinem Pamphlet Russells Hochverratsprozess gleichsam in Revision gehen, um dann festzustellen, dass alles in bester Ordnung verlaufen und nach allen Regeln zweifelsfrei erwiesen worden sei: A clearer evidence to prove the facts charged, of meeting and consulting to raise a rebellion within the kingdom, and to seize the king’s guards, I believe the most experienced person in the laws can never shew was ever produced at the trial of any traitor. […] If then the facts whereof the Lord Russell was found guilty by the jury, upon such pregnant proof, be so evident, how is it possible for a dying man, before God and men, to assert his innocency with such assurance […]?275

Abb. 30: Anon.: Collonel Sidney’s overthrow; or, An account of his execution upon Tower-Hill [London] [1683]. 273 274 275

Zook, Radical Whigs, 61ff. 9 ST 709. 9 ST 711ff.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

347

Nicht weniger umstritten war das Todesurteil gegen Sidney. The trial being universally cried out on, as a piece of most enormous injustice, so sah das zumindest Gilbert Burnet.276 Dass das Urteil sich nur auf die Aussage eines Zeugen gründete und zudem ein Manuskript das Corpus Delicti darstellte, hielten aber nicht nur Whig-nahe Beobachter wie Burnet für einen scandal, sondern auch eher indifferente Zeitgenossen wie John Evelyn.277 Roger Morrice notierte, wenn dies die Vorstellung des Gerichts vom Recht sei, there was no man secure of his life for an houre.278 Auch der Obrigkeit war bewusst, dass im Fall von Sidney die gefühlte und die forensische Gerechtigkeit besonders weit auseinander klafften und man es mit einem considerable outcry zu tun habe. Gerüchte wurden verbreitet, die Geschworenen seien bestochen worden.279 Bei seiner Hinrichtung auf Tower Hill am 7. Dezember 1683 (sämtliche Rye House Plotter waren zu einem ‚ehrenhaften‘ Tod durch Köpfen begnadigt worden) ergriff Sidney nicht mehr selbst das Wort. Seit den Hinrichtungen im Sommer 1683 (neben Russell waren Thomas Walcot, John Rouse und William Hone hingerichtet worden) hatte man wieder einen Geistlichen damit beauftragt, bei Dissens unmittelbar zu widersprechen und auf dem Schafott für die Wahrheit des Gerichts zu werben. Diesen Disput wollte sich Sidney aber ersparen. Zudem plante man, problematische dying speeches mit Trommelwirbeln zu übertönen. Anstelle von Unschuldsbekundungen und Verfahrenskritik beließ es der politische Theoretiker bei wenigen Worten und bei Ausdrucksformen eines heroischen, männlichen Todes.280 Allerdings hatte auch Sidney wie Russell eine gedruckte last dying speech vorbereitet und in großer Stückzahl heimlich drucken lassen. Diese wurde im Publikum und in London verteilt und auch in diesem Fall besaß die Rede enormes subversives Potential.281 Sidneys gedruckte dying speech wurde von den Historikern stets als ein politisches Testament gelesen, enthielt sie doch in konzentrierter Form Kernaussagen seiner politischen Theorie (magistrates were set up for the good of nations, not nations for the honour or glory of magistrates).282 Aber sie war mindestens ebenso sehr ein Vorwurf an die Strafjustiz und ihre Vorgehensweise: we live in an age that maketh truth pass for treason: I dare not say any thing contrary unto it, and the ears of those that are about me will probably be found too tender to hear it. My trial and condemnation do sufficiently evidence this.283 Wie Monate zuvor wurde die Drucker276 277 278 279 280

281 282 283

Burnet, History of his own time, 408. Scott, Algernon Sidney, 340. Spurr, The Entering Book or Roger Morrice, Bd. 2, 414. Scott, Algernon Sidney, 340. John Evelyn notierte: a man of greate Courage, greate sense, greate parts, which he shew’d both at his trial and death; for when he came on the scaffold, in stead of a speech, he told them only, that he had made peace with God; that he came not thither to talk but to die ; put a paper into the sheriff ’s hand, and another into a friend’s, sayd one prayer as short as a grace, laid down his neck, and bid the executioner to do his office, zit. nach Evelyn / Bray, Memoirs of John Evelyn, Bd. 3, 105. Scott, Algernon Sidney, 343. Anon., The very copy of a paper. Zit. nach 9 ST 909.

348

1650–1730: Untersuchungsregime

presse der Gegenseite daraufhin sofort angeworfen.284 Der royalistische Dichter Elkanah Settle sezierte in zwei Pamphleten Sidneys Rede als typischen Auswurf eines Anti-monarchical, Atheistical Republican, dem man nicht einmal in der Stunde seines Todes glauben dürfe – denn er fürchte Gott ja nicht.285 Wieder erschienen Balladen, auf den Fall umkomponierte Gassenhauer (Now, now the fight‘s done), sarkastische Nachrufe auf fiktiven Epitaphen286 und Bilder, in denen im Wortsinn holzschnittartig der angeblich folgerichtige Zusammenhang von Prozess und Urteilsvollstreckung dargestellt wurde (Abbildung 30). Weitere Pamphlete beschäftigten sich mit dem Prozess. Dem anonymen Autor eines Exact Account of the Tryal of Algernon Sidney ging es darum, die Beschwerden des Angeklagten gegen den Gang des Verfahrens zu entkräften.287 Wenn sich Sidney darüber beklage, dass ein Zeuge zunächst einmal ganz allgemein die ganze Geschichte des Rye House Plot erzählt habe, dann sei es zwar richtig, dass Sidney damit noch nicht unmittelbar und persönlich belastet worden sei. Doch ebenso werde nunmehr die Beweisaufnahme bei hochverräterischen Verschwörungen durchgeführt. Der Präzedenzfall dafür sei der Prozess gegen die fünf Jesuiten im Jahr 1679, dessen Durchführung seinerzeit von den Whigs sehr begrüßt und als Ausweis funktionierender Gerechtigkeitspflege vorgestellt worden sei: Sollte nun Unrecht sein, was damals Recht war? Zum Verhalten der Kronanwälte, denen Sidney in seiner gedruckten Rede extravagance vorgeworfen hatte, könne man nur sagen, dass sie ihre Beweise most Elegantly and Legally vorgebracht hätten. Mit Hilfe ehrenwerter Zeugen habe man klar und deutlich bewiesen, dass Sidney der Autor des Pamphlets gewesen sei. Da Sidney das Glück habe, in einem Land zu leben, wo keine Inquisition ihr Unwesen treibe, sei nicht nur den Kronanwälten, sondern ebenso auch ihm das Wort erteilt worden: Mr. Sidney, he was permitted with all the Freedom imaginable to make his defence, which was very long, and not the least interrupted: the court giving him all the fair Play imaginable. Anschließend wird berichtet, was Sidney zu seiner Verteidigung vorgebracht habe und welche Entscheidungen das Gericht über die Zulässigkeit seiner Einwände und Beweismittel getroffen habe: First he began with matters of Law, and pleaded, that there ought to be two Witnesses to every particular fact, but he was answered by the Court, that that Case had often been over-ruled; and that […] it was agreed on by all the Judges, that it was not necessary […]. His next Argument was, that he concieved himself only Guilty of Misprison of Treason, because it could not be proved, that he writ the Treasonable Letter […], but he was told by the Court, that his point of Law, likewise failed him 284 285 286

287

Scott, Algernon Sidney, 342ff. Settle, Some animadversions on the paper; Settle, Remarks on Algernoon Sidney‘s paper. Reader, if Whig thou art, thou’tl laugh / At this insipid Epitaph. / Oh tye! get Onions for thine Eyes, / For here thy Patron Sidney lyes. / But where’s his wandering Spirit gone, / Since here he suff ’red Martyrdom? / To Heaven. Oh! It cannot be, / For Heaven is a Monarchy. / Where then I pray? To Purgatory. / That’s an idely, Romish Story. / Such Saints as he can’t go to Hell? / Where is he gone I prithee tell, / The Learned say to Achitophel, in: Anon., An elegy on the death of Algernon Sidney. Der Reim verweist auch auf die whiggistische Politsatire von Dryden, Absalom and Achitophel. Anon., An Exact account of the tryal of Algernoon Sidney.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

349

in that Case […]. Then he proceeded to several other Topicks, to shew the improbabilitie of such a designe, he speaking very floridly, and often smiling as if he did not question but to have a good delivery. […] These were only looked upon by the Court as flourishes, which were not material, and so giving him an short and pithy Answer desired him to proceed to more solid arguments, and to call his evidence, which were many but were able to say little in the Prisoners behalf.

Zusammenfassend könne man nur sagen: Mr. Sidney, having made the best defence he could, sat him down, and Mr. Solicitor General summ’d up the Evidence, most learnedly and distinctly. First, shewing the convincing proofs of the Kings side, then from Point, to Point, answering every Objection, urged by the Prisoner, afterwards my Lord Chief Justice summ’d up all, most learnedly, and methodically, giving most Loyal Directions to the Jury.288

Auch in diesen Pamphleten wurde das Urteil mit den Förmlichkeiten des Verfahrens gerechtfertigt. Das angebliche Fairplay des Prozesses wurde nun mit entsprechenden Signalwörtern rekapituliert: Die Kronanwälte hätten ihre Beweise im Rahmen des Rechtlichen (legally) vorgelegt, und umgekehrt gab man dem Angeklagten Zeit und Möglichkeiten, sich zu verteidigen. Seine Einwände wurden rechtsförmig, unter Berufung auf Präzedenzien oder rechtsförmige Ablehnungsgründe in der Sache (his point of Law, likewise failed him in that Case) abgelehnt. Der Verfasser des Pamphlets spielte dabei das förmliche Vorgehen der Richter und Kronanwälte (learnedly and distinctly […] and methodically) gegen Sidneys eher lebensweltlich gefärbten Auftritt aus: Seine schwülstigen (florid) Reden und sein merkwürdiges Lächeln hätten nun mal nichts zur Sache beigetragen (were not material). Gerichtlich Verwertbares (more solid arguments) habe er aber nicht bieten können. Gleichwohl sei er bei seinem Part nicht unterbrochen worden, er habe vielmehr Zeit gehabt zur best defence he could. Anschließend hätten aber auch Kronanwälte und Richter Zeit zur Darlegung ihrer Sicht auf die Dinge gehabt, mit denen man am Ende die Geschworenen überzeugt habe. 7. ZUR PUBLIZISTISCHEN MARKIERUNG DES BRUCHS MIT DER TRADITIONELLEN STRAFRECHTSPRAXIS Während die verurteilen Rye House-Verschwörer in den forms of law Mordwerkzeuge sahen, galten diese der Obrigkeit als wichtiges Kriterium in der öffentlichen und publizistischen Verteidigung ihrer Verfahren. Dass es sich dabei nicht nur um eine situativ notwendige, letztlich aber politische Kampagne handelte, sondern einige Exponenten des alten Regimes auch nach der Revolution an the English method of proceedings against criminals glaubten, zeigt der gleichnamige Untertitel des Pamphlets The magistracy and government of England vindicated von Sir Bar288

Anon., An Exact account of the tryal of Algernoon Sidney, 2f.; eine ganz ähnliche Form der Nachtragslegitimation bietet das anonym erschienene Pamphlet The Proceedings to Sentence of Death, Against Algernon Sidney […], London 1683.

350

1650–1730: Untersuchungsregime

tholomew Shower aus dem Herbst 1689.289 Dieses noch um zwei Teile ergänzte und 1690 erneut aufgelegte Pamphlet antwortete wiederum auf die ebenfalls 1689 von Russells früherem Anwalt Sir Robert Atkyns veröffentlichte Defence of the late Lord Russel‘s innocency.290 Auch in diesen Pamphleten ging es um das Große und Ganze, um Whigs und Tories, Rebellionen und Verschwörungen. Aber es ging Shower eben auch um die Verteidigung traditioneller Verfahrensweisen: Seit der Revolution dürfe ja leider jeder sagen und drucken, was er wolle, und besonders zersetzend wirkten die Auseinandersetzungen mit längst abgeschlossenen Prozessen, die Justiz als solche werde dadurch in Misskredit gezogen: for they create a disrespect and contempt upon all justiciary proceedings: to arraign all past is to excite a suspicion of all present and future administrations; whereas Plowden saith […] „It is a good and sure way to believe the last judgment“ […] were it otherwise, the institution of judges and courts are vain, and our state, as Englishmen, the most unfortunate; for we have no rule but „ex ore judicium“, or from particular statutes, and of them they are the expositors.291

Showers Verteidigung der Verfahrenstraditionen und der Versuch, sie gegen Herabsetzungen zu immunisieren, war der Anlass für Sir John Hawles, seine Remarks über die zurückliegenden Prozesse zu publizieren. Ausgehend vom jeweils konkreten Verlauf eines Verfahrens bilanzierte er all die Kritik, die Diskreditierung und Verachtung, die von den Angeklagten bzw. Verurteilten und ihren Sympathisanten dagegen zum Ausdruck gebracht worden war. In Bezug auf Russell hieß es etwa: But the Usage of the King’s Counsel and the Court toward the Prisoner was very unjust and unfair. Das Verbrechen, das man Sidney zur Last gelegt habe: mittels eines Manuskripts einen Bürgerkrieg provozieren zu wollen, sei eine strained Construction, eine construction of the Evidence und not Treason […] by the Statute of Edward the 3rd, or Charles the Second. Die Konstruktion habe man am Ende noch auf die Spitze getrieben, indem die angeblichen Beweismittel am Ende vom Richter auch noch unfairly zusammengefasst worden seien.292 Darüber hinaus sei es grotesk, ein Manuskript als ein corpus delicti zu behandeln. Wenn man Sidneys Discourses concerning Government überhaupt als einen overt act von Hochverrat hätte ansehen wollen, dann hätte der Traktat erst einmal gedruckt werden müssen. Den Umstand aber, dass es überhaupt nicht zur Drucklegung gekommen sei, habe das Indictment wohl nicht zufällig verschwiegen. Nur anhand von privat verwahrten Papieren einen Hochverratsfall zu konstruieren sei ein himmelschreiendes Unrecht. Genau so barbaric wie die Auslegung der Hochverratsgesetze sei auch die Strapazierung der Beweismittel und die Art und Weise ihrer Einbringung gewesen. Allen, die den Verfahren gegen Russell, Sidney, Cornish und anderen Whigs beigewohnt hätten, sei aufgefallen, wie unglaubwürdig die Aussagen der Zeugen gewesen wären. Außerdem sei es doch klar, dass die immer wieder berufenen Zeugen Rumsey und 289 290 291 292

Shower, The magistracy and government. Die wiederum eine Replik auf Showers Antidote von 1683 war; Atkyns, A defence. Aus Shower, The third and last part of The magistracy and government, zit. nach 9 ST 773. Hawles, Remarks upon the tryals, 13f.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

351

Sheppard nur ihren Kopf retten wollten und deshalb genau das sagten, was die Kronanwälte hören wollten, nicht aber das, was die Wahrheit gewesen sei. Zudem sei es ein schändliches Vorgehen, den einen Zeugen zu dieser und den anderen zu jener Sache aussagen zu lassen. Damit sei die gesetzliche Vorschrift, bei Hochverrat einen Beweis nur aufgrund der übereinstimmenden Aussage von zwei Zeugen als erbracht anzusehen, nicht erfüllt worden. Auffällig sei auch, dass man bei einigen Angeklagten (u.a. Fitzharris und Sidney) den Prozess nach dem Arraignment vertagt habe, bei Russell und Cornish aber behauptete, dass eine Vertagung das Unüblichste der Welt sei. Überdeutlich sei durch dieses inkonsequente Vorgehen geworden, dass man den Angeklagten damit die Chance nehmen wollte, ihre Entlastungszeugen nach London zu holen: my lord Russell said his witnesses could not be in town till that night, yet the respite till the next day was denied: all persons agreed, that there was some extraordinary reason for it, and before the trial was over, the riddle was out.293 Es gäbe aber überhaupt keinen Rechtsgrund für das Beharren auf der unmittelbaren Durchführung der Hauptverhandlung (for speeding that Tryal beyond the ordinary Method of Trials at the Old Baily), vielmehr liege dies totally in the discretion of the judges to put off a trial; which discretion ought to be governed by reason.294 Ähnlich unfair sei es auch, den Zeugen der Anklage zu erlauben, sich breit auszulassen, intermixing stories of designs, and of attempts by other persons upon the king‘s person, to exasperate the jury.295 Obwohl in diesem Fall selbst die Richter entschieden hätten, dass es sich bei den Ausschweifungen nicht um direkte Beweise gegen den Angeklagten Russell gehandelt habe, hätte dies doch dazu gereicht, die Geschworenen zu verwirren. How unjust was it for the king‘s counsel to repeat all the evidence the lord Howard gave, when they summed it up, even that which the court told them before was not evidence!296 Wenn sich aber Richter und Kronanwälte auf die sicherheitspolitische Räson versteiften, ohne eine solche Handhabung des Rechts it would be the difficultest thing in the world to prove treason against a man […] and the king would in no sort be safe […] I say […] if the law should be so, no private person is safe.297 Vielmehr sei das Gegenteil richtig, that there shall be a stricter proof in high-treason than in any other crime, for the judges to say a less proof may be admitted to convict one of high-treason than of any other crime, is very ridiculous; unless they will at the same time say, that the parliament who made those statutes, were men of little understanding, and not to be regarded.298

293 294 295 296 297 298

Ebd., 63. Ebd. Hawles, Remarks upon the tryals, 75. Ebd. Ebd., 72. Ebd.

352

1650–1730: Untersuchungsregime

In Bezug auf die merkwürdigen (foolish) Maximen von Richtern und Kronanwälten könne man nur festhalten: no evidence, and evidence which the law rejects, is the same in sense, though different in words.299 Alle diese Einwände formulierte Hawles vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Kritik an der Prozesspraxis bei Hochverrat im vorausgegangenen Jahrzehnt: Es sei doch wohl unumstritten, dass es bei Gerichtsverfahren um die Wahrheit gehe (I think none will deny, but the end of trials in any matters capital, criminal, or civil, is the discovery of truth). Wenn das der Fall sei, dann sei es unerklärlich, wieso dem Angeklagten nicht die gleichen Mittel zugestanden würden, um seine Unschuld zu beweisen, wie den Kronanwälten, die seine Schuld zeigen wollten. Warum lasse man den Angeklagten bis zum Arraignment über die Anklage im Unklaren? Wie solle er sich sinnvoll verteidigen, geschweige denn Zeugen aufbieten, wenn ihn das Verfahren mit den Vorwürfen überrasche und dann sofort mit der Hauptverhandlung begonnen werde? For how could this man have known what witnesses to produce, unless he had known what in particular he was indicted for? And how could he have sent to such witnesses, unless he had had the liberty of sending to the persons who were to be witnesses for him? And it shews the folly of those sayings, that a man’s innocence must defend him, and that the evidence against the prisoner must be as clear as the sun at noon-day.300

Nun habe es sich ja bei den letzten Prozessen so verhalten, dass die Angeklagten gerüchteweise von der Anklage gewusst und sich entsprechend mit einem Anwalt über eine mögliche Verteidigungsstrategie beraten hätten. Nur sei es ihnen verboten worden, während des Prozesses irgendwelche Notizen bei sich zu haben. Entsprechend stelle sich die Frage: is not the last hanged for having a bad memory, rather than for his crime?301 Und selbst wenn man Stift und Papier erlauben würde, damit er sich Notizen machen könne, sei das doch wenig von Nutzen für den Angeklagten. Denn erstens müsse man schon ein Jurist sein, um sich die wesentlichen Punkte der stets überlangen Zeugenbeweise der Anklage notieren zu können, und zweitens sei selbst ein juristisch versierter Angeklagter in einem tryal for his life gewöhnlich zu sehr besorgt, um dem Prozessverlauf in angemessener Weise folgen zu können. Und wenn der Richter verspräche, den Angeklagten wie ein Anwalt zu unterstützen, dann müssen man festhalten, dass ein solches Versprechen schon oft gebrochen worden sei.302 Man frage sich also, warum sich die Gerichte mit Händen und Füßen gegen die Zulassung von Anwälten wehrten, die diesen Missstand beheben könnten. Womöglich habe man aus dem Umstand, dass sich die meis299 300 301 302

Hawles, Remarks upon the tryals, 40. Ebd., 39. Ebd., 24. And the use of pen, ink, and paper was but of little advantage to him; for a man that hath not been used to do it, cannot take notes of any use. And in truth, he complained he had not taken notes of half said, but relied on the court to do him justice in summing up the evidences; which they promised to do, but broke their words, Hawles, Remarks upon the tryals, 40.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

353

ten Angeklagten keinen Anwalt leisten konnten, ein Gewohnheitsrecht gemacht (the true reason in probability is, that the prisoners in indictments are generally so very poor that they could not be at the charge of having counsel, and so nonusage gave colour of a law).303 Andere hätten sich – fälschlicherweise – auf Sir Edward Coke berufen, der gesagt habe, dass ein Unschuldiger am besten durch seine Unschuld verteidigt werde: my lord Coke gives for it, viz. that much of the truth may be discerned by the prisoner‘s behaviour, or answers which would be concealed if he spoke by another […]. It is true, my lord Coke used the expression, but in another sense than that of late practised.304 Vielleicht gingen die Apologeten des Anwaltsverbots ja davon aus, dass die Unschuld auf der Stirn des Angeklagten zum Vorschein käme oder ein Engel vom Himmel herabsteige, um ihn gegen ein falsches Zeugnis zu verteidigen. Beides habe man allerdings bislang noch nicht gesehen.305 Ebenso unvernünftig wie das Anwaltsverbot seien die Begründungen dafür, dass die Zeugen der Verteidigung nicht vereidigt würden. Auf diese Weise könne von Wahrheitsfindung nicht die Rede sein: since truth cannot appear, but by the confession of the party, or testimony of witnesses of both sides, it is necessary to put all the engagement as well on the witnesses of part of the prisoner, as of part of the king, to say the truth, the whole truth, and nothing but the truth, as the nature of the matter will bear: and as yet no better means has been found out than an oath.306

Wenn man sich die ungerechte und unfaire, häufig sogar rüde Behandlung der Angeklagten vor Augen halte307, dann könne man nur zwei Dinge sagen. Erstens, dass selbst Gottesurteile, die man einst wegen ihrer Irrationalität abgeschafft hatte, dem Angeklagten mehr Überlebenschancen ließen als die gegenwärtige Verfahrenspraxis.308 Und zweitens, dass die Verfahrenspraxis an die Inquisition erinnere.309 Einem schlimmeren Vergleich konnte man die englische Strafjustiz gar nicht mehr aussetzen. 303 304 305

306 307

308

309

Ebd., 23. Ebd., 31. If that be true, I would fain know how the prisoner shall escape; is it that his innocence shall appear in his forehead, or an angel come from heaven and disprove the accuser? Neither of which we have observed […] Hawles, Remarks upon the tryals, 31. Hawles, Remarks upon the tryals, 33. In Bezug auf Cornish notierte Hawles, Remarks upon the tryals, 97: As the evidence in this case against the prisoner was weaker than in any of the precedent cases, so the usage of the prisoner was more rigorous than in any of them […]. How often was he snubbed and bid hold his tongue? How often did he beg the patience of the court, to hear him and his witnesses? And when he was heard, how was all he said ridiculed? The trial of Ordeal, of walking between hot iron bars blindfold, which was abolished for the unreasonableness of it, though it had its saying for it too, that God would lead the blind so as not to be burnt if he were innocent, was a much more advantageous trial for the suspected than what of late was practised, where it was ten to one that the accused did not escape, Hawles, Remarks upon the tryals, 32. The truth is, when I consider the practice of late times, and the manner of usage of the prisoners, it is so very much like, or rather worse than the practice of the inquisition, as I have read it, that I sometimes think it was in order to introduce popery, and make the inquisition, which is the most terrible thing in

354

1650–1730: Untersuchungsregime

Den Kritikern des traditionellen Verfahrens, neben Hawles war dies der Anwalt Sir Robert Atkyns, der einst Lord Russell beraten hatte, spielte dabei in die Karten, dass sich 1689 auch Sir Bartholomew Shower erneut zu Wort meldete und das Vorgehen gegen die Whig-Verschwörer noch einmal als English Method of proceedings zu verteidigen versuchte.310 Shower hatte schon, wie erwähnt, unmittelbar nach dem Erscheinen der Hinrichtungsrede des Lord Russell 1683 dessen Prozess und Verurteilung verteidigt. Nach dem Erscheinen von Hawles Traktat glaubte er, dies erneut tun zu müssen – und gab Hawles und Atkyns die Gelegenheit für weitere Invektiven gegen die bisher übliche Prozesspraxis: In reply to which it may be justly said, That when lawyers will make use of their wit and rhetoric, as this Answerer has done to bolster up an unjust and revengeful proceeding, and out of ambitious designs, to get or continue in favour, and to gain greater preferment, or shew their parts, will engage in causes of blood, and help to destroy the innocent, and be instrumental in subverting the laws and government, it is every lawyer’s duty, as far as in him lies, to vindicate the profession, by utterly disclaiming and abhorring all such practices […].311

Wie Hawles in seinen Remarks und einem weiteren Pamphlet312 wunderte sich auch Atkyns öffentlich darüber, dass man den Angeklagten genau in jener Situation, nämlich während des Verfahrens, einen Anwalt verweigere, when they most need it, and are apt to be more under a consternation, when they are beset with such sad apprehensions of their danger, and baited at by a multitude of crafty wits, and such as abuse their parts and eloquence to destroy the innocent, and the court (it may be) not always so indifferent as they should be.313 Hawles und Atkyns vollzogen einen eindeutigen Bruch mit der Verfahrenspraxis der Vergangenheit. Die Behandlung der Angeklagten wurde als Teil einer perfiden Strategie geschildert, als Praktiken eines nicht mehr erträglichen Regiments, das von der Glorious Revolution hinweggefegt worden war. Hawles‘ Kommentare zu den Hochverratsprozessen der späten Stuartzeit wurden dadurch kanonisiert, dass sie in die verschiedenen State Trials-Editionen aufgenommen wurden, die ab 1719 erschienen – und die auch dadurch ihren Charakter als einer Whig interpretation der englischen Rechtsgeschichte zum Ausdruck brachten. Eine Fortsetzung der älteren, anwaltlosen Prozesspraxis erschien undenkbar, nachdem Hawles ihr gleichsam ein publizistisches Mahnmal gesetzt hatte. Seine Remarks avancierten im 18. Jahrhundert zu einem rechtstheoretischen Klassiker, der auch nicht in der Bibliothek von Thomas Jefferson fehlte.314

310 311 312 313 314

that religion, and which all nations dread, seem easy in respect of it, Hawles, Remarks upon the tryals, 32. Shower, The magistracy and government. Atkyns, The Lord Russel‘s innocency, 3. Hawles, A reply to a sheet of paper. Atkyns, The Lord Russel‘s innocency, 7f. Patterson, Early modern liberalism, 93f.

VI. Misslungene Experimente: Die Krise der Strafprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts

355

8. RESÜMEE Seit Ende 1678 standen wieder katholische Untertanen vor Gericht. Die ihnen vorgeworfene Verschwörung entbehrte jeder Grundlage, erzeugte aber gleichwohl einen noch größeren Alarmismus als in den 1580er Jahren. Dafür war auch die mediale Entwicklung ursächlich, aufgrund derer die Geschichte vom Popish Plot in Text und Bild massenhaft vervielfacht und verbreitet werden konnte. Die Situation der Angeklagten vor Gericht hatte sich im Vergleich mit dem späten 16. Jahrhundert deutlich gewandelt: Die seit der Restauration ausgebildete Form des Verfahrens machte sich bei den Prozessen gegen Edward Coleman oder die Jesuiten um William Ireland, Thomas Whitebread und John Gavan bemerkbar. In diesen Prozessen wurde die Anklagerhetorik nicht mehr als Beweisverfahren betrachtet. Vielmehr wurde sie zur Vorstellung der Beweislage genutzt. Die Prozesse des Popish Plot gehörten schon zum Untersuchungsregime. Aber die damit zusammenhängende Form der Evidenzerzeugung, die Zeugenbefragung, war das denkbar schlechteste Medium für diese Verschwörungstheorie. Denn im Unterschied zum Kronanwalt im Prozess gegen Edmund Campion konnte man den Hauptzeugen Titus Oates unterbrechen und seine Aussagen auf Plausibilität abklopfen. Dabei haben sich nicht nur die Angeklagten eingebracht, sondern auch der Richter William Scroggs, der die Aussagen im Lichte einer noch informellen forensischen Wahrscheinlichkeitslehre bewertete. Dass Titus Oates am Ende jede Glaubwürdigkeit verloren hatte, war unter anderem der ungewollte Verdienst des Richters. Erheblichen Anteil am Misslingen hatten auch die Kronanwälte selbst, die Oates und andere Kronzeugen im Gerichtssaal scheinbar zum ersten Mal befragten. Eine transsequentielle Kopplung von Voruntersuchung und Hauptverhandlung, die im Prozess gegen die Babington-Verschwörer im Medium schriftlicher Handreichungen für die Anklagevertreter beobachtet werden konnte, ging nicht in das Arsenal juristischer Techniken ein, sondern (vorübergehend) wieder verloren. Die Schuldsprüche waren durch solche Prozessverläufe nicht sinnstiftend vorbereitet worden, die Verurteilungen der Angeklagten erschienen als paradox. Das damit verbundene Auseinanderfallen der Urteilsherstellung einerseits und der Darstellung dieser Herstellung andererseits wurde aber erst mit den Verfahren des Untersuchungsregimes zum lokalisierbaren Problem. Unter den gewandelten epistemischen Rahmenbedingungen, durch die Gerichtsprozesse als faktenerzeugende Prozeduren in Erscheinung traten, gleichsam als forensische Experimente, musste der Sachverhaltsentscheid sinnstiftend vorbereitet werden, wenn das Experiment nicht scheitern sollte. Versuche, den Mangel an Fakten oder deren Widersprüchlichkeit rhetorisch zu korrigieren, fielen umso mehr auf. Insofern hatte die neue Form des Verfahrens nichts zur Legitimation der Entscheidungen beitragen können. Die Machtlosigkeit des Verfahrens stach auch dadurch heraus, dass sich die Angeklagten dissentierend und protestierend einbrachten und selbst der richterliche Versuch, ihnen ins Gewissen zu reden, keinen Erfolg zeigte. Um Schauprozesse handelte es sich dabei insofern, als in einer Reihe von Fällen (aber nicht bei allen!) das Ergebnis schon von Beginn an feststand. Aber genau dieses vorab feststehende

356

1650–1730: Untersuchungsregime

Ergebnis wurde für die Prozesse zum Problem, wenn es keine zum Urteil passende Verhandlung gab. Mit anderen Worten: Die Zeitgenossen nahmen diese Prozesse eben nicht als reines Justiz- und Straftheater wahr, sondern als faktenerzeugende Verfahren – und waren genau deswegen von den Entscheidungen nicht überzeugt. Schauprozesse waren die Hochverratsprozesse aber insofern, weil den Verfahrensveranstaltern bewusst war, dass sie öffentlicher Beobachtung ausgesetzt waren. Daher wurde die Behauptung, dass es sich um ein fair trial handelte, nahezu topisch und die Inszenierung von Förmlichkeit zu einer wichtigen Prozessmaxime. Ähnlich wie im späten 16. Jahrhundert bei der Diskussion um die Folter hatte die Zuschaustellung von Förmlichkeit und die Sprachspiele mit dem fair trial zur Folge, dass man in der Folgezeit nicht einfach wieder dahinter zurückfallen konnte. Man musste den strategisch verwendeten Topi irgendwann auch gerecht werden. Im langen Prozess der Formalisierung des Verfahrens waren insofern auch Schauprozesse wichtig. Wie wenig durch die Gerichtsverhandlungen erreicht worden war, zeigte sich hier aber auch einmal mehr bei den Hinrichtungen, bei denen ähnliche Praktiken der nachträglichen Legitimation zur Anwendung kamen wie ein Jahrhundert zuvor. Pamphlete wurden auch diesmal in großen Mengen gedruckt. Neben dem Versuch, die Unschuldsbekundungen darin als Ausdruck von Dissimulation umzudeuten, wurden andere Medien wie bebilderte Einblattdrucke oder Balladen eingesetzt, um die Leute glauben zu machen, dass auf dem Schafott alles mit rechten Dingen zugehe. Im Kontext einer wachsenden Skepsis gegenüber Pamphleten als Informationsmedien, die zunehmend als parteiisch identifiziert wurden, war der Erfolg dieser Strategie allerdings überschaubar. Zu einer Krise des Strafverfahrens weitete sich dieser Glaubwürdigkeitsverlust allerdings erst im Zusammenhang mit dem sogenannten Rye House Plot aus, als Whigs wegen Hochverrats vor Gericht gestellt wurden. Ähnlich wie die angeblichen Papisten-Verschwörer traten Angeklagte wie Lord Russell oder Algernon Sidney vor Gericht aktiv in Erscheinung. Wenn ihre Prozesse später von Beobachtern wie Sir John Hawles als Skandal gewertet wurden, dann nicht nur wegen problematischer Zeugenaussagen. Auch das erfolglose Einfordern von Rechtsbeistand oder Akteneinsicht machte die Missstände des Verfahrens zum öffentlichen Thema. Erst das beharrliche Verweigern von Strafverteidigern einerseits und das sichtbare und notorische Scheitern als Anwalt in eigener Sache sorgte dafür, dass der Angeklagte die Rolle des Rechtslaien übernahm (die ein emergentes Produkt der spezifischen Interaktionsweise in den Prozessen der späten Stuart-Zeit war) und das Verhalten der Verfahrensveranstalter als Schikane erschien. Der Bruch mit der älteren Verfahrenspraxis ergab sich allerdings nicht einfach durch ihre offensichtlich gewordenen Defekte an sich, sondern erst dadurch, dass diese Defekte am Beispiel bestimmter Personen (Whigs) skandalisiert wurden. Anhand des schikanösen Verhaltens der Richter und Kronanwälte gegenüber Angeklagten wie Russell, Sidney und Cornish stellte der Publizist und Jurist Sir John Hawles die Ungerechtigkeit der alten Strafjustiz heraus, die für ihn zur unmittelbaren Vorgeschichte der Glorious Revolution zählte.

357

VII. Reformprozesse 1. PARLAMENTARISCHE VERHANDLUNGEN Die Reform der Verfahrensordnung bei Hochverrat war eines der zentralen Themen des Parlaments nach der Glorious Revolution. Der Reformdruck war nicht nur durch Sir John Hawles Remarks upon the Trials und die publizistisch ausgetragene Kontoverse über die English Method of proceedings zwischen ihm und Sir Robert Aktans auf der einen und Sir Bartholomew Shower auf der anderen Seite entstanden. Vielmehr waren die Prozesse gegen echte und vermeintliche Verschwörer seit 1681, von Stephen Colledge, William Lord Russell, Algernon Sidney über Henry Cornish bis zu den Aufständischen der Monmouth-Rebellion, nach der Revolution für die Whigs zu einer Art Erinnerungsort geworden: Die Tyrannei und Willkür der Stuart-Herrschaft zeigte sich dieser Auffassung nach in besonderer Weise bei den Hochverratsprozessen, die als Justizmord bezeichnet wurden.1 Deren prominenteste Opfer wurden als Märtyrer verehrt.2 The hardships the Nation endured in constructive Treason was one of the greatest motives and inducements to the late change; and, amongst other things, the regulation of Tryals for Treason was one of the Heads presented to the King to be redressed, erklärte sogar der Tory Sir Thomas Clarges im November 1692 bei einer der vielen Lesungen der Bill for regulating Tryals in cases of Treason.3 An die Popish Plot-Prozesse dachte man dabei allerdings nicht. Titus Oates wurde nach der Revolution sogar rehabilitiert.4 Es war also eine eher selektive Sichtweise auf die Strafrechtsgeschichte des vergangenen Jahrzehnts, aufgrund deren Reformer den Prozess zur Neufassung der Hochverratsgesetze im Parlament forcierten.5 1691 war das Unterhaus zu einer ersten Gesetzesvorlage gekommen, die schon die wesentlichen Aspekte des erst fünf Jahre später verabschiedeten Gesetzes enthielt. Danach sollte der Angeklagte zehn Tage vor Prozessbeginn die Anklageschrift bekommen, zwei Tage vorher die Liste mit den Namen möglicher Juroren. Er sollte das Recht auf einen Anwalt haben, und 1

2 3 4 5

Shapiro, Political theory, 220; allerdings gab es neben den Hochverratverfahren weitere politische Prozesse, die erinnert wurden, so vor allem der Prozess gegen sieben Bischöfe, die gegen die Indulgenzerklärungen Jakobs II. von 1687 und 1688 opponiert hatten, dazu jetzt Gibson, James II and the trial of the seven bishops. Zook, The Bloody Assizes; Asch, Herbst des Helden, 102–106. Grey, Debates of the House of Commons, Bd. 10, 285. Weil, A plague of informers, 59–67. Das Zustandekommen des Gesetzes wurde ausführlich untersucht von Rezneck, The statute of 1696; Phifer, Law, politics and violence; Shapiro, Empiricism and english political thought, 1550– 1720, mit besonderer Berücksichtigung des ideengeschichtlichen Kontextes.

358

1650–1730: Untersuchungsregime

ein Zeugenbeweis sollte nur dann erbracht worden sein, wenn zwei Personen zu dem gleichen Sachverhalt übereinstimmende Aussagen gemacht hatten.6 Welches grundsätzliche Anliegen mit der Reform erfüllt werden sollte, erläuterte einer seiner energischen Befürworter, Sir Charles Montagu, im Dezember 1691 im Unterhaus: The ground of this Bill is, that every man, who shall be prosecuted for Treason, or Misprision of Treason, shall have a fair and equal Tryal for his Life; so that, in what respect, or by what circumstances soever, as the course of proceedings now is, an innocent man‘s Life, Estate, or Liberty, may be unduly exposed by his being prosecuted for the Crimes above expressed, it is very fit there should be a remedy […].7

Zur gleichen Zeit waren aber nicht nur erste jakobitische Verschwörungen aufgedeckt worden. Auch hatten die Truppen Ludwigs XIV. mit Angriffen auf das Rheinland begonnen und damit das losgebrochen, was später der Pfälzische Erbfolgekrieg genannt wurde. Schon 1689 hatte Karl II. mit französischer Hilfe versucht, von Irland aus mit der Rückeroberung Englands zu beginnen, ohne Erfolg. Allerdings wurden die Jakobiten in den Augen der englischen Revolutionsführer immer mehr zu einer Art Fünften Kolonne des feindlichen Frankreichs stilisiert. Und all dies führte im Parlament zu der Frage, was nun eigentlich wichtiger sei: die Sicherheit des Staates (die Abgeordneten sprachen von safetey of the Governement) oder die Sicherheit der wegen Hochverrats Angeklagten vor Gericht. Nicht wenige Abgeordnete standen vor dem Dilemma, zwar neue, gerechtere Hochverratsgesetze schaffen zu wollen, aber nicht diejenigen davon profitieren zu lassen, die im Namen Jakobs II. und mit Unterstützung Ludwigs XIV. und des Papstes konterrevolutionäre Machinationen betrieben. Eine Reihe kleinerer jakobitischer Verschwörungen gab es in den frühen 1690er Jahren tatsächlich, dazu kamen die zwar altbekannten, gleichwohl aber in Teilen verfangenden Gerüchte, Katholiken planten Anschläge auf das Leben Wilhelms III.8 Einmal mehr braute sich eine verschwörungstheoretische Stimmung zusammen. Daher kam es wie gerufen, dass die Lords den ihnen im Dezember 1691 vorgelegten Act for the better regulating of Tryals, in cases of Treason nur dann mittragen wollten, wenn gleichzeitig auch der Court of the Lord High Steward abgeschafft wurde, vor dem peer trials immer dann stattfanden, wenn das Parlament nicht in Session war. Peer trials sollten stattdessen nur noch vor dem versammelten Oberhaus selbst stattfinden.9 Die Wortführer des Unterhauses, vor allem Charles Montagu, brandmarkten diesen Vorschlag zwar einerseits als unerhört, weil es dabei nur um aristokratische Privilegien gehe.10 6 7 8 9

10

Rezneck, The statute of 1696, 16. Grey, Debates of the House of Commons, Bd. 10, 217. Dazu Hopkins, Sham plots and real plots in the 1690s; Weil, Matthew Smith versus the ‚great men‘ und zuletzt Weil, A plague of informers. Die Begründung dafür lautete, dass beim Court of the Lord High Steward zwölf Lords als Urteiler fungierten, die die Krone nach ihrem Gusto auswählen würde, um den angeklagten Peer mit Sicherheit zu verurteilen, vgl. Macaulay, History of England, Bd. 4, 153ff.; Turberville, The House of Lords in the reign of William III, 106ff. And, as they have a part in the Legislature, it seems to be yet less reasonable, that they should, in the method of their Tryals, be so distinguished, as to be more exposed than the meanest Subject in the

VII. Reformprozesse

359

Andererseits waren viele Abgeordnete darüber nicht unglücklich. Denn mit dem Verweis auf unvereinbare Positionen zwischen Ober- und Unterhaus konnte die Reform einstweilen, während des sogenannten French War, auf Eis gelegt werden. Gleichzeitig konnte an den hehren Reformzielen demonstrativ und wortgewaltig festhalten werden.11 Ohnehin wurde die Prozessreform vermehrt ein Anliegen der Tories, die fürchten mussten, dass ihr Umfeld, zu dem auch die Jakobiten gehörten, zunehmend mit Hochverratsanklagen zu rechnen hatte. Der Druck, die Hochverratsreform endlich zu verabschieden, wurde ausgerechnet dadurch größer, dass 1694 eine jakobitische Verschwörung in Lancashire aufgedeckt wurde. Deren Anführer wurden zwar in Manchester nach der traditionellen Verfahrensweise vor Gericht gestellt. Es stellte sich dabei aber peinlicherweise heraus, dass die Beweise des Kronanwalts fingiert waren. Die Angeklagten wurden daher unter den geltenden Regeln freigesprochen.12 Allerdings nutzten die Jakobiten die Manchester-Prozesse, um sich als Opfer der Justiz darzustellen, was zwar weniger in England, aber im katholischen Europa verfing. Der Reformstau beim Hochverratsgesetz drohte zu einem außenpolitischen Imageschaden zu werden. Er passte nicht zu der Behauptung, die Glorious Revolution habe zur Wiederherstellung wahrer Freiheit und zu Rechtssicherheit geführt.13 Dennoch dauerte es bis zum 17. Januar 1696, bis beide Häuser und der König das Gesetz verabschiedeten, das am 25. März (an Mariä Verkündigung, dem alten englischen Neujahrstag) in Kraft treten sollte. Der Geist des Reformgesetzes von 1696 – und seine unbeabsichtigten Effekte Die kurze Präambel des Gesetzes nahm Bezug auf die Rhetorik, die schon den Gesetzgebungsprozess gekennzeichnet hatte: Kaum etwas sei gerechter und vernünftiger, als dass eine Person, die des Hochverrats angeklagt werde und deren Freiheiten, Leben, Ehre und Eigentum vernichtet werden könnte, einen besonders fairen und ausgewogenen Prozess verdiene. Den Angeklagten müssten deswegen all just and equal Means for Defence of their Innocencies in such Cases gewährt werden.14 Eine bessere Verfahrensweise als zuvor (better Regulation of Tryals of Persons prosecuted for High Treason and Misprision of such Treason) bestehe darin, dass der Angeklagte rechtzeitig die Anklageschrift erhalte, durch einen Anwalt (im Höchstfall zwei Anwälte) vertreten werde, eigene Zeugen benenne und diese vereidigt würden, wie die Zeugen der Anklage auch. Die Zeugen der Anklage müssten wiederum übereinstimmende Aussagen zu ein und demselben Anklagepunkt machen.15 11 12 13 14 15

Kingdom, zit. nach Grey, Debates of the House of Commons, Bd. 10, 218. Im Parlament galt die Sprachregelung, das Reformgesetz sollte after the expiration of the French War in Kraft treten, vgl. Grey, Debates of the House of Commons, Bd. 10, 287. Phifer, Law, politics and violence, 245. Baker, Northern catholics and the Manchester Jacobite trials of 1694. 7 & 8 Gul. III. cap. 3. Vgl. ausführlich dazu Langbein, The origins of adversary criminal trial, 86–97. Das Gesetz beinhaltete noch weitere Regelungen, u.a. die die von den Lords geforderte Abschaffung des Court of the

360

1650–1730: Untersuchungsregime

Im Zentrum des Gesetzes stand ganz klar die Zulassung von Strafverteidigern, deren Sinn für das Verfahren kein geringerer als der Frühaufklärer Anthony Ashley Cooper, der spätere Earl of Shaftesbury, in der entscheidenden Parlamentsdebatte anschaulich vorgeführt hatte: Während seiner Rede im Unterhaus stockte plötzlich seine Stimme, er stotterte und schien nicht mehr bei der Sache zu sein. Tatsächlich war das aber eine Schau, denn als er, ein Neuling im Parlament, von seinen Kollegen wohlwollend und aufmunternd behandelt wurde, fuhr er fort: How can I produce a stronger argument in favour of this bill than my own failure? My fortune, my character, my life are not at stake. I am speaking to an audience whose kindness might well inspire me with courage. And yet, from mere nervousness, from want of practice in adressing large assemblies, I have lost my recollection: I am unable to go on with my argument. How helpless then, must be a poor man who, never having opened his lips in public, is called upon to reply, without a moment’s preparation, to the ablest and most experienced advocates in the kingdom, and whose faculties are paralysed by the thought that, if he fails to convince his hearers, he will in a few hours die on a gallows, and leave beggary and infamy to those who are dearest to him!16

Shaftesbury hatte also theatralisch vor Augen führen wollen, dass nicht allein die unmittelbare Auseinandersetzung eines Rechtslaien mit einem erfahrenen Ankläger ungerecht sei, sondern dass man als Angeklagter bei Hochverrat mit der nackten Angst um das eigene Leben vor Gericht stehe, so dass man sich überhaupt nicht auf seine Verteidigung konzentrieren könne. Eine der traditionellen Begründungen für das Anwaltsverbot, dass der Richter die Rechte des Angeklagten hüte, konnte mit Blick auf die Prozesse in den 1680er Jahren, als die Richter den Angeklagten immer wieder zynisch behandelt und übervorteilt hatten, auch nicht länger überzeugen.17 Auch ad-hoc Strategien wie die, dem Angeklagten Papier und Feder zu gewähren, damit er sich wenigstens Notizen machen konnte, oder im Fall eines greisen Angeklagten die Erlaubnis, dass ein Verwandter ihm zur Seite stehe, konnten keine Lösungen sein.18 Den Zeitgenossen schwebte also tatsächlich so etwas wie eine Gewaltenteilung im Prozess vor: Der Richter sollte sich um die unparteiliche Leitung des Prozesses kümmern – nicht zufällig wurde in den 1690er Jahren auch die Unabhängigkeit des Richters von der Krone zum Thema und im Act

16 17

18

Lord High Steward. Zit. nach Macaulay, History of England, Bd. 4, 646. Rezneck, The statute of 1696, 8; Langbein, The origins of adversary criminal trial, 79ff. Selbst das Paradebeispiel für einen furchtbaren Juristen, Richter George Jeffreys, musste schon 1684 bei einem Prozess zugeben: Look ye, if you speak to me privately, as to my own particular opinion, it is hard […] that a man should have counsel to defend himself for a two-penny-trespass, and his witnesses examined upon oath; but if he steal, commit murder or felony, nay, high-treason, where life, estate, honour, and all are concerned, he shall neither have counsel, nor his witnesses examined upon oath: But yet you know as well as I, that the practice of the law is so; and the practice is the law, 10 ST 267; darauf haben u.a. schon Rezneck, The statute of 1696, 9, oder Cairns, Advocacy, 82, hingewiesen. Shapiro, Political theory, 218; Rezneck, The statute of 1696, 10.

VII. Reformprozesse

361

of Settlement von 1701 zum Gesetz.19 Der Anwalt wiederum sollte sein Möglichstes tun, um seinen Mandanten (eine neue Rolle!) vor dem Galgen zu bewahren. Es ist an der Wortwahl der Parlamentsdebatten und des Gesetzestextes abzulesen, dass nicht nur die konkreten Erfahrungen mit der Prozesswirklichkeit die Reform als zwingend erscheinen ließen, sondern auch naturrechtliches Gedankengut. Vor allem das bei Hobbes und Locke ausformulierte Recht auf Selbsterhaltung, das Prinzip der Unschuldsvermutung und das Recht auf freie Rede spielten eine wichtige Rolle.20 Entsprechend wurde das Gesetz als Meilenstein der Rechtsgeschichte gefeiert. In seinem Pionieraufsatz zur Reform des Verfahrens aus dem Jahre 1930 bezeichnet Samuel Rezneck es als den ersten entscheidenden Schritt zu einer „more modern and a more liberal procedure“. Der wesentliche Effekt der Reform habe darin bestanden, das Hochverratsverfahren zu formalisieren  – und damit zu humanisieren: „The increasing precision and formalism of the trial, however, had the effect of narrowing the limits in which the spirit of vengefulness might have free play. The statute of 1696 belongs to the formal side of the trial of treason. It set up definite rules of procedure, from which deviation was increasingly more difficult; the very formalism of modern criminal law procedure has had not a little to do with the humanization of the criminal trial” – auch wenn dies, wie Rezneck in einem Nebensatz bemerkte, auf Kosten des traditionellen Spektakels bei Hochverratsprozessen gegangen sei.21 Ganz so pathetisch feiert John Langbein, dessen „The Origins of the Adversary Criminal Trial“ mittlerweile den Status eines kanonischen Lehrbuchs über die Geschichte des Strafverfahrens im Common Law besitzt, den Treason Trial Act von 1696 zwar nicht mehr. Allerdings nennt auch er es einen „turning point in the history of Anglo-American criminal procedure. Adversary criminal trial traces to the 1696 Act”.22 Es sei ganz eindeutig eine „revolution in common law criminal procedure”.23 „The statute of 1696 was in effective force as the entering wedge of a more modern and a more liberal procedure”.24 Nachdem Angeklagte (nur) bei Hochverrat ab 1696 von Anwälten vertreten wurden, wurden Prozesse wie jene bei den Verschwörungshysterien der 1680er Jahren  – beruhend auf haarsträubenden Geschichten und vollkommen willkürlich zusammengehefteten Beweisketten – tatsächlich nicht mehr geführt. Das lag allerdings nicht nur an den Anwälten, sondern auch daran, dass sich solche Konstellationen, bei denen im Zeichen eines kollektiven Bedrohungsgefühls vermeintliche Verräter mit fadenscheinigen Beweisen an den Galgen gebracht wurden, nicht wiederholten. Die Hochverräter zwischen „Glorreicher“ und Französischer Revolution waren ausnahmslos wirklich in konspirative Umtriebe oder Aufstände verwickelt.25 Zumindest waren die Anschuldigungen nicht volkommen frei erfun19 20 21 22 23 24 25

Stevens, The English judges, 7ff. Shapiro, Political theory, pass. Rezneck, The statute of 1696, 22. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 68. Ebd., 105. Rezneck, The statute of 1696, 26. Monod, Jacobitism and the English people, 1688–1788, 95ff; Lord, The Stuart‘s secret army; Sankey, Jacobite prisoners of the 1715 rebellion.

362

1650–1730: Untersuchungsregime

den wie bei Edmund Campion, Edward Coleman oder Algernon Sidney. Dennoch beruhten die Anklagen auch weiterhin auf einer phantasievollen Amplifikationsrhetorik, ging es in den Indictments und den Reden der Kronanwälte um Tod und Teufel, totales Verderben und Vernichtung. Doch solchen Horrorszenarien konnten Anwälte allmählich etwas entgegensetzen, nicht zuletzt die von Richter Jeffreys dem Angeklagten noch vorenthaltene forensische Wahrscheinlichkeitslehre. Anwälte – und bei Hochverratsprozessen waren es von Beginn an stets zwei – wirkten tatsächlich in dem Sinne, wie es sich Hawles oder der jüngere Shaftesbury vorgestellt hatten: Sie entlasteten den Angeklagten davon, in einer für ihn existenziellen Situation ‚multitaskingfähig‘ sein zu müssen: sich den nächsten Schritt schon zu überlegen, während man noch dabei war, das Argument zu Ende zu bringen; Papiere zu sichten, während man schon den Zeugen befragte; sich seine Aussage jetzt merken, um ihn später in Widersprüche zu verwickeln usf. Erst mit dem Anwalt wurde die Rolle des Angeklagten als einer Person konturiert, die sich überwiegend passiv verhielt und vorwiegend dann redete, wenn sie gefragt wurde (und auch das nicht immer). Heroische oder martyriologische Performanzen wie bei Lilburne oder den Angeklagten von Popish und Rye House-Plot hörten damit (einstweilen) auf. Gestritten wurde im Verfahren trotzdem weiterhin viel und intensiv, allerdings zunehmend in einer im verfahrenstechnischen Sinne „erlaubter“ Weise, und das heißt: zwischen bestimmten Personen (Juristen), mit bestimmten juristischen Mitteln, in bestimmten Sequenzen und für eine gewisse Zeit. Nachdem schon die Durchsetzung von Zeugenverhören als zentralem Handlungstyp bei der Hauptverhandlung das Verfahren in eine Abfolge von Episoden unterteilt hatte, sorgte das vermehrte Aufkommen „erlaubter Konflikte”, die von Anwälten geführt wurden, für weitere Strukturbildung, die sich im Laufe der Zeit immer weiter verfestigte und den Beteiligten allmählich als vorgefundene, unabänderliche Ordnung entgegentrat. Insofern ist die Meistererzählung über das Aufkommen von Strafverteidigern zumindest zu ergänzen. Anwälte setzten in Hochverratsverfahren der Auslegungsmacht der Kronanwälte etwas entgegen. Sie stritten von nun an für ihre Mandanten um einen Freispruch. Ein Machtverlust für das Verfahren als solches bedeuteten die Anwälte aber nicht, im Gegenteil. Wenn die Macht des Verfahrens darin besteht, verbindliche Entscheidungen durch seinen interaktiven und kommunikativen Ablauf zu generieren, dann implizierte Strafverteidigung immer auch die Optimierung dieser Abläufe. Im Unterschied zum sich selbst verteidigenden Angeklagten älteren Typs lieferten Anwälte fast ausschließlich juristisch brauchbare und im Verfahren anschlussfähige Beiträge. Dabei kommt es hier gerade auch auf die latenten Effekte anwaltlicher Tätigkeit an: Ihre Verteidigungsarbeit diente nämlich immer auch der Spezifizierung der behandelten Themen und Probleme, an deren „Kleinarbeiten“ und Entschärfung sie sich damit beteiligten.26 Auch Anwälte leisteten „unbezahlte zeremonielle Arbeit“ an der Legitimation durch Verfahren. Die Zulassung von Anwälten war ein Meilenstein bei der Ausdifferenzierung des 26

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 128.

VII. Reformprozesse

363

Verfahrens als eines selbstreferentiellen, eigensinnigen Interaktion- und Kommunikationssystems, mit der Fähigkeit, verbindliche Entscheidungen zu generieren. Im Folgenden soll Anwaltsarbeit in dieser Hinsicht – als subtiler Beitrag zum Ausbau von Verfahrensmacht – genauer beleuchtet werden. Anhand von Prozessen gegen jakobitische Verschwörer 1696 und 1722 wird es um endlose und teilweise bizarre Anträge gehen. Diese interessieren hier aber nicht (nur) als Beispiele für Dilettantismus in der Frühphase der Strafverteidigung. Vielmehr lässt sich daran zeigen, wie „erlaubte Konflikte“ in den Verfahrensgang eingespeist wurden, deren Themen diskutiert und entschieden wurden. Die Wirksamkeit des Verfahrens als Ablauf selektiver Schritte, die wie in einem Trichter auf eine Entscheidung hinführen, konnte so immer mehr zur Geltung kommen. 2. ANWÄLTE BEI DEN PROZESSEN GEGEN DIE VERSCHWÖRER VON 1696 Am 15. Februar 1696, nur rund einen Monat, nachdem das neue Hochverratsgesetz beschlossen worden war, wurde dem Privy Council die Existenz einer neuen jakobitischen Verschwörung von einem Überläufer bekanntgemacht. Demnach sollte eine Gruppe von Jakobiten um den ehemaligen Oxforder Scholaren und notorischen Katholiken Robert Charnock König Wilhelm III. bei der Rückkehr von der Jagd mit vierzig Reitern überfallen und erschießen. Daraufhin sollte Jakob II., der sich in Calais bereithielt, mit französischen Truppen den Kanal überqueren und Englands zurückerobern. Im Gegensatz zu den vielen Verschwörungstheorien in den vorausgegangenen Jahrzehnten, denen eine ähnliche Geschichte zugrunde lag, handelte es sich diesmal nicht um eine Erfindung. England befand sich ohnehin mit Frankreich im Krieg, man musste jederzeit mit Angriffen von jenseits des Kanals rechnen. Außerdem hatten englische und holländische Kundschafter berichtet, dass sich französische Schiffe an der Küste abfahrbereit machten. Offenbar sollte das geplante Mordkomplott tatsächlich den Startschuss für einen Angriff bilden. Wie schon in früheren Fällen fanden sich auch bei der Aufdeckung des sogleich Assassination Plot genannten Unternehmens Mitläufer, die sich der Obrigkeit als Kronzeugen anboten und die Namen der Drahtzieher und der Mitglieder des Überfallkommandos nannten.27 Es dauerte nur einige Tage, bis man die Verschwörer ausfindig gemacht und verhaftet hatte. Die Aufdeckung des Assassination Plot schien denjenigen Akteuren Recht zu geben, die gewarnt hatten, dass die Reform der Hochverratsgesetze eine Lizenz zum Königsmord darstelle.28 Doch auch die Reformer glaubten mit Blick auf den mörderischen Plan, dass man in diesem Fall unbedingt noch einmal die alten Gesetze anwenden sollte. Auch der König selbst drang darauf, den Verschwörern auf jeden Fall vor dem 25. März den Prozess zu machen. Viel zu ermitteln gab 27 28

Weil, A plague of informers, 262ff. So Garrett, The triumphs of providence, 180.

364

1650–1730: Untersuchungsregime

es ohnehin nicht, die Kronzeugen und andere Mitwisser boten den Kronanwälten belastbare Aussagen in reichlicher Menge an. Eine Spezialkommission, bestehend aus den drei Chief Justices und drei weiteren Richtern, wurde zusammengestellt, und am Morgen des 11. März begann in Old Bailey der Hochverratsprozess gegen Robert Charnock, Edward King und Thomas Keyes. Am 23. und 24. März folgten ebendort die Prozesse gegen Sir John Friend und Sir William Parkyns. Sie alle wurden zum Tode verurteilt und kurz darauf hingerichtet.29 Aber nicht alle Verschwörer konnten vor dem Inkrafttreten des Treason Trials Act am 25. März 1696 vor Gericht gestellt werden. Die jakobitischen Schattenoffiziere Brigadier Ambrose Rookwood, ein Urenkel des gleichnamigen Pulverfassverschwörers, Major Robert Lowick und Quartiermeister Charles Cranburne wurden erst Ende März verhaftet; die drei waren im Übrigen eher Helfershelfer und nicht für das Mordkommando vorgesehen. Was ihren Prozess, der am 21. April 1696 in King’s Bench vor den selben Richtern und Kronanwälten wie zuvor stattfand, berühmt gemacht hat, war der Umstand, dass zum ersten Mal in der englischen Rechtsgeschichte Strafverteidiger bei einem Kapitalverbrechen aktiv wurden. Dies war, wie der amerikanische Historiker Samuel Rezneck schon 1930 betont hat, ein historischer Moment. Dabei waren die beiden Anwälte, Sir Bartholomew Shower und Constantine Phipps, erst bei der Hauptverhandlung dabei. Beim Pleading am 14. April standen die drei Angeklagten noch allein vor Gericht. Allerdings verlief diese Sequenz im Vergleich mit früheren Arraignments reibungslos; man konnte den Angeklagten auch umstandslos Papier, Feder und Tinte sowie das Besuchsrecht durch enge Angehörige gewähren. Was bei den Prozessen vor der Reform noch als ausnahmsweise gewährte Gnadenbezeugung dargestellt wurde, wurde nunmehr so behandelt, als sei es kaum noch der Rede wert: Cranburne:

And pen, ink, and paper, I hope, my lord?

LCJ Holt:

Yes, yes, that you shall have.

Cranburne:

You don‘t deny me, my lord, that I may have my wife come to me?

LCJ Holt:

No, we do not, but she must not be in private with you, for fear of an escape.

Rookwood:

I beg the same favour, my lord, to have my brother come to me, and pen, ink, and paper.

LCJ Holt:

You shall have the same rule […].30

Ausdrücklich erwähnte die unmittelbar gedruckte Darstellung des Prozesses, dass die Richter öffentlich darüber beraten hätten, mit der Hauptverhandlung so lange zu warten, dass dem Wortlaut des neuen Gesetzes Genüge getan werde und 29 30

Dazu im Detail Garrett, The triumphs of providence, 186–236. 13 ST 143.

VII. Reformprozesse

365

die Angeklagten rechtzeitig, zwei Tage vorher, die Anklageschrift ausgehändigt bekämen.31 Außerdem wurde beschlossen, gegen die drei Männer getrennt zu prozessieren. Die Begründung dafür lautete, dass ihnen trotz einer gemeinsamen Anklageschrift unterschiedliche Verbrechen zur Last gelegt würden. Dies könne wiederum dazu führen, so wurde etwas dunkel formuliert, dass ihre Einsprüche gegen die Geschworenen uneinheitlich ausfallen könnten and that would be troublesome, and therefore it was thought best to sever them in their trials.32 Vermutlich verbarg sich hinter dieser Formulierung der Verdacht, dass die Verteidiger an diesem Punkt, der Uneindeutigkeit des Indictments, ansetzen und das ganze Verfahren platzen lassen könnten. Auch die Strafjustiz musste also erwägen, wie sich Strafprozesse unter den neuen Regeln am besten führen ließen. Als nicht sinnvoll schien es jedenfalls, mit dem diffus-summarischen Vorgehen weiterzumachen, wie es kurz zuvor noch bei Charnock und den anderen praktiziert worden war. Rollenklärungen der Anwälte vor Gericht Am 21. April um acht Uhr morgens begann der Prozess gegen Rookwood, am späten Nachmittag der gegen Cranburne und am nächsten Tag der Prozess gegen Lowick. Die Westminster Hall war gut gefüllt, besonders mit Personen von Stand und Rang, die sich nicht nur einen der zuletzt seltener gewordenen Hochverratsprozesse ansehen wollten, sondern auch daran interessiert waren, wie sich dieser unter den Bedingungen des neuen Gesetzes vollzog. Das Verfahren begann mit den üblichen Ritualen, und gerade wollte der Clerk die Geschworenenkandidaten herbeirufen, als Sir Bartholomew Shower seinen ersten Einwand geltend machte. Doch bevor er diesen genauer begründen wollte, bat er um etwas Zeit für ein paar Worte in eigener Sache: Er und sein Kollegen Phipps fungierten gemäß den Bestimmungen des nun geltenden Gesetzes als Anwälte der Angeklagten. Es seien glückliche Zeiten für die englische Strafrechtspflege, dass die Anwälte nunmehr eine früher unvorstellbare Redefreiheit vor Gericht (freedom and liberty of debate and argument allowed to the bar33) besäßen. Doch trotzdem wollte er unterstreichen, dass er und sein Kollege vor Gericht nicht für die Sache, sondern nur für das Recht der Angeklagten streiten wollten. Er hoffe, das Gericht werde zwischen dem einen und dem anderen unterscheiden: My lord, We are assigned of counsel, in pursuance of an act of parliament, we hope that nothing which we shall say in defence of our clients shall be imputed to ourselves. […]We come not here to countenance the practices for which the prisoner stands accused, nor the principles upon which such practices may be presumed to be founded; for we know of none, either religious or civil, that can warrant or excuse them. But the act of parliament having warranted the appearing of counsel for per31 32 33

Anon., The arraignment, tryal, and condemnation of Ambrose Rookwood. 13 ST 144. 13 ST 145.

366

1650–1730: Untersuchungsregime

sons accused to make defence for them, we hope your lordship will give us leave to make what objections we can on their behalf.34

Bereits die Historikerin Jane Garrett hat darauf hingewiesen, dass Shower auf diese Weise die „position of the defence“ klären wollte.35 Die Aussage sollte dazu dienen, die Rolle des vom Gericht zugeteilten (assigned) Anwalts nicht mit der eines Sympathisanten zu verwechseln. Das ist sicher richtig. Allerdings war 1696 die Rolle des Strafverteidigers ebensowenig neu – es gab sie schon in allen Strafsachen, bei denen nicht die Todesstrafe drohte – wie die Klage darüber, dass dieser mit seiner Tätigkeit das Verbrechen rechtfertige. Anwälte seien iustifier of the wicked hieß es schon in den Assize Sermons im frühen 17. Jahrhunderts.36 Showers Erklärung bezog sich daher nicht nur auf die Position des Strafverteidigers ganz allgemein, sondern ganz konkret auch auf ihn und seinen Kollegen persönlich. Denn Shower war kein unbeschriebenes Blatt. Vielmehr war er in den 1680er Jahren und noch während der Revolution der prominenteste Fürsprecher der traditionellen Strafjustiz, der English method of proceedings against criminals.37 1692 vollzog er dann eine stupende Kehrtwende und avancierte zu einem energischen Aktivisten für die Hochverratsreform38, was weniger mit der Einsicht in die prinzipiellen Defekte der English method of proceedings zu tun hatte als damit, dass nun vorwiegend Anhänger des vertriebenen Königs damit überzogen wurden, und zu diesen Anhängern zählten auch Shower und Phipps. Beide Anwälte waren letztlich selbst Jakobiten und darauf spezialisiert, ihre Gesinnungsgenossen vor Gericht zu verteidigen. Beide Anwälte hatten bereits 1691 jakobitische Verschwörer der ersten Stunde juristisch beraten, 1696 bekamen sie dann die Gelegenheit, ganz offiziell vor Gericht aufzutreten. Aus dieser Gesinnungsgemeinschaft zwischen Angeklagten und ihren Verteidigern wird erkennbar, dass die Rolle des Anwalts 1696 in dieser Hinsicht noch am Beginn ihrer Ausdifferenzierung stand. In der Gegenwart kommt es bei politischen Verbrechen nicht selten vor, dass der Anwalt und sein Mandant Weltbilder pflegen, wie sie gegensätzlicher nicht sein können. So wählte etwa der norwegische Verschwörungstheoretiker und Massenmörder Anders Breivik 2011 ausgerechnet den als linksliberal geltenden Anwalt Geir Lippestad, der wiederum bereits 2002 einen rechtsradikalen Mörder verteidigt hatte.39 Eine solche unüberbrückbare Kluft zwischen den persönlichen Werten und Überzeugungen von Anwalt und Mandant war am Ende des 17. Jahrhunderts noch nicht möglich, und sie ist auch in der Moderne kein selbstverständliches Kennzeichen bei Prozessen wegen politischer 34 35 36 37 38

39

13 ST 145. Garrett, The triumphs of providence, 238. Shapiro, Political communication and political culture in England, 1558–1688. So der Untertitel von Shower, The magistracy and government of England. In seiner Schrift Shower, Reasons for a new bill of rights, 6, fragte er ganz ähnlich wie schon Jeffreys 1684: Then in the Name of God, what Harm can accrue to the Publick in general, or to any Man in particular, that in Case of State Treason Councel should be allowed to the Accused, what Rule of Justice is there to warrant its Denial, when in a Civil Case of a Halfpenny Value the Party may plead either by himself or Advocate. Vgl. „Geir Lippestad. Pflichtbewusster Anwalt des Attentäters von Oslo“, in: Süddeutsche Zeitung, 27. 07. 2011, S. 4.

VII. Reformprozesse

367

Delinquenz.40 Aber dass dies heute hin und wieder der Fall ist, zeigt, wie weit die Autonomisierung der Verfahrensrolle eines Strafverteidigers und damit auch die Autonomie des Strafverfahrens insgesamt vorangeschritten sind. Es ist möglich, die Person eines Angeklagten auf dessen basale Rolleneigenschaften zu reduzieren und dann nur noch seine ‚Rechte‘ vor Gericht zu vertreten.41 Es wird im Laufe dieser Studie jedenfalls auf erste Anzeichen von Differenzierungen bei der Rolle des Anwalts zu achten sein, anhand der Frage, wann ein Verteidiger nicht mehr auch hinter der Sache stehen muss, wenn er die Rechte seines Mandanten wahrnimmt. Nun konnte Sir Bartholomew Shower vor Gericht schlecht sagen, dass seine Erklärung dazu diente, sich auch als Person von der Anklage zu distanzieren. Er erklärte sich in der Rolle des Anwalts, nicht persönlich. Und insofern war seine Erklärung doch ein Beitrag zur diskursiven Integration der Verteidigerrolle in das Verfahren, zumal sie auch von Oberrichter Holt in der Form akzeptiert wurde, als wäre diese gar nicht der Rede wert gewesen: Look ye, Sir Bartholomew Shower, go on with your objections; let us hear what you have to say.42 Bei Sir John Holt (1642–1710) handelte es sich um Lord Russells ehemaligen Anwalt, der selbst ein Vorkämpfer für das Recht auf Strafverteidigung gewesen war. Holt war 1689 zum Lord Chief Justice of King’s Bench erhoben worden. Als Shower nach seinem ersten Einwand einen anderen vorbringen wollte und sich deswegen entschuldigte, wies ihn Holt darauf hin, dass eine Entschuldigung für sein Tun an dieser Stelle unnötig sei, weil er nur seiner Pflicht nachgehe:

40

41

42 43

Shower:

My lord, we say we have another doubt to propose upon this act of parliament: it is a new one, and never put in practice till now, and therefore we hope your lordship will please to excuse us, if we offer our objections, because there has yet never been a determination about it, and we are assigned of counsel by your lordship.

Holt:

Never make apologies, sir Bartholomew, for it is as lawful for you to be of counsel in this case, as it is in any other case where the law allows counsel. It is expected you should do your best for those you are assigned for, as it is expected in any other case that you do your duty for your client.43

Bei dem im Mai 2013 begonnenen Prozess wegen der neonazistischen NSU-Morde in München wurde einer der Angeklagten, Ralf W., von einer sogenannten „Szeneanwältin“ verteidigt, die auch mit der Gesinnung ihres Mandanten sympathisierte. Zwar löste die Übernahme des Falls Breivik durch Lippestad kurzfristig in der Presse Irritationen aus, allerdings konnte er diese unter Berufung darauf ausräumen, dass das Recht auf Verteidigung nun einmal eines der zentralen demokratischen Prinzipien darstelle. Unter Juristen gilt die Verteidigung eines „schrecklichen“ Mandanten sogar als ein Inbegriff von Rechtsstaatlichkeit. Wenn man die Juristen aber einmal nicht beim Wort nimmt, könnte man auch sagen: Bei solchen Fällen handelt es sich immer auch um besonders gelungene, weil mit viel Aufmerksamkeit bedachte Eigenwerbung, vgl. den Artikel: „Oslo Legal. Die Strafverteidiger des norwegischen Massenmörders Anders Breivik präsentieren sich kurz vor Prozessbeginn auf Fotos wie amerikanische Fernsehstars“, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 85, 12. 04. 2012, S. 9. 13 ST 145. 13 ST 154.

368

1650–1730: Untersuchungsregime

Man kann Holts Zurückweisung der Entschuldigung als ein Indiz dafür nehmen, dass Strafverteidigung nunmehr als anerkannter Teil des Verfahrens behandelt wurde und nicht weiter rechtfertigungsbedürftig war. Verteidigung als dilatorische, aber entscheidbare Praxis Was aber waren nun eigentlich Showers Einwände? Shower brachte drei Einwände vor, zwei davon, bevor die Jury vereidigt wurde, und den dritten, bevor mit der Beweisaufnahme begonnen wurde. Alle drei Einwände initiierten jeweils eine längere Diskussion der beiden Anwälte mit den Kronanwälten und den Richtern. Bevor es um ‚die Sache‘ ging, zerfiel das Verfahren in drei länger dauernde Unterprozesse. Bei allen drei Einwänden verfolgten die Anwälte die Strategie, durch eine strikt buchstabengetreue Auslegung des neuen Hochverratsgesetzes den laufenden Prozess ins Stocken und bestenfalls zum Platzen zu bringen. My Lord, begann Shower etwa den ersten Einwand, it appears to be a doubt to us, upon this act of parliament, whether this cause can be tried this day.44 Rechtsgeschichtlich sind die Diskussionen interessant, weil es dabei um die Auslegung des neuen Gesetzes in der Prozesspraxis ging; dabei wurden einige wichtige Präzedenzien geschaffen. Aber auch für die Interaktion vor Gericht hatte diese Diskussion Folgen. Showers erster Einwand bezog sich darauf, dass nach seiner und Mr. Phipps Ansicht dem Angeklagten nicht rechtzeitig die offizielle Liste mit den Jury-Kandidaten ausgehändigt worden sei. So sage das neue Gesetz aber: He shall have a copy of the pannel of the jurors who are to try him, duly returned by the sheriff two days before the trial. Man habe zwar eine Liste mit Namen erhalten, aber dies sei keine offizielle Liste (duly returned). Worauf Shower hinauswollte war der Umstand, dass eine offizielle Liste tatsächlich überhaupt erst dadurch existent wurde, dass sie vom Sheriff in das öffentliche Verfahren zurückgebracht wurde (duly returned). In den Worten von Mr. Phipps, der Showers Beitrag ergänzte: Now the return is the answer that is indorsed upon the writ with the pannel annexed, and delivered into court; for the return is to the court, and till it be delivered into court, it cannot properly be said to be a return.45 Die Liste war also Gegenstand einer rituellen Wandlung am Beginn eines Strafverfahrens, bei der sie mittels einiger fixierter Sprechakte von einem bloßen Stück Papier (precept) zu einem rechtsverbindlichen Dokument gemacht wurde:

44 45

Clerk:

Cryer, make proclamation.

Cryer:

O yes, O yes, O yes. All manner of persons that have any thing more to do at this Sessions of Oyer and Terminer, adjourned over to this day, draw near and give your attendance. And God save the king.

Clerk:

Cryer, make proclamation.

13 ST 145. 13 ST 146.

VII. Reformprozesse

Cryer:

369

O yes, Sheriffs for the county of Middlesex, return the precepts to you directed, upon pain and peril will fall thereon.

The Under-Sheriff returned the Precept.

Wenn diese Wandlung aber erst wenige Augenblicke zuvor stattgefunden hatte, dann war dem Wortlaut des Gesetzes nicht entsprochen worden, wonach dem Angeklagten das offizielle Dokument zwei Tage vor Prozessbeginn zugestellt werden sollte: Shower:

And it is impossible then, if it be as we apprehend it, and put it, that this trial should go on at this time; and that this construction should be so as we say, not only the words, but, as we take it, the intent and meaning of the act of parliament too are for us, that there ought to have been a copy of the pannel after the return two days before the trial. For in the first place, my lord, the words are plain: it must be a copy of the pannel duly returned by the sheriff. Now, though it be a copy of the array of the pannel which we have delivered to us, yet it is not a copy of the pannel of the jurors returned; for it is no return till it come into court. And the king‘s counsel must admit, that in the case of all writs returnable, it cannot be said that there is a return, where there is a writing upon the back, or a label annexed, till it be actually returned into court. […]46

Die Kronanwälte – neben Attorney General Sir Thomas Trevor agierte kein Geringerer als der zum Solicitor General beförderte Sir John Hawles – waren von diesem Einwand durchaus nicht überrascht. Sie hatten ihn, wie Hawles sagte, sogar erwartet: this is an objection that has been foreseen.47 Entsprechend elaboriert fielen ihre Repliken aus, deren gemeinsamer Tenor lautete, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den Sinn des Gesetzes ankomme (this act of parliament must be taken according to the intent and meaning of it), und diesem sei Genüge getan worden. Eine buchstabengetreue Auslegung des Gesetzes (the strict letter of it) könne auch dem Angeklagten zum Nachteil gereichen. So hieße es im Gesetz, dass dem Angeklagten eine true copy of the whole indictment […] five days att the least before hee or they shall bee tried ausgehändigt werden soll. Nehme man dies wörtlich, dann müsse man dem Angeklagten das Indictment gar nicht schon vor dem Arraignment überlassen, denn the arraigning of the prisoner is no part of the trial, and yet it was the intent of the parliament that he should have a copy of the indictment five days before he was arraigned, and that for this reason, because he might have several pleas to plead, and objections to make before he pleaded the general issue.48 Der Einwand der Verteidigung sei, so ergänzte der assistierende Kronanwalt John Conyers, eine forc’d construction. Auch die beiden Anwälte bekamen noch einmal die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorwurf, mit gesuchten Konstruktionen aufzuwarten, dem sei nicht so, vielmehr handele es sich um new law, and never has 46 47 48

13 ST 145f. 13 ST 150. 13 ST 149.

370

1650–1730: Untersuchungsregime

received any opinion; the words of it are, ‘duly returned by the sheriff,’ and the question is, Whether a copy of the pannel upon the array before it be returned be a copy of the pannel duly returned, though the same pannel be afterwards duly returned.49 Dabei signalisierte Shower aber seine Lernbereitschaft: Er bestand nicht prinzipiell auf seinen Einwand, vielmehr stellte er die Entscheidung darüber ausdrücklich dem Richter anheim: we submit intirely unto your lordship‘s judgment.50 Es handelte sich bei Showers Einwand also nicht, in der Begrifflichkeit von Luhmann, um eine Rechtsbehauptung, mit der sich ein Akteur als lernunwillig festlegt51, sondern um ein juristisches Argument, das noch keine Entscheidung, sondern lediglich eine Unterscheidung kommunizierte. Innerhalb der rechtlichen Kommunikation dient ein Argument zum „Anbieten von vermeintlich überzeugungskräftigen Entscheidungsgründen“, das aber die Entscheidung selbst anderen überlässt.52 Es handelt sich um eine Interpretation des Rechts mit dem Ziel, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, aber nicht vom Interpreten selbst.53 Richter Holt ließ die Anwälte ausreden und versicherte sich sogar darüber, dass sie ihre Diskussion selbst als beendet ansahen – Have you done, gentlemen? Counsels: Yes, my lord –, bevor er den Einwand mit einer ausführlichen und am Ende zugespitzten Begründung zurückwies (And the giving a copy of the pannel that is returned, though before the return, sufficiently satisfies the words of the act: no other construction can be made without great absurdities: this is my opinion) und sich dabei der Zustimmung seiner Richterkollegen versicherte: Holt:

You have had my opinion upon this point, if my lords and brothers are of another opinion, they will tell you.

Judges:

No, my lord, we are all of the same opinion.

Holt:

My Lord Chief Justice of the Common Pleas, and my brothers are all of the same opinion.54

Auf dem Feld dilatorischer Anwaltspraktiken kannte sich Holt eben gut aus.55 Aber Shower hatte noch einen weiteren Einwand, den er mit der oben erwähnten und von Holt als unnötig erachteten Entschuldigung vorbrachte. Diesmal ging es um den Text des zwar rechtzeitig zugestellten Indictments, das nach Ansicht der Verteidiger an zentralen Stellen Lücken aufwies: it does not appear, in the copy we have delivered to us, before whom it was taken, or whether it was taken at all, or in what place it was taken; it says only ‘Middlesex’ in the margin […].56 Shower erhielt zur 49 50 51 52 53 54 55 56

13 ST 150. 13 ST 151. Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, 57f. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 349. Christensen / Sokolowski, Die Krise der Kommunikation und die Möglichkeit juristischen Argumentierens. 13 ST 154. Vgl. oben, S. 330f. 13 ST 154.

VII. Reformprozesse

371

Antwort, dass er damit in der Sache zwar Recht habe, er aber mit seinem Einwand nicht mehr fristgerecht gewesen sei. Dieser hätte vor dem Pleading vorgebracht werden müssen: That doubt of yours may serve at another time, but now certainly it is quite out of time.57 Da Rookwood bereits auf not guilty plädiert habe, sei der mögliche Fehler im Indictment durch diese Handlung behoben worden. Ebenso entschied auch Holt: when once you have pleaded, you admit you have had a copy; for the copy was given you to enable you to plead, and when you have pleaded, you have passed by all advantage that you could have from the copy. Und Hawles ergänzte: It was their own fault, that this objection was not made in time.58 Hier war für die Anwälte also nichts mehr zu machen, denn sie hatten wichtige Fristen und Termine verpasst. Für Strafprozesse wurde beobachtbar, was für Zivilprozesse schon länger galt: Prozesse des Entscheidens wiesen interne Zeitstrukturen auf, die das Verfahren als Abfolge von bestimmten Möglichkeiten konstituieren, die man ergreifen oder verpassen kann, die aber nicht einfach wiederkehren.59 Denn jede verpasste Chance bedeutete auch Reduktion von Komplexität: Man konnte im Verfahren vieles tun, aber nur, wenn man den richtigen Zeitpunkt dafür abpasste. Die Anwälte konnten für sich und ihre Nachfolger nur die Lehre daraus ziehen, in Zukunft beim Pleading dabei zu sein. Geplante Aktivität des Angeklagten und weitere taktische Einwände Anschließend durfte Rookwood einmal persönlich aktiv werden, weil nun, nach der Zurückweisung der beiden Einwände, die Vereidigung der Jury anstand und er dabei noch selbst zu agieren hatte: Mr. Rookwood, you are to make your own challenges. Dieser nutzte in vierunddreißig (von fünfunddreißig möglichen) Fällen sein Recht, einen Kandidaten ohne Angabe von Gründen abzulehnen: I challenge him. Aber auch hier machte sich Shower bemerkbar, insofern er an einer Stelle den Clerk fragte, wie viele Ablehnungen sein Mandant bereits ausgesprochen habe, worüber dieser ihm bereitwillig Auskunft erteilte: Sir B. Shower: How many has he challenged, Mr. Hardesty? Clerk: 57 58

59

I will tell you, sir Bartholomew. — He has challenged 24.

13 ST 156. Wenn man sich ansieht, wie Hawles als Kronanwalt in diesem und anderen Hochverratsprozessen agierte, dann fragt man sich schon, ob es ihm bei seinem leidenschaftlichen Eintreten für die Verfahrensreform damals wirklich um die Sache selbst gegangen war oder doch nur darum, das Regime der Stuarts zu diskreditieren. Der Tory-nahe State Trials-Editor Thomas Salmon konnte sich 1735 jedenfalls nicht der Bemerkung enthalten, Hawles sei eigentlich ein Heuchler: Sir John Hawles […] at the Trials of Charnock, &c., was obliged to pursue the very same Methods, in order to their Conviction, and insist on the same Maxims, that had prevailed in King Charles’s Reign; and of which he complains so loudly, in his Remarks […], so Salmon, A new abridgement, 679. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 44ff. Grundlegend zur Zeitstruktur von Verfahren ist Luhmann, Politische Planung, 143–164.; zuletzt dazu für das Gerichtsverfahren Seibert, Gerichtsrede, 118ff.

372

1650–1730: Untersuchungsregime

Offenbar waren Richter Holt, während die Vereidigung der Geschworenen vorgenommen wurde, Skrupel gekommen, ob die Ablehnung von Showers zweitem Einwand mit dem Verweis auf die verstrichene Frist hinreichend – und das hieß in diesem Fall: hinreichend für das Publikum – begründet worden war. Jedenfalls nahm er unmittelbar nach der Vereidigung des letzten Geschworenen noch einmal dazu Stellung. Auch wenn er nicht nachgab, so wollte er doch wahrgenommen wissen, dass kein Einwand der Anwälte einfach unter den Teppich gekehrt wurde: I speak of this only as to his objection, which slipt my memory, because I would have nothing remain unanswered.60 Zumindest hielt er das Signal für wichtig, dass die Anwälte das Recht hatten, diese Formfragen zu monieren. Kaum dass der Clerk nun vor den zwölf Geschworenen das Indictment, wie üblich, noch einmal verlesen und einer der Kronanwälte in allgemeinen Wendungen die Anklage eröffnet hatte, intervenierte Shower erneut, wiederum mit der Begründung, dass das neue Gesetz eine Deutungsfrage eröffne: Der Wortlaut des Gesetzes sei, dass Einwände gegen das Indictment vorgebracht werden müssten, bevor mit der Beweisaufnahme begonnen würde. Und genau dieser Zeitpunkt sei seiner Ansicht nach jetzt gekommen, denn nun wollten die Kronanwälte ihre Zeugen rufen. Im Unterschied zu den ersten beiden Einwänden schienen die Verteidiger Kronanwälte und Richter in diesem Fall unvorbereitet anzutreffen. Tatsächlich hielt diese Formfrage die Juristen viel länger auf als die erste oder zweite. Shower zielte mit seinem Einwand auf eine in der Tat uneindeutige Formulierung im neunten Paragraphen des neuen Hochverratsgesetzes, wo es hieß Provided alsoe […] That noe Indictment […] shall bee quashed on the Motion of the Prisoner or his Counsel for miswriting, misspelling, false or improper Latine unless Exception concerning the same bee taken and made in the respective Court where such Tryal shall bee by the Prisoner or his Council assigned before any Evidence given in open Court upon such Indictment. […].61

Der Sinn dieser Regelung war, wie Sir George Treby, der Lord Chief Justice of the Common Pleas und einer der Autoren des Gesetzes, im Laufe der Diskussion erläuterte, zu verhindern, dass nach dem Abschluss eines Prozesses ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens (arrest of judgment) mit irgendwelchen Fehlschreibungen im Indictment begründet werden konnte. Es handelte sich dabei, wie Treby ausdrücklich betonte, um eine Regelung not in Favour of the Prisoner, sondern zum Vorteil der Strafjustiz. Der Angeklagte sei immerhin schon dadurch erheblich begünstigt, dass ihm das Indictment mehrere Tage vor dem Prozess zugänglich gemacht werde.62 Auf keinen Fall aber sollte in Zukunft ein aufwendig gefundenes Urteil nur aufgrund eines Flüchtigkeitsfehlers nichtig werden. Dies ist, nebenbei bemerkt, ein bemerkenswerter Hinweis darauf, dass das neue Hochverratsgesetz auch aus der Sicht seiner Verfasser keineswegs nur darauf zielte, die Stellung der Angeklagten zu 60 61 62

13 ST 159. 7 & 8 Gul. III. cap. 3. Zur Formstrenge im mittelalterlichen Recht Arlinghaus, Sprachformeln und Fachsprache; Meyer, Gefahr vor Gericht.

VII. Reformprozesse

373

verbessern, sondern auch der Strafjustiz zugute kommen sollte. Da die Gesetzgeber (law-makers) aber weiterhin davon überzeugt waren, dass bei einem Prozess mit Kapitalstrafen alles seine Richtigkeit haben müsse, sollten entsprechende Einwände statthaft sein, wenn sie vom Angeklagten oder seinem Anwalt vorgebracht wurden, before any Evidence given in open Court upon such Indictment.63 Die Frage war nun, welcher Zeitpunkt mit diesem before gemeint war. Shower und Phipps argumentierten, damit sei irgendein Zeitpunkt vor dem Beginn der Beweisaufnahme gemeint (we take it, is any time before the evidence given), also beispielsweise vor dem Aufruf des ersten Zeugen.64 Die Kronanwälte argumentierten strikt dagegen: Der Einwand hätte vielmehr beim Arraignment geltend gemacht werden müssen, bevor der Angeklagte darauf plädiert hätte und eine Jury vereidigt worden sei. Nun aber sei der Prozess schon im Gange und müsse durch ein Verdikt abgeschlossen werden: for when the jury is sworn, they must give a verdict, and I do not know how they can be discharged without giving a verdict.65 Wenn an dieser Stelle (when the jury is sworn, and when the fact is the only single point to be determined, and every thing else ought in legal course to come before or after) der Einwand zugelassen werde, dann schaffe dies ein schädliches Präjudiz und verändere in unakzeptabler Weise das Verfahrensrecht (institute a new Method of Proceedings). Ebenso wie die Kronanwälte war auch Richter Holt der Auffassung, dass der Einwand an dieser Stelle nicht zulässig sei. Aber als er sich dabei des Konsenses seiner Richterkollegen versichern wollte, stieß er auf Bedenkenträger. So waren neben Treby die Richter Ward und Neville zwar der Meinung, dass die Frist für den Einwand eigentlich verstrichen sei: I am truly of opinion, that the motion is altogether unseasonable and irregular, and it should have been made before, and you had a full opportunity to make it this day seven-night before plea pleaded, and you might likewise to day before the jury was sworn.66 Allerdings sprachen sie sich dafür aus, die Einwände der Verteidigung ausnahmsweise und sozusagen unvorgreiflich anzuhören, weil es sich hier um einen Prozess nach neuem Recht handele: Yet nevertheless I would propound this, that, seeing it is a new case and upon a new statute, the court would forgive the irregularity, (for I think it does need forgiveness) and if the king’s counsel will consent to it (to prevent any error or any pretence of hardship upon a new law) that we should hear their exceptions.67 Treby war also besorgt, dass die vom Vorsitzenden Holt präferierte Formstrenge vom Publikum als bewusste Benachteiligung des Angeklagten wahrgenommen werden könnte. Dies zeigt, dass man der Öffentlichkeit unterstellte, trotz der vorherrschenden Empörung über das Mordkomplott keineswegs einen sprichwörtlich kurzen Prozess sehen zu wollen.68 Bislang wusste man nicht, was Shower und 63 64 65 66 67 68

13 ST 169. 13 ST 163. 13 ST 162. So Treby, 13 ST 170. Ebd. Genauso wie nach dem Throckmorton-Plot 1584 hatten sich Teile der sozialen Elite auch 1696 zu einem bond of association zusammengetan, um nach dem gewaltsamen Tod des König Widerstand

374

1650–1730: Untersuchungsregime

Phipps eigentlich einwenden wollten. Shower hatte nur angekündigt, fünf Punkte ansprechen zu wollen, every one of them imports a doubt, as I take it, worthy the consideration of the court, and some of them effectual enough to quash the indictment.69 Hielten sie wirklich einen Trumpf in der Hand, um das Verfahren zu Fall zu bringen? Oder waren bei den Einwänden eher Silbenstechereien zu erwarten? Treby vermutete eher letzteres und schlug vor, die Anwälte gerade deswegen anzuhören, um ihr Geheimnis zu lüften und zu entschärfen: Treby:

I have a great inclination to hear them, that we may get rid of these pretended exceptions, which I am apt to think will, when opened, disappoint the expectations that may be raised by this mentioning them in general; for, I have that opinion of the ability and circumspection of the counsel, that I believe if they had had exceptions sufficient to quash the indictment, we should have heard of them at a time more proper than this now between the swearing the jury and giving evidence to them. But, possibly, the counsel may think fit to make an essay, and try what can be got out of this unusual expression in this new act.

Holt:

No, no, I know this is a piece of art, and the court is not well dealt with in it.

Treby:

Indeed I am very willing to hear them for that reason.

Holt:

I look upon it only as mere trick, and a piece of art to take the opinion of the court.70

Die Sache ging nun noch eine Zeit lang zwischen den Juristen hin und her, ohne dass darauf im Detail eingegangen werden muss. Shower und Phipps hatten es geschafft, eine Diskussion zu initiieren, bei der die Richter selbst unterschiedliche Ansichten vertraten. Am Ende wollte man Shower zwar gestatten, Einwände vorzutragen, die sich auf fehlerhafte matters of form in der Klageschrift bezogen, aber keine anderen. Weil Shower nur entweder alle seine fünf Punkte oder keinen vorbringen wollte, verfügte Richter Holt das Ende der Diskussion und den Beginn der Beweisaufnahme: Holt:

69 70 71

Well, for my part I will not commit any irregularity upon any account whatsoever; I cannot see how by law they can take any exceptions to the indictment; Mr. Attorney cannot consent, and if he did, I think it could not be, unless he did also consent to discharge the jury; but I see they will not offer any objections according to your consent, Mr. Attorney, and therefore pray go on to open the evidence.71

gegen den Prätendenten zu leisten, vgl. Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum?, 124f; Alford, A politics of emergency, 26f. 13 ST 172. 13 ST 173f. 13 ST 178f.

VII. Reformprozesse

375

Bevor man begann, die Zeugen anzuhören, rechtfertigte Shower sein bisweilen spitzfindiges Vorgehen damit, alle nur möglichen Einwände, die seinem Mandanten nutzen könnten, auch vorzubringen: but for me, when a man‘s life is at stake, and it partly depends upon me as his counsel, to say what is proper or improper Latin, or to admit it to be matter of substance, and then to-morrow to have it come and told me, you should have moved this today, then I am sure they would have reason to say, it was the fault of the prisoner‘s counsel; for he would have chosen very ill counsel, in me, I confess, if I hould consent to put any such disadvantage upon him. I beg the favour that I may have the liberty to propose my objections, which I think are worth considering of; it is for the advantage of the king for us to take our exceptions all together, because, else, if any of them prove material, the trouble of the trial will be but mispence of time.72

Interessant an dem rund einstündigen Wortwechsel ist, dass die Argumente der Verteidiger auf der einen Seite zwar als Tricksereien (meer tricks), als dilatorische Praktik denunziert wurden. Auf der anderen Seite aber wurde nicht daran gezweifelt, dass Shower und Phipps überhaupt auf diese Weise argumentieren durften. Denn so sehr der Einwand in der Sache auch als an den Haaren herbeigezogen erschien, so war es ‚erlaubt‘, ihn überhaupt anzumelden. Wie abseitig der Einwand auch immer war, er wurde als Form rechtlicher Kommunikation und als Prämisse eines verfahrensinternen Interaktionsabschnitts akzeptiert. Entsprechend gestaltete sich auch das Verhalten von Richtern und Kronanwälten den Strafverteidigern gegenüber: man konnte sie zwar in der Sache angreifen, auch hart angreifen, ihnen aber nicht das Recht zum Streiten für diese Sache absprechen. Diskussionen um die Kronzeugen: Konflikterlaubnis für den Anwalt Nachdem Attorney General Sir Thomas Trevor in seiner Eröffnungsrede die Beweismittel der Anklage vorgestellt und den ersten Kronzeugen, den notorischen Captain George Porter, der auch schon in den vorherigen Prozessen ausgesagt hatte, aufgerufen hatte, intervenierte Shower sofort: Porter sei nicht zum Zeugen qualifiziert, denn er sei wegen eines Verbrechens verurteilt worden. Man könne ein entsprechendes offizielles Urteilsdokument vorweisen und verlange, dass dieses verlesen werde, was dann auch geschah. Daraus ging hervor, dass Porter 1685 wegen Mordes an einem Sir James Hacket angeklagt worden war. Porter behauptete, damals aber nur wegen Totschlags verurteilt und anschließend vom König begnadigt worden zu sein. Eine solche Form der Begnadigung wurde gewöhnlich durch ein Brandzeichen auf der Hand dokumentiert, aber Porter erklärte, davon verschont worden zu sein, weil ihn der König persönlich begnadigt hatte. Shower nahm diesen Umstand zum Anlass für den Verdacht, dass Porter gar nicht begnadigt worden war. Er zitierte einige Präzedenzfälle und Zitate von Edward Coke, 72

13 ST 172.

376

1650–1730: Untersuchungsregime

wonach verurteilte Verbrecher keine Geschworenen und also auch keine Zeugen sein konnten. Das gelte auch dann, wenn der Mann vom König begnadigt worden sei. Richter Holt gab daraufhin zu bedenken, dass das Parlament mehrere Generalpardons ausgesprochen habe, Porter also längst auf diese Weise begnadigt worden sei. Dabei sei ausdrücklich auch festgestellt worden, dass Personen, die auf diese Weise begnadigt wurden, als Zeugen taugten. Dies konterte Shower wiederum mit einer überaus subtilen Überlegung: Wenn Porter bereits vom König begnadigt worden sei, dann sei er vom Generalpardon des Parlaments nicht betroffen gewesen und daher weiterhin unqualifiziert: When the king has once pardoned him, he is not an offender within the meaning of the act of parliament, and therefore the act works nothing as to him, and so he stands as much disabled from being a witness, as he was before.73 Auch in diesem Fall diskutierten die Juristen noch eine Weile weiter, zitierten Präzedenzfälle und gelehrte Meinungen, bis Richter Holt entschied: pardon makes him a new creature, gives him new capacity, and makes him to all intents and purposes, from the time of the pardon, to be ‘probus et legalis homo,’ and a good witness. Indeed this crime might be objected against his credit; but it is not to be urged against the sufficiency of his evidence, that is, his being a witness.74 Unmittelbar nach dieser Entscheidung wurde Porter vereidigt. Der Anwalt Holt hatte seinen Mandaten während der Rye House Plot-Prozesse 1683 geraten, die Glaubwürdigkeit von Kronzeugen in Zweifel zu ziehen. Immerhin gab Richter Holt auch hier zu, dass man über deren Glaubwürdigkeit geteilter Meinung sein könne. An ihrer rechtlichen Zulässigkeit wollte er aber nicht rütteln. Die Überzeugung der Juristen von 1660, dass beim Vorgehen gegen Staatsverbrecher das Recht den Vertretern der Anklage nützlich und nicht hinderlich sein müsse, hatte die Revolution also überdauert. Für uns wichtiger ist allerdings, dass Holt sich erst dann zur einer Erklärung über den Status von Kronzeugen veranlasst sah, als sich ein Anwalt dazu erkundigt hatte. Als der Angeklagte Robert Charnock Wochen zuvor vor ihm Einwände gegen Porter vorbringen wollte, war er noch abgewimmelt worden.75 Dabei wurde Charnock noch vergleichsweise freundlich zurechtgewiesen. Als Angeklagte in den Prozessen der 1680er Jahre Vorbehalte gegen Zeugen äußerten, ernteten sie, wie gesehen, rüde und zynische Reaktionen von der Richterbank. Dass es Shower hingegen „erlaubt“ war, an Porters Quali73 74 75

13 ST 184. 13 ST 186. Im Übrigen verweigerte Holt dem Angeklagten Charnock energisch einen Anwalt, obwohl das Gesetz nur Tage später in Kraft treten sollte. Die Begründung, die er dafür fand, lautete ungefähr so, wie sie wohl der in den Kreisen der Whig-Juristen abgrundtief verachtete Richter Sir George Bloody Jefferys gegeben hätte: we are to proceed according to what the law is, and not what it will be […]. We cannot alter the law till lawmakers do it […] it is not a law till the time comes that the parliament hath appointed, 13 ST 72f. Während Holt in der Whig-Historiographie höchste Wertschätzung genoss, nicht zuletzt wegen seiner (scheinbar) kritischen Haltung zur Sklaverei – Holt hatte 1701 erklärt: as soon as a negro comes into England, he becomes free: one may be a villein in England, but not a slave –, so konnte gezeigt werden, dass er nichts gegen die Sklaverei auf den amerikanischen Tabakplantagen einzuwenden hatte: In Virginia könne man negroes verkaufen wie Vieh, vgl. Iyengar, Shades of difference, 202f.

VII. Reformprozesse

377

fizierung zu zweifeln, hatte mit seiner Rolle als Anwalt ebenso zu tun wie auch damit, dass er die richtigen Prämissen für die Einleitung einer Zwischensequenz setzte. Diese richtige Prämisse bestand darin, dass er auf das Vorliegen eines offiziellen Dokuments, eines Gerichtsurteils, verweisen konnte, womit seine Behauptung, Porter sei ein Verbrecher, bewiesen werden konnte: We oppose the swearing Mr. Porter: I must beg the favour of the court to hear us in it; if my instructions be true, we insist upon it, that he is not capable of being a witness; he stands convicted of felony: here we have the record, and we desire it may be read.76

Auch wenn das am Ende nicht gelang, so waren Showers Interventionen in einer Art und Weise codiert, dass sie zwar einen zeitintensiven, aber gleichwohl zulässigen Verfahrensabschnitt initiieren konnten. Da die Angeklagten vor der Reform stets unter strengen Bedingungen in Haft gehalten und auf diese Weise auch von der Vorbereitung einer erfolgversprechenden Verteidigungsstrategie abgehalten wurden, konnten sie solche Informationen, wie Shower sie hatte, nicht zusammentragen; sie vermochten es daher in aller Regel nicht, ihre Interventionen so zu codieren, dass sie gelingen konnten. Auch Charnock hatte seinen Einspruch wenig erfolgversprechend eingeleitet, indem er sich in bekannter Manier als Rechtslaie darstellte, der auf den traditionellen Beistand durch den Richter hoffe: Charnock:

My lord, in the first place I desire the judgment of the court, whether he be a legal evidence or no. I conceive he is not, and I hope your lordships will think so too: for he makes himself a criminal by his own confession, and that of a very heinous crime, and it is equal in my judgment (and as I have been advised, who I must still say am ignorant in these matters) as if he had confessed it upon an indictment, and then the law can take no notice of him as a good witness. And if he were no legal witness then, I take it by the same reason he is no legal witness now: For the crime is the same, and it is an acknowledgment in open court.77

Richter Holt konnte Charnock aus diesem Grund auch den ‚guten Rat‘ erteilen, dass er mit seinen Bedenken gegen Porter falsch liege: Holt:

Look you, Mr. Charnock, if it had been a confession upon an indictment, it would have been a conviction, which would have had quite another operation: but it not being upon an indictment, it is no conviction, and therefore he is a legal witness, though he does acknowledge himself to be guilty of the crime.78

Und als Charnock weiter versuchte, sich noch Gehör zu verschaffen, wurde ihm das Wort mit dem Verweis auf die Verfahrensordnung abgeschnitten: 76 77 78

13 ST 182. 12 ST 1403. Ebd.

378 Holt:

1650–1730: Untersuchungsregime

Look you, Mr. Charnock, you shall be heard all that you have to say, when your time comes for your defence, and to make what observations upon the evidence you please. But the matter is now, whether you will think fit to cross-examine the witnesses that are produced for the king, or to ask them any questions?79

Das war beim Rookwood-Prozess anders: Auch beim zweiten Kronzeugen, George Harris, erhoben die Verteidiger Einspruch. Die Begründung lautete diesmal, dass es eine königliche Proklamation, eine Art Steckbrief gäbe. Darin seien die Namen aller gesuchten Verschwörer aufgeführt, verbunden mit der Aufforderung, einander zu verraten. Wer zur Verhaftung eines Komplizen beitrage, sollte tausend Pfund zur Belohnung und Straffreiheit erhalten. Shower behauptete nun, Harris‘ Name sei auf diesem Steckbrief genannt. Demnach habe er ein hohes Interesse an Rookwoods Verurteilung und sei als Zeuge nicht qualifiziert. Dieser Vorstoß sollte sich allerdings als unerhört dilettantisch herausstellen. Händereibend forderten die Kronanwälte, dass die fragliche Proklamation verlesen werden sollte, und nachdem dies geschehen war, war offenkundig geworden, dass Harris‘ Name eben nicht darin stand und zudem die Belohnung schon bei der Ergreifung, nicht erst bei der Verurteilung erwirkt worden sei.80 Shower und Phipps hatten sich bei diesem Zug also ziemlich verrannt, doch immer noch versuchten sie, irgendetwas aus ihrem Einwand zu machen. Es gäbe noch eine andere Proklamation, und darin werde Harris mit Sicherheit genannt. Allerdings hätten sie diese noch nicht gelesen. Die Kronanwälte äußerten zwar ihr Missfallen über diese Art von Zeitverschwendung (If you have not read it, I would advise you not to trouble the court with it).81 Gleichwohl schien ihnen dieser völlig schief gegangene Einspruch der Gegenseite durchaus ins Konzept zu passen. Es war ein vor Publikum gescheiterter Vorstoß, der nicht zu einem Gegenargument nötigte, sondern der in seinem Scheitern beobachtet und zum Thema gemacht werden konnte: they have made their objection upon these proclamations, we think there is nothing for us to give an answer to.82 Entsprechend entschied auch Holt: There is nothing in it: you must swear Mr. Harris.83 Der erste Zeuge, Porter, berichtete nun, dass sich die Verschwörer mehrmals getroffen hätten, um über das Attentat zu beraten. Rookwood sollte dabei die Aufgabe zugeteilt worden sein, ein Reiterkommando zu befehligen und die königlichen Leibwachen anzugreifen. Als Shower das Rederecht erteilt wurde, wollte er wissen, auf welche Weise sein Mandant seine Zustimmung zu dem Unternehmen gegeben hätte. Shower stellte im Folgenden nur einige wenige, eher offene Fragen 79 80

81 82 83

12 ST 1405. Shower zitierte as that they should be brought to condign punishment, such conspirator so discovering should receive a thousand pounds reward for any of the other persons apprehended, and his own pardon; richtig war aber as they may be brought to justice, his majesty does hereby declare, that every person making such discovery shall have his majesty‘s gracious pardon for his offence, and shall receive the reward of one thousand pound, to be payed in such manner as aforesaid, 13 ST 192f. 13 ST 193f. 13 ST 194. 13 ST 195.

VII. Reformprozesse

379

an den Kronzeugen, die diesem bei der Antwort einige Freiheiten ließen. Von einem Kreuzverhör, bei dem der Zeuge „in die Zange“ genommen wurde, kann noch keine Rede sein. Allerdings hatten die Kronzeugen der 1690er Jahren offenbar am Beispiel des Titus Oates gelernt, dass es besser war, nicht zu lügen. Jedenfalls gab sich Porter bescheiden und sagte aus, dass Rookwood dem Attentat keineswegs ausdrücklich zugestimmt habe. Wenn überhaupt habe er während der Gespräche seinen Widerwillen zum Ausdruck gebracht. Als ihm Sir George Barkley, König Jakobs Mann in London, gesagt habe, dass er ein Reiterkommando bekommen sollte, habe er auf Französisch etwas geantwortet, was man ins Englische als ‚There‘s an end of it‘ übersetzen könne.84 Ähnlich zurückhaltend agierte auch der Zeuge Harris. So sagte er zwar aus, dass er von Rookwood eine Liste mit den Tarnnamen der Verschwörer bekommen habe. Diese Liste hatte Harris der Obrigkeit übergeben, und sie lag dem Gericht vor. Aber ob diese vom Angeklagten selbst verfasst worden sei, wisse er nicht: Indeed I know not his hand-writing, and therefore cannot tell whose it was: he is for his life, but I believe he cannot deny any thing that I have said, I suppose not: I should be very sorry to accuse Mr. Rookwood of any thing that was not true.85 Auch Harris konnte sich nicht daran erinnern, dass Rookwood jemals seine Bereitschaft zur Tat ausgesprochen hätte. Vielmehr sei man sich unter vier Augen darüber einig gewesen, dass der Mordplan ganz abscheulich sei, und Rookwood habe gesagt I am afraid we are drawn into some such business; but if I had known it before I came over, I should have begged the king’s pardon at St. Germains, and not have come over hither.86 Aber er habe auch gesagt, dass man den Befehlen Barkleys Gehorsam leisten müsse. Scheiternde Verteidigungsstrategien Die Verteidigungsstrategie der Anwälte gegen die Beweise der Anklage beruhte im Folgenden auf drei Punkten: Zum einen versuchte man die Beweiskraft der Zeugenaussagen zu entkräften, zum anderen zielten Shower und Phipps auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen Porter und zum dritten versuchten beide auch in dieser Phase des Verfahrens, Formfehler geltend zu machen. 1) Keiner der beiden Zeugen habe aussagen können, dass Rookwood dem Hochverrat zugestimmt habe (it is not proved that he did actually consent to it), also sei er auch kein Hochverräter. Die bloße Anwesenheit bei verschwörerischen Beratungen habe keine Rechtsfolgen: Sir B. Shower: It is not the being present where traitors do consult and conspire the death of the king, unless they actually agree; nor is it evidence sufficient to guide or prevail upon a jury‘s conscience to affirm upon 84 85 86

13 ST 189f. 13 ST 199. 13 ST 196f.

380

1650–1730: Untersuchungsregime

their oaths, that such a one is guilty of high treason, because such a one was there, and said nothing at all; for the not discovering afterwards, nor accusing, is no evidence at all against Mr. Rookwood.87

Shower hätte bei dieser Position eigentlich auf die Unterstützung durch den Kronanwalt Sir John Hawles hoffen dürfen, der genau diese in seinen Remarks upon the Trials nachdrücklich vertreten hatte – und zwar gegen Showers damalige Ansichten!88 Offenbar war es möglich, in der Rolle des Anwalts oder Kronanwalts Überzeugungen zu vertreten, die denen diametral zuwiderliefen, die die gleichen Männer in ihrer Rolle des gelehrten Autors vertreten hatten. Richter Holt berief sich aber auf die in den Kelyng-Reports dokumentierte Festlegung der Juristen von 1660, dass jemandes Präsenz bei einer konspirativen Beratung dann als Hochverrat gewertet werden könne, wenn sie diese nicht unmittelbar der Obrigkeit anzeige. Rookwood sei aber nicht nur einmal, sondern mehrmals bei solchen Beratungen zugegen gewesen, er könne sich nicht damit herausreden, nicht gewusst zu haben, worum es ging. Holt fragte rhetorisch: Is not that an overt-act, though it cannot be proved that the prisoner said any thing?89 Einen Präzedenzfall für die Deutung von mehrfacher Präsenz bei Verschwörertreffen als stillschweigender Zustimmung zum Hochverrat bot für Holt verblüffender Weise ausgerechnet der Russell-Prozess von 1683.90 Für die Juristen ging es bei ihren Argumenten also nur um momentan brauchbare Präzedenzfälle, unabhängig davon, was sie vielleicht persönlich davon hielten. Die juristische Kommunikation entwickelte ihre charakteristische Selbstbezüglichkeit. 2) Die Strafverteidiger hatten offenbar damit gerechnet, dass das Gericht den Zeugen Porter zulassen würde. Entsprechend hatten sie einige Zeugen vorgeladen, die zu Porters bislang nicht geahndeten Straftaten aussagen sollten: we hope it will influence his reputation as to his credit.91 Shower warf ihm vor, ein Straßenräuber und Münzfälscher zu sein, Unzucht (fornification) und Sodomie (buggery) zu betreiben. Das könne er durch Zeugen beweisen. Die Kronanwälte fragten zwar, ob es nun einen Prozess im Prozess geben sollte (instead of trying the prisoner at the bar, they would try Mr. Porter), es ginge der Verteidigung nur um den Skandal (to make a noise in the court) und man müsse das Verfahren vor solchen unsinnigen Vorstößen bewahren (it is against all common sense or reason, and it never was offered at by any lawyer before). Aber gleichwohl gaben sie sich damit zufrieden, als der Richter das Verhör der Zeugen erlaubte, allerdings mit der Vorgabe, dabei nicht abzuschweifen: Look ye, you may bring witnesses to give an account of the general tenour of his conversation, but you do not think sure that we will try now at this time, whether he be guilty of robbery or buggery.92 Allerdings konnten sich die Kronanwälte bei diesem Zeugenverhör erneut die Hände reiben. Denn anstatt Beispiele für den schlechten Charakter Porters auf87 88 89 90 91 92

13 ST 202f. Shower, The magistracy and government of England, 8. 13 ST 208. 13 ST 206. 13 ST 209. 13 ST 211.

VII. Reformprozesse

381

zuzählen, sagten die Zeugen (offenbar Bekannte und ein dunkelhäutiger Diener Porters, den Anwalt Phipps abschätzig mit Sweet-heart anredete) aus, dass dieser im Großen und Ganzen ein angenehmer Zeitgenosse sei. Holt konnte sich nach den Befragungen der Bemerkung nicht enthalten, dass diese Zeugen eigentlich von den Kronanwälten hätten geladen werden können, so günstig seien die Aussagen für den Zeugen der Anklage ausgefallen. Erneut war eine Verteidigungsstrategie grandios gescheitert. 3) Es blieben noch die Formfehler, die Shower und Phipps schon zuvor und vor allem nach dem missglückten Zeugenverhör geltend machen wollten. So bemängelten sie, dass Porter und Harris nicht zu den gleichen Sachverhalten ausgesagt hätten und somit der Zeugenbeweis nicht erbracht war. Vor allem aber wollten sie nicht akzeptieren, dass Harris‘ Liste mit den Tarnnamen der Verschwörer ein zulässiges Beweismittel sei, weil sie nicht als solches im Indictment spezifiziert worden war, was aber nach dem neuen Hochverratsgesetz zwingend notwendig sei: My Lord, we say this is not evidence of an overt-act, according to this act of parliament; which says, no evidence shall be given of any overt-act, that is not expressly alledged in the indictment […].93 Aber auch dieses Argument wollte Holt nicht gelten lassen. Das Gesetz verbiete, Beweise für einen overt act vorzulegen, der nicht im Indictment aufgeführt worden sei. Das bedeute aber nicht, dass im Indictment schon alle Beweismittel aufgeführt werden müssen. Es reiche, dass die zu beweisenden overt acts genannt seien.94 Veränderte Kommunikations- und Rollenstrukturen Aufschlussreich ist nicht nur, worüber die Juristen in diesem Prozess gesprochen haben. Auch die Struktur der forensischen Kommunikation ist im Vergleich mit den älteren bemerkenswert. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass den Verteidigern Vorstöße „erlaubt“ waren, dass also thematische Offerten angenommen wurden, die bei den sich selbst verteidigenden Angeklagten in den früheren Prozessen barsch zurückgewiesen worden waren. Dazu gehörten sowohl die Diskussionen über die skizzierten Formfragen zu Beginn des Prozesses als auch die folgenden, wenig erfolgreichen Verteidigungsstrategien. Die kläglich gescheiterten Versuche, Harris und Porter als Zeugen zu disqualifizieren, blieben auffälligerweise nicht an den Anwälten hängen. Sie wurden nicht zum Stigma der beiden, sie blieben eine lokale, auf diesen Prozess begrenzte Peinlichkeit. Durch den missratenen Angriff verloren die Anwälte zwar den Prozess (und Rookwood sein Leben!), nicht aber ihre berufliche Reputation. Bei den unmittelbar nachfolgenden Prozessen gegen weitere Jakobiten dachten die Kronanwälte nicht daran, Shower an sein Versagen 93 94

13 ST 219. Now though the act doth exclude the giving in evidence of any overt-act that is not laid in the indictment, yet it doth not exclude such evidence as is proper and fit to prove that overt act that is laid in the indictment, 13 ST 220.

382

1650–1730: Untersuchungsregime

zu erinnern. Aus dem abgeschlossenen Prozess konnte man keine Punktgewinne auf den nächsten übertragen. Eine Bedingung für diese neuen Möglichkeiten vor Gericht war die Praxis, dass sich die Anwälte keineswegs auf ihre Argumente und Positionen versteiften, ganz anders als die selbst aktiven Angeklagten, die sich in der Regel fast schon verzweifelt auf eine bestimmte Position festlegten. Was auch immer Shower und Phipps für ihr Vorgehen als erfolgversprechend hielten, stets formulierten sie ihre Initiative als eine durch den Richter zu entscheidende Frage: I submit it to your Lordship’s Directions […] Then, my lord, we are in your judgment, as to the proof that has been given […]. Auf diese Weise ließ sich der tentative Charakter von Verteidigungspraktiken darstellen, die Anwälte hielten nur solange daran fest, bis der Richter über deren Zulässigkeit entschieden hatte. Der fragende Charakter ihrer Vorstöße sorgte dafür, dass diese zwar in der Sache als unsinnig, in der Form aber als möglich behandelt werden konnten. Nicht zuletzt kamen die Anwälte mittels dieser Rhetorik auch einigermaßen glimpflich wieder aus peinlichen Situationen heraus. Als etwa offenkundig geworden war, dass Harris‘ Name nicht auf dem Steckbrief stand, spekulierte Shower nicht einfach weiter, aber ebenso wenig musste er seine Schlappe reumütig eingestehen. Vielmehr stellte er dem Richter anheim, über die Folgen ihrer Beweismittel zu entscheiden. Er und sein Kollege Phipps dokumentierten damit ihre Lernbereitschaft, ihre bedingungslose Orientierung an den Spielregeln des Verfahrens. Sie vertraten vorläufige Rechtspositionen, keine in Stein gemeißelten persönlichen Überzeugungen. Interessanterweise nötigte die strategische Höflichkeit der Anwälte – juristische Argumente wurden als höfliche Frage, nicht als Behauptung formuliert – die Vertreter der Anklage zu einem analogen Vorgehen. Auch sie konnten nicht einfach die Aktionen der Verteidiger im Wortsinn unmöglich machen, sondern mussten die Beurteilung dem Richter überlassen: My lord, we must submit it to your lordship, whether this is not totally improper and irregular at this time?95 Es konnte nicht ausbleiben, dass sich durch diese neue Form der juristischen Kommunikation auch die Rolle des Richters veränderte. Die wesentlichen Wegmarken eines Verfahrens wurden durch die Fragen der Anwälte beider Seiten als explizite Entscheidungssituationen ausgewiesen. Was in den älteren Verfahren im stillschweigenden Einvernehmen zwischen Richtern und Kronanwälten meist zu Ungunsten des Angeklagten ausgelegt wurde, wurde für den Richter seit 1696 zu einer neuen Darstellungsanforderung, insofern er ausgewogene oder zumindest begründbare Entscheidungen über die Anträge von Anklage und Verteidigung liefern musste. Das lässt sich etwa am Ende des Rookwood-Prozesses beobachten, als Shower und Phipps während der Zusammenfassung des Prozesses durch Richter Holt noch einmal wegen eines aus ihrer Sicht unzulässigen Beweismittels intervenierten. Während Kronanwalt Hawles rügte: certainly there never were so many irregularities committed in any trial as in this, and now particularly to break in upon the court in the midst of the charge, wiegelte Holt ab: Nay, nay, if there be 95

13 ST 208f.

VII. Reformprozesse

383

any mistake, let us hear them, that it may be rectified.96 Entsprechend wurde das Indictment noch einmal vorgelesen, und es wurde Zeit eingeräumt, um es konkurrierend auszulegen. Erst dann lehnte Holt die Beschwerde der Verteidiger ab. Unparteilichkeit als das zentrale Rollenattribut des Richters kann somit auch als eine Emergenz der neuen Verfahrenspraxis gewertet werden. Sie ist historisch gesehen nicht die Voraussetzung, sondern die Folge des forensischen Handelns von Juristen auf beiden Seiten. Der Angeklagte kommt nicht zu Wort Ambrose Rookwood, der Angeklagte, kam bei diesem Prozess übrigens kaum zu Wort. Tatsächlich wurden seine Wortbeiträge stets informalisiert, das Verfahren wurde also gleichsam in den Leerlauf geschaltet, wenn er sich ungefragt zu Wort meldete. Seine Interventionen wurden als Störungen behandelt, schulterzuckend erduldet, aber nicht als kommunikative Beiträge ernst genommen. Nicht einmal mehr Streitgespräche zwischen Angeklagtem und Richter, wie das etwa bei Edward Coleman der Fall gewesen war, ließen sich auf diese Weise noch anfangen. Als Rookwood am Ende des Verhörs des Zeugen Harris nicht mehr an sich halten konnte und erklärte, dass er von der Liste nichts wisse, wurde dieser Zwischenruf von Gericht und Kronanwälten schlicht ignoriert. Stattdessen wurde Shower das Wort erteilt, damit er seine Fragen stellen konnte. Beim Prozess gegen Robert Lowick einen Tag später hinderte Shower seinen Mandanten sogar zunächst daran, eine Erklärung abzugeben. Als sich Lowick aber durchsetzte, kam er mit einer der aus den älteren Verfahren bekannten Unschuldsbehauptungen (My lord, as to this business, the thing that I stand accused of, the Assassination, I know nothing in the world of it, nor never did, directly or indirectly), worauf Richter Holt ihm erklärte, mit einer solchen Aussage nichts anfangen zu können. Selbst die ältere Praxis, den Angeklagten auf später zu vertrösten, hatte in diesen Prozessen ihren Sinn verloren. Ihre Verurteilung nahmen Rookwood und die anderen beiden unter dem neuen Gesetz verurteilten Verschwörer, Cranburnee und Lowick, regungslos hin. Bei der Allokution bemerkte Rookwood lediglich: All that can be said has been said already, and so I shall say no more. Auch bei der Hinrichtung am 29. April verneinte er nicht seine Schuld, sondern nur die Verwicklung des abgesetzten König Jakobs II. in Pläne zur Ermordung Wilhelms III.: These twelve years I have served my true king and master, king James, and freely now lay down my life in his cause. I ever abhorred treachery, even to an enemy; if it be a guilt to have complied with what I thought, and still think, to have been my duty, I am guilty. [… But I] with all truth and sincerity, declare and avow, that I never knew, saw, or heard of any order or commission from king James for the assassinating the prince of Orange, and attacking his Guards; but I am certainly

96

13 ST 217f.

384

1650–1730: Untersuchungsregime

informed that he, the best of kings, had often rejected proposals of that nature when made unto him.97

Nur darauf, dass Jakob II. nichts mit der Sache zu tun hatte, bezog sich die einzige Gegenschrift, die nach seiner Hinrichtung in den Druck gelangte.98 Ganz anders hatte dagegen Robert Charnock bei seinem Prozess zuvor am 11. März agiert. Bei der Allokution erklärte er, I have a great deal to say99, und versuchte dann, das Verfahren wieder aufzunehmen, seine Unschuld zu behaupten und sich über die ungerechte Behandlung vor Gericht zu beklagen – Themen, auf die er auch in seiner Galgenrede wieder zurückkam. Offensichtlich förderte der Umstand, von einem Anwalt vertreten zu werden, eher die Bereitschaft, sich mit dem Urteil abzufinden als die traditionelle Form der Selbst-Verteidigung, die sozusagen nur natürliche Grenzen kannte. Inwiefern resignatives Verhalten des Angeklagten/ Verurteilten, das für die Hinnahme von Entscheidungen eine wichtige Ressource darstellte100, gerade durch anwaltliche Vertretung und anwaltliche Verteidigungspraktiken gefördert wurde, soll auch im nächsten Abschnitt die Frage sein. 3. DER PROZESS GEGEN CHRISTOPHER LAYER Der Hochverratsprozess gegen Christoper Layer vor der King’s Bench im Herbst 1722 war einer der ersten, bei dem sich Strafverteidiger auch schon beim Arraignment engagierten.101 Layer wurde von John Hungerford und Abel Ketelby verteidigt. Beide Anwälte saßen als Tories im Unterhaus und standen der jakobitischen Sache zumindest nahe.102 Wie schon beim Rookwood-Prozess zeigte sich also auch an diesem Fall, dass als Verteidiger nur solche Männer in Frage kamen, die eine ähnliche Gesinnung besaßen wie ihr Mandant auch. Christopher Layer gehörte zu einer Gruppe von jakobitischen Verschwörern im Umfeld von Francis Atterbury103, dem Bischof von Rochester (1663–1732).104 Der Atterbury-Plot war eine weitere bedeutende Verschwörung von Jakobiten mit dem Ziel, James Francis Edward Stuart als König Jakob III. auf den britischen Thron zu bringen.105 Der Plan sah vor, zunächst London und die City of Westminster zu erobern und dann den Aufstand auf ganz England ausstrahlen zu lassen. Georg I. selbst sollte dabei allerdings nicht zu Schaden kommen. Man plante, mit dem 97 98 99 100 101 102 103 104

105

Anon., A true copy of the paper delivered by Brigadier Rookwood. Anon., Observations upon the papers. 16 ST 300. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 117ff. Verteidiger waren zwar auch schon beim Arraignment des David Lindsay am 19. April 1704 anwesend, hielten sich dabei aber zurück. Cruickshanks / Erskine-Hill, The Atterbury plot, 174. Dazu Bennett, The Tory crisis in church and state 1688–1730. Zu den Atterbury-Plottern gehörten zudem Thomas Wentworth, der dritte Earl of Strafford, Charles Boyle, vierter Earl of Orrey (1674–1731) und William, Lord North and Grey, vgl. Szechi, A non-resisting, passively obedient revolution. Szechi, The Jacobites, 92ff.; Cruickshanks / Erskine-Hill, The Atterbury plot; Gregg, The politics of paranoia.

VII. Reformprozesse

385

Aufstand zu einem Zeitpunkt zu beginnen, an dem sich Georg I. mit seinem Hof in Hannover aufhielt. Der Atterbury-Plot war nicht zu trennen von der sogenannten South-Sea-Bubble, einem gigantischen Spekulationsskandal, der beinahe zum Staatsbankrott geführt hätte, auf jeden Fall aber unzählige Briten um ihr Vermögen brachte.106 Die Atterbury-Verschwörer wollten die aufgeheizte Atmosphäre nutzen, um die Stuarts als Retter aus der Krise zu präsentieren. Der Obrigkeit aber kam die durch ihre Spitzel aufgedeckte Verschwörung ebenso gelegen, um von eben jener Finanzkrise abzulenken. Christopher Layer (1683–1723) stammte aus einer angesehenen Familie aus Norfolk. Nach einer Ausbildung in der Kanzlei des Anwalts und Torys Henry Rippinghall zog er 1709 nach London, wo er 1715 Mitglied von Gray’s Inn wurde und 1720 seine Zulassung als Anwalt erhielt. Layer fungierte seitdem als Rechtsberater des Lord North and Grey, und er war ein bis ins Mark überzeugter Jakobit. Auch nachdem er verhaftet worden war und sich ausrechnen konnte, wegen Hochverrats verurteilt und hingerichtet zu werden, blieb er bei seinen Überzeugungen und suchte nicht als letzten Ausweg die Übernahme der Kronzeugenrolle. Auch aus diesem Grund war Layer der einzige der Atterbury-Verschwörer, der vor ein ordentliches Common Law Strafgericht gestellt wurde, während sich seine Mitverschwörer Stephen Lynch und Matthew Plunkett als Kronzeugen gegen ihn aus der Affäre zogen. Darüber hinaus verfügte die Anklage über eine Reihe hochverdächtiger Schriftstücke aus der Feder Layers, die dieser in einem Bordell versteckt hatte, deren Besitzerin sich sofort nach Bekanntwerden der Verschwörung an die Obrigkeit gewandt hatte, auch um ihren eigenen Hals zu retten. Im Sommer 1722 ließ Premierminister Robert Walpole alle der Obrigkeit bekannten Verschwörer verhaften, darunter auch die irisch stämmigen Offiziere Matthew Plunkett und Stephen Lynch, die sich sofort als Kronzeugen anboten. Im Hause der Lord North and Grey in Epping wurde am 19. September auch Christopher Layer verhaftet. Zwar gelang ihm zunächst die Flucht, doch nur einen Tag später wurde er erneut ergriffen und in den Tower überführt. Als Layer sich bei den Verhören strikt weigerte, ebenfalls als Kronzeuge zu fungieren und gegen Bischof Atterbury auszusagen, und als sich zudem herausstellte, dass er zu den treuesten und überzeugtesten Anhängern des Hauses Stuart gehörte, legte man ihn zusätzlich in Ketten. Nachdem seine Verhaftung öffentlich bekannt wurde, meldete sich am 2. Oktober eine Mrs. Mason, eben jene Bordellbesitzerin, bei der Layer Unterschlupf gefunden und bei der er seine Papiere verborgen hatte. Nun verfügte man auch über schriftliche Beweise aus Layers eigener Hand. In den vier Verhören, die vor einem Untersuchungsausschuss des Unterhauses stattfanden und später zusammen mit weiterem Beweismaterial gedruckt wurden, gab Layer nur das zu, was die Regierung bereits wusste.107 Penibel achtete er darauf, keinen der Verschwörer zu belasten, und nahm am Ende sogar die gesamte Verantwortung für die Verschwörung auf sich.108 106 107 108

Dazu zuletzt Paul, The South Sea Bubble. Pulteney, A report from the committee. Cruickshanks, Lord North.

386

1650–1730: Untersuchungsregime

„like an Algerine captive“: Ein gescheiterter Versuch von Selbstdarstellung beim Arraignment Das Arraignment Layers fand am 31. Oktober 1722 vor der King’s Bench in der Westminster Hall statt. Schon dieser Akt zog außerordentlich viele Zuschauer an und bot Gesprächsstoff in den Kaffeehäusern und Klubs der Stadt.109 Die Zuschauer bekamen einen besonders elaborierten Auftakt des Verfahrens zu sehen, der sich zuvor entweder nicht so ausgefeilt vollzogen hatte oder der zumindest nicht so ausführlich protokolliert worden war.110 Nach der Verlesung des Indictments und noch bevor der Gerichtsdiener Layer zum Plädoyer aufgefordert hatte, beschwerte sich dieser darüber, in Ketten vorgeführt worden zu sein: Auf diese Weise werde er eher wie ein Sklave der Barbaresken (like an Algerine Captive) als wie ein free-borne Englishman behandelt.111 In diesen Ketten sei er schändlich durch die Straßen Londons geführt worden, zum Gespött der Leute. An ihm solle, so erklärte er weiter, doch nur ein Exempel statuiert werden, be made a sacrifice to the rage and fury of any party, or the necessity of the times.112 Offenkundig kannte Layer den Lilburne-Prozess, an den er mit seiner Erwähnung von Algerine captive und Freeborn Englishman anknüpfte. Die Gewohnheit, sich das Verhalten widerspenstiger Angeklagter für den eigenen Prozess zum Vorbild zu nehmen, gab es also immer noch. Doch die Ähnlichkeiten beschränkten sich auf die Wortwahl. Denn die Vertreter der Strafjustiz, sowohl die Kronanwälte als auch die Richter, reagierten darauf so, wie dies seit der Restauration üblich geworden war: mit dem Beharren auf die Formalitäten. Wenn der Angeklagte etwas am Indictment auszusetzen habe, so Kronanwalt Sir Thomas Pengelly, dann solle er das sagen, sonst aber schweigen: If Mr. Layer hath any objections to the indictment he may make them, but should not go on in this manner.113 Im Unterschied zu den älteren Prozessen pochte man also nicht auf das Pleading, sondern eröffnete Möglichkeiten für begründete Einwände gegen das Indictment. Die Beschwerde gegen die Ketten gehörte aber nicht zu diesen Möglichkeiten. Die Ablehnung seiner Sprechversuche – Layer ließ sich nicht sofort zum Schweigen bringen – erschienen daher nicht als reine Machtdemonstration von Seiten der Richterbank, sondern als begründbare Reaktion auf einen Verstoß gegen die Verfahrensregeln. Es ist bemerkenswert, dass Layers Anwälte ihrem Mandanten in dieser Situation zwar zur Hilfe kamen, ihren Beitrag aber als eine Art Bemerkung außerhalb des Protokolls, also als einen informellen Beitrag, ausflaggten. Das ist daran zu erkennen, dass sich John Hungerford bei dieser Sache noch nicht, wie kurze Zeit später, als Layers Anwalt vorstellte, sondern seinen Beitrag mit einer Entschuldigung einleitete: I beg to be indulged a few words; that he is in chains now is demonstrable; 109 110 111 112 113

Zum Prozess allg. vgl. Cruickshanks / Erskine-Hill, The Atterbury plot, 172–183. 16 ST 93ff. Zur Entwicklung dieses Topos vgl. Lewis, Savages of the seas; Baepler, The barbary captivity narrative and American culture. Eine genaue Untersuchung für England steht noch aus. 16 ST 97. Ebd.

VII. Reformprozesse

387

and he hath told me, when in the Tower with him, that they are so grievous to him that he cannot sleep but in one posture, viz. upon his back […].114 Nach den Diskussionen um das Rederecht des Anwalts in den Prozessen seit 1696 konnte mit einer Entschuldigung offenbar markiert werden, dass das nachfolgend Gesagte als etwas Informelles betrachtet wurde. Kronanwalt Pengelly erklärte darauf, die Ketten seien nötig, da Layer schließlich einen Fluchtversuch unternommen habe. Diese Begründung überzeugte auch den vorsitzenden Richter Sir John Pratt, der entschied: he that hath attempted an escape once […] ought to be secured in such manner as to prevent his escaping a second time.115 Für die Anwälte erschien es nicht ratsam, in dieser Sache intensiver nachzubohren, zumal sich Hungerford offenbar einen lapsus linguae geleistet hatte: Er fand, Layer sei mit den Ketten too well guarded, worauf Richter Pratt bemerkte I do not think a man charged with high treason of this nature, can be said justly to be too well guarded, especially if it be true what hath been suggested, that he hath endeavoured to make his escape. Darauf meinte Hungerford, sich rechtfertigen zu müssen: My lord, I beg leave to explain myself, what I mean by saying too well guarded, I mean sufficiently guarded.116 Offenbar war es für einen Anwalt wichtig, nicht als jemand dazustehen, der die Sicherheitsvorkehrungen der Strafjustiz bei Hochverrätern für übertrieben hielt. Ohne weitere Unterstützung durch seine Anwälte wurden Layers Beschwerden gegen seine Fesselung auch nicht zum dominanten Thema beim Arraignment. Sie konnten als Verzögerungstaktik und Aufmerksamkeitserreger identifiziert und gerügt werden: Have you any thing more to offer? This is nothing but to captivate the people, and to make impressions upon them that are not just, or else what signifies his chains being taken off this minute, and afterwards put on again the next? This is nothing but to bring the people to have an unjust sense of the crime with which he is charged.117

Die Anwesenheit von Anwälten beim Arraignment konnte also den Effekt haben, dass subversive Taktiken eines Angeklagten noch weniger Resonanz entfalteten. Juridifizierung und Formalisierung des Arraignments Im nächsten Schritt versuchten Hungerford und Ketelby tatsächlich, Einwände gegen das Indictment geltend zu machen und damit fristgerecht jenes Recht zu gebrauchen, auf das Shower und Phipps 1696 ihren Anspruch nicht mehr hatten durchsetzen können, weil sie erst bei der Hauptverhandlung zugegen gewesen waren. Erst mit diesem Einwand führten sich beiden Juristen in ihrer Rolle als Strafverteidiger auch förmlich in das Verfahren ein: I am, my lord, of counsel with the 114 115 116 117

16 ST 98. 16 ST 97f. Ebd. 16 ST 101.

388

1650–1730: Untersuchungsregime

prisoner […] I shall not make any apology for our appearing on his behalf.118 Wie das Gesetz es vorschreibe, begann Hungerford, habe er die Unterlagen rechtzeitig bekommen und daher Zeit gehabt, sich diese sehr genau anzusehen, darunter auch den auf Latein verfassten Text zur Einsetzung des Gerichts (commission of oyer and terminer). Da er das Recht habe to make whatever Objections in Bezug auf miswriting, mis-spelling, false or improper Latin, wolle er zur rechten Zeit die Frage stellen, was es eigentlich mit folgendem Satz auf sich habe: ‘Et per quos vel per quem, cui vel quibus, quando, qualiter, et quomodo, et de aliis articulis et circumstantiis, præmissa et eorum quodlibet seu eorum aliquod vel aliqua, qualitercunq; concernen, plenius veritat.’

