Die Leistung Zug um Zug [1 ed.]
 9783428446773, 9783428046775

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FRITZ OESTERLE

Die Leistung Zug um Zug

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 61

Die Leistung Zug um Zug

Von

Dr. Fritz Oesterle

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

D 21 Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei Bruno Luck, ßerlln 65 Printed in Germany

© 1980 Duncker

ISBN 3 428 04677 3

Für Christine und für meine Eltern

Sie sollten sich schämen, mit mir auf so genaue Rechnung zu leben. Zug um Zug, ist eine Regel in der Handlung, aber nicht in der Freundschaft. Handel und Wandel leidet keine Freundschaft: aber Freundschaft leidet auch keinen Handel und Wandel. Und wozu machen Sie unsern Briefwechsel anders, als zu einem eigennützigen Handel, wenn Sie wollen, daß er in dem eigentlichsten Wortverstande nichts als ein Briefwechsei sein soll? Wenn Sie mit keinem andern Wechsel übers Ohr gehauen werden, als mit diesem, so wird Ihr Beutel ein sehr gesegneter Beutel bleiben, und Ihre Freundschaft eine Kapitalistin werden. Denn jeder Ihrer Briefe, den ich nicht beantworte, ist ein Kapital, welches Sie bei mir unterbringen. Gotthold Ephraim Lessing

Brief an Friedrich Nicolai, vom 22. Oktober 1762

Vorwort Diese Abhandlung hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen im Wintersemester 1979 als Dissertation vorgelegen; Literatur und Rechtsprechung konnten weitgehend bis Ende 1979 berücksichtigt werden. An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Münzberg. Trotz starker eigener Belastung stand er mir von Beginn der Arbeit an als nimmermüder Ansprechpartner zur Seite. Für seine Anregungen bei der Korrektur schulde ich auch dem Koreferenten, Herrn Prof. Dr. Hermann Lange, Dank. Zu danken habe ich auch meinen Kollegen am Lehrstuhl von Prof. Dr. Münzberg, Herrn Dr. Werner Müller und Herrn Herbert Alisch, für das freundschaftliche Verständnis, das sie meiner Arbeit entgegenbrachten.

In der Schuld stehe ich nicht zuletzt aber bei Frau Christa Müller, die mit großem persönlichem Engagement die Anfertigung des Manuskriptes übernommen hatte. Stuttgart, im Februar 1980

Fritz Oesterle

Inhaltsübersicht Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

21

I. Kapitel

Die Leistung Zug um Zug in ihrer tatsäcllIicllen Bedeutung als eine mögIiclle Form der Leistungsbewirkung

28

1. Der Begriff "Zug um Zug" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

28

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug im einzelnen. . . . . . ..

30

2.1. Das Gleichzeitigkeitserfordernis im Rahmen der Leistung Zug um Zug .......................................................... 31 2.1.1. Beispiel a): Gleichzeitigkeit bei der übergabe einer Sache

gegen Bezahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

33

2.1.2. Beispiel b): Gleichzeitigkeit beim Grundstückskauf ... . . . ..

34

2.2. Schwierigkeiten bei der Durchführung des Gleichzeitigkeitserfordernisses; insbesondere unter Berücksichtigung des Leistungsorts von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 2.3. Undurchführbarkeit des Gleichzeitigkeitserfordernisses . . . . . . . . ..

40

2.3.1. Vom Gesetz gezogene Konsequenz der Undurchführbarkeit, dargestellt anhand von drei Fällen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

42

2.3.1.1. Fall a): Der Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

42

2.3.1.2. Fall b): Der Miet- und Pachtvertrag . . . . . . . . . . . . . . ..

42

2.3.1.3. Fall c): Der Werkvertrag ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

43

2.3.2. Die Lösun~ des Konflikts zwischen rechtlichem Müssen und tatsächlichem Können, wenn das Gesetz der Undurchführbarkeit des Gleichzeitigkeitserfordernisses nicht per se Rechnung trägt .............................................. 45 2.4. Zusammenfassung zum Gleichzeitigkeitserfordernis

49

Inhaltsübersicht

10

3. Die Gegenleistung im Rahmen der Leistung Zug um Zug 3.1. Die rechtliche "Qualität" der Gegenleistung .... . ...... . . . ......

52 52

3.2. Zur Bedeutung des finalen, wechselseitigen Bezugs von Leistung und Gegenleistung. Zugleich zum Verhältnis von "Leistung gegen Gegenleistung" und "Leistung Zug um Zug" .................... 54 3.2.1. Identität von "Leistung gegen Gegenleistung" und "Leistung Zug um Zug"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

55

3.2.2. Die vermögensbezogene Leistung gegen Gegenleistung ....

58

3.2.3. Die nicht vermögensbezogene Leistung gegen Gegenleistung 61 4. Die Leistung Zug um Zug gegenüber der Leistung schlechthin . . . . . . ..

64

11. Kapitel

Allgemeines zu den Grundlagen der Leistung Zug um Zug

70

1. Enthält das Gesetz oder dessen Entstehungsgeschichte eine verbindliche oder ausdrückliche Aussage hinsichtlich der als Leistung Zug um Zug in Betracht kommenden Fälle? ...................................... 70 2. Die bisherige rechtswissenschaftliche Behandlung der Grundlagen einer Leistung Zug um Zug im überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 74 3. Die grundsätzliche dogmatische Unterscheidung der Grundlagen einer Leistung Zug um Zug ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 77

III. Kapitel

Der nadtträglidt auf Leistung Zug um Zug beschränkbare Ansprudl (Die Zug-um-Zug-Einrede) 1. Die zur Leistung Zug um Zug führende Einrede im allgemeinen 1.1. Ihr Verhältnis zu sonstigen Einreden ...... '.' . . . . . . . . . . . . . . . . ..

82 82 82

1.2. Ist die Zug-um-Zug-Einrede eine Retentionseinrede oder umgekehrt? ........................................................ 87 1.3. Zusammenfassung

92

Inhaltsübersicht

11

2. Die einzelnen Fälle der Zug-um-Zug-Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

93

2.1. Das Zurückbehaltungsrecht, §§ 273, 274 BGB ..... . . . . . . . . . . . . . ..

93

2.1.1. Das Verhältnis von § 273 BGB zu § 274 BGB . . . . . . . . . . . . ..

94

2.1.2. Die Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts allein nach § 273 Abs. 1 BGB .............................................. 99 2.1.3. "Leistung Zug um Zug" und "Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung" als Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB ...... 107 2.1.4. Zusammenfassung zu § 273, 274 BGB

113

2.2. Das vertragliche "Zurückbehaltungsrecht" ...................... 114 Exkurs: Die §§ 320, 322; 321; 348 BGB und § 3 AbzG .. , . . ............. 116 2.3. Die Einrede mangelnder Genehmigung von Verwendungen ...... 117 2.3.1. Die Regelung des § 1000 S. 1 BGB ........ . . . ............. 117 2.3.2. Die übrigen Einreden mangelnder Genehmigung von Verwendungen; insbesondere § 2022 Abs. 1 BGB ............ 120 2.4. Die Rechte des Käufers nach § 1100 S. 1 und 2 BGB . . . . . . . . . . . . .. 121 2.4.1. Das Recht nach Satz 1 .................................. 121 2.4.2. Das Recht nach Satz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 125 2.4.3. Satz 1 und 2 im Zusammenhang .... . ........ . . . . . . . . . . . .. 126 2.5. Die Einreden der mangelnden Sicherheitsleistung (Die Einrede des mangelnden Kostenvorschusses) ................................ 127 2.5.1. Das Verhältnis zu § 273 BGB .... . ................ . ...... 128 2.5.2. Der tatsächliche Inhalt der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 2.5.2.1. Der Aussagewert der Gesetzesfassung . . . . . . . . . . . . .. 130 2.5.2.2. Die Reutersche Meinung .......................... 131 2.5.2.3. Ausgangspunkt: Die Natur der Sicherheitsleistung .. 132 2.6. Die Regelung fehlender Gläubigerlegitimation in den §§ 410; 1160 (1161) BGB .................................................... 134

12

Inhaltsübersicht 2.6.1. Die Regelung der §§ 1160 (1161) BGB

135

2.6.2. Die Regelung des § 410 Abs. 1 S. 1 BGB ... . . . . . . . . . . . . . .. 136 2.6.2.1. Das Verständnis der Rechtsfolge des § 410 Abs. 1 S. 1 BGB in der Privatrechtswissenschaft .............. 136 2.6.2.2. § 410 Abs. 1 S. 1 BGB ein Einrederecht (Kritik der Reuterschen Auffassung) .......................... 138 2.6.2.3. Das Verhältnis zu § 273 BGB ...................... 140 2.6.2.4. Der tatsächliche Inhalt der Rechtsfolge ............ 143 2.6.2.5. Ergebnis zu § 410 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .. 146 2.7. Die mangelnde Ausgleichung des Fehlbetrages nach § 526 S. 1 BGB 147 2.8. Die "Zurückbehaltung" nach § 803 Abs. 2 BGB ......... . ........ 149 2.9. Das Recht des Rechtsanwalts nach § 50 Abs. 1 S. 1 BRAO

151

2.10. Zusammenfassung der Zug-um-Zug-Einreden ...... . ........... 151

IV. Kapitel

Der ursprünglich auf Leistung ZUg um Zug beschränkte Anspruch

154

1. Allgemeines zum ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruch .......................................................... 154 2. Die einzelnen, gesetzlich normierten Fälle des ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155 2.1. Der in § 236 BGB erwähnte Fall ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155 2.2. Die Abtretung der Ersatzansprüche nach § 255 BGB ....... . ...... 157 2.2.1. Rechtsprechung und Literatur zur Rechtsfolge und dogmatische Konstruktion des § 255 BGB ....... . . . . . . . . . . . . . . . .. 158 2.2.2. Eigene Meinung zur Rechtsfolge und dogmatischen Konstruktion des § 255 BGB .................................. 161 2.2.3. Ergebnis zu § 255 BGB

168

Inhaltsübersicht

13

2.3. Die Rückgabe der Draufgabe, § 337 Abs. 1, 2. Fall und § 338 S. 2 2. Fall BGB .................................................... 167 2.4. Die Quittungserteilung nach § 368 S. 1 BGB und ihr Einfluß auf die Forderungsberechtigung des Gläubigers, sowie Rückgabe des Schuldscheins, § 371 S. 1 BGB .................................. 169 2.4.1. Allgemeines zur Quittung und zur Bedeutung des § 368 S. 1 BGB .................................................... 169 2.4.2. Der Stand der Lehre und Rechtsprechung zur Verpflichtung des Gläubigers nach § 368 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 171 2.4.2.1. Die drei Meinungen im einzelnen ..... . . . . . . . . . . . .. 171 2.4.2.2. Die Meinung Kluckhohns .............. . . . . . . . . . . .. 176 2.4.2.3. Zusammenfassung zu den unterschiedlichen Meinungen .............................................. 178 2.4.3. Eigene Meinung zum Inhalt des Anspruchs nach § 368 S. 1 BGB und dessen Auswirkung auf die Verpflichtung des quittungsberechtigten Schuldners ............................ 178 2.4.4. Nochmals: Die prozeßrechtliche Meinung .................. 183 2.4.5. Die Rückgabe des Schuldscheins gemäß § 371 S. 1 BGB .... 184 2.4.6. Ergebnis zu §§ 368 S. 1, 371 S. 1 BGB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 186 2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren .......................... 186 2.5.1. Die Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung, der -karten und -marken und des Namenspapiers mit Inhaberklausel .................................................. 186 2.5.1.1. Allgemeines und die dogmatische Konstruktion der Aushändigung .................................... 186 2.5.1.2. Der tatsächliche Inhalt der Verpflichtung des Ausstellers einer Inhaberschuldverschreibung bzw. eines qualifizierten Legitimationspapiers nach §§ 797 S. 1 bzw. 808 Abs. 2 S. 1 BGB ............... . . . . . . . . . .. 190 2.5.2. Die Aushändigung der Anweisung nach § 785 BGB ........ 194 2.5.3. Die Aushändigung der handelsrechtlichen Wertpapiere nach §§ 364 Abs. 3, 448, 653, 688 Abs. 2 HGB .................... 198 2.5.4. Die Aushändigung von Wechsel und Scheck nach Art. 39 Abs. 1 WG und Art. 34 Abs. 1 ScheckG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 200

14

Inhaltsübersicht 2.5.5. Die Aushändigung des Wechsels und Schecks an den Rückgriffsschuldner, Art. 50 Abs. 1 WG und Art. 47 Abs. 1 ScheckG ................................................ 207 2.5.6. Die Aushändigung des Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefs nach §§ 1144 (mit 1192 bzw. 1200) BGB . . . . .. 209 2.5.7. Die Aushändigung von Ersatzurkunden, § 798 BGB und § 74 AktG ................................................ 211 2.5.8. Zusammenfassung zur Aushändigung von Wertpapieren. . .. 212 2.6. Der Pfandlösungsanspruch des Verpfänders nach §§ 1217 Abs. 2 S. 1; 1218 Abs. 1; 1223 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 212 2.7. Das übernahmerecht gegen Wertersatz zur Ablösung einer Gesamthandsberechtigung nach §§ 1477 Abs. 2; 1502 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 2; 1515 Abs. 1 BGB .................................... 214 2.8. Das Recht auf Wertersatz gegen übertragung des überbauten Grundstücksteils, § 915 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 216 2.9. Die Auslieferung der Fracht an den Destinatar nach §§ 435, 436; 614 Abs. 2 HGB ............................. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 217

2.10. Zusammenfassung der ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 219 3. Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Fälle eines ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruchs ...................... 220

v.

Kapitel

Alleinige Frage: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

227

1. Die Leistung Zug um Zug im funktionellen Synallagma .. . . . . . . . . . . .. 228 1.1. Die Meinung von Esser/Schmidt ... . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 1.2. Die eigene Meinung und ihr Verhältnis zur "Einrede" des nichterfüllten Vertrags ............................................. , 230 1.3. Die Kritik von van den Daele .................................. 235

Inhaltsübersicht

15

1.4. Beispiele für die Inkonsistenz der herrschenden "Einrede"-Meinung .......................................................... 236 1.5. Ergebnis ....................................... . .......... . ... 238 2. Die funktionelle Abhängigkeit im Rückabwicklungsverhältnis 2.1. § 348 BGB

239 239

2.2. § 3 AbzG ................................................. . .... 239 2.3. Die Korrektur des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung und des "Zug um Zug"-Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung, § 321 BGB ............ 243 3.1. Die Rechtslage bei vereinbarter und gesetzlicher Vorleistung ...... 245 3.2. Die dogmatische Konstruktion und der Inhalt der Rechtsfolge des § 321 BGB .................................................... 248 3.3. Zusammenfassung

253

Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 255

Literaturverzeidmis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 257

Abkürzungsverzeichnis a.A. abI. Abs. abw. AbzG AcP a. E. a.F. AG AktG allg. AprLR a.M. Anh. Anm. AnwBl AP ArchBürgR ArchPractRWiss AT Auf!.

am Anfang ablehnend Absatz abweichend Abzahlungsgesetz Archiv für civilistische Praxis am Ende alte Fassung Amtsgericht Aktiengesetz allgemein Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 anderer Meinung Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Arbeitsrechtliche Praxis Archiv für bürgerliches Recht Archiv für practische Rechtswissenschaft Allgemeiner Teil Auflage

BAG BAnz. BB Bd. Begr. Bek. Bem. bestr. Betr BGB BGBl I, 11 BGH BGHZ BNotO BRAO BT-Drucks. BuschA bzw.

Bundesarbeitsgerich t Bundesanzeiger Der Betriebsberater Band Begründung Bekanntmachung Bemerkung bestritten Der Betrieb Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I und Teil 11 Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesnotarordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Drucksachen des deutschen Bundestages Zeitschrift für Deutschen Zivilprozeß, begründet von Busch beziehungsweise

CPO

Civilprozeßordnung

DEMV Denkschr. ders.

Deutscher Einheitsmietvertrag Denkschrift derselbe

Abkürzungsverzeichnis

17

DGVZ d.h. Diss. DJZ DR DRiZ Drucks. DVBl

Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung das heißt Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Drvcksache Deutsches Verwaltungsblatt

EE EG Einf. Ein!. Er!. EVO

Eisenbahnrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen Einführungsgesetz Einführung Einleitung Erläuterung Eisenbahn-Verkehrsordnung

f., ff.

folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht. Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Fußnote Festschrift

FamRZ Fn. FS GBI gern. Ges. GleichberG Gruchot GrünhutsZ Halbs. HansRGZ HGB h.L. h.M. HoldMschr HRR

Gesetzblatt gemäß Gesetz Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut Halbsatz Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuerund Stempelfragen, begründet von Holdheim Höchstrichterliche Rechtsprechung

i.d.F.

i. e. S. i. S. d. i. V.m. i. w. S.

in der Fassung im engeren Sinne im Sinne der (des) in Verbindung mit im weiteren Sinne

JbAkDR JherJB JMBI JR JurA JurBüro JuS JW JZ

Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Analysen Das Juristische Büro Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

20esterle

18

Kap. KG KGBI KO KrVjSchr KVO

Abkürzungsverzeichnis Kapitel Kammergericht Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Konkursordnung Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen

LZ

Lehrbuch Landgericht Literatur Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgegerichtshofes in Zivilsachen Leitsatz Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m.a.W. MDR m.E. MMV Mot. m.w.N.

mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mustermietvertrag Motive mit weiteren Nachweisen

Nachw. n.F. NJW Nov. Nr.

Nachweise neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Novelle Nummer

OAG österr. OLG OLGRsp

Oberappellationsgericht österreichisch Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit

LB LG Lit. LM LS

OLGZ PostO Prot.

Postordnung Protokolle

RAO Rdnr. Recht RG RGBII, II RGZ ROHG Rpfleger RRAO RSchuldBG Rspr. RVerkBl

Rechtsanwaltsordnung Randnummer Das Recht Reichsgericht Reichsgesetzblatt Teil I und Teil II Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsoberhandelsgericht Der Deutsche Rechtspfleger Reichsrechtsanwaltsordnung Reichsschuldbuchgesetz Rechtsprechung Reichs-Verkehrs-Blatt

S.

Seite siehe sächsisch

s.

sächs.

Abkürzungsverzeichnis SächsAnn sc. ScheckG SchlHA SeuffArch SJZ

sog. Sp. st. StAZ str. st. Rspr. u.a. u.ä. u.a.m. UStG u.U.

v.

vgl. Vorbem.

VVG

WarnJB

19

Annalen des sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden scilicet Scheckgesetz Schleswig-Holsteinische Anzeigen Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Süddeutsche Juristenzeitung sogenannt Spalte ständig Zeitschrift für Standesamtswesen streitig ständige Rechtsprechung unter anderem, und andere und ähnliche(s) und andere mehr Umsatzsteuergesetz unter Umständen von vergleiche Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz

WO WPR

Jahrbuch der Entscheidungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch und den Nebengesetzen Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, begründet von Warneyer Wechselgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Wechselordnung Wertpapierrecht

z.B. ZBIFG ZPO ZRpflBay ZS zust. zutr. ZZP

zum Beispiel Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Zivilsenat zustimmend zutreffend Zeitschrift für Zivilprozeß

WarnRsp WG WiGBI

Einleitung Die Begriffe "Leistung Zug um Zug" und "Leistung gegen Gegenleistung" werden ganz einhellig in ein und demselben Sinne verstanden. Rechtsprechung und Wissenschaft verwenden sie daher - von diesem Verständnis aus folgerichtig - alternativ. Jeder der beiden Begriffe soll zum Ausdruck bringen, daß zwei Leistungen gleichzeitig auszutauschen sind. Gebraucht das Gesetz den einen oder anderen, dann soll es demnach den jeweils nicht gebrauchten ebenfalls meinen, und damit immer (auch) zum Ausdruck bringen, daß die Leistungen personenverschiedener Rechtssubjekte gleichzeitig erfolgen. Betrachtet man die Leistung Zug um Zug und die Leistung gegen Gegenleistung nur ein klein wenig genauer, stellt sich allerdings schnell heraus, daß die "Sache" keineswegs so einfach gelagert ist, sie vielmehr willkürlich so einfach gelagert wird. Auch wenn diese Feststellung zunächst einmal als pauschale Behauptung im Raum steht, darf sie ehrlicherweise nicht mit dem Vorwurf "Polemik" bedacht werden. Denn wo findet eine derart umfassende Vereinfachung im Gesetz statt oder auch nur ihre Rechtfertigung? Wo sind die wissenschaftlichen Äußerungen, die sie überzeugend belegen? Oder soll sie sich etwa sprachlich von selbst verstehen? Wer letzteres meint, muß sich fragen lassen, was dann mit dem Verkäufer ist, der den Kaufgegenstand gegen Bezahlung des Kaufpreises mit einem Monat Ziel liefert? Nach meinem Sprachverständnis leistet auch dieser Verkäufer gegen eine Gegenleistung. Das Gesetz selbst zeigt, daß es derart einfach wohl nicht sein kann. Von der Gleichzeitigkeit zweier Leistungen spricht es nämlich an keiner Stelle, und die Leistung Zug um Zug taucht zumindest im Bürgerlichen Gesetzbuch nirgendwo als eigenständiger Begriff auf. Dieses kennt in den §§ 274 Abs. 1, 322 Abs. 1 und 348 Satz 1 expressis verbis nämlich allein die "Erfüllung Zug um Zug" durch den Schuldner1• Anders die Zivilprozeßordnung, die in ihren §§ 726 Abs. 2, 756,765 von einer "Zug um Zug zu bewirkenden Leistung" des Gläubigers handelt. Bevor weiterhin überhaupt von "Leistung Zug um Zug" geredet werden kann, ist vor allem anderen zu überlegen, ob es in übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch des BGB nicht sachlich richtiger "Erfüllung Zug um Zug" heißen muß, oder ob nicht beide Wendungen gleichbedeutend und 1

Sprachlich ebenso § 3 AbzG.