So sehr er sich auch bemühe und unterschiedliche Übersetzungen im Kopf durchspiele, die Worte plenius veritat ergäben für ihn keinen Sinn, sie seien Nonsense. Wenn aber schon die commission des Gerichts mangelhaft sei, dann sei das ganze daraus folgende Verfahren natürlich auch null und nichtig: It is a blemish in the commission itself, and if so, the enquiry taken by virtue of that commission must fall to nothing, and consequently this indictment must be naught.119 Man habe allerdings auch im Indictment selbst gravierende Fehler gefunden, so Hungerford weiter. Richter Pratt hatte den Anwälten zuvor erlaubt, ihre Einwände gebündelt vorzubringen, und von dieser Erlaubnis machten die beiden nun ausführlich Gebrauch. Dabei ging es ihnen um die zentrale Frage: e oder o? Mr. Hungerford: Then, my lord, in the close of this commission it is said the jury were charged to enquire, but doth not say for what; but that objection may be made another time, and therefore I will not trouble your lordship with it now. My lord, the first thing that occurs to me in the indictment itself, and which certainly, if we prevail in, the whole proceedings are wrong; this gentleman‘s name is not writ nor spelt right, ‚Jurator‘ pro Dno‘ Rege, &c. super sacramentum, &c. quod Christopherus Layer, Christopherus is there writ with an e, whereas it should be Christophorus with an o; and if the Dictionaries and Lexicons are any authority we are right. These are the objections which have occurred to me, the gentleman joined with me in this service, hath some other remarks to make.120

Hungerford hielt einen längeren Vortrag über die griechische Etymologie des Namens Christophorus und dessen richtige Schreibweise auch im Lateinischen: by all the Latin dictionaries, the Latin word for Christopher is ‚Christophorus‘. Er hatte sogar einige Wörterbücher mit vor Gericht gebracht, several of the best dictionaries and lexicons which shew the true word to be ‘Christophorus’.121 Zwar war Richter Pratt über das Vorgehen der Anwälte etwas verärgert, er konnte ein How do we know what his name is? nicht unterdrücken, wollte aber auch sofort dem Eindruck entgegentreten, den Angeklagten in seinen gesetzmäßigen Rechten einzuschränken: I desire I may not be understood as if I would prevent you from offering any 118 119 120 121

16 ST 102. Ebd. Ebd. 16 ST 103.

VII. Reformprozesse

389

thing that is material for your client; but if I can satisfy you that you are improper in form, it may save the time of the Court; but if you can offer any thing material, we are ready to hear it.122 Tatsächlich ging es noch eine ganze Zeit lang um richtiges und gutes Latein. Hungerford und Ketelby hatten noch andere falsche Wörter und Formulierungen ausgemacht, die, wie Ketelby sarkastisch anmerkte, vielleicht in Westminster Hall, nicht aber in der altehrwürdigen Westminster School durchgehen würden. Da aber Sir Edward Coke gesagt habe, that indictments for high-treason ought to be drawn with the greatest accuracy and nicety, müsse man darauf bestehen, dass der gesamte Text der Anklageschrift den Anforderungen an classical and Ciceronian Latin genüge.123 Zwar wurden auch diese Vorstöße von den Kronanwälten als Taktik entlarvt (My lord, these objections have been made with so much ceremony, and ushered in with such pomp, as if something else was meant, than the quashing this indictment). Aber auch sie wollten den Vertretern der Verteidigung das Recht auf dieses Vorgehen nicht streitig machen: My lord, we are not against the gentlemen of the other side’s insisting upon every thing that may be for their client’s service. But sure these objections have nothing in them. Aber dann stiegen sowohl die Kronanwälte als auch der Richter in diese philologische Debatte mit ein, und zwar mit ebenso ausführlichen und gelehrten Wortmeldungen wie Hungerford und Ketelby auch. Am Ende dieser Debatte entschied Richter Pratt gegen den Einspruch  – aber nicht etwa, weil er ihn als solchen für absurd hielt. Eine solche Einschätzung konnte der Richter während der Aussprache nur verdeckt einfließen lassen, stets gepaart mit der salvatorischen Klausel, die Vertreter der Verteidigung im Übrigen in ihren Rechten nicht einschränken zu wollen. Pratt entschied vielmehr ‚in der Sache‘ und aufgrund seiner Auffassung über richtiges Latein im Anklagetext. Ein Ausschnitt aus seiner noch viel ausführlicheren Begründung sei hier, sozusagen nur zur Ansicht, angeführt: The next objection is, you say here is improper Latin, ‚compassavit‘ in the preterperfect tense, ‚imaginatus fuit‘ in the same tense, and ‚intendebat‘ in the preterimperfect tense; take these words by themselves, suppose it had been ‚compassavit‘ only, ‚imaginatus fuit‘ only, or ‚intendebat‘ only, would not either of these words, whether in the preterperfect or preterimperfect tense, have been sufficient to have charged Mr. Layer with having some time before compassed and imagined the death of the king? Every one of these words charge him with the intent of compassing and imagining, and that relates to a time that is passed, whether preterperfect tense, or preterimperfect, that is not material: then as to one of the overt-acts, as here be a great many to which no objection is made, the high-treason is compassing and imagining the death of the king; the overt-acts are several, either is sufficient to maintain the treason of compassing and imagining the death of the king. One of the overt-acts is, that he did design, consult, and agree ‚ad capiend, seisiend‘, et imprisonand.‘, the person of the king. Suppose it had been ‚ad capiend.‘ et imprisonand.‘, then you 122 123

16 ST 104. 16 ST 112.

390

1650–1730: Untersuchungsregime

say it had been well enough; but the putting in this word ‚seisiend.‘, will vitiate the whole, because it is an improper and vicious word. I don‘t know that, nor dare not say in a court of law that it is an improper and vicious word: you are told of a court of law where the word is used, and hath the same signification as in the indictment; as to seize lands into the hands of the king, to seize lands, or to seize the king‘s person, the word is the same, and if ‚seisire‘ is good, and enough to signify to seize lands, ‚seisire‘ is enough to signify to seize the king‘s person; therefore I think it is a proper word; but whether it is or not, there is sufficient in the indictment to maintain the charge against Mr. Layer, for he is charged with a consultation and agreement to take the king, with a consultation and agreement to imprison and detain the king in prison: these are sufficient without the word ‚seisiend.‘, but the word ‚seisiend.‘ hath been a law-word, and used in our proceedings at law, never objected to; but if we say it would not signify a seizing, we must set aside half the proceedings in the Court of Exchequer. These are all the objections you have made, and in my apprehension they can be of no use or service to your client, they signify nothing.124

Nachdem sich auch die anderen Richter explizit dieser Entscheidung angeschlossen hatten (Justice Powys: I am of the same opinion: not the least doubt remains with me), wurde Layer aufgefordert, endlich zu plädieren. Man sieht, dass durch die Präsenz der Anwälte auch das Arraignment juridifiziert und formalisiert wurde. An die Stelle unterschiedlich motivierter und begründeter Verweigerungen des Pleadings durch auf sich allein gestellte Angeklagte traten dann, wenn diese von Anwälten vertreten wurden, rechtliche Kniffe – hier der Versuch, das Indictment aufgrund angeblich falscher Schreibweisen für null und nichtig zu erklären. Die Konfliktstruktur des Arraignment hatte sich damit fundamental geändert: Aus einer Episode, die tendenziell subversiv wirken konnte, wurde durch anwaltliche Präsenz eine solche, bei der in rechtlich geregelter Weise Anträge gestellt, angenommen oder, wie hier, abgewiesen wurden. Die Konversationsstruktur des Arraignments war zwar nicht darauf eingestellt, mit dem Angeklagten über den Sinn der juristischen Formen zu diskutieren, wohl aber darauf umständliche und ausufernde Anträge zu bewältigen. Als Verfahrensepisode konnte das Arraignment ziemlich weit gestreckt werden, ohne selbst Schaden zu nehmen. Tatsächlich wandten Hungerford und Ketelby nach dem ersten erfolglosen Einwand ein weiteres Rechtsmittel an, und zwar eine sogenannte plea in abatement. Auch auf dieses Recht waren die Angeklagten vor der Revolution nie hingewiesen worden. Erst die Präsenz von Anwälten sorgte dafür, dass existierende Rechtsmittel auch zu Anwendung kommen konnten und ihre Erwähnung nicht gleich wie eine Unverschämtheit abgebügelt wurde. Mit der plea in abatement wurde ein Einspruch gegen die Aufforderung zum Plädoyer wegen der falschen Schreibung des Namens Christophorus (misnomer) formuliert125, diesmal mit Berufung auf die Taufurkunde: dicit quod ipse ad Indictament illud respondere compelli non debet […] Baptizatus fuit per nomen Christophori, et per id nomen Christophori semper a tempore Baptization. suæ hujusque 124 125

16 ST 113. A plea in abatement is principally for a misnomer, a wrong name, or a false addition to the prisoner, so Blackstone, Commentaries, 328.

VII. Reformprozesse

391

vocat. […] unde ex quo ipse non nominatur in Indictament.126 Im Unterschied zu den vorherigen Diskussionen um die Namensschreibung wurde diesem Einspruch nun allerdings in einem anderen Medium Ausdruck verliehen, insofern die plea schriftlich und auf Latein vorliegen musste. Das entsprechende Schriftstück hatten Hungerford und Ketelby bei der Hand und übergaben es dem Gerichtsdiener, der es darauf verlas. Vom Richter wurde dies anschließend als ein zulässiger Schritt gegen die Aufforderung zum Plädoyer anerkannt (Your plea is received). Jetzt waren die Kronanwälte an der Reihe, darauf zu reagieren. Doch entsprechend den Regeln des Common Law konnten die Kronanwälte auf dieses plea in abatement nicht mündlich antworten oder darauf verweisen, dass die Sache mit der Namensschreibung im Prinzip gerade erst entschieden worden war. So funktionierte ein rechtsförmig geregeltes Verfahren nicht – und für die Stärkung dieses Charakters sorgte die Präsenz der Anwälte.127 Den Kronanwälten blieb daher nichts anderes übrig, als auch die Form zu wahren und als Antwort auf die plea ein eigenes Schriftstück, einen demurrer against the plea zu verfassen, was sie nicht aus dem Stehgreif machen konnten und deshalb um Vertagung des Verfahrens baten: It cannot be expected that we should have a replication ready to their plea in abatement: we were not aware of this; therefore we ought to have time to draw up a replication.128 Nachdem Hungerford und Ketelby diesem Antrag zugestimmt hatten und Richter Pratt noch einmal die aus der plea folgende Aufgabenstellung vorgestellt hatte (Consider now the question on this plea, is, whether he was baptized by the name of Christophorus or Christopherus?) wurde der Prozess über Allerheiligen und Allerseelen um drei Tage auf den 3. November vertagt.129 An diesem Tag wurde Layer erneut in Ketten vorgeführt, ohne dass es neue Diskussionen darüber gab. Sofort ergriff Attorney General Robert Raymond das Wort und ließ den demurrer der Kronanwaltschaft vom Gerichtsdiener verlesen. Darin berief man sich auf Präzedenzfälle, aus denen hervorging, dass der Angeklagte nach den Gesetzen des Landes verpflichtet war, auf irgendeine Weise zu antworten (per legem terræ tenetur alique modo respondere), wenn es sich um einen solchen geringfügigen Fehler im Namen handele. Nachdem beide Positionen nun schriftlich formuliert worden waren, folgte eine mündliche Verhandlung, und zwar mit einem erheblichen Risiko: Pleas in abatement und demurrer waren Überbleibsel eines mittelalterlichen Rechtsformalismus, die denjenigen in „Prozessgefahr“ brachte, der sich zuerst auf diese Formen berufen hatte130, in diesem Fall also den Angeklagten. Wer sich auf dieses Terrain gewagt hatte, verlagerte den Prozess fort von den Tatsachen- zu reinen Rechtsbehauptungen, aufgrund derer dann über Leben und Tod entschieden wurde. Wenn 126

127 128 129 130

Natürlich zielten Pleas in Abatement nicht nur darauf. Es handelte sich bei diesem aus der Übung gekommenen Mittel um die Aufforderung, eine verbesserte Anklage- bzw. Klageschrift vorzulegen: The nature of a plea in abatement is to intitle the plaintiff to a better writ (Encyclopaedia Britannica). Vgl. für solche „Formbedingungen“ im modernen deutschen Strafprozess Seibert, Gerichtsrede, 118ff. 16 ST 114. 16 ST 115. Meyer, Gefahr vor Gericht.

392

1650–1730: Untersuchungsregime

die Anwälte jetzt kein bestechendes Gegenargument hatten, sah die Sache sehr schlecht aus. Denn anschließend musste der Richter darüber entscheiden: Urteilte er gegen den demurrer, musste der Angeklagte freigesprochen werden, entschied er allerdings gegen das plea in abatement, musste er den Angeklagten im Sinne der Anklage, ohne jede weitere Beweisaufnahme und Beteiligung von Geschworenen schuldig sprechen und zum Tode verurteilen.131 Nun zeigten sich Hungerford und Ketelby allerdings überrascht von dem demurrer und verlangten Bedenkzeit und eine neuerliche Vertagung des Prozesses: My lord, it is altogether a surprise to us, and as the clerk hath read it, it is impossible for us to take the substance of this demurrer. We therefore hope we shall be allowed a few days to consider of this matter of joining in demurrer.132 Erneut kann man in diesem Fall also eine ziemlich klägliche Verteidigungsstrategie beobachten. Denn der demurrer war in Wirklichkeit überhaupt keine Überraschung für die Anwälte. Kronanwalt Raymond erklärte: yesterday we sent copies of our demurrer to them. Mr. Pember, the prisoner’s clerk in court, had a copy of it by two of the clock in the afternoon; and the prisoner himself had one about four o’clock.133 Entweder logen Hungerford und Ketelby also, oder aber sie waren wirklich katastrophal schlecht vorbereitet. Möglicherweise hatten sie sich schlicht verrannt. Ihre Bitte um Vertagung wurde jedenfalls abgeschlagen, nachdem sich der Richter beim Gerichtsdiener (clerk of the crown) Harcourt über das Herkommen bei solchen eher selten vorkommenden pleas erkundigt hatte: LCJ Pratt:

How say you, Mr. Harcourt? how is the course of the Court?

Mr. Harcourt: My lord, in criminal prosecutions for misdemeanors, two four day rules to plead are given […] But in capital cases […] the prisoner is obliged on all occasions to answer immediately, nor can there be any instance shewn to the contrary.134

Nachdem die Regel einmal in Erinnerung gerufen worden war, beharrten die Kronanwälte intransigent auf der Erfüllung der Form: They can do nothing else but join in demurrer; it is all they can do; and when they have joined in demurrer we shall see if they have any reason for further time. […]. If a demurrer is put into the prisoner’s plea, he must join in demurrer instanter. Offenbar hatten weder Hungerford und Ketelby noch Layer selbst irgendetwas in der Hand, um das Präzedenz-Argument aus dem demurrer zu entkräften, ihnen drohte also, den Prozess entweder aufgrund der Entscheidung zugunsten des demurrer oder aufgrund der ausbleibenden Antwort darauf zu verlieren. Die beiden Anwälte versuchten noch einige Zeit, für ihren Standpunkt zu werben, wurden aber von den Kronanwälten beschuldigt, eine frivolous, dilatory plea, as frivolous a plea as ever was offered in 131 132 133 134

Baker, An introduction to English legal history, 79. 16 ST 115. 16 ST 118. 16 ST 116.

VII. Reformprozesse

393

any case whatsoever vor sich herzutragen.135 Auch den Richtern wurde es alsbald zu bunt. Pratt fragte: Can you do any thing else but join in demurrer? You can do nothing else, und der beisitzende Richter Sir John Fortescue Aland hielt das Ganze für eine manifest Delay of Justice und erklärte: The Attorney General, by his demurrer, says it is not a good plea; and the prisoner has nothing further to say, but that it is a good plea; and if he does not think fit to say that, we must give judgment against him.136 An diesem Punkt zog dann Layer allerdings selbst die Reißleine: I am willing, rather than to continue to be thus hunted up and down the world, to retract my plea, and plead generally Not Guilty.137 Es war aber nicht ohne weiteres möglich, den Einspruch zurückzunehmen, nachdem die Kronanwälte ihrer demurrer daraufgesetzt hatten. Sie hätten es an dieser Stelle darauf ankommen lassen und mit Layer kurzen Prozess machen können. Doch das lag offensichtlich nicht in ihrem Interesse, zumal Layer sein Angebot mit Andeutungen über die Boshaftigkeit der Anklage versehen hatte (satisfied how maliciously this prosecution is carried on). Man wollte Layer lieber aufgrund zwingender Beweise verurteilt sehen als wegen einer verlorenen Rechtsbehauptung: I wish, out of charity, that the prisoner would consider the circumstances he is in; if he did, he would not say this prosecution is carried on by malice; for if I know any thing of evidence, I have no reason to doubt, but at the proper time there will enough appear against him to convict him. Aus diesem Grund erklärte sich Attorney General Raymond bereit, das Verfahren gleichsam zurückzuspulen und Layer die Rücknahme seines Einspruchs zu ermöglichen: If I understand the prisoner right, he pretends to be desirous that his trial may come on, and therefore he is willing to withdraw his plea in abatement, and abide by his plea of Not Guilty: It is what we desire likewise.138 Die Kronanwälte hatten Layer also einen Gefallen erwiesen, und sie hatten während dieser Sitzung noch weitere Gelegenheit dazu, sich als großzügig und fair darzustellen. Sie konnten Layers Bereitschaft, nicht weiter den Gang des Verfahrens zu obstruieren und zu plädieren, regelrecht belohnen. So hatten sie nichts dagegen, dass Layer in den folgenden Tagen im Gefängnis von seiner Frau und seiner Schwester besucht wurde. Solche Besuche wurden in den meisten Fällen erst dann erlaubt, wenn ein Angeklagter schon verurteilt worden war. Zudem befürwortete man Layers Bitte, mit der Hauptverhandlung noch zu warten, damit er seine Zeugen herbeischaffen konnte. Immerhin drei Wochen Zeit wurden Layer dafür gewährt – seine Nachfrage wegen noch mehr Zeit (If I could but be indulged a few days longer) aber von Pratt als etwas dreist bewertet: It cannot be. God forbid that we should deny the prisoner to have a reasonable time to prepare for his defence; it is three weeks from hence; you have been aware of it long before; you have known the indictment was found; you have had a copy of it; you have known your charge; 135 136 137 138

16 ST 118. 16 ST 123. 16 ST 124. Ebd.

394

1650–1730: Untersuchungsregime

and is not all this time enough?139 Weitere Verhandlungsversuche in dieser Sache verbat der Richter sich: It is not proper for you to tell us what we have to do, and to make bargains with us. That is the day of trial; it must be on Wednesday the 21st: your counsel will tell you it is impossible to comply with your request.140 Bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 21. November wurde Layer wieder in den Tower zurückgebracht. Man kann in den Vorstößen von Layers Anwälten sehr klägliche Strategien sehen, die Richter und Kronanwälte enervierten. Für das Verfahren und seine spezifische soziale Logik waren sie aber durchaus ein Gewinn: „Je mehr nicht nur offene Tatfragen, sondern auch Rechtsprobleme Gegenstand der Verhandlung werden, um so größer ist die Aussicht, den Streitstoff thematisch zu begrenzen oder doch in schwierige Einzelfragen aufzulösen und die Endentscheidung dadurch zu entlasten.“141 Genau diese latenten, die Verfahrensmacht steigernden Effekte von Strafverteidigung waren auch bei der Hauptverhandlung zu beobachten. Die Hauptverhandlung Diese dauerte vom frühen Morgen bis weit in die Nacht zum Donnerstag. Zunächst wurden die Geschworenen berufen, dann hielten die Kronanwälte ihre Anklagereden, worauf die Beweisaufnahme, bestehend aus den Haupt- und Kreuzverhören der zahlreichen Zeugen für Anklage und Verteidigung sowie die Vorlage von schriftlichem Beweismaterial folgten. Nach den Schlussreden der Kronanwälte, von Layer und seinen Anwälten, legte der vorsitzende Richter Pratt den Geschworenen einen Schuldspruch nahe, und die Geschworenen folgten dieser Empfehlung. Wegen der viertätigen Frist, die dem Angeklagten seit 1696 für einen Antrag auf Verfahrenseinstellung zustand, folgten Allokution und Verurteilung erst am Dienstag, den 27. November, also sechs Tage nach dem Verdikt. Bei dieser vielschichtigen Verhandlung sollen nur zwei Dinge genauer beobachtet werden, die für unser Thema interessant sind: zum einen die noch weitergehende Abkehr der Anklagevertreter von Persuasionstechniken, also dem für die Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts so charakteristischen Versuch, im Medium rhetorisch elaborierter Gerichtsreden selbst schon Entscheidungsgründe zu liefern. Dafür wurden die Techniken der Faktenerzeugung weiter verfeinert. Zum anderen werden die Verteidigungspraktiken in den Blick genommen, die zwar zum Teil erneut wenig zielführend waren, aber auch neue Paradigmen ins Spiel brachten, hier vor allem die Berufung auf Szenarien der Unwahrscheinlichkeit. Diskussionen, die uns bereits schon einmal begegnet sind und hier nichts Neues bringen, so über den Status von Kronzeugen, bleiben dagegen ausgespart.

139 140 141

16 ST 128. Ebd. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 115.

VII. Reformprozesse

395

Beschränkung der Ankläger auf das Beweisbare In ihren Auftaktreden evozierten die Kronanwälte nicht mehr jenes aus dem Verrat entstandene Untergangsszenario, wie das ihre Vorgänger sowohl bei den Plots der 1680er Jahre als auch bei den Prozessen 1696 getan hatten.142 Ihre Rhetorik diente nicht zur Ausmalung von Schreckensbildern, sondern zur Vorstellung einer aus ihrer Sicht erdrückenden Beweislage hinsichtlich dreier Vorwürfe: Zum einen sollte sich Layer am 25. August 1722 konspirativ und hochverräterisch in dem Wirtshaus Green Man in Leytonstone, ein paar Kilometer nordöstlich von London in der Grafschaft Essex, getroffen haben, und zwar mit dem Söldner Stephen Lynch. Dieser wurde im Prozess ebenso zum Kronzeugen gemacht wie Matthew Plunkett, der in einer Invalidenkompanie diente und den zweiten Vorwurf bezeugen sollte: Layer habe mit seiner Hilfe Soldaten für seinen Aufstand gewinnen wollen. Drittens habe Layer Schriftstücke publiziert, in denen zum Aufstand aufgerufen werde. Unter Berufung darauf versuchten die Kronanwälte den Nachweis zu führen, dass Layers Handeln den Tatbestand des Hochverrats erfüllt habe im Sinne der Planung von insurrection, rebellion, and war, within this kingdom against our said lord the king.143 Ob diese Pläne überhaupt realistisch waren, ob Layer dies alles, auf sich allein gestellt, je hätte bewerkstelligen können, ob es nicht doch Hintermänner gab und wenn ja, welche – alles das brauchte die Kronanwälte nicht zu interessieren. Anstelle einer Superverschwörung wurde nur das angeklagt und als Beweisziel definiert, was auch beweisbar war. Die Verschwörung wurde auf eine Reihe konspirativer Treffen reduziert, über die die beiden Kronzeugen konsistente und glaubhafte Aussagen machen konnten: Your lordship and the jury will be pleased to observe, that this evidence will be a full and positive proof by this witness, that the overt-acts by publishing this traitorous writing, encouraging persons to take up arms against his majesty, of the consultations and agreement to levy war, to set the Pretender on the throne, and to seize his majesty‘s person, were done at the Green-Man, in the county of Essex.144

Mit dieser Beschränkung auf das durch Beweistechniken Demonstrierbare ging für dieses Gerichtsverfahren ein erheblicher Autonomiegewinn auf der Sachebene einher, insofern es sich allein um verfahrenseigene Probleme kümmern konnte und nicht auch noch, wie früher, als Bühne zur Ausmalung von Schreckensbildern dienen musste, was man vollständig der Pamphletistik, dem Kaffeehausdiskurs oder den Predigten überlassen konnte. In den Worten von Kronanwalt Pengelly an die Geschworenen: We do not apply to your zeal, as you are Protestants and Englishmen; but upon the weight of the evidence, we shall appeal to your justice […].145 Der Abstand der Anklagereden von der traditionellen Amplifikationsrhetorik 142 143 144 145

Ähnlich knapp war auch schon das Indictment gehalten worden. 16 ST 95. 16 ST 155. 16 ST 151.

396

1650–1730: Untersuchungsregime

bei Hochverrat ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Prozess gegen Layer der Obrigkeit als Propagandastück durchaus gelegen kam. Das heißt aber nicht, dass Rhetorik und die Präsentierung verräterischer Machinationen keine Rolle mehr gespielt hätten. Die Art ihrer Darstellung hatte sich allerdings erheblich verändert. Im Unterschied zu den Prozessen der Restaurationszeit, bei denen die Kronanwälte in ihren Auftaktreden auf die nachfolgenden Zeugenaussagen lediglich hinwiesen, ohne inhaltlich darauf einzugehen, boten in diesem Fall Serjeant Pengelly und Attorney General Raymond eine detaillierte Zusammenfassung der Aussagen der beiden Kronzeugen Lynch und Plunkett. Die Anklagevertreter hatten für diesen Prozess die Aussagen der Zeugen vorab minutiös zu Protokoll genommen und auf Inkonsistenzen hin abgeklopft, um zu verhindern, dass diese dann erst im Prozess auffielen. Auch in diesem Fall waren umfangreiche Voruntersuchungen durchgeführt worden, nicht nur durch Mitglieder des Privy Councils, andere königliche Minister und die Kronanwälte, die bei Hochverrat traditionell die ersten Befragungen durchführten.146 Das Unterhaus hatte für die Ermittlungen ebenfalls ein Komitee eingerichtet, vor dem Layer befragt worden war.147 Im Grunde ging es allen an den Ermittlungen Beteiligten gar nicht in erster Linie um Layer, sondern um Francis Atterbury und andere hochadlige Jakobiten. Zudem war neben Layer auch gegen Plunkett ermittelt worden. Dass man diesen als Kronzeugen seinen Kopf aus der Schlingen ziehen ließ, wurde erst im Laufe der Ermittlungen klar, als man nämlich zu dem Schluss kam, dass sich die Vorwürfe und die sichergestellten Beweisstücke doch am besten auf Layer beziehen ließen – sofern man Zeugen gegen ihn aufbieten konnte. Auf jeden Fall wird aus den Akten der Kronanwälte sichtbar, dass diesmal der Wissens- und Erkenntnistransfer aus der Voruntersuchung in das Gerichtsverfahren weitaus besser gelang als bei den Popish Plot-Prozessen. Seit den peinlichen Auftritten der Kronzeugen dabei hatten die Kronanwälte offenbar daran gearbeitet, ihre Anklagetechniken zu optimieren. Im Fall von Layer gehörte dazu nicht nur die aktenmäßige Dokumentation und Prüfung der Zeugenaussagen als solcher. Vielmehr wurden auch Register und andere Erschließungsverweise angelegt, um die vorliegenden Aussagen und Beweisstücke (Briefe, Listen usf.) miteinander in Beziehung zu setzen.148 Was Matthew Plunkett wusste und sagen konnte, war Pengelly und seinen Kollegen bereits im Vorfeld bekannt. Daher konnten sie bei ihren Reden vieles wortwörtlich von dem vorwegnehmen, was Plunkett und Lynch später aussagen sollten. Auf diese Weise dauerten die Auftaktreden der Anklagevertreter allerdings auch viel länger als zuvor, was übrigens auch von den Verteidigern gerügt wurde. Ein Grund dafür, den Inhalt der Zeugenaussagen in die Reden zu integrieren, könnte gewesen sein, dass diese Aussagen eine vergleichsweise hohe Konsistenz aufwiesen, ziemlich anschaulich waren und damit plausibel klangen. Diesen Trumpf wollten die Kronanwälte offenbar schon zu Beginn ausspielen. 146 147 148

Bellamy, The Tudor law of treason, 105. Anon., A report from the committee. TNA TS 23/34.

VII. Reformprozesse

397

Ein anderer Grund könnte die Sorge gewesen sein, dass die Zeugenverhöre selbst nicht das geeignete Medium darstellten, um den Geschworenen und dem Publikum die Geschichte von Layers Verrat in aller Dringlichkeit vorzuführen. Die Präsenz von Verteidigern erhöhte nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass die Zeugen der Anklage im Kreuzverhör in Verlegenheit gebracht werden könnten. Auch mit pointierten Einsprüchen beim Hauptverhör war zu rechnen. Entsprechend dominierten diesmal geschlossene Fragen die Verhöre, die den Zeugen aber nur wenig Gelegenheit dazu gaben, ihre Geschichte zu erzählen. Der Frage-Antwort-Modus der Verhöre, die bei beiden Kronzeugen jeweils über zwei Stunden dauerten, war nicht die Ausdrucksform, mit der man der Geschichte ihre größte Wirksamkeit verleihen konnte. Die für das Verhör typische Zerstückelung konnte man indes vermeiden, indem die Geschichte bereits in den Auftaktreden erzählt wurde, und zwar zunächst von Pengelly und dann von Raymond, der zwar bemerkte Mr. Serjeant Pengelly opened the nature of the scheme very fully, I shall not trouble your lordships with a repetition of what he said, im Folgenden aber genau das tat. Durch diese Redundanz sollte sich die etwas verwickelte Geschichte wohl auch besser einprägen. Die anschließenden, lang andauernden Zeugenaussagen verloren auf diese Weise aber weitgehend ihren Status als Informationen im Sinne von Neuigkeiten149: All das, was Lynch und Plunkett sagten, hatte man zuvor schon mal gehört. Dennoch wurden die Zeugenverhöre nicht sinnlos: Durch sie wurde zum einen die Glaubwürdigkeit der Aussagen inszeniert, vor allem dadurch, dass sich die Zeugen auch bei den Fragen durch die Anwälte nicht aufs Glatteis führen ließen. Die Zeugen wurden durch ihre körperliche Präsenz zu lebendigen Anzeichen für die Wahrhaftigkeit ihrer bereits bekannten Aussagen. Zum anderen deutet die Redundanz der Geschichte von Layers Verrat im Verfahren – in den Auftaktreden, in den Zeugenverhören, in den Schlussreden von Kronanwälten und Richter – auf eine sekundäre Funktion von Informationen hin, die dann, wenn sie wiederholt werden, zwar keine Neuigkeiten mehr sind, aber durch Anhäufung symbolische Funktionen erfüllen können, etwa indem sie die „Qualität“ einer aufgrund dieser Informationen getroffenen Entscheidung symbolisieren.150 „by way of experiment“: Die Fabrikation von Glaubwürdigkeit und Authentizität Als erster Kronzeuge wurde Stephen Lynch vereidigt und von Solicitor General Yorke zu der für alle Anwesenden bereits bekannten Geschichte befragt. Wenn Glaubwürdigkeit ein interaktives Konstrukt ist, dann ließ es sich dadurch erzeugen, dass man Lynch nach Detailwissen fragte.151 Aus den Befragungen ging her149 150 151

Zu dieser Fassung des Informationsbegriffs vgl. Luhmann, Sinn als Grundbegriff der Soziologie, 39. Zu dieser Funktion von Informationen in Entscheidungsprozessen vgl. Feldman / March, Information in organizations as signal and symbol. Zu diesem Problem gibt es bereits eine Reihe von soziologischen und konversationsanalytischen Analysen, vgl. etwa neben der Grundlagenstudie von Wolff / Müller, Kompetente Skepsis; Wolff

398

1650–1730: Untersuchungsregime

vor, dass er Layer im April 1721 als Kopf einer Art jakobitischen Zelle in London kennengelernt hatte und von diesem in die Sache hineingezogen worden war, dass ihm dieser das Kommando über ein Regiment in Aussicht gestellt hatte und mit hochmögenden Männern bekannt machen wollte; wie sie sich immer wieder in Layers Haus oder in Gasthäusern mit ein oder zwei anderen Verschwörern getroffen, über den Ablauf des Staatsstreichs beraten und auf das gute Gelingen getrunken hätten.152 Eines Tages habe Layer ihm vorgeschlagen, aus London hinauszureiten, um ein wenig an die frische Luft zu kommen (to take the air). Während des Ritts habe ihm Layer dann offenbart, dass sie auf dem Weg zu dem jakobitischen Lord North and Grey seien. Da es abzusehen gewesen sei, dass sie dort aber zu spät zum Essen eintreffen würden, hätten sie im Green Man in Leytonstone Rast gemacht. Und während sie auf ihr Beefsteak warteten, habe Layer noch einmal ausgeführt, wie sehr sich die Briten die Stuarts zurückwünschten und wie man diesem Wunsch Wirklichkeit verleihen könne  – nämlich durch einen Aufstand. Außerdem habe ihm Layer im Green Man auch das handschriftliche Konzept für ein Pamphlet gezeigt, mit dem man die Massen auf die Seite der Jakobiten ziehen wollte. Eben auf dieses Gespräch, für das Lynch präzise Orts- und Zeitangaben machen konnte (im Green Man, zur Zeit des Abendessens, während das Steak gebraten wurde) gründeten die Kronanwälte ihre Hochverratsanklage. Die Akribie, mit der die Kronanwälte die Beweisaufnahme inszenierten, zeigte sich nicht nur darin, dass sie ihre Zeugen offenbar sehr gewissenhaft auf die Verhörsituationen vorbereitet hatten (Titus Oates war dabei als warnendes Beispiel noch im Gedächtnis). Auch die Identifizierung der im Anklagetext genannten Manuskripte war ein gutes Beispiel dafür, es war als ein öffentliches Experiment (by way of experiment153) gedacht, bei dem der Angeklagte und die Papiere in einer forensisch verwertbaren Weise miteinander in Beziehung gesetzt wurden. Layer hatte eine Reihe von Papieren mit den Plänen für den Aufstand zu zwei Paketen geschnürt, versiegelt und gegen Geld bei der Bordellbesitzerin Elizabeth Mason versteckt. Mrs. Mason hatte sich nach der Aufdeckung der Verschwörung sofort bei der Obrigkeit gemeldet, worauf Staatssekretär John Carteret zwei seiner Agenten, John Turner und Edward Speare, mit einem Durchsuchungsbefehl zu ihrem Haus geschickt hatte, um die Papiere zu beschlagnahmen. Damit diese Papiere aber als Beweis taugten, mussten mehrere Fragen klar und deutlich beantwortet werden: Waren die Papiere vor Gericht wirklich dieselben, die Turner und Speare bei Mrs. Mason gefunden hatten? Stammten die Papiere tatsächlich von Layer, oder hatte sie jemand verändert, nachdem Layer sie Mrs. Mason anvertraut hatte? Diese Fragen, die sich offenbar unmittelbar aufdräng-

152

153

/ Müller, Interaktive Aspekte der Glaubwürdigkeitskonstruktion im Strafverfahren; Scheffer, Asylgewährung; Scheffer, Kritik der Urteilskraft. Sich in Gasthäusern zu treffen und dabei provokant auf den Pretender zu trinken war allerdings in Wirklichkeit eine verbreitete jakobitische Untergrundpraxis und kein notwendiges Indiz für eine Verschwörung, vgl. Monod, Jacobitism and the English people, 1688–1788, 233; Pittock, Material culture and sedition, 1688–1760. 16 ST 271.

VII. Reformprozesse

399

Abb. 31: Zusammenfassung der von Plunkett im Vorfeld des Prozesses unter Eid abgelegten Aussagen.

ten, glaubten die Kronanwälte dadurch beantworten zu können, indem sie Turner, Speare und Mrs. Mason demonstrativ pedantisch befragten: Wo hatte Turner die Papiere gefunden? In Mrs. Masons Schlafzimmer. Wo genau? In einer Truhe. Waren die Siegel ungeöffnet? Ja. Hatte er das Siegel geöffnet? Ja. Wer war bei dem Fund dabei? Er selbst, Speare und Mrs. Mason. Woran könne er erkennen, dass es sich bei den Papieren vor Gericht um dieselben handelte? Weil er nach dem Brechen des Siegels seinen Namen auf die Papiere geschrieben habe, und zwar auf jeden einzelnen Bogen. Sofort nach dem Öffnen? Nein, etwa eine Dreiviertelstunde später. Warum so spät? Weil er erst Friedensrichter Stanyan hinzuholen wollte. Wo waren die Papiere derweil? In den Händen seines Kollegen Speare. Sahen die Papiere nach seiner Rückkehr noch genauso aus wie bei seinem Fortgang? Ja. Ähnlich genau fragte man dann auch den zweiten Agenten Speare, besonders danach, was er mit den Papieren gemacht habe, als Turner fortgegangen sei, und wann er und Turner ihre Namen darauf gesetzt hätten. Ob er, Speare, etwa die Papiere aus der Hand gegeben habe, bis sie ihren Namen auf die Bögen gesetzt hätten? Nein, nicht eine Sekunde. Auch Mrs. Mason wurde eingehend befragt, wie die Papiere in ihre Truhe gekommen seien und ob es sich tatsächlich um jene Bö-

400

1650–1730: Untersuchungsregime

gen handelte, die Layer ihr gegeben hatte. Sie hatte bei der Öffnung der Truhe und der Pakete durch die beiden Agenten die Papiere ebenfalls markiert, und zwar mit ihren Initialen, weil sie nicht schreiben konnte. Der Gang dieses Beweisprozesses war in den Akten der Kronanwälte genau vorgezeichnet worden. Schematisch wurde darin dokumentiert, dass sich die Conspiracy for raising an Insurrection and Rebellion anhand von Layers Scheme beweisen lasse. Dass sich das Scheme bei seinen Papieren befunden habe, könne Mrs. Mason bezeugen und dafür, dass man es dort gefunden habe, bürgten Edward Speare und John Turner (Abbildung 32).

Abb. 32: Beweisschema aus den Akten im Fall Layer.

In Bezug auf die Zeugin Mason glaubten die Verteidiger allerdings, Zweifel säen zu können, indem sie darum baten, dass diese ihr Zeichen doch einmal hier und jetzt auf ein Papier bringe: Pray, make the mark you generally use. With submission, my lord, I desire she may have a pen and ink, to see if she can make the same mark again.154 Nachdem man ihr Papier, Feder und Tinte gereicht hatte, machte sie ihr Zeichen, ein E und ein M. Das Papier hielt Kronanwalt Raymond anschließend hoch Here are the letters E and M set to the papers produced. Richter Pratt verglich dieses mit den Zeichen auf den fraglichen Papieren und entschied, dass es das gleiche sei: the character which she now writes is like what she writ on those papers, and so confirms her evidence.155 Kronanwalt Yorke konnte daher am Ende des Prozesses noch einmal in Erinnerung rufen, dass man die Authentizität der Papiere experimentell überprüft habe: she set her mark upon each particular paper, which appears to be the same mark which by way of experiment they would have her to make in court.156 Layer und seine Anwälte versuchten daraufhin, Mrs. Mason als Hure zu diskreditieren, der man per se nicht trauen könne. Aber wenn es zu Common Law wurde, dass Mitverschwörer als glaubhafte Kronzeugen durchgingen, dann bereitete es Anklage und Gericht keine allzu großen Probleme, auch eine Prostituierte als zuverlässige Zeugin zu bezeichnen, zumal ihre Geschichte glaubhaft und ihr Zeichen authentisch waren. Ein Glied in der Beweiskette fehlte allerdings noch, nämlich der Nachweis, dass die gefundenen Papiere, die nach der geltenden Rechtslage als Hochverrat in Reinform bewertet werden konnten, auch wirklich von Layer stammten. Man musste also beweisen, dass es seine Handschrift war. Hier geriet das Experiment allerdings 154 155 156

16 ST 192. 16 ST 193. 16 ST 271.

VII. Reformprozesse

401

etwas in Stocken. Der Zeuge Hadley Doyley, für den Layer fünfzehn Jahre zuvor als Anwalt gearbeitet hatte, glaubte zwar, die Handschrift wiederzuerkennen: I do believe it to be his hand-writing.157 Aber wirklich überzeugend klang das nicht. Friedensrichter Stanyan, der Layer als erster verhört hatte und nun seinerseits als Zeuge über dieses Verhör befragt wurde, hatte Layer wiederum nicht danach gefragt, ob er die Schriften selbst verfasst habe. Bis zu diesem Punkt war es daher nur möglich, aber nicht sicher, dass die Schriften wirklich von Layer stammten. Wenn die Wissenskultur vor Gericht darauf beruhte, Fakten zu produzieren, dann stand die momentane Unsicherheit dem weiteren Vorgehen im Wege. Es gab also einen Grund und es ergab für die Anwesenden auch einen Sinn, Einspruch zu erheben, als Attorney General Raymond darum bat, die Papiere nun zu verlesen. Hungerford erklärte: the evidence which hath been given for the king, hath not brought them home to the prisoner. There is no legal proof that the papers are of his hand-writing; and consequently he cannot be affected by any thing that is in them. As to what is said of the likeness of hands, that we humbly hope is no evidence at all.158

Und weil er nicht unterbrochen wurde, setzte Hungerford zu einer längeren Ausführung über die Beweiskraft von Handschrift an, bei denen er sich unter anderem auf Präzedenzfälle wie den Prozess gegen Algernon Sidney bezog. Sidney war 1683 aufgrund einer seiner unpublizierten Schriften als Hochverräter verurteilt worden, und dabei war als Beweis ein umstrittener Handschriftenvergleich vorgenommen worden, der wiederum 1689 dem Parlament als einer der Gründe gedient hatte, um das Urteil posthum zu kassieren.159 Ebenso wie bei Sidney, so Hungerford, laufe es nun auch bei Layer gegen the sacred and eternal Rule of Evidence160, wenn ein Schriftstück als Beweis vorgelesen werde, dessen Verfasser aber nicht zweifelsfrei zu identifizieren sei. Das sahen die Kronanwälte natürlich ganz anders, und außerdem sei Sidney ein schlechtes Beispiel, weil man aus dem Manuskript der Discourses Concerning Government Hochverrat herausgelesen habe, ohne dass darin irgendetwas über einen Aufstand stehen würde. Das sei anders bei Layers Papieren, die ihm aber erwiesenermaßen gehörten. Dennoch: Mit einer über jeden Zweifel erhabenen Gewissheit ließ sich Layers Verfasserschaft nicht beweisen, und da er natürlich auch weder gewillt noch gezwungen war, selbst etwas zur Klärung dieser Sache beizutragen, konnte in dieser Situation nur eine Entscheidung des Richters weiterhelfen. Aber auch dabei handelte es sich nicht um eine zwingende Deduktion aus den zuvor erhaltenen Informationen. Die Entscheidung konnte den akuten Mangel an Gewissheit nicht nur nicht beheben, sondern auch ihre Kontingenz nicht völlig verbergen: So considering the whole contexture of the business, and course of proceeding, it is, and I believe none can doubt it, as plainly proved to be his own hand-writing, as if he had said in so many 157 158 159 160

16 ST 196. 16 ST 199. Phillipps, A Treatise, 366. 16 ST 200.

402

1650–1730: Untersuchungsregime

words, it is my hand-writing. It must have been read as a paper found in his custody.161 Pratts ausführliche Entscheidungsbegründung diente nicht nur der rationalen Argumentation, sondern auch der Nachrationalisierung und dazu, immer wieder Topoi der Überzeugtheit einfließen zu lassen, mit denen seine Entscheidung als notwendig und alternativlos dargestellt werden konnte: Upon the whole, never was any thing clearer than that this must be read as a paper found in his custody, that hath in the usual manner and method the proof of being his hand-writing.162 Als anschließend Layer und Hungerford versuchten, gegen diese Entscheidung Einwände zu erheben, wurden diese in der Form zurückgewiesen: Es sei nach einer Entscheidung des Gerichts in einem Zweifelsfall üblich, dass dieser gerichtliche Entscheid von den Anwälten akzeptiert werde und weiterer Disput unterbleibe. Dann wurde ein Teil der Papiere verlesen, darunter an prominentester Stelle eine Art Ablaufplan für den Staatsstreich (The Scheme for the Insurrection) sowie teilweise chiffrierte Korrespondenzen mit Angehörigen des Stuarthofes in Rom.163 Unerlaubte Kreuzverhöre und ein zu aktiver Angeklagter Der konkrete Ablauf der Befragung zeigte, dass es für die Vertreter der Anklage vermittlungstechnisch in der Tat sinnvoll gewesen war, den Inhalt der Zeugenaussage schon zuvor bekannt zu machen. Denn kaum, dass die Kronanwälte anfingen, Lynch über die Anfänge der Verschwörung in den Londoner Tavernen zu befragen, intervenierte Hungerford: Was über London ausgesagt werde, tue nichts zur Sache, schließlich beziehe sich die Anklage auf das Begehen von Hochverrat in Essex. Tatsächlich gab Pratt diesem Einspruch statt (All they say of matters in the county of Middlesex […] signifies nothing164), erlaubte den Kronanwälten aber trotzdem, so vorzugehen – mit dem Hinweis, dass er auch der Verteidigung nicht vorschreiben wolle, wie sie ihre Strategie aufbaue. Kaum dass Lynch mit seiner Aussage über das Gespräch im Green Man fertig war, drängte sich Hungerford erneut dazwischen, diesmal, weil er meinte, das Recht auf Nachfragen zu haben, bevor der Zeuge zu einem neuen Tatbestand befragt wurde. Obwohl sich die Kronanwälte dagegen vehement wehrten (We have not done; if you have any thing to observe, it must be when we have gone through our evidence), hatte Richter Pratt wohl den Verdacht, dass es ungerecht erscheinen könnte, wenn man den Verteidigern tatsächlich das Wort abschnitte: Sie sollten ihre Fragen stellen, die Bank werde dann entscheiden, ob diese berechtigt seien. Ketelby nutzte die Gelegenheit, um Lynch endlich danach zu fragen, ob ihm für seine Aussage die Begnadigung angeboten worden sei. Es war wenig verwunderlich, dass Lynch dies abstritt: No, Sir; I have no promise of pardon at all: I only do this out of justice, to make what reparation I can, and to save the blood of many peo161 162 163 164

16 ST 206. 16 ST 207. Zu diesen Papieren Cruickshanks / Erskine-Hill, The Atterbury plot, 246–254. 16 ST 164.

VII. Reformprozesse

403

ple.165 Bevor ihm das Wort wieder entzogen werden konnte, stellte Ketelby Lynch schnell noch eine weitere Frage: Ob es vorstellbar sei, dass er und Layer, kaum dass sie sich kennengelernt hätten, schon über eine Verschwörung zum Staatsstreich gesprochen haben sollten. Lynch wiederholte daraufhin nur seine detailreiche Schilderung. Ketelby und auch Layer selbst versuchten dabei vergeblich, ihn in Widersprüche zu verwickeln, wenn sie ihn nach kleinsten Einzelheiten befragten, wobei der Zeuge aber keine Schwächen zeigte:

165

Mr. Ketelbey:

When you first alighted from your horses, what room was you shewn into?

Lynch:

We were shewn into a room up one pair of stairs on the right hand, the first room.

Mr. Ketelbey:

Was it towards the street or backwards?

Lynch:

It looked into the common road.

Layer:

How long were we together at the Green Man? Were the horses put up, or not?

Lynch:

I cannot tell.

Layer:

Was there any thing dressed for our dinner but a beef-steak?

Lynch:

No, nothing else.

Layer:

Did not you go down stairs, pretending you went to those gentlemen?

Lynch:

No, I did not tell you I went to those gentlemen.

Layer:

Did you not go down stairs?

Lynch:

Yes, I did, and came up again immediately.

Layer:

Was not dinner on table when you came up again?

Lynch:

I went down twice before dinner.

Layer:

Then you must consequently leave me in the room.

Lynch:

I went down to make water.

Layer:

What did you go down the second time for?

Lynch:

Out of curiosity.

16 ST 174.

404

1650–1730: Untersuchungsregime

Layer:

How long did you stay?

Lynch:

Not both times above two minutes.

Layer:

I was then alone, when you went down?—Lynch. Yes.

Layer:

Was this discourse before or after dinner?

Lynch:

It was before dinner.

Layer:

When you came up the second time, was not dinner on the table?

Lynch:

It was come up.

Layer:

And yet the discourse we had was before dinner?

Lynch:

Yes, it was before dinner.166

Diese kleine Episode zeigt, dass die Durchführung von Zeugenverhören auch 1722 noch nicht fixiert war und zum Gegenstand von Konflikten werden konnte. Zu welchem Zeitpunkt ein Anwalt das Recht auf Rückfragen an den Zeugen der Anklage hatte, schien noch nicht eindeutig geklärt zu sein. Der Umstand wiederum, dass sich der Angeklagte derart aktiv in das Geschehen einmischte, war auch den Anwälten nicht recht. Als sie schließlich alle drei vom Richter wegen ihres Vorgehens gerügt wurden (we think it not proper to interrupt the king‘s counsel) und besonders Layer gebeten wurde, insgesamt leiser zu sprechen (Mr. Layer, you have a right to discourse with your counsel, but you must do it in such a manner as the jury may not hear), sahen auch Hungerford und Ketelby den Punkt gekommen, um sich von ihrem Mandanten und seinem Betragen zu distanzieren: Indeed, my lord, he shall have no encouragement from us for any such conduct.167 Verteidigung zwischen Wahrscheinlichkeitslehre und Dilettantismus Die Phase der Anhörung von Zeugen der Anklage und der Verlesung von belastenden Texten wurde von Kronanwalt Pengelly mit den Worten beendet: My lord, we have gone through our evidence, and shall rest it here, worauf es an Layer und seinen Anwälten war, mit der Verteidigung zu beginnen. Die Struktur dieses Verfahrensabschnittes war 1722 noch keineswegs geklärt oder durch Präzedenzfälle klar vorgeformt worden. Nicht mal ein Wort gab es dafür schon. Und auch wenn man hier von importierten Praktiken aus den Zivilprozessen ausgehen kann, so mussten sich diese erst einmal in dem weitaus agonaleren Kontext von Strafverfahren etablieren. Hungerford und Ketelby begannen ihren Part jedenfalls nun mit jeweils einer Rede. 166 167

16 ST 176. 16 ST 176f.

VII. Reformprozesse

405

In den älteren Prozessen waren die persönlich agierenden Angeklagten nach den Zeugen der Anklage vom Richter aufgefordert worden, sich zu verteidigen und eine Art Schlusswort zu formulieren, bevor der Richter dann seine konkludierende Rede an die Geschworenen hielt. Das Verhör von Zeugen für die Angeklagten war dabei entweder nicht vorgesehen oder wurde, wie bei den frühen Popish Plot-Prozessen, bewusst unmöglich gemacht und die Verantwortung dafür den Angeklagten untergeschoben. In diesen Fällen beteuerten die Angeklagten zumeist inständig ihre Unschuld, was wiederum gewöhnlich in Konflikte mit dem Richter und/oder den Kronanwälten mündete und schließlich zum Entzug des Rederechts führte. Nachdem es aber den fünf Jesuiten im Juni 1679 gelungen war, eigene Zeugen im Gerichtssaal bereitzuhalten, aufzurufen und zu befragen, wurde daraus eine Norm, die allerdings auch gegen den Angeklagten instrumentalisiert werden konnte: So wurde bei seinem Prozess 1685 Henry Cornish das Wort sofort wieder mit der Begründung abgeschnitten, dass er keine Reden halten, sondern Zeugen aufrufen solle. Gewähren ließen die Richter die Angeklagten vor der Reform von 1696 nur dann, wenn es darum ging, Milde zu demonstrieren oder weil die Reform schon beschlossen, aber noch nicht in Kraft war, wie beim Prozess gegen den Verschwörer Robert Charnock. Nachdem sich der Anwalt Sir Bartholomew Shower in den ersten Prozessen nach dem Inkrafttreten der Reform noch mit Vorwürfen gegen angebliche Formfehler verzettelt hatte, machte er es bei der Verteidigung von Peter Cook im Mai 1696 besser. Dabei stellte seine Auftaktrede als Verteidiger gleichwohl auch schon sein Schlussplädoyer dar, weil es keine Zeugen der Verteidigung gab und Shower sich nur auf eine rechtsgelehrte Apologie verließ. Mit ihren Verteidigungsreden führten die Anwälte Hungerford und Ketelby 1723 also eine neue Praxis in das Hochverratsverfahren ein, weil diese Reden sowohl die Beweisaufnahme der Anklage kritisch kommentierten als auch das Verhör der eigenen Zeugen vorbereiteten. Sie waren also rückblickend und ausblickend zugleich. Dass der Verteidigungsrede innerhalb des Strafverfahrens aber noch die Konturen fehlten und die beiden Anwälte nicht auf erprobte Muster zurückgreifen konnten, zeigt die Kritik, mit der Kronanwalt Yorke die Reden nach einiger Zeit unterbrach: Die Verteidiger würden Einwände zum Sachverhalt (matters of fact) und zum Tatbestand (matters of law) durcheinanderwerfen, und auf solch ein Durcheinander der Argumente könne man nicht präzise antworten. Interessant ist an dieser Stelle weniger, dass die Kronanwälte ihren Kollegen von der Verteidigung einen fachlichen Stich versetzten. Wichtig ist vielmehr, dass Yorke ankündigte, nach der Beweisaufnahme der Verteidigung noch einmal sprechen zu wollen. Er machte also schon zu diesem Zeitpunkt den Anspruch auf eine spätere Triplik geltend. Den Beteiligten ging es dabei um das letzte Wort vor dem Rückzug der Geschworenen. Es handelte sich dabei, wie bereits erwähnt, um eine Praxis, die rechtlich erst 1836 geregelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte man sich das letzte Wort noch durch geschicktes Vorgehen erobern oder auch nicht. Hungerford und Ketelby kamen auf verschiedene Punkte zu sprechen. Der kürzere Teil ihrer Reden bezog sich auf Rechtsfragen: Im Indictment sei von Hochverrat in der Grafschaft Essex die Rede, das meiste aber, was die Zeugen der An-

406

1650–1730: Untersuchungsregime

klage ausgesagt hatten, beziehe sich auf (angebliche) Vorgänge in Middlesex. Und hinsichtlich des Beefsteak-Essens im Green Man, bei dem Lynch einen Blick in einen handschriftlich verfassten Plan für den Aufstand hatte werfen dürfen, bestritt Hungerford sowohl, dass man hier von einem Akt des Publizierens sprechen könne, als auch, dass damit der Tatbestand des levy war erfüllt worden sei. Zur Untermauerung dessen hatte Hungerford die Traktate von Hale und Coke dabei, auf die er als Autoritätszeichen ebenso verwies wie auf die Chronik von Froissart, mit der er zu erhellen versuchte, was zur Entstehungszeit des Hochverratsgesetzes, also in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, eigentlich mit Lever la Guerre gemeint war. Jemanden einen Blick in ein Papier werfen zu lassen, sei sicher kein levy war: Declarations for rebellions are commonly published in public places, to captivate multitudes, and not handed from one man to another when they are expecting a beefsteak.168 Zuletzt sei das fragliche Schriftstück nicht vorweisbar und damit auch kein Beweisstück. Wenn die Kronanwälte mit ihren Unterstellungen von Hochverrat durchkämen, dann sei es mit der Rechtssicherheit der Untertanen vorbei. Das Schwergewicht ihrer Reden lag allerdings nicht auf diesen Punkten, sondern auf der Behauptung, dass die Aussagen der Zeugen der Anklage, auch wenn diese vereidigt worden waren, in Teilen fragwürdig seien und in der Summe eine völlig unwahrscheinliche (improbable) Geschichte ergeben würden. In Bezug auf Lynchs Aussagen über das Geschehen im Gasthaus Green Man bemerkte Ketelby etwa: there are so many unaccountable circumstances in the relation, that an affair of that consequence should be transacted in such a place; in so short a time; upon such an accidental bait; when one of the conspirators was either gazing at the window, or running up or down stairs the greatest part of the while, and other persons were continually going backwards and forwards into the room, or within hearing of every word that passed there, we think it carries with it such an air of improbability, that no reasonable man can give credit to it, much less convict a person of so great a crime upon such evidence.169

Kaum zu glauben sei zudem, dass Layer Leute wie Lynch oder Plunkett, die er nur flüchtig kannte, in die Planungen für einen Staatsstreich eingeweiht haben sollte: Is it not equally strange, my lord, that […] the first time he saw him, an ignorant common serjeant in the army, should immediately fall into a discourse with him about a plot, and raising a rebellion, as if he had before been intimate with him? So likewise, he saith, of James Plunkett, the same day, the first day he came to him, he came to his own house, and there talked to him about this affair; as if they had nothing else to talk of but rebellion against the government.170

Und diese Pläne selbst seien kaum mehr als ein Hirngespinst, a chimerical plan of some crazy-pated politicians, than a solid project of any men of sense. Der Plan entwerfe ein Ding der Unmöglichkeit: 168 169 170

16 ST 236. 16 ST 238f. 16 ST 242.

VII. Reformprozesse

407

What undertaking can there be so improbable, as that laid down by this scheme, viz. seizing the general of the army, seizing the Tower, seizing the Exchange, and seizing the Bank of England; and all this with a force which does not appear to consist of above three or four men? and for money, the sinews of war, there seems to be no great stock of that […].171

Schon dem ersten Kompilator und Kommentator der State Trials, Thomas Salmon, war die häufige Berufung der Anwälte auf die Unwahrscheinlichkeit (improbability) der Zeugenaussagen aufgefallen. Ganz neu war das Argument der Unwahrscheinlichkeit nicht.172 Im Zeitalter der Restauration haben sich die Angeklagten wiederholt – aber zumeist en passant – damit zu verteidigen versucht. Etwas ausrichten konnte sie damit aber in keinem Fall, nicht zuletzt deswegen, weil sie vom Gericht ausgebremst wurden, bevor sie mit dem Unwahrscheinlichkeits-Argument haarsträubende Zeugenaussagen zu sehr auseinandernehmen konnten. Das Argument war von den Richtern nicht gewollt, wie eine Rüge von Richter Jeffreys gegenüber dem Rye-House-Verschwörer Thomas Walcot 1683 zeigt: I must tell you before-hand, that an argument from the topic of probability, will do you but little service, when there is positive evidence against you.173 Henry Cornish war die Berufung auf Unwahrscheinlichkeiten regelrecht um die Ohren gehauen worden.174 Eine solche Zensur war gegenüber den Anwälten nicht möglich, weswegen diese auch die Gelegenheit hatten, ihre Unwahrscheinlichkeitsargumente mit leichter Ironie vorzutragen, was die Wirkung womöglich beförderte. Mit Ironie ließen sich leise Zweifel streuen, ohne den Gegenbeweis antreten zu müssen. Zugleich verschafft Ironie dem Sprecher Aufmerksamkeit.175 Ein schönes Beispiel dafür sind Hungerfords Bemerkungen zum angeblich hochverräterischen Beefsteak-Essen im Green Man: The time that the prisoner and Mr. Lynch staid at the Green Man, seems to be very short, their stay was so short that there was no evidence that their horses were put up: the beef-steak was bespoke before they went into a room. Mr. Lynch came down twice out of the room; he himself admits once, besides his gaping at some persons in the yard whom he knew, before the beef-steak was brought up; and yet, before the beef-steak was brought up, this declaration is pretended to be published: for my part, considering how little time there was for such a transaction as this is, I cannot think there could be any such thing as that transacted at that time, the compass of time would hardly allow it; whatever was done, is admitted on all hands, to be done before the beef-steak was brought up, and the other incidents may very well 171 172

173 174 175

16 ST 240f. Die grundlegenden Studien von Hacking, The emergence of probability; Shapiro, Probability and certainty; Daston, Classical probability. Sie betonen zwar die Diffusion des Wahrscheinlichkeitskonzepts auch in den forensischen Bereich, bleiben aber auf einer hoch angesiedelten ideengeschichtlichen Ebene. Wie das Konzept in konkreten Kontexten zur Anwendung kam und wie es sich als argumentative Ressource einsetzen ließ, ist noch kaum bekannt. Das gilt auch für jüngste Arbeit von Shapiro, in der sie zurecht darauf hinweist, dass gerade das 18. Jahrhundert in Bezug auf das Beweisrecht noch kaum erforscht ist: Shapiro, The neglected eighteenth-century context. 9 ST 555. Vgl. oben, S. 341. Zur Funktion von Ironie im Gerichtsverfahren vgl. Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 163f.

408

1650–1730: Untersuchungsregime

be supposed to take up all the time betwixt the bespeaking and dishing up the beefsteak; so there could be no time for so solemn an act as publishing a declaration to overturn three kingdoms.176

Zwar konnten sie ihren Mandaten auf diese Weise auch nicht vor dem Galgen retten, aber sie nötigten die Kronanwälte, in ihrer Triplik auf den Vorwurf der Unwahrscheinlichkeit einzugehen, den man jedenfalls nicht einfach so vom Tisch fegen konnte wie noch 1683. Bevor Solicitor General Yorke aber wieder an die Reihe kam, beriefen die Verteidiger eine ganze Reihe von Zeugen (abundances of Witnesses, wie Salmon leicht kritisch bemerkte177), die die Zeugen der Anklage durch Aussagen über deren angeblich schlechten Leumund in Zweifel ziehen sollten. Es handelte sich bei ihnen um die später sogenannte character witnesses. Beim Verhör dieser Zeugen sah Kronanwalt Pengelly Anlass für Kritik am Vorgehen der Strafverteidiger, da der Zeuge Lord North and Grey in Bezug auf Lynch zu sehr ins Detail ging. Damit aber werde Lynch de facto selbst angeklagt, ohne das Recht auf einen eigenen Prozess und auf Verteidigung zu haben. Der Richter gab dem Einwand statt: Mr. Hungerford, you know what the rule of practice and evidence is, when objections are made to the credit and reputation of the witness; you cannot charge him with particular offences: For if that were to be allowed, it would be impossible for a man to defend himself. You are not to examine to the particular facts to charge the reputation of any witness; but only in general you are to ask what his character and reputation is.178

Hungerford reagierte auf diese Kritik und die Ermahnung, sich an die Rule of Evidence zu halten, wenig geschickt. Anstatt sich zumindest vorerst demonstrativ der Form zu fügen, konnte er die Bemerkung nicht unterdrücken, dass Lynch ein so mieser Kerl sei, dass er jedes der Zehn Gebote gebrochen habe. Damit gab er Richter Pratt die Gelegenheit für den ironischen Kommentar, dass Hungerford ihn deswegen vor Gericht bringen könne – aber nicht heute. Erst Ketelby verstand es, das Verhör der Zeugen in die geforderten Bahnen zu lenken. Der zumindest von seinem sozialen Status gewichtigste Zeuge der Verteidigung, Lord North and Grey war allerdings ziemlich unwillig, weitere Fragen der Anwälte zu beantworten. Er habe nichts mehr zu sagen, erklärte er und bat, in den Tower zurückgebracht zu werden. Die Verhöre der anderen Zeugen gestalteten sich im Ablauf besser. Durch zwei oder drei Fragen wurde die Aussage variiert, dass etwa Plunkett ein idle broken Man, and a great Liar sei.179 Im Unterschied zu den Befragungen der Zeugen der Anklage durch die Kronanwälte verliefen die Verhöre der Entlastungszeugen durch Hungerford und Ketelby bemerkenswert stümperhaft. Offenbar war das Verfahren der Ort, an dem die beiden zum ersten Mal Bekanntschaft mit ihren Zeugen machten. Daher erlebten sie auch einige für ihre Verteidigungsarbeit nicht 176 177 178 179

16 ST 236. Salmon, A new abridgement, 880. 16 ST 246. 16 ST 254.

VII. Reformprozesse

409

unbedingt förderliche Überraschungen: So scheint es für den Leumundszeugen George Talbot ein Problem gewesen zu sein, dass er sich auf Nachfrage eines Kronanwalts als arbeitslos bekennen musste: Attorney General:

What is your employment?

Talbot:

I am not able to follow any thing now.180

Unabgesprochen erschien zudem auch hier das Verhältnis zwischen den Anwälten und ihrem Mandanten, der ein Berufskollege war. Gerade der Umstand, dass Hungerford und Ketelby die Verhöre durchführten und die Verfahrensgeschichte protokollierten, also anstelle von Layer agierten und zugleich den Ablauf dokumentierten, verschaffte diesem Freiräume, die er für eigenes Engagement nutzte. Als Hungerford und Ketelby die Befragung der Leumundszeugen beendeten und Hungerford mit seiner Schlussrede an die Geschworenen beginnen wollte, unterbrach Layer ihn und kündigte an, seinerseits noch Zeugen berufen zu wollen, die Klarheit über sein angebliches Waffenarsenal schaffen könnten: Mr. Hungerford:

Now, my lord, we will close our evidence as to the character of these witnesses against the prisoner at the bar: we hope we have proved their characters to be so infamous, as no jury upon earth will believe them. Here is this to be observed—

Prisoner:

I beg pardon; here is mighty talk of my arms: I am so fortunate as to have a person here that will give you an account of them, and how they came to be brought thither.

Mr. Bowers sworn. Mr. Ketelbey:

What trade are you of?

Bowers:

A gunsmith.

Mr. Ketelbey:

Did you make any fuzees?

Prisoner:

No; pray, let me ask him: pray, give my lord and the jury an account of a blunderbuss, a fuzee, a carbine, and pistols; what you know of them. Did not you owe me six pound on a note under your hand?181

Offensichtlich nahm Layer seinen Anwälten damit den Wind aus den Segeln. Hungerford beschränkte sich bei seiner Schlussrede auf einige wenige Sätze, in denen er seiner Hoffnung Ausdruck gab, dass man Layer vor dem Hintergrund der dürf180 181

16 ST 248. 16 ST 258.

410

1650–1730: Untersuchungsregime

tigen Beweislage nicht an Leib und Leben strafen dürfe: at least we humbly hope it shall not.182 Layer übernahm dann selbst die Schlussrede, in der er ausführlich, aber nicht ausufernd, darlegte, dass ihm durch die Zeugen der Anklage kein Hochverrat nachgewiesen worden sei. Auch Layer rekurrierte auf die Unwahrscheinlichkeitsbehauptung: From the improbability of the thing, from his own owning, no person could believe him. I believe there are ninety-nine out of a hundred that cannot believe one word that either Lynch or Plunkett swore.183 Er schloss mit einem Appell an die Geschworenen: I‘ll leave it to you, and I hope God Almighty will direct you: I ask you no more than justice. If a man‘s life is to be taken away by such scandalous evidence as hath appeared against me, there is an end of all your liberties, your wives may be taken from you, your children made slaves, and all that is valuable to you, your lives and estates will be but very precarious.184

Rhetorik der Höchstwahrscheinlichkeit: Die Schlussrede des Kronanwalts Yorke Wie angekündigt, nahm sich nun der Solicitor General Yorke das Wort für eine Schlussrede, bei der er nun mit traditioneller Untergangsrhetorik ebenso wenig sparte wie mit dem Rekurs auf das staatsräsonierende Argument, König und Nation seien keine Minute mehr sicher, wenn man Verschwörer, die eine Rebellion oder Revolution vorbereiteten, aufgrund beweisrechtlicher Subtilitäten davonkommen ließe: I must observe to you, that it is not to be expected that conspiracies and traitorous machinations of this kind should be proved by persons of the best characters. It is necessary from the nature of the thing, that they should be proved by those who have been privy to them, and such persons cannot possibly be of characters absolutely unblemished. Therefore, to say that such witnesses are not to be believed, is in effect to say, that no evidence of a plot is ever to be believed, which surely is an argument that proves too much.185

Bemerkenswerter war aber der Großteil der Rede deswegen, weil Yorke darin versuchte, den Vorwurf der Unwahrscheinlichkeit zu kontern. Das tat er jedoch nicht, indem er sich auf formale Gründe berief wie die Kronanwälte in vorangegangenen Prozessen: Zwei vereidigte Zeugen, so hieß es früher, würden nun einmal reichen, um die Anklage zu beweisen. Dem Vorwurf der Unwahrscheinlichkeit setzte Yorke vielmehr eine Rhetorik der Höchstwahrscheinlichkeit entgegen. Er verstieg sich nicht zu der Behauptung, durch die vereidigten Zeugenbeweise und das schriftliche Beweismaterial die reine Wahrheit präsentiert zu haben. Vielmehr bemühte er sich darum, die vorgelegten Beweise im Einzelnen, aber vor allem auch in ihrer Addition und Verknüpfung als über jeden Zweifel erhaben darzustellen: 182 183 184 185

16 ST 261. 16 ST 262. 16 ST 263. 16 ST 284.

VII. Reformprozesse

411

I will presume to say, with great submission to your lordship‘s better judgment and observation, that upon this evidence, taken together with the testimony of the two witnesses, we might safely have trusted our cause to your lordship‘s direction and the consciences of the jury.186

Gerade wenn man die einzelnen Beweise miteinander in Beziehung setze, ergäbe sich ein klares Bild von Layers Hochverrat. Daher bat der Kronanwalt die Geschworenen hin und wieder, bestimmte Punkte für später im Gedächtnis zu behalten: Gentlemen, it will be very material for you to fix this circumstance in your memories, and to connect it with the evidence which comes afterwards, and what was done in consequence of this meeting.187

Eben um jeden Zweifel auszuräumen, habe man neben den beiden Kronzeugen überhaupt noch weiteres Beweismaterial vorgelegt: But we went farther still, not because we wanted it to convict the prisoner, for we had already done sufficient for that purpose, but in order to give abundant satisfaction, not only to the gentlemen of the jury, but to the whole world, of the reality of this conspiracy in general, as well as of this man‘s part in it; that they may see and be convinced of the just grounds there were for this prosecution, and for the treatment the prisoner has met with.188

Die bei Mrs. Mason gefundenen Papiere, die man by way of experiment als echt authentifiziert habe und unter denen das als The Scheme betitelte Schriftstück den Ablauf des Aufstands und damit den Hochverrat in Reinform dokumentiere, dann die Aussagen der beiden Kommissare Temple Stanyan und Charles Delafaye, die beim ersten Verhör Layers dabei waren und nicht zuletzt auch der durch Zeugen beglaubigte Fluchtversuch Layers: Gentlemen, this is a very material piece of evidence to shew the guilt of the prisoner. The law of England supposeth guilt from flight. Aber auch dieses Argument ließ Yorke nicht einfach bei der formalen Begründung, sondern versuchte es gegen die erhobenen Einwände zu verteidigen: and though it was said, that any man in Mr. Layer’s condition would have done the same thing, if he could; that can be true only in this sense, that any man in his condition, as to the consciousness of his own guilt, would have done it; but an innocent person would never have brought that imputation upon himself, by endeavouring to escape.189 Den Einwand der Verteidigung, dass es ausgeschlossen sei, dass Layer ihm kaum bekannte Männer bei einer solch heiklen Sache ins Vertrauen gezogen haben sollte, beantwortete Yorke damit, dass es eigentlich immer verwunderlich sei, dass Verschwörer einander vertrauten, but certain it is, they often do. and as to the witnesses in this case, they are proved by the prisoner‘s own evidence, to be persons with whom he thought fit to hold a correspondence. How this great confidence was at last created between them, has 186 187 188 189

16 ST 277f. 16 ST 267. 16 ST 278. 16 ST 279.

412

1650–1730: Untersuchungsregime

been accounted for by the witnesses themselves, in a very natural and probable way, of which I have already taken notice.190

Und in Bezug auf den Einwand, das in The Scheme entfaltete Szenario sei ridiculous and foolish—the scheme of a madman, which could never have taken place, erklärte Yorke, dass es nicht darauf ankomme, wie es auf einen normalen Menschen mit Moral und Anstand wirke: how it now appears to you or to me, who look upon it in a different light, and on the contrary principles from theirs. Man müsse bei dem Plan vielmehr die verquere Vorstellungswelt und die diametral anderen Werte von Verschwörern in Rechnung stellen, und dann sei das eben kein absurdes Szenario mehr. Interessant ist schließlich auch, dass Yorke das expressive Verhalten (vehement expressions) der Zeugen in seine Plausibilisierungsstrategie miteinbeziehen konnte. Die Verteidiger hatten Zeuginnen, die aussagten, dass es sich bei Mrs. Mason um eine verlogene Bordellmutter handele. Yorke verwies allerdings darauf, wie hastig und ungestüm diese Zeuginnen gesprochen hätten, so als ob sie voller Zorn auf Mrs. Mason wären. Eine der Zeuginnen, so zitierte Yorke aus seinen Mitschriften, habe gekeift: „she don’t care what she says or does”, eine andere: „she would take away any man’s life for the value of a farthing”.191 Wer sich aber so aufführe, who talks thus loosely and passionately upon their Oaths, der sage ungewollt mehr über den eigenen Charakter als über denjenigen, den er eigentlich diskreditieren wollte.192 In seiner Konklusion ließ Richter Pratt erkennen, dass er keine Einwände gegen die Rechtsauslegung der Kronanwälte habe und ihm die Beweise ebenfalls einleuchteten. Aber er schickte die Geschworenen nicht ohne den Hinweise hinaus, dass es an ihnen sei, darüber zu entscheiden: If you are not satisfied these things are true, then you‘ll acquit him.193 Die Geschworenen nahmen sich für ihre Entscheidung eine halbe Stunde Zeit und erklärten Layer dann für schuldig. Um vier Uhr am Donnerstagmorgen, nach über 19 Stunden, war die Hauptverhandlung damit zu Ende. Während in den älteren Prozessen auf das Verdikt zumeist unmittelbar die Verurteilung des Angeklagten folgte, erinnerte der beisitzende Richter Eyre, dass dem Angeklagten vier Tage Zeit zustünden, um einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens (motion in arrest of judgement) vorzubereiten. Daher vertagte sich das Gericht bis zum darauffolgenden Dienstag, den 27. November 1722. Die Verrechtlichung der Allokution An diesem Tag wurde Layer zurück in die Westminster Hall gebracht, wiederum in Ketten. Nachdem der Gerichtsdiener durch den Sprechakt what can‘st thou now say for thyself why the Court should not give judgment of death against thee according to law? den Redezug an Layer erteilt hatte, fragte Hungerford, was denn heute dagegen spreche, Layer die Ketten abzunehmen. Da die Entscheidung darüber dem 190 191 192 193

16 ST 282. 16 ST 285. Anführungszeichen im Original. 16 ST 286. 16 ST 299.

VII. Reformprozesse

413

Kronanwalt oblag, warb auch Richter Pratt dafür, zumal Hungerford noch einmal daran erinnerte, wie schmerzhaft diese Ketten für seinen Mandanten seien: Pratt:

Come, brother Pengelly, have you any thing to object against his irons being taken off, or do you consent to it?

Pengelly:

My lord, we don‘t oppose it.

Then the irons were taken off.194

In den Prozessen der 1690er Jahre hatte sich die Allokution als eine eher ereignisarme Sequenz dargestellt. Die Angeklagten hatten nach dem Verdikt resigniert und nichts mehr gegen das ihnen drohende Urteil vorgebracht, und das galt auch für die Angeklagten nach dem Inkrafttreten der Verfahrensreform von 1696. Wie beim Arraignment standen Rookwood, Cranburne, Lowick, Cook und Knightley bei der Allokution ohne ihre Anwälte vor Gericht. Offenbar rechnete auch Kronanwalt Pengelly 1723 nicht damit, dass Layer noch etwas zu sagen hatte, weswegen er nach dem Abnehmen der Ketten das Urteil forderte: Pengelly: My lord, the prisoner at the bar, Mr. Layer, after a long and a fair trial, hath been found guilty of high-treason; and on behalf of the king, we pray the judgment of the Court against the prisoner.195

In diesem Fall zeigte sich, dass es einen Unterschied machte, ob der Angeklagte allein oder mit seinen Anwälten bei der Allokution war. Denn Hungerford meldete sich mit einer einleitenden Situationsdefinition zu Wort: By your lordship’s indulgence, I am counsel for the prisoner at the bar; I have, and I hope shall continue to do him what service I can.196 Er hoffe, dass man es ihm nicht übelnehmen werde, wenn er nun beantrage, das Venire facias, also die Vorladung der Geschworenen, vorzulesen, da es sich dabei um einen Teil der gerichtlichen Prozessakten handele und dieser Teil noch nicht öffentlich verlesen worden sei. Hungerford initiierte mit diesem Antrag einmal mehr eine längere Diskussion zwischen Anwälten, Kronanwälten, dem Richter und dem Gerichtsdiener Harcourt, die mit der Feststellung endete, dass die Verlesung des Venire facias einen gefährlichen Präzedenzfall darstelle, unbegründet sei und nicht zugelassen werden könne. Wenn man Hungerfords Antrag einmal losgelöst von dessen Erfolg und seinem Nutzen für seinen Mandanten sieht, so wird erkennbar, dass dieser das in der Situation ‚richtige‘ Signal war, um einen Strang juristischer Argumentation auszulösen. ‚Richtig‘ war dieses Signal vor allem im Vergleich mit den Unschuldsbehauptungen und Verzweiflungsausdrücken der Angeklagten bei der Allokution in den älteren Prozessen, die von Richtern und Kronanwälten nicht als legitime Kommunikationsbeiträge anerkannt, sondern als deplatzierte Behauptungen zurückgewiesen wurden. Wenn aber ein Rechtsanwalt, als Träger einer Verfahrens194 195 196

16 ST 300. Ebd. 16 ST 301.

414

1650–1730: Untersuchungsregime

rolle, das richtige Stichwort nannte, konnte er gleichsam ein Unterprogramm auslösen, das sich ausführlich mit seinem Antrag beschäftigte, auch wenn dieser am Ende abgelehnt wurde. Während der Diskussion um diesen Antrag war die Strategie klargeworden, die Hungerford mit seinem Antrag verfolgt hatte: In dem Venire facias waren die Geschworenen für den 19. November vorgeladen worden. Tatsächlich aber hatte der Prozess erst am 21. November stattgefunden. Wenn das nun öffentlich verlesen wurde, so hatten sich Hungerford und Ketelbey gedacht, dann würde herauskommen, dass es eine Discontinuance of their [der Geschworenen] being in this Court gegeben hätte, and consequently the Proceedings are irregular, and the Trial a Mistrial.197 In diesem Fall könne kein Urteil gegen den Angeklagten ergehen, das Verfahren sei einzustellen. Auch wenn das Venire facias nun nicht verlesen wurde – sein Inhalt war nun den Anwesenden bekanntgeworden, die Richter und Kronanwälte mussten sich dazu verhalten, sie konnten es nicht einfach mit Verweis auf fehlende Präzedenzfälle zurückweisen. Wie es sich mit der zeitlichen Lücke jedoch genau verhielt, wussten weder die Kronanwälte noch Richter Pratt genau, was allerdings für dessen Selbstdarstellung kein allzugroßes Problem war, stand für dieses Wissen doch ein besonderer Rollenträger bereit. Der Experte für solche formalen Feinheiten war, wie schon beim Arraignment, der clerk of the crown, Richard Harcourt, der sich zunächst einmal als unparteiischer Hüter über die Formen vorstellte (shall be very tender in this matter, where the life of the prisoner is at stake, as Mr. Hungerford has observed, and will not say any thing but what I am sure is the course of the Court), der dann aber darüber informierte, dass es gängige Gerichtspraxis sei, dass die Geschworenen nicht am genannten Tag, sondern noch bis zu vier Tage später (quarto die post) bei einem Prozess urteilten.198 Dieses quarto die post-Prinzip sei zwar bislang nie in den Gerichtsakten protokolliert worden, trotzdem sei es durch langen Gebrauch legitimiert. Die beiden Anwälte gaben sich allerdings noch nicht sofort damit zufrieden, sondern opponierten noch eine Weile, bis sie es schließlich aufgaben. Ganz am Schluß wurde Layer das Wort erteilt. Doch der Angeklagte erklärte, seine Anwälte hätten bereits alles gesagt: I know nothing more to say now, because my counsel have given it up.199 Wenn ihm nur nach dem Urteil Zeit gegeben werde, um seine Angelegenheiten zu regeln, wolle er sterben wie ein Gentleman und ein Christ. Im Himmel hoffe er auf jene Gerechtigkeit, die ihm hier versagt werde. Anschließend hielt Pratt seine vergleichsweise kurze Urteilsrede. In ihr erklärte der Richter noch einmal, dass die Beweislage klarer nicht hätte sein können. Interessanter sind allerdings seine Bemerkungen über die Tätigkeit der Anwälte und die daraus folgende Fairness des Prozesses: Christopher Layer, you have been indicted, and after a long examination and fair trial, have been convicted of high-treason in compassing and imagining the death 197 198 199

16 ST 306. 16 ST 307. 16 ST 318f.

VII. Reformprozesse

415

of the king. You have had all the indulgence and advantage that the law, would allow you. You have had counsel assigned you of your own chusing to advise you preparatory to your trial, and to assist you in making your defence at your trial. These counsel have been permitted to say whatever they thought proper for your service; and I heartily wish that I could say that they had not exceeded, that they had not taken a greater liberty than they ought to have done; but however that was, the Court thought fit to permit it in them, that they might not be discouraged in offering any thing that was proper for your defence; we did not censure it then, on this consideration.200

Richter Pratt hielt dem Angeklagten also keine Strafpredigt wie etwa Richter Scroggs im Falle von Coleman. Auch wenn dieser richterliche Redetypus durchaus nicht außer Übung gekommen war, so wurde diese Art von Ansprache in diesem Fall nicht gebraucht. Hier ging es nicht darum, dem Angeklagten eine Art von Versöhnung mit dem Urteil anzuempfehlen. Anstelle des Versuchs, Layer persönlich umzustimmen, reichten dem Richter vielmehr die Hinweise auf die Bemühungen der Anwälte, die bis zum letzten für ihn gekämpft hätten. Nichts sei diesen verwehrt worden, was zu Layers Verteidigung hätte dienlich sein können, auch wenn die Vorstöße teilweise nur schwer erträglich gewesen seien. Die richterliche Rede reflektierte also selbst, was man auch aus verfahrenslogischer Perspektive über die Tätigkeit der Anwälte sagen kann: Ihre Mitwirkung im Prozess trug bei zur Darstellung von Verfahrensgerechtigkeit (fair trial), die sich nicht nur in der gleichen Verteilung von Rechts- und Prozessmitteln zwischen Anklägern und Verteidigern zeigte, sondern auch in der Erlaubnis, jeden Schritt, von dem sich die Anwälte einen Erfolg versprachen, auch zu unternehmen. Wenn hier von fair trial die Rede war, dann war das keine kontrafaktische Behauptung wie in den Prozessen der 1680er Jahre, sondern eine Behauptung, die sich auf den konkreten Prozessverlauf stützen konnte. An diesem Punkt knüpfte auch die Berichterstattung über den Prozess an. „The Dark Side of Enlightenment“? Der Beitrag von Zeitungen zur Legitimation durch Verfahren Der Prozess gegen Christopher Layer war einer der ersten Hochverratsprozesse, dessen mediale Beobachtung und Begleitung überwiegend in Zeitungen stattfand. Noch bei den Prozessen 1696 hatten die Pamphlete ganz klar dominiert, auch wenn es schon damals Presseberichte über die Prozesse gab, die allerdings nicht zuletzt unter dem Eindruck der Verfahrensreform standen und die Prozesse daher als Beispiel für die neue Politik in England feierten.201 Beim Layer-Prozess gab es jene Pamphlete nicht mehr, die so kennzeichnend für die Prozesspraxis vor 1700 200 201

16 ST 319f. The King out of his special favour, has been pleased to allow Charnock, King, and Keys, each 3 Councils to prepare themselves for their trial, which processing is very different from the practice of the late Reigns, and shews that the King is so much used to Clemency, that he cannot forbear giving great

416

1650–1730: Untersuchungsregime

gewesen waren, dafür aber eine ganze Menge von Zeitungsartikeln, die von der Verhaftung Layers am 18. September 1722 und seiner Flucht einen Tag später, über die Vorbereitungen des Prozesses und seine einzelnen Phasen im Oktober und November, über die mehrfache Verschiebung seiner Hinrichtung, die zwei Verhöre durch einen Unterhausausschuss im Januar und Februar 1723 und seiner zuletzt erfolgten Hinrichtung am 17. Mai 1723 in Tyburn reichten. Es gab im Vergleich mit den älteren Prozessen auch deswegen viel mehr Presseberichte, weil sich das Feld der Zeitungen nach dem Auslaufen der Zensur 1695 merklich verbreitert hatte: Um 1720 gab es in London bereits zwölf Titel, dazu kamen mindestens 24 weitere Zeitungen im Rest von England und Schottland.202 Mit einer Gerichts- und Prozessberichterstattung, wie sie in Großbritannien in der Viktorianischen Zeit üblich war203, hatten diese Artikel jedoch noch nicht sehr viel zu tun. Prozessberichte bildeten in den Zeitungen des frühen 18. Jahrhunderts noch keine feste Rubrik und von einem spezifischen Berichtsstil, der den Prozess als Sensation oder als moralisches Lehrstück darstellte, konnte auch noch keine Rede sein. 204 Berichtet wurde über Layers Prozess auch in erster Linie deswegen, weil er als eine Facette der neuerlich aufgedeckten jakobitischen Verschwörung wahrgenommen wurde. Für die Obrigkeit war Layer vor allem interessant, weil man durch ihn mehr über die Rolle des Bischofs Atterbury und anderer hoher Standespersonen bei diesem Komplott wissen wollte. Auch deswegen wurde die Hinrichtung Layers immer wieder verschoben. Die Verschwörung also, nicht so sehr der Prozess gegen Layer, war der eigentliche Gegenstand von Interesse und der Grund für die dichte Berichterstattung. Gleichwohl – und vielleicht auch gerade deswegen – lassen sich diesen Berichten Funktionen zuschreiben, die auch für die mediale Repräsentation von Verfahren in der Moderne beschrieben worden sind: nämlich den Prozess für diejenigen darzustellen, die nicht daran teilnehmen konnten oder wollten bzw. für die sich die Frage der Teilnahme überhaupt nicht stellte, weil sie sich dafür nicht sonderlich interessierten.205 Die Berichterstattung über Prozesse  – und Hinrichtungen  – in der periodischen Presse konstituierte eine neue Öffentlichkeit für die Verfahren. Für deren Konturen sind nicht nur quantitative Fragen wichtig: Gab es mehr Berichte, stieg die Zahl der Leser? Hinsichtlich der Verfahren besaß die Zeitungsöffentlichkeit des 18. Jahrhunderts auch eine tendenziell andere Qualität als die Pamphletöf-

202 203 204

205

Proofs of it, even to thos desperate Wretches who have attempted to assassinate his sacred person, so The Post Man and the Historcal Account, Nr. 129, 05.-07.03.1696. Allg. dazu Black, The English press in the eighteenth century; Harris, London Newspapers; Sutherland, The Restoration Newspaper; Winkler, The Forces of the Market. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 51ff.; Knelman, Twisting in the wind. Das Aufkommen von gewöhnlichen Gerichtsprozessen und Hinrichtungen als Gegenstand von Zeitungsberichten am Ende des 18. Jahrhunderts thematisieren Devereaux, From sessions to newspaper; King, Newspaper reporting; Snell, Discourses of criminality; Snell, Representations of criminality; Snell, Trials in print, und zwar stets mit der These, dass dies gegenüber der traditionellen Pamphletistik einen Transparenzgewinn darstelle. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 121ff.

VII. Reformprozesse

417

fentlichkeit des 17. Jahrhunderts.206 Pamphlete repräsentierten jeweils einen bestimmten Fall, ihr Druck verfolgte eine bestimmte Absicht, und eben diese war am Ende des 17. Jahrhunderts aufgefallen und hatte zur einer Glaubwürdigkeitskrise geführt.207 In den Zeitungen waren Gerichtsprozesse hingegen nur ein Berichtsgegenstand unter vielen. Die Berichte erschienen nicht, weil ein Prozess abgehalten worden war, sondern weil die Zeitungen ohnehin erschienen. Auch wenn mit den Zeitungsberichten über Gerichtsverfahren ein bestimmter Zweck verfolgt wurde – und das war bisweilen, aber nicht immer der Fall – so blieb dies viel subtiler als bei einem Pamphlet, das schon im Titel behauptete, angeblich nichts als die Wahrheit über einen Prozess zu berichten. Aus diesem Grund sehe ich die Zeitungen als eine andersartige Ressource im Ensemble legitimierender Praktiken. Im Unterschied zum Pamphlet dienten die Zeitungen nicht zur nachträglichen Legitimation von Verfahren; als der Versuch, im Medium des Drucks mögliche Defizite eines interaktionsförmig verlaufenen Entscheidungsprozesses zu beheben. Zeitungsberichte wurden vielmehr zu einem integralen, mit dem Prozess synchron verlaufenden Beitrag zur Legitimation durch Verfahren. Unabsichtlich erfüllten die Zeitungen allein schon durch ihre Periodizität und ihr breites Berichtsspektrum, zu dem auch, aber längst nicht nur Gerichtsprozesse gehörten, machtstabilisierende Effekte.208 Die englische Frühneuzeit-Forschung geht zumeist davon aus, dass Zeitungen prinzipiell machtkritische Funktionen haben und ihre Bestimmung nur dann erfüllen, wenn sie die Öffentlichkeit an einem kritischen Diskurs partizipieren lassen. Das wurde jüngst auch noch einmal für Zeitungsberichte über Gerichtsprozesse unterstrichen.209 Fallen Zeitungen dagegen in einer die obrigkeitlichen Perspektiven stützenden und unterstützenden Rolle auf, etwa indem sie eine Alarmstim206

207 208 209

Trotz einer Unmenge an Forschungen zu „printed media“ werden die Unterschiede zwischen Pamphleten und Zeitungen und damit zwischen der Mediengeschichte des 17. und der des 18. Jahrhunderts erstaunlich wenig disktutiert. Das liegt zum einen an disziplinären Grenzen: Die Historiker des „early modern England” kümmern sich nur selten um die Geschichte des 18. Jahrhunderts (und umgekehrt), zum anderen liegt es an dem Fokus der Forschung auf der „invention of news”, wobei die explosiv ansteigende Pamphletistik zur Zeit des Bürgerkriegs als Beginn einer kontinuierlichen Entwicklung von gedruckten Nachrichtenmedien bis zur Gegenwart gesehen wird. Das geringe Interesse an Differenzierungen belegt auch die Gewohnheit, alle möglichen Druckerzeugnisse als „the press“ zu bezeichnen und damit die Besonderheiten der periodischen Presse einzuebnen, vgl. exemplarisch für diese Perspektiven: Temple, The British press; Raymond, The invention of the newspaper; Pettegree, The invention of news. Vgl. oben 324. Das betont neben Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 121ff., auch Lautmann, Soziologie vor den Toren der Justiz, 54ff. „The crucial question for analysis are then: how far was there genuinely critical participation in the administration of justice across Britain; and how was it affected by the professionalisation and „mediatisiation“ described abobe“ bzw. „was the consumption of justice reportage analysed here liekely to have produced educated critics […] in the sense of enabling informed discussion about problems and ideals?“, so fragt David Lemmings in der Introduction des Sammelbands Lemmings, Crime, courtrooms, and the public sphere, 7 u. 19; vgl. Lemmings eigenen Beitrag in diesem Band, Lemmings, Negotiating justice, 120: „to what extent do reports of trials […] constitute the grwoth of discursive public comment or criticism about the administration of justice […]?“.

418

1650–1730: Untersuchungsregime

mung („moral panic“) schüren oder in einer (unter Berufung auf Habermas) als unkritisch erachteten Weise über die Justizhandlungen berichten, dann haben sie sozusagen ihre Bestimmung verfehlt, dann handelte es sich, in den Worte des Historikers David Lemmings, um die „Dark Side of Enlightenment“.210 Solche Erwartungen an das Medium verstellen allerdings den Blick auf andere Funktionen. Im Folgenden soll die Berichterstattung zum Layer-Prozess skizzenhaft rekonstruiert werden. Dabei geht es allerdings weniger um ausführliche Artikel (die es auch gab), sondern vor allem um die vielen kleinen Notizen und Kurzmeldungen, die in den Zeitungen seit Layers Verhaftung auftauchten. Mit dem Blick auf solche Mikroinformationen wird auch die Frage nach der Weltanschauung der jeweiligen Zeitung unwichtiger. Es gab durchaus schon Blätter mit klaren Präferenzen: So waren das Weekly Journal or British Gazetter, das British Journal, der Daily Courant oder das Freeholders Journal der Whig-Obrigkeit eng verbunden. Dagegen waren etwa beim Weekly Journal or Saturday’s Post oder beim London Journal jakobitische Sympathien nicht zu übersehen.211 Die Meldungen aber, auf die ich nachfolgend achte, waren von den Neigungen ihrer Blätter (weitgehend) unbeeinflusst. Das zeigt sich schon daran, dass diese Meldungen in den verschiedenen Zeitungen nahezu wortgleich abgedruckt wurden, so als stammten sie von einer Agentur. In drei oder vier Zeilen registrierten diese Meldungen bestimmte Justizakte, die sich zum Bild einer ordnungsgemäß verfahrenden Rechtspflege summierten. Die Berichte über Layers Prozess setzten, im Unterschied zu den Pamphleten, nicht erst mit dem Arraignment oder der Hauptverhandlung ein. Die Zeitungen wurden der Komplexität des Verfahrens besonders gerecht, insofern sie es in seinem zeitlich gestreckten und diskontinuierlichen Verlauf dokumentierten. Berichtet wurde schon über Layers Verhaftung, seinen Fluchtversuch und seine Einkerkerung im Tower. Gemeldet wurde auch, dass eine Grand Jury einberufen worden war und die Beweise gegen Layer in drei vierspännigen Kutschen unter schwerer Bewachung von Westminster zum Sitzungsort der Grand Jury in Romford (Essex) überführt worden seien.212 Nach Sichtung dieser Beweise und der Anhörung verschiedener Zeugen, darunter Sergeant Plunkett, habe die Grand Jury das ihnen vorgelegte Indictement gebilligt: Yesterday a Special Commission of Oyer and Terminer for the County of Essex, was opened in the usual Forms […]. And the Grand Jury having been sworn and received their Charge, a Bill of Indictment for High Treason against Christopher Layer, Esq; was presented to them, and after Examination of several Witnsses was by them returned to the Court Billa Vera, whereupon the said Court adjourned to the 6th of November next.213

210 211 212 213

Lemmings, The dark side of enlightenment; zuletzt auch Lemmings, Law and government in England, 83ff. Lemmings, Negotiating justice, 123f. The St. James’s Journal, 25.10.1722, Nr. 26. The Daily Courant, 23.10.1722, Nr. 6554, S. 2.

VII. Reformprozesse

419

Eine Notiz war es Zeitungen wie dem Daily Courant auch wert, dass der Prozess nicht bei den Assisen in Essex verhandelt werden sollte, sondern, wie bei Hochverrat üblich, in London vor der King’s Bench: On Tuesday […] His Majesty’s Attorney-General moved the Court of King’s Bench for a Certiorari to remove the Indictment for High Treason found against Christopher Layer, Esq; at Rumford into the said Court of King’s Bench, in order to his being tried upon thereupon at the Bar of the said Court, which Motion was granted by the Court.214

Schon Ende Oktober konnte man im Weekly Journal oder in der Evening Post lesen, wer die Hauptzeugen der Anklage waren und auf welche Sachverhalte sich die Anklage stützen wollte.215 Im British Journal und anderen Zeitungen wurden weitere Details über die Sitzung der Grand Jury kolportiert. So hatte das Blatt Zeugenaussagen zugespielt bekommen über die Vorgänge im Green Man und andere traiterous Practices, über die man die Leser schon einmal vorab informierte.216 Bereits vor dem Prozess wurden also Informationen bekannt, die später während der Hauptverhandlungen als Beweise vorgeführt werden sollten. Zudem wurde noch einmal daran erinnert, dass Layer einen Fluchtversuch unternommen habe. Auch deshalb habe man ihn im Tower in Ketten gelegt.217 Layers Versuch wiederum, seine Ketten zu skandalisieren, dürfte zumindest bei jenen, die die Notizen über den Fluchtversuch noch im Hinterkopf hatten, nicht gefruchtet haben. Neben solchen Meldungen über den Gegenstand der Ermittlungen und den Angeklagten wurde aber auch regelmäßig über die Förmlichkeiten berichtet. Die Evening Post vom 25. Oktober zeigte etwa an, dass Layer am Tag zuvor – und damit unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Wochenfrist – über sein bevorstehendes Arraignment informiert und zur Vorbereitung darauf aufgefordert worden sei.218 Natürlich wurde auch ausführlich über das Arraignment selbst und den gescheiterten Versuch der Klageabweisung berichtet, wobei sich die Schilderung im jakobitisch angehauchten London Journal überhaupt nicht von der im British Journal und anderen Blättern unterschied: On Saturday last Christoper Layer, Esq; was again carried from the Tower under a strong Guard to the King’s Bench Bar, Westminster; and, as on the Wednesday before he had pleaded in Abatement, that he was named Christopherus in the Indictment, whereas his right Name was Christophorus; his Majesty’s Attorney General demurred to his said Plea in Abatement for the Insufficiency thereof in Law; and 214 215

216 217 218

The Daily Courant, 25.10.1722, Nr. 6556. The Evening Post, 20.-23.10.1722, Nr.  2065; The Flying Post or The Post Master, 02.-04.10.1722, Nr. 4630: Counsellor Layer who is Prisoner in the Tower, was at Rome not long ago where he had Conference with the Pretender, and ‘tis said Papers haven been found upon him which help to make great Discoveries. The British Journal, 27.10.1722, Nr. 6; ähnlich auch The Weekly Journal or Saturday’s Post, 27.10.1722, Nr. 209; The Evening Post, 30.10.1722, Nr. 2069. The Weekly Journal or Saturday’s Post, 27.10.1722, Nr. 209. The Evening Post, 25.10.1722, Nr. 2067, S. 2: The same Night Christopher Layer, Esq; was order’d to prepare for his Tryal.

420

1650–1730: Untersuchungsregime

the said Layer and his Council being called upon to join in Demurrer instantly, in order to have the Judgement of the Court upon the said Plea in Abatement, they moved the Court that they might have Time till Wednesday next to consider of that Matter: but having been opposed therin and fully answer’d by the King’s Council, and the whole Court having deliver’d their Opinion, That according to the constant Course of Proceeding in all Capital Cases, the said Layer ought instantly to join in Demurrer, he then thought fit to withdraw his said Plea in Abatement, after which the Court, on Mr. Attorney General’s Motion, made a Rule for the Tryal of the said Christopher Layer at the Bar on Wednesday the 21st Instant, upon the Issue joined on his Plea, of Not Guilty.219

Aus der Zeit zwischen der zweiten Vorverhandlung (3. November) und der Hauptverhandlung (21. November) erfuhren die Zeitungsleser von einer großzügigen Behandlung im Tower – so wie beim Arraignment zugesichert. Notiert wurde etwa, dass er täglich Besuch von seiner Frau empfing220 und zudem Freunde und seine Anwälte ungehinderten Zutritt hätten.221 Am 5. November habe Layers Solicitor eine Reihe von Vorladungen (subpoenas) an mögliche Zeugen der Verteidigung geschickt.222 Das Daily Journal berichtete am 13. November, dass Mr. Hungerford und Mr. Ketelbey ihren Klienten im Tower besucht hätten, um über ihre Verteidigungsstrategie zu beraten.223 Das Weekly Journal berichtete am 17. November über Layers Gesuch, dass andere State Prisoners in the Tower, nämlich Lord North and Grey und Bischof Atterbury, bei seinem Prozess als Zeugen zuzulassen, as being highly necessary for his Defence.224 Zumindest North and Grey sagte ja tatsächlich beim Prozess aus. Dass aber sein Zeugnis wenig hilfreich war, lag, wie aufmerksame Zeitungsleser wussten, nicht in der Verantwortung der Obrigkeit. So wie sich auf der einen Seite das Bild eines Angeklagten ergab, der sich optimal auf den Prozess vorbereiten konnte und nicht nur juristische, sondern auch persönliche Zuwendung durch Freunde und Familie erhielt – auch wenn man ihm wegen der Fluchtgefahr seine Ketten nicht abnahm225, so wurde auf der anderen Seite auch geschildert, wie penibel sich die Anklagevertreter an die gesetzlichen Vorschriften hielten. Die Leser konnten vor allem erfahren, dass die Kronanwälte die Fristen einhielten: The Solicitor for the King has been at the Tower, to give Mr. Layer such Notice as the Law requires of preparing for his Tryal, and at the same time delivere’d him a Copy of the Impannel of his Jury.226 Am 6. November sei Layer dann 219 220 221 222 223 224 225 226

London Journal, 10.11.1722, Nr. 172, S. 2; The British Journal, Samstag, 03.11.1722, Nr. 7, S. 2. Ähnlich auch The Post=Boy, 30. 10.-01.11.1722, Nr. 5192, S. 1; The Daily Post, 01.11.1722, Nr. 965, S. 2. Mr. Layer’s Wife visits him every day, The Post=Boy, 10.-13.11.1722, Nr. 5197; ähnlich The Freeholders Journal, 14.11.1722, Nr. 67, S. 276. Mr Layer has the Liberty of his Council, and Friends coming to him in the Tower, The Daily Journal, 05.11.1722, Nr. 557; ähnlich auch The Post=Boy, 01.-03.11.1722, Nr. 5193. The Daily Journal, 06.11.1722, Nr. 558. The Daily Journal, 13.11.1722, Nr. 564, S. 2; so auch The Daily Post, 5.11.1722, Nr. 968. The Weekly Journal or British Gazetteer, 17.11.1722. The Post=Boy, 27.-30.10.1722, Nr. 5191; ähnlich The Daily Journal, 16.11.1722, Nr. 567, S. 1; The Evening Post, 03.-06.11.1722, Nr. 2071, S. 2. The British Journal, 27.10.1722, Nr. 6.

VII. Reformprozesse

421

die Liste mit den Namen möglicher Geschworenen ausgehändigt worden, to the end, he make such Enquiries of them as the Law allows.227 Die Hauptverhandlung selbst war Gegenstand besonders ausführlicher Mitteilungen auf mehreren Spalten. Der toryistische Post Boy rechtfertigte sich, nicht schon in der Ausgabe vom 22. November über den Prozess berichten zu können: it took up so much Time to settle the Jury and other Forms […].228 Auch das St. James’s Journal unterstrich die Länge des Prozesses, der till very late at Night gedauert habe.229 Die Texte über den Prozess selbst leisteten der Sache der Anklagevertreter insofern einen Dienst, als sich hier die aufgebotenen Zeugenaussagen und Schriftstücke zu Tatsachen verdichteten. Auch bei der Darstellung dieses Hauptteils des Verfahrens lassen sich zwischen den verschiedenen Blättern kaum Unterschiede feststellen. Die Texte beruhten vielmehr durchgängig auf einer Rhetorik des Erwiesenen, wenn sie, wie hier beispielsweise das Daily Journal, typischerweise vom Prozess berichteten: It appear’d by the Evidence for the King, that […] Layer had at several Times given Lynch Money to encourage him in the Undertaking. […] It appeared by another Evidence, that Mr. Layer left two bundles of Papers sealed up with Mrs. Mason, which were afterwards seized by his Majesty’s Messengers; many of which Papers were read in Court, and among them was a Scheme of the intended Plot, also several Letters from the Adherents of the Pretender at Rome […] It was proved that the Prisoner had been at Rome, and was introduced to the Pretender and by him kindly received; this also appeared by Mr. Layer’s own Confession.230

Zwar wurde auch erwähnt, dass es eine Reihe von Zeugen für die Verteidigung gegeben hatte. Doch aus deren Aussagen sei nichts Gegenteiliges erwiesen worden. Insofern konnte der Bericht im Daily Journal umstandslos mit der Information schließen, dass die Geschworenen nach kurzer Beratung mit einem Schuldspruch zurückgekommen seien. Andere Zeitungen fassten sich kürzer und verwiesen allein darauf, dass Layer nach einem überaus langen Prozess schuldig gesprochen worden sei.231 Der Unterschied zu den Pamphleten bestand darin, dass Zeitungsberichte, ob kurz oder lang, nicht für die Akzeptanz der Entscheidung werben mussten, sondern nur darüber berichteten, dass sie getroffen worden war. Auch jene für die Pamphlete typische Verdammungsrhetorik und der Alarmismus fehlten in den Zeitungen. Dafür sorgten deren Berichte für eine Objektivierung des Prozessverlaufs, der sich in geregelter Weise von der Eröffnung über die Beweisaufnahme bis zu dem zwangsläufig erscheinenden Schuldspruch erstreckte: 227 228 229 230

231

The Daily Journal, 09.11.1722, Nr. 561. The Post=Boy, 22.11.1722, Nr. 5201, S. 1. The St. James’s Journal, 22.11.1722, Nr. 30. The Daily Journal, 23.11.1722, Nr. 573; ein wortgleicher Bericht erschien in The Evening Post, 20– 22.11.1722, Nr. 2078; in The Post=Boy, 22.-24.11.1722, Nr. 5202; in The Weekly Journal or British Gazetteer, 24.11.1722; in The British Journal, 01.12.1722, Nr. 11 oder in The Post=Master or Loyal Mercury, 30.11.1722, Nr. 123. […] and after a long Hearing the Jury brought in their Verdict Guilty, so The London Gazette, 24.27.11.1722, Nr. 6115.

422

1650–1730: Untersuchungsregime

On Wednesday last Christopher Layer Esq; was try’d for High Treason before the Rt. Hon. The Lord Chief Justice Pratt, Mr. Justice Powys, Mr. Justice Eyre, and Mr. Justice Fortescue Alard; and after a full Hearing, which lasted till Four o’Clock next the Morning, he was brought in guilty; upon which he was carried back to the Tower, and, we hear, he is to be brought up to the said Court on Monday next, to receive Sentence.232

Der scheinbaren Eindeutigkeit des Prozessverlaufs entsprechend knapp wurde dann auch über den letzten Prozesstag, die Urteilsverkündung am 27. November berichtet, bei dem Layers Anwälte erfolglos alles versucht hatten, um eine Einstellung des Verfahrens (arrest of judgement) zu erwirken: This Morning Counsellor Layer was brought up to the King’s Bench Bar, where his Council moved for an Arrest of Judgement, but the same being over-ruled, he reciev’d Sentence of Death as in cases of High-Treason.233

Nur eine Notiz wert war den meisten Zeitungen auch Layers Hinrichtung am 17. Mai 1723. Die Hinrichtung war mehrfach verschoben worden, da man hoffte, dass Layer weitere Verschwörer verraten würde, wozu er aber selbst dann nicht bereit war, als man ihm Gnade anbot. In der London Gazette hieß es dazu nur: Christopher Layer was this Day executed at Tyburn, pursuant to the Sentence passed upon him, for High Treason in compassing and imaginig the Death of the King.234 Auch hier zeigte sich also ein deutlicher Bruch mit der Pamphletistik, insofern die Zeitungsnotizen keinerlei Deutungsvorschläge über das Geschehen auf dem Schafott unterbreiteten. Das war auch nicht nötig gewesen. Unter dem Galgen selbst verharrte Layer im stillen Gebet. In einem für den Druck bestimmten Brief an den Sheriff bat er um einen nachsichtigen Umgang mit seiner Familie und seinen Freunden. Auf die darin eher en passant erwähnten unparalell’d hardships and injustice I have lately met with wurde von obrigkeitlicher Seite nicht reagiert.235 Allerdings erschien bereits, vielfach beworben in den Zeitungen, einen Tag nach der Hinrichtung, ein Faithful account of the life of Christopher Layer, Esq; Barrister at law; from his birth, to his execution for high treason, angeblich von einem alten Schulfreund, tatsächlich aber wohl eher aus offiziöser Quelle. Am Beispiel von Layer wurde darin nicht nur die jakobitische Sache diskreditiert. Der Faithful account diente vor allem dazu, Gerüchte über noch frei herumlaufende jakobitische Verschwörer zu streuen, indem darin Ausschnitte aus den Verhörprotokollen geleakt wurden.236 Zudem hatte Layer auch selbst für seine posthume Reputation zu sorgen versucht, und zwar mit einem bebilderten Einblattdruck, in dem er auf der Grundlage von Briefen (an seine Frau und an seine Schwester) und einer (nicht gehaltenen) dying speech als prinzipienfester Gentleman, loyaler Anhänger der Stuarts, zuversichtlicher Christ und vor allem als liebender und geliebter Ehemann und Vater präsen232 233 234 235 236

The Weekly Journal of Saturday’s Post, 24.11.1722, Nr. 213, S. 2. The Evening Post, 24.11.1722, Nr. 2080. The London Gazette, 14.-18.05.1723, Nr. 6164, S. 2. Anon., A true copy of the paper. Anon., A faithful account.

VII. Reformprozesse

423

tiert wurde (Abbildung 33). Die Schilderung seiner letzten Lebensphase von der Verhaftung bis zur Hinrichtung zeigte ihn hier als Person, die sich der Macht der Justiz unterwarf, auch wenn sie, durch Eisenketten beschwert, darunter ungemein litt. Das waren die hardships und injustice, die Layer in seinem Brief an den Sheriff meinte. Die Flugschrift diente also nicht, wie im 16. und 17. Jahrhundert, zur Kritik an Verfahren und Urteil, sondern zur individuellen Stilisierung des ‚guten‘ Sterbens auf dem Schafott. Layers Tod und die damit verbundene Publizistik besaß mehr Ähnlichkeiten mit Sterbeperformanzen ‚gewöhnlicher‘ Verurteilter in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als mit denen von Hochverrätern in den zurückliegenden 150 Jahren.237 4. ZUR WEITEREN AUSDIFFERENZIERUNG DER STRAFVERFAHREN BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS Die neuere englische Rechts- und Kriminalitätsgeschichte rekonstruiert die Strafprozesspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts bewusst nicht länger auf der Grundlage der Hochverratsverfahren. Diese gelten als nicht repräsentativ, wenngleich ihre Vorbildfunktion, vor allem in Fragen der Beweisführung und Juridifizierung durch Anwälte, nicht bestritten wird.238 In der Verfahrenswirklichkeit waren Hochverratsprozesse tatsächlich stets ‘nur’ die Leuchttürme inmitten zahlloser anderer Kriminalprozesse überall in England, die für London ab dem späten 17. Jahrhundert auf der Grundlage einer neu entstandenen Quellenbasis, den Old Bailey Sessions Papers – also gedruckten Berichten über die Verhandlungen – auch greifbar und seriell auswertbar werden.239 Zwischen 1730 und 1780 verloren Hochverratsprozesse vorübergehend ihre Schrittmacherfunktion für die Ausdifferenzierung der prozeduralen Dimension des Rechts, und zwar allein schon deswegen, weil es in diesen fünfzig Jahren kaum Fälle gab. Zwar wurden infolge des großen Jakobitenaufstands von 1745/46 weit über hundert Prozesse gegen nicht-adlige Rebellen geführt. Doch handelte es sich dabei in aller Regel um summarische Prozesse oder eine Art von Standgerichtsbarkeit, die eher zu den Ritualen staatlicher Vergeltungs- und Gnadenpraktiken gehörten (es gab spektakuläre Hinrichtungen, viele Angeklagte wurden nach einem Schuldbekenntnis aber auch laufen gelassen), als zur Strafrechtspflege.240 Der Hochverratsprozess gegen den Jakobiten Florence Hensey 1758, der den Franzosen am Beginn des Siebenjährigen Krieges Informationen über die Royal Navy zugespielt hatte, glich im formalen Ablauf weitgehend 237

238 239 240

Zu den Performanzen auf dem Schafott und unterschiedlichen Stilisierungen des Sterbens vgl. McKenzie, Martyrs in low life?; McKenzie, „This death some strong and stout hearted man doth choose“; McKenzie, „God‘s Hat“ and the Highwayman‘s Shoes. Langbein, The criminal trial before the lawyers, 266. Die ersten Sitzungsprotokolle wurden 1674 gedruckt. Von diesem Jahr bis 1913 sind die Protokolle (frei) zugänglich über die Datenbank www.oldbaileyonline.de. Plank, Rebellion and savagery, 48ff. Die Überlastung der Gerichte sorgte dafür, dass in zahlreichen Fällen auch gelost wurde: Auf wen das Los fiel, durfte nach einem Schuldbekenntnis nach Amerika emigrieren, vgl. Ebd., 51.

424

1650–1730: Untersuchungsregime

Abb. 33: Anon., The exact Effigies, Life and Character of Christopher Layer, Esq, London 1723.

dem Prozess gegen Christopher Layer, wenngleich hier die Beweislage gegen den Angeklagten erdrückend war.241 Bereits die Herausgeber der State Trials-Edition von 1766 (Bde. 9/10) pochten darauf, dass sich die Vortrefflichkeit des Common Law nicht nur bei Hochverrats241

Anon., A genuine account of the proceedings on the trial of Florence Hensey.

VII. Reformprozesse

425

prozessen zeige, sondern bei Mord-, Meineids- oder Betrugsfällen: Some Trials in this Collection cannot, properly speaking, be called State Trials, yet may be deemed good precedents, and determine many points of law; therefore have their use, and were thought too material to be omitted; and it would be confining the Collection in too narrow a compass, to insert only STATE TRIALS.242 Aufgenommen wurden daher zum einen exemplarische Fälle für das Studium angehender Juristen, as they gave the Opinions of the greatest lawyers on the different points brought before them. Zum anderen war es aber auch der great noise, also die öffentliche Resonanz, die dazu führte, dass für die Zeit ab 1712 auch verschiedene Prozesse wegen Gewalt-, Eigentums- und Sexualdelinquenz aufgenommen wurden.243 Hier soll im Folgenden skizziert werden, inwiefern sich die verfahrensgeschichtliche Entwicklung auch ohne die Vorbild- und Schrittmacherfunktion der Hochverratsprozesse fortsetzte.244 Zugleich werden die Grenzen der Ausdifferenzierungs- und Autonomisierungsprozesse aufgezeigt, womit der Übergang zum dritten Teil dieser Studie vorbereitet wird, der die forensische Praxis abermals anhand der nach 1780 wieder häufiger durchgeführten Hochverratsprozesse beobachten wird. Im Folgenden fokussiere ich für die (im Vergleich mit den Hochverratsprozessen von mir so genannten) ‚gewöhnlichen‘ Prozesse fünf Punkte, und zwar erstens prozedurale Routinen, zweitens Rollen-Figurationen, drittens Beweistechniken, viertens Urteilspflicht und Ermessensspielräume sowie fünftens öffentliche Repräsentationen der Strafjustiz. Prozedurale Routinen Die neueren Forschungen zur englischen Rechts- und Kriminalitätsgeschichte zeigen, dass die prozeduralen Routinen in Hochverrats- und anderen Strafrechtsfällen einander in bestimmten Punkten glichen  – wenn auch nicht in allen und nicht in allen entscheidenden Punkten. Während z.B. über das Arraignment in gewöhnlichen Verfahren vor dem Ende des 17. Jahrhunderts wenig bekannt ist, konnte John M. Beattie auf der Grundlage von Prozessakten für die Assisen in Surrey und Sussex zeigen, dass die initiale Prozessphase in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts kaum anders verlief als bei Hochverratsverfahren vor der Reform von 1696: Während die Justizakteure diese Sequenz als Machtdemonstration verstanden und im übrigen an einem reibungslosen Ablauf interessiert waren, verweigerten (männliche) Delinquenten immer wieder die Forderung, sich im Sinne der Anklage für schuldig oder nicht schuldig zu bekennen. In diesen Fällen konnten die Richter die Anwendung der peine forte et dure anordnen, also die Erfolterung eines Bekenntnisses durch die immer weitere Beschwerung des Brustkorbs. Nicht wenige Angeklagte starben dabei. Die Verweigerungsmotive der Angeklagten un242 243 244

Anon., A collection of state trials, Bd. 9, ii. Anon., A collection of state trials, Bd. 9, iii. Diese Vorbildfunktion wird auch von der neueren Rechtsgeschichte betont, vgl. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 67–105.

426

1650–1730: Untersuchungsregime

terschieden sich in diesen Fällen von denen bei Hochverrat: Es ging nicht darum, einen Streit über die Legitimität des Verfahrens zu lancieren. Vielmehr konnte ein Angeklagter durch den Tod unter der Presse die Beschlagnahmung seines Eigentums verhindern (und es damit für seine Familie sichern).245 Nicht selten waren es aber auch geschlechterspezifische Motive (die Entscheidung für einen extrem ‚männlichen‘ Tod), aufgrund deren sich ein Angeklagter zerquetschen ließ – bis die Praxis 1741 aus der Übung kam.246 Abgesehen davon war die zunehmende Formalisierung der gewöhnlichen Verfahren bei den Gerichten in London auf die zunehmende Präsenz von Juristen zurückzuführen, die nicht nur auf Seiten der Anklage, sondern auch als Verteidiger aktiv wurden. Der Strafprozess nach Common Law blieb zwar grundsätzlich der „Akkusationsmaxime” verpflichtet: „Wo es keinen Kläger gab, gab es auch keinen Strafprozess”.247 Traditionell wurde in keiner Sache von Amts wegen ermittelt. Aber Institutionen wie die Royal Mint, das Post Office, das Schatzamt (treasury) und die Bank of England, die sich durch Eigentumsdelinquenz besonders gefährdet sahen, engagierten zunehmend professionelle Ankläger (solicitors). Es handelte sich dabei, wohlgemerkt, nicht um Kronjuristen, sondern um freie Anwälte.248 Beattie erklärt das Aufkommen von Anwälten als Anklagevertretern mit den Sicherheitsinteressen des neuen “Hanovarian regime”, das nach dem Spanischen Erbfolgekrieg mit einem (durch Gesetzesverschärfungen teilweise selbst erzeugten) Anstieg an Gewalt- und Eigentumskriminalität zu kämpfen hatte.249 Das galt auch für die City of London, die im 18. Jahrhundert ebenfalls dazu überging, professionelle Ankläger zu beschäftigen, die vor Gericht in Fällen wie Kindsmord wirkten.250 Die Beteiligung solcher obrigkeitlich bestellter Ankläger institutionalisierte sich ab den 1720er Jahren bei Gewalt- und Eigentumsdelikten, die obrigkeitliche Sicherheitsinteressen berührten. In anderen Fällen konnten auch die Geschädigten einem Juristen ihren Fall übertragen, seit 1752 gab es dafür sogar so etwas wie Prozesskostenbeihilfen für mittellose Ankläger.251 In allen diesen Fällen trat dann die Anklageführung ähnlich professionalisiert in Erscheinung wie bei Hochverrat auch.252 Allerdings blieben Prozesse mit juristischen Anklagevertretern – ob obrigkeitlich oder privat bestellt – die große Ausnahme von der Regel, dass ein Geschädigter sein Anliegen vor Gericht selbst vertreten musste. Genaue Zahlen fehlen, aber man kann davon ausgehen, dass Anklageanwälte bei den Assisen noch seltener vorkamen als in London.253 Dennoch gilt: Wo sie partizipierten, veränderten sie die Prozessstrukturen erheblich. Wo das nicht der Fall war, dürften sich Verhandlungen weiterhin als spontaner Austausch gegenläufiger Behauptun245 246 247 248 249 250 251 252 253

Beattie, Crime and the courts, 337. McKenzie, „This death some strong and stout hearted man doth choose“. Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, 111. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 113f. Beattie, Crime and the courts, 354. Ebd., 354f. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 123–127. Langbein, The criminal trial before the lawyers, 307ff. Beattie, Crime and the courts, 355.

VII. Reformprozesse

427

gen dargestellt haben, so wie dies Sir Thomas Smith für die gerichtliche altercation des 16. Jahrhunderts dargestellt hat. Strafverteidigung und veränderte Rollen-Figurationen Während juristische Anklagevertreter erlaubt und sogar finanziell gefördert wurden, blieb das Anwaltsverbot dagegen für Angeklagte in Kapitalsachen bestehen – formal bis 1836.254 In der Prozesspraxis wurde es aber verschiedentlich unterlaufen. John Langbein hat gezeigt, dass gerade das offenkundige Ungleichgewicht zwischen einer professionellen Anklagevertretung und den verglichen damit völlig hilflos wirkenden Angeklagten dazu geführt habe, dass die Richter Strafverteidiger faktisch akzeptierten.255 Dazu kam, dass als Zeugen der Anklage immer häufiger sogenannte thief-takers auftraten, also praktisch Kopfgeldjäger, die von einer Verurteilung profitieren.256 Aufgrund dessen waren die Richter in ihrer traditionellen Rolle als Ratgeber in bis dahin nicht gekannter Weise gefordert, wenn es darum ging, die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen zu überprüfen.257 Die zunehmende Präsenz von Anwälten im Gerichtssaal war daher auch eine Art von Externalisierung der richterlichen Ratgeber-Rolle.258 Doch genauso wie bei den Anklageanwälten handelte es sich bei den Strafverteidigern um Ausnahmen von der Regel der „Do it yourself-Defence” (John Langbein). Bis 1800 wurden vielleicht 10% aller Prozesse mit Juristen auf beiden Seiten geführt.259 Für die Zeit von 1720 bis 1820 ergibt die Abfrage der Old Bailey Online-Datenbank die Zahl von 3334 Fällen mit anwaltlicher Beteiligung, bei 67.307 Fällen insgesamt (also 4,95%)  – Anwälte mussten sich die Angeklagten erst einmal leisten können. Zweifelsohne entstand aber zwischen 1750 und 1850 mit den Strafverteidigern ein neuer (und zunehmend auskömmlicher) juristischer Berufsstand.260 Auch diese (rein männliche) Personalvermehrung gehört zu den Faktoren der Ausdifferenzierung des Rechtssystems. Die Anwälte führten für ihre angeklagten Mandanten die Haupt- und Kreuzverhöre der Zeugen durch. Im Unterschied zum Hochverratsverfahren durften sie aber keine Verteidigungsreden halten.261 Ihre Beiträge blieben auf Fragen beschränkt. Auch wenn die faktische Präsenz von Anwälten nicht unterbunden wurde, so war sie doch von obrigkeitlicher Seite nicht erwünscht. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass es vor Gericht für die Angeklagten leichter wurde.262 Das offiziell weiter geltende Anwaltsverbot wurde als kriminalpräventive Maßnahme erachtet und gerade deswegen in den Strafrechtskompendien ideologisiert. Die 254 255 256 257 258 259 260 261 262

Griffiths, The Prisoners’ Counsel Act 1836; Beattie, Scales of justice, 251ff. Langbein, The prosecutorial origins of defence counsel. Paley, Thief-takers in London in the age of the McDaniel gang, c.1745–1754. Lemmings, Criminal trial procedure, 78. May, Advocates and truth-seeking; May, The bar and the Old Bailey, 29. Lemmings, Criminal trial procedure, 74f. May, The bar and the Old Bailey. Beattie, Scales of justice, 230–232. Shoemaker, The Old Bailey Proceedings, 570f.

428

1650–1730: Untersuchungsregime

von Zeitgenossen und Historikern oft zitierte Behauptung des Strafrechtsexperten William Hawkins (1673–1746), that generally every one of Common Understanding may as properly speak to a Matter of Fact, as if he were the best Lawyer; and that it requires no manner of Skill to make a plain and honest Defence […] the very Speech, gesture and Countenance, and Manner of Defence of those who are Guilty, when they speak for themselves, may often help to disclose the Truth muss man als Antwort der Verfechter des traditionellen Verfahrensregimes auf das Üblicherwerden von Anwälten lesen.263 Die Angeklagten in gewöhnlichen Strafprozessen wurden deswegen jedenfalls weitaus weniger marginalisiert als diejenigen bei Hochverrat. Sie behielten ihren Status als Akteure, die man ansprechen, einschüchtern und bei ihren Reaktionen (stottern, schwitzen, erröten etc.) beobachten konnte. Daher wurde im 1774 umgebauten Gerichtssaal von Old Bailey ein Spiegel installiert, damit die hinter dem Angeklagten sitzenden Zuschauern und Geschworenen die psychophysiologischen Symptome auch wirklich sehen konnten. Zudem reflektierte der Spiegel das einfallende Licht und leuchtete auf diese Weise auch das Gesicht des Angeklagten aus (Abbildung 34). Die Zeit des ‘Accused Speaks’-Verfahren, wie John Langbein die ältere Prozesspraxis genannt hat, war abgesehen von Hochverrat im 18. Jahrhundert noch nicht abgelaufen.264 Auswirkungen auf die Formalisierung der forensischen Kommunikationsstrukturen hatten die Verteidiger trotz ihrer eingeschränkten Kompetenzen und der fortgesetzten aktiven Präsenz der Angeklagten aber sehr wohl: Ganz ähnlich wie bei Hochverrat stellten sich nun auch bei Mord oder Raub die Prozesse als gegliederte Abfolgen von Sprechhandlungen dar, die nicht mehr unmittelbar konfliktär waren, sondern gegebenenfalls „erlaubte Konflikte” über Rechtsfragen inkludierten.265 Eine neuere Untersuchung von Kindsmordprozessen in Old Bailey hat diese veränderten Kommunikationsstrukturen im Detail herausgearbeitet: Waren die des Kindsmords angeklagten Frauen im 17. Jahrhundert noch auf sich allein gestellt und die Prozesse dementsprechend rasch vorüber, so sorgten im 18. Jahrhundert zum einen eine Reihe von Experten wie Hebammen, Chirurgen, Apotheker, die als Zeugen auftraten, für veränderte Verlaufsformen – ihre Befragungen und Aussagen nahmen in der Verhandlung breiten Raum ein. Zum anderen lassen sich gerade bei Kindsmordprozessen ab der Jahrhundertmitte immer häufiger Anwälte nachweisen, die für Entlastungszeugen sorgten und die die Haupt- und Kreuzverhöre durchführten, was in diesen Fällen die Freispruchquoten deutlich erhöhte.266 Für Anwälte waren diese Prozesse geschätzte Gelegenheiten zur öffentlichen Vorstellung ihrer Verteidigungs- und Rhetorikkompetenzen, zugleich sorgte dies auch für Optimierungsanstrengungen auf Seiten der Anklagevertreter und damit für einen gewissen Ausdifferenzierungsschub des Verfahrens auf der Ebene der Rollen.267 263 264 265 266 267

Shoemaker, Representing the adversary criminal trial, 73. Das Zitat stammt aus Hawkins, A treatise of the pleas of the crown, 400. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 170f. Lemmings, Criminal trial procedure, 75. Clayton, Changes in Old Bailey trials. Devereaux, Arts of public performance.

VII. Reformprozesse

429 Abb. 34: Das Innere von Old Bailey mit dem Reflektor über dem Angeklagten (re.), aus: William Jackson, The new and complete Newgate calendar; or, villany displayed in all its branches, Bd. 1, London 1795.

Strafverteidiger unterwarfen die Zeugen nicht nur einem rigiden Verhör. Sie nötigten auch die Vertreter der Anklage dazu, sich an bestimmte Beweisführungsregeln zu halten. Wenn es Kronzeugen gab, dann verlangten die Verteidiger Auskünfte darüber, ob ihnen eine Strafminderung in Aussicht gestellt worden war.268 Diese systematische Skepsis gegenüber Kronzeugen lässt sich mit Luhmann auch als „rationalisierte Rollenberücksichtigung“ und damit als Autonomiegewinn des Verfahrens bezeichnen: Die Aussage spielte für die Entscheidungsfindung nicht schon deswegen eine Rolle, weil sie von einer Person in der Rolle des vereidigten Zeugen geäußert wurde, sondern erst, nachdem sie anhand von verfahrenseigenen Kriterien evaluiert worden war.269 (Gute) Anwälte sorgten dafür, dass Zeugenaussagen aus zweiter Hand (hearsay) ausgeschlossen wurden270 und sich allmählich die Auffassung durchsetzte, wonach ein Schuldspruch (aber auch ein Freispruch) über jeden begründeten Zweifel erhaben sein müsse  – die beyond reasonable doubt-Doktrin des Empirismus wurde allmählich zur zentralen forensischen Entscheidungsressource. Genauso wie durch die „rationalisierte Rollenberücksichtigung“ ging auch mit dieser Höchstwahrscheinlichkeitsregel ein Zuwachs an Autonomie auf der Sachebene einher, insofern sie den Geschworenen aufgab, die vorgelegten Beweise auf ihre Überzeugungskraft hin zu prüfen – und nicht einfach für wahr anzunehmen, nur weil die Zeugen vereidigt worden wa268 269 270

Langbein, The origins of adversary criminal trial, 223ff. Luhmann, Legitimation durch Verfahren. Langbein, The origins of adversary criminal trial, 233ff.

430

1650–1730: Untersuchungsregime

ren.271 Der cause célèbre, der den Eid als vornehmstes Wahrheitsmedium massiv und nachhaltig in Frage stellte und fortan die beyond reasonable doubt-Doktrin stärkte, war dann auch kein Hochverratsverfahren, sondern der Fall Canning. Beweistechniken Das neunzehnjährige Londoner Dienstmädchen Elizabeth Canning verschwand am 1. Januar 1753 und tauchte vier Wochen später, arg mitgenommen, wieder auf. Wieder zurück, berichtete sie Familie und Nachbarn, dass sie von zwei Männern ausgeraubt und in einem Haus außerhalb von London festgehalten worden sei. Sie habe schließlich daraus fliehen können. Die Geschichte machte in der Nachbarschaft schnell die Runde, und einige Männer meinten, dass es sich bei dem fraglichen Haus um das Bordell der Mother Wells handelte. Mit einem rasch erwirkten Durchsuchungsbeschluss des Stadtrats ausgestattet, eilten ihre Brüder, einige Nachbarn und städtische Büttel dorthin, wo Elizabeth dann allerdings die Zigeunerin Mary Squires als ihre Entführerin meinte wiederzuerkennen. Einige Tage darauf nahm Henry Fielding, Romanautor (Tom Jones) und Friedensrichter von Middlesex, Cannings Aussagen zu Protokoll. Da er diese glaubhaft fand, ordnete er weitere Ermittlungen an. Dabei war es bereits zu Unregelmäßigkeiten gekommen: Cannings Rechtsbeistand (solicitor) soll eine Zeugin, Virtue Hall, beeinflusst haben. Im Prozess in Old Bailey Ende Februar 1753 standen die Aussagen dieser Zeugin gegen Mary Squires’ Behauptung, zur fraglichen Zeit in Dorset gewesen zu sein, also für die Tat ein Alibi zu haben. Squires wurde trotzdem schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt.272 Der von Amts wegen dem Verfahren vorsitzende Lord Mayor, Sir Crisp Gascoyne, fand die Aussagen von Hall und Canning allerdings derart widersprüchlich, dass er im Anschluss an den Prozess weitere Untersuchungen durchführen ließ.273 Erneut befragt, widerrief Hall tatsächlich ihre Aussagen, worauf Gascoyne beim König einen Hinrichtungsaufschub erwirkte und ein Meineidsverfahren gegen Canning anstrengte. In den folgenden Monaten dominierte das Thema die Debatten in Publizistik und Kaffeehäusern, bis Canning Ende April 1754 in einem aufwendigen und mehrtätigen Prozess mit Dutzenden von Zeugen des Meineids für schuldig befunden und zur Transportation nach Neu-England verurteilt wurde.274 Im Fall Canning bündelten sich nicht nur antiziganische Diskurse. Er stand auch beispielhaft für das immer weiter schwindende Vertrauen in den Eid als traditioneller forensischer Verifikationstechnik. In der Wahrnehmung der Zeit271 272 273

274

Fisher, The Jury‘s Rise as Lie Detector, 638–650. Vgl. dazu v.a. Treherne, The canning enigma. Hinter dem Engagement des Bürgermeisters standen vermutlich politische Motive, es ging ihm allem Anschein nach nicht nur um die Wahrheit. Vielmehr war Canning von Gegnern Gascoynes unterstützt worden. Die Deutung der Wiederaufnahme des Falls als ein frauenfeindliches Komplott bei Moore, The appearance of truth, scheint aber über das Ziel hinauszuschießen. Hillier, The mysterious case of Elizabeth Canning.

VII. Reformprozesse

431

genossen lebte man ohnehin in einem lying age275, die objektiv tatsächlich nur leicht gestiegene Zahl an Meineidsprozessen wurde als Indiz dafür gewertet. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte es in Old Bailey rund 150 Meineidsprozesse gegeben, dazu kamen 350 weitere Prozesse wegen anderer Betrugs- und Fälschungsdelikte.276 Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts lassen sich dagegen für Old Bailey nur neun Meineids- und sechsundachtzig sonstige Betrugsdelikte nachweisen. Von den Kanzeln wurde im 18. Jahrhundert regelmäßig und leidenschaftlich gegen die crying sin of perjury gepredigt. Den Grund dafür, that the sin of Perjury is grown so common, and that it is practised so frequently even in Courts of Judicature, to the defiance of justice it self, führten die Theologen auf einen tide of irreligion and prophanes, also auf merkliche Säkularisierungstendenzen zurück.277 Ob die Richter das ähnlich sahen, sei dahingestellt.278 Allerdings lässt sich auch bei ihnen eine Skepsis gegenüber den Eiden feststellen, korrespondierend mit einer wachsenden Schätzung der Kreuzverhöre als den neuen Wahrheitsdestillatoren.279 Die zunehmende Anwesenheit von Strafverteidigern bei Strafprozessen auch jenseits von Hochverrat erklärt sich daher nicht nur mit der richterlichen Sorge vor einem allzu großen Ungleichgewicht zwischen professionellen Anklagevertretern und auf sich allein gestellten Angeklagten, sondern hatte auch mit sich ändernden Erwartungen an die forensischen Beweismittel zu tun. Der Druck erster Beweisrechtskompendien steht beispielhaft für diese Tendenz, insbesondere das 1754 posthum veröffentlichte Kompendium des Richters Sir Jeffrey Gilbert (1674–1726).280 Im Prolog findet sich dort der Verweis auf Lockes Erkenntnistheorie und seine Unterscheidung unterschiedlicher Grade der Erkenntnis from perfect Certainty and Demonstration, quite down to Improbability and Unlikeliness, even to the Confines of Impossibility.281 Da für das Recht demonstratives und sicheres Wissen nicht erreichbar sei, sei ein Beweisrecht nichts anderes als ein Leitfaden für die Rules of Probability. Bei einem Gerichtsprozess sollten die zu verhandelnden Sachen an der Skala der Wahrscheinlichkeiten gemessen werden: Now what is to be done in all Trials of Right, is to range all Matters in the Scale of Probability, so as to lay Weight where the Cause ought to proponderate, and thereby to make the most exact Discernment that can be, in Relation to the Right.282 Die Anfänge dieser juristischen Wahrscheinlichkeitstheorie verweisen zurück auf die Hochver275 276 277 278

279 280 281 282

Lloyd, A sermon preach‘d, 6; vgl. zur ‘Glaubwürdigkeitskrise’ auch S. 324. Die Fälle lassen sich bei www.oldbaileyonline.org nachweisen; vgl. dazu auch Shapiro, Oaths, Credibility and the Legal Process in Early Modern England, 39–48. Disney, The crying sin of perjury, A2 und 1. Klar ist allerdings, dass die britische Präsenz in Indien nicht ohne Folge für die Rechtsprechung blieb: Wenn vor den nach Common Law arbeitenden Gerichten in Calcutta Zeugen aus indigenen Gruppen angehört werden sollten, dann konnten diese nur vereidigt werden, wenn sie dabei „according to the ceremonies of their religion“ vereidigt wurden, so wie in einem wichtigen Präzedenzfall von 1745: Smith, A Selection of Leading Cases, 195. Langbein, Historical Foundations of the Law of Evidence, 1194. Duncombe, Trials per pais; Nelson, The law of evidence; Gilbert, The law of evidence. Gilbert, The law of evidence, 1. Ebd., 2.

432

1650–1730: Untersuchungsregime

ratsverfahren im Zeitalter der Wissenschafttlichen Revolution.283 Aber die Institutionalisierung verfahrensinterner Techniken der Wahrheitserzeugung losgelöst von transzendenter Absicherung – und damit ein Autonomiesierungsschub in der Sachdimension – erfolgte im Prozessalltag des 18. Jahrhunderts und nicht in den exzeptionell gewordenen state trials. Eide blieben freilich eine notwendige, aber eben keine hinreichende Grundlage mehr für die Herstellung und Darstellung von Tatsachen vor Gericht. Sie wurden auch im 18. Jahrhundert nicht aus den Verfahren verdrängt, sondern nahmen, im Gegenteil, quantitativ sogar zu, da nach 1702 prinzipiell alle Zeugen vereidigt wurden, also auch die der Angeklagten.284 Die Glaubwürdigkeit dieser geschworenen Entlastungszeugen wurde im Befragungs- und Verhördiskurs auf die Probe gestellt, es handelte sich bei diesen Personen somit gerade nicht um Eideshelfer. Für die Zeugen der englischen Gerichtsverfahren des 18. Jahrhunderts scheint vielmehr das Gleiche zu gelten, was die Soziolinguisten Wolff und Müller auch mit Blick auf deutsche Gerichtsprozesse der Gegenwart festgestellt haben: Demnach stand die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht trotz, sondern gerade aufgrund der Vereidigung zur Disposition. Es handelte sich um ein nivellierendes Ritual, das es möglich machte, deren Aussage generell mit Skepsis zu behandeln und sie auf ihre Wahrscheinlichkeit und Plausibilität hin zu überprüfen.285 Insofern resultierten aus der schieren Vermehrung an vereidigten Akteuren in den englischen Kriminalprozessen des 18. Jahrhunderts an sich keine Wahrheitseffekte286 – zumal es sich dabei um kontradiktorische Figurationen handelte, also Eid gegen Eid stand. Die Vereidigung von Verteidigungszeugen hatte vor allem zur Konsequenz, dass diese aus ihrem vormals prekären Status als von Richtern und Kronanwälten allenfalls geduldeten Zurufern herausgelöst wurden und stattdessen eine offzielle Verfahrensrolle zugewiesen bekamen, die durch das Vereidigungsritual gestiftet wurde. Urteilspflicht und Ermessensspielräume im Zeitalter des ‚bloody code‘ Ob nun mit Anwälten oder ohne, ob unter Beachtung oder Missachtung von Beweisstandards: Englische Strafprozesse  – wenn sie einmal in Gang gebracht waren – endeten stets mit einem Urteil. Sie standen praktisch schon unter dem für moderne Gerichte typischen Verbot der Rechtsverweigerung, was bedeutet, „dass Gerichte, nachdem sie pflichtgemäß einen Prozess zur Verhandlung und Beurteilung angenommen haben, eine Entscheidung über Recht und Unrecht treffen müssen”.287 Dieser Urteilsautomatismus war im 18. Jahrhundert allerdings ein Pro283 284 285 286 287

Siehe dazu oben, S. 242ff. Shapiro, Oaths, credibility and the legal process in early modern England, 158. Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 88. So aber letztlich Shapiro, Oaths, Credibility and the Legal Process in Early Modern England. Fögen, Rechtsverweigerungsverbot, 44. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Strafprozesse nach Common Law von denen nach dem kontinentalen Gemeinen Recht, bei denen trotz frühneuzeitlicher „Monopolisierung und Zentralisierung der Strafjustiz“ (Karl Härter) ein Urteilsautomatismus nicht die Regel war, nicht zuletzt auch wegen der Zweiteilung des Verfahrens in ein lokales Un-

VII. Reformprozesse

433

blem, denn zugleich wurde das Spektrum der mit dem Tod bestraften Delikte erheblich ausgeweitet, insbesondere auf dem Feld der Eigentumsvergehen.288 Grundsätzlich konnte bereits der Diebstahl von Dingen mit dem geringen Wert von vierzig Schillingen auf dem Galgen enden. Zeitgenössische Strafrechtsreformer bezeichneten diese Gesetzesverschärfungen zusammenfassend als bloody code und als Kennzeichen einer unzivilisierten und repressiven Gesellschaftsordnung.289 Pioniere der Historischen Kriminalitätsforschung wie Edward P. Thompson und Douglas Hay haben den bloody code auf die Interessen der Herrschenden und Besitzenden zurückgeführt – eine (marxistische) Deutung, die nach allen Diskussionen, die darum geführt wurden, in großen Teilen immer noch plausibel ist.290 Worauf es hier aber ankommt: Empirische Forschungen haben gezeigt, dass das englische Strafregime im Vergleich mit kontinentalen Verhältnissen ohne Zweifel außerordentlich ‘blutig’ war: Allein zwischen 1770 und 1830 wurden 7000 Menschen hingerichtet. Allerdings standen dieser Zahl 35.000 Todesurteile gegenüber, von denen dann also ‘nur’ ein Fünftel auch wirklich vollstreckt wurden.291 Diese Diskrepanz lässt sich zum einen damit erklären, dass Verurteilte in die nordamerikanischen Kolonien und später nach Australien verbannt (Transportationsstrafe)292 oder aber sogar gänzlich begnadigt wurden.293 Von den wegen Eigentumsdelikten in Surrey zwischen 1660 und 1800 zum Tode verurteilten Delinquenten wurden 61,7% (überwiegend zu einer geringeren Strafe) begnadigt, 38,3% aber auch gehängt. Bei Kindsmord, Vergewaltigung und Aufruhr sah die Relation ähnlich aus, nur Betrüger und Fälscher wurden mehrheitlich gehängt, allerdings bei nur wenigen absoluten Zahlen (fünf Hinrichtungen in diesen Fällen, 436 bei Eigentumsvergehen).294 Zum anderen hat man es hier aber auch mit dem zu tun, was in der Historischen Kriminalitätsforschung als „selektiver Sanktionsverzicht” diskutiert wird – also der Nichtumsetzung des Urteils in vielen, aber nicht allen Fällen.295 Grundsätzlich verweisen die Historiker der englischen Kriminalitätsgeschichte in diesem Zusammenhang auf breite Ermessensspielräume („discretionary powers”296)

288 289 290 291 292 293

294 295

296

tersuchungs- und ein an Hofräte oder Universitäten ausgelagertes Entscheidungsverfahren, dazu grundlegend Härter, Strafverfahren im frühneuzeitlichen Territorialstaat. Während 1688 lediglich fünfzig Delikte mit dem Tod bestraft wurden, waren es 1765 bereits 160; bis 1815 stieg die Zahl auf 225, vgl. McLynn, Crime and Punishment, xi. Handler, Forgery and the End of the ‚Bloody Code‘ in Early Nineteenth-Century England. Thompson, Whigs and hunters; Hay, Property, authority and the criminal law; Emsley, Crime and Society in England, Kap. 10. Gatrell, The hanging tree, 7. Maxwell-Stewart, Convict Transportation. Vor allem aufgrund der Eingabe von Petitionen durch die Familien, Freunde, Pfarrer, lokale Adlige etc. Chancen besaßen die Petitionen vor allem dann, wenn glaubhaft auf Charakter und Ansehen, Alter und Geschlecht oder die familiären Umstände der Verurteilten verwiesen werden konnte, vgl. King, Crime, justice, and discretion, 297–333. Beattie, Crime and the courts, 433. Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, 97; Lucia Zedner spricht bezüglich der Todesstrafe treffend vom „random exercise of terror“, Zedner, Rezension zu Crime, Justice and Discretion in England 1740–1820, by Peter King, 765. Beattie, Crime and the courts, 400.