22

Einleitung

damit "gleich richtig" sind. Daß BGB und ZPO dasselbe meinen, ergibt schon ein kurzer Blick in die Entstehungsgeschichte dieser ausdrücklichen "Zug um Zug"-Normen. Schon vor der Verabschiedung der ursprünglichen Fassung der CPO am 30. Januar 1877 wurde in der partikularrechtlichen Literatur und Rechtsprechung als Folge sowohl des ius retentionis als auch der exceptio non adimpleti contractus, den gemeinrechtlichen Vorgängern der §§ 273, 320 BGB, die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug gefordert und auch ausgesprochen2 • Dennoch hielt man eine den §§ 726 Abs. 2, 756,765 ZPO entsprechende Regelung in der CPO nicht für erforderlich8 • Dies verhinderte aber nicht, daß sich die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug bereits unter der Geltung der CPO von 1877 in der Praxis allgemein einbürgerte'. Erst mit der ausdrücklichen Nennung der "Erfüllung Zug um Zug" im BGB sah man sich zur Einfügung 5 vollstreckungsrechtlicher Komplementärnormen in die CPO veranlaßte. Aus dieser Ergänzungsfunktion ergibt sich unschwer, daß beide Gesetze, BGB und ZPO, die Begrüfe "Erfüllung" und "Leistung" Zug um Zug im selben Sinne verstanden wissen wollen7 • Der synonyme Gebrauch von "Erfüllung" und "Leistung" durch das Gesetz führte denn auch anfänglich dazu, daß beide Begriffe, vor allem aus stilistischen Gründen, abwechselnd verwandt wurden8 • Bis sich dann recht schnell die schon zuvor in Rechtsprechung und Lehre gebräuchliche und heute weithin übliche Bezeichnung von der "Leistung Zug um Zug" wieder einbürgerte9 • Damit hat sich, wie sogleich zu zeigen ist, der sachlich ausschließlich zutreffende Begriff breitgemacht. Die Tatsache, daß dies geschah, scheint allerdings mehr einem Gefühl für das Richtige als überlegungen zur Sache entsprungen zu sein, denn es gibt keine Begründung dafür, weshalb auch im privatrechtlichen Bereich vom Sprachgebrauch des BGB abgewichen wird. ~ Zaun, ArchPractRWiss 4 (1857) 410, 420 f.; OAG Kassel, SeuffArch 18 (1865) Nr. 180 (für die exceptio non adimpleti contractus), OAG Oldenburg, SeuffArch 23 (1870) Nr. 176 (für das ius retentionis); vgl. auch Hahn, Bd. II, S. 439 (zu § 614); ferner Andre, S. 129 ff. und Thon, S. 268; zu weiteren Nachw. s. unten, Kap. III. Fn. 82 und 85. - Dazu, daß es sich bei der exceptio non adimpleti contractus quellenmäßig um ein "reines Phantasiegebilde" handelt, s. Leonhard, Beweislast, S. 343. S Hahn, Bd. II, S. 439. 4 Vgl. Schlegelberger, S. 171 f. 5 Durch die Novelle vom 17. V. 1898 (RGB11898 I 256). e Vgl. Hellwig, LB, Bd. I, S.17. 7 Vgl. auch Hahn, Bd. VIII, S. 136. 8 So z. B. Steininger durchgehend, ganz deutlich etwa S. 9. • Vgl. bereits RGZ 56,301 (302 f.), das mehrfach unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 274 BGB von "Zug-um-Zug-Leistung" bzw. von "Leistung Zug um Zug" spricht; ferner Reuter, S. 1.

Einleitung

23

Die Bezeichnung "Leistung Zug um Zug" anstelle von "Erfüllung Zug um Zug" ist nicht nur eine "verzeihliche Freiheit", wie Reuter meint111, sondern sprachlich und sachlich geboten. Die Wendung "Zug um Zug" kann sich nämlich begrifflich nur auf die Modalität eines tatsächlichen Vorgangs beziehenl l , eben auf die reale Erbringung der zur Befriedigung des Gläubigerinteresses erforderlichen Schuldnerhandlung, nicht jedoch - weder in ihrem Wortsinne noch rechtslogisch - auf dessen gesetzliche Folge, die Erfüllung 12. Diese rechtliche Wirkung tritt ein oder nicht. Dies wird besonders dort deutlich, wo der Leistungserfolg nicht unmittelbar durch die Leistungshandlung herbeigeführt wird, sondern noch, außer vom Verhalten des Schuldners, von einem weiteren Umstand abhängt (z. B. der Zustimmung eines Dritten, der Eintragung im Grundbuch). Wie sollte man sich hier eine Erfüllung Zug um Zug vorstellen? Es ist also bereits jetzt festzuhalten, daß die Erfüllung im Sinne einer Schuldtilgung niemals Zug um Zug zu erbringen ist. Der Begriff "Erfüllung" in den §§ 274 Abs. 1,322 Abs. 1 und 348 Satz 1 BGB13 mag daher als Hinweis darauf verstanden werden, daß die Zug um Zug zu erbringende Leistungshandlung erfüllungstauglich sein muß; das versteht sich für diese Regelungen aber ohnehin und wird zudem von der Definition des § 274 Abs. 1 BGB selbst noch einmal zum Ausdruck gebracht. Als terminus technicus kann "Erfüllung" in diesen Normen jedoch nicht verstanden werden. Danach steht fest, daß das BGB, wenn es von der "Erfüllung Zug um Zug" spricht, nur die Leistung Zug um Zug meinen kann, und daß es somit diese Art der Leistung kennt. De iure gibt es die Leistung Zug um Zug also zumindest in den Fällen der §§ 274 Abs. 1, 322 Abs. 1 und 348 Satz 1 BGB und daneben noch in dem des § 3 AbzG. Damit ist aber auch schon die einzige Aussage getroffen worden, die als eindeutig für die Leistung Zug um Zug getroffen werden kann. über den tatsächlichen Inhalt dieser Leistung gibt das Gesetz nahezu keinen Aufschluß. Ebenso schweigt es sich darüber aus, ob die genannten Normen die einzigen sind, die eine Leistung Zug um Zug zum Gegenstand haben, und wenn nicht, wann immer, d. h. unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall, dann eine solche Leistung anzunehmen ist. Vorausgesetzt, daß die Leistung Zug um Zug eine Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung ist, bleibt im unklaren, ob jede Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung auch eine Leistung Zug um Zug ist. Überhaupt, was hat die Leistung gegen Gegenleistung mit der Leistung Zug um Zug zu tun? Aufgrund welcher dogmatischen Konstruktion ergibt sich eine Leistung Zug um 10

Reuter, S. 1.

Vgl. Grimm, Stichwort "Zug" bei B 4; ferner auch Lessing, Bd. XVII, S. 190: "Zug um Zug ist eine Regel in der Handlung aber nicht ... ". 1! Zutreffend Wendt, AcP 92 (1902), 45; vgl. ferner Boehmer, S. 47. A. M., dabei allerdings widersprüchlich, Planck I Siber, § 274 Anm. 1. 13 Ebenso für § 3 AbzG. 11

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Zug? Kann nicht die äußerlich gleichlautende Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" unterschiedlichen dogmatischen Konstruktionen entspringen, m. a. W. hat ihr im Tatsächlichen liegender Inhalt zwar jeweils identische Bedeutung, muß aber ihr sachlicher Grund kein durchgängig einheitlicher sein? Gibt es aber verschiedene dogmatische Konstruktionen, wie sind ihnen dann die Einzelfälle der Leistung Zug um Zug zuzuordnen? Diesen und ähnlichen Fragen, die für das Verständnis der Leistung Zug um Zug von grundlegender Bedeutung sind, denen aber bislang von der Rechtswissenschaft kaum Beachtung geschenkt wurde, will die vorliegende Arbeit in erster Linie und in umfassender Weise nachgehen. Mit der Leistung Zug um Zug und mit dem Zivilurteil, das diese Leistung "auf den Einzelfall aktualisiert" 14, als einem eigenständigen15 Problemkreis befaßten sich bisher erst zwei juristische Darstellungen. Diese von Josef Steininger und Hans Reuter, aus den Jahren 1905 und 1909 stammenden Untersuchungen sind von unbestreitbarer, grundlegender Bedeutung 18 • Insbesondere Reuter kommt das Verdienst zu, die Zäsur deutlich gemacht zu haben, die mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches und der CPO-Novelle von 1898 in der Handhabung der Leistung Zug um Zug gegenüber dem zuvor gegebenen Rechtszustand eintrat17• Abgesehen davon, daß naturgemäß Teile beider Arbeiten aufgrund der seither erfolgten Rechtsentwicklung überholt sind, überzeugen sie auch insoweit nicht, als in ihnen versucht wird, den Gesamtkomplex "Leistung Zug um Zug" zu klären. Eine umfassende Beantwortung der materiell-, prozeß- und vollstreckungsrechtlichen Fragen, die mit der Leistung Zug um Zug verknüpft sind, ist in einer Arbeit schlechterdings nicht zu bewerkstelligen. Das Ergebnis muß auf allen Gebieten lückenhaft sein und damit Stückwerk bleiben. So findet das tatsächliche Wesen der Leistung Zug um Zug sowohl bei Reuter wie auch bei Steininger nahezu überhaupt keine Berücksichtigung, und die Grundlagen dieser Leistung stellen beide mehr oder minder nach dem Motto "Ausgewählte Probleme" darlS • 14

Schönke I Kuchinke, § 1 II (S. 3).

Zu denen, die davon als "Nebenprodukt" handeln, s. unten, Kap. II. 2. (bei Fn. 34 ff.). 1. Die Schweizer Monographie von Daniel Schmidt aus dem Jahr 1963 hat zwar auch die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug zum Thema und Gegenstand, sie enthält in ihren Ausführungen zum deutschen Recht (S. 5 ff .• 34 ff.) aber weitgehend nur eine Kurzfassung der Reuterschen Arbeit. 17 Vgl. etwa S. 2 ff., 13, 16 f., 31 ff., 72 ff., 110 ff. 18 Reuter hatte sich zwar vorgenommen, "jene Tatbestände, denen eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug entspricht, an der Hand des Gesetzes nachzugehen" (S. 5), tatsächlich geht er aber dann näher nur auf einige wenige Tatbestände ein, deren Verständnis ohnehin schon im Streit lag. Der tiefere Grund für die Darstellung lediglich "ausgewählter" Tatbestände ist wohl in der Behauptung Reuters zu sehen, daß "wir uns auf das Urteil (sc. auf Leistung Zug um Zug) beschränken und es dahingestellt sein lassen könnten, 15

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Soweit sich die übrige Rechtswissenschaft der Leistung Zug um Zug widmet, tut sie dies entweder innerhalb eines völlig anderen Zusammenhangs 19 und gelangt schon deshalb nicht zu einer umfassenden Aufarbeitung; oder aber sie tut dies nur zur Lösung von einzelnen materiell-, prozeß- und vollstreckungs rechtlichen Problemen2o, die sich aus der besonderen Natur dieser Leistung ergeben bzw. ergeben sollen, und oft geschieht diese Einzelproblemlösung zudem noch nur anhand und für einen Einzelfall der Leistung Zug um Zug21 • Nur, worin die erwähnte besondere Natur eigentlich bestehen soll, oder ob die Lösung, die für einen oder einige Fälle der Leistung Zug um Zug gefunden wurde, auch in den übrigen Fällen gilt, gelten soll oder zumindest gelten kann, wird - wenn überhaupt - allenfalls behauptet. So ergeben sich zu Einzelfragen herrschende Meinungen, die untereinander zumeist deshalb nicht übereinstimmen, weil sie nicht auf ein einheitliches Verständnis der Leistung Zug um Zug zurückgehen, aber gleichwohl, jeweils für sich genommen, die Leistung Zug um Zug als eindeutige, konstante Größe22 stillschweigend und unüberlegt voraussetzen. Dieser Umgang mit der Leistung Zug um Zug erscheint mir - der Vergleich sei erlaubt - wie der Bau einer Fertigungsanlage, deren Einzelteile konstruktionsmäßig eigentlich funktionieren, die sich aber deshalb nicht zu einer funktionsfähigen Gesamtanlage zusammensetzen lassen, weil vergessen wurde, das erforderliche Fundament vorab festzulegen, und in der Konstruktion der Einzelteile jeweils ein anders konzipiertes Fundament angenommen wurde. Mit dieser Arbeit soll nun das bislang fehlende Fundament für eine einheitliche Gesamtdogmatik der Leistung Zug um Zug gelegt werden, also für ihre materiellrechtlichen Sekundärwirkungen ebenso wie für ihre veraus welchem Grunde das Gericht eine solche Entscheidung formuliert .. (S. 5). Reuter erklärt aber nirgends, wie er unter Zugrundelegung dieser Auffassung zu den in seinem prozeßrechtlichen Teil gemachten Aussagen hätte gelangen können. 19 s. oben, Fn. 15. Zwangsläufige Konsequenz davon ist auch, daß viele Stellungnahmen nur mehr oder weniger durch Zufall zu entdecken sind. 20 Die insoweit vorhandenen wissenschaftlichen Äußerungen sind auch keineswegs so zahlreich, wie Schmidt, S. 1 meint. So bleibt er denn für den von ihm behaupteten literarischen "Reichtum" - entgegen seinem Versprechen in Fn. 2 ebd. - den Nachweis schuldig. 21 Soweit ersichtlich weisen allein Bötticher, SJZ 48, 767; Staudinger / HonseIl, 12. Auf!., § 465 Rdnr. 19 und Oertmann, ZRpftBay 1 (1905) 51 (" ... erklärt sich nur aus der Voreingenommenheit, mit der sie [sc. die Rspr. u. Lehre zum Leistungsort bei "Zug um Zug"-Leistungen] fast ausnahmslos den Begriff der Zug um Zug-Leistung ohne umsichtige Erwägung aufzustellen unternommen haben." Und: "Es ist stets mißlich, einen Satz von allgemeiner Tragweite aus einem besonderen Fall heraus zu abstrahieren. Das aber tut die herrschende Lehre, ... ") ausdrücklich auf die Fragwürdigkeit eines derartigen Vorgehens hin, allerdings wiederum nur im Zusammenhang mit einem Einzelproblem; s. auch unten, Kap. 1. Fn. 44. 22 Dies hält Steininger nach der ganzen Anlage seiner Arbeit offensichtlich für zutreffend. - s. auch oben, Fn. 18.

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fahrensrechtliche Geltendmachung, ihre urteilsmäßige Feststellung und ihre exekutorische Durchführung. Denn so richtig es ist, daß bei der Verurteilung zur Leistung Zug um Zug materiell-, prozeß- und volIstrekkungsrechtliche Gesichtspunkte außerordentlich eng miteinander verwoben sind23 , so sicher ist es auch, daß dieser Verflechtung von der Privatrechts- und Prozeßrechtswissenschaft nur dann Rechnung getragen werden kann, wenn feststeht. worum es bei der Leistung Zug um Zug als solcher eigentlich geht und über welche dogmatische(n) Konstruktion(en) dies erreicht wird. Allein unter dieser Voraussetzung läßt sich einer nicht nur im Einzelfall vielleicht (sach-)gerechten, sondern auch einer vorhersehbaren Rechtsfindung Rechnung tragen. Zur Veranschaulichung seien hier einige Fragenkreise wahllos herausgegriffen, die ohne eine solche vorgängige Klärung entweder gar nicht oder aber nicht insgesamt konsistent zu beantworten sind: Vorausgesetzt "Zug um Zug" bedeutet "gleichzeitig", was gilt dann, wenn Gleichzeitigkeit nicht möglich ist? Wie verhält es sich mit dem Leistungsort von Leistung und Gegenleistung? Wann kommt der Schuldner einer Leistung Zug um Zug in Leistungs- und wann der Gläubiger in Annahmeverzug? Wann wurde von einer Seite vorgeleistet? Wie verhält sich die Leistung Zug um Zug zur Leistung schlechthin? Welche Klaganträge sind demnach zu stellen? Unterliegt der Kläger (teilweise), wenn er anstelle der eingeklagten Leistung schlechthin nur ein Urteil auf Leistung Zug um Zug erhält? Finden die §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO auf alle Leistungen Zug um Zug Anwendung? Wie kann der Annahmeverzug die Leistung Zug um Zug beeinflussen? etc. . Aus der genannten engen Verzahnung sachlich-rechtlicher Aspekte untereinander und zugleich mit solchen des Prozeßrechts folgt aber auch, daß das Thema dieser Arbeit nicht ohne die Beachtung und Bewertung von Querverbindungen und Folgerungen, die sich einerseits horizontal im Bereich des Privatrechts und andererseits vertikal auf der Ebene des Prozeßrechts ergeben können, zu behandeln sein wird. Denn ebenso wie ein Fundament nicht ohne Berücksichtigung dessen, was es einmal tragen soll, anzulegen ist, können auch die Leistung Zug um Zug und ihre Grundlagen nicht dargestellt werden, ohne daß die Konsequenzen, die sich aus einer bestimmten Auffassung ergeben, mit in Rechnung gestellt werden. Der Umstand, daß dies geschehen soll, darf allerdings nicht zu der Annahme verleiten, die mit der Leistung Zug um Zug zusammenhängenden Fragen würden in kommentarmäßiger Vollständigkeit, wenn schon nicht beantwortet, so doch wenigstens angesprochen. Die vorliegende Arbeit kann dies nicht leisten, und sie will es auch nicht leisten. Was sie anstrebt, ist vielmehr die Klärung im Grundsätzlichen und die Herausarbeitung der einzelnen Grundlagen anhand des einheitlichen Prinzips "Leistung Zug um Zug", um dann von t3

Vgl. ReuteT, S. 5.

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daher eine Hilfestellung zur dogmatisch einheitlichen und systemgerechten Lösung auch solcher Einzelprobleme der Leistung Zug um Zug zu bieten, die in der Arbeit möglicherweise überhaupt nicht berührt worden sind.

I. Kapitel

Die Leistung Zug um Zug in ihrer tatsächlichen Bedeutung als eine mögliche Form der Leistungsbewirkung Wann das sachliche Recht eine Leistung Zug um Zug und damit ein darauf lautendes Urteil trägt, kann verbindlich nur entschieden werden, wenn der Begriff und der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug klarliegen. Erst dann ist im Einzelfall die Frage verläßlich zu beantworten, ob die Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" auch dem Zweck solcher Normen gerecht wird, die sie zwar nicht ausdrücklich anordnen, aber ihrem Wortlaut oder der Sache nach zumindest als möglich erscheinen lassen. 1. Der Begriff "Zug um Zug" Wie sich aus der Gesetzesgeschichte ergibt, war bei der Formulierung der Definition einer Leistung Zug um Zug als der Verpflichtung des Schuldners "zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung" (§ 274 Abs. 1 2. Hlbs. BGB) zunächst allein die nach § 273 Abs. 1 und 2 BGB gegebene Rechtslage ins Auge gefaßt!. Diese Definition war somit ursprünglich - bildlich gesehen - der maßgeschneiderte Mantel für ein vorhandenes Modell. Demgegenüber werden in dieser Arbeit für einen vorhandenen Mantel die entsprechenden Modelle gesucht. Zudem ist "Leistung gegen ... (Gegen-)Leistung" in der Sache selbst nicht aussagekräftiger als "Erfüllung Zug um Zug". Beides ist hinsichtlich seines tatsächlichen Gehalts im selben Maße erklärungsbedürftig2 • Als Ausgangspunkt bleibt zunächst also nur der Begriff "Zug um Zug" als solcher. Historisch stammt die Wendung "Zug um Zug" in ihrer hier relevanten Bedeutung aus der Kaufmannssprache und umschrieb darin das wechselseitige Geben und Nehmen3 beim Handkauf bzw. -tausch. So hieß es unter italienischen Kaufleuten denn auch: "tratta a tratta, toccare robba per robba". Damit wurde klargestellt, daß zur Abwicklung des Geschäfts "sogleich Geld gegen Waare, oder Waare gegen Waare gegeben 1 Vgl. Mugdan, Bd. II, S. 526 (Prot.); zum "Wert" dieser Definition s. unten, 2.4., 3.1. (bei Fn. 126), 3.2.1. (bei Fn. 137 ff.). 2 Zur "Leistung gegen Gegenleistung" als solcher s. unten, 3.2.1. 3 TTÜbner, Stichwort "Zug".

1. Der Begriff "Zug um Zug"

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und genommen oder gezogen"4 werden mußte. Bereits diese historische Bedeutung des Begriffs .,Zug um Zug" läßt zwei nicht voneinander zu trennende Komponenten einer Handlung, die Zug um Zug vorgenommen wird, deutlich werden. Diese Handlung erfolgt niemals isoliert und nicht um ihrer selbst willen. Sie steht vielmehr insoweit in einem unlösbaren Zusammenhang mit einem Verhalten von anderer Seite, als sie nur um dessentwillen vorgenommen wird. Sie ist demnach nie reiner Selbstzweck, sondern erfolgt immer zweckgerichtet. Diese Finalität kommt in der synonymen Wendung "Zug für Zug"5 noch klarer zur Geltung. Würde es sich nun allein darum handeln, der Finalität eines Tuns sprachlich Ausdruck zu verleihen, könnte "Zug um Zug" auch durch die Wendung "um zu" ersetzt werden. Es ist aber keineswegs so, daß derjenige, der in einer bestimmten Weise handelt, um etwas zu erreichen, immer auch Zug um Zug handelt. Allein das Umgekehrte ist richtig. Mit "um zu" ist begrifflich nämlich noch nichts darüber gesagt, wie die Erreichung des Handlungsziels gewährleistet werden soll. Anders die Wendung "Zug um Zug", die die Handlung in eine zeitliche Beziehung und Abhängigkeit zum Eintritt des Handlungszwecks bringt. Jede an einer Handlung Zug um Zug beteiligte Seite hat zur gleichen Zeit wie die andere "zu ziehen", also zu handeln6 • Neben die finale Komponente tritt damit als temporales Moment die Gleichzeitigkeit der Handlung und des mit ihr bezweckten Verhaltens der Gegenseite. Dabei wird das zeitliche von dem finalen Moment insoweit gefordert, als es das einzig probate und sich unmittelbar aus der vorzunehmenden Handlung ergebende Mittel zur Sicherstellung des verfolgten Zweckes ist. Zudem bietet es die Möglichkeit, die Zug um Zug verknüpften Handlungen zu einer raschen Durchführung zu bringen. Je zügiger jeder Teil die Voraussetzungen für eine gleichzeitige Abwicklung schafft, desto schneller wird er den mit seiner Handlung angestrebten Zweck erreichen. Damit hat er es wenigstens teilweise selbst in der Hand, sein Interesse an einem "schnellen Haben" des mit seiner Handlung Gewollten zu wahren. Für das Verständnis des "Zug um Zug"-Begriffs ist, insbesondere im Hinblick auf seine zeitliche Aussage, neben seiner historischen Bedeutung auch seine Etymologie aufschlußreich. Ihr zufolge geht der Begriff auf das Nacheinander-Ziehen bei Brettspielen zurück. Die Figuren werden Zug um Zug, zeitlich richtiger: Zug nach Zug7, gesetzt8 • Damit liegt ihm - begreift man den Part eines Spielers als die insgesamt Zug um 4 5 8

Heyse, Stichwort "Zug". Trübner, Stichwort "Zug".

Vgl. den im anglo-amerikanischen Rechtsgebiet gebräuchlichen Begriff

"contemporaneous performance" für Leistung Zug um Zug.

7 Bei dieser Wendung geht aber bereits sprachlich das auch für die Brettspiele wesentliche finale Moment des "Zug um Zug" verloren. e Vgl. Grimm, Stichwort "Zug" bei B 4.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

Zug zu erbringende Handlung - die abstrakte Vorstellung zugrunde, daß Handlung und Gegenhandlung in x einzelne Handlungsabschnitte zerlegt werden können, die jeweils für sich zwar nacheinander vorgenommen werden, insgesamt gesehen aber dennoch bzw. gerade deshalb gleichzeitig geschehen, ebenso wie Schachspieler zur selben Zeit spielen. Schon danach kann mit "Zug um Zug" also nicht Gleichzeitigkeit en detail gemeint sein. Auf die Leistung Zug um Zug bezogen bedeutet das Gesagte, daß sie zunächst einmal als eine Handlung begriffen werden muß, die erst dann und nur solange vorzunehmen ist, als gleichzeitig die mit ihr zusammenhängende (Gegen-)Leistung" erbracht wird. Hierbei kann die "Zug um Zug"-Verknüpfung und damit die Finalität der beiden Leistungen ihre rechtliche Begründung - ganz allgemein - entweder in einer Parteivereinbarung oder einer positivgesetzlichen Normierung finden. Für die Frage, in welchem Umfang Leistung und Gegenleistung gleichzeitig zu erbringen sind,ergibt sich aus der Wendung "Zug um Zug" nur soviel, daß sie zumindest begrifflich nicht fordert, daß beide Leistungen insgesamt gleichzeitig zu erbringen sind. Wenn die Leistung Zug um Zug allerorts als Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung begriffen und erklärt wird 1il, so ist dies nach dem Gesagten im Grundsatz zwar richtig, jedoch - wie im folgenden zu zeigen sein wird - viel zu pauschal, da vom tatsächlichen Inhalt her zu wenig aussagekräftig.

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug im einzelnen Für den nun näher interessierenden tatsächlichen Inhalt, die praktische Abwicklung, der Leistung Zug um Zug spielt deren rechtlicher Grund keine Rolle. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dafür allein das Merkmal der Gleichzeitigkeit. Alle Ausführungen zur Abwicklung einer Leistung Zug um Zug stehen und fallen mit der umfassenden Klärung dieses Merkmals. War zu der Zeit, als der Begriff "Zug um Zug" seine hier interessierende eigenständige Bedeutung erlangte, ein gleichzeitiger Austausch von Leistung und Gegenleistung deshalb unproblematisch möglich, weil es sich regelmäßig um körperliche und beiderseits präsente Leistungsgegenstände handelte (Platzgeschäft, Handkauf), so drängt sich die Frage auf, ob in anderen Fällen überhaupt Gleichzeitigkeit zu wahren ist, und damit noch eine Leistung Zug um Zug im eigentlichen Wortsinne gegeben sein kann. Die Möglichkeit einer "Zug um Zug"-Abwicklung im ur, Dies bedeutet hier wie im folgenden nicht immer auch (Gegen-)Leistungs-

pflicht i. S. d. § 241 Satz 1 BGB, s. unten, 3.1. 10 So schon die Gesetzesverfasser, vgl. Mugdan, Bd. H, S. 526 (Prot).

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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sprünglichen Sinne erscheint nicht nur dann zweifelhaft, wenn man die geschuldete Leistung nicht als einzelne Handlung, sondern als ein komplexes "Obligationsprogramm"l1 begreift, sondern bereits dann, wenn man zwar unter die Leistung nur die geschuldete Hauptleistungspflicht faßt1 2 , diese aber selbst ein aus mehreren Handlungen bestehendes oder zeitlich gestrecktes Verhalten erfordert, ohne daß ihr ein in seinem Ablauf kongruenter Gegenleistungsvorgang gegenübersteht13• So wird denn weithin angenommen, Gleichzeitigkeit im Rahmen einer Zug um Zug gegen Gegenleistung geschuldeten Leistung sei heute im praktischen Leben kaum mehr zu erreichen 14• Ob dies zu Recht angenommen wird, ist im folgenden zu untersuchen. Nur eine Antwort darauf kann Aufschluß über die Art und Weise der Leistungsbewirkung geben und damit die "Leistung Zug um Zug" von einer Leerformel zu einem inhaltlich vorstellbaren Begriff machen. 2.1. Das Gleicbzeitigkeitserfordemls im Rahmen der Leistung Zug um Zug

Vorauszuschicken ist, daß im Zusammenhang mit der Leistung Zug um Zug unter "Gleichzeitigkeit" selbstverständlich niemals Parallelität bzw. Synchronität im naturwissenschaftlichen Sinne verstanden werden kann. Dies folgt schon aus der dargelegten Entstehungsgeschichte des "Zug um Zug"-Begriffs. Daneben verbietet eine lebensnahe Betrachtung ein rein naturwissenschaftliches Verständnis der Gleichzeitigkeit, dies wäre letztlich unsinniger Formalismus. Minimale Zeitdifferenzen sind dem Gleichzeitigkeitserfordernis nicht abträglich. Sie können daher regelmäßig außer acht gelassen werden15 , sofern sich nicht im Einzelfall ergibt, daß damit gerade der von der Leistung Zug um Zug verfolgte Zweck vereitelt werden würde. "Zug um Zug" als Beschreibung einer Handlungsmodalität muß immer einen konkreten Bezugspunkt haben. Als solcher Bezugspunkt kommt, auch nach dem weiten Leistungsbegriff, nur die eigentlich geschuldete (Haupt-)Leistung in Betracht. Die accidentalia, faßt man sie unter den Leistungsbegriff oder auch nicht, können immer nur mittelbar, d. h. über das Schuldverhältnis insgesamt, auf die Leistung Zug um 11 Esser / Schmidt, Bd. 1/1, § 4 I (S. 37); so auch Wolf, AcP 153 (1954) 113 f.; Fikentscher, S. 28 ff. U So die wohl h. M.; vgl. Seherner, JZ 71,533 m. w. N.

13 So z. B. in folgenden Fällen: Übereignung eines Grundstücks und Kaufpreiszahlung; neben der Übergabe und Übereignung geschuldete Beschaffung des Kaufgegenstandes und Kaufpreiszahlung: Entladung von Schiffsfracht und Frachtzahlung u. ä. m. 14 Statt vieler Staudinger / Kaduk, § 274 Rdnr. 1; ferner Planck / Siber, § 274 Anm. 1; Schlegelberger, S. 163; zurückhaltender Boethke, Gruchot 53 (1909) 317 u. Oertmann, § 274 Anm. 2. 16 Vgl. Leonhard, Bd. I, S. 344.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

Zug Einfluß nehmen. Sie werden daher vom Gleichzeitigkeitserfordernis nicht erfaßt. Erst recht bezieht es sich nicht auf Vorarbeiten, die als solche nicht geschuldet werden, jedoch zur Bewirkung der geschuldeten Leistungshandlung erforderlich sind1'. Das Gleichzeitigkeitserfordernis beschränkt sich also auf den Austausch der geschuldeten Hauptleistung gegen die Hauptgegenleistung17 • So darf beispielsweise der Verkäufer, der sich den Kaufgegenstand erst selbst noch beschaffen muß, dies nicht mit dem Hinweis verweigern, der Käufer hätte sich seinerseits noch nicht um die Bereitstellung der für den Kaufpreis erforderlichen Barmittel gekümmert. Trotz dieser ersten Einschränkung ist die Gleichzeitigkeit mit ihrem Bezugspunkt "geschuldete Hauptleistung" immer noch auf einen komplexen Vorgang gerichtet, der sich oftmals mit dem zeitlichen Umfang des Gegenleistungsvorgangs nicht decken wird18 , womit die Möglichkeit zeitlichen Gleichlaufs von Leistung und Gegenleistung auszuscheiden scheint19 • Vergegenwärtigt man sich das dem "Zug um Zug"-Begriff essentielle finale Element, ist eine solche Kongruenz von Leistungs- und Gegenleistungsvorgang in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht erforderlich. Denn danach besteht das Gleichzeitigkeitserfordernis nicht um seiner selbst willen, sondern soll gewährleisten, daß der zur Leistung Zug um Zug verpflichtete Schuldner auch seinerseits die Gegenleistung erhä1t2°, vor allem die Gegenleistung als solche, d. h. in Natur und nicht lediglich ein Surrogat für diese. Eine unzweifelhafte finanzielle Bonität des Gläubigers kann daher niemals - etwa mit der Begründung, die Befriedigung eines Interesseanspruchs anstelle der Gegenleistung sei auf jeden Fall gesichert - die Aufgabe des Gleichzeitigkeitserfordernisses rechtfertigen. Dieses hat vielmehr von vornherein zu verhindern, daß der Schuldner eigene Vermögenswerte aus seinem Machtbereich entlassen und damit eine Einbuße erleiden muß, ohne die Gegenleistung des Gläubigers21 zu erhalten. So hat es letztlich zu genügen, wenn allein das tatsächliche und endgültige Aus-der-Hand-Geben von Leistungs- und Gegenleistungsgegenstand22 zur selben Zeit erfolgt. Wann die Beherrsch16 Zutreffend Adler, FS Zitelmann, S. 4 (anstatt von Vorarbeit spricht er von "Hilfsleistung Vgl. aber auch OLG Colmar, OLGRspr. 16 (1908) 131 (spricht von Vorarbeit, meint der Sache nach aber Vorleistung). 17 Nicht notwendigerweise "geschuldete", s. oben, Fn. 9. 18 s. oben, Fn. 13. 19 So ausdrücklich Planck / Siber, § 274 Anm. 1. Das von ihnen hierzu angeführte Beispiel "Geld gegen eine erst anzufertigende Sache" ist allerdings verfehlt, weil, wie sich bereits aus § 641 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt, der Werkunternehmer mit der Herstellung des Werkes vorleistungspflichtig ist (BGHZ 50, 175 [176] und h. M.) zumindest aber voranzugehen hat. Genauer dazu unten, 2.3.1.3. 20 Diese Sicherungsfunktion der Gleichzeitigkeit hat bereits das ROHG 20, 377 (378) betont. 21 Genauer zum Verhältnis Leistung und Gegenleistung s. unten, 3.1. U ).

-

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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barkeit der eigenen Leistung verloren und mithin das "Unterpfand" für den Erhalt der Gegenleistung aus der Hand gegeben wird, ist im jeweiligen Einzelfall gesondert zu entscheiden. Der gefundene Zeitpunkt stellt den Moment dar, in dem Gleichzeitigkeit gegeben sein muß, mag es auch nur Gleichzeitigkeit hinsichtlich eines Teils einer mehraktigen Leistungstätigkeit sein, sofern nur jede Seite sich mit der Vornahme dieses Leistungsaktes der Möglichkeit begeben hat, den Eintritt des mit ihrer Leistung erstrebten Erfolges stoppen zu können, ohne damit zugleich eine " Rückkehr " der Gegenleistung wieder in die Hände der Gegenseite zu bewirken23 • Der Zeitpunkt des wechselseitigen Erfolgseintritts24 ist für die Leistung Zug um Zug also völlig irrelevant25 • Legt man das dargestellte Gleichzeitigkeitsverständnis bei der Leistung Zug um Zug zugrunde, ergibt sich zwangsläufig, daß von Vorleistung nicht allein deshalb die Rede sein kann, weil Erfüllung auf der einen Seite eingetreten ist, während sie auf der anderen Seite - auch noch längere Zeit - aussteht. Vielmehr leistet der Schuldner dann vor, wenn er die in der Beherrschbarkeit seiner eigenen Leistung liegende Sicherheit endgültig aufgibt, ohne zugleich die entsprechende Sicherung auf den Erhalt der Gegenleistung zu erlangen. Nur die Tatsache nacheinander eintretender Erfüllung spricht also noch nicht für Vorleistung. Ein in diesem Sinne verstandenes, der Leistung Zug um Zug essentielles Gleichzeitigkeitserfordernis ist im praktischen Leben letztlich häufiger - auch ohne "Dehnung"26 - durchführbar, als dies allgemein angenommen wird. Dies sei zunächst anhand von zwei Beispielsfällen kurz aufgezeigt. 2.1.1. Beispiel a): Gleichzeitigkeit bei der Vbergabe einer Sache gegen Bezahlung Ist die übergabe einer Sache Zug um Zug gegen ihre Bezahlung geschuldet, und befindet sich jene bereits in den Räumen des Gläubigers, so ist damit noch lange nicht gesagt, daß der überbringende Schuldner sie damit bereits endgültig aus seiner Einflußsphäre entlassen und damit vorgeleistet hätte27 . Besitzt er die Sache noch, weil er sich der tat!! Auf das Aus-der-Hand-Geben stellt bereits ausdrücklich auch das OLG Hamburg, SeuffArch 63 (1908) Nr. 19 ab. - Vgl. im Französischen "de la main a la main" für "Zug um Zug". 23 Ohne den so definierten Zeitpunkt ausdrücklich zu nennen, geht von ihm auch Oertmann, ZRpfiBay 1 (1905) 52 f. bei der Lösung seiner Beispielsfälle aus. 24 Dies ist nicht notwendigerweise als wechselseitige "Erfüllung" i. S. d. § 362 Abs. 1 BGB zu verstehen, vgl. oben Fn. 9. 25 Wie sich aus den Protokollen zu § 373 BGB ergibt (s. Mugdan, Bd. II, S. 549), waren die Gesetzesverfasser bereits dieser Meinung. - Ausdrücklich a. M. Planck I Siber, § 274 Anm. 1 a. A. 28 Planck I Siber, § 274 Anm. 1 a. A. %7 Vgl. die insoweit zutreffenden Ausführungen des OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr. 269.

30esterle

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Fonn der Leistungs'bewirkung

sächlichen Gewalt über sie noch nicht begeben hat (§ 856 Abs. 1 BGB), oder wenn er den Besitz zwar bereits verloren hat, er die Sache jedoch gemäß §§ 859 Abs. 2, 858 Abs. 1 BGB wieder an sich bringen kann, da die Gegenleistung nicht sofort bewirkt wird und ihm damit der Besitz gegen seinen Willen entzogen wurde 28, dann erfolgt eine erst nach Verbringung der Sache in die Räume des Gläubigers geleistete Zahlung immer noch gleichzeitig mit der übergabe. .

2.1.2. Beispiel b): Gleichzeitigkeit beim Grundstückskauf Auch beim Grundstückskauf können dei beiderseitigen Leistungen ohne weiteres gleichzeitig vorgenommen werden. Dies wäre nur dann regelmäßig nicht möglich, wenn man wie Planck / Siber, auf den beiderseitigen Erfolgseintritt abstellen wollte21'. Denn eine gleichzeitig mit der Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch stattfindende übereignung des Kaufpreises ist meist nicht durchführbar30, da der Eintragungszeitpunkt der Parteidisposition entzogen ist. Nach dem Gesagten kommt es darauf aber auch gar nicht an, und es ist demgegenüber nur zu fragen, mit welchem Teilakt der als Leistung Zug um Zug geschuldeten Eigentumsübertragung der Erwerber die volle Sicherheit erhält, das Grundstückseigentum in der ihm geschuldeten Form (z. B. frei von Belastungen31) tatsächlich, wenn auch u. U. erheblich später als der Verkäufer den Kaufpreis, zu erlangen. Gleichzeitig mit diesem Teilakt hat - aber auch nur dann - der Erwerber seine Zug um Zug zu bewirkende (Augenblicks-) Leistung, die Kaufpreiszahlung, zu erbringen. Er hat beispielsweise in dem Augenblick zu zahlen, in dem er die Auflassungsurkunde (§§ 20, 29 Abs. 1 Satz 1 GBO) erhält bzw. schon erhalten hat, und er selbst nach Durchsicht der Grundbuchakten - den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt gestellt hat bzw. stellt. Allein gegen Auflassung des Grundstücks muß der Erwerber den Kaufpreis noch nicht entrichten32, da er in diesem Zeitpunkt noch nicht die Gewißheit haben kann, daß sein Eigentumserwerb nicht durch weitere Verfügungen des Veräußerers beeinträchtigt werden wird. Diese Gewißheit hat er erst, wenn er den Ein28 So zu Recht RG, JW 08,199 Nr. 13; Boethke, Gruchot 53 (1909) 317; Senckpiehl, EE 25 (1909) 204 f. 29 § 274 Anm. 1, allerdings in sich widersprüchlich hinsichtlich des Grundstückskaufs (S. 176 a. E.: Nur ausnahmsweise Zahlung Zug um Zug gegen Auflassung, ansonsten Zahlung Zug um Zug "gegen Benachrichtigung von der Eintragung", und S. 177 a. A.: ... führt zur Eintragung des Käufers "und damit zur Vorleistung").

30 Bei entsprechender Parteivereinbarung ggf. anders in Baden-Württemberg, da dort die Bezirksnotare zugleich Grundbuchbeamte sind (§ 29 Abs. 1 LFGG-BW). Damit kann durch ihre Vermittlung eine gleichzeitige Zahlung erfolgen. 31 Zu einem solchen Fall vgl. RG, DJZ 02, 436. S2 Davon geht aber das RG, DJZ 02, 436 offenbar aus; ebenso Schlegelberger, S. 164; Leonhard, Bd. I, S. 344.