434

1650–1730: Untersuchungsregime

der im juristischen Feld engagierten Akteure: Auf den Gang von Verfahren, Entscheidungsfindung und Urteilsumsetzung konnten nicht nur die Richter und Anwälte, sondern auch die Geschworenen und das soziale Umfeld der Delinquenten und Verurteilten Einfluss nehmen. Von der lokalen sozialen Umwelt wurde bereits entschieden, welche Konflikte überhaupt in den Vorhof der Justiz gerieten (und damit zu „Fällen” wurden) oder aber auf der Grundlage informeller, außergerichtlicher Sanktionspraktiken aus dem Fundus der popular politics (Schandrituale, Spottgesänge etc.) sanktioniert wurden.297 Aber auch wenn aus einem Konflikt ein Fall wurde, funktionierten Friedensrichter298 und Grand Juries wie Filter, die dafür sorgen konnten, dass Anklagen abgeschwächt wurden.299 Petty Juries, also die zwölf für den Prozess gewählten Geschworenen, konnten sich trotz eines Schuldverdikts nach dem Prozess für den Verurteilten einsetzen und Begnadigungen erwirken.300 Zudem entwickelten Geschworene eine seit dem späten 17. Jahrhundert zu beobachtende Praxis, die der einflussreiche Jurist und Publizist William Blackstone (1723–1780) pious perjury, also ‘frommen Meineid’, nannte: It is true, that the mercy of juries will often make them strain a point, and bring in larciny to be under the value of twelvepence, when it is really of much greater value.301 In der Old Bailey Online-Datenbank lassen sich z.B. dutzende Diebstahlsprozesse nachweisen, bei denen die Geschworenen das gestohlene Gut fiktiv auf einen Wert unter vierzig Schillinge taxierten – die Summe, ab der die Todesstrafe obligatorisch war.302 Da die Jury Entscheidungen über den Tatbestand fällte, waren solche Abwertungs-Fiktionen möglich, ohne die Schuldfrage als solche zu negieren.303 Solcherart von der Jury gerettete Delinquenten wurden gewöhnlich in die Kolonien transportiert. An solchen, hier nur exemplarisch umrissenen „discretionary powers” zeigt sich, dass gewöhnliche Strafprozesse gerade im Zeitalter des bloody code offen waren für Einwirkungschancen aus der sozialen Umwelt, dass sie unter (bestimmten Umständen) ganz ähnlich zu Foren der Aushandlung von Sanktionen werden konnten wie dies bei frühneuzeitlichen Gerichtsprozessen auf dem Kontinent der Fall war.304 Weil solche Einwirkungs- und Aushandlungschancen sowohl im Vorfeld eines Prozesses, im Nachhinein als auch auf informellen Hinterbühnen (pious perjury) greifen konnten, war die Hauptverhandlung gerade nicht der Ort der Entscheidungsfindung, weder in herstellender noch in darstellender Dimension. Entsprechend schnell waren die Verhandlungen auch vorbei.305 Im Vergleich zu Hochverratsverfahren stellte die Durchlässigkeit für informelle soziale Einfluss297 298 299 300 301 302 303 304 305

Banks, Informal justice in England and Wales 1760–1914. King, Crime, justice, and discretion, 103–110. Beattie, Crime and the courts, 400–406. King, Crime, justice, and discretion, 316f. Blackstone, Commentaries, 239. Der Wert wurde dann stets auf 39 Schilling taxiert, also um einen Schilling (= zwölf Pence) reduziert. Linebaugh, The London hanged, 85; Beattie, Crime and the courts, 425ff.; Hostettler, The criminal jury old and new, 97–99. Heidegger, Soziale Dramen und Beziehungen im Dorf; Carius, Recht durch Eigentum, 13ff.; allg. dazu auch Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, 25ff. King, Crime, justice, and discretion, 223.

VII. Reformprozesse

435

nahmen bei gewöhnlichen Gerichtsverfahren ein Autonomiedefizit dar. Sie ließ die englische Strafprozesswirklichkeit des 18. Jahrhunderts (wenn man diese einmal quantitativ bestimmen will) typisch vormodern erscheinen, insofern sie sich nicht operativ geschlossen zeigt, sondern sozusagen ‚inmitten‘ der Gesellschaft eingebettet blieb.306 Die meisten Strafprozesse stellten sich, um eine Formulierung von Peter King aufzunehmen, als „participatory theatre“ dar, und das galt gerade auch für die Hauptverhandlungen selbst. Sie waren, wie King an Quellenmaterial aus London und Essex zeigte, geprägt durch Zwischenrufe aus dem Publikum und einem andauernden Lärm, der sich nicht zuletzt durch die raschen Wechsel der Fälle ergab. Angeklagte wurden mit Gejohle oder auch Buhrufen empfangen, Verdikte und Urteile mit Applaus, aber auch mit lautstarkem Protest quittiert – was eingeschüchterte Richter nicht selten für Gnadengesuche empfänglich machte.307 Bei den öffentlichen Verhandlungen des 18. Jahrhunderts und frühen 19. Jahrhunderts entfaltete sich gewöhnlich ein „counter-theatre of the crowd“.308 An der strukturellen Unruhe und Störanfälligkeit der Verhandlungen ändert im übrigen auch der am Ende des 18. Jahrhunderts einsetzende Neu- oder Umbau von Gerichtsgebäuden in London und der Provinz zunächst wenig.309 Dabei war die Disziplinierung des Publikums gerade eine Idee der modernen forensischen Architektur.310 Die von Douglas Hay so genannte „majesty of the law“, ihre Selbstdarstellung als Spektakel, das die gewöhnlichen Untertanen mit einer Mischung aus Ritualen, Amtstrachten, Rhetorik und Förmlichkeit einschüchtern und auch damit ihre Funktion als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument erfüllen sollte311, kennzeichnete sicherlich einige der Strafprozesse des 18. Jahrhunderts, vor allem jene, bei denen professionelle Ankläger agierten. Im strafgerichtlichen Alltag – vor allem bei Eigentumsvergehen – gelangen aber zunächst noch keine forensischen Erhabenheitsinszenierungen, wie Hay sie auf der Grundlage einiger Bemerkungen von William Blackstone oder dem Bericht eines französischen Reisenden aus dem frühen 19. Jahrhundert hatte sehen wollen. Öffentliche Repräsentationen der Strafjustiz Zwischen 1700 und 1779 fanden allein in Old Bailey über 35.000 Strafprozesse statt.312 Für die Assisen sind die Zahlen nicht so leicht zu eruieren. Beattie hat für die Grafschaft Surrey, süd-westlich von London, für die Zeit von 1660 bis 1800 306 307 308 309 310 311 312

So wie dies für die spätmittelalterlichen städtischen Gerichte in Köln gezeigt wurde, vgl. Arlinghaus, Inklusion/Exklusion. Linebaugh, The London hanged, 87f. King, Crime, justice, and discretion, 255. Ebd., 254. Mulcahy, Architects of justice. Hay, Property, authority and the criminal law, 26ff. Die Zahlen lassen sich bei www.oldbaileyonline.org nachweisen. 1779 wurde als Enddatum gewählt, da die Untersuchung der Hochverratsverfahren mit dem Jahr 1780 wieder aufgenommen wird.

436

1650–1730: Untersuchungsregime

über 8.000 Geschworenenverdikte in Kapital- und Eigentumsdelikten gezählt.313 Peter King kommt auf rund 3.500 Verdikte in Eigentumssachen in Essex für die Zeit von 1740 bis 1805.314 Was aus diesen Zahlen immerhin deutlich wird: Strafgerichtsprozesse waren im 18. Jahrhundert ein üblicher Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, an dem, wie gesehen, die Leute häufig auch aktiv teilnahmen. Öffentliche Präsenz erlangten die Strafprozesse aber nicht nur durch ihre regelmäßige Durchführung, verbunden mit der (weitgehend kostenlosen) Gelegenheit, dabei zuzuschauen. Öffentlich waren und blieben sie auch als Gegenstand von Druckpublizistik. Gedruckte Berichte von Kriminalfällen und damit zusammenhängenden Gerichtsprozessen erschienen bereits im späten 16. Jahrhundert. Im Unterschied zu den Hochverratsfällen dienten entsprechende Pamphlete aber nicht der nachträglichen Rechtfertigung umstrittener Urteile. Im weiteren Kontext einer protestantischen Ethik dienten sie vielmehr zum einen als Moraldidaxe. Zum anderen orientierten sich die Urheber der Drucke aber auch stets ganz klar am Sensationswert eines Falls, so dass nicht über irgendwelche Eigentumsvergehen, sondern über schreckliche Mordfälle oder Vergehen unter Beteiligung von Mitgliedern der Oberschicht berichtet wurde.315 Da die Prozesspublizistik bei gewöhnlichen Fällen bis 1778 nicht von obrigkeitlicher Seite beauftragt wurde, hatten die Kompilatoren, Verleger und Drucker ein existenzielles Interesse daran, dass sich ihr publizistisches Produkt auch bezahlt machte, was sich in den Selektionskriterien natürlich wiederspiegelte.316 Auch die Verleger der 1674 zum ersten Mal erschienenen Old Bailey Sessions Papers mussten darauf achten, dass ihr Erzeugnis profitabel blieb, zumal der Londoner Stadtrat jeweils über 300 Belegexemplare sowie weitere Gebühren verlangte.317 Diese Orientierungen an den Erwartungen eines Lesermarkts bestimmte die Auswahl der Fälle mit – im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert mit einem nicht geringzuschätzendem Erfolg. Der Schweizer England-Reisende Béat Louis de Muralt (1665–1749) notierte jedenfalls über seinen Besuch in der Hauptstadt zu Beginn der 1720er Jahre, die Sessions Papers seien in the Opinion of many People one of the most diverting Things a Man can read in London, nicht zuletzt da auch die Criminal Proccedings selbst very moving seien.318 Zwar gerieten die Sessions Papers bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr durch die Prozessberichte in den Zeitungen unter Druck. Ihre Verleger antworteten darauf jedoch mit einer Ausweitung auf 24 Seiten, dem Fokus auf ausführlich dokumentierte Sexualdelikte sowie der Aufnahme von Werbeanzeigen. Dennoch verloren die Sessions Papers nach der Jahrhundertmitte immer mehr an Bedeutung, nicht nur aufgrund von konkurrierenden Zeitungsberichten, sondern auch durch das Aufkommen neuer Genres wie der Verbrecherbiographie, bei 313 314 315 316 317 318

Beattie, Crime and the courts, 402. King, Crime, justice, and discretion, 262. Lake, Popular form, Puritan content?; Lake, Deeds against nature. McKenzie, Making Crime Pay. Devereaux, The city and the sessions paper, 468. Muralt, Letters describing the character and customs, 72. Es handelte sich dabei um die englische Übersetzung von Muralts ein Jahr zuvor erschienenen Lettres sur les Anglais et les Français.

VII. Reformprozesse

437

der die Grenzen zum Fiktionalen immer wieder durchbrochen wurden.319 Daniel Defoes Moll Flanders (1722) steht beispielhaft dafür.320 Bis 1770 erschienen zudem verschiedene, sehr umfangreiche und teils mehrbändige Kompilationen von (aufsehenerregenden) Gerichtsprozessen, unter anderem A General History of the Robberies and Murders of the Most Notorious Pyrates (1724), A General History of the Lives and Adventures of the Most Famous Highwaymen (1734) und vor allem die Select trials for Murders, Robberies, Rapes, Sodomy, Coining, Frauds, And other Offences: at the Sessions-House in the Old-Bailey. To which are added, Genuine Accounts of the Lives, Behaviour, Confessions and Dying-Speeches of the Most Eminent Convicts (1734–35, 1742, 1764).321 Thomas Salmon nahm in den sechsten Band der State Trials-Edition von 1742 ebenfalls Prozesse gegen Piraten oder Mörder auf. Francis Hargrave, der Herausgeber der elfbändigen State-Trials, die zwischen 1776 und 1781 erschienen, folgte ihm bei dieser Auswahlpraxis. Bei allen diesen Publikationen sensationeller Fälle, die im Falle von Vergewaltigungsprozessen durch die Protokollierung expliziter Details auch ein voyeuristisches Interesse bedienten322, dürfen latente Funktionen dieser Form der Repräsentation von Verfahren nicht übersehen werden. Denn auch wenn die jeweiligen Fälle von den Kompilatoren als Dramen, Tragödien und nicht zuletzt auch Komödien inszeniert wurden, so spielten sich diese doch (um im Bild zu bleiben) stets auf den Bühnen der Justiz ab, also nach bestimmten Regeln und mit typischen Rollen. Mit anderen Worten: Die interessierten Leserinnen und Leser erfuhren auf diese Weise immer auch etwas über die Rechtspraxis an sich. Welche Motive der Lektüre auch zugrundelagen, sie führten latent auch zu einer virtuellen „Teilnahme am Hoheitshandeln“.323 Selbst wenn es nicht die explizite Funktion der Drucke war, Verfahren nachträglich zu legitimieren, so konnte das aber durchaus einer der Effekte dieser Art von Publizistik gewesen sein. Vor allem sorgten die Drucke dafür, Gerichtsverfahren als Instanzen, wo (scheinbar) über Leben und Tod, über Recht und Unrecht entschieden wurde, als Bestandteil der Alltagswelt zu normalisieren324, vor allem in London, aber auch in der Provinz.325 Offenbar wurden zumindest die Sessions Papers von den Londonern wiederum auch deswegen gelesen, um sich mit den Vorgängen vor Gericht vertraut zu machen. Es war ja nicht unwahrscheinlich, selbst einmal vor Gericht zu stehen, sei es als Zeuge, Anklägerin oder Angeklagter.326 319

320 321 322 323 324 325 326

Devereaux, The fall of the sessions paper. Vor dem Untergang gerettet wurden die Sessions Papers dadurch, dass sie ab 1778 von der City of London als offizielles (und juristisch verwertbares) Dokumentationsmedium der Old Bailey-Prozesse fortgeführt wurden. Das führte zur Abkehr vom Fokus auf Sensationsfälle, vielmehr wurden seitdem (fast) alle vorgefallenen Prozesse nach einem gleichbleibenden Schema dokumentiert, Devereaux, From sessions to newspaper. Skirboll, The thief-taker hangings. Lohnenswert war auch die Lebensgeschichte des Räubers Jack Sheppard. McKenzie, Useful and entertaining. Snell, Trials in print. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 126. Darauf verweist McKenzie, Useful and entertaining, 68. Zum Druck von Assisen-Prozessen vgl. Beattie, Crime and the courts, 23ff. Lemmings, Introduction, 19.

438

1650–1730: Untersuchungsregime

Zur öffentlichen Repräsentation der Strafjustiz im 18. Jahrhundert gehörten schließlich auch die gelehrten Kompendien, die nach 1700 erschienen waren. Dazu gehörte auch das 1736 von Sollom Emlyn in den Druck gegebene Traktat von Sir Matthew Hale (1609–1676), die Historia Placitorum Coronæ.327 Als einflussreich erwiesen sich auch die Pleas of the Crown von William Hawkins, die beiden Bände erschienen 1716 und 1721. Nach der Mitte des Jahrhunderts dominerten dann die Commentaries on the Laws of England. Der Band zum Strafrecht erschien 1769.328 Die Commentaries gehen teilweise zurück auf die inoffiziellen Rechtsvorlesungen, die Blackstone in den 1750er Jahren am All Souls College in Oxford gehalten hatte  – eine entscheidende Wegmarke bei der Institutionalisierung des Common Law als universitärer Disziplin.329 Im Unterschied zu den älteren Kompendien von Ferdinando Pulton330 oder Sir Edward Coke, bei denen materielles und formelles Strafrecht noch ungeschieden behandelt wurden, präsentierten Hale, Hawkins und Blackstone das Verfahren als ein distinktes Ablaufschema, von der Formulierung der Anklage über Arraignment, Pleading (inklusive von demurrers oder pleas in abatement) bis hin zur Hauptverhandlung (trial) selbst, das viel ausführlicher behandelt werden konnte als in den älteren Kompendien. Das lag vor allem daran, dass in diesen Abschnitten ausführlich zu den Beweisverfahren, Zeugen und Wahrscheinlichkeitsregeln Stellung genommen wurde. Den Autoren standen dabei zwar auch immer wieder Hochverratsprozesse und -gesetze vor Augen. Hawkins und Blackstone verwiesen allerdings auch vielfach auf gewöhnliche Delikte und ihre gerichtliche Behandlung (vor allem bei Kindsmord). Blackstone war im Übrigen entschieden dagegen, den Angeklagten Anwälte zu verweigern.331 Sicherlich erzeugten diese Juristen mit ihren Kompendien und ihrem sonstigen öffentlichen Wirken weitaus weniger Resonanz als die Sessions Papers oder Select Trials. Sie zielten aber auf ein Fachpublikum im weiteren Sinne, das nicht nur professionelle Juristen, sondern auch andere Akteure des Rechtssystems wie Clerks und Friedensrichter umfasste. Grundsätzlich aber galt: Wer auch immer sich über Strafrecht oder Strafverfahren und deren Normen informieren wollte, fand mit den Kompendien von Hale, Hawkins und Blackstone autoritative Referenzwerke. Sie leisteten auf der diskursiven Ebene ebenso einen Beitrag zur Ausdifferenzierung von Gerichtsverfahren wie deren zunehmend programmförmige und mit internen Wahrheitsregeln operierende Durchführung in der Praxis.

327 328 329 330 331

Hale, Historia placitorum coronæ. Blackstone, Commentaries. Lobban, The common law and English jurisprudence, 17–47. Vgl. oben, S. 40ff. Blackstone, Commentaries, 349.

VII. Reformprozesse

439

5. RESÜMEE Die von Whigs in der späten Stuartzeit als zwingend bezeichnete Reform der Hochverratsverfahren wurde nach der Glorious Revolution unmittelbar zum Thema im Parlament. Die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes hatte für Whigs allerdings keine Priorität mehr, als im Kontext des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1689–1696) jakobitische Verschwörungen aufgedeckt wurden. Ehemalige Wortführer der Reform lernten die alten Regeln zu schätzen, als sie selbst in die Rolle der Anklagevertreter wechselten. Erneut war es die Sorge vor einem Ansehensverlust in den Augen des Auslands, die endlich zum Beschluss der Reform im Jahre 1696 führte. Das Gesetz wurde in der Forschung als Meilenstein der Rechtsgeschichte gefeiert, als Wegmarke bei der Herausbildung einer modernen und gerechten Prozessordnung. Diese Meistererzählung wurde in diesem Kapitel nicht bestritten, aber doch um eine bislang nicht thematisierte Hinsicht ergänzt: Die Zulassung von Anwälten bedeutete auch einen Machtzuwachs für das Verfahren, und zwar auf diskursiver, interaktiver und sozialer Ebene. Auf der diskursiven Ebene sorgte die Präsenz von Strafverteidigern dafür, dass politische oder religiöse Sprachen, die von den Angeklagten ins Spiel gebracht wurden, zurückgedrängt wurden. Man könnte hier sogar von einer Verrechtlichung des Verfahrens sprechen, insofern durch die Anwälte die juristische Sprache zum dominanten Kommunikationsmodus avancierte. Auf interaktiver Ebene hatte dies zur Folge, dass situativ emergierende Konflikte, die durch nicht-juristische Sprachen und Sprachspiele lanciert worden waren, abnahmen. An deren Stelle traten „erlaubte Konflikte“, die die Anwälte in Form von Anträgen oder Beschwerden initiierten. Während die Verfahrensveranstalter darum bemüht waren, situative Konflikte so schnell und so weit wie möglich zu unterdrücken, wurden für den Austrag erlaubter Konflikte großzügige Zeitkontingente eingeräumt. Dabei handelte es sich um teils bizarre Anträge, die in offensichtlicher Weise darauf abzielten, den jeweiligen Prozess wegen formaler Fehler zum Platzen zu bringen. Dennoch wurden die Anwälte dabei nicht abgeblockt wie früher die Angeklagten mit ihren Vorstößen. Wenn nötig, ließen sich Richter und Kronanwälte sogar auf philologische Diskussionen ein. Im Effekt führten solche Praktiken nicht nur zur Verengung des prozeduralen Möglichkeitsraums, wenn die Anträge und Beschwerden zugelassen, verhandelt und dann abschlägig beschieden wurden. Vielmehr leisteten die Anwälte so auch sichtund hörbare Beiträge zu dem um 1700 so häufig postulierten fair trial, wenn sie in dieser Weise für ihre Mandanten ungehindert tätig werden konnten. Wenn am Ende aus solchen, von Rechtsfragen überlagerten Prozessen Schuldspruche resultierten, dann verhallte Protest dagegen, denn zu sehr waren durch die Verhandlung weitläufige Themen spezifiziert, schwierige Fragen in Unterpunkte aufgelöst und Rechtsprobleme zwischenentschieden worden. Anwälte wirkten im Besonderen daran mit, die Mandanten und ihre Fälle in den „Trichter des Verfahrens“ geraten zu lassen, der Handlungs- und Selbstdarstellungsmöglichkeiten beschneidet und auf das Urteil hin kanalisiert. Wenn die Macht des Verfahrens darin besteht,

440

1650–1730: Untersuchungsregime

den Verlierer wehrlos zu machen332, dann stellte sich dieser Effekt durch die unbeabsichtigten Nebenfolgen anwaltlicher Tätigkeiten ein. Auf sozialer Ebene schließlich führte anwaltliche Präsenz im Gerichtssaal bereits in den Prozessen um 1700 zu einer Dezentralisierung der Angeklagten, die seltener zur Wort kamen als vor der Reform von 1696. Auch wenn sich Rookwood oder Layer stellenweise noch persönlich engagierten, so übernahmen sie doch im Beisein ihrer Anwälte die (im Strafrecht neue) Rolle von Mandanten, die, abgesehen von den Sprechakten beim Pleading, nicht mehr die bevorzugten Kommunikationspartner der Kronanwälte waren, während sich auch die Richter auf eine dem agonalen Geschehen eher entrückte, moderierende Position zurückzogen. Die frühen Prozesse mit Strafverteidigern entwickelten sich zu zähen Auseinandersetzungen um unterschiedliche Formfragen, die die Verfahren aber gleichwohl nicht zerfaserten (wie bei Lilburne), weil sich diese Fragen stets als durch den Richter entscheidbar erwiesen. So wenig dies alles den Angeklagten half – für die Verfahren erwiesen sich die anwaltlichen Interventionen als integrierbar, weil sie in juristischer, auf Entscheidbarkeit hin angelegter Sprache vorgebracht worden waren. Für die Organisation der Macht erwies sich das anwaltliche Agieren daher als vorteilhaft, weil das Verfahren auf diese Weise als eine Abfolge erledigter Episoden in Erscheinung trat. Anwälte kämpften nicht gegen das Recht, sondern mit den Mitteln des Rechts. Nur geringe Auswirkungen hatte die Präsenz von Anwälten hingegen für die Ausformung der Zeugenbefragung. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen „lawyerisation“ der Verfahren und der Ausformung der adversarialen Struktur des Verfahrens, wie in der Rechtsgeschichte angenommen, lässt sich nicht beobachten. Von einem Kreuzverhör kann bei den Befragungen der Zeugen in den untersuchten Prozessen noch keine Rede sein, was auch daran lag, dass hier nur wenige Kronzeugen ausdauernd befragt wurden. Ein wichtiger Wandel zeigte sich wiederum bei der medialen Begleitung von Gerichtsprozessen. Zumindest der Prozess gegen Christopher Layer wurde zum Gegenstand von regelmäßigen Zeitungsberichten, die über alle Vorbereitungen und Details des Prozesses schrieben. Rechtfertigungspamphlete wie vor 1700 gab es dagegen nicht mehr, auch nicht anlässlich der Hinrichtung, über die in den Zeitungen ähnlich distanziert berichtet wurde wie über alle anderen Einzelheiten des Prozesses. Gerade weil es im Unterschied zu den Pamphleten nicht die offenkundige Absicht der Zeitungsberichte war, Prozess und Hinrichtung mit einer bestimmten Deutung zu versehen, die Fairness des Verfahrens nicht einfach behauptet wurde, sondern aus den Berichten über Besuchsrechte, Hafterleichterungen und Prozessdiskussionen ersichtlich war, kam den Zeitungen legitimatorisches Potenzial zu. Zeitungen konnten insofern zur Macht des Verfahrens beitragen, von einer prinzipiell herrschaftskritischen Funktion kann keine Rede sein. Exkurshaft wurde in diesem Kapitel auch die weitere verfahrensgeschichtliche Entwicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts skizziert, also in einer Zeit (fast) 332

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 117.

VII. Reformprozesse

441

ohne Hochverratsprozesse. Dabei zeigte sich, dass auch gewöhnliche Strafprozesse einem Formalisierungsschub ausgesetzt waren und wichtige Innovationen, etwa die Skepsis gegenüber dem Eid und der Bedeutungsgewinn des Kreuzverhörs, in Mord-, Diebstahls- und anderen Kriminalprozessen stattfand. Die Ausdifferenzierung der Gerichtsverfahren legte nach 1723 keine Pause ein. In den gewöhnlichen Prozessen wurden sogar Anwälte tätig, deren Verteidigungsarbeit aber gewissen Einschränkungen unterlag, insofern sie etwa keine Ansprachen halten durften. Eine vollumfängliche Strafverteidigung gab es bei Gewalt-, Eigentums- und anderer Alltagsdelinquenz erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Nicht nur das ist ein Grund, die weitere Entwicklung seit dem späten 18. Jahrhundert wieder am Beispiel der Hochverratsprozesse zu untersuchen.

443

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens 1. LONDON, 1781 1781 fand nach fast 60 Jahren wieder ein Hochverratsprozess statt.1 In der Westminster Hall stand am 25. Januar dieses Jahres der Unterhausabgeordnete Lord George Gordon vor der King’s Bench. Angeklagt wurde er als Rädelsführer der nach ihm benannten Gordon Riots, bei denen im Sommer des Vorjahres Teile von London verwüstet worden waren. Gordon bekannte sich für nicht schuldig. Die Hauptverhandlung fand am 5. Februar am gleichen Ort statt. Sie dauerte bis fast fünf Uhr am Morgen des nächsten Tages. Nach der Auftaktrede des Attorney Generals James Wallace wurden 22 Zeugen der Anklage gehört. Jeder Zeuge wurde zunächst von einem der Kronanwälte verhört und dann von Gordons Anwälten, Lloyd Kenyon und Thomas Erskine, ins Kreuzverhör genommen. Erst gegen Abend waren die Anwälte mit ihrer defence an der Reihe. Kenyon hielt eine Rede, Erskine verschob seine auf später. Er hielt sie nach der Anhörung der eigenen Zeugen, wobei nunmehr die Kronanwälte das Recht zum Kreuzverhör hatten. Danach hielt Erskine seine angekündigte Rede. Es handelte sich dabei um eine seiner vielen berühmt gewordenen und später separat gedruckten Reden2, in der er sich gegen eine freie Auslegung der Hochverratsnormen durch die Kronanwälte (constructive treason) aussprach. Diese rhetorisch bis ins Kleinste ausgefeilte Rede  – er hatte sich während der Verhöre der eigenen Zeugen zurückgezogen, um noch daran zu arbeiten –, dauerte mehr als zwei Stunden. Auf diese Rede antwortete der Solicitor General Edward Bearcroft seinerseits mit einer rund einstündigen Rede bevor Lord Chief Justice Mansfield den Prozess für die Geschworenen mit den wesentlichen Punkten aus sämtlichen Zeugenaussagen zusammenfasste. Die Geschworenen zogen sich für eine halbe Stunde zurück und erklärten Lord Gordon für nicht schuldig. Dieser war während des ganzen Prozesses nur zu Wort gekommen, um sich zu Beginn für Not Guilty! zu erklären. Ansonsten hatte er geschwiegen.3 An diesem Prozess lassen sich eine Reihe von Punkten erkennen, die auch für die Hochverratsprozesse in den nachfolgenden Jahrzehnten bis zur Mitte des 19. 1

2 3

Nach dem Layer-Prozess von 1722 war der Prozess gegen George Lord Gordon 1780 der erste regelrechte Hochverratsprozess nach fast 60 Jahren. Nach dem Jakobiten-Aufstand von 1745 wurden die Prozesse gegen die hochadligen Anführer als peer trials im Oberhaus und gegen die nicht-adligen Rädelsführer als ziemlich kurze Prozesse oder nach Militärstrafrecht geführt. Aus diesem Grund wurden sie aus dieser Untersuchung ausgeklammert, wären aber einer eigenen Untersuchung wert, dazu nur sehr allg. Plank, Rebellion and savagery; Oates, York and the Jacobite rebellion, 29ff. Ridgway, The speeches of the Hon. Thomas Erskine. 21 ST 485ff.

444

1780–1850: Normalisierungsregime

Jahrhunderts zentral waren und die in den letzten Teilen dieser Arbeit behandelt werden sollen. Da ist zum einen jene obrigkeitliche Auslegung der Hochverratsnormen, die von den zeitgenössischen Kritikern constructive treason genannt worden war. Da ist zum anderen aber auch der Umstand, dass solche Anklagen in vielen Fällen scheiterten, die Prozesse also mit Freisprüchen endeten. Daran zeigt sich, wie prekär Hochverratsanklagen um 1800 geworden waren. Allerdings sind auch Prozesse mit Freisprüchen aufschlussreich für eine Untersuchung über die Macht des Verfahrens und zwar nicht nur, weil in diesen Fällen die staatliche Obrigkeit genötigt wurde, diese Entscheidung zu akzeptieren. An dem Gordon-Prozess zeigt sich zudem die ansteigende Informationsmenge, also die große Zahl an Zeugen, die gehört und die Vielzahl an schriftlich vorliegenden Beweismitteln, die vollständig vorgelesen wurden. Schon der Prozess gegen Gordon war einigermaßen lang, aber verglichen mit den Prozessen der 1790er Jahre und darüber hinaus handelte es sich dabei noch um ein zeitlich einigermaßen kompaktes Verfahren. Die zunehmende Länge der Prozesse macht es vollends unmöglich, sie in ähnlicher Weise mikrogeschichtlich zu untersuchen wie das mit den Prozessen bis um 1700 noch möglich war. Das ist allerdings nicht nur ein Problem des Historikers. Vielmehr empfanden auch schon die Zeitgenossen die Länge der Prozesse und die dabei aufkommende Informationsflut als verwirrend und – wenn sie dabei mitwirkten – bisweilen sogar als Zumutung. Tatsächlich wäre es auch redundant, die Abläufe verschiedener Prozesse zu untersuchen. Denn die Formalisierung des Prozesses brachte ein Schema hervor, das sich als Rahmen über das konkrete Prozessgeschehen legte. Zwar gab es Freiräume für unvorhergesehene Diskurse und Praktiken. Diese konnten aber die Prozessgestalt nicht derart verändern wie dies bis ins späte 17. Jahrhundert hinein vielfach der Fall gewesen war. Deshalb ist es möglich, die Auslegungs- und Deutungsweisen von Hochverrat für diesen letzten Teil der Untersuchung von der Analyse der verschiedenen Prozesse selbst weitgehend abzukoppeln. Im nächsten Abschnitt wird daher skizziert, was jenen Akteuren, deren Prozesse mir im Folgenden als Exempel dienen, an politischen Verbrechen vorgeworfen wurde. Danach geht es um die Formalisierung des Verfahrens und deren Konsequenzen für die Technik und die Symbolik des juristischen Entscheidens. 2. „CONSTRUCTIVE TREASON“ UND „SEDITIOUS CONSPIRACIES“: UMRISSE DER POLITISCHEN VERBRECHEN UM 1800 George Lord Gordon, 1780 Im November 1779 formierte sich unter dem Vorsitz des Unterhausabgeordneten Lord George Gordon die Protestant Association, deren Ziel die Rücknahme des jüngst erlassenen Gesetzes zur Katholikenemanzipation war. Dieses Gesetz ermöglichte nicht die freie Glaubensausübung, sondern nur den Erwerb von Landbesitz. Zudem wurden die Strafen für katholische Priester aufgehoben. Schon das

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

445

war für Gordon und eine kleine Gruppe eingefleischter antikatholischer Agitatoren allerdings Zeichen genug, dass die papistische Superverschwörung Großbritannien erneut unterwandert hatte. Mit der altbekannten und schlicht gebliebenen Forderung No Popery! gelang es Gordon im Frühjahr 1780 in London eine größere Bewegung zu formieren, in der antikatholische Ressentiments und allgemeine Unzufriedenheit miteinander einhergingen. Für den 2. Juni 1780 war geplant, eine Petition mit rund 40.000 Unterschriften, also eine monster petition, von einem Zug der Protestierer begleitet im Parlament zu übergeben. Tatsächlich versammelten sich am vorgesehenen Startpunkt dieses Zuges, den St. George’s Fields in Southwark, mehr als 60.000 Menschen, die gemeinsam mit Gordon nach Westminster zogen. Dort kam es zu ersten gewaltsamen Übergriffen gegen Parlamentarier, gegen die Gordon ebenso machtlos war wie gegen die kurz darauf ausbrechenden Unruhen, die in der an Aufruhr nicht armen Geschichte Londons ohne Beispiel waren: Eine ganze Woche lang wütete der Mob gegen alles, was in der Stadt für katholisch gehalten wurde: Die Botschaften Sardiniens und Bayerns, Häuser bekannter Katholiken und vermeintlicher Sympathisanten, darunter das Haus des Lord Chief Justice Mansfield, sowie die Habseligkeiten irischer Immigranten. Der Furor erstreckte sich bald auch auf die Gefängnisse Newgate und Fleet, die in Brand gesetzt wurden, nachdem die Insassen befreit worden waren. Die schwachen städtischen Sicherheitsorgane waren mit der Situation völlig überfordert, so dass die Krone schließlich 12.000 Soldaten mobilisierte und diesen den Schießbefehl erteilte. 285 Aufrührer wurden erschossen, Hunderte verletzt. 450 Personen wurden festgenommen, wovon rund dreißig aufgrund der Bestimmungen des Riot Act zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden.4 Die eigentliche juristische Abrechnung sollte aber mit Lord Gordon erfolgen. Bereits am 10. Juli 1780 machte Alexander Wedderburn, der Chief Justice of the Common Pleas, in seiner Ansprache an die Grand Jury klar, dass Gordon des Hochverrats angeklagt werden sollte. Er begründete dies mit dem gigantischen Ausmaß der Zerstörungswut in der metropolis.5 Ein Gesetz Karls I. habe nicht ohne Grund verfügt, dass Petitionen von nicht mehr als zwanzig Personen überliefert werden sollten. Daher habe sich Gordon schon des terror of the multitude schuldig gemacht.6 Die Angriffe auf die Botschaften seien eine Schande für ganz England (this tolerant and enlightened land), das Marodieren, Plündern und Brandschatzen aber seien ein bisher nicht dagewesener Angriff auf König und Reich und damit Hochverrat. Der Prozess gegen Gordon stand am Beginn eines bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts reichenden Zeitraums, in dem die britische Obrigkeit versuchte, die neuen und als bedrohlich eingestuften politisch-sozialen Massenbewegungen (Radikale, Jakobiner, Spenceaner, Chartisten, irische Unabhängigkeitskämpfer u.a.) mit 4

5 6

Rogers, The Gordon Riots revisited; Rogers, Crowd and people; Haydon, Anti-Catholicism, 204ff.; Rogers, Crowds, culture, and politics, 152ff.; zuletzt Haywood / Seed, The Gordon Riots; zum Riot Act von 1710 immer noch Nippel, „Reading the Riot Act“. 21 ST 486. 21 ST 487.

446

1780–1850: Normalisierungsregime

Hochverratsverfahren gegen ihre Anführer zu unterdrücken. Aufruhr als Hochverrat vor Gericht zu bringen, war schon seit der Restaurationsepoche verschiedentlich versucht worden.7 Der Anknüpfungspunkt war dabei die aus dem klassischen Hochverratsgesetz von 1351 stammende Definition, dass Hochverrat auch sei, if a man do levy war against our lord the King in his realm. Die Deutung eines Aufstands als hochverräterische Kriegsführung (levy war) gegen den König in dessen eigenem Reich war zuletzt bei der Jakobitenrevolte von 1745–46 zum Tragen gekommen, und bezogen darauf hatte der Richter Sir Michael Foster (1689–1763) einen breit rezipierten Law Report publiziert, aus dem auch Wedderburn die Argumente für die Hochverratsanklage gegen Lord Gordon entnahm.8 Die entscheidende Passage aus Fosters Report besagte, dass der Sachverhalt des levying war in den Begriffen des Rechts (in judgment of law) nicht nur dann gegeben sei, wenn sich der Aufstand unmittelbar gegen Leib und Leben des Königs richtet, sondern auch gegen seine royal majesty.9 Diese Bedeutungsverschiebung vom Verrat am König zum Verrat am Staat – wenn man royal majesty einmal als Chiffre dafür sehen will – war allerdings auch nicht neu, sondern schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts aufgekommen. 1668 war es den Kronjuristen darum gegangen, die Verwüstung von Bordellen durch Londoner Lehrlinge, die damit auch auf die Libertinage bei Hofe zielten, mit einer Hochverratsanklage zu bestrafen.10 Das ging aber nur über einen Umweg, nämlich indem den Lehrlingen unterstellt wurde, sämtliche Bordelle und damit die Prostitution in England insgesamt vernichten zu wollen. So wünschenswert das im Prinzip auch sei: die Abschaffung der Prostitution sei eine public reformation, über die der King-inParliament und niemand sonst zu entscheiden habe. Es handele sich bei dem Aufruhr daher um die Anmaßung von regal authority, und das sei Hochverrat. Diese taktisch gemeinte Auslegung von Hochverrat wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts zu Common Law.11 Auch dem Aufruhr von 1780 wurde diese allgemeine, auf die Abstellung von national grievances gerichtete politische Absicht unterstellt: Insurrections likewise for redressing national grievances, or for the expulsion of foreigners in general, or indeed of any single nation living here under the protection of the king, or for the reformation of real or imaginary evils of a have no special interest public nature, and in which the insurgents these ends by force and numbers, are, by construction of law, within the clause of levying war. For they are levelled at the king‘s crown and royal dignity. […] Insurrections in order to […] alter the established law, or change religion […] all risings in order to effect these innovations of a public and a general armed force, are, in construction of law, high treason, within the clause of levying war. For though they are not levelled at the person of the king, they are against his royal majesty.12 7 8 9 10 11 12

Krischer, Aufruhr als Hochverrat? Foster, A Report of some Proceedings. 21 ST 490. Harris, The Bawdy House Riots of 1668. 6 ST 684; zu den juristischen Dimensionen vgl.: Krischer, Aufruhr als Hochverrat? 21 ST 490f.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

447

Genauso wie beim Hochverrat im Sinne des edwardianischen Gesetzes von 1351 (imaginig the king’s death) wurden auch beim leying war schon vorbereitende, als konspirativ eingestufte Handlungen als strafbar gewertet, nicht erst the pomp and circumstances of open war.13 Gleichzeitig wurde der Aufruhr aber auch so verstanden, dass der König, mit dessen Person das Politische identifiziert wurde, dadurch zu bestimmten politischen Maßnahmen genötigt wurde (oblige him to alter his measures of government). Wenn der Aufruhr also mit der Absicht geplant worden sei, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen, dann handele es sich im rechtlichen Sinne (in judgment of law) um Hochverrat: Every insurrection which in judgment of law is intended against the person of the king, be it to dethrone or imprison him, or to oblige him to alter his measures of government, or to remove evil counsellors from about him, these risings all amount to levying war within the statute, whether attended with the pomp and circumstances of open war or not. And every conspiracy to levy war for these purposes, though not treason within the clause of levying war, is yet an overt-act within the other clause of compassing the king‘s death.14

Die Gleichsetzung des Politischen mit dem König ist kein Hinweis auf ein immer noch personales Staatsverständnis. Vielmehr war es für die Kronjuristen nur so möglich, das Hochverratsdelikt bei den neuen Protest- und Reformbewegungen überhaupt ins Spiel zu bringen. Dass es sich dabei tatsächlich um eine Rechtsfiktion handelte (in judgment of law), wurde erst gar nicht versucht zu verschleiern. Bei Gordon folgte die Grand Jury nun dieser Argumentation und billigte die Anklage, die Lord Gordon vorwarf, unlawfully, maliciously, and traitorously, did compass, imagine, and intend to raise and levy war, insurrection, and rebellion, against our said lord the king, und zwar indem er eine große Menschenmenge versammelt und in kriegerischer Weise formiert habe: a great multitude of persons […] armed and arrayed in a warlike manner (that is to say) with colours flying, and with clubs, bludgeons, staves, and other warlike weapons, as well offensive as defensive […].15 Mögliche Anhaltspunkte für diese Deutung fand man in den gedruckten Beschlüssen der Protestant Association für den Ablauf des Petitionsmarsches.16 Darin war zu lesen, dass man sich auf den St. George’s Fields treffen wollte, da es nirgendwo in London einen Raum gab, der Platz für 40.000 Männer bot.17 Um von dort in guter Ordnung nach Westminster zu ziehen, sollten die Männer auf vier Divisionen (London division, Westminster division, Southwark division, Scotch division) 13 14 15 16

17

21 ST 490. Ebd. 21 ST 495. Abgedruckt in Holcroft, A plain and succinct narrative, 13ff. Diese Schrift, die nicht in obrigkeitlichem Auftrag entstanden war, sondern auf den Geschäftssinn des Autors Holcroft zurückging, wurde 1780 mehrfach neu aufgelegt. Dies ist die Zahl der Protestierer, die die Protestant Association selber lancierte. Sie wurde zunächst von der Obrigkeit als viel zu hoch zurückgewiesen. Erst als sich zeigte, dass man diese Zahl für die Hochverratsanklage brauchen konnte („terror of the multitude“), ließ man sich auf diese Angabe ein.

448

1780–1850: Normalisierungsregime Abb. 35: Lord George Gordon, / President of the Protestant Association, London 1780. Gordon verweist mit seinem Stock auf die ‚Protestant Petition‘, sein rechter Fuß ruht auf der Bibel. Hinter ihm formieren sich die Divisionen aus Southwark, London, Westminster und Schottland.

verteilt werden, all wearing blue cockades in their hats to distinguish themselves from the Papists.18 Beim Prozess deutete Kronanwalt James Wallace diese Formation als militärische Gliederung, making a march as regular as an army trained to it.19 Eben dieses Bild von Gordon als dem Anführer einer Armee mit vier Divisionen war vor dem Prozess auch schon durch einen Kupferstich visualisiert worden (Abbildung 35). Die von den Kronanwälten elaborierte Anklage beruhte also darauf, dass Gordon der Anführer einer quasi-militärischen Formierung gewesen sei, die von Southwark nach Westminster gezogen sei wie ein richtiges Bataillon auch. Dort habe man das Parlament mit der Masse der Protestierenden, einem many headed monster, zur Rücknahme des Gesetzes nötigen wollen. David Tyrie, 1782 Der Schotte David Tyrie war ein subalterner Angestellter der Navy in Portsmouth, der sich durch seine Geschäftsbeteiligungen an einer Schnapsbrennerei finanziell ruiniert hatte. Tyrie versuchte seine Situation zunächst durch den Schmuggel von Alkohol aus Frankreich aufzubessern. In diesem Zusammenhang war er 1781 an einen James La Piere gelangt, der ihm für Informationen über die britische Flotte und ihre Bewegungen viel Geld anbot – Tyrie hatte durch seine Tätigkeit im Admirality Office in der englischen Hafenstadt den Zugang zu notwendigen Dokumen18 19

Holcroft, A plain and succinct narrative, 14. 21 ST 503 und 511.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

449

ten. Großbritannien befand sich zu dieser Zeit im Krieg mit Frankreich, das auf der Seite der Amerikaner kämpfte. Tyrie machte aus den ihm zugänglichen navy books Notizen und ließ diese durch einen Helfer, William James, über den Kanal bringen, und zwar an Bord des Schiffes eines Captain William Harrison. Dabei weihte er James und Harrison aber nicht in seine Spionageaktivitäten ein. Vielmehr schickte er James mit dem Auftrag los, in Frankreich Wein für Schiffe der East India Company einzukaufen. Dass er James dabei Dokumente mitgab, die offensichtlich Informationen über die Signalbefeuerung der Navy enthielten, erklärte Tyrie seinem Mittelsmann damit, dass er so der britischen Marine ausweichen könne.20 Tyrie trieb also ein ziemlich gewagtes, doppelbödiges Spiel, wenn er die Übermittlung der brisanten Informationen als Schmuggel tarnte. Das war Tyrie offenbar auch selbst bewusst geworden. Doch sein Plan, noch irgendwie glimpflich aus der Affäre herauszukommen, ging furchtbar schief: Er und seine Lebensgefährtin, eine Mrs. Askew, hatten vorgehabt, William James die ganze Sache in die Schuhe zu schieben. Deswegen übergab Mrs. Askew eine Reihe von Briefen und Exzerpten an eine ihr flüchtig bekannte Londoner Schulmeisterin, von wo sie dann schließlich an den Staatssekretär Stormont gelangten, der weitere Ermittlungen einleitete.21 Dabei verfing sich Tyrie jedoch in seiner eigenen Intrige. Er wurde im August 1782 in Winchester vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Er war der letzte Mann, an dem die traditionelle Strafe bei Hochverrat in aller Grausamkeit vollzogen wurde, vor allem deswegen, weil ihm die einflussreichen Fürsprecher fehlten, die in anderen Fällen erfolgreich beim König um eine Abmilderung der Strafe zum ‚bloßen‘ Hängen oder Enthaupten gebeten hatten.22 Interessant ist an diesem Fall weniger, dass auch Spionage als Hochverrat gewertet wurde. Dafür war der Fall Tyrie nicht das einzige Beispiel. Erst im Juli 1781 war der in London lebende François Henri de la Motte wegen Hochverrats hingerichtet worden, weil er ebenfalls Berichte über die Schiffe der Royal Navy nach Frankreich geschmuggelt hatte. Beide Fälle hingen eng miteinander zusammen. Tyrie und de la Motte hatten mit James La Piere den gleichen Verbindungsmann. Untersucht werden soll der Fall vor allem deswegen, weil hier aufgrund seiner Kompaktheit (im Vergleich zu den gewöhnlich extrem ausufernden Hochverratsprozessen um 1800) die materiellen Grundlagen von Gerichtsverfahren rekonstruiert werden können. Thomas Hardy, 1794 Die Hochverratsanklage gegen Thomas Hardy und andere Mitglieder der London Corresponding Society (LCS) im Jahr 1794 knüpfte an Kriminalisierung von Massenagitation bei Lord Gordon an.23 Sie war aber eingebettet in die britische Ausein20 21 22 23

Anon., Trial of David Tyrie, 394. Cox, Crime in England 1688–1815, 115ff. Poole, The politics of regicide, 76. Grundlegend, aber auch nicht unproblematisch, ist dazu die Arbeit von Barrell, Imagining the king‘s death. Barrell schießt bei der Interpretion des Imaginations-Paradigmas über das Ziel hin-

450

1780–1850: Normalisierungsregime

andersetzung mit der Französischen Revolution und der ‚konservativen‘ Reaktion darauf von Seiten des politisch-sozialen Establishments.24 Prinzipiell waren die Anklagen gegen Hardy, Thomas Holcroft, John Thelwall und John Horne Tooke (der aber nicht der ‚plebejischen‘ LCS angehörte, sondern der elitären Society for Constitutional Information) die juristische Umsetzung von Edmund Burkes Theorie, wonach die Französische Revolution auf das konspirative Wirken der jakobinischen Clubs zurückzuführen sei. Ließe man ihre englischen Pendants gewähren, drohten auch hier aus dem Untergrund plots, massacres, assassinations und der Untergang von König, Parlament und Verfassung.25 Auch für den Attorney General Sir John Scott war Großbritannien seit längerem von einer riesigen Verschwörung26 unterwandert worden. Die Versammlungen der Reformgesellschaften dienten ihm zufolge nur vorderhand der Wahlrechts- und Parlamentsreform. In Wahrheit ginge es darum, nach französischem Vorbild eine Nationalversammlung einzuberufen und das ganze Staatswesen umzustürzen. Scott stützte seine Behauptung vor allem auf drei Dinge: Zum einen, dass sich die conventions der britischen Reformer der gleichen Verfahrens- und Abstimmungsweise bedienten wie die Nationalversammlung auch, zum anderen, dass bei der LCS Trinksprüche auf das Wohl der französischen Armee üblich seien und zum dritten, dass die LCS in Sheffield Piken habe herstellen lassen.27 Piken galten in den 1790er Jahren auch in Großbritannien als das Symbol für die Bewaffnung der revolutionären Massen. James O’Coigly und William Stone James O’Coigly (1761–1798) gehörte zu dem Geheimbund der United Irishmen, bei dem sich irisch-katholisches Emanzipationsbestreben mit den sozialrevolutionären Ideen der Französischen Revolution verband.28 1797 hatte O’Coigly nach England übergesetzt, um dort in den Kreisen der radikalen Jakobiner in London und Manchester für einen Zusammenschluss der revolutionär gesinnten Gruppen auf den britischen Inseln zu werben.29 Was bei Edmund Burke noch eher ein Hirngespinst war, nämlich eine große Verschwörung der britischen Jakobiner, nahm mit dem Treiben O’Coiglys und seiner Gesinnungsgenossen eine zumindest

24 25 26

27 28 29

aus, auch an vielen weiteren Stellen bleibt seine Studie impressionistisch. Worin genau die „Invention of Modern Treason“ (125ff.) bestand, bleibt unklar; kritisch dazu auch die Rezension von Jens Ivo Engels in Sehepunkte 2 (2001). Aus der Menge an Literatur vgl. nur Dickinson, Britain and the French Revolution; Black, Britain 1800; Macleod, British attitudes to the French Revolution. Anon., An Abridgement, 26. That a traitorous and detestable conspiracy has been formed for subverting the existing laws and constitution, and for introducing the system of anarchy and confusion, which has so lately prevailed in France, 24 ST 200. Wharam, The treason trials of 1794, 148ff. Elliott, Partners in revolution. Navickas, Loyalism and radicalism in Lancashire, 141f.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

451

rudimentäre Gestalt an.30 Gleichzeitig hatte O’Coigly eine Reise nach Paris vorbereitet, wo er das Direktorium davon überzeugen wollte, dass eine französische Invasion Britanniens dort auf massenhafte Unterstützung treffen würde, weil sich die Menschen nach der Überwindung der Tyrannei und der Errichtung einer Republik sehnten. Die Pitt-Regierung war über diese Verschwörung indes genau im Bilde, nicht nur durch ihre Spitzel in den jakobinischen Kreisen, sondern auch durch den Hamburger Verbindungsmann der United Irishmen, der jeden an das Pariser Direktorium gerichteten Brief kopierte und nach London schickte.31 Auch wenn Napoleon zu dieser Zeit keine Invasionspläne verfolgte und sich auf seinen Ägyptenfeldzug konzentrierte, so musste man in den Londoner Regierungskreisen die konspirativen Praktiken der United Irishmen und neuerdings auch der United Englishmen ernst nehmen. O’Coigly wurde seit Ende 1797 auf Schritt und Tritt beschattet, seine Tarnung mit Decknamen machte ihn nur noch verdächtiger. Als er Ende Februar 1798 in der Hafenstadt Margate in Kent eine Überfahrt nach Frankreich suchte, wurde er schließlich verhaftet. Ihn des Hochverrats anzuklagen, war in diesem Fall tatsächlich viel weniger abwegig als noch 1794 bei Thomas Hardy oder John Thelwall. Die Juristen brauchten sich nur auf ein Gesetz aus dem Jahr 1793 beziehen, dass jegliche Korrespondenz mit den französischen Machthabern unter Höchststrafe gestellt hatte.32 Und wenn in der Grußadresse des Secret Committee of England to the Executive Directory of France, die O’Coigly hatte überbringen wollen, davon die Rede war, dass the tyranny of England and that of all Europe must fall. Haste then, great nation! pur forth thy gigantic force! Let the base despot feel thine avanging stroke, and let one oppressed nation carol forth the praises of France at the altar of liberty. … United as we are, we now only wait with impatience to see the hero of Italy […]. Myriads will hail their arrival with shouts of joy; they will soon finish the glorious campaign. Tyranny will vanisch from the face of earth […]33

dann fiel es der Anklage nicht schwer, aus dieser Note ein hochverräterisches Conspiring against the King’s life zu machen und das mere taking boat […] with intention to go to France for the purpose of persuading the French to invade this kingdom als einen eminenten Beweis (overt act) desselben.34 Entsprechend lautete die Anklage am Ende:

30 31 32

33 34

Goodwin, The friends of liberty, 416; grundlegend dazu McCalman, Radical underworld, 5–25. Goodwin, The friends of liberty, 433ff. An Act More Effectually to Prevent, During the Present War Between Great Britain and France: All Traitorous Correspondence with Or Aid Or Assistance Being Given to His Majesty‘s Enemies, zitiert von Richter Sir Francis Buller in der Ansprache an die Grand Jury, 26 ST 1196. 26 ST 1279f. 26 ST 1195.

452

1780–1850: Normalisierungsregime

First, a charge of compassing the king‘s death: Secondly, a charge of adhering to his majesty‘s enemies—giving them aid and comfort: And lastly, a charge of compassing and imagining to invite strangers to invade the land.35

Zu den englischen Unterstützern der United Irishmen gehörte auch der Londoner Kohlenhändler William Stone, der aufgrund seiner Korrespondenz mit Paris, in die man Vorbereitungen einer französischen Invasion hineinlas, im Januar 1796 wegen Hochverrats vor Gericht gestellt und freigesprochen wurde.36 Dr. Watson und die Cato Street-Verschwörer In der Tradition der dilettantischen Putschversuche der Jakobiten stand das Unternehmen einer radikalen Gruppe um den Chirurgen „Dr.“ James Watson 1816. Diese hatten nach dem Ende der Napoleonischen Kriege, das in Großbritannien durch die vielen entlassenen Soldaten mit Massenarbeitslosigkeit, Hunger und Verzweiflung einherging, zu Massenkundgebungen und monster petitions aufgerufen. 1816 ging es immer noch um die Wahlrechtsreform, aber auch um konkrete Hilfe für die Notleidenden und Hungernden in diesem „Jahr ohne Sommer“ nach dem Ausbruch eines Vulkans auf Sumatra.37 Watson und seine Mitstreiter, darunter der spätere Cato Street-Verschwörer Arthur Thistlewood, standen in der Tradition des Sozialutopisten Thomas Spence (1750–1814), und nach dessen Tod war für die sogenannten Spencean Philanthropists auch Gewalt ein legitimes Mittel.38 Bei einer ihrer Kundgebungen am 15. November 1816 auf den Spa Fields in London hatte der Gentleman-Radikale Henry ‚Orator‘ Hunt noch ein gewaltfreies (in seinen Begriffen: constitutional) Vorgehen durchsetzen können: nämlich die Überlieferung einer Petition, aufgrund derer sich der wenig beliebte Prinzregent Georg August bequemte, £4.000 Prisengelder für eine Suppenküche zur Verfügung zu stellen – nachdem er die königliche Yacht für über £60.000 hatte überholen lassen.39 Diese Geste brachte für die Spencean Philanthropists das Fass zum Überlaufen: Bei einer erneuten Versammlung auf den Spa Fields am 2. Dezember stachelte Watsons Sohn die Menge auf („If they will not give us what we want, shall not we take it?” „Yes, yes!” „Are you willing to take it?”—„Yes!”40), die dann in die City zog, wo sie alsbald von den Konstablern aufgerieben wurde. James Watson und Thistle-

35

36 37 38 39 40

26 ST 1256. Die traditionelle Formulierung adhering to his majesty’s enemies—giving them aid and comfort wurde in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika so adaptiert, dass es dort heißt: Treason against the United States, shall consist only in levying War against them, or in adhering to their Enemies, giving them Aid and Comfort. No Person shall be convicted of Treason unless on the Testimony of two Witnesses to the same overt Act, or on Confession in open Court (Art. III, Absch. 3). Treason ist der einzige in der Verfassung definierte Straftatbestand. Barrell, Imagining the king‘s death, 192. Krämer, Der Ausbruch des Tambora. Thomis, Zielsetzung und Ideologie. Calder-Marshall, The Spa Fields Riots. 32 ST 51.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

453

wood wurden verhaftet, der junge Watson entkam. Für ihn wurde sein Vater vor Gericht gestellt. In diesem Fall gab es für die Anklage wegen Hochverrats aufgrund von Levying war to force the Crown to alter ist measures zumindest einen empirischen Anknüpfungspunkt.41 Die Anklage ging aber noch viel weiter. Sie warf den Spenceanern vor, sie hätten die politische Ordnung mit Gewalt umwerfen wollen.42 Als Beweismittel brachte man dabei unter anderem die beschrifteten Banner ins Spiel, die die Leute zu den Spa Fields mitgebracht hatten und in deren Inschriften die Obrigkeit den Aufruf zum Aufruhr erkannte. Die Jury war davon nicht überzeugt und sprach die Angeklagten frei. Drei Jahre später stand Arthur Thistlewood erneut wegen Hochverrats vor Gericht, und diesmal ging die Sache nicht mehr gut für ihn aus. Thistlewood war nach dem Scheitern der Versammlungskampagnen mit einigen Mitstreitern in den Untergrund gegangen und hatte sich dort radikalisiert. Gewalt als politisches Mittel kam immer mehr in Betracht.43 Im Kontext der sich verschärfenden Wirtschaftskrise einerseits und repressiver Maßnahmen der Regierung andererseits fasste die Thistlewood-Bande den Entschluss, einen Regimewechsel herbeizuführen, und zwar durch die Ermordnung des gesamten Kabinetts Liverpool. Bis heute ist nicht ganz klar, ob nicht auch bei der Cato Street Conspiracy (benannt nach dem Treffpunkt der Verschwörer in einer Bude dort) Regierungs-Spitzel erst zu Gewalt anstachelten. Auf jeden Fall wurde die Bande nicht nur von einem ihrer Mitglieder (George Edwards) verraten. Auch das Dinner, zu dem sich das ganze Kabinett am 23. Februar 1820 versammeln wollte und damit ein leicht zu treffendes Anschlagsziel abgab, war als Falle arrangiert worden. Bei der Verhaftung der Verschwörer am gleichen Tag tötete Thistlewood einen Konstabler. In der Folge wurden 13 Verschwörer wegen Hochverrats angeklagt, zwei davon retteten sich als Kronzeugen vor dem Galgen. Nach einem dreitätigen Prozess im April 1820 wurden Thistlewood und vier andere zum Tode verurteilt und kurz darauf hingerichtet. Die anderen wurden freigesprochen oder in die Kolonien verbannt.44 John Frost, 1839 Noch ganz in den Bahnen des traditionellen Auslegungsdiskurses bewegte sich auch die Hochverratsanklage gegen John Frost 1839. In diesem Jahr war der Chartistenführer Henry Vincent zu einer Haftstrafe im Gefängnis der walisischen Stadt Monmouth verurteilt worden. Frost, der zuvor wegen seiner chartistischen Radikalität als Bürgermeister von Newport abgesetzt worden war, organisierte daraufhin am 4. November einen Protestmarsch ins Zentrum von Newport, der ‚Hauptstadt‘ von Monmouthshire. Ziel des von vielleicht 3.000 Protestierenden – die meisten 41 42 43 44

32 ST 5. 32 ST 10. McCalman, Radical underworld, 137ff. Stanhope, The cato street conspiracy, 124; Johnson, Regency revolution.

454

1780–1850: Normalisierungsregime

davon waren Bergmänner mit Sympathien für den Chartismus – begleiteten Zuges war das Westgate Hotel. Darin hatten sich nicht nur die lokalen Honoratioren verschanzt, mit denen Frost noch persönlich eine Rechnung offen hatte. Auch einige Chartisten waren dort festgesetzt worden, und diese suchte die Menge zu befreien. Die zuvor zusammengezogenen Konstabler und Soldaten konnten die Menge zerstreuen, dabei kamen über 20 Aufrührer ums Leben. Auch hier bezog sich die Anklage auf Sir Michael Fosters Law Reports, wonach es sich bei einem Aufruhr dann um hochverräterisches levying war handele, wenn auf diese Weise national grievances zu beseitigen versucht und nicht nur private interests verfolgt würden.45 Attorney General Sir John Campbell deklarierte das Vorgehen der Chartisten als Hochverrat und bezog sich dabei auf den Fall Lord Gordon. Schließlich hätten sie sich ebenfalls militärisch formiert, um die Soldaten ihrer Majestät angreifen zu können. Tatsächlich hatten Frost und die anderen Anführer die Bergleute in divisions eingeteilt, jeweils mit eigenen Major. Auch habe es konspirative Treffen zur Vorbereitung des Aufstands gegeben. Das sei Hochverrat in Reinform, denn eine solche Verschwörung, die darauf ziele, den Monarchen vom Thron zu stoßen, impliziere immer auch seinen bzw. ihren Tod: all attempts to depose the King from his royal state and title, to restrain his person, or to levy war against him, and all conspiracies, consultations, and agreements for the accomplishment of these objects, were overt acts of compassing and imagining the death of the King.46

Der kausale Zusammenhang zwischen einem Angriff auf die Soldaten in der ostwalisischen Provinz und dem dethrone the Queen from her royal state wurde dabei als gegeben vorausgesetzt.47 Denn von Newport aus sollte der Aufstand ganz Großbritannien erfassen, so das von Kronzeugen entlarvte scheme des Vorhabens: There was to be a general rising through Lancashire and throughout the kingdom, and Charter law universally and instantly established.48

Im Unterschied zu seinen frühneuzeitlichen Vorgängern, die sich nicht gescheut hatten, solche Schreckensszenarien für bare Münze zu nehmen, erklärte Campbell zwar, dass für dieses scheme eigentlich nicht die remotest chance bestanden hätte, um dann aber noch mit vielen Konjunktiven darauf hinzuweisen, wie gefährlich das Ganze eigentlich gewesen sei: Gentlemen, if it had not been that, providentially, the night between the Sunday and the Monday was one of the darkest and most tempestuous known for many years, it is difficult to conjecture the degree of mischief that might have been effected, before the insurrection could have been suppressed, and peace and tranquillity restored.49

45 46 47 48 49

4 RST 92f. 4 RST 136f. 4 RST 135. 4 RST 139. Ebd.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

455

Frost und zwei seiner Mitstreiter wurden am 16. Januar 1840 schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde aber, wie wir in Kapitel X.4 sehen werden, aus bestimmten Gründen nicht vollstreckt. Stattdessen wurde Frost nach Tasmanien verbannt. 1856 begnadigt, kehrte er schließlich nach England zurück und starb 1877. William Smith O‘Brien, 1848 Auch die Anklage gegen William Smith O’Brien (1803–1864) knüpfte an das levy war-Konstrukt an. O’Brien war im Juli 1848 einer der Anführer des Aufstands der separatistischen Young Ireland-Bewegung, der ebenso schlecht geplant war und kläglich scheiterte wie das Newport Rising einige Jahre zuvor. Der Aufstand endete, noch bevor er richtig angefangen hatte, in einem Feuergefecht mit einer Einheit der Irish Constabulary, die sich in einem Haus verschanzt hatte. Zur Verstärkung angerückte Polizeikräfte zwangen die Unabhängigkeitskämpfer schließlich zur Aufgabe.50 O’Brien wurde ein paar Tage später verhaftet und wegen Hochverrats vor die Dubliner Queen’s Bench gestellt. Der Prozess endete mit dem Schuldspruch. Genauso wie bei Frost wurde das Urteil aber nicht vollstreckt, sondern zur Überprüfung nach London überwiesen (auch das wird in Kapitel X.4 besprochen). O’Brien trat am Ende ebenfalls die Fahrt nach Tasmanien an und wurde noch vor Frost, 1854, begnadigt. ‚Seditious conspiracies‘ als Hochverrat zweiter Klasse Wir sehen eine Versammlung übelster Gestalten (Abbildung 36). Im Mittelpunkt steht der Gentleman-Radikale Henry ‚Orator‘ Hunt, der gerade einen Toast ausbringt: Damnation to the House of Brunswick. Angestoßen wird mit blutgefüllten Totenkopfkelchen. Mit von der Partie sind unter anderem die Spenceaner Arthur Thistlewood (ganz links), Thomas Preston (gegenüber von Hunt auf dem Holzschemel, mit blutigen Händen) und, in kurzen Hosen, Dr. James Watson. Der dunkelhäutige Mann ist (der tatsächlich weiße) Thomas J. Wooler, Herausgeber des radikalen Satiremagazins The Black Dwarf. In der Szene wimmelt es nur so von verdächtigen und gefährlichen Dingen. Alle tragen rote Freiheitsmützen (bonnets rouge) mit Kokaden. In Hunts blau-weiß-roten Gürtel stecken Pistolen und ein Dolch, hinter ihm steht eine Guillotine (To be put in Motion Soon). Thistlewood sitzt auf einem Pulverfass und hält eine Donnerbüchse im Arm. Das Pulverfass, auf dem der wild aussehende Mann rechts neben ihm sitzt, trägt die Aufschrift [G]un Powder To blow up House of Lords, unter seinem Arm klemmt ein Knüppel mit Spitze. Unter Westons Füßen liegen Piken und unter seinem Schemel, von einem 50

Zuletzt Sayers, The insurrection of 1848; Sloane, William Smith O’Brien and the young Ireland Rebellion of 1848.

456

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 36: Isaac Cruickshanks, „Modern Reformers in Council – or – Patriots Regaling: – vide the Resolutions of the Spa Fields & Spencean Societies“, 1818.

Messer durchstochen, ein Druck des Hochverratsprozesses gegen ihn, Thistlewood und Watson. Dieser trägt auf dem Rücken einen Old Stocking full of Gunpowder und eine Klistierspritze for the Regent. Rechts daneben steht eine Kiste mit Waffen. An der linken Wandseite hängen, gerahmt von Knochen, Bilder von Thomas Paine (als Jakobiner) und Napoleon, auf der rechten Seite hängen Poster, die einen Überfall auf die Bank von England und einen an einer Gaslaterne aufgehängten Richter zeigen. Auf dem Tisch liegen Papiere mit der Aufschrift Plan of the Tower Treasury Resolut[ions], Corres[pond]ence Proceedings against Church & State, Key to the Royal Bed Cham[ber] Calton Ho[use]. Es handelt sich um eine von Isaac Cruikshanks ätzenden Karikaturen (erschienen 1817), die das vom schottischen Zeichner verachtete Milieu der Jakobiner, Reformer, Radikalen und Demokraten und ihre Kultur der klandestinen Versammlungen grotesk überzeichnete. Wenn man sich aber dazu ansieht, was zugleich im Home Office an Informationen über die Reformer zusammengetragen wurde  – nicht selten auf der Grundlage ziemlich phantasiereicher Berichte seiner zahlreichen Spitzel –, dann könnte man auch sagen: So gänzlich unähnlich waren sich dieses Bild und die Schreckensbilder in den Köpfen der Obrigkeit wohl nicht.51 51

Es gab um 1800 tatsächlich eine weitverbreitete Alarmstimmung und die Sorge vor Verschwörungen. Vor allem die ab 1811 in Erscheinung tretende Ludditenbewegung bestärkte die Obrigkeit in ihrer Sorge vor einem geheimen, die britischen Inseln umspannenden Netz gewaltbereiter Umstürzler und Revolutionäre. Trotzdem sollte man nicht übersehen, dass die Verschwörungs-

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

457

Das Bild stellt eine Variation des traditionellen Topos ‚Verschwörertreffen‘ – hier angeblich zur Vorbereitung der ‚Spa Fields Riots‘ (1816) – mit visuellen Mitteln dar, und es ist daher besonders gut geeignet, zeitgenössische Vorstellungen über Formen politischer Delinquenz herauszuarbeiten.52 Auch im Home Office ging man davon aus, dass sich die angeblich so friedfertigen Radikalen  – in Wirklichkeit ‚vaterlandslose Gesellen‘ – andauernd konspirativ versammelten und unheilvolle Pläne schmiedeten. Mit akribischem Aufwand wurden dort etwa 1820 Treffen von Henry Hunt, Arthur Thistlewood und dessen Cato Street-Verschwörer nachzuweisen versucht.53 Für die obrigkeitlichen Sicherheitsakteure war der ganze radikale Untergrund letztlich ein Ausbund an Hochverrat, der sich aber nicht in allen Fällen gerichtsfest anklagen ließ, und das Fiasko verlorener Hochverratsprozesse wollte man so weit wie möglich vermeiden. Daher wich man in einigen Fällen auf Anklagen aus, die zwar den Vorwurf staatszersetzender Umtriebe mittransportierten – und auf diese Botschaft kam an –, die aber zugleich die beweisrechtlichen Hürden umgingen, die die Anklagen bei Gordon, Hardy oder Watson zu Fall gebracht hatten.54 Statt auf high treason und imagining the King’s Death lautete die Anklage im Fall von Henry Hunt, Thomas J. Wooler und Daniel O’Connell auf seditious conspiracy.55 Anders als Hochverrat wurde seditious conspiracy nicht in Statuten definiert, sondern gründete sich auf Präzedenzfälle – und blieb auch deswegen überaus vage. Im Grunde handelte es sich um den Versuch, das traditionelle sedition-Konzept nicht nur auf die Veröffentlichung von Schriften zu beschränken, die als seditious libel vor Gericht gebracht und als misdemeanour bestraft werden konnten. Sedition, das im spätmittelalterlichen Rechtsdiskurs semantisch eng mit treason verwandt war56, wurde vor allem durch das umstrittene Star Chamber-Gericht (aufgelöst 1641) mit aufrührerischen Reden und Schriften gleichgesetzt. Dabei wurde von den Kronjuristen des frühen 17. Jahrhunderts unterstellt, dass es sich bei sedition nicht nur um illegale Herrschaftskritik oder Majestätsbeleidigung handele, sondern um höchst subversive, staatsgefährdende Akte im Medium von Worten, Schriften und Petitionen, kaum weniger schlimm als Hochverrat.57 Sedition wurde mit Ver-

52

53 54 55

56 57

furcht auch Bestandteil einer politischen Sprache mit konkreten Absichten war: „In gewisser Weise brauchte die Regierung Verschwörer, um die Fortsetzung ihrer repressiven Gesetzgebung, die eine landesweite Organisation des Volkes verhindern sollte, zu rechtfertigen“, Thompson, Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse, Bd.2, 568. Den dazu gehörenden normativen (aber gleichwohl widersprüchlichen) Diskurs rekonstruierte Lobban, From seditious libel to unlawful assembly; Lobban, Treason, sedition and the radical movement. Stanhope, The cato street conspiracy, 146–170. Emsley, An aspect of Pitt‘s terror, 174ff. Das erste Beispiel für einen solchen Hochverratsprozess zweiter Klasse war der Prozess gegen den Radikalen Henry „Redhead“ Yorke 1795. Yorke wurde wegen seditious conspiracy zu einer zweijährigen Haftstrafe und zu einer Buße von 200 Pfund verurteilt, vgl. Stephen, History of the criminal law, Vol. II, 378. Zum Prozess jetzt Yuval, Between heroism and acquittal. Manning, The Origins of the Doctrine of Sedition, 103f. So gab es im 15. Jahrhundert Hochverratsprozesse aufgrund von aufrührerischen Worten. In den Worten von Lordkanzler Ellesmere (1605): Suche are meinteiners & moovers of sedition: whereof there are twooe sortes of offenders in a highe degree, & deserve the greateste punishmente nexte to treason: th‘ one are scandalous speakers that now saye they are depryved withoute lawe,

458

1780–1850: Normalisierungsregime

hetzung, Aufwieglung, Unfrieden, Revolten, Meuterei und Verschwörung assoziiert.58 Nachdem es im 18. Jahrhundert eine eher untergeordnete Rolle gespielt hatte, rekurrierten die englischen Obrigkeiten nach 1789 wieder verstärkt auf das Delikt und brachten es gegen jene jakobinisch, reformerisch oder radikal gesinnten Akteure in Stellung, bei denen Hochverratsprozesse als zu riskant erachtet wurden.59 Als seditious conspiracy wurde sedition performativ gedacht, so dass öffentliche Kundgebungen, wie sie in den 1790er Jahren auf den britischen Inseln üblicher wurden60, ebenfalls darunter fielen – auch wenn der Anklage keine Schriftstücke (libels) zugrunde gelegt werden konnten. Die Rede bei einer stets als gefährlich vorgestellten Kundgebung galt als seditious genug. Dass sedition dabei mit conspiracy verschränkt wurde, reflektierte nicht nur die ‚konspirative Gouvernementalität‘ infolge der Französischen Revolution.61 Vielmehr sollten auf diese Weise politische Versammlungen selbst als große Verschwörungen gedeutet und ihre Organisatoren dafür vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Es ging also nicht nur darum, dass radikale Kundgebungen als das Resultat klandestiner Vorbereitungen gedeutet wurden, sondern dass sie als solche eine öffentlich sichtbare, offensichtlich gewaltbereite Verschwörung gegen Krone und Staat sein sollten. Nach der als Peterloo Massacre bekannt gewordenen, durch die Kavallerie gewaltsam aufgelösten Kundgebung in Manchester, erklärte Richter Norris vom dortigen New Bailey Court im August 1819 Henry Hunt diese Rechtsauslegung wie folgt: It is a most painful duty to me to commit you for a conspiracy. We can, however, lay our hands on our hearts, and say ‚We have done our duty.‘ As to the charge of conspiracy, though you might not have been all together previous to the meeting, yet, in the eye of the law, all those who commit separate acts, tending to one illegal object, are guilty of that crime. Coupling the two meetings together, taking into consideration the manner in which the last was assembled, with such insignia and such a manner, with the black flag, the bloody dagger, with „Equal Representation or Death,“ you came in a threatening meanner, you came under the banners of death, thereby showing you meant to overturn the Government. There could be no free discussion where that flag was unfurled. The charge now is that of ‚having conspired to alter the law by force and threats.‘ It is an illegal matter, and sufficiently made out, and calls upon us imperatively to commit you for trial by a proper jury. It is now our painful duty to commit you to Lancaster Castle.62

58 59

60 61 62

againste lawe, & iniustelye; wryters & lybellers that taxe kinge, state & governnente.Th‘ other are petitioners that come in multitudes, or presume of multitudes of subscriptions of handes, as papists and sectaryes or puritanes: ‚hoc est mouere seditionem regni’, which is treason […], zit. nach Manning, The Origins of the Doctrine of Sedition, 111. In der Zeit der Star Chamber wurde sedition auch nicht so glimpflich geahndet wie um 1800, sondern mit Körper- und Schandstrafen (Ohrenabschneiden, Pranger) sanktioniert, vgl. Kishlansky, A whipper whipped. Greaves, Conventicles, Sedition, and the Toleration Act of 1689. Epstein, ‚Our real constitution‘; Epstein, „Equality and no king“; Davis, „Good for the public example“; Davis, „I Can Bear Punishment“; Davis, Prosecution and radical discourse; Emsley, Repression; Emsley, Britain and the French Revolution, 31ff. Mee, Popular radical culture. Vgl. zu dieser Mentalität Whatmore, Treason and despotism; Emsley, The impact of the French Revolution. 1 RST 174f.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

459

Diese Auslegung, wonach seditious conspiracy sowohl die Verschwörung zu einer aufrührerischen Versammlung als auch die Versammlung selbst eine aufrührerische Verschwörung war, wurde bei verschiedenen politischen Prozessen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts appliziert.63 Ganz ähnlich wie bei den inoffiziellen Auslegungen zu Hochverrat von 1660 schien den Common Lawyern des 19. Jahrhunderts dabei aber nicht ganz wohl gewesen zu sein. Gesetzlich fixiert wurde es nicht, und das amerikanische Delikt gleichen Namens versteht darunter die Verschwörung zu einer terroristischen Straftat, knüpft also nicht direkt an die britische Auslegungstradition an.64 3. DIE NORMALISIERUNG DER FÖRMLICHKEIT Der Auftakt beim Prozess gegen Gordon Am 25. Januar 1781 wurde George Lord Gordon vor die King’s Bench geführt, wo ihm das Indictment vorgelesen und die obligatorischen Fragen gestellt wurden. Bei diesem Arraignment ‚passierte‘ nichts über das hinaus, was das Gericht und die Kronanwälte vom Angeklagten erwarteten: nämlich dass er plädierte und in richtiger Weise die Frage nach der Verfahrensweise beantwortete. Gordon plädierte auf not guilty und überantwortete sich God and my Country. Was in den älteren Verfahren der Ort für erste Machtproben gewesen war und bei den reformierten Verfahren um 1700 eine Gelegenheit für juristische Winkelzüge, war im Prozess gegen Gordon zu einer Formalie geworden. Einen Rest an Selbstdarstellung erreichte Gordon immerhin noch dadurch, dass er, wie die Whitehall Evening Post und andere Zeitungen registrierten, in Trauerkleidung gekommen war und sich bemerkenswert gefasst zeigte.65 Mit Konfliktbereitschaft von Seiten des Angeklagten oder seinen Anwälten hatte man offenbar nicht gerechnet. Denn genauere Anweisungen zur Durchführung dieses Verfahrensabschnitts und möglichen Antworten auf Proteste des Angeklagten bei diesem nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder durchgeführten Hochverratsprozess sind nicht überliefert. Dagegen wurde für den Auftakt der Hauptverhandlung am 5. Februar nichts dem Zufall überlassen. In der Schreibstube der King’s Bench wurden sowohl für den Gerichtsdiener (clerk of the crown) als auch für den Rufer (cryer) Handzettel mit ihren Sprechakten und den Zeitpunkten, an denen diese zu äußern waren, gefertigt (Abbildung 37).66

63

64 65 66

1820 lag sie auch dem Prozess gegen den Reformer John Cartwright (1740–1824) zugrunde. Über den Vorwurf hieß es im Nachruf auf Cartwrights Anwalt: The conspiracy consisted in having covened a meeting in Birmingham […], in: The Solicitors‘ Journal & Reporter, Volume XVI, 1871–72, 613. Head, Crimes Against The State, 154, 166f. Whitehall Evening Post, 23.-25. Januar 1781, Nr. 5427. TNA KB 33/5/12.

460

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 37: Sprechzettel für den Cryer im Prozess gegen Lord Gordon.

Weitere Regieanweisungen befanden sich auf dem für den Clerk gedachten Zettel mit dem Titel Form of Trial.67 So sollte der Angeklagte in die Halle geführt werden, nachdem das Publikum schon anwesend war. Auch sollte er vor Publikum 67

TNA KB 33/5/12.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

461

gefragt werden, if he have had a Copy of the Pannel of the Jury delivered to him ten Days or more since. Falls er dies verneinen sollte, habe man einen Zeugen, der die rechtzeitige Zustellung mit seiner Aussage beweisen könne.68 Gordon bestätigte aber die rechtzeitige Zustimmung der Liste mit über siebzig Namen. Immerhin neunzehn Kandidaten lehnte Gordon davon ab. Die schließlich zusammengekommenen zwölf Männer vereidigte der Clerk mit einem auf seinem Zettel vorgeschriebenen Eid. Es sollte also schon gleich zu Beginn zum Ausdruck kommen, dass sich Gericht und Kronanwälte peinlich genau an die gesetzlichen Vorschriften für Hochverratsverfahren hielten. Schließlich gab es nicht wenige Sympathisanten, die die Hochverratsanklage für einen Skandal hielten. Die vielen Regulierungen, die im Vorfeld getroffen worden waren, dienten aber auch dazu, die in der Westminster Hall anwesenden kritischen Zuschauer im Griff zu behalten.69 Es handelte sich also um Sicherheitsvorkehrungen, die zugleich auch der Würde von Gericht und Verfahren dienen sollten. Während der Vereidigung der Jury betraten die sieben Kronanwälte und Gordons zwei Verteidiger den Raum. Erst nach der Vereidigung der Geschworenen kamen nun auch Lord Mansfield und die beisitzenden Richter in den Saal, und zwar, wie die Anwälte, aus direkt dahinterliegenden Räumen, aber durch verschiedene Eingänge. Als nun alle Beteiligten anwesend und die Geschworenen vereidigt worden waren, ging es weiter mit dem nächsten Schritt des Verfahrens, nämlich der rituellen Ansprache des Clerks an die Geschworenen, die zugleich als eine Art offizieller Auftakt fungierte: George Gordon hold up your Hand – Gentlemen of the Jury look upon the Prisoner and hearken to his cause – He stands indicted by the Name of Geo. Gordon […] for that he […].70

Der Clerk verlas dann das Indictment und informierte die Geschworenen darüber, dass sich Gordon für nicht schuldig bekannt habe. Im Unterschied zu früher, als arraignment und process (Hauptverhandlung) in einigen Fällen miteinander gekoppelt waren, hatten die Geschworenen diese Festlegung in diesem Fall selbst nicht miterlebt. Es sei nun ihre Aufgabe zu entscheiden, whether he be guilty of this High Treason in Manner and Form as he stands indicted or not guilty […] and hear your evidence.71 Dann übernahmen die Kronanwälte und eröffneten die Anklage. Der Auftakt des Hochverratsverfahrens war auch am Ende des 18. Jahrhunderts ein Spektakel. Und das galt nicht nur für Prozesse vor der King’s Bench in der Westminster Hall, sondern auch für solche in Old Bailey und sogar für solche in der Provinz. Dass diese Spektakel in der Regel reibungslos verliefen, war Aus68 69 70 71

Ebd. Whitehall Evening Post, 3.-6. Februar 1781, Nr. 5432. Anon., The Trial of the Honourable George Gordon, 17. Anon., The Trial of the Honourable George Gordon: Commonly Called, Lord George Gordon, for High Treason, at the Bar of the Court of King‘s Bench, on Monday, the 5th Day of February, 1781, Canterbury 1781, 46.

462

1780–1850: Normalisierungsregime

druck einer schon weitgehend abgeschlossenen Formalisierung des Verfahrens. Formalisierung verstehe ich dabei mit Sybille Krämer als die Institutionalisierung von „wiederholbare[n] und übertragbare[n] Verfahrensschritte[n]“, bzw. den „typographischen, schematischen und interpretationsfreien Symbolgebrauch“ der Handlungen automatisiert und spontane Initiativen zu unterbinden sucht.72 Im 16. und 17. Jahrhundert gab es Formalisierungen immer nur in Ansätzen. Die Form des Verfahrens war bei dessen Durchführung immer wieder zum Gegenstand von Machtkämpfen und Aushandlungsprozessen geworden und es kam zu einem von konkurrierenden Interpretationen geprägten Symbolgebrauch. Dagegen erlangte das Verfahren um 1800 immer mehr den Status einer unverfügbaren Routine, und zwar unverfügbar sowohl für die Angeklagten als auch für Kronanwälte und Richter. Ihnen allen standen erlaubte Spielräume zur Verfügung, nicht aber die Möglichkeit, das laufende Verfahren zu ihren Gunsten umzustrukturieren. Diese um 1800 erreichte Formalisierung beruhte auf verschiedenen Ressourcen, darunter vor allem Rituale und Symbole, Programmstrukturen sowie Räume und anderen Materialitäten. Diese Ressourcen und ihre Auswirkungen im Verfahren sollen im Folgenden beleuchtet werden. Rituale Die Hochverratsprozesse um 1800 begannen ebenso mit rituellen Sequenzen wie auch die Prozesse früher. In den gedruckten Prozessbeschreibungen, die in aller Regel schon einige Tage nach dem Urteil auf dem Markt waren und die zu dieser Zeit fast ausschließlich vom offiziellen Gerichtsstenographen Joseph Gurney stammten, wurden die Rituale aber kaum mehr einer detaillierten Beschreibung für nötig erachtet. So wurde etwa im Protokoll des Prozesses gegen William Stone am 28. und 29. Januar 1796 nur kurz vermerkt, dass der Angeklagte vorgeführt (set to the bar) und die fast 80 Kandidaten für die Jury berufen worden waren.73 Dann konnten die Ergebnisse des Challanging protokolliert, die schließlich gefundene Jury genannt und das Indictment wiedergegeben werden. Dass dies alles mit den überkommenen Ritualen vollzogen wurde, konnte in den Verfahrensbeschreibungen vorausgesetzt werden. Tatsächlich ‚passierte‘ bei dem Auftakt der meisten Hochverratsprozesse auch wenig, was eigens hätte berichtet werden müssen, weil es Routinen durchbrochen oder Konflikte provoziert hätte. Die rituelle Förmlichkeit des Verfahrens hingegen war normal geworden und nicht der Rede wert. Rituale waren also nach wie vor ein Kennzeichen der Verfahren um 1800. Aber sie hatten im Vergleich mit den Verfahren um 1600 eine tendenziell andere Funktion erlangt. Während sie damals vor allem dazu dienten, das Verfahren im interaktiven Vollzug von seiner Umwelt abzugrenzen74, war diese Grenzziehungsleistung im Verfahren um 1800 durch die Einrichtung spezifischer Gerichtsräume weniger 72 73 74

Krämer, Symbolische Maschinen, 2. Gurney, The Trial of William Stone. Im Sinne von Arlinghaus, Sprachformeln und Fachsprache.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

463

wichtig geworden. Im Grunde erfuhren die Rituale erst jetzt jene Sinngebung, die die kritische Kriminalhistorie um E. P. Thompson als ein universales Kennzeichen gedeutet hatte, nämlich die „Majesty of Law“ zu vergegenwärtigen und als „elaborate manifestation of state power“ zu wirken.75 In dem Maße also, wie das Verfahren als Interaktionssystem nicht mehr darauf angewiesen war, durch rituelle Handlungen in Existenz gesetzt zu werden, sondern von staatlichen Institutionen verlässlich veranstaltet wurde, öffneten sich die Rituale für neue Sinnzuschreibungen.76 Es ist z.B. nicht zu übersehen, welchen Wert die Richter auf ein würdevolles und distanziertes Verhalten legten, und zwar auch deswegen, weil genau dies im 18. Jahrhundert zum Gegenstand von Spott geworden war, etwa in William Hogarths berühmter Bildsatire The Bench von 1758 (Abbildung 38). Zu dieser Zeit wurde aus dem Habit und der Perücke der Richter eine Form der Inszenierung des amtlichen Körpers und damit ein Beitrag zur Schaffung einer überindividuellen Richterrolle. Was im späten 17. Jahrhundert noch Mode gewesen war, wurde zu einer Insignie der Strafjustiz. Eine solche Erscheinung, und hier vor allem die Perücke, stützte auch den richterlichen Anspruch, dass sich in seinem Sprechen nicht nur die Person, sondern ‚das Recht‘ (the Law) als solches zum Ausdruck brachte. Auch dem Gerichtspersonal wurde in Handbüchern genau vorgeschrieben, welche rituellen Handlungen und Sprechakte an welcher Stelle des Verfahrens zu vollziehen waren. Entsprechende Manuale wie The Crown Circuit Companion wurden regelmäßig wieder aufgelegt.77 Im Handbuch The Practice of the Criminal Courts des Friedensrichters George Bolton von 1835 wurde der ceremony of the court on trial ein eigenes Kapitel gewidmet.78 Die Rituale wurden als eine unabänderliche manner of opening and conducting the proceedings of the court on the trial of criminals […] accompanied with a degree of pomp and splendour dargestellt.79 Abb. 38: William Hogarth, The Bench, 1758. 75 76 77 78

79

Hay / Linebaugh / Rule / Thompson / Winslow, Albion‘s fatal tree, 26ff. Zum Ritualwandel allg. Stollberg-Rilinger, Rituale, 218ff. Stubbs / Talmash, The crown circuit companion; bis 1799 erfolgten neun weitere Auflagen. Bolton, The practice of the criminal courts, 105ff. Boltons Handbuch war ausdrücklich als Ergänzung zu der als zu theoretisch wahrgenommenen juristischen Literatur gedacht, vgl. dazu die Rezension in The Legal Observer, or Journal of Jurisprudence 10 (1835), 118–120. Bolton, The practice of the criminal courts, 105.

464

1780–1850: Normalisierungsregime

Der Wert, der im Prinzip auf die rituellen Förmlichkeiten gelegt wurde, ging allerdings einher mit ihrer auffällig laxen Handhabung in der forensischen Praxis. Dieser Umstand ist den meisten deutschsprachigen Prozessbeobachtern des frühen 19. Jahrhunderts aufgefallen. So registrierte Mittermaier bei seinem Aufenthalt in London 1850 zum einen den rituellen Auftakt einer Sitzungsperiode in Old Bailey, bei der der Lord Mayor mit den Aldermen und Sheriffs feierlich einzieht. Zum anderen aber fiel ihm auch die fast schon demonstrative Lässigkeit auf, mit der die Gerichtsrituale eigentlich vollzogen wurden: In England nimmt der Gerichtsbote den Eid ab, dessen Formel er ohne alle Feierlichkeit mechanisch vorsagt.80 Und auch sonst ging es für Mittermaier im Gerichtssaal  – wo er gewöhnlichen Prozessen zusah – alles andere als theatralisch zu: Ausländer, welche an die französischen Zustände gewohnt sind, vermissen leicht in den englischen Gerichtssitzungen die Würde oft richtiger den theatralischen Charakter; es ist richtig, dass viel im Saale geschwätzt wird; die üblichen Anreden an den Angeklagten werden rasch und ohne Feierlichkeit gesprochen; der Richter erhebt die Stimme nicht sehr, und auch die Anwälte kümmern sich um das Publikum nicht sehr, sondern wenden sich nur an die Geschworenen und sprechen nur so laut als es nöthig ist, damit die Geschworenen gehörig unterrichtet werden. Man sieht, dass in England und Schottland es sich nicht um ein grosses Drama handelt, was man aufführen und wobei jeder Redner das Interesse der Zuhörer erwecken und Beifall erhalten will, sondern dass es auf den ernsten Akt der Handhabung der Gerechtigkeit ankömmt, in welchem jeder seine Pflicht thun will. Der grosse Eindruck, welchen die englische Verhandlung macht, liegt in dem sittlichen Ernst und in der Entfernung aller Leidenschaftlichkeit von Seite derjenigen, welche bei dem Akte, in welchem die bürgerliche Gesellschaft mit der Anklage einem Bürger gegenüber Auftritt, thätig zu sein haben.81

Abgesehen davon, was Mittermaier in dem Ablauf des Verfahrens zum Ausdruck kommen sehen wollte, nämlich den liberalen Geist der englischen Verfassung82, ist seine Beobachtung deswegen interessant, weil er die Praxis der englischen Strafrechtspflege genau so sah, wie sie selbst gesehen werden wollte: nämlich als eine Justiz, die sich nur auf die Sache selbst richtete und die ganzen Rituale und Zeremonien gar nicht nötig hatte, diese nur als einen traditionellen Zierrat über sich ergehen ließ und abhakte, um dann zum Eigentlichen zu kommen, zum ernsten Akt der Handhabung der Gerechtigkeit.83 Der distanzierte und laxe Umgang mit Ritualen ist auch ein Kennzeichen der deutschen Verfahrenspraxis in der Gegenwart. Hier haben die Soziolinguisten Wolff und Müller in Bezug auf das Ritual der Zeugenbelehrung gezeigt, dass dies 80 81 82 83

Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 412. Ebd, 401. Vgl. dazu Ebd., 4–64. Ebd., 4. Allerdings muss man Mittermaiers Beobachtung einordnen: Im Saal wurde es vor allem bei den reihenweise abgehandelten Prozessen bei Alltagsdelikten lauter. Bei Hochverrat kamen bei Publikumsgeräuschen dann aber doch sehr rasch Ordner zum Einsatz. Richter waren bei diesen Fällen auch alles andere als jovial und ließen sich keine Respektlosigkeiten bieten.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

465

dazu diene, symbolisch die Gleichbehandlung aller Zeugen durch das Gericht zu markieren.84 Das Ritual dient, so nachlässig es auch vollzogen wird, der Formalisierung und Entpersönlichung des Verfahrens. Diese Deutung hilft auch zum Verstehen der englischen Gerichtspraxis um 1800. All die Ritualisierungen und Symbolisierungen richteten sich weniger darauf, dem Verfahren Identität gegenüber seiner sozialen Umwelt zu verleihen. Vielmehr waren sie ein wichtiger Beitrag zur Darstellung des Verfahrens als einer unabänderlichen Ablauforganisation, und zwar zum frühest möglichen Zeitpunkt, als noch alle Aufmerksamkeit auf ein Zentrum hingelenkt werden konnte. Zugleich schufen sie Erwartungssicherheit über den Ablauf des Verfahrens.85 Die Ritualisierung unterstützte die Erwartungen der Beteiligten an das, was jeweils richtigerweise ‚als nächstes‘ kam. Insofern leistete auch die Ritualisierung ihren Beitrag zur Durchsetzung einer Programmstruktur des gesamten Verfahrens. Programmstruktur des Gesamtverfahrens Das englische Gerichtsverfahren war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Gegenstand zahlreicher Abhandlungen von Beobachtern aus dem kontinentaleuropäischen Ausland geworden, die damit auch Vorschläge für die Neugestaltung des Strafverfahrens im jeweils eigenen Land unterbreiteten. Der Wert dieser Abhandlungen liegt darin, dass sie das Verfahren im Ganzen und in seinem Ablauf darstellen. Für den Zürcher Staatsanwalt Johann Jakob Rüttimann stellte sich die Hauptverhandlung in den 1830er Jahren wie folgt dar: Nach dem die kleine Jury auf die oben […] angegebene Weise gebildet und beeidigt worden ist, so werden alle Angeklagten, bis auf einen […] abgeführt und dann das Verfahren mit Rücksicht auf den oder die an den Schranken befindlichen Angeklagten fortgesetzt. Vor allem wird aus der Anklageakte vorgelesen. Hierauf nimmt der Advokat des Anklägers das Wort und eröffnet in größter Kürze der Jury den Gegenstand der Anklage und wie er denselben beweisen wolle. Zweck dieser Rede ist, den Geschworenen eine kurze Übersicht des Falls zu geben, damit sie zum Voraus wissen, zu welchem Ende hin jeder einzelne Zeuge aufgerufen wird, was durch ihn bewiesen werden soll, und in welchem Zusammenhang jedes einzelne Zeugnis mit dem ganzen Beweise an sich befindet.[…] Nach Beendigung der Anrede produziert der Redner die Beweismittel, namentlich verhört er die Zeugen […]. Nach Anhörung jedes Einzelnen steht es dem Advokaten des Angeklagten frei, auch seiner Seits gewisse Fragen an den Abgehörten zu richten, so wie natürlich die nämliche Befugnis dem Richter und den Geschworenen zusteht. Nachdem die Zeugen des Anklägers einvernommen sind, ruft der Vertheidiger diejenigen des Angeklagten und verhört sie, wobei hinwiederum dem Ankläger das 84 85

Wolff / Müller, Kompetente Skepsis, 88. „One important side effect of ceremonial standardization is the possibility of anticipating what comes next. It allows for a strong trial- and case-orientation already in the early pre-trial phases”, so Scheffer / Hannken-Illjes / Kozin, Criminal defence, 155.

466

1780–1850: Normalisierungsregime

Recht des Kreuzverhörs zusteht. […] Nachdem das Beweisverfahren beendigt ist, darf der Vertheidiger […] noch eine Schutzrede zu Gunsten des Angeklagten an die Jury richten und darin die Beweise gegen denselben widerlegen, diejenigen für ihn hingegen so viel möglich in ein günstiges Licht […]. Zum Schlusse resümiert der Richter den ganzen Fall der Jury und wiederholt namentlich noch einmal die Zeugenaussagen, deren wesentlichen Inhalt er während der Verhandlungen niederschreibt.86

Rüttimanns Textpassage lässt sich als ein Abriss der Programmstruktur des Gerichtsverfahrens lesen. Dass Entscheidungsverfahren programmierbar sind, wurde zuerst von Herbert A. Simon bemerkt und von Niklas Luhmann im Rahmen seiner organisations- und rechtssoziologischen Studien genauer konturiert. Bei Entscheidungsprogrammen geht es um die Art und Weise, wie ein Verfahren mit Informationen umgeht. Wenn in einem Verfahren die Entscheidungsherstellung programmiert ist – und das ist nicht notwendig immer der Fall –, dann dient dies dazu, um „gleichmäßige Zustände oder Wirkungen des Systems zu sichern, die nicht von jeder Schwankung in der Umwelt durcheinandergeworfen werden, sondern nur auf spezifische, ausgesuchte Informationen durch Anpassung reagieren“.87 Rechtsanwendenden Verfahren liegt typischerweise ein Routine- oder Konditionalprogramm zugrunde, d.h. das Verfahren operiert mit einem Wenn-dann-Schema in der Art und Weise, wie es Rüttimann – natürlich ohne den Begriff und das Konzept zu kennen – zum Ausdruck gebracht hat. Eine solche Programmstruktur lässt sich losgelöst vom Einzelfall und abstrakt schildern. Zumindest war das um 1800 der Fall. Auch die Darstellung des Strafverfahrens bei Sir Thomas Smith lässt sich als ein Konditionalprogramm deuten. Allerdings bezog sich das Wenn-dann-Schema bei Smith auf die Auftakt- und Schlussrituale, wohingegen er die Hauptverhandlung nur als altercation, als Phase des Austauschs kontradiktorischer Behauptungen charakterisieren konnte. Die Verfahrensbeschreibungen des frühen 19. Jahrhunderts können hingegen auch den Ablauf der Hauptverhandlung, also das Zentrum der Wahrheits- und Entscheidungsfindung behandeln. Das ganze Verfahren erschien nun als in einzelne, konditional miteinander verbundene Schritte eingeteilt. Im Gerichtsverfahren summierte sich das Wenn-dann-Schema allerdings keineswegs zur einzig richtigen Entscheidung über Schuld oder Unschuld, sondern regelte nur verbindlich die Schritte, die durchlaufen wurden, bevor die Geschworenen am Ende – und auch das war Teil der programmierten Routine – ihre Entscheidung treffen mussten. Beim Prozess des Entscheidens erfüllte ein Konditionalprogramm im Wesentlichen drei Funktionen: Zum einen unterband es spontane Initiativen – von welcher Seite auch immer! –, und das war vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung des Verfahrens seit dem 16. Jahrhundert eine (für das Verfahren) ganz essentielle Funktion. Die Verhandlungen verloren auch deswegen ihren äl86 87

Rüttimann, Ueber die englische Strafrechtspflege, 75f. Das Phänomen der konditionalen Programmierung wird von Luhmann an verschiedenen Stellen seines Werks diskutiert, vgl. etwa Luhmann, Politische Planung, 117; Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, 275ff.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

467

teren Charakter als Kraftproben zwischen Veranstaltern und Angeklagten. Zum anderen immunisierte das Programm das Verfahren gegen Kritik, weil es die Verantwortung für den Gang der Entscheidung und damit auch für die Entscheidung selbst nicht den Akteuren, sondern der abstrakten form of trial zuweist, die schon im Voraus feststand und von den Entscheidern nur angewendet wurde.88 Zum dritten entlastete es das Verfahren und seine Entscheider von der Verantwortung für die Folgen der Entscheidung: Richter und Geschworene waren nicht schuld am Tod eines Hochverräters, obwohl ihre Entscheidung den Tod des Verurteilten bewirkt hatte. Ein konditional programmiertes Verfahren garantierte die Herstellung von Entscheidungen, entlastete die Beteiligten aber zugleich von der Verantwortung für die Folgen dieser Entscheidung über das Verfahren hinaus.89 Die Institutionalisierung von Konditionalprogrammen, die um 1800 nicht nur mehr einzelne Sequenzen, sondern das Verfahren in allen seinen Phasen regulierten, waren daher unverzichtbare Bestandteile einer Legitimation durch Verfahren.90 Das Wenn-dann-Schema konnte bei Bedarf gegen Störer als Norm zur Geltung gebracht werden, aber solche Fälle waren um 1800 die absolute Ausnahme – im Unterschied zum späten 17. Jahrhundert. Viel eher wurde die Programmstruktur von allen Beteiligten als eine überindividuelle Macht erlebt, als deren Sprachrohr der Gerichtsdiener und der Gerichtsrufer auftraten. Wie am Beispiel des GordonProzesses gezeigt, stellte sich der Auftakt eines Verfahrens im besonderen Maße als eine konditional programmierte Kette aus Sprech- und Aufschreibeakten dar, die so und nicht anders aufgeführt werden mussten und die sich daher auch abstrakt vorschreiben ließen, etwa im weiterverbreiteten, häufig von verschiedenen Herausgebern wieder aufgelegten Handbuch The Crown Circuit Companion. Doch nicht nur der Auftakt, sondern der ganze Ablauf des Verfahrens wurde darin als eine Folge von Wenn-dann-Sätzen repräsentiert: When the judges first come into the court, the crier makes the following proclamation: Oyez, Oyez, Oyez! […] Then the clerk of the assize, or the clerk of the arraigns reads the several commissions before mentioned. After the commissions have been read, the crier says to the sheriff thus: Sheriff of the county, return the several precepts and writs of assize and nisi prius to you directed, and return here this day, that my lords the king’s justices may proceed thereon; which the sheriff does accordingly. […] When the jurors have appeared, then the clerk of the arraigns calls to the bar the prisoners […]. Then the crier makes proclamation, and says […]. Then the clerk calls the jury to be sworn […]. 88 89 90

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 131f. Nach Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, 276. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 129f.

468

1780–1850: Normalisierungsregime

Then the crier counts the jurors […]. Then the clerk of the arraigns calls the prisoner […]. And then the court proceeds to examine the witnesses, upon oath, as well for the king as for the prisoner. When the jury are agreed, the clerk of arraigns asks them if they are agreed on their verdict, and whether the prisoner is guilty of the felony whereof he stands indicted, or not guilty?91

Zum einen war die konditionale Programmstruktur ein beobachtbares Faktum der Verfahrenspraxis um 1800  – beobachtbar sowohl im Gerichtssaal selbst wie auch bei der Lektüre der gedruckten Trials. Zum anderen wurde sie aber auch in einem weiteren Medium repräsentiert und normiert, nämlich in der nach 1800 in zunehmendem Maße publizierten Literatur zur Strafprozessordnung. Bei diesen Beiträgen über die Form des Strafprozesses handelte es sich allerdings nicht nur um Fachbücher für Spezialisten. Wie auch schon im Falle der älteren Traktate von Edward Coke oder Matthew Hale waren die Publikationen eine Art Darstellung des Ablaufs der englischen Strafrechtspflege für ein größeres Publikum, und zwar aus der Feder ihrer führenden und z.T. selbst vor Gericht erfolgreichen Repräsentanten. Einflussreich waren die Kompendien von Thomas Starkie (1782–1849)92, John Fredrick Archbold (1785–1870)93 oder Joseph Chitty d. Ä. (1775–1841)94, um nur die wichtigsten zu nennen. Es handelte sich dabei um offiziöse Handreichungen für die Durchführung von Verfahren, mit großen Auswirkungen auf die forensische Praxis. Diese Kompendien spiegelten nicht nur die konditionale Struktur der Gerichtsverfahren, indem sie diese als Abfolge technischer Schritte – von den polizeilichen Ermittlungen, den Voruntersuchungen und der Anklageerhebung (von Amts wegen (information) oder per Indictment), der Einberufung von Geschworen und der Vorladung von Zeugen über Arraignment und Hauptverhandlung (process) bis hin zu möglichen Rechtsmitteln  – darstellten und in allen Details erläuterten. Dadurch, dass sie diese Schritte wie selbstverständlich als form of trial darstellten, leisteten sie vielmehr auch einen weiteren Beitrag zur Institutionalisierung des Routineprogramms. Chittys vierbändiger, 1816 erschienener und mehrfach neu aufgelegter A practical treatise on the criminal law, das einflussreichste Kompendium dieser Art im Vereinigten Königreich bis in die viktorianische Zeit, stellte das idealtypische Verfahren dabei auf der Grundlage der Hochverratsprozesse von 1696 vor. Daran zeigt sich, dass die Strafjustiz nach wie 91 92 93

94

Stubbs, The Crown Circuit Companion, 6f. Starkie, A treatise on criminal pleading (mehrere Auflagen, u.a. in den USA). Archbold, A summary of the law. Dieses Handbuch wurde im 19. Jahrhundert 21 Mal wiederaufgelegt, bis 1992 wurden 43 erheblich revidierte Neuauflagen gezählt, seitdem erscheint es jährlich unter dem Markennamen Archbold‘s Criminal Pleading, Evidence and Practice und gilt als das Standardwerk des Kriminalprozessrechts in Großbritannien; dazu Simpson, The rise and fall of the legal treatise. Chitty, A practical treatise.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

469

vor von ihrem prominentesten Delikt her gedacht wurde, auch wenn der gerichtliche Alltag von gewöhnlichen Prozessen dominiert wurde. Im Unterschied zur Prozessidealisierung des 16. und 17. Jahrhunderts war Chitty aufgrund der frühen Jakobitenprozesse in der Lage, auch die Stationen der Hauptverhandlung zu skizzieren, also die Reden der Kronanwälte und der Verteidiger und die Konklusion des Richters (summing up).95 Zudem bot sein Practical treatise Formulare für jeden erdenklichen Anlass: Von der Zeugenvorladung über die Anforderung von Dokumenten bis hin zur Vertagung des Prozesses. Die Prozessstruktur erschien damit bis ins Detail als formalisiert: Kein Schritt ergab sich einfach von selbst, keine Person war einfach dabei, sondern nur aufgrund von Programmbefehlen. Da ein fehlerhaftes oder sonst wie mangelhaftes Indictment den verteidigenden Anwälten wie oben gesehen die Möglichkeit bot, einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu stellen, kam es auf größte Sorgfalt an.96 Thomas Starkie habe in einem seiner Kompendien mehr als 400 Seiten mit Formularen zu allen möglichen Arten von Indictments gefüllt, wie der Leipziger Jurist Biener in seiner Darstellung des englischen Geschworenengerichts von 1852 anerkennend feststellte.97 Ein förmlich korrektes Indictment, so referierte Biener, hänge sehr genau an den alten hergebrachten Formeln, an denen nichts verfehlt werden darf.98 Tatsächlich erweckt schon das offizielle Dokument des Indictments den Anschein ungebrochener Tradition in der Strafrechtspflege, insofern dieses um 1800 noch weitgehend genau so aussah wie um 1600. Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Indictments auf großformatiges Pergament geschrieben und in den bagae de secretis verwahrt. Den wichtigsten Beitrag zur Institutionalisierung einer konditionalen Programmstruktur bei der Hauptverhandlung leisteten allerdings die Zeugenverhöre. Es geht an dieser Stelle nicht um ihren Beitrag zur Wahrheitsfindung, sondern um die strukturierenden Effekte dieses forensischen Interaktionstypus, der um 1800 eine veränderte Gestalt angenommen hatte. Zeugenverhöre traten schon beim Prozess gegen Lord Gordon mit jenem Schema entgegen, das von nun an dafür charakteristisch wurde: nämlich als klar abgegrenzte Abfolge aus Hauptverhör (examination in chief), Kreuzverhör (cross examination) und Rückverhör (re-examination). Das Hauptverhör führte der Kronanwalt, das Kreuzverhör stand dem Verteidiger zu. Ein Rückverhör wurde durch einen Kronanwalt immer dann durchgeführt, wenn der Zeuge im Kreuzverhör besonders in die Ecke gedrängt worden war und Reparaturhandlungen als nötig erschienen. Haupt- und Rückverhör wurden daher auch als friendly examinations bezeichnet, weil sie durch den jeweils ‚eigenen‘ Anwalt durchgeführt wurden.99 Um 1800 bestanden die Hochverratsprozesse im Wesentlichen aus der Aneinanderreihung dieser triadisch aufgebauten Zeugenverhöre. Dabei wurden nicht mehr, wie bei Layer, zwei oder drei 95 96 97 98 99

Chitty, A practical treatise, Chapter XIV, 319–333. Vgl. dazu oben S. 387ff. Biener, Das englische Geschworenengericht, 120. Ebd. Chitty, A practical treatise, Bd.1, 618–623.

470

1780–1850: Normalisierungsregime

Kronzeugen ausdauernd befragt, sondern eine Vielzahl an Zeugen jeweils zu einem bestimmten Punkt in das triadische Verhör genommen.100 Im Grunde erhielten die Zeugenverhöre erst mit der Durchsetzung des triadischen Schemas eine eindeutige Situationsgestalt und -definition.101 Die Verhöre der Kronzeugen im Fall Layer wiesen immer wieder ungeregelte Passagen auf, weil sich die Anwälte oder der Angeklagte spontan mit einer Zwischenfrage oder einer Richtigstellung meldeten und es deswegen zu Mikrokonflikten kommen konnte, weil die Kronanwälte eine solche Einmischung nicht akzeptieren wollten. Solche Fälle des Dazwischenredens lassen sich bei den Verhören seit dem GordonProzess nicht mehr nachweisen. Es schien für einen Anwalt undenkbar zu sein, seinem Kollegen direkt ins Wort zu fallen. Mögliche Einwände mussten an den Richter adressiert werden, der über ihre Zulässigkeit entschied. Allerdings kam so etwas überaus selten vor. In aller Regel wartete der Anwalt, bis er an der Reihe war, und das galt für die Kronanwälte ebenso wie für die Strafverteidiger. Ein möglicher Informations- oder Bloßstellungsgewinn durch eine Unterbrechung wog viel weniger als die Fähigkeit, den jeweils eigenen Part optimal zu nutzen – schließlich galt das Verhör, und vor allem das Kreuzverhör, als der Inbegriff der Anwaltskunst. Es war viel eindrücklicher, den Zeugen beim Kreuzverhör vorzuführen als durch eine Zwischenfrage bei der friendly examination. In vielen Fällen zeigten sich die Kreuzverhöre allerdings zahnloser als ihr sprichwörtlicher Name dies suggeriert. Sie wurden zudem auch dann durchgeführt, wenn der gegnerische Anwalt eigentlich nichts entgegenzusetzen hatte. Der bisweilen rituelle Charakter der Kreuzverhöre war auch Mittermaier aufgefallen, als er notierte, diese seien oftmals ganz nutzlos und dienten bloß dazu, um einen schüchternen Zeugen durch höhnische oder seine Zartheit verletzende Fragen in Verlegenheit zur bringen.102 Wenn durch solche Verhöre auch nichts Neues zutage gefördert, der Informationsstand also nicht verändert wurde, so profitierte doch die Verfahrensstruktur von dieser Ritualisierung des triadischen Zeugenverhörs, und zwar nicht nur hinsichtlich des auf diese Weise hochgradig geregelten Ablaufs der ganzen Verhandlung. Auf diese Weise wurden Konflikte zudem noch weiter kontrollierbar, insofern sie nun fast vollständig auf die Verhöre beschränkt blieben. Aber auch hier trafen Behauptung und Gegenbehauptung nicht mehr unmittelbar aufeinander. Das Gegeneinander des Konflikts wurde vielmehr auf verschiedene Sequenzen verteilt und damit erheblich entschärft.103 Denn, wie Rüttimann festhielt: Nachdem das Verhör zu Ende gebracht ist, dürfen von der nämlichen Partei keine Fragen mehr an den Zeugen gerichtet werden.104 Der „erlaubte Konflikt“ nahm 100

101 102 103 104

Das lag zum einen daran, dass es bei den Hochverratsfällen keine vergleichbaren Kandidaten für die Rolle der (echten oder eingebildeten) Kronzeugen gab wie im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Darüber hinaus war in der Mitte des 18. Jahrhunderts aber auch der Status des vereidigten Zeugen als Wahrheitssprecher prinzipiell in Misskredit geraten, vgl. dazu oben, S. 430ff. Dazu: Niehaus, Das Verhör, 265ff. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 417. Zu den Konturen des Konflikts in Interaktionssituationen vgl. Hartmann, Soziale und gesellschaftliche Differenzierung, 17–38. Rüttimann, Ueber die englische Strafrechtspflege, 92.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

471

auf diese Weise seine für das moderne Verfahren charakteristische, nämlich vollständig domestizierte und in den Ablauf reibungslos integrierte Gestalt an. Zugleich sorgte die Organisation der Verhöre – damit meine ich sowohl ihren Ablauf als auch ihre Aneinanderreihung – für eine thematische Konzentration.105 Während Zwischenfragen bei Layer dazu geführt hatten, dass die Gespräche spontan an einem neuen Gesichtspunkt orientiert wurden, kennzeichnete die Prozesse um 1800 eine thematische Disziplin. Das jeweilige Thema, zu dem ein Zeuge verhört wurde, bestimmte der Anwalt des Hauptverhörs, und beim Kreuzverhör tat der gegnerische Anwalt gut daran, diese thematische Setzung zu respektieren, wollte er sein Verhörrecht nicht verschenken oder vom Kollegen wegen Irrelevanz ermahnt werden. Dabei wurde durch den Hauptverhörenden deutlich gemacht, woraufhin er seine Zeugen befragen wollte. Thema und Themenwechsel wurden also expliziert. Diese thematische Konzentration trug dazu bei, dass Verfahren trotz enormer Länge durch zahlreiche Zeugen nicht unübersichtlich wurden, denn es war in der Regel unumstritten, worum es jeweils gerade ging. Ein Verlust von Situationsdefinition wie bei Lilburne, der über Rechtsfragen sprach während es um Tatfragen gehen sollte, kam bei den Hochverratsprozessen nach 1800 nicht mehr vor. Wer einen neuen Gesichtspunkt zur Sprache bringen wollte, der musste lernen zu warten, und wenn es sich dabei um den Verteidiger handelte, dann besaß er solange kein thematisches Initiativrecht, bis die Phase der Anklage förmlich beendet wurde und die Verteidigungssequenz begann. Konditionale Programmierung sorgte nicht nur für einen geordneten und als unverfügbar erscheinenden Ablauf des Verfahrens als Interaktionsordnung. Eine weitere, ganz wesentliche Leistung dieser Art von Durchtaktung bestand auch darin, die am Schluss zu treffenden Entscheidungen soweit wie möglich von Kontingenz freizuhalten und gegen bestimmte Formen von Kritik zu immunisieren.106 Die Programmstruktur konnte dazu beitragen, die Entscheidung von Geschworenen und Richtern als zwingende und logische „Folgerung aus Normen und Fakten“ erscheinen zu lassen.107 Das anstehende Entscheidungshandeln profitierte dabei sowohl von den zusammengetragenen Beweisen als auch von der formalen Korrektheit der Programmstruktur. Ein Gerichtsverfahren diente nicht nur zur Erzeugung von Fakten durch Zeugenverhöre und andere Beweismittel. Die Fakten wurden zugleich auch gesammelt und einander gegenübergestellt, denn Fakten produzierten in einer adversarialen Verhandlung nach Common Law nicht nur die Vertreter der Anklage, sondern auch die Verteidiger des Angeklagten. Die an die Geschworenen gestellte Aufgabe, über die Schuldbehauptung der Anklage und die Unschuldsbehauptung des Angeklagten zu entscheiden, wurde durch die sukzessive Erzeugung, Anhäufung und Kontrastierung der Fakten möglich gemacht, weil dabei der Bereich des Möglichen und Wahrscheinlichen selber kontinuierlich verengt wurde – bis sich eine Entschei105 106 107

Zur strukturierenden Funktion von Themen bei der Interaktion vgl. Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 179–210. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 133. Ebd., 108.

472

1780–1850: Normalisierungsregime

dung für oder gegen den Angeklagten geradezu abzeichnete.108 Für die soziale Logik des Verfahrens als „sequenzielle Verengung des Möglichkeitsraums hin zu endgültigen Entscheidung“109 unerlässlich war der Aufbau einer gemeinsamen und unanfechtbaren Verfahrensgeschichte: „Jede Kommunikation, selbst eine unbeabsichtigte Darstellung, die zum Verfahren beiträgt, wird als eine Information angenommen, die Möglichkeiten eröffnet, verdichtet oder ausscheidet, die die handelnden Personen und ihre relevante Vergangenheit definiert und den Entscheidungsspielraum einschränkt. Jeder Beitrag geht in die Geschichte des Verfahrens ein und kann dann in engen Grenzen vielleicht noch umgedeutet, aber nicht mehr zurückgenommen werden. Auf diese Weise wird Schritt für Schritt eine Konstellation von Fakten und Sinnbeziehungen aufgebaut, die mit den unverrückbaren Siegeln der Vergangenheit belegt ist und mehr und mehr Ungewißheit absorbiert.“110 Der epistemische Rahmen für den Aufbau einer solchen (Ungewissheit absorbierenden und Entscheidbarkeit ermöglichenden) Verfahrensgeschichte war erst mit dem Untersuchungsregime erreicht worden. Zuvor wurden die Prozesse von ihrer eigenen Unübersichtlichkeit geschwächt. Doch auch im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert konnten noch unterschiedliche Versionen der Verfahrensgeschichte kursieren, sei es aufgrund der (potentiell subversiven) Selbstverteidigungspraktiken der Angeklagten oder des Dilettantismus der frühen Strafverteidiger. Erst die Verrechtlichung der Verfahren sowohl auf personaler wie als auch auf thematischer Ebene sorgte am Ende des 18. Jahrhunderts für die Durchsetzung einer Verfahrensgeschichte im Singular. Deren Herstellung wurde durch die Programmstruktur forciert, die die Akteure bei allem Konflikt auf Kooperation und ein „gemeinsames Tempo“ festlegte.111 Darüber hinaus wurde sie aber auch selber zu einem Programmpunkt, und zwar in der Schlussansprache des Richters. Darin wurden, aufgrund seiner Mitschriften, sämtliche oder doch zumindest viele Zeugenaussagen rekapituliert und einander gegenübergestellt. Wenn das (moderne) Verfahren immer auch ein Kontrastprogramm ist und auf diese Weise nicht nur Entscheidbarkeit, sondern auch die Entscheidungsalternativen generiert, dann fungierte die Konklusion des Richters als eine Art von Schnelldurchlauf dieses Programms. In den meisten Fällen bewirkte die Programmstruktur einen reibungslosen Schluss- und Verurteilungsakt, der gerade deswegen auch Raum bot für moralische Symbolisierungen und offen war für andere Zuschreibungen. Ein Beobachter hielt um 1785 die Verurteilung von Straftätern für one of the most affecting, the most aweful scenes, that can be exhibited to the eyes of the mortals, geeignet supposed to strike a terror into the minds of the beholders, not easily to be forgotten.112 Wurde bei der Allokution gegen das Urteil protestiert wie im Fall der Cato Street-Ver108

109 110 111 112

Die Leistung von Verfahren, selbsterzeugte Fakten miteinander zu kontrastieren und dadurch Entscheidbarkeit zu gewährleisten betonen Scheffer, Kritik der Urteilskraft, 437ff.; Scheffer / Michaeler / Schank, Starke und schwache Verfahren, 432–435. Ebd., 425. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 44. Ebd., 45. Madan, Thoughts on Executive Justice, 24.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

473

schwörer, dann konnte dieser Protest mit Verweis auf den Gang der Verhandlung als unerheblich und unbegründet zurückgewiesen werden.113 Von Seiten der Richter wurde um 1800 allerdings weniger der Protest durch die Angeklagten für ein Problem gehalten als vielmehr die Zustimmungsbekundungen aus dem Publikum. So warnte Richter Bayley am Ende des Prozesses gegen Henry Hunt and others: I require that out of respect to the Court, that out of deference to the laws of the country, when your verdict shall be pronounced, there be no sympton of approbation or of disapprobation. It is a high contempt of the Court, and calculated to prevent the principles upon which Courts and Juries ought to act, if for a moment a Jury considers anything but the evidence. If a Jury considers whether a verdict will give content or discontent, or if a Judge feel any such idea, they act upon most erroneous principles. I hope you will come to a right conclusion upon this case, find no defendant guilty unless the evidence convinces your mind of his criminality, and acquit none with respect to whom that conviction is produced.114

Zumindest auf der Ebene der Darstellung musste so getan werden, als ob das Verdikt allein aus dem Verlauf der Verhandlung selbst resultierte und nicht an den Erwartungen der Zuschauer orientiert war. Auch wenn die Selbstbezüglichkeit des Verfahrens eine sogar vom Richter vor Publikum eingestandene Illusion war, so musste sie doch in der Praxis so gut wie möglich aufrechterhalten und damit Wirklichkeit werden. Räume Was in der ersten Hälfte der Frühen Neuzeit auch durch Rituale und Sprechakte geleistet werden musste, nämlich die Definition einer forensischen Situation durch die vorübergehende Ausdifferenzierung des Verfahrens aus seiner Umwelt im interaktiven Vollzug, wurde seit dem späten 17. Jahrhundert durch den Bau von spezifischen Gerichtsräumen mit materiellen Mitteln geleistet.115 Durch das 113 114 115

30 ST 1544–1559. 1 RST 487. Zum Raum als soziales Konstrukt vgl. Löw, Raumsoziologie, hier 48ff. Räume seien demnach „relationale (An)Ordnungen sozialer Güter und Lebewesen an Orten“ und kommen zustande durch individuelle und kollektive „Syntheseleistungen“ und „Spacings“. Demnach handelt es sich um Produkte sozialer Imagination, die im konkreten Handeln produziert und reproduziert werden. An die Stelle eines „passiv und starr umschließenden Behälterraums[s]“ tritt die Vorstellung von „Räumen als bewegte materiell-symbolische Gefüge“, so Löw, Zwischen Gotteshaus und Taverne, 463. Die historische Forschung hat in verschiedener Hinsicht sehr fruchtbar an dieses Raumkonzept angeschlossen, vgl. auch Hochmuth / Rau, Machträume der frühneuzeitlichen Stadt; Rau /  Schwerhoff, Topographien des Sakralen; Rau, Räume; Döring /  Thielmann, Spatial turn; der in diesem Kontext genutzte Raumbegriff unterscheidet sich von diesem relational-dynamischen, konstruktivistischen Raumkonzept aber insofern, als ich den Raum mit Scheffer als eine Materialität im Diskurs verstehe, der „sich der unmittelbaren Gestaltungsmacht direkter Interaktion entzieht“. Die Gerichtsräume, um die es hier geht, „sind der aktuellen Co-Produktion entzogen und stehen selbst als Co-Produzenten der Veranstaltung zur Verfügung“, Scheffer, Materialitäten, 351.

474

1780–1850: Normalisierungsregime

Vorhandensein spezifischer Räume konnte die Definition einer forensischen Situation stets schon als gegeben vorausgesetzt werden, und aus diesem Grund waren die überkommenen Rituale auch offen für alternative Bedeutungszuschreibungen. Wie sehr die Situation durch bauliche Maßnahmen vorstrukturiert werden konnte, lässt sich anhand von drei Abbildungen zeigen, die die King’s Bench zwischen 1600 und 1800 darstellen: In allen Fällen tagte die King’s Bench in der Westminster Hall. Im ersten Fall zeigt die um 1620 vermutlich von Wenzeslaus Hollar angefertigte Federzeichnung das Verfahren vor der King’s Bench als einen Vorgang, der auch in der Halle stattfand (Abbildung 39).

Abb. 39: Wenzeslaus Hollar, Westminster Hall, ca. 1620.

Der Blick zeigt den südlichen Teil der Halle mit den beiden Gerichten King’s Bench und Chancery unter dem großen gotischen Fenster. Die King’s Bench hat auf dieser Darstellung einen kaum abgegrenzten Ort inmitten anderer Vorgänge. Auf der vom Betrachter aus gesehen linken Bildseite ist ein hölzernes Gerüst zu sehen, auf dessen oberster Ebene sich die Bank für die Richter befindet. Darüber spannt sich ein Baldachin mit dem königlichen Wappen an der Hinterwand. Unterhalb und neben der Bank stehen und bewegen sich Leute, darunter die Angeklagten, Zeugen, Geschworene, Kronanwälte und weitere Juristen. An der linken Wand befinden sich zwei Balkone für Zuschauer; vom unteren Balkon scheint es einen Zugang zu dem Raum vor der Richterbank zu geben. Auf der untersten Ebene des Gerichts befinden sich weitere Juristen, teils im Gespräch miteinander. Eine Person auf der rechten Seite nimmt etwas aus der Halle, die eine Art Vorhof für das

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

475

Abb. 40: Westminster Hall. The First Day of Term, ca. 1750.

Gericht darstellt, entgegen. Eine Treppe verbindet diesen Vorhof mit dem Ort des Gerichts. Auf der rechten Seite des Gerüsts tagt, kaum abgegrenzt von der King’s Bench, das Chancery-Gericht. In der Hall selber finden weitere Kleininteraktionen von Juristen und anderen Personen statt, die nicht auf das Gericht bezogen sind. Eine erweiterte Perspektive auf das gleiche Geschehen, wie man sie von Abbildungen aus dem frühen 18. Jahrhundert kennt, zeigt, dass im vorderen Teil der Halle Bücherverkäufe und andere Geschäfte getätigt wurden (Abbildung 40).116 Ganz anders stellt sich die Situation um 1800 dar. In dem vom deutschstämmigen Verleger Rudolph Ackermann (1764–1834) publizierten Microcosm of London (1808–1810), einer Darstellung der Londoner Sehenswürdigkeiten durch kolorierte Kupferstiche117, gibt es im ersten Band auch eine Darstellung der King’s Bench (Abbildung 41). Die Situation hat sich durch Umbauarbeiten in den 1740er Jahren deutlich gewandelt. Eine – auf diesem Bild nicht zu sehende – Zwischenwand 116 117

Dazu nur Baker, The common law tradition, 247–262. Mee, ‘Mutual intercourse’. Dazu gibt es kaum Forschungen. So müsste man sich damit befassen, wie städtische Orte, Institutionen und Gebäude überhaupt zu ‚Sehenswürdigkeiten‘ avancieren konnten.

476

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 41: Court of King’s Bench, Westminster Hall, Stich von Thomas Rowlandson, in: Microcosm of London, Bd. 1, Tafel 24, London 1808.

war eingezogen worden, die den beiden, nach wie vor unmittelbar benachbarten Gerichten einen abgegrenzten Raum zur Verfügung stellte und sie von dem Geschäftsbereich der Westminster Hall separierte. Die Deckenarbeiten fallen auf, insofern sie sich deutlich von dem imposanten hölzernen Gebälk aus dem Mittelalter unterschieden. Vor allem aber zeigt Ackermanns Bild: Dieser Raum beherbergt nicht auch, sondern nur noch ein Gericht.118 Die Richterbank ist nun deutlich vom Rest des Geschehens abgegrenzt. Auf Ackermanns Abbildung sitzt dort nur ein sich Notizen machender Richter allein. Darunter befindet sich eine langestreckte Bank für Kronanwälte und Rechtsanwälte. Auch für alle anderen direkt und indirekt am Verfahren beteiligten Akteure sind eigene, baulich manifestierte Plätze vorhanden, die sie nur noch einnehmen müssen: Die Geschworenen finden ihre Bank an der vom Richter aus gesehen rechten Wand. Den Geschworenen genau gegenüber befindet sich der Stand für den Angeklagten. Zwischen Geschworenenbank und Angeklagtenstand tut sich eine Art Graben auf, in dessen Mitte ein großer Tisch steht. Seitlich daran sitzen die Zeugen, die sich zu ihrer Aussage zu jener Kanzel begeben müssen, die (in diesem Fall) unmittelbar an die Geschworenenbank angrenzt. Die auf dem Bild dargestellte Situation zeigt einen stehenden Kronanwalt an der Stirn118

Bei der gesamten Einrichtung handelte es sich um Mobilien, die beiseite geschafft werden konnten, wenn die Westminster Hall für Großereignisse wie peer trials oder Krönungsbankette gebraucht wurde.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

477

Abb. 42: Old Bailey um 1750, aus: Walter Thornbury, Old and new London, Bd. 2, London 1874, 451.

seite des Tisches bei der Auftaktrede. Der Ort, den er zeitweilig einnimmt, bildet das Zentrum des Geschehens. Nur solange er redet oder Zeugen verhört, darf er dort stehen, sonst muss er Platz machen für seine Kollegen von der Gegenseite. Im Bildvordergrund befinden sich, halbrund angeordnet, mehrere Bankreihen, die die zuschauenden, wartenden oder auch mit anderen Dingen beschäftigten Juristen zum Sitzen nötigen. Dort sitzen auch die Berichterstatter der Zeitungen sowie die auf eigene Rechnung arbeitenden Stenographen. Das Publikum ist hier überhaupt erst als eine eigenständige Gruppe der (nur noch) Unbeteiligten zu erkennen, und zwar am rechten Bildrand, hinter dem Angeklagten. Die Rechtshistorikerin Linda Mulcahy hat es als ein Kennzeichen der Gerichtsinnenarchitektur in der beginnenden Moderne gesehen, das Publikum – das als distinkte Gruppe strenggenommen erst ein Produkt des neuen forensischen Interieurs war – möglichst an den Rand zu drängen und ihm im räumlichen Ensemble auffällig wenig Platz zu geben.119 Auch Carl Mittermaier war bei seinen England-Reisen in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgefallen: Der Raum der Gerichtssäle ist verhältnismäßig klein, und zumal für das Publikum beschränkt. Allerdings führte dies nach seinem Eindruck nicht unbedingt zur Exklusion interessierter Zuschauer, die es in übergroßer Zahl aber überhaupt nicht gebe, weil nämlich zur persönlichen Anwesenheit eine Alternative existiere: der Engländer ist zufrieden, wenn nur überhaupt Oeffentlichkeit besteht und durch die anwesenden Geschwindschreiber die Zeitungen 119

Mulcahy, Legal architecture, 38ff.

478

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 43: Old Bailey, in: Stich von Thomas Rowlandson, in: Microcosm of London, Bd. 2, Tafel 58, London 1810.

in den Stand gesetzt werden, einen treuen Bericht über die Verhandlungen zu erstatten. Die Presse ist die Vertreterin der Öffentlichkeit.120 Zu besonderen Prozessen, und dazu gehörte Hochverrat allemal, drängte allerdings sehr viel Publikum an, und dann wurde es, wie man in vielen Berichten lesen kann, sehr beengt. Ein ganz ähnlicher Wandel vom offenen zum gestalteten Raum mit Folgen für die Interaktionsordnung lässt sich auch für Old Bailey nachzeichnen. Das 1673, nach dem Großen Brand, neu errichtete Gebäude hatte zwar schon einen eigenen, für das Gerichthalten gedachten Raum. Allerdings handelte es sich dabei zum großen Teil um eine nicht überdachte Freifläche (Abbildung 42). Das Londoner Stadtgericht tagte bis Mitte des 18. Jahrhunderts auf seinem eigenen Vorhof. Die Freiluftsitzungen hatten die Richter und Juristen für nötig erachtet, um sich nicht mit dem Typhus (goal fever) der Angeklagten zu infizieren. Während die Richter und das Gerichtspersonal überdacht in der Toreinfahrt auf einer dreiflügeligen Bank saßen, mussten die Zeugen, die Geschworenen und die Angeklagten im Freien agieren. Außer einer langen Bank an der Seite gab es hier keine weiteren Unterteilungen. Den Prozessen zuschauen konnte man nur von der Straße aus, die vom Gerichtshof im buchstäblichen Sinne durch eine mit Eisenspitzen bewehrte Mauer 120

Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 403.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

479

abgetrennt wurde. Die Mauer diente nicht nur dazu, die Angeklagten an der Flucht zu hindern, sondern auch, um Zuschauer und andere Unbeteiligte daran zu hindern, mit den Angeklagten in Kontakt zu treten. Aus diesem Grund wurde das Gericht auch 1737 ins Innere verlegt. 1774 wurde dann jenes Interieur geschaffen, das bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vielen Strafprozessen als Bühne diente (Abbildung 43). Die Richter sitzen hier an der (vom Betrachter aus gesehen) linken Seite. Unter der Richterbank befindet sich auch hier ein mit grünem Tuch bedeckter Tisch für die Kron- und Rechtsanwälte, die hier aber ihren Platz zur Rede nicht verlassen, sondern nur aufstehen mussten. Im Bildvordergrund links steht eine weibliche Zeugin im weißen Kleid. Die über ihrem Kopf befindliche Platte soll der besseren Akustik dienen. Die umgrenzte, auch hier tieferliegende Mitte des Raumes wird von den auf Bankreihen sitzenden Zeugen eingenommen. Für ihre Aussage müssen sie aufstehen und sich zum Zeugenstand begeben, der aus dem Graben durch eine kleine Treppe zu erreichen ist. Einige Zeugen stehen schon und warten auf ihren Aufruf. An den Graben nach hinten anschließend befinden sich drei hintereinander angeordnete Bankreihen für die Geschworenen. Am rechten Bildrand steht der Angeklagte erhöht in seinem Stand. Durch den Zeugengraben ist die Sicht auf ihn von keinem Punkt des Raumes aus verstellt. Der Angeklagte kann sich auf dem Pult abstützen, auf dem auch Stift und Papier für ihn zur Verfügung stehen. Über seinem Kopf befindet sich ein Spiegel, der das einfallende Tageslicht reflektiert und sein Gesicht ausleuchtet.121 Aus diesem beleuchtungstechnischen Grund dürfte man auch in der Westminster Hall den Angeklagten unterhalb des Fensters positioniert haben. Genauso wie in der ‚neuen‘ King’s Bench war auch im Gerichtssaal von Old Bailey das Publikum marginalisiert worden: Es sitzt hinter den Säulen auf einem Balkon, hoch über dem Geschehen. Im Bildvordergrund sitzen Reporter und Stenographen. Für diesen Gerichtsraum gab es keinen Masterplan wie ihn Jeremy Bentham 1787 mit dem Panopticon für den modernen Gefängnisbau vorgelegt hat. Die innenausbaulichen Maßnahmen hatten vielmehr auf konkrete Bedürfnisse der Verfahrensveranstalter geantwortet. Vor allem sollte das Publikum separiert und als Störfaktor isoliert werden.122 Ob die Platzierung des Angeklagten an einem eigenen Stand Theatralisierungen vorbeugen sollte123, lässt sich hingegen ebenso wenig sagen wie sich explizite Bedeutungszuweisungen für die anderen Teile des Raumes aufweisen lassen. Man sollte sich die Einrichtung des Raumes also nicht als Folge eines planmäßigen Entwurfes vorstellen, sondern als Stückwerk, das sich erst nach und nach zu einem Ganzen fügte. Der Angeklagte wurde gleichwohl nicht nur deswegen von der Richterbank distanziert, um ihn, wie in der Forschung gesagt wird, zu exponieren und die Autorität des Gerichts zu unterstreichen124, sondern auch, um sich seine Krankheiten vom Leibe zu halten. Zudem sollte es darum gehen, informelle Kontaktaufnahmen zwischen den Beteiligten auf der Hinterbühne 121 122 123 124

Auf diesen Spiegel hat bereits Devereaux, Arts of public performance, aufmerksam gemacht. Mulcahy, Legal architecture, 83ff. Graham, Ordering law, 70. Mulcahy, Legal architecture, 38ff.

480

1780–1850: Normalisierungsregime

zumindest zu erschweren – so wie das bei Lilburne oder Layer passiert war.125 Für wichtig hielt man auch die Separierung der Geschworenen. Mittermaier meinte sogar, die Gültigkeit eines Wahrspruchs hinge davon ab, dass die Geschworenen schon während der Verhandlung von den übrigen Personen getrennt sind, um durch fremde Einwirkung nicht irregeführt zu werden.126 Dass das forensische Interieur, wie es um 1800 vorhanden war, Auswirkungen auf die Interaktion hatte, wird man mit einiger Sicherheit sagen können. Gleichwohl lässt sich der Zusammenhang von gestaltetem Raum und Interaktion für den Historiker und bei dem verfügbaren Quellenmaterial nur andeuten.127 Ohne spekulieren zu wollen kann man sagen, dass die um 1800 beobachtbare Ordnung des Verfahrensablaufs – und das lässt sich auch als Formalisierung bezeichnen – zu einem Gutteil darauf beruhte, dass die Rollen der Beteiligten durch ihre räumliche Fixierung noch einmal weiter geschärft und damit Rollenpflichten forciert wurden. Das Durcheinander der Kommunikation bei Verfahren des 17. Jahrhunderts muss man auch vor dem Hintergrund einer noch nicht fixierten Ordnung der Personen (Kronanwälte, Zeugen, Geschworene, Zuschauer, Angeklagte) im Raum sehen. Wer um 1800 als Zeuge in den für Zeugen vorgesehenen Stand gerufen wurde, der wusste hingegen, dass er dort stehen und sprechen musste, auf der Bank in der Mitte aber sitzen und zu schweigen hatte. Im Stand fand sich der Zeuge „qua Positionierung einem Erwartungsdruck – den gerichteten Blicken der Geschworenen – ausgesetzt. Diese Rede-Position ist dramatisiert: es spricht der Einzelne zu den Vielen, und zwar so, dass Letztere die Aussagen genau verfolgen können“.128 Während der Zeugenbefragung stand er unter Beobachtung, sonst nicht. Er konnte sich dann wieder als unbeteiligt darstellen, zuhören oder auch mit seinen Gedanken woanders sein. Anwälte durften Reden vortragen, aber nur, wenn sie dafür die entsprechende Position eingenommen hatten. Die Anordnung der Geschworenenbänke zu drei Viererreihen diente auch dazu, dass diese sich bei klaren und minderschweren Fällen noch im Gerichtssaal über das Verdikt verständigen konnten. Diese Anordnung erleichterte es, die Köpfe zusammenzustecken. Der Stand des Angeklagten avancierte wiederum zu einem Ort des Schweigens und der Zurschaustellung von unwillkürlichen Körperzeichen, Gestik und Mimik. Auch auf den Zuschauertribünen schließlich sollte Ruhe herrschen, und die Zugänglichkeit 125

126 127

128

Auf diese Absicht deutet jedenfalls eine Bemerkung des Prozessbeobachters Rüttimann hin: Nach all den verschiedenen Plätzen der Richter, der Geschworenen, der Zeugen und der Angeklagten führen verschiedene Eingänge, welche mit dem Beratungszimmer der Richter und Geschworenen, mit dem Gefängnisse und mit den Vorhallen, in welchen die Zeugen warten, bis sie vorgerufen werden, kommunizieren, Rüttimann, Ueber die englische Strafrechtspflege, 40f. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 462. Dazu bedürfte es der teilnehmenden Beobachtung, wie sie für das englische, amerikanische und deutsche Verfahren der Gegenwart geleistet wurde von Scheffer / Hannken-Illjes / Kozin, Criminal defence, 142–150. Hier lassen sich aus dem Zusammenspiel von Raum und Interaktion sogar bestimmte landestypische Verfahrensstile erkennen. So wird im deutschen Landgericht ein entspannter und persönlicher Umgang gepflegt, ein englicher Crown Court tritt dagegen weiterhin überaus formell in Erscheinung. All das wird auch durch das räumliche Setting mitgeprägt. Scheffer, Materialitäten im Rechtsdiskurs, 357.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

481

zu den Tribünen von hinten bot die Möglichkeit, Störer entfernen zu lassen, ohne dabei das Verfahren im Raum selbst zu stören. Die meisten Forschungen zur forensischen Architektur betonen vor allem die dadurch erzeugbare soziale Kontrolle.129 So wichtig das ist: Die Leistungen des spezifizierten Gerichtssaals als eines Mediums der Wissens- und Erkenntnisbildung werden darüber meist übersehen.130 Dieses Medium verdeutlichte aber auch die Situation als eine forensische, es „dirigiert Darstellungen und Sinngebungen. Er orientiert die öffentliche Rede, wie deren Rezeption“.131 Der (wie planvoll auch immer) gestaltete Gerichtssaal diente als ständig mitlaufende Erläuterung des sich vollziehenden Verfahrens.132 Sein Vollzug war von den jeweils eingenommenen oder beibehaltenen Positionen der Anwesenden im Raum überhaupt nicht zu trennen. Dabei wurde die „räumliche Ordnung […] nur in Ausnahmen selbst zum Thema“ und in aller Regel stillschweigend vorausgesetzt.133 Sie erschien den Zeitgenossen des frühen 19. Jahrhunderts schon als derart selbstverständlich, dass man sie auch in die Vergangenheit zurückprojizierte und damit einen Beitrag zur Ausbildung der Vorstellung einer überzeitlichen Verfahrensordnung leistete, die in dieser Arbeit dekonstruiert werden soll. Ein wiederum visualisiertes Beispiel dafür ist das uns schon früher begegnet: Auf einer 1828 erschienenen bildlichen Darstellung des Hochverratsverfahrens gegen William Lord Russell – es handelt sich dabei um eine Art moderner Whig-Memoria – hat Old Bailey schon sehr viel Ähnlichkeit mit dem Gerichtssaal um 1800, wo man 1683 eher auf der Freifläche des Vorhofs getagt haben dürfte.134 Schließlich: Erst das räumliche Ensemble machte es möglich, jene Mammutprozesse, wie sie seit den 1790er Jahren immer häufiger vorkamen, mit der gleichen Förmlichkeit und Ordnung zu führen wie zeitlich begrenzte Prozesse auch. Das Interieur nötigte den Anwesenden jene Disziplin auf, mit der sich auch längere Prozesspassagen aushalten ließen. Im Sinne der mitlaufenden Erläuterung (T. Scheffer) erinnerte es vor allem die Nichtjuristen bei den sich scheinbar endlos hinziehenden Zeugenbefragungen daran, dass sie sich einigermaßen still und geduldig zu verhalten hatten. Für die wartenden Zeugen etwa war es erlaubt, herumzuschauen, es sich einigermaßen bequem zu machen, zu dösen oder in den Notizen zu blättern. Nicht erlaubt aber war es, mit dem Nachbarn zu flüstern. Die faktische Erlaubnis eines solchen Sichverhaltens lässt sich daran festmachen, dass ersteres nicht zum Thema einer richterlichen Rüge wurde, letzteres aber schon. Mindestens ebenso wie die Angeklagten wurden durch das räumliche Arrangement aber auch die Geschworenen exponiert. Die Beobachtung war in ihrem Falle nicht einseitig. So wie sie den Anwälten dabei zuschauten, wenn diese mit dramati129 130 131 132 133 134

Neben der Arbeiten von Mulcahy und Graham sei hier verwiesen auf Adelswärd, The unequal distribution of interactional space. Scheffer, Adversarial case-making, 168ff. Scheffer, Materialitäten im Rechtsdiskurs, 354. Die Idee der ‚unmittelbaren Erläuterung‘ durch die Raumstruktur stammt von Scheffer, Materialitäten im Rechtsdiskurs, 357. Scheffer, Materialitäten im Rechtsdiskurs. Abbildung 29, S. 335.

482

1780–1850: Normalisierungsregime Abb. 44: Edmund Joseph Sullivan: Jurymen (1901).

schem Gestus ihre Rede hielten oder die Angeklagten fixierten, wenn diese dabei Regungen zeigten, so wurden sie auch selbst von allen anderen beobachtet.135 Im Wissen um diese Beobachtung war auf den Bänken der Jury ein bestimmtes expressives Verhalten nötig, auf das sich die Geschworenen unabgesprochen einlassen mussten: Man durfte kurz miteinander reden, vielleicht eine Nachfrage stellen, aber nur kurz und leise. Bei sehr langen Prozessen konnte man kurz wegnicken, aber es durften nicht alle zugleich schlafen. Zumindest einige Geschworene mussten Präsenz und Aufmerksamkeit zeigen und dies etwa durch das Anfertigen von Notizen unterstreichen (Abbildung 44). Gleichzeitig  – und zwar im Wortsinn – wurde es aber auch möglich, die Bildung von interaktionellen Subsystemen zuzulassen, also im Unterschied zu früher auch das Ideal aufzugeben, dass es sich bei der forensischen Interaktion um ein einheitliches Gesamtsystem handeln müsse.136 Genau diese durch „Sezession“ (A. Kieserling) entstehenden Subsysteme, die trotzdem nicht subversiv auf den Umstand auswirken, dass es sich bei dem Verfahren im Gerichtssaal um eine geplante und zentrierte Situation handelt, lässt sich sehr plastisch durch eine Zeichnung aus dem Jahr 1879 zeigen (Abbildung 45): Die Szene spielt in dem 1824 angebauten Verhandlungssaal, der etwas anders arrangiert war als der erste und den Rüttimann wohl vor Augen hatte, als er die Einrichtung von Old Bailey beschrieb: Die beiden Sitzungszimmer sind sehr bequem eingerichtet. Sie sind gerade geräumig genug, um ihrer Bestimmung zu entsprechen, und doch nicht von solchem Umfang, dass man nicht in jeder Ecke deutlich vernehmen könnte, was in der anderen gesprochen wird. Die Form eines horizontalen Durchschnitts wird von der Quadratform nicht viel abweichen. Auf der einen Seite befindet sich etwas erhöht die Bank der Richter, rechts von den Richtern zwei Bänke für die zwölf Geschworenen, links die reservierten Bänke für Besuchende, welche eingeführt sind, für die Redaktoren der Verhandlung (reporters) und für die Geschworenen, die gerade 135

136

In der amerikanischen Gerichtspraxis der Gegenwart ist die Analyse von micro-expressions der Geschworenen erheblich verfeinert worden und wird als informelles Kriterium bei der Ablehnung von Kandidaten eingesetzt, vgl. etwa die Handreichung von Frederick, Mastering voir dire and jury selection. Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 38f.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

483

Abb. 45: William Powell Frith: The Race for Wealth, No. 4: Judgement, 1879.

nicht funktionieren. Dem Richter gegenüber ist eine Art Loge (box) für die Angeklagten; oberhalb derselben eine Tribüne, auf welche gegen Bezahlung von etwa zwölf Batzen Jedermann Zutritt hat. In der Ecke zwischen der Loge der Angeklagten und den Geschworenenbänken ist eine um ein paar Stufen erhöhte Kanzel, auf welche der gerade anzuhörende Zeuge sich hinstellen muss. Vor der Bank der Richter befindet sich eine zweite Bank für den Sekretär (clerk) des Gerichtshofs. Der Platz in der Mitte wird von einem großen Tische eingenommen, um welchen herum die Advokaten und Attorney’s sitzen.137

Interessant ist auf diesem Bild vor allem das Verhalten der Juristen im Bildvordergrund, die ihre Aufmerksamkeit sichtlich nicht auf die laufende Befragung des Zeugen gerichtet haben, sondern die leise oder flüsternd in Kleingruppen oder zu zweit miteinander kommunizieren. Andere Juristen lesen oder schreiben, verfolgen also interaktionsfremde, parallelprozessierende Handlungen, die aber trotzdem nicht die Einheitlichkeit der gerichtlichen Situation sprengen. Auch wenn sie zeitweilig dem offiziell vor sich gehenden Geschehen, hier der Zeugenbefragung, für die anderen Anwesenden sichtbar (!) ihre Aufmerksamkeit entziehen, so gehören sie doch weiterhin zum Verfahren dazu, das als übergreifender Vorgang durch die Sezessionen nicht zu einer Nebensache degradiert wird wie dies auf Hollars 137

Rüttimann, Ueber die englische Strafrechtspflege, 40f.

484

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 46: Interior view of the Sessions House on Newington Causeway (1825), unbekannter Künstler, Wasserfarben.

Darstellung der King’s Bench von 1620 der Fall gewesen zu sein scheint. Für diese Integration und die Aufrechterhaltung der eindeutigen Situationsdefinition im Gerichtssaal um 1800 sorgten im Wesentlichen der Raum und seine Gliederung. Für eine Machtgeschichte der Gerichtsverfahren ist die Gestaltung von Gerichtsräumen nicht nur deswegen wichtig, weil damit Kommunikation und Wahrnehmung (vor)strukturiert, juristische Fallarbeit ermöglicht und soziale Kontrolle ausgeübt werden konnten. Vielmehr wurde das Muster von Old Bailey in den Jahrzehnten um 1800 auch zum Vorbild des Neu- oder Umbaus von Gerichtsgebäuden außerhalb von London. Spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden überall in Großbritannien innerhalb vergleichbarer räumlicher Gegebenheiten Gerichtsverfahren durchgeführt.138 Sei es das Sessions House am Newington Causeway in Southwark, wo 1803 der Prozess gegen Edward Marcus Despard stattfand (Abbildung 46), oder das Monmouth Court House in Wales, Bühne für den Prozess gegen John Frost 1839 (Abbildung 47): Überall zeigten sich in den britischen Gerichtssälen die gleichen räumlichen Arrangements und Proportionen, war die Situation schon auf den ersten Blick als eine forensische zu erkennen, selbst wenn gerade kein Prozess lief.

138

Dazu ausführlich Graham, Ordering law, 135f. Diese Umbauten gehen nicht zuletzt unter anderem auf den Wunsch der Anwälte zurück, ihren Klienten – mit denen sie ja auch im Vorfeld nicht persönlich interagierten, sondern durch Attorneys – möglichst nicht nahe zu kommen.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

485

Abb. 47: The Interior of Monmouth Court House, in: Anon. The Chartist Riots At Newport. November, 1839, Newport 1889, nach Seite 50.

Die Verbreitung einer zwar nicht standardisierten139, aber durch die Nachahmung des Londoner Vorbilds weitgehend vergleichbaren Inneneinrichtung war ein weiterer Schritt zur Etablierung der Justiz als nationaler Institution und eines (britischen) Rechtssystems, das sich ganz im Medium der Räume auf der Ebene unmittelbarer Interaktion konkret manifestierte. Man sollte hinzufügen, dass dies auch für die Gerichtsgebäude selbst galt, die ab dem frühen 18. Jahrhundert in ihrer typisch klassizistischen, vom palladianischen Stil geprägten Weise in den meisten Zentralorten der englischen Grafschaften entstanden. Die Shire Hall in Monmouth, gebaut 1724, gehörte dabei zu den frühesten Exemplaren (Abbildung 48). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war es nötig, Hochverratsfälle an die Londoner Gerichte zu überweisen, weil die Gerichtssessionen in der Provinz auch aufgrund der räumlichen Gegebenheiten dazu als nicht geeignet erschienen. Wurden Prozesse in der Provinz abgehalten wie bei dem United Irishman James O’Coigly, der 1798 in Maidstone (Kent) stattfand, dann diente diese Ortswahl dazu, eine größere Öffentlichkeit von dem Prozess fernzuhalten. Dagegen spielte es für den spektakulären Prozess gegen den Chartistenführer John Frost – ein nationales Ereignis – keine Rolle, dass er nicht in London, sondern in der kleinen walisischen Bergbaustadt Monmouth stattfand (Abb. 47). Das Vorhandensein eines Interieurs, das mehr war als nur eine Bühne, nämlich auch ein „Medium der Rechtsprechung“ 139

Wie in der Gegenwart, vgl. Mulcahy, Architects of justice.

486

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 48: Postkarte aus Monmouth, ca. 1920, aus Wikipedia. Das Gebäude ist äußerlich mit dem Bau von 1724 identisch, im Inneren wurden 1828 einige Veränderungen vorgenommen, darunter der Einbau eines zentralen Treppenhauses.

(C. Vismann), schuf die materiellen und symbolischen Voraussetzungen für eine ortsunabhängige Verfahrenspraxis. Die juristische Praxis ließ sich bereits in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch eine nunmehr weitgehend standardisierte Prozedur sowie durch einen weitgehend einheitlichen architektonischen Formenbestand überall im Vereinigten Königreich reproduzieren. Diskursmaterial im Fall David Tyrie Forensisches Interieur, und zumal der Tisch der Advokaten, sind schon von Michel Foucault und von Cornelia Vismann als zentrale Raumsymbole gewürdigt worden. Bei Vismann heißt es: „Der Tisch […] schafft eine erste Barriere, welche eine Differenz zwischen denen markiert, die Recht brechen, und denen, die Recht sprechen. Der Tisch trifft die fundamentale Unterscheidung in das Personal des Gerichts und die Personen vor dem Gericht. Er schafft damit eine bestimmte Asymmetrie“.140 Tatsächlich aber sollte man das Interieur nicht nur auf solche raumsymbolischen Dimensionen reduzieren. So diente der Tisch, wie etwa Abbildung 49 zeigt, zunächst einmal dazu, Papiere und Schreibmaterial darauf abzulegen: also Materialitäten, die im Laufe der Verhandlung von den Anwälten beider

140

Vismann, Medien der Rechtsprechung, 164.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

487

Abb. 49: Advokaten-Tisch im Monmouth Sessions House, ca. 1830, Bücherstände für Anklage und Verteidigung, dahinter „brief-bags“, in dem die „briefs“ transportiert wurden.

Seiten genutzt wurden und die mit Peter Becker und William Clark „little tools of knowledge“ genannt werden können.141 Diese „tools“  – und dazu gehörten sowohl die Schreibmaterialien als auch der Tisch – erlaubten es, in einem komplexen Kontext wie der Gerichtsverhandlung Informationen und Wissen situationsspezifisch mobilisieren zu können. Ein Beispiel dafür sind auch die sogenannten briefs, also kurzgefasste (brevis) Übersichten über die Fälle, die für die Kronanwälte zusammengestellt wurden. Eines der frühesten Beispiele für solche briefs als situativ mobilisierbares Diskursmaterial in Hochverratsprozessen findet sich im Fall von David Tyrie 1782. Daran lässt sich nicht nur zeigen, wie – aus Sicht der Anklage – ein ‚Fall‘ fabriziert wurde, sondern auch, inwiefern das Geschehen vor Gericht letztlich nur Episode eines übergreifenden Prozesszusammenhangs war. Wenn englische Hochverratsverfahren jemals Kammerspiele gewesen sein sollten  – um 1800 waren sie dies dann endgültig nicht mehr, auch wenn die Drucke der trials oder ihre literarischen Verarbeitungen (Charles Dickens) sie nach wie vor dergestalt repräsentierten. Wir erinnern uns, dass Tyrie und seine Frau in einer Art Verzweifelungsaktion die im Wortsinn hochverräterischen Papiere an eine ihnen bekannte Lehrerin in London auslieferten, von wo sie ihren Weg zur Regierung finden sollten. Tyrie wollte sich dann als Kronzeuge gegen ein französisches Spionagenetzwerk aus der Affäre ziehen. Der Plan war insoweit aufgegangen, als die Papiere vom Staatssekre141

Becker / Clark, Little tools of knowledge; vgl. dazu im Kontext des spanischen Hofs auch Brendecke, Imperium und Empirie, 311ff. „Materialitäten“ sind hier im erweiterten Sinne von Scheffer, Materialities of legal proceedings, gemeint und umfassen Stoffliches sowohl als auch Unstoffliches wie Fallgeschichten. Materialität definiert sich hier durch ihre nicht verhandelbare Gegebenheit, aufgrund deren sie an Herstellung und Darstellung der Entscheidung beteiligt ist, ohne selbst verändert zu werden.

488

1780–1850: Normalisierungsregime

tär Viscount Stormont, an das Schatzamt (treasury) weitergeleitet worden waren. Was aber sollten sie dort? Genau wie die Royal Mint, die Bank of England und die City of London beschäftigte die Treasury schon seit dem frühen 18. Jahrhundert solicitors. Es handelte sich dabei um Advokaten, die dann, wenn diese Institutionen durch kriminelle Handlungen zu Schaden gekommen waren, für die juristische Vorbereitung des Falls zuständig waren – den sie allerdings nicht selbst vor Gericht vertraten. Es handelte sich bei den Solizitoren um private Rechtsvertreter staatlicher Behörden, die nicht ex officio, sondern pro domo ermittelten. Zu den Aufgaben der Solizitoren gehörten das Ausfindigmachen, Vernehmen und Vorbereiten der Zeugen, der Austausch mit Akteuren der Strafverfolgung (Friedensrichter, Untergerichte) und schließlich das Instruieren der Barristers, die dann den Fall vor Gericht vertraten.142 Bereits im Fall von Christopher Layer hatte ein Solizitor der Treasury die Vernehmung der Zeugen übernommen.143 Dieser Funktionsträger trat damit an die Stelle des Privy Council, der noch während Popish und Rye House Plot die Voruntersuchung geleitet hatte, teilweise unter Beteiligung des Königs, der Staatssekretäre und anderer höchster Minister. Diese Verlagerung der Fallarbeit reflektierte den Bedeutungsverlust des Privy Council nach der Glorious Revolution und war zugleich ein Indiz für funktionale Differenzierung, insofern bei echten oder vermeintlichen Staatsverbrechen nicht das Kabinett als neues politisches Machtzentrum Englands, sondern juristische Akteure die Vorermittlungen leiteten.144 Dass der Solizitor der Treasury mit Ermittlungen bei high treason beauftragt wurde, lag vermutlich daran, dass das Schatzamt um 1700 die am weitesten ausgebildete Behörde war.145 Bei Layer146 nahmen die Kronanwälte die ihnen zur Verfügung gestellten Akten mit den Zeugenvernehmungen allerdings nicht mit in die Verhandlung, es handelt sich bei den Dokumenten nicht eigentlich um briefs, um mobilisierbares Diskursmaterial, sondern um Dokumentations- und Speichermedien, also um Schrift in seiner traditionellen Form.147 142

143 144

145

146 147

Langbein, The origins of adversary criminal trial, 111–120. Die klare Arbeitsteilung zwischen barristers und solicitors (auch attorneys genannt) hatte sich allerdings erst im 18. Jahrhundert ausdifferenziert, vgl. dazu Lemmings, Professors of the law, 25ff. TS 23/34. Zum Bedeutungsverlust von Privy Council und Bedeutungsgewinn des Kabinetts am Ende des 17. Jahrhunderts vgl. Marshall, Sir Joseph Williamson; Jupp, The governing of Britain, 22–26; Pohlig, Marlboroughs Geheimnis, 83f. Roseveare, The treasury 1660 – 1870. Aus dieser Notlösung wurde Struktur: Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert fungierte das Schatzamt faktisch als oberste Anklagebehörde bzw. als eine Art von Schreibstube für Attorney und Solicitor General, denen bei Fällen von politischer Kriminalität zugearbeitet wurde, vgl. Spencer, Jackson‘s machinery of justice, 214f. Das 1879 geschaffene Amt eines Director of Public Prosecutions wurde 1908 mit der Treasury zusammengelegt. Eine verstaatlichte Staatsanwaltschaft gibt es im Vereinigten Königreich mit dem Crown Prosecution Service erst seit 1986. Da es nach Layer und abgesehen von Florence Hensey (1758) bis 1780 keine weiteren Hochverratsprozesse gab, erfolgten auch bei den Anklagepraktiken wichtige Professionalisierungsschübe im Rahmen der gewöhnlichen Prozesse. Aus diesen Zusammenhängen wurde aber kaum Quellenmaterial überliefert, so dass die Praxis des juristischen briefings nur anhand von Hochverratsprozessen untersucht werden kann, vgl. Langbein, The prosecutorial origins of defence counsel, 331. Dies war der erste Fall, in dem ein treasury solicitor die Vorermittlungen durchführte. Schlögl, Interaktion und Herrschaftsbildung, 125.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

489

Im Fall Tyrie bereitete der erfahrene treasury solicitor William Chamberlain die Akten für die Kronanwälte vor.148 Bei diesen handelte es sich diesmal nicht, wie sonst bei Hochverrat, um den Attorney General und den Solicitor General, sondern um den Serjeant-at-Law Nash Grose, der vom King’s Counsel John Morris und dem Anwalt John Thomas Batt unterstützt wurde.149 Chamberlain überlieferte ihnen drei Faszikel. In einem wurde der case dargestellt (und durch seine Beschreibung zugleich auch hergestellt!), das andere enthielt das Indictment und das dritte den brief. Beim case berichtete Chamberlain: on Wednesday the 13th February last a Woman [d.i. Mrs. Askew, A.K.] brought to a Mrs. Harveys House in Westminster a Bundle of Papers and desired that she would take care of them for a few Days and having expressed that she had made use of two or three coaches in coming tither Mrs. Harveys curiosity was excited and as soon as the Woman was gone sent for one Mr. Page a Friend of hers, and related the circumstances to him who thought proper (as they were not sealed up) to examine the Papers which appeared to be as follows:150

Nachfolgend listete Chamberlain, jeweils mit einem von ihm hinzugesetzten Betreff, 42 Schriftstücke auf. Dann berichtete er weiter: Bei den Papieren habe Mr. Page auch einen Dechiffrierschlüssel gefunden, mit dem er den wahren Sinn einiger Briefe, die anscheinend bloß von Spirituosen und Tuchwaren zu handeln schienen, offenlegen konnte. Handkerchiefs bedeutete demnach signals, also die Signalbefeuerung der Schiffe, der Satz The Bale No. 17 is especially recommended to you at this Moment war als The State of the regular Troops which will remain in England zu übersetzen. Mr. Page sei das alles sehr verdächtig vorgekommen, weswegen er einen Konstabler gerufen habe. Dieser sollte Mrs. Askew verhaften, falls sie noch einmal zum Haus von Mrs. Harvey gekommen wäre. Page habe noch bis in den späten Abend dort gewartet. Am darauf folgenden Tag habe dieser dann die Briefe beim Secretary of State eingeliefert. Am 18. Februar habe Mrs. Askew tatsächlich noch einmal Mrs. Harvey aufgesucht, wo sie festgenommen und vor den Friedensrichter gebracht worden sei. Dem habe sie erzählt, die Briefe seien ihr und David Tyrie von einem William James gegeben worden (tatsächlich war es ja genau andersherum gewesen). Dem Friedensrichter sei es aber merkwürdig vorgekommen, dass Mrs. Askew in den Tagen zuvor mehrmals ihre Bleibe in London gewechselt habe, und als Konstabler die letzte Adresse aufgesucht hätten, seien sie dort auf David Tyrie gestoßen, der daraufhin festgenommen worden sei. Bei Tyries nachfolgender Befragung durch den Friedensrichter von Westminster war Chamberlain bereits zugegen, und er führte dabei auch das Verhör und 148 149

150

Chamberlain arbeitete bereits 1757 als Solicitor für die Mint und verfolgte dort Geldfälscher, vgl. TNA T 1/387/48 und T 1/387/67. 1776 arbeitete er bereits für die Treasury, vgl. TNA T 1/521/184–185. Zu Morris und dem Status eines King’s Counsel vgl. Lemmings, Professors of the law, 266. King’s Counsel waren exklusive Ehrentitel, die zugleich eine regelmäßige Tätigkeit für die Krone implizierten, es handelte sich hier ebenfalls um Kronjuristen, die aber nicht in einem Anstellungsverhältnis standen. Zu Batt vgl. Lemmings, Professors of the law, 336. TNA TS 11/1116/5716, ohne Paginierung.

490

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 50: Umschlag des ‚brief ‘ der Kronanwälte im Prozess gegen David Tyrie.

dokumentierte dessen Verlauf und Ausgang weiter für den case: Tyrie versuchte demnach, sich als Kronzeuge für die Aufdeckung eines französischen Spionagenetzwerks um einen James La Piere anzubieten. Man habe seine Ausführungen darüber zunächst für plausibel gehalten. Doch als Chamberlain dann dem Staatssekretär die Sache am folgenden Tag vortrug, sei dieser gerade von Captain Harrison aufgesucht worden – jenem Schiffskapitän also, den Tyrie für seine als Schmuggel getarnte Spionage eingespannt hatte. Harrison hatte jene Dokumente dabei, die William James auf seinem Schiff über den Kanal bringen sollte. Anschließend schilderte der Kapitän die Umstände, wie sie ihm selber wiederum von William James berichtet worden waren. Solizitor Chamberlain konnte gleich notieren That one David Tyrie & his wife on or about the 9th of February applied to James at Gosport and requested him to carry a Pacquet to France alledging he wanted some wines from thence that upon his saying he had no Vessel, Tyrie replied he wou’d got one. That the next day he [d.i. William James, A.K.] was in company with Tyrie & his wife at the Crown Inn in Gosport where he saw the woman writing and after waiting some time, Tyrie made up the Pacquet which was brought to town and

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

491

which appeared directed „For Captain James to be opened on taking departure from Dunnose151”. That upon delivery of the Pacquet Tyrie told James that he sh[oul]d go to Bologne [sic] and if not able to watch that place then to go to Cherburg [sic]. That James thinking the business had an odd appearance and consulting Harrison thereupon they agreed to open the Pacquet, when finding inclosed several letters adressed to persons in France, Mr. Harrison took the Pacquet to consult with a Gentleman what to do who advised him to go instantly to London and carry the same to the Secretary of State that proper steps might be taken to apprehend Tyrie little thinking he was then in custody.152

Unmittelbar im Anschluss an diese – für Tyrie natürlich fatale – Wendung dokumentierte Chamberlain den Wortlaut der gefundenen Briefe, mit der Angabe des jeweiligen Adressaten. Anschließend notiert er: It is necessary to observe that several of the papers stopt at Mrs. Harvery’s can be proved to be of the hand writing of David Tyrie, particularly the progress of the Navy, No 1 to 8, list of the ships & No. 29 being a paper of signals which is an exact copy of the paper of signals given by Tyrie to James & the directions in paper 19 correspond with the directions on two of the letters in the Packet [sic] sent up from Portsmouth which it is submitted clearly proves that so many of the papers a least belonged to Tyrie is a strong presumption that the whole was his property. Thus stands the Evidence as ag[ains]t David Tyrie153

Während der case den Sachverhalt schilderte, zog Chamberlain die juristischen Konsequenzen daraus im Indictment, dass er den Anklagevertretern in Kopie zur Verfügung stellte. Der eigentliche brief enthielt dann neben einer knappen Zusammenschau eine Übersicht über jene Schreiben, die Chamberlain für besonders inkriminierend erachtet hatte. Es handelte sich dabei sowohl um Briefe, die bei Mrs. Harvey abgegeben worden waren als auch um solche, die Captain Harris ausgehändigt hatte. Zudem stellte Chamberlain die Quintessenzen aus dem von ihm durchgeführten Vorbefragungen der Zeugen (deren Vorladung zum Prozess er veranlasst hatte) zusammen. Grose, Morris und Batt, die Kronanwälte, kannten den Fall also vor dem Prozess nur aus zweiter Hand. Sie hatten weder Tyrie noch einen der vorgesehenen Zeugen persönlich gesprochen. Vor Gericht sollten sie ihnen zum ersten Mal begegnen. Sie konnten den Fall aber im Wortsinn übernehmen, insofern er für sie, zu einer Kladde gefaltet, griffbereit war (Abbildung 50).154 151 152 153

154

Auf der Isle of Wight. TNA TS 11/1116/5716, ohne Paginierung. Chamberlain dokumentiert im Folgenden noch die Rolle von James La Piere in diesem Fall, beruhend auf den Aussagen von Mrs. Askew. Allerdings wurde dieser Fall nicht weiter verfolgt. Ein James La Piere wurde 1785 wegen Einbruchs zum Tode verurteilt (www.oldbaileyonline.org), ob es sich dabei um die selbe Person handelt, bleibt unklar. Auf diese durch Materialität ermöglichte Transferierbarkeit von Rechtsmedien verweist neben Scheffer auch Latour, Die Rechtsfabrik, 89. Zur juristischen Aktenarbeit aus wissenssoziologischer Perspektive vgl. Stegmaier, Wissen, was Recht ist, 196ff.

492

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 51: Aus dem ‚brief ‘ der Kronanwälte im Prozess gegen David Tyrie.

Dabei bedeutete die Übernahme des Falls auch die Aneignung desselben. Die Spuren davon finden sich in den Unterlagen wieder, und zwar in Form von Unterstreichungen und Randnotizen. Im Indictment wurde etwa die Passage wickedly and traiterously did compass imagine and intend our said present Sovereign Lord the King of and from the Royal State Crown Title Power & Government of this Real of

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

493

Great Britain to depose and wholly deprive and the same Lord the King to kill and bring & put to Death unterstrichen (wobei kill und put to Death doppelt unterstrichen wurde). Am Rand wurde dazu vermerkt compass the King’s Death.155 Für die Kronanwälte waren diese high treason-Topoi keine leeren Phrasen, sondern wichtig für die Klärung der rechtlichen Grundlagen dieses Falls und der Schwere des Vergehens aus der Sicht der Normen. Unterstrichen wurden desweiteren verschiedene overt acts, die das Indictment nannte und die sich auf das Schreiben der Briefe, ihren Inhalt (Positionsbestimmung der Schiffe) und ihren versuchten Transfer to the said Louis the French King bezogen. Erst durch solche Lektüre- und Annotationspraktiken wurde den Kronanwälten klar, womit sie es bei diesem Fall zu tun hatten und auf welche Punkte es vor Gericht ankommen würde. Ihr Auftritt dort wurde von Chamberlain im brief vorbereitet. Auch dieses zentrale Papier weist Bearbeitungsspuren auf (Abbildung 51). Es handelte sich bei dem brief allerdings nicht einfach um ein Drehbuch mit unmittelbaren Sprechanweisungen, sondern um eine Zusammenstellung von „Präparaten“ (Thomas Scheffer), die von den Kronanwälten vor Gericht selbstständig mobilisiert und in Performanz umgesetzt werden mussten. Zu diesen Präparaten gehörte unter anderem die gedrängte Angabe der Informationen, die die jeweiligen Zeugen liefern konnten. Die Transferleistung der Kronanwälte bestand darin, diese Angaben in Fragen umzuformulieren. Zu Maria Harvey hatte Chamberlain etwa notiert: Will prove a woman bringing a Bundle of Papers to her House on Wednesday the 13th of February and desiring her to take care of them, and her shewing them to Mr. Page and delivering them to him the next Day and that the Papers she delivered to Mr. Page were the same she recieved from the woman.156

Kronanwalt Grose stellte vor Gericht auf dieser Grundlage folgende Fragen (F) an Mrs. Harvey157:

155 156 157

F:

Where do you live?

A:

In Carvick‘s-row, Scotland yard.

F:

Do you remember any lady, at any time, coming to you with some papers?

F:

Yes; on Wednesday, the 13th of February.

F:

Who was she?

A:

A woman who called herself Askew.

F:

What did you do with those papers?

TNA TS 11/1116/5716, ohne Paginierung. Ebd. Die Antworten werden mit ‚A‘ bezeichnet.

494

1780–1850: Normalisierungsregime

A:

I inspected into them, and then delivered them up to a gentleman of Westminster, Mr. Page.

F:

How came you to inspect into them?

A:

From various reasons. The lady gave me reason, from what she said, to suspect their being of a criminal nature.

F:

What were those reasons?

A:

By her saying ‚she had taken three coaches to bring them;‘ and she appeared very much flurried. She said, ‚the gentleman that delivered them to her was in trouble, and wished to get them off.‘ This created a suspicion in me. I therefore inspected into them; and gave them all, on the same day, to Mr. Page.158

Zu William James konnte Kronanwalt Batt auf folgende Hinweise zurückgreifen: Will prove that on the 9th of February the Prisoner applied to him at Gosport and requested him to carry a Pacquet for him to France alledging that he wanted to get some wines from there, that upon his saying he had no Vessel the prisoner replied he would get him one. That the next day he was in company with the prisoner and his wife at the Crown Inn at Gosport where he saw the woman writing and after sitting some time the prisoner delivered him the Pacquet containing the Letters set forth in the case which he afterwards let Harrison have. That at the Time of the Delivery of the Pacquet the prisoner told him he should go to Boulogne and if not able to reach that place then to go to Cherbourg and that upon expressing some apprehensions in going into an Enemies country, the prisoner delieverd him the two papers mentioned in the case & the one being the Signals by the Vessel on coming off either Boulogne or Cherbourg and the other of them a Direction to Mons. De Castries and which latter papers he was to deliver to the French Boat that should come off and which would take him on shore. That suspecting by the cover of the Pacquet there was something improper therein he consulted Mr. Harrison and let him have the Pacquet that he might consult with a friend what was proper to be done and he will produce the two papers he recieved from the prisoner as a protection from the French.159

In Fragen umgesetzt klang das dann so:

158 159

F:

Where do you live?

A:

I formerly was resident at Lyme. Where did you live in February last?

A:

At Portsmouth and Gosport. I have a brother there.

F:

Look at the prisoner: are you acquainted with him?

A:

I know the prisoner.

21 ST 819. TNA TS 11/1116/5716, ohne Paginierung.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

495

F:

Did you see him any time last February?

A:

Yes, at Gosport. I am rather thick of hearing: I will rehearse the whole story if you please; afterwards, if you ask me any questions, I will endeavour to answer them to the best of my knowledge.

F:

Drop the other circumstances of your story, and inform the Court what passed between the prisoner and you in February.

A:

I met Mr. Tyrie pretty near the beach at Gosport. […] Mr. Tyrie said, He wanted to supply some ships going out to the East Indies with wine. He said, He wanted to get the wine home, and asked me if I would go and conduct a vessel home from Boulogne. […] He said, He should give me 15l. or 15 guineas, if I would go and bring home the wine to Spithead, and the people that were there; and that I should have a letter of credit for 50l. if I chose to purchase any thing. I asked him what vessel he had to carry me there? He said, He would have a vessel at a moment‘s notice; he could have one of Stevens‘s at the Point. I went with him there. Stevens was indifferent about going. I told Mr. Tyrie the wind was too short to go to Boulogne. He then said, If I could not get there, Cherbourg would answer his purpose as well as Boulogne. I told him I had been there many times, but could never buy any wine; but he said, the gentleman he should send me to would supply me with what he wanted. I told him, it being war-time, it would be hazardous to go into an enemy‘s country; I thought they might detain me there. He said, No, he would give me a piece of paper of signals, which I was to make at my arrival there, that nobody should detain me. I asked him if I should have my liberty to go on shore? He said, I might; but none of the people on board must go on shore: that I should be provided with necessaries.

F:

Did he give you any signals?

A:

He did; but, before I had the signals, I waited upon him at the Crown-inn; there he delivered me a packet.

F:

At what time was this?

A:

Between nine and ten o‘clock at night of the same day; I think it was the 17th of February; it was of a Sunday.

F:

Are you sure it was on a Sunday?

A:

Yes; and I believe it was on the 17th; Mr. Tyrie delivered me a packet.

F:

When you went to Tyrie‘s lodgings at the Crown, who was with him?

A:

Mr. Mailstone, and Mr. Tyrie‘s wife, or a woman that passed for his wife, was with him.

496

1780–1850: Normalisierungsregime

F:

Did you observe what they were doing?

A:

Mr. Tyrie and his wife were both sitting at the table, and I believe they were both writing; but I did not interfere with their business, as I looked upon it to be letters of trade. Mr. Tyrie, after that, gave me a packet of letters.

F:

Look at that packet.

A:

This is the same, I believe; I am sure the outside is. It was between nine and ten o‘clock when he delivered me this. Mr. Tyrie and his wife then set off, as they said, for London.

F:

You mentioned before, that Mr. Tyrie gave you a paper of signals to protect you against the French when you came upon their coast: what did you do with that?

A:

I carried the papers with me to London, and delivered them to Mr. Chamberlayne.

F:

Look at these papers.

A:

These are the papers that were delivered to me by Mr. Tyrie; and that I gave to Mr. Chamberlayne.160

Die Fragen entfalteten, abgesehen von Allgemeinplätzen (Where do you live?) und strategischen Interventionen (Look at the prisoner: are you acquainted with him?; Look at that packet), also vor allem das, was an Informationen im brief präpariert worden war. Serjeant Nash und seine Kollegen fungierten hier – zumindest teilweise – als Sprachrohre eines Anklagediskurses, dessen Urheber sie nicht (allein) waren und der sich nicht erst im Gerichtssaal aus eigener Dynamik entfaltete.161 Die routinierte Fallarbeit, die die Anklagevertreter in der Winchester Great Hall präsentierten, beruhte auf bereits zuvor erbrachten und schriftlich verfügbaren Leistungen des Solizitors. Dass es sich bei der Anklagevertretung tatsächlich um eine Koproduktion handelte, kam natürlich nicht zur Darstellung. Der Advokatentisch ermöglichte den raschen Blick auf die Vorarbeiten, während zugleich die anwaltliche Tätigkeit vor Gericht als freie Redekunst in Szene gesetzt wurde (dazu gleich mehr). Aber von der durch das Diskursmaterial gestifteten Routiniertheit profitierte auch das Verfahren. Zeugenverhöre stellten sich auch deswegen um 1800 nicht mehr als Phasen des Ausprobierens dar, die, wie bei den Prozessen während des Popish Plot, zu Interventionen und anderen Konflikthandlungen veranlassten, sondern um das systematische Abfragen von den Anwälten bereits bekannten Informationen, die dazu dienten, ihren Fall und den damit einhergehenden Entscheidungsvorschlag zu inszenieren. 160 161

21 ST 826f. Auf die für den englischen Gerichtsprozess kennzeichnende Trennung von vorbereitender Fallarbeit und Präsentation in court verweist schon Lemmings, Professors of the law, 25–37; vgl. dazu für den modernen Prozess auch Scheffer / Hannken-Illjes / Kozin, Criminal defence, 155f.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

497

Solche Diskursmaterialien sind bei Hochverratsprozessen nur für die Anklagevertreter überliefert worden. Wie die Verteidiger ihren Fall zurechtlegten und materiell fabrizierten, lässt sich daher (für dieses Delikt!) kaum rekonstruieren, auch wenn klar ist, dass sie ebenfalls mit briefs arbeiteten.162 Die Gerichtsverhandlungen dienten also im wesentlichen dazu, unterschiedliche Fallversionen miteinander kontrastieren zu lassen und den Geschworenen zur Entscheidung vorzulegen. Im Unterschied zu gewöhnlichen Fällen hatten die Verteidiger bei Hochverrat sogar Zugriff auf den Anklagetext und andere offizielle Akten. Tyries Anwalt, ein Mr. Watson, hätte dabei die inkriminierten Papiere und Briefe einsehen können. Darauf deutet zumindest eine Passage aus seiner Verteidigungsrede hin, mit der er allerdings nicht nur seinen Mandanten, sondern auch sich selbst in Schutz nahm: Er habe these voluminous materials in der Kürze der ihm bei der Vorbereitung des Falls zur Verfügung stehenden Zeit leider nicht mehr durcharbeiten können.163 Watson verlegte sich daher darauf, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu streuen. Mit der Aussage eines Wirtshausbesuchers  – dem einzigen Zeugen der Verteidigung – sollte vor allem Kapitän James diskreditiert werden, was allerdings ebenso widersprüchlich endete wie Watsons Verteidigungsrede. Interessanter als dieses Scheitern ist aber die daraus zu gewinnende Einsicht, dass sich auch Verteidiger um 1800 auf die Fallarbeit spezialisiert hatten und nicht mehr nur versuchten, durch Anträge und Beschwerden (die natürlich weiterhin vorkamen) den Prozess zum Platzen zu bringen. Die mit der Praxis der Anklagevertreter korrespondierenden Vorgehensweisen der Verteidiger waren daher auch ein Beitrag zur Routinisierung und Formalisierung des Verfahrens. Zur professionellen Fallarbeit gehörten neben den briefs auch der Zugriff auf Gesetze und Kommentarliteratur. In der Mitte des 18. Jahrhunderts lagen diese bereits auf dem Advokaten-Tisch, im frühen 19. Jahrhundert gab es dazu spezielle Bücherstände auf dem Tisch, die den Zugriff erleichterten – und natürlich auch Professionalität symbolisierten (Abbildung 49). Die Konversationsstruktur bei den älteren Prozessen war nicht darauf angelegt, einen Rekurs auf normative Texte zuzulassen. Unterbrechungen mit solchen Absichten wurden daher als Störungen behandelt und unterbunden. Der Wortlaut von Gesetzen konnte allenfalls aus dem Gedächtnis interpoliert werden, so wie dies beim Prozess gegen Throckmorton 1554 (anscheinend) vorgekommen war. Rechtsbücher wie Edward Cokes autoritative Commentaries dienten auch beim Prozess gegen Lilburne 1649 oder gegen Lord Russell 1683 eher als Symbole, die im Wortsinn hochgehalten wurden, die aber in Wirklichkeit nicht als Nachschlagewerke beim laufenden Prozess genutzt wurden. Eben dies änderte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts. Das Aufkommen der briefs und der Bücherständer steht damit auch für den Wandel des forensischen Sprechens. Dieses gestaltete sich nicht länger als mnemotechnische Meisterleistung in Rede und Zeugenverhör, sondern als eine stets an Texte zurückgebundene Praxis; und zwar an Texte, die griffbereit zur Verfügung standen. 162 163

May, The bar and the Old Bailey, 93. In anderen Fällen und im Bereich des Zivilrechts sieht die Überlieferungssituation anders und etwas günstiger aus, vgl. Lemmings, Professors of the law, 155ff. 21 ST 836.

498

1780–1850: Normalisierungsregime

Insofern – und es scheint fast trivial darauf hinzuweisen, dennoch wird es nicht selten übersehen  – diente das forensische Interieur auch der Verbesserung und Erleichterung der juristischen Tätigkeiten im Gerichtssaal  – und war damit ein Beitrag zum Ausbau juristischer Macht. Die bisweilen qualvolle Länge der Prozesse und die Flut an Informationen durften nicht dazu führen, dass die Juristen die Übersicht verloren. Und natürlich waren die briefs auch erst die Voraussetzung dafür, jene ausufernden Anklage- und Verteidigungsreden zu halten, wie sie zu dieser Zeit üblich wurden. Nicht nur enthielten die briefs jene Stichworte und Exzerpte aus den Zeugenaussagen, auf die der Jurist zu sprechen kommen wollte. Nach den rhetorischen Höhenflügen wusste er dann mit einem Blick, was als nächstes auf der Agenda stand, welche ‚Tatsachen‘ er nun ins Spiel bringen konnte, z. B. Pistolen, Gewehre und andere Waffen. Anschauungsmaterial Wurden die Piken im Prozess gegen Hardy nur in Form einer Zeichnung zugänglich gemacht, so wurden die Waffen der Cato Street-Verschwörer (pikes, swords, guns, pistols, grenades, ammunition, fire-balls) vor Gericht auf dem Tisch der Advokaten zur Schau gestellt.164 Auch im Prozess von John Frost wurden Waffen als Beweismittel inszeniert (Abbildung 52).

Abb. 52: Die bei den Aufständischen in Newport sichergestellten Waffen, durchnummeriert als Beweismittel für den Prozess gegen John Frost 1839, Shire Hall Museum Monmouth. 164

33 ST 824, 828, 1047, 1051.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

499

Sichergestellt worden waren diese von Thomas Jones Phillips, ein clerk to the Magistrates in Newport, als er am Abend des 4. November 1839 John Frost verhaftet hatte. In der Tasche von dessen Mantel hatte Phillips drei Pistolen gefunden. Dazu wurde er während des Prozesses vom Attorney General genau befragt: F:

When you got to the „Westgate,“ was Frost searched?

A:

He was searched.

F:

What was found upon him?

A:

Three pistols.

F:

In his pockets?

A:

Yes.

F:

Any gunpowder?

A:

A powder-flask and some ball.

F:

Were the balls in a bag, or were they loose in his pocket?

A:

I believe they were loose.

[…] F:

Were the pistols found upon Mr. Frost loaded?

A:

Yes.

F:

All three?

A:

Yes.

F:

Have you got them here?

A:

I have.

F:

Just produce them?

A:

These are the pistols found upon Mr. Frost. (The witness produced three pistols, one of them being rather larger than the other two.)

F:

The balls, I suppose, you have got?

A:

No.

500

1780–1850: Normalisierungsregime

F:

Are the pistols still loaded?

A:

I believe they are.

F:

Do they remain as they were?

A:

Yes, with the exception that the caps were taken off; these are the balls (producing nine balls, one of which was rather larger than the others); that is the powder-flask (producing it).165

Obwohl es ja durchaus eine Nachfrage verdient hätte, wieso Phillips auf die Frage, ob er auch die Pistolenkugeln habe, zunächst mit No antwortete, nur um die Kugeln im nächsten Augenblick doch aus seiner Tasche hervorzuholen, ging Frosts Anwalt Pollock bei seinem Kreuzverhör auf diese Ungereimtheit nicht ein. Seine Fragen an den Zeugen drehten sich stattdessen um die Frage, ob dieser bei der Durchsuchung von Frosts Haus Schränke und Schubladen aufgebrochen habe.166 Der unmittelbaren Anschaulichkeit der Gewaltmittel in ihrer Dinglichkeit ließ sich mit einem Kreuzverhör offenbar nicht beikommen. 4. RESÜMEE Über die Formierung des modernen Verfahrens zu schreiben, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Nötig wäre dazu eine Analyse des am Beginn des 19. Jahrhunderts schon weitgehend ausdifferenzierten englischen Rechtssystems, bei dem die Gerichte zwar eine zentrale Stellung einnahmen, aber auch weitere Einrichtungen, Akteure und Diskurse sowie das Verhältnis zu anderen Funktionssystemen der Gesellschaft in den Blick gerückt werden müssten. Selbst beim Fokus auf die Gerichte kämen weitere Deliktarten als Exempel in Betracht – oder auch die Zivilgerichtsbarkeit. Denn so wichtig Hochverratsprozesse für die frühneuzeitliche Ausdifferenzierungsdynamik waren, so sehr wurde die verfahrensgeschichtliche Entwicklung nach 1800 auch von anderen Delikttypen und Fallkonstellationen vorangetrieben.167 Eine solche Perspektiverweiterung konnte hier allerdings nicht einmal ansatzweise geleistet werden. Ich habe mich vielmehr am Beispiel von Hochverratsprozesse darauf beschränkt, drei Ressourcenfelder vorzustellen, die mir für die Konstruktion von Verfahrensförmlichkeit besonders wichtig erscheinen: Das waren zum einen Rituale, zum anderen die konditionale Programmstruktur des Verfahrens und zum dritten Räume und andere Materialitäten als die dinglichen Grundlagen des Verfahrens. Formalisierung wurde dabei als erwartungssichere Reproduzierbarkeit einer Verfahrensroutine verstanden, die nicht einfach gegeben war, sondern als soziale und interaktive Konstruktion zu verstehen ist. 165 166 167

4 RST 310f., F=Frage, A=Antwort. 4 RST 311. Etwa im master and servant law, das Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, untersucht hat.

VIII. Die Formierung des modernen Verfahrens

501

Rituale blieben auch um 1800 ein prominentes Kennzeichen von Gerichtsverfahren. Im Unterschied zu Forschungen, die sich für die Symbolik von Gerichtsverfahren und Justiz interessieren, kommen Rituale in dieser Arbeit vor allem in ihren demarkierenden Funktionen in Betracht. Die Frage ist demnach, was Rituale leisteten, um das Verfahren als Diskursraum von seiner sozialen Umwelt abzugrenzen und inwiefern sie zur inneren Gliederung der Verhandlungen beitrugen. Die erste Funktion war um 1800 weniger wichtig geworden, die zweite aber nicht. Die rituellen Sprechakte der Clerks waren wichtig, um die Verhandlung als eine unabänderliche Ablauforganisation darzustellen, bei der das, was jeweils ‚als nächstes‘ kam, nicht aushandelbar war. Im Unterschied zu Forschungen, die im rigiden Gerichtszeremoniell eine Machtdemonstration gegenüber Angeklagten und Zuschauern sehen, wurde hier die generalisierende Wirkung der rituellen Durchtaktung betont, die allen Beteiligten – und gerade auch den Juristen – das Verfahren als unverfügbare Routine erscheinen ließ. Die Rituale waren auch wichtige Faktoren des gerichtlichen Konditionalprogramms. Während sich dies im 16. Jahrhundert auf Anfang und Ende eines Prozesses beschränkte, wurde um 1800 auch die Hauptverhandlung von einer konditionalen Struktur durchzogen. Die Programmstruktur machte sich vor allem bei der triadischen Zeugenbefragung bemerkbar, bestehend aus Haupt-, Kreuz- und Rückverhör. Damit zeigte sich einmal mehr, dass Zeugenbefragungen nicht nur Auswirkungen auf die Informationsbasis des Verfahrens hatten, sondern auch auf die Interaktionsordnung. Räume trugen wiederum nicht nur zur Situationsdefinition bei, womit sie Funktionen übernahmen, die früher vor allem Rituale erfüllten. Sie wirkten durch die Verortung der Personen auch disziplinierend. Die Ausbildung eines bestimmten forensischen Interieurs gehörte zu den Bedingungen der Möglichkeit jener Mammutprozesse, wie sie bei Hochverrat und anderen politischen Delikten in den Jahrzehnten vor und nach 1800 üblich geworden waren. Dabei ging es nicht nur um die raumaufteilende Funktion von Tischen, sondern auch um das, was darauf lag: Schreibmaterialien und Handbücher, die als „little tools of knowledge“ (Peter Becker / William Clark) von den Juristen bei ihrer Kommunikation mobilisiert werden konnten. Exemplarisch verdeutlicht wurde dies anhand von Akten im Fall David Tyrie. Es wurde gezeigt, dass es sich bei den Akten um Diskursmaterial handelte, mit denen sich ihre Nutzer, die Kronanwälte, vor Gericht in Stellung bringen konnten. Zugleich wurde daran erkennbar, dass Fallkonstruktionen nicht erst vor Gericht stattfanden, sondern das Resultat von (diskontinuierlicher) Teamarbeit waren. Der Fall wurde von einem Solizitoren in mühsamer Kleinarbeit vorbereitet, der seine Ergebnisse den Kronanwälten wiederum in Form eines briefs zur Verfügung stellte. Es handelt sich dabei um Indizien für die transsequenziellen Dimensionen von Verfahren, die es nicht nur in diesem Fall gab, sondern die charakteristisch wurden für moderne Gerichtsprozesse. Die Fallarbeit mit briefs unterscheidet sich erheblich von der juristischen Trial-and-Error-Praxis in den state trials des späten 17. Jahrhunderts. Es handelte sich dabei nicht nur um ein Beispiel für die Professionalisierung von Anklagetechniken, sondern auch um einen Beitrag zur Routini-

502

1780–1850: Normalisierungsregime

sierung der gerichtlichen Interaktion, wenn die Kronanwälte vor Gericht vorgefertigte Diskurspräparate in Performanz umsetzten. Bei Materialitäten im Verfahren konnte es sich aber auch um ganz konkrete Beweisstücke handeln, um Waffen etwa. Ob es Zufall war, dass ein solches Anschauungsmaterial in älteren Prozessen nicht eingesetzt wurde oder ihr Einsatz in den Prozessen um 1800 mit veränderten epistemischen Rahmenbedingungen zusammenhing, bleibt eine offene Frage.

503

IX. Anwälte und ihre Angeklagten In seiner auf eigener Anschauung beruhenden Abhandlung über das englische Gerichtsverfahren des frühen 19. Jahrhundert notierte der liberale deutsche Strafrechtsreformer Carl Mittermaier, dass die jetzige Strafanwendung in England, wenn man die Rechtsausübung betrachtet, im Allgemeinen sehr milde, und […] durch die Rücksicht auf die Persönlichkeit des Angeklagten […] bestimmt [wird]. In England gehöre es zur tief verwurzelten Überzeugung des Volkes, dass der Angeklagte freie Vertheidigung habe, keiner ungerechten Behandlung unterworfen wird, dass jeder Formfehler im Interesse des Angeklagten Nichtigkeit nach sich zieht, dass je schwerer die Anklage ist, auch desto ausgedehnter die Schutzwehr des Angeklagten sein muss. […] Daher hat wohl in keinem Lande der Welt der Angeklagte eine so grosse Schutzwehr gegen eine Anklage als in England.1 Ähnlich beeindruckt von der Strafverteidigung waren auch andere Beobachter der im frühen 19. Jahrhundert als vorbildlich erachteten englischen Prozesspraxis. Der in London lebende Jurist Torrent, der als eine Art England-Korrespondent für die von Mittermaier mitherausgegebene Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslands fungierte, bemerkte etwa, dass die Vertheidigung […] in England einen viel weiteren Spielraum als in irgend einem anderen Lande habe.2 Die prinzipielle Hochschätzung anwaltlicher Tätigkeit hat sich bis in die gegenwärtige Forschung erhalten. Einen eigenen Rang nehmen die verschiedenen Bücher des Publizisten John Hostettler über die Geschichte der englischen Strafverteidigung im 18. Jahrhundert ein.3 Da im angelsächsischen Kontext die Grenzen zwischen akademischer und journalistischer Geschichtsschreibung fließender sind, werden Hostettlers Arbeiten breit rezipiert, sowohl im Fach als auch beim weiteren Publikum. Die Figur des Anwalts William Garrow (1760–1840) hat die BBC wiederum von 2009 bis 2012 zum Protagonisten einer preisgekrönten Serie mit hohen Einschaltquoten gemacht, die die anwaltliche Tätigkeit mit einer Romanze verband – weswegen sich auch die Boulevardblätter für diese Figur interessierten und darüber befanden: „His brainstorming performances in court rewrote the law books“.4 An der Produktion der Serie war Hostettler als Berater beteiligt.5 1 2 3

4

5

Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 55. Torrent, Beiträge zur Würdigung des Strafverfahrens, 130. Hostettler, The politics of criminal law; Hostettler, Thomas Erskine and trial by jury; Hostettler, The criminal jury old and new; Hostettler, Fighting for justice; Hostettler, A history of criminal justice in England and Wales; Hostettler / Braby, Sir William Garrow. So in der Online-Ausgabe der Daily Mail vom 26.10.2010, URL: http://www.dailymail.co.uk/ femail/article-1333067/His-court-performances-rewrote-law-But-William-Garrows-love-lifecaused-biggest-rumpus-Georgian-society.html (07.07.2014). Hostettler, Garrow‘s law.

504

1780–1850: Normalisierungsregime

Für den Publizisten waren Anwälte wie William Garrow oder auch dessen Zeitgenosse Thomas Erskine Helden der Freiheit und die anwaltliche Tätigkeit am Ende des 18. Jahrhunderts gilt ihm als eine zivilisatorische Errungenschaft. Mit weniger Pathos, aber dennoch mit der Tendenz einer Fortschrittsgeschichte wird die Geschichte der Anwälte aber auch von der historischen Forschung im engeren Sinne und im Kontext der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Juristenstands geschrieben.6 Das macht sich schon daran bemerkbar, dass der Prisoner’s Counsel Act von 1836 stets als Fluchtpunkt dieser Studien dient.7 Dieses Gesetz erlaubte eine vollumfängliche Strafverteidigung für alle Angeklagten und holte so für die Masse der Delinquenten nach, was für (angebliche) Hochverräter bereits mit dem Gesetz von 1696 möglich geworden war. Auch diese Arbeiten zur Geschichte der englischen Anwaltschaft im 18. und 19. Jahrhundert werden also von einem Fortschrittsnarrativ grundiert, von der Scheidung des „Criminal Trial before the Prisoner’s Counsel Act“ und dem Verfahren nach der Reform – immer bezogen auf gewöhnliche Prozesse, nicht auf Hochverrat. Das überkommene Verfahren des 18. Jahrhunderts wird in der jüngsten, grundlegenden Studie von Allyson N. May als zynisches Machttheater charakterisiert, bei dem Anwälte schon informell mitwirkten, in substanzieller Weise aber an der Findung von Wahrheit und Gerechtigkeit gehindert wurden.8 Dies kam etwa dadurch zum Ausdruck, dass sie zwar die Kreuzverhöre durchführen durften, aber nicht das Recht hatten, Ansprachen an die Geschworenen zu halten und ihre Auffassungen über die Rechts- und Beweislage in den Ring zu werfen. Natürlich kann man diese Praxis auch aus der distanzierten Sicht des Historikers als Skandal werten. Unter den normativen Vorzeichen des bloody code führte diese gewollt nur halbe Strafverteidigung zahllose Menschen, darunter auch immer wieder Kinder, auf die Richtstätte.9 Dennoch wäre es zu einseitig, die Ausweitung von Strafverteidigung nur als Fortschritt und Professionalisierung zu deuten. Wie schon im Zusammenhang mit dem Hochverratsgesetz von 1696 diskutiert, kommt es darauf an, latente Machteffekte im Auge zu behalten.10 Tatsächlich waren die Verurteilungszahlen nach der Reform von 1836 überhaupt nicht signifikant gesunken, was nur deswegen nicht mehr so existenziell ins Gewicht fiel, weil die Zeit des rigorosen Hinrichtens vorbei und die Todesstrafe selbst in der Krise war.11 6

7

8 9 10

11

May, The bar and the Old Bailey; Corfield, Eighteenth-century lawyers; Gallanis, The mystery of Old Bailey counsel; Pue, Lawyers and political liberalism in eighteenth- and nineteenth-century England; Lemmings, Ritual, majesty and mystery. Bentley, English criminal justice; Cairns, Advocacy; Lemmings, Gentlemen and barristers; Lemmings, Professors of the law; Lemmings, Criminal trial procedure; May, Reluctant advocates; Lemmings, Criminal trial procedure; May, Advocates and truth-seeking. May, The bar and the Old Bailey, 115. Zuletzt dazu Devereaux, England’s „bloody code“. Dazu passt, dass die meisten Agenten der Anwaltsreform im frühen 19. Jahrhundert durchaus nicht von der Sorge um die Angeklagten getrieben wurden, sondern von standesspezifischen Motivationen – vor Gericht sollten nur Anwälte sprechen, keine Laien – und wirtschaftlichen Interessen, schließlich konnte man mit einer vollen anwaltlichen Vertretung mehr Geld verdienen, dazu May, The bar and the Old Bailey, 239. McGowen, „Making examples“; Devereaux, England’s „bloody code“.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

505

In diesem Kapitel sollen daher vor dem Hintergrund der Situation um 1800 Praxis und latente Effekte von Strafverteidigung untersucht werden. Dazu werde ich zunächst am Beispiel von Thomas Erskine und William Garrow die Dominanz von Strafverteidigern im laufenden Prozess skizzieren (1). Anschließend zeige ich anhand von Ratgeberliteratur, dass es sich dabei nicht um individuelle Stilisierungen handelte, sondern um eine allgemeine Verhaltenslehre, die anwaltliches Agieren zu einer Art Kunst erklärte (2). Wenn Verteidigung aber als Kunst aufgefasst wurde, dann war für spontane Initiativen von Angeklagten kein Platz mehr. Unter den Bedingungen elaborierter Strafverteidigung, wie sie um 1800 bereits vorhanden war, wurde der Angeklagte nicht nur räumlich, sondern auch in der kommunikativen Praxis der Verfahren dezentralisiert (3). Diskutiert werden darüber hinaus weitere Szenarien, bei denen Angeklagte im Wortsinn entmündigt wurden, nämlich dann, wenn sie für unzurechnungsfähig erklärt wurden. Am Statuswechsel vom Angeklagten zum Irren hatten Anwälte erheblichen Anteil (4). Wie weit anwaltliche Stellvertretung reichte, zeigte sich in Verfahren gegen Abwesende, was am Fall von Thomas Paine umrissen wird (5). Gerade diesen Fall nahmen auch die britischen Radikalen zum Anlass für fundamentale Kritik am Institut der Strafverteidigung. Radikale wie William Godwin hatten implizit eine Ahnung davon, was auch These dieses Kapitels ist: Strafverteidiger leisteten der weiteren Organisation von Macht im Verfahren Vorschub, weil sich ihr Einsatz für den Angeklagten, wie leidenschaftlich auch immer, innerhalb der Spielregeln des Verfahrens vollzog (6). Indem sie sich bei ihrer Tätigkeit an den formalen (rechtlichen) und informellen (sozialen) Normen des Gerichtsverfahrens orientierten, bestätigten sie diese nicht nur in ihrer Geltung, sondern auch als Prämissen der laufenden Entscheidungsherstellung. Dieser Effekt der ungewollt „bestätigenden Mitwirkung“12 konnte sich aber unter bestimmten Umständen auch dann einstellen, wenn sich Angeklagte selbst verteidigten (6). 1. „COUNCELLOR EGO“: ANWALTSZENTRIERUNG IM VERFAHREN UM 1800 Der Prozess gegen Lord Gordon war ein Meilenstein in der Karriere von Thomas Erskine, der in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts beispielhaft für die Formung des Strafprozesses von den Juristen dominierten forensischen Wettstreit stand – dem für die anglo-amerikanische Rechtswelt so kennzeichnenden adversarial criminal trial. Erskine wurde 1750 als Kind einer aristokratischen Familie in Edinburgh geboren und im Geist der schottischen Aufklärung erzogen. Seit 1775 war er Mitglied der Londoner Anwaltsgilde Lincoln’s Inn. Dort stieg er, nicht zuletzt wegen seiner hervorragenden sozialen Beziehungen, sofort mit großen Fällen ein: 1778 mit dem politisch heiklen Prozess wegen der Missstände im Royal Navy Hospital in Greenwich und 1781 mit dem Gordon-Prozess, bei dem 12

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 115.

506

1780–1850: Normalisierungsregime

er zugleich auch zum ersten Mal als Strafverteidiger agierte. Dabei war er, wie erwähnt, nur der Assistent von Anwalt Lloyd Kenyon, der die Zeugen der Anklage auch ins Kreuzverhör genommen und in ihrer Glaubwürdigkeit eindrucksvoll erschüttert hatte. Es war aber Erskine, der die Früchte dieser Verteidigungsarbeit ernten sollte, und zwar in seiner Rede an die Geschworenen, um deren Verschiebung an den Schluss des Verfahrens er mit Erfolg gebeten hatte. John Hostettler wollte darin nur einen prozesstaktischen Kniff erkennen: Da Kenyon wenig erfolgreich agiert habe, habe Erskine retten wollen, was noch zu retten war.13 Abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, an welchem Maßstab man heute überhaupt bewerten kann, inwiefern Kenyon nun gut gewesen war oder nicht: Man müsste auch erwägen, ob es Erskine bei der Verschiebung der Rede nicht auch um etwas ganz Anderes ging, nämlich darum, die Aufmerksamkeit auf sich selbst und seine Rhetorik zu lenken. Die öffentlichen englischen Gerichtsverfahren waren schon seit dem 16. Jahrhundert Bühnen für unterschiedliche Performanzen gewesen: für die der Angeklagten und auch für die der Kronanwälte. Seit dem späten 18. Jahrhundert avancierten Gerichtsprozesse allerdings auch zum sozialen Raum für die Selbstdarstellung von Anwälten, und an dieser Tendenz hatte Thomas Erskine nachhaltigen Anteil. Es war tiefe Nacht geworden, als Erskine schließlich mit seiner Schlussrede begann. Trotzdem waren noch sehr viele Zuschauer in der Westminster Hall, wie Erskine an einer Stelle seiner Rede selbst hervorhob. Er begann mit einem Appell an die Geduld der Geschworenen: Gentlemen, I feel myself entitled to expect, both from you and from the Court, the greatest indulgence and attention.14 Selbst um die Uhrzeit konnte Erskine allerdings davon ausgehen, den Anwesenden zumindest dann noch etwas zumuten zu können, wenn er seine Rede über die argumentative und persuasive Stringenz hinaus auch hinreichend dramatisch und pathetisch, also interessant und mitreißend gestaltete. Daran hatte er bis zur letzten Minute noch gefeilt und Kenyon auch deswegen die Arbeit bei den Zeugenverhören überlassen. Dass dieser seine Arbeit gar nicht so schlecht gemacht und die Zeugen der Anklage ziemlich aufs Glatteis geführt hatte, kann man im Übrigen daran sehen, dass Erskine in seiner Rede wiederholt Sequenzen aus Kenyons Verhören zitierte (er hatte also mitgeschrieben). Für die Verteidigung war gerade das Kreuzverhör eines der Hauptzeugen der Anklage, William Hay, günstig verlaufen: Er war nicht nur von Kenyon als Spitzel enttarnt, sondern auch der Lüge überführt worden. Erskine stellte Hay in seiner Rede zunächst als einen Bankrotteur im doppelten Sinne vor: a bankrupt in fortune he acknowledged himselfe to be, and I am afraid he is a bankrupt in conscience.15 Er nannte ihn einen dark Popish spy, who attended the meetings of the London Association, to pervert their harmless purposes […] und sparte nicht mit Kritik an der Beschäftigung von Spitzeln durch die Obrigkeit: How fortunate the crown is, gentlemen, to have such friends to collect evidence by anticipation! Dann kam Erskine auf jenen Teil des Kreuzverhörs zu sprechen, bei dem Hay 13 14 15

Hostettler, Thomas Erskine and trial by jury, 63. 21 ST 587. 21 ST 598, Hervorhebungen im Original.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

507

eine besonders unglückliche Figur gemacht hatte. Hay hatte behauptet, einen der Anführer des Aufruhrs an seiner Kleidung wiedererkannt zu haben; dieser habe nämlich die Kluft eines Brauergesellen getragen. Nur hatte er zuvor jedoch ausgesagt, dass alle Protestierer in ihren besten Sonntagsanzügen erschienen waren. Erskine machte sich diesen Widerspruch zu eigen, in dem er die Passage aus dem Verhör rekapitulierte: ‚How,‘ says Mr. Kenyon, ‚do you know that it was the same person you saw in the fields?—Were you acquainted with him?‘—`No.‘—How then?—Why, ‚he looked like a brewer‘s servant.‘ Like a brewer‘s servant!—What, were they not all in their Sunday‘s clothes?—`Oh! yes, they were all in their ‚Sunday‘s clothes.‘ Was the man with the flag then alone in the dress ofhis trade?—`No.‘—Then how do you know he was a brewer‘s servant?—Poor Mr. Hay—nothing but sweat and confusion again. At last, after a hesitation, which every body thought would have ended in his running out of court,he said, he knew him to be a brewer‘s servant, because there was something particular in the cut of his coat, the cut of his breeches, AND THE CUT OF HIS STOCKINGS.16

Mit dem letzten Satzteil in Großbuchstaben wollte der Protokollant William Vincent vermutlich den akustischen Akzent wiedergeben, den Erskine auf diese Pointe gelegt hatte. Beim Prozess gegen Layer 60 Jahre zuvor hatte Anwalt Hungerford noch mit einigen wenigen Sätzen zum Ausdruck gebracht, dass er für seinen Mandanten einen Freispruch erhoffe. Das auffällig lustlose Plädoyer war sicher auch Ausdruck der damals noch wenig elaborierten Verteidigungspraktiken. Aber dabei wirkte sich gleichwohl auch der Umstand aus, dass um 1720 das Verteidigen eines Hochverräters für einen Anwalt noch eine prekäre Sache darstellte, die auf ihn selbst zurückschlagen konnte. Zumindest verbot sich eine flammende Rede, in der nicht nur die Auslegung der Hochverratsgesetze attackiert wurde, sondern dies auch auf die übelwollenden und die Freiheit bedrohenden Absichten der Obrigkeit zurückgeführt wurde. Genau dies war aber Erskines Tenor, und zwar nicht nur beim Gordon-Prozess, sondern in den meisten Reden, die er als Verteidiger in politischen Prozessen der 1780er und 1790er Jahre hielt. Auch wenn Erskine 1798 von James Gillray als L‘Avocat de la Republique karikiert wurde (Abbildung 53), so war das nicht gleichbedeutend mit der Unterstellung, im Herzen selbst ein Hochverräter zu sein. An diesem Bild ist aber noch etwas anderes interessant, nämlich die Pose, mit der Gillray Thomas Erskine dargestellt hat, und die man mit Edward P. Thompson als „self-dramatisation“17 bezeichnen kann: Mit auslandender Geste steht Erskine unmittelbar vor der Richterbank in der Westminster Hall – zu erkennen an dem schwarz-weiß gefliesten Fußboden. Die Richter sind nur als Schatten zu erkennen, von anderen Anwesenden ist nichts zu sehen. Die Bühne gehört Erskine bei seiner Rede ganz allein. Genau dieses Solo hat Gillray im gleichen Jahr in der Karikatur 16 17

21 ST 600. Thompson, The making of the English working class, 123. Thompson bezeichnete damit das typische Verhalten von Jakobinern im öffentlichen Raum.

508

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 53: James Gillray: French Habits, L’Avocat de la Republique, 1798.

mit dem Titel Councellor ego.-I:E: Little I, Myself I noch einmal aufs Korn genommen (Abbildung 54). Einerseits fällt die Anwaltstracht auf: Sie visualisierte die Verwandlung eines Privatmanns zu dem im Verfahren handlungs- und sprechberechtigten Anwalt.18 Die Tracht unterstützte die Herstellung der verfahrenseigenen Rolle des Anwalts. Durch seine Ich-Bezogenheit schien Erskine diese an die Rolle geknüpften Erwartungen andererseits aber zu unterlaufen, darauf verweist sein in der linken Hand gehaltenes 18

In der Forschung wird dagegen stets die Funktion der Juristenkleidung als Mittel der Einschüchterung betont: „The wigs and gowns formed part of the law’s ensemble of visual effects aimed at producing terror and awe“, so Epstein, Radical expression, 33.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

509

Abb. 54: James Gillray, Councellor ego.-I:E: Little I, Myself I, 1798.

Redemanuskript, auf dem es von me und I nur so wimmelt. Selbst jene durch seine langen Reden bisweilen eingetretenen Erschöpfungszustände wurden als Finten (feint) eines notorischen Selbstdarstellers (legal faint) gesehen (Abbildung 55). Diese Karikierungen, die schon bald nach dem Gordon-Prozess einsetzen, konkurrierten mit jenen Bildern, die Erskine, der sehr auf seine Außendarstellung bedacht war, von sich selbst zu schaffen versuchte: Einmal im wörtlichen Sinne, etwa in Form mehrerer in den 1780er Jahren gedruckter Stiche des Honorable Thomas Erskine. 1786 etwa ließ er sich von dem seinerzeit bekanntesten Kupferstecher Sir Joshua Reynolds, immerhin Präsident der Royal Academy of Arts, in seiner Bibliothek, am Schreibpult lehnend, als Mann des Geistes darstellen (Abbildung 56).

510

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 55: Anon., A Legal Faint i,e, a Feint, 1791.

Ein anderes Mal schickte Erskine bei jedem seiner ‚großen‘ Prozesse (Gordon, Paine, Hardy u.a.) seine Reden an verschiedene Zeitungen, die sie zumindest auszugsweise veröffentlichten. Der London Courant and Westminster Chronicle druckte, etwa in der Ausgabe vom 13. Februar 1781, Teile von Erskines Rede beim Gordon-Prozess.19 Gleichzeitig wurden aber in mehreren Zeitungen der Hauptstadt Anzeigen geschaltet, die dafür warben, dass in Kürze sowohl der vollständige Druck des Prozesses als auch Erskines Rede käuflich zu erwerben seien.20 Tatsächlich war die sechs Pence kostende Rede nur eine Woche nach dem Prozess zu erhalten. Nachdem er 1807 seine juristische Laufbahn beendet hatte, zuletzt als Lord Chancellor, beschäftigte er sich intensiv mit der Sammlung und Kompilation seiner Reden, die 1810 in vier dicken Bände und im Laufe des 19. Jahrhun19 20

Ebenso die Morning Chronicle and London Advertiser, 17. Februar 1781, Nr. 3667. Etwa im Anzeigenteil der Morning Chronicle and London Adverstiser, Nr. 3667, 17. Februar 1781.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

511

Abb. 56: Sir Joshua Reynolds: The Honble Thos Erskine, 1786.

derts mehrfach wieder neu aufgelegt wurden, auch in den Vereinigten Staaten. Im Grunde gilt für Erskine das Gleiche, was James Epstein für das Verhalten sich selbst verteidigender Jakobiner in Prozessen wegen Aufruhrs (sedition) festgestellt hat: „Trial defenses were often carefully prepared literary texts“.21 Auch die Gerichtsreden von Erskine waren stets ein Beitrag zum allgemeinen Diskurs über Freiheit, Nation und Verfassung, sie wiesen über das jeweils laufende Verfahren hinaus, durchaus nicht zum Schaden des Angeklagten. Und ob die Bilder, die den Anwalt Erskine vor Gericht zeigten, stets als Karikaturen wahrgenommen wurden oder nicht auch sein Image als unerbittlicher Verteidiger des Rechts verbreiteten, zumal nach den gewonnenen Hochverratsprozessen von 1794 (Abbildung 57), wäre zu diskutieren. So wie Erskine um 1800 für die engagierte Rede als Form der anwaltlichen Praxis im Verfahren stand, so stand William Garrow um diese Zeit für das Kreuzverhör. Garrow arbeitete von 1783 bis 1793 als Strafverteidiger am Gericht Old Bailey. 1793 wechselte er dann die Seiten und fungierte bis 1817 als Kronanwalt. Vor allem mit seiner Person verband sich in den 1780er Jahren die Ausweitung von Strafverteidigung von den Hochverratsfällen zu den gewöhnlichen Delikten. Garrow wirkte in zahllosen Prozessen als Anwalt, und in seiner Zeit als Kronanwalt nahm er auch an verschiedenen Hochverratsprozessen teil.22 Seine Auftritte als Anwalt waren in den 1780er Jahren eine Attraktion; sie zogen noch mehr Publikum als üblich 21 22

Epstein, Radical expression, 35. Beattie, Scales of justice; Hostettler / Braby, Sir William Garrow.

512

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 57: Isaac Cruickshanks: Cool arguments!!, 1794.

zu den Sitzungen in Old Bailey an. Als faszinierend und empörend zugleich empfand man seine Kreuzverhöre, bei denen er die Zeugen mit zuvor nicht bekannter Rigorosität befragte. Ein satirisch gemeinter Kupferstich von 1807 zählte es sogar zu den unangenehmen Seiten des menschlichen Lebens (miseries of human life), von William Garrow ins Kreuzverhör genommen zu werden (Abbildung 58). Die (satirisch überspitzte) Abbildung zeigt: Das Irritierende an Garrows Verhören wurde nicht allein in seinen Fragen gesehen, sondern auch in seiner Gestik und Mimik, einem mit Sicherheit bewusst stilisierten Verhalten, mit dem er darstellte, dass er Kreuzverhöre als Streit mit dem Zeugen auffasste. Auch dabei handelte es sich um eine Variante der im Prozess „erlaubten Konflikte“: Das Kreuzverhör, jedenfalls bei Garrow, stellte für Zeugen eine Alteritätserfahrung dar, insofern dabei in einer Art und Weise mit ihnen umgegangen werden durfte, die in der Alltagswelt so nicht üblich war. Vor Gericht kam ihnen dabei niemand zur Hilfe, sie waren den Zudringlichkeiten durch den Verhörenden ausgeliefert. In einem Pamphlet von 1808 sprach der Verfasser Thomas Hague von der „Liederlichkeit“ (licentiousness), der „brutalen Unverfrorenheit“ (brutal insolence) und „schamlosen Gemeinheit“ (wanton scurrility) mit der Garrow seine Kreuzverhöre durch-

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

513

Abb. 58: Thomas Rowlandson, Being nervous and cross examnined by Mr Garrow, 1807.

führe.23 Wie er mit den Zeugen umginge, insults the dignity of our Courts, violates public decorum, wounds private feeling.24 Tatsächlich waren Garrows Kreuzverhöre das genaue Gegenteil aller Normen und Ideale der höflichen Konversation, die man zu dieser Zeit von einem Gentleman erwartete, und zwar gerade auch dann, wenn er als Jurist vor Gericht fungierte. Entsprechend kontrastierte Hague die Zurückhaltung (moderation, and gentleness) anderer Anwälte mit der „Keckheit, Anstößigkeit und Geschwätzigkeit“ (pertness, vulgarity, and garrulity) von Garrow.25 Garrows barsches Vorgehen war sicher keine Charakterschwäche, sondern vielmehr Taktik. Zudem waren Kreuzverhöre für ihn ebenso ein Medium der Selbstdarstellung wie für Erskine die Reden. Auch wenn Garrows demonstrative Unverschämtheiten sicher speziell waren, so sorgte sein weit beachtetes Verhalten dafür, Agonalität als einen forensischen Handlungsmodus zu institutionalisieren und zu normalisieren. Bei aller Exzentrik blieben Garrows Kreuzverhöre im Rahmen eines erlaubten Konflikts, insofern sie in mehrfacher Hinsicht geordnet waren: auf der Ebene der Rollen (der Anwalt durfte unhöflich und taktlos sein; der Verhörte musste das weitgehend über sich ergehen lassen, ihm zur Hilfe durften nur der Richter und der gegnerische Anwalt, nicht aber das Publikum kommen) und auf der Ebene des Themas (bei aller Schärfe blieben die Fragen bei der verhandelten Sache und damit spezifisch; der Zeuge wurde nicht, wie etwa John Hungerford dies 1722 noch versucht hatte, selbst auf die Anklagebank gesetzt). Dass der Konflikt schließlich nur verbal ausgetragen werden durfte, verdient auch festgehalten zu werden. Zeugen wie der deutschstämmige Baron Hompesch fühlten sich durch 23 24 25

Hague, A letter to William Garrow, 3. Ebd., 2. Zur öffentlichen Wahrnehmung des Kreuzverhörs vgl. May, The bar and the Old Bailey.

514

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 59: The learned a-s or a legal construction of rogues and vagrants, 1817.

Garrows Verhöre derart in ihrer Ehre gekränkt, dass sie ihn zum Duell forderten, was der Anwalt aber nur mit weiterem Spott kommentierte.26 Zwar gab es keine Duelle zwischen Anwälten und Zeugen, zwischen zwei Anwälten aber schon.27 Die Karikaturisten wiederum nutzten das Bild eines handgreiflichen Streits, um die tatsächlich rein verbale Agonalität zu visualisieren (Abbildung 59). Das zeigt: Die Konflikte vor Gericht waren zwar für viele gewöhnungsbedürftig, gleichzeitig aber auch ein öffentliches Faszinosum, das die Aufmerksamkeit auf das anwaltliche Agieren lenkte und den Angeklagten in den Hintergrund rücken ließ. 2. VERTEIDIGUNG ALS „KUNST“ Erskine und Garrow waren sicherlich Exzentriker. Mittelfristig wurden Reden kürzer gehalten und Kreuzverhöre weniger rüde geführt.28 Auf diese Weise löste sich die Anwaltszentrierung des Verfahrens aber nicht wieder auf, im Gegenteil. Vielmehr wurde die offene Theatralik des anwaltlichen Verhaltens allmählich von 26 27 28

Hostettler / Braby, Sir William Garrow, 82. May, The bar and the Old Bailey, 138ff. Auf die Verbindungslinien zwischen Anwälten und Schauspielern macht auch Devereaux, Arts of public performance, aufmerksam, ohne dass klar wird, was dies für das Verfahren bedeutet. So wie bei der häufigen Gleichsetzung von Gericht und Theater arbeitet auch Devereaux nicht die Unterschiede zwischen der Schauspielerei im Theater und der anwaltlichen Praxis vor Gericht heraus; es wird nur die diffuse Ähnlichkeit konstatiert und auf zukünftige Forschungen verwiesen.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

515

einem Ensemble subtilerer Praktiken abgelöst, die aber nicht weniger performativ waren, sondern nur anders.29 Anhand der sowohl in Großbritannien als auch in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert aufgekommenen Ratgeberliteratur für Anwälte lässt sich dieser Wandel gut erfassen.30 Dieses Genre mit sprechenden Titeln wie Tact in Court31, Trial Tactics32, Forensic Oratory33 oder Hints on Advocay34 reflektierte zunächst einmal den Umstand, dass das konkrete anwaltliche Agieren vor Gericht kein Gegenstand der förmlichen juristischen Ausbildung war und dass man vor Gericht mit dem ‚Recht allein‘ nicht weiterkam.35 Das wussten auch die Ratgeber: Beste Beweise und Augenzeugen seien notwendige Voraussetzungen, um einen Fall zu gewinnen. Aber zum Erfolg führe das alles nur dann, wenn es dem Anwalt gelinge, dies alles auch in adäquater Weise dem Gerichtspublikum vorzuführen. Gute Anwälte wüssten, dass es darauf ankomme, die Jury zu überzeugen, und nicht darauf, den Richter, die anderen Anwälte, die Zuschauer oder Öffentlichkeit zu beeindrucken. Die Ratgeber definieren also das anwaltliche Agieren als eine Darbietung vor einem Publikum, unter ganz besonderer Berücksichtigung der Geschworenen. Diese Darbietung gelinge eher dann, wenn man sich als taktvoller Gentleman vorführe, nicht rechthaberisch, zänkisch, besserwisserisch, selbstgefällig oder arrogant: The jury, as a rule, likes fair play. Fairness is by all odds the strongest position to assume in the course of any litigation and of course that involves being gentlemanly and tolerant and patient.36 Für die Geschworenen angenehm sei in aller Regel ein möglichst natürlicher Stil: A great many people appear still to have false ideas on this subject and to think that a lawyer should assume some sort of artificial demeanor while in litigation, whereas the strongest position for him to take is undoubtedly that which is most natural to him.37 Empfohlen wurde ein bewusst anti-theatralischer Stil  – der seinerseits höchste Rollenbeherrschung und Interaktionskompetenz voraussetzte. Das fing schon beim Körper des idealen Anwalts an: He was of medium size – five feet nine in height, weighing, say, one hundered and sixty-five pounds, very erect, warm face smoothly shaven, a small beard on the chin, large head nearly bald […]. His tone was deep and thrilling. His arms and hands movend gracefully, yet with an earnest rugged grace all unstudied. His whole manner was respectful, eloquent, sublime.38

29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Insofern lässt sich die Entwicklung anwaltlichen Verhaltens kaum als Naturalisierung beschreiben wie bei Devereaux, Arts of public performance. Sie für die Untersuchung der britischen Verhältnisse um 1800 einzusetzen lässt sich rechtfertigen, weil die in diesen Ratgebern herangezogenen Beispiele nicht selten aus dieser Zeit stammen. Donovan, Tact in court. Hirschl, Trial Tactics. Robinson, Forensic oratory. Harris, Hints on Advocacy. Harris war ein englischer Anwalt. Ebd., preface: There is no School of Advocacy; there are no Lectures on Advocacy. Hirschl, Trial Tactics, 57. Ebd., 51. Donovan, Tact in court, 85.

516

1780–1850: Normalisierungsregime

Wer solche Voraussetzungen wie eine angenehme Stimme und eine kontrollierte Gestik nicht von Natur aus mit sich bringe, der müsse sich dies alles aneignen und anverwandeln. Der englische Anwalt Harris sprach dabei unumwunden von Tricks: Tricks are the resources of feeble advocates […]. Tricks of expression are nearly allied to tricks of gesture and facial distortions.39 Allerdings komme es darauf an, dass diese Tricks nicht durchschaut, das Schauspiel als solches nicht erkannt werde: All acting that shows itself to be acting is bad, and at the bar perhaps is more out of place than anywhere else.40 Dagegen helfe nur fleißiges Üben vor dem Spiegel.41 In Robinsons Forensic Oratory gab es sogar detaillierte Hinweise für den Einsatz des Körpers bis hin zu den Fingern, nur ein Beispiel daraus: In the index-finger gestures, the forefinger is extended, the thumb stands moderatly distant from it, and the other fingers are curved toward the hand but not shut together.42 So wie das körperlich-gestische Verhalten müsse auch die Stimme trainiert werden: A voice suitable for oratorical use possesses a clear, sweet tone, a volume sufficent to fill the auditorium in which the oration is to be pronounced, and perfect flexibility.43 Im Zentrum der Anweisungsliteratur stand allerdings das Kreuzverhör. Es wurde als eine überaus voraussetzungsreiche und prekäre Operation vorgestellt, dessen Gelingen oder Misslingen über den Prozessausgang mitentscheide: Nothing is more important or difficult in advocacy than cross-examination. It is infinitely the most dangerous branch, inasmuch as its errors are almost always irremediable. Ein einziger Fehler könne alles ruinieren: A mistake in cross-examination may be fatal to your case.44 Tatsächlich unterschieden sich Kreuzverhöre des 19. Jahrhunderts, also in einer Post-Garrow-Phase, signifikant von Verhören im Inquisitionsprozess, das Michael Niehaus als ein Interaktionssystem definiert, dessen „Vorteile […] nur einer der beiden Seiten zugutekommen“ sollten: nämlich dem Inquisitor.45 Das war beim öffentlichen Verhör im englischen Gerichtsprozess anders, insofern sich der kreuzverhörende Anwalt dabei selbst auf vielfältige Weise blamieren oder zumindest ungünstig aufführen konnte. Die oberste Regel lautete daher: Immer höflich bleiben. Zwar ziele das Kreuzverhör stets darauf, den Verhörten in Widersprüche zu verwickeln und seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Mehr noch: it aims to overthrow, not to build up; to disintegrate and scatter, not to gather and consolidate […]. Its sole immediate objects of attack are the individual witness and his testimony.46 Aber das heiße noch lange nicht, dass es deswegen darum ginge, den Zeugen vor allen Augen ‚auseinanderzunehmen‘ (tearing him to pieces47). Auch wenn ein Kreuzverhör letztlich darauf abziele, einen unglaubwürdigen Zeugen als solchen 39 40 41 42 43 44 45 46 47

Harris, Hints on advocacy, 14f. Ebd., 16. Robinson, Forensic oratory, 320. Ebd., 315. Ebd., 303. Harris, Hints on advocacy, 37. Niehaus, Das Verhör, 265. Robinson, Forensic oratory, 174. Donovan, Tact in court, 80.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

517

vorzuführen, so dürfe sich der Anwalt diese Absicht nicht anmerken lassen. Dies erfordere höchstes Darstellungskönnen: Although he is in combat with the witness, yet it is not a conflict of physical or verbal forces, but of intellectual skill and moral energy. Moral and intellectual contests are not characterized by rudeness or recklessness of speech or action, but by earnestness, courtesy, and forbearance.48 Aber bei Kreuzverhören gehe es nicht nur um das Können der eigenen Darstellung, sondern auch darum, die gestische und mimische Darstellung des verhörten Zeugen zu lesen: to judge of their characters by their faces […]. Some call it the language of the eye, or the tone of the voice, or the countenance of the witness, or his manner of testifying, or all combined, that betrays the wilful perjurer. […] A skilful cross-examiner seldom takes his eye from an important witness while he is being examined by his adversary. Every expression of his face, especially his mouth, even every movement of his hands, his manner of expressing himselfe, his whole bearing – all help the examiner to arrive at an accurate estimate of his integrity.49

Die Ratgeber rieten auch davon ab, Verhöre des gegnerischen Anwalts bzw. Kronanwalts mit allzu vielen Einsprüchen zu unterbrechen. Das könne die Geschworenen schlimmstenfalls enervieren.50 An diesen Rat halten sich britische Anwälte, im Unterschied zu ihren Kollegen in den Vereinigten Staaten, tatsächlich bis heute. Dennoch hatten die Ratgeber gegen einen Konflikt zwischen den Anwälten (altercation) prinzipiell nichts einzuwenden, im Gegenteil: unter bestimmten Umständen könne ein solcher Streit zwischen den Anwälten sogar eine willkommene Abwechslung sein: a momentary respite from the dulness of a trial.51 Genauso wie das Kreuzverhör wurde somit auch ein zwischenanwaltlicher Konflikt nicht nur als ein technisch-instrumenteller Beitrag zur Wahrheits- und Rechtsfindung gesehen, sondern auch in seinen expressiven Dimensionen, der dazu beitrug, einen monotonen Prozess der Entscheidungsfindung überhaupt auszuhalten.52 Unter günstigen Umständen biete sich mit dem Streit sogar die Gelegenheit to multiply the favorable impressions made upon the jury by the point employed. Das gelinge aber nur dann, wenn es einen guten, nachvollziehbaren Grund für den Streit gebe und dieser auch nur kurz und auf den Punkt hin ausgetragen werde. Nothing is more displeasing, however, than a sour, boorish quarresomeness, which, simulating altercation, degenerates into a mere personal abuse of the opposing party or his counsel.53 Mit den Richtern sollte der Anwalt auf keinen Fall streiten. Falls ein Antrag abgelehnt werde, sei das ohne weiteres Aufhebens hinzunehmen. Ganz schlecht sei es, vom Gericht deswegen oder aus einem anderen Grund getadelt zu werden:

48 49 50 51 52 53

Robinson, Forensic oratory, 217. Wellman, The art of cross-examination, 23f. Robinson, Forensic oratory, 176. Ebd., 226. Im Sinne von Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 232. Robinson, Forensic oratory, 227f.

518

1780–1850: Normalisierungsregime

The reprimand of the Court is something to be avoided at all times in every stage of the case, even from the moment of going into the court room, when some lawyers have been known to forget to remove their hats and have incurred a reprimand from the Court or bailiff. Of course there are times when a stand must be taken and the Court may be impatient, which cannot be helped. It is never well to argue with the Court because the Court always has the advantage. It is not a fair fight and the lawyer and his client will be the sufferers. So anything which will call forth a reprimand should be avoided because it is bound to lower the lawyer in the estimation of the jury. Many a very good case has been lost because of the constant bickering of the lawyer with the Court until the jury gets the impression that the lawyer has no case and finds against him on general principles.54

Die Bereitschaft zur reibungslosen Hinnahme von richterlichen Zwischenentscheidungen und damit einhergehend eine Glättung des Verfahrensablaufs wurde also auch dadurch motiviert, dass die Artikulation von Dissens durch den Anwalt als unangemessen, unverschämt und taktisch im höchsten Maße unklug wahrgenommen wurde. Am Schluss der Verteidigungsarbeit stehe die Rede an die Geschworenen (peroration), bei der es sich für den Anwalt um ein weiteres, ganz zentrales Stück handele, gehe es doch um die final impression vor der Entscheidung durch die Geschworenen: it adresses both […] intellect and […] emotions.55 Auch wenn die Schlussrede in the most vivid and energetic language vorzutragen sei, so solle man sich dabei von jeder Geziertheit fernhalten. Eine gute Rede zeichne sich durch Brevity and Precision aus.56 Auch bei der Themenwahl sollte man bescheiden bleiben. Früher hätten manche Anwälte die Geschworenen angeredet, als ob diese Abgeordnete wären, bemerkte Donovan mit Blick auf Erskine. Erfolgversprechender aber sei es, sich die Geschworenen als Frauen vorzustellen, denen man möglichst einfache, dem gesunden Menschenverstand (common sense) unmittelbar einleuchtende Dinge vortrage.57 Die Ratgeber stellten die forensische Praxis des Anwalts also als eine Kunst dar, als eine art of winning cases before juries.58 Diese Kunst sei, Talent immer vorausgesetzt, nur durch intensives Üben zu erlernen und durch viel Erfahrung zu perfektionieren.59 Diese Kunst hatte durchaus ihr kritisches Publikum: Den Anwalt John Singleton Copley (1772–1863), dem wir später wiederbegegnen werden, porträtierte ein Beobachter 1819 als eine Person mit auffälliger Unauffälligkeit: Zu einer monotonen Stimme komme ein gleichbleibender Gesichtsausdruck mit gekrauster Stirn und zusammengezogenen Brauen, die bei den vor Gericht gegebenen Lichtverhältnissen die Augen mit Schatten bedeckten, seiner Erscheinung 54 55 56 57 58

59

Hirschl, Trial Tactics, 56. Robinson, Forensic oratory, 289. Ebd., 289ff. Donovan, Tact in court, 35f. Ebd., 49. Das wurde auch in Deutschland so konzipiert, das zeigt schon der Titel von Mittermaier, Anleitung zur Verteidigungskunst; dazu Schröder, Wissenschaftstheorie; für die englische Tradition Devereaux, Arts of public performance. Ebenso wie actos, singers, and lecturers, so Donovan, Tact in court.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

519

Abb. 60: John Singleton Copley, Baron Lyndhurst, Federzeichnung von Sir George Hayter, um 1820.

aber auch etwas Vorausschauendes und Durchdringendes verliehen. Mit den Gesten sei er sparsam, er halte sich kerzengrade und wiege seinen Körper nicht wie ein Straßenmusikant hin und her: It must be allowed, that Sergeant Copley’s manner is not the most happy: as there is a little monotony in his voice, there is a great deal of it (if I may say) in his look; for the expression of his countenance is nearly always the same; his brow is somewhat scowling, and he has that kind of forehead which a physiognomist would say indicated great foresight and penetration; so that his eye is overshadowed; more especially as the light is usually managed in our Courts in Westminster, where it falls directly upon the top of the head, and gives a heady shade to the whole countenance. His action is also wanting in variety: he makes but little use of either arm, and almost none at all of the left: the right, when employed, is commonly only swayed up and down in a sort of time-beating mode; and the principal use of it seems to be to mark when the speaker arrives at particular divisions or points of his sentence. If he argues a point of law or any other matter requiring precision, the fore-finger of his right hand is called into very frequent employment. He generally keeps his figure in quite an erect posture, which is a degree or two better than the habit of some Barristers have acquired of swaying backwards and forwards like a blind singer in the street.60

Eine 1820 beim Prozess um den angeblichen Ehebruch der Königin Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel angefertigte Federzeichnung schien jener Physiognomie der Vorausschau und Durchdringung (foresight and penetration) bildlich Ausdruck verleihen zu wollen (Abbildung 60). Wenn nun jedes Wort, jede Geste und alle Mimik auf ihre Wirkung hin zu reflektieren waren, die Arbeit des Anwalts also rezensiert wurde wie Theaterstücke auch, wenn der ganzen Verteidigungsarbeit zudem eine minutiöse, im brief dokumentierte Vorbereitung eines juristischen Virtuosen zugrunde lag, dann blieb für spontanes Engagement des verteidigten Mandanten, also für einen Laien, aus Sicht

60

Anon., Criticisms on the bar, 188f.

520

1780–1850: Normalisierungsregime

des Anwalts nicht der geringste Raum.61 Plötzliche Wortmeldungen, unvermittelte Ergänzungen oder eine eigene Schlussansprache störten die Kunst der Verteidigung ebenso wie es im Theater gestört hätte, wenn Zuschauer auf die Bühne gestürmt wären. Die Beschreibung der anwaltlichen Tätigkeit vor Gericht als Kunst und damit als eine Tätigkeit, deren Ausführung sich nicht lehrbuchartig vorschreiben ließ, immunisierte den Anwalt also auch gegenüber dem eigenen Mandanten. So wenig die Anwälte des 19. Jahrhunderts an Erskines dramatischen Gestus anknüpfen wollten: Das auf ihn gemünzte Bild des Soloauftritts traf auch auf seine Nachfolger zu. Für die Anwälte um und nach 1800 war der ideale Mandant nicht derjenige, dessen Unschuld besonders klar, dessen Vergehen besonders geringfügig und der aus diesen Gründen leicht zu verteidigen war, sondern vielmehr derjenige, der bei seiner eigenen Verhandlung nichts sagte außer dem, was vorher abgesprochen gewesen war oder von Rechts wegen verlangt wurde. Wurden sie am Schluss eines Prozesses vom Richter gefragt, ob sie noch etwas zu sagen hätten, bevor sich die Geschworenen zurückziehen, so haben dies nicht alle, aber die meisten des Hochverrats Angeklagten höflich, aber bestimmt abgelehnt wie Edward Marcus Despard 1803: Lord Ellenborough:

Colonel Despard; if you have any thing to offer to the jury, it is now the time to make such observations as occur to you to be material for your defence, if, having already been defended by your counsel, you shall think fit to add any thing to the observations they have made on your behalf.

Despard:

My lord, my counsel have acquitted themselves so very ably and so much to my satisfaction, that I have nothing at all to say.62

3. DEZENTRALISIERUNG DES ANGEKLAGTEN Als der Publizist John Horne Tooke (1736–1812) im November 1794, direkt nach Thomas Hardy, wegen Hochverrats in Old Bailey vor Gericht gestellt wurde, bat er darum, wegen seiner Schwerhörigkeit am Tisch neben seinen Anwälten sitzen zu dürfen, was nach kurzer Diskussion gewährt wurde. Diskutiert wurde nicht, ob er sitzen durfte  – diese Annehmlichkeit wurde Angeklagten bei den großen politischen Prozessen in den 1790er Jahren durchgehend gewährt –, sondern wo. Der Positionswechsel an den Tisch unterhalb der Richterbank63 war aber nicht nur der besseren Akustik geschuldet. Vielmehr suchte Tooke auf diese Weise auch ins 61

62 63

Devereaux, Arts of public performance. Devereaux diskutiert hier vor allem Anwälte, die tatsächlich auch Schauspieler waren – und geht davon aus, dass das anwaltliche Agieren im Laufe des 19. Jahrhunderts naturalisiert wurde. Subtile performative Techniken werden so allerdings übersehen. 28 ST 469. Vgl. Abb. 43, S. 478.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

521

Abb. 61: Thomas Hardy vor Gericht, Kupferstich, frühes 19. Jahrhundert.

Zentrum des Geschehens vorzudringen, weg von der Loge, in der Tage zuvor noch Thomas Hardy die ganze Zeit schweigend gesessen und den Prozess passiv verfolgt hatte (Abbildung 61), zu jenem Ort unterhalb der Richterbank, dem großen Tisch, an dem das Sprechen üblich und erlaubt war. Damit blieb Tooke aber die Ausnahme unter den Angeklagten wegen Hochverrats – warum das bei ihm so war, darauf komme ich im nächsten Kapitel zurück. Die meisten anderen Angeklagten nahmen die Rolle der stummen und passiven Mandanten ein. So wurden James Watson, Arthur Thistlewood, John Hooper und Thomas Preston bei ihrem Hochverratsprozess wegen der Spa Fields Riots 1817 ins Bild gesetzt (Abbildung 62). Zu sehen ist eine angeblich akkurate Darstellung des King’s Bench-Gerichts in der Westminster Hall, zumindest in der Form, wie es für diesen Prozess hergerichtet worden war. Die hier gezeigte räumliche Enge entsprach sicher eher den wirklichen Verhältnissen als die großzügigen Dimensionen im Microcosm of London (Abbildung 41). Am linken unteren Bildrand steht der leading counsel John Singleton Copley mit der für ihn charakteristischen kerzengeraden Haltung, in der rechten Hand hält er das zusammengerollte brief, die linke Hand deutet eine Geste an. Vermutlich hält er gerade die Schlussrede, in der er erfolgreich das der An-

522

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 62: An Accurate View of the Inside of the Court of King’s Bench, aus: Fairburn’s Edition of The Whole Proceedings on The Trial of James Watson, Senior, for High Treason […], London 1817.

klage zugrundeliegende Hochverratskonzept ins Lächerliche gezogen hat. Neben ihm bzw. zwischen ihm und einem Tower-Wärter (mit Hut) sitzt James Watson, in der Reihe dahinter sitzen (v. l.) Thomas Preston, Arthur Thistlewood und John Hooper. Das Sitzen, zumal das beengte Sitzen in der Reichweite der Wärter, trägt auf dem Bild dazu bei, die Inaktivität der Angeklagten noch zu unterstreichen. Die Begleitung des Angeklagten durch Wachpersonal, die bis heute üblich ist, hatte im Laufe des 18. Jahrhunderts die Vorführung des Angeklagten in Ketten ersetzt. Layers Protest dagegen hatte insofern Folgen, als mit dieser Praxis tatsächlich gebrochen und um 1800 jeder Angeklagte bei Hochverrat (und auch bei anderen Kapitalverbrechen) von einem Wachmann begleitet wurde. Mit dieser Verallgemeinerung der Bewachung von Angeklagten entfiel für diese auch die Möglichkeit, sich als durch Zwangsmaßnahmen besonders drangsaliert darzustellen. Die Publikation, aus der diese Abbildung stammt, enthält noch weitere Abbildungen, und zwar Halbportraits der Angeklagten, die der Zeichner während des Prozesses angefertigt hat (Abbildung 63).64 64

Es handelt sich hier um eine Ausgabe, die der auf illustrierte Groschenhefte spezialisierte Verleger John Fairburn (1787–1854) publiziert hatte. Sie erschien unter dem Titel Fairburn’s Edition of The Whole Proceedings on The Trial of James Watson, Senior, for High Treason including The Evidence

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

523

Abb. 63: Abbildung der Angeklagten, aus: Fairburn’s Edition of The Whole Proceedings on The Trial of James Watson, Senior, for High Treason […], London 1817.

Sie zeigen die Angeklagten beim Stumm-Sein. Anders als etwa die Darstellung des John Lilburne bei seinem Prozess 1649 (Abbildung 17) geht es auf diesen Bildern nicht um das Zeigen subversiver Aktionen. Der Zeichner suchte vielmehr momenthaft festzuhalten, was auch durch den Spiegel in Old Bailey für die Anwesenden zum Ausdruck kommen sollte: nämlich unwillkürliche mimische Reaktionen der Angeklagten auf bestimmte Ereignisse des Prozessablaufs (v. a. Zeugenaussagen) oder auch auf diesen insgesamt. Angeklagte wurden also beim vielsagenden Nichtstun beobachtet und porträtiert, wobei sich auf diese Weise auch ein bestimmtes Image transportieren ließ: Watson blickte ebenso finster drein wie drei Jahre später Thistlewood beim Prozess infolge der Cato Street-Verschwörung (Abbildung 64), der diesmal mit einem Todesurteil endete. Dem französischen Prozessbeobachter Charles Cottu, der den Cato Street-Prozess in London miterlebt hatte, erschienen die Angeklagten derart passiv, dass er meinte, man könne sie ohne Verlust für das Verfahren auch durch ein Ding ersetzen: Der Angeklagte spielt hier keine, vielleicht wohl einstudierte Rolle [wie in Frankreich, A.K.]; kein Kampf besteht zwischen ihm und den Ankläger; zumeist fast völlig teilnahmslos lässt er seine und des Gegners Advokaten über seinen Kopf sich streiten, und ein Pfahl mit seinem Hute behängt würde sehr oft ihn während des Verhandlungen vollkommen vertreten.65

65

of all the Witnesses: Speeches of the Attorney—General, The Solicitor—General Mr. Wetherell, and Sejeant Copley: With the Charge to the Jury at full Length. To which is added, The Arraignment and Discharge of Arthur Thistlewood, Thomas Preston, and John Hooper, London, 1817. Cottu / Hornthal, Die peinliche Rechtspflege, 188. Hinweise auf die Prozessbeobachtung: ebd., 216, Anm. 50.

524

1780–1850: Normalisierungsregime Abb. 64: ‘Correct Likeness of the Prisoners as they appeared on their Trials’, aus: A Full & Correct Account of The State Trials, Held at The Old Bailey, on Monday, the 17th Day of May, 1820 […] London 1820, Arthur Thislewood sitzt ganz rechts vorne.

Für Cottu war diese Passivität allerdings ein Zeichen der Überlegenheit des englischen Verfahrens gegenüber dem französischen Strafprozess und ein Kriterium für Fortschrittlichkeit.66 Besonders löblich sei der Umstand, dass der Angeklagte nicht direkt verhört werden dürfe. Der Angeklagte biete daher kein anderes Schauspiel als das eines Mannes, der seinem eigenen Prozess teilnahmslos zuschaue. Weder werde seine Stimme leise und zitternd, wenn die Beweise der Anklage aufeinandergetürmt werden, noch könne man aus seinem Schweigen irgendeine Schuld ableiten wie in Frankreich. Er werde überhaupt nicht genötigt, sich einzubringen.67 4. UNZURECHNUNGSFÄHIGKEITEN Neben der Dezentralisierung des Angeklagten durch räumliche Positionierung, anwaltliche Stellvertretung und Verteidigungskünste wurden persönliches Engagement oder subversive Spontaneität durch weitere Innovationen erschwert bis unmöglich gemacht. Mit Hilfe der im Common Law seit langem etablierten Rechtsfiktionen ließ sich faktischem Geschehen vor Gericht eine eigene Wirklichkeit beilegen. Handlungen konnten gänzlich anders gewertet werden als der Handelnde, in diesem Fall der Angeklagte, sie verstanden wissen wollte. Solche Fiktionen konnten, wie im Folgenden an einem kurzen und einem etwas längeren Beispiel gezeigt werden soll, gegenüber dem Angeklagten sowohl bei bestimmten, störungsanfälligen Sequenzen des Verfahrens zur Geltung gebracht werden als auch für das Verfahren insgesamt, indem dieses aufgrund von krankhaft bedingter Schuldunfähigkeit eingestellt wurde.68 Auch wenn Verweigerungs- und Hinhaltetaktiken beim Pleading im 18. Jahrhundert immer mehr aus der Übung gekommen waren, so wurde das Verfahren um 1800 durch eine Umkehrung der in solchen Fällen greifenden Zurechnungsfik66 67 68

So sieht das auch die neuere Forschung, etwa Langbein, The origins of adversary criminal trial, 268ff. Cottu, De l’administration de la justice criminelle, 111. Für kontinentale Varianten und literarische Verarbeitungen im 19. Jahrhundert vgl. Niehaus / Schmidt-Hannisa, Unzurechnungsfähigkeiten.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

525

tionen dagegen endgültig immunisiert. Früher wurde ein Angeklagter, der das regelkonforme Pleading verweigerte, so behandelt, als ob er sich für schuldig bekannt hätte  – was aber unter allen Umständen vermieden werden sollte und daher im 17. Jahrhundert immer wieder in Konflikten zwischen Angeklagtem und Gericht gemündet hatte. Die Handbücher des Strafprozessrechts im 19. Jahrhundert lehrten dagegen, dass im Falle einer offenkundigen Verweigerungshaltung (upon mere frivolous pretences) das Bekenntnis not guilty protokolliert werden sollte – and the trial will proceed as if he had pleaded.69 Diese Zurechnung wurde dabei als Vorteil für den Angeklagten gewertet: Seine Renitenz führe nicht mehr, wie früher, entweder zur sofortigen Verurteilung oder zur buchstäblichen Erpressung des Bekenntnisses mittels der peine forte et dure (die daher 1772 abgeschafft werden konnte70). Vielmehr erhalte er auf jeden Fall das benefit of a trial by jury. Der deutsche Prozessbeobachter Torrent wertete die Praxis, dass wenn ein Angeklagter […] die Antwort verweigert, der Richter in die Protokolle eintragen zu lassen habe, er habe sich für nicht schuldig bekannt, als ein Zeichen dafür, dass die Strafrechtspflege humaner und ehrwürdiger geworden sei.71 Tatsächlich aber war mit dieser Zurechnungsfiktion die Integration des Angeklagten in das Verfahren, die Herstellung dieser verfahrenseigene Rolle, von allen Zustimmung signalisierenden Gesten und Worten losgelöst worden. Was früher eine Bewährungsprobe auch für das Verfahren gewesen war, wurde nunmehr zu einer mere idle ceremony herabgestuft, an die man sich aus Gründen der Tradition hielt, von der man sich aber nicht länger aufhalten ließ.72 Auch diese Prozessreform kam also letztlich dem Verfahren und seiner Macht zugute. Das Vorkommnis When a prisoner upon his arraignment totally refuses to answer war vor Gericht zu einer entscheidbaren Situation geworden: Falls ein solcher Fall eintrat, sollten die Geschworenen prüfen und beurteilen, ob er bloß aufsässig war (obstinantly mute) – dann wurde er ebenso behandelt, als ob er sich für nicht schuldig bekannt hätte –, oder ob er von Natur aus geistesschwach war, dumb ex visitatione dei, wie man im Common Law dazu sagte. In diesem Fall sollte überhaupt kein Prozess stattfinden.73 Es war kein Zufall, dass diese Unterscheidung zu einer Zeit aufkam, als sich ein neuer Umgang mit Schuldunfähigkeit im Strafrecht andeutete. Schon in der mittelalterlichen englischen Rechtsgelehrsamkeit ging man davon aus, dass jemand dann nicht verurteilt werden könne, wenn dieser nicht mit Vernunft zwischen Gut und Böse unterscheiden könne, sondern wie ein Tier handele.74 Tatsächlich blieb die praktische Anwendung dieser Unterscheidung vor Gericht aber bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Ausnahme. Während die Identifikation eines Angeklagten als eines Lunatick bei einem Prozess von 1723 noch eher Zufall war (gave such Answers at his Trial as might be expect69 70 71 72 73 74

Chitty, A practical treatise, Bd.1, 289. Dieses Vorgehen wurde 1827 zum Gesetz, vgl. Langbein, Torture and the law of proof, 184. McKenzie, „This death some strong and stout hearted man doth choose“. Torrent, Beiträge zur Würdigung des Strafverfahrens, 131. Chitty, A practical treatise, Bd.1, 289. Ebd., 290ff. Eigen, Witnessing insanity, 36.

526

1780–1850: Normalisierungsregime

ed from a Madman75), gehörte die Behauptung von Unzurechnungsfähigkeit um 1800 zu den möglichen anwaltlichen Verteidigungsstrategien. Das neue Wissen vom „Wahnsinn im Zeitalter der Vernunft“ (Foucault) machte sich sehr bald auch im Strafrecht bemerkbar.76 Der Rechtsgeschichte machende Paradefall dafür war der Hochverratsprozess gegen James Hadfield im Jahr 1800, bei dem sich Thomas Erskine mit der Deutung durchsetzte, wonach Hadfield nicht deshalb auf Georg III. geschossen habe, weil er nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden könne.77 Vielmehr sei dieser aufgrund einer Kopfverletzung in seinen eigenen Wahnvorstellungen gefangen, in denen der Tod des Königs die notwendige Voraussetzung für die Wiederkehr Christi darstelle. Hadfield wurde nicht schuldig gesprochen, aber bis zu seinem Tod 1841 ins Bethlem Royal Hospital, das Londoner Irrenhaus, gesperrt.78 Die Möglichkeit, einen Angeklagten aufgrund psychischer Störungen für nicht schuldfähig zu erklären – und zwar im Verfahren und mit verfahrenseigenen Mitteln wie der Anhörung medizinischer Experten als Zeugen79 – war sicherlich ein weiterer Beitrag zur Humanisierung des modernen Strafrechts. Aber wie andere forensische Innovationen war auch dieser Beitrag nicht ohne Ambivalenzen. Einen Angeklagten für prozess- und schuldunfähig zu erklären, war auch eine weitere Form, ihm seine Subjektivität im Verfahren zu nehmen, in einigen Fällen auch gegen seinen ausdrücklichen Willen. Ein frühes Beispiel dafür war der Prozess gegen John Frith im Jahr 1790. Frith war 1787 aus dem Militärdienst in Jamaika entlassen worden, nachdem ihn der dortige Gouverneur aufgrund zweifelhafter Beweise für irrsinnig erklärt hatte. Danach kämpfte er verbissen darum, zumindest eine ordentliche Pension zu erhalten. Nachdem verschiedene Petitionen an das Unterhaus erfolglos geblieben waren, versuchte er am 21. Januar 1790, Georg III. direkt eine Petition zu überreichen, und zwar bei des Königs Fahrt zur Eröffnung des Parlaments. Dies war eine durchaus übliche Form, dem König Petitionen zu überreichen. Doch dann wurde Frith plötzlich rasend: Er beschimpfte Georg als Tyrann und Gauner, und dann warf er einen Stein auf die königliche Kutsche. Er wurde in Gewahrsam genommen und intensiv verhört. Man kam zu der Auffassung, dass es nützlich sein könnte, ihn auch öffentlich als einen Irren darzustellen, der mit revolutionären Parolen den König angegriffen hatte. Dazu sollte er zwar wegen Hochverrats angeklagt, aber nicht verurteilt werden.80 Am 17. April 1790 wurde Frith in Old Bailey vorgeführt. Kaum dass der Clerk mit den einleitenden Sprechakten begonnen hatte (John Frith, you stand indicted by the name of John Frith), unterbrach ihn einer der beiden Anwälte, Samuel She75 76 77 78 79 80

Salmon, A Critical Review, 873. Aus der großen Menge an Literatur seien nur zwei Klassiker genannt: Andrews / Scull, Undertaker of the mind; Porter, Mind-forg’d manacles. Ramsey, Reframing regicide. Eigen, Witnessing insanity; Moran, The origin of insanity; zu Bethlem (Bedlam); Porter, Madness and its institutions. Eigen, „I answer as a physician“. Poole, The politics of regicide, 90–95.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

527

pherd (1760–1840): My lord; before the prisoner is arraigned I wish to make an application. Zwar hätten sich er und sein Kollege, William Garrow, gut auf den Prozess vorbereitet. Es gäbe aber noch höchst wichtiges Beweismaterial, das nun nicht zur Hand sei. Er und Mr. Garrow appellierten daher an die Menschlichkeit (humanity) des Attorney Generals, Sir Archibald Macdonald, einer Vertagung des Prozesses zuzustimmen. Bei den fehlenden Unterlagen handelte es sich offenbar um Beweismaterial über Friths Geisteszustand. Mit diesem Vorgehen war Frith aber offenbar nicht einverstanden, was darauf hindeutet, dass er und seine Anwälte einander entweder noch nie gesehen hatten – ein Mandant verkehrte gewöhnlich mit einem Attorney und nicht direkt mit dem vor Gericht agierenden Barrister – oder aber, dass dieses Vorgehen zumindest nicht abgesprochen war. Als Garrow es ihm dann öffentlich (!) erklärte: Mr. Frith, we have been applying to the Court, or to Mr. Attorney-general, to permit your trial to stand over till next sessions, upon our judgment; it appearing to us that it will be better, and your defence better arranged81, protestierte Frith gegen seinen eigenen Anwalt: I object to it, on account of my health being in a bad state through long confinement. I should rather meet it now: it is depriving a subject of his liberty, and endangering his health.82

Frith bestand also darauf, hier und jetzt seinen Prozess zu bekommen und nicht länger im feuchten und kalten Kerker von Newgate zu verrotten. Die Prozessvertagung zum weiteren Nachweis von Friths Geisteskrankheit aber passte Kronanwalt Mcdonald nur zu gut, und daher erklärte er mit einer für den Vertreter der Anklage unüblichen Semantik der Menschlichkeit: Notwithstanding what this unhappy gentleman has said, I am given to understand that there may be some circumstances in his situation; and likewise that he is not very well able in point of pecuniary concerns, to be so ready in the collection of materials for his defence, as many other prisoners are: therefore if my friends are of opinion that he must go to his trial now under great disadvantages, possibly arising from the last cause, as well as the other, I shall have no objection to give the gentlemen such time as will enable them to collect such evidence as they may choose.83

Tatsächlich handelte es sich bei diesem Redezug um die Zustimmung zu dem Antrag der Verteidiger, wobei der zuvor geäußerte, dissentierende Beitrag des Betroffenen für irrelevant erklärte wurde (Notwithstanding what this unhappy gentleman has said). Doch so schnell ließ sich Frith nicht zur Ruhe bringen: Wenn ihm sein Recht auf einen Prozess streitig gemacht werde, werde er sich beim Parlament, dem (Premierminister a.D.) Lord North und anderen einflussreichen Gentlemen beschweren. 81 82 83

22 ST 310. Ebd. Ebd.

528

1780–1850: Normalisierungsregime

William Garrow war über dieses Betragen seines Mandanten etwas irritiert: Frith bringe ihn und seinen Kollegen in eine schwierige Lage (arduous situation). Es sei aber nur zum Besten des Angeklagten, wenn er diesem widerspreche und weiter um Vertagung bitte (But for one, I feel it to be my duty to take upon myself in opposition to the prisoner, for the prisoner’s benefit, to pray that the court, or rather the attorney-general will consent to postponing this trial).84 Auch der vorsitzende Richter Heath wollte lieber eine Vertagung, denn das sei doch mit Blick auf den unklaren Zustand des Angeklagten Ausdruck einer liberalen und humanen Rechtspflege: such is the humanity of the law of England. Aber Frith bestand weiter auf seinen Prozess. Daher ordnete Heath ein ungewöhnliches Vorgehen an (it is untrodden ground though it is constitutional): Weil die Rechtspflege (administratrion of justice) zur Verhütung nachteiliger Präzedenzfälle unter keinen Umständen zulassen könne, dass ein Mann vor Gericht stehe oder gar verurteilt werde, der nicht bei Sinnen sei (not in the possession of his reason), müsse genau darüber erst entschieden werden: it is important to settle what his state of mind is. Beurteilt werden sollte der state of mind durch zwölf eigens darauf85 vereidigte Geschworene (the twelve men that are present will do) nach vorhergehender Anhörung von Frith und weiterer Zeugen. Zunächst wurde Frith von seinem eigenen Anwalt Shepherd gefragt, mit welchen Gründen er die Jury davon überzeugen wolle, verhandlungsfähig zu sein. Frith berichtete darauf hin, dies habe kein geringerer als der königliche Leibarzt am 22. Januar des nämlichen Jahres festgestellt. Sein eigener Arzt habe ebenfalls gefunden, dass er gesund sei und nicht unter Medikamenteneinfluss stehe (take no drugs from the apothecary). Beide Ärzte habe er gebeten, ihm zu helfen, falls man ihn im Gefängnis für verrückt erklärte. Nach dieser ersten, vernünftig klingenden Aussage fragte ihn Garrow nun danach, was er bei seiner Rückkehr von Jamaika in Liverpool gemacht hätte. Das war eine heikle Frage, denn Frith erzählte nun jene Geschichte, aufgrund derer man an seinem Geisteszustand zweifelte: Da ihm von Christus und Paulus besondere Kräfte (extraordinary powers) verliehen worden seien, habe man ihn überall mit großem Respekt empfangen und seine Verfolgungen bedauert. In den Kirchen habe man sogar über ihn gepredigt: When I went to St. Thomas’s church I was there surprised to hear the clergyman preach a most extraordinary sermon upon me as if I was a god.86 Paulus spreche beständig zu ihm in sein Ohr. Der Apostel und andere Freunde drängten ihn dazu, eine neue Religion zu gründen. Er mache sich jeden Tag Notizen über seine geistige Gesundheit (and all I do daily is to make memorandums, daily to prove myself in my senses). Er halte sich für ebenso gesund wie respektable Ärzte ihn auch für gesund hielten. Mit Garrows letzter Frage sollten noch weitere Facetten von Friths Wahn zum Vorschein kommen: 84 85

86

22 ST 310. The Jury sworn as follows: „You shall diligently inquire, and true presentment make for, and on behalf of our sovereign lord the king, whether John Frith, the now prisoner at the bar, who stands indicted for high treason, be of sound mind and understanding or not, and a true verdict give according to the best of your understanding, so help you God“, 22 ST 311. 22 ST 313.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

529

Mr. Garrow:

Would you be so good Mr. Frith to inform the Court as you have an opportunity now, of the complaint you made to me of the effect your confinement has upon you, and the pain in your ear?

Frith:

In respect to the body of people, St. Paul when he was at Jerusalem, the same kind of power then came down on the public; there is both a kind of good and evil power, which we are all liable to in this world; in consequence of that I feel myself in a particularly disagreeable situation in confinement; I am under a state of suffocation almost, the divine ordinances weighing so very low down that I am entirely reduced to a shadow almost, that is all to me as if it was a death seemingly, I am so in a state of confinement.87

Zu diesem ungewöhnlichen Verfahren gehörte also, dass Frith von seinem eigenen Anwalt befragt wurde, und zwar mit der Absicht, seinen Wahnsinn zum Ausdruck zu bringen. Wir haben es bei dieser Befragung mit einer für diese Zeit typischen forensischen Konstruktion von Wahnsinn zu tun, der vor Gericht mit den gleichen Mitteln zutage gefördert und evident gemacht wurde wie ein Verbrechen auch.88 Jene Fragetechnik, mit der Garrow sonst Zeugen der Anklage ins Kreuzverhör nahm, wandte er nun gegenüber seinem eigenen Mandaten an. Damit sollte auch Frith bloßgestellt werden, aber nicht als Lügner, sondern als Irrer, dem in der Folge ein regulärer Prozess erspart wurde. Garrow und Shepherd befragten anschließend einige Zeugen, darunter den Gefängniskaplan und den für Newgate zuständigen Sheriff, die über Friths Betragen in der Haft Auskunft gaben und auf die Frage: From the whole of your intercourse with him, did it appear to you that he was insane? mit I really thought so antworteten und auf die Frage You think so now? mit I do.89 Danach hielt Richter Heath seine kurze Schlussansprache an die Geschworenen: Er machte darin deutlich, dass er persönlich stark am gesunden Geisteszustand des Angeklagten zweifele, aber die Frage an die Geschworenen sei: whether he is at this time in a sane or an insane state of mind? Ohne aufzustehen oder lange Beratung erkärten diese: My lord, we are all of opinion that the prisoner is quite insane.90 Friths letzter Zwischenruf: Permit me to speak … I appeal as a British subject, wurde ignoriert. Nach diesem Verdikt wurde Frith zurück nach Newgate gebracht und einige Zeit später für den Rest seines Lebens in Bethlem weggesperrt.91 Die Forschung hat vor allem die Diskurse herausgearbeitet, mit denen Wahnsinn vor Gericht im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert konstruiert worden war.92 Diskutiert wurden dabei die Voraussetzungen und die Folgen psychisch bedingter Schuldunfähigkeit, nicht aber, was die Pathologisierung des Angeklagten für seine Rolle im Verfahren bedeutete. Wie auch immer es um die psychische Ge87 88 89 90 91 92

Ebd. Eigen, Witnessing insanity. 22 ST 314. 22 ST 318. Poole, The politics of regicide, 93. Eigen, Unconscious crime; Rabin, Searching for the self; Rabin, Identity.

530

1780–1850: Normalisierungsregime

sundheit von Frith gestanden haben mochte: Als einmal die Entscheidung stand, dass er verrückt war, verlor er seinen Status als Subjekt des Verfahrens restlos. An der Herstellung dieser Entscheidung wirkten die Anwälte des Angeklagten aktiv mit, wobei sie ihren Beitrag zur Befreiung ihres Mandanten von einem ordentlichen Verfahren als gut gemeinte Fürsorge verstanden.93 Die Entsubjektivierung eines als wahnsinnig deklarierten Angeklagten spiegelt dabei in Extremform eine Tendenz, die sich in anderen Prozessen weniger dramatisch bei der Interaktion zwischen Anwalt und Mandant beobachten lässt: Auch, wenn der Geisteszustand des Angeklagten überhaupt nicht zur Debatte stand, war es möglich, seine situativen Äußerungen als irrelevant zu behandeln. Die Leistung von Interaktionssystemen, Anwesende als abwesend zu betrachten94, zeigte sich auch im ausdifferenzierten Gerichtsprozess des frühen 19. Jahrhunderts. William Smith O’Brien etwa war 1848 über den Verlauf seines Prozesses so verzweifelt, dass er sich mit folgenden Worten an seinen Anwalt Fitzgerald wandte: I call upon you to give up the defence. Let the case go as it is to the jury. Nicht nur Fitzgerald ignorierte diesen Zwischenruf. Auch die Richter nahmen O’Briens Zwischenruf nicht für wörtlich und als eine Art Geständnis wie noch im 17. Jahrhundert. Der Prozess ging vielmehr mit einer pedantisch geführten Debatte über die Zulässigkeit einiger Fragen an die Zeugen der Verteidigung zwischen dem Gericht, den Kronanwälten und Fitzgerald, bei der letzterer zu O’Briens Verdruss viel zu defensiv agiert hatte, weiter.95 5. ABWESENDE ALS ANWESEND BEHANDELN Bislang wurde gezeigt, wie durch anwaltliche Stellvertretung, durch Verteidigungskunst, Zurechnungsfiktionen, Konstruktionen von Wahnsinn und der situativen Nichtzurechnung von Äußerungen ein im Verfahren anwesender Angeklagter gewissermaßen als abwesend behandelt werden konnte, als jemand, der beim Verfahren nur zuschaute und nicht mitsprach, dessen Handlungen so behandelt werden konnten, wie sie das Gericht verstanden wissen wollte und dessen Beiträge sich unter Umständen als vollkommen irrelevant ignorieren ließen. Abschließend soll noch eine weitere Facette dieser Dezentralisierungspraktiken beleuchtet werden, nämlich die Möglichkeit, einen abwesenden Angeklagten als anwesend zu behandeln und gegen ihn ein sogenanntes trial in absentia durchzuführen. Als Beispiel dazu dient mir der Prozess gegen Thomas Paine am 18. Dezember 1792. Im Februar 1792 war der zweite Teil der Rights of Man erschienen. Die sozialpolitischen Forderungen dieses in Windeseile massenhaft verbreiteten Traktats nahm die Obrigkeit nun zum Anlass, um gegen Paine ein Verfahren wegen

93 94 95

Als Fürsorge sieht die Befreiung vom Prozess auch Houston, Legal protection. Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 66f. 7 RST 263.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

531

aufrührerischer Schriften anzustrengen.96 Eine Anklage wegen seditious libel bot hier einige Vorteile gegenüber einer Hochverratsanklage, an die man auch gedacht hatte, weil Paine auch die Erbmonarchie infrage gestellt hatte. Bei einer seditious libel-Anklage war es viel wahrscheinlicher, zu einem Schuldspruch zu kommen, zudem würden Verurteilte nicht zu Märtyrern der Freiheit avancieren und vor allem brauchte man zur Eröffnung eines Verfahrens bei Delikten ohne Kapitalstrafen nicht das (nur mit viel Aufwand zu bekommende) Votum einer Grand Jury. In diesem Fall reichte eine Anzeige (information) der Kronanwälte bei der King’s Bench.97 Im Juni 1792 wurde Paine vorgeladen, um zu der Anklage Stellung zu nehmen, also zu plädieren. Im Unterschied zu Hochverrat musste das Plädoyer bei seditoius libel (und allen anderen misdemeanours) nicht bei einem öffentlichen Arraignment abgelegt werden – es gab dafür überhaupt kein formal vorgeschriebenes Prozedere. Auch das Pleading durfte zeitlich sehr weit von der Hauptverhandlung getrennt werden. Paine hat sich allerdings nicht der Obrigkeit gestellt. Vielmehr nahm er die Anklage zum Anlass, um zunächst unterzutauchen und dann, am 13. September 1792, nach Frankreich zu fliehen. Genau das hatte der Home Secretary Henry Dundas mit der Anklage eigentlich erreichen wollen. Man hatte gar nicht vorgehabt, Paine die Bühne eines öffentlichen Verfahrens zu bieten. Man wollte ihn loswerden und dann gegen ihn und seine politische Theorie in absentia vorgehen. Deswegen war die Hauptverhandlung selbst auch erst für Dezember angesetzt worden. Strafverfahren gegen Abwesende, sog. Kontumazialverfahren, sind in den modernen westlichen Strafprozessordnungen genau geregelte Ausnahmefälle. Sie sind nicht unbedingt erwünscht, aber möglich, wenn der Angeklagte sich dem Verfahren entzieht. So etwas kommt heute mit ziemlicher Regelmäßigkeit vor, bekannt sind vor allem die Kontumazialverfahren gegen ehemalige SS-Leute oder Kriegsverbrecher.98 Das moderne Recht kann seinen allgemeinen Strafanspruch nicht davon abhängig machen, ob der Beschuldigte nun im Verfahren zugegen ist oder nicht. In der Vormoderne war die Abwesenheit des Angeklagten zumindest für jene Strafverfahren ein Problem, die interaktionsförmig durchgeführt wurden.99 Im antiken römischen Recht galt daher: ne absens damnetur.100 Diese Maxime über96 97 98

99

100

Zur zeitgenössischen Rezeption der Rights of Man vgl. Thompson, The making of the English working class, 117; Goodwin, The friends of liberty, 198f. Lobban, Treason, sedition and the radical movement; Lobban, From seditious libel to unlawful assembly. Im August 2013 verurteilte das Landgericht Lübeck einen gewissen Martin H. in Abwesenheit wegen Raubes zu einer dreijährigen Haftstrafe. Der Angeklagte war untergetaucht. Der ehemalige SS- und Gestapo-Mann Kurt Lischka wurden 1950 von einem französischen Gericht in Abwesenheit zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt. Im Juli 2011 wurden Wehrmachtssoldaten der Division „Hermann Göring“ wegen eines Massakers in der Toskana von einem Militärgericht in Verona zu lebenslanger Haft verurteilt. Für den „dualen Inquisitionsprozess“ der gemeinrechtlichen Praxis des Alten Reiches war die Abwesenheit des Angeklagten bei den entscheidenden Phasen des Verfahrens daher kein Problem, sondern die Regel, vgl. Härter, Strafverfahren im frühneuzeitlichen Territorialstaat. Meyer, Das Strafverfahren gegen Abwesende, 5. Auch die nach dem englischen Vorbild reformierte, unmittelbar und mündlich verlaufende Verfahrenspraxis im Deutschland des 19. Jahrhunderts stand

532

1780–1850: Normalisierungsregime

nahm auch das Common Law ebenso wie die Faustregel, dass derjenige, der sich dem Verfahren entzieht, damit seine Schuld bekennt: Fatetur facinus qui iudicium fugit.101 Bei Hochverrat hatte die Flucht des Angeklagten in der Regel einen writ of outlawry zu Folge, also eine Art der Ächtung. Das war zuletzt 1684 bei zwei (angeblichen) Rye House-Verschwörern, James Holloway und Sir Thomas Armstrong, der Fall gewesen. Dort wurde also das Nichterscheinen beim Prozess bestraft.102 Solange sich der Angeklagte selbst verteidigen musste, war seine Anwesenheit nicht zu ersetzen. Er musste da sein, weil sich der Prozess sonst als Monolog der Kronanwälte vollzogen hätte. Die Präsenzpflicht des Angeklagten war die Folge seiner diffusen Rolle als Beschuldigter und Verteidiger in einer Person. Man muss dafür nicht auf jene Präsenzmystik rekurrieren, die die deutschen Rechtstheoretiker des frühen 19. Jahrhunderts ins Spiel gebracht hatten. Erst als die Rollen des Beschuldigten und des Anwalts auf zwei Personen aufgeteilt worden waren, stellte die Abwesenheit des Angeklagten für das Verfahren kein Problem mehr dar.103 Erforderlich war die Anwesenheit von jemandem, der für den Angeklagten sprechen konnte, nicht aber dieser selbst. Dieses Niveau einer vollumfänglichen Fürsprache wurde bei den Strafverteidigern am Ende des 18. Jahrhunderts erreicht. Für den Verteidiger im Fall Rex vs. Paine, der einmal mehr Thomas Erskine hieß, stellte es jedenfalls nicht das geringste Problem dar, dass sein Mandant nicht mit ihm zusammen vor der King’s Bench stand. Im Gegenteil, dies passte ihm vielmehr ins Konzept, wie wir noch sehen werden. Erskine kritisierte nicht einmal den Umstand, dass Paine überhaupt nicht persönlich zu der Anklage plädiert hatte, wie das in diesem Prozess fingiert und vorausgesetzt wurde (to this information the defendant hath appeared, and pleaded Not Guilty, and thereupon issue is joined104). Vielmehr hatte Paine die Anklagepunkte, wonach in seinem libel are contained, amongst other things, divers false, scandalous, malicious and seditious matters105, in einem Pamphlet zurückgewiesen.106 Auch wenn das Plädoyer bei misdemeanours nicht genauso förmlich in einem Vorverfahren (arraignment) abgelegt werden musste wie bei felonies and treason, so war es doch üblich gewesen, dazu persönlich bei Gericht oder einem

101 102 103 104 105 106

zunächst fest: „Für alle Criminalsachen dagegen muß die persönliche Gegenwart des Angeklagten vor dem das Urtheil findenden Richter und die dadurch bedingte Möglichkeit seiner Verantwortung gegen den Schuldbeweis im Ganzen und im Einzelnen als unentbehrliche Voraussetzung einer materiell vollständigen und gerechten Urtheilsfällung betrachtet werden, die selbstverständlich durch keine Fiction oder juristische Präsumption ersetzt werden kann“, so Heinrich Albert Zachariae in seinem Handbuch des Strafprocesses, zit. nach Meyer, Das Strafverfahren gegen Abwesende, 4. Vgl. Coke, The Second Part, 188. Greaves, Secrets of the kingdom, 246ff. Und sie war es schon länger nicht mehr in Zivilprozessen, wo die anwaltliche Prozessvertretung schon seit dem späten 16. Jahrhundert üblich geworden war. 22 ST 380. 22 ST 360. If, to expose the fraud and imposition of monarchy […] to promote universal peace, civilization, and commerce, and to break the chains of political superstition, and raise degraded man to his proper rank; if these things be libellous […] let the name of libeller be engraved on my tomb; Paine, Letter addressed to the addressers, 20.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

533

Friedensrichter zu erscheinen.107 Paines Abwesenheit bei diesem Akt hatte einen Präzedenzfall geschaffen: 1819 wurde statuiert, dass sich ein Angeklagter beim Pleading im Falle von misdemeanours von einem Anwalt vertreten lassen konnte.108 Der Prozess fand am 18. Dezember 1790 vor der King’s Bench statt, die in diesem Fall in der Guildhall tagte, um den zahlreichen interessierten Zuschauern jenen Platz zu bieten, über den das Gericht in der Westminster Hall nicht verfügte. Ohne weitere Auftaktrituale oder Sprechakte setzte Attorney General Macdonald zu seiner rund einstündigen opening speech an: Als der erste Teil der fraglichen Schrift erschienen war, habe er das Urteil darüber noch der öffentlichen Diskussion überlassen und diese nicht unterbinden wollen (preventing any manner of discussion coming under the public eye). Doch mit dem Erscheinen des zweiten Teils gebe es genug Grund, um einzuschreiten, nicht nur wegen der unerträglichen Behauptungen gegenüber Staat und Verfassung, sondern auch wegen des unerhörten Eifers, mit dem diese Schrift verbreitet werde, die nicht bloß für geringes Geld verkauft, sondern jedem zugesteckt werde, der es haben wolle. Selbst die Kinder wolle man erreichen, indem man Zuckerwerk darin einwickele: I found that even children’s sweetmeats were wrapped up with parts of this, and delivered into their hands, in the hope that they would read it. Man wolle wohl die Engländer (a community of ten or twelve millions of people), die ihre Verfassung bisher geliebt hätten, glauben machen, sie würden durch einer Bande von lawless banditti regiert.109 Im Anschluss wurden zwei Zeugen der Anklage verhört, die aussagten, dass Paine der Verfasser der inkriminierten Schrift sei – ein Sachverhalt, den Erskine auch gar nicht bestritt, weswegen er die Kreuzverhöre nur der Form halber durchführte. Denn erst nachdem die Zeugenverhöre zu Ende waren, begann der Teil, auf den Erskine eigentlich gewartet hatte: seine gut vorbereitete Verteidigungsrede, die rund dreieinhalb Stunden dauerte. Einmal mehr handelte es sich dabei um eine Rede, die nicht nur der Verteidigung seines Mandanten diente, sondern auch zur Artikulation seiner eigenen politischen Überzeugungen. Dabei hielt er es allerdings zunächst für nötig, sich wegen der fortgesetzten Kritik von Seiten der Krone an seiner Person von Paines Doktrin ausdrücklich zu distanzieren: In addressing myself, therefore, to gentlemen not only zealous for the honour of English government, but visibly indignant at any attack upon its principles, and who would, perhaps, be impatient of arguments from a suspected quarter, I give my client the benefit of declaring, that I am, and ever have been, attached to the genuine principles of the British government; and that, however the Court or you may reject the application, I defend him upon principles not only consistent with its permanence and security, but without the establishment of which, it never could have had an existence.110 107 108 109 110

Dies wurde 1819 auch statuiert: shall appear in term time in either of the said courts respectively in person. The London Magazin, January to June 1820, Bd. 1, London 1820, 220f. 22 ST 380f. 22 ST 414; dazu Crosby, The voice of Flattery, 100.