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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tragungsantrag stellt und sich dabei überzeugen kann, daß sich keine seinem Antrag vorgängigen Anträge in den Grundbuchakten befinden, und daß keine Eintragungshindernisse bestehen, die die Zurückweisung des Antrags rechtfertigen könnten33 • Andererseits ist der Veräußerer in diesem Stadium immer noch in der Lage, den Eigentumserwerb bei Ausbleiben der Gegenleistung (und nur dann) durch ein gegen den Käufer gerichtetes, gerichtliches Erwerbsverbot3 4 zu verhindern35 • Bei der Zug um Zug zu erbringenden Eigentumsübertragung von Grundstücken besteht also auch ohne weitere Parteivereinbarung die grundsätzliche Möglichkeit, die Gleichzeitigkeit im hier dargestellten Sinne zu wahren36 • Anstatt sie wahrzunehmen, ist es allerdings in der Praxis vielgeübter Brauch, den gleichzeitigen Leistungsaustausch in der Weise durchzuführen, daß die beiderseits entscheidenden Leistungshandlungen (Stellung des Eintragungsantrags und Aushändigung der Gegenleistung) auf einen unabhängigen Dritten, insbesondere einen Notar, übertragen werden. Das bedarf aber regelmäßig der vertraglichen Vereinbarung und kann nicht ohne weiteres der Leistung Zug um Zug als solcher entnommen werden, zumindest nicht solange Gleichzeitigkeit auch ohne diese gesetzlich nicht vorgesehene Modifikation möglich ist3 7 • 2.2. Scl1wierigkeiten bei der Durcl1führung des Gleicl1zeitigkeitserfordernisses; insbesondere unter Berücksicl1tigung des Leistungsorts von Leistung und Gegenleistung

Nun ist allerdings zuzugeben, daß auch ein im dargestellten Sinne gleichzeitiger Leistungsaustausch für die Beteiligten nicht selten Unannehmlichkeiten mit sich bringt. So muß beim Distanzgeschäft beispielsweise der Verkäufer mit der Zusendung der Waren ohne besondere Vereinbarung ebensowenig vorangehen, wie dies der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises zu tun hat. Gleichzeitigkeit läßt sich hier nur 33 Regelmäßig wird ohnehin nur eine rangwahrende Zwischenverfügung des Grundbuchamts in Betracht kommen (vgl. § 18 GBO). 34 Dessen Zulässigkeit ist in st. Rspr. anerkannt; s. z. B. RGZ 117, 287 (290 f.); 120, 118 (119 f.). 35 Daß der Eintragungsantrag bereits gestellt ist, steht der Beachtlichkeit des Verbots nicht entgegen; vgl. KG, Rpfleger 62,177 f. m. w. N.; OLG Hamm, OLGZ 70, 438 (440 f.). 36 Die zunächst näherliegende Möglichkeit der Bezahlung erst nach erfolgtem Eigentumsübergang, aber gleichzeitig mit der übergabe des Grundstücks (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) würde den Verkäufer nicht ausreichend schützen. Er braucht das Grundstück dem Käufer als neuem Eigentümer zwar auch nicht nach § 985 BGB herauszugeben (§ 273 BGB oder § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen eines Rechts zum Besitz aufgrund seines ursprünglichen "Zug um Zug"Anspruchs aus dem Kaufvertrag, zu diesem Anspruch unten, Kap. V. 1.), dieser Schutz versagt jedoch gegenüber einem Dritten, der das Grundstück vom Käufer zu Eigentum übertragen erhalten hat, bzw. ist wertlos, wenn der Käufer das Grundstück bereits belastet hat. 37 Unklar insoweit Planck I Siber, § 274 Anm. 1.

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1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

erreichen, wenn eine Partei auf ihre Kosten38 zur anderen reist oder eine Transportperson mit der Ablieferung gegen Einziehung des Kaufpreises beauftragt39 • Da es nicht Sinn der Leistung Zug um Zug ist, lediglich gleichzeitig leisten zu dürfen, sondern nur dies zu müssen40 , kann der Schuldner, um derartige tatsächliche Schwierigkeiten zu vermeiden, ohne weiteres auch vorleisten41 • Dies ist bei einer "guten Adresse" sicherlich der wirtschaftlich sinnvolle und, da rechtlich frei von Bedenken42 , damit richtige Weg. Erscheint die Adresse für eine Vorleistung jedoch nicht vertrauenswürdig genug, dann ist die eigene Absicherung notgedrungen mit einem u. U. höheren Aufwand zu "bezahlen". Einen Tod muß eben auch der nur "Zug um Zug"-Verpflichtete bzw. derjenige, der Leistung Zug um Zug zu fordern hat, leiden. Niemals aber können lediglich praktische Schwierigkeiten, die mit einer gleichzeitigen Abwicklung verbunden sind, die Behauptung tatsächlicher Unmöglichkeit eines gleichzeitigen Leistungsaustausches rechtfertigen. Umgekehrt können solche praktischen Unannehmlichkeiten aber auch nicht die Änderung einer anderen, neben der Gleichzeitigkeit bestehenden Leistungsmodalität, der des Leistungsorts, begründen. Ist von der tatsächlichen Erschwerung gleichzeitiger Leistungsbewirkung die Rede, so geschieht dies häufig im Zusammenhang damit, daß die Leistungsorte von Leistung und Gegenleistung auseinanderfallen43 • Diese Erschwerung nimmt man nun teilweise zum Anlaß, um sich zu der Behauptung zu versteigen, die Leistung Zug um Zug könne per se nur einen 38

Leonhard, Bd. I, S. 344.

Vgl. RG, JW 25, 607 Nr. 11 und bereits OLG Braunschweig, SeuffArch 38 (1883) Nr. 245. - Inwieweit dem Käufer, wird ihm die Ware gegen Nachnahme übersandt, Vorleistung angesonnen wird (so die ganz h. M.; vgl. statt vieler OLG Kiel, OLGRsp 39 (1919) 170; Krug, LZ 13, 828; Palandt / Putzo, § 433 Anm. 5 a dd), und der Käufer sich deshalb ohne entsprechende Vereinbarung darauf nicht einzulassen braucht, kann richtigerweise nur im Einzelfall verbindlich entschieden werden (zur Frage, ob aufgrund bestimmter Handelsbräuche Kaufpreis und/oder Fracht grundsätzlich per Nachnahme erhoben werden können, s. Krug, Sp. 828 f.). Die Übersendung per Nachnahme kann eine zur Wahrung der Gleichzeitigkeit sachgerechte Leistungsmodalität immer dann sein (vgl. Leonhard, Bd. I, S. 234; Steininger, S. 50); wenn der Käufer mit Sicherheit davon ausgehen kann (s. oben, 2.1. [bei Fn. 20 ff.]), daß die Nachnahmesendung den geschuldeten Kaufgegenstand enthält; sei dies etwa weil er trotz Nachnahmezustellung eine ausreichende Prüfungsmöglichkeitder Kaufsache hat, oder weil, eine Prüfung aufgrund des konkreten Geschäfts überflüssig ist, oder weil die Prüfung bereits bei der Absendung erfolgt war (vgl. Planck / Siber, § 274 Anm. 1 a. E.). 40 So treffend schon OLG Hamburg, SeuffArch 49 (1894) Nr. 118; ferner Langheineken, S. 308; Planck / Siber, § 274 Anm. 1 und Werner, Recht 02, 339. 41 Vgl. unten, 4. (bei Fn. 184). 42 s. auch unten, Kap. II!. 2.6.2.2. 43 Vgl. Z. B. Planck / Siber, § 274 Anm. 1; Staudinger / Ostler, § 433 Rdnr. 160 b. - Vgl. ferner das bereits im Text angeführte Beispiel. 88

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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gemeinsamen Leistungsort, einen für Leistung und Gegenleistung einheitlichen Austauschort, haben 44 • Die Richtigkeit dieser Behauptung soll sich - so das OLG Köln45 - "mit naturgesetzlicher Notwendigkeit" aus dem Wesen der Leistung Zug um Zug ergeben. Ganz dementsprechend nimmt das OLG München46 an, daß ein einheitlicher Leistungsort auch dann gegeben sei, wenn die Parteien ausdrücklich eine andere Verein,.. barung getroffen haben. Da die Annahme nur eines möglichen Leistungsorts aber keineswegs eine "naturgesetzliche Notwendigkeit" ist, steht sie unbewiesen und unbeweisbar im Raum. Ganz abgesehen von ihren untragbaren tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen, die bereits Oertmann47 treffend darstellte, und die er mit Fug und Recht als widersinnig 44 So insbesondere OLG Königsberg, OLGRsp 33 (1916) 24; OLG München, OLGRsp 41 (1921) 245; RGRK I Alff, § 269 Rdnr. 17; ferner RG, SeuffArch 46 (1891) Nr. 37; OLG Frankfurt, OLGRsp 17 (1908) 309 (311); Erman I Sirp, § 269 Rdnr. 12; Sebode, DGVZ 58, 36; Stein I Jonas I Pohle, § 29 Anm. IV 3; Zöller / Vollkommer, § 29 Anm. 7 c, Stichwort "Zug-um-Zug-Leistung" ("Regel") und wohl auch Baumbach / Lauterbach I Hartmann, § 29 Anm. 3 A u. B. - Aber auch all jene, die für die Durchführung der Wandlung einen einheitlichen Austauschort annehmen und die Begründung dafür der Leistung Zug um Zug entnehmen, so etwa RGZ 55, 105 (112); JW 04, 177 Nr. 21; OLG Celle, SeuffArch 54 (1899) Nr. 80; OLG Köln, Recht 01, 178; OLG Breslau, OLGRsp 6 (1903) 380 f.; OLG Stuttgart, OLGRsp 6 (1903) 381 f.; OLG Celle, OLGRsp 17 (1908) 308f.; OLG Nürnberg, LZ 19, 1281; Dernburg, Bd. II/2, § 186 III 4 (S. 88); Neumann, § 467 Anm. 1; RGRK I Mezger, § 467 Rdnr. 12; vgl. auch OLG Celle, SJZ 48, 764 ff. Die Ausführungen der Genannten sind einer der vielen Belege für die in der Einl. (bei Fn. 21) getroffene Feststellung, daß anhand eines Einzelfalls (Wandlung) ein Einzelproblem der Leistung Zug um Zug (Leistungsort) vordergründig allgemein für diese Art der Leistung "gelöst" wird. In Wahrheit geht es all diesen Äußerungen letztlich nur darum, den Käufer, der die Wandlurig ja nicht "verschuldet" hat, möglichst weitgehend zu schützen und zugleich die mangelhafte Vertragserfüllung des Verkäufers zu sanktionieren; vgl. ganz deutlich OLG Königsberg; ferner OLG Karlsruhe, MDR 70, 587 (588 a. E.). Die Behauptung, die Leistung Zug um Zug vertrage nur einen Austauschort, stellt sich damit im Grunde genommen als das Vehikel dar, das zum gewollten Ergebnis führen soll. Die Fragwürdigkeit, ja Willkür der Argumentation aufgrund der Natur der Leistung Zug um Zug betonen insbesondere LG Krefeld, MDR 77, 1018 f.; Bötticher, SJZ 48, 767; Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 50 und Stau dinger I Honsell, 12. Aufl., § 465 Rdnr. 19. - Wie wenig ernst die Rspr. genommen werden kann, möglicherweise auch genommen werden will, beweist sie mit aller Deutlichkeit dadurch, daß sie in anderen Einzelfällen einer Leistung Zug um Zug ohne weiteres unterschiedliche Leistungsorte annimmt, ohne allerdings ihre Begründung des einheitlichen Austauschorts bei der Wandlung aufzugeben, vgl. RGZ 65, 329 (332: "Daß bei gegenseitigen Verträgen Erfüllungsort fürbeide Teile ein verschiedener sein kann, ist anerkannten Rechtens."); ferner 49, 421 (424); 70, 198 (199); 90, 162 (163); 140, 67 (69); KG, SeuffArch 74 (1919) Nr. 1, und das OLG Hamburg, OLGRsp 33 (1916) 23 f. bringt es zuwege, in einer Entscheidung beide Auffassungen zu vertreten. - Zum ganzen grundlegend Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 47 ff. m. w. N. und ders., § 269 Anm. 1 b ßm. w. N. 45 Recht 01,178; ebenso Sebode, DGVZ 58, 36: "Es liegt in der Natur der Zugum-Zug-Leistung, daß sie nur an einem Ort erfüllt werden kann." 40 OLGRsp 41 (1921) 245. 47 Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 50 ff.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

bezeichnet hat, gibt nämlich die Dogmatik der Leistung Zug um Zug für sich genommen nichts zur Rechtfertigung dieser Annahme her. Ebenso wie der Leistungsort in seiner unmittelbaren rechtlichen Bedeutung nur eine Modalität der Leistungserbringung, deren räumlichen Koeffizienten48 , bildet, beinhaltet auch die "Zug um Zug"-Bestimmung ausschließlich eine Modalität der Leistungsbewirkung, deren zeitlichen Koeffizienten49 • So wenig der Leistungsort etwas über die Zeit der Leistungsbewirkung bestimmt, kann dies umgekehrt das Gleichzeitigkeitserfordernis hinsichtlich des Leistungsorts tun. Auseinanderfallende Leistungsorte und die Leistung Zug um Zug verhielten sich allein dann perplex zueinander, wenn der Schuldner nicht entsprechend seiner Verpflichtung leisten könnte, oder wenn er, um an seinem Leistungsort leisten zu können, zwangsläufig ein Recht des Gläubigers, die Leistung nur Zug um Zug und nicht schlechthin zu erhalten, verletzten müßte. Daß letzteres nicht der Fall sein kann, wurde bereits gesagt. Der Gläubiger hat zwar nur Leistung Zug um Zug zu beanspruchen, was den Schuldner aber nicht hindert, seine Leistung auch schlechthin zu erbringen. Der Schuldner kann aber ebenso gut, will er nicht auf den Schutz des Gleichzeitigkeitserfordernisses verzichten, von seinem Recht, nur an seinem Leistungsort leisten zu müssen, Abstand nehmen und seine Leistung beim Gläubiger Zug um Zug gegen den Erhalt der Gegenleistung anbieten und damit zugleich die Gegenleistung einfordern50 • Will der Schuldner aber weder das eine noch das andere tun, stellt er sich also auf den Standpunkt: "Ich leiste, wo ich leisten muß, nämlich an meinem Leistungsort; und ich leiste, wann ich leisten muß, nämlich gleichzeitig mit der Gegenleistung", so hindert ihn nichts und niemand daran, eben dies zu tun. Nimmt der Gläubiger hinsichtlich der Gegenleistung denselben Standpunkt ein, dann kommt es, ohne daß auch nur ein Teil in Verzug geraten würde, zu überhaupt keiner Leistung51 • Diese Situation mag man für unbefriedigend halten, weil fällige Ansprüche nicht reguliert werden, aber ihre rechtliche Unmöglichkeit wird doch niemand behaupten wollen. Ist sie aber juristisch möglich, dann kann sie nicht dazu führen, daß von Rechts wegen der "eigentliche" Leistungsort zugunsten der Gleichzeitigkeit oder umgekehrt52 aufzugeben wäre. Hat jedoch nur eine Seite ihr Interesse an der Gegenleistung nicht verloren, dann wird sie, stellt sie ihr Sicherungsbedürfnis in den VorderStaudinger / Werner, § 269 Rdnr. 4. Werner, Recht 02, 340 und für das Gemeine und Preußische Recht so schon Westerburg, Gruchot 25 (1881) 56 Fn. 21. 50 Planck / Siber, § 274 Anm. 1. 51 Planck / Siber, § 274 Anm. 1. 52 Wie, wenn nicht willkürlich, sollte entschieden werden, welche der Leistungsmodalitäten zu ändern wäre und zu wessen Lasten die Änderung gehen sollte. 48 49

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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grund, ihre Leistung an den Gegenleistungsort bringen und dort Zug um Zug die Gegenleistung verlangen53 • Tatsächliche Gleichzeitigkeit ist demnach bei divergierenden Leistungsorten ebensogut oder ebensowenig zu erreichen, wie bei einem für Leistung und Gegenleistung einheitlichen Leistungsort, wenn auch u. U. nur unter Inkaufnahme über obligationsmäßiger Anspannung eines Beteiligten54 . Daß der Schuldner dem Gesagten zufolge häufig tatsächlich am Gegenleistungsort leisten wird, erlaubt also nicht den Schluß auf einen materiellrechtlich notwendig einheitlichen Leistungsort, "denn Leistungsort ist nicht der Ort, an dem der Schuldner leisten darf und im Interesse sicherer Durchsetzung eines Gegenanspruchs gut tut zu leisten, sondern der Ort, an dem er zu leisten verpflichtet ist"55. Einen allgemeinen Satz, daß mit der Leistung Zug um Zug nur ein einheitlicher Austauschort verträglich sei, kann es demnach nicht geben56 • Anzumerken bleibt noch, daß unterschiedliche Leistungsorte bei der Leistung Zug um Zug bei weitem nicht so häufig sind, wie es dies auf den ersten Blick den Anschein haben mag. So gibt es in all den Fällen, in denen die Gegenleistung gar nicht geschuldet wird57 , naturgemäß nur einen Leistungsort, den der Leistung Zug um Zug. Ferner scheiden alle Fälle aus, in denen sich eine Bring- und eine Holschuld gegenüberstehen, auch hier gibt es regelmäßig nur einen Leistungsort. Handelt es sich um eine Schick- und eine Holschuld5B , bestehen zwar unterschiedliche Leistungsorte. Für den Verpflichteten der Schickschuld stellt die Verbringung des Leistungsgegenstandes zum Gläubiger jedoch keine überobligationsmäßige Belastung dar. Um Gleichzeitigkeit zu wahren, muß er zusätzlich zu seiner ohnehin bestehenden Schuld lediglich dafür Sorge tragen, daß der Leistungsgegenstand am Bestimmungsort nicht ohne 53 So bereits Staub, Exkurs zu § 372 Anm. 7 und im Anschluß an ihn Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 53; Planck / Siber, § 274 Anm. 1; Staudinger / Ostler, § 433 Rdnr. 160 b (unverständlicherweise enthält die Kommentierung von Köhler in der 12. Auf!. nichts mehr zu dieser Frage).

54 Vgl. auch RG, JW 25, 607 Nr. 11; OLG Braunschweig, SeuffArch 38 (1883) Nr.245. 55 Planck / Siber, § 274 Anm. 1; vgl. ferner schon RGZ 49, 72 (73). 5B SO auch OLG Hamburg, SeuffArch 49 (1894) Nr. 118; KG, OLGRsp 6 (1903) 379 f.; OLG Hamm, JMBI NRW 51,248 m. w. N.; LG Krefeld, MDR 77, 1018 f.; Bötticher, SJZ 48, 767; Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 52; Planck / Siber, § 274 Anm. 1 und § 269 Anm. 1 b y, 2; Seuffert / Walsmann, § 29 Anm. 6; Staub, Exkurs zu § 372 Anm. 7; Staud;inger / Honsell, 12. Aufl., § 465 Rdnr. 19; Staudinger / Ostler, § 433 Rdnr. 159, 160 b; Staudinger / Werner, § 269 Rdnr. 23 m. w. N.; Steininger, S. 48 f.; Weismann, ZZP 17 (1892) 30 Fn. 24 a. E.; Werner, Recht 02, 340; Westerburg, Gruchot 25 (1881) 56 Fn. 21; Wieczorek, § 29 Anm. B IIb 2. 57 s. unten, 3.1. 5B SO im Normalfall der Umsatzgeschäfte, s. § 270 Abs. 1 BGB; vgl. auch LG Krefeld, MDR 77, 1019.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewil"kung

Erhalt der Gegenleistung abgeliefert wird. Schließlich wird oft aufgrund von Gesichtspunkten, die außerhalb der Leistung Zug um Zug als solcher liegen und nur aus der Natur des Schuldverhältnisses (§ 269 Abs. 1 BGB) folgen, ein einheitlicher Austauschort zu gewinnen sein59 • In dieser Weise mag man beispielsweise für die Wandlung zu einem Austauschort gelangen können60 • Ob dies von der Sache her zu Recht geschehen kann, braucht hier nicht zu interessieren. Wichtig ist allein festzuhalten, daß auch bei der Leistung Zug um Zug in jedem Einzelfall die Leistungsorte für Leistung und Gegenleistung nach den allgemeinen Regeln festzustellen sind. Ergeben sich danach verschiedene Leistungsorte, so ändert daran auch die Pflicht nichts, nur Zug um Zug leisten zu müssen81 • 2.3. Undurchführbarkeit des Gleichzeitigkeitserfordernisses

Neben einem scheinbar unmöglichen, in Wahrheit aber nur unbequemen gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung ist auch eine Reihe von Fällen denkbar, in denen ein zeitlicher Gleichlauf im hier verstandenen Sinne aufgrund realer Umstände in der Tat nicht erzielt werden kann. Lebenssachverhalte, in denen dies der Fall ist, lassen sich nicht im einzelnen, geschweige denn abschließend aufführen. Ihnen ist als gemeinsames, abstraktes Merkmal regelmäßig der Umstand zu eigen, daß das Aus-der-Hand-Geben selbst einen längeren Zeitraum beansprucht, in dem die Leistung dem Empfänger kontinuierlich, aber soweit geschehen schon endgültig zuwächst, während dies bei der Gegenleistung augenblicklich, jedenfalls aber rascher vonstatten geht82 • Der Austausch 50 Etwa aufgrund des "objektiven Schwerpunkts des Schuldverhältnisses" oder des "hypothetischen Parteiwillens", vgl. Larenz, Bd. I, § 14 IV b (S. 162) Fn. 2 m. w. N. und Staudinger I Werner, § 269 Rdnr. 23. 80 So im Ergebnis offenbar BGH, NJW 62, 739 Nr. 13 (LS c). Allgemein dazu s. Bötticher, SJZ 48, 738 ff.; Oertmann, ZRpfIBay 1 (1905) 50; Staudinger I Honselt, 12. Aufl., § 465 Rdnr. 19; Staudinger I Ostler, § 465 Rdnr. 27 f. m. w. N.; Werner, Recht 02, 339 f. 81 Es gibt, soweit ich sehe, nur einen einzigen theoretisch und abstrakt denkbaren Fall, in welchem wegen unterschiedlicher Leistungsorte Gleichzeitigkeit effektiv nicht zu erzielen ist. Ein solcher Fall wäre dann anzunehmen, wenn sowohl die Leistungs- als auch die Gegenleistungshandlung derart mit ihrem jeweiligen Leistungsort verknüpft sind, daß die nicht dort erfolgte Leistungshandlung nicht mehr den geschuldeten Leistungserfolg herbeiführen würde. Ein einheitlicher Austauschort als Leistungsort könnte hier natürlich auch nicht zur Gleichzeitigkeit verhelfen. Ein solcher Fall müßte nach dem im folgenden Abschnitt 2.3. zu Sagenden behandelt werden. 81 Vgl. hierzu etwa das Beispiel von Boethke, Gruchot 53 (1909) 318 f. Geradezu typischerweise findet sich diese Konstellation etwa in den Fällen der §§ 435 Abs. 1 Satz 1; 448; 614 Abs. 2; 653; 688 Abs. 2 HGB und § 75 Abs. 1 EVO; vgl. Schaps I Abraham, § 653 Anm. 1 und im einzelnen zu diesen Bestimmungen unten Kap. IV. 2.5.3., 2.9. § 614 Abs. 2 HGB als einer Fälle, in denen ein gleichzeitiger Austausch von Leistung (Auslieferung) und Gegenleistung (Frachtzahlung) regelmäßig nicht möglich ist, sollte nach den Vorstellungen des Seerechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht denn auch geändert werden. Danach wollte man zwar nicht soweit wie das holländische HGB

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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von Leistung und Gegenleistung ist damit im maßgeblichen Zeitpunkt objektiv nicht gleichzeitg zu bewerkstelligen. Gleichzeitigkeit ist auch dann generell nicht zu erzielen, wenn nur eine der beiden Leistungen in einer Unterlassung besteht. Jede Nichtvornahme der zu unterlassenden Tätigkeit führt zumindest teilweise den Leistungserfolg unmittelbar und endgültig herbei. Bei der Unterlassungsleistung gibt es daher keinen zwischen Nichtleistung und Erfüllung geschalteten Moment, der dem Aus-der-Hand-Geben der gegenständlichen Leistung entsprechen würde. Ein für das Gleichzeitigkeitserfordernis relevanter Anknüpfungspunkt ist deshalb nicht zu finden63 • Bevor in solchen Fällen am Gleichzeitigkeitserfordernis - wenn überhaupt - "gedreht" werden darf, ist zunächst - was mitunter übersehen wird64 - die materielle Rechtslage genau daraufhin zu untersuchen, ob sie tatsächlich noch eine Leistung Zug um Zug begründet. So kann zum einen etwa die ergänzende Auslegung eines gegenseitigen Vertrages ergeben, daß, eben weil die dispositive gesetzliche Regelung des § 320 BGB wegen praktisch nicht realisierbarer Gleichzeitigkeit der Interessenlage des Vertrages nicht gerecht wird65 , ein Vertragsteil mit seiner Leistung voranzugehen hat66 • Zum anderen zieht mitunter das Gesetz selbst die Konsequenz aus einem - manchmal nur vermeintlich - nicht zu wahrenden Gleichzeitigkeitserfordernis, in dem es ausdrücklich die Vor.,. leistung eines Teils anordnet67 •

gehen und den Verfrachter zur Vorleistung verpflichten, wohl aber wollte man dem Empfänger das Recht auf Auslieferung gegen Sicherheitsleistung geben (zur Leistung gegen Sicherheitsleistung allgemein s. unten, Kap. IH. 2.5.); s. Lindenmaier, JbAkDR 6/7 (1939/40) 136 f. Vgl. dazu auch Segelken, HansRGZ 22 (1939) 289 ff., dort auch zur Undurchführbarkeit der Gleichzeitigkeit bei § 614 Abs. 2 HGB im einzelnen (Sp. 291) und genauer zur holländischen Regelung (Sp. 297 ff.). Segelken selbst befürwortet die Vorleistungspflicht des Verfrachters, wobei diesem jedoch das Pfandrecht nach § 62a HGB verbleiben soll, und er zudem das Recht haben soll, vor Beginn der Ablieferung Sicherheitsleistung wegen seiner Frachtforderung usw. zu verlangen. 63 Die im übrigen umfassenden Ausführungen zur Unterlassungspflicht innerhalb der §§ 273 und 320 BGB von Lehmann, S. 305 ff. enthalten über die Durchführung der Leistung Zug um Zug in diesem Fall leider nichts; s. auch unten, Kap. IH. Fn. 132. 14 Vgl. Planck / Siber, § 274 Anm. 1. 65 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 287. B8 Vgl. dazu Partsch, S. 59 ff. für den Handelsverkehr; ferner Segelken, HansRGZ 22 (1939) 295 f. 67 Vgl. Gabius, NJW 71, 868 f., der aber zu teilweise unzutreffenden Aussagen gelangt, da er sich nicht mit der Gleichzeitigkeit als solcher befaßt hat; ferner Cosack / Mitteis, Bd. I, S. 371 f.

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1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

2.3.1. Vom Gesetz gezogene Konsequenz der Undurchführbarkeit, dargestellt anhand von drei Fällen

2.3.1.1. Fall a): Der Dienstvertrag Beim Dienstvertrag gibt der Dienstverpflichtete mit jedem Zeitab~ schnitt, in dem er die versprochenen Dienste versieht, seine Leistung vollständig aus der Hand, während der Dienstherr mit der Vergütung nur eine Augenblicksleistung schuldet. Gleichzeitigkeit im hier dargestellten Sinne ist damit denknotwendig unmöglich. Folgerichtig weicht das Gesetz von der ansonsten auch für den Dienstvertrag als gegenseitigen Vertrag~8 geltenden Regel der Leistung Zug um ZU~9 ab, und ordnet in § 614 Satz 1 BGB die Vorleistung des Dienstverpflichteten an70 • 2.3.1.2. Fall b): Der Miet- und Pachtvertrag Für den Miet- und Pachtvertrag könnte man zunächst meinen, müsse dasselbe wie beim Dienstvertrag gelten. So denn auch § 551 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Vermieter vorleistungspflichtig ist7 1 • Diese Abweichung vom Grundsatz der Leistung Zug um Zug wäre jedoch nur dann in dieser generellen Weise notwendig gewesen, wenn beim Mietvertrag ebenso wie beim Dienstvertrag ein gleichzeitiger Leistungsaustausch undenkbar sein sollte72 • Während der Dienstherr, der die Vergütung bei Aufnahme der Dienstverrichtung erbringt, niemals die Gewißheit haben kann, daß jene auch fortgesetzt wird, mithin in diesem Zeitpunkt nicht gleichzeitig leistet, sondern vorleistet, hat der Mieter diese Gewißheit dann, wenn ihm der Besitz der Mietsache unter völligem Ausschluß des Vermieters eingeräumt wird, und ihm der Gebrauch der Mietsache für die gesamte Mietzeit ohne weitere Mitwirkung des Vermieters möglich ist. Hier sei nur der alltägliche Fall der Vermietung eines Kraftfahrzeuges angezogen. Hat der Vermieter das Kraftfahrzeug dem Mieter in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch tauglichen Zustand einmal ausgehändigt, ist die Beherrschbarkeit seiner eigenen Leistung für ihn verloren und der Mieter hat die Sicherheit erlangt, daß ihm das Fahrzeug für die Dauer der Mietzeit tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Gegenüber einer es Auch der Arbeitsvertrag gehört als Unterfall des Dienstvertrages dazu, h. M., Nachw. bei Neumann-Duesberg, Betr 69,262 Fn. 17 f. ~g Hier und im folgenden kann die Rechtsnatur dieser Regel zunächst einmal dahingestellt bleiben; ausführlich dazu unten, Kap. V. 1. 70 Das BGB folgte damit dem schon bislang geltenden Recht, wonach bei Vorleistung die Individual- der Geldleistung voranzugehen hatte; vgl. Mugdan, Bd. II, S. 222, 256 f. (Mot.) m. w. N.; ferner Gabius, NJW 71, 868 f. 7'1 s. oben, Fn. 70. Abweichend davon ist im praktischen Leben allein üblich, daß der Mietzins zu Beginn der Mietzeit bzw. des jeweiligen -abschnitts zu entrichten ist (so auch die Formularmietverträge, vgl, § 3 MMV u. § 4 DEMV). 7! So Planck / Siber, § 274 Anm. 1.

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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Besitzstörung durch den Vermieter stünde dem Mieter das Selbsthilferecht des § 859 Abs. 1 bzw. 2 BGB zu. Nicht anders verhält es sich bei der Grundstücks- und Raummiete, wenn der Mieter unabhängig vom Vermieter dauernde Gebrauchsmöglichkeit hat. Sachgerechter, da dem Wesen des Mietvertrags als einem gegenseitigen Vertrag mehr entsprechend und auch praktisch durchführbar, ist hier das gleichzeitige übergeben von Mietsache einerseits und Mietzins andererseits. Für diese Fälle hätte es entgegen § 551 BGB bei der allgemeinen Regel der Leistung Zug um Zug bleiben können und sollen73 • Die sachliche Gebotenheit von § 551 BGB beschränkt sich auf jene Fälle, in denen die Mietsache überhaupt nur unter der Voraussetzung dauernder Pflichtenanspannung des Vermieters durch den Mieter vertragsmäßig gebraucht werden kann. Beispielsweise dann, wenn die Mietsache nur durch das Betreten von Räumlichkeiten des Vermieters, an denen dem Mieter kein Mitbesitz eingeräumt wurde, zugänglich ist. Hier scheidet wie beim Dienstvertrag die Möglichkeit gleichzeitigen Austausches regelmäßig aus. Ein Teil hat notwendigerweise vorzuleisten. Insoweit hat § 551 BGB durchaus Regelungsbedürftiges entschieden74 • 2.3.1.3. Fall c): Der Werkvertrag Beim Werkvertrag nimmt die h. M. an, aus §§ 641 Abs. 1 Satz p5 und 646 BGB folge, daß der Unternehmer mit der Herstellung des Werkes vorzuleisten hätte und nur dessen Ablieferung Zug um Zug gegen Abnahme und Vergütung erfolge 711 • Damit behauptet sie eine Spaltung der einheitlichen77 Leistungspflicht des Unternehmers in eine Vorleistungspflicht und eine Verpflichtung zur Leistung Zug um ZugiB. Sie gibt für die erste allerdings nicht an, worin die Vorleistung eigentlich liegen soll, denn der Unternehmer hat allein mit Werkerrichtung seine Leistung noch nicht aus der Hand gegeben79 , noch hat er - stellt man für die Vorleistung auf den Umstand nacheinander eintretender Erfüllung ab 73 Die übliche Vereinbarung der "Vorauszahlung" des Mietzinses (s. oben, Fn. 71) ist insoweit also nicht eine Vorleistungsvereinbarung zu Lasten des Mieters, sondern stellt nur den ohne § 551 BGB gegebenen Rechtszustand wieder her. - A. M. etwa Gabius, NJW 71, 868 f. 74 Nur (s. oben, Fn. 73) in diesen Fällen beinhaltet eine § 551 BGB gegenläufige Individualvereinbarung eine Vorleistungspflicht des Mieters im eigentlichen Sinne. 75 Vgl. dazu neuestens Böggering, JuS 78, 512 ff. (insbes. 517 f.). 78 BGHZ 50, 175 (176); Boethke, Gruchot 53 (1909) 314, ders., EE 24 (1908) 302; Erman / Seiler, § 641 Rdnr. 5; Oertmann, § 641 Anm. 1 a; Palandt / Thomas, § 641 Anm. 1 b; Planck / Oegg, § 641 Anm. 2 m. w. N. zur Rspr.; Soergel/ Ballerstedt, § 641 Rdnr. 1; ferner Mugdan, Bd. 11,. S. 275 (Mot.). - A. M. OLG Celle, OLGRsp 22 (1911) 311 (31'2: keine "Zug um Zug"-Leistung aufgrund § 641 BGB). 77 Vgl. Adler, FS Zitelmann, S. 5. 78 So ausdrücklich Mugdan, Bd. 11, S. 275 (Mot.); ebenso BGH, JR 74, 66 (67). 79 s. oben, 2.1. (bei Fn. 20 ff.).

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1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Fonn der Leistungsbewirkung

- den geschuldeten Erfolg bereits herbeigeführt. Für die zweite, die Verpflichtun zur Leistung Zug um Zug, kann die h. M. im Gesetz keine tragende Stütze finden. § 641 BGB setzt nämlich nicht Leistung und Gegenleistung, sondern nur die dem Besteller obliegenden Pflichten (Abnahme und Zahlung) zueinander in Beziehung 80• Faßt man daher richtigerweise die gesamte vom Werkunternehmer geschuldete Leistung (Herstellung und Ablieferung) - wie dies der Natur des Werkvertrags als gegen.,.. seitigern Vertrag entspricht - als eine einheitliche "Zug um Zug"Leistungspflicht auf, so ergibt sich nach unserem Verständnis der Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug zwar rein "optisch" nichts anderes: mit der Ablieferung wird das Werk aus den Händen gegeben, erst und nur gleichzeitig damit hat also auch die Gegenleistung des Bestellers (Abnahme und Vergütung) zu erfolgen. Nur ist damit klargestellt, daß dann, wenn der Unternehmer auch Ablieferung des Werkes schuldet, er mit der Herstellung ebensowenig im Rechtssinne vorleistungspflichtig ist, wie es ein Verkäufer mit seiner Beschaffungspflicht ist, wenn er den verkauften Gegenstand selbst erst noch beibringen muß. Hieran ändert auch § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB nichts81 • Bedeutung erlangt § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB - obgleich bei seiner Fassung an diese Fälle offensichtlich gar nicht gedacht worden warB! - jedoch dann, wenn eine Ablieferung des Werkes überhaupt nicht nötig und möglich ist, also wenn der Unternehmer z. B. die Instandsetzung einer beim Besteller installierten Maschine oder die Errichtung eines Bauwerkes auf dem Grundstück des Bestellers schuldet. Jede zur Errichtung des geschuldeten Werkes vorgenommene Handlung kommt hier unmittelbar dem Besteller zugute, ohne daß sie bei Ausbleiben der Gegenleistung für den Unternehmer wieder rückholbar wäre. Hier ist es nicht anders als beim Dienstvertrag: Ein gleichzeitiger Leistungsaustausch ist zu einem beide Seiten gleichermaßen sichernden Zeitpunkt denknotwendig unmöglich, ein Teil muß zwangläufig vorleisten83 • Allein die Frage, wer in diesem Fall vorleistungspflichtig ist, bedurfte gesetzlicher Regelung, und wird - da "Abnahme" die Werkherstellung begrifflich voraussetzt - von § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend entschieden, daß der Unternehmer mit seiner gesamten Leistung voranzugehenhat.

Zutreffend OLG Celle, OLGRsp 22 (1911) 311 (312). Eine Vorleistungspflicht des Werkunternehmers sah dagegen § 644 des Entwurfs eines für die deutschen Bundesstaaten gemeinsamen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 vor. Danach sollte der Besteller erst nach Ablieferung den Werklohn entrichten müssen. 82 VgL Mugdan, Bd. H, S. 275 (Mot.). 83 Insoweit zutreffend Planck / Siber, § '274 Anm. 1. 80

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2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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2.3.2. Die Lösung des Konflikts zwischen rechtlichem Müssen und tatsächlichem Können, wenn das Gesetz der Undurchführbarkeit des Gleichzeitigkeitserfordernisses nicht per se Rechnung trägt Ungelöst sind allerdings nach wie vor diejenigen Fälle, in denen zum einen auch nach unserem Verständnis eine objektive, effektive Gleichzeitigkeit nicht zu erzielen ist, und in denen zum anderen das Gesetz dieser Tatsache aber nicht dadurch Rechnung trägt, daß es die Vorleistung eines Teils anordnet, sondern gleichwohl eine Leistung Zug um Zug begründet bzw. von einer solchen ausgeht. Zunächst sei allerdings nochmals darauf hingewiesen, daß die Frage, ob Gleichzeitigkeit zu wahren ist, nicht abstrakt für einzelne Normen, sondern immer nur im Einzelfall zu beantworten ist; mag es auch Bestimmungen geben, bei denen Gleichzeitigkeit aufgrund des von ihnen geregelten Lebenssachverhalts typischerweise nicht erreicht werden kann oder zumindest doch regelmäßig Schwierigkeiten bereitet84 • Solange beide Teile leistungsfähig und -willig sind, ist die Divergenz von tatsächlichem Können und rechtlichem Müssen, ebenso wie die bereits genannten rein realen Schwierigkeiten85, von nur theoretischer Bedeutung. Hier bereinigen übergeordnete wirtschaftliche Gesichtspunkte eine rechtlich zweifelhafte Situation, womit im Regelfall eine rechtliche Klärung i. S. v. "verbindlicher Streitentscheidung" entbehrlich ist. Die Beteiligten werden sich verständigenS8 und ihre Leistungen in der ökonomisch sinnvollsten Art und Weise erbringen, mag einer von ihnen damit auch vorleisten. Glaubt der zur Leistung Zug um Zug Verpflichtete, diese wirtschaftlichen Gesichtspunkte aus Sorge um den Erhalt der Gegenleistung aber hintenan stellen zu müssen und beharrt er deshalb ebenso wie sein Gläubiger hinsichtlich der Gegenleistung auf Gleichzeitigkeit des Leistungsaustausches, ist eine Lösung des Konflikts zwischen tatsächlichem Können und rechtlichem Müssen unumgänglich. Mit dem auch heute noch geltenden römisch-rechtlichen Grundsatz "impossibilium nulla est obligatio" läßt sich eine "Alles-oder-Nichts"Lösung, also Gleichzeitigkeit oder gar keine Leistung Zug um Zug, so84 s. oben, Fn. 62. Auffallend ist, daß die "unmögliche Gleichzeitigkeit" von der Rspr. u. der Lit. (s. die Nachw. in den folgenden Fn.) überhaupt nur in den dort genannten Einzelfällen, die insgesamt allein das Frachtgeschäft betreffen, ausführlicher behandelt wird. In der Rspr. und Lit. zur Leistung Zug um Zug innerhalb des BGB findet sich dazu nur wenig; zumeist begnügt man sich mit einem Hinweis auf § 242 BGB; vgl. etwa OLG Frankfurt, BB 78, 323 (324). 85 s. oben, 2.2. S8 Vgl. ROHG 20, 377 (378); OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr. 269; 63 (1908) Nr. 19; ferner RGRK / Ratz, HGB, § 435 Anm. 7; Schaps / Abraham, § 614 Anm. 15. - Die gütliche Einigung der Beteiligten als die Regel wird von Cohn, JW 09, 185 bestritten.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leis,tungsbewirkung

lange nicht rechtfertigen, als dem Zweck, der der Leistung Zug um Zug zugrunde liegt, auf anderem Wege als durch einen gleichzeitigen Leistungsaustausch Rechnung getragen werden kann87 • Eine gegenteilige Entscheidung hieße, dem Gleichzeitigkeitserfordernis einen reinen Selbstzweck zu unterstellen, womit seine sachliche Gebotenheit und damit seine Existenzberechtigung überhaupt in Frage gestellt wäre. Andererseits macht man es sich zu einfach, wenn man unter Berufung auf Treu und Glauben und die Verkehrssitte ohne weiteres einen zeitlichen Aufschub zugunsten der Leistung oder Gegenleistung akzeptiert88 • Zum einen führt dies dann regelmäßig zur uneingeschränkten Vorleistung eines Teiles und denaturiert somit die Leistung Zug um Zug. Dies würde ohne rechtfertigenden Grund geschehen, denn allein die Berufung auf Treu und Glauben kann keine so weitgehenden Folgen, wie die völlige Suspendierung der gegebenen Rechtslage und eine dieser diametralen Regelung bewirken89 • Zudem bliebe immer noch die Frage, zu wessen Lasten man nach Treu und Glauben eine Vorleistungspflicht anzunehmen hätte9o • Eine andere als willkürliche Antwort läßt sich hierauf nicht finden. Im übrigen ist auch die Verkehrssitte hierfür ein völlig unbrauchbares Kriterium. Da sich diese als tatsächliche, fortgesetzte und gleichmäßige übung91 vor allem, oft sogar ausschließlich, aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte ergibt92 , solche Gesichtspunkte in den hier interessierenden Fällen aber gerade zugunsten der eigenen Sicherheit zurücktreten sollen, führt die Heranziehung der Verkehrssitte in dieser Form zum Zirkelschluß93. Will man die der Leistung Zug um Zug wesentliche finale Komponente nicht ignorieren, muß eine Lösung gesucht werden, die ebenso wie das Gleichzeitigkeitserfordernis sicherstellt, daß der Leistungsgegenstand nicht von einem Teil endgültig aus der Hand gegeben wird, ohne daß zugleich der Erhalt der Gegenleistung gewährleistet ist. Dies reicht dann 87 A. M. beispielsweise Schoenenberg, S. 43 f.: für das ZUI'Ückbehaltungsrecht, worunter er aber nicht nur den Fall des § 273 BGB versteht; Steininger, S. 48: für § 320 BGB; wohl auch Warneyer, § 273 Anm. V; in dieser Richtung wohl auch OLG Frankfurt, BB 78, 323 (324). Ferner im Ergebnis die h. M. für die meisten UnterlassungsanspI'Üche im Rahmen des § 273 Abs. 1 BGB (s. unten, Kap. !Ir. Fn. 132); OLG Hamburg, SeuffArch 63 (1908) NI'. 19 für § 435 HGB; Düringer / Hachenburg I Bing, § 448 Anm. 1; Ritter, § 448 Anm. 2; Schlegelberger / Geßler, § 448 Rdnr. 4: alle für § 448 HGB; Schlegelberger / Liesecke, § 614 Rdnr. 15: für § 614 HGB (anders aber Rdnr. 17). 88 So etwa Planck / Siber, § 1274 Anm. 1; unklar Schlegelberger, S. 163 f. 89 Lehmann, JZ 52, 11 ("Man ... darf sich mit seiner [sc. § 242 BGB] Hilfe nicht über die gesetzlichen Grenzen hinwegsetzen, ... "). 90 Vgl. auch Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 51. 91 BGH, NJW 52, 257; OLG München, NJW 56,594. 92 So mag etwa Zahlungseingang innerhalb eines Monats durchaus verkehrsüblich sein, obgleich kein Zahlungsziel eingeräumt wurde. 93 Gegen die Berufung auf die Verkehrssitte auch Leonhard, Bd. I, S. 344.