534

1780–1850: Normalisierungsregime

Aber auch wenn er politisch ganz und gar nicht mit seinem Mandanten einer Meinung war, so halte er es für seine nicht verhandelbare Pflicht, Paine zu verteidigen: From the moment that any advocate can be permitted to say, that he willor will notstand between the Crown and the subject arraigned in the court where he daily sits to practise, from that moment the liberties of England are at an end.—If the advocate refuses to defend, from what he may thinkof the charge or of the defence, he assumes the character of the judge […].111

Die unmittelbar daran anschließende, im Protokoll in Großbuchstaben wiedergegebene Erklärung muss man sich wohl sehr laut und mit Vehemenz vorgetragen vorstellen: I WILL FOREVER, AT ALL HAZARDS, ASSERT THE DIGNITY, INDEPENDENCE, AND INTEGRITY OF THE ENGLISH BAR; WITHOUT WHICH, IMPARTIAL JUSTICE, THE MOST VALUABLE PART OF THE ENGLISH CONSTITUTION, CAN HAVE NO EXISTENCE!112

Erskine bezog sich im weiteren Verlauf seiner Rede tatsächlich nur am Rande auf Paines Ideen und verteidigte sie gegen die Unterstellung, umstürzlerisch zu sein.113 Im Zentrum seiner Rede stand vielmehr die Verteidigung der Pressefreiheit (liberty of the press), deren Geschichte er zitatreich von Milton über Locke und Burke bis zu Dr. Johnson entfaltete. Presse- und Meinungsfreiheit seien nach dem Bürgerkrieg stets der Grund für die Blüte Englands in Literatur, Wissenschaften und Regierungsart gewesen. Wäre nicht immer wieder das Alte durch neue Ideen verbessert worden, würde man heute noch auf den Bäumen sitzen (savages in the wood). Die Pressefreiheit sei die einzige, die die obrigkeitliche Macht zähmen könne, und sie zu unterdrücken schaffe nur Märtyrer: It is because the liberty of the press resolves itself into this great issue, that it has been, in every country, the last liberty which subjects have been able to wrest from power.—OTHER liberties are held under governments, but the liberty of opinion keeps GOVERNMENTS THEMSELVES in due subjection to their duties. This has produced the martyrdom of truth in every age, and the world has been only purged from ignorance with the innocent blood of those who have enlightened it.114

Wenn man die Pressefreiheit unterdrücke wie jetzt bei Paine, dann würde man die Leute erst recht auf die Schrift neugierig machen, dann könnten aus diesem Grund Tumulte entstehen und am Ende eine Revolution kommen. So wie er seine Rede komponiert hatte, wollte Erskine die Geschworenen also über die Pressefreiheit abstimmen lassen und nicht über die Frage, ob es sich beim zweiten Teil der Rights of Man um eine aufrührerische Schrift handelte, deren Autor eine Gefängnisstrafe verdiente. Nachdem Erskine mit seiner Rede fertig war, setzte Kronanwalt Mac111 112 113 114

22 ST 412. Ebd. Crosby, The voice of Flattery, 97f. 22 ST 437.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

535

donald zu einer Replik an. Doch der Sprecher der Geschworenen stand auf und erklärte, das sei nicht nötig, man sei sich schon einig. Das einstimmige Verdikt der Jury laute: guilty! Für Erskine war die Niederlage bei diesem Prozess indes kein Problem. Er hatte das, was ihm eigentlich wichtig war, nämlich seine Gedanken über die Pressefreiheit, auf großer Bühne – die groß war, weil es sich um den Prozess gegen Thomas Paine handelte – verkünden können. Vor der Guildhall wurde Erskine schließlich von einigen Anhängern empfangen, die die Pferde von seiner Kutsche losbanden und diese dann selbst durch die Straßen zu seinem Quartier in Serjeant’s Inn zogen. Jemand rief: Damn Tom Paine, but Erskine for ever, and the Liberty of the Press; the King, the Constitution, and Erskine, for ever.115 Tatsächlich hatte Erskine nicht nur seinem Mandanten einen Bärendienst erwiesen – Paine sollte auch wegen dieser Verurteilung nie mehr auf britischen Boden zurückkehren. Vielmehr war sein konkretes und wie Beobachter konstatierten hochdramatisiertes Engagement während des Prozesses ein veritabler Beitrag zur Legitimation eines Strafverfahrens in Abwesenheit des Angeklagten, das von nun an als Präzedenzfall zitiert werden konnte. Indem Erskine mit keiner Silbe den Umstand erwähnte, dass sein Mandant nicht selbst vor Gericht stand und auch nicht stehen sollte (deswegen war der Prozess so spät angesetzt worden) und stattdessen die Zeit der Verteidigung eigensinnig aufbrauchte, half er, sicher ungewollt, mit beim Aufbau einer neuen Verfahrensmöglichkeit, die dem Betroffenen unabhängig von dessen Präsenz etwas aufnötigen konnte, was bislang nur bei dessen Anwesenheit möglich gewesen war: den Rollenwechsel vom freien Untertanen zum Angeklagten und schließlich zum verurteilten Aufrührer. 6. DIE ANWALTSKRITIK DER RADIKALEN UND DAS VERFAHREN ALS UMKÄMPFTES MACHTFELD In den Kreisen der Reformer und Radikalen erfuhr die Verteidigungspraxis von Thomas Erskine durchaus keinen Applaus. Paine selbst ließ erkennen, dass er weniger mit dem Schuldspruch unzufrieden war als mit der Art und Weise, wie ihn sein Anwalt in absentia verteidigt hatte: nämlich nicht, wie Paine sich das gewünscht hatte, indem Erskine die Überzeugungen aus den Rights of Man rechtfertigte, sondern vielmehr unter Bezugnahme auf das für ihn abstrakte Prinzip der Pressefreiheit.116 Für Erskine war das aber der erfolgversprechende Weg gewesen. Bei aller rhetorischen Wucht sprach Erskine vor Gericht doch eine juristische, keine politische Sprache. Über Pressefreiheit ließ sich juristisch immerhin entscheiden, über die Rights of Man nicht. Ähnlich ernüchtert über Erskines Vorgehen war auch der Publizist und Sozialphilosoph William Godwin (1756–1836), der dem Paine-Prozess selbst beigewohnt 115 116

Anon., The Trial of Thomas Paine, 35. Aldridge, Man of reason, 185.

536

1780–1850: Normalisierungsregime

hatte und im Anschluss daran einen Brief an den Anwalt aufsetzte, den er allerdings nicht abschickte.117 Stattdessen ging das, was er Erskine hatte sagen wollen, entschärft in ein Kapitel seines bekanntesten Werkes ein, dem im Sommer 1793 erschienen Enquiry Concerning Political Justice. Bei dem Traktat handelte es sich zum einen um eine Antwort auf Edmund Burkes Reflections on the Revolution in France, zum anderen um den utopischen Entwurf eines nur auf Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Vernunft gegründeten Gemeinwesens.118 Und darin spielten Anwälte keine oder zumindest nicht jene Rolle wie in der Realität der 1790er Jahre. In dem Brief erklärte Godwin, Erskine halte es vielleicht für eine der größten Errungenschaften der englischen Verfassung, dass sich vor Gericht ein jeder von einem Anwalt vertreten lassen dürfe (to secure himself an advocate to plead his cause). Und er, Erskine, genieße große Anerkennung dafür, dass er dieses Recht um jeden Preis verteidigt habe. Aber so wie er Paine verteidigt habe, sei anwaltliche Vertretung überhaupt kein Privileg, sondern eine Zumutung.119 Wie habe er denn diesen Fall gewinnen wollen, wenn er nicht selbst an die Richtigkeit von Paines Thesen glaube? It was your private opinion that your client ought to be convicted. Sir, you have much too high an opinion of your talents, if you imagine that you can make a deep impression upon the audience while you are pleading against the judgement of your own understanding.120

Diese Heuchelei (flattery) sei vielmehr jedem aufgefallen und der Grund gewesen für den Schuldspruch der Geschworenen. Die radikale Konsequenz, die Godwin daraus im Enquiry zog, lautete: Verzichte vor Gericht auf einen Anwalt und sprich dort selber die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.121 Godwin machte die Dishonesty of lawyers aber nicht nur an Erskines eigensinniger, angeblich nur auf seine eigene Reputation zielende Oratorik fest. Vielmehr knüpfte er an die Tradition der Rechtskritik des 17. Jahrhunderts an, wie sie von Theologen und besonders von den Levellers vorgetragen worden war. Demnach sei das ganze Recht hoffnungslos korrumpiert, voller Zweideutigkeiten und Widersprüche: It is a labyrinth without end, it is a mass of contradictions that cannot be extradicted.122 Was dem gewöhnlichen Mann stets schade, nütze dem profit- und ruhmgierigen Anwalt umso mehr.123 Godwin war in den 1790er Jahren nicht der einzige Kritiker des Rechts. In dem Political Dictionary des radikalen Satirikers Charles Pigott hieß es unter Barrister nur lakonisch loquacity, impudence, presumption, vanity, consequence, sophistry, 117 118 119 120 121 122 123

Der Brief wurde in der Bodleian Library aufgefunden und teilweise ediert von Crosby, The voice of Flattery. Vgl. Clemit, Godwin, political justice.; Philp, Godwin’s political justice; Boulton, The language of politics, 209–226. Zit. nach Crosby, The voice of Flattery, 99. Ebd., 102. Epstein, In Practice, 66ff.; Pauley, ‘Far from a consummate lawyer‘. Godwin, Political Justice, 769. Ausführlich Epstein, Trial Defence and Radical Memory, 27ff.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

537

Abb. 65: Thomas Muir vor Gericht, aus: Anon., An account of the trial of Thomas Muir, Esq. younger, of Huntershill, before the High Court of Justiciary at Edinburgh, on the 30th and 31st days of August, 1793, for sedition (1794), New York 1794.

inconsistency, and self-interest. Erskine, Garrow.124 Als die schottischen Reformer um Thomas Muir, Joseph Gerrald und Thomas Palmer 1793 und 1794 nach einer Massenversammlung (British Convention) in Edinburgh ebendort wegen Aufruhrs (sedition) vor Gericht gestellt wurden, hatten sie zuvor Briefe von Godwin erhalten, in denen er ihnen nahelegte, bloß keinen Anwalt zu engagieren. Nur ohne Anwalt hätten sie die Möglichkeit, vor Gericht aufrichtig und wahrhaftig zu sprechen und nicht nur sich, sondern auch jene Prinzipien zu verteidigen, wegen denen sie vor Gericht gestellt worden seien. Thomas Muir, der allerdings selber Anwalt war, verzichtete tatsächlich auf die Dienste seines Kollegen Henry Erskine, des älteren Bruders von Thomas. Erskine hatte darauf bestanden, dass nur er am Schluss des Prozesses zu den Geschworenen sprach. Das lehnte Muir auf Anraten von Godwin ab.125 Auf bloße Hilfsdienste wollte wiederum Henry Erskine seine Anwaltstätigkeit nicht reduzieren. Das Frontispiz eines 1794 in New York erschienenen Drucks des Prozesses stellt Muir bei seiner mit großem Selbstbewusstsein durchgeführten Selbstverteidigung dar. [Abbildung 65]126 Auf dem Bild hält Muir die Manuskripte einiger Schriften hoch, die als aufrührerisch inkriminiert wurden, was er wiederum mit Spott quittierte: I smile at the charge of sedition. I know for what I am brought to this bar.127 Die Anwälte von Joseph Gerrald (1763–1796) waren dagegen damit einverstanden gewesen, sich auf die rechtlichen Finessen zu beschränken, um ihrem (mit dem schottischen Recht unvertrautem) Mandaten die Bühne für Reden und politische Botschaften zu lassen.128 Godwin hatte Gerrald geraten, seinen Prozess 124 125 126 127 128

Pigott, A Political Dictionary, 6. Bewley, Muir of Huntershill, 67. Zum Prozess vgl. Davis, “The impartial voice of future times will rejudge your verdict”. 23 ST 191. Marchand, Reading dress, reading culture; Epstein, ‘Our real constitution’, 70f. Ein anderer angeklagter Reformer, Maurice Margarot, erklärte, dass Gerichtsreden ein Echo weit über den Gerichtssaal hinaus entfalteten – man sah darin also ein Bühne für politische Rhetorik, Epstein, ‘Our real constitution’, 70, und Smith, The politics of language, 1791–1819, 177f.: „A self-defended trial is … analogous to the act of writing a book“.

538

1780–1850: Normalisierungsregime

als Plattform für seine politische Botschaft zu nutzen, selbst um den Preis einer Verurteilung: Your trial, if you so please, may be a day such as England, and I believe the world, never saw. It may be the means of converting thousands, and, progressively, millions, to make the cause of reason and public justice. […] If you shoud fail of a verdict […] this manner of stating your defence is best calculated to persuade the whole audience, and the whole world.129

Das hatte für beide allerdings einschneidende Konsequenzen: Muir und Gerrald wurden schuldig gesprochen und nach Australien deportiert. Beide starben im Exil. Freigesprochen wurde allerdings mehr als 25 Jahre später in London der Publizist und Drucker William Hone (1780–1842). Offiziell wegen Blasphemie130, tatsächlich aber, weil sich die Regierenden von ihm auf das Schärfste angegriffen und verunglimpft fühlten, wurde Hone im Dezember 1817 dreimal vor Gericht gestellt – und jedes Mal erlebten Gericht und Ankläger ein Fiasko, weil sie dem subversiven Treiben des Angeklagten keinen Einhalt gebieten konnten. Frappierend dabei war, dass Hone nichts weniger als ein Re-Enactment des berühmten Prozesses gegen John Lilburne aufführte, den Hone bis ins Detail genau kannte, weswegen es ihm gelang, eine ganze Reihe von Gesten, Sprechakten und anderen Performanzen in die eigenen Prozesse zu kopieren.131 Natürlich hatte auch Hone auf einen Anwalt verzichtet. Muir, Gerrald und Hone stehen exemplarisch für eine ganze Reihe von Radikalen, die es in den Jahrzehnten vor und nach 1800 vermocht hatten, den Prozessverlauf zu beeinflussen, zu dominieren und teilweise zu unterminieren. Die Historiker Michael T. Davis und James Epstein, die solche Praktiken im Detail erforscht haben, folgern daraus: „the courtroom was in essence a de facto parliament where radicals could question and confront authority”.132 Im Fall von Radikalen seien Gerichtsverfahren zu verstehen als „counter-discourse and counter-theatre”.133 Ganz ähnlich betont auch Epstein: „Courtrooms were often sites of disorder and subversion. In fact, the potential for delinquency, for making a stand against governmental injustice, was enhanced by the law’s very own ambitions and measures to command space, bodies and speech“.134 Die Beispiele und die daraus gewonnenen Schlussfolgerungen für die Agency der Angeklagten stehen im Widerspruch zu der bisher festgestellten Passivisierung 129 130 131

132 133 134

Zit. nach Paul, William Godwin, 127. Marsh, Word crimes, 24ff. Im Detail herausgearbeitet hat dies Smith, The politics of language, 1791–1819, 154–201; kurz dazu auch Epstein, Radical expression, 35. Auch Gerrald stellte sich diskursiv in die Tradition der Hochverratsangeklagten des 17. Jahrhunderts wie Lilburne, aber ohne performative Reminiszenzen, Epstein, ‚Our real constitution‘, 72. Davis, Prosecution and radical discourse, 156. Ebd., 153. Epstein, „Equality and no king“, 51; ferner Davis, „The impartial voice of future times will rejudge your verdict“, 65–78; Davis, „I Can Bear Punishment“, 89–106; Epstein, From ritual practice to cultural text, 127–160; Epstein, Radical expression, 29.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

539

der Angeklagten. Deswegen ist es nötig, an dieser Stelle kurz darauf einzugehen und den Blick zum einen auch auf Prozesse wegen anderer politischer Delikte als Hochverrat zu richten und zum anderen auf solche Hochverratsprozesse, bei denen Angeklagte eben nicht passiv blieben. So unbestreitbar es ist, dass es auch um 1800 höchst aktive Angeklagte gegeben hat, so war der Verlauf der Prozesse gegen Gerrald und Muir außergewöhnlich und der Fall von Hone völlig singulär. Die sich selbst verteidigenden Angeklagten bei seditious libel-Prozessen waren die (voraussetzungsreiche) Ausnahme, nicht die Regel. Als 1817 nach fast zwanzig Jahren wieder ein Sedition-Prozess in Edinburgh stattfand, und zwar gegen den wortgewaltigen Prediger Neil Douglas, der Georg III. mit Nebukadnezar verglichen hatte, sagte dieser beispielsweise kein Wort. Auch diese Passivität wurde von einem Zeichner ins Bild gesetzt (Abbildung 66). Abb. 66: „The Reverend Neil Douglas, from a Sketch made during the trial”, aus: Anon., The Trial of the Rev. Neil Douglas, before the High Court of Justiciary at Edinburgh, on the 26th May 1817, for Sedition, Edinburgh 1817.

Darüber hinaus haben Epstein und Davis die Agency der Angeklagten überbetont und diskrete Machtmechanismen in Verfahren übersehen. Das lässt sich besonders gut an einem der jüngsten Beiträge von James Epstein über „British ‘Jacobin’ Performance” zeigen, in dem einmal mehr betont wird, dass den Angeklagten die Gerichte als Bühnen dienten.135 Tatsächlich aber geht es gar nicht um Performanz im Verfahren, sondern vielmehr um das expressiv-theatralische Verhalten von Radikalen außerhalb der Gerichte oder auch um Theaterstücke, die zum Gegenstand von Gerichtsverfahren wurden. Gerade die in diesem Beitrag von Epstein einmal mehr eindrucksvoll vorgeführten Beispiele für radikale Inszenierungen außerhalb des Gerichts (Versammlungen des LCS mit rituellen Toasts, Paraden, Ansprachen bei Massenkundgebungen usf.) zeigen, wie passiv die Radikalen eigentlich vor Gericht waren.136 So vermochte Thomas Hardy zwar auf seinem täg135 136

Epstein / Karr, Playing at revolution. Ferner: Epstein, Radical dining, 271–291; Epstein, Understanding the cap of liberty, 75–118; Epstein, Turn, turn, turn; Parolin, Radical spaces; Williamson, Space, popular politics and agency; Randall, Riotous assemblies; Baer, Political dinners; O’Gorman, Ritual aspects; Tilly, Popular contention.

540

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 67: John Thellwall als Redner bei einer Kundgebung der LCs auf den Copenhagen Fields in London, Kupferstich von James Gillray, 1795.

lichen Weg von Newgate nach Old Bailey ein starkes Zeichen damit zu setzen, dass er seinen Mitgefangenen zurief: Farewell, Citizens! death or liberty.137 Während des Prozesses selbst aber blieb er vollkommen passiv auf seinem Stuhl sitzen (Abbildung 61).138 Das Gleiche gilt für den Republikaner und Reformer John Frost (1750–1842). Bei seinem Prozess wegen der Parole Equality and No King! sagte Frost – auch er war Anwalt – bis auf not guilty kein Wort, so dass von einem subversiven und widerspenstigen Verhalten vor Gericht zumindest in diesem Fall keine Rede sein kann.139 Selbst John Thelwall konnte wenig von der performativen Energie, die er als Redner bei den Massenversammlungen der London Corresponding Society unter freiem Himmel gewöhnlich entfaltete (Abbildung 67), in den Gerichtssaal importieren.140 Mein Einwand zielt aber nicht nur auf die großzügige Auslegung dessen, was als Performanz vor Gericht ausgelegt wird – immer wieder werden bei Epstein „the tavern, coffee-house, courtroom, prison, the pillory and the street“ unterschiedslos als soziale Orte radikaler Selbstinszenierungen gehandelt.141 Auch wurde viel zu 137 138 139

140 141

Zit. nach Epstein / Karr, Playing at revolution, 511. Wharam, The treason trials of 1794, 181. Epstein, „Equality and no king“, 51f. Vielmehr handelt es sich um ein weiteres Beispiel für Entsubjektivierung, insofern Anwalt Thomas Erskine seinen Mandanten damit verteidigte, indem er ihn zum „Tatzeitpunkt“ als betrunken und damit als vorrübergehend unzurechnungsfähig darstellte. Zum Prozess vgl. Thelwall, John, Mrs [Boyl, Henrietta Cecil], The life of John Thelwall, 253f. und Barrell, Imagining the king’s death, 391ff. So Epstein, „Equality and no king“, 55. Ähnlich auch bei Davis, Prosecution and radical discourse, 153: „Radicals produced their own counter-discourse and counter-theatre, which often began out-

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

541

wenig in Rechnung gestellt, dass es etwas völlig anderes ist, wegen sedition vor Gericht zu stehen oder wegen Hochverrats. Für seditious libels/words oder auch für andere, teils neu ersonnene politische Delikte (seditious conspiracy wie bei Henry „Redhead“ Yorke 1795) kam man nicht aufs Schafott, sondern für ein oder zwei Jahre ins Gefängnis und anschließend noch kurz an den Pranger.142 Ohne solche Sanktionsformen verharmlosen zu wollen: Beides war für die Radikalen in den 1790er Jahren keine wirkliche Strafe. Denn das Prangerstehen ließ sich leicht in eine öffentliche Kundgebung ummünzen, die dem Verurteilten keine Schande, sondern den Jubel seiner Anhänger einbrachte.143 Die Gefängnishaft hatte wiederum weder etwas mit dem Vegetieren in einem dunklen, feuchten Loch zu tun noch mit jener Disziplinaranstalt, wie sie später nach den Vorschlägen von Jeremy Bentham in einigen Fällen realisiert worden war. Obwohl die Radikalen auch im Newgate-Gefängnis eingesperrt wurden, das Daniel Defoe als Hölle auf Erden bezeichnet hatte144, so machte es einen Unterschied, wenn man in dessen Südflügel einsaß, der als State Side bekannt war. Dort waren die politischen Häftlinge untergebracht, und dort hatten sie die Möglichkeit, ihr Leben als Gentlemen ziemlich ungebrochen fortzusetzen. Die State Side of Newgate, das zeigen nicht zuletzt zwei nicht satirisch gemeinte Stiche des bekannten Karikaturisten Richard Newton145, ähnelte eher einem Club, wo es vielleicht nicht alltäglich, aber zumindest nicht unüblich war, sich Pfeife rauchend und trinkend bei gepflegter Konversationen in der an einen Salon erinnernden Zelle von Lord George Gordon zu versammeln (Abbildung 68).146 Ebenso traf man sich ohne Probleme und ungezwungen zum Gespräch oder zur Zeitungslektüre auf den Fluren der State Side (Abbildung 69). In den Jahren 1793–95 war Newgate fast schon ‚the place to be‘, wenn man mit den anderen Radikalen persönlichen Umgang pflegen wollte, denn zu dieser Zeit verbrachten fast alle Kritiker von Staat und Gesellschaft einige Zeit hinter diesen Mauern.147 Zu der State Side dieses Gefängnisses hatte jeder Zutritt, der den Wärtern dafür einen Obulus zusteckte, weswegen die politischen Häftlinge auch regelmäßig von ihren Frauen und Kindern besucht wurden und mit diesen, wie auf Abbildung 69 zu sehen, promenieren konnten. Newgate war also so etwas wie ein öffentlicher Ort, und mit den Zwängen einer totalen Institution hatte dieser Gefängnisaufenthalt 142 143 144

145 146

147

side the courtroom prior to the actual commencement of proceedings.” Zur doppelten Perspektive eines Angeklagten auf einen Freispruch und auf den Vortrag seiner politischen Überzeugungen vgl. Yuval, Between heroism and acquittal. Davis, „Good for the public example“, 125ff. In „Moll Flanders“: I looked on myself as lost, and that I had nothing to think of but of going out of the world, and that with the utmost infamy: the hellish noise, the roaring, swearing, and clamour, the stench and nastiness, and all the dreadful crowd of afflicting things that I saw there, joined together to make the place seem an emblem of hell itself, and a kind of an entrance into it, Hazlitt, The works of Daniel Defoe, 88. Der in Newgate regelmäßig seinen Verleger William Holland besuchte, dazu Alexander, Richard Newton, 34ff.; vgl. zu dieser Darstellung auch Mee, Print, 139f. Gordon war 1787 wegen seditious libel zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Er verstarb in der Haft. In Newgate lebte er in einer salonähnlichen Zelle, in der er von zwei Dienstmädchen umsorgt worden war, vgl. Ignatieff, A just measure of pain, 42. Parolin, Radical spaces, 17–48; Mee, Print 139ff.

542

1780–1850: Normalisierungsregime

Abb. 68: Richard Newton, ‘Soulagement en Prison, or Comfort in Prison, 1793.

wenig zu tun.148 Und so wie Freunde, Anhänger und Verwandte ungehindert in das Gefängnis hinein gelangen konnten, so gelangten zumindest die Schriften des Häftlings auch ungehindert wieder hinaus, weswegen die Haft für die radikalen Publizisten keine Unterbrechung ihrer Tätigkeit darstellte.149 Nicht wenige der Aufsehen erregenden Pamphlete dieser Zeit wurden aus Newgate heraus publiziert.150 Dass sich Gefängnisse für Radikale und Reformer als durchaus erträgliche Örtlichkeiten darstellen konnten, galt nicht nur für Newgate, sondern auch für das Dubliner Richmond Bridewell Penitentiary, wo 1844 Daniel O’Connell eingesperrt wurde – wir werden ihm später noch begegnen. Auch in diesem Gefängnis verfügten politische Häftlinge über eigene Zellen, die eher an Appartements erinnerten: gut belüftet, mit Teppichen ausgelegt und mit Sofas möbliert, geeignet zum Empfang von Freunden und Bewunderern, die O’Connell mehrmals in der Woche aufsuchen durften.151 Wenn Radikale also davon ausgehen konnten, zur Strafe an einen geselligen Ort mit Gleichgesinnten und einigen Annehmlichkeiten zu kommen, dann war es nicht allzu waghalsig, im Strafprozess auf Risiko zu spielen, also auf einen Anwalt zu verzichten und der Justiz die Stirn zu bieten.152 Eine mögliche Verurteilung hatten sie in Kenntnis der harschen Pressegesetze bei der Publikation ihrer Pamphlete eher sogar schon einkalkuliert.153 Zudem war ein Gefängnisaufenthalt für einen echten Radikalen zu dieser Zeit fast schon obligatorisch und distinguierte ihn ge148 149 150 151 152 153

Zu letzterem Bretschneider / Scheutz / Weiß, Personal und Insassen von „Totalen Institutionen“. Epstein, In practice, 112. McCalman, Newgate in revolution; Davis / McCalman / Parolin, Patriots in prison. Geoghegan, Patrick M., Liberator, Kap.11. Das hat auch Epstein schon so gesehen: „Victory was nice, but it could not be the only consideration“, Epstein, Radical expression, 35. Davis, “Good for the public example”, 114; Harling, The law of libel, 107–134.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

543

Abb. 69: Richard Newton: Promenade in the State Side of Newgate, 1793.

genüber Salonradikalen who have not the courage to make a great sacrifice in a great cause.154 So etwas ließ sich dann leicht sagen, wenn man vor Augen hatte, dass sich das „große Opfer“ hinter Gittern in einer clubähnlichen Atmosphäre durchaus ertragen ließ. Erwartungssicherheit in Bezug auf das Urteil war auch der Grund dafür, warum die Angeklagten in den Hochverratsprozessen von 1794 nach dem Freispruch von Thomas Hardy einige selbstdarstellerische Vorstöße wagten und etwa John Horne Tooke nicht nur mit dem Gericht darum stritt, sich an den Anwaltstisch setzen zu dürfen, sondern auch einen Großteil der Verteidigungsarbeit selbst erledigte. Für ihn und die anderen Angeklagten war klar, dass man nach dem Verlauf des Hardy-Prozesses unmöglich schuldig gesprochen werden konnte, waren in allen diesen Fällen Sachverhalt und Anklagekonstruktion nahezu identisch.155 Man könnte fast sagen, dass es sich bei Tooke um einen Schauprozess mit umgekehrten Vorzeichen gehandelt hatte, nämlich um einen Prozess, bei dem der Freispruch sicher war und der daher vom Angeklagten ohne Risiko dominiert werden konnte. Und auch wenn man dies als eine besondere Konstellation betrachtet, die man nicht verallgemeinern kann, stellt sich die Frage, ob denn das Engagement der Angeklagten im Prozess stets subversiv wirken musste oder nicht auch gleichsam mit dem Verfahren und seinen Möglichkeiten für „erlaubten Konflikt“ verrechnet werden konnte. Zur Auseinandersetzung mit dieser Frage dient abschließend der Blick auf den Prozess gegen Henry ‚Orator‘ Hunt im Jahr 1820.

154 155

So der Radikale Sampson Perry, zit. nach Davis / McCalman / Parolin, Patriots in prison, xii. Barrell, Imagining the king‘s death, 366ff.

544

1780–1850: Normalisierungsregime

7. ENGAGEMENT OHNE SUBVERSION: DER PROZESS GEGEN HENRY ‚ORATOR‘ HUNT 1820 Am 16. März 1820 begann in York der insgesamt zehn Verhandlungstage dauernde Prozess gegen Henry Hunt und neun weitere Angeklagte wegen einer seditious conspiracy. Henry Hunt – oder wie er von den Zeitgenossen genannt wurde: Orator Hunt  – war um 1820 einer der wichtigsten Protagonisten der radikalen Bewegung. Er war als Bauer durch seine innovativen Anbaumethoden zu großem Wohlstand gelangt und gehörte zu den sogenannten gentleman leaders unter den Radikalen.156 Am 16. August 1819 hatte er als Vorsitzender und Hauptredner einer Massenversammlung157 von rund 70.000 Menschen auf dem St. Peter’s Field in Manchester fungiert, die von der lokalen Obrigkeit durch die Kavallerie gewaltsam aufgelöst wurde, wobei fünfzehn Personen getötet und Hunderte verletzt wurden. In der zeitgenössischen Arbeiterbewegung und ihren Medien wurde dieses Ereignis als Peterloo Massacre bezeichnet: als Gräueltat und moralische Niederlage der Obrigkeit zugleich.158 Eine gerichtliche Untersuchung der obrigkeitlichen Verantwortung, wie sie die Radikalen im Sinn hatten, ließ sich nicht durchsetzen.159 Vielmehr wurden Hunt und andere prominente Radikale wie Samuel Bamford selbst vor Gericht gestellt. Die Anklage warf ihnen vor, unter dem Vorwand einer öffentlichen Petition in Wahrheit konspirativ eine gewaltsame Erhebung vorbereitet zu haben.160 Wie schon beim Prozess gegen Lord Gordon 1780 wurden auch hier die Bemühungen der Veranstalter, die Teilnehmer der Kundgebung auf ein geordnetes Verhalten zu verpflichten, vom Kronanwalt James Scarlett (1769–1844) als militärischer Drill umgedeutet, wurden die Parolen auf den Bannern wörtlich genommen, also z. B. Equal Representation or Death! als der Aufruf, hier und jetzt für die Wahlrechtsreform zu kämpfen und in den Tod zu gehen.161 Juristisch wurde dies als unlawfully maliciously and seditiously intending and devising […] for the purpose of raising and exciting discontent and disaffection in the minds of the Liege Subjects of our said Lord the King and for the purpose of moving and exciting the Liege Subjects of our said Lord the King to hatred and contempt of the Government and Constitution of the Realm as by Law established […] to the evil example of all others and against the Peace of our said Lord the King his Crown and Dignity

156 157 158 159 160

161

Belchem / Epstein, The nineteenth-century gentleman leader; Neuheiser, Forgotten gentleman leaders. Hunt war zum Vorsitzenden dieser auf dem Feld stattfindenden Sitzung der Manchester Patriotic Union bestimmt worden. Zuletzt McKeiver, Peterloo Massacre 1819; Fairclough, Radical sympathy. Epstein, Radical expression, 66. Während sowohl die zentralen Akteure und zumal das Peterloo Massacre selbst gründlich untersucht worden sind, liegt keine Studie zum Prozess selbst vor; zu Hunt Belchem, ‚Orator‘ Hunt; zu Bramford Hewitt, Radicalism and the Victorian working class, 873–892. 1 RST 192f. Zur Symbolik der Banner bei den öffentlichen Kundgebungen Epstein, Radical expression, 82. Die Parole zitierte das jakobinische Motto Vivre libre, ou Mourir, das aber auch wiederum auf älteren, englisch-republikanischen Traditionen aufruhte, Epstein, Radical expression, 195, FN 66.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

545

ausgedrückt und zur Entscheidung gestellt.162 An eine Hochverratsklage war zwar gedacht, aber wohl aufgrund der zurückliegenden Freisprüche war diese wieder verworfen worden.163 Abgeleitet daraus war aber der Verschwörungsvorwurf, mit dem es möglich wurde, die zehn Angeklagten als eine Gruppe zu erfassen.164 Daher konnte gegen alle zugleich in einem einzigen Prozess und unter einer gemeinsamen Anklage vorgegangen werden. Drei der Angeklagten zogen es vor, sich von Anwälten vertreten zu lassen, die anderen wollten für sich selbst sprechen und mussten daher auch nicht im Angeklagten-Stand stehen, sondern durften am Counsel table direkt unter der Richterbank Platz nehmen.165 Vor allem Hunt sollte bei diesem Prozess erhebliches Engagement entfalten, weswegen sich sein Fall als Beispiel anbietet, um noch einmal in anderer Weise auf die Aktivität von Angeklagten zu blicken als Epstein und Davis dies getan haben. Schon bei der eineinhalbstündigen (also vergleichsweise kurzen) Auftaktrede der Anklagevertreter intervenierte Hunt. Als Kronanwalt Scarlett davon berichtete, ein enttarnter Spitzel habe auf den Knien um sein Leben flehen müssen, so rasend sei die Menge gewesen, fragte Hunt: I must ask the counsel how he means to connect this with the charge made against myself and the other defendants.166 Ihm antwortete der vorsitzende Richter John Bayley (1763–1841), der mit seiner Antwort zugleich ein erstes Beispiel für seine überaus souveräne Verhandlungsleitung gab: I presume he will connect this; if not, the observation I shall make upon it is, that it is producing a prejudice by collateral circumstances.167 Hunt unterbrach den Kronanwalt danach nicht mehr. Die ersten viereinhalb Tage vergingen mit der Befragung der 37 Zeugen der Anklage, danach hielten die Anwälte und anschließend die für sich selbst sprechenden Angeklagten ihre Verteidigungsreden, wobei die Rede von Hunt mit Abstand die längste war und fast den ganzen fünften Verhandlungstag in Anspruch nahm. Genauer gesagt redete Hunt von zehn Uhr morgens bis um kurz vor Drei am Nachmittag, als er erschöpft und unter dem Applaus der Zuschauer zum Ende kam.168 Die Menschen hatten an den Verhandlungstagen schon Stunden zuvor angestanden, um einen Platz zu ergattern, denn neben der Verhandlungssache selbst war auch der ‚Orator‘ Hunt eine Attraktion.169 Bis zur Mitte des neunten Tages wurden dann die 56 Zeugen der Angeklagten gehört. Darauf folgte das Schluss-

162 163

164

165 166 167 168 169

1 RST 177f. So wurde Hunt bei den Vehören unmittelbar nach dem Massacre gesagt: The charge of high treason is not yet abandoned, but Government proceeds against you for a minor offence, 1 RST 174; dazu auch Epstein, Radical expression, 188, FN 163. As to the charge of conspiracy, though you might not have been all together previous to the meeting, yet, in the eye of the law, all those who commit separate acts, tending to one illegal object, are guilty of that crime, 1 RST 174. Hunt, The trial of Henry Hunt, 6. 1 RST 187. 1 RST 187. Borrow, Celebrated trials, Bd. 6, 313. Hunt, The trial of Henry Hunt, 3f.

546

1780–1850: Normalisierungsregime

plädoyer des Kronanwalts Scarlett und die richterliche Zusammenfassung. Die Geschworenen befanden Hunt und vier weitere Angeklagte für schuldig. Von allen Angeklagten hielt Hunt nicht nur die längste Rede. Auch war er es, der regelmäßig die Kreuzverhöre der Zeugen der Anklage eröffnete und dominierte. Im Unterschied zu Garrow und Erskine gelang es Hunt aber nur sehr bedingt, die Zeugen ‚auseinanderzunehmen‘ oder der (sicherlich vom Kronanwalt ausgegebenen) Devise, Hunt und seinen Mitstreitern secret consultations und umstürzlerische Absichten zu unterstellen, etwas juristisch Verwertbares entgegenzusetzen. Ganz falsch war es also nicht, Kreuzverhöre als Kunst zu bezeichnen, jedenfalls brauchte man für gute Kreuzverhöre mehr forensische Erfahrung als Hunt sie mit sich brachte.170 Immer wieder intervenierte (objected) Scarlett daher wegen der irrelevancy of this course of examination. Richter Bayley schloss sich zwar der Auffassung an, dass Hunt an der Sache vorbeifragte, erklärte aber auch, das sei schon erlaubt: He might, however, question the witness a little out of the line, if he meant to impeach his credibility.171 Auch bei seiner Schlussrede an die Geschworenen – und Reden waren Hunts eigentliche Domäne – musste er sich Unterbrechungen gefallen lassen, diesmal aber zumeist von Bayley selbst, der es ihm nicht durchgehenlassen wollte, wenn er persönlich wurde oder Dinge behauptete, die noch nicht bewiesen waren. Nur zwei Beispiele von vielen für diese richterlichen Interventionen bei der Rede: Hunt:

May it please your Lordship, gentlemen of the jury, rising, as I do, under such peculiar and multifarious difficulties, I shall have to entreat your indulgence as well as to entreat the indulgence of his Lordship, while I endeavour to lay before you, as far as my humble powers will admit, the case that I have to bring before you in answer to one that has been attempted to be substantiated against me. And it will be, perhaps, not intruding upon your time by shortly saying that, when I arrived in York, I was labouring under a most severe indisposition from a cold I had recently taken, which has day after day been increased by sitting in this Court, subject to the draft of one or two doors at the back of my head, which has placed me in a situation of thegreatest difficulty, and of considerable danger. When his lordship indulged me last night by granting me an hour‘s more time this morning, which was so unfeelingly opposed by that man, the counsel who is engaged against me, I was in hopes—

Bayley:

Pray, Mr. Hunt, do not use the word unfeelingly.172

[…]

170 171 172

Zu den Tücken der Durchführung von Kreuzverhören durch Laien vgl. auch Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 505f. 1 RST 201. 1 RST 293.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

547

Hunt:

Gentlemen, it is necessary, although it will take much time, but it is necessary for me not only to repel by my own assertion, but also to put witnesses into that box, to repel the false and infamous misrepresentations that have been made by the counsel in the opening speech, which he has never dared to put a witness into the box to prove. It will be necessary—

Bayley:

I think you should not use those epithets. If it is in your power to show that those representations are false, you may do so; but you should not use the epithets until you have made out that in proof.173

Die Gerichtsrede um 1820 folgte nicht nur einem eigenen rhetorischen Muster, sondern auch expliziten Regeln des Sagbaren (W. Steinmetz), die sie insgesamt deutlich gegenüber einer politischen Rede differenzierte, an die Hunt aber gewöhnt war.174 Trotz der vielen Ermahnungen und Korrekturen konnte Hunt seine Rede zwar zu Ende bringen, so wie er auch die Kreuzverhöre auf seine Art abschließen durfte. Viel gewonnen oder Eindruck gemacht hatte er damit den Zeitungsberichten zufolge aber nicht. Daran kann man sehen: Ein Engagement des Angeklagten schlug sich nicht ohne weiteres als Subversion nieder. Dazu kommt eine weitere Beobachtung: Hunt engagierte sich genau an den Stellen des Verfahrens, an denen er das auch durfte: Sowohl die Kreuzverhöre als auch die Reden führte und hielt er stets an den dafür vorgesehenen Punkten. Damit orientierte sich Hunt nicht nur an der Zeitstruktur des Verfahrenssystems, der für das Funktionieren eines geordneten Ablaufs essenziellen Koordinierung von Reden und Schweigen.175 Vielmehr nutzte er für seine korrekt terminierten Engagements auch die dafür vorgesehenen forensischen Praktiken: Verhöre und Verteidigungsreden. Es war auch kein Zeichen für besondere Widerspenstigkeit, wenn er dabei immer wieder vom Richter unterbrochen und korrigiert wurde. Genau das Gleiche widerfuhr auch den Anwälten der anderen Angeklagten sowie Kronanwalt Scarlett. Als Hunt an einer Stelle von Scarletts Schlussrede einwandte, dass dieser Sachen behauptete, die nicht zuvor bewiesen worden seien, konnten alle Anwesenden miterleben, wie sich Bayley hier auf die Seite des Angeklagten schlug:

173 174 175

Scarlett:

I beg I may not be interrupted, except by your Lordship—not by the defendant.

Hunt:

I submit whether the learned counsel may speak in reply to that which is not in evidence.

Bayley:

Certainly not.

1 RST 297. Zur Logik der politschen Sprache im Parlament zu dieser Zeit vgl. Steinmetz, Das Sagbare und das Machbare; Steinmetz, Normen parlamentarischen Redens. Zu dieser für ein Interaktionssystem wichtigen Leistung Kieserling, Kommunikation unter Anwesenden, 40f.

548

1780–1850: Normalisierungsregime

Scarlett:

Gentlemen, I beg to know upon what principle it is that the defendant attempts to dictate in this Court.

Bayley:

No, he is not dictating; he is objecting that that which you are about to cite is not in evidence.176

Die Richterrolle war im frühen 19. Jahrhundert so weit ausdifferenziert, dass seine Unterbrechungen nicht länger als zynische Machtstrategie gegenüber dem Angeklagten erschienen, sondern – weil sie gegenüber jedem ausgesprochen wurden, der gegen die Regeln des forensischen Sprechens verstieß – als Teil der dem Richter obliegenden Verhandlungsleitung. Dabei waren auch einige ungeschriebene Spielregeln zu beachten, etwa, den Grund der Unterbrechung genau zu benennen oder auch einmal großzügig zu sein. Bei seiner sehr ausführlichen Konklusion am neunten Tag unterbrach Hunt den Richter Bayley mit der Beschwerde, dass in den Zeitungen some of the most slanderous and inflammatory libels gegen ihn, Hunt, zu lesen gewesen seien. Bayley begriff diese Intervention allerdings nicht als Unverschämtheit, die dem Störer einen harschen Rüffel einbrachte. Vielmehr fragte er: What do you wish Mr. Hunt? Hunt wünschte, dass sich die Geschworenen nicht davon beeindrucken lassen sollten, worauf Bayley antwortete: Bayley:

If you wish it Mr. Hunt the Jury shall be sworn to that, but I am sure no one of them will look at any newspaper or suffer any communication to take place on this subject or anyone connected with it.

Foreman of the Jury:

We have been particularly careful my Lord, but if it will be more satisfactory to the defendants that the Jury should be sworn before they leave this Court, we will take the oath with pleasure; but all of us have been particularly careful.

Bayley:

I have not looked at any newspaper, gentlemen, and I do not think you have much leisure.

A Juryman:

No, my Lord, indeed we have not.177

Richter Bayley beharrte also nicht einfach auf dem Schweigegebot, sondern reagierte situationssensibel, er ließ Hunt zu Wort kommen. Sein Wunsch konnte auch deswegen als zulässiger Ausgangspunkt für eine kurze, in die Rede interpolierte Dialogsequenz zwischen ihm, dem Richter und den Geschworenen werden, weil Bayley auch schon selbst sein Unbehagen über die Presseberichterstattung während des laufenden Prozesses zum Ausdruck gebracht hatte  – um 1800 ein notorisches Problem für die Justiz.178 Blickt man einmal vom Hunt-Prozess vor und zurück auf die Prozesse der 1790er Jahre und auf jene bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts – sowohl wegen Hochverrat 176 177 178

1 RST 402. 1 RST 462f. Crone, Publishing courtroom drama.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

549

als auch anderer politischer Delikte –, so findet man fast nur Beispiele dafür, dass sich die Aktivitäten der Angeklagten in den dafür vorgesehenen juristischen Formen ausdrückten. Nur die drei Prozesse gegen William Hone 1817 fielen aus der Reihe. Ob aber Thomas Lloyd 1792, der gegen die Schuldhaft gewettert hatte, der chartistische Pastor Joseph Rayner Stephens, der 1838 für das allgemeine Wahlrecht geworben hatte, oder der wortgewaltige Chartistenführer Feargus O’Connor, dem 1843 ein Streikaufruf als seditious conspiracy vorgeworfen wurde: Sie alle entfalteten ihr Engagement, indem sie zunächst geduldig warteten, bis sie an der Reihe waren mit ihren Hauptverhören, Kreuzverhören, Rückverhören und Reden. Man kann darüber diskutieren, ob sich die Angeklagten so die juristischen Formen im Sinne von Michel de Certeau aneigneten als widerständige Taktik innerhalb einer Machtkonstellation179, oder ob hier nicht vielmehr den Angeklagten die Förmlichkeiten des Verfahrens anverwandelt und sie damit unbeabsichtigt auf ihre Logik und die des Verfahrens verpflichtet wurden. Es ist zumindest die Frage, wieviel Widerständigkeit von einem Engagement ausgehen konnte, bei dem die Angeklagten letztlich die typischen Praktiken von Anwälten reproduzierten und sich eben nicht durch selbststilisierte Kraftproben und Blockaden zur Geltung brachten wie Lilburne oder Hone. Indem die Angeklagten aber so agierten, wie ein Anwalt auch, übernahmen sie ein verfahrenseigenes Rollenmuster, das den Verfahrensablauf selbst dann stabilisierte, wenn gestritten wurde. Epstein und Davis haben das Gerichtsverfahren eindringlich als einen Machtraum beschrieben, in dem formale Prozeduren darauf abzielten, Handlungsweisen zu beschränken: „Speakers within the courtroom were meant to conduct themselves within the boundaries of these decorous conventions and defendants in particular were expected to be solemn and respectful of courtroom protocols“.180 Das von Pomp und Spektakel geprägte Verfahren („enriched by costumes and discursive formalities“) sei das Gegenteil einer „free speech among equals“ gewesen.181 Das stimmt natürlich ebenso wie die Beobachtung, dass die Förmlichkeit des Verfahrens und sein Raum auf die diskursive Unterwerfung („subjugation“) des angeklagten Subjekts zielten. Übersehen wird bei dieser foucaultesken Charakterisierung des Verfahrens aber, dass dieses auch Raum für erlaubte und sogar erwünschte Konflikte bot.182 Nur wenn man das Verfahren als ein System einseitiger oder asymmetrischer Machtausübung versteht, erscheint jedes Streitgespräch und jeder Krakeel als anarchischer Akt.183 In einem ausdifferenzierten Gerichtsprozess wie er um 1800 weitgehend Realität geworden war, stellten Konflikte keine, wo es eben ging, zu ver179 180 181 182

183

Dazu Füssel, Die Kunst der Schwachen, 7–28. Davis, Prosecution and radical discourse, 150. Ebd.; Epstein, „Equality and no king“, 51. Auch die rechtssoziologische und soziolinguistische Literatur betont stets den repressiven Charakter des Verfahrens und übersieht dabei die dem Verfahren eingebauten Möglichkeiten für legale Gegenwehr, so etwa Eades, Courtroom talk; Conley / O‘Barr, Just words; Conley / O‘Barr / Lind, The power of language; Cover, Violence and the world. Wie bei Epstein, Radical expression, 30. Vgl. dagegen zur hohen Toleranzschwelle bei Zivilprozessen im späteren 19. Jahrhundert Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 483f.

550

1780–1850: Normalisierungsregime

meidende Unordnung dar, sondern unter den meisten Umständen legitimierende Beiträge im Verfahren. Daher wirkte nicht jedes Störfeuer eines Angeklagten automatisch schon als subversive Taktik und nicht jeder Zwischenruf als Akt des Aufbegehrens. Genau das gerät aber aus dem Blick, wenn (politische) Gerichtsprozesse primär als „form of theatre“, als „drama“ und „spectacle“ gedeutet werden184 und nicht auch als komplex arrangierte, auf eine Entscheidung hin angelegte Interaktionsordnung, die mittlerweile in die Lage war, ganz unterschiedliche Aktivitäten als „bestätigende Mitwirkung“ zu integrieren. Auch verwandelte nicht jede politische Rede das Verfahren in ein Forum für politischen Protest. Sofern dies alles oder weitgehend in den vorgesehenen Zeitfenstern und Sprechhandlungen geäußert wurde, war auch kontradiktorischer Eifer eine Art von „unbezahlter zeremonieller Arbeit“ im Verfahren.185 Aus resoluter Mitwirkung konnte auch ungewollt die Bestätigung jener Normen hervorgehen, aus denen am Ende auch das Urteil gefolgert werden sollte.186 Daher konnte der Richter John Horne Tooke bei dessen Hochverratsprozess (1794) für seine Kreuzverhöre loben, auch wenn er dabei immer wieder mit dem mittlerweile auf die andere Seite gewechselten Kronanwalt William Garrow aneinandergeriet: Gentlemen, Mr Horne Tooke went into a very effective cross-examination, and he also examined witnesses on his behalf. I think he did well in so doing.187 Der Leidtragende von Hornes intensivem Engagement war nicht das Verfahren, sondern vielmehr der Staranwalt Thomas Erskine, der während des Prozesses kaum zu Wort kam. Eine derart aktive Selbstverteidigung, die nicht nur die Anwesenden im Gerichtssaal miterleben konnten, sondern die auch in den gedruckten Prozessen und den Zeitungen nachzulesen war, wurden den Angeklagten als ihre eigene, heroische Entscheidung zugerechnet. Beim Prozess gegen Henry Hunt konnte man zudem konkret sehen, dass einige Angeklagte von ihrem Recht auf einen Anwalt Gebrauch machten, Hunt und Samual Bamford aber ganz bewusst nicht – auch das erschien dann als ihre eigene Entscheidung. Für eine solche Konstellation gibt es noch weitere Beispiele. Dabei zeigt sich stets eine Inkongruenz der Ziele: Während ein auf sich gestellter Angeklagter den Prozess als Bühne für politische Botschaften nutzen wollte, ging es den Anwälten der Mitangeklagten einzig und allein um den Freispruch ihrer Mandanten.188 Anwälte orientierten sich darum an der Logik des Verfahrens: Sie stellten Anträge, erhoben Einsprüche, identifizierten Formfehler, baten um Vertagung, rekurrierten auf Präzedenzfälle oder diskreditierten Zeugen. Anwälte kommunizierten in juristischer Sprache, und zwar vorzugsweise mit ihren Fachkollegen auf der anderen Seite. Für die Anwälte reicht es aus, wenn sich eine Anklage nicht beweisen ließ, wenn ihr Mandant unschuldig im Sinne der Anklage war. Anwälten 184 185 186 187 188

Davis, Prosecution and radical discourse, 156. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 114. Aus soziolinguistischer Perspektive dazu auch Archer, Verbal aggression and impoliteness. Zit. nach Wharam, The treason trials of 1794, 224. Dass es aber in der Welt der modernen Verfahrens auch genau andersherum gehen kann, dass politisierte Anwälte ihr Mandat nutzen, um das Gericht für sich zur politischen Bühne zu machen, zeigt Grunwald, Courtroom to revolutionary stage.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

551

genügte also in der Regel etwas, was die Radikalen als einen Freispruch zweiter Klasse betrachteten. Wurden diese aber selbst vor Gericht aktiv, dann wollten sie um jeden Preis die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens und die Wahrheit ihrer Prinzipien erweisen. Wenn, dann akzeptierten sie nur einen Freispruch erster Klasse, aber keinen, der aufgrund von, wie Godwin es sah, juristischen Winkelzügen (quibbles) erreicht worden war. Das Recht und seine Verfahren sollten nicht über Wahrheit und Vernunft triumphieren. Mit einer solchen Haltung aber gerieten sie nicht nur mit den Anwälten ihrer Mitangeklagten in einen Zielkonflikt. Sie wurden auch in aller Regel schuldig gesprochen.189 Die Radikalen hatten also erkannt, dass Anwälte die Angeklagten von ihren eigenen Anliegen entfremdeten, sobald diese einmal die Rolle des passiven Mandanten eingenommen hatten. Damit wurde in diesem speziellen Kontext allerdings nur explizit gemacht, was für die Verfahren generell gilt: Wenn man davon ausgeht, dass Macht in Kommunikationssystemen wie dem gerichtlichen Prozess nicht einfach schon durch asymmetrische Rollenverteilungen und institutionelle Rahmenbedingungen objektiv vorhanden ist, sondern immer wieder neu hergestellt und reproduziert werden muss, dann kam Anwälten in ihrer Eigenschaft als Stellvertreter dabei eine besondere Bedeutung zu. Stellvertretung ist von Rainer Paris und Wolfgang Sofsky als ein zentraler Modus unter den „Figurationen sozialer Macht“ herausgestellt worden. Die Machterzeugung qua Stellvertretung im Gerichtsverfahren beruht zum einen auf der Entäußerung von Handlungsfähigkeit und damit auch von Widerständigkeitspotenzial, der Möglichkeit, zu einem beliebigen Punkt ‚Nein‘ zu sagen.190 Erst anwaltliche Stellvertretung schafft die Rolle des Mandanten, von der (im Unterschied zur Rolle des Angeklagten vor 1696) Passivität erwartet wurde.191 Mit der Stellvertretung geht aber zum anderen auch ein Akt der Entfremdung einher, weil der Anwalt für seinen Mandanten vor Gericht nur im Rahmen vorgegebener Spielregeln und im Medium juristischer Sprache verhandelt. Bei den hier untersuchten Prozessen bedeutete anwaltliche Stellvertretung allerdings nicht nur eine inhaltliche Entfremdung, weil nicht einmal ein Anwalt wie Thomas Erskine vor Gericht die politischen Prinzipien von Thomas Paine oder Thomas Hardy oder eines Lord Gordon verteidigen wollte. Es handelte sich auch um eine Entfremdung auf der Ebene der Praktiken, weil an die Stelle häufig unvermittelter und bisweilen beharrlicher Insubordination der Angeklagten das systemkonforme Verhalten der Anwälte trat. Wenn die Anwälte vor Gericht stritten, dann mit ihren Kollegen von der Kronanwalt- und Richterschaft, mit ihren learned friends, mit denen sie nicht nur Habitus und Lebenswelt teilten, sondern im Gerichtssaal 189

190 191

Beim Prozess gegen Hunt wurden die drei von Anwälten repräsentierten Angeklagten Saxton, Moorhouse und Jones freigesprochen. Beim Prozess gegen Joseph Gerrald 1794 in Edinburgh ging es dem Angeklagten darum, die Rechtmäßigkeit der British Convention zu erweisen, was nur scheitern konnte und ihm die Verurteilung zur Deportation nach Australien einbrachte, wo er bald nach der Ankunft verstarb, Epstein, ‚Our real constitution‘. Sofsky / Paris, Figurationen sozialer Macht, 9f. Dass Stellvertretung das von ihr Vertretene erst erschafft, betonen Sofsky / Paris, Figurationen sozialer Macht, 162f.

552

1780–1850: Normalisierungsregime

auch einem „gemeinsamen Arbeitsplatz“.192 Mit einer Unterscheidung von Lyotard könnte man einen „erlaubten“ Konflikt zwischen Juristen als einen Rechtsstreit bezeichnen, der jederzeit auf Entscheidbarkeit durch Dritte hin angelegt war – nicht nur als Fluchtpunkt des ganzen Verfahrens, sondern auch bei allen zwischenzeitlichen Reibereien und Meinungsverschiedenheiten –, während die (radikalen) Angeklagten einen Widerstreit initiierten, der nicht auf Entscheidbarkeit hin angelegt war, jedenfalls nicht mit verfahrenseigenen Mitteln.193 Gerichtsverfahren der Moderne scheinen darauf angelegt zu sein, Widerstreit so weit wie möglich aus ihren Möglichkeiten zu verbannen oder aber in einen Rechtsstreit zu übersetzen. Diese Übersetzungsarbeit leistete gewöhnlich der Verteidiger (‚Was mein Mandant damit eigentlich sagen will‘), der den Angeklagten durch diese Fürsprache für die Dauer des Prozesses buchstäblich „entmündigte“ und damit auch entmachtete.194 Indem der Anwalt für seine ‚Partei‘ agierte – eine Kleinstgruppe, die nur aus ihm und dem Angeklagten bestehen konnte – wurde sein Engagement auch der Partei im Ganzen zugerechnet, also auch seinem Mandanten, der sich selbst „gar nicht so weit engagieren“ wollte.195 Trotzdem trat auch ihm dieses Engagement als Verfahrensgeschichte entgegen, als Verlauf und Inbegriff der Verhandlung, aus der die Geschworenen ihre Entscheidung über Schuld oder Unschuld beziehen sollten. 8. RESÜMEE Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte Strafverteidigung bei Hochverrat mit dem Dilettantismus eines Bartholomew Shower oder John Hungerford nichts mehr zu tun. Stattdessen betrachteten Anwälte wie Thomas Erskine oder William Garrow das Verfahren als Bühne für eindringliche Reden und zudringliche Kreuzverhöre. Schon die zeitgenössische Karikatur porträtierte Erskines Tätigkeit vor Gericht als Solostück eines Künstlers auf der Bühne. Die Metaphern des Theaters waren tatsächlich unentbehrlich für die Beschreibung von Strafverteidigung, insofern diese in einer neu aufgekommenen Ratgeberliteratur als Kunst dargestellt wurden, bei der nicht nur das gute Argument zählte, sondern auch Mimik, Gestik und andere Formen von Körpersprache. Wenn aber Strafverteidigung zur Kunst wurde, dann blieb für Aktivitäten des Angeklagten wenig Raum, dann wurde der Angeklagte immer mehr zum Mandanten, der nur Abgesprochenes äußerte und selbst auf das ‚Letzte Wort‘ (das bei Hochverrat schon am Ende des 18. Jahrhunderts standardmäßig gewährt wurde) verzichtete. Damit hatte sich intensiviert, was sich schon nach der Reform von 1696 abgezeichnet hatte: Anwaltliche Stellvertretung führte dazu, den Angeklagten weitgehend aus dem Geschehen herauszunehmen und damit als Instanz der Widerständigkeit zu neutralisieren. Anwälte retteten Angeklagte (unter Umständen) vor dem Galgen. Aber zugleich leisteten 192 193 194 195

Lemmings, Ritual, majesty and mystery; Mileski, Angeklagte vor Gericht, 165. Lyotard, Der Widerstreit, 9. So auch Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 511 in Bezug auf die Zivilprozesse. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 93.

IX. Anwälte und ihre Angeklagten

553

sie durch die Praxis der Stellvertretung unbeabsichtigt einen Beitrag zur weiteren Organisation von Macht im Interaktionsraum des Verfahrens. Diese Ambivalenz wird in der neueren Sozial- und Kulturgeschichte der Anwälte nicht reflektiert, während die Rechtsgeschichte die „lawyerisation“ des Verfahrens prinzipiell als Fortschritt wertet. Anwaltliche Stellvertretung wirkte sich auf die Rolle des Angeklagten in verschiedener Hinsicht aus: Er wurde vom Subjekt zum Objekt des Verfahrens, der aus dem Mittelpunkt des Geschehens buchstäblich an den Rand versetzt wurde, wo nicht seine Aktionen, sondern seine Reaktionen auf das Geschehen zum Gegenstand der Beobachtung wurden. Gerade um 1800 wirkten sich auch Konstruktionen des Wahnsinns auf den Status des Angeklagten aus, der mit verfahrenseigenen Mitteln und unter Mitwirkung seines eigenen Anwalts für unzurechnungsfähig erklärt werden konnte. Die Anekdote des französischen Prozessbeobachters Cottu, wonach Angeklagte so passiv seien, dass man an ihrer Stelle auch einen Hut vor Gericht stellen könne, hatte insofern einen realen Bezug, als um 1800 Kontumazialverfahren üblich wurden – also Prozesse gegen Abwesende. Zumindest im Strafverfahren war eine solches Vorgehen erst möglich geworden, als Anwälte vollständig für ihren Mandanten sprechen konnten. Der Prozess gegen Tom Paine, der von Erskine vertreten wurde, war das erste Beispiel dafür. Wenn die Radikalen Erskine in der Folge vorwarfen, nicht die Rights of Man verteidigt zu haben, dann stimmte das insofern, als sich der Anwalt bei diesem Prozess in der Sprache des Rechts und nicht in einer politischen Sprache geäußert hatte. Es handelt sich dabei um ein Beispiel für die Entfremdung, die mit anwaltlicher Stellvertretung einhergehen konnte. Spricht das bei vielen politischen Prozessen um 1800 feststellbare Engagement von Angeklagten gegen die These von der subtilen Macht anwaltlicher Stellvertretung? Tatsächlich gab es im frühen 19. Jahrhundert Prozesse, bei denen sich Angeklagte wie Lilburne aufführen konnten. Allerdings handelte es sich dabei um Ausnahmen von der Regel, sich als Laie vor Gericht von einem Juristen verteidigen zu lassen. Wenn sie aber aktiv wurden wie Henry Hunt, reproduzierten sie anwaltliche Vorgehensweisen, die nicht in Subversion mündeten, wenn dort gestritten wurde, wo es erlaubt war.

555

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen Wenn man nur einmal die in den State Trials- und Old Bailey Online-Datenbanken registrierten Hochverratsprozesse von 1780 bis 1850 auszählt und dabei auch Irland und Schottland berücksichtigt, kommt man auf 68 angeklagte Personen. Davon wurden 46 schuldig gesprochen und hingerichtet, vier anstelle der Hinrichtung nach Australien deportiert und drei begnadigt. Einer der Verurteilten, Theobald Wolfe Tone, beging nach seiner Verurteilung 1798 Selbstmord. Drei Männer wurden aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit nicht schuldig gesprochen. William Jackson verstarb 1794 während des Prozesses an einem Herzinfarkt. Bei 17 Angeklagten endete der Prozess auf reguläre Weise mit einem Freispruch. Bei 26 der zum Tode Verurteilten handelte es sich um Prozesse infolge der Revolten und Aufstände in Irland in den Jahren 1795, 1798 und 1803. Mit diesen Angeklagten wurde insofern kurzer Prozess gemacht, als in fast allen Fällen der Anwalt Leonard Macnally (1752–1820) den Anklagevertretern aktiv in die Hände spielte.1 Sie werden deswegen hier auch nicht berücksichtigt. Zieht man dann noch die beiden ähnlich problematischen schottischen Prozesse 1794 gegen Robert Watt und David Downie ab, dann verbleiben 17 in England nach den elaborierten Verfahrensregeln geführte Prozesse mit Schuldsprüchen. Verurteilungen und Freisprüche hielten sich also die Waage. Was ist daran verfahrensgeschichtlich von Interesse? Zum einen ist es die Frage, wie Verfahrensveranstalter mit Freisprüchen umgingen, genauer gesagt, wie sie dazu gebracht wurden, Niederlagen zu akzeptieren. Die These dazu ist, dass die Bereitschaft dazu auf die gleiche Weise mobilisiert wurde wie bei den Angeklagten auch: durch persönliche Teilnahme und aktive Mitwirkung am Verfahren. Zum anderen ist zu klären, welche übergreifenden Folgen Freisprüche hatten. Hier scheint es, als ob diese dazu beitrugen, das trial by jury auch als Institution zu legitimieren. Freisprüche konnten – vorübergehend – eine affektive Bindung an dieses Verfahren erzeugen. Daneben entstand, trotz grassierender und literarisch verarbeiteter Justizkritik, ein Systemvertrauen in die Rechtsprechung, dass von einzelnen negativen Erfahrungen nicht enttäuscht werden konnte. Im dritten Abschnitt wird es um den Wandel der Todesstrafe gehen. Gezeigt werden soll, wieso Dissens auf dem Schafott die gerichtliche Legitimation nicht mehr untergraben konnte. Der vierte und letzte Abschnitt beschäftigt sich dann anhand von Revisionsprozessen mit operativen Schließungen im rechtlichen Feld.

1

Bartlett, The life and opinions of Leonard MacNally.

556

1780–1850: Normalisierungsregime

1. DAS LERNEN DER ANKLÄGER In einem Gerichtsverfahren werden nicht nur der Angeklagte und seine Unterstützer dazu gebracht, einen Schuldspruch zu akzeptieren. Umgekehrt müssen auch die Vertreter des Staates lernen, einen Freispruch zu akzeptieren. Wie schwer es Repräsentanten des Staates auch um 1800 noch fiel, Freisprüche hinzunehmen, zeigen drei Beispiele: (1) Nach den Freisprüchen von Thomas Hardy, John Horne Tooke und John Thelwall 1794 brachte der Kriegsminister William Windham die Formulierung acquitted felon in die Debatte ein, die darauf anspielte, dass man die Freigesprochenen moralisch weiterhin für Verbrecher hielt (was man auch als Indiz für die weitgehende Differenzierung von Recht und Moral deuten kann).2 (2) Nach dem Freispruch des United Irishman Arthur O’Connor im Mai 1798 wurde dieser noch im Gerichtssaal einfach erneut wegen Hochverrats verhaftet und noch einige Zeit im Kerker festgesetzt – was selbst in den Augen der konservativen Presse einem Skandal gleichkam.3 (3) Der Lord Chief Justice Baron Ellenborough war über die drei Freisprüche des Blasphemikers William Hone im Jahr 1817 derart erbost, dass er sich aus der Öffentlichkeit zurückzog und kurz darauf verstarb.4 Hier schlug also die Verbitterung über die Entscheidung der Geschworenen sogar auf die Gesundheit des Richters zurück. Dass sich Richter derart mit der Sache der Anklage identifizierten und damit ein gewisses Autonomiedefizit des Verfahrens anzeigten, war nach 1800 allerdings eher die Ausnahme geworden. Dieses Lernen und diese Akzeptanzbeschaffung hing genauso wie bei den Angeklagten mit der Möglichkeit zusammen, im Laufe eines als offen angenommenen Verfahrens aktiv mitzuwirken: Reden zu halten, Zeugen zu befragen und zu verhören oder anderes Beweismaterial einzubringen. Auch die Kronanwälte waren „Entscheidungsempfänger“, auch in ihrem Fall war die Anklagevertretung in allen ihren um 1800 elaborierten Facetten „zeremonielle Arbeit“ für das Verfahren, allerdings in bezahlter Weise.5 Kronanwälte des späten 18. Jahrhunderts wie etwa Attorney General Sir John Scott, der 1794 gegen Thomas Hardy die Anklage führte, stehen in der Forschung bis heute als Beispiele für zelotischen Eifer bei der Verfolgung demokratisch gesinnter Oppositioneller. Kopfschüttelnd wurden ihre Hochverratskonstrukte registriert und mit einer gewissen Verächtlichkeit sprach der deutsche Jurist F. A. Bie2

3 4 5

Den Begriff acquitted felon brachte William Windham (1750–1810) zuerst in einer Unterhausdebatte am 30. Dezember 1794 ein, woraufhin ein Maurice Robinson intervenierte: he could not hear without indignation the term felon applied to a man who had been acquitted, and the verdict of an English jury arraigned and degraded. Darauf antwortete Windham: he did not mean to arraign here the verdict of a jury; he meant only to say that the acquittal of the persons who had been brought to trial for treason, although proof that there was no legal evidence of their guilt in the opinion of the juries, by no means proved that they were free from moral guilt, Amyot, Speeches in parliament, 245f.; zu Windham Wilkinson, The Pitt-Portland coalition. Etwa The Times, Donnerstag, 24. Mai 1798, Nr. 4204, S. 2. Ellenborough hatte beim dritten Prozess gegen Hone selbst den Vorsitz geführt, vgl. Marsh, Word crimes, 32. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 114.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

557

ner davon, wie die Kronanwälte der Anklage durch Declamationen und Wortprunk ein lebhafteres Colorit zu verleihen versuchten.6 Carl Mittermaier wies allerdings darauf hin, dass sich Kronanwälte um 1800 vor andere Herausforderungen gestellt sahen als ein Jahrhundert zuvor, als mit eingeschüchterten Geschworenen nur Ausnahmezustände herrschten, bei denen man nur der Maske der Justiz sich bediente. In der Zwischenzeit hätten aber die Rechtszustände so wesentlich sich verbessert, bei der Anschuldigung wegen Hochverraths, genieße der Angeklagte vermehrten Rechtsschutz, dass auch die Kronbeamten genötigt seien, ihre Anklage auf einen festeren Fuß zu setzen.7 Dabei machte erst die Präsenz der Strafverteidiger im Gerichtssaal deutlich, dass Kronanwälte über keinerlei prozessuale Privilegien verfügten, sondern eigentlich nur die gleichen Rechte und Pflichten hatten wie jeder andere Privatankläger auch.8 Genauso wie diese oder Barrister könnten auch Kronanwälte lediglich Mittheilungen und seine Beweismittel [vorbringen], auch Anträge auf Verhaftung, Besichtigungen, Hausdurchsuchungen und Zeugenverhörungen u. s. w. stellen, aber nichts darüber hinaus.9 Es sei, kommentierte Mittermaier, ein erhebendes Gefühl, die Gleichheit der Waffen, die der Engländer zu dem fair trial fordert, auch in der Stellung der Kronanwälte zu bemerken.10 Die Praktiken der Anklagevertretung, wie man sie für diese Zeit beobachten kann, lassen sich also nicht auf persönliche Charaktereigenschaften der jeweiligen Amtsträger zurückführen. Im Übrigen war die Übertreibungsrhetorik, die jede Anklagerede bei Hochverrat durchzog und die das angeblich hochverräterische Treiben der Angeklagten als sicheren Untergang von König, Staat und Volk darzustellen versuchte, nicht nur typisch für den englischen Fall. Eine „Amplifikationsrhetorik“ (Thomas-Michael Seibert) kennzeichnete nicht nur bereits die antiken Gerichtsreden, sondern bisweilen auch solche in der Gegenwart.11 Eine gewisse Tendenz zur Dramatisierung schien also der Anklagearbeit zumindest dann, wenn es um „politische“ Delikte ging und geht, strukturell innezuwohnen. Im Prozess gegen Thomas Hardy Ende Oktober 1794 war es vermutlich auch die Gewissheit, gegen keinen geringeren als Thomas Erskine anzutreten, die Attorney General Sir John Scott dazu bewog, bei der Eröffnung der Anklage nicht weniger als neun Stunden zu sprechen, schließlich war der Anwalt auch für seine 6 7 8

9

10 11

Biener, Das englische Geschworenengericht, 120. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 130. Noch im frühen 19. Jahrhundert wurden die meisten Anklagen von den Geschädigten selbst geführt und die Kronanwälte blieben zunächst noch persönliche Anwälte der Krone. Nur im Falle zentraler Institutionen wie der Post und der Bank of England übernahmen sie ebenfalls die Anklage – und sorgten so für die allmähliche Ausbildung einer Anklagepraxis ex officio auch bei anderen Kriminalsachen, vgl. dazu Langbein, The prosecutorial origins of defence counsel. So der England-Korrespondent der von Carl Mittermaier herausgegebenen Kritischen Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslands; Torrent, Beiträge zur Würdigung des Strafverfahrens in England nach mehrjährigen Beobachtungen, 126. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 136. Seibert, Aktuelle Stile der Gerichtsrede. 2014 hielt es ein österreichischer Staatsanwalt für naheliegend, bei einem Prozess infolge einer Demonstrationen gegen den sogenannten „Akademikerball“ in Wien einen deutschen Demonstranten nicht nur als „Rädelsführer“ eines Aufruhrs, sondern auch als „Terroristen“ zu bezeichnen.

558

1780–1850: Normalisierungsregime

langen Verteidigungsreden bekannt. Allerdings hatten schon zeitgenössische Beobachter wie der ehemalige Lordkanzler Lord Thurlow Zweifel daran, wie sinnvoll die bis dato längste Anklagerede der englischen Rechtsgeschichte wirklich war. Wenn Hochverrat im Sinne von Edward Coke klar und eindeutig zu benennen sein müsse, dann könne es sich in diesem Fall nicht darum gehandelt haben.12 Unmittelbar nach der Auftaktrede – es war mittlerweile Abend geworden – begannen Scott und seine Kollegen mit der Befragung der Zeugen der Anklage. Mehrere Personen kamen zu Wort, längere Textpassagen aus Hardys Papieren und Resolutionen der London Corresponding Society wurden verlesen, nachdem mehrere Zeugen die Echtheit der Texte bestätigt hatten. Um Mitternacht erlaubte sich Erskine den Hinweis, dass die menschliche Natur der Aufnahmefähigkeit Grenzen setze. Wie lange es denn noch dauere, wollte auch der vorsitzende Richter Eyre wissen. Nicht mal zur Hälfte sei man mit dem Anklageteil fertig, antwortete Scott.13 Hauptverhandlungen waren bisher nur in absoluten Ausnahmefällen unterbrochen worden, und auch diesmal war man sich darüber uneins. Die hauptsächliche Sorge war, dass die Geschworenen beeinflusst werden könnten. Erst als ein Weg gefunden worden war, die Geschworenen von der Außenwelt isoliert unterzubringen, konnte der Prozess auf den nächsten Morgen vertagt werden. Auch dieser und der folgende Tag standen allein im Zeichen der Anklage und ihrer Zeugen. Ansonsten aber ‚passierte‘ bei dieser Phase des Prozesses wenig, abgesehen davon, dass die zunehmende Länge alle Beteiligten physisch und psychisch zermürbte. Der Prozess ließ sich zwar zeitlich strecken, aber noch nicht so, dass damit auch die notwenigen Erholungsphasen inbegriffen waren. Es war sicher nicht nur ein Ausdruck des empfindsamen Zeitalters, dass die Akteure so häufig ihre Erschöpfung zum Thema machten wie z.B. Erskine: I am sinking under fatigue and weakness. – I am at this moment scarcley able to stand up whilst I am speaking to you, deprived as I have been, for nights together, of every thing that deserves the name of rest, repose, or comfort.14

Die Anklagestrategien wurden in diesem Fall durch die schiere Länge zu einer körperlich spürbaren Belastung. Bei den nachfolgenden Prozessen wurde die Prozesszeit durch hinreichende Pausen erträglich gemacht. Daran zeigt sich, dass im (konditional programmierten) Verfahren beiden Seiten ein hohes Quantum Zeit zur Verfügung gestellt wurde, nicht nur Erskine für seine immerhin auch siebenstündige Rede, sondern auch den Kronanwälten, die ihre Aktivitäten in aller Ausführlichkeit entfalten konnten, die sich aber auch als bestätigende Mitwirkung evaluieren lassen. Im Fall von Hardy, der mit einem Freispruch endete, handelte es sich bei den Aktivitäten der Kronanwälte um ein zersplitterndes Engagement, das sie am Schluss als Verlierer dastehen ließ – genauso wie in anderen Fällen auch die Verurteilten. 12 13 14

Barrell / Mee, Trials for treason and sedition, 1792–1794, xxxii. Wharam, The treason trials of 1794, 151. Ridgway, The speeches of the Hon. Thomas Erskine, 493; weitere Beispiele bei Wharam, The treason trials of 1794, 180.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

559

2. LEGITIMATION DER VERFAHREN – LEGITIMATION DURCH SYSTEMVERTRAUEN? Am 28. Januar 1796 wurde der Weinhändler William Stone vor die King’s Bench geführt, weil er mit seinem in Frankreich lebenden Bruder sowie dem 1795 verstorbenen United Irishman, Pastor William Jackson, über Pläne zur Invasion Großbritanniens durch die Revolutionstruppen phantasiert hatte. In der Rhetorik der Hochverratsanklage deutete sich das moderne Konzept des ‚Vaterlandverräters‘ an. Formal brauchte man aber das Konstrukt, wonach Stone durch die Korrespondenz mit seinem Bruder, der sich als Franzose definierte, König und Reich gefährdet habe. Immerhin hatten die beiden Brüder in Paris und London Kontakt zu einflussreichen Kreisen, William etwa zu den Whig-Politikern Lord Lauderdale und Richard Sheridan. Eine große Zahl von Zeugen der Anklage wurde verhört, und zwar von William Garrow, der mittlerweile die Seiten gewechselt hatte und Kronanwalt geworden war. Für die Verteidigung sprach wiederum Serjeant James Adair, der noch bei den Prozessen von 1794 gegen Thomas Hardy und John Thelwall die Anklage vertreten hatte. Die Rollen von Ankläger oder Verteidiger waren für die Juristen in dieser Zeit also vertauschbar geworden, ohne dass es zu Identitätskonflikten gekommen wäre. Garrow führte als Kronanwalt genauso scharfe Kreuzverhöre wie zuvor als Strafverteidiger, als er sich zumeist als Anwalt der kleinen Leute gegen die Macht der Justiz inszeniert hatte. Auch Stone wurde von Thomas Erskine verteidigt. Der Richter bei diesem Prozess war Lloyd Kenyon, mittlerweile Baron Kenyon, der gemeinsam mit Erskine im Jahr 1780 Lord Gordon verteidigt hatte. Offenbar war Kenyon auch auf der Richterbank seinen Vorbehalten gegenüber constructive treason treu geblieben. Denn in seiner Schlussansprache erklärte Kenyon, es sei zwar prinzipiell ein Vergehen, in Kriegszeiten mit dem Feind zu korrespondieren. Gleichwohl habe er in den als Beweismittel vorgelegten Briefen keinen kriminellen oder gar hochverräterischen Gehalt erkennen können. Es war keine Überraschung, dass die Geschworenen den Angeklagten bei einer solchen Konklusion für nicht schuldig befanden. Überraschender aber waren die lautstarken Freudenbekundungen, die daraufhin in der Westminster Hall zu hören waren und über die am Tag später in allen Zeitungen zu lesen war. Richter Kenyon wollte die Ausrufe auf keinen Fall dulden. Im Oracle and Public Advertiser, einer 1794 gegründeten, den Jakobinern nahestehenden Zeitung, wurde darüber berichtet, dass einer der Jubelnden, ein gewisser Robert Thompson, von Kenyon exemplarisch für diese als deplatziert erachteten Bekundungen bestraft wurde.15 Gefragt How durst you insult the Court? antwortete Thompson: I hope your Lordship will pardon me – but when I heard the verdict I could not control my feelings. Dennoch legte ihm Kenyon eine Buße von zwanzig Pfund auf. Solche Freuden- und Gefühlsausbrüche infolge von Freisprüchen hatte es um 1800 häufiger gegeben. Als Thomas Hardy am 5. November 1794 freigesprochen worden war, wurden er und Thomas Erskine von einer großen Menschenmenge 15

Allerdings berichteten politisch anders ausgerichtete Zeitungen in ähnlicher Weise von dem Vorfall.

560

1780–1850: Normalisierungsregime

unter Jubel nach Hause eskortiert. Am gleichen Abend – es war der jährliche Gedenktag des Gunpowder Plot mit seinen traditionellen Freudenfeuern – fuhr Hardy unter dem Beifall der Massen in einer Kutsche durch London. In einer Straße hatte jemand ein Transparent mit der Aufschrift The glorious acquittal of Thomas Hardy angebracht.16 Am 4. Februar 1795 wurde für Thomas Hardy, John Horne Tooke und John Thelwall in der Londoner Crown and Anchor Tavern eine Feier ausgerichtet. Bei diesem Anlass sprach der reformorientierte Charles Earl Stanhope im Beisein von rund 1.300 Gleichgesinnten eine Reihe von Toasts aus.17 Getrunken wurde auf Thomas Erskine und Vicary Gibbs, auf die Geschworenen, auf die unalienable Rights of the People und vieles anderes mehr. Der erste Toast aber ging auf das trial by jury, das sich in den Augen der Reformer als Bollwerk gegen obrigkeitliche Willkür bewährt hatte. Wenn alles unsicher sei (totally insecure), so Earl Stanhope in seiner Ansprache, dann sei das sacred Trial by Jury die letzte Fortress of the People, die Citadell of the Constitution.18 Die Toasts und Stanhopes Lob des Schwurgerichts wurden unmittelbar nach dem Dinner durch eine Flugschrift verbreitet. Auch der Freispruch der Spencean Philanthropists um James Watson und Arthur Thistlewood wurde, am 16. und 17. Juni 1817, in der Crown and Anchor Tavern in Anwesenheit der Protagonisten und ihrer engsten Anhänger gefeiert, und zwar auch mit einem Dinner und einer Reihe von Toasts. Das Pamphlet anlässlich der Feierlichkeiten von 1817 trug sogar den Titel Trial by Jury (Abbildung 70). Das Lob des trial by jury war im Common Law seit Sir John Fortescue im 15. Jahrhundert topisch. Dennoch erhielt es um 1800 auch ganz aktuelle Relevanz. Die Freisprüche der Reformer und der Radikalen waren in den Augen ihrer Unterstützer – also eines kritisch-aufgeklärten, reformorientierten Publikums  – der offenkundigste Beweis der Funktionsfähigkeit und Inkorrumpierbarkeit dieser Institution und einer gewissen UnabhänAbb. 70 Abdruck der Reden bei der Feier anlässlich der Freisprüche der Spencean Philantropists, 1817.

16 17 18

Goodwin, The friends of liberty, 353; Wharam, The treason trials of 1794, 192. Ebd., 362. Zuvor hatte Horne Tooke bereits in seinem Haus in Wimbledon mehrfach mit zusammen über 600 Personen seinen Freispruch gefeiert. Anon., Substance of Earl Stanhope‘s speech, 8.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

561

gigkeit der Rechtspflege von einer autokratisch agierenden Obrigkeit. Juries seien, so schrieb 1813 der Londoner Sheriff Sir Richard Phillips, the bulwark of the People against the tyrannical or unlawful exercise of authority.19 Auch Stanhope erklärte bei dem Dinner von 1795, dass sich die Schwurgerichtsbarkeit bei den Hochverratsprozessen in besonderem Maße bewährt habe. Was habe die Pitt-Regierung nicht alles versucht, um die angeklagten Reformer schuldig sprechen zu lassen: Mit malicious and wicked Industry habe man schon vor den Prozessen Pamphlete und Hand-Bills in Umlauf gebracht, in order to prejudice the Minds of the Public – inklusive der möglichen Geschworenen. Man habe Hunderte von Kandidaten für die Geschworenenbank vorgestellt und damit das begrenzte Ablehnungsrecht der Angeklagten entwertet. Man habe die Angeklagten mit einer langen Liste von fast zweihundert möglichen Kronzeugen verwirrt, denn es sei klar gewesen, dass diese nicht alle hätten vernommen werden können. Ein Missbrauch sei diese lange Liste deswegen gewesen, weil jedem Angeklagten bei Hochverrat ausreichend Zeit gewährt werden müsse, um sich über die Personen der Zeugen zu informieren. Das sei aber bei der großen Zahl in den üblichen zehn Tagen unmöglich gewesen. Und bei der Verhandlung habe man als Zeugen vor allem that disgraceful and disgusting Band (or rather Herd) of hired Spies and Informers angehört. Gleichwohl hätten die Verfahren gezeigt, dass the wise and benign Principles of the Law of England, nämlich Every Man is deemend Innocent, until Proved to be guilty sowie No man Can be proved to be guilty until that important Stage of the Proceedings, when he is heard in his defence, die Oberhand behalten und schließlich zum Verdikt Not Guilty geführt hätten. Es sei daher ebenso frech wie lächerlich, wenn die Regierung immer noch von einer Moral Guilt spreche und die Angeklagten als acquitted Felons bezeichne. Diese Wortwahl sei nicht nur ein Angriff (direct attack) auf die Justiz, sondern auch auf die Institution des Trial by Jury und damit auf die Ancient Constitution dieses Landes. Nicht die Reformer, sondern die Regierung habe offenbar all the antient Principles of our Constitution […] totally forgotten.20 Die Freisprüche von 1794–96 und von 1817 bewirkten also nicht nur eine unmittelbare Jubelstimmung, sondern auch über den Tag hinausreichende Diskurse, die man, bei aller Vorsicht mit emotionalen Kategorien, als Ausdruck einer affektiven Bindung an das Prinzip des Schwurgerichts deuten kann. Der Verlauf der Prozesse, ob persönlich miterlebt oder nachgelesen – die Drucke waren, von professionellen Stenografen wie Joseph Gurney hergestellt, schon wenige Tage nach Prozessende erhältlich – sorgte für eine Art „identifizierendes Miterleben” der besonderen Art: Es handelte sich für die Sympathisanten von Hardy oder Thelwall und später von Watson und Co. um einen Sieg des Rechts, aber keinen Sieg über das Recht. Das Verfahren hatte sich vielmehr selbst in Zeiten höchster Bedrängnis als ein ergebnisoffener Entscheidungsprozess bewährt – in der Formulierung von Stanhope: No man Can be proved to be guilty until that important Stage of the Proceedings, when he is heard in his defence. Ähnlich groß wie die Freude über die Freisprüche war 19 20

Phillips, On the powers and duties of juries, 2vf. Anon., Substance of Earl Stanhope‘s speech, 4f. Hervorhebungen durch Kapitälchen im Original.

562

1780–1850: Normalisierungsregime

aber auch (die nicht ganz unbegründete) Sorge, dass die Pitt-Regierung infolge der Freisprüche das trial by jury zugunsten anderer Verfahrensweisen einstellen könnte, so sie wie schon im November 1794 für einige Monate das ebenfalls zur ancient constitution gezählte Habeas-Corpus-Prinzip ausgesetzt hatte.21 Jedes Schwurgerichtsverfahren wurde in diesen Jahren daher von den Reformern prinzipiell als positiv gewertet, unabhängig vom Ausgang des jeweiligen Prozesses. Was man im Kontext der weit verbreiteten Freude, der Genugtuung über die Freisprüche beobachten kann, das ist nicht nur eine Legitimation durch Verfahren, sondern vor allem auch eine Legitimation der Verfahren in Form des trial by jury. Es waren tatsächlich vor allem die Freisprüche in den Jahren nach 1794, die zu einem neuen Aufschwung der Jury-Panegyrik führten. Und dieser Aufschwung ebbte so rasch nicht ab. Als nach 1815 die Schwurgerichtsbarkeit auch in Schottland eingeführt wurde, als Teil der Reform der als besonders rückständig erachteten Justiz in diesem Teil der Union, bemerkte der oberste schottische Richter William Adam anlässlich der Eröffnung des New Jury Courts in Edinburgh 1816, es brauche nicht vieler Worte, um den Wert dieser Institution und ihrer benefits for the whole of the community herauszustellen.22 Ein Jahr später tranken die Spencean Philanthropists darauf, dass nach England und Schottland irgendwann auch der Rest der Welt das trial by jury als Grundsatz der Justiz erhalte. Tatsächlich erfreute sich die Schwurgerichtsbarkeit an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auch im Ausland allgemeiner Bewunderung. Alexander Hamilton sah in den Federalist Papers eine inseperable connexion between the existence of liberty, and the trial by jury.23 Auch für die deutschsprachigen Anglophilen war klar: Die Art, die Gerechtigkeit in England zu verwalten, hat, im Ganzen genommen, vor allen übrigen Ländern etwas voraus. Zu diesen Vorzügen rechne ich zuerst die Jury, oder Geschworenen, nach der Urtheile der Angeklagte entweder schuldig oder unschuldig ist. […] Durch ein einiziges Verhör von etlichen Stunden kann auf diese Weise ein Proceß entschieden werden, der in anderen Ländern Jahre dauern würde.24 Von hier war es nur noch ein kleiner Schritt zu den liberalen deutschen Strafrechtsreformen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die die Justizpraxis in den deutschen Ländern nach dem englischen Vorbild umzugestalten suchten und deswegen umfangreiche Abhandlungen über das englische Geschworenengericht vorlegten, nicht selten aufgrund eigener Anschauung.25 Durch den juristischen 21 22 23 24

25

Emsley, Repression; Halliday, Habeas corpus, 253ff. Adam, The Advantages of Trial by Hury, iii. 83. Fed., 273. Wendeborn, Beyträge zur Kentniß Großbritanniens, 136f.; Grundlegend zum deutschsprachigen anglophilen Diskurs der Aufklärung ist Maurer, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland. Für den französischsprachigen Rezeptionsdiskurs steht neben Montesquieu vor allem der Genfer Jean Louis Delolme, der in seiner La Constitution de l’Angleterre, ou état du gouvernement anglais, comparé avec la forme républicaine et avec les autres monarchies de l‘Europe (Delolme, La constitution de l’Angleterre), dem Trial by Jury breite Aufmerksamkeit widmete  – und damit den britischen Diskurs der 1790er Jahre mitbestimmte. Vgl. etwa die Arbeiten von Mittermaier, Die öffentliche mündliche Strafrechtspflege; Mittermaier, Die Mündlichkeit; Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren; Mittermaier, Erfahrungen über die Wirksamkeit der Schwurgerichte; desweiteren: Rintel, Von der Jury; Glaser, Das englisch-schot-

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

563

Kulturtransfer und die europäisch-globale Diffusion der Schwurgerichtsbarkeit erfuhr das trial by jury einen weiteren Institutionalisierungsschub. Denn dieser Kulturtransfer wurde in Großbritannien durchaus registriert und bestätigte die Auffassung, dass das trial by jury das beste nur denkbare Verfahren war.26 Diesen Eindruck bekam auch Mittermaier bei seinen Studienreisen nach England um 1850: In keinem Lande der Welt geniesst das Strafverfahren ein solches Vertrauen als in England und Schottland, und wird als das kräftigste Schutzmittel bürgerlicher Ordnung betrachtet, wie es dem Volke theuer ist durch den Schutz, den es der Freiheit verleiht.27 Während Earl Stanhope das trial by jury 1795 als integralen Bestandteil der ancient constitution bezeichnet hatte28, wurde es im Laufe des 19. Jahrhunderts gewöhnlich zur imaginären English bzw. British Constitution gezählt. Schon in einem der frühesten Beiträge zu dem publizistisch verbreiteten und daher auch populären Constitution-Diskurs von 1808 heißt es: The Trial by jury is not only the privilege most valued by, but also the best safeguard of every thing dear to, Englishmen.29 George Dyer definierte 1817 die British Constitution als a form of polity, by which the nation has consented to ge governed, including a legislature of King, Lords, and Commons, and real representation, as well as trial by jury, together with those principles, on which justice and liberty depend.30 Bei John Doble Burridge hieß es 1819: The mode of trial by jury seems coeval with the first institution of civil government; and it might be justly called the palladium of liberty.31 Noch 1902 schrieb Frederick Wicks, das trial by jury biete überall dort, wo über das weitere Schicksal des Einzelnen oder über Streit zwischen Bürgern entschieden werden müsse, ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Dennoch kämen Fehler vor: although mistakes may possibly result.32 Trotz dieser Einschränkungen: Zumindest im Bereich des Strafrechts galt das trial by jury allen Defekten zum Trotz als alternativlos.33 Das sah auch der radikale Publizist Thomas Jonathan Wooler so, der infolge der Verurteilung aufständischer Ludditen um Jeremiah Brandreth als Hochverräter Kritik am Verteidiger und an den Kronanwälten übte, nicht aber an den Geschworenen und am Verfahren: The Trial by jury ought to be respected even in its errors. It is the only bulwark left us by which we can hope to defend our liberties […] We are satisfied with the verdict

26

27 28 29 30 31 32 33

tische Strafverfahren; Biener, Das englische Geschworenengericht; allg. zur Umgestaltung der Justiz im deutschen Vormärz Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit; Habermas, Diebe vor Gericht. So notierte etwa Albert V. Dicey, der wichtigste britische Verfassungsjurist des 19. Jahrhunderts: Foreign Observers of English manners, such for example as Voltaire, De Lolme, Tocqueville, or Gneist, have been far more struck than have been Englishmen themselves with the fact that England is a country governed, as is scarcely any other part of Europe, under the rule of law […], Dicey, Introduction to the study of the law of the constitution, 184. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, vii. Zur Herkunft und zur Aktualisierung dieser Idee um 1800 vgl. Pocock, The ancient constitution; Pocock, Burke and the ancient constitution. Custance, A concise view, 363. Dyer, Four letters, 26. Burridge, A concise and impartial essay, 33. Wicks, The British constitution and government, 109. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 511f.

564

1780–1850: Normalisierungsregime

as far as the jury is concerned. We differ only from the construction of the law, upon which they have been found guilty.34 Nun könnte man aber einwenden, dass es sich bei all diesen lobenden Äußerungen zum trial by jury um elitäre Diskurse handelte, denen bereits in den ersten Dekaden des 19. Jahrhunderts ganz andere und frustrierende Erfahrungen mit der englischen Justiz ‘von unten’ entgegenstanden. So erlebte vor allem die Arbeiterklasse die vielgepriesene Gerechtigkeitspflege – wenn auch nicht direkt das trial by jury bei den höheren Gerichten – als eine höchst repressive und ungerechte Instanz: „Nach dem Master and Servant Act von 1823 konnten Arbeiter, die unerlaubt vom ‘Dienst’ fernblieben, ihre Arbeit vernachlässigten oder sich sonst irgendwie ungebührlichen Betragens oder Vergehens schuldig machten, auf eine beeidete Anklage des Arbeitgebers hin verhaftet werden und in summarischer Prozedur, das heißt ohne Geschworene, von einem oder mehreren Friedensrichtern zu Gefängnis mit hard labour bis zu drei Monaten bestraft werden.“35 Diese maßlose Kriminalisierung kontraktbrüchigen Verhaltens konnte sogar Pilzsammlern eine Freiheitsstrafe einbringen36, die nichts mit dem zu tun hatte, was Radikale zeitgleich an Annehmlichkeiten in der State Side von Newgate Prison erwartete.37 Auch in diesem Kontext brachten Gerichtsverfahren Märtyrer hervor, die in der Erinnerungskultur der Arbeiterbewegung bis heute eine Rolle spielen (Tolpuddle Martyrs).38 Zugleich ließen Romane und andere literarische Erzeugnisse unterschiedliche Gerichtsinstanzen – von den Friedensrichterbänken, über die (1792 eingerichteten) police courts bis zu Old Bailey – in einem denkbar schlechten Licht erscheinen. Charles Dickens’ Fortsetzungsroman Oliver Twist (erschienen 1837–39) war sicher das zeitgenössisch bekannteste Beispiel für literarische Justizkritik. Andere Autoren porträtierten Old Bailey sarkastisch als einen Ort, an dem durch skrupellose Ankläger, manipulative Anwälte, lügende Zeugen, schläfrige oder zynische Richter und korrupte Geschworene Wahrheit und Gerechtigkeit keinen Platz hatten.39 Wenn ich nun trotzdem behaupte, dass englische Gerichte im frühen 19. Jahrhundert nicht nur fortlaufend durch Verfahren legitimierte Entscheidungen und Urteile hervorbrachten, sondern darüber hinaus auch noch „Systemvertrauen” genossen, dann klingt das zunächst kontraintuitiv. Dennoch lässt sich diese Position darstellen, wenn man sich noch einmal in Erinnerung ruft, was Legitimation durch Verfahren in einer modernen, funktional differenzierten Gesellschaft (die sich in England seit dem 18. Jahrhundert immer mehr andeutete40) genau bedeutete. Legitimation durch Verfahren bedeutet im modernen Kontext ja gerade nicht Überzeugungsarbeit, genausowenig wie sich die Akzeptanz von Entscheidungen 34 35 36 37 38 39 40

Zit. nach Epstein, Radical expression, 60. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 49. Diesen Hinweis verdanke ich Willibald Steinmetz. Allg. zur Kriminalisierung von Kontraktbruch auch Craven / Hay, The criminalization of „free“ labour; Hay, England, 1562–1875. Vgl. oben, S. 541f. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 31f. „The caricatures of courtroom personell and procedures of the 1820s and 1830s can have done little to enhance public faith in the administration of criminal justice”, so May, Fiction or faction, hier 191. Vgl. dazu für das Wirtschaftssystem Eisenberg, Englands Weg in die Marktgesellschaft.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

565

als individueller, psychologischer Vorgang erklären lässt. Der eigentliche Machteffekt von Verfahren beruht vielmehr auf der sozialen Isolierung der vor Gericht unterlegenen Positionen und Personen: „Nach Ableistung ihrer Selbstdarstellung im Verfahren finden sich die Beteiligten wieder als einzelne, die ihre Meinung und Interessen artikuliert, ihre Positionen als eigene freiwillig festgelegt und damit kaum noch die Chance haben, für ihre Sache eine effektive Erwartungsbildung und ein Handeln Dritter zu mobilisieren”.41 So wie (moderne!) Verfahrenslegitimation nicht auf individuellen und kollektiven Einsichten in die Richtigkeit und Gerechtigkeit der Urteile beruht42, so beruht nun auch Systemvertrauen nicht auf dem konkreten Vertrauen der Menschen in einzelne Prozesse.43 Systemvertrauen bedeutet nicht, mit der Gerichtspraxis einverstanden zu sein oder sie gut zu finden. Systemvertrauen ist nicht individuell abfragbar44, es wird vielmehr auch durch mediale Diskurse generiert. Systemvertrauen verstehe ich daher als einen gesamtgesellschaftlich relevanten und faktischen Modus von Komplexitätsreduktion, als „eine Art von diffusem Gesamtvertrauen”, das durch Einzelerfahrungen nicht enttäuscht und entwertet werden kann.45 Der Einzelne muss oder selbst Gruppen müssen davon ausgehen, dass sich seine / ihre Erlebnisse vor den Schranken der Justiz oder das, was er / sie an Schlechtem darüber gelesen haben, nicht einfach generalisieren lassen. Dafür sorgt schon der Umstand, dass individuelles Sinnerleben durch Massenmedien relativiert wird.46 Das galt ganz besonders für das viktorianische Zeitalter, in dem sich „die Zeitungsberichterstattung aus englischen Gerichtssälen […] zu einer später nie wieder erreichten und in anderen Ländern unbekannten Ausführlichkeit [steigerte]”.47 Wer also gerichtliche Vorgehensweisen als skandalös empfand, konnte Zeitungen oder bebilderten Einblattdrucken entnehmen, dass die Mühlen der Justiz trotzdem weitermahlten.48 Den eigenen Impressionen standen massenmediale Repräsentationen gegenüber, und es waren diese Repräsentationen, die den Stand der Dinge definierten. Ein überaus heterogener Zeitungsmarkt sorgte dafür, dass Gerichtsberichterstattungen nicht als Kampagnen oder staatliche Propaganda abgestempelt werden konnten. Der Frust des einen traf somit auf die Indifferenz oder ganz anders gelagerte Sorgen und Interessen der anderen. Variantenreich vorgetra41 42

43 44

45 46 47 48

Luhmann, Rechtssoziologie, 263f. „Legitimität beruht […] gerade nicht auf ‚frei-williger‘ Anerkennung, auf persönlich zu verantwortender Überzeugung, sondern im Gegenteil auf einem sozialen Klima, das die Anerkennung verbindlicher Entscheidungen als Selbstverständlichkeit institutionalisiert und sie nicht als Folge einer persönlichen Entscheidung, sondern als Folge der Geltung der amtlichen Entscheidung ansieht“, so Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 34. Luhmann, Vertrauen, 78. Dahinter steht auch die für moderne Gesellschaften konstitutive „Trennung sozialer und personaler Systeme“, skizziert in Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 249ff. Es äußert sich praktisch vielmehr darin, dass man „im Lande bleibt und damit rechnet, eine menschenwürdige Existenz führen zu können“, Luhmann, Vertrauen, 72. Migration wäre somit ein Indikator für verlorenes Systemvertrauen, wobei es aber im Zielland neu aufgebaut werden müsste. Luhmann, Vertrauen, 69. Luhmann, Die Realität der Massenmedien, hier 176ff. Steinmetz, Begegnungen vor Gericht, 517. Crone, Publishing courtroom drama.

566

1780–1850: Normalisierungsregime

gene Justizkritik und Systemvertrauen schlossen sich nicht wechselseitig aus, sondern lagerten auf verschiedenen Ebenen. Was viele Menschen an Gerichtsprozessen unerträglich fanden, hielten noch mehr Menschen für durchaus unterhaltsam, jedenfalls nicht für etwas, wofür es sich lohnte, auf die Straße zu gehen.49 Zudem mussten diejenigen, die von der Justiz enttäuscht waren, nicht notwendig auch dem politischen System, symbolisiert durch die Monarchie, ihr Vertrauen entziehen – der Loyalismus von unten, auf den ich im nächsten Abschnitt eingehe, zeigt das deutlich. Über ein solches, auch diffuses und widersprüchliches politisches Systemvetrauen, das sich ganz konkret als Nationalismus zeigen konnte, wurde auch das staatliche Gefüge gestützt, das wiederum als Veranstalter gerichtlicher Verfahren in Erscheinung trat. Genauso wie Legitimation durch Verfahren darin besteht, die Rechts- und Tatsachenbehauptungen des Unterlegenen so weit zu spezifizieren und zu zersplittern, dass daraus kein allgemeines Mobilisierungs- und Protestpotenzial erwächst50, so führte Systemvertrauen auch dazu, persönliches und selbst gruppeneigenes Misstrauen gegen den Rechtsbetrieb zu nivellieren, zu entschärfen und zu entdramatisieren. In diesem Sinne fungierte (und fungiert) Systemvertrauen als eine zentrale Ressource – oder, mit Foucault gesprochen, als ein Machtdispositiv – für die Legitimation durch Verfahren. Die Wahrnehmung der Freisprüche als Sieg der Gerechtigkeit, als Zeichen dafür, dass sich das trial by jury nicht politisch instrumentalisieren ließ und es allen Anfälligkeiten zum Trotz Systemvertrauen genoss – diese Behauptung muss natürlich empirisch überprüft werden. Daher wird es im nächsten Abschnitt um Verurteilungen und Bestrafungen gehen. Die These dazu lautet, dass kritische Debatten darüber eine andere Qualität besaßen als am Ende des 17. Jahrhunderts. Sie blieben stets fallbezogen und konnten nicht mehr die Institutionen der Strafjustiz und ihre Verfahren als solche in Frage stellen. Bei aller Erregung und Empörung über das gerichtliche Vorgehen gegen Reformer, die nicht nur wegen Hochverrats, sondern in den meisten Fällen wegen aufrührerischer Umtriebe (seditious conspiracy, seditious libel) angeklagt waren – eine Praxis, die die Zeitgenossen in den späten 1790er Jahren Pitt’s Terror nannten51 – kam es nicht einmal im Ansatz zu einer Krise der Strafjustiz wie in den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts. Selbst die mannigfaltigen und stets subversiv gemeinten Performanzen der Radikalen vor Gericht hatten kaum über die Situation hinausreichende Konsequenzen. Sie raubten zwar den Richtern und Kronanwälten die Nerven und machten sie nicht selten zur Zielscheibe von Spott. Aber sie führten durchaus nicht zu einem chronischen Ansehensverlust der Strafrechtsinstitutionen. Schließlich ist es auch die Frage, ob die Gerichtsprozesse gegen Reformer, Radikale und Jakobiner, sei es wegen Hochverrats, sei es wegen nicht kapitaler politischer Delinquenz, überhaupt stets und kollektiv als Willkürjustiz gesehen wurden. Eine Narration, die dies voraussetzt, gehört im weitesten Sinne auch zur ‚Whig Interpretation of History‘. 49 50 51

Crone, Violent Victorians. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 116ff. Emsley, An aspect of Pitt‘s terror.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

567

3. VERURTEILEN UND STRAFEN IM ZEITALTER DES LOYALISMUS Am Vormittag des 7. Juni 1798 wurde James O’Coigly aus dem Kerker von Maidstone (Kent) zu einer außerhalb der Stadt liegenden Hinrichtungsstätte gebracht. Nicht nur O’Coigly, auch die Öffentlichkeit war über den genauen Zeitpunkt der Exekution im Unklaren gelassen worden. O’Coigly war bereits am 22. Mai wegen Hochverrats verurteilt worden, doch die Hinrichtung war entgegen der richterlichen Anweisung nicht schon am folgenden Tag erfolgt. Vielmehr sollte, so wusste etwa die regierungskritische Evening Mail, der Termin für die Hinrichtung geheim gehalten werden, damit nicht so viele Leute dabei zuschauten: Government, to prevent a crowd, had taken great pains to keep the time of his execution a secret, and they were very succesful.52 In London, so das Blatt weiter, habe kaum jemand das Datum gekannt und auch in Maidstone seien zur Hinrichtung eines Diebes zuletzt mehr Zuschauer gekommen als jetzt zu O’Coigly. Leer blieb es vor dem Galgen auf Pennenden Heath allerdings nicht. Rund 400 Leute, so die Evening Mail in ihrer detaillierten Beschreibung des düsteren Aktes, sahen einen sehr gefasst wirkenden, in schwarz gekleideten Todeskandidaten. O’Coigly war am frühen Morgen vom Kerkermeister über die bevorstehende Hinrichtung in Kenntnis gesetzt worden. Seitdem hatte sich der aus Armagh in Irland stammende, siebenunddreißigjährige katholische Priester auf sein Ende mit Gebeten und Meditationen vorbereitet. Auf dem Weg zum Galgen wurde O’Coigly gemäß dem alten Hinrichtungsritual auf einen Schlitten gebunden, allerdings nicht mit dem Kopf nach unten, sondern sitzend, so dass er weiter in seinem Gebetbuch lesen konnte. Der Weg wurde von der Freiwilligenmiliz geschützt, den Maidstone Volunteers, fast 200 Mann. Vor dem Galgen wurde O’Coigly losgebunden. Auf dem Gerüst sagte er kniend und laut ein lateinisches Gebet und sang einen Psalm. Dann nahm er ein Taschenmesser und eine Orange aus seiner Tasche und bat einen neben ihm stehenden friend, die Frucht für ihn zu schälen, denn seine Hände blieben gefesselt: O’Coigly gave him the orange and the penknife, saying – „Open this orange with my penknife: it has been said they would not trust me with a penknife, left I should cut my throat; but they little know that I would not deprive myselfe of the glory of dying in this way”. Die Orange, so deutete es der Zeitungsschreiber, sei auf den 1795 gegründeten Oranierorden gemünzt gewesen.53 Für die United Irishmen, zu denen O’Coigly gehörte, waren die Oranier in kürzester Zeit zu Erzfeinden geworden.54 O’Coigly nutzte die Öffentlichkeit des Schafotts aber nicht nur dazu, um seine Verachtung des Oranierordens zum Ausdruck zu bringen, sondern für seine last dying speech: Seinen Lebensbericht, a sketch of my unfortunate and afflicted life, habe er in London in den Druck gegeben, which I hope will convince the public of the truth. I shall only

52 53 54

Evening Mail, 06.-08. Juni 1798. Oracle and Public Advertiser, Montag, 09. Juli 1798, Nr. 19973. Cullen, The politics of clerical radicalism in the 1790s; Cullen, The politics of crisis and rebellion, 1792–1798.

568

1780–1850: Normalisierungsregime

here solemnly declare, that I am innocent of the charge for which I suffer.55 Etwas ausführlicher gab der Express and Evening Chronicle die Rede wieder. Demnach stritt O’Coigly nicht nur alle Vorwürfe ab, sondern auch, dass er Mitglied irgendeiner political Society gewesen sei oder an ihren Treffen teilgenommen habe, so help me God! Darauf sei ein general murmur of pity among the surrounding spectators, with great expressions of astonishment, and some clapping of hands zu hören und zu sehen gewesen. Schließlich habe O’Coigly gesagt, dass die Zeugen in seinem Prozess gelogen hätten. Ein Pastor Griffith versuchte, O’Coigly noch im letzten Moment dazu zu bringen, sein Unschuldsbekenntnis zu widerrufen, so deutete es jedenfalls der Reporter des Express: We could only hear Mr. Griffiths say repeatedly „but consider!” – „consider!” – This we believe was an entreaty to Mr. O’Coigly to confess; but he shook his head, frowned with much dignity, and said „no! no!”. Anschließend wurde O’Coigly bis zum Tode gehängt. Seine Leiche wurde abgenommen und ein Chirurg, nicht der Henker, trennte daraufhin mit einem sauberen Schnitt den Kopf ab, den der Henker dann dem Publikum zeigte: This is the head of a traitor. Schließlich wurden Kopf und Körper unter dem Galgen verscharrt.56 Nicht nur die Beibehaltung der alten Rituale des Tötens ist hier bemerkenswert (immerhin etwas zivilisiert durch die ‚Arbeitsteilung‘ des Henkers mit dem versierteren Chirurgen). Auch der Umstand, dass O’Coigly mit seinem Unschuldsbekenntnis die Obrigkeit offenbar an einem wunden Punkt traf, ist bemerkenswert. Dass er seine Schuld abstreiten würde, damit hatte man schon gerechnet – deswegen die Geheimniskrämerei um den Termin, deswegen die Auslagerung in die südenglische Provinz, deswegen auch die vielen Milizionäre, die die Zuschauer in Schach halten sollten. O’Coiglys Unschuldsbekenntnis fand man offenbar derart prekär, dass regierungsnahe Zeitungen wie der Oracle and Public Advertiser, die Sun oder der True Briton die Rede zumindest nicht in ihrem Wortlaut wiederholen wollten: O’Coigly then made a very inflammatory Speech, in which he protested his innocence, and reflected on the Jury by whom he was tried, and the Witnesses who appeared against him. The Speech was of so violent a nature that we cannot report it.57 Unterdrücken ließ sich die Botschaft dadurch nicht. Man sieht an diesem Fall zunächst einmal, dass es in Bezug auf Gerichtsverfahren und Todesstrafe keine lineare Fortentwicklung gab in dem Sinne, dass Proteste und Unschuldsbekundungen der Verurteilten ihre Relevanz vollkommen verloren hätten. Allerdings war es nicht unerheblich, welcher Todeskandidat auf dem Schafott stand. Es bedeutete vielmehr einen großen Unterschied, ob es sich um irgendeinen Landstraßenräuber handelte oder um den Exponenten einer radikalen politischen Gruppierung mit Anhängern überall in Großbritannien, und das in einer besonders krisenhaften Phase, als noch gar nicht abzusehen war, ob es 55

56 57

Oracle and Public Advertiser, Montag, 09. Juli, 1798, Nr. 19973; ähnlich auch Lloyd‘s Evening Post, 06.-08. Juni 1798, Nr. 6362; London Packet or New Lloyd‘s Evening Post, 06.-08. Juni 1798, Nr. 4491; General Evening Post, 07–09. Juni 1798, Nr. 10, S. 251. Express and Evening Chronicle, 07.-09. Juni 1798, Nr. 574; ähnlich auch die Variante in Whitehall Evening Post, 07.-09. Juni 1798, Nr. 8046. The Sun, Freitag, 8. Juni 1798, Nr. 1781, S. 19.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

569

nicht auch auf der Insel zu einer revolutionären Erhebung kommen würde. Nur in diesem zweiten Fall wurden die Sympathiebekundungen des Publikums für einen unbeugsamen Todeskandidaten zu einem Politikum. Nur deswegen mahnte noch zwei Wochen nach der Hinrichtung der konservative True Briton, nun müssten die Diskussionen um die Hinrichtung von O’Coigly aber langsam zum Ende kommen.58 Diejenigen, die so viel Aufhebens um seine Unschuldsbehauptungen machten seem to forget that he had a fair trial before an unprejudiced jury.59 Das stimmte allerdings ebenso wenig wie O’Coiglys Behauptungen, die Vorwürfe gegen ihn seien frei erfunden. Sein Prozess im Mai 1798 war ein Lehrstück für das Scheitern eines Verfahrens als Legitimitätserzeuger trotz äußerlicher-förmlicher Korrektheit. Gleichwohl war dies am Ende des 18. Jahrhunderts ein Scheitern, das die Justiz nicht nachhaltig belastete. Angeklagt worden waren neben James O’Coigly drei weitere United Irishmen: Arthur O’Connor, John Allen und Jeremiah Leary. Dazu kam noch der zur London Corresponding Society gehörende John Binns. Es ging bei dem Prozess aber nicht allein um die strafrechtliche Verfolgung revolutionärer Umtriebe. Die Regierung nutzte vielmehr die Enttarnung der Verschwörung – bzw. was sie davon preisgeben wollte – publizistisch zur Rechtfertigung härtester Repressalien gegen Reformer, Republikaner und Demokraten in den Jahren um die Jahrhundertwende, zu Pitt’s terror, wie die Betroffenen dies selbst nannten.60 Der Prozess und vor allem die eingeplanten Verurteilungen waren Teil dieser öffentlichen Kampagne. Dies war wohl das wesentliche Motiv für einen Prozess, der aus Sicht der Anklage von Anfang an, aus ganz speziellen Umständen, auf tönernen Füßen stand. Eigentlich hatte man im Home Office des Duke of Portland durch die vielen Informanten und ‚V-Leute‘ genug Beweismaterial gesammelt, um für alle fünf Angeklagten einen Schuldspruch zu erwirken. Allein, im Home Office hielt man es für wichtiger, auf diese Informanten auch weiterhin zurückgreifen zu können, als sie für den Prozess zu enttarnen und als Zeugen vorzuladen.61 Die Kronanwälte, die angeführt von Attorney General Sir John Scott nach Maidstone gereist waren, mussten sich daher vor allem auf einen Umstand bei der Verhaftung von O’Coigly in dem Margater Gasthaus The King’s Head stützen: In einem Mantel, der vermutlich ihm gehörte, war eine verräterische Botschaft an das Pariser Direktorium gefunden worden. Der Hauptzeuge der Anklage, der Konstabler (Bow Street Runner) John Revett, der O’Coigly verhaftet hatte62, hatte den Mantel bei der Durchsuchung des Gasthauses gefunden:

58 59 60 61 62

Leserbriefe waren etwa erschienen im Oracle and Public Advertiser, Samstag, 09. Juni, 1798, Nr. 19948 und im Oracle and Public Advertiser, Freitag, 22. Juni, 1798, Nr. 19959. The True Briton, Montag, 25. Juni 1798, Nr. 1777. Emsley, An aspect of Pitt‘s terror; McCalman, Radical underworld, 8f.; Thompson, The making of the English working class, 171f. Goodwin, The friends of liberty, 448f. Dazu allg. jetzt Beattie, The first English detectives, 190.

570

1780–1850: Normalisierungsregime

I then looked into the sitting-room where Mr. O‘Connor and Quigley had been, and found that dark great-coat with a black collar; I brought it down into the parlour where the five prisoners were; I asked if the great coat belonged to either of them, and particularly Mr. O‘Connor and Quigley, they said no. I then took a pocket-book, and some other things out of the pocket; every thing that was in the great-coat pocket was taken out and tied up in a handkerchief, and I put it into my side-pocket; we then took the prisoners away […].63

Revett sagte zudem, dass sowohl O’Coigly als auch die anderen vier Angeklagten bestritten, dass ihnen der Mantel gehörte. Den Inhalt der Manteltaschen, das Notizbuch und die other things, hätten sie auch erst auf der Wache in der Londoner Bow Street genauer untersuchen können. Erst dabei seien sie überhaupt auf das fragliche Schriftstück gestoßen. Im Kreuzverhör durch O’Coiglys Anwalt Plumer kam dann noch heraus, dass die Beweisstücke nicht schon in dem Gasthaus, sondern erst in der Bow Street gezählt und numeriert worden waren, dass Revett den Mantel ohne Zeugen gefunden hatte und dass dieser und die anderen Sachen der Verhafteten auch nicht versiegelt worden seien, obwohl O’Coigly und O’Connor genau das gefordert hatten. Die an Revett gerichteten Fragen lauteten: F:

Do you recollect your being desired to seal up the luggage?

A:

Yes, I was desired by the prisoners.

F:

At Margate?

A:

Yes.

F:

That was not done, I believe?

A:

It was not.64

Anwalt Plumer wies zwar noch darauf hin, dass in einem public house die Leute ein- und ausgingen und der Mantel jedem gehören könne. Doch auch so war klar, dass etablierte Prozeduren der Beweissicherung, die eine zweifelsfreie Zuordnung der Stücke zur Person des Angeklagten zuließen und die lückenlose Überlieferung vom Ort des Auffindens dieser Stücke bis in den Gerichtssaal garantierten, in diesem Fall nicht eingehalten worden waren.65 Auch wenn man den Mantel ostentativ als Beweisstück auf dem Advokatentisch ausstellte66, auch wenn weitere Zeugen 63 64 65

66

26 ST 1266. 26 ST 2170. Schon beim Prozess gegen Layer waren diese Praktiken der Beweissicherung für die Anklage zentral gewesen. Während das Aufkommen mediakaler, biologischer und psychologischer Deutungsmuster in der frühen Kriminalistik bereits untersucht worden ist, vgl. etwa Schauz / Freitag, Verbrecher im Visier der Experten, sind solche, sozusagen kriminalistischen Dingpraktiken, die Herstellung von „Beweismitteln“ und ihre Konstruktion im Gerichtssaal, noch gar nicht untersucht worden. 26 ST 1266.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

571

wie die Besitzerin des Pubs erklärten, der Mantel gehöre O’Coigly, keiner der anderen Gäste habe einen solchen Mantel gehabt: Zweifelsfreies Wissen war auf diese Weise nicht generiert worden, zumal sich noch herausstellte, dass das fragliche Schriftstück wohl nicht von O’Coigly, sondern von John Binns geschrieben worden war, aber auch das nur vermutlich. Vor dem Hintergrund einer forensischen Epistemologie, die davon ausging, dass zwar alle möglichen Dinge zum Beweismittel transformiert werden konnten, also auch Mäntel und Briefe – aber nur dann, wenn dies regelgeleitet vonstatten ging, im Rahmen bestimmter laws of evidence, deren Ausformulierung zu dieser Zeit wiederum ein prominenter Gegenstand juristischer Gelehrsamkeit war  – taugten die Beweise der Kronanwälte in diesem Fall in den Augen kritischer Beobachter eigentlich nichts. An die wirklich schlagenden Beweise konnten Scott und die anderen Kronanwälte nicht gelangen. Aus diesem Grund hatte man sich auch dazu entschieden, den Prozess in der Provinz zu führen und nicht in London, wohin solche Fälle gewöhnlich überwiesen wurden. In Maidston hoffte man auf eine geringere Präsenz des jakobinisch-radikalen Publikums als in London. An den Untergrund-Jakobinern sollte unbedingt ein Exempel statuiert werden, auch wenn das der Anklage zur Verfügung stehende Beweismaterial es überhaupt nicht als zwingend erscheinen ließ, O’Coigly schuldig zu sprechen. Genau diese fehlende Verknüpfung von Anklage und Beweisen stellte Anwalt Plumer in seiner Verteidigungsrede heraus: there is nothing of that clear and convincing evidence, necessary to substantiate a charge like the present.67 Tatsächlich konnten auch die Kronanwälte dem Vorwurf, dass das Beweismaterial letztlich mehr Zweifel als Gewissheiten hervorrufe, nichts entgegensetzen. Ein noch größerer Coup war Anwalt Plumer aber schon ganz zu Beginn der Hauptverhandlung gelungen. Ihm war der Brief des örtlichen Pfarrers, Arthur Young, zugespielt worden, in dem dieser davon berichtet, wie er im Vorfeld des Prozesses versucht hatte, die möglichen Geschworenen gegen die Angeklagten einzunehmen. Diese müssten unbedingt gehängt werden.68 In seiner Schlussansprache mahnte der Richter die Geschworenen daher eindringlich, sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht von Vorurteilen leiten zu lassen. Doch wenn die Geschworenen nicht ohnehin gekauft waren (was bei der Menge an möglichen Kandidaten aber nicht sehr wahrscheinlich war), dann dürften die grassierenden Vorurteile für den Schuldspruch einen gewissen Ausschlag gegeben haben. Bei dem Verlauf dieses Prozesses war es also kein Wunder, dass die Hinrichtung zu einer prekären Sache geworden war, die durch die subversiven Handlungen und Unschuldsbehauptungen zu Unmutsbekundungen vor dem Galgen und zu einer darüber hinausreichenden publizistischen Debatte geführt hatte. Für ein gewisses 67

68

I represented to them that the acquittal of Hardy and company laid the foundation of the present conspiracy, the Manchester, London Corresponding, &c. &c. I urged them by all possible means in my power to hang them through mercy: a memento to others: that had the others have suffered, the deep laid conspiracy which is coming to light would have been necessarily crushed in its infancy; 26 ST 1376f. Der Brief erwies sich als echt, so dass sich Attorney General Scott nicht nur zu der Erklärung veranlasst sah: I […] exercise the utmost powers that my office confers upon me, to bring to justice any man who dares to hold this sort of language to a person who is to execute the office of a juror in this country; 26 ST 1220f.

572

1780–1850: Normalisierungsregime

Aufsehen sorgte O’Coiglys auf dem Schafott angekündigte Lebensbeschreibung, die wenige Tage später erschien. Derweil schrieb ein gewisser John Fenwick, der sich als Freund von O’Coigly vorstellte, Leserbriefe an jene Zeitungen, die nach seiner Einschätzung zu oberflächlich über die Hinrichtung berichteten und ausgelassen hatten, wie leidenschaftlich der Verurteilte alle Schuld von sich gewiesen hatte.69 Fenwick, der aus dem Umkreis der London Corresponding Society stammte und selbst enge Verbindungen nach Paris pflegte70, publizierte bald darauf seine Observations of the Trial of James O‘Coigly. Ausgehend von dem aus seiner Sicht haarsträubend verlaufenen Prozess entfaltete Fenwick in der Tradition von Sir John Hawles auf über 100 Seiten eine Generalkritik an der Justizpraxis seit 1794. Vor allem das, was die Kronanwälte in Maidstone als Beweise vorgelegt hatten, erachtete Fenwick als empörende Rechtsverdrehung. Rekurrieren konnte er dabei auf die juristische Wahrscheinlichkeitslehre, die um 1800 längst kein Spezialwissen mehr war, sondern als Argument in einem Pamphlet taugte: In a trial of high-treason, the law demands certainty in the proofs of guilt. I may, without violence, say, that it demands infallibility – that is, infallibility in the conclusion from the facts as they stand before the jury.71 Von einer solchen unfehlbaren Entscheidung (infallibility in the conclusion) könne aber hier keine Rede sein. Wie schon bei Hardy und Horne Tooke sei auch dieses state trial nichts Anderes als an engine of state policy gewesen. Wie Fenwick druckten auch andere Pamphlete den Brief des Pfarrers Young und die last dying speech von O’Coigly ab, um Betrug und Aufrichtigkeit miteinander zu kontrastieren. Es sollte deutlich werden, dass das Urteil von Beginn an feststand – und damit nur der Schein of a solemn judicial proceeding gesucht wurde.72 Hang him, Justly – if you Can / But, at all events – he must be hung, dichtete der Verfasser einer anderen kritischen Abrechnung mit dem Prozess.73 Sein plain Statement of the Facts, die der Verfasser darin aufzubereiten meinte, will enable the thinking Few to judge how far the scurrilous Times Newspaper are justified in calling the deceased a Villain. It may also exhibit to Englishmen what they may prepare for.74 Es ist keine Frage, dass der Maidstone-Prozess und die Hinrichtung von O’Coigly zumindest vom reformerischen Lager als Justizexzess wahrgenommen wurden. Fast genauso, nämlich auf der Grundlage einer unerhört dünnen Beweislage, weil das Home Office erneut seine Informanten nicht enttarnen wollte, wurde Anfang Februar 1803 auch der Hochverratsprozess gegen Edward Marcus Despard geführt. Despard war ein ehemaliger Obrist, der sich den United Irishmen ange-

69

70 71 72 73 74

Etwa im Oracle and Public Advertiser, Samstag, 09. Juni 1798, Nr. 19948. Es handelt sich um ein bemerkenswertes Indiz dafür, dass Zeitungen mittlerweile auch ein Forum für Kritik an ihnen selbst boten. Fenwick Raum für seinen Einspruch zu geben sei, so die redaktionelle Anmerkung, our duty as faithful Journalists. Wallace, Revolutionary subjects in the English „jacobin“ novel, 1790–1805, 52ff. Fenwick, Observations on the trial of James Coigly, 21 (Hervorhebung im Original). Ebd., 1. Anon., A plain narrative, Titelseite. Ebd., 8 (Hervorhebungen im Original).

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

573

schlossen und 1802 womöglich einen Anschlag auf das Parlament geplant hatte.75 Sicher war es kein Zufall, dass die Zeitungen, die in diesen Jahren alle mehr oder weniger regierungsnah, jedenfalls anti-jakobinisch gesinnt waren, vor allem über die Äußerlichkeiten des Prozesses berichteten und nicht über die Beweislage oder die Berichte über Prozessgeschehen und Beweisführung voneinander trennten, um nachträglich plausibel zu machen, was während des Prozesses nicht wirklich plausibel geworden war. Das Aberdeen Journal erwähnte z.B., dass Despards Haar gepudert war, dass er nicht selbst gesprochen habe, dafür aber der vorsitzende Richter Lord Ellenborough in a most solemn, awful, and impressive manner on the enormity of the offence, which filled every eye in the Court with tears.76 Erst in der nächsten Ausgabe wurden dann die Aussagen der Zeugen von Anklage und Verteidigung rekapituliert. Despards Hinrichtung fand am 21. Februar 1803 in Newington/Southwark (also in London) vor rund 20.000 Zuschauern statt. Dabei beteuerte Despard genauso leidenschaftlich wie O’Coigly seine Unschuld und sprach von Justizmord, was auch lautstarken Unmut vor Ort und heftige Kritik in der Publizistik entfaltete.77 Für Edward P. Thompson war dies ein Indiz dafür, dass es einen tiefsitzenden und weitverbreiteten Verdruss über das obrigkeitliche Vorgehen gegen alle friends of liberty gab, der nur deswegen nicht in revolutionäre Dynamik mündete, weil die Obrigkeit durch Spitzel und ihr Arsenal an sonstigen Repressalien entsprechende Umtriebe schon im Keim zu unterdrücken vermochte. Zumindest im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts seien den einfachen Leuten nur „die Praxis mitternächtlicher politischer Treffen” und andere Formen (folgenloser) konspirativer Verbindungen geblieben.78 Zum Wandel des Hinrichtungspublikums Thompsons in methodischer wie historiographischer Hinsicht legendäre und bahnbrechende Arbeit über die Entstehung der Arbeiterklasse hat lange den Eindruck erweckt, als hätten die unteren sozialen Schichten, also die große Mehrheit der englisch-britischen Gesellschaft, in kollektiver Gegnerschaft zum sozialen Establishment und der von ihm kontrollierten politisch-juristischen Verfahren gestanden. Wenn das so gewesen wäre, könnte man tatsächlich davon ausgehen, dass Unschuldsbehauptungen auch um 1800 noch delegitimatorisches Potenzial innewohnte. Aber war das wirklich der Fall? Jörg Neuheiser hat jüngst darauf hingewiesen, dass durch die Forschungen von Thompson, aber auch von George Rudé, die amorphe soziale Figuration der „Masse“ stets mit Protestverhalten assoziiert worden sei.79 Diese implizite Vorannahme liegt auch den jüngeren kulturge75 76 77 78 79

Darüber gehen die Meinungen der Historiker auseinander, vgl. Wells, Insurrection; dagegen Elliott, The „despard conspiracy“ reconsidered; zum Prozess zuletzt Steffen, Defining a British state, 132ff. The Aberdeen Journal, Mittwoch, 16. Februar 1803, Nr. 2875. Linebaugh / Rediker, The many-headed hydra, 248ff. Thompson, The making of the English working class, 558f. Neuheiser, Krone, Kirche und Verfassung, 54ff.

574

1780–1850: Normalisierungsregime

schichtlichen Forschungen zu den subversiven Praktiken der englischen Jakobiner zugrunde80, die stillschweigend davon ausgehen, dass es für diese Art von subversiver Performanz ein hinreichend großes und empfängliches Publikum gab und insofern die jeweils davon betroffenen Personen, Institutionen und Verfahren einen massiven Ansehensverlust hinnehmen mussten. Diese Vorannahme kann hier in zwei Hinsichten auf den Prüfstand gestellt werden, nämlich zum einen mit Blick auf das bei Hinrichtungen anwesende Publikum und zum anderen auf breitere gesellschaftliche Wahrnehmungsmuster (der „Masse“) um 1800. 1) Neuere Forschungen zur Geschichte der öffentlichen Todesstrafe etwa von V.A.C. Gatrell und Jürgen Martschukat haben davor gewarnt, sich die Zuschauer als ein homogenes, womöglich sogar strukturell kritisches Publikum vorzustellen, das mit strengen Augen über den korrekten Vollzug der Rituale des Tötens und damit über die Legitimität des ganzen Hinrichtungsaktes wachte.81 Diesen Charakter einer Gerichtsgemeinde, der für die Deutung der Hinrichtungen des 16. und 17. Jahrhunderts zentral ist, hatte das Hinrichtungspublikum, zumal in London, im Laufe des 18. Jahrhunderts verloren.82 Die Motive, bei einer Hinrichtung zuzuschauen, lassen sich schlechterdings nicht auf einen Punkt bringen. Die Neugier auf ein Spektakel des Todes war gerade im Zeitalter aufgeklärter Empfindsamkeit der kleinste gemeinsame Nenner einer schichtübergreifenden Zuschauermenge. Bei Hochverrat bot sich nach wie vor ein entsetzliches Schauspiel: David Tyrie wurde 1782 noch ausgeweidet und zerstückelt. Und sowohl O’Coigly als auch Despard und den Cato Street-Verschwörern wurde nach dem Erhängen der Kopf mit einem Messer abgeschnitten und dem Publikum präsentiert. Wenn man, wie Gatrell das versucht hat, durch Selbstzeugnisse Rückschlüsse auf Gefühlslagen der Beobachter zieht, dann stellten sich diese Gefühlslagen als sehr schwankend dar. Offenbar gingen Abscheu, Verachtung, Mitleid und Schaulust problemlos miteinander einher.83 Ob die notorische Unruhe, die teils obszönen Zurufe oder auch die Handgreiflichkeiten als Ausdruck von Dissens zu werten sind, ist für die Zeit um 1800 viel unklarer als in Bezug auf frühere Jahrhunderte. Vom Hinrichtungsritual als einem ‚Dialog‘ zwischen Obrigkeit und Zuschauern kann daher keine Rede sein. Viel eher scheint der öffentlichen Hinrichtung gerade in ihrer Spätphase mehr als zuvor der Charakter einer „repräsentativen Öffentlichkeit“ zuzukommen, insofern das Ritual nicht „für das Volk“, sondern „vor dem Volk“ aufgeführt wurde.84 Schließlich muss man noch in Rücksicht stellen, dass die öffentliche Todesstrafe an sich seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in die Krise geraten war.85 Die Übersetzung von Cesare Beccarias Dei delitte e delle penne (1764) ins Englische (1767) markierte den Anfangspunkt einer leidenschaftlich und kontrovers geführten Debatte in Publizistik und Parlament, bei der Reformer wie Samuel Ro80 81 82 83 84 85

Siehe oben, S. 539f. Martschukat, Inszeniertes Töten, 49ff.; Gatrell, The hanging tree. Devereaux, England’s „bloody code“. Das zeigen auch neuere Forschungen von Schuyler, Gallows drama; Crone, Violent Victorians. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 17. McGowen, „Making examples“; Gregory, Victorians against the gallows.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

575

milly (1757–1818) und Basil Montagu (1770–1851) unerbittlichen Befürwortern der Todesstrafe aus konservativen und evangelikalen Kreisen, darunter auch Lord Ellenborough, gegenüberstanden.86 Neben grundsätzlichen moralischen Bedenken monierten die Reformer, dass die öffentliche Hinrichtung ihren deklarierten Zweck, nämlich durch ein Schauspiel des Leidens und Sterbens die Menschen vom Begehen der Verbrechen abzuhalten, offensichtlich nicht erfüllte.87 Dabei hatte im Zeichen des bloody code, wodurch schon geringfügige Eigentumsdelikte mit dem Tod bestraft wurden, die Zahl der Hinrichtungen zumindest in London massiv zugenommen. Durch die inflationäre Häufung verloren diese aber eher ihre abschreckende Wirkung. Kritik an der Hinrichtung von Hochverrätern war insofern immer auch Kritik an der Praxis der öffentlichen Hinrichtung als solcher, die für die Reformer im Falle von O’Coigly, Despard oder Thistlewood in ihrer ganzen Widerwärtigkeit zu Tage trat. 2) Die auf Edward Thompson zurückgehende Vorstellung einer prinzipiellen Gegnerschaft der englischen Arbeiterklasse zur herrschenden Elite hat bereits in den 1980er Jahren zu der Frage geführt, warum es dann eigentlich nicht auch zu einer revolutionären Erhebung in Großbritannien gekommen war. Die Suche nach der Antwort führte die Historiker zur Entdeckung einer Kultur des Loyalismus, die sich bei näherer Betrachtung nicht als Marginalität, sondern als ein Massenphänomen entpuppte.88 Im Kontext einer bis dahin beispiellosen Politisierung der britischen Gesellschaft war es keineswegs die Regel, sich den Reformern und Radikalen zugehörig zu fühlen. Bereits in den 1780er Jahren hatte „die Monarchie eine neue Wertschätzung im öffentlichen Bewusstsein“ erfahren, wurde König Georg  III. schichtübergreifend zu einer populären Figur, die in Form von Medaillons und Bildern massenhaft verkauft und gekauft wurde. Darin spiegelte sich auch das „wachsende Gefühl nationalen Selbstbewusstseins“.89 Genauso wie die Radikalen organisierten sich die Loyalisten in Clubs und landesweiten Zusammenschlüssen, die wiederum ebenso eine Kultur der Geselligkeit und öffentlichen Artikulationen („Banner, Slogans, Gesang, Musik, Kokarden und Triumphbögen […] Resolutionen, Grußadressen und Petitionen“) hervorbrachte wie die Radikalen auch.90 Loyalismus war in seinem sozialen Substrat und in seinen Ausdrucksformen genauso ‚populär‘, ein „popular loyalism“, wie der Radikalismus auch, und er stieß deswegen bei den „Angehörigen der Unterschicht auf nachhaltige Resonanz“.91 Nicht zuletzt sorgte die Staatskirche im Medium der Predigt für die Verbreitung und Veran86 87

88

89 90 91

McGowen, Civilizing punishment; Dunthorne, Beccaria and Britain; Devereaux, Imposing the royal pardon; Hörcher, Beccaria, Voltaire, and the Scots on capital punishment. Dass es bei Hinrichtungen auf Tyburn vor allem chaotisch zuging und Diebe gerade bei dem dabei üblichen Menschenauflauf reiche Beute machten, hatte bereits William Hogarth 1747 zum Gegenstand seiner Bildsatire The Idle ‚Prentice Executed at Tyburn gemacht, vgl. Jaffre, William Hogarth. Christie, Conservatism and stability in British society; Dozier, For king, constitution, and country; Dickinson, Popular conservatism and militant loyalism 1789–1815; zuletzt für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts Neuheiser, Krone, Kirche und Verfassung. Hellmuth, Kommunikation, 93. Ebd., 94. Ebd., 103.