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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aber auch schon aus. Eine der Gleichzeitigkeit adäquate Sicherung beider Seiten ist durch eine Änderung, insbesondere Ergänzung der Abwicklungsmodalitäten des Leistungsaustausches zu erreichenD4 • Wie eine solche Modifikation auszusehen hat, ist in der Tat unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu entscheiden. Denn hier soll gerade nicht eine inhaltliche Veränderung der geschuldeten Leistung, nämlich von der "Zug um Zug"-Leistungspflicht zur Vorleistungspflicht, begründet werden, sondern vielmehr nur die nähere Ausgestaltung eines nach wie vor fortbestehenden "Zug um Zug"-Austauschverhältnisses geregelt werden. Dies kann nicht in genereller Weise und nicht in Form eines Patentrezepts sondern nur im jeweiligen Einzelfall sachgerecht geschehen95 , und die hierfür maßgeblichen Kriterien sind allein aus § 242 BGB zu gewinnenU6 • Die Funktion des Gleichzeitigkeitserfordernisses kann beispielsweise durch die unwiderrufliche Anweisung eines unabhängigen Treuhänders (z. B. NotarD7 , Rechtsanwalt, Bankinstitut etc.), die in seine Verfügungsgewalt übergebene Leistung gegen Nachweis der erbrachten Gegenleistung auszuhändigen98 , adäquat übernommen werden. Diese Form der Hinterlegung ist für unsere Zwecke völlig genügend, so daß die Frage, ob § 242 BGB ein zusätzlicher gesetzlicher Hinterlegungsgrund entnommen werden kann und damit amtliche Hinterlegung möglich wäre, dahingestellt bleiben kannu9 • Als weiterer geeigneter Weg wird zuweilen auch Sicherheitsleistung - regelmäßig des Geldschuldners 100 - in Frage kommen101 • Ihr sachlich-rechtlicher Grund ist dann in der Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug i. V. m. § 242 BGB zu sehen. Auch eine Abwicklungs art, die sich an der Durchführung der beim Akkreditiv bestehenden Rechtslage orientiert, wird man bei einem entsprechend gelagerten Fall in Betracht zu ziehen haben102 • 94 In dieser Richtung auch BGH, NJW 72, 1752 (1753); s. ferner auch unten, Fn.103. . 95 Darauf weisen schon das ROHG 20, 377 (378) und das OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr.269 hin. 96 Boethke, Gruchot 53 (1909) 319; Enneccerus I Lehmann, § 25 III (S. 114) Fn. 9; wohl auch Staudinger I Kaduk, § 274 Rdnr. 1. 97 Vgl. § 23 BNotO. Dies ist keine amtliche Hinterlegung 1. S. d. §§ 372 ff. BGB (BGH, BB 66,182), somit auch nicht an deren Voraussetzungen gebunden. - Wie hier BGH, LM Nr. 8 zu § 320 BGB. 98 s. schon oben, 2.1.2. (nach Fn. 36). U9 Vgl. Boethke, Gruchot 53 (1909) 322. In Analogie zu § 624 HGB bejaht Segelken, HansRGZ 22 (1939) 293 bei § 614 Abs. 2 HGB auch eine öffentliche Hinterlegung. 100 Sicherheitsleistung durch denjenigen, der nicht Geld zu leisten hat, würde regelmäßig gegen den Zweck der Leistung Zug um Zug verstoßen, da dieser auch darin besteht, den Erhalt der Leistung in Natur und nicht lediglich eines Surrogats der Leistung zu gewährleisten; s. oben, 2.1. (nach Fn. 20). 101 Vgl. Boethke, Gruchot 53 (1909) 319 f. (für das Frachtgeschäft) ; ferner Segelken, HansRGZ 22 (1939) 293.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

Damit sind nur drei einer Vielzahl denkbarer Sicherungsmechanismen, die im Einzelfall das Gleichzeitigkeitserfordernis zu ersetzen vermögen103, genannt104• Wenn dagegen eingewandt wird, für solche besonderen Abwicklungsmodalitäten, die die Funktion der Gleichzeitigkeit übernehmen sollen, würde eine gesetzliche Stütze fehlen 105, so wird dabei verkannt, daß es alleinige Aufgabe des Gleichzeitigkeitserfordernisses ist, einen bestimmten Zweck, den Erhalt der Gegenleistung, zu gewährleisten. Mit der Anordnung bzw. der Vereinbarung einer Leistung Zug um Zug bringt das Gesetz bzw. bringen die Parteien eindeutig zum Ausdruck, daß dieser Zweck erreicht werden soll. Kann dies nicht mit dem durch die "Zug um Zug"-Beschreibung der Leistung unmittelbar gegebenen Sicherungsmechanismus, der Gleichzeitigkeit, geschehen, so 101 Vgl. BGH, NJW 71, 979 und die dort wiedergegebene Auffassung des OLGHamm. lOS Wie hier etwa ROHG 20, 377 (378) für das Frachtgeschäft: Ablieferung bis auf Restpartie, die die Frachtforderung deckt, und die erst gleichzeitig mit der Bezahlung der gesamten Fracht abzuliefern ist; RG, Bolze 20 (1896) Nr. 479 - 481 (insbes. Nr. 479) für § 614 HGB: sukzessive Auslieferung oder Hinterlegung der Fracht durch Empfänger; KG, OLGRsp 8 (1904) 390 (391 f.) für § 448 HGB: Hinterlegung des Ladescheins oder Sicherheitsleistung für die Forderungen des Verfrachters; ferner RGRK I Ratz, HGB, § 448 Anm. 1: wie das KG; Schaps I Abraham, § 614 Anm. 15: u. a. Abschlagszahlung auf die Fracht für jeden ausgelieferten Teil; Schlegelberger I Geßler, § 435 Rdnr. 22: sukzessive Auslieferung oder Sicherheitsleistung (s. aber oben, Fn. 87 für § 448 HGB); ferner die oben, in Fn. 99 Genannten; wohl auch Baumbachl Duden, § 448 Anm.; vgl. zudem BGH, NJW 72, 1752 (1753): anstelle Gleichzeitigkeit: übertragung des zurückzubehaltenden (§ 273 Abs. 1 BGB) Gegenstandes auf Dritten und Pfandrechtsbestellung zugunsten des Zurückbehaltungsberechtigten (der Grund für den Gleichzeitigkeitsersatz war im entschiedenen Fall allerdings nicht die Undurchführbarkeit gleichzeitiger Leistungen). Untauglich ist der vom OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr. 269 vorgeschlagene Sicherungsmechanismus, dagegen dann auch OLG Hamburg, SeuffArch 63 (1908) Nr. 19. - Die von Cohn, JW 09, 185 f. als "prinzipiell" gewollten Erörterungen der "mehrtätigen" Ausladung Zug um Zug gegen Frachtzahlung kranken an einem Fehlverständnis des Gleichzeitigkeitszeitpunktes und führen in ihrem Ergebnis dazu, daß der Verfrachter u. U. "hilflos" zusehen muß, wie der Empfänger die gelöschte Fracht ohne Frachtzahlung abfährt. 104 Nun mag es auch noch den ganz singulären und weitgehend hypothetischen Fall geben, daß weder Gleichzeitigkeit durchzuführen, noch ein Ersatzmechanismus zu finden ist (denkbar u. U. dann, wenn entweder Leistung oder Gegenleistung in einem dauernden non facere ohne Endzeitpunkt besteht; vgl. Adler, FS Zitelmann, S. 6 f., der bei dauernden Unterlassungspfiichten die Anwendbarkeit von § 320 BGB ausnahmslos ablehnt). Geben kann es einen solchen Fall, wenn überhaupt, nur aufgrund vertraglicher Vereinbarung, nicht dagegen - soviel sei hier vorweggenommen - aufgrund eines Sachverhalts, der einer gesetzlichen "Zug um Zug"-Rechtsfolge zugrundeliegt (auch nicht bei § 273 Abs. 1 BGB, da sich unter dieser Voraussetzung immer "aus dem Schuldverhältnisse ein anderes ergibt"). Eine solche Vereinbarung wäre nach § 306 BGB nichtig, da die Leistung objektiv nicht in der geschuldeten Form erbracht werden kann und auch keine dem Schuldner zumutbare Leistungsform zu finden ist (s. auch unten, Fn. 106); daß der Leistungserfolg für sich genommen möglich ist, ändert daran nichts. 105 So z. B. OLG Hamburg, SeuffArch 63 (1908) Nr. 19; Düringer I Hachenburg I Bing, § 448 Anm. 1; Schlegelberger I Geßler, § 448 Rdnr. 4.

2. Der tatsächliche Inhalt der Leistung Zug um Zug

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fordert der Zweck doch gleichwohl Beachtung; und Beachtung kann ihm dann gezollt werden, wenn man in ihm eine ausreichende sachliche Grundlage für eine ersatzweise Modifikation der Leistungsbewirkung sieht. Unausweichlich ist diese Folgerung dann, wenn man mit dem hier Gesagten insoweit übereinstimmt, daß die Leistung Zug um Zug nicht um ihrer selbst willen besteht, sondern in den Dienst eines übergeordneten Interesses gestellt ist. Danach beinhaltet die Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" in ihrer tatsächlichen Bedeutung nicht nur einen gleichzeitigen Leistungsaustausch, sondern ersatzweise auch die Anordnung anderer, dazu adäquater Abwicklungsmodalitäten. Diese haben also durchaus eine gesetzliche oder vertragliche Stütze. Ihre inhaltliche Ausgestaltung ist unter Beachtung des § 242 BGB im Einzelfall zu ermitteln. Will man dem nicht folgen, kommen als mögliche Konsequenzen nur in Betracht, daß man entweder contra legern vel pactum eine Vorleistungspflicht zu Lasten eines (welches?) Teils annimmt, oder einen nicht judikablen Zustand akzeptiert, oder aber - soweit es um eine vereinbarte Leistung Zug um Zug geht - dem Vertrag nach § 306 BGB die Wirksamkeit abspricht. Eine dieser Folgerungen ist vom Ergebnis her so unbefriedigend wie die andere. Da auch keine von ihnen für sich in Anspruch nehmen kann, zwingende oder auch nur einleuchtende dogmatische Erwägungen auf ihrer Seite zu haben106, sehe ich keinen Weg, auf dem das hier gefundene Ergebnis zu umgehen wäre. Verständigen sich Schuldner und Gläubiger einer Leistung Zug um Zug nicht gütlich über ein adäquates Gleichzeitigkeitssurrogat, dann können sie dies richterlicher Entscheidung anheim stellen. Gleichgültig ob aufgrund einer Feststellungs- oder Verurteilungsklage ist dann der Richter dazu berufen, die nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte sachgerechte und den Beteiligten gleichermaßen zumutbare Form der Leistungsabwicklung zu finden. 2.4. Zusammenfassung zum Gleicbzeitigkeitserfordernis

Nach dem Gesagten ist also festzuhalten, daß man es, je nach Lage des Einzelfalls, mit zwei, ihrem tatsächlichen Inhalt nach unterschiedlichen Ausprägungen der Leistung Zug um Zug zu tun haben kann. Einmal handelt es sich dabei um solche Fälle, in denen das wechselseitige Aus-der-Hand-Geben, als der entscheidende Anknüpfungspunkt für das Gleichzeitigkeitserfordernis, unter Wahrung effektiver Gleichzeitigkeit - wenn auch u. U. verbunden mit Schwierigkeiten - objektiv 108 Auch das Vorliegen objektiver Unmöglichkeit läßt sich mit Grund nicht vertreten, denn juristisch unmöglich ist nur die Leistung, die in concreto nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrs sitte vom Schuldner nicht mehr gefordert werden kann, Staudinger / Werner, Vorbem. zu §§ 275 ff. Rdnr.16.

40esterle

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1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

möglich ist. Diese erste Fallgruppe bezeichne ich als diejenige der Lei-

stung Zug um Zug im engeren Sinne, da ihre inhaltliche Ausgestaltung

sich unmittelbar mit der Sprachbedeutung des "Zug um Zug"-Begriffs deckt. Zum anderen gibt es jene Fälle, in denen ein gleichzeitiges Aus-derHand-Geben von Leistung und Gegenleistung, auch unter Inkaufnahme von Unannehmlichkeiten, objektiv nicht zu erzielen ist, und die daher eine Modifikation des Austauschvorganges bedingen. Diese zweite Fallgruppe bezeichne ich als diejenige der Leistung Zug um Zug im weiteren Sinne, da für ihre inhaltliche Ausgestaltung der vom "Zug um Zug"-Begriff verfolgte Zweck im Vordergrund steht. Die erfolgte inhaltliche Beschreibung einer Leistung Zug um Zug gegen eine Gegenleistung konnte in ihrer Gesamtheit aus dem "Zug um Zug"-Begriff als solchem abgeleitet werden. Keine der Aussagen, die daraus für die tatsächliche Abwicklung der Leistung Zug um Zug zu gewinnen waren, findet sich jedoch in der vermeintlichen "Definition" des § 274 Abs. 1 BGB wieder, noch können aufgrund dessen Wortlaut entsprechende Aussagen getroffen werden. Um so erstaunlicher ist es, daß die Literatur sich bislang fast überhaupt nicht eingehender mit dem Inhalt der Leistung Zug um Zug beschäftigt hatl° 7 ; und dies, obgleich doch Fragen des Schuldner- und Gläubigerverzugs nur zu beantworten sind, wenn feststehende Kriterien vorhanden sind, um im Einzelfall zu entscheiden, welche konkrete Leistungs- und Gegenleistungshandlung vom Schuldner zu fordern und vom Gläubger zu erwarten ist108• Da die Verzugsproblematik lediglich unter dieser Voraussetzung befriedigend zu behandeln ist, erlangt die inhaltliche Aufschlüsselung der Leistung Zug um Zug auch unmittelbare Bedeutung für deren Durchführung in der Vollstreckungsinstanz 1ou• Bevor vollstreckungsrechtliche 107 Eine Ausnahme machen hier nur Planck / Siber, § 274 Anm. 1 und mit Einschränkungen auch Leonhard, Bd. I, S. 336 f., 344. 108 Darauf weist schon das ROHG 20, 377 (378) hin; vgl. ferner RG, JW 25, 607 Nr. 11 und OLG Braunschweig, SeuffArch 38 (1883) Nr. 245. 10V Zutreffend Planck / Siber, § 274 Anm. 1. Daß ohne eine inhaltliche Klärung die Leistung Zug um Zug vollstreckungsrechtlich nicht überzeugend in den Griff bekommen werden kann, zeigen besonders deutlich die Ausführungen von Reuter, S. 60 ff., der sich, was die tatsächliche Abwicklung dieser Leistung anbelangt, auf die Wiedergabe des § 274 Abs. 1 BGB beschränkt (S. 10). Sein Ausgangspunkt für seine weiteren vollstreckungsrechtlichen Aussagen ist zugleich sein Kardinalfehler, aus dem zahlreiche unzutreffende Detailfolgerungen fließen, die hier allerdings nicht näher interessieren können. Reuter geht - wie sich zwischen den Zeilen ergibt - davon aus, daß Leistung und Gegenleistung in ihrer Gesamtheit immer in einem zeitlichen Akt zusammenfallen müßten. Da solches in der Vollstreckung nicht möglich sei, meint er, die Vollstreckung gegen Gegenleistung sei ein "Unding" und ein Austausch Zug um Zug sei "nur bei freiwilliger Leistung denkbar" (S. 71). Der "Annahmeverzug" bzw. das "Annahmeverzug begründende Angebot" (§§ 756, 765 ZPO) soll nach ihm deshalb eine aufschiebende Bedingung für die Voll-

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Gesichtspunkte dieser Leistungsform aber überhaupt relevant werden können, ist als "Vorfrage" zunächst einmal zu klären, ob der Gläubiger die Gegenleistung nicht bereits derart aus der Hand gegeben und damit vorgeleistet hat, daß er nunmehr Leistung schlechthin beanspruchen kann11O, und eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug demzufolge ausscheiden muß. Schon diese vorrangige Frage ist ohne das hier Dargelegte nicht zu beantworten. Aus der Erkenntnis, daß die tatsächliche Ausgestaltung der Leistung Zug um Zug grundsätzlich individuell für den jeweiligen Einzelfall zu bestimmen ist111 , erscheint mir eine Folgerung für die Tenorierung von "Zug um Zug"-Urteilen als geboten, zumindest aber als wünschenswert. Deren Tenor sollte nicht die stereotype Formel "Leistung X Zug um Zug gegen Leistung Y"112 enthalten, sondern sollte die tatsächliche "Zug um Zug"-Abwicklung, den gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung, für den entschiedenen Fall so genau als möglich angeben lll1 • Auf diese Weise wird sich ein weiterer Streit zwischen den eigentlich leistungswilligen und -fähigen Beteiligten über die Durchführung der Leistung Zug um Zug regelmäßig vermeiden lassen und nicht - unnötigerweise - in der Vollstreckungsinstanz ausgetragen. Kommt es aber, weil der Schuldner rocht leisten kann oder will, zur Vollstreckung, kann eine Tenorierung, die die "Zug um Zug"-Abwicklung selbst substantiiert hat, den sonst vielfach unumgänglichen Streit mit dem Vollstreckungsorgan darüber, ob in Annahmeverzug begründender Weise angeboten wurde, bzw. was zu einem solchen erst noch erfolgenden Angebot erforderlich ist, hinfällig machen.

streckung und damit für den Vollstreckungsanspruch sein. Diesem grundlegenden (Fehl-)Verständnis zufolge wäre ein auf Leistung Zug um Zug lautendes Urteil ohne die §§ 756, 765 ZPO vollstreckungsunfähig, und da die Vollstreckung nach Eintritt der "Bedingung" der Vollstreckung einer Verurteilung zur Leistung schlechthin entspräche, würde sie dem Gläubiger zu einem Vollstreckungsergebnis, dem Erhalt der Leistung ohne die Gegenleistung aus der Hand gegeben zu haben, verhelfen, auf das er materiellrechtlich u. U. überhaupt keinen Anspruch hat; s. auch unten, Kap. III. Fn. 76. 110 s. unten, 4. a. E. 111 Dabei werden sich natürlich für bestimmte Fallgruppen bestimmte Regelausgestaltungen ergeben. 11! Schon gar nicht sollte der Tenor nur auf "Leistung gegen Gegenleistung" lauten, s. unten, 3.2.1. l1S Lehnt man dies wegen der gebotenen Knappheit der Tenorierung ab, sollte es sich doch zumindest aus den Entscheidungsgründen unmißverständlich ergeben.