576

1780–1850: Normalisierungsregime

kerung loyalistischer, patriotischer und konservativer Wertvorstellungen.92 Loyalistische Publizistik erreichte vermutlich einen weitaus höheren Rezipientenkreis als radikale Pamphlete. Während diese als seditious libel verfolgt und unter der Ladentheke gehandelt wurden, zirkulierten die Texte der Loyalisten unter den Augen der Obrigkeit in Schulen, Hospitälern, Manufakturen, Gefängnissen und anderen öffentlichen Orten des alltäglichen Lebens. Nicht zu vergessen ist die Reihe von Zeitungen mit loyalistisch-konservativer Färbung wie The Star, The Sun, The True Briton oder The Observer in London und The York Courant, The Liverpool Phoenix oder The Manchester Mercury in der Provinz.93 In diesen Zeitungen wurden natürlich auch, wie schon gesehen, Hochverratsprozesse und Hinrichtungen kommentiert. Deren Leser gewannen nicht unbedingt den Eindruck, es mit einer politischen Willkürjustiz zu tun zu haben. Seinen Höhepunkt erlebte der Loyalismus im Zeitalter der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege. Die öffentliche Präsenz von Jakobinern, etwa vor Gericht, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die seit dem Siebenjährigen Krieg gewachsenen anti-französischen Ressentiments mit den 1790er Jahren auf den Höhepunkt gelangten und diese Frankophobie einstweilen anhielt, auf jeden Fall bis 1815.94 Loyalismus entwickelte sich durch die Abgrenzung gegenüber Frankreich noch mehr zu einer identitätsstiftenden Bewegung. Gerade 1798 und 1803, als O’Coigly und Despard hingerichtet worden waren, grassierten Ängste vor einer Invasion der Truppen Napoleons, die Hunderttausende in Freiwilligenkompagnien eintreten ließen.95 Diese Kultur des Loyalismus hatte auch Folgen für die kollektive Wahrnehmung von politischer Delinquenz und damit verbundener Hinrichtung: In den Kriegen mit Frankreich galten britische Jakobiner nicht nur bei der Obrigkeit als Verräter an König und Nation, sondern auch bei breiten Teilen der Bevölkerung.96 Jakobiner galten als unenglische, verwahrloste und kriminelle Gesellen. Dass man vor dem Hintergrund des Loyalismus als Massenkultur in besonderer Weise in der Beweislast ist, wenn man den last dying speeches von O’Coigly oder Despard eine über ihr Milieu und den Tag hinausgehende Resonanz zuschreibt, dürfte klar sein. Auch wenn sich die Differenzierung von Gerichtsverfahren und Todesstrafe nicht ohne Reibungen vollzog  – die Debatten im Kontext der Hinrichtung von O’Coigly zeigen das deutlich – so kann man im Großen und Ganzen davon ausgehen, dass das Schafott als integraler Bestandteil des justiziellen Aktes, als einer Art Fortsetzung des Strafverfahrens mit anderen Mitteln, an Bedeutung verloren hatte.97 Das lässt sich auch am Beispiel der Hinrichtung der Cato Street-Verschwö92 93 94 95 96

97

Dickinson, Popular conservatism and militant loyalism 1789–1815, 112. Dickinson, Popular loyalism in Britain in the 1790s, 527. Dickinson, Britain and the French Revolution; Broich, Reactions to revolutions. Hellmuth, Kommunikation, 95; Gilmartin, In the theater of Counterrevolution; Duffy, William Pitt. Smith, Anti-radicalism; Philp, Disconcerting ideas; Philp, Resisting Napoleon; Philp, The French Revolution and British popular politics; Navickas, Loyalism and radicalism in Lancashire; O’Gorman, English loyalism revisited; Mori, Languages of loyalism; McCormack, Rethinking ‚loyalty‘ in eighteenth-century Britain. Krischer, Hinrichtungen als Fortsetzung des vormodernen Strafverfahrens.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

577

rer am 1. Mai 1820 zeigen, bzw. anhand ihrer Darstellung durch den Kaplan von Newgate, George Theodore Wilkinson, deren Derivate sich auch in den Zeitungen fanden. Wilkinsons Schilderung war außergewöhnlich umfassend und nahm ihren Ausgangspunkt bei der Überlieferung des Hinrichtungsbefehls zum NewgateGefängnis einige Tage vor dem Akt. Der Kaplan offenbarte dem Leser kleinste Details: Wie die Verurteilten auf den nun feststehenden Hinrichtungstermin reagierten (a dead silence prevailed; but there was not the slightest agitation observable in the countenance or manner of any of the prisoners98), wie sie ihre verbliebenen Tage verbrachten  – einige im Gebet und Zwiegespräch mit dem Kaplan, andere wiesen die Seelsorge ausdrücklich zurück (they were Deists, and therefore not inclined to join in that form of appeal to heaven99), und wie sie sich von ihren Familien verabschiedeten (Thistlewood’s interview with his wife and son was truly affecting; and the scenes exhibited in the other cells were of the most agonizing description. The unfortunate children, capable of understanding the situation of their unhappy parents, were convulsed with sorrow100). Genauso wurde aber auch der Aufbau des besonders großen Schafotts geschildert – immerhin mussten fünf Männer zugleich gehenkt und geköpft werden. Schon diese Arbeiten wurden von zahlreichen Zuschauern beobachtet. In allen Einzelheiten berichtete Wilkinson dann auch von der Hinrichtung selbst, vom Andrang der zahllosen Zuschauer, von der Ankunft der Verurteilten, der Abnahme ihrer Eisenfesseln und ihrem sehr unterschiedlichen Verhalten – einer lachte und tanzte wie irre, ein anderer schien vollkommen abwesend, ein dritter stimmte mit Oh! give me Death or Liberty! eine Hymne der Radikalen an. Für die letzten Minuten im Leben der Verschwörer mutet Wilkinsons Authentic History fast wie ein Bericht in Echtzeit an. Jede Regung, jede Geste, jeder Gesichtsausdruck wurde protokolliert. Als die Falltür dann unter den Männern geöffnet worden war, beobachtete Wilkinson auch die Todeskämpfe der Gehenkten ganz genau. Allerdings kam das Spektakulärste erst noch, nämlich die Enthauptung der Leichen. Auf das (posthume) Ausweiden hatte man nach 1780 verzichtet, aber dass der Henker den Kopf des Verräters in die Höhe hielt, gehörte 1820 noch untrennbar zum Strafritual dazu. Das Köpfen war, neben der Prominenz der Angeklagten als Mitglieder einer gewaltbereiten Verschwörerbande, ein Grund für die außerordentlich große Zuschauermenge. Öffentliche Hinrichtungen waren in London zwar kein alltäglicher, aber ein durchaus gewohnter Anblick. Die Hinrichtung von Hochverrätern ragte indes aus der Praxis obrigkeitlichen Tötens hinaus, nicht zuletzt wegen der Art der Hinrichtung.101 Auch Wilkinson verschonte seine Leser nicht mit Einzelheiten über das Abschneiden der Köpfe eine halbe Stunde nach dem Erhän98 99 100 101

Wilkinson, An authentic History, 353. Ebd., 356. Ebd., 357. Vor den Cato Street-Verschwörern waren 1817 die Ludditen Jeremiah Brandreth, William Turner und Isaac Ludlam in Derby (East Midlands) als Hochverräter geköpft worden. Die letzte Hinrichtung eines Verräters in London war die des Oberst Despard 1803.

578

1780–1850: Normalisierungsregime Abb. 71: aus George Theodore Wilkinson: An authentic history of the Catostreet conspiracy, London 1820.

gen der Männer: Die Gesichter hätten eine merkwürdig violette Färbung angenommen und spiegelten noch die Agonie: a most ghastly and appalling appearance.102 Ein vermummter Mann, vermutlich ein Chirurg, trennte mit großer Geschicklichkeit die Köpfe vom Rumpf und gab sie dem Henker, der sie dann präsentierte. Wilkinson hielt es für nötig, diesen Vorgang für jede Leiche im Einzelnen zu schildern und auch durch ein Bild vor Augen zu führen (Abbildung 71).103 Wilkinsons Authentic History markiert in besonderem Maße den Wandel in den Darstellungsformen der Hinrichtung. Dienten die unzähligen Accounts of the behaviour, confession, and dying words von Todeskandidaten im 17. und frühen 18. Jahrhundert zur Beglaubigung der Rechtmäßigkeit der Strafe und zur moralischen Belehrung der Leser104, so ist nicht zu übersehen, dass diese Aspekte bei Wilkinson keine oder allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle spielten. Vielmehr präsentierte Wilkinson seinen Lesern eine Art von wahrer Schauergeschichte – gothic novels waren zu dieser Zeit bekanntlich sehr populär –, die auf Unterhaltung, nicht auf Belehrung zielte, und die mit ihrer wahrlich dichten Beschreibung der letzten Tage der Verurteilten zwischen Todesverachtung und Verzweiflung, zwischen Gebet und der anscheinend faszinierenden religiösen Abstinenz, auch ein voyeuristisches Interesse der Leser bediente. Nicht nur die Hinrichtung selbst, sondern auch die letzten Stunden eines Verurteilten im Angesicht des Todes stießen auf ein besonderes Interesse. Im Falle gewöhnlicher Delinquenten konnten sich Gentlemen im Newgate-Gefängnis sogar selbst davon ein Bild machen. Der Publizist Pierce Egan (1772–1849) zeigt z.B. in seinem berühmten Life in London (1821), wie einige Herren Newgate besuchen (Abbildung 72). Dort schauen sie zu, wie zwei Todeskandidaten zum Gang auf das Scha102 103 104

Wilkinson, An authentic History, 384. Ebd., 384–390. McKenzie, God‘s tribunal; McKenzie, Tyburn‘s martyrs, 225–250.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

579

fott vorbereitet wurden: Dem einen wurden die eisernen Fußfesseln abgenommen, um den anderen kümmert sich derweil der Gefängniskaplan. Die letzte Stunde im Leben von Verurteilten wurde zum Zeitvertreib für soziale Eliten (Abbildung 72). Wer nicht persönlich solche Schicksale besichtigen konnte oder wollte, der konnte entsprechende Geschichten in Publikationen wie dem Newgate Calendar nachlesen, einem Kompendium von Verbrechens- und Hinrichtungsberichten, das 1774 zum ersten Mal erschienen war und 1816 von Wilkinson neu aufgelegt wurde.105 Verbrechen und Hinrichtungen wurden in diesen Kompendien als Sensationsgeschichten präsentiert. Von hier aus war es dann nur noch ein kleiner Schritt zu Madame Tussauds Chamber of Horror, wo ab 1831 die Totenmasken von Hingerichteten ausgestellt wurden.106 Die Krise der Todesstrafe zeigte sich schließlich aber nicht nur in ihrer Trivialisierung, sondern auch in ihrer Säkularisierung, die zumindest in der Metropole London im Laufe des 18. Jahrhunderts weit fortgeschritten war. Säkularisierende Effekte hatte schon das Verhalten des Todeskandidaten selbst, die immer weniger bereit waren, die Rolle des Armen Sünders, des dying penitent, zu spielen und stattdessen das Schafott zur Bühne für ihr Gegentheater machten. Bei dieser als dying

Abb. 72: Vorbereitung zweier Verurteilter auf die Hinrichtung im Newgate-Gefängnis, beobachtet von einigen Gentlemen, kolorierter Stich von Isaac Robert und George Cruickshanks, ‚Symptoms of the finish of ‘Some sorts of life’ in London. Tom, Jerry and Logic, in the press yard at Newgate’, 1821. 105 106

Worthington, Key Concepts in Crime Fiction, 163. Graybill, A proximate violence.

580

1780–1850: Normalisierungsregime

game bezeichneten Praxis ging es aber gerade nicht darum, die Ungerechtigkeit von Strafe und Justiz zu beklagen, sondern sich als ‚furchtloser Bursche‘ zu inszenieren, der dem Henker mit einem spöttischen Lächeln begegnet, der im Wortsinn Galgenhumor beweist und nicht zuletzt auch geistliche Betreuung als weibisch und verweichlicht zurückweist.107 Auch die Cato Street-Verschwörer machten keinen Hehl aus ihrem Unglauben, so dass man aus Sorge davor, that their blasphemous principles would manifest in some dreadful act of infidelity das seelsorgerische Programm auf ein Minimum reduzierte.108 Anstatt das Totengebet mitzubeten, sangen Thistlewood und die anderen lieber einen ihrer Untergrundsongs. Ein Verlust von religiöser Bedeutsamkeit der Hinrichtung ging aber auch aus dem Verhalten der Geistlichen selbst hervor, zumindest, wenn es sich dabei um den der High Church angehörigen Gefängniskaplan handelte, der sich nur in selten Fällen als Seelsorger engagierte und im übrigen Dienst nach Vorschrift machte. Und schließlich muss man auch in Zweifel ziehen, ob das Publikum des frühen 19. Jahrhunderts die öffentliche Hinrichtung noch in jener Weise als Gods tribvnall ansah wie das noch im späten 17. Jahrhundert der Fall gewesen war. Die Hinrichtung am Beginn des 19. Jahrhunderts hatte also den Status eines Wahrheitsforums weitgehend verloren und diente stattdessen als Schauplatz für ganz unterschiedliche Inszenierungen der Todeskandidaten. Genderspezifische Praktiken ließen eidesförmig untermauerte Unschuldsbehauptungen (I call God to witness I am innocent) selten werden – es gehörte vielmehr zum dying game, seine Schuld offen einzugestehen und die Hinrichtung als Teil des Spiels zu akzeptieren.109 Und wer doch seine Unschuld behauptete, wie etwa der Cato Street-Verschwörer John Thomas Brunt, der musste damit rechnen, von seinem Kumpanen ermahnt zu werden: Come my old cock-o-wax, keep up your spirits; it all will be over soon.110 Sonst hatte die Äußerung keine weitere Resonanz. So wenig die Angeklagten von dem Recht Gebrauch machten, am Schluss des Gerichtsprozesses selbst das Wort zu ergreifen, so bedeutungslos war auch das letzte Wort auf dem Schafott geworden. Über die Rechtmäßigkeit von Prozessen und Urteilen wurde nicht mehr unter dem Galgen verhandelt wie noch in der späten Stuartzeit, oder in einem darauf zumeist folgenden publizistischen Schlagabtausch, sondern vielmehr auf dem weiteren Rechtsweg und im Medium von Revisionsanträgen. 4. REVISIONSVERFAHREN ALS OPERATIVE SCHLIESSUNG John Frost, 1840 Am 25. Januar 1840 trafen sich die fünfzehn obersten Common Law-Richter, also die Chief Justices von Queens’s Bench, Common Pleas und Exchequer, in der 107 108 109 110

McKenzie, Martyrs in low life?. Wilkinson, An authentic History, 358. McKenzie, Martyrs in low life?, 186. Wilkinson, An authentic History, 377.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

581

Westminster Hall. Die Richter hatten über eine Frage zu entscheiden, die einer von ihnen, Sir Nicholas Tindal, der Chief Justice von Common Pleas, bei dem Prozess gegen den Chartisten John Frost bei dessen Prozess im walisischen Monmouth einige Wochen zuvor nicht hatte entscheiden können. Es ging um die Frage, ob der Antrag auf Einstellung des Prozesses wegen eines Formfehlers, den Frosts Anwalt gestellt hatte, anzunehmen oder abzulehnen sei. Was war dort passiert? Vielleicht aus der Gewissheit, diesen Fall nicht gewinnen zu können, hatte Frosts Anwalt Sir Frederick Pollock (1783–1870) in Monmouth zu den Mitteln gegriffen, mit denen zuletzt die Verteidiger der Jakobiten um 1700 hervorgetreten waren: nämlich dem Versuch, durch buchstabengetreue Gesetzesauslegung den Prozess zum Platzen zu bringen, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. In dem Moment, als der Attorney General Sir John Campbell – der es sich nicht hatte nehmen lassen, selbst in der walisischen Provinz die Anklage zu führen – Samuel Simmons als ersten Zeugen berufen wollte, intervenierte Pollock: Man habe keine Zeugenliste zugestellt bekommen, in der sich der Name Samuel Simmons finden lasse. Der Kronanwalt möge daher erst einmal beweisen, dass eine förmlich korrekt zugestellte Liste mit diesem Zeugen existiere.111 Bei der Befragung eines für die Kronanwälte tätigen Beamten stellte sich zwar heraus, dass Frost die Papiere im Prinzip rechtzeitig zugestellt worden waren. Er selber, so der Beamte, habe dem Angeklagten die Anklageschrift am 12. Dezember und die Zeugenliste am 17. Dezember ausgehändigt. Nach dem Hochverratsgesetz von 1696 musste dem Angeklagten beides spätestens zehn Tage vor Prozessbeginn vorliegen, und der Prozess hatte mit dem Arraignment am 31.12.1839 begonnen und wurde am Neujahrstag mit der Hauptverhandlung fortgesetzt. Eigentlich schien alles rechtens. Aber, so Pollock, man habe sich überhaupt nicht an den Wortlaut des Gesetzes gehalten, wonach alle Papiere gleichzeitig überliefert werden müssen: […] when any person is indicted for high treason, or misprision of treason, a list of the witnesses that shall be produced on the trial, for proving the said indictment, and of the jury, mentioning the names, profession and place of abode of the said witnesses and jurors, be also given at the same time that the copy of the indictment is delivered to the party indicted.112

Kronanwalt Campbell fand diesen Einwand absurd, und außerdem sei er seiner Ansicht nach zu spät gekommen. Doch als der Attorney General seine Auslegung des Gesetzes weiter ausführen wollte, wurde er von Richter Tindal unterbrochen: We have a sufficient degree of doubt upon this point to reserve it as a point for further consideration. We are not prepared to say that the objection which has been made by the learned counsel on the part of the prisoner is valid; but it involves a question upon which no direct decision has taken place, and which calls for very 111

112

Now, my Lord, I object that we have had no list of witnesses, in which the name of Samuel Simmons appears, delivered in pursuance of the Act of Parliament; and I call upon my learned friend, therefore, to show that a list has been delivered, in pursuance of the Act, containing the name of the witness now proposed to be examined; 4 RST 146. 4 RST 153.

582

1780–1850: Normalisierungsregime

serious consideration. It is the more important, as the same objection may apply itself, under existing circumstances, to several other cases in which indictments for the same offence have been found, and the other prisoners arraigned. We propose to take a course on the present occasion which will prevent the possibility of an over hasty decision operating, on the one hand, to the prejudice or disadvantage of the prisoner, and, on the other, from causing a failure of public justice. We shall allow the trial to proceed, and shall take the opinion of Her Majesty‘s judges on the validity of the objection, supposing such proceeding should eventually become necessary by the verdict of the jury.113

Tindal hatte also den Verdacht, dass Pollocks Einwand zwar penetrant und taktisch motiviert, gleichwohl aber nicht unbegründet war. Das Gesetz sagte nun einmal: given at the same time. Und da der Prozess in einem politisch ohnehin überaus aufgeheizten Klima stattfand und nicht zuletzt vor Ort von den Korrespondenten zahlreicher Zeitungen beobachtet wurde  – darunter waren auch den Chartisten verbundene Blätter wie der Northern Star –, agierte Richter Tindal vorsichtig, to […] prevent the possibility of an over hasty decision.114 Der Eindruck eines fairen und einwandfrei geführten Prozesses sollte auf keinen Fall getrübt werden. A fair and impartial administration of justice war sozusagen das Motto, unter das auch die Kronanwälte ihre Anklage gestellt hatten.115 Richter Tindal war ebenfalls der Ansicht, dass man es hier mit einem sufficient degree of doubt upon this point zu tun habe, der es sinnvoll erscheinen lasse, to reserve it as a point for further consideration. Er schlug daher vor, darüber mit seinen höchstrichterlichen Kollegen zu beraten, das Verfahren aber dennoch fortzusetzen: We propose to take a course on the present occasion which will prevent the possibility of an over hasty decision operating, on the one hand, to the prejudice or disadvantage of the prisoner, and, on the other, from causing a failure of public justice. We shall allow the trial to proceed, and shall take the opinion of Her Majesty‘s judges on the validity of the objection […].116

Ende Januar 1840 berieten die Twelfe Judges in der Westminster Hall also über eine Frage, die man in Monmouth nicht hatte lösen können.117 Bei der Verhandlung in der Westminster Hall haben wir es mit einer Prozedur zu tun, die man – provisorisch – als Revisionsverfahren bezeichnen kann, also ein Verfahren über ein Verfahren. Bis ins 19. Jahrhundert handelte es sich dabei um Ausnahmefälle, denn ein formales, statuiertes oder herkömmliches Appellationsrecht gab es in England nicht.118 Gegen den Wahrspruch der Geschworenen in matters of fact kannten äl113 114 115 116 117

118

4 RST 154. Ebd. 4 RST 108. 4 RST 154. In den Quellen ist stets von den Twelve Judges die Rede, wobei es aber zumindest im Fall von Frost 1848 nachweislich fünfzehn Richter waren. Mit der Zwölfzahl ist die Institution, nicht die genaue Personalstärke des richterlichen Gremiums gemeint. Stephen, History of the criminal law, 308. Das war ein Unterschied zur territorialstaatlichen Gerichtsorganisation im Alten Reich, wo mit dem Wismarer Tribunal (seit 1653) und dem Oberap-

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

583

tere Common Lawyer wie Sir Thomas Smith und Sir Edward Coke ohnehin keine Rechtsmittel: Die Wahrheit war unanfechtbar.119 Allenfalls Mittel zur Abwendung des Urteils, also der Rechtsfolgen, waren möglich. Bei der Allokution konnten sich Angeklagte in gewöhnlichen Strafprozessen auf das benefit of clergy berufen und damit auf eine Rechtsfiktion.120 Es handelte sich dabei also um eine juristische Hintertür, mit der ebenso wenig eine Bewertung und Kritik des Verfahrens einherging wie mit der Begnadigung durch die Krone als der zweiten Art und Weise, wie man seinen Kopf noch vor der Schlinge bewahren konnte. Durch beide Praktiken wurde das Recht gerade nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr umgangen: Gnade erging vor Recht – und das war auch noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts die am häufigsten vorkommende Art, die Folgen ungerechter Entscheidungen abzuwenden.121 Der Common Lawyer Matthew Hale konnte sich im späten 17. Jahrhundert immerhin weitere Umstände vorstellen, die zur Aussetzung (reprieve) der Urteilsvollstreckung zählten.122 Eine Schwangere etwa dürfe nicht hingerichtet werden.123 Aber Hale diskutierte auch eine Aussetzung der Vollstreckung ex arbitrio judicis, also auf Entscheidung des Richters, wenn diesem eine Unregelmäßigkeit bei der Beweisführung aufgefallen war. Doch auch hier handelte es sich um eine Rechtsfiktion, weil es in der Regel gar nicht um Verfahrensfehler ging, sondern darum, auch solche Personen vor dem Galgen zu bewahren, die aus unterschiedlichen Gründen kein Anrecht auf das Klerikerbenefiz hatten124. Es wurde dann so getan, als ob es einen Fehler beim Verfahren gegeben hätte und die eigentlich zwingende Todesstrafe oder Verbannung daher nicht zur Anwendung kommen dürfe.125 Während es also kein förmliches Appellationsrecht gab, so hatten sich doch dazu funktional äquivalente Praktiken ausgebildet. Dazu gehörte auch die sogenannte Fallreservation. Bereits im 16. Jahrhundert war es bei den Assisen sowohl in Straf- als auch in Zivilprozessen üblich, dass ein Richter bei strittigen Rechtsfragen (matters of law) den fraglichen Fall für eine spätere Klärung durch das gesamte höchstrichterliche Kollegium in Westminster gleichsam reservierte, in der Rechtsgeschichte ist hier

119

120 121 122

123 124 125

pellationsgericht Celle (1711) Obergerichte zur Überprüfung der Urteile nachgeordneter Gerichte eingerichtet worden waren. Demgegenüber stand der durch Appellationsprivilegien teilweise verbaute Weg zu den Reichsgerichten, vgl. Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, 178–185. Noch im 19. Jahrhundert im Horizont der Möglichkeit von Fallreservationen lehnten einige Richter Revisionsverfahren aus diesem Grund ab: „At the heart of their approach was the desire to retain the primacy of the jury trial as the site for administering criminal law“, so Handler, The court for crown cases reserved, 267. Smith, De Republica Anglorum, 102. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 527f. Dazu Bentley, English criminal justice; Chadwick, Bureaucratic mercy. Dass es sich dabei eben nicht um traditionelles Common Law handelte, das man schon lange so praktizierte, bis Hale diese Praxis protokollierte, war schon dem deutschen Prozessrechtsreformer Friedrich August Biener aufgefallen: „Die ganze Lehre über diesen Gegenstand [d. i. der Aufschub des Urteils, A. K.] ist zuerst von Hale aufgestellt, und aus demselben ziemlich wörtlich in Blackstone und Stephen übergegangen“, Biener, Das englische Geschworenengericht, 196. Vgl. zu gnadenfähigen Umständen auch Baker, The legal profession, 296f. Baker, The legal profession, 298. Hale, Historia placitorum coronæ (1736), Bd. 2, 412f. Dieser Umweg wurde vor allem während des bloody code genutzt, also der Zeit harter Strafgesetze im 17. und 18. Jahrhundert, vgl. oben, S. 432ff.

584

1780–1850: Normalisierungsregime

vom „reserved case“ die Rede.126 Es handelte sich dabei um ein informales, also in keinem der Common Law-Kompendien beschriebenes Vorgehen.127 Entsprechend fand die Verhandlung auch nicht in einem förmlichen gerichtlichen Rahmen statt, sondern vielmehr in den Räumlichkeiten der Serjeant’s Inn, also dem Ordenshaus des Serjeants-at-Law, dem alle höchsten Richter angehörten.128 Über die konkrete Verhandlungspraxis ist wenig bekannt, und auch über die Entscheidungsgründe wurde keine Auskunft gegeben. Tatsächlich fassten die Richter kein förmliches Urteil, sondern gaben ihrem Kollegen, der den Fall eingebracht hatte, einen (verbindlichen) Ratschlag, den er dann bei der nächsten Gerichtssitzung als sein judgment verkündete.129 Dass Fallreservationen ein informales Verfahren darstellten, bedeutete aber nicht, dass sie geheimgehalten wurden. Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts wurden Notizen davon den Verfassern von law reports zugänglich gemacht, die wiederum 1789 in einem mehrbändigen Kompendium veröffentlicht wurden.130 Allerdings standen viele Richter Fallreservationen skeptisch bis ablehnend gegenüber, weil auf diese Weise ihre Rolle als Rechtsautorität vor Ort in Frage gestellt wurde.131 Dieses Verfahren wurde daher vielfach von den Strafverteidigern initiiert, die, wie gesehen, ab der Mitte des 18. Jahrhunderts auch bei gewöhnlichen Prozessen üblich geworden waren.132 Die Fallreservation bei Frost war die erste in einem Hochverratsfall, was zu einigen Besonderheiten führte. Nicht nur war dieses Vorgehen vom Richter anstrengt worden, weil man bei einem politisch derart heiklen und von der nationalen Presse beobachteten Fall kaum anders vorgehen konnte. Auch das Revisionsverfahren selbst verlief anders als sonst. Zwar waren auch schon um 1800 Anwälte dabei zugelassen worden, um ihre Sicht der Dinge vor den Westminster-Richtern zu vertreten.133 Dass die Twelve Judges134 dabei aber im Court of Exchequer (Abbildung 73) und damit an einem offiziellen und öffentlichen Ort des Common Law tagten, war indes ein Novum. Mit dieser Tagungsweise wurde die Verfahrensweise des 1848 eingerichteten Court for Crown Cases Reserved vorweggenommen, es handelte sich also beim Revisionsverfahren in Sachen Regina v. John Frost um einen wichtigen Beitrag zur „Formalisierung des Informellen“135 durch das exponierte Hochverratsdelikt. Die Verhandlungssache zog entsprechend viel Publikum an, das von der Zugänglichkeit des Verfahrens also auch Gebrauch machte: The 126 127 128 129

130 131 132 133 134 135

Baker, The legal profession, 300; Bentley, English criminal justice, 283f. Oldham, Informal lawmaking. Stephen, History of the criminal law, 311. Bentley, English criminal justice, 283. Vorgestellt wurden die Fälle in der Serjenat’s Inn vom jeweiligen Richter auf der Grundlage seiner notebooks, von denen eine Auswahl, zusammen mit einer ausführlichen Darstellung der Verhandlungsweise, ediert wurde von Bentley, Select cases from the twelve judges‘ notebooks. Langbein, Blackstone on Judging, 75f.; Oldham, Informal lawmaking, 182f. Handler, The court for crown cases reserved, 287. McGowen, Forgery and the twelve judges, 244ff. Oldham, Informal lawmaking, 218f. Freeman‘s Journal and Daily Commercial Advertiser, 29. Januar 1840. Im Sinne von Emich, Die Formalisierung des Informellen.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

585

Court was very mich crowded both by the public and members of the legal profession notierte der Korrespondent des Examiner.136 Numbers of persons were unable to obtain admittance, although the court is a very large one, ergänzte der Kollege von The Morning Chronicle.137 Die Berichterstatter der Presse konnten den Gang der Verhandlung, die drei Tage dauerte, im Wortlaut wiedergeben. Während die Richter tagten, versammelten sich zahlreiche Chartisten in London, sowohl im traditionsreichen Radikalen-Pub The Crown and Anchor als auch vor der Westminster Hall.138 Zudem wurden der Krone zahlreiche Petitionen überliefert.139 Unmittelbar beeinflussen ließen sich die Richter von diesem Protest allerdings nicht. Der bei den Kundgebungen geforderte Freispruch stand ebensowenig auf der Agenda der Twelve Judges wie die ebenfalls geforderte Begnadigung. Das Revisionsverfahren besaß also ein hohes Maß an Autonomie. Die vom Lord Chief Justice Thomas Denman geleitete Sitzung trat vor den Zuschauern als ein geregelter Prozess in Erscheinung, bei dem die Anwälte der Angeklagten – neben Frost standen in Monmouth zwei weitere Chartisten vor Ge-

Abb. 73: Thomas Rowlandson, The Court of Exchequer, Westminster Hall (1808), aus: The Microcosm of London or London in Miniature, Volume 1, Tafel 25, London 1904. 136 137 138 139

The Examiner, Nr. 1669, 26. Januar 1840, S. 38. The Morning Chronicle, Nr. 21895, 27. Januar 1840. The Morning Chronicle, Nr. 21896, 28. Januar 1840. Ebd.

586

1780–1850: Normalisierungsregime

richt – zu Beginn ihren Einwand erneut vortragen und begründen durften, bevor sie dann (bzw. vor allem Pollock) mit dem Attorney General Campbell und den Richtern darüber diskutierten, also die Gelegenheit zur (durchaus kontroversen) Aussprache hatten. Die Richter berieten dann zunächst über den Einwand – die Ansichten wurden der Reihe nach vorgetragen – und stimmten dann darüber ab – und zwar öffentlich und namentlich.140 Dabei hatten die Richter ihre Entscheidung auf zwei Fragen aufgeteilt. Zum einen stimmten sie über die Frage ab, ob die Zustellung der Liste förmlich korrekt erfolgt war. Hier waren neun Richter der Ansicht, dass dies nicht der Fall gewesen war; Tindal gehörte zu den sechs anderen. Die zweite Frage war, ob der Einwand fristgerecht vorgetragen worden war. Hier verhielt es sich genau anders herum: Neun Richter waren der Meinung, dass Pollock damit zu spät gekommen und der Einwand damit null und nichtig war. Einstimmig wurde schließlich noch festgestellt, dass Pollocks Einwand in jedem Fall allenfalls eine aufschiebende Wirkung gehabt hätte: the effect of it would have been a postponement of the trial, in order to give time for a proper delivery of the list.141 Eine weitergehende Aussage über die Korrektheit des Prozesses oder eine Bestätigung des Urteils war mit diesem Entscheid nicht verbunden. Er klärte nur genau die im Prozessverlauf aufgekommenen und dort nicht zu lösenden Fragen. Für Frost hatte der Entscheid allerdings existenzielle Folgen, insofern die Regierung aufgrund der Uneinigkeit der Richter (in consequence of this difference of opinion) die Todesstrafe in lebenslange Verbannung (transportation) nach Tasmanien umwandelte.142 Eine Hinrichtung war ohnehin nicht geplant gewesen, weil dies als politisch viel zu heikel angesehen wurde und schon Frosts Verurteilung zahlreiche Unruhen im ganzen Land ausgelöst hatte. Das uneinige Votum der Richter bei der Fallreservation bot für diese Abschwächung der Strafe eine auch öffentlich darstellbare Begründung, bei der sich die Regierung keine Nachsichtigkeit mit chartistischen Aufrührern nachsagen lassen musste.143 Für den Prozess in Monmouth hatte die Vertagung der Entscheidung über Pollocks Einwand zur Konsequenz gehabt, dass das Verfahren trotz der Unmöglichkeit, darüber an Ort und Stelle zu entscheiden, nicht gleichsam lahmgelegt oder auf eine langwierige Diskussion nur über diesen Punkt festgelegt wurde. Mit dem konsensual gefassten Beschluss zum Nicht-Entscheiden entstanden für das Verfahren neue Zeitstrukturen: Nicht alles musste an Ort und Stelle entschieden werden, und selbst das Endurteil erging, zumindest aus der Perspektive des Anwalts Pollock, nur unter Vorbehalt. Pollock war in Monmouth davon ausgegangen, dass ein positiver Entscheid der Westminster-Richter über seinen Antrag die Kassation 140 141 142

143

Bei diesem Modus handelte es sich offenbar um die eher seltene Verknüpfung von seriatim opinions mit dem expliziten Mehrheitsentscheid, vgl. für die übliche Praxis Ernst, Rechtserkenntnis, 262–273. 4 RST 478f. Das Abstimmunsergebnis wird dort in Anm. (b) dokumentiert. Die Strafe wurde nach dem aus britischer Sicht erfolgreichen Ende des Krimkriegs durch eine Generalamnestie wieder aufgehoben. Zu den offenbar stets strafmildernden Folgen eines nicht einstimmige gefällten Entscheids vgl. Oldham, Informal lawmaking, 213. Rosenblatt, The Chartist movement in its social and economic aspects, 201ff. Zur strafmildernden Wirkung dissentierender Voten bei Fallreservationen vgl. auch Oldham, Informal lawmaking, 211ff.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

587

des Verdikts zu Folge gehabt hätte.144 Möglicherweise war es auch diese Hoffnung – die Orientierung an einer zukünftigen, erst noch kommenden Entscheidung –, die dazu führte, dass Frost und seine Mitangeklagten nicht einmal die Allokution dazu nutzen, um gegen Anklage, Prozess und Urteil zu opponieren. Frost hatte schon beim Prozess ausdrücklich auf ein letztes Wort verzichtet, das durch den Prisoners‘ Counsel Act von 1836 allen Angeklagten in Strafverfahren ausdrücklich zugestanden worden war.145 Mit dem last word clause wurde eine traditionelle, in der Regel allenfalls geduldete, vielfach nicht zu unterdrückende Praxis formalisiert und legalisiert, damit aber auch entschärft146: Was die Angeklagten jetzt noch sagten, war Bestandteil des „erlaubten Konflikts“. Neben der Fallreservation gab es zwei andere formale Wege, um einen Revisionsprozess in Gang zu bringen, nämlich erstens durch eine motion in arrest of judgement und zweitens durch eine motion for a new trial. Mit einer erfolgreichen motion in arrest of judgement ließ sich ein writ of error erwirken, mit dem wiederum ein Überprüfungsprozess vor der King’s bzw. Queen’s Bench initiiert werden konnte (bzw. vor dem Oberhaus, wenn die Queen’s Bench die erste Instanz gewesen war). Die motion musste vor dem Ausspruch des Urteils durch den Richter gestellt werden. Der Schweizer Prozessbeobachter Rüttimann wies darauf hin, dass die Allokution dafür genutzt wurde.147 Die traditionelle Frage: What can you say, why judgement of death and execution should not be awarded against you according to law?148 wurde also in vielen Fällen weder dazu genutzt, um den Angeklagten vorzuführen,149 noch dazu, um diesem noch eine Art letztes Wort zu ermöglichen, bei dem er etwa seine Unschuld beteuern oder um Gnade bitten konnte. Vielmehr blieb die Allokution durch juristische Sprache überformt, wenn an diesem Punkt anstelle von Unschuldsbehauptungen die motion in arrest of judgement vorgebracht wurde.150 Begründet werden konnte dieses Gesuch ausschließlich mit einem fehlerhaften Indictment, das dann, als Pergamenturkunde, zum Gegenstand des Revisionsprozesses wurde.151 Neben dem Anklagetext als solchem konnten dabei auch die vom Clerk auf der Urkunde förmlich vermerkten Prozessereignisse wie das Pleading, das Challanging, die Allokution und das Urteil moniert werden. Es war recht voraussetzungsreich, einen writ of error zu erwirken. Es setze juristischen Sachverstand voraus, aber auch, dass man das Indictment überhaupt ausgehändigt bekam und auf Fehler hin untersuchen konnte. In gewöhnlichen Prozessen waren zwar teilweise Anwälte zugegen. Die Indictments wurden aber in solchen Fällen noch bis ins späte 18. Jahrhundert nicht zugänglich gemacht (und bis zum Prisoner’s Counsel 144 145 146

147 148 149 150 151

4 RST 155. Cairns, Advocacy, 182. Es wurde darauf hingewiesen, dass in administrativen und juridischen Kontexten informelle Praktiken, die sich nicht unterdrücken lassen, nicht selten formalisiert werden, vgl. Emich, Die Formalisierung des Informellen. Wie beim Prozess gegen Layer, vgl. S. 412f. 27 ST 454. Herrup, The common peace, 192. Rüttimann, Ueber die englische Strafrechtspflege, 100. Baker, The legal profession, 298.

588

1780–1850: Normalisierungsregime

Act von 1836 nur ausnahmsweise). Es verwundert daher nicht, dass Anträge auf Urteilskassationen, motions in arrest of judgement, nur in Hochverratsprozessen gestellt wurden und die Verfasser der Rechtskompendien des frühen 19. Jahrhundert für diese Praxis auch immer nur auf die state trials verweisen konnten.152 Eine motion for a new trial konnte sowohl vor als auch nach dem Urteil gestellt werden.153 Begründet werden konnte sie mit einer fehlerhaften Auswahl der Geschworenen, deren Fehlverhalten beim Prozess oder bei der Entscheidungsfindung. Ebenso war die Behinderung beim Stellen von Anträgen eine mögliche Begründung, zudem das Nichtberücksichtigen von oder das Auftauchen neuer Beweise sowie Beschwerden über das Betragen des Richters. Förmlich gestellt wurde ein solche motion for a new trial ebenfalls durch einen writ of error.154 Erlaubt waren motions for a new trial allerdings nicht bei Hochverrats- und Felonieprozessen, auch nach 1696 bzw. nach 1836 nicht.155 Bei misdemenanours waren solchen Anträge zwar erlaubt, aber nur dann wenn der Prozess vor der King’s Bench stattgefunden hatte (was bei diesen geringfügigen, nicht an Leib und Leben bestraften Delikten sehr selten der Fall war).156 Es gab zwar Ausnahmen von dieser Regel, die aber juristisch aufwendig begründet werden mussten und praktisch nur bei Personen vorkamen, die sich einen sehr guten Anwalt leisten konnten. Bankiers fielen darunter, aber auch – und darum geht es hier – Radikale, die wegen seditious conspiracy angeklagt worden waren. Verhandlungsgegenstand waren bei Anträgen auf Urteilskassation bzw. auf ein new trial nicht umstrittene Sachverhalte (matters of fact), sondern ausschließlich Rechtsfragen (matters of law). Nur wenn bei der Revision tatsächlich auf ein new trial entschieden worden wäre, hätte dieses wieder die Form eines regulären Strafprozesses gehabt. Das Recht, einen Antrag auf ein new trial zu stellen, hatten nicht nur die Angeklagten, sondern auch die Kronanwälte.157 Ob allerdings das Aufkommen von Revisionswegen als Fortschritt und Beitrag zu mehr Rechtssicherheit gesehen werden kann, bleibt zu diskutieren.158 Meine These dazu ist: Ähnlich wie bei den Strafverteidigern profitierte davon auch das Rechtssystem selbst, dem mit den Revisionsverfahren ein wichtiger Schritt zur „operativen Selbstschließung“ gelang. Was das genau heißt, soll im Folgenden an drei Beispielen für Anschlussprozesse herausgearbeitet werden. Es handelt sich um Prozesse, die mit unterschiedlichen und kombinierten Mitteln initiiert wurden und die sowohl mit der Bestätigung der Urteile endeten als auch mit einem Freispruch. Operative Schließung zeigt sich nicht nur durch die Bestätigung von Urteilen, sondern in der Bestätigung von juristischen Entscheidungen durch juristische Verfahren. 152 153 154 155 156 157 158

In Zivilprozessen waren solche motions dagegen schon seit langem üblich. Bentley, English criminal justice, 281ff. Ebd, 281. Ebd. Ebd. Mittermaier, Das englische […] Strafverfahren, 534. Vgl. für die jüngere Diskussion McGowen, Forgery and the twelve judges; Oldham, Informal lawmaking.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

589

Thomas J. Wooler, 1820 Mit dem Vorwurf der Verschwörung zur Vorbereitung von Aufruhr (seditious conspiracy) wurden der radikale Publizist Thomas J. Wooler (1786–1853) und vier andere Reformer für eine Massenkundgebung am 12. Juli 1820 in Newhall Hill in Warwickshire verantwortlich gemacht.159 Auch hier wurde mit dem seditionDelikt ein Hochverratsprozess zweiter Klasse geführt. Dieser fand am 3. August in Warwick statt. Von Anfang an beschwerten sich die Angeklagten und ihre Anwälte über die Auswahl der Geschworenen, die allesamt aus dem niederen Adel stammten und teilweise im Dienst der Krone standen. Der vorsitzende Richter, Lord Chief Baron Richards, der in Westminster dem Exchequer-Gericht vorsaß, wollte davon aber nichts hören. Der eintägige Prozess endete mit Schuldsprüchen bei allen Angeklagten.160 Unmittelbar darauf bat der prozesserfahrene Wooler den Richter um die Unterzeichnung einer sogenannten bill of exception. Dabei handelte es sich um ein im Zivilprozess längst etabliertes Mittel: Wurde der Einwand (exception) eines Beklagten vom Richter während des Prozesses zurückgewiesen, dann hatte dieser das Recht, seinen Einwand schriftlich aufzusetzen und vom Richter die Siegelung dieses Schriftstücks zu verlangen. Auf diese Weise ließ sich später ein writ of error erwirken.161 Der Richter wies es allerdings zurück, die bill an Ort und Stelle zu unterzeichnen: Wooler:

I tender a bill of exceptions.

Lord Chief Baron:

I cannot sign it at present.

Wooler:

At present your Lordship declines.

Lord Chief Baron:

Yes, I do at present. I wish to consider of it.162

Auch hier handelte es sich wiederum um eine Entscheidung zur – vorläufigen – Nicht-Entscheidung, die im Verfahrensprogramm den Effekt hatte, mit den Rechtsfolgen, also dem Urteil so lange zu warten, bis über die Siegelung des Antrags und die daraus möglicherweise folgende Verhandlung über ein new trial entschieden worden war. Über die Siegelung wurde erst während der folgenden Sessionsperiode (Michaelmas term) am 10. November entschieden, also drei Monate nach dem 159

160 161 162

Gegen Wooler waren zuvor bereits zwei Prozesse wegen seiner als aufrührerisch kriminalisierten Schriften geführt worden, und die Prozesse hatte er, wie andere Radikale auch, als Bühne für sein politisches Gegentheater genutzt. Anhand dieses Materials hat wiederum James Epstein seine Pionierstudie über widerständiges Verhalten vor Gericht um 1800 verfasst, vgl. Epstein, Radical expression, 29–69. Zum Hintergrund und Prozessverlauf ganz knapp Epstein, Radical expression, 66ff. Allg. zu Wooler auch Belchem, Republicanism. 1 RST 785–883. Biener, Das englische Geschworenengericht, 192. 1 RST 882f.

590

1780–1850: Normalisierungsregime

Prozess. Dazu trafen sich der Kronanwalt Balguy, die Anwälte der Angeklagten und Wooler selbst im Amtszimmer von Richter Richards in der Serjenant’s Inn. Nach kurzer Diskussion – Balguy bestand darauf, dass es keinerlei Grund für einen Einwand gebe – entschied Richards, dass er die Urkunde siegeln werde.163 Die Verhandlungen um ein new trial nahmen rund zwei Wochen später, am 23. November 1820, vor der King’s Bench ihren Anfang, wobei vor allem Woolers Anwalt Thomas Denman (ab 1832 Lord Chief Justice) die Gründe für die Ablehnung der Geschworenen vortrug. Die Verhandlungen wurden bis zur Vorlage weiterer Dokumente auf die nächste Sitzungsperiode (Hilary term) vertagt. Weiter ging es daher erst am 31. Januar 1821, eine weitere Sitzung folgte am 5. Februar, bevor dann die Entscheidung durch den Vorsitzenden der King’s Bench, Charles Abbott, am 25. Mai während des Easter term verkündet wurde – The Court took time to consider, hieß es lapidar zur Begründung dieser langen Phase in den Akten. Der Antrag auf ein new trial wurde zurückgewiesen, weil die Anwälte keinen Beweis für die Voreingenommenheit der Geschworenen hatten vorlegen können, etwa eine belegbare Äußerung über einen der Angeklagten.164 Am 30. Mai 1821 konnte daher der Prozess aus dem zurückliegenden Sommer wieder aufgenommen und abgeschlossen werden, allerdings nicht in der Provinz, sondern weiter vor der King’s Bench, wo der bisherige Prozessverlauf anhand der Verlesung der Aufzeichnungen von Richter Richards gleichsam in die Sitzung hineinkopiert wurde. Genauso wie bei den Verhandlungen um ein new trial waren auch diesmal die Anwälte und Kronanwälte anwesend, dazu aber auch sämtliche Angeklagten selbst, denen hier großzügig das Wort erteilt wurde. Sie nutzten diese Gelegenheiten zur neuerlichen Darlegung ihrer politischen Überzeugungen – sehr zum Leidwesen ihrer Anwälte, die fürchteten, dass die Unbeirrbarkeit des einen Angeklagten dem anderen negativ ausgelegt wurde.165 Denn auch bei Prozessen um misdemeanours gab es vor dem Urteil Allokutionen, die bei Delikten mit einem disponiblen Strafrahmen (Buß- und Gefängnisstrafen) den Sinn erhalten hatten, Anknüpfungspunkte für mildernde Umstände zu produzieren, und zwar auch im Medium der Performanz, indem sich die Angeklagten reumütig aufführten und Besserung gelobten. Von einem solchen Verhalten waren Wooler und die anderen Radikalen allerdings weit entfernt. Alle fünf versuchten immer wieder aufs Neue, das ganze Verfahren ins Unrecht zu stellen oder noch einmal über den Fall zu verhandeln. Anders als bei ihrem Prozess in Warwick bekamen sie dafür in der Westmister Hall allerdings vom Publikum keinen Applaus. Zwar registrierten die anwesenden Zeitungsreporter durchaus ihre politischen Vorstöße, jedoch auch, wie sie immer wieder vom Richter herablassend ermahnt wurden (Pray Sir, be quiet. You have been more than once admonished).166 Wooler wurde schließlich zu fünfzehn 163 164 165 166

1 RST 883. Barnewall / Alderson, Reports of cases, 471–493. Denman expressed his hope that his client would not suffer by anything said by the other defendant, 1 RST 928. 1 RST 937. Über den Fall berichteten ausführlich etwa The Morning Chronicle, 2. Juni 1821, Nr. 16262; The Examiner, 3. Juni 1821, Nr. 700; Freeman‘s Journal and Daily Commercial Advertiser, 9. Juni 1821.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

591

Monaten Haft im Gefängnis von Warwick zuzüglich einer Geldbuße verurteilt, die anderen zu ähnlichen oder geringeren Strafen. In den Zeitungen und Zeitschriften hieß es, das Urteil sei erst nach eingehender Überprüfung der Einwände ergangen. Diese Korrektheit des Verfahrens wurde auch im Ausland registriert. So vermerkte etwa die (restaurativ gesinnte) Tageszeitung Oesterreichische Beobachter, das Urteil sei erst gefällt worden, nachdem alle von den Beklagten erhobenen Einwendungen wegen angeblichen Mangels an Erfüllung der erforderlichen Formalitäten ausführlich erörtert und mit guter Begründung verworfen worden seien.167 Daniel O’Connell, 1844 Revisionen konnten allerdings auch ganz anders ausgehen. Der Fall des irischen Unabhängigkeitskämpfers Daniel O’Connell (1775–1847) endete 1844 mit einem Freispruch durch das Oberhaus.168 Die Anklage gegen O’Connell lautete ganz ähnlich wie bei Wooler auf seditious conspiracy. O’Connell und seine Unterstützer hatten im Herbst 1843 nahe Dublin verbotenerweise Versammlungen von über 100.000 Personen organisiert, sogenannte monster meetings, um die Rücknahme (repeal) der Unionsakte von 1801 zu erzwingen, die Irland mit dem Rest von Großbritannien zum Vereinigten Königreich zusammengeführt hatte.169 Nach einem drei Wochen dauernden Prozess vor der Queen’s Bench in Dublin wurde O’Connell am 10. Februar 1844 von den Geschworenen schuldig gesprochen, aber noch nicht verurteilt. Bereits drei Tage später wurde im Oberhaus Kritik an dem Verfahren geäußert. Kein geringerer als der Viscount Normanby, der zwischen 1835 und 1839 Gouverneur (Lord Lieutenant) von Irland und anschließend bis 1841 Innenminister gewesen war, übte scharfe Kritik an dem Verfahren, an der Zusammenstellung der Jury (alle 60 katholischen Kandidaten waren ausgeschlossen worden) und an der bigotten Anklageführung des Kronanwalts. Das Verfahren sei symptomatisch für die ganze miserable Irland-Politik.170 Im Unterhaus schlug der liberale Oppositionspolitiker Lord John Russell vor, einen Ausschuss einzusetzen to inquire in the state of Ireland.171 Außerdem, so der spätere Premierminister, habe O’Connell keinen fairen Prozess gehabt.172 O’Connells Schuldspruch wurde also von den oppositionellen Whigs als politisch heikel eingestuft. O’Connell, der immer noch Mitglied des Unterhauses war, reiste nach dem Verdikt im März nach London, wo man ihn nicht nur in den Kreisen der Chartisten gefeiert hatte, sondern auch im Unterhaus, wo er am 14. Februar mit großem Hallo seinen Platz einnahm: On Mr. O’Connell’s arrival at the house, he had scracely reached the chair of the Sergeant-at-Arms when such a cheer 167 168 169 170 171 172

Oesterreichischer Beobachter, Sonntag, 17. Juni 1821, Nr. 168, S. 782. Jones, The judicial role of the House of Lords before 1870, 11. Aus der Fülle an Literatur sei nur verwiesen auf Colantonio, ‚Democracy‘ and the Irish people. Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser, 16. Februar 1844. 5 RST 669, FN a. Grube, At the margins of victorian Britain, 15.

592

1780–1850: Normalisierungsregime

arose from all members of the Opposition benches as we have not heard except after a triumphant division.173 Der Antrag auf ein new trial wurde indes von der Dubliner Queen’s Bench in der Zwischenzeit zurückgewiesen. Nach seiner Rückkehr nach Dublin folgten im Mai noch weitere Verhandlungen wegen der nunmehr eingereichten motion in arrest of judgement, die aber am 30. Mai 1844 ebenfalls abgelehnt wurde. Noch am gleichen Tag trat O’Connell daher seine Haft unter vergleichsweise komfortablen Bedingungen im Dubliner Richmond-Gefängnis an.174 Für die konservative Regierung unter Premierminister Robert Peel galt dies eigentlich als Sieg, und auch die Königin war zufrieden, O’Connell im Gefängnis zu sehen. Dennoch hielt man eine baldige Freilassung für politisch sinnvoll, um die Lage in Irland wieder zu beruhigen.175 O’Connell sollte daher anlässlich des Besuchs der Königin in Irland begnadigt werden.176 Als O’Connell davon erfuhr, erklärte er jedoch, dass er lieber im Gefängnis bleibe als Gnade vor Recht zu erlangen.177 Entweder werde das Oberhaus das Urteil aufheben, oder er bleibe für das Jahr hinter Gittern. Tatsächlich hatten O’Connell und seine verurteilten Mitstreiter im Gefängnis sofort damit begonnen, writs of error aufzusetzen, worin in 34 Punkten Verfahrensunregelmäßigkeiten aufgelistet und begründet wurden.178 Bereits am 4. Juli stellte der Queen’s Counsel179 Sir Thomas Wilde (1782–1855), einer der angesehensten Juristen des Landes, den Fall im Namen von O’Connell im Oberhaus vor.180 Es handelte sich dabei bis zur Verkündigung der Entscheidung am 4. September stets um öffentliche Verhandlungen, bei der auch Journalisten und selbstständige Stenographen anwesend waren  – auf deren Artikeln und Mitschriften auch meine Ausführungen beruhen. Verhandelt wurde zunächst am 4., 5., 8. und 9. Juli, dabei argumentierte Wilde in großer Ausführlichkeit, dass das Delikt conspiracy ohnehin schon mehr als unklar definiert und im vorliegenden Fall aber besonders unzulänglich appliziert worden sei. Das Indictment erfülle weder in der Form noch inhaltlich die hohen Anforderungen des Rechts: The form of the present indictment is utterly inconsistent with justice, which requires that persons should receive such adequate information of the crime charged against them as may enable them to prepare their defence. Zudem sei es aber auch nicht – und hier klingt schon eine moderne Funktion juristischer Argumentation durch, die nicht auf Verständlichkeit für die Betroffenen zielt, sondern auf Revisionsfestigkeit, die sich also durch 173 174 175 176 177 178 179

180

The Morning Chronicle, 16. Februar 1844, Nr. 23165. Dazu oben. S. 542. Murphy, Abject loyalty, 46. Der Besuch fand allerdings erst 1849 statt. Geoghegan, Liberator, 145. 5 RST 735–740. Zu Queen’s Counsel wurden besonders erfahrene und qualifizierte Juristen auf Vorschlag des Lordkanzlers berufen. Es handelte sich dabei nicht um Kronanwälte, weil auch selbständige Anwälte auf diese – finanziell einträglichen – Ehrenstellen berufen wurden. Sie waren letztlich die Nachfolger der Serjeants-at-Law, die im 19. Jahrhundert allmählich verschwanden. Queen’s Counsel lassen sich tatsächlich erst unter Königin Viktoria finden, dazu Duman, The English and colonial bars. 5 RST 740. Die anderen Verurteilten hatte ihre eigenen Anwälte.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

593

Selbst-, nicht durch Fremdreferenz auszeichnet181  – so verfasst worden, dass ein übergeordneter Gerichtshof darüber befinden könne: An indictment should also so present the charge as to give to an appellate court the opportunity of deciding whether, in point of law, a crime had been committed. The present indictment prevents a good defence at first and a chance of appeal afterwards.182 Die Vertreter der Dubliner Häftlinge stellten in den folgenden Verhandlungstagen weitere Punkte vor, vor allem hinsichtlich der Zusammenstellung der Jury. Die Kronanwälte – und zwar sowohl der Attorney General Sir William Follett als auch der eigens angereiste Attorney General für Irland, Cusack Smith, hatten bei diesem, vor den Mitgliedern des Oberhauses stattfindenden Verfahren das Recht auf eine ausführliche Replik, zudem gab es Zeit für eine Aussprache zwischen den Parteien. Das Revisionsverfahren traktierte also juristische Probleme von hoher Komplexität, es ging nicht einfach nur um die Frage der dubiosen Auswahl der Geschworenen, sondern auch um dogmatische Fragen: etwa ob ein unzulässiger Anklagepunkt die ganze Anklage ungültig machte, ob ein defizitäres Indictment einen Grund für die Aufhebung des Urteils darstellte, ob die rechtmäßigen, aber vom Dubliner Gericht abgelehnten Einwände gegen die Jury-Auswahl an sich schon ein Grund für eine Revision seien usf. Es handelte sich somit um Fragen, die nur aufgrund juristischen Sachverstands behandelt und entschieden werden konnten. Die Lords konsultierten daher die Westminster-Richter, die traditionell dem Oberhaus als Rechtsberater zur Verfügung standen. Die Richter wollten auf die – in elf Punkten verschriftlichten vorliegenden – Fragen aber erst nach der Rückkehr von ihrer sommerlichen Rundreise zu den Assisen antworten. Als man sich am 2. September dann wieder im House of Lords versammelte, ging der Chief Justice Tindal mit seiner Antwort voran. Nach seiner Auffassung gab es bei den meisten Punkten keinen Grund für eine Revision, bei den zwei zentralen Punkten, die die Anklageschrift und die Auswahl der Geschworenen betrafen, aber schon.183 In der Folge trugen die anderen Richter dissentierende Meinungen zu einzelnen Punkten vor, zumeist durchsetzt von dem Verweis auf Präzedenzfälle und Rechtsautoritäten wie Edward Coke. Dieser Abschnitt des Verfahrens wurde am 4. September am gleichen Ort fortgesetzt. Am Ende blieben die Richter in ihren Auffassungen gespalten, und anders als bei der Entscheidung durch die Richterbank wie im Fall von Frost, wurde am Ende nicht abgestimmt. Die Richter sollten nämlich lediglich einen Rat erteilen und kein Urteil fällen. Doch nicht einmal eine Mehrheitsmeinung ließ sich identifizieren, weil die Richter bei verschiedenen Punkten unterschiedlicher Meinung waren. Selbst die bei dieser Sitzung anwesenden Reporter der Tageszeitungen sahen unklare Mehrheitsverhältnisse. Ging der Korrespondent der konservativen Times davon aus, dass die Richter überwiegend davon abgeraten hätten, das Urteil zu revidieren, sah sich sein Kollege vom liberalen Morning Chronicle durch das Richtervotum in seiner 181 182 183

Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 393. 5 RST 743. 5 RST 777ff.

594

1780–1850: Normalisierungsregime

schon während des Dubliner Prozesses geäußerten Auffassung bestätigt, dass das Urteil should be reversed, annulled, and holden for nought.184 Ein Rat an die Lords, wie sie nun über den writ of error entscheiden sollten, ließ sich aus den Voten so natürlich nicht ableiten.185 Who shall decide when doctors disagree, kommentierte dazu auch die Times.186 Dennoch müssten die Lords nun genau das tun: entscheiden. Doch bevor es zu diesem Schritt kam, gab der älteste Lord Wharcliffe zu Bedenken, dass das Oberhaus sich bei der Entscheidung über diese Frage faktisch als ein Court of Appeal darstelle. Es sei aber in diesem Fall (I say, under such circumstances) und bei dieser schwierigen Entscheidung für das Ansehen des Hauses wichtig, wenn dabei nur die Mitglieder des Oberhauses abstimmten, die selber rechtskundig seien: I beg leave humbly to suggest, that such of your Lordships as are not Lords learned in the law, and have not heard the whole case, and cannot be supposed to be acquainted with the whole of the reasoning upon it, and who are, therefore, not qualified to pass a judgment upon such an occasion, should abstain altogether from voting.187

Wharcliffe schien ein Gespür dafür zu besitzen, dass bei der Abstimmung über diese Frage der Eindruck vermieden werden musste, dass es sich um eine ‚politische’, und nicht um eine juristische Entscheidung handelte: It is far better that the character of this House as a court of appeal and a court of law should be maintained, even though the decision should, in the opinion of your Lordships, be objectionable, as being contrary to that of the judges, and although it should prove inconvenient in this particular instance.188 Und dies ließ sich nach seiner Auffassung dadurch erreichen, dass Rechtslaien sich in diesem Fall ihrer Stimme enthielten: if […] noble Lords, unlearned in the law, should interfere to decide such questions by their votes, instead of leaving them to the decision of the Law Lords, I very much fear that the authority of this House as a court of justice would be very greatly lessened throughout the country.189 Der Vorschlag wurde angenommen und die Probleme bei dieser Entscheidung wurden zumindest auf der Ebene der Darstellung dadurch entschärft, dass man sie (vermeintlichen) Experten überantwortete. Diese aristokratischen Experten votierten nun bei zwei Gegenstimmen für die Aufhebung des Dubliner Urteils.190 Als die Nachricht davon am Abend des nächsten Tages Dublin erreichte, 184

185

186 187 188 189 190

The Morning Chronicle, Donnerstag, 05. September 1844, Nr. 23356. Weiter heißt es: We always anticipated, and always stated, that such would be the ultimate result. We must acknowledge that our anticipations were occasionally mixed with apprehensions. Our doubts were, however, diminished, in proportion as we arrived nearer to the final termination; and upon hearing the reasons assigned by the majority of the judges in the House of Lords for confirming the judgement, we immediately became convinced that it would be reversed. Ähnlich wie bei dem Umfrageverfahren auf dem Reichstag des Alten Reichs wurde über die Voten am Ende nicht abgestimmt, ein Mittel zur eindeutigen Identifizierung der Mehrheitsmeinung gab – und gibt – es bei bench trials daher nicht, vgl. dazu Ernst, Abstimmen über Rechtserkenntnis. The Times, 05.09.1844, Nr. 18707, S. 4. 5 RST 911. Ebd. Ebd. 5 RST 914.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

595

verließen O’Connell und die anderen das Gefängnis, kehrten aber am nächsten Tag dorthin zurück, um in einem großen Triumphzug von ihren Anhängern nach Hause eskortiert zu werden.191 Bei aller Skepsis gegenüber dieser Entscheidung sah aber auch die Times einen Triumph, nämlich den des englischen Rechts in Irland: The Irish cannot at any rate now complain of the injustice of England: but the Irish certainly cannot complain of it […] they must acknowldge that it is law, and law only – English law and justice – which has done this […] the unpolluted purity of English law.192 William Smith O’Brien, 1849 Viel eindeutiger, geradezu unzweifelhaft erschien den Richtern und Law Lords hingegen der Fall, über den sie am 11. Mai 1849 zu entscheiden hatten. Der writ of error, der im Namen des wegen Hochverrats zum Tode verurteilten irischen Revoluzzers William Smith O’Brien dem Oberhaus vorgelegt worden war, wurde zurückgewiesen.193 Der Lordkanzler Cottenham erklärte nach dem einstimmigen Votum der Oberrichter, er habe nicht den geringsten Zweifel gehabt, dass der writ of error keinen Erfolg haben werde: The reasons assigned by the learned judges in Ireland, who certainly have most learnedly and most elaborately, and in a manner highly creditable to them, investigated the several grounds upon which the plaintiffs in error rely, leave no doubt as to the correctness of their decision. Auch andere Lords bekundeten ihre vollkommene Zustimmung und ihre admiration of the very able manner in which these questions have been treated by the Lord Chief Justice of Ireland and the other learned judges of the Court below.194 Tatsächlich war der Fall zuvor bereits der Dubliner Queen’s Bench aufgrund einer motion in arrest of judgement vorgelegt und von dieser abschlägig beschieden worden. O’Briens Anwalt James Whiteside hatte in seiner motion einen ganzen Katalog an Fehlern aufgelistet. Bestritten wurde unter anderem, dass es sich bei der Revolte überhaupt um Hochverrat gehandelt hatte, dass die Fristen eingehalten (Zustellung von Indictment und Zeugenliste) und die Geschworenen korrekt ausgewählt wurden. Die Einwände besaßen in diesem Fall aber tatsächlich wenig Gewicht: Zum einen waren die Fristen nachweislich eingehalten worden, zum anderen wurde nicht klar, was an den Kandidatenlisten auszusetzen war. Mit dem Argument, dass keine oder zu wenige Katholiken zur Auswahl gestanden hätten, konnte man diesmal schon deswegen nicht kommen, weil O’Brien Protestant war. Die zentrale Frage bei der Verhandlung über die motion in arrest of judgement war ohnehin, ob es sich bei einer Schießerei im irischen Ballingarry zwischen O’Briens Young Irelanders und der Royal Constabulary um levying war im Sinne des Hochverratsgesetzes gehandelt hatte. Hier konnten die Kronanwälte nicht nur auf eine 191 192 193 194

Ebd., FN b. The Times, 05. 09.1844, Nr. 18707, S. 4. Hodges, Report of the trial of William Smith O’Brien, for high treason, 983. 7 RST 378f.

596

1780–1850: Normalisierungsregime

Reihe von Präzedenzfällen verweisen. Sie wussten zudem, dass das bereits ergangene Todesurteil tatsächlich nicht ernst gemeint war195, auch deshalb bestanden sie unbeirrbar auf ihrer Auslegung von Aufruhr als Hochverrat, die zu dieser Zeit als ebenso überholt erschien wie die grausame Hinrichtung eines Aufrührers. Zwar sollte ein Exempel an der Young Ireland-Bewegung statuiert werden, die nach dem Scheitern von O’Connells Repeal-Bewegung und radikalisiert durch die Hungerkrisen seit 1845 den Weg der Gewalt eingeschlagen hatte und sich seitdem als physical force agitators verstand.196 Aber dieses Exempel sollte gerade nicht dazu führen, die Anführer der Bewegung auf dem Schafott zu politischen Märtyrern werden zu lassen.197 Der Prozess und die Revisionsverfahren waren von den Anklagevertretern also die ganze Zeit doppelbödig betrieben worden: Man zielte auf ein Urteil, das nicht im Wortsinn vollstreckt werden sollte. Bei dieser hintersinnigen Strategie unterstützten die Mitglieder des Oberhauses die Dubliner Juristen ohne Vorbehalte. Ebenso wie schon bei John Frost wurde die Strafe von der Regierung unmittelbar in lebenslange Verbannung nach Tasmanien umgewandelt. Schon 1854 wurde O’Brien begnadigt, 1856 kehrte er nach einer ausgedehnten Europareise nach Irland zurück.198 Operative Schließung Im Anschluss an die Revision des Urteils von Daniel O’Connell kommentierte die Times, die die Entscheidung eigentlich überhaupt nicht gutheißen wollte: The law put Mr. O’Connell in prison, and the law has taken him out. The law is his enemy and his friend; but it is law in either case.199 Verurteilung und Freispruch durch Revision wurden also gleichermaßen als rechtsförmige Vorgänge beschrieben. Mit der Terminologie der Systemtheorie könnte man hier von „operativer Schließung“ sprechen. Damit ist gemeint, dass rechtliche Operationen nur durch juristisch codierte Kommunikation selbst in Gang gesetzt werden können  – und nicht etwa unmittelbar durch die Sprachhandlungen der sozialen Umwelt wie Protestkundgebungen oder Presseberichte.200 Politischer und sozialer Einfluss auf den Rechtsbetrieb wird damit keineswegs in Abrede gestellt. In einem operativ geschlossenen Rechtssystem erzeugen solche Einflüsse aber keine direkten Effekte; sie müssen für den Rechtsbetrieb gleichsam erst noch übersetzt und umcodiert werden, um anschlussfähig zu sein. (An-)Klageschriften oder die Vertretung eines ‚Falls‘ durch einen Anwalt sind Beispiele für solche Übersetzungen und Codierungen. Operative Schließungen steigern die Autonomie des Rechtsystems und seiner Verfahren, 195 196 197

198 199 200

McConville, Irish political prisoners, 1848–1922, 43, FN 120. Mather, Public Order in the Age of the Chartists, 195. McConville, Irish political prisoners, 1848–1922, 43. Tendenzen zu einer besonderen, auch martyrologisch grundierten Erinnerungskultur gab es gleichwohl schon vor der Verbannung, insofern ein Denkmal geplant wurde, das an das Leid der Verurteilten erinnern sollte, vgl. The Times, 04.07.1849, S. 5. Davis, Revolutionary imperialist. The Times, 05.09.1844, S. 4. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 62f.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

597

also die Steuerung von Austauschprozessen mit der sozialen Umwelt „durch systemeigene Strukturen und Prozesse“.201 Gesprochenes Recht kann nur durch Recht selbst, nämlich durch weitere Verfahren verändert werden202, es orientiert sich nur an seinen eigenen Operationen, nur an der Unterscheidung von Recht und Unrecht, aber nicht an gesellschaftlicher Missbilligung oder den Unschuldsbehauptungen der Betroffenen.203 In der modernen Gesellschaft ist ein (idealerweise inkorrumpiertes) Rechtssystem durch operative Geschlossenheit auf verschiedenen Ebenen gekennzeichnet: auf der eines einzelnen Verfahrens, auf der des Instanzenzugs oder auf der Ebene anwaltlicher Schriftsätze.204 Was für die Moderne als „schon gelöstes Problem“ vorausgesetzt werden kann: „Das Prinzip der operativen Geschlossenheit gilt ausnahmslos“205, muss in historischer Dimension erst rekonstruiert und in seiner Genese untersucht werden. Das heißt aber, genau hinzusehen, was bei den Verfahren passierte.206 Beim Prozess gegen Christopher Layer hatte der Anwalt Hungerford auch schon versucht, einen Antrag auf Urteilskassation zu stellen, weil der Einberufungsbescheid für die Geschworenen (Venire facias) nicht richtig terminiert war. Die Unschlüssigkeit des Richters konnte damals durch eine Art Weistum des Gerichtsdieners überbrückt werden, worauf sich eine kurze, aber ergebnislose Diskussion über weitere Rechtsfragen anschloss, die schließlich in der Verurteilung mündete. Der von Hungerford gestellte Antrag erzielte also nicht die erwünschte Wirkung, er wurde abgeblockt. Der eigentliche, unbeabsichtigte Effekt dieses Antrags bestand in der Überformung der Allokution mit juristischer Sprache, die dem Angeklagten kaum noch Chancen auf Selbstdarstellung ließen. In den Prozessen von Thomas J. Wooler (1820) und John Frost (1839/40) wurden hingegen Anträge gestellt, die die Richter vor ähnliche Entscheidungsschwierigkeiten stellten wie 1722 den Lord Chief Justice Sir John Pratt. Allerdings wurden bei den Prozessen im 19. Jahrhundert solche situativen Unentscheidbarkeiten nicht einfach verdrängt und Revisionsanträge abgelehnt. Vielmehr wurden sie ausdrücklich als Probleme festgestellt und als Entscheidungsaufgaben für weitere Verfahren ausgewiesen. Dass mit Annahme des Antrags (auch das war ein Rechtsakt!) nicht nur eine Vertagung der schwierigen Entscheidungen, sondern auch ein Ortswechsel einherging, war nicht nur eine Nebensache. Damit wurde die gerichtliche Situation in Warwick oder in Monmouth von Entscheidungserwartungen entlastet, die dort nicht einzulösen waren. Die Londoner Revisionsverfahren wiederum erschienen so nicht einfach als Fortsetzung der Prozesse aus der Provinz, sondern als eigenständige Verhandlungen. 201 202 203 204 205 206

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 69. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 2. Im Überblick dazu Calliess, Systemtheorie. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 62. Ebd., 95. Unbefriedigend sind dagegen globale Postulate, wonach sich „operative Schließung von Rechtssystemen irgendwo im 11. und 12. Jahrhundert, als in der Zeit der Entstehung der westlichen Rechtstradition“ vollzogen habe, so Calliess, Billigkeit und effektiver Rechtsschutz, 37.

598

1780–1850: Normalisierungsregime

Bei politisch heiklen Entscheidungen, und darum handelte es sich bei der Revisionssache von O’Brien auf jeden Fall, sorgte das Einschlagen des Rechtswegs dafür, dass Proteste vor Ort ausblieben. Diese konfliktdämpfenden Effekte, die das Einschlagen des Rechtswegs mit sich bringen, sind auch schon in der deutschsprachigen Protestforschung herausgestellt worden.207 Auch bei O’Brien war es keineswegs so, dass den Betroffenen klar gewesen wäre, dass es nicht zum Vollzug der Todesstrafe kommen würde – in Irland rechnete man mit großer Härte und Unerbittlichkeit bei der Bestrafung von Aufständischen. Vielmehr hatten die Verurteilten208, die im Dubliner Richmond-Gefängnis unter gewohnt bequemen Bedingungen einsaßen, aber vor allem auch ihre Unterstützer mit größter Unruhe auf die Entscheidung der Lords gewartet, so sah es zumindest der Korrespondent der Times. Selbst als man ihnen die Entscheidung eröffnet hatte, schienen sie noch auf Gnade zu hoffen, um die sie mit einer Petition auch gebeten hatten.209 Auch dies ging wieder mit dem Warten auf eine Entscheidung einher, und diese Erwartung einer noch kommenden Entscheidung wirkte sich auch dämpfend auf die noch vorherrschende Empörung in Dublin aus. Als O’Brien dann am 2. Juni mitgeteilt wurde, dass sein Gnadengesuch zwar abgelehnt worden sei, die Regierung aber die Todesstrafe in eine Verbannung umgewandelt hatte, hörte der Times-Reporter aus dem Gefängnis, that Mr. O’Brien was labouring under considerable depression of spirits, as though he had abandoned all idea of any further mitigation of his punishment.210 Schließlich profitierte aber auch die Justiz – wie das Feld der mit der Anwendung des Rechts befassten Institutionen, Verfahren und Personen mittlerweile gewöhnlich benannt wurde – auch ganz erheblich von den Revisionsverfahren, so unausdifferenziert und ungeordnet diese auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts letztlich noch waren.211 Man experimentierte offenbar noch mit den Verfahrensweisen. Mit den Anschlussprozessen verfügte der Rechtsbetrieb dennoch über ein systemeigenes Mittel zur Selbstkorrektur, aber auch zur Selbstbestätigung – und damit über einen Zuwachs an funktionaler Autonomie.212 Wenn der Konflikt erst einmal auf den Rechtsweg gebracht worden war, wurde er dort auch nach den rechtseigenen Mitteln zu Ende gebracht. Revisionsverfahren verhinderten sowohl, dass der Druck der Straße oder eine sonst wie artikulierte bzw. unterstellte öffentliche Meinung als solche ein Urteil abänderten, als auch, dass politische Interessen, und seien es die der Regierung oder der Krone, unmittelbar ein gefälltes Urteil bei207 208 209

210 211 212

Schulze, Bäuerlicher Widerstand, 141ff. Neben O’Brien waren dies Terence Bellew MacManus, James Orchard, Denis Tyne und Patrick O‘Donnell. The Times, 14.05.1849, S. 5; The Times, 19.06.1849, S. 8. In Tasmanien zeigte sich O’Brien übrigens als Lebemann, der vor seiner Rückkehr nach Irland noch eine ausgedehnte Europareise unternahm, also durchaus am Leben hing und nicht am „politischen Martyrium“, dazu Heaney, William Smith O‘Brien in Van Diemen‘s land. The Times, 04.07.1849, S. 5. Kritik daran, verbunden mit der Forderung nach einem ordentlichen Court of Appeal, übte etwa George Wingrove Cooke, Criminal Trials in England. Their Defects and Remedies, London 1834. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 62.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

599

seite setzen konnten. Das moderne Rechtssystem ist nicht autonom in dem Sinne, dass es gegenüber äußeren Einflüssen und Beeinflussungsversuchen vollkommen immun wäre213  – es gibt noch in der Gegenwart genug Beispiele dafür, dass öffentliche Empörung Auswirkungen auf gerichtliche Entscheidungen hat. Autonomie heißt vielmehr, dass von außen kommende Impulse und Informationen nicht gleichsam ungefiltert in die Praxis der Rechtsanwendung eindringen, sondern erst die Gestalt rechtlicher Mittel annehmen müssen.214 Dabei zeigte sich in den untersuchten Fällen aber auch, dass dies keineswegs darauf hinausgelaufen war, politischen Interessen lediglich eine rechtliche Fassade zu verschaffen. Im Fall von O’Connell erfolgte die Aufhebung des Urteils – und damit sein Freispruch – immerhin gegen den Willen von Premierminister Pitt und Königin Viktoria.215 Gerade bei diesem Fall zeigte sich im besonderen Maße, dass Revisionsverfahren nicht automatisch als Rationalisierungsprozesse fungierten: Die (per Mehrheit gefällte) Entscheidung der Lords erging, obwohl die Voten der Richter ambivalent geblieben waren. Ein Sieg der Gerechtigkeit war aber in den untersuchten Fällen immer auch ein Sieg der Justiz, jedenfalls im Sinne eines Zeichens für die Vortrefflichkeit von English law and justice, wie es die Times nach dem Urteil der Lords ausdrückte. Umgekehrt besaß aber natürlich auch die Bestätigung eines Urteils durch ein Revisionsverfahren legitimitätsstiftende Effekte. Das war nicht zuletzt deshalb so, weil auch ein Revisionsverfahren ein öffentliches Geschehen darstellte, das hier aufgrund der politischen Implikationen der Fälle auch für ein größeres Publikum von Interesse war. Als die Richter am 2. September 1844 ihre Voten im Fall O’Connell vortrugen, hatte eine große Anzahl an interessierten Personen schon frühmorgens vor dem (nach dem Brand von 1834 immer noch provisorischen) House of Lords angestanden, die nach Öffnung der Türen um 10 Uhr morgens in den Saal drängten: The space below the bar of the house was crowded with spectators and counsel.216 Auch am Tag der Entscheidung der Lords wurde es voll im Oberhaus. Wer nicht die Chance Abb. 74, aus: Freeman’s Journal, 06.09.1844. 213 214 215

216

Bzw. „autark“ in Luhmanns Terminologie, Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 69. Ebd. Es gab auch in der Presse genug Stimmen, die die Aufhebung des Urteils kritisierten und behaupteten, dass die Richter gesagt hätten, die repeal conspiracy sei illegal, criminal, deserving of punishment, and in the case sufficienty proved, so der konservativ-ländliche Derby Mercury, 04.09.1844 (Kapitälchen im Original). So das in Dublin erscheinende Freeman’s Journal and Daily Commercial Adverstiser vom 04.09.1844.

600

1780–1850: Normalisierungsregime

hatte, persönlich an dem Schlussakt im Fall O’Connell teilzunehmen, konnte überall im Vereinigten Königreich in den lokalen oder überregionalen Zeitungen von der Revision lesen, die dem Dubliner Freeman’s Journal vom 6. September 1844 eine echte Schlagzeile wert war. Genauso voll wie bei O’Connell war es aber auch im Oberhaus bei der Bestätigung des Urteils gegen O’Brien, und hier gab es ebenfalls eine intensive Presseberichterstattung. Meinungsstark trat dabei vor allem die Times hervor, die die Begründung des Revisionsantrags (writ of error) von Anfang an für unzureichend und frivolous hielt und sich mit der Entscheidung der Lords bestätigt sah: The plaintiffs in error had made out no case, and so there was an end of the matter. Wenn die Anwälte der Verurteilten geglaubt hätten, es würde wieder so laufen wie im Fall von O’Connell, dann wären sie eines Besseren belehrt worden: Because Mr. O’Connell was released upon appeal to the Lords, therefore Messers. Smith O’Brien, &c., were to be liberated by setting the same machinery in motion, and so the experiment was tried once more, though this time with a very different result. Auf dem Rechtsweg seien sie nun an ihr Ende gelangt: as far as legal forms go, there is now an end of the case.217 5. RESÜMEE Die Macht des Verfahrens zeigt sich nicht darin, Verurteilungen zu erwirken, sondern Entscheidungen jeglicher Art verbindlich zu machen. Auch Freisprüche mussten akzeptiert werden, vor allem von den Anklagevertretern. Insofern stand am Beginn dieses Kapitels der Hinweis darauf, dass die Bereitschaft zur Akzeptanz von unerwünschten Entscheidungen bei den Anklägern auf die gleiche Weise befördert wurde wie bei den Angeklagten auch: durch die symbolisch-verstrickende Mitwirkung am interaktiven Vollzug des Verfahrens. Anders als die Anklagevertreter litten die Verfahren selbst nicht unter den Freisprüchen. Im Gegenteil, diese sorgten in den Fällen der als Hochverräter angeklagten Jakobiner und Reformer für weitverbreitete Euphorie und bestärkten das Vertrauen in das Gerichtsverfahren als System zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen. Das emphatische und zelebrierte Vertrauen in das trial by jury ging dabei allmählich über in Systemvetrauen. Damit ist gemeint, dass die faktische Akzeptanz des Justizbetriebs durch Enttäuschungserfahrungen (aufgrund persönlicher Erlebnisse vor den Schranken der Justiz oder durch literarische Stilisierungen) nicht einfach erodierte. Ein vor allem auch durch Medien repräsentiertes Systemvertrauen nivellierte individuelle Sichtweisen und Justizkritiken und erwies sich auf diese Weise als Machtressource für Gerichtsverfahren. Es wurde auch durch skandalös verlaufene Hochverratsprozesse und Unschuldsbekundungen auf dem Schafott nicht erschüttert. Konkret beeinflussen ließ sich die Strafjustiz von solchen und anderen Formen gesellschaft217

The Times, 12.05.1844. Zugleich wurde dafür geworben, nicht die Todesstrafe anzuwenden  – it would be the height of absurdity to tack on a tragic ending to a drama in which there is involved so large an element of buffoonery, und stattdessen mit der Verbannung ein Exempel zu statuieren.

X. Akzeptanzbeschaffung: Freisprüche, Verurteilungen und Revisionen

601

lichen Protests gegen Gerichtsentscheidungen ohnehin immer weniger. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts deuteten sich andere Vorgehensweisen im Umgang mit den eigenen Entscheidungen an, die hier provisorisch als Revisionsverfahren bezeichnet wurden. Über Recht und Unrecht in Verfahren wurde selbst verfahrensförmig entschieden; eine Praxis, die man als operative Schließung im Justizsystem beschreiben kann und deren rudimentäre Anfänge bei den state trials des frühen 19. Jahrhunderts beobachtbar waren.

603

Ergebnisse Die vorliegende Arbeit hat am Beispiel von rund 30 englischen Hochverratsprozessen der Frühneuzeit und der Sattelzeit die allmähliche Herausbildung der Macht gerichtlicher Verfahren untersucht. Die Ausgangsüberlegung war, dass diese Macht weniger darauf beruhte, Entscheidungen und Urteile besonders überzeugend begründen zu können. Vielmehr, so die These, leistete die Form eines Gerichtsverfahrens einen erheblichen Beitrag zur Legitimation der Entscheidungen. Im Unterschied zu den kontinentalen Gerichtsprozessen, die seit dem 16. Jahrhundert überwiegend schriftlich und hinter verschlossenen Türen geführt wurden, wurden die englischen Hochverratsprozesse öffentlich und mündlich, als Interaktion unter Anwesenden geführt. Gerade diese öffentlich-interaktionelle Form eines Gerichtsprozesses konnte unter bestimmten Umständen zur „Legitimation durch Verfahren“ (Niklas Luhmann) beitragen. Für die Entwicklung des englischen Strafrechts und Strafverfahrensrechts besaßen Hochverratsverfahren einen herausragenden Stellenwert: Wenn die frühneuzeitlichen Juristen über das trial by jury in Strafsachen schrieben, dann bezogen sie sich dabei fast immer auf high treason. In diesen Prozessen, bei denen entweder der Angeklagte prominent oder der Fall spektakulär war, wurde das Verfahren überhaupt erst vollständig aufgeführt, im Unterschied zu den oft nur summarisch geführten Strafprozessen bei Mord oder Diebstahl. Bei Hochverrat wurde dem Verfahren Zeit gelassen, sich zu entfalten, konnten ausladende Anklage- und Verteidigungsreden gehalten werden, konnten Zeugen eingehend und gründlich ins Verhör genommen werden, wurden Formfragen und Einwände erschöpfend behandelt. Bei Hochverrat entwickelte sich das Verfahren zum bühnenreifen Drama mit einem umkämpften Schlusspunkt, wenn Kronanwälte, Richter, Angeklagte und (nach 1700) Anwälte um die Schlussfolgerungen aus dem Verlauf des Verfahrens stritten. Dieser Fokus auf Verfahrens-Macht hat der Beschäftigung mit den Prozessen allerdings stets bestimmte Relevanzgrenzen auferlegt. Im Unterschied zu anderen historischen Forschungen wurden Hochverratsverfahren hier nicht als Bestandteil und Reflexionsfläche von bestimmten politisch-sozialen Konfliktkonstellation betrachtet. Es ging also nicht um Hochverratsprozesse während des Bürgerkriegs oder der Thronfolgekrise 1678–1681 mit der Frage, was man aus den Verhandlungen vor Gericht über diese Konflikte und grundsätzliche Fragen der Verfassungs- und Sozialgeschichte lernen kann. Dagegen hat diese Arbeit die juridischen Prozesse selbst in den Mittelpunkt gerückt. Sie dienten als Beispiele für elaborierte Instanzen der Rechtsprechung mit der historisch veränderlichen Macht, verbindliche Entscheidungen herzustellen.

604

Die Macht des Verfahrens

Es soll an dieser Stelle nicht mehr darum gehen, die einzelnen Ergebnisse noch einmal zusammenzutragen. Diese Aufgaben übernehmen die Kapitelresümees. Ausgehend von den programmatischen Perspektiven, unter die diese Arbeit eingangs gestellt wurde, sollen vielmehr ihre zentralen Ergebnisse in vier Punkten gebündelt werden. In der Einleitung wurde diese Arbeit als Beitrag zur Kulturgeschichte der Rechtspraxis, als Rekonstruktion langfristiger Entwicklungen jenseits simplifizierender modernisierungstheoretischer Annahmen, als Fallstudie zur Ausdifferenzierung und operativen Schließung von Gerichtsverfahren sowie als Geschichte der Hochverratsprozesse ausgeflaggt. Welche Erkenntnisse wurden dabei jeweils gewonnen und wie hängen diese Perspektiven miteinander zusammen? Kulturgeschichte der Rechtspraxis Um einen Beitrag zur Kulturgeschichte der Rechtspraxis handelte es sich bei dieser Arbeit insofern, als hier mikrohistorische Annäherungen an das Prozessgeschehen mit Fragen der sozialen und medialen Wahrnehmung dieser Prozesse verschränkt wurden. Im Unterschied zu einer abstrahierenden oder idealtypischen Behandlung von Verfahren, wie sie für rechtshistorische und andere Zugangsweisen üblich ist, ging es hier um das soziale Eigenleben der jeweiligen Verfahren, um Konstellationen, Figurationen und Effekte, von denen nichts in den Verfahrensnormen stand, um Machtverhältnisse, die hinter dem Rücken der Akteure aufgebaut wurden. Mit dichten Beschreibungen habe ich herausgearbeitet, wie forensische Situationen definiert und abgegrenzt, wie verfahrenseigene Rollen hergestellt, gestützt oder unterlaufen, wie vor Gericht Konflikte ausgetragen, kanalisiert und entscheidbar gemacht wurden. In den Fokus gerieten dabei sowohl Diskurse und Dialoge als auch rituelle Handlungsmuster und die Förmlichkeiten des Verfahrens – und damit das Verhältnis von symbolisch-expressiven und technisch-instrumentellen Faktoren eines Verfahrens. Interaktion vor Gericht wurde dabei immer auch mit Blick auf die konkreten Akteure und ihre Handlungsspielräume beleuchtet. So wurde beobachtet, welche Optionen den Angeklagten im Verfahren offenstanden, welche Möglichkeiten auch für subversives Handeln existierten. Gleichzeitig wurde gefragt, welche Auswirkungen die zunehmende Formalisierung auf die Interaktionschancen der Beteiligten hatte. Beachtet wurden darüber hinaus die dinglichen Dimensionen des Verfahrens wie z.B. die räumliche Rahmung und das forensische Mobiliar oder Diskurs- und Aufschreibematerialien wie Federkiel, Papier und Akten. Neben dem mikrohistorischen Zugang stand auch die makrohistorische Untersuchung von zeitgenössischen Wahrnehmungen der Verfahren und ihrer Legitimationsweisen auf der Agenda. Dabei ging es vor allem um die Ebene der gedruckten Medien, die die untersuchten Prozesse von Anfang an begleiteten und im Laufe des Untersuchungszeitraums an Quantität immer mehr zunahmen, zunächst in Form von Pamphleten und Flugschriften, später in Form von Zeitungen. Manche Fälle erwiesen sich geradezu als Katalysator bei der Herausbildung einer durch agonale Publizistik erzeugten Öffentlichkeitssphäre.

Ergebnisse

605

Druckerzeugnisse werden jedoch nicht nur als Reflexionsmedien diskutiert, sondern auch als zusätzliche Legitimationsquellen. Dabei hat sich gezeigt, dass eine spezifische Rechtfertigungspublizistik in Form von Pamphleten im Laufe der Zeit immer weniger dazu geeignet war, die Defizite gerichtlicher Verfahren zu kompensieren. Dagegen scheint die zumindest nicht offensichtlich intentionale Berichterstattung über Gerichtsprozesse in Zeitungen bestärkende Effekte gehabt zu haben. Darüber hinaus wurden individuelle Perzeptionen von Verfahren auf der Grundlage von Selbstzeugnissen berücksichtigt. Schließlich kam auch die zeitgenössische juristische Fachliteratur als Beobachterin und Kommentatorin von Gerichtsverfahren in Betracht. Wenn die konkreten Praktiken von Verfahren zum Gegenstand der juristischen Literatur avancierten, wurden sie immer auch zum normativen Orientierungspunkt für zukünftige Fälle, dann trug die Literatur bei zur Legitimation von Verfahren, zur Institutionalisierung und Normalisierung des trial by jury. Rekonstruktion langfristiger Entwicklungen und Wandlungen Die historische und rechtshistorische Forschung hat die englischen Hochverratsprozesse bisher in einer eigentümlich unhistorischen Art und Weise untersucht. Man hat stillschweigend unterstellt, dass die Prozesse im 16. und 19. Jahrhundert letztlich nach den gleichen Verfahrensprinzipien abliefen und allenfalls immer fairer wurden. Dieser generalisierende Zugriff ist darauf zurückzuführen, dass die Historiker immer nur an Einzelheiten der Verfahren interessiert waren und diese im Übrigen als weitgehend fixes Schema betrachteten. In meiner Arbeit ging es jedoch gerade um die – häufig diskreten – Veränderungen und den allmählichen Wandel von Verfahren im Untersuchungszeitraum. Das wurde unter anderem an den sich ändernden Praktiken der Evidenzherstellung herausgearbeitet: Während die Verfahren im 16. und frühen 17. Jahrhundert als rhetorische Wettstreite abliefen (I-IV), dominierten nach der Restauration (1660) Zeugenverhöre – nicht zufällig in einer Zeit, in der auch in der Naturphilosophie der Royal Society der Status von Zeugen und Erfahrungswissen hervorgehoben wurde. So wie Robert Boyle Experimente als Verfahren (tryals) beschrieb, verstanden die Juristen Verfahren als Experimente, bei denen es um die kontrollierte Herstellung und Beurteilung von Wissen ging (V.2). Wenn Zeugenverhöre und Beweisaufnahmen die Struktur eines Verfahrens bestimmten, dann hatte das aber wiederum auch Konsequenzen für das Rollenverhalten und die Interaktionsmöglichkeiten der Beteiligten und damit für die Legitimationschancen der Verfahren. Die Ablösung persuasiver Evidenzstrategien in Form von Gerichtsreden als der dominanten forensischen Aktivität im 16. und frühen 17. Jahrhundert durch die Zentralisierung von Zeugenverhören seit der Restauration wurde als paradigmatischer Übergang vom rhetorischen zum Untersuchungs-Regime gewertet (Kap. V.3). Damit entstand nicht nur eine neue „Wissensformierung“ im Verfahren, sondern auch neue Formen der „Machtausübung“. Genauer gesagt: Wissensformierung und Machtausübung wurden in den

606

Die Macht des Verfahrens

Verfahren des Untersuchungsregimes miteinander „kombiniert“.1 Zeugenaussagen waren zum einen Beiträge zur verfahrensinternen Fabrikation von Fakten, über die die Geschworenen am Ende zu entscheiden hatten. Zum anderen erzeugte die Ab- und Aufeinanderfolge der Verhöre eine Verfahrensstruktur, die gegenüber den Angeklagten als zu befolgende Ordnung geltend gemacht werden konnte. Auf diese Weise ließ sich spontaner Redebedarf der Angeklagten – ein Kennzeichen des rhetorischen Regimes  – abblocken und ‚auf später‘ verschieben. Zugleich wurden die Angeklagten darauf verwiesen, ihre Redebeiträge in Fragen umzuformulieren. Damit wurden ihnen argumentative Strategien, mit denen Edmund Campion oder John Lilburne Anklage und Ankläger angegriffen sowie Zuschauer beeindruckt hatten, (weitgehend) verwehrt. Die mit den Zeugenverhören als Wissensformierung kombinierte Machtausübung bestand also in der Durchsetzung von Rede- und Schweige-Sequenzen, verbunden mit der Pflicht zur Verwendung juristischer Sprache. Nachdem ihnen seit 1660 schon beim Arraignment wichtige Selbstdarstellungsmöglichkeiten entwunden wurden, hatte die Sequenzialisierung und Taktung der Hauptverhandlung für die Angeklagten zur Folge, noch weiter auf die Rollenmuster und Spielregeln des Verfahrens festgelegt zu werden. Mit der neuen Abfolge-Struktur des Verfahrens ließen sich Konflikte an unerwünschten Stellen unterdrücken und an erwünschte Stellen verschieben, wo sie dann mit den erlaubten Mitteln und Formen der juristischen Sprache ausgetragen wurden und ihren anarchischen Charakter einbüßten. Die als normal erscheinende Förmlichkeit der Verfahren seit dem späten 18. Jahrhundert wurde hier wiederum nicht als Zielpunkt der Einwicklung behandelt, sondern als ein soziales und interaktives Konstrukt, das sich auf seine Mikrofaktoren herunterdeklinieren lässt. Im forensischen Alltag um 1800 wurde Förmlichkeit unter anderem durch die konditionale Programmstruktur des Verfahrens erzeugt, die nicht mehr, wie im 16. und 17. Jahrhundert, Gegenstand von Konflikten und Aushandlungsversuchen war, sondern als gegeben erachtet wurde. An der Institutionalisierung dieser Programmstruktur wirkten unterschiedliche Akteure und Faktoren mit: Clerks, die für die Einhaltung der ‚richtigen‘ Abfolge sorgten; Kronund Rechtsanwälte, die ihre juristische Tätigkeit und insbesondere das Zeugenverhör als Kunst stilisierten (IX); juristische Literatur, die die ‚richtige‘ Durchführung der Verfahren normierte und exemplifizierte. Der Eindruck einer unverfügbaren Ordnung wurde zudem durch eine spezielle Gerichts-Innenarchitektur forciert, die den unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten bestimmte Plätze zuwies und damit an der Festschreibung von Rollen mitwirkte. An der Entfaltung einer routiniert erscheinenden Prozessführung partizipierten schließlich auch Materialitäten, vor allem Akten. Akten – in Form der briefs für die Anwälte – ermöglichten den diskreten Transfer von Vorarbeiten in die Verhandlung, um dort situationsspezifisch mobilisiert werden zu können. Die routinierte Abfolge-Struktur der Zeugenverhöre in den Verhandlungen beruhte auf Vorbereitung in anderen Verfahrens-Se1

Ich beziehe mich hier auf Foucault, der in Bezug auf schulische Prüfungspraktiken im 19. Jahrhundert notiert: „Die Prüfung ist ein Mechanismus, der eine bestimmte Form der Machtausübung mit einem bestimmten Typus der Wissensformierung kombiniert“, Foucault, Überwachen und Strafen, 241.

Ergebnisse

607

quenzen. Es handelte sich dabei um Strategien, deren Anfänge in das frühe 18. Jahrhundert zurückreichen, deren konkrete Anwendung aber erst am Ende dieses Jahrhunderts zu beobachten war (VIII.3). Auch diese unterschiedlichen – sozialen, diskursiven und materiellen – Normalisierungen von Förmlichkeit waren Beiträge zur Machtsteigerung der Verfahren. Denn „was normal geworden ist, lässt sich nur noch schwer problematisieren“.2 Trotz der linearen Anlage der Arbeit wurde hier aber keine Erfolgsgeschichte über die Macht des Verfahrens erzählt. Ein Resultat meiner Arbeit auf der allgemeinen Ebene ist die begründete Skepsis gegenüber der Meistererzählung der anglo-amerikanischen Rechtsgeschichte, wonach Gerichtsverfahren bis zum 19. Jahrhundert immer gerechter und humaner geworden seien. Eine derart zugeschnittene Rechtsgeschichte übersieht diskrete und latente Formen der Macht eines Verfahrens. Anders formuliert: Je mehr Verfahren ihrer (schon älteren) Selbstbeschreibung als fair trial im Ablauf auch konkret gerecht wurden, desto machtvoller traten sie in Erscheinung, desto weniger war es für die Betroffenen möglich, effektvoll Protest gegen die Entscheidungen zu mobilisieren. Ausdifferenzierung und operative Schließung von Gerichtsverfahren Die Macht der Verfahren, aus sich heraus verbindliche Entscheidungen zu produzieren, stieg mit ihrer zunehmenden Ausdifferenzierung. Von Ausdifferenzierung kann in diesem Zusammenhang dann die Rede sein, wenn Verfahren als distinkte „Sinnsphären“ in Erscheinung treten, die von außen kommende Informationen durch „systemeigene Regeln“ in Entscheidungen transformieren.3 Trotz der elaborierten Form, die ein englisches Gerichtsverfahren bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts besaß und die im humanistischen Staatslob ausdrücklich zu den vorzüglichen Einrichtungen der Republica Anglorum gezählt wurden, war die forensische Sinnsphäre im trial by jury am Beginn der Frühen Neuzeit nur lose geregelt. Rituale zum Auftakt und am Schluss eines Verfahrens sorgten zwar für sinnfällige Grenzmarkierungen zwischen der forensischen Interaktionsordnung und ihrer sozialen Umwelt. Die Programmstruktur erwies sich allerdings im 16. und frühen 17. Jahrhundert noch als wenig organisiert, wenn ein Verfahren nach seinen Auftaktritualen zur Phase der Hauptverhandlung überging. Es handelte sich dabei zunächst um eine Phase von emergierenden Konflikten, die sich als Austausch kontradiktorischer Behauptungen oder auch als imposante Anklage- oder Verteidigungsreden darstellen konnten, die sich aber jeweils der Koordinierung und Moderation, etwa durch den Richter, entzogen. Diese – von den Zeitgenossen so bezeichneten – altercations wurden in vielen Fällen mit der forensischen Interaktionsordnung identisch und nicht von ihr begrenzt. Zurückzuführen war dieses Regelungsdefizit vor allem auf die unklaren Rollenstrukturen der Verfahrensbeteiligten. Während auf der einen 2 3

So Heitmeyer, Rette sich, wer kann, in: taz, 28.02.2012, URL: http://www.taz.de/!5099708/. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 59.

608

Die Macht des Verfahrens

Seite Kronanwälte und Richter den Prozess dazu nutzen, um Loyalität zur Krone oder konfessionelle Unerbittlichkeit darzustellen, so boten sich den Angeklagten als Verteidigern in eigener Sache große Spielräume zur Selbstdarstellung, die von rhetorisch versierten Akteuren auch immer wieder genutzt wurden. Entsprechend erwies sich aber die Einführung von Strafverteidigern im Jahr 1696 nicht nur als epochaler Beitrag zu mehr Verfahrensgerechtigkeit, sondern auch als Differenzierungsschub, insofern anwaltliche Stellvertretung die Handlungsspielräume von Angeklagten erheblich beschnitt und sie nahezu verstummen ließ. Langfristig entzog anwaltliche Stellvertretung dem Angeklagten seinen Subjektstatus im Verfahren, gegebenenfalls konnte auch auf dessen physische Präsenz ganz verzichtet werden. Anwälte hatten zudem erheblichen Anteil an der weiteren Durchsetzung der Abfolge-Struktur, indem sie ihre Aktivitäten, darunter auch erlaubten Streit, an den dafür vorgesehenen Stellen entfalteten und ihre Mandanten (eine neue Verfahrensrolle!) davon abhielten, spontan in die Verhandlung einzugreifen. Insofern erwies sich Strafverteidigung auch als Zuwachs an Verfahrensmacht. Anwaltliche Tätigkeit in Hochverratsverfahren festigte zudem Ansätze funktionaler Differenzierung, die sich bereits vor der Reform angedeutet hatte. Dazu zählte etwa die Ausgrenzung von religiöser oder politischer Sprache aus dem forensischen  – oder genauer gesagt: aus dem entscheidungsrelevanten  – Diskurs. Wenn sich Gerichtsverhandlungen seit der Restaurationszeit als Faktenerzeuger darstellten, dann ließen sich Einwände, die mit Rückgriff auf politisches oder theologisches Vokabular formuliert worden waren, als unbrauchbar und als unerheblich zurückweisen oder schlicht ignorieren. Beispiele dafür fanden sich in den Prozessen während des Popish Plot und des Rye House Plot, wo sich Differenzierung im Sinne der Abgrenzung rechtlicher von religiöser und politischer Kommunikation ganz konkret auf der Ebene der Praktiken dokumentierte. Gerade weil die Hochverratsverfahren in dieser Krisenzeit bereits auf eine rechtliche Logik festgelegt worden waren, zeigte sich die Differenzierung gegenüber dem Politischen aber auch darin, dass sie als Schauprozesse scheiterten: Die Rückbindung der Prozesse an selbsterzeugte Fakten schottete sie bis zu einem gewissen Grad gegen politische Instrumentalisierungen ab – auch wenn das, abgesehen von Einzelfällen, nicht in Freisprüche mündete. Grundsätzlich brachten Anwälte für die Verfahren einen Schub an Eigensinnigkeit, der sich in der zunehmenden Orientierung an juristischen – und nicht moralischen oder religiösen – Codes zeigte. Ein konkretes Beispiel dafür war am Ende des 17. Jahrhunderts der häufiger werdende Rekurs auf Präzedenzfälle, die als moralisch indifferent behandelt werden konnten. So konnte sich ein Richter zustimmend auf ein Zwischenurteil berufen, gegen das er einige Jahre zuvor als Anwalt noch vehement gekämpft hatte. Durch die zunehmende Orientierung an eigenen Relevanzen und Codierungen wurden Verfahren so konfiguriert, dass dabei vornehmlich die selbsterzeugten Entscheidungsprobleme zerlegt und kleingearbeitet wurden und auf diese Weise die traditionellen Möglichkeiten zur Selbstdarstellung immer weiter in den Hintergrund rückten (VI.2–5). Ein weiteres Beispiel für Ausdifferenzierung, der wir in der konkreten forensischen Praxis begegnet sind, war der Ausschluss von Partizipationsmöglichkeiten

Ergebnisse

609

durch Zuschauer und Geschworene, die, wie der Angeklagte auch, zunehmend auf die Rolle von Rechtslaien festgelegt wurden, deren spontane Beiträge ebenfalls als unerheblich, als Gerede oder als Störungen qualifiziert werden konnten. Komplementär dazu wurden auch die Rollen der mitspracheberechtigten juristischen Akteure konturiert. Die Richter z.B. rückten in eine neutralere Position, was die Macht des Verfahrens insofern stärkte, als die traditionell behauptete Fairness und Offenheit des Verfahrens nunmehr durch konkretes Verhalten symbolisiert wurde, wenn Richter nicht mehr als verlängerter Arm der Krone (und der Kronanwälte) agierten, sondern die Anträge und Einwände der Anklagevertreter ebenso prüften, annahmen oder ablehnten wie die der Verteidiger auch. Die veränderte Richterrolle sorgte dafür, dass Verfahren auch gegenüber ihren mitspracheberechtigten Akteuren (operativ) geschlossen wurden, insofern diese auf den Verfahrensablauf keinen unmittelbaren Einfluss mehr nehmen konnten, sondern nur noch im Medium von Anträgen und Einwänden. Auf solche Medien beschränkten sich auch die Strafverteidiger – die deswegen, obwohl sie den Angeklagten gerade in der Zeit um 1700 ideologisch durchaus nahestanden, nicht als deren Unterstützer und Helfer in Erscheinung traten, sondern in verfahrenseigenen Rollen. Alle diese Rollenkonturierungen waren eine wesentliche Voraussetzung dafür, das Gerichtsverfahren als Raum für agonales und kontradiktorisches Handeln neu zu konturieren. Konflikte wurden nicht aus den Prozessen verbannt, sondern mit dem Verfahrensgang vermittelt. Sie wurden im Austrag auf juristische Medien wie Anträge oder Kreuzverhöre verpflichtet und an gewisse Spielregeln gebunden, insofern das Stellen von Anträgen oder das Durchführen von Verhören im Rahmen bestimmter Fristen und verfahrensinterner Termine erfolgen musste. Im Rückgriff auf diese Medien und unter Einhaltung der damit verbundenen Spielregeln handelte es sich um „erlaubte Konflikte“, die zudem im Fall von Anträgen und Einwänden darauf angelegt waren, durch den Richter  – und nicht nur massives Insistieren – entschieden zu werden. In Prozessen wegen seditiuos conspiracy, bei denen Angeklagte auf Anwälte verzichteten, war eine derart geregelte Konfliktführung auch den Angeklagten selbst erlaubt, die damit aber – entgegen ihren eigenen Absichten – gerade kein subversives Gegentheater veranstalteten, sondern sich im Rahmen des nach 1800 mittlerweile Üblichen und Normalen bewegten. Sie leisteten auf diese Weise (genauso wie der eingangs dieser Arbeit erwähnte Slobodan Milošević) „unbezahlte zeremonielle Arbeit“ bei der Legitimation durch Verfahren. Die Mitwirkung an erlaubten Konflikten, die sich als ausdifferenzierte Verfahrenssequenz bereits in den Prozessen um 1700 andeuteten und die dann in der Gerichtspraxis des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts vollends etabliert waren, führte zur „Selbstverstrickung der Betroffenen in das symbolische Geschehen, das die Entscheidung legitimiert“.4 Das gleiche galt und gilt für aktive Angeklagte und ihre Performanzen in den Prozessen des 19. und 20. Jahrhunderts: Wenn etwa Rechts- oder Linksradikale in der Weimarer Republik oder Terroristen unterschiedlicher Coleur in jüngerer Vergangenheit die Gerichtsverhandlung zur 4

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 134.

610

Die Macht des Verfahrens

Bühne umfunktionierten5, dann führte dies erstens nicht zur Rückbildung bereits erreichter Ausdifferenzierung und ließ zweitens auch die forensische Situationsdefinition nicht derart verblassen wie bei den Prozessen des rhetorischen Regimes in England. Zudem verblasste das performative Potential meist mit zunehmender Prozessdauer. Die moderne (westliche) Gerichtsbarkeit wird durch subversives Engagement von Angeklagten nicht aus den Angeln gehoben; sie hat gelernt, mit solchen Störungen umzugehen und sie für ihre Zwecke, als bestätigende Mitwirkung, zu verrechnen. Die englischen Hochverratsprozesse der Frühneuzeit bildeten einen Teil dieses Lernprozesses. In England ging es bereits um 1800 nicht mehr darum, den Angeklagten im Medium engagierter Mitwirkung Schritt für Schritt die subjektive Akzeptanz der Entscheidung anzuverwandeln. Die Reaktionen auf das gerichtliche Urteil standen vielmehr ganz im Belieben der davon Betroffenen. Ob sie sich damit abfanden oder dagegen protestierten, war nicht (länger) das Problem der Rechtsprechung. Der im Verfahren entfaltete Lernprozess, an dem sich Angeklagte direkt oder aber, wie in der Mehrzahl der untersuchten Fälle, durch Anwälte vertreten beteiligten, adressierte ein anwesendes oder medial erreichtes Publikum, das den förmlich korrekten Verlauf des Prozesses und die dabei geöffneten Zeitfenster für Aussprache und Konflikte als Indiz dafür nahm, dass legitimes Recht gesprochen wurde. Für die Macht des Verfahrens, verbindliche Entscheidungen hervorzubringen, kam es aber nicht nur auf die öffentliche Beobachtung, sondern auch auf die öffentliche Nicht-Beobachtung von Gerichtsprozessen an. Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das gerichtliche Geschehen verteilte sich höchst ungleich, was nicht nur der Ausbildung von diffusem Systemvertrauen entgegenkam, sondern auch ein Indiz für die Differenzierung von Verfahren und Gesellschaft war. Die Verfahren hatten um 1800 also einen Grad an Selbstbezüglichkeit und Eigensinnigkeit entwickelt, der sie gegen Proteste der Betroffenen erheblich immunisierte.6 Proteste, Dissens und Urteilsschelten wurden aus der prozess- und entscheidungsrelevanten Kommunikation ausgegrenzt. Die Macht des Verfahrens bestand seit dem 18. Jahrhundert darin, die Betroffenen zu entmachten, sie als protestierende Subjekte zu neutralisieren und ihnen die Resonanz für ihren Dissens zu nehmen. Für die ältere Verfahrenspraxis des 16. und 17. Jahrhunderts hingegen waren Protest und Dissens der Verurteilten ein großes Problem. Zugespitzt könnte man formulieren, dass die vormoderne Macht der Verfahren davon abhing, ob es gelang, die Betroffenen mit ihrem Urteil zu versöhnen oder sie zumindest dazu zu bringen, Widersprüche nicht öffentlich zu artikulieren. Im Idealfall erfolgte zwischen Urteil und dessen Vollstreckung auf dem Schafott ein „Persona-Wechsel“ zum reuigen Sünder, zum dying penitent, der bußfertig und geständig in den Tod

5 6

Grunwald, Der Gerichtssaal als revolutionäre Tribüne; de Graaf, Evaluating counterterrorism performance, 190–228. Mit „Selbstbezüglichkeit“ und „Eigensinnigkeit“ werden moderne, autonome Verfahren gekennzeichnet von Scheffer / Michaeler / Schank, Starke und schwache Verfahren, 425.

Ergebnisse

611

ging.7 Dieser Rollenwechsel wurde durch verschiedene Mittel zu forcieren versucht: Durch Ermahnungen oder Strafpredigten am Ende der Gerichtsverhandlung, durch geistliche Betreuung und andere Mittel  pastoraler Macht zwischen Verurteilung und Hinrichtung und durch den Versuch, den Verurteilten auf dem Schafott zum Schuldeingeständnis zu bringen. Die Macht des vormodernen Verfahrens musste sich gleichsam in den Körper des Betroffenen einschreiben und von diesem Körper und seinen Zeichen verifiziert werden. Wenn sich ein solcher „Persona-Wechsel“, wie in den überwiegenden Fällen, aber nicht einstellte und Todeskandidaten stattdessen ihre Unschuld behaupteten, standen die Legitimität des Urteils und damit auch die Macht des Verfahrens öffentlich zur Disposition. Ich habe daher in dieser Arbeit ausführlich auf Hinrichtungen fokussiert, und zwar im Sinne einer Fortsetzung des Verfahrens jenseits der Gerichtsverhandlung. Das Schafott avancierte am Beginn der Frühneuzeit zu einem diskursiven Ort, an dem nicht nur stumm die Rituale des obrigkeitlichen Tötens vollzogen wurden, sondern wo über die Legitimität des Urteils gestritten wurde und Printmedien wiederum den Unschuldsbekundungen der Verurteilten breite Resonanz verliehen. Hinrichtungen konnten geradezu als Prüfstein für die Legitimation durch Verfahren dienen. Unter dem Galgen kam es darauf an, dass der Verurteilte nicht offen gegen die Rechtmäßigkeit von Verfahren und Urteilsspruch dissentierte. Zumindest bei Hochverrat setzte der Vollzug des Urteils Fiktionen persönlicher Akzeptanz der Entscheidungen durch die Betroffenen voraus. Protest führte zwar nicht zum Abbruch der Hinrichtung, aber doch zu umfangreichen Versuchen nachträglicher Rechtfertigung, indem obrigkeitliche Akteure dem Verurteilten unmittelbar oder publizistisch widersprachen. Den Status als Prüfstein des Verfahrens verloren Hinrichtungen allerdings mit der Etablierung von Strafverteidigung. Wie wenig erfolgreich Anwälte in der Frühphase des reformierten Verfahrens auch agierten: Ihr Handeln verschaffte der Behauptung eines fair trial konkrete Anschaulichkeit und nahm den Protesten der Verurteilten ihre Resonanz. Als sich der Jakobit Christopher Layer über die ihm widerfahrenen Ungerechtigkeiten beschwerte, reichte dem Richter der Hinweis auf die Freiheiten, die seine Anwälte bei der Verteidigung besessen hatten. Eine Strafpredigt wie bei Edward Coleman 1678, mit der die Absicht verfolgt wurde, den Angeklagten zur Hinnahme des Urteils zu überreden, wurde 1722 und auch später nicht mehr gehalten. Anwaltliche Stellvertretung leistete damit den subtilen Mechanismen moderner Verfahrenslegitimation Vorschub, die nicht darauf beruhen, den Betroffenen die Entscheidung „einzuverseelen“, sondern die soziale Umwelt gegen die individuelle Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz der Entscheidung indifferent zu machen.8 Macht wurde damit entsubjektiviert. Während Gerichtsprozesse und Hinrichtungen im 16. und 17. Jahrhundert als legitimatorische Prozesse eng miteinander verbunden waren, löste sich diese Kopplung im 18. Jahrhundert allmählich auf, was man auch als Differenzierung von Ver7 8

Der Begriff „Persona-Wechsel“ stammt von Kittsteiner, Die Entstehung des modernen Gewissens, 335. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 119.

612

Die Macht des Verfahrens

fahren und Vollzug beschreiben kann. Die Bemühungen zur Anverwandlung und Einverleibung des Urteils traten in den Hintergrund. Dessen Akzeptanz musste nicht länger durch den Verurteilten selbst zum Ausdruck gebracht werden. Hinrichtungen verloren deswegen nicht unmittelbar an Bedeutung, aber sie fungierten nicht länger als Wahrheitsforen. Sie wurden offen für anders gelagerte Stilisierungen von Sterben, die von den Zuschauern nicht als Bestätigung der Richtigkeit des Urteils beobachten wurden, sondern als Performanzen von Männlichkeit oder Todesverachtung. Eine ähnliche Entrechtlichung erfuhr auch die Prozesspublizistik. Aufgekommen im Kontext der misslungenen Prozesse gegen katholische Missionare im späten 16. Jahrhundert, fungierten Pamphlete im 17. Jahrhundert als unverzichtbarer Beitrag zur Legitimation gerichtlicher Entscheidungen, die durch Verfahren allein nicht erreicht werden konnte. Anfangs wurde die rechtmäßige und einwandfreie Prozessführung noch kontrafaktisch behauptet, einhergehend mit der konfessionellen und/oder moralischen Abwertung der Verurteilten sowie der Berufung auf die von der Vorsehung gewollten Urteile. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts dokumentierten die Pamphlete dann den Prozessverlauf im Wortlaut, so dass der Leser als virtueller Zeuge den Ausgang des Prozesses anhand seines Verlaufs nachvollziehen konnte. Bei den paradoxen Abläufen der Verfahren funktionierte diese, an die Dokumentation von Experimenten angelehnte Publikationspraxis, aber nur noch sehr eingeschränkt, so dass zusätzlich populäre Genres wie bebilderte Einblattdrucke oder Balladen mobilisiert wurden. Deren Zirkulation wurde jedoch als Kampagne durchschaut und damit zum Teil der Medienkrise in der späten Stuartzeit. Bei den Hochverratsprozessen nach der Reform von 1696 spielten Pamphlete keine Rolle mehr, was auf den veränderten Verlauf der Verfahren mit Strafverteidigern zurückzuführen ist. Dass ein Prozess einwandfrei verlaufen war, musste nicht mehr nachträglich behauptet werden, sondern wurde bereits durch den förmlich-konkreten Ablauf selbst deutlich. Eine mediale Begleitung fand zwar weiterhin statt, aber nicht mehr in Form von Pamphleten, sondern von Zeitungsberichten (VII.3). Diese trugen zur Legitimation bei, als sie ganz unterschiedliche Verfahrensepisoden in ihrem rechtlich geregelten Ablauf dokumentierten. Im Zentrum stand zwar die öffentliche Verhandlung selbst. Berichtet wurde aber auch über die einwandfreie Behandlung des Angeklagten im Kerker, über die rechtzeitige Zustellung der Akten oder die Beratung mit seinen Anwälten – also über die Rechte des Angeklagten sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Schritte, die in der Verhandlung mündeten. So richtig es ist, Zeitungen als Foren von Herrschaftsund Justizkritik zu diskutieren, so wichtig ist es auch, darüber nicht ihre diskreten legitimatorischen Funktionen zu übersehen. Grundsätzlich war es im 18. Jahrhundert aber nicht mehr möglich, Verfahrensdefizite durch nachträgliche mediale Bearbeitungen zu kompensieren. Darin sehe ich eine anfängliche Differenzierung von Rechtssystem und Medien, auch wenn die Richter weiterhin empfindlich auf publizistische Kritik reagierten und dies im 19. Jahrhundert auch als contempt of court bestraft werden konnte. Maßgebliche Faktoren der weiteren Ausdifferenzierung der Verfahren zu selbstreferentiellen und eigensinnigen Interaktions- und Entscheidungspro-

Ergebnisse

613

zessen stellten Revisionsprozesse dar. Im Zivilrecht seit dem 16. Jahrhundert in Übung, lassen sie sich im strafrechtlichen Bereich erst im 19. Jahrhundert fassen und rekonstruieren. Mit den Revisionen wurde ein weiterer Schritt zur operativen Schließung im juristischen Feld gemacht: Nicht gesellschaftlicher Protest führte zur Aufhebung des Urteils, sondern das Verfahren eines übergeordneten Gerichts (Kap. X.4). Hochverratsprozesse und die Macht der Verfahren Schließlich handelte es sich bei dieser Arbeit auch um eine Geschichte der Hochverratsprozesse in Frühneuzeit und Sattelzeit. Aber was genau lässt sich aus diesem Gegenstand über die Macht der Verfahren lernen? Nirgendwo im frühneuzeitlichen Europa gab es so viele Hochverratsprozesse wie in England. Zu den 515 state trials vor Gerichten kommen noch 28 peer trials vor dem Oberhaus sowie zwei außergewöhnliche Prozesse gegen gekrönte Häupter: Maria Stuart (1586) und Karl I. (1649). Für die englische Obrigkeit – gleich, um wen es sich dabei jeweils handelte – stellte das high treason-Konzept ein wuchtiges juridisches Mittel dar, um gegen ihre sehr unterschiedlichen Gegner vorzugehen. Mit Verratsvorwürfen konfrontiert wurden aufständische Adlige, katholische Missionare, Attentäter, Obrigkeitskritiker, Republikgründer und Revolutionäre, katholische Höflinge, Whig-Aktivisten, Verschwörer, Rebellen, Polit-Agitatoren, Jakobiner, Reformer, Radikale oder Chartisten. Die Wucht des Konzepts lag darin, dass Hochverrat nicht nur konkrete, gewaltsame Angriffe auf Königinnen und Könige oder sonstige, gegen die staatliche Ordnung gerichtete Gewaltakte meinte. Hochverrat war auch nicht erst die nachweisbare Absicht zu solchen Aktivitäten. Mit der Formel imagining the King’s death stand es vielmehr im Belieben der Kronjuristen, aus unterschiedlichsten Handlungen auf ein gemeingefährliches Übelwollen zurückzuschließen, also konstruierte Absichten zu unterstellen. Erst dadurch wurde es möglich, Missions- oder Korrespondenzpraktiken als hochverräterische Unternehmen zu konstruieren. Der Vorwurf transportierte zugleich die Botschaft eines Verbrechen ungeheueren Ausmaßes, a crime of the greatest and highest nature of any crime that can be committed against man, wie Richter Jeffreys 1681 betonte.9 Für die Kronjuristen brachten Hochverrat und Hochverräter das Gemeinwesen an den Rand des Untergangs: It tends to destroy the very government, both king and subjects, and the lives, interests and liberties of all.10 Zudem galt Hochverrat als das Werk von Verschwörern, die schlimmstenfalls auch mit dem Teufel im Bunde waren. Für die Verbreitung solcher Auffassungen über Hochverrat und seine hochverderblichen Implikationen sorgten nicht nur die Gerichtsreden, sondern auch unzählige Pamphlete und andere Publikationen. Hochverrat und hochverräteri-

9 10

8 ST 764f. Ebd.

614

Die Macht des Verfahrens

sche Verschwörungen waren in der Frühneuzeit eines der Themen der Printmedien und ein Topos im politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Aber es handelte sich dabei um mehr als um Redeweisen. Die Obrigkeiten brauchten Verräter auch nicht nur zur Durchsetzung ihrer politischen und religiösen Zielsetzungen. Sie hielten das Verrätern und Verschwörern zugeschriebene Gefahrenpotenzial  – teilweise  – für real. Eine konspirative Gouvernementalität war nicht nur ein Kennzeichen der elisabethanischen Minister, sondern auch im Home Office um 1800 anzutreffen. Hochverräterische Szenarien in Text oder Bild zu entwerfen und als Anklage zu formulieren, war das eine, diese Anklage im Verfahren auf die Probe zu stellen das andere. Trotz seiner diskursiven Exzeptionalität war high treason eine strafrechtliche Kategorie, über die vor Gericht mit den gleichen Spielregeln verhandelt wurde wie über andere Straftatbestände auch. Hochverrat zog im Sinne der strafrechtlichen Logik gerade keine procédure extraordinaire nach sich wie etwa bei den Majestätsverbrechen in Frankreich. War das Common Law daher ein Bollwerk gegen den Missbrauch und die politische Indienstnahme des brisantesten Delikts des englischen Strafrechts?11 In der Tat gelang vor allem im 16. und 17. Jahrhundert nur in den wenigsten Fällen eine plausible Herleitung des Urteils, was allerdings eher darauf schließen lässt, dass die Verfahren von den Hochverratsanklagen überfordert waren und die Urteile daher forciert wurden, sei es durch kurze Prozesse oder unter Inkaufnahme von Paradoxien. Allerdings lernten die Verfahrensveranstalter aus Fehlschlägen, Justizskandalen, Kritiken und Krisen. Die Optimierungsschübe – genannt seien etwa der Verzicht auf die Folter, die ‚empirische Wende‘ nach 1660, die Zulassung von Strafverteidigern, die (auch materielle) Professionalisierung von Anklage- und Verteidigungsstrategien oder die Durchsetzung einer Programmstruktur – steigerten zwar die Macht der Verfahren, immunisierten diese aber gleichzeitig auch gegen obrigkeitliche bzw. staatliche Instrumentalisierungen, das zeigen besonders die Freisprüche um 1800. Die Macht der Verfahren bekamen nicht nur die Angeklagten zu spüren, sondern in einem zunehmenden Maße die Verfahrensveranstalter auch. Aus diesem Grund hatten gerade die Hochverratsprozesse einen erheblichen Anteil an der Ausbildung eines autonomen, selbstbezüglichen Verfahrenssystems, mit dem sich auch in anderen Fällen legitime, also verbindliche Entscheidungen herstellen ließen. War die verfahrensgeschichtliche Entwicklung damit am Ziel angelangt? Ohne Zweifel begann im späten 18. Jahrhundert das Zeitalter moderner Entscheidungsverfahren, nicht nur im Recht, sondern auch in Politik und Verwaltung, nicht nur in Großbritannien, sondern auch auf dem europäischen Kontinent, in den Amerikas und anderen Teilen der Welt. Diese unterschiedlichen Verfahren produzierten erwartungssicher verbindliche Entscheidungen oder sorgten dafür, dass auch Nicht-Enscheiden (wie in vielen Gerichtsprozessen der Gegenwart12) als das Resultat einer Entscheidung erscheint. Moderne (Rechts-)Staatlichkeit ist elementar 11 12

So etwa Minogue, Treason and the early modern state. „Nicht zu übersehen ist, dass die meisten Gerichtsverfahren auf andere Weise als durch Urteil erledigt werden“, so Seibert, Gerichtsrede, 136.

Ergebnisse

615

auf verfahrensförmige, an Regeln gebundene und selbst wieder durch Verfahren überprüfbare Entscheidungsproduktionen angewiesen. Alternativen dazu sind kaum vorstellbar, auch wenn die populistischen Bewegungen der Gegenwart eben diese Verfahren angreifen und stattdessen Entscheidungen auf einen hypothetischen, angeblich direkt exekutierbaren ‚Volkswillen‘ gründen wollen. Sogar in England werden missliebige Gerichtsentscheidungen, etwa in Bezug auf den ‚Brexit‘, dadurch zu diskreditieren versucht, dass man die Richter als enemies of the people attackiert.13 Ob solche und andere Invektiven Folgen haben werden und die über Jahrhundert ausdifferenzierte Macht der Verfahren unterminieren, bleibt abzuwarten.

13

Daily Mail, Freitag, 04.11.2016.

617

Anhang Quellen und Literatur 1. UNGEDRUCKTE QUELLEN The British Library, London (BL): Add. MS 48029 Cotton MS Caligula C IX, Vol. 2 Cotton MS Titus C/VII Harleian MS 290 Harley MS 6265 Lansdowne MS, Vol. 45, Nr. 74 Sloane MS 1132 Stowe MS 280 Stowe MS 396 The National Archives, Kew (TNA) Kings’s Bench 8/29 Kings’s Bench 8/48 Kings’s Bench 9/10 Kings’s Bench 27/28 Kings’s Bench 33/5/12 State Papers 83/15 Treasury 1/387/48 Treasury 1/387/67 Treasury 1/521/184–185 Treasury Solicitor 11/1116/5716 Treasury Solicitor 11/1118/5759 Treasury Solicitor 23/34 2. PERIODIKA The Aberdeen Journal The British Journal The Daily Courant The Daily Journal

618

Anhang

The Daily Post The Derby Mercury The Evening Mail The Evening Post The Examiner The Express and Evening Chronicle The Flying Post or The Post Master The Freeholders Journal The Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser The General Evening Post Lloyd’s Evening Post The London Gazette The London Journal London Packet or New Lloyd’s Evening Post The Morning Chronicle The Morning Chronicle (London, England) Oesterreichischer Beobachter The Oracle and Public Advertiser The Post=Boy The Post Man and the Historcal Account The Post=Master or Loyal Mercury The St. James’s Journal The Sun The Times The True Briton The Weekly Journal of Saturday’s Post The Weekly Journal or British Gazetteer The Weekly Journal or Saturday’s Post The Whitehall Evening Post 3. GEDRUCKTE QUELLEN, QUELLENSAMMLUNGEN UND LITERATUR BIS 1900 Adam, William, The Advantages of Trial by Hury. Being the Inauguarl Speech […] at the Openinmg of the New Jury Court, at Edinburgh, London 1816. Alfield, Thomas, A true reporte of the death & martyrdome of M. Campion Iesuite and preiste, & M. Sherwin, & M. Bryan preistes, at Tiborne the first of December 1581 Observid and written by a Catholike preist, which was present therat Wheruuto [sic] is annexid certayne verses made by sundrie persons, [London] [1582] [STC 4537]. Allen, William, A briefe historie of the glorious martyrdom of twelve reuerend priests, executed vvithin these tvvelvemonethes for confession and defence of the Catholike faith but vnder the false pretence of treason. VVith a note of sundrie things that befel them in their life and imprisonment; and a preface declaring their innocencie.

Quellen und Literatur

619

Set furth by such as were much conuersant vvith them in their life, and present at their arraignement and death. Occidistis, sed non possedistis. that is you haue slaine them, but you haue not gotten possesion, [Reims] 1582 [STC 369.5]. Allen, William, A true, sincere and modest defence, of English Catholiques that suffer for their faith both at home and abrode against a false, seditious and slanderous libel intituled; the exectuion of iustice in England. VVherein is declared, hovv vniustlie the Protestants doe charge Catholiques vvith treason, [Rouen] [1584] [STC 373]. Allen, William, An admonition to the nobility and people of England and Ireland concerninge the present vvarres made for the execution of his Holines sentence, by the highe and mightie Kinge Catholike of Spaine, [Antwerpen] 1588 [STC 368]. Allen, William, An apologie and true declaration of the institution and endeuours of the tvvo English colleges, the one in Rome, the other novv resident in Rhemes against certaine sinister informations giuen vp against the same, Mounts in Henault 1581 [STC 369]. Amyot, Thomas, Speeches in parliament of the right honourable William Windham. To which is prefixed some account of his life, by Thomas Amyot (1), London 1812. Anon., A brief narrative of the several Popish treasons and cruelties against the Protestants in England, France, and Ireland giving a full account of the Popish Plot, and a full discovery of the manner of the murther of Sir Edmund-bury Godfrey, London [1679] [Wing B4616]. Anon., A briefe and perfect relation of the answeres and replies of Thomas Earle of Strafford to the articles exhibited against him, by the House of Commons on thirteenth of Aprill, London 1647 [Wing R68]. Anon. [d.i. Salmon, Thomas], A compleat collection of state-tryals, and proceedings upon impeachments for high treason, and other Crimes and Misdemeanours; from the reign of King Henry the Fourth, to the end of the reign of Queen Anne. In four volumes. With an exact alphabetical table to the whole, London 1719 [STC T108672]. Anon. [d.i. Salmon, Thomas], A complete collection of state-trials, and proceedings for high treason, and other crimes and misdemeanours; from the reign of King Richard II. to the end of the reign of King George I. In six volumes. With two alphabetical tables to the whole, London 1730 [STC T108500]. Anon. [d.i. Salmon, Thomas], A collection of state-trials, and proceedings, upon hightreason, and other crimes and misdemeanours, from the reign of King Edward VI. to the present time, Bd. 7 / 8, London 1735 [STC T 108499]. Anon. [d.i. Emlyn, Sollom], A complete collection of state-trials, and proceedings for high-treason, and other crimes and misdemeanours; from the reign of King Richard II. to the reign of King George II. In Six Volumes. With two alphabetical tables to the whole, London 1742 [STC T148933]. Anon., A collection of state-trials, and proceedings, upon high-treason, and other crimes and misdemeanours, from the reign of King Edward VI. to the present time, Bde. 7 / 8, London 1766 [STC T148947]. Anon., A declaration of the fauourable dealing of her Maiesties commissioners appointed for the examination of certain traitours and of tortures vniustly reported to be done vpon them for matters of religion, [London] 1583 [STC 4901].

620

Anhang

Anon., A faithful account of the life of Christopher Layer, Esq; Barrister at law; from his birth, to his execution for high treason; and his last behaviour. Interspers’d with original papers. By a gentleman of Norwich, his school-fellow, London 1723 [STC T035220]. Anon., A genuine account of the proceedings on the trial of Florence Hensey, M.D. […] London 1758 [STC T001488]. Anon., A just narrative of the hellish new counter-plots of the Papists to cast the odium of their horrid treasons upon the Presbyterians and under that notion, to involve many hundreds of the most considerable Protestant nobility and gentry in a general ruine; with an account of their particular intreigues [sic], carried on to insnare Mr. Blood, and several other considerable persons, with the happy discoveries thereof., London 1679 [Wing J1235]. Anon., A looking-glass for traytors being the manner of the tryall of those barbarous wretches at Justce-Hall in the Old-Baily, who contrieved and compassed the death of his late Sacred Majesty King Charles the First, of ever blessed memory; with an account of their severall arguments, conviction, condemnation and execution, London 1660 [Wing L3034]. Anon., A looking-glass for traytors, or, high treason rewarded being a full account of the examination of the second person that was executed in Novem. 1678 by name, Edward Coleman, Esq, who was found guilty of high treason, at the Kings-BenchBar at VVestminter, the 27th of Nov. 1678 for plotting and contriving the death of our soveraign Lord the King, and endeavouring to change the government of the nation and utterly to extirpate the protestant religion, for which he was sentenced to be drawn, hang’d and quartered being accordingly executed the 3d. day of this instant Decemb. at Tyburn, tune of, aim not to high, or, fortune my foe, [London] [1678] [Wing L3034A]. Anon., A particular declaration or testimony of the vndutifull and traiterous affection borne against her Maiestie by Edmond Campion Iesuite, and other condemned priestes witnessed by their owne confessions; in reproofe of those slanderous bookes & libels deliuered out to the contrary by such as are malitiously affected towards her maiestie and the state, London 1582 [STC 4536]. Anon., A plain narrative of facts respecting the trial of James Coigley. Including his letter to an Irish gentleman, in London, and A. Young’s letter to G. Lloyd. Published as a gratification to the friends of the deceased, 1798, London 1798 [STC T173713]. Anon., A report from the committee appointed by order of the House of Commons to examine Christopher Layer and others […], Dublin 1723 [STC T212871]. Anon., A supplement to the London Journal, of February 2. 1722–23. Being a large and impartial abstract of the tryal of Christopher Layer, Esq; with an introduction, by Britannicus, London 1722–23 [STC T175595]. Anon., A true and plaine declaration of the horrible treasons, practised by William Parry the traitor, against the Queenes Maiestie the maner of his arraignment, conuiction and execution, together with the copies of sundry letters of his and others, tending to diuers purposes, for the proofes of his treasons. Also an addition not impertinent thereunto, containing a short collection of his birth, education and course of life.

Quellen und Literatur

621

Moreouer, a fewe obseruations gathered of his owne wordes and wrytings, for the farther manifestation of his most disloyal, deuilish and desperate purpose, London [1585] [STC 19342]. Anon., A true copy of the paper delivered by Brigadier Rookwood, to the sheriff at Tyburn, the place of execution, April 29, 1696., London 1696 [Wing R1920A]. Anon., A true copy of the paper delivered by Christopher Layer, Esq; at the place of execution, to the under-sheriff of Middlesex. On Friday the 17th of this instant May, London 1723 [STC T176519]. Anon., A True relation of the execution of Mr. Edward Coleman at Tyburn who received sentence of death at the Kings-Bench-Bar at Westminster, on the 27th day of November last, for high treason, to be draw’d, hang’d, and quarter’d; with the manner of his behaviour at the place of execution, London 1678 [Wing T2947A]. Anon., A true relation of the execution of Mr. John Groves, and Mr. William Ireland, at Tyburn on Friday the 24th of January, 1679 who received sentence of death at a commission of oyer and terminer held at the Old-Baly on the 16th day of December 1678, where they were condemned of high treason, andsentenced to be draw’d hang’d and quarter’s, &c; with teh manner of their behaviour in Newgate after condemnation, and their deportment at the place execution, London 1679 [Wing T2948]. Anon., A true report of the inditement, arraignment, conuiction, condemnation, and execution of Iohn VVeldon, VVilliam Hartley, and Robert Sutton who suffred for high treason, in seuerall places, about the citie of London, on Saturday the fifth of October. Anno 1588. With, the speaches, which passed between a learned preacher and them; faithfullie collected, euen in the same wordes, as neere as might be remembred. / By one of credit, that was present at the same, London 1588 [STC 25229.3]. Anon., An Abridgement of the Letter of the Right Honourable Edmund Burke to a Gentleman in Paris, on the revolution in France, London 1791. Anon., An answer to Blundell the Jesuits letter that was taken about him at Lambeth, on Munday the 23d. of this instant June, […], [London] 1679 [Wing A3353]. Anon., An Answer to the Mr. Langhorn’s Speech. Wherein he asserts his loyality and innocence, contrary to plain evidence against him in open court, the verdict of an impartial jury, and the declared sense of the late Parliament in relation to the late horrible and bloody plot, [London] [1679] [Wing A3368]. Anon., An elegy on the death of Algernon Sidney Esq; who was found guilty of hightreason, and beheaded at Tower-Hill on Friday the 7th of December, 1683, London 1683 [Wing E369]. Anon., An exact abridgment of all the tryals, not omitting any material passage therein, relating to high treasons, piracies, &c. in the reigns of the late King William the III. of Glorious Memory, and of our present Gracious Soveraign Queen Anne. Together with their dying speeches, as also the Dying Speeches of several Persons in the Reigns of King Charles the IId. and King James the Iid., London 1703 [STC T086895]. Anon., An Exact account of the tryal of Algernoon Sidney who was tryed at the KingsBench-Bar at Westminster this present Wednesday, being the twenty fifth of No-

622

Anhang

vember for conspiring the death of the King, and His Royal Highness, of which he was convicted, London 1683 [Wing E3588]. Anon., An order of praier and thankes-giving, for the preseruation of the Queenes Maiesties life and salfetie [sic] to be vsed of the preachers and ministers of the dioces of Winchester. With a short extract of William Parries voluntarie confession, vvritten vvith his owne hand, London [1585] [STC 16516]. Anon., An outcry of the youngmen and apprentices of London; or, an inquisition after the lost fundamentall lawes and liberties of England. […], [London] [1649] [Wing L2152]. Anon., Animadversions on the last speech of William Viscount Stafford who was beheaded on Tower-Hill for high treason in conspiring the death of the king, &c. on Wednesday, December 29th, 1680, London 1680 [Wing A3197]. Anon., Appendixes referred to in the report from the committee appointed by order of the House of Commons to examine Christopher Layer, […], Dublin 1723 [STC N030905]. Anon., Autokatakritoi, or, The Jesuits condemned by their own witness being an account of the Jesuits principles in the matter of equivocation, the Popes power to depose princes, the king-killing doctrine […], London 1679 [Wing G1826]. Anon., By the Queene. A proclamation to denounce Iesuites traitours, hrsg. v. Elizabeth I, Queen of England, London 1582 [STC 8135]. Anon., Cause of the canonization of blessed martyrs John Houghton, Robert Lawrence, Augustine Webster, Richard Reynolds, John Stone, Cuthbert Mayne, John Paine, Edmund Campion, Alexander Briant, Ralph Sherwin and Luke Kirbyput to death in England in defence of the catholic faith (1535 – 1582), Rom 1968. Anon., L’histoire de la mort que le R. P. Edmonde Campion prestre de la Compagnie du nom de Jesus, et autres ont souffert en Angleterre pour la foy Catholique et romaine le premier jour de Decembre, 1581. Traduit d’Anglois et Francois, Paris 1582. Anon., Notes and observations on criminal trials by a juryman, London 1819. Anon., Observations upon the papers which Mr. Rookwood and Mr. Lowick deliver’d to the sheriffs at the time of their execution, April 29, 1696, London 1696 [Wing O123A]. Anon., Some account of the tryals and condemnation of five notorious Jesuits, popish priests, & traytors (viz) Thomas White, alias Whitebread, William Harcourt, John Fenwick, John Gavern, alias Gawen, Anthony Turner, and Mr. Langhorn the councellor, found guilty of high treason for conspiring to murder the King, subvert the government, root out of the Protestant religion, and establish popery &c.: On a fair tryal by virtue of a commission of Oyer and Terminer at the Old-Baily, June the 13th and 14th, 1679, London 1679 [Wing S4469B]. Anon., Some succinct remarks on the speech of the late Lord Russel to the sheriffs together with the paper deliver’d by him to them, at the place of execution on July 21, 1683, London 1683 [Wing S4620]. Anon., Substance of Earl Stanhope’s speech, delivered from the chair, at a meeting of citizens, at the crown and anchor, on the 4th of February 1795. To celebrate the happy event of the late trials, for supposed high treason; and published at the request of the meeting. Also the resolutions of the meeting: and the toasts. Together

Quellen und Literatur

623

with an appendix, by Earl Stanhope, respecting the trial by jury, London 1795 [STC T001141]. Anon., The arraignment, tryal, and condemnation of Ambrose Rookwood. For the horrid and execrable conspiracy to assassinate His Sacred Majesty King William, in order to a French invasion of this kingdom who upon full evidence was found guilty of high treason before His Majesty’s justices of Oyer and Terminer, at Westminster on Tuesday the 21st of April 1696, and received sentence the day following, and was executed at Tyburn on the 29th day of the said month; in which tryal is contained all the learned arguments of the King’s council and likewise the council for the prisoner, upon the new act of Parliament for regulating tryals in cases of treason, London 1696 [Wing A3755]. Anon., The charge and impeachment exhibited against the bloody judges of our late royal-martyred King Charles with his Majesties proclamation, touching the horrid murtherers of his royal father of blessed memory […], London 1660 [Wing C2047A]. Anon., The confessions and execution of the two Jesuits drawn, hang’d and quartered at Tyburn on Friday the 24th of January, 1678/9 for high treason viz. William Ireland and John Grove, with their carriage and behaviour, London 1679 [Wing C5802aA]. Anon., The Damnable principle of the Jesuites touching the murdering of Kings fully laid open in two eminent instances, de facto, by their own confession, London 1679 [Wing D156]. Anon., The execution of William Ireland and John Grove who were drawn, hang’d, and quartered at Tyburn on Friday the 24th of January, 1678/9 for high-treason; with their carriage and behaviour, London 1679 [Wing E3856]. Anon., The Jesuites lamentation for the discovery of their two late plots of the apprentices and the Irish massacre, [London] [1680] [Wing J719]. Anon., The Jesuits unmasked, or, Politick observations upon the ambitious pretentions and subtle intreagues of that cunning society presented to all high powers as a seasonable discourse at this time, London 1679 [Wing J728]. Anon., The last speeches of the five notorious traitors and Jesuits viz. Thomas White […] William Harcourt […] John Gavan […] Anthony Turner and John Fenwick … who were justly executed at Tyburn, June 20, 1679, for conspiring the death of his sacred Majesty, and the subversion of the government and Protestant religion, [London] [1679] [Wing L506]. Anon., The office of the clerk of assize containing the form and method of the proceedings at the assizes and general gaol-delivery as also on the crown and nisi prius side […], London 1682 [Wing W126]. Anon., The plot in a dream: or, The discoverer in masquerade In a succinct discourse and narrative of the late and present designs of the papists against the King and government. Illustrated with coper plates. By Philopatris, London 1682 [Wing P2598A]. Anon., The Popish Plot more fully discovered being a full account of a damnable and bloody design of murdering his sacred Majesty, London 1679 [Wing P2955]. Anon., The Trial of Thomas Paine; for Writing and Publishing a Seditious Pamphlet Entitled the Rights of Man, London 1792 [STC N037961].

624

Anhang

Anon., The true manner of the execution, behaviour and last words (as near as they could be taken) of Edw. Coleman at Tyburn on Tuesday the third of December, 1678, being drawn, hang’d, and quarter’d for high-treason, London 1678 [Wing T2760]. Anon., The true speeches of Thomas Whitebread, Provincial of the Jesuits in England, William Harcourt, pretended Rector of London, John Fenwick, procurator for the Jesuits in England, John Gavan, and Anthony Turner, all Jesuits and priests, before their execution at Tyburn, June the 20th 1679 with animadversions thereupon, plainly discovering the fallacy of all their asseverations of their innocency, London 1679 [Wing T3099]. Anon., The very copy of a paper delivered to the sheriffs upon the scaffold on TowerHill, on Friday Decemb. 7, 1683 by Algernoon Sidney, Esq., before his execution there, London 1683 [Wing S3766]. Anon., The whole tryal of Edward Coleman, gent., at the Kings-bench Bar at Westminster, on the 27th of November, 1678 dedicated to Wialliam [sic] Greg in Newgate, with original letters, written to Father Le Chese, the French King’s confessor; and his last speech at the place of execution, London [1678] [Wing W2064]. Anon., Third Report of the Deputy Keeper of the Public Records. Presented to both Houses of Parliament by Command of Her Majesty, February 28, 1842, London 1842. Anon., Trial of David Tyrie for High Treason. At the assize at Winchester, on Saturday, Aug. 10. 1782, in: The Scots Magazine, August 1782, 393ff. Archbold, John Frederick, A summary of the law relative to pleading and evidence in criminal cases. With Precedents of indictments, &c., and the evidence necessary to support them, London 1822. Arnauld, Antoine, The king-killing doctrine of the Jesuites delivered in a plain and sincere discourse to the French king, concerning the re-establishment of the Jesuites in his dominions. Written in French by a learned Roman Catholick, and now translated into English, London 1679 [Wing K560A]. Atkyns, Robert, A defence of the late Lord Russel’s innocency by way of answer or confutation of a libellous pamphlet intituled. An antidote against poyson […], London 1689 [Wing A4136]. Atkyns, Robert, The Lord Russel’s innocency further defended, by way of reply to an ansvver, entituled. The magistracy and government of England vindicated, London 1689 [Wing A4140]. Atkyns, Robert, The Lord Russel’s innocency further defended, by way of reply to an ansvver, entituled. The magistracy and government of England vindicated, London 1689 [Wing A4140]. Aylesbury, Thomas, Sin dismantled, shewing the loathsomnesse thereof, in laying it open by confession […], London 1664 [Wing S3850]. Barnewall, Richard Vaughan / Edward Hall Alderson (Hrsg.), Reports of cases argued and determined in the court of King’s Bench. With tables of the names of the cases and the principal matters (5), London 1821. Barrell, John / Jon Mee (Hrsg.), Trials for treason and sedition, 1792–1794, Bd. 1, London 2006. Biener, Friedrich August, Das englische Geschworenengericht (1), Leipzig 1852.

Quellen und Literatur

625

Blackstone, William, Commentaries on the laws of England. Book the fourth (4), Oxford 1769 [STC T057753]. Blundell, Nicholas, Blundel, the Jesuit’s letter of intelligence to his friends the Jesuites at Cambray, taken about him when he was apprehended at Lambeth on Monday the 23th of June 1679 to Madam Katherine Hall in Cambray, [London] 1679 [Wing B3362]. Bolton, George, The practice of the criminal courts. Including the proceedings before the magistrates in petty and quarter sessions, and at the assizes, London 1835. Bombino, Paolo, Vita et martyrium Edmundi Campiani, Matua 1620. Borrow, George, Celebrated trials and remarkable cases of criminal jurisprudence from the earliest records to the year 1825 (6), London 1825. Bourchier, Thomas, Historia ecclesiastica de martyrio fratrum ordinis divi Francisci, dictorum de observantia qui partim in Anglia sub Henrico ocatuo rege. partim in Belgio sub principe Auriaco, partim & in Hyberina tempore Elizabthae regnantis reginae, idque ab anno 1538, usque ad hunc nostrum praesentem annum 1582 passi sunt, Paris 1582. Boyle, Robert, Some considerations about the reconcileableness of reason and religion, London 1675 [Wing E42A]. Boyle, Robert, Some considerations touching the usefulness of experimental natural philosophy. 2: The two chief advantages which a reall acquintance with nature brings to our minds, are, first, by instructing our curiosities; and next, by eciting and cherishing our devotion, Oxford 1664 [Wing B4030A]. Bray, William / John Evelyn, The diary and correspondence of John Evelyn, F.R.S. 1679 (2), London 1870. Brie, Friedrich, The Brut, or: The Chronicles of England, Toronto 1906. Brunner, Heinrich, Die Entstehung der Schwurgerichte, Berlin 1871. Burghley, William, The execution of justice in England, London 1583 [STC 4902]. Burnet, Gilbert, Bishop Burnet’s history of his own time (2), Oxford 1833. Burnet, Gilbert, History of his own time. From the Restoration of King Charles II. to the settlement of King William and Queen Mary at the Revolution (1), London 1724 [STC T231653]. Burridge, John Doble, A concise and impartial essay on the British constitution. Blended with the laws relation to landed property and the personal liberty of the subject, London 1819. Burton, Edwin / John H. Pollen, Lives of the English martyrs. Second series, the martyrs declared venerable, volume 1: 1583–1588, London [u.a.] 1914. Burton, Philip, Practice of the Office of Pleas, in the Court of Exchequer, both antient and modern, compiled from authentic materials; with precedents of pleadings, Reports of Cases in Points of Practice and The Rules of Court which now regulate the Course and Practice of that Office. By Philip Burton, Esq; Late Secondary and First Attorney in the said Office, London 1791. Campbell, John, Atrocious judges. Lives of judges infamous as tools of tyrants and instruments of oppression, New York 1856. Camden, William, Annales. or, The history of the most renowned and victorious princesse Elizabeth, late Queen of England: Containing all the important and re-

626

Anhang

markable passages of state, both at home and abroad, during her long and prosperous reigne, London 1635 [STC 4500]. Camden, William, The history of the most renowned and glorious Princess Elizabeth. Late Queen of England; all the most important an remarkable passages of state, both at home and abroad (so far as they were linked with the english affairs) during her long and prosperous reign, London 1688 [Wing C363A]. Camm, Bede, Lives of the English martyrs. Martyrs under Queen Elizabeth, London 1905. Carleton, George, A thankfull remembrance of Gods mercy. In an historicall collection of the great and mercifull deliverances of the Church and state of England, since the Gospell began here to flourish, from the beginning of Queene Elizabeth […], London 1624 [STC 4640]. Carpenter, Richard, The conscionable Christian: or, The indeuour of Saint Paul, to haue and discharge a good conscience alwayes towards God, and men […], London 1623 [STC 4681]. Carpzov, Benedikt, Peinlicher Sächsischer Inquisitions- und Achtprozeß, Leipzig 1693. Cavalieri, Giovanni Battista, Ecclesiae anglicanae trophaea. Sanct. martyrum pro Christo catholicaeque fidei veritate asserenda antiquo recentiorique pesecutionum tempore mortem in Anglia subierunt passiones Romae in collegio anglico per Nicolaum Circinianum depictae; nuper autem per J. Bapt. de Cavalleriis aeneis typis repraesentatae, Rom 1584. Cavalieri, Giovanni Battista, Ecclesiae militantis triumphi sive Deo amabilium martyrum gloriosa pro Christi fide certamina, Rom 1585. Diese Ausgabe enthält auch Verstegan, Richard, Descriptiones quaedam illius inhumanae et multiplicis persecutionis, quam in Anglia propter fidem sustinent Catholice Christiani [Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2 Th Pr 194a (Beibd. 3)]. Challoner, Richard, Memoirs of missionary priests, as well secular as regular; and of other catholics, of both sexes, that have suffered death in England, on religious accounts, from the year of our Lord 1577, to 1684 […], London 1741 [STC T125100]. Chardon, John, A sermon vpon part of the ninth chapter of the holy gospel of Iesus Christ according to S.  Iohn. Preached at S.  Maries in Oxford, Oxford 1586 [STC 5002]. Charke, William, A replie to a censure written against the two answers to a Iesuites seditious pamphlet, London 1581 [STC 5007]. Charke, William, An answere to a seditious pamphlet. Lately cast abroade by a Iesuite conteyning ix. articles heere inserted and set downe at large, with a discouerie of that blasphemous sect. By William Charke. Nine articles directed to the Lords of the Privy-Council, London 1581 [STC 5006]. Chitty, Joseph, A practical treatise on the criminal law. Comprising the practice, pleadings, and evidence which occur in the course of criminal prosecution, London 1816. Cobbett, William  / Thomas Bayly Howell  / Thomas Jones Howell, Cobbett’s complete collection of state trials and proceedings for high treason and other crimes and misdemeanors from the earliest period to the present time, 33 Bde., London 1809–1826.

Quellen und Literatur

627

Coke, Edward, The second part of the institutes of the laws of England: Containing the exposition of many ancient, and other statutes, London 1797 [STC T112814]. Coke, Edward, The third part of the Institutes of the laws of England concerning high treason and other pleas of the crown and criminal causes, London 1669 [Wing C4963]. Coleman, Edward, The tryal of Edward Coleman, Gent. for conspiring the death of the King, and the subversion of the government of England and the Protestant religion who upon full evidence was found guilty of high treason, and received sentence accordingly, on Thursday, November the 28th, 1678, London 1678 [Wing T2185]. Corker, James Corker, Roman-catholick principles in reference to god and the king. Explained in a letter to a friend and now made publick to shew the connexion between the said principles and the late Popish Plot, London 1680 [Wing C6303]. Cottu, Charles / Johann Peter von Hornthal, Die peinliche Rechtspflege und der Geist der Regierung in England, Weimar 1821. Cottu, Charles, De l’administration de la justice criminelle en Angleterre, et de l’esprit du gouvernement anglais, Paris 1822. Cottu, M., On the administration of criminal justice in England; and the spirit of the English government; translated from the French, London 1822. Cowell, John, The interpreter. Or Booke containing the signification of vvords wherein is set foorth the true meaning of all, or the most part of such words and termes, as are mentioned in the lawe vvriters, or statutes of this victorious and renowned kingdome, requiring any exposition or interpretation, Cambridge 1607 [STC 5900]. Crompton, Richard, A short declaration of the ende of traytors, and false conspirators against the state & of the duetie of subiectes to theyr soueraigne gouernour. And wythall, howe necessarie, lawes and execution of iustice are, for the preseruation of the prince and common wealth. Wherein are also breefely touched, sundry offences of the S. Queene, co[m]mitted against the crowne of this land, & the manner of the honorable proceding for her conuiction thereof, and also the reasons & causes alledged & allowed in Parliament, why it was thought dangerous to the state, if she should haue liued […], London 1587 [STC 6055]. Crompton, Richard, L’authoritie et iurisdiction des courts de la Maiestie de la Roygne. Nouelment collect & compose, per R. Crompton del milieu Temple Esquire. Apprentice del ley, London 1594. Curiae, Amicus, Criticisms on the bar, including strictures of principal counsel practising in the Courts of King’s Bench, common pleas, chancery, and exchequer, London 1819. Custance, George, A concise view of the constitution of England, London 1808. Delolme, Jean Louis, La constitution de l’Angleterre. Ou état du gouvernement anglais, comparé avec la forme républicaine et avec les autres monarchies de l’Europe, Amsterdam 1771. Dicey, Albert Venn, Introduction to the study of the law of the constitution, London 6 1902. Disney, Daniel, The crying sin of perjury, and the heinous and destructive nature of that sin, described and detected […], London [1722] [STC N002980].

628

Anhang

Donovan, Joseph Wesley, Tact in court. Sixth enlarged edition, containing sketches of cases won by art, skill, courage and eloquence, with examples of trial work by the best advocates, and hints on law speeches., London, Toronto, Sydney 1915. Drant, Thomas, Two sermons preached. The one at S.  Maries Spittle on Tuesday in Easter weeke 1570 and the other at the court at Windsor the Sonday after twelfth day, being the viij of Ianuary, before in the yeare 1569, London 1570 [STC 7171]. Dryden, John, Absalom and Achitophel. A Poem, London 1681 [Wing D2216]. Duncombe, Giles, Trials per pais. Or The law of England concerning juries by nisi prius, &c. With a compleat treatise of the law of evidence […]. The fifth edition with large additions. […] By Giles Duncombe, [London] 1718 [STC N013743]. Dyer, George, Four letters on the English constitution. I. On different opinions concerning the English constitution, II. On its principles, III. On its defects, IV. On the best means on promoting its fundamental principles, London 1817. [Emlyn, Sollom], A complete collection of state-trials, and proceedings for high-treason, and other crimes and misdemeanours; from the reign of King Richard II. to the reign of King George II. In Six Volumes. With two alphabetical tables to the whole, Vol. 1: 1388–1648; vol. 2: 1648–1679; vol. 3: 1679–1684; vol. 4: 1685–1696; vol. 5: 1696–1709; vol. 6: 1715–1741, London 1742. England and Wales, An act declaring what offences shall be adjudged treason. Die Martis, 17 Juli, 1649. Ordered by the Commons assembled in Parliament, that this act be forthwith printed and published, London 1649. Evelyn, John / William Bray, Memoirs of John Evelyn Esq. F. R. S. His diary, from 1641 to 1705/6 and a selection of his familiar letters; to which is subjoined the private comprising correspondance between King Charles I. and Edward Nicholas, also between Sir Edward Hyde, afterwards Earl of Clarendon and Sir Richard Browne., London 1827. Fenwick, John, Observations on the trial of James Coigly for high-treason. Together with an account of his death, including his address to the spectators. […], London 1798 [STC T068051]. Feuerbach, Paul Johann Anselm von, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Gießen 1821. Foley, Henry, Records of the English Province of the Society of Jesus (1), London 1877. Fortescue, John, A learned commendation of the politique lawes of Englande. vvherin by moste pitthy reasons & euident demonstrations they are plainelye proued farre to excell aswell the ciuile lawes of the Empiere, as also all other lawes of the world, with a large discourse of the difference betwene the. ii. gouernements of kingdomes: whereof the one is onely regall, and the other consisteth of regall and polityque administration conioyned. written in latine aboue an hundred yeares past, by the learned and right honorable maister Fortescue knight, London 1567 [STC 11194]. Foster, Michael, A Report of some Proceedings on the Commission of Oyer and Terminer and Gaol Delivery for the Trial of the Rebels in the year 1746 in the County of Surry, and of other Crown Cases. To which are added Discourses upon a few Branches of the Crown Law, Oxford [1762] [STC N012837]. Foxe, John, Actes and monuments of these latter and perillous dayes touching matters of the Church, wherein ar comprehended and decribed the great persecutions

Quellen und Literatur

629

[and] horrible troubles, that haue bene wrought and practised by the Romishe prelates, speciallye in this realme of England and Scotlande […]. Popularly known as the book of martyrs, London 1563 [STC 11222]. Froissart, Jean, Chronicles of England, France, Spain and adjoining countries (1), London 1808. Fulke, William, A retentiue, to stay good Christians, in true faith and religion, against the motiues of Richard Bristow. Also a discouerie of the daungerous rocke of the Popish Church, commended by Nicholas Sander D. of Diuiniti, London 1580 [STC 11449]. Fulke, William, D. Heskins, D. Sanders, and M. Rastel, accounted (among their faction) three pillers and archpatriarches of the popish synagogue (vtter enemies to the truth of Christes Gospell, and all that syncerely professe the same) ouerthrowne, and detected of their seuerall blasphemous heresies, London 1579 [STC 11433]. Gadbury, John, A new narrative of the popish plot shewing the cunning contrivance thereof, with a signal providence to this nation in the discovery of it and the plotters, to the confusion of the wicked papists, and to the great comfort of all good Protestants. To the tune of Packington’s pound, [London] [1680] [Wing G93A]. Gilbert, Geoffrey, The law of evidence. By a late learned judge. In this edition, the errors in the Irish edition have been corrected, the original references carefully compared, and many new references added, particularly to the late Sir John Strange’s Reports. With a complete table to the whole, London 1756 [STC N010430]. Glanvill, Joseph, Essays on serveral important subjects in philosophie and religion, London 1676 [Wing G809]. Glanvill, Joseph, Seasonable reflections […] in order to the conviction, and cure of the scoffing, London 1676 [Wing G830]. Glaser, Julius, Das englisch-schottische Strafverfahren, übersichtlich dargestellt zur Vergleichung mit der französisch-deutschen, namentlich der österreichischen Legislation, Wien 1850. González de Montes, Reginaldo  / Vincent Skinner, A discouery and playne declaration of sundry subtill practises of the Holy Inquisition of Spayne. Certaine speciall examples set aparte by them selues […] wherein a man may see the forsaid practises of the Inquisition, as they be practised and exercised very liuely described. Set forth in Latine, by Reginaldus Gonsaluius Montanus, and newly translated, London 1569 [STC 11997]. Goss, Alexander, Abbott’s journal. II. The trials at Manchester in 1694. (An acc(oun)t of the tryalls at Manchester. October 1694. Of Caryll L[ord] Molineux [u. a.]), Manchester 1864. Great Britain, Record Commission (Hrsg.), Statutes of realm. Volume 7, 1695–1701, William III, 1695–6: An Act for regulateing of Tryals in Cases of Treason and Misprision of Treason [Chapter III. Rot. Parl. 7 & 8 Gul. III. pt. 1.nu.3.] 1820. Grey, Anchitell, Debates of the House of Commons from the year 1667 to the year 1694, Vol. 10, London 1763. Gurney, Joseph, The Trial of William Stone; For High Treason, at the Bar of the Court of King’s Bench, on Thursday the Twenty-Eighth, and Friday the Twenty-Ninth of January, 1796, London 1796 [STC T114137].

630

Anhang

Hague, T., A letter to William Garrow, Esq. In which the conduct of counsel in the cross-examination of witnesses, and commenting on their testimony, is fully discussed, and the licentiousness of the bar exposed, London 1808. Hale, Matthew, Historia placitorum coronæ. The history of the pleas of the Crown, by Sir Matthew Hale Knt. sometime Lord Chief Justice of the Court of King’s Bench. Now first published from his Lordship’s original manuscript, and the several references to the records examined by the originals, with large notes. By Sollom Emlyn of Lincoln’s-Inn Esq; To which is added a table of the principal matters. In two volumes, [London] 1736 [STC N017759]. Hale, Matthew, Pleas of the crown, or, A brief but full account of whatsoever can be found relating to that subject […], London 1678 [Wing H253]. Ebenfalls benutzt wurde die Ausgabe London 1707 [STC N012162]. Hale, Matthew, The history and analysis of the common law. Written by a learned hand, London 1713 [STC N007657]. Hale, Matthew, The primitive origination of mankind, considered and examined according to the light of nature, London 1677 [Wing H258]. Hanmer, Meredith, The great bragge and challenge of M. Champion a Jesuite co[m] monlye called Edmunde Campion, latelye arriued in Englande, contayninge nyne articles here seuerallye laide downe, directed by him to the lordes of the Counsail, co[n]futed & aunswered by Meredith Hanmer, London 1581 [STC 12745.5]. Harbaugh, H., Some chapters on Humbug, in: The Guardian. A Magazin devoted to the Interest of Young Men and Ladies (1856), 33–37. [Hargrave, Francis],  A Complete Collection of State-Trials, and Proceedings for High-Treason, and Other Crimes and Misdemeanours; the Fourth Edition; Commencing with The Eleventh Year of the Reign of King Richard II. And Ending With The Sixteenth Year of the Reign of King George III. With Two Alphabetical Tables to the Whole. To Which is Prefixed. A New Preface, 11 Bde., London 1776–1781 [T112654]. Harris, Richard, Hints on advocacy, London 1880. Harris, Tim, The reign of James II. 1685–1687 (= The entring book of Roger Morrice, 1677–1691, 3, hrsg. v. Mark Goldie), Woodbridge 2007. Hascard, Gregory, Gladius justitiae. A sermon preached at the assizes held at Lincoln, March 9, 1667/8 William Welby, esq. being Sheriff of the County, London 1668 [Wing H1112]. Hawkins, William, A treatise of the pleas of the crown. Or, A system of the principal matters relating to that subject, digested under their proper heads, [London] [1724] [STC T126275]. Hawles, John, A reply to a sheet of paper, intituled, The magistracy and government of England vindicated. Or, A justification of the English method of proceedings against criminals, by way of answer to the defence of the late Lord Russel’s innocence […], London 1689 [Wing H1189]. Hawles, John, Remarks upon the tryals of Edward Fitzharris, Stephen Colledge, Count Coningsmark, the Lord Russel, Collonel Sidney, Henry Cornish, and Charles Bateman as also on the Earl of Shaftsbury’s grand jury, Wilmore’s Homine

Quellen und Literatur

631

replegiando, and the award of execution against Sir Thomas Armstrong, London 1689 [Wing H1188]. Hawles, John, The English-mans right a dialogue between a barrister at law and a juryman. Plainly setting forth, I. the antiquity of juries. II. the excellent designed use of juries. III. the office and just priviledges of juries, by the law of England, London 1680 [Wing H1185]. Hazlitt, William, The works of Daniel Defoe. With a memoir of his life and writings (1), London 1811. [Hearne, Thomas], An aduertisement and defence for trueth against her backbiters and specially against the whispring fauourers, and colourers of Campions, and the rest of his confederats treasons, [London] 1581 [STC 153.7]. Hill, William, A brief narrative of that stupendious tragedie late intended to be acted by the satanical saints of these reforming times humbly presented to the kings most excellent majesty. Also an impartial account of the indictment, arraignment, tryal, and condemnation of Thomas Tonge, George Phillips, Francis Stubbs, James Hind, Iohn Sallers, and Nathaniel Gibbs, at Iustice-Hall in the Old-Baily, London, Decemb. 11, 1662: Together with the confessions, speeches and prayers of George Phillips, Thomas Tonge, Nathaniel Gibbs, Francis Stubbs, at the place of execution, on Munday Decemb. 22, 1662; exactly taken in short- hand characters by the same person that wrote the late kings iudges tryals, London 1663 [Wing B4612]. Hobbes, Thomas, De corpore politico. Or The elements of lavv, moral & politick. With discourses upon several heads; as of the law of nature. Oathes and covenants. Severall kind of government. With the changes and revolutions of them, London 1650 [Wing H2219]. Hobbes, Thomas, The English works of Thomas Hobbes of Malmesbury, London 1840. Hodges, John George, Report of the trial of William Smith O’Brien, for high treason. At the special commission for the co. tipperary, held at Clonmel, september and october, 1848; with the judgment of the Court of Queen’s Bench, Ireland, and of the House of Lords, on the writs of error, Dublin 1849. Holcroft, Thomas, A plain and succinct narrative of the late riots and disturbances in the cities of London and Westminster and borough of Southwark. Containing, […] an account of the commitment of Lord George Gordon to the Tower, and anecdotes of his life. To which is prefixed, an abstract of the act lately passed in favour of the Roman Catholics, London 1780 [STC N025228]. Holdsworth, William S., A history of English law, 17 Bde., Boston / London 1903–1966. Holinshed, Raphael, The firste volume of the Chronicles of England, Scotlande, and Irelande. Conteyning, the description and chronicles of England, from the first inhabiting vnto the conquest, the description and chronicles of Scotland, from the first originall of the Scottes nation, till the yeare of our Lorde, 1571, the description and chronicles of Yrelande, likewise from the firste originall of that nation, vntill the yeare 1547, London 1577 [STC 13568]. Holinshed, Raphael, The first and second volumes of Chronicles. comprising 1 The description and historie of England, 2 The description and historie of Ireland, 3 The description and historie of Scotland: first collected and published by Raphaell Ho-

632

Anhang

linshed, William Harrison, and others: now newlie augmented and continued (with manifold matters of singular note and worthie memorie) to the yeare 1586. by Iohn Hooker aliàs Vowell Gent and others. With conuenient tables at the end of these volumes., [London] 1587 [STC 13569]. Hooker, Richard, The Works of that Learned and Judicious Divine, Mr. Richard Hooker in Eight Books. Of the Laws of Ecclesiastical Polity, Completed out of his own Manuscripts, London 1723 [STC T070803]. Howell, Thomas Bayly / Thomas Jones Howell, A Complete Collection of State Trials and Proceedings for High Treason and Other Crimes and Misdemeanors from The Earliest Period to The Year 1783, With Notes and Other Illustrations, 42 Bde., London 1811–1826. Hunt, Henry, The trial of Henry Hunt, Esq. […] for an alledged conspiracy to overturn the government, London 1820. Jardine, David, A reading on the use of torture in the criminal law of England previously to the Commonwealth 1837. Jardine, David, Criminal trials. Supplying copious illustrations of the important periods of English history during the reigns of Queen Elizabeth and James I, London 1847. Jones, John, Jurors judges of law and fact. or, certain observations of certain differences in points of law between a certain reverend judge, called Andr. Horn, and an uncertain author of a certain paper, printed by one Francis Neale this year 1650. styled, A letter of due censure and redargution to Lievt. Col. John Lilburn, touching his tryall at Guild-Hall, London in Octob. 1649 […], [London] 1650 [Wing J970]. Kelyng, John Sir, A report of divers cases in pleas of the Crown, adjudged and determined; in the reign of the late King Charles II. With directions for justices of the peace and others. Collected by Sir John Kelyng, Knt. Late Lord Chief Justice of His Majesty’s Court of King’s Bench. From the original manuscript, under his own hand, London 1708 [STC T121547]. Kempe, William, A dutiful inuectiue, against the moste haynous treasons of Ballard and Babington with other their adherents, latelie executed. Together, vvith the horrible attempts and actions of the Q. of Scottes and the sentence pronounced against her at Fodderingay. Newlie compiled and set foorth, in English verses: for a New yeares gifte to all loyall English subiects, London 1587 [STC 14925]. Knox, John, An answer to a letter of a Iesuit named Tyrie, Sanctandrois 1572 [STC 15062]. L’Estrange, Roger, A compleat catalogue of all the stitch’d books and single sheets printed since the first discovery of the popish plot (September 1678) to January 1679/80 to which is added a catalogue of all his majesties proclamations, speeches, and declarations with the orders of the king and council and what acts of parliament have been published since the plot. The continuation isintended by the publisher, London 1680 [Wing C5630]. L’Estrange, Roger, A true narrative of the discovery, lately made, of a new plot against his majesty, and royal highness, and the three kingdomes in generall. Being carryed on by many ill-affected men both to king and government. And how they had designed to have vvay-laid his royal person, & his brother, & to have murdered them

Quellen und Literatur

633

in their coach, and all his guards, coming from Nevv-Market […], London 1683 [Wing T2785A]. L’Estrange, Roger, Considerations upon a printed sheet entituled the speech of the late Lord Russel to the sheriffs together, with the paper delivered by him to them, at the place of execution, London 1683 [Wing L 1231]. L’Estrange, Roger, Sir, The history of the Plot, or, A brief and historical account of the charge and defence of Edward Coleman, Esq., William Ireland, Thomas Pickering, John Grove. Robert Greene, Henry Berry, London 1679[Wing L1258]. L’Estrange, Roger, The history of the Plot. Or A brief and historical account of the charge and defence of Edward Coleman, Esq William Ireland, Thomas Pickering, John Grove. Robert Green, Henry Berry, Laurence Hill. Tho. Whitebread, William Harcourt, John Fenwick, John Gavan, Anthony Turner, Jesuites. Richard Langhorne, Esq; Sir George Wakeman, baronet. William Marshall, William Rumley, James Corker, Benedictine monks. Not omitting any one material passage in the whole proceeding, London 1679 [Wing L1258]. [Lilburne, John] / [Richard Overton], An agreement of the free people of England. Tendered as a peace-offering to this distressed nation. By Lieutenant Colonel Iohn Lilburne, Master William Walwyn, Master Thomas Prince, and Master Richard Overton, prisoners in the Tower of London, [London] 1649 [Wing L2079]. Lilburne, John, An impeachment of high treason against Oliver Cromwel, and his son in law Henry Ireton Esquires […], London 1649 [Wing L2116]. Lilburne, John, Englands birth-right. Justified against all arbitrary usurpation, whether regall or parliamentary, or under what vizor soever […], [London] 1645 [Wing L2103]. Lilburne, John, Englands new chains discovered. Or the serious apprehensions of a part of the people, in behalf of the Commonwealth; (being presenters, promoters, and approvers of the large petition of September 11. 1648) Presented to the supreme authority of England, the representers of the people in Parliament assembled, [London] 1649 [Wing L2106]. Lilburne, John, Liberty vindicated against slavery. Shewing, that imprisonment for debt, refusing to answer interrogatories, long imprisonment, though for just causes […], [London] 1646. Lilburne, John, The Christian mans trial. Or a true relation of the first apprehension and severall examinations of Iohn Lilburne, with his censure in Star-chamber, and the manner of his cruell whipping through the streets […], London 1641[Wing L2089]. Lilburne, John, The freemans freedome vindicated. Or a true relation of the cause and manner of Lieut. Col. J. Lilburns present imprisonment in Newgate, being thereunto arbitrarily and illegally committed, by the house of peeres, etc, [London] [1646]. Lilburne, John, The iust mans iustification. Or a letter by way of plea in barre, London 1646 [Wing L2125]. Lilburne, John, The lawes funerall. Or, An epistle written by Lieutenant Col. John Lilburn, prisoner in the Tower of London, unto a friend of his, giving him a large relation of his defence, made before the judges of the Kings bench, the 8. of May 1648. against both the illegal commitments of him by the House of Lords, and the House of Commons, [London] 1648 [Wing L2130].

634

Anhang

Lilburne, John, The legal fundamental liberties of the people of England. revived, asserted and vindicated. Or an epistle, written the 8. of Iune, 1649. by Lieutenant Colonel John Lilburn (arbitrary and aristocratical prisoner in the Tower of London) […], London 1649 [Wing L2132]. Lilburne, John, The oppressed mans importunate and mournfull cryes to be brought to the barre of iustice. Or an epistle writ by Lievt. Col. John Lilburne (without all shadow of law and iustice, imprisoned in the Tower of London), [London] 1648 [Wing L2148]. Lilburne, John, The oppressed man’s oppression declared. Or An epistle written by Lieut. Col. Iohn Lilburne, prerogative-prisoner (by the illegall and arbitrary authority of the House of Lords) in the Tower of London, to Col. Francis West, lieutenant thereof in which the oppressing cruelty of all the gaolers of England is declared, and particularly the lieutenants of the Tower. […], [London] 1647 [Wing L2149A]. Lilburne, John, The Picture of the Councel of State. held forth to the free people of England by Lievt. Col. John Lilburn, Mr Thomas Prince, and Mr Richard Overton, now prisoners in the Tower of London. Or, a full narrative of the late extra-judicial and military proceedings against them. Together with the substance of their several examinations, answers and deportments before them at Darby house, upon the 28. of March last, [London] 1649 [Wing L2154]. Lloyd, Lodowick, Certaine Englishe verses presented vnto the Queenes most excellent Maiestie, by a courtier. In ioy of the most happie disclosing, of the most dangerous conspiracies pretended by the late executed traitours, against her royall person, and the whole estate, London 1586 [STC 16617]. Lloyd, Robert Lumley, A sermon preach’d at St. Paul’s Covent-Garden, on the 30th of January, 1711. being the anniversary-fast for the martyrdom of King Charles the First. By the Honourable Robert Lumley Lloyd of Cheam in Surry, one of her Majesty’s late Justices of the Peace for the said County, Rector of St. Paul’s CoventGarden, and Chaplain to the most Noble his Grace the Duke of Bedford, London [1712] [STC T095340]. Love, Christopher, A modest and clear vindication of the serious representation. And late vindication of the ministers of London, from the scandalous aspersions of John Price, in a pamphlet of his, entituled, Clerico-classicum or, The clergies alarum to a third war. […], London 1649 [Wing L3168]. Loveland, Richard, Sir John Kelyng’s reports of crown cases in the time of King Charles II. [1662–1669], London 1873. Lowth, Robert, A sermon preached before the Honourable and Right Reverend Richard Lord Bishop of Durham, the Honourable Henry Bathurst. And the Honourable Sir Joseph Yates, at the assizes holden at Durham, August 15, 1764, London 1767 [STC T027144]. Luttrell, Narcissus, A brief historical relation of state affairs from September 1678 to April 1714, 4 Bde., Oxford 1857. Macaulay, Thomas Babington, The History of England. From the Accession of James Second, London 1861. Marvell, Andrew, An Account of the Growth of Popery and Arbitrary Government in England. More particularly from the long prorogation of November, 1675, ending

Quellen und Literatur

635

the 15th of February 1676, till the last meeting of Parliament, the 16th of July 1677, Amsterdam [London] 1677 [Wing M860A]. Mason, Henry, The nevv art of lying couered by Iesuites vnder the vaile of equiuocation, discouered and disproued by Henry Mason, London 1624 [STC 17610]. Meyer, Hugo, Das Strafverfahren gegen Abwesende. Geschichtlich dargestellt und vom Standpunkt des heutigen Rechts geprüft, Berlin 1869. Mittermaier, Carl, Anleitung zur Verteidigungskunst im deutschen Strafprozesse und in dem auf Mündlichkeit und Öffentlichkeit gebauten Strafverfahren. Mit den Eigenthümlichkeiten der Verteidigung vor Geschworenengerichten, mit Beispielen, Regensburg 1845. Mittermaier, Carl, Das englische, schottische und nordamerikanische Strafverfahren. Im Zusammenhange mit den politischen, sittlichen und socialen Zuständen und in den Einzelheiten der Rechtsübung dargestellt, Erlangen 1851. Mittermaier, Carl, Die Mündlichkeit, das Anklageprincip, die Oeffentlichkeit und das Geschworenengericht, Stuttgart / Tübingen 1845. Mittermaier, Carl, Die öffentliche mündliche Strafrechtspflege und das Geschworenengericht in Vergleichung mit dem deutschen Strafverfahren, Landshut 1819. Mittermaier, Carl, Erfahrungen über die Wirksamkeit der Schwurgerichte in Europa und Amerika. Über ihre Vorzüge, Mängel und Abhülfe, Erlangen 1865. Morfill, W. R., Ballads from manuscripts. Vol. II, Hertford 1873. Morris, John, The troubles of our Catholic forefathers, related by themselves, 2 Bde., London 1872. Morton, Thomas, A full satisfaction concerning a double Romish iniquitie. Hainous rebellion, and more then heathenish aequiuocation, London 1606 [STC 18185]. Munday, Anthony, A breefe and true reporte, of the execution of certaine traytours at Tiborne. the xxviii. and xxx. dayes of Maye. 1582. Gathered by A.M. who was there present. The names of them executed on Monday, the xxviii. of Maye. Thomas Foord. Iohn Shert. Robert Iohnson. The names of them executed on Wednesday, the xxx. of Maye. VVilliam Filbie. Luke Kirbie. Lawrance Richardson. Thomas Cottom, London 1582 [STC 18261]. Munday, Anthony, A breefe aunswer made vnto two seditious pamphlets. the one printed in French, and the other in English Contayning a defence of Edmund Campion and his complices, their moste horrible and vnnaturall treasons, against her Maiestie and the realme, London 1582 [STC 18262]. Munday, Anthony, A discouerie of Edmund Campion, and his confederates, their most horrible and traiterous practises, against her Maiesties most royall person and the realme Wherein may be seene, how thorowe the whole course of their araignement. they were notably conuicted of euery cause. VVhereto is added, the execution of Edmund Campion, Raphe Sherwin, and Alexander Brian, executed at Tiborne the 1. of December, London 1582 [STC 18270]. Munday, Anthony, A vvatch-vvoord to Englande to beware of traytours and tretcherous practises, which haue beene the ouerthrowe of many famous kingdomes and common weales. Written by a faithfull affected freend to his country: who desireth God long to blesse it from traytours, and their secret conspiracyes. Séene and al-

636

Anhang

lowed, according to the order appointed in the Quéenes iniunctions, London 1584 [STC 18282]. Munday, Anthony, The English Romayne lyfe. Discouering the liues of the Englishmen at Roome; the orders of the English semiminarie: the dissention betweene the Englishmen and the VVelshmen; the banishing of the Englishmen out of Roome; the Popes sending for them againe; a reporte of many of the paltrie reliques in Roome: ther vautes vnder the grounde; their holy pilgrimages; and a number other matters, worthy to be read and regarded of euery one. There vnto is added, the cruell tiranny, vsed on an English man at Roome, his Christian suffering, and notable martirdome, for the Gospell of Iesus Christe, London 1582 [STC 18272]. Muralt, Béat Louis de, Letters describing the character and customs of the English and French nations: With a curious essay on travelling. And a criticism on Boileau’s Description of Paris, London 1726 [STC N019973]. Naogeorg, Thomas, The Popish kingdome, or reigne of Antichrist. Written in Latine verse by Thomas Naogeorgus, and englyshed by Barnabe Googe, London 1570. [STC 15011]. Nelson, William, The law of evidence: wherein all the cases that have yet been printed in any of our Law Books or Tryals, and that in any wise relate to Points of Evidence, are collected and methodically digested under their proper heads: with necessary tables to the whole, [London] 1717 [STC T129613]. North, Roger, The Lives of the Honourable Sir Dudley North, Knt. Commissioner of the Customs, and afterwards of the Treasury to his Majesty King Charles the Second. And of the Honourable and Reverend Dr. John North. Master of Trinity College in Cambridge, and Greek Professor, Prebend of Westminster, an sometime Clerk of the Closet to the same King Charles the Second, London 1744 [STC T149592]. [Norton, Thomas], A discouerie of the treasons practised and attempted against the Queenes Maiestie and the realme, by Francis Throckemorton who was for the same arraigned and condemned in Guyld Hall, in the citie of London, the one and twentie day of May last past, STC 24051, [London] 1584 [STC 24051]. Nowell, Alexander, A true report of the disputation or rather priuate conference had in the Tower of London, London 1583 [STC 18744]. Oates, Titus, A true narrative of the horrid plot and conspiracy of the popish party against the life of His Sacred Majestie, the government, and the Protestant religion. with a list of such noblemen, gentlemen and others, as were the conspirators; and the head-officers both civil and military that were to effect it. Published by the order of the right honourable the Lords Spiritual and temporal in Parliament assembled. Humbly presented to His Most Excellent Majesty. By Titvs Oates, D.D., London 1679 [Wing O61]. Oldham, John, The Jesuits justification, proving they died as innocent as the child unborn, London 1679 [Wing J718]. Paine, Thomas, Letter addressed to the addressers, on the late proclamation, London 1792 [STC T005840]. Palmer, Roger, The compendium, or, A short view of the late tryals in relation to the present plot against His Majesty and government with the speeches of those that

Quellen und Literatur

637

have been executed. As also an humble address, at the close, to all the worthy patriots of this once flourishing and happy kingdom, [London] 1679 [Wing C1241]. Parker, Henry, A letter of due censure. And redargvtion [sic] to Lieut: Coll: John Lilburne, touching his triall at Guild-Hall-London in Octob, last. 1649. Wherein if there be contemper’d some corrosive ingredients, tis not to be imputed unto malice, the intent is, to eat away the patients proud, dead flesh, not to destroy any sincere, sound part, London 1650 [Wing P405]. Patterson, Annabel M. (Hrsg.), The trial of Nicholas Throckmorton. A modernized edition (Tudor and Stuart texts), Toronto 1998. [Pawlet, Robert], The tryal of Edward Coleman, Gent. for conspiring the death of the King, and the subversion of the government of England and the Protestant religion who upon full evidence was found guilty of high treason, and received sentence accordingly, on Thursday, November the 28th, 1678, London 1678 [Wing T2185]. Persons, Ronert, Bericht von der grausamen tyrannischen Verfolgung der Calvinisten wider die frommen catholischen Christen in Engellandt. Jüngstlich von einem Priester deß Englischen Collegij zu Rom Lateinisch beschriben, Ingolstadt 1583. Phillipps, S. M., A Treatise on the Law of Evidence, London 1815. Phillips, John, Dr. Oates’s narrative of the Popish plot, vindicated in an answer to a scurrilous and treasonable libel, call’d, A vindication of the English Catholicks, from the pretended conspiracy against the life and government of His Sacred Majesty, London 1680 [Wing P2083]. Pigott, Charles, A Political Dictionary: Explaining the true Meaning of Words. Illustrated and exemplified in the Lives, Morals, Character and Conduct of the following Most Illustrious Personages […], London 1795 [STC T043958]. Pollen, John H., Acts of English martyrs hitherto unpublished, London 1891. Pollen, John H., Mary Queen of Scots and the Babington plot, in: The Month 109 (1907), 356–365. Pollen, John H., Unpublished documents relating to the English martyrs 1584–1603 (Catholic Record Society, Record Series 5, 1) London 1908. Pollock, John, The Popish Plot. A study in the history of the reign of Charles II, London 1903. Pulteney, William, A report from the committee appointed by order of the House of Commons to examine Christopher Layer and others. […], London 1723 [STC T212871]. Pulton, Ferdinando, De Pace Regis et Regni viz. A treatise declaring vvhich be the great and generall Offences of the Realme […], London 1609 [STC 20495]. Rainolds, John, A sermon vpon part of the eighteenth Psalm preached to the publik assembly of scholers in the Vniuersitie of Oxford the last day of August, 1586. vpon occasion of their meeting to giue thanks to God for the late detection and apprehension of traitours, who wickedlie conspired against the Queenes Maiestie and the state of the realme, Oxford 1586 [STC 20621]. Richardson, Charles, A new dictionary of the English language, Bd.1, London 1836. Ridgway, James, The speeches of the Hon. Thomas Erskine (now Lord Erskine), when at the bar, on subjects connected with the liberty of the press, and against constructive treasons, 3 Bde., London 1813.

638

Anhang

Rintel, Carl, Von der Jury. Ihre Nothwendigkeit und Stellung im Strafverfahren, ihre Geschichte und verschiedene Bedeutung in England und Frankreich, ihre Einführung in Preußen. Eine Monographie, Münster 1844. Robinson, William C., Forensic oratory. A manual for advocates, Boston 1893. [Rushworth, John], The Tryal of Thomas, Earl of Strafford, Lord Lieutenant of Ireland, upon an impeachment of high treason by the Commons then assembled in Parliament. […] London 1680 [Wing R2333]. Rüttimann, Johann Jakob, Ueber die englische Strafrechtspflege, Zürich 1837. Salmon, Thomas, A new abridgement and critical review of the state trials. Wherein are inserted, several trials not in any other collection. Also, some trials that were taken in haste and scarce intelligible, are brought into regular order; and many Deficiencies throughout the Whole supply’d. Likewise, remarks are made on each trial, shewing what the Law in Criminal Cases anciently was; how it has been altered, and stands at this Day. Together with impartial Memoirs of the Times and Characters of the Sufferers. To which is added, a compleat Alphabetical index, of the Names of the Prisoners tried, the Times when, their Crimes, and their Punishment, 2 Bde., Dublin 1737 [STC T106465]. Salmon, Thomas, Tryals for high-treason, and other crimes. With proceedings on bills of attainder, and impeachments. For three hundred years past. To which are prefix’d, a preface, giving an account of the nature and usefulness of the work. And an alphabetical table of the respective persons try’d, 9 Bde., London 1720–1731. Schwerin, Otto von, Briefe aus England. Über die Zeit von 1674 bis 1678. In Gesandtschafts-Berichten des Ministers Otto von Schwerin des Jüngern an den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Berlin 1857. Scott, Thomas, The proiector teaching. A direct, sure, and ready vvay to restore the decayes of the Church and state both in honour and revenue. Deliuered in a sermon before the iudges in Norvvich, at summer assises there holden, anno 1620. By Thomas Scot Batchelor in Diuinity, London 1623 [STC 22081]. Scott, Thomas, Vox Dei. Iniustice cast and condemned In a sermon preached the twentieth of March 1622. At the assises holden in St. Edmunds Bury in Suffolke. By Thomas Scot Batchelar in Diuinity, and minister of the Word at S. Clements in Ipswitch, London 1623 [STC 21873.5]. Selden, John, Table-talk. Being discourses of John Seldon, Esq or his sense of various matters of weight and high consequence, relating especially to religion and state, London 1696 [Wing S2438]. Sellon, Baker John / George Crompton, The practice of the Courts of King’s Bench and Common Pleas. Part I (1), London 1792–96 [STC T147713]. Serres, Jean de, The three partes of commentaries containing the whole and perfect discourse of the ciuill warres of Fraunce, vnder the raignes of Henry the Second, Frances the Second, and of Charles the Ninth. with an addition of the cruell murther of the Admirall Chastilion, and diuers other nobles, committed the 24 daye of August, anno 1572, London 1574 [STC 22242]. Settle, Elkanah, Remarks on Algernoon Sidney’s paper, delivered to the sherriffs at his execution, London 1683 [Wing S2715].

Quellen und Literatur

639

Settle, Elkanah, Some animadversions on the paper delivered to the sheriffs, on Friday December the 7th 1683, by Algernon Sidney, Esq. before he was executed, London 1683 [Wing S4473]. Shower, Bartholomew, Reasons for a new bill of rights humbly submitted to the consideration of the ensuing sessions of Parliament, London 1692 [Wing S3657]. Shower, Bartholomew, The magistracy and government of England vindicated. Or, A justification of the English method of proceedings against criminals. By way of answer to the defence of the late Lord Russel’s innocence &c., London 1689 [Wing S3653]. Shower, Bartholomew, The magistracy and government of England vindicated in three parts. Containing I. A justification of the English method of proceedings against criminals, &c. II. An answer to several replies, &c. III. Several reasons for a general act of indempnity, [London] 1690 [Wing S3655]. Simpson, Richard, Edmund Campion. A biography, London 1867. Smith, John William, A Selection of Leading Cases on Various Branches of the Law. With Notes. In two Volumes. (Bd. 2), London 1841. Smith, Thomas, De Republica Anglorum. A Discourse on the Commonwealth of England, With a Preface by F. W. Maitland, Cambridge 1906. Spedding, James / R. L. Ellis / D. D. Heath, The works of Francis Bacon 1857. Sprat, Thomas, The history of the Royal-society of London, for the improving of natural knowledge, London 1667 [Wing S5032]. Starkie, Thomas, A treatise on criminal pleading. With precedents of indictments, special pleas, &c. Adapted to practice, London 1814. Staunford, William, Les plees del coron diuisees in plusiours titles & common lieux. Per queux home plus redement et plenaireme[n]t trouera, quelq[ue] chose que il quira, touchant les ditz plees, London 1560 [ESTC 23220]. Stephen, H. L., State Trials Political and Social, London, New York 1899. Stephen, James Fitzjames, A History of the criminal law of England, 2 Bde., London 1883. Stubbes, Phillip, The intended treason, of Doctor Parrie and his complices, against the Queenes moste excellent Maiestie With a letter sent from the Pope to the same effect. For Henry Car, and are to be solde in Paules Church-yard at the signe of the Blazing Starre, London 1585 [STC 23396]. Stubbs, W. / G. Talmash, The crown circuit companion: Containing the practice of the assizes on the Crown Side […], London 1738 [STC T122847]. Stubbs, William, The Crown Circuit Companion. Eight Edition; into which has been incorporated the work formerly published under the name of the Crown Circuit Assistant, London 1811. Thelwall, John/ [Mrs. Henrietta Cecil Boyl], The life of John Thelwall. By his widow, Bde. 1, London 1837. Tillotson, John, The lawfulness, and obligation of oaths. A sermon preach’d at the assises held at Kingston upon Thames, July 21, 1681, London 1681 [Wing T1200]. Tonge, Ezerel, Dr. Tonges relation of the general massacre intended and plotted by the Papists. 2. Brought into Parliament by his direction and assistance: 3. Near the time of their prorogation, about the 22th. of June, 1678, [London] [1679] [Wing T1881].

640

Anhang

Torrent, G., Beiträge zur Würdigung des Strafverfahrens in England nach mehrjährigen Beobachtungen, in: Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslands 28 (1856), 125–152. Tremaine, John, Placita coronæ. Pleas of the Crown, in Matters Criminal and Civil. Containing a large collection of modern precedents, London 1723 [STC T174201]. Verax, Theodorus [d.i. Walker, Clement], The triall, of Lieut. Collonell John Lilburne by an extraordinary or special commission, of oyear and terminer at the Guild-Hall of London, the 24, 25, 26. of Octob. 1649. Being as exactly pen’d and taken in short hand, as it was possible to be done in such a croud and noise […], London 1649 [Wing W338]. Verstegan, Richard, Descriptiones quaedam illius inhumanae et multiplicis persecutionis, quam in Anglia propter fidem sustinent Catholice Christiani, Paris 1583. Verstegan, Richard, Theatrvm Crudelitatum Haereticorum Nostri Temporis, Antwerpen 1587 [Staats- und Stadtbibliothek Augsburg: 4 Th H 2830]. Warr, John, The corruption and deficiency of the laws of England, London 1649 [Wing W945]. Wendeborn, Gebhard F. A., Beyträge zur Kentniß Großbritanniens, aus der Handschrift eines Ungenannten, Lemgo 1780. Wellman, Francis L., The art of cross-examination, New York / London 1903. Whetstone, George, The censure of a loyall subiect upon certaine noted speach & behauiours of those fourteen notable traitors, at the place of their executions […]. Wherein is handled matter of necessarie instruction and comfort for al duetiful subiectes: especially, the multitude of ignoraunt people. Feare God: be true to thy Prince: and obey the lawes, London 1587 [STC 25334]. Wicks, Frederick, The British constitution and government. A description of the way in which the laws of England are made and administered together with an account of the functions of the chief officers in every department of the state, and a brief sketch of the growth of the constitution, London [1902]. Wiens, Eberhard, Sammlung fragmentarischer Nachrichten über Christoph Bernhard von Galen, Fürstbischof zu Münster, Münster 1834. Wilkinson, George Theodore, An authentic History of the Cato-Street conspiracy. With the trials […] of the conspirators for high treason and murder. A description of their weapons and combustible machines, and every particular connected with the rise, progress, discovery and termination of the horrid plot. With portraits of the conspirators, taken during their trials, by permission, and other engravings, London 1820.

4. LITERATUR Adelswärd, Viveka [u.a.], The unequal distribution of interactional space. Dominance and control in courtroom interaction, in: Interdisciplinary Journal for the Study of Discourse (2009), 313–346. Ahnert, Ruth, The rise of prison literature in the sixteenth century, Cambridge 2013.

Quellen und Literatur

641

Ainsley, Jill Newton, “Some mysterious agency”. Women, violent crime, and the insanity acquittal in the Victorian courtroom, in: Canadian Journal of History 35 (2000), 37–55. Alber, Peter-Paul, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren (Schriften zum Strafrecht, 21), Berlin 1974. Aldridge, Alfred Owen, Man of reason. The life of Thomas Paine, Philadelphia 1959. Alexander, David, Richard Newton and English caricature in the 1790s, Manchester 1998. Alexy, Robert, Theorie der juristischen Argumentation. Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung; Nachwort (1991): Antwort auf einige Kritiker, Frankfurt am Main 72012. Alford, Stephen, A politics of emergency in the reign of Elizabeth I, in: English radicalism, 1550–1850, hrsg. v. Glenn Burgess / Matthew Festenstein, Cambridge 2007, 17–36. Alford, Stephen, The watchers. A secret history of the reign of Elizabeth I, New York 2012. Allo, Awol K., The ‘show’ in the ‘show trials’. Re-contextualizing the politicization of truth and justice in the courtroom, in: Barry Law Review 15 (2010), 41–72. Anderson, J. M., The honorable burden of public office. English humanists and Tudor politics in the sixteenth century, New York 2010. Andrews, Jonathan / Andrew T. Scull, Undertaker of the mind. John Monro and maddoctoring in eighteenth-century England, Berkeley / Los Angeles 2001. Angelis, Simone de, Sehen mit dem physischen und dem geistigen Auge. Formen des Wissens, Vertrauens und Zeigens in Texten der frühneuzeitlichen Medizin, in: Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, hrsg. v. Herbert Jaumann, Berlin 2011, 211–253. Arblaster, Paul, Antwerp and the world. Richard Verstegan and the international culture of catholic reformation (Avisos de Flandes, 9), Leuven 2004. Archer, Dawn, Questions and answers in the English courtroom (1640–1760). A sociopragmatic analysis (Pragmatics & beyond, 135), Amsterdam / Philadelphia 2005. Archer, Dawn, Verbal aggression and impoliteness. Related or synonymous?, in: Impoliteness in language. Studies on its interplay with power in theory and practice, hrsg. v. Derek Bousfield / Miriam A. Locher, Berlin 2008, 181–210. Arlinghaus, Franz-Josef, Gesten, Kleidung und die Etablierung von Diskursräumen im städtischen Gerichtswesen (1350 bis 1650), in: Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Johannes Burckhardt / Christine Werkstätter (Historische Zeitschrift Beihefte, 41), München 2005, 461–498. Arlinghaus, Franz-Josef, Inklusion/Exklusion. Funktion und Formen des Rechts in der spätmittelalterlichen Stadt. Das Beispiel Köln, unveröff. Habilitationsschrift, Kassel 2006. Arlinghaus, Franz-Josef, Materialität und Differenzierung der Kommunikation. Zu Funktionen des Pergament- und Papiergebrauchs in der spätmittelalterlichen Ständegesellschaft, in: Papier im mittelalterlichen Europa. Herstellung und Gebrauch, hrsg. v. Carla Meyer / Sandra Schultz / Bernd Schneidmüller (Materiale Textkulturen 7), Berlin / München / Boston 2015.

642

Anhang

Arlinghaus, Franz-Josef, Mittelalterliche Rituale in systemtheoretischer Perspektive. Übergangsriten als basale Kommunikationsform in einer stratifikatorisch-segmentären Gesellschaft, in: Geschichte und Systemtheorie. Exemplarische Fallstudien, hrsg. v. Frank Becker (Campus historische Studien, 37), Frankfurt am Main [u.a.] 2004, 108–156. Arlinghaus, Franz-Josef, Sprachformeln und Fachsprache. Zur kommunikativen Funktion verschiedener Sprachmodi im vormodernen Gerichtswesen, in: Symbolische Kommunikation vor Gericht in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Reiner Schulze (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, 51), Berlin 2006, 56–72. Arrigo, Bruce A., Madness, language and the law, New York 1993. Asch, Ronald G., Das Common Law als Sprache und Norm der politischen Kommunikation in England, ca. 1590–1640, in: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Heinz Duchhardt / Gert Melville, Köln / Weimar / Wien 1997, 103–136. Asch, Ronald G., Herbst des Helden. Modelle des Heroischen und heroische Lebensentwürfe in England und Frankreich von den Religionskriegen bis zum Zeitalter der Aufklärung. Ein Essay (Helden – Heroisierungen – Heroismen, 3), Würzburg 2015. Asch, Ronald G., Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum? Monarchie und politische Theologie in England von Elisabeth I. bis zu Karl I, in: Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, hrsg. v. Luise Schorn-Schütte, Berlin / Boston 2004, 123–148. Asch, Ronald G., Zwischen sakraler Legitimation und politischer Säkularisierung: Die Monarchie in England und Frankreich im späten 17. Jahrhundert, in: Demokratie und Transzendenz, hrsg. v. Hans Vorländer, Bielefeld 2013, 199–215. Asch, Ronald G., Sacral Kingship between Disenchantment and Re-enchantment. The French and English Monarchies c. 1587–1688, New York / Oxford 2014 Ashcraft, Richard, Revolutionary politics and Locke’s two treatises of government, Princeton 1986. Atkinson, J. Maxwell / Paul Drew, Order in court (Oxford socio-legal studies), London [u.a.] 1979. Atkinson, J. Maxwell / Paul Drew, Order in court. The organisation of verbal interaction in judicial settings (Oxford socio-legal studies), Houndmills 1990. Aylmer, Gerald Edward, The crown’s servants. Government and the civil service under Charles II, 1660–1685, Oxford 2002. Aylmer, Gerald Edward, The Levellers in the English Revolution (Documents of Revolution) 1975. Backhaus, Vera, Der gesetzliche Richter im Staatsschutzstrafrecht. Zur Verfassungsmäßigkeit des § 120 Abs. 2 GVG (Frankfurter kriminalwissenschaftliche Studien, 121), Frankfurt am Main 2010. Baepler, Paul Michael, The barbary captivity narrative and American culture, in: Early American Literature (2004), 217–246. Baer, Marc, Political dinners in Whig, Radical and Tory Westminster, 1780–1880, in: Parliamentary History 24 (2005), 183–206.

Quellen und Literatur

643

Baker, Geoff, Northern catholics and the Manchester Jacobite trials of 1694. A ‘refined piece of villany’?, in: Northern History 50 (2013), 157–271. Baker, John H., The common law tradition. Laywers, books and the law, London 2000. Baker, John H., An introduction to English legal history, London 21979. Baker, John H., Criminal courts and procedure at common law 1550–1800, in: Crime in England, 1550–1800, hrsg. v. James S. Cockburn, London 1977, 15–48. Baker, John H., Manual of law French, Avebury 1979. Baker, John H., The attorneys and officers of the common law in 1480, in: Journal of Legal History 1 (1980), 182–203. Baker, John H., The legal profession and the common law. Historical essays (History series, 48), London 1986. Baker, John H., The order of serjeants-at-law. A chronicle of creations, with related texts and a historical introduction (Selden Society, Supplementary Series 5) London 1984. Baker, John H., The Oxford history of the laws of England. 1483–1558 (The Oxford history of the laws of England, 6), Oxford 2003. Baker, Philip / Elliot Vernon (Hrsg.), The agreements of the people, the Levellers, and the constitutional crisis of the English Revolution, Basingstoke 2012. Baker, Philip, A despicable contemptible generation of men? Cromwell and the Levellers, in: Oliver Cromwell. New perspectives, hrsg. v. Patrick Little, Basingstoke 2009, 90–115. Ballinger, Anette, Dead woman walking. Executed women in England and Wales 1900– 1955, Aldershot 2000. Banks, Stephen, Informal justice in England and Wales 1760–1914. The courts of popular opinion, Woodbridge, Suffolk 2014. Barclay, Andrew, The rise of Edward Colman, in: The Historical Journal 42 (1999), 109–131. Barclay, Katie, Emotions, the law and the press in Britain. Seduction and breach of promise suits, 1780–1830, in: Journal for Eighteenth Century Studies 39 (2016), 267–284. Barrell, John, Imagining the king’s death. Figurative treason, fantasies of regicide 1793– 1796, Oxford 2000. Bartlett, Thomas, The life and opinions of Leonard MacNally (1752–1820). Playwright, barrister, united Irishman, and informer, in: Information, media and power through the ages. Historical studies XXII. Papers read before the 24th Irish conference of historians held at University College Cork, 20–22 May 1999, hrsg. v. Hiram Morgan, Dublin 2001, 113–136. Bastian, Corina, Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts (Externa, 4), Köln 2013. Beattie, J. M., Crime and the courts in England. 1660–1800, Oxford 1986. Beattie, J. M., London crime and the making of the “bloody code” 1689–1718, in: Stilling the grumbling hive. The response to social and economic problems in England, 1689–1750, hrsg. v. Tim Keirn [u.a.], Stroud / New York 1992, 49–76. Beattie, J. M., London juries in the 1690s, in: Twelve good men and true. The criminal trial jury in England, 1200–1800, hrsg. v. James S. Cockburn / Thomas A. Green (Princeton Legacy Library), Princeton 1988, 214–253.

644

Anhang

Beattie, J. M., Scales of justice. Defense counsel and the English criminal trial in the eighteenth and nineteenth centuries, in: Law and History Review 9 (1991), 221–267. Beattie, J. M., The first English detectives. The Bow Street runners and the policing of London, 1750–1840, Oxford 2012. Becker, Peter / William Clark (Hrsg.), Little tools of knowledge. Historical essays on academic and bureaucratic practices, Ann Arbor 2001. Beecher, Donald (Hrsg.), Taking exception to the law. Materializing injustice in early modern English literature, Toronto 2015. Behrens, Georg, An early Tudor debate on the relation between law and equity, in: Journal of Legal History 19 (1998), 143–161. Beilin, Elaine, The examinations of Anne Askew, New York / Oxford 1996. Belchem, John / James Epstein, The nineteenth-century gentleman leader revisited, in: Social History 22 (1997), 174–193. Belchem, John, ‘Orator’ Hunt. Henry Hunt and English working-class radicalism, Oxford 1985. Belchem, John, Republicanism, popular constitutionalism and the radical platform in early nineteenth-century England, in: Social History [London] 6 (1981), 1–32. Bellamy, John G., The law of treason in England in the later middle ages, Cambridge 1970. Bellamy, John G., The Tudor law of treason. An introduction, London 1979. Benedict, Philip, Graphic history. The wars, massacres and troubles of Tortorel and Perrissin (Travaux d’humanisme et renaissance, 431), Genève 2007. Bennett, G. V., The Tory crisis in church and state 1688–1730. The career of Francis Atterbury, bishop of Rochester, Oxford 1975. Bentley, David, English criminal justice in the nineteenth century, London 1998. Bentley, David, Select cases from the twelve judges’ notebooks, London 1997. Berger, Benjamin L., Judges, juries, and the history of criminal appeals, in: Law hist. rev. 29 (2011), 297–302. Berger, Emmanuel, The criminal jury in England and France in the Late 18th century. Historiographical Issues and Research Perspectives of Popular Justice, in: Popular justice in Europe (18th-19th centuries), hrsg. v. Emmanuel Berger / Émilie Delivré, Bologna 2014, 71–88. Bergmann, Jörg R., Ethnomethodologische Konversationsanalyse, in: Handbuch der Dialoganalyse, hrsg. v. Gerd Fritz, Tübingen 1994, 3–16. Bewley, Christina, Muir of Huntershill, Oxford 1981. Biagioli, Mario, Galilei, der Höfling. Entdeckungen und Etikette: vom Aufstieg der neuen Wissenschaft, Frankfurt am Main 1999. Bilder, Mary Sarah, Salamanders and sons of god. The culture of appeal in early New England, in: The many legalities of early America, hrsg. v. Christopher L. Tomlins / Bruce H. Mann, Chapel Hill 2001, 47–77. Black, Jeremy, Britain 1800, in: History Today 50 (2000), 29–35. Black, Jeremy, The English press in the eighteenth century, Hoboken 2010. Blatcher, Marjorie, The court of King’s Bench, 1450–1550. A study in self-help, London 1978.

Quellen und Literatur

645

Boas, Gideon, The Milošević trial. Lessons for the conduct of complex international criminal proceedings, Cambridge 2007. Bodet, Gerald P., Sir Edward Coke’s third institutes. A primer for treason defendants, in: The University of Toronto Law Journal 20 (1970), 469–477. Bossy, John, The English Catholic community, 1570–1850, London 1975. Boulton, James T., The language of politics in the age of Wilkes and Burke, London 1963. Bourdieu, Pierre, La force du droit, in: Actes de la recherche en sciences sociales 64 (1986), 3–19. Bourdieu, Pierre, The force of law. Towards a sociology of the juridical field, in: The Hastings Law Journal 38 (1987), 814–853. Boyer, Allen D., Sir Edward Coke and the Elizabethan age (Jurists: Profiles in legal theory), Stanford 2003. Braddick, Michael J., State formation in early modern England, c. 1550–1700, Cambridge / New York 2000. Brailsford, Henry N. / Christopher Hill, The Levellers and the English Revolution, London 1961. Brendecke, Arndt, Die Blindheit der Macht. Über den subjektiven Mehrwert alteuropäischer Beratung, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 3 (2009), 33–43. Brendecke, Arndt, Imperium und Empirie. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln / Weimar / Wien 2009. Bretschneider, Falk / Martin Scheutz / Alfred S. Weiß, Personal und Insassen von „Totalen Institutionen“. Zwischen Konfrontation und Verflechtung (Geschlossene Häuser – Historische Studien zu Institutionen und Orten der Separierung, Verwahrung und Bestrafung, 3), Leipzig 2011. Brigden, Susan, London and the Reformation, Oxford 1992. Briggs, Robin, Trahison et politique de révolution. Les procès de Strafford et de Charles Ier, in: Les procès politiques (XIVe-XVIIe Siècle), hrsg. v. Yves-Marie Bercé, Rom 2007, 395–423. Brodocz, André, Die Macht der Judikative, Wiesbaden 2009. Brodocz, André, Mächtige Kommunikation. Zum Machtbegriff von Niklas Luhmann, in: Macht und Herrschaft. Sozialwissenschaftliche Theorien und Konzeptionen, hrsg. v. Peter Imbusch, Wiesbaden 22012, 247–263. Brooks, Christopher W., Law, politics and society in early modern England, Cambridge [u.a.] 2009. Brooks, Christopher W., Pettyfoggers and vipers of the Commonwealth. The ‘lower branch’ of the legal profession in early modern England, Cambridge 1986. Brückweh, Kerstin, Dekonstruktion von Prozessakten. Wie ein Strafprozess erzählt werden kann, in: Vom Recht zur Geschichte. Akten aus NS-Prozessen als Quellen der Zeitgeschichte, hrsg. v. Jürgen Finger / Sven Keller / Andreas Wirsching, Göttingen 2009, 193–204. Bryan, James Wallace, The development of the English law of conspiracy, Baltimore 1909. Burgess, Glenn, British political thought, 1500–1660. The politics of the post-Reformation, Basingstoke 2009.

646

Anhang

Burgess, Glenn, The politics of the ancient constitution. An introduction to English political thought, 1603–1642, Basingstoke 1992. Burschel, Peter, Das Heilige und die Gewalt, in: Archiv für Kulturgeschichte 86 (2004), 341–368. Burschel, Peter, Sterben und Unsterblichkeit. Zur Kultur des Martyriums in der Frühen Neuzeit (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution, 35), München 2004. Cairns, David, Advocacy and the making of the adversarial criminal trial, 1800–1865 (Oxford studies in modern legal history), Oxford 1998. Calder-Marshall, Arthurin, The Spa Fields Riots, 1816, in: History Today (1971), 407– 415. Calliess, Gralf-Peter [u.a.] (Hrsg.), Soziologische Jurisprudenz. Festschrift für Gunther Teubner zum 65. Geburtstag, Berlin 2009. Calliess, Gralf-Peter, Billigkeit und effektiver Rechtsschutz. Zu Innovation und Evolution des (Zivil-) Rechts in der Globalisierung, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 26 (2005), 33–55. Calliess, Gralf-Peter, Systemtheorie. Luhmann / Teubner, in: Neue Theorien des Rechts, hrsg. v. Sonja Buckel  / Ralph Christensen  / Andreas Fischer-Lescano, Stuttgart 2006, 199–221. Campe, Rüdiger /  Manfred Schneider (Hrsg.), Geschichten der Physiognomik. Text, Bild, Wissen, Freiburg 1996. Cano-Echevarría, Berta / Ana Sáez-Hidalgo, Educating for martyrdom. British exiles in the English college at Valladolid, in: Religious diaspora in Early Modern Europe, hrsg. v. Timothy G. Fehler [u.a.] (Religious cultures in the early modern world), London 2014, 93–106. Carini, Marco, Fritz Teufel. Wenn‘s der Wahrheitsfindung dient, Hamburg 2003. Carius, Hendrikje, Recht durch Eigentum. Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648– 1806) (bibliothek altes Reich, 12), München, Germany 2012. Carrafiello, Michael L., Robert Parsons and English catholicism, 1580–1610, Selinsgrove / London 1998. Carroll, Stuart, Martyrs and murderers. The Guise family and the making of Europe, Oxford 2009. Chadwick, Roger, Bureaucratic mercy. The home office and the treatment of capital cases in victorian Britain, New York 1992. Charlton, Tom, „Tis the thought of the heart which makes the treason“. Restoration responses to the Regicides, in: Heroes and villains, in: The creation and propagation of an image, hrsg. v. C. H. L. George / Julie Sutherland, Durham 2004, 111–122. Christensen, Ralph R. / Michael D. Sokolowski, Die Krise der Kommunikation und die Möglichkeit juristischen Argumentierens, in: Recht verhandeln. Argumentieren, Begründen und Entscheiden im Diskurs des Rechts, hrsg. v. Kent D. Lerch (Die Sprache des Rechts, 2), Berlin 2005, 105–154. Christenson, Ron, Political trials in history. From antiquity to the present, New Brunswick 1991. Christie, Ian R., Conservatism and stability in British society, in: The French Revolution and British popular politics, hrsg. v. Mark Philp, Cambridge 1991, 169–187.

Quellen und Literatur

647

Clancy, Thomas H., Papist pamphleteers. The Allen-Persons party and the political thought of the Counter-Reformation in England, 1572–1615, Chicago 1964. Clark, Richard, Capital punishment in Britain, Hersham 2009. Clarke, Elisabeth, Re-reading the exclusion crisis, in: Seventeenth Century 21 (2006), 141–159. Clayton, Mary, Changes in Old Bailey trials for the murder of newborn babies, 1674– 1803, in: Continuity and Change 24 (2009), 337–359. Clegg, Cyndia Susan, Censorship and the courts of star chamber and high commission in England to 1640, in: Journal of Modern European History 3 (2005), 50–80. Clemit, Pamela, Godwin, political justice, in: The Cambridge companion to British literature of the French Revolution in the 1790s, hrsg. v. Pamela Clemit (Cambridge companions to literature, 1), Cambridge 2011, 86–100. Clifton, Robin, Fear of Popery, in: The origins of the English Civil War, hrsg. v. Conrad Russell, London 1973, 144–167. Cockburn, James S., A history of English assizes. 1558–1714 (Cambridge studies in English legal history), Cambridge 1972. Cockburn, James S., The spoils of law. The trial of Sir John Hele, 1604, in: Tudor rule and revolution. Essays for G.R. Elton from his American friends, hrsg. v. John W. McKenna / DeLloyd J. Guth, Cambridge 1982, 309–343. Colantonio, Laurent, ‘Democracy’ and the Irish people, 1830–48, in: Re-imagining democracy in the Age of Revolutions. America, France, Britain, Ireland, 1750–1850, hrsg. v. Mark Philp / Joanna Innes, Oxford 2013, 162–173. Colclough, David, Freedom of speech in early Stuart England (Ideas in context, 72), Cambridge 2005. Collins, John M., Martial Law and English Laws, c.1500–c.1700, Cambridge 2016. Condren, Conal, Argument and authority in early modern England. The presupposition of oaths and offices, Cambridge / New York 2006. Conley, John M. / William M. O’Barr / E. Allen Lind, The power of language. Presentational style in the courtroom, in: Duke Law Journal (1978), 1375–1399. Conley, John M. / William M. O’Barr, Just words. Law, language, and power, Chicago / London 1998. Cooper, John P. D., The Queen’s agent. Francis Walsingham at the Court of Elizabeth I, London 2011. Cope, Kevin L., Criteria of certainty. Truth and Judgment in the English Enlightenment, Lexington 1990. Corfield, Penelope J., Eighteenth-century lawyers and the advent of the professional ethos, in: Droit et société en France et en Grande Bretagne (XIIe-XXe siècles), hrsg. v. Philippe Chassaigne / Jean-Philippe Genêt (Collection internationale, 71), Paris 2003, 103–126. Cover, Robert M., Violence and the world, in: Yale Law Review (1986), 1601–1629. Covington, Sarah, ‘The Tribunals of Christ and of Man’. Law and the making of martyrs in early modern England, in: Mortality 19 (2014), 134–150. Covington, Sarah, The trail of martyrdom. Persecution and resistance in sixteenth-century England, Notre Dame (IN) 2003.

648

Anhang

Cox, David J., Crime in England 1688–1815 (1), Abingdon / Oxon / New York 2014. Craven, Paul / Douglas Hay, The criminalization of „free“ labour. Master and servant in comparative perspective, in: Slavery & Abolition 15 (1994), 71–101. Cressy, David, Society and culture in early modern England, Aldershot 2003. Cressy, David, Dangerous talk. Scandalous, seditious, and treasonable speech in premodern England, Oxford 2010. Crew, Albert, The Old Bailey. History, constitution, functions, notable trials, London 1933. Cromartie, Alan, Sir Matthew Hale, 1609–76. Law, religion and natural philosophy, Cambridge 1995. Crone, Rosalind, Publishing courtroom drama for the masses, 1820–1855, in: Crime, courtrooms and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham 2012, 193–216. Crone, Rosalind, Violent Victorians. Popular entertainment in nineteenth-century London, Manchester 2012. Crosby, Kevin, Bushell’s case and the Juror’s soul, in: The Journal of Legal History 33 (2012), 251–290. Crosby, M., The voice of flattery vs sober truth. William Godwin, Thomas Erskine and the 1792 trial of Thomas Paine for sedition, in: The Review of English Studies 62 (2011), 90–112. Cross, C., Orthodoxy, heresy and treason in Elizabeth England, in: Revue française de civilisation britannique 18 (2013), 29–38. Cruickshanks, Eveline / Howard Erskine-Hill, The Atterbury Plot (Studies in modern history), Houndmills [u.a.] 2004. Cruickshanks, Eveline, Lord North, Christopher Layer and the Atterbury Plot, 1720–23, in: The Jacobite challenge, hrsg. v. Eveline Cruickshanks / Jeremy Black, Edinburgh 1988, 92–106. Cullen, Louis M., The politics of clerical radicalism in the 1790s, in: Protestant, catholic and dissenter. The clergy and 1798, hrsg. v. Liam Swords, Dublin 1997, 274–309. Cullen, Louis M., The politics of crisis and rebellion, 1792–1798, in: Revolution, Counter-Revolution and union. Ireland in the 1790s, hrsg. v. Jim Smyth, Cambridge 2000, 21–38. Culpeper, Jonathan / Merja Kytö, Early modern English dialogues. Spoken interaction as writing, Cambridge 2010. Culpeper, Jonathan, Impoliteness. Using language to cause offence (Studies in interactional sociolinguistics, 28), Cambridge 2011. Cunningham, Karen, Imaginary betrayals. Subjectivity and the discourses of treason in early modern England, Philadelphia 2002. Cunningham, Richard, Virtual witnessing and the role of the reader in a new natural philosophy, in: Philosophy and Rhetoric 34 (2001), 207–224. Curran, John, jr., Roman invasions. The British history, Protestant anti-Romanism, and the historical imagination in England, 1530–1660, Madison 2002. Cuttler, S. H., The law of treason and treason trials in later medieval France (Cambridge studies in medieval life and thought, 3. series, 16), Cambridge / New York 1981.

Quellen und Literatur

649

Dailey, Alice A., Making Edmund Campion. Treason, martyrdom, and the structure of transcendence, in: Religion and Literature 38 (2006), 65–83. Dailey, Alice, The English martyr from reformation to revolution (ReFormations), Notre Dame (IN) 2012. Danet, Brenda, Language in the legal process, in: Law & Society Review 14 (1980), 445–564. Danou, Photini, Catholic treason trials in Elizabethan England. Complexities and ambiguities in the stage management of a public show: The case of William Parry, in: Journal of Early Modern History 14 (2010), 393–415. Danziger, Christine, Die Medialisierung des Strafprozesses. Eine Untersuchung zum Verhältnis von Medien und Strafprozess (Berliner Juristische Universitätsschriften Strafrecht, 37), Berlin 2009. Darr, Orna Alyagnon, Marks of an Absolute Witch. Evidentiary Dilemmas in Early Modern England, Farnham 2013. Dartmann, Christoph  / Günther Wassilowsky /  Thomas Weller (Hrsg.), Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren (Historische Zeitschrift Beihefte, N.F., 52), München 2010. Daston, Lorraine / Peter Galison, Objektivität, Frankfurt am Main 2007. Daston, Lorraine / Peter Galison, The Image of Objectivity, in: Representations (1992), 81–128. Daston, Lorraine, Classical probability in the Enlightenment, Cambridge / Princeton 1988. Daston, Lorraine, Baconsche Tatsachen, in: Rechtsgeschichte 2002 (2002), 36–55. Daston, Lorraine, Marvelous facts and miraculous evidence in early modern Europe, in: Critical Inquiry 18 (1991), 93–124. Daston, Lorraine, Probability and evidence, in: The Cambridge history of seventeenth-century philosophy, hrsg. v. Daniel Garber / Michael Ayers, Cambridge 1998, 1108–1144. Davies, Julie A., Poisonous vapours. Joseph Glanvill’s science of witchcraft, in: Intellectual History Review 22 (2012), 163–179. Davies, Owen, Murder, magic, madness. The Victorian trials of Dove and the wizard, Harlow 2005. Davis, James Colin, Against formality. One aspect of the English Revolution, in: Transactions of the Royal Historical Society 3 (1993), 265–288. Davis, James Colin, Political thought during the English Revolution, in: A companion to Stuart Britain, hrsg. v. Barry Coward (Blackwell companions to British history), Oxford 2003, 374–396. Davis, Michael T.  / Iain McCalman  / Christina Parolin, Patriots in prison. Newgate radicalism in the Age of Revolution, in: Newgate in revolution. An anthology of radical prison literature in the Age of Revolution, hrsg. v. Michael T. Davis / Iain McCalman / Christina Parolin, New York / London 2005, 9–25. Davis, Michael T., „Good for the public example“. Daniel Isaac Eaton, prosecution, punishment and recognition, 1793–1812, in: Radicalism and revolution in Britain, 1775–1848. Essays in honour of Malcolm I. Thomis, hrsg. v. Michael T. Davis, Basingstoke / New York 2000, 110–132.

650

Anhang

Davis, Michael T., „The impartial voice of future times will rejudge your verdict“. Discourse and drama in the trials of the Scottish political martyrs of the 1790s, in: Hélio Osvaldo Alves. O guardador de rios, hrsg. v. Joanne Paisana / Zina Abreu, Braga 2005, 65–78. Davis, Michael T., „I Can Bear Punishment“. Daniel Isaac Eaton, radical culture and the rule of law, 1793–1812, in: Crime, punishment, and reform in Europe, hrsg. v. Louis A. Knafla, Westport 2003, 89–106. Davis, Michael T., Prosecution and radical discourse during the 1790s. The case of the Scottish sedition trials, in: International Journal of the Sociology of Law 33 (2005), 148–158. Davis, Richard, Revolutionary imperialist. William Smith O’Brien, 1803–1864, Dublin 1998. Degele, Nina / Christian Dries, Modernisierungstheorie. Eine Einführung, München 2005. Devereaux, Simon, Arts of public performance. Barristers and actors in Georgian England, in: Crime, courtrooms and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham 2012, 93–118. Devereaux, Simon, England’s „bloody code“ in crisis and transition. Executions at the Old Bailey, 1760–1837, in: Journal of the Canadian Historical Association 24 (2013), 71–113. Devereaux, Simon, From sessions to newspaper? Criminal trial reporting, the nature of crime, and the london press, 1770–1800, in: London Journal 32 (2007), 1–27. Devereaux, Simon, Imposing the royal pardon. Execution, transportation, and convict resistance in London, 1789, in: Law and History Review 25 (2007), 101–138. Devereaux, Simon, The city and the sessions paper. ‘Public justice’ in London, 1770– 1800, in: Journal of British Studies 35 (1996), 466–503. Devereaux, Simon, The fall of the sessions paper. The criminal trial and the popular press in late eighteenth-century London, in: Criminal Justice History 18 (2003), 57–88. Dezalay, Yves  / Mikael Rask Madsen, The force of law and lawyers. Pierre Bourdieu and the reflexive sociology of law, in: Annual Review of Law and Social Science 8 (2012), 433–452. Dickinson, Harry T., Popular conservatism and militant loyalism 1789–1815, in: Britain and the French Revolution, 1789–1815, hrsg. v. Harry T. Dickinson, Basingstoke / New York 1989, 103–125. Dickinson, Harry T., Popular loyalism in Britain in the 1790s, in: The transformation of political culture. England and Germany in the late eighteenth century, hrsg. v. Eckhart Hellmuth (Studies of the German Historical Institute London), Oxford / New York 1990, 503–533. Dillon, A., Michelangelo and the English martyrs, Farnham 2012. Dillon, Anne, The Construction of Martyrdom in the English Catholic Community, 1535–1603, Aldershot 2002. Dolan, Frances E., True relations. Reading, literature, and evidence in seventeenthcentury England, Philadelphia 2013. Dolan, Frances E., Whores of Babylon. Catholicism, gender, and seventeenth-century print culture, Notre Dame (IN) 2005. Doran, Susan / Thomas S. Freeman (Hrsg.), The myth of Elizabeth, Basingstoke 2003.

Quellen und Literatur

651

Döring, Jörg / Tristan Thielmann, Spatial turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften (Sozialtheorie), Bielefeld 22009. Dozier, Robert R., For king, constitution, and country. The English loyalist and the French Revolution, Lexington (KY) 1983. Droste, Heiko, Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert (Nordische Geschichte, 2), Berlin 2006. Droste, Heiko, Patronage in der Frühen Neuzeit. Institution und Kulturform, in: Zeitschrift für Historische Forschung 30 (2003), 555–590. Duchhardt, Heinz / Gert Melville (Hrsg.), Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 1997. Duff, Antony / Lindsay Farmer / Sandra Marshall, The trial on trial. Towards a normative theory of the criminal trial (The trial on trial, 3), Oxford 2007. Duffy, Godfrey F., William Smith O’Brien. Petitions of mercy, in: Clogher Record: Journal of the Clogher Historical Society 15 (1995), 101–103. Duffy, Michael, William Pitt and the origins of the loyalist association movement of 1792, in: Historical Journal 39 (1996), 943–962. van Dülmen, Richard, Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der Frühen Neuzeit (349), München 1985. Duman, Daniel, The English and colonial bars in the nineteenth century, London 1983. Dunthorne, Hugh, Beccaria and Britain, in: Crime, protest and police in modern British society. Essays in memory of David J. V. Jones, hrsg. v. David W. Howell / Kenneth Owen Morgan, Cardiff 1999, 73–96. Eades, Diana, Courtroom talk and neocolonial control (Language, power and social process, 22), Berlin / New York 2008. Edwards, Francis, Plots and plotters in the reign of Elizabeth I, Dublin 2002. Eigen, Joel Peter, „I answer as a physician“. Opinion as fact in pre-McNaughton insanity trials, in: Legal medicine in history, hrsg. v. Michael Clark / Catherine Crawford, Cambridge 1994, 167–199. Eigen, Joel Peter, Unconscious crime. Mental absence and criminal responsibility in Victorian London, London 2003. Eigen, Joel Peter, Witnessing insanity. Madness and mad-doctors in the English court, New Haven 1995. Eisenberg, Christiane, Englands Weg in die Marktgesellschaft (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 187), Göttingen 2009. El Kenz, David, Die mediale Inszenierung der Hugenotten-Massaker zur Zeit der Religionskriege, in: Bilder des Schreckens. Die mediale Inszenierung von Massakern seit dem 16. Jahrhundert, hrsg. v. Christine Vogel, Frankfurt am Main 2006. Elliott, Marianne, Partners in revolution. The united Irishmen and France, New Haven 1982. Elliott, Marianne, The „despard conspiracy“ reconsidered, in: Past & Present (1977), 46–61. Elton, Geoffrey R., Policy and police. The enforcement of the Reformation in the age of Thomas Cromwell, Cambridge 1972. Elton, Geoffrey R., The law of treason in the early Reformation, in: Historical Journal (1968), 211–236.

652

Anhang

Elton, Geoffrey R., The Tudor constitution. Documents and commentary, Cambridge 2 1995. Emich, Birgit, Die Formalisierung des Informellen. Der Fall Rom, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hrsg. v. Reinhardt Butz / Jan Hirschbiegel (Vita curialis, 2), Berlin 2009, 149–156. Emich, Birgit, Gewalt kommunizieren. Die Pariser Bluthochzeit 1572 – oder: Die Auflösung des Martyriums im Massaker, in: Jenseits des Illustrativen. Visuelle Medien und Strategien politischer Kommunikation, hrsg. v. Niels Grüne / Claus Oberhauser, Göttingen 2015, 177–202. Emsley, Clive, An aspect of Pitt’s terror. Prosecutions for sedition during the 1790s, in: Social History 6 (1981), 155–184. Emsley, Clive, Britain and the French Revolution (Seminar studies in history), Harlow 2000. Emsley, Clive, Crime and Society in England. 1750–1900, Hoboken 42013. Emsley, Clive, Repression, „terror“ and the rule of law in England during the decade of the French Revolution, in: English Historical Review 100 (1985), 801–825. Emsley, Clive, The impact of the French Revolution on British politics and society, in: The French Revolution and British culture, hrsg. v. Ian Small / Ceri Crossley, Oxford 1989, 31–62. Engehausen, Frank, Von der Revolution zur Restauration. Die englischen Nonkonformisten 1653–1662 (Heidelberger Forschungen, 30), Heidelberg 1995. Engel, Gisela [u.a.] (Hrsg.), Konjunkturen der Höflichkeit in der Frühen Neuzeit (Zeitsprünge, 13), Frankfurt am Main 2009. Engels, Jens Ivo, Die Geschichte der Korruption. Von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2014. Epstein, James / David S. Karr, Playing at revolution. British „Jacobin“ performance, in: Journal of Modern History 79 (2007), 495–530. Epstein, James, ‘Our real constitution’. Trial defence and radical memory in the Age of Revolution, in: Re-reading the constitution. New narratives in the political history of England’s long nineteenth century, hrsg. v. James Vernon, Cambridge 1996, 22–51. Epstein, James, „Equality and no king“. Sociability and sedition. The case of John Frost, in: Romantic sociability. Social networks and literary culture in Britain, 1770–1840, hrsg. v. Gillian Russell / Clara Tuite, Cambridge 2002, 43–61. Epstein, James, From ritual practice to cultural text, in: Memoria y Civilización 3 (2000), 127–160. Epstein, James, In practice. Studies in the language and culture of popular politics in modern Britain, Stanford 2003. Epstein, James, Radical dining, toasting and symbolic expression in early nineteenth century Lancashire. Rituals of solidarity, in: Albion 20 (1988), 271–291. Epstein, James, Radical expression. Political language, ritual and symbol in England, 1790–1850, Oxford 1994. Epstein, James, Scandal of colonial rule. Power and subversion in the British Atlantic during the Age of Revolution (Critical perspectives on Empire), Cambridge 2012.

Quellen und Literatur

653

Epstein, James, Turn, turn, turn. Victorian Britain’s postmodern season, in: Journal of Victorian Culture (1996), 324–333. Epstein, James, Understanding the cap of liberty. Symbolic practice and social conflict in early nineteenth-century England, in: Past & Present 122 (1989), 75–118. Ernst, Wolfgang, Abstimmen über Rechtserkenntnis. Gedanken zur Entscheidungsfindung in Richterkollegien, in: JuristenZeitung 67 (2012), 637–648. Ernst, Wolfgang, Rechtserkenntnis durch Richtermehrheiten. Group choice in europäischen Justiztraditionen, Tübingen 2016. Fairclough, Mary, Radical sympathy. Periodical circulation and the Peterloo Massacre, in: Romanticism and Victorianism on the Net 57–58 (2010). Falk, Ulrich, Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der Frühen Neuzeit (Rechtsprechung. Materialien und Studien, 22), Frankfurt am Main 2006. Faller, Lincoln B., Turned to account. The forms and functions of criminal biography in late seventeenth- and early eighteenth-century England, Cambridge 2008. Farr, David, Major-General Thomas Harrison. Millenarianism, fifth monarchism and the English Revolution 1616–1660, Farnham 2014. Feldman, Martha S. / James G. March, Information in organizations as signal and symbol, in: Administrative Science Quarterly 26 (1981), 171–186. Fernandes, Isabelle, Le sang et l’encre. John Foxe (1517–1587) et l’écriture du martyre protestant anglais, Clermont Ferrand 2012. Ferrell, Lori Anne, Method as knowledge. Scribal theology, Protestantism, and the reinvention of shorthand in sixteenth-century England, in: Making knowledge in early modern Europe. Practices, objects, and texts, 1400–1800, hrsg. v. Pamela H. Smith / Benjamin Schmidt, Chicago 2007, 163. Fischer-Lescano, Andreas, Rechtskraft (Kleine Edition, 14), Berlin 2013. Fisher, George, The jury’s rise as lie detector, in: The Yale Law Journal 107 (1997), 517– 713. Fögen, Marie Theres, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit (Schriften zum Prozeßrecht, 33), Berlin 1974. Fögen, Marie Theres, Rechtsverweigerungsverbot. Anmerkung zur einer Selbstverständlichkeit, in: Urteilen, Entscheiden, hrsg. v. Cornelia Vismann / Thomas Weitin (Literatur und Recht), München 2006, 37–50. Fögen, Marie Theres, Römische Rechtsgeschichten. Über Ursprung und Evolution eines sozialen Systems (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 172), Göttingen 2002. Foucault, Michel, Der Mut zur Wahrheit. Vorlesung am Collège de France 1983/84 (Die Regierung des Selbst und der anderen, Vorlesung am Collège de France), Frankfurt am Main 2010. Foucault, Michel, Die Wahrheit und die juristischen Formen, Frankfurt am Main 2003. Foucault, Michel, Dits et écrits. Schriften in vier Bänden, Frankfurt am Main 2002. Foucault, Michel, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1994. Foxley, Rachel, „The wildernesse of tropes and figures“. Figuring rhetoric in Leveller pamphlets, in: Seventeenth Century 21 (2006), 270–286.

654

Anhang

Foxley, Rachel, John Lilburne and the citizenship of „free-born Englishmen“, in: Historical Journal 47 (2004), 849–874. Foxley, Rachel, The Levellers. Radical political thought in the English Revolution (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2013. Foyster, Elizabeth A., Introduction: Newspaper reporting of crime and justice, in: Continuity and Change 22 (2007), 9–12. Frankenberg, Günter, Staatstechnik. Perspektiven auf Rechtsstaat und Ausnahmezustand, Berlin 2010. Franklin, James, The science of conjecture: Evidence and probability before Pascal, Baltimore 2015. Frazer, Paul, Protestant propaganda and regional paranoia. John Awdelay and early Elizabethan print culture, in: Region, religion and English Renaissance literature, hrsg. v. David Coleman, Burlington 2013, 13–30. Frederick, Jeffrey T., Mastering voir dire and jury selection. Gain an edge in questioning and selecting your jury, Chicago 22005. Freedberg, David A., The representation of martyrdoms during the early Counter-Reformation in Antwerp, in: Burlington Magazine (1976), 132–138. Freeman, Thomas S., Imitatio Christi with a Vengeance. The politicization of martyrdom in early modern England, in: Martyrs and martyrdom in England, c.1400– 1700, hrsg. v. Thomas S. Freeman / Thomas F. Mayer (Studies in modern British religious history, 15), Woodbridge 2007, 35–69. Freeman, Thomas S., Providence and prescription. The account of Elizabeth in Foxe’s „book of martyrs“, in: The myth of Elizabeth, hrsg. v. Susan Doran / Thomas S. Freeman, Basingstoke 2003, 27–55. Freeman, Thomas S., So Much at Stake. Martyrs and martyrdom in early modern England, in: Journal of Ecclesiastical History 57 (2006), 535–541. Friedeburg, Robert von (Hrsg.), Murder and monarchy. Regicide in European history, 1300–1800, Basingstoke 2004. Füssel, Marian, Die Kunst der Schwachen. Zum Begriff der Aneignung in der Geschichtswissenschaft, in: Sozial.Geschichte 21/3 (2006), 7–28. Füssel, Marian, Die Materialität der Frühen Neuzeit. Neuere Forschungen zur Geschichte der materiellen Kultur, in: Zeitschrift für Historische Forschung 42 (2015), 433–463. Füssel, Marian, Gelehrtenkultur als symbolische Praxis. Rang, Ritual und Konflikt an der Universität der Frühen Neuzeit (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), Darmstadt 2006. Füssel, Marian, Praxeologische Perspektiven in der Frühneuzeitforschung, in: Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte, hrsg. v. Arndt Brendecke (Frühneuzeit-Impulse, 3), Köln 2015, 21–33. Gallanis, Thomas P., The mystery of Old Bailey counsel, in: Cambridge Law Journal 65 (2006), 159–173. Gardiner, Samuel Rawson, History of the Commonwealth and protectorate (1649–56) (1) 1894. Garfinkel, Harold, Conditions of successful degradation ceremonies, in: American Journal of Sociology 61 (1956), 420–424.

Quellen und Literatur

655

Garrett, Jane, The triumphs of providence. The Assassination Plot, 1696, Cambridge 1980. Gatrell, V. A. C., The hanging tree. Execution and the English people 1770–1868, Reprint, Oxford 2010. Gentles, Ian, The agreements of the people and their political contexts, 1647–1649, in: The Putney debates of 1647. The army, the Levellers and the English state, hrsg. v. Michael J. Mendle, Cambridge 2001, 148–174. Geoghegan, Patrick M., Liberator. The life and death of Daniel O’Connell, 1830–1847, Dublin 2010. Gerst, Christoph, Hexenverfolgung als juristischer Prozess. Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel im 17. Jahrhundert, Göttingen 2012. Gibbons, Katy, English Catholic exiles in late sixteenth-century Paris (Royal Historical Society, studies in history, new series, 79), Woodbridge 2011. Gibson, William T., James II and the trial of the seven bishops, Basingstoke / New York 2009. Gilmartin, Kevin, In the theater of Counterrevolution. Loyalist association and conservative opinion in the 1790s, in: Journal of British Studies 41 (2002), 291–328. Glickman, Gabriel, Early modern England. Persecution, martyrdom – and toleration?, in: Historical Journal 51 (2008), 251–267. Goddard, Kathleen S., A case of injustice? The trial of John Bellingham, in: American Journal of Legal History 46 (2002), 1–25. Goffman, Erving, Interaktion im öffentlichen Raum, aus dem Englischen von Hanne Herkommer, überarbeitet von Hubert Knoblauch, Neuausg., Frankfurt am Main 2009. Goldie, Mark / Clare Jackson, Williamite Tyranny and the Whig Jacobites, in: Redefining William III: The impact of the King-Stadholder in international context, hrsg. v. David Onnekink / Esther Mijers (Politics and culture in north-western Europe 1650–1720), Aldershot 2007, 177–199. Goldie, Mark, The entring book of Roger Morrice, 1677–1691, Woodbridge 2007. Gollapudi, Aparna, The disordered fundament. Sexual violence on boys and sodomy trial narratives in the „Old Bailey Proceedings“, in: Interpreting sexual violence, 1660–1800, hrsg. v. Anne Greenfield (The body, gender and culture, 14), London 2013, 45–56. Goodwin, Albert, The friends of liberty. The English democratic movement in the age of the French Revolution, London 1979. Gordon, R. Michael, The infamous Burke and Hare. Serial killers and resurrectionists of nineteenth century Edinburgh, Jefferson (NC) 2009. Graaf, Beatrice de, Evaluating counterterrorism performance. A comparative study, Hoboken 2011. Grabes, Herbert, „Elect nation“. The founding myth of national identity in early modern England, in: Costerus 137 (2001), 173–190. Grafton, Anthony, Libraries and Lecture Halls, in: The Cambridge history of science, hrsg. v. Katharine Park / Lorraine Daston, Cambridge 2006, 238–250. Graham, Clare, Ordering law. The architectural and social history of the English law court to 1914, Aldershot 2003.

656

Anhang

Graves, Michael, Burghley. William Cecil, Lord Burghley (Profiles in Power), London 1998. Graves, Michael, Thomas Norton. The parliament man, Oxford 1994. Graybill, Lela, A proximate violence. Madame Tussaud’s chamber of horrors, in: Nineteenth-century art worldwide 9 (2010), URL: http://www.19thc-artworldwide.org/ autumn10/a-proximate-violence. Greaves, Richard L., Conventicles, Sedition, and the Toleration Act of 1689, in: Eighteenth-century Life 12 (1988), 1–14. Greaves, Richard L., Deliver us from evil. The radical underground in Britain, 1660– 1663, Oxford 1986. Greaves, Richard L., Secrets of the kingdom. British radicals from the Popish Plot to the revolution of 1688–1689, Stanford 1992. Green, Ian M., Print and protestantism in early modern England, Oxford 2000. Green, Thomas A., Verdict according to conscience. Perspectives on the English criminal trial jury 1200–1800, Chicago [u.a.] 1985. Gregg, Edward, The politics of paranoia, in: The Jacobite challenge, hrsg. v. Eveline Cruickshanks / Jeremy Black, Edinburgh 1988, 42–56. Gregg, Pauline, Free-born John. A biography of John Lilburne, London [u.a.] 1961. Gregory, James, Victorians against the gallows. Capital punishment and the abolitionist movement in nineteenth-century Britain (Library of Victorian studies, 5), London 2012. Greyerz, Kaspar von, Vorsehungsglaube und Kosmologie. Studien zu englischen Selbstzeugnissen des 17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 25), Göttingen 1990. Griesse, Malte, From mutual observation to propaganda war. Premodern revolts in their transnational representations (Histoire, 56), Bielefeld 2014. Griffin, Julia B., Twixt treason and convenience. Some images of Thomas Wentworth, first Earl of Strafford, in: Images of matter. Essays on British literature of the middle ages and renaissance, hrsg. v. Yvonne Bruce, Newark (DE) 2005, 153–180. Griffiths, Antony / Robert A. Gerard, The print in Stuart Britain. 1603–1689, Published to accompany an exhibition at the British Museum, 8 May to 20 September 1998, London 1998. Griffiths, Cerian Charlotte, The Prisoners’ Counsel Act 1836. Doctrine, advocacy and the criminal trial, in: Law, Crime & History 4 (2014), 28–47. Griffiths, Paul, Lost Londons. Change, crime, and control in the capital city, 1550–1660 (Cambridge social and cultural histories), Cambridge / New York 2008. Großbölting, Thomas / Massimiliano Livi / Carlo Spagnolo, Jenseits der Moderne? Die Siebziger Jahre als Gegenstand der deutschen und der italienischen Geschichtswissenschaft (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, 27), Berlin 2014. Grube, Dennis, At the margins of victorian Britain. Politics, immorality and britishness in the nineteenth century, London 2013. Grunwald, Henning, Courtroom to revolutionary stage. Performance and ideology in Weimar political trials, Oxford 2012.

Quellen und Literatur

657

Grunwald, Henning, Justice as ›performance‹? The historiography of legal procedure and political criminal justice in Weimar Germany, in: InterDisciplines. Journal of History and Sociology 3, 2 (2012), 46–78. Habermas, Jürgen, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied / Berlin 1962. Habermas, Rebekka, Diebe vor Gericht. Die Entstehung der modernen Rechtsordnung im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2008. Hacking, Ian, The emergence of probability. A philosophical study of early ideas about probability, induction and statistical inference, Cambridge 1975. Hahn, Alois, Konstruktionen des Selbst, der Welt und der Geschichte. Aufsätze zur Kultursoziologie, Frankfurt am Main 2000. Haigh, Christopher (Hrsg.), The English Reformation revised, Cambridge 2003. Haigh, Christopher, Catholicism in early modern England. Bossy and beyond, in: Historical Journal 45 (2002), 481–494. Haigh, Christopher, English reformations. Religion, politics and society under the Tudors, Oxford 1993. Haigh, Christopher, The continuity of Catholicism in the English Reformation, in: Past & Present 93 (1981), 37–69. Haile, Martin, An Elizabethan cardinal, William Allen, London 1914. Halasz, Alexandra, The marketplace of print. Pamphlets and the public sphere in early modern England (Cambridge studies in Renaissance literature and culture, 17), Cambridge / New York 1997. Haller, William / Godfrey Davies, The Leveller Tracts, 1647–1653 (7) New York 1944. Halley, Janet E., Equivocation and the legal conflict over religious identity in early modern England, in: Yale Journal of Law & the Humanities 3 (1991), 33–52. Halliday, Paul Delaney, Habeas corpus. From England to empire, Cambridge (MA) / London 2010. Hamburger, Philip, Law and judicial duty, Cambridge (MA) 2008. Hamilton, Donna B., Anthony Munday and the Catholics. 1560–1633, Aldershot / Burlington (VT) 2005. Handler, Phil, Forgery and the end of the ‘Bloody Code’ in early nineteenth-century England, in: The Historical Journal 48 (2005), 683–702. Handler, Phil, The court for crown cases reserved. 1848–1908, in: Law and History Review 29 (2011), 259–288. Hanson, Elizabeth, Torture and truth in renaissance England, in: Representations (1991), 53–84. Harling, Philip, The law of libel and the limits of repression. 1790–1832, in: Historical Journal 44 (2001), 107–134. Harris, Mayhew, Trials and criminal biographies. A case study in distribution, in: Sale and distribution of books from 1700, hrsg. v. Robin Myers / Michael Harris (Publishing pathways, 4), Oxford 1982, 1–36. Harris, Tim, London crowds in the reign of Charles II. Propaganda and politics from the Restoration until the exclusion crisis (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 1990.

658

Anhang

Harris, Tim, Restoration. Charles II and his kingdoms. 1660–1685, London 2005. Harris, Tim, The Bawdy House Riots of 1668, in: The Historical Journal (1986), 537– 556. Hart, James S., The rule of law 1603–1660. Crowns, courts and judges (Studies in modern history), Harlow 2003. Härter, Karl, Early modern revolts as political crimes in the popular media of illustrated broadsheets, in: From mutual observation to propaganda war. Premodern revolts in their transnational representations, hrsg. v. Malte Griesse, Bielefeld 2014, 309–350. Härter, Karl, Legal concepts of terrorism as political crime and international criminal law in eighteenth and nineteenth century Europe, in: Post 9/11 and the state of permanent legal emergency. Security and human rights in countering terrorism, Dordrecht [u.a.] 2012, 53–78. Härter, Karl, Political crime in early modern Europe. Assassination, legal responses and popular print media, in: European Journal of Criminology 11 (2014), 142–168. Härter, Karl, Revolten, politische Verbrechen, rechtliche Reaktionen und juristischpolitische Diskurse. Einleitende Bemerkungen, in: Revolten und politische Verbrechen zwischen dem 12. und 19. Jahrhundert. Rechtliche Reaktionen und juristischpolitische Diskurse = Revolts and political crime from the 12th to the 19th century, hrsg. v. Angela de Benedictis [u.a.] (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 285), Frankfurt am Main 2013, 1–13. Härter, Karl, Strafverfahren im frühneuzeitlichen Territorialstaat. Inquisition, Entscheidungsfindung, Supplikation, in: Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozialund Kulturgeschichte der Vormoderne, hrsg. v. Andreas Blauert / Gerd Schwerhoff (Konflikte und Kultur, 1), Konstanz 2000, 459–480. Hast, Adele, State treason trials during the Puritan Revolution, 1640–60, in: Historical Journal 15 (1972), 37–53. Havighurst, Alfred F., James II and the twelve men in scarlet, in: Law Quarterly Review 69 (1953), 522–546. Havighurst, Alfred F., The judiciary and politics in the reign of Charles II, in: Law Quarterly Review 66 (1959), 62. Hay, Douglas (Hrsg.), Criminal cases on the crown side of King’s bench: Staffordshire, 1740–1800, Stafford 2010. Hay, Douglas / Paul Craven (Hrsg.), Masters, servants, and magistrates in Britain and the Empire, 1562–1955 (Studies in legal history), Chapel Hill [u.a.] 2004. Hay, Douglas, The class composition of the palladium of liberty. Trial jurors in the eighteenth century, in: Twelve good men and true. The criminal trial jury in England, 1200–1800, hrsg. v. James S. Cockburn / Thomas A. Green, Princeton 1988, 305–357. Hay, Douglas, Crime and Justice in Eighteenth- and Nineteenth-Century England, in: Crime and Justice 2 (1980), 45–84. Hay, Douglas, Property, authority and the criminal law, in: Albion’s fatal tree. Crime and society in eighteenth century England, hrsg. v. Douglas Hay / Peter Linebaugh / John Rule / Edward Palmer Thompson / Calvin Winslow, New York 1975, 17–63. Haydon, Colin, Anti-Catholicism in eighteenth-century England, c.1714–80. A political and social study, Manchester / New York 1993.

Quellen und Literatur

659

Hayward, Maria A., ‘We should dress us fairly for our end’. The significance of the clothing worn at elite executions in England in the long sixteenth century, in: History 101 (2016), 222–245. Haywood, Ian / John Seed (Hrsg.), The Gordon Riots. Politics, culture and insurrection in late eighteenth-century Britain, Cambridge 2012. Head, Michael, Crimes against the state. From treason to terrorism, London  / New York 2011. Heaney, Carmel, William Smith O’Brien in Van Diemen’s land, in: History Ireland 6 (1998), 29–32. Heath, James, Torture and English law. An administrative and legal history from the Plantagenets to the Stuarts (Contributions in legal studies, 18), Westport (CT) 1982. Hedinger, Daniel / Daniel Siemens, What’s the problem with law in history? An introduction, in: InterDisciplines. Journal of History and Sociology (2012), 6–17. Heffer, Chris, The language of jury trial. A corpus-aided analysis of legal-lay discourse, Basingstoke 2005. Heidegger, Maria, Soziale Dramen und Beziehungen im Dorf. Das Gericht Laudegg in der frühen Neuzeit – eine historische Ethnographie, Innsbruck 1999. Helfield, Randa, Constructive treason and Godwin’s treasonous constructions, in: Mosaic. A Journal of Interdisciplinary Study of Literature (1995), 43–62. Hellmuth, Eckhart, Kommunikation, Radikalismus und ideologischer Pluralismus. „Popular Politics“ in England in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Aufklärung. Interdisziplinäre Halbjahresschrift zur Erforschung des 18. Jahrhunderts 4 (1989), 79–103. Helmholz, Richard H. (Hrsg.), The privilege against self-incrimination. Its origins and development, Chicago 1997. Henderson, Edith G., Foundations of English administrative law. Certiorari and Mandamus in the seventeenth Century, Cambridge (MA) 1963. Herbst, Tobias, Die These der einzig richtigen Entscheidung. Überlegungen zu ihrer Überzeugungskraft insbesondere in den Theorien von Ronald Dworkin und Jürgen Habermas, in: JuristenZeitung 67 (2012), 891–900. Heritage, John / Steven Clayman, Talk in action. Interactions, identities, and institutions, Hoboken 2011. Hermann, Gunnar, Verteidiger Lippestad. Eine seltsame Wahl, in: Süddeutsche Zeitung (2011), S. 4. Herrup, Cynthia B., The common peace. Participation and the criminal law in seventeenth-century England (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge / New York 1989. Hett, Benjamin Carter, Death in the Tiergarten. Murder and criminal justice in the Kaiser’s Berlin, Cambridge (MA) 2004. Hewitt, Martin, Radicalism and the Victorian working class. The case of Samuel Bamford, in: Historical Journal 34 (1991), 873–892. Hicks, Leo, The strange case of Dr. William Parry. The career of an agent-provocateur, in: Studies. An Irish quarterly review 37 (1948), 343–362.

660

Anhang

Hildreth, Richard, Atrocious judges. Lives of judges infamous as tools of tyrants and instruments of oppression. Compiled from the judicial biographies of John lord Campbell. With an appendix, containing the case of Passmore Williamson, New York 1856. Hill, Christopher, Puritanism and revolution. Studies in interpretation of the English Revolution of the 17th century, London 1994. Hill, L. M., The two-witness rule in English treason trials. Some comments on the emergence of procedural law, in: The American Journal of Legal History 12 (1968), 95–111. Hill, Tracey, Anthony Munday and civic culture. Theatre, history, and power in early modern London. 1580–1633, Manchester 2004. Hille, Iris, Der Teufelspakt in frühneuzeitlichen Verhörprotokollen. Standardisierung und Regionalisierung im Frühneuhochdeutschen (Studia Linguistica Germanica, 100), Berlin 2009. Hillier, Bevis, The mysterious case of Elizabeth Canning, in: History Today 53 (2003), 47–53. Hiltunen, Risto, „Tell me, be you a witch?“ Questions in the Salem witchcraft trials of 1692, in: International Journal for the Semantics of Law 9 (1996), 17–37. Hinds, Peter / James Daybell (Hrsg.), Material readings of early modern culture. Texts and social practices, 1580–1730 (Early modern literature in history), Houndmills / New York 2010. Hinds, Peter, „The horrid Popish Plot“. Roger L’Estrange and the circulation of political discourse in late seventeenth-century London (British Academy postdoctoral fellowship monograph), Oxford 2009. Hinds, Peter, „A Vast Ill Nature“. Roger L’Estrange, Reputation, and the Credibility of Political Discourse in the Late Seventeenth Century., in: Seventeenth Century 21 (2006), 335–363. Hinds, Peter, „Tales and romantick stories“. „Impostures“, trustworthiness and the credibility of information in the late seventeenth century, in: Roger L’Estrange and the making of Restoration culture, hrsg. v. Beth Lynch / Anne Dunan-Page, Aldershot 2008, 89–107. Hinds, Peter, Roger L’Estrange, the Rye House Plot, and the regulation of political discourse in late-seventeenth-century London, in: The Library 3 (2002), 3–31. Hirschauer, Stefan / Klaus Amann (Hrsg.), Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie, Frankfurt am Main 1997. Hirschi, Caspar, Colberts Vertrauen in Verfahren. Bausteine für eine andere Modernisierungstheorie, in: Thema: Gelehrtenrepublik, hrsg. v. Marian Füssel (Aufklärung, 26), Hamburg 2015, 259–289. Hirschl, Andrew J., Trial Tactics, Chicago 1906. Hoak, Dale, Sir William Cecil, Sir Thomas Smith, and the monarchical republic of Tudor England, in: The monarchical republic of early modern England. Essays in response to Patrick Collinson, hrsg. v. John F. McDiarmid (St. Andrews studies in Reformation history), Aldershot 2007, 37–54. Hochmuth, Christian / Susanne Rau, Machträume der frühneuzeitlichen Stadt (Konflikte und Kultur – historische Perspektiven, 13), Konstanz 2006.

Quellen und Literatur

661

Hofstadter, Richard, The paranoid style in American politics, and other essays, Cambridge (MA) 1965. Holdsworth, William S., A history of English Law (6), London 1924. Holdsworth, William S., Early History of the Attorney and Solicitor General, in: Illinois Law Review 13 (1918), 602–619. Holenstein, André, Seelenheil und Untertanenpflicht. Zur gesellschaftlichen Funktion und theoretischen Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft, in: Der Fluch und der Eid. Die metaphysische Begründung gesellschaftlichen Zusammenlebens und politischer Ordnung in der ständischen Gesellschaft, hrsg. v. Peter Blickle (Zeitschrift für historische Forschung Beihefte, 15), Berlin 1993, 11–63. Holleran, James V., A Jesuit challenge. Edmund Campion’s debates at the Tower of London in 1581, New York 1999. Holmes, Clive, Law and politics in the reign of Charles I, in: Journal of Legal History 28 (2007), 161–182. Holmes, Clive, The trial and execution of Charles I, in: Historical Journal 53 (2010), 289–316. Hopkins, Paul, Sham plots and real plots in the 1690s, in: Ideology and conspiracy. Aspects of Jacobitism, 1689–1759, hrsg. v. Eveline Cruickshanks, Edinburgh 1982, 89–110. Hörcher, Ferenc, Beccaria, Voltaire, and the Scots on capital punishment. A comparative view of the legal enlightenment, in: Scotland and France in the Enlightenment, hrsg. v. Pierre Morère / Deidre Dawson (Studies in eighteenth-century Scotland, 7), Lewisburg 2004, 305–330. Hostettler, John / Richard Braby, Sir William Garrow. His life, times and fight for justice, Hook 2009. Hostettler, John, A history of criminal justice in England and Wales, Hook 2009. Hostettler, John, Dissenters, radicals, heretics and blasphemers. The flame of revolt that shines through English history, Sherfield-on-Loddon 2012. Hostettler, John, Fighting for justice. The history and origins of adversary trial, Winchester 2006. Hostettler, John, Garrow’s law. The BBC drama revisited, Sherfield-on-Loddon 2012. Hostettler, John, The criminal jury old and new. From its origins to the present day, Winchester 2004. Hostettler, John, The criminal jury old and new. Jury power from early times to the present day, Winchester 2004. Hostettler, John, The politics of criminal law. Reform in the nineteenth century, Chichester 1992. Hostettler, John, Thomas Erskine and trial by jury, Chichester 1996. Houliston, Victor, Catholic resistance in Elizabethan England. Robert Persons’s Jesuit polemic, 1580–1610 (Catholic christendom, 1300–1700), Aldershot [u.a.] 2007. Houston, R. A., Legal protection of the mentally incapable in early modern Scotland, in: The Journal of Legal History (2003), 165–186. Howlin, Níamh, Passive observers or active participants? Jurors in civil and criminal trials, in: Journal of Legal History 35 (2014), 143–171.

662

Anhang

Howlin, Níamh, The politics of jury trials in nineteenth-century Ireland, in: Comparative Legal History 3 (2016), 272–292. Hoyle, Richard W., The masters of requests and the small change of jacobean patronage, in: English Historical Review 126 (2011), 544–581. Hutson, Lorna, Rethinking the “Spectacle of the Scaffold”. Juridical epistemologies and English rervenge tragedy, in: Representations 89 (2005), 30–58. Ignatieff, Michael, A just measure of pain. The penitentiary in the Industrial Revolution, 1750–1850, London 1978. Imhof, Kurt, Die Diskontinuität der Moderne. Zur Theorie des sozialen Wandels (Theorie und Gesellschaft, 36), Frankfurt am Main 2006. Israel, Jonathan Irvine / Geoffrey Parker, Of providence and Protestant winds. The Spanish armada of 1588 and the Dutch armada of 1688, in: The Anglo-Dutch moment. Essays on the Glorious Revolution and its world impact, hrsg. v. Jonathan Irvine Israel, Cambridge 1991, 335–363. Israel, Jonathan Irvine, Radical enlightenment. Philosophy and the making of modernity 1650–1750, Oxford [u.a.] 2002. Iyengar, Sujata, Shades of difference. Mythologies of skin color in early modern England, Philadelphia 2005. Jackson, Bernard S., Semiotics and legal theory (Legal semiotics monographs, 8), Liverpool 1997. Jaffre, Barbara, William Hogarth and eighteenth century English law relating to capital punishment, in: Law and Literature 15 (2003), 267–278. Jansson, Maija, Matthew Hale on judges and judging, in: Journal of Legal History 9 (1988), 201–213. Jenkins, Gary W., Between the sacraments and treason. Aspects of the political thought of the English recusants in the first decade of Elizabeth I’s reign, in: Nederlands Archief voor Kerkgeschiedenis / Dutch Review of Church History 85 (2005), 301–314. Jenner, Mark, The roasting of the rump. Scatology and the body politic in Restoration England, in: Past & Present 177 (2002), 84–120. Jerouschek, Günter, „Mit aller Schärpffe angegriffen und gemartert“. Überlegungen zur Folter als Institut des gemeinrechtlichen Strafverfahrens, in: „Zur Erhaltung guter Ordnung“. Beiträge zur Geschichte von Recht und Justiz. Festschrift für Wolfgang Sellert zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Jost Hausmann / Thomas Krause, Köln / Weimar / Wien 2000, 351–375. Jerouschek, Günter, Die Herausbildung des peinlichen Inquisitionsprozesses in Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 42 (1992), 328–360. Johnson, David, Regency revolution. The case of Arthur Thistlewood, Salisbury 1974. Johnstone, Nathan, The devil and demonism in early modern England (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 2006. Jones, David J.V., The last rising. Newport insurrection of 1839, Oxford 1985. Jones, David Lewis, The judicial role of the House of Lords before 1870, in: The judicial House of Lords 1876–2009, hrsg. v. Sir Louis Blom Cooper [u.a], Oxford 2009, 3–12.

Quellen und Literatur

663

Jones, David Martin, Conscience and allegiance in seventeenth century England. The political significance of oaths and engagements, Rochester (NY) 1999. Jones, Norman L., Governing by virtue. Lord Burghley and the management of Elizabethan England, Oxford 2015. Jupp, Peter, The governing of Britain, 1688–1848. The executive, Parliament and the people, London 2006. Kampmann, Christoph, Ein großes Bündnis der katholischen Dynastien 1688? Neue Perspektiven auf die Entstehung des Neunjährigen Krieges und der Glorious Revolution, in: Historische Zeitschrift 294 (2012), 31–58. Kaube, Jürgen, Moderne und Aberglaube. Die Dummheit blüht, in: FAZ. NET, 07.02.2015, URL: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/moderne-und-aberglaubedie-dummheit-blueht-13414273.html. Kay, Richard S., The Glorious Revolution and the continuity of law, Washington 2014. Kelly, James E., Panic, Plots, and Polemic. The Jesuits and the early modern English mission, in: Journal of Jesuit Studies 1 (2014), 511–519. Kelsey, Sean, Politics and procedure in the trial of Charles I, in: Law and History Review 22 (2004), 1–26. Kelsey, Sean, Staging the trial of Charles I, in: The regicides and the execution of Charles I, hrsg. v. Jason Peacey, Basingstoke / New York 2001, 71–93. Kelsey, Sean, The death of Charles I, in: Historical Journal 45 (2002), 727–754. Kelsey, Sean, The trial of Charles I, in: English Historical Review 118 (2003), 583–616. Kempe, Michael, Burn after Reading. Verschlüsseltes Wissen und Spionagenetzwerke im elisabethanischen England, in: Historische Zeitschrift 296 (2013), 354–379. Kenyon, John P., The acquittal of Sir George Wakeman. 18 July 1679, in: The Historical Journal 14 (1971), 693–708. Kenyon, John, The Popish Plot, New York 1972. Kesselring, Krista J. (Hrsg.), The trial of Charles I (The Broadview sources series), 2016. Kesselring, Krista J., Mary Queen of Scots and the northern rebellion of 1569, in: Leadership and Elizabethan culture, hrsg. v. Peter Iver Kaufman (Jepson studies in leadership), New York 2013, 51–72. Kesselring, Krista J., Mercy and authority in the Tudor state (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge / New York 2003. Kesselring, Krista J., The northern rebellion of 1569. Faith, politics, and protest in Elizabethan England, Basingstoke 2007. Kevelson, Roberta, The law as a system of signs (Topics in contemporary semiotics), Boston 1988. Kieserling, André, Kommunikation unter Anwesenden. Studien über Interaktionssysteme, Frankfurt am Main 1999. Kieserling, André, Simmels Formen in Luhmanns Verfahren, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger / André Krischer (Zeitschrift für historische Forschung Beihefte, 44), Berlin 2010, 109–128.

664

Anhang

Kilburn, Terence  / Anthony Milton, The public context of the trial and execution of Strafford, in: The political world of Thomas Wentworth, Earl of Strafford, 1621– 1641, hrsg. v. Julia F. Merritt, Cambridge 1996, 230–251. Kilroy, Gerard, Edmund Campion. A scholarly life, Farnham 2015. Kindermann, Harald, Symbolische Gesetzgebung, in: Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, hrsg. v. Dieter Grimm / Werner Maihofer (Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie) 1988, 222–245. Kinealy, Christine, Repeal and revolution. 1848 in Ireland, Manchester 2009. King, John N., James I and King David. Jacobean iconography and its legacy, in: Royal subjects. Essays on the writings of James VI and I, hrsg. v. Mark Fortier / Daniel Fischlin, Detroit 2002, 421–453. King, Peter / John Carter Wood, Black people and the criminal justice system. Prejudice and practice in later eighteenth- and early nineteenth-century London, in: Hist Res 88 (2015), 100–124. King, Peter / Richard Ward, Rethinking the Bloody Code in Eighteenth-Century Britain. Capital Punishment at the Centre and on the Periphery, in: Past and Present 228 (2015), 159–205. King, Peter, “Illiterate plebeians easily misled”. Jury composition, experience, and behaviour in Essex, 1735–1815, in: Twelve good men and true. The criminal trial jury in England, 1200–1800, hrsg. v. James S. Cockburn / Thomas A. Green (Princeton Legacy Library), Princeton 1988, 254–304. King, Peter, Crime and law in England, 1750–1840. Remaking justice from the margins, Cambridge / New York 2006. King, Peter, Crime, justice, and discretion in England. 1740–1820, Oxford u.a. 2000. King, Peter, Ethnicity, prejudice, and justice. The treatment of the Irish at the Old Bailey, 1750–1825, in: Journal of British Studies 52 (2013), 390–414. King, Peter, Newspaper reporting and attitudes to crime and justice in late-eighteenthand early-nineteenth-century London, in: Continuity and Change 22 (2007), 73– 112. Kishlansky, Mark A., A whipper whipped. The sedition of William Prynne, in: Historical Journal 56 (2013), 603–627. Kishlansky, Mark, Martyrs’ tales, in: Journal of British Studies 53 (2014), 334–355. Kittsteiner, Heinz-Dieter, Die Entstehung des modernen Gewissens, Frankfurt am Main 1991. Klausnitzer, Ralf, Poesie und Konspiration. Beziehungssinn und Zeichenökonomie von Verschwörungsszenarien in Publizistik, Literatur und Wissenschaft 1750–1850 (Spectrum Literaturwissenschaft), Berlin / New York 2007. Kleinheyer, Gerd, Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, hrsg. v. Gerd Kleinheyer (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, 34), Paderborn 1979, 367–384. Klerman, Daniel, Was the jury ever self-informing?, in: Judicial tribunals in England and Europe, 1200–1700. The trial in history (1), hrsg. v. Brian Pullan / Maureen Mulholland, Manchester 2003, 58–80.

Quellen und Literatur

665

Kluxen, Kurt, Geschichte Englands. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1991. Knelman, Judith, Twisting in the wind. The murderess and the English press, Toronto / Buffalo 1998. Knights, Mark, John Starkey and ideological networks in late seventeenth-century England, in: Media History 11 (2005), 127–145. Knights, Mark, Judging partisan news and the language of interest, in: Fear, exclusion and revolution. Roger Morrice and Britain in the 1680s, hrsg. v. Jason McElligott, Aldershot 2006, 204–220. Knights, Mark, Politics and opinion in crisis, 1678–81 (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 1994. Knights, Mark, Possessing the visual. The materiality of visual print culture in later Stuart Britain, in: Material readings of early modern culture. Texts and social practices, 1580–1730, hrsg. v. Peter Hinds / James Daybell (Early modern literature in history), Houndmills / New York 2010, 85–122. Knights, Mark, Representation and misrepresentation in later Stuart Britain. Partisanship and political culture, Oxford 2005. Knobloch, Hubert, Fokussierte Ethnographie, in: Sozialer Sinn (2001), 123–141. Knorr-Cetina, Karin, Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft, Frankfurt am Main 31984. Köhler, Matthias, Strategie und Symbolik. Verhandeln auf dem Kongress von Nimwegen (Externa, 3), Köln 2011. Kos, Franz-Josef, Politische Justiz in der DDR. Der Dessauer Schauprozess vom April 1950, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 44 (1996), 395–429. Krämer, Daniel, Der Ausbruch des Tambora (Indonesien) am 10. April 1815 und seine Auswirkungen, in: Katastrophen. Vom Untergang Pompejis bis zum Klimawandel, hrsg. v. Gerrit Jasper Schenk, Ostfildern 2009, 132–146. Krämer, Fabian, Ein Zentaur in London. Lektüre und Beobachtung in der frühneuzeitlichen Naturforschung (Kulturgeschichten, 1), Affalterbach 2014. Krämer, Sybille, Symbolische Maschinen. Die Idee der Formalisierung im geschichtlichen Abriß, Darmstadt 1988. Kraus, Hans-Christof, Englische Verfassung und politisches Denken im Ancien Regime. 1689 bis 1789 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 60), München 2006. Krey, Gary Stuart de, London and the Restoration, 1659–1683 (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 2009. Krischer, André, Aufruhr als Hochverrat? Drei Londoner Riots vor Gerichte (1668, 1710, 1780), in: Revolten und politische Verbrechen zwischen dem 12. und dem 19. Jahrhundert. Rechtliche Reaktionen und juristisch-politische Diskurse, hrsg. v. Angela de Benedictis / Karl Härter (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 285), Frankfurt am Main 2013, 381–414. Krischer, André, Das Problem des Entscheidens in systematischer und historischer Perspektive, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger / André Krischer (Zeitschrift für historische Forschung Beihefte, 44), Berlin 2010, 35–64.

666

Anhang

Krischer, André, Hinrichtungen als Fortsetzung des vormodernen Strafverfahrens. Die Rituale obrigkeitlichen Tötens am Beispiel englischer Hochverräter in der Frühen Neuzeit, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 15 (2008), 62–74. Krischer, André, Honour and the force of law. Trial by Peers, aristocracy and criminal law from the sixteenth to the eighteenth century, in: What makes the nobility noble? Comparative perspectives from the sixteenth to the twentieth century, hrsg. v. Jörn Leonhard / Christian Wieland (Schriftenreihe der FRIAS School of History, 2), Göttingen 2011, 67–89. Krischer, André, Souveränität ohne Autorität. Zur Verfassungskultur der englischen Republik, in: Kommunikation und Konfliktaustragung. Verfassungskultur als Faktor politischer und gesellschaftlicher Machtverhältnisse, hrsg. v. Werner Daum [u.a.] (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften, 7), Berlin 2010, 35–76. Krischer, André, Strafpredigten. Eine Fallstudie zur Differenzierung von Recht und Religion in England, 1600–1800, in: Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, hrsg. v. Karl Gabriel / Christel Gärtner / Detlef Pollack, Berlin 22014, 252–279. Krischer, André, Verräter, Verschwörer, Terroristen. Juristische Klassifikationen, gesellschaftliche Wahrnehmungen und Visualisierungen von politischer Delinquenz und kollektiver Bedrohung in Großbritannien, 16.–19. Jahrhundert, in: Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus. Politische Kriminalität, Recht, Justiz und Polizei zwischen Früher Neuzeit und 20. Jahrhundert, hrsg. v. Karl Härter [u.a.] (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 268), Frankfurt am Main 2012, 103–160. Kryk-Kastovsky, Barbara, Historical courtroom discourse, in: Journal of Historical Pragmatics 7 (2006), 163–179. Kryk-Kastovsky, Barbara, Impoliteness in early modern English courtroom discourse, in: Journal of Historical Pragmatics 7 (2006), 213–243. Kryk-Kastovsky, Barbara, Representations of orality in early modern English trial records, in: Journal of Historical Pragmatics 1 (2000), 201–230. Kryk-Kastovsky, Barbara, Speech acts in early modern English court trials, in: Journal of Pragmatics 41 (2009), 440–457. Kühl, Stefan / Judith Muster, Organisationen gestalten. Eine kurze organisationstheoretisch informierte Handreichung (Management kompakt), Wiesbaden 2016. Künast, Hans-Jörg, Welserbibliotheken, in: Die Welser. Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses, hrsg. v. Mark Häberlein / Johannes Burkhardt (Colloquia Augustana, 16), Berlin 2002, 550–584. Kypta, Ulla, Die Autonomie der Routine (Historische Semantik, 21), Göttingen 2014. Lahusen, Benjamin  / Moritz Renner, Gespenster zweiter Ordnung, in: Soziologische Jurisprudenz. Festschrift für Gunther Teubner zum 65. Geburtstag, hrsg. v. GralfPeter Calliess, Berlin 2009, 69–82. Lahusen, Benjamin, Rechtspositivismus und juristische Methode. Betrachtungen aus dem Alltag einer Vernunftehe, Weilerswist 2011.

Quellen und Literatur

667

Lake, Peter / Michael C. Questier, Agency, appropriation and rhetoric under the gallows. Puritans, Romanists and the state in early modern England, in: Past & Present 153 (1996), 64–107. Lake, Peter / Michael C. Questier, Prisons, priests and people, in: England’s long Reformation, 1500–1800, hrsg. v. Nicholas Tyacke, London 1998, 195–234. Lake, Peter / Michael C. Questier, The Anti-Christ’s Lewd Hat. Protestants, Papists and Players in post-Reformation England, New Haven 2002. Lake, Peter / Michael C. Questier, Puritans, Papists, and the „public sphere“ in early modern England. The Edmund Campion affair in context, in: The Journal of Modern History 72 (2000), 587–627. Lake, Peter / Michael Questier, The Trials of Margaret Clitherow. Persecution, Martyrdom and the Politics of Sanctity in Elizabethan England, London 2011. Lake, Peter  / Steven Pincus, Rethinking the public sphere in early modern England, in: The politics of the public sphere in early modern England, hrsg. v. Peter Lake / Steven Pincus (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2007, 1–30. Lake, Peter, Anti-Popery. The structure of a prejudice, in: Conflict in early Stuart England. Studies in religion and politics, 1603–1642, hrsg. v. Richard Cust / Ann Hughes, London 1989, 72–106. Lake, Peter, Bad Queen Bess? Libels, secret histories, and the politics of publicity in the reign of Queen Elizabeth I, Oxford 2015. Lake, Peter, Deeds against nature: Cheap print, Protestantism and murder in early seventeenth-century England, in: Culture and politics in early Stuart England, hrsg. v. Peter Lake / Kevin M. Sharpe (Problems in focus), London 1994, 257–83; 361–67. Lake, Peter, Popular form, Puritan content? Two Puritan appropriations of the murder pamphlet from mid seventeenth-century London, in: Religion, culture and society in early modern Britain: essays in honour of Patrick Collinson, hrsg. v. Anthony Fletcher / Peter Roberts, Cambridge 1994, 313–334. Lake, Peter, The politics of ‘popularity’ and the public sphere. The ‘monarchical republic’ of Elizabeth I defends itself, in: The politics of the public sphere in early modern England, hrsg. v. Peter Lake / Steven Pincus (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2007, 59–94. Lakoff, Robin T., Talking power. The politics of language in our lives, Repr., New York 1990. Langbein, John / Renée Lettow Lerner / Bruce P. Smith, History of the common law. The development of Anglo-American legal institutions, Austin 2009. Langbein, John H., Albion’s fatal flaws, in: Past & Present 98 (1983), 96–120. Langbein, John H., Blackstone on judging, in: Blackstone and his commentaries. Biography, law, history, hrsg. v. Wilfrid R. Prest, Oxford 2009, 65–78. Langbein, John H., Historical foundations of the law of evidence. A view from the ryder sources, in: Columbia Law Review 96 (1996), 1168–1202. Langbein, John H., Prosecuting crime in the renaissance. England, Germany, France, Cambridge (MA) 1974.

668

Anhang

Langbein, John H., The criminal trial before the lawyers, in: The University of Chicago Law Review 45 (1978), 263–316. Langbein, John H., The origins of adversary criminal trial (Oxford studies in modern legal history), Oxford 2003. Langbein, John H., The origins of public prosecution at common law, in: The American Journal of Legal History 17 (1973), 313–335. Langbein, John H., The prosecutorial origins of defence counsel in the eighteenth century. The appearance of solicitors, in: Cambridge Law Journal 58 (1999), 314–365. Langbein, John H., Torture and the law of proof. Europe in the ancien régime, Chicago 2006. Larkin, Hilary M., The making of Englishmen. Debates on national identity 1550–1650 (Studies in the history of political thought), Leiden 2013. Latour, Bruno, Die Rechtsfabrik. Eine Ethnographie des Conseil d‘État (Ethnographien), Konstanz 2016. Latour, Bruno, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2007. Latour, Bruno, The making of law. An ethnography of the Conseil d‘Etat, zuerst 2002 erschienen unter dem Titel „La fabrique du droit“, Hoboken 2010. Leitch, Megan G., Romancing treason. The literature of the Wars of the Roses, Oxford 2015. Lemmings, David, Criminal trial procedure in eighteenth-century England. The impact of lawyers, in: Journal of Legal History 26 (2005), 63–70. Lemmings, David, Gentlemen and barristers. The Inns of court and the English bar, 1680–1730 (Oxford historical monographs), Oxford 1990. Lemmings, David, Introduction. Criminal courts, lawyers and the public sphere, in: Crime, courtrooms, and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham / Burlington 2012, 1–21. Lemmings, David, Law and government in England during the long eighteenth century. From consent to command, Basingstoke 2011. Lemmings, David, Negotiating justice in the new public sphere. Crime, the courts and the press in eraly eighteenth century Britain, in: Crime, courtrooms, and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham / Surrey / Burlington 2012, 119–145. Lemmings, David, Professors of the law. Barristers and English legal culture in the eighteenth century, Oxford 2000. Lemmings, David, Ritual, majesty and mystery. Collective life and culture among English barristers, serjeants and judges, c.1500-c.1830, in: Lawyers and vampires. Cultural histories of legal professions, hrsg. v. W. Wesley Pue/ David Sugarman, Oxford 2003, 25–63. Lemmings, David, The dark side of enlightenment. The London Journal, moral panics and the law in the eighteenth century, in: Moral panics, the media and the law in early modern England, hrsg. v. David Lemmings / Claire Walker, Basingstoke / New York 2009, 139–156.