1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

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3. Die Gegenleistung im Rahmen der Leistung Zug um Zug 3.1. Die rechtliche "Qualität" der Gegenleistung

Eine Heranziehung des § 274 Abs.1 BGB als allgemeine Definition der Leistung Zug um Zug wird nachgerade falsch, auf jeden Fall aber irreführend, wenn man nun noch seine die Gegenleistung betreffende Aussage "gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung" betrachtet. Danach werden nämlich zwei gegenseitige, fällige Forderungsrechte vorausgesetzt 114 • Dieses Erfordernis kann dem "Zug um Zug"-Leistungsbegriff als solchem zweifelsohne nicht entnommen werden und steht zudem in klarem Widerspruch zur gesetzgeberischen Absicht, wonach eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug in allen gesetzlichen Fällen eines "Zurückbehaltungsrechts" ergehen sollte 115 , unbestritten also auch etwa im Falle des § 1000 Satz 1 BGB. Dort steht dem zur Herausgabe gegen Ersatz 116 seiner Verwendungen verpflichteten Besitzer ein eigenes fälliges Forderungsrecht jedenfalls117 erst dann zu, wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt hat, § 1001 Satz 1 BGB, der Besitzer damit aber bereits seines Einrederechts aus § 1000 Satz 1 BGB verlustig gegangen ist. Die Gegenleistung kann aber nicht nur. der Fälligkeit entbehren, sondern sie braucht überhaupt nicht Gegenstand einer eigenen Forderungsberechtigung des Schuldners der "Zug um Zug"-Leistung zu sein. Weder aus dem Begriff der Leistung Zug um Zug noch aus dem Gesetz kann sich ein solches Erfordernis ergeben. Dies zeigt nicht zuletzt § 756 ZPO, wenn dort die Rede davon ist, der Gerichtsvollzieher müsse die Gegenleistung dem Schuldner in Annahmeverzug begründender Weise anbieten. Damit erfaßt nämlich § 756 ZPO sowohl den Fall, daß die Gegenleistung geschuldet wird, der Schuldner also mit dem Angebot durch den Gerichtsvollzieher in Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff. BGB gerät, als auch den Fall, daß die Gegenleistung nicht geschuldet wird, der Schuldner damit überhaupt nicht Gläubiger der Gegenleistung ist und somit auch nicht in Annahmeverzug gesetzt werden kann118• Die Leistung Zug um Zug setzt somit weder einen fälligen noch überhaupt einen Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung voraus119 ; RGZ 56, 301 (303). s. unten, Kap. 11. 1. (bei Fn. 7); ferner Kap. II!. 1.2. zu den Bedenken gegen den umfassenden Begriff "Zurückbehaltungsrecht" im Zusammenhang mit der Leistung Zug um Zug. 11G Genauer dazu s. unten, Kap. II!. 2.3. m Zur Streitfrage über die Rechtsnatur des Verwendungsersatzanspruchs vor Herausgabe der Sache bzw. vor Genehmigung der Verwendung s. einerseits Stein / Jonas / Schumann / Leipold, vor § 253 Anm. II! 2 und andererseits Palandt / Bassenge, § 1001 Anm. 1 m. w. N. 118 Vgl. demgegenüber die Formulierung in § 274 Abs. 2 BGB (" ... ist"). Scharf davon zu unterscheiden ist die Frage nach dem Annahmeverzug hinsichtlich der "Zug um Zug"-Leistung. 114

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3. Die Gegenleistung

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diese hat keine geschuldete Leistung i. S. d. § 241 Satz 1 BGB zu sein. Wohl aber muß es sich um eine grundsätzlich schuld bare Leistung handeln120 • Es darf sich also nicht um eine unmögliche, unerlaubte oder eine solche Gegenleistung handeln, die einer Lebenssphäre angehört, die dem Recht nicht zu unterwerfen ist, wie etwa der rein gesellschaftliche Bereich121 • Denn bei Unmöglichkeit oder Verbotensein der Gegenleistung müßte zwangsläufig gleiches für die Leistung Zug um Zug gelten. Darf eine Leistung wegen ihres Inhalts nicht selbständiger Gegenstand rechtlichen Zwangs sein, dann darf sie auch nicht über das Erfordernis gleichzeitiger Leistungsabwicklung mittelbarer Gegenstand zwangsweiser Rechtsverwirklichung sein. Eine solche Leistung kann als Gegenleistung nur insoweit rechtliche Relevanz erlangen, als der Eintritt ihres "Erfolgs" tatsächliche Voraussetzung vollwirksamer Forderungsberechtigung hinsichtlich der geschuldeten Leistung ist122 • Ebenso wie eine Verpflichtung des Gläubigers zur Gegenleistung nicht bestehen muß, kann dieser dem Schuldner auch zur unbeschränkten Gegenleistung verpflichtet sein, während er selbst nur Leistung Zug um Zug zu fordern berechtigt ist. Der Gläubiger muß auch nicht begriffsnotwendig derjenige sein, der die Gegenleistung bewirkt; der Schuldner kann ohne weiteres dem Gläubiger zur Leistung gegen von einem Drit118 So auch ausdrücklich RGZ 56, 301 (303); s. auch unten, bei Fn. 125; ferner BGHZ 20, 338 (343); Reuter, S. 10 f., 49; Sehmidt, S. 7 f.; und stillschweigend die h. M. - A. M. allerdings Breuer, S. 64 ("Zug um Zug"-Verhältnis nur, wenn beide Leistungen solvendi eausa bewirkt werden); Plumeyer, DRiZ 28, 119; ferner Weismann, Bd. II, S. 38 ("Nicht um Gegenleistung Zug um Zug ... handelt es sich, wenn Schuldner bei seiner Leistung eine Quittung [BGB § 368] oder ... [ete.] ... verlangen darf. Das sind Leistungen, die nicht auf Grund des Forderungsverhältnisses, sondern auf Grund der Leistung beansprucht werden.") und ebenso LG Düsseldorf, DGVZ 72, 59 (" ... keine Leistung Zug um Zug, ... weil keine Gegenleistung in Frage steht. Es handelt sich nicht um die Befriedigung eines selbständigen Gegenanspruchs ... "); ebenso schon LG Berlin, Beschluß v. 1. 6. 1956, Az. 81 T 542/56 (wiedergegeben von Sebode, DGVZ 58, 39); s. dazu unten, Fn. 147. Abweichend auch Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 11 f. und völlig unklar Kluekhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382 ff. (er will wohl außerhalb § 273 BGB jede "Zug um Zug"-Leistung ablehnen, und kommt deshalb dazu, für sie immer einen fälligen Gegenanspruch zu fordern). 120 Schuldbarkeit hat nichts mit Vermögensbezogenheit zu tun; dazu sogleich, 3.2.2. 121 Vgl. Kohler, ArchBürgR 12 (1897) 18; Staudinger / Weber, Einl. zu §§ 241 ff. Rdnr. J 1. 1!~ "Verspricht der Bräutigam seiner künftigen Schwiegermutter, an Weihnachten seine regelmäßige Gratulation zu schicken" (Bsp. von Kohler, ArchBürgR 12 [1897] 18), so ist dies auch dann kein schuldrechtliches Versprechen, wenn es "in strengster juristischer Auffassung" (ebd.) verstanden werden sollte. Verspricht im Bsp. nun die Schwiegermutter, den Bräutigam für die Gratulation auch immer mit einer Kiste "Württemberger" zu entlohnen, dann ist sie dazu allenfalls unter der Voraussetzung verpflichtet, daß die Gratulation auch tatsächlich eingetroffen ist. Nichts anderes würde etwa in dem Fall gelten, daß die übereignung eines Schmuckstückes gegen den übertritt in eine andere Konfession versprochen wird.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

ten zu bewirkende Gegenleistung verpflichtet sein. Daß Gleichzeitigkeit hier u. U. nur unter Schwierigkeiten zu erreichen ist, und deshalb mit Unannehmlichkeiten für die Beteiligten verbunden sein kann, ändert an der grundsätzlichen Möglichkeit dieser Ausgestaltung der Leistung Zug um Zug nichts. Die Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug ist in ihrem Inhalt wie in ihrer rechtlichen Behandlung unabhängig davon, ob und gegebenenfalls wie die Gegenleistung geschuldet wird. Allein das Fehlen wechselseitiger Verpflichtungen muß also niemals die Verneinung einer auf Leistung Zug um Zug lautenden Rechtsfolge nach sich ziehen. Ferner können nicht überall dort, wo von "Gegenleistung" im Zusammenhang mit einer Leistung Zug um Zug die Rede ist, wie etwa in § 298 BGB ("verlangte Gegenleistung") oder in § 373 BGB ("Bewirkung der Gegenleistung"), nur die Fälle geschuldeter Gegenleistung gemeint sein123 • Im übrigen bedürfen diese unterschiedlichen möglichen "Qualitäten" der Gegenleistung mangels rechtlicher Auswirkungen auf die Schuldnerverpflichtung keiner weiteren Berücksichtigung, und es erübrigt sich insoweit124 die differenzierende Terminologie des Reichsgerichts, das anfänglich beim Vorliegen gegenseitiger, fälliger Forderungsrechte noch von einer "Zug um Zug"-Leistung im "technischen Sinne" sprach1!6. Die Aussage des § 274 Abs. 1 2. IDbs. BGB ist demnach zu eng gefaßt, soweit sie die Gegenleistung als allein schuldgemäßes Verhalten i. S. d. § 241 BGB beschreibt. Daran zeigt sich einmal mehr, daß die "Definition" des § 274 Abs. 1 BGB ursprünglich nur auf § 273 Abs. 1 u. 2 BGB zugeschnitten worden war l2G , der in der Tat wechselseitige Ansprüche voraussetzt. 3.2. Zur Bedeutuug des finalen, wechselseitigen Bezugs von Leistung und Gegenleistung. Zugleidl zum Verhältnis von "Leistung gegen Gegenleistung" und "Leistung Zug um Zug"

Dem "Zug um Zug"-Begriff war zu entnehmen, daß eine Leistung, die Zug um Zug gegen eine andere zu erbringen ist, mit letzterer, der Gegenleistung, in einer Finalitätsbeziehung steht, die den gleichzeitigen Austausch der beiden Leistungen rechtfertigt. Zur Frage, wie diese Beziehung zustandekommen kann, wurde bereits gesagt, daß dies sowohl auf einer gesetzlichen Anordnung als auch auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen kann l27 • Aber die Frage nach dem inneren Grund, lU Vgl. Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 384; RosenbeTg, JherJB 43 (1901) 198 f.; vgl. auch Mugdan, Bd. H, S. 40 (Mot.). - A. M. wohl RGRK / Alff, § 298

(aber widersprüchlich). 114 Vgl. ReuteT, S. 11; Schmidt, S. 8. 1M RGZ 56, 301 (303). 116 s. auch oben, 2.4. (vor Fn. 107). 117 s. oben, 1. a. E.

3. Die Gegenleistung

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d. h. die Frage, weshalb das Gesetz zwei Leistungen einander in dieser Weise final zuordnet bzw. dies vertraglich gewollt wird, wurde bislang weder gestellt noch beantwortet. Zu stellen war sie im Vorangegangenen deshalb nicht, weil für die Klärung der Abwicklung einer Leistung Zug um Zug allein die Tatsache wichtig war, daß Leistung und Gegenleistung final verbunden sind. Die innere Rechtfertigung des Zweckzusammenhangs und damit des Gleichzeitigkeitserfordernisses steht jedoch für das Weitere dieser Arbeit, die Darstellung der einzelnen Grundlagen der Leistung Zug um Zug, dann unausweichlich zur Entscheidung an, wenn die Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" nicht ohnehin nur in den Fällen möglich ist, in denen die Leistung Zug um Zug expressis verbis genannt wird, oder aber, wenn es nicht eine oder mehrere andere Formulierungen gibt, die ebenfalls zwingend eine Leistung Zug um Zug zum Ausdruck bringen. Ist dies nicht der Fall, dann kann die Frage, ob eine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung die Abwicklungsart der Leistung Zug um Zug als Rechtsfolge trägt, unter anderem nur beantwortet werden, wenn Kriterien vorhanden sind, die die Annahme einer finalen Leistung-Gegenleistungsbeziehung erlauben. Einmal vorausgesetzt, daß das Gesetz eine Leistung Zug um Zug auch in anderen Normen als denjenigen, in denen es ausdrücklich von ihr spricht (§§ 274, 322, 348 BGB und § 3 AbzG), kennt bzw. kennen kann128, ist zunächst die Frage zu entscheiden, ob es vom rechtstechnischen Ergebnis her eine synonyme Wendung für "Zug um Zug" gibt.

3.2.1. Identität von "Leistung gegen Gegenleistung" und "Leistung Zug um Zug"? Da die Leistung Zug um Zug einen gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung fordert, könnte man sich vom Ergebnis aus jede weitere dogmatische Untersuchung der Rechtfertigung für diese Gleichzeitigkeit in den Fällen ersparen, in denen Gleichzeitigkeit ausdrücklich bestimmt ist. Solches ist aber weder im Bürgerlichen Gesetzbuch129 noch - soweit ersichtlich - in einem seiner Nebengesetze geschehen. Als selbständige, synonyme Wendung für "Zug um Zug" soll aber nach einer fast einhelligen Meinung, die allerdings nirgendwo begründet wird, die Formulierung "Leistung gegen (Gegen-)Leistung" dienen13o • Unvorein128

Dazu unten, Kap. II. 1.

12. Vgl. allerdings §§ 337 Abs. 1 und 338 S. 2 BGB: "bei der Erfüllung" bzw.

"bei der Leistung", gleichbedeutend mit gleichzeitig? Dazu unten, Kap. IV. 2.3. 180 Vgl. nur z. B. RGZ 59, 367 (370: " ... nur gegen Abtretung ... Zug um Zug - Ersatz zu leisten verpflichtet war ... "); OLG Koblenz, NJW 62, 1870 ("Zahlung gegen Empfang ... [Zug um Zug]"); RGRK I Kuhn, § 785 Anm. 2 ("nur gegen Aushändigung ... also Zug um Zug"); Schlegelberger I Liesecke, § 614 Rdnr. 14 ("Gegen Zahlung der Fracht ... also Zug um Zug"); Soergell Baur, § 1144 Rdnr. 4 ("Aushändigung hat Zug um Zug zu erfolgen, so daß ... Schuldner nicht in Leistungsverzug kommt, wenn er nur gegen Aushändigung

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

genommen betrachtet ist die Gleichung "Leistung gegen (Gegen-)Leistung = Leistung Zug um Zug" keineswegs zutreffend. Der Ausdruck "Leistung gegen Gegenleistung" besagt zunächst nämlich nur, daß sich zwei Leistungen in Gegenrichtung gegenüberstehen, bzw. gegenüberstehen sollen, und daß zwischen ihnen u. U. eine irgendwie geartete, allein aus der Wendung selbst nicht näher bestimmbare, finale Abhängigkeitsbeziehung besteht, bzw. bestehen S01l131. SO gilt beispielsweise folgendes: Wer eine Leistung in der Hoffnung erbringt, dann auch eine Gegenleistung des Leistungsempfängers zu erhalten, leistet nach seiner Motivationslage "gegen Gegenleistung"; bleibt diese aus, ist dies rechtlich regelmäßig bedeutungslos. Wer geleistet hat, um einen bestimmten, vereinbarten Erfolg zu erreichen, leistete "gegen" diesen Erfolg, also, besteht dieser 'in einem Tun oder Unterlassen, "gegen Gegenleistung"; bleibt diese aus, ~ann sie i. d. R. kondiziert werden (§ 812 Abs. 1 Satz 22. Fall BGB). Der Darlehensgeber, der die Valuta auszahlt, tut dies "gegen" Zins und Tilgung "gegen Gegenleistung"; bleibt diese aus, kann er das Darlehen kündigen (§§ 626, 554 a BGB analog). Sowohl der Vorleistungspflichtige als auch der Nachleistungsberechtigte im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages leisten jeweils "gegen" die noch ausstehende bzw. schon erhaltene "Gegenleistung"; bleibt diese, aus welchem Grund auch immer, aus oder erscheint auch nur als gefährdet, hat dies ipso iure oder aber herbeiführbare Konsequenzen für die eigene Leistung(-spfldcht) (§§ 321, 323 ff. BGB).

In all diesen und vielen anderen Fällen bewirkt der Schuldner seine Leistung gegen Gegenleistung, und dies unabhängig davon, ob er voroder nachleistet132 • Eine Leistung Zug um Zug stand jedenfalls in keinem der angeführten Beispiele in Frage. Gemeinsam mit der Leistung Zug um Zug ist ihnen nur, daß der Schuldner zumindest aus seiner Sicht leistet, um eine Gegenleistung zu erlangen. über das zeitliche Verhältnis der Leistungen ist damit aber noch nichts gesagtl33 • Die Formulierung leisten will."); Staud,inger I Kaduk, § 368 Rdnr. 26 ("Gegen Empfang der Leistung ... also Zug um Zug"); ferner Plumeyer (unten Fn. 136); und Legion sind die Fundstellen, die die Gleichsetzung von "Leistung gegen Gegenleistung" und "Leistung Zug um Zug" nicht ausdrücklich, sondern stillschweigend vornehmen; vgl. - wahllos herausgegriffen - OLG Nürnberg, BB 65, 1293; Baumbach I Hefermehl, Art. 39 WG Rdnr. 3; Erman I H. Westermann, § 1144 Rdnr. 4; Planck I Landois, § 797 Anm. 1; RGRK I Steffen, § 785 Rdnr. 2; Ritter, § 435 Anm. 2 c; Schlegelberger I Geßler, § 435 Rdnr. 19. - Zur prozeßrechtlichen Meinung, die im Rahmen der §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO für einige Fälle einer Leistung gegen Gegenleistung eine Leistung Zug um Zug ablehnt, s. unten, Kap. IV. 2.4.2.1. (bei Fn. 96 ff.). 131 Davon, daß eine solche Beziehung zwischen zwei Leistungen bestehen kann, ohne daß es sich dabei zugleich um eine "Zug um Zug"-Beziehung handeln müßte, geht erkennbar auch Breuer, S. 67 f. aus. - Vgl. auch Gernhuber, FS Raiser, S. 73 (für Vor- und Nachleistung im Rahmen der synallagmatisch verknüpften Leistungspflichten). 132 Vgl. auch Gabius, NJW 71, 868 (sub b bb). 133 s. oben, 1. - Vgl. Gernhuber, FS Raiser, S. 73.

3. Die Gegenleistung

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"Leistung gegen (Gegen-)Leistung" gestattet daher - anders als die Leistung Zug um Zug - mit Sicherheit per se niemals eine bestimmte zeitliche Deutung hinsichtlich der Leistungsabwicklung. Auch das Gesetz steht auf diesem Standpunkt, wenn es, trotz Vorleistungspflicht eines Teils, das beiderseits verpflichtende Schuldverhältnis als "gegenseitigen" Vertrag bezeichnet und behandelt. Die Leistung gegen Gegenleistung ist nicht notwendigerweise eine Leistung Zug um Zug134, sondern umgekehrt, die Leistung Zug um Zug unterfällt als eine bestimmte Form der Leistung gegen Gegenleistung immer dem Oberbegriff "Leistung gegen Gegenleistung", ohne diesen jedoch zu erschöpfen135. Gleichungsmäßig kann es also nur lauten: "Leistung Zug um Zug = Leistung gegen Gegenleistung - (Vorleistungs- + Nachleistungsfälle)". Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es sich um eine "Leistung nur gegen Gegenleistung" handelt. Dadurch mag sich zwar das in Betracht kommende Zeitverhältnis auf gleichzeitige oder vorgängige Gegenleistung einschränken lassen. Eine definitive Aussage, daß gleichzeitig zu leisten ist, kann daraus aber noch immer nicht entnommen werden. Wenn die überwiegende Meinung demgegenüber annimmt, " ,gegen' bedeute entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch der Gesetze ,Zug um Zug gegen' Erfüllung eines Gegenanspruchs"136, dann kann über die Gründe hierfür nur gemutmaßt werden, denn der " allgemeine Sprachgebrauch der Gesetze" läßt sich nur behaupten. § 274 Abs. 1 BGB kann er jedenfalls nicht entnommen werden. Dazu wäre nämlich zunächst der Nachweis zu führen, daß die Leistung Zug um Zug durch die "Leistung gegen Empfang ... " definiert werden sollte und nicht umgekehrt; ferner daß § 274 Abs. 1 BGB, obwohl er überhaupt nur auf den Fall des § 273 BGB paßt137, und obwohl in seinem Fall die "Leistung gegen Empfang ... " bereits durch die nach § 273 Abs. 1 BGB gegebene Rechtsfolge l38 als Leistung Zug um Zug ausgewiesen wird, allgemeine Geltung haben kann, und diese auch nicht auf die Fälle der Leistung Zug um Zug kraft eines Einrederechts beschränkt ist. Schließlich und endlich müßte die Verträglichkeit des allgemeinen Geltungsanspruchs dieser Definition mit der engeren, definitionsähnlichen Aussage des § 322 Abs. 1 BGB ("bis") belegt werden. Bereits der erste Nachweis kann überzeugend nicht geführt werden. Zwar spricht die regelmäßige Gesetzestechnik, die auch hier bislang zugrunde gelegt wurde, dafür, daß der Klammerbegriff vom Davorstehenden erklärt werden S01l139. Da sich Aussagen, die die LeiZustimmend Huber, JuS 72, 58. Huber, JuS 72, 58 und ähnlich insoweit wohl auch Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 384 f. u. dort Fn. 12. 136 Plumeyer, DRiZ 29,17. 137 s. oben, 1. a. A., 2.4. (vor Fn. 107), 3.1. (bei Fn. 126). 18'

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s. unten, Kap. III. 2.1.2. Vgl. Planck I Knoke, Einl. VI 3 (S. L).