Quellen und Literatur

669

Lemon, Rebecca, Treason by words. Literature, law, and rebellion in Shakespeare’s England, Ithaca 2007. Lepsius, Mario Rainer, Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“, in: Studien zum Beginn der modernen Gesellschaft, hrsg. v. Reinhart Koselleck, Stuttgart 1974, 10–29. Lepsius, Susanne, Der Richter und die Zeugen. Eine Untersuchung anhand des Tractatus testimoniorum des Bartolus von Sassoferrato (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 158), Frankfurt am Main 2003. Lepsius, Susanne, Von Zweifeln zur Überzeugung. Der Zeugenbeweis im gelehrten Recht ausgehend von der Abhandlung des Bartolus von Sassoferrato (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 160), Frankfurt am Main 2003. Lepsius, Susanne, Wissen = Entscheiden, Nichtwissen = Nichtentscheiden? Zum Dilemma richterlicher Beweiserhebung im späten Mittelallter und in der Frühen Neuzeit, in: Urteilen, Entscheiden, hrsg. v. Cornelia Vismann / Thomas Weitin (Literatur und Recht), München 2006, 119–142. Lerner, Craig S., Impeachment, attainder, and a true constitutional crisis. Lessons from the Strafford trial, in: University of Chicago Law Review 69 (2002), 2057–2101. Lestringant, Frank, Préface, in: Théâtre des cruautés des hérétiques de notre temps de Richard Verstegan, hrsg. v. Frank Lestringant (Collection Magellane, 1995: 1), Paris 1995, 7–44. van Leeuwen, Henry G., The Problem of Certainty in English Thought 1630–1690, Den Haag 1970. Lewis, James R., Savages of the seas. Barbary captivity tales and images of muslims in the early republic, in: Journal of American Culture (1990), 75–84. Lewis, John Underwood, Sir Edward Coke (1552–1633). His theory of „artificial reason“ as a context for modern basic legal theory, in: Law Quarterly Review 84 (1968), 330–342. Lezra, Jacques, „A Spaniard is no Englishman“, in: Journal of Medieval and Early Modern Studies 39 (2009), 119–141. Linebaugh, Peter / Marcus Rediker, The many-headed hydra. Sailors, slaves, commoners, and the hidden history of the revolutionary atlantic, Second edition, Boston 2000. Linebaugh, Peter, (Marxist) social history and (conservative) legal history. A reply to professor Langbein, in: New York University Law Review 60 (1985), 212–246. Linebaugh, Peter, The London hanged. Crime and civil society in the eighteenth century, London 1991. Loades, David M., The Wyatt Rebellion, Oxford 2000. Loades, David M., The English state and the death of Mary, Queen of Scots, in: Murder and monarchy. Regicide in European history, 1300–1800, hrsg. v. Robert von Friedeburg, Basingstoke 2004, 159–175. Loades, David M., Two Tudor conspiracies, Cambridge 1965. Lobban, Michael, From seditious libel to unlawful assembly. Peterloo and the changing face of political crime c. 1770–1820, in: Oxford Journal of Legal Studies 10 (1990), 307–352. Lobban, Michael, The common law and English jurisprudence. 1760–1850, Oxford 1991.

670

Anhang

Lobban, Michael, Treason, sedition and the radical movement in the age of the French Revolution, in: Liverpool Law Review 22 (2000), 205–234. Lord, Evelyn, The Stuart’s secret army. English Jacobites, 1689–1752, Harlow 2004. Lotz-Heumann, Ute, Die doppelte Konfessionalisierung in Irland. Konflikt und Koexistenz im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Tübingen 2000. Love, Harold, The look of news. Popish Plot narratives 1678–1680, in: The Cambridge history of the book in Britain. 1557–1695, hrsg. v. John Barnard / Donald Francis McKenzie, Cambridge 2002, 652–656. Loveman, Kate M., Reading fictions, 1660–1740. Deception in English literary and political culture, Aldershot 2008. Löw, Martina, Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2001. Löw, Martina, Zwischen Gotteshaus und Taverne. Epilog, in: Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Susanne Rau / Gerd Schwerhoff, Köln / Weimar / Wien 2004, 463–468. Luchjenbroers, June, ‘In your own words …’. Questions and answers in a Supreme Court trial, in: Journal of Pragmatics 27 (1997), 477–503. Luhmann, Niklas (Hrsg.), Das Erziehungssystem der Gesellschaft, Frankfurt am Main 2010. Luhmann, Niklas, Ausdifferenzierung des Rechts. Beiträge zur Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Frankfurt am Main 1999. Luhmann, Niklas, Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt am Main 2002. Luhmann, Niklas, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1998. Luhmann, Niklas, Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden 42009. Luhmann, Niklas, Ebenen der Systembildung – Ebenendifferenzierung. Unveröffentlichtes Manuskript 1975, in: Interaktion  – Organisation  – Gesellschaft revisited. Anwendungen, Erweiterungen, Alternativen, hrsg. v. Bettina Heintz  / Hartmann Tyrell (Zeitschrift für Soziologie Sonderhefte, 43), Stuttgart 2014, 6–42. Luhmann, Niklas, Legitimation durch Verfahren, Frankfurt am Main 1983. Luhmann, Niklas, Macht im System, Berlin 2012. Luhmann, Niklas, Organisation und Entscheidung, Wiesbaden 22006. Luhmann, Niklas, Politische Planung. Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung, Wiesbaden 52007. Luhmann, Niklas, Rechtssoziologie, Opladen 31987. Luhmann, Niklas, Sinn als Grundbegriff der Soziologie, in: Was leistet die Systemforschung?, hrsg. v. Jürgen Habermas  / Niklas Luhmann, Frankfurt am Main 1971, 25–100. Luhmann, Niklas, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Stuttgart 42000. Luhmann, Niklas, Zur Komplexität von Entscheidungssituationen, in: Soziale Systeme 15 (2009), 3–35. Lyotard, Jean-François, Der Widerstreit (Supplemente, 6), München 21989. Machura, Stefan, Niklas Luhmanns „Legitimation durch Verfahren“ im Spiegel der Kritik, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 14 (1993), 97–114. Macleod, Emma Vincent, British attitudes to the French Revolution, in: The Historical Journal (2007), 689–709.

Quellen und Literatur

671

Magennis, Eoin / Allan Blackstock (Hrsg.), Politics and political culture in Britain and Ireland, 1750–1850. Essays in tribute to Peter Jupp, Belfast 2007. Malo, Robyn, Intimate Devotion. Recusant Martyrs and the Making of Relics in postReformation England, in: Journal of Medieval and Early Modern Studies 44 (2014), 531–548. Maltby, William S., The black legend in England. The development of anti-Spanish sentiment, 1558–1660, Durham (NC) 1971. Maniquis, Robert M., British radical culture of the 1790s, San Marino 2002. Manning, Roger B., The origins of the doctrine of sedition, in: Albion 12 (1980), 99–121. March, James G., A primer on decision making. How decisions happen, New York 1994. March, James G., Decisions and organizations, Cambridge (MA) 1990. Marchand, Nolan, Reading dress, reading culture. The trial of Joseph Gerrald, 1794, in: The clothes that wear us. Essays on dressing and transgressing in eighteenthcentury culture, hrsg. v. Jessica Munns / Penny Richards, Newark / London 1999, 320–335. Marcus, Richard L., The Tudor treason trials. Some observations of the emergence of forensic themes, in: University of Illinois Law Review 3 (1984), 675–704. Marotti, Arthur F., Religious ideology and cultural fantasy. Catholic and anti-Catholic discourses in early modern England, Notre Dame (IN) 2005. Marsh, Joss, Word crimes. Blasphemy, culture, and literature in nineteenth-century England, Chicago 1998. Marshall, Alan, Intelligence and espionage in the reign of Charles II, 1660–1685, Cambridge 1994. Marshall, Alan, Rye House plotters (act. 1683), in: ODNB, URL http://www.oxforddnb. com/view/theme/93794 (abgerufen am 21.12.2016). Marshall, Alan, Sir Joseph Williamson and the conduct of administration in Restoration England, in: Historical Research 69 (1996), 18–41. Marshall, Alan, The strange death of Edmund Godfrey. Plots and politics in Restoration London, Stroud 1999. Martschukat, Jürgen, Inszeniertes Töten. Eine Geschichte der Todesstrafe vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Köln 2000. Masciola, Amy L., „The unfortunate maid exemplified“. Elizabeth Canning and representation of infanticide in eighteenth-century England, in: Infanticide. Historical perspectives on child murder and concealment, 1550–2000, hrsg. v. Mark Jackson, Aldershot 2002, 52–72. Mather, Frederick Clare, Public order in the age of the Chartists, Manchester 1959. Maurer, Michael, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 19), Göttingen 1987. Maxwell-Stewart, Hamish, Convict transportation from Britain and Ireland 1615–1870, in: History Compass 8 (2010), 1221–1242. May, Allyson N., Advocates and truth-seeking in the Old Bailey courtroom, in: Journal of Legal History 26 (2005), 83–90. May, Allyson N., Reluctant advocates. The legal profession and the Prisoner’s Counsel Act of 1836, in: Criminal justice in the old world and the new. Essays in honour of

672

Anhang

J. M. Beattie, hrsg. v. Greg T. Smith / Allyson N. May / Simon Devereaux, Toronto 1998, 183–207. May, Allyson N., The bar and the Old Bailey, 1750–1850 (Studies in legal history), Chapel Hill 2003. May, Allyson N., Fiction or faction. Literary representations of the early nineteenthcentury criminal courtroom, in: Crime, courtrooms and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham 2012, 167–192. McCalman, Iain, Newgate in revolution. Radical enthusiasm and romantic counterculture, in: Eighteenth-century Life 22 (1998), 95–110. McCalman, Iain, Radical underworld. Prophets, revolutionaries and pornographers in London, 1795–1840, Cambridge 1988. McConville, Seán, A history of English prison administration (1). 1750–1877, London 1981. McConville, Seán, Irish political prisoners, 1848–1922. Theatres of war, London 2003. McCoog, Thomas M., ‘Playing the champion’. The role of disputation in the Jesuit mission, in: The reckoned expense. Edmund Campion and the early English Jesuits. Essays in celebration of the first centenary of Campion Hall Oxford (1896–1996), hrsg. v. Thomas M. McCoog, Woodbridge / Rochester (NY) 1996, 119–139. McCoog, Thomas M., Construing martyrdom in the English Catholic community, 1582–1602, in: Catholics and the ‘protestant nation’. Religious politics and identity in early modern England, hrsg. v. Ethan H. Shagan (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2005, 95–127. McCoog, Thomas M., The Society of Jesus in Ireland, Scotland, and England 1541– 1588. „Our way of proceeding?“ (Studies in medieval and Reformation thought, 60), Leiden 1996. McCoog, Thomas M., The Society of Jesus in Ireland, Scotland, and England 1589–1597. Building the faith of Saint Peter upon the King of Spain’s monarchy, Farnham 2013. McCormack, Matthew, Rethinking ‘loyalty’ in eighteenth-century Britain, in: Journal for Eighteenth-Century Studies 35 (2012), 407–421. McGaughey, Karen J. / William B. Stiles, Courtroom interrogation of rape victims. Verbal response mode use by attorneys and witnesses during direct examination vs. cross-examination, in: Journal of Applied Social Psychology 13 (1983), 78–87. McGowen, Randall, “Making examples” and the crisis of punishment in mid-eighteenth-century England, in: The British and their laws in the eighteenth century, hrsg. v. David Lemmings, Woodbridge 2005, 182–205. McGowen, Randall, Civilizing punishment. The end of the public execution in England, in: Journal of British Studies 33 (1994), 257–282. McGowen, Randall, Forgery and the twelve judges in eighteenth-century England, in: Law and History Review 29 (2011), 221–257. McGowen, Randall, The body and punishment in eighteenth-century England, in: Journal of Modern History 59 (1987), 651–679. McGrath, Patrick, The Bloody Questions Reconsidered, in: Recusant History 20 (1991), 305–319. McIlwain, C. H., The Tenure of English Judges, in: The American Political Science Review 7 (1913), 217–229.

Quellen und Literatur

673

McKeiver, Philip G., Peterloo Massacre 1819, Manchester 2009. McKenzie, Andrea, „God’s Hat“ and the Highwayman’s Shoes. Gestural and sartorial history of seventeenth- and eighteenth-century English trial and execution, in: Canadian Journal of History 47 (2012), 231–258. McKenzie, Andrea, „This death some strong and stout hearted man doth choose“. The practice of peine forte et dure in seventeenth- and eighteenth-century England, in: Law and History Review 23 (2005), 279–313. McKenzie, Andrea, From true confessions to true reporting? The decline and fall of the ordinary’s account, in: The London Journal 30 (2005), 55–70. McKenzie, Andrea, God’s tribunal. Guilt, innocence, and execution in England, 1675– 1775, in: Cult & Soc Hist 3 (2006), 121–144. McKenzie, Andrea, Making Crime Pay. Motives, Marketing Strategies, and the Printed Literature of Crime in England 1670–1770, in: Criminal justice in the old world and the new. Essays in honour of J. M. Beattie, hrsg. v. Greg T. Smith / Allyson N. May / Simon Devereaux, Toronto 1998, 235–269. McKenzie, Andrea, Martyrs in low life? Dying „game“ in Augustan England, in: Journal of British Studies 42 (2003), 167–205. McKenzie, Andrea, On the „very brink between time and eternity“. Truth, charity, and last dying speeches in England, c. 1660–1700, in: Journal of the Canadian Historical Association 24 (2013), 33. McKenzie, Andrea, Tyburn’s martyrs. Execution in England, 1675–1775, London 2007. McKenzie, Andrea, Useful and entertaining to the generality of readers. Selecting the Select Trials, 1718–1764, in: Crime, courtrooms, and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham / Burlington 2012, 43–70. McLaren, Anne, Reading Sir Thomas Smith’s ‘De republica Anglorum as Protestant apologetic’, in: The Historical Journal 42 (1999), 911–939. McLynn, Frank, Crime and Punishment in Eighteenth Century England, London, New York 1989. McNamara, Martha J., From tavern to courthouse. Architecture & ritual in American law 1658–1860 (Creating the North American landscape), Baltimore 2004. Mee, John, Popular radical culture, in: The Cambridge companion to British literature of the French Revolution in the 1790s, hrsg. v. Pamela Clemit (Cambridge companions to literature, 1), Cambridge [u.a.] 2011, 117–128. Mee, Jon, ‘Mutual intercourse’ and ‘licentious discussion’ in the microcosm of London, in: The London Journal 37 (2012), 196–214. Mee, Jon, Print, publicity, and popular radicalism in the 1790s. The laurel of liberty (Cambridge studies in Romanticism, 112), Cambridge 2016. Meekings, C.A.F., King’s Bench Files, in: Legal records and the historian, hrsg. v. John H. Baker (Studies in history), London 1978, 97–139. Mendle, Michael J., The ‘prints’ of the trials. The nexus of politics, religion, law and information in the late seventeenth-century England, in: Fear, exclusion and revolution. Roger Morrice and Britain in the 1680s, hrsg. v. Jason McElligott, Aldershot 2006, 123–137.

674

Anhang

Mendle, Michael, Henry Parker and the English Civil War. The political thought of the public’s „privado“ (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 2002. Meyer, Carla (Hrsg.), Papier im mittelalterlichen Europa. Herstellung und Gebrauch (Materiale Textkulturen), Berlin / München / Boston 2015. Meyer, John W.  / Brian Rowan, Institutionalized organizations. Formal structure as myth and ceremony, in: American Journal of Sociology 83 (1977), 340–363. Meyer, Tim, Gefahr vor Gericht. Die Formstrenge im sächsisch-magdeburgischen Recht (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte, 26), Köln 2009. Mileski, Maureen, Angeklagte vor Gericht. Beobachtungen bei einem niederen Strafgericht, in: Seminar. Abweichendes Verhalten III. Die gesellschaftliche Reaktion auf Kriminalität. Strafprozeß und Strafvollzug, hrsg. v. Klaus Lüderssen / Fritz Sack, Frankfurt am Main 1977, 148–223. Milsom, Stroud F. C., Law and dact in legal development, in: The University of Toronto Law Journal 17 (1967), 1–19. Milton, Anthony, Catholic and reformed. The Roman and Protestant churches in English Protestant thought, 1600–1640 (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 2002. Milton, Philip, John Locke and the Rye House Plot, in: The Historical Journal 43 (2000), 647–668. Milton, Philip, Shaftesbury and the Rye House Plot, in: Anthony Ashley Cooper, first Earl of Shaftesbury, 1621–1683, hrsg. v. John Spurr, Farnham  / Burlington 2011, 233–268. Minogue, K. R., Treason and the early modern state. Scenes from a misalliance, in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hrsg. v. Roman Schnur, Berlin 1986, 421–436. Mish, Charles, Black letter as a social discriminant in the seventeenth century, in: PMLA 68 (1953), 627–630. Missfelder, Jan-Friedrich, Period Ear. Perspektiven einer Klanggeschichte der Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), 21–47. Monod, Paul Kléber, Jacobitism and the English people, 1688–1788, Cambridge / New York 1993. Monta, Susannah Brietz, Martyrdom and literature in early modern England, Cambridge 2005. Monta, Susannah Brietz, Rendering unto Caesar, in: Martyrdom and terrorism. Premodern to contemporary perspectives, hrsg. v. Dominic Janes / Alex Houen, New York 2014, 59–86. Moore, Judith, The appearance of truth. The story of Elizabeth Canning and eighteenthcentury narrative, Newark 1994. Moran, Bruce T., Courts and Academies, in: The Cambridge history of science, hrsg. v. Katharine Park / Lorraine Daston, Cambridge 2006, 251–271. Moran, Richard, The origin of insanity as a apecial verdict. The trial for treason of James Hadfield (1800), in: Law & Society Review 1985, 487–519.

Quellen und Literatur

675

Morgan, E. M., The privilege against self-incrimination, in: Minnesota Law Review 34 (1949), 1–45. Morgan, Gwenda / Peter Rushton, Arson, treason and plot. Britain, America and the Law, 1770–1777, in: History 100 (2015), 374–391. Mori, Jennifer, Languages of loyalism. Patriotism, nationhood and the state in the 1790s, in: English Historical Review 118 (2003), 33–58. Morton, Adam, Intensive Ephemera. The Catholick Gamesters and the Visual Culture of News in Restoration London, in: News in early modern Europe. Currents and Connections, hrsg. v. Simon Davies / Puck Fletcher (Library of the written word), Leiden 2014, 115–140. Mulcahy, Linda, Architects of justice. The politics of courtroom design, in: Social & Legal Studies 16 (2007), 383–403. Mulcahy, Linda, Legal architecture. Justice, due process and the place of law, Abingdon / New York 2011. Müller, Phillip, Auf der Suche nach dem Täter. Die öffentliche Dramatisierung von Verbrechen im Berlin des Kaiserreichs (Historische Studien, 40), Frankfurt am Main 2005. Murphy, J. H., Abject loyalty. Nationalism and monarchy in Ireland during the reign of Queen Victoria, Washington 2001. Musson, Anthony, Lay participation. The paradox of the jury, in: Comparative Legal History 3 (2016), 245–271. Mutambwa, John, Power relations in courtroom discourse. Transcripts of trials in a criminal court, Saarbrücken 2011. Nate, Richard, „I thought in worth the tryal“. Wissenschaftliche und literarische Experimente der englischen Restaurationszeit, in: Spektakuläre Experimente. Praktiken der Evidenzproduktion im 17. Jahrhundert, hrsg. v. Helmar Schramm / Ludger Schwarte / Jan Lazardzig (Theatrum Scientiarum, 3), Berlin / New York 2008, 295–317. Navickas, Katrina, Loyalism and radicalism in Lancashire, 1798–1815 (Oxford historical monographs), Oxford 2009. Nellen, Stefan, Die Akte der Verwaltung. Zu den administrativen Grundlagen des Rechts, in: Wissen, wie Recht ist. Bruno Latours empirische Philosophie einer Existenzweise, hrsg. v. Marcus Twellmann, Konstanz 2016, 65–91. Nenner, Howard, The trial of Charles I and the failed search for a bounded monarchy, in: Restoration, ideology, and revolution. Papers presented at the Folger Institute Seminar ‘political thought in the later Stuart age, 1649–1702’, hrsg. v. Gordon J. Schochet / Carol Brobeck (Proceedings of the Folger Institute Center for the history of British political thought, 4), Washington 1990, 1–21. Nenner, Howard, The trial of the regicides. Retribution and treason in 1660, in: Politics and the political imagination in later Stuart Britain. Essays presented to Lois Green Schwoerer, hrsg. v. Howard Nenner, Rochester / Woodbridge 1998, 21–42. Neu, Tim / Michael Sikora / Thomas Weller (Hrsg.), Zelebrieren und Verhandeln. Zur Praxis ständischer Institutionen im frühneuzeitlichen Europa (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme, 27), Münster 2009.

676

Anhang

Neu, Tim, Die Erschaffung der landständischen Verfassung. Kreativität, Heuchelei und Repräsentation in Hessen (1509–1655) (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne, 3), Köln / Weimar / Wien 2013. Neu, Tim, Inszenieren und Beschließen. Symbolisierungs- und Entscheidungsleistungen der Landtage im Fürstbistum Münster, in: Westfälische Forschungen 57 (2007), 257–284. Neuheiser, Jörg, Forgotten gentleman leaders. Local elites, conservative constitutionalism and the development of the public sphere in England (c. 1820–1860), in: Journal of Modern European History 11 (2013), 474–494. Neuheiser, Jörg, Krone, Kirche und Verfassung. Konservatismus in den englischen Unterschichten 1815–1867 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 192), Göttingen 2010. Nevalainen, Terttu, Ladies and gentlemen. The generalization of titles in early modern English, in: English historical linguistics, 1992, hrsg. v. Francisco Fernández / Miguel Fuster Márquez / Juan Jose Calvo, Valenzia 1994, 317–327. Nicholls, Mark, Discovering Gunpowder Plot, in: Recusant History 28 (2007), 397–415. Nicholls, Mark, Two Winchester trials. The prosecution of Henry, lord Cobham, and Thomas, lord Grey of Wilton, 1603, in: Historical Research 68 (1995), 26–48. Niehaus, Michael / Hans-Walter Schmidt-Hannisa (Hrsg.), Unzurechnungsfähigkeiten. Diskursivierungen unfreier Bewußtseinszustände seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main [u.a.] 1998. Niehaus, Michael, Das Verhör. Geschichte, Theorie, Fiktion (Literatur und Recht), München 2003. Niehaus, Michael, Epochen des Protokolls, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 2 (2011), 141–156. Niehaus, Michael, Wort für Wort? Zu Geschichte und Logik des Verhörprotokolls, in: Das Protokoll. Kulturelle Funktionen einer Textsorte, hrsg. v. Michael Niehaus  / Hans-Walter Schmidt-Hannisa, Frankfurt am Main 2005, 25–47. Niemetz, Michael, Antijesuitische Bildpublizistik in der Frühen Neuzeit. Geschichte, Ikonographie und Ikonologie (Jesuitica, 13), Regensburg 2008. Nippel, Wilfried, „Reading the Riot Act“. The discourse of law-enforcement in eighteenth-century England, in: History & Anthropology (1984/85), 401–426. Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983. O’Gorman, Frank, English loyalism revisited, in: Politics and political culture in Britain and Ireland, 1750–1850. Essays in tribute to Peter Jupp, hrsg. v. Eoin Magennis / Allan Blackstock, Belfast 2007, 223–241. O’Gorman, Frank, Ritual aspects of popular politics in England (c.1700–1830), in: Memoria y Civilización 3 (2000), 161–186. O’Halloran, C. H., Development of the right of appeal in England in criminal cases, in: Canadian Bar Review 27 (1949), 153–172. O’Halloran, C. H., Right of review and appeal in civil cases before the judicature acts, 1875, in: Canadian Bar Review 27 (1949), 46–66. Oates, Jonathan, York and the Jacobite rebellion of 1745, York 2005.

Quellen und Literatur

677

Oestmann, Peter, Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht. Edition einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 55), Köln 2009. Oestmann, Peter, Geistliche und weltliche Gerichte im Alten Reich. Zuständigkeitsstreitigkeiten und Instanzenzüge (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 61), Köln [u.a.] 2012. Oestmann, Peter, Hexenprozesse am Reichskammergericht (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 31), Köln / Weimar / Wien 1997. Oestmann, Peter, Rechtmäßige und rechtswidrige Folter im gemeinen Strafprozess, in: Wahrheit und Gewalt. Der Diskurs der Folter in Europa und den USA, hrsg. v. Thomas Weitin (Kultur- und Medientheorie), Bielefeld 2010, 87–110. Oestmann, Peter, Rechtsverweigerung im Alten Reich, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 127 (2010), 51–141. Oestmann, Peter, Wege zur Rechtsgeschichte: Gerichtsbarkeit und Verfahren, Stuttgart 2015. Oldham, James, Informal lawmaking in England by the twelve judges in the late eighteenth and early nineteenth centuries, in: Law and History Review 29 (2011), 181–220. Orr, D. Alan, Law, liberty, and the English Civil War. John Lilburne’s prison experience, the Levellers and freedom, in: The experience of revolution in Stuart Britain and Ireland. Essays for John Morrill, hrsg. v. Michael J. Braddick / David L. Smith, Cambridge 2011, 154–171. Orr, D. Alan, The juristic foundation of regicide, in: The regicides and the execution of Charles I, hrsg. v. Jason Peacey, Basingstoke / New York 2001, 117–137. Orr, D. Alan, Treason and the state. Law, politics and ideology in the English Civil War, Cambridge 2002. Orr, Leah, The English Rogue. Afterlives and Imitations, 1665–1741, in: Journal for Eighteenth-Century Studies 38 (2015), 361–376. Ortmann, Alexandra, Machtvolle Verhandlungen. Zur Kulturgeschichte der deutschen Strafjustiz 1879–1924 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 215), Göttingen 2014. Owen, G. D., The conspiracy of Christopher Love, in: Transactions of the Honourable Society of Cymmrodorion (1966), 88–107. Paley, Ruth, Thief-takers in London in the age of the McDaniel gang, c.1745–1754, in: Policing and prosecution in Britain, 1750–1850, hrsg. v. Douglas Hay / Francis Snyder, Oxford 1989, 301–342. Palk, Deirdre, Gender, crime and judicial discretion 1780–1830 (Royal Historical Society, studies in history, new series), Woodbridge 2006. Palk, Deirdre, Private crime in public places. Pickpockets and shoplifters in London, 1780–1823, in: The streets of London. From the great fire to the great stink, hrsg. v. Heather Shore / Tim Hitchcock, London 2003, 135. Parolin, Christina, Radical spaces. Venues of popular politics in London, 1790-c.1845, Canberra (ACT) 2010. Pattenden, Rosemary, English criminal appeals 1844–1994. Appeals against conviction and sentence in England and Wales, Oxford 1996.

678

Anhang

Patterson, Annabel M., Early modern liberalism (Ideas in context, 48), Cambridge  / New York 1997. Patterson, Annabel M., Nobody’s perfect. A new Whig interpretation of history, New Haven / London 2002. Patterson, Annabel M., Reading Holinshed’s chronicles, Chicago 1994. Patterson, D. L., Chief justice Jeffreys and the law of treason, in: Political Science Quarterly 20:3 (1905), 493–512. Paul, Helen J., The South Sea Bubble. An economic history of its origins and consequences (Routledge explorations in economic history, 49), London / New York 2011. Paul, Kegan C., William Godwin. His friends and contemporaries (1), London 1876. Pauley, Benjamin, ‘Far from a consummate lawyer‘. William Godwin and the treason trials of the 1790s, in: Reactions to revolutions. The 1790s and their aftermath, hrsg. v. Ulrich Broich (Kulturgeschichtliche Perspektiven, 2), Münster 2007, 203–230. Peacey, Jason, Print and public politics in seventeenth-century England, in: History Compass 5 (2007), 85–111. Peacey, Jason, The hunting of the Leveller. The sophistication of parliamentarian propaganda, 1647–53, in: Historical Research 78 (2005), 15–42. Pečar, Andreas, Macht der Schrift. Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg 1534–1642 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 69), München 2011. Peltzer, Jörg / Gerald Schwedler / Paul Töbelmann (Hrsg.), Politische Versammlungen und ihre Rituale. Repräsentationsformen und Entscheidungsprozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter (Mittelalter-Forschungen, 27), Ostfildern 2009. Pettegree, Andrew, The invention of news. How the world came to know about itself, New Haven 2014. Phifer, J. R., Law, politics and violence. The treason trials act of 1696, in: Albion 12 (1980), 235–256. Philips, Susan Urmston, Ideology in the language of judges. How judges practice law, politics, and courtroom control (Oxford studies in anthropological linguistics, 17), New York 1998. Phillips, Richard, On the powers and duties of juries, and on the criminal laws of England, London 21813. Philp, Mark (Hrsg.), Resisting Napoleon. The British response to the threat of invasion, 1797–1815, Aldershot / Hants 2006. Philp, Mark, Disconcerting ideas. Explaining popular radicalism and popular loyalism in the 1790s, in: English radicalism. 1550–1850, hrsg. v. Matthew Festenstein  / Glenn Burgess, Cambridge 2007, 157–189. Philp, Mark, Godwin’s political justice, Ithaca 1986. Pierce, Helen, The Devil’s Bloodhound. Roger L’Estrange caricatured, in: Printed images in early modern Britain. Essays in interpretation, hrsg. v. Michael Hunter, Farnham 2010, 237–254. Pierce, Helen, Unseemly pictures. Graphic satire and politics in early modern England, New Haven 2008. Pincus, Steven, 1688. The first modern revolution, New Haven [u.a.] 2014.

Quellen und Literatur

679

Pittock, Murray, Material culture and sedition, 1688–1760. Treacherous objects, secret places (Palgrave studies in the Enlightenment, Romanticism and cultures of print), Basingstoke 2013. Plank, Geoffrey Gilbert, Rebellion and savagery. The Jacobite rising of 1745 and the British Empire, Philadelphia 2005. Plowden, Alison, Lady Jane Grey. Nine days queen, Stroud 2003. Pocock, John, Burke and the ancient constitution. A problem in the history of ideas, in: The Historical Journal 3 (1960), 125–143. Pocock, John, The ancient constitution and the feudal law. A study of English historical thought in the 17th century, Cambridge 1957. Pohlig, Matthias, Konfessionskulturelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600. Kreuzzug, Antichrist, Tausendjähriges Reich, in: Archiv für Reformationsgeschichte 93 (2002), 278–316. Pohlig, Matthias, Marlboroughs Geheimnis. Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung im Spanischen Erbfolgekrieg (Externa, 10), Köln / Weimar / Wien 2016. Pohlig, Matthias, Staatlicher Geheimdienst oder private Spionagefirma? Pierre Jurieu, Etienne Caillaud und die englische Regierung um 1700, in: Zeitschrift für Historische Forschung 43 (2016), 255–292. Pollack, Detlef, Modernisierungstheorie  – revised. Entwurf einer Theorie moderner Gesellschaften, in: Zeitschrift für Soziologie 45 (2016), 219–240. Pollard, Albert Frederick, The clerk of the crown, in: English Historical Review 57 (1942), 312–333. Pollen, John H., The English Catholics in the reign of Queen Elizabeth. A study of their politics, civil life and government, 1558–1580, from the fall of the old church to the advent of the Counter-Reformation, London 1920. Pollock, Fredrick  / Frederic William Maitland, The history of English law before the time of Edward I, Indianapolis 2010. Poole, Steve, The politics of regicide in England, 1760–1850. Troublesome subjects, Manchester 2012. Porter, Roy, Madness and its institutions, in: Medicine in society. Historical essays, hrsg. v. Andrew Wear, Cambridge 1992, 277–301. Porter, Roy, Mind-forg’d manacles. A history of madness in England from the Restoration to the regency, London 1990. Prest, Wilfrid R., The rise of the barristers. A social history of the English bar, 1590– 1640 (Oxford studies in social history), First issued in paperback (with corrections), Oxford / New York 1991. Prest, Wilfrid R., The English bar, 1550–1700, in: Lawyers in early modern Europe and America, hrsg. v. Wilfrid R. Prest, London 1981, 65–85. Prest, Wilfrid R., William Blackstone, Oxford 2008. Prochaska, F. K., English state trials in the 1790s. A case study, in: Journal of British Studies 13 (1973), 63–82. Prodi, Paolo, Das Sakrament der Herrschaft. Der politische Eid in der Verfassungsgeschichte des Okzidents (Schriften des Italienisch Deutschen Historischen Instituts in Trient, 11), Berlin 1997.

680

Anhang

Ptacek, James, Battered women in the courtroom. The power of judicial responses, Boston 1999. Pue, Wesley, Lawyers and political liberalism in eighteenth- and nineteenth-century England, in: Lawyers and the rise of western political liberalism. Europe and North America from the eighteenth to twentieth centuries, hrsg. v. Terence C. Halliday / Lucien Karpik Oxford 1997, 167–206. Questier, Michael C., Catholic loyalism in early Stuart England, in: English Historical Review 123 (2008), 1132–1165. Questier, Michael C., Conversion, politics and religion in England, 1580–1625, Cambridge 1996. Questier, Michael C., Elizabeth and the Catholics, in: Catholics and the ‘Protestant nation’. Religious politics and identity in early modern England, hrsg. v. Ethan H. Shagan (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2005, 69–94. Rabin, Dana Y., Identity, crime, and legal responsibility in eighteenth-century England, Basingstoke 2004. Rabin, Dana Y., Searching for the self in eighteenth-century English criminal trials, in: Eighteenth Century Life (2003), 85–106. Rademacher, Lars / Alexander Schmitt-Geiger, Litigation-PR. Alles was Recht ist. Zum systematischen Stand der strategischen Rechtskommunikation, Wiesbaden 2012. Radzinowicz, Leon, A history of English criminal law and its administration from 1750 (4), London 1948. Raffield, Paul, The trials of Shakespeare. Courtroom drama and early modern English law, in: Law Humanities 8 (2014), 53–76. Ramsey, Neil, Reframing regicide. Symbolic politics and the sentimental trial of James Hadfield, 1800, in: Journal for Eighteenth-Century Studies 36 (2013), 317–334. Randall, Adrian, Riotous assemblies. Popular protest in Hanoverian England, Oxford 2006. Randall, Susannah, Newspapers and their publishers during the Popish Plot and exclusion crisis, in: Book trade connections from the seventeenth to the twentieth centuries, hrsg. v. Catherine Armstrong / John Hinks (Print Networks, 9), London 2008, 45–70. Rau, Susanne /  Gerd Schwerhoff (Hrsg.), Topographien des Sakralen. Religion und Raumordnung in der Vormoderne, München 2008. Rau, Susanne, Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen (Historische Einführungen, 14), Frankfurt am Main 2013. Raymond, Joad, Cheap print in Britain and Ireland to 1660 (The Oxford history of popular print culture, 1), Oxford 2011. Raymond, Joad, Pamphlets and pamphleteering in early modern Britain (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge 2003. Raymond, Joad, The invention of the newspaper. English newsbooks, 1641–1649, Oxford [u.a.] 2005. Reimer, Philipp, Verfahrenstheorie. Ein Versuch zur Kartierung der Beschreibungsangebote für rechtliche Verfahrensordnungen (Jus publicum, 250), Tübingen 2015. Reynolds, Ernest Edwin, Campion and Parsons. The Jesuit mission of 1580–1, London 1980.

Quellen und Literatur

681

Rezneck, Samuel, The statute of 1696. A pioneer measure in the reform of judicial procedure in England, in: Journal of Modern History 2 (1930), 5–26. Riegel, Klaus-Georg, Die Inszenierung von Verbrechen. Die Moskauer Schauprozesse 1936–1938, in: Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, hrsg. v. Herbert Willems / Martin Jurga, Opladen 1998, 235–252. Robb, George / Nancy Erber, Disorder in the court. Trials and sexual conflict at the turn of the century, Basingstoke 1999. Rodda, Joshua, Public religious disputation in England, 1558–1626 (St. Andrews studies in Reformation history), Burlington 2014. Rogers, Nicholas, Crowd and people in the Gordon Riots, in: The transformation of political culture. England and Germany in the late eighteenth century, hrsg. v. Eckart Hellmuth, London 1990, 30–55. Rogers, Nicholas, Crowds, culture, and politics in Georgian Britain, Oxford / New York 1998. Rogers, Nicholas, The Gordon Riots revisited, in: Historical Papers / Communications historiques (1988), 16–34. Röhrkasten, Jens, Die englischen Kronzeugen 1130–1330 (Berliner historische Studien, 16), Berlin 1990. Rollins, Hyder E., Old English ballads, 1553–1625. Chiefly from manuscripts, Cambridge 1920. Roper, Lyndal, Luther relics, in: Religion, the Supernatural and Visual Culture in Early Modern Europe. An album amicorum for Charles Zika, hrsg. v. Jennifer Spinks / Dagmar Eichberger (Studies in medieval and Reformation traditions, 191), Leiden 2015, 330–353. Rose, Elliot, Cases of conscience. Alternatives open to recusants and Puritans under Elizabeth I. and James I., London 1975. Rosenblatt, Frank F., The Chartist movement in its social and economic aspects, London 1916. Roseveare, Henry, The treasury 1660–1870. The foundations of control (Historical problems, 22), London 1973. Rowbotham, Judith, Execution as Punishment in England: 1750–2000, in: Histories of crime. Britain 1600–2000, hrsg. v. Anne-Marie Kilday / David Nash, Basingstoke / New York 2010, 180–202. Royer, Katherine, Dead men talking. Truth, texts and the scaffold in early modern England, in: Penal practice and culture, 1500–1900. Punishing the English, hrsg. v. Paul Griffiths / Simon Devereaux, Basingstoke 2004, 63–84. Royer, Katherine, The Body in parts. Reading the execution ritual in late medieval England, in: Historical Reflections / Réflexions historiques 29 (2003), 319–339. Royer, Katherine, The English Execution Narrative, 1200–1700 (The body, gender and culture, 17), London 2013. Rublack, U., Grapho-Relics. Lutheranism and the Materialization of the Word, in: Past & Present 206 (2010), 144–166. Russell, Conrad, The theory of treason in the trial of Strafford, in: The English Historical Review 80 (1965), 30–50.

682

Anhang

Russell, M. J., Trial by battle in the court of chivalry, in: Journal of Legal History 29 (2008), 335–357. Rustemeyer, Angela, Dissens und Ehre. Majestätsverbrechen in Russland 1600–1800 (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, 69), Wiesbaden 2006. Sacks, Harvey  / Emanuel A. Schegloff  / Gail Jefferson, A simplest systematics for the organization of turn-taking for conversation, in: Language 50 (1974), 696–735. Saliger, Frank, Rechtsphilosophische Probleme der Rechtsbeugung, in: Juristische Grundlagenforschung: Tagung der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) vom 23. bis 25. September 2004 in Kiel (2005), 138–153. Samaha, Joel, Criminal procedure, Stamford (CT) 2014. Sankey, Margaret Diane, Jacobite prisoners of the 1715 rebellion. Preventing and punishing insurrection in early Hanoverian Britain, Aldershot 2005. Sargent, Rose-Mary, Scientific experiment and legal expertise. The way of experience in seventeenth-century England, in: Studies in History and Philosophy of Science 20 (1989), 19–45. Sargent, Rose-Mary, The diffident naturalist. Robert Boyle and the philosophy of experiment, Chicago 1995. Saville, John, 1848. The British state and the Chartist movement, Cambridge 1987. Sayers, Brian J., The insurrection of 1848, in: Tipperary Historical Journal 2006, 107–134. Scharf, Michael P., The international trial of Slobodan Milosevic. Real justice or real politic?, in: ILSA Journal of International & Comparative Law 8 (2002), 389–401. Schauz, Désirée / Sabine Freitag, Verbrecher im Visier der Experten. Kriminalpolitik zwischen Wissenschaft und Praxis im 19. und frühen 20. Jahrhundert (Geschichte, 2), Stuttgart 2007. Scheffer, Thomas / Kati Hannken-Illjes / Alexander Kozin, Criminal defence and procedure. Comparative ethnographies in the United Kingdom, Germany and the United States, Basingstoke 2010. Scheffer, Thomas / Kati Hannken-Illjes / Alexander Kozin, How courts know. Comparing English crown court, U.S.-American state court, and German district court, in: Space and Culture 12 (2009), 183–204. Scheffer, Thomas / Matthias Michaeler / Jan Schank, Starke und schwache Verfahren. Zur unterschiedlichen Funktionsweise politischer Untersuchungen am Beispiel der englischen „Hutton Inquiry“ und des „CIA-Ausschusses“ der EU / Strong and Weak Procedures: Political Inquiries and Their Different Modes of Operation Based on the „Hutton Inquiry“ in the UK and the EU‘s „CIA Inquiry“, in: Zeitschrift für Soziologie 37 (2008), 423–444. Scheffer, Thomas, Adversarial case-making. An ethnography of English Crown Court procedure (International studies in sociology and social anthropology), Danvers 2010. Scheffer, Thomas, Asylgewährung. Eine ethnographische Analyse des deutschen Asylverfahrens (Qualitative Soziologie, 1), Stuttgart 2001. Scheffer, Thomas, Das Bohren der Bretter. Zur trans-sequentiellen Analyse des Politikbetriebs, in: Formationen des Politischen. Anthropologie politischer Felder, hrsg.

Quellen und Literatur

683

v. Jens Adam / Asta Vonderau (Kultur und soziale Praxis), Bielefeld / Berlin 2014, 333–361. Scheffer, Thomas, Der hergerichtete Fall. Eine trans-sequenzielle Analyse der Strafverteidigung vor dem Englischen Jurygericht, in: Der Fall. Studien zur epistemischen Praxis professionellen Handelns, hrsg. v. Jörg R. Bergmann / Ulrich DausendschönGay / Frank Oberzaucher (Sozialtheorie), Bielefeld 2014, 37–74. Scheffer, Thomas, Die Karriere rechtswirksamer Aussagen. Ansatzpunkte einer historiographischen Diskursanalyse der Gerichtsverhandlung, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 24 (2003), 151–181. Scheffer, Thomas, Die trans-sequentielle Analyse und ihre formativen Objekte, in: Grenzobjekte. Soziale Welten und ihre Übergänge, hrsg. v. Reinhard Hörster, Wiesbaden 2013, 87–114. Scheffer, Thomas, Diskurspraxis in Recht und Politik. Trans-Sequentialität und die Analyse rechtsförmiger Verfahren, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 35 (2015), 223–244. Scheffer, Thomas, Ethnographie mit System am Beispiel von Englischen Strafverfahren, in: Die Methodologien des Systems, hrsg. v. René John / Anna Henkel / Jana Rückert-John, Wiesbaden 2010, 141–160. Scheffer, Thomas, Geschichten zur Fallarbeit, in: Der Fall. Studien zur epistemischen Praxis professionellen Handelns, hrsg. v. Jörg R. Bergmann / Ulrich DausendschönGay / Frank Oberzaucher (Sozialtheorie), Bielefeld 2014, 225–247. Scheffer, Thomas, Jenseits der Konversation. Zur Konzeptualisierung von Asylanhörungen anhand der ethnographischen Analyse ihrer Eröffnung, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie 24 (1998), 291–336. Scheffer, Thomas, Kritik der Urteilskraft. Wie die Asylprüfung Unentscheidbares in Entscheidbares überführt, in: Migration steuern und verwalten. Deutschland vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. v. Jochen Oltmer (Schriften des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück, 12), Göttingen 2003, 423–458. Scheffer, Thomas, Materialanalyse praxeologischer Körpersoziologie, in: Handbuch Körpersoziologie. Band 2: Forschungsfelder und Methodische Zugänge, hrsg. v. Robert Gugutzer / Gabriele Klein / Michael Meuser, Wiesbaden 2017, 487–506. Scheffer, Thomas, Materialitäten im Rechtsdiskurs. Von Gerichtssälen, Akten und Fallgeschichten, in: Recht vermitteln. Strukturen, Formen und Medien der Kommunikation im Recht, hrsg. v. Kent D. Lerch (Die Sprache des Rechts, 3), Berlin 2005, 349–376. Scheffer, Thomas, Materialities of legal proceedings, in: International journal for the semiotics of law 17 (2004), 356–389. Scheffer, Thomas, Zug-um-Zug und Schritt-für-Schritt. Annäherungen an eine transsequentielle Analytik, in: Theoretische Empirie. Zur Relevanz qualitativer Forschung, hrsg. v. Herbert Kalthoff / Stefan Hirschauer / Gesa Lindemann, Frankfurt am Main 2008, 368–398. Schiebinger, Londa, Women of Natural Knowledge, in: The Cambridge history of science, hrsg. v. Katharine Park / Lorraine Daston, Cambridge 2006, 192–205.

684

Anhang

Schildt, Axel, Modernisierung 2010, URL: http://docupedia.de/zg/Modernisierung?oldid=84640 [zuletzt besucht am 5.04.2017]. Schlögel, Karl, Terror und Traum. Moskau 1937 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, 733), Bonn 2008. Schlögl, Rudolf, Der Raum der Interaktion. Räumlichkeit und Koordination mit Abwesenden in der frühneuzeitlichen Vergesellschaftung unter Anwesenden, in: Interaktion – Organisation – Gesellschaft revisited. Anwendungen, Erweiterungen, Alternativen, hrsg. v. Bettina Heintz / Hartmann Tyrell (Zeitschrift für Soziologie Sonderhefte, 43), Stuttgart 2014, 178–200. Schlögl, Rudolf, Interaktion und Herrschaftsbildung. Probleme der politischen Kommunikation in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2005, 115–127. Schlögl, Rudolf, Politik beobachten. Öffentlichkeit und Medien in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 35 (2008), 581–616. Schnabel-Schüle, Helga, Überwachen und Strafen im Territorialstaat. Bedingungen und Auswirkungen des Systems strafrechtlicher Sanktionen im frühneuzeitlichen Württemberg (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte, 16), Köln 1997. Schneider, Manfred, Die Beobachtung des Zeugen nach Artikel 71 der Carolina, in: Geschichten der Physiognomik. Text, Bild, Wissen, hrsg. v. Rüdiger Campe / Manfred Schneider, Freiburg 1996, 163–182. Schoenfield, Mark, Waging battle. Ashford v. Thornton, Ivanhoe, and legal violence, in: Prose Studies 23 (2000), 61–86. Schreiner, Klaus, Wahl, Amtsantritt und Amtsenthebung von Bischöfen. Rituelle Handlungsmuster, rechtlich normierte Verfahren, traditionsgestützte Gewohnheiten, in: Vormoderne politische Verfahren, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger (Zeitschrift für historische Forschung Beihefte, 25), Berlin 2001, 73–117. Schröder, Hans-Christoph, Die Levellers und das Problem der Republik in der Englischen Revolution, in: Geschichte und Gesellschaft 10 (1984), 427–545. Schröder, Hans-Christoph, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1986. Schröder, Jan, Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19. Jahrhundert (Ius commune Sonderhefte, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 11), Frankfurt am Main 1979. Schuler, Catherine, Reinventing the show trial. Putin and Pussy Riot, in: TDR/The Drama Review 57 (2013), 7–17. Schulze, Winfried, Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der Frühen Neuzeit (Neuzeit im Aufbau, 6), Stuttgart u.a 1980. Schuster, Peter, Hinrichtungsrituale in der Frühen Neuzeit. Anfragen aus dem Mittelalter, in: Justiz. Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hrsg. v. Harriet Rudolph / Helga Schnabel-Schüle (Trierer historische Forschungen, 48), Trier 2003, 213–233. Schuster, Peter, Verbrecher, Opfer, Heilige. Eine Geschichte des Tötens 1200–1700, Stuttgart 2015.

Quellen und Literatur

685

Schuyler, Susan, Gallows drama. Public execution, crowds, and Victorian theater, in: Nineteenth Century Studies 22 (2008), 15–29. Schwerhoff, Gerd, Historische Kriminalitätsforschung (Historische Einführungen, 9), Frankfurt am Main 2011. Schwoerer, Lois G. (Hrsg.), The revolution of 1688–1689. Changing perspectives, Cambridge 1992. Schwoerer, Lois G., Lady Rachel Russell. „One of the best of women“, Baltimore 1988. Schwoerer, Lois G., Law, liberty, and „jury ideology“. English transatlantic revolutionary traditions, in: Revolutionary currents. Nation building in the transatlantic world, hrsg. v. Michael A. Morrison / Melinda S. Zook, Lanham / Oxford 2004, 35–64. Schwoerer, Lois G., The attempted impeachment of Sir William Scroggs, Lord Chief Justice of the Court of King’s Bench, in: Historical Journal 38 (1995), 843–873. Schwoerer, Lois G., The declaration of rights, 1689, Baltimore 1981. Schwoerer, Lois G., The ingenious Mr. Henry Care, Restoration publicist, Baltimore 2001. Schwoerer, Lois G., The trial of Lord William Russell, 1683. Judicial murder?, in: Journal of Legal History 9 (1988), 142–168. Schwoerer, Lois G., William, Lord Russell. The making of a martyr, 1683–1983, in: Journal of British Studies 24 (1985), 41–71. Scott, Jonathan, Algernon Sidney and the Restoration crisis, 1677–1683 (Cambridge studies in early modern British history), Cambridge / New York 2002. Scott, Jonathan, England’s troubles. Exhuming the popish Plot, in: The politics of religion in Restoration England, hrsg. v. Tim Harris / Paul Seaward / Mark Goldie, Oxford / Cambridge (MA) 1990. Scott, Jonathan, England’s troubles. Seventeenth-century English political instability in European context, Cambridge / New York 2000. Seaberg, R. B., The Norman Conquest and the common law. The Levellers and the argument from continuity, in: Historical Journal 24 (1981), 791–806. Seibert, Thomas-Michael, Aktuelle  Stile der Gerichtsrede, in: Recht verhandeln. Argumentieren, Begründen und Entscheiden im Diskurs des Rechts, hrsg. v. Kent D. Lerch (Die Sprache des Rechts, 2), Berlin 2005, 461–478. Seibert, Thomas-Michael, Gerichtsrede. Wirklichkeit und Möglichkeit im forensischen Diskurs (Schriften zur Rechtstheorie, 222), Berlin 2004. Sellon, Baker John / George Crompton, The practice of the Courts of King’s Bench and Common Pleas. Part I (1), London. Serjeantson, Richard W., Testimony and proof in early-modern England, in: Studies in History and Philosophy of Science 30 (1999), 195–236. Serjeantson, Richard, Proof and Persuasion, in: The Cambridge history of science, hrsg. v. Katharine Park / Lorraine Daston, Cambridge 2006, 132–176. Shapin, Steven, Never pure. Historical studies of science as if It was produced by people with bodies, situated in time, space, culture, and society, and struggeling for credibility and authority, Baltimore 22010. Shapin, Steven / Simon Schaffer, Leviathan and the air-pump. Hobbes, Boyle and the experimental life, Princeton 1989.

686

Anhang

Shapin, Steven, A social history of truth. Civility and science in seventeenth-century England (Science and its conceptual foundations), Chicago / London 41994. Shapin, Steven, Die wissenschaftliche Revolution, Frankfurt am Main 1998. Shapin, Steven, Pump and circumstance. Robert Boyle’s Literary Technology, in: Social Studies of Science 14 (1984), 481–520. Shapin, Steven, The house of experiment in seventeenth-century England, in: Isis 79 (1988), 373–404. Shapin, Steven, The Man of Science, in: The Cambridge history of science, hrsg. v. Katharine Park / Lorraine Daston, Cambridge 2006, 177–191. Shapiro, Alexander H., Political theory and the growth of defensive safeguards in criminal procedure. The origins of the treason trials act of 1696, in: Law and History Review 11 (1993), 215–255. Shapiro, Barbara J., „Beyond reasonable doubt“. The neglected eighteenth-century context, in: Law Humanities 8 (2014), 19–52. Shapiro, Barbara J., ‘To a moral certainty’. Theories of knowledge and Anglo-American juries, 1600–1850, in: Hastings Law Journal 38 (1986), 153–193. Shapiro, Barbara J., “Beyond reasonable doubt” and “probable cause”. Historical perspectives on the Anglo-American law of evidence, Berkeley 1991. Shapiro, Barbara J., A culture of fact. England, 1550–1720, Cloth print, Ithaca 2000. Shapiro, Barbara J., Empiricism and English political thought, 1550–1720, in: Eighteenth-century Thought 1 (2003), 1–33. Shapiro, Barbara J., Law and science in 17th-century England, in: Stanford Law Review 21 (1969), 727–766. Shapiro, Barbara J., Oaths, credibility and the legal process in early modern England. Part one, in: Law Humanities 6 (2013), 145–178. Shapiro, Barbara J., Oaths, credibility and the legal process in early modern England. Part two, in: Law Humanities 7 (2013), 19–54. Shapiro, Barbara J., Political theology and the courts. A survey of Assize Sermons, 1600–1688, in: Law Humanities 2 (2008), 1–28. Shapiro, Barbara J., Probability and certainty in seventeenth-century England. A study of the relationship between natural science, religion, history, law, and literature, Princeton 1983. Shapiro, Barbara J., Religion and the law. Evidence, proof and „matter of fact“, 1660– 1700, in: Law, crime and English society, 1660–1830, hrsg. v. Norma Landau, Cambridge 2002, 185–207. Shapiro, Barbara J., Testimony in seventeenth-century English natural philosophy. Legal origins and early development, in: Studies in History and Philosophy of Science 33 (2002), 243–263. Shapiro, Barbara J., The concept „fact“, in: Albion 26 (1994), 1. Shapiro, Barbara, „Fact“ and the Proof of Fact in Anglo-Americal law (c. 1500–1850), in: How law knows, hrsg. v. Austin Sarat  / Lawrence Douglas  / Martha Merrill Umphrey (The Amherst series in law, jurisprudence, and social thought), Stanford 2007, 25–71.

Quellen und Literatur

687

Shapiro, Barbara, Classical rhetoric and the English law of evidence, in: Rhetoric and law in early modern Europe, hrsg. v. Victoria Ann Kahn / Lorna Hutson, New Haven 2001, 54–72. Shapiro, Barbara, Political communication and political culture in England, 1558–1688, Palo Alto 2012. Sharp, Andrew, The English Levellers (Cambridge texts in the history of political thought), Cambridge 2004. Sharp, Andrew, The Levellers and the end of Charles I, in: The regicides and the execution of Charles I, hrsg. v. Jason Peacey, Basingstoke / New York 2001, 181–201. Sharpe, James A., „Last dying speeches“. Religion, ideology and public execution in seventeenth-century England, in: Past & Present 107 (1985), 144–167. Sharpe, James A., Crime in Early Modern England 1550–1750 (Themes in British social history), Hoboken 22014. Sharpe, James J., Reporting Crime in the North of England eighteenth-century Newspaper. A Preliminary Investigation1, in: chs 16 (2012), 25–45. Sharpe, Kevin, Selling the Tudor monarchy. Authority and image in sixteenth-century England, New Haven 2009. Shell, Alison, The writing on the wall? John Ingram’s verse and the dissemination of Catholic prison writing, in: Br. Cathol. Hist. 33 (2016), 58–70. Sherry, T. F., The present horrid conspiracy. Dublin press coverage of two political trials in the early 1720s, in: Eighteenth-century Ireland: Iris an dá chultúr 4 (1989), 143–157. Shesgreen, Sean, The cries of London from the renaissance to the nineteenth century. A short history, in: Not dead things. The dissemination of popular print in England and Wales, Italy, and the Low Countries. 1500–1820, hrsg. v. Roeland Harms / Joad Raymond / Jeroen Salman (Library of the written word, 30), Leiden 2013, 115–152. Shetreet, Shimon / Sophie Turenne, Judges on trial. The independence and accountability of the English judiciary (Cambridge studies in constitutional law), Cambridge 2 2013. Shoemaker, Robert B., Representing the adversary criminal trial. Lawyers in the Old Bailey Proceedings, 1770–1800, in: Crime, courtrooms and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham 2012, 71–92. Shoemaker, Robert B., The Old Bailey proceedings and the representation of crime and criminal justice in eighteenth-century London, in: Journal of British Studies 47 (2008), 559–580. Shore, Heather, ‘The Reckoning’. Disorderly women, informing constables and the Westminster justices, 1727–33, in: Social History 34 (2009), 409–427. Shrank, Cathy, Writing the nation in Reformation England, 1530–1580, Oxford 2004. Siebenhüner, Kim, Things that matter. Zur Geschichte der materiellen Kultur in der Frühneuzeitforschung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 42 (2015), 373–409. Siemens, Daniel, „Vor den Schranken von Moabit“. Zur Kulturgeschichte der Weimarer Strafjustiz, in: Performanz des Rechts. Inszenierung und Diskurs, hrsg. v. Paula Diehl (Paragrana 15), Berlin 2006, 196–210.

688

Anhang

Siemens, Daniel, Metropole und Verbrechen. Die Gerichtsreportage in Berlin, Paris / Chicago 1919–1933, Stuttgart 2007. Siemens, Daniel, Towards a New Cultural History of Law, in: InterDisciplines. Journal of History and Sociology, Vol 3, No 2 (2012). Sil, Narasingha Prosad, „My bitter comedie“. Treason trial of Sir Nicholas Throckmorton and the rule of law in Tudor England, in: Politics and reformations. Communities, polities, nations, and empires. Essays in honor of Thomas A. Brady, Jr., hrsg. v. Christopher Ocker (Studies in medieval and Reformation traditions, 128), Leiden 2007, 381–405. Simmons, Clare A., Eyes across the Channel. French revolutions, party history and British writing, 1830–1882 (Interdisciplinary nineteenth century studies, 1), Amsterdam 2000. Simpson, A. W. B., The rise and fall of the legal treatise. Legal principles and forms of legal literatur, in: University of Chicago Law Review (1981), 632–679. Simpson, Antony E., Popular perceptions of rape as a capital crime in eighteenth-century England. The press and the trial of Francis Charteris in the Old Bailey, february 1730, in: Law and History Review 22 (2004), 27–70. Skinner, Quentin, Forensic Shakespeare (Clarendon lectures in English), Oxford 2014. Skinner, Quentin, Moral ambiguity and the Renaissance art of eloquence, in: Visions of politics, hrsg. v. Quentin Skinner, Cambridge / New York 2002, 264–285. Skirboll, Aaron, The thief-taker hangings. How Daniel Defoe, Jonathan Wild, and Jack Sheppard captivated London and created the celebrity criminal, Guilford (Conn.) 2014. Sloane, Robert, William Smith O’Brien and the young Ireland Rebellion of 1848. The road to Ballingarry, Dublin 2000. Smith, Lacey B., English treason trials and confessions in the sixteenth century, in: Journal of the History of Ideas 15 (1954), 471–498. Smith, Lacey B., Treason in Tudor England. Politics and paranoia, Princeton 1986. Smith, Michael S., Anti-radicalism and popular politics in an Age of Revolution, in: Parliamentary History 24 (2005), 71–92. Smith, Olivia, The politics of language, 1791–1819, Oxford 1984. Smith, Pamela H., Laboratories, in: The Cambridge history of science, hrsg. v. Katharine Park / Lorraine Daston, Cambridge 2006, 290–305. Smuts, Robert Malcolm, Culture and power in England, 1585–1685, Basingstoke and New York 1999. Snell, Esther, Discourses of criminality in the eighteenth-century press. The presentation of crime in The Kentish Post, 1717–1768, in: Continuity and Change 22 (2007), 13–47. Snell, Esther, Representations of criminality and victimisation in provincial newspapers. The Kentish Post 1717 to 1768, in: Southern History 27 (2005), 48–75. Snell, Esther, Trials in print. Narratives of rape trials in the proceedings of the Old Bailey, in: Crime, courtrooms, and the public sphere in Britain, 1700–1850, hrsg. v. David Lemmings, Farnham / Burlington 2012, 23–42. Sofsky, Wolfgang  / Rainer Paris, Figurationen sozialer Macht. Autorität, Stellvertretung, Koalition, Frankfurt am Main 1994.

Quellen und Literatur

689

Sommerville, Johann P.  / Donald Alan Orr, Treason and the state. Law, politics and ideology in the English Civil War, in: Albion. A quarterly journal concerned with British studies 35 (2003), 644. Spence, Thomas, Iain McCalman, radical underworld. Prophets, revolutionaries and pornographers in London, 1795–1840, Cambridge  / New York  / New Rochelle 1988. Spencer, J. R., Jackson’s machinery of justice, Cambridge 81989. Spoerhase, Carlos, Die „mittelstrasse“ zwischen Skeptizismus und Dogmatismus. Konzeptionen hermeneutischer Wahrscheinlichkeit um 1750, in: Unsicheres Wissen. Skeptizismus und Wahrscheinlichkeit 1550–1850, hrsg. v. Carlos Spoerhase / Dirk Werle / Markus Wild, Berlin / New York 2009, 269–300. Spurr, John, A profane history of early modern oaths, in: Transactions of the Royal Historical Society 11 (2001), 37–63. Stacy, William R., Matter of fact, matter of law, and the attainder of the Earl of Strafford, in: The American Journal of Legal History 29 (1985), 323–348. Staines, John D., The tragic histories of Mary Queen of Scots, 1560–1690. Rhetoric, passions, and political literature, Farnham 2009. Stanhope, John, The cato street conspiracy, London 1962. Starr, June /  Mark Goodale (Hrsg.), Practicing ethnography in law. New dialogues, enduring methods, New York 2002. Steedman, Carolyn, Lord Mansfield’s women, in: Past & Present 176 (2002), 105–143. Steffen, Lisa, Defining a British state. Treason and national identity, 1608–1820 (Studies in modern history), Houndmills [u.a.] 2001. Stegmaier, Peter, Wissen, was Recht ist. Richterliche Rechtspraxis aus wissenssoziologisch-ethnografischer Sicht, Wiesbaden 2009. Stegner, Paul Dustin, Treasonous reconciliations. Robert Southwell, religious polemic, and the criminalization of confession, in: Reformation 16 (2011), 5–36. Steinmetz, Willibald, Begegnungen vor Gericht. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des englischen Arbeitsrechts 1850–1925 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 51), München 2002. Steinmetz, Willibald, Das Sagbare und das Machbare. Zum Wandel politischer Handlungsspielräume. England 1780–1867 (Sprache und Geschichte, 21), Stuttgart 1993. Steinmetz, Willibald, Normen parlamentarischen Redens in England 1600–1900, in: Parlamentarische Kulturen vom Mittelalter bis in die Moderne. Reden – Räume – Bilder, hrsg. v. Jörg Feuchter  / Johannes Helmrath (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Reihe Parlamente in Europa, 2), Düsseldorf 2013, 51–95. Stevens, Robert, The English judges. Their role in the changing constitution, Oxford / Portland 2002. Stollberg-Rilinger, Barbara, Die Würde des Gerichts. Spielten symbolisch-zeremonielle Formen an den höchsten Reichsgerichten eine Rolle?, in: Zwischen Formstrenge und Billigkeit. Forschungen zum vormodernen Zivilprozess, hrsg. v. Peter Oestmann (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 56), Köln [u.a.] 2009.

690

Anhang

Stollberg-Rilinger, Barbara, Rituale (Historische Einführungen, 16), Frankfurt am Main 2013. Stollberg-Rilinger, Barbara, Von der sozialen Magie der Promotion. Ritual und Ritualkritik in der Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit, in: Rituelle Welten, hrsg. v. Christoph Wulf / Jörg Zirfas (Paragrana, 12), Berlin 2003, 273–296. Stoyle, Mark, ‘It Is But an Olde Wytche Gonne’. Prosecution and Execution for Witchcraft in Exeter, 1558–1610, in: History 96 (2011), 129–151. Styles, John, Print and policing. Crime advertising in eighteenth-century provincial England, in: Policing and prosecution in Britain, 1750–1850, hrsg. v. Douglas Hay / Francis Snyder, Oxford 1989, 55–112. Swanson, Richard Arthur, The office of attorney general in England, 1558–1641, Ann Arbor 1976. Swords, Liam (Hrsg.), Protestant, Catholic and dissenter. The clergy and 1798, Dublin 1997. Szechi, Daniel, A non-resisting, passively obedient revolution. Lord North and Grey and the Tory response to the Sacheverell impeachment, in: Parliamentary History 31 (2012), 118–127. Szechi, Daniel, The Jacobites. Britain and Europe, 1688–1788, Manchester 1994. Taslitz, Andrew E., Rape and the culture of the courtroom (Critical America), New York 1999. Taylor, Craig, Sir John Fortescue and the French polemical treatises of the Hundred Years War, in: English Historical Review 114 (1999), 112–129. Temple, Michael, The British press, Maidenhead 2008. Teubner, Gunther, Recht als autopoietisches System, Frankfurt am Main 1989. Thiessen, Hillard von, Das Sterbebett als normative Schwelle. Der Mensch in der Frühen Neuzeit zwischen irdischer Normenkonkurrenz und göttlichem Gericht, in: Historische Zeitschrift 295 (2012), 625–659. Thomis, Malcom I., Zielsetzung und Ideologie gewaltsamer Protestbewegungen in Großbritannien 1800–1848, in: Sozialprotest, Gewalt, Terror. Gewaltanwendung durch politische und gesellschaftliche Randgruppen im 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen / Gerhard Hirschfeld (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 10), Stuttgart 1982, 32–46. Thommen, Marc, Kurzer Prozess – fairer Prozess? Strafbefehls- und abgekürzte Verfahren zwischen Effizienz und Gerechtigkeit, Bern 2013. Thompson, A. Keith, Religious confession privilege at the common law (Studies in religion, secular beliefs, and human rights, 9), Leiden / Boston 2011. Thompson, Edward P., Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse, 2 Bde. Frankfurt am Main 1987. Thompson, Edward P., The making of the English working class, London 1980. Thompson, Edward P., Whigs and hunters. The origin of the Black act, New York 1975. Thornley, Isobel D., Treason by words in the fifteenth century, in: English Historical Review (1917), 556–561. Tilly, Charles, Popular contention in Great Britain, 1758–1834, London 1995.

Quellen und Literatur

691

Timmis, J. H., Thine is the kingdom. The trial for treason of Thomas Wentworth, earl of Strafford, first minister to King Charles I, and last hope of the English crown, London 1974. Timmis, John H., The basis of the lord’s decision in the trial of Strafford. Contravention of the two-witness rule, in: Albion. A Quarterly Journal Concerned with British Studies 8 (1976), 311–319. Tondorf, Babette, Strafverteidigung in der Frühphase des reformierten Strafprozesses. Das Hochverratsverfahren gegen die badischen Aufständischen Gustav Struve und Karl Blind (1848/49) (Juristische Zeitgeschichte Abt. 7, Beiträge zur Anwaltsgeschichte, 1), Berlin 2006. Travers, Max, The reality of law. Work and talk in a firm of criminal lawyers (Sociolegal studies), Aldershot / Hants 1997. Treherne, J. E., The canning enigma, London 1989. Trusen, Winfried, Der Inquisitionsprozeß. Seine historischen Grundlagen und frühen Formen, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 74 (1988), 168–230. Tung, Shirley, Dead Man Talking. James Boswell, Ghostwriting, and the Dying Speech of John Reid, in: Huntington Library Quarterly 77 (2014), 59–78. Turberville, Arthur Stanley, The House of Lords in the reign of William III (Oxford historical and literary studies, 3), Oxford 1913. Turner, Ralph V., The origins of Common Pleas and King’s Bench, in: American Journal of Legal History 21 (1977), 238–254. Turvey, Roger, The treason and trial of Sir John Perrot, Cardiff 2005. Tutino, Stefania, Between nicodemism and ‘honest’ dissimulation. The Society of Jesus in England, in: Historical Research 79 (2006), 534–553. Tutino, Stefania, Law and conscience. Catholicism in early-modern England, 1570– 1625 (Catholic christendom, 1300–1700), Aldershot 2007. Tutino, Stefania, Shadows of doubt. Language and truth in post-Reformation Catholic culture, New York 2014. Tyacke, Nicholas, Aspects of English Protestantism, c.1530–1700 (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2001. Tyacke, Nicholas, The Puritan paradigm of English politics, 1558–1642, in: Historical Journal 53 (2010), 527–550. Tyrell, Hartmann, Soziale und gesellschaftliche Differenzierung. Aufsätze zur soziologischen Theorie, Wiesbaden 2008. Underdown, David, Revel, riot, and rebellion. Popular politics and culture in England, 1603–1660, Oxford 1985. Underwood, Lucy, Persuading the queen’s majesty’s subjects from their allegiance. Treason, reconciliation and confessional identity in Elizabethan England, in: Hist Res 89 (2016), 246–267. Vande Zande, Daniel L., Coercive power and the demise of the star chamber, in: American Journal of Legal History 50 (2008), 326–349. Veall, Donald, The popular movement for law reform, 1640–60, Oxford 1970.

692

Anhang

Vernon Harcourt, L. W. The Baga de Secretis, in: The English Historical Review 23 (1908), 508–529. Vec, Miloš, Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation (Ius commune Sonderhefte, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 106), Frankfurt am Main 1998. Vernon, Elliot / Philip Baker, What was the first agreement of the people?, in: The Historical Journal 53 (2010), 39–59. Vernon, James (Hrsg.), Re-reading the constitution. New narratives in the political history of England’s long nineteenth century, Cambridge 1996. Verstegan, Richard, Théâtre des cruautés des hérétiques de notre temps de Richard Verstegan, hrsg. v. Frank Lestringant (Collection Magellane, 1), Paris 1995. Vismann, Cornelia, Das Recht und seine Mittel. Ausgewählte Schriften, Frankfurt am Main 2012. Vismann, Cornelia, Medien der Rechtsprechung, Frankfurt am Main 2011. Voges, Ramon, Augenzeugenschaft und Evidenz. Die Bildberichte Franz und Abraham Hogenbergs als visuelle Historiographie, in: Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis, hrsg. v. Sybille Krämer / Sybille Schmidt / Ramon Voges, Bielefeld 2011, 159–181. Volk, Klaus, Die Wahrheit vor Gericht. Wie sie gefunden und geschunden, erkämpft und erkauft wird, München 2016. Vyroubalová, Ema, Catholic and Puritan conspiracies in Samuel Ward’s The Double Deliverance (1621), in: Puritans and Catholics in the trans-atlantic world 1600– 1800, hrsg. v. Crawford Gribben / Scott Spurlock (Christianities in the trans-atlantic world 1500–1800), Basingstoke 2015, 47–65. Wagner, Anne /  Le Cheng (Hrsg.), Exploring courtroom discourse. The language of power and control (Law, language and communication), Farnham [u.a.] 2011. Waldman, Theodore, Origins of the Legal Doctrine of Reasonable Doubt, in: Journal of the History of Ideas 20 (1959), 299. Walker, Claire, „Remember Justice Godfrey“. The Popish Plot and the construction of panic in seventeenth-century media, in: Moral panics, the media and the law in early modern England, hrsg. v. David Lemmings / Claire Walker, Basingstoke / New York 2009, 117–138. Walker, Garthine, Rape, acquittal and culpability in popular crime reports in England, c.1670-c.1750, in: Past & Present 220 (2013), 115–142. Walker, Nigel, Crime and insanity in England (1), The historical perspective, Edinburgh 1968. Wallace, Miriam L., Revolutionary subjects in the English „jacobin“ novel, 1790–1805 (The Bucknell studies in eighteenth-century literature and culture), Cranbury 2009. Walsham, Alexandra, „This newe army of Satan“. The Jesuit mission and the formation of public opinion in Elizabethan England, in: Moral panics, the media and the law in early modern England, hrsg. v. David Lemmings / Claire Walker, Basingstoke / New York 2009, 41–62.

Quellen und Literatur

693

Walsham, Alexandra, Angels and idols in England’s long Reformation, in: Angels in the early modern world, hrsg. v. Peter Marshall / Alexandra Walsham, Cambridge 2006, 134–167. Walsham, Alexandra, Catholic Reformation in Protestant Britain (Catholic christendom, 1300–1700), Farnham 2014. Walsham, Alexandra, Church papists. Catholicism, conformity and confessional polemic in early modern England (Royal Historical Society, studies in history, 68), Woodbridge 1993. Walsham, Alexandra, Providence in early modern England, Oxford 1999. Walsham, Alexandra, Providentialism, in: The Oxford handbook of Holinshed’s chronicles, hrsg. v. Paulina Kewes / Ian W. Archer / Felicity Heal (Oxford handbooks of literature, 1), Oxford 2013, 427–442. Walsham, Alexandra, The Pope’s merchandise and the Jesuits’ trumpery. Catholic relics and Protestant polemic in post-Reformation England, in: Religion, the supernatural and visual culture in early modern Europe. An album amicorum for Charles Zika, hrsg. v. Jennifer Spinks / Dagmar Eichberger (Studies in medieval and Reformation traditions), Leiden 2015, 370–409. Ward, Leslie, The treason act of 1563. A study of the enforcement of anti-Catholic legislation, in: Parliamentary History 8 (1989), 289–308. Ward, Richard M., Print culture, crime and justice in 18th-century London (History of crime, deviance and punishment), London 2014. Waters, Timothy William, The Milosevic trial. An autopsy, Oxford 2013. Watson, Alan, Legal origins and legal change, London 1991. Watts, John Lovett, Monarchy, in: The Oxford handbook of Holinshed’s Chronicles, hrsg. v. Paulina Kewes / Ian W. Archer / Felicity Heal (Oxford handbooks of literature, 1), Oxford 2013, 375–388. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 51990. Wedgewood, Cicely W., The trial of Charles I (The shadows of the crown), London 1964. Wehler, Hans-Ulrich, Modernisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975. Weiand, Kerstin, Herrscherbilder und politische Normbildung. Die Darstellung Elisabeths I. im England des 17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 236), Göttingen 2015. Weick, Karl E., Der Prozeß des Organisierens, Frankfurt am Main 1985. Weick, Karl E., Sensemaking in organizations (Foundations for organizational science), Thousand Oaks 1995. Weil, Rachel Judith, Matthew Smith versus the ‘great men’. Plot-talk, the public sphere and the problem of credibility in the 1690s, in: The politics of the public sphere in early modern England, hrsg. v. Steven Pincus  / Peter Lake (Politics, culture and society in early modern Britain), Manchester 2007, 232–251. Weil, Rachel Judith, A plague of informers. Conspiracy and political trust in William III’s England, New Haven / London 2014.

694

Anhang

Weitin, Thomas, Recht und Literatur (Literaturwissenschaft – Theorie und Beispiele, 10), Münster 2010. Wells, Roger, Insurrection. The British experience, 1795–1803, Gloucester 1983. Wende, Peter, „Liberty“ und „Property“ in der politischen Theorie der Levellers. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des politischen Individualismus, in: Zeitschrift für Historische Forschung 1 (1974), 147–231. Weßlau, Edda, Wahrheit und Legenden. Die Debatte über den adversatorischen Strafprozess, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 11 (2014), 558–564. Westerhof, Danielle, Amputating the traitor. Healing the social body in public executions for treason in late medieval England, in: The ends of the body. Identity and community in medieval culture, hrsg. v. Suzanne Conklin Akbari / Jill Ross, Toronto 2013, 177–192. Westerhof, Danielle, Death and the noble body in medieval England, Woodbridge 2008. Westerhof, Danielle, Deconstructing identities on the scaffold. The execution of Hugh Despenser the Younger, 1326, in: Journal of Medieval History 33 (2007), 87–106. Westfall, R. S., Science and religion in 17th century England (Yale Historical Publications, Miscellany, 67), New Haven 1958. Wharam, Alan, The treason trials of 1794, Leicester 1992. Wharam, Alan, Treason. Famous English treason trials, Stroud 1995. Whatmore, Richard, Treason and despotism. The impact of the French Revolution upon Britain, in: History of European Ideas 34 (2008), 583–586. Whitaker, Antony, The regicide’s widow. Lady Alice Lisle and the bloody assize, Stroud 2006. White, Robert, The cultural impact of the massacre of St. Bartholomew’s Day, in: Early modern civil discourses, hrsg. v. Jennifer Richards (Early modern literature in history), Basingstoke / New York 2003, 183–199. Whitman, James Q., The origins of reasonable doubt. Theological roots of the criminal trial, New Haven 2008. Whittick, Christopher, The role of the criminal appeal in the fifteenth century, in: Law and social change in British history. Papers presented to the Bristol Legal History Conference, 14–17 July 1981, hrsg. v. H. G. Beale / John Alexander Guy, London 1984, 55–72. Wiener, Martin J., Reconstructing the criminal. Culture, law, and policy in England, 1830–1914, Cambridge 1990. Wiener, Martin J., The sad story of George Hall. Adultery, murder and the politics of mercy in mid-Victorian England, in: Social History 24 (1999), 174–195. Wiesenfeldt, Gerhard, Was demonstriert ein Experiment? Überlegungen zum Verhältnis von Erkenntnisgewinn und Wissensvermittlung in der Frühen Neuzeit, in: Spektakuläre Experimente. Praktiken der Evidenzproduktion im 17. Jahrhundert, hrsg. v. Helmar Schramm  / Ludger Schwarte  / Jan Lazardzig (Theatrum Scientiarum, 3), Berlin / New York 2008, 260–278. Wilkinson, David, The Pitt-Portland coalition of 1794 and the origins of the „tory“ Party, in: History 83 (1998), 249–264.

Quellen und Literatur

695

Williamson, Fiona, Space, popular politics and agency, in: Locating agency. Space, power and popular politics, hrsg. v. Fiona Williamson, Newcastle upon Tyne 2010, 1–18. Willoweit, Dietmar, Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts. Bestandsaufnahme eines europäischen Forschungsproblems (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas Symposien und Synthesen, 1), Köln 1999. Winfield, Percy Henry, History of conspiracy and abuse of legal procedure, Cambridge 1921. Winiecki, Don, The expert witnesses and courtroom discourse. Applying micro and macro forms of discourse analysis to study process and the ‘doings of doings’ for individuals and for society, in: Discourse & Society 19 (2008), 765–781. Wirth, Uwe (Hrsg.), Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2011. Wirtz, Thomas, Gerichtsverfahren. Ein dramaturgisches Modell in Trauerspielen der Frühaufklärung (Epistemata Reihe Literaturwissenschaft, 132), Würzburg 1994. Wiseman, Susan J., Martyrdom in a merchant world. Law and martyrdom in the Restoration memoirs of Elizabeth Jekyll and Mary Love, in: Literature, politics and law in renaissance England, hrsg. v. Lorna Hutson / Erica Sheen (Language, discourse, society), Basingstoke 2005, 209–235. Wittreck, Fabian, Legitimation durch Verfahren in der Rechtswissenschaft, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger  / André Krischer (Zeitschrift für historische Forschung Beihefte, 44), Berlin 2010, 65–90. Wolff, Stephan / Hermann Müller, Interaktive Aspekte der Glaubwürdigkeitskonstruktion im Strafverfahren, in: Kriminologisches Journal 27 (1995), 206–226. Wolff, Stephan / Hermann Müller, Kompetente Skepsis. Eine konversationsanalytische Untersuchung zur Glaubwürdigkeit in Strafverfahren, Opladen 1997. Wood, Andy, „A lyttull worde ys tresson“. Loyalty, denunciation, and popular politics in Tudor England, in: Journal of British Studies 48 (2009), 837–847. Worthington, Heather, Key concepts in crime fiction (Palgrave key concepts: literature), Basingstoke 2011. Woudhuysen, H. R., Sir Philip Sidney and the circulation of manuscripts, 1558–1640, Oxford 1996. Wrede, Martin, Königsmord, Tyrannentod. Wie man sich der drei Körper des Königs entledigt oder es zumindest versucht, 16.-18. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch 133 (2013), 225–254. Yetter, Leigh (Hrsg.), Public execution in England, 1573–1868, 8 Bde. London 2009. Youngs, Frederic A., Definitions of treason in an Elizabethan proclamation, in: The Historical Journal 14 (1971), 675–691. Youngs, Frederic A., The proclamations of the Tudor Queens, Cambridge [u.a.] 1976. Yuval, Amnon, Between heroism and acquittal. Henry Redhead Yorke and the inherent instability of political trials in Britain during the 1790s, in: Journal of British Studies 50 (2011), 612–638. Zagorin, Perez, Ways of lying. Dissimulation, persecution, and conformity in early modern Europe, Boston 1990.

696

Anhang

Zapf, Wolfgang, Die soziologische Theorie der Modernisierung, in: Soziale Welt 26 (1975), 212–226. Zedner, Lucia, Rezension zu Crime, Justice and Discretion in England 1740–1820, by Peter King, in: British Journal of Criminology 41 (2001), 764–766. Zook, Melinda S., Early Whig ideology, ancient constitutionalism, and the reverend Samuel Johnson, in: Journal of British Studies 32 (1993), 139–165. Zook, Melinda S., The Bloody Assizes. Whig martyrdom and memory after the Glorious Revolution, in: Albion. A quarterly journal concerned with British studies, 373–396. Zook, Melinda S., The Restoration remembered. The first Whigs and the making of their history, in: Seventeenth Century 17 (2002), 213–234. Zook, Melinda S., Violence, martyrdom, and radical politics. Rethinking the Glorious Revolution, in: Politics and the political imagination in later Stuart Britain. Essays presented to Lois Green Schwoerer, hrsg. v. Howard Nenner, Rochester / Woodbridge 1998, 75–95. Zook, Melinda S., Radical Whigs and conspiratorial politics in late Stuart England, White Oak 2010. Zürn, Michael, Regime, Regimeanalyse, in: Lexikon der Politikwissenschaft, hrsg. v. Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze, München 32005, 902. Zwierlein, Cornel / Beatrice de Graaf, Security and conspiracy in modern history, in: Historical Social Research 38 (2013), 7–45. Zwierlein, Cornel, Der gezähmte Prometheus. Feuer und Sicherheit zwischen Früher Neuzeit und Moderne (Umwelt und Gesellschaft, 3), Göttingen 2011. Zwierlein, Cornel, Discorso und lex dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 74), Göttingen 2006. Zwierlein, Cornel, Machiavellismus  / Antimachiavellismus, in: Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, hrsg. v. Herbert Jaumann, Berlin 2011, 903–952. Zwierlein, Cornel, Security politics and conspiracy theories in the emerging European state system (15th/ 16th c), in: Historical Social Research 38 (2013), 65–95.

697

Abkürzungsverzeichnis AG BM BL LCJ NPG ODNB RST SG ST

STC TNA

Attorney General The British Museum, London The British Library, London Lord Chief Justice National Portrait Gallery, London Oxford Dictionary of National Biography John MacDonell, Reports of State Trials. New Series. Published Under the Direction of the State Trials Committee, 8 Bde., London 1888–1898 Solicitor General Cobbett’s  Complete  Collection  of  State  Trials  and  Proceedings  for  High Treason and  other  Crimes  and  Misdemeanors  from  the  earliest  periodto  the  present  time (Bde. 1–21); A Complete Collection of State Trials […] with notes and other illustrations compiled by T. B. Howell (Bde. 22–33), London 1809–1826 English Short Title Catalogue The National Archives, Kew

699

Abbildungsverzeichnis Abb. 1, 5, 26, 74: google books; Abb. 2: Inner Temple Library, Misc. Ms. 188; Abb. 3: TNA KB 8/29; Abb. 4, 6, 12, 13, 14, 47, 62, 63, 64, 65, 66, 70, 71: The Thomas Fisher Rare Book Library, University of Toronto; Abb. 7, 8, 9, 11: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2 Th Pr 194a (Beibd. 3); Abb. 10: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg: 4 Th H 2830, Abb. 15: BM 1850,1109.2; Abb. 16, 17, 21, 22, 23, 24, 28, 40, 41, 42, 43, 48, 38, 72, 73: wikipedia commons; Abb. 18, 34: BL, Thomason 669.f.26[25]; STC T117003; Abb. 19: Folger Shakespeare Library, Washington, D.C., STC R5636; Abb. 20, 25: The Bodleian Libraries, The University of Oxford, Ashm. H. 24, Wood E. 25 (33); Abb. 27: BM 1872,1012.1726–1777; Abb.  30: BL, Wing C5413; Abb. 31: TNA TS 23/34; Abb. 32: TNA TS 23/34; Abb. 33: Privatbesitz; Abb. 29, 35, 53, 54, 55, 56, 57, 60, 61, 67: NPG; Abb. 36: The American Philosophical Society, Mss.B.P165; Abb. 37: TNA KB 33/5/12; Abb. 39: BM 1848,0911.748; Abb. 44: BM 1933,0815; Abb. 45: BM 1943,1211.629; Abb. 46: London Metropolitan Archives; Abb. 49: eigene Aufnahme; Abb. 50, 51: TNA TS 11/1116/5716; Abb. 52: eigene Aufnahme; Abb. 58: BM 1869,0213.100; Abb. 59: BM 1868,0808.8368; Abb. 68: The Lewis Walpole Library, Yale; Abb. 69: BM 1867,0309.777. Für alle Abbildungen aus dem British Museum gilt: © The Trustees of the British Museum; für alle Abbildungen aus der National Portrait Gallery gilt: © National Portrait Gallery, London.

701

Quantitative Auswertung der Hochverratsprozesse 1554–1848 Gezählt wurden die mit einem Urteil abgeschlossenen Prozesse. Ausgewertet wurden dazu die verschiedenen State Trials-Editionen, die Datenbanken von Old Bailey und britischem Nationalarchiv (TNA) sowie katholische ‚Märtyrer-Listen‘, die seit dem 17 Jahrhundert gepflegt wurden. Nicht berücksichtigt werden die Prozesse infolge der Aufstände von 1685, 1715 und 1746. Unterschieden wurde dabei zwischen vollstreckten Todesurteilen (1), Begnadigungen nach einem Todesurteil (2), Freisprüchen (3), Umwandlung der Todesstrafe in Deportation (4); Deportation als eigene Strafe (5). In einigen Fällen starb der Verurteilte vor der Hinrichtung (6). 1554: Sir Thomas Wyatt (1), Sir Nicholas Throckmorton (3) [insg. 2] 1559: Edward Grimston (2), Sir Ralph Chamberlain (2), John Harleston (2) [insg. 3] 1570: Thomas Norton (1), Christopher Norton (1), John Felton (1) [insg. 3] 1571: John Story (1) 1572: Robert Hickford (1), John Hall (1), Francis Rolston (1) [insg. 3] 1577: Cuthbert Mayne (1) 1578: John Nelson (1), Thomas Sherwood (1) [insg. 2] 1581: Everard Hanse (1), Edmund Campion (1), Alexander Briant (1), Ralph Sherwine (1), James Bosgrave (1), Thomas Cottam (1), Luke Kirby (1), Henry Orton / Cirtone (1), Johnson (1), Bristow (1) [insg. 10] 1582: John Paine (1), Thomas Forde (1), John Shert (1), Robert Johnson (1), William Filbie (1), Laurence Richardson alias Johnson (1), William Lacy (1), Richard Kirkeman (1), James Thompson (1) [insg. 9] 1583: William Hart (1), Richard Thirkhill (1), John Slade (1), John Bodey (1), John Somervyle (6) [insg. 5]

1584: William Carter (1), James Fenn (1), Thomas Hemerford (1), John Nutter (1), John Munden (1), James Bell (1), John Finch (1), Dr. William Parry (1), Francis Throckmorton (1), Richard White (1) [insg. 10] 1585: Hugh Taylor (1), Marmaduke Bowes (1) [insg. 2] 1586: William Shelley (2), Robert Bickerdike (1), Edward Stransham (1), Nicholas Woodfen alias Wheeler (1), Margaret Clithero (1), Richard Sergeant alias Long (1), William Thomson alias Blackburn (1), Robert Anderton (1), William Marsden (1), Francis Ingolby (1), John Sandys (1), Anthony Babington (1), Chidiock Titchburne (1), Thomas Salisbury (1), Robert Barnewell (1), John Savage (1), Henry Donn (1), John Ballard (1), Edward Abington (1), Charles Tilney (1), Edward Jones (1), John Travers (1), John Charnock (1), Jerome Bellamy (1), Robert Gage (1), John Lowe (1), John Adams (1), Richard / Robert Dibdale (1), Richard Langley (1), John Finglow / Fingley (1), Alexander Crow (1) [insg. 31]

702

Anhang

1587: Stephen Rousham (1), Thomas Pilchard (1), John Hambley (1), Robert Sutton (1), George Douglas (1) [insg. 5] 1588: Edmund Sykes (1), William Pampley (1), Nicholas Garlick (1), Robert Ludlam (1), Richard Simpson (1), William Dean (1), Henry Webley (1), William Gunter (1), Robert Morton (1), Hugh Moore (1), Thomas Holford alias Acton (1), Thomas Felton (1), Richard Leigh (1), Edward Shelley (1), Richard Martin (1), Richard Flower (1), John Roch (1), Mrs. Margaret Ward (1), William Way alias Flower (1), Robert Wilcox (1), Edward Campian (1), Christopher Buxton (1), Robert Widmerpool (1), Ralph Crokett (1), Edward James (1), John Robinson (1), William Wigges (1), William Hartley (1), John Weldon (1), Richard Williams (1), Robert Sutton (1), John Hewitt (1), Edward Burden (1) [insg. 33] 1589: John Amias (1), Robert Dalby (1), George Nicols (1), Richard Yaxley (1), Thomas Belson (1), Humphrey Prichard (1), William Spenser (1), Robert Hardesty (1) [insg. 8] 1590: Miles Gerard (1), Francis Diconson (1), Anthony Middleton (1), Edward Jones (1), Edmund Duke (1), Richard Hill (1), John Hog (1), Richard Holiday (1) [insg. 8] 1591: Christopher Bayles (1), Nicholas Horner (1), Alexander Blake (1), Robert Thorpe (1), Thomas Watkinson (1), Monford Scot (1), George Beesley (1), William Pikes (1), Matthias Harrison (1), Lawrence Humphreys (1), Roger Dicconson (1), Ralph Milner (1), Edmund Genings (1), Swithin Wells (1), Polydore Plasden (1), Eustachius White (1), Bryan Lacy (1), John Mason (1), Sydney Hodgson (1) [insg. 19]

1592: Sir John Perrott (6), William Patenson (1), Thomas Portmort (1), Robert Ashton (1), William Davies (1) 1593: Edward Waterson (1), James Bird (1), Joseph Lampton (1) [insg. 3] 1594: Dr. Roger Lopez (1), Emanuel Louis Tynoco (1), Stephen Ferrara da Gama (1), Patrick O’Cullun (1), John Speed (1), William Harrington (1), John Cornelius alias Mohun (1), Thomas Bosgrave (1), John Carey (1), Patrick Salmon (1), John Bost (1), John Ingram (1), George Swallowell (1), Edward Osbaldeston (1) [insg. 14] 1595: Robert Southwell (1), Alexander Rawlins (1), Henry Walpole (1), William Freeman alias Mason (1) [insg. 4] 1596: George Errington (1), William Knight (1), William Gibson (1), Henry Abbot (1) [insg. 4] 1597: Richard Bradshawe (1), Robert Buttun (1), William Andleby (1), Thomas Warcop (1), Edward Fulthorp (1) 1598: John Britton (1), Peter Snow (1), Ralph Grimston (1), John Jones alias Buckley (1), Christopher Robinson (1), Richard Horner (1), Valentine Thomas (1), Edward Squire (1) [insg. 8] 1599: John Lion (1), James Doudal (1) [insg. 2] 1600: Christopher Wharton (1), John Rigby (1), Robert Nutter (1), Edward Thwing (1), Thomas Sprott (1), Thomas Hunt (1), Thomas Palasor (1), John Norton (1), John Talbot (1) [insg. 9] 1601: Captain Thomas Lee (1) Sir Christopher Blount (1), Sir Charles Danvers (1), Sir John Davies (2), Gilly Meyrick (1), Henry Cuffe (1), John Pibush (1), Robert Drury (1), Mark Barkworth alias Lambert (1), Roger Filcock (1), Anne Line (1), Thurstan Hunt (1), Robert Middleton (1), Nicholas Tichburn (1), Thomas Hackshot (1), James

Quantitative Auswertung Harrison (1), Anthony Battie / Bates (1) [insg. 17] 1602: James Duckett (1), Thomas Tichburn (1), Robert Watkinson (1), Francis Page (1) [insg. 4] 1603: William Richardson alias Anderson (1), William Watson (1), William Clarke (1), Sir Griffin Markham (4), Sir Edward Parham (3), George Brooke (1), Bartholomew Brookesby (2), Anthony Copley (2) [insg. 8] 1604: Sohn Sugar (1), Robert Grissold / Greswold (1), Laurence Baily (1) [insg. 3] 1605: Thomas Welbourne (1), John Fulthering (1), William Brown (1) 1606: Robert Winter (1), Thomas Winter (1), Guy Fawkes (1), John Grant (1), Ambrose Rookwood (1), Robert Keyes (1), Thomas Bates (1), Sir Everard Digby (1), Henry Garnet (1), Edward Oldcorne (1), Ralph Ashley (1) [insg. 11] 1608: Matthew Flathers (1), George Gervaise (1), Thomas Garnet (1) 1610: Roger Cadwallador (1), George Nappier (1), John Roberts (1), Thomas Somers alias Wilson (1) [insg. 4] 1612: William Scot (1), Richard Newport alias Smith (1), James Mawson (1), John Almond alias Lathom (1) [insg. 4] 1615: Edmund Peacham (6), John Owen alias Collins (1) [insg. 3] 1616: Thomas Atkinson (1), John Thulis (1), Roger Wrenno (1), Thomas Maxfield (1), Thomas Tunstal alias Helmes (1) 1618: Sir Walter Raleigh (1), William Southerne (1) [insg. 2] 1619: John Williams (1) c. 1620: Thomas Dyer (1) 1628: Edmund Arrowsmith (1), Richard Herst (1), Thomas Bensted (1) [insg. 3] 1640: Thomas Bensted (1) 1641: William Ward alias Webster (1), Edward Barlow (1) [insg. 2]

703

1642: Thomas Reynolds alias Green (1), Bartholomew Roe (1), John Lockwood alias Lassels (1), Edmund Catherick (1), Wilks alias Tomson (6), Edward Morgan alias Singleton (1), Hugh Green alias F. Brooks (1), Thomas Bullaker (1), Thomas Holland (1)[insg. 9] 1643: Henry Heath (1), Arthur Bell (1) [insg. 2] 1644: John Duckett (1), Ralph Corby (1) [insg. 2] 1645: Henry Morse (1) 1646: Philip Powel alias Morgan (1), Edward Bamber / Reding (1), John Woodock alias Faringdon (1), Thomas Whitaker (1) [insg. 4] 1649: John Lilburne (3) John Morris (1) 1650: Benedict / Robert Cox (6) 1651: Peter Wright (1), Christopher Love (1), John Gibbons (1) 1654: John Southworth (1), John Gerhard (1), Peter Vowell (1), Somerset Fox (4) 1655: Colonel John Penruddock (1) 1657: Miles Sindercome alias Fish (6) 1658: Sir Henry Slingsby (1), Dr. John Hewet (1), John Mordant (1) 1660: Thomas Harrison (1), John Okey (1), Adrian Scroope (1), John Barkstead (1), Miles Corbet (1), John Jones Maesygarnedd (1), Gregory Clement (1), Thomas Scot (1), John Carew (1), Vincent Potter (6), Simon Mayne (6), Sir Hardress Waller (2) Henry Smith (2), Peter Temple (2), Augustine Garland (2), Sir Robert Tichborne (2), Owen Rowe (2), Gilbert Millington (2), Robert Lilburne (2), William Heveningham (2), Henry Marten (2), James Temple (2), George Fleetwood (2), Thomas Wogan (2), John Downes (2), Thomas Waite (2), Isaac Pennington (2), Robert Wallop (2), Sir Richard Ingoldsby (2) [insg. 29] 1661: John James (1)

704

Anhang

1662: Sir Henry Vane the Younger (1), Thomas Tonge (1), George Phillips (1), Francis Stubbs (1), James Hind (1), John Sellers (1), Nathaniel Gibbs (1) [insg. 7] 1666: Sir John Towers (4) 1668: Peter Messenger (1) 1678: William Staley (1), Edward Coleman (1) [insg. 2] 1679: William / John Plessington (1), Philip Evans (1), John Lloyd (1), Nicholas Postgate (1), Charles Mahony (1), John Kemble (1), John Wall alias Francis Johnson (1), Charles Baker alias David Lewis (1), William Ireland (1), Thomas Pickering (1), John Glove (1), David Lewis (1), Thomas White alias Whitebread (1), John Fenwick (1), William Harcourt (1), John Gavan alias Gawen (1), Anthony Turner (1), Richard Langhorne (1), Sir George Wakeman (3), William Marshal (3), William Rumley (3), James Corker (3), Charles Kerne (2), Andrew Brommich (2), William Atkins (6), Francis Johnson (1) [insg. 26] 1680: Thomas Thwing (1), Mary Pressicks (3) Lionel Anderson alias Munson (1), William Russel alias Napper (1), Charles Parris alias Parry (1), Henry Starkey (1), James Corker (2), William Marshal (1), Alexander Lumsden (3), Sir Thomas Gascoigne (3), Elisabeth Cellier (3), Roger Earl of Castlemaine (3) [insg. 12] 1681: Edward Fitzharris (1), Dr. Oliver Plunket (1), Sir Miles Stapleton (3), George Busby (1), William Lord Howard (2), William Hetherington (2), Stephen Colledge (1), William Atkins (6), Richard Lacy (6) [insg. 9] 1683: Captain Thomas Walcot (1), William Lord Russel (1), John Rouse (1), William Hone (1), William Blague (3), Algernon Sidney (1), James Holloway (1), Sir Thomas Armstrong (1), Edward Grove (2) [insg. 9]

1684: Thomas Rosewell (2), Joseph Hayes (3) [insg. 2] 1685: Lady Alice Lisle (1), John Fernley (2), William Ring (2), Elisabeth Gaunt (1), Henry Cornish (1), William Dinsey (1), John Harris (3), Charles Bateman (1), John Hambden (2) [insg. 9] 1686: Richard Alborrow (1), Oliver Hawley (1), John Cordon (1) [insg. 3] 1690: Matthew Crone (1) 1691: John Ashton (1), Edmund Elliot (1), Richard Graham (1) [insg. 3] 1693: Ann Merryweather (2), William Anderton (1), William Newbolt (1), Edward Butler (1) [insg. 3] 1694: James Nayland (3) 1696: Robert Charnock (1), Edward King (1), Thomas Keyes (1), Sir William Parkyns (1), Ambrose Rookwood (1), Charles Cranburnee (1), Robert Lowick (1), Peter Cook (2), Alexander Knightley (2), Captain Thomas Vaughan (1), Sir John Fenwick (1), Thomas Pike (1) [insg. 12] 1698: James Butler (1), John Gray (3), William Tailor (3), Andrew Howel (3), Henry de Gady de Bussy (3) [insg. 5] 1704: James Boucher (1), David Lindsay (2) [insg. 2] 1708: William Gregg (1) 1710: Daniel Damaree (2), Francis Willis (3), George Purchase (2) [insg. 3] 1716: William Pitts (3) 1717: Francis Francia (3) 1719: John Matthews (1) 1722: Christopher Layer (1) 1758: Florence Hensey (1) 1781: Lord George Gordon (3), François Henri de la Motte (1) [insg. 2] 1782: David Tyrie (1) 1790: John Frith (lebenslange Einweisung in das Bethlem Royal Hospital) 1794: Thomas Hardy (3), John Thelwall (3), John Horne Tooke (3) [insg. 3]

Quantitative Auswertung

705

1796: Robert Thomas Crossfield (3), William Stone (3) [insg. 2] 1798: James O’Coigley / Quigley (1), Arthur O’Connor (3), John Binns (3), John Allen (3), Jeremiah Leary (3) [insg. 5] 1800: James Hadfield (lebenslange Einweisung in das Bethlem Royal Hospital) 1803: Edward Marcus Despard (1), John

William Turner (1), Isaac Ludlam (1), George Weightman (2) [insg. 8] 1820: Arthur Thistlewood (1), James Ings (1), John Thomas Brunt (1), William Davidson (1), Richard Tidd (1), James William Wilson (3), John Harrison (4), Richard Bradburn (4), John Shaw Strange (4), James Gilchrist (4) [insg. 10]

Wood (1), Thomas Broughton (1), John Francis (1), James Sedgwick Wratten (1), Arthur Graham (1), John Macnamara (1) [insg. 7] 1812: William Condell (1), John Smith (1) 1817: James Watson (3), Arthur Thistlewood (3), Thomas Presston (3), John Hooper (3), Jeremiah Brandreth alias John Coke (1),

1832: Dennis Collins (4) 1839: John Frost (4), William Jones (4), Zephaniah Williams (4) [insg. 3] 1842: John Francis (4) 1848: Joseph Ritchie (5), William Dowling (5), William Cuffey (5), Thomas Fay (5), William Lacy (5), George Bridge Mullins (5) [insg. 6]

706

Anhang 35

30

25

20

15

10

5

0

Begnadigungen nach Todesurteil Freispruch

Todesurteile, Begnadigungen und Freisprüche 1554–1849

vollstrecktes Todesurteil

1554 1559 1564 1569 1574 1579 1584 1589 1594 1599 1604 1609 1614 1619 1624 1629 1634 1639 1644 1649 1654 1659 1664 1669 1674 1679 1684 1689 1694 1699 1704 1709 1714 1719 1724 1729 1734 1739 1744 1749 1754 1759 1764 1769 1774 1779 1784 1789 1794 1799 1804 1809 1814 1819 1824 1829 1834 1839 1844 1849

Quantitative Auswertung

AUFTEILUNG DER 515 URTEILE Deportation: 6 Todesstrafe umgewandelt in Deportation: 12

Tod vor Vollstreckung: 11

Freispruch: 41

Begnadigung nach Todesurteil: 40

vollstrecktes Todesurteil: 405

707

Anhang

708

1554–1659

vollstrecktes Todesurteil: 295

Freispruch: 3

Begnadigung nach Todesurteil: 7

Todesstrafe umgewandelt in Deportation: 2

Tod vor Vollstreckung: 5

vollstrecktes Todesurteil: 89

1660–1779

Tod vor Vollstreckung: 6

Todesstrafe umgewandelt in Deportation: 1 Freispruch: 21

Begnadigung nach Todesurteil: 34

Begnadigung nach Todesurteil: 5

vollstrecktes Todesurteil: 20

Freispruch: 2

UNTER ELIZABETH I.

vollstrecktes Todesurteil: 222

1780–1848 Deportation: 6

Todesstrafe umgewandelt in Deportation: 9

Freispruch: 17

Begnadigung nach Todesurteil: 1

709

Danksagung Das Buch ist hervorgegangen aus einer Arbeit, die im Wintersemester 2015/16 vom Fachbereich Geschichte/Philosophie der WWU Münster als Habilitationsschrift angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet wurde. Ich möchte daher zunächst der Gutachterin und den Gutachtern  – Barbara Stollberg-Rilinger (Münster), Thomas Großbölting (Münster), Andreas Pečar (Halle-Wittenberg) und Willibald Steinmetz (Bielefeld) – sehr herzlich für Ihre Kommentare und Hinweise danken. Barbara Stollberg-Rilinger hat mir in ihrem DFG-Leibnizprojekt „Vormoderne Verfahren“ (2005–2013) alle erdenklichen Freiheiten und jede nur mögliche Unterstützung gewährt, um dieses Buch zu entwickeln und zum Abschluss zu bringen. Ich kann mir keine bessere akademische Lehrerin vorstellen. Danken möchte ich auch den Kollegen im Leibnizprojekt – Matthias Köhler, Andreas Kalipke, Maria von Löwenich, Thomas Dorfner und Simon Reuter –, mit denen ich einige schöne Jahre gemeinsam über verfahrensgeschichtliche Fragen und Probleme nachdenken und diskutieren konnte. Abgeschlossen wurde diese Arbeit im inspirierenden Kontext des SFB 1150 „Kulturen des Entscheidens“, hier möchte ich vor allem Philip Hoffmann-Rehnitz, Matthias Pohlig, Rolf Ahmann, Peter Oestmann, Ulrich Pfister, Jan Keupp, Tilman Haug, Michael Sikora, Benedikt Nientied, Matthias Friedmann und Alexander Durben danken. Ein sehr herzlicher Dank geht auch an die Kolleginnen und Kollegen im Exzellenzcluster 212 „Religion und Politik“ und am Historischen Seminar der WWU, hier vor allem Iris Fleßenkämper, Johannes Hahn, Michael Grünbart, Werner Freitag, Martin Kintzinger, Brigitte König und Barbara Groß. Vorstellen und diskutieren durfte ich meine Überlegungen in den Kolloquien von Andreas Suter (Bielefeld), Stefan Brakensiek (Essen-Duisburg), Gerd Schwerhoff (Dresden), Ronald G. Asch (Freiburg) und Horst Carl (Gießen), wofür ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. Sehr profitiert habe ich auch vom Austausch mit Karl Härter (Frankfurt a.M./Darmstadt) über Probleme und Methoden bei der Erforschung politischer Delinquenz, nicht zuletzt auf verschiedenen Tagungen zu diesem Thema. Über die Eigenheiten der deutschen und britischen Geschichtsforschung habe ich mit Jan Hennings (Budapest) bei Wanderungen in den Oxforder Wiesen nachgedacht. Direkte und nicht selten unermüdliche Unterstützung bei Recherchen, redaktionellen Arbeiten und technischen Problemen habe ich von den Studentischen Hilfskräften erfahren, die über die Jahre in ‚der Hittorfstraße 17‘, dem Sitz des Leibnizprojekts, gearbeitet haben. Danken möchte ich dafür Sarah Henning, Jennifer Ehrlich, Marcus Rosenfeld, Jenny Johne, Hannah Scherz, Miklas Böhmer, Julia Möhlmann, Laura Günther und Christian Froese.

710

Anhang

Nichts aber wäre ohne Familie und Freunde gegangen. Eltern und Schwiegereltern – Cäcilia und Heinz Krischer, Hans und Christel Münninghoff – haben es in selbstloser Weise überhaupt erst möglich gemacht, dass ich trotz väterlicher Pflichten die nötige Ruhe am Schreibtisch finden konnte. Moralische und freundschaftliche Unterstützung erhielt ich von Marina Filipović und Dirk Lipski, von Malte Zierenberg, Peter Hesse und Christof Blome. Meine Kinder, Sarah und Moritz, mussten zwar häufig auf mich verzichten, haben mir aber glücklicherweise auch immer wieder energisch klargemacht, was im Erwachsenenleben sonst noch wichtig ist. Meine Frau Stefanie war jeden Tag mit Liebe, Rat und Tat an meiner Seite. Ohne sie gäbe es dieses Buch nicht. Deshalb ist es auch für sie. Münster, Ostern 2017

André Krischer

711

Personenregister Abbott, Charles 590 Abington, Edward 173, 181–185, 701 Ackermann, Rudolph 475f. Adair, James 559 Adam, William 562 Aleyn, Sir Thomas 231 Alfield, Thomas 124, 126f., 129, 148, 157, 165, 170, 172 Allen, John 569, 705 Allen, William 99f.,110f., 130f., 137f., 142, 148f., 157f., 170, 172 Alymer, John 142 Anderson, Sir Edmund 113–117, 120, 185, 254 Anderton, Robert 142, 701 Andrews, Sir Thomas 196 Ap Gruffydd, David 87 Archbold, John Fredrick 468 Arlinghaus, Franz-Josef 28, 49 Armstrong, Sir Thomas 325, 532, 704 Askew, Anne 449, 489, 493 Atkyns, Sir Robert 350, 354 Atterbury, Francis 384f., 396, 416, 420 Axtell, Daniel 229, 234, 272 Babington, Anthony 157, 173–177, 181, 183–186, 191, 701 Bacon, Francis 134–135, 162, 188, 215, 242f., 246, 290 Baker, Sir John H. 40 Baker, John 269f. Balguy, John 590 Ballard, John 173, 175f., 180–186, 701 Bambino, Paolo 114 Bamford, Samuel 544, 550 Barker, Christopher 131 Barkley, Sir George 379

Barnewell, Robert 173, 701 Batt, John Thomas 489, 491, 494 Bayley, Sir John, 1st Baronet 473, 545–548 Bearcroft, Edward 443 Beattie, John M. 425f., 435 Beccaria, Cesare 574 Becker, Peter 487, 501 Bedingfield, Thomas 283 Bedloe, William 287f., 295f., 300f., 310, 322 Bell, James 142, 701 Bellamy, Jerome 173, 701 Bellamy, John 26 Bellasis, John, 1st Baron 282 Bentham, Jeremy 479, 541 Biener, Friedrich August 469 Binns, John 569, 571, 705 Blackstone, Sir William 54, 434f., 438 Boatman, ein Diener Edward Colemans 296 Bodkin, Taylor 211 Bolton, George 463 Bosgrave, James 111, 122, 147, 701 Bourdieu, Pierre 3, 29 Boyd, William, 4th Earl of Kilmarnock 4 Boyle, Robert 243–246, 248–251, 261, 275, 605 Bradley, John 269, 274 Bradshaw, John 195 Braganza, Katharina Henrietta von 290 Brandreth, Jeremiah 563, 577, 705 Breivik, Anders 366f. Briant, Alexander 93–95, 111, 122, 126, 129, 147, 150, 156, 161, 701 Bridgeman, Sir Orlando, 1st Baronet of Great Lever 229, 236, 267f., 273, 303

712

Anhang

Bridgewater, John 147 Bromley, Sir Thomas 43, 51, 64, 80f. Brückweh, Kerstin 28 Brunt, John Thomas 580, 705 Burdett, Thomas 72 Burke, Edmund 450, 534, 536 Burnet, Gilbert 307, 314, 316, 322f., 343, 347 Burridge, John Doble 563 Camden, William 167, 175 Camm, Bede, 115 Campbell, Sir John 454, 581, 586 Campion, Edmund, S.J. 13, 34, 67, 93, 95f., 101, 104, 106–129, 131–133, 140f., 143–145, 147–149, 156f., 161, 165, 175, 177f., 180, 187, 189, 193, 232, 254, 341, 355, 362, 606, 701 Canning, Elizabeth 430 Carew, John 229, 703 Carleton, George 167 Caroline von BraunschweigWolfenbüttel, Königin von Großbritannien, Irland und Hannover 519 Carr, Sir Robert 263f. Carteret, John 398 Cavalieri, Giovanni Battista de 155f. Chamberlain, William 489–491, 493 Charke, William 106–108 Charnock, John 173, 701 Charnock, Robert 363–365, 376–378, 384, 405, 704 Cecil, William, 1st Baron Burghley 97f., 103, 158–161, 163, 165f., 172, 174, 176, 188f. Cellier, Elisabeth 278, 704 Certeau, Michel de 549 Chitty, Joseph d. Ä. 468f. Cholmeley, Sir Roger 44 Clarges, Sir Thomas 357 Clark, William 487, 501 Clarke, William 259, 261, 703 Clements, Gregory 229

Cobbett, William 33f. Cobham, Sir Henry 147 Coke, Sir Edward 12f., 66, 85–86, 104, 188, 201, 215–216, 222f., 246, 290, 313, 353, 375, 389, 406, 438, 468, 497, 558, 583, 593 Coleman, Edward 282–303, 305–307, 309–311, 314, 316f., 322f., 332f., 355, 362, 383, 415, 611, 704 Colledge, Stephen 342, 357, 704 Como, Tolomeo di 166, 168 Conyers, John 369 Cook, John 229 Cook, Peter 405, 413, 704 Cooper, Anthony Ashley, 1st Earl of Shaftesbury 231, 360 Copley, John Singleton 518f., 521 Cornish, Henry 325, 327–329, 332, 340–343, 350f., 353, 356f., 405, 407, 704 Cottam, Thomas 111, 701 Cottu, Charles 523f., 553 Coytmore, Robert 240, 259 Crabb, George 7 Cranburne, Charles 364f., 383, 413, 704 Croftes, Sir James 63 Crompton, Richard 187 Cromwell, Oliver 197f., 205f., 269 Cruikshanks, Isaac 456 Davies, William 140, 143, 702 Davis, Michael T. 10, 24, 538f., 545, 549 Defoe, Daniel 437, 541 Delafaye, Charles 411 Denman, Thomas 585, 590 Descartes, René 247f. Despard, Edward Marcus 18, 484, 520, 572–577, 705 Dickens, Charles 487, 564 Diccinson, Roger 138 Donn, Henry 173, 701 Donovan, Joseph Wesley 518 Douglas, Neil 539

Personenregister

Downie, David 555 Doyley, Hadley 401 Dudley, John, 1st Duke of Northumberland 39 Dülmen, Richard van 84 Dundas, Henry 531 Dyer, George 563 Dyer, Sir James 44 Edward I., König von England 71, 178 Edward II., König von England 88 Edward III., König von England 14, 16, 110, 159, 183 Edward IV., König von England 72 Edward VI., König von England 38 Edwards, George 453 Egan, Pierce 578 Egerton, Thomas 104, 113, 132, 181 Elisabeth I., Königin von England 14, 17, 20, 37, 39, 93, 97–100, 102, 112, 132, 138, 144, 156, 158, 161f., 164, 166f., 173f., 183, 188, 278 Elphinstone, Arthur, 6th Lord of Balmerino 4 Elyot, George 119 Emerson, Ralph 106 Emich, Birgit 289 Emlyn, Sollom 33, 438 Englefield, Sir Francis 44 Epstein, James 10, 24, 511, 538ff., 545, 549, 589 Erskine, Henry 537 Erskine, Thomas, 1st Baron Erskine 443, 504–511, 513f., 518, 520, 526, 532–537, 540, 546, 550–553, 557–560 Evelyn, John 256, 324, 347 Eyre, Sir James 412, 422, 558 Fawkes, Guy 16, 703 Felton, Thomas 118, 702 Fenn, James 136, 701 Fenwick, John 283, 308–311, 572, 704 Feuerbach, Anselm von 48

713

Fielding, Henry 430 Filby, William 111 Filmer, Robert 339 Finch, Heneage, 1st Earl of Nottingham 229, 240f., 263f., 280 Finch, John 140, 701 Fitzgerald, James Fitzmaurice 530 Fitzharris, Edward 325, 344, 351, 704 Fitzherbert, Thomas 115 Fleetwood, George 229, 703 Fleetwood, William 142 Fleming, Sir Thomas 141 Ford, Thomas 111, 131f., 134, 701 Fortescue, Sir John 47f., 59, 62, 90, 118, 156f., 189, 393, 560 Foster, Edward 229 Foster, Sir Michael 446, 454 Foucault, Michel 6, 8, 18, 26, 84f., 87, 89, 486, 526, 566 Foxe, John 37, 156 Fraser, Simon, 11th Lord Lovat 4 Fraser, Sir Simon 88 Friend, Sir John 364 Frith, John 526–530, 704 Froissart, Jean 406 Frost, John 453–455, 484f., 498–500, 540, 580–582, 584–587, 593, 596f., 705 Gage, Robert 173, 701 Galen, Christoph Bernhard von 15 Garrett, Jane 366 Garrow, Sir William 503–505, 511–514, 527–529, 537, 546, 550, 552, 559 Gascoigne, Sir Thomas 253, 704 Gascoyne, Sir Crisp 430 Gatrell, V. A. C. 574 Gavan, John, S.J. 308, 355 Gennings, Edmund 141 Georg I., König von England und Irland 384f. Georg II., König von England und Irland 452 Georg III., König von England und Irland 526, 539, 575

714

Anhang

Gerrald, Joseph 537–539, 551 Gervase, George 142 Gibbons, John 147, 703 Gibbs, Nathaniel 270, 303, 704 Gibbs, Sir Vicary 560 Giffard, Hardinge Stanley, 1st Earl of Halsbury 34 Gilbert, Sir Jeffrey 431 Gillray, James 507 Glanvill, Joseph 247f., 250 Godfrey, Sir Edmund Berry 281–283, 287 Godwin, William 505, 535–537, 551 Goffman, Erving 52, 262 Gordon, George, Lord 13, 23, 443–449, 454, 457, 459–461, 467, 469f., 505, 507, 509f., 541, 544, 551, 559, 704 Gregor XIII., Papst 101, 166 Grey, Henry, 1st Duke of Suffolk 39 Grey, Lady Jane, verh. Dudley 38f., 88–90 Griffin, Edward 44 Grose, Nash 489, 491, 493 Grove, John 281, 298, 308–311, 313–315, 318 Grunwald, Henning 29 Guise, Henri I. de Lorraine, duc de 156, 162f. Gurney, Joseph 462, 561 Habermas, Rebekka 28f., 418 Hacker, Francis 229 Hacket, Sir James 375 Hadfield, James 526, 705 Hague, Thomas 512f. Hale, Sir Matthew 12f., 235f., 246–248, 251, 406, 438, 468, 583 Hall, Virtue 430 Hamilton, Alexander 562 Hammond, John 132 Hanmer, Meredith 106 Harcourt, Richard 392, 413f. Harcourt, William 308, 314, 704 Hardy, Thomas 449–451, 457, 498, 510, 520f., 539, 543, 551, 556–561, 571f., 704

Hare, Sir Nicholas 44, 51 Hargrave, Francis 33, 175, 437 Harris, George 378f., 381–383 Harris, Richard 515f. Harrison, Thomas 229, 234, 237–240, 258–262, 264–268, 296 Harrison, William 449, 490f., 494 Hart, John 93 Hartley, William 188, 702 Harvey, Edmund 229 Harvey, Maria 489, 491, 493 Hawkins, Sir William 12, 56, 428, 438 Hawles, Sir John 325, 328, 330, 350, 352, 354, 356f., 362, 369, 371, 380, 382, 572 Hay, Douglas 8f., 433, 435 Hay, William 506f. Haydock, George 136, 138 Hearne, Thomas 123f., 127 Heath, Douglas Denon 200, 215, 528f. Heinrich III., König von Frankreich 147, 158 Heinrich VII., König von England 179 Heinrich VIII., König von England 14, 39, 53, 60, 89 Hemerford, Thomas 136, 701 Hensey, Florence 23, 423, 488, 704 Herbert, William, 1st Marquess of Powis 282 Hett, Benjamin Carter 28 Hewlett, William 229 Hide, William 229 Hill, William 31, 269, 273 Hind, James 270, 303, 704 Hobbes, Thomas 216, 246–248, 361 Hofstadter, Richard 98f., 180 Hogarth, William 463 Holcroft, Thomas 447, 450 Holinshed, Raphael 37f., 50, 52, 56, 59, 62, 66 Hollar, Wenzeslaus 194, 474 Holloway, James 532, 704 Holt, Sir John 367 Hompesch, Ferdinand von 513

Personenregister

Hone, William 332, 347, 538, 549, 556, 704 Hooper, John 521–523, 705 Hopton, Sir Owen 93f. Hostettler, John 503, 506 Howard, Philip, 20th Earl of Arundel 109 Howard, Thomas, 4th Duke of Norfolk 12, 82, 97, 111, 114, 180, 187 Howard, William, 1st Viscount Stafford 282, 704 Howard, William, Baron of Escrick 327 Howell, Thomas Bayly 33f. Hungerford, John 233, 384, 386–392, 401f., 404–409, 412–414, 420, 507, 513, 552, 597 Hunt, Henry 64, 452, 455, 457f., 473, 543–553 Hyde, Edward, 1st Earl of Clarendon 208 Ireland, William, S.J. 283, 308, 312, 355, 704 Jackson, William 429, 555, 559 Jakob I., König von England und Irland (Jakob VI. von Schottland) 162, 188 Jakob II., König von England, Schottland und Irland 329, 363, 384 James, William 449, 489f., 494 Jaureguy, Jean 98 Jeffrey, Sir John 105 Jeffreys, Sir George 289, 307, 328, 330, 339, 360, 362, 407, 613 Jermyn, Philip 196, 199, 203f., 214f., 218, 223, 225 Jessop, William 240, 265 Johnson, Robert 111, 132, 147, 701 Jones, Edward 173, 701 Jones, John 229, 703 Jones, Sir William 285 Karl I., König von England, Schottland und Irland 15, 21, 48, 193, 195, 197,

715

221, 228f., 231f., 258f., 265, 267, 341, 445, 613 Karl II., König von England, Schottland und Irland 22, 225, 234, 269, 277–279, 281f., 284f., 290, 297, 308, 310, 325–327, 329, 332, 337, 358 Kay, Steven 1 Keble, Richard 196, 199, 202–205, 212–214, 217–219, 222f., 225f. Keeling, Josiah 326f. Kelsey, Sean 195 Kelyng, Sir John 229, 234, 290, 337 Kenyon, John 316 Kenyon, Lloyd, 1st Baron Kenyon 443, 506f., 559 Ketelby, Abel 384, 387, 389–392, 402–406, 408f. Keyes, Thomas 364, 704 Kieserling, André 482 Kilroy, Gerard 112, 118 King, Edward 364, 704 King, Peter 435f. Kingsmell, Sir William 125 Kirby, Luke 111, 117, 120, 132, 701 Kirk, Stephen 261, 265f., 268 Kirkman, Richard 139–141, 701 Knightley, Alexander 413, 704 Knowles, Sir Francis 126 Koselleck, Reinhart 290 Krämer, Sybille 462 La Piere, James 448f., 490f. Lachaise, Père (François d’Aix de la Chaise) 283–285, 292, 296f., 299f. Langbein, John H. 7, 8, 12, 27, 54, 83, 361, 427f. Lake, Peter 26 la Motte, François Henri de 449, 704 Latour, Bruno 69 Laud, William, Erzbischof 15, 21, 193, 195 Law, Edward, 1st Earl of Ellenborough 520, 556, 573, 575 Layer, Christopher 22f., 384–398, 400–404, 406, 409–416, 418–424,

716

Anhang

440, 443, 469–471, 480, 488, 507, 522, 570, 587, 597, 611, 704 Leake, Thomas 164 Leary, Jeremiah 569, 705 Lemmings, David 417f. L’Estrange, Sir Roger 283, 314, 323f., 345 Lewis, Daniel 132 Lilburne, John 13, 21, 38, 64, 193–228, 230, 232, 237, 267, 269, 272f., 275, 330, 339–341, 343, 362, 386, 440, 471, 480, 497, 523, 538, 549, 553, 606, 703 Lilburne, Robert 218, 703 Lippestad, Geir 366f. Lischka, Kurt 531 Locke, John 211, 243f., 247, 252, 325, 361, 431, 534 Löw, Martina 70 Lowick, Robert 364f., 383, 413, 704 Love, Christopher 225f., 703 Lloyd, Thomas 549 Ludwig XIV., König von Frankreich 278, 283, 297, 358 Luhmann, Niklas 2f., 19, 257, 370, 429, 466, 599, 603 Luther, Martin 216 Luttrell, Narcissus 314, 322, 343, 345 Lyotard, Jean-François 552 Lynch, Stephen 385, 395–398, 402–404, 406–408, 410, 421 Macdonald, Sir Archibald 527, 533 Macnally, Leonard 555 Maitland, James, 8th Earl of Lauderdale 559 Mallet, Thomas 229 Mansfield, Sir James 270, 443, 445, 461 Manwood, Sir Roger 105 Maria I., Königin von England 337 Maria Stuart, Königin von Schottland 97, 157, 162, 164, 166, 173–175, 177, 181, 186, 613 Marsden, William 142, 701 Marten, Sir Henry 229, 703

Martin, Richard 133f., 702 Martschukat, Jürgen 574 Mason, Elizabeth 385, 398–400, 411f., 421 Masterson, George 240, 258f., 261, 268, 271 May, Allyson N. 504 May, Richard 1 Maynard, Sir John 270f. Mayne, Cuthbert 96, 103–105, 110, 113, 125, 701 McKenzie, Andrea 26 Mendoza, Bernadino de 163 Milington, Gilbert 229, 703 Milošević, Slobodan 1f., 609 Milton, Anthony 329, 534 Mittermaier, Carl Joseph 35, 48, 464, 470, 477, 480, 503, 557, 563 Modena, Maria von 283f., 325 Monck, George, 1st Duke of Albemarle 259 Montagu, Basil 575 Montagu, Sir Charles 358 Morgan, Thomas 173 Morice, Sir William 231, 270 Morrice, Roger 343, 347 Morris, John 489, 491 Morton, Nicholas 111f. Mulcahy, Linda 477, 481 Müller, Hermann 432, 464 Müller, Philipp 28 Muir, Thomas 537–539 Munday, Anthony 100f., 119, 121, 127–131, 134, 136f., 188 Munden, John 136, 701 Muralt, Béat Louis de 436 Napoleon I., Kaiser der Franzosen 5, 16, 451f., 456, 576 Nenner, Howard 329 Neuheiser, Jörg 573 Neville, Edmund 166–168 Neville, Sir Edward 373 Newton, Richard 541–543

Personenregister

Nichols, Sir Edmund 219 Nichols, Sir Edward 231 Niehaus, Michael 274, 516 Norris, Sir John 98 Norris, James 458 North, Francis, 1st Baron Guilford 246, 289, 313, 342 North, Frederick, 2nd Earl of Guilford 527 North, William, 6th Baron North and 2nd Baron Grey 385, 398, 408, 420 Norton, Thomas 97f., 102, 108, 116, 141, 148, 150, 160–165 Nutley, James 240, 268 Nutter, John 136, 701 Oates, Titus 278–288, 291–295, 297–302, 306, 309–311, 320, 322, 327, 355, 357, 379, 398 O’Brien, William Smith 455, 530, 595f., 598, 600 O’Coigly, James 485, 567–576, 705 O’Connell, Daniel 457, 542, 591–596, 599f. O’Connor, Arthur 556, 569f., 705 O’Connor, Feargus 549 Ortmann, Alexandra 30 Orton, Henry 111, 701 Osborne, Thomas, Earl of Danby 280f., 299 Overton, Richard 196, 209 Paine, Sarah 313 Paine, Thomas 456, 505, 510, 530–536, 551, 553 Page, Jonathan 489, 493f. Palmer, Geoffrey 229 Palmer, Roger, 1st Earl of Castlemaine 323 Palmer, Thomas 537 Paris, Rainer 2, 551 Parker, Henry 225 Parkyns, Sir William 364, 704 Parr, Katherine 38

717

Parry, William 157, 165–171, 174–176, 181, 187, 189, 198, 701 Parsons, Robert, S.J. 93f., 106f., 111f., 147, 150 Patterson, Annabel 329 Pawlet, Robert 284f. Peel, Sir Robert 592 Pemberton, Sir Francis 299, 333–338 Pengelly, Sir Thomas 386f., 395–397, 404, 408, 413 Penington, Isaac 229, 703 Pepys, Samuel 231 Peters, Hugh 229, 234, 239, 272 Petre, William, 4th Baron Petre 282 Philipp II., König von Spanien 2, 39, 108 Phillips, George 270, 303, 704 Phillips, Thomas Jones 499f. Phillips, Sir Richard 561 Phipps, Sir Constantine Henry 364– 366, 368, 373–375, 378f., 381f., 387 Phipps, Constantine, 1. Marquess of Normanby 591 Pickering, Thomas 281, 298, 308–311, 313f., 318, 704 Pigott, Charles 536 Pitt, William d.J. 451, 561f., 566, 569, 599 Pius V., Papst 101, 117 Plasden, Polydore 138f., 142, 702 Plowden, Edmund 121, 350 Plumer, Sir Thomas Plunkett, Matthew James 385, 395–397, 399, 406, 408, 410, 418 Pocock, John 64, 216 Pole, William de la, 1st Duke of Suffolk 4 Pollen, John Hungerford, S.J. 177 Pollexfen, Sir Henry 330f., 334 Pollock, Frederick 500, 581f., 586 Popham, Sir John 104f., 113, 132, 181 Porter, George 375–381 Portmann, Sir William 44 Powelett, George 138 Powys, John 390, 422

718

Anhang

Pratt, Sir John 387–389, 391–394, 400, 402, 408, 412–415, 422, 597 Preston, Thomas 455, 521–523 Prideaux, Sir Edmund 202, 205, 210, 220, 225 Prince, Thomas 209 Puckering, Sir John 181, 183 Pulton, Ferdinando 40, 54f., 61, 74, 438 Questier, Michael 26 Raleigh, Sir Walter 12, 138f., 703 Raymond, Robert 391–393, 396f., 400f., 417 Reeves, John 7 Reinhard, Wolfgang 97 Revett, John 569f. Reynolds, Sir Joshua 509, 511 Rezneck, Samuel 361, 364 Richards, Sir Richard 589f. Richardson, Lawrence 111, 701 Riggs, Edward 269, 273f. Rippinghall, Henry 385 Roberts, John 141, 703 Romilly, Samuel 575 Rookwood, Ambrose (Pulverfassverschwörer) 364, 703 Rookwood, Ambrose (Jakobit) 22, 364f., 371, 378–384, 413, 440, 704 Rouse, John 347, 704 Rudé, George 573 Rumbold, Richard 327 Rumsey, John 327, 330, 332, 336, 341f., 350 Rüttimann, Johann Jacob 35, 465f., 470, 480, 482, 587 Rushton, Edward 111 Russell, Lady Rachel 335 Russell, John, Lord 591 Russell, William, Lord 13, 325, 327f., 341f., 344–347, 350f., 354, 356f., 367, 380, 481, 497 Savage, John 173, 175, 181, 183, 185, 701

Salisbury, Sir Thomas 173, 701 Salmon, Thomas 33, 297, 316, 371, 407f., 437 Sanders, Nicholas 98, 118 Saunders, Sir Edward 44, 126 Sawyer, Sir Robert 333, 337f. Scarlett, James, 1st Baron Abinger 544–548 Scheffer, Thomas 51, 67–69, 473, 481, 493 Schilling, Heinz 97 Schwoerer, Lois Green 329 Scobell, Henry 265 Scott, James, Duke of Monmouth 326 Scott, Jonathan 278, 340 Scott [Scot], Thomas 234 Scott, Sir John 450, 556–558, 569, 571 Scroggs, Sir William 284, 287–296, 298–300, 302–307, 309–313, 321, 355, 415 Scrope, Adrian 229, 234, 258, 262–264, 271f. Seibert, Thomas-Michael 557 Selden, John 162, 164 Sellers, John 270, 273, 303, 704 Serjeant, Richard 140, 701 Settle, Elkanah 348 Shapin, Steven 242, 256f., 261, 323 Shapiro, Barbara J. 13, 77, 242, 249, 256 Sharpe, James A. 26 Shepherd, Samuel 528f. Sheppard, Thomas 332, 336, 351 Sheridan, Richard 559 Shert, John 132, 701 Sherwin, Ralph 95, 111, 117, 122, 126, 128f., 131, 147, 701 Shower, Sir Bartholomew 345f., 350, 354, 357, 364–383, 387, 405, 552 Sidney, Algernon 64, 325, 327–329, 332, 336, 338–341, 343f., 346–351, 356f., 362, 401, 704 Siemens, Daniel 28f. Simmons, Samuel 581 Simon, Herbert A. 466

Personenregister

Simpson, Holland 240 Sixtus V., Papst 101 Skinner, Quentin 59 Slade, John 125, 701 Sledd, Charles 100f., 120 Smith, Cusack 593 Smith, Sir Thomas 37–41, 47, 50, 59, 61, 70, 74f., 77, 80f., 90, 156f., 189, 239f., 253, 275, 427, 466, 583 Sofsky, Wolfgang 2f., 551 Southwell, Robert, S.J. 142, 164, 319, 702 Southwell, Sir Richard 52 Southwell, Sir Robert 44, 295, 302 Speare, Edward 398–400 Sprat, Thomas 218, 243, 246, 250, 255 Squires, Mary 430 Stafford, Sir Edward 158, 282 Stanley, Edward, 3rd Earl of Derby 44 Stanford, Sir William 44, 62, 74 Stanhope, Charles, 3rd Earl Stanhope 560f., 563 Stanyan, Charles 399, 401 Stanyan, Temple 411 Starkie, Thomas 468f. Staunford, Sir William 12, 45 Stayley, William 290 Steinmetz, Willibald 27f., 62, 547 Stephen, Sir Jamess Fitzjames 7, 12 Stephens, Joseph Rayner 549 Stone, William 450, 452, 462, 559, 705 Story, Dr. John 117f., 701 Strange, Richard 292f. Stransham, Edward 140, 701 Strype, John 167 Stuart, James Francis Edward 384 Stubbs, Francis 270f., 303, 704 Sutton, Robert 188, 702 Talbot, Francis, 5th Earl of Shrewsbury 44 Talbot, George, 6th Earl of Shrewsbury 87, 409 Thelwall, John 450f., 540, 556, 559, 560f., 704

719

Thistlewood, Arthur 452f., 455, 456f., 521–523, 560, 575, 577, 580, 705 Thomas, John 140 Thompson, Edward P. 8, 433, 463, 507, 573, 575 Thompson, Robert 559 Thompson, William 140 Thorp, Francis 205 Throckmorton, Sir Francis 157, 162–164, 166, 171, 174f., 187, 701 Throckmorton, Sir Nicholas 37–39, 42f., 45, 49, 51–53, 56f., 59f., 62–66, 72–77, 80f., 88, 90f., 120, 179, 182, 198, 203, 289, 341, 497, 701 Thurlow, Edward, 1st Baron 558 Tichborne, Chidiock 173 Tichborne, Peter 45 Tindal, Sir Nicholas 581f., 586, 593 Tilney, Charles 173, 181, 184f., 701 Tonge, Thomas 31, 236, 269f., 273, 277, 281, 289, 300, 303, 305, 704 Tone, Theobald Wolfe 555 Tooke, John Horne 450, 520f., 543, 550, 556, 560, 572, 704 Topcliffe, Richard 135, 139, 141, 164, 188 Torrent, G. 503, 525 Travers, John 173, 701 Treby, Sir George 372–374 Tregian, Francis 104 Trevor, Sir Thomas 369, 375 Turner, Anthony 308, 315, 704 Turner, John 398–400 Turner, Sir Edward 229, 270 Tussaud, Marie 579 Twyn, John 304 Tyrie, David 448f., 486f., 489–492, 495–497, 501, 574, 704 Vaughan, Cuthbert 63 Verstegan, Richard 53, 126, 150, 154–156, 158, 164, 189 Vesalius, Andreas 150 Vincent, Henry 453 Vincent, William 507

720

Anhang

Viktoria, Königin von des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, 599 Vismann, Cornelia 76, 136, 486 Wakeman, Sir George 293, 307, 324, 704 Walcot, Thomas 332, 347, 407, 704 Walker, Clement 206 Wallace, James 443, 448 Waller, Sir Hardress 229, 703 Walpole, Henry, S.J. 115f., 134f., 182, 702 Walpole, Sir Robert, 1st Earl of Orford 385 Walsingham, Sir Francis 97–100, 119, 127, 147, 162, 166, 172–174, 176 Walwyn, William 196, 209 Ward, Edward 330, 334, 373 Warr, John 210f. Watson, James 452f., 455–457, 497, 521–523, 560f., 705 Watt, Robert 555 Wedderburn, Alexander, 1st Earl of Rosslyn 445f. Weldon, John 188, 702 Wentworth, Thomas, 1st Earl of Strafford 15, 21, 193–195, 200f., 232, 272 Whetstone, George 186f. White, Sir Thomas, 44

Whitebread, Thomas, S.J. 283, 308– 312, 315, 320, 355, 704 Whitman, James Q. 252 Whiteside, James 595 Wicks, Frederick 563 Wilhelm, Johann 47 Wilhelm I., Fürst von Oranien 98 Wilhelm I., König von England 210 Wilhelm III., König von England, Schottland und Irland 358, 363, 383 Wilde, Sir Thomas 592 Wilkinson, George Theodore 577–579 Windham, William 556 Winnington, Sir Francis 288, 295, 299 Winter, William 62 Wolff, Stephan 432, 464 Wooler, Thomas Jonathan 455, 457, 563, 589–591, 597 Woodfen, Nicholas 140, 701 Wray, Sir Christopher 114f., 117, 121f., 141, 149 Wriothesley, Thomas, 4th Earl of Southampton 231 Wyatt, Sir Thomas 39, 88, 203, 701 Wyndham, Sir Wadham 229, 264, 266 Yorke, Henry 397, 400, 405, 408, 410–412, 541 Young, Arthur 571f. Zook, Melinda 329