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Fono der Leistungsbewirkung

stung Zug um Zug mit Leben erfüllen, aber nur aufgrund des "Zug um Zug"-Leistungsbegriffs als solchem treffen ließen, ist es nur konsequent, wenn man "die Rollen tauscht" und davon ausgeht, daß hier ausnahmsweise die Klammer das vor ihr Stehende erklärt14o • Identität zwischen "Leistung gegen Gegenleistung" und "Leistung Zug um Zug" kann danach mit Grund nicht angenommen werden141 • Letztere repräsentiert lediglich einen Ausschnitt der ersteren. Damit scheidet die Möglichkeit aus, immer dann, wenn von "Leistung gegen Gegenleistung" die Rede ist, kritiklos eine Leistung Zug um Zug annehmen zu können. Findet sich diese Wendung, gibt dies nur Veranlassung, den betreffenden Fall daraufhin zu untersuchen, ob eine Leistung Zug um Zug gegeben ist1 42 • Geschehen kann dies jedoch nur, wenn die innere Rechtfertigung für deren finale Leistung-Gegenleistungsbeziehung angegeben werden kann. Die Frage danach ist also nicht nur für einen nach dogmatischer Klarheit um der Klarheit willen strebenden Geist von Interesse, sondern ist für das richtige Rechtsfolgenverständnis im Einzelfall unerläßlich.

3.2.2. Die vermögensbezogene Leistung gegen Gegenleistung Der Schuldner einer Leistung Zug um Zug verfolgt mit seiner Leistungshandlung einen über die reine Erfüllungsbewirkung hinausgehenden "egoistischen" Zweck; er leistet, weil er die Gegenleistung erhalten will. Ähnliches läßt sich aber von jedem Schuldner einer Leistung gegen Gegenleistung sagen; ihm geht es ebenfalls - zumindest auch - um den Erhalt der Gegenleistung. Gleichwohl braucht der Schuldner einer Leistung Zug um Zug immer nur gleichzeitig zu leisten, wobei er dies dann allerdings auch muß, während der Schuldner einer Leistung gegen Gegenleistung auch vorzuleisten haben kann, oder aber abwarten darf, bis er die Gegenleistung erhalten hat. Worin also liegt der tiefere Sinn der 140 Dem entspricht, daß die Materialien dort, wo sie von "Leistung gegen Gegenleistung" sprechen und eine Leistung Zug um Zug meinen (vgl. z. B. Mugdan, Bd. H, S. 24), auf die Erklärung der Leistung Zug um Zug als gleichzeitige Leistung gegen Gegenleistung (S. 110, 112) verweisen; vgl. ferner S. 526. 1ft Dies übersieht Reuter; er kann sich deshalb auch nur wenig überzeugend mit der Meinung auseinandersetzen, die im Rahmen einer Leistung Zug um Zug zwei äquivalente Leistungen fordert (S. 49 f.); s. dazu auch im folgenden Abschnitt 3.2.2. u. 3. - Wie hier schon die Motive, die zu § 298 BGB, wo nur von Leistung gegen Gegenleistung die Rede ist, vermerken, daß diese Nono nicht nur für die Leistung Zug um Zug gelten solle, "sondern auch für die Fälle, in welchen durch die dem Leistenden... vielleicht nicht obliegende Leistung der Empfänger erst zu seiner Gegenleistung verpflichtet wird", Amtliche Ausgabe, Bd. H, S. 73. 148 Zwingender, aber auch nicht zwingend, ist die Formulierung "... kann verweigern, bis ... die Leistung bewirkt wird" in den Fällen eines "Zug um Zug"-Einrederechts; dazu s. unten, Kap. HI. 2.1.2. (bei Fn. 93 f.).

3. Die Gegenleistung

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Finalität bei der Leistung Zug um Zug, damit sie gerade den gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung rechtfertigt? Das Gleichzeitigkeitserfordernis der Leistung Zug um Zug vermittelt den am Austausch Beteiligten Sicherheit; und zwar Sicherheit insofern, als sie das mit der eigenen Leistung verbundene Opfer nur unter der Voraussetzung zu erbringen haben, daß auch der Erhalt der Gegenleistung gewährleistet ist. Ein dahingehendes Sicherungsbedürfnis ist aber in der Regel nur dann anzuerkennen, wenn Leistungs- und Gegenleistungssubstrat selbständige Vermögenswerte darstellen; der Leistungsaustausch mithin in der wechselseitigen überführung von Vermögenswerten besteht143 • Dies entspricht nicht nur der Systematik unseres wirtschaftlich orientierten Privatrechts l44 , das von sich aus grundsätzlich nur das Vermögen, einzelne Vermögensbestandteile und vermögenswerte Interessen schützt, sondern auch einem gesunden Rechtsempfinden. Denn der durch die "Zug um Zug"-Abwicklung notwendigerweise neben der Sicherung mitvermittelte Zwang, auch selbst leisten zu müssen, wird in aller Regel dann sachwidrig sein. wenn der Gegenstand der Gegenleistung selbst keinen Vermögenswert besitzt. Die Zweckbeziehung von Leistung und Gegenleistung ist also darin zu sehen, daß eine eigene vermögenswerte Position aufgegeben und in fremdes Vermögen überführt wird, um dafür eine vermögenswerte Gegenleistung zu erhalten, wobei es ausschließlich um deren Gegenstand als solchen geht. Auf die Fälle einer Leistung gegen Gegenleistung, in denen die Finalität der einen Leistung dem Gegenstandswert der anderen entspringt, paßt die "Zug um Zug"-Abwicklung als sachgerechte, beiderseits sichernde Leistungsform. Diesem Verständnis der Leistung Zug um Zug entspricht auch die historische Bedeutung des Begriffs .,Zug um Zug"I45. Ist in diesem Zusammenhang vom "Wert" der Gegenleistung bzw. von deren "Gegenwert" die Rede, so ist dies nicht in dem Sinne mißzuverstehen, als müßten Leistung und Gegenleistung betragsmäßig gleichwertige Gegenstände habeni". Wenn gelegentlich gesagt wird, für die Annahme einer Leistung Zug um Zug sei es erforderlich, daß sich Leistung und Gegenleistung äquivalent gegenüberstehen l47 , so darf dies nicht als be143 Für die Leistung Zug um Zug zutreffend Sebode, DGVZ 58, 39; Stein I Jonas I Münzberg, § 726 Rdnr. 18; vgl. ferner die unten in Fn. 147 Genannten. - Dagegen Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382 Fn. 3. 144 Esser I Schmidt, Bd. IIl, § 3 I (S. 25). 145 s. oben, 1. (bei Fn. 3 f.).

148 Auch nach der etymologischen Bedeutung des Begriffs "Zug um Zug" ist Gleichwertigkeit kein wesentliches Merkmal dieser Wendung; gegnerische Spielzüge können einen unterschiedlichen "Wert" für den Spielausgang, den Erfolg, haben. 147 Vgl. Gaupp I Stein, § 726 Anm. III; Schlegelberger, S. 163; Seuffert I Walsmann, § 726 Anm. 2 b; Wieczorek, § 726 Anm. D III; ähnlich auch schon Sydow, ZZP 2 (1880) 516. - Vgl. ferner LG Düsseldorf, DGVZ 72, 59, das zur

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1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

tragsmäßige Wertäquivalenz verstanden werden148 , sondern nur als äquivalentes Verhältnis insoweit, als Leistung und Gegenleistung gleichermaßen auf eine positive Veränderung des jeweiligen Empfängervermögens gerichtet sein müssen149 • Um Mißverständnisse mit der Frage erforderlicher Äquivalenz beim gegenseitigen Vertrag 150 zu vermeiden, sollte man jedoch im Rahmen der Leistung Zug um Zug besser überhaupt nicht von Äquivalenz sprechen 151 • Die Frage, ob eine Leistung gegen Gegenleistung eine Leistung Zug um Zug ist, ist demnach zunächst einmal eine Frage nach dem Grund, weshalb es um den Erhalt der Gegenleistung geht. Eine Finalitätsbeziehung, die das Gleichzeitigkeitserfordernis der Leistung Zug um Zug ausreichend rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn beide Leistungen derart aufeinander bezogen sind, daß die eine Leistung gerade deshalb erbracht wird, um den von der Gegenleistung selbst repräsentierten Vermögenswert zu erlangen. Damit ist jedoch nur ein grundsätzliches Kriterium angegeben, bei dessen Vorliegen die Leistung gegen Gegenleistung regelmäßig eine Leistung Zug um Zug sein wird152 • Wie jede Regel kann jedoch auch diese Ausnahmen erleiden. Zweifelsohne können die an einer Begründung der Ablehnung einer Leistung Zug um Zug bei nicht vermögenswerter Gegenleistung ein mixtum compositum aus der hier vertretenen Meinung und der Auffassung Weismanns (s. oben, Fn. 119) macht. 148 So aber versteht Reuter, S. 49 diese Aussagen; er unterstellt damit deren Vertretern etwas, was diese, wie die Fälle, in denen sie Äquivalenz verlleinen, zeigen, nicht gemeint haben können. 148 A. M. Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382, der ein wirtschaftliches Leistungsäquivalent fordert, aber den Widerspruch nicht erklärt, wie sich dieses mit seiner Ablehnung eines erforderlichen Vermögenswertes der Gegenleistung (Fn. 3) vereinbaren soll; unklar ist, was Gabius, NJW 71, 868 meint, wenn er davon spricht, daß im Zug-um-Zug-Verfahren das reine Austauschprinzip verkörpert würde. - Vgl. insoweit zutreffend Reuter, S. 49, als er ein Wertgefälle der Leistung Zug um Zug nicht für abträglich hält; im übrigen aber zu weitgehend und zu undifferenziert. 150 Dazu ausführlich van den Daele, S. 1 ff.; ferner Wolf, JurA (ZR I) 69, 52 f. Bei dieser Frage geht es nur darum, inwieweit das Wesen des gegenseiti~en Vertrages selbst Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung fordert, damit ein Schuldverhältnis i. S. d. §§ 320 ff. BGB angenommen werden kann (vgl. Schlegelberger, S. 148: Bei fehlender Äquivalenz solle § 273 BGB anstelle von § 320 BGB eingreifen). Bei Betonung subjektiver Momente kann ein gegenseitiger Vertrag durchaus auch dann anzunehmen sein, wenn die Gegenleistung keinen Vermögenswert hat. Zur Konsequenz für das Rechtsfolgenverständnis bei fehlendem Vermögenswert s. sogleich im Text und unten, Fn. 162. - Zur Äquivalenz beim gegenseitigen Vertrag vgl. auch Gernhuber, FS Raiser, S. 62 Fn. 7. 151 Vgl. Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18, wo sich dieser Ausdruck zutreffenderweise nicht findet. - Auch den auf den gegenseitigen Vertrag zugeschnittenen Begriff "Austauschprinzip" sollte man vermeiden (s. oben, Fn.149). 152 Bedauerlicherweise sagt Huber, JuS 72, 58 nicht, unter welcher Voraussetzung seiner Meinung nach eine Leistung gegen Gegenleistung eine Leistung Zug um Zug sein soll.

3. Die Gegenleistung

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beiderseits vermögensbezogenen Leistung gegen Gegenleistung Beteiligten den an und für sich gerechtfertigten Gleichzeitigkeitszusammenhang aufheben, so daß die Leistung gegen vor- oder nachgängige Gegenleistung geschuldet wird. Solches kann sich aber für die gesetzliche oder vertragliche Leistung gegen Gegenleistung auch aufgrund der Natur oder den besonderen Umständen des Schuldverhältnisses, dem diese Leistung entspringt, ergeben 153 • Entscheidend ist jedoch, daß von der Regel, wonach bei vermögensbezogenen Leistungssubstraten die zwischen Leistung und Gegenleistung bestehende Zweckbeziehung durch eine gleichzeitige Leistungsbewirkung zu realisieren ist, nur wegen besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls abzuweichen sein wird. 3.2.3. Die nicht ve'l'mögensbezogene Leistung gegen Gegenleistung Nach dem bislang Gesagten scheidet eine Leistung Zug um Zug dort aus, wo sich Leistung und Gegenleistung nicht beiderseits vermögensbezogen gegenüberstehen. Ist damit aber auch schon gesagt worden, daß es in solchen Fällen niemals einen gleichzeitigen Austausch gibt bzw. geben kann? Dieser Auffassung scheinen diejenigen zu sein, die wegen mangelnder "Äquivalenz" und bzw. oder mangelndem Vermögensbezug eine Leistung Zug um Zug ablehnen und aus diesem Grund eine Verurteilung zulassen, die die nicht vermögenswerte Gegenleistung unberücksichtigt läßt l54 • Ob diese Meinung tatsächlich eine derartig umfassende Aussage treffen will, muß freilich bezweifelt werden. Denn sie entspringt nicht einer Auseinandersetzung mit der Leistung Zug um Zug an sich, sondern sie ist vielmehr der Ausfluß prozeßrechtlich-ergebnisorientierter überlegungen, nach denen eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug und damit die Anwendbarkeit der §§ 726 Abs. 2 756, 765 ZPO in bestimmten Fällen einer Gegenleistung ohne unmittelbaren Vermögensbezug ausgeschlossen sein sollt55. Man würde ihr nach meinem 153 So wird man beispielsweise bei einem krassen Mißverhältnis zwischen dem Vermögenswert der Leistung und dem der Gegenleistung eine Leistung Zug um Zug verneinen müssen, sofern nicht wegen außerhalb des geringwertigeren Leistungsgegenstandes als solchem liegender Gesichtspunkte nach wie vor eine Finalitätsbeziehung anzunehmen ist, die die gleichzeitige Leistungsbewirkung rechtfertigt. Vgl. § 320 Abs. 2 BGB; auch für § 273 BGB ist weitgehend anerkannt, daß das Zurückbehaltungsrecht i. d. R. zu verneinen ist, wenn der Gegenanspruch in einem Mißverhältnis zu dem Anspruch steht, gegenüber dem es geltend gemacht wird; statt vieler RG, WarnRsp 20, Nr. 10; .lW 35, 505 (506); Dernburg, Bd. III1, § 57 II 2 (S. 145); Schlegelberger, S. l41; Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 17 m. w. N. - A. M. Breuer, S. 13 ff.; Reuter, S.49. lU s. oben, Fn 143, 147 155 Genauer zu dieser Meinung s. unten, Kap. IV. 2.4.2.1. (bei Fn. 96 ff.); vgl. auch Reuter, S. 50 ff. - Im Grunde genommen handelt es sich auch hier wieder um einen der Fälle, in denen Aussagen allgemein zur Leistung Zug um Zug getroffen werden, die in Wahrheit nur auf ein ganz singuläres, für sachgerecht gehaltenes Ergebnis zugeschnitten sind.

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1. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

Dafürhalten sicherlich zu große, von ihr selbst nicht gewollte Bedeutung beimessen, wenn man sie als allgemeine Antwort auf die gestellte Frage verwerten wollte, und zwar selbst dann, wenn sie im Ergebnis zutreffen sollte. Und dies würde sie jedenfalls dann tun, wenn es sich in Fällen mangelnder Vermögensbezogenheit um überhaupt keine (Gegen-)Leistung im Rechtssinne mehr handeln würde. Die gestellte Frage wäre unter diesen Umständen schon deshalb Makulatur, weil es um keine Leistung gegen Gegenleistung mehr ginge. Anders als im Gemeinen Recht geht unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs die ganz überwiegende Ansicht, in übereinstimmung mit der Meinung der Gesetzesverfasser 156 und sachlich zu Recht, davon aus, daß unter "Leistung" i. S. d. § 241 BGB nicht nur ein Tun oder Unterlassen mit Vermögenswert zu verstehen ist, sondern vielmehr auch die Befriedigung rein ideeller Interessen unmittelbarer Gegenstand einer Leistung sein kann157 • Ohne dies hier weiter vertiefen zu wollen, sei nur darauf hingewiesen, daß eine gegenteilige Auffassung die herrschende Vertragsfreiheit unerträglich und ohne wirklich zwingenden Grund einschränken würde, und verbunden damit die Privatrechtssubjekte insoweit bevormundete, als diese sich in rechtserheblicher Weise nur noch am Wirtschaftsverkehr i. w. S. beteiligen könnten. Kommt demnach jede Handlung, die rechtlich möglich und erlaubt unabhängig von ihrem Vermögenswert, als schuldbarer (Gegen-) Leistungsinhalt in Betracht15U , dann gilt dies erst recht für die Fälle, in denen die Gegenleistung nicht Gegenstand eines selbständigen Forderungsrechts des Schuldners ist1 60 • Kann es aber eine Leistung gegen Gegenleistung geben, ohne daß es sich dabei um die wechselseitige überistl~,

s. Mugdan, Bd. 11, S. 501 f. (Prot.). Vgl. statt vieler RGZ 87, 289 (293); 102, 217 (222 obiter); OLG Posen, SeuffArch 67 (HH2) Nr. 172; Boehmer, S. 13 ff. und dort Fn. 30 m. w. N. auch zur gemeinrechtlichen Auffassung; Kahler, ArchBürgR 12 (1897) 11 ff. (mit einer Vielzahl höchst "erbaulicher" Beispiele und schon deshalb lesenswert); Larenz, Bd. I, § 2 I (S. 7); Staudinger I Weber, Einl. zu §§ 241 ff. Rdnr. H 1 ff. m. w. N. auch zur Gegenmeinung in der Schrifttumsnote; § 241 Rdnr. 18; Wendt, AcP 92 (1902) 41 ff. (insbes. 45 f.). - A. M. Schmidt in Esser I Schmidt, Bd. 111, § 3 I (S. 25), der zu Unrecht aus dem, was tatsächliche Regel ist, ein rechtliches "Nur-Sein-Können" folgert. - Daß im Rahmen des Bereicherungsrechts nur ein engerer, rein vermögensbezogener Leistungsbegriff gelten kann, vgl. BGHZ 40, 272 (277); Staudingerl Seuffert, § 812 Rdnr. 17, erlaubt keine Beschränkung dessen, was als Obligationsinteresse anzuerkennen ist; zutreffend so schon Wendt, S. 47. 158 RGZ 102, 217 (221). 159 Zur Frage, wann und aus welchen Gründen einem Leistungsinhalt, mag er vermögenswert sein oder nicht, die Möglichkeit seiner Schuldbarkeit i. S. d. § 241 BGB abzusprechen ist, s. Kahler, ArchBürgR 12 (1897) 18 ff. und unten, Fn.160. 180 Dies ist zu unterscheiden von den Fällen, in denen die Gegenleistung solches überhaupt nicht sein kann; s. oben, 3.1. 1$8

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3. Die Gegenleistung

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führung von Vermögenswerten handeln müßte, ist auf die Frage zurückzukommen, wie es denn in diesen Fällen um die zeitliche Zuordnung von Leistung und Gegenleistung bestellt ist. Aufgrund der Ausführungen zur Rechtfertigung des Gleichzeitigkeitserfordernisses bei der Leistung Zug um Zug scheint die Antwort klar. Da die Finalität der einen Leistung nicht einem Vermögenswert der anderen entspringt, besteht kein anerkennenswertes Bedürfnis für eine beiderseits, den Erhalt der jeweiligen Gegenleistung sichernde Leistungsabwicklung. Von demjenigen, der die nicht vermögensbezogene Leistung zu erbringen hat bzw. erbringen soll, kann erwartet werden, daß er damit vorangeht161 • So denn auch die RegeP62. Aber auch sie besteht nicht ohne "ihre" Ausnahmen. Sie kann naturgemäß dort nicht gelten, wo die Bewirkung der vermögenswerten Leistung tatsächliche oder rechtslogische Voraussetzung der nicht vermögensbezogenen Gegenleistung ist l63 , oder wo Gleichzeitigkeit bzw. das Vorangehen mit der vermögenswerten Leistung ausdrücklich vereinbart ist. Daneben sind aber auch Fälle denkbar, in denen aufgrund besonderer Umstände, ausnahmsweise nur ein gleichzeitiger Austausch den schutzwürdigen Interessen beider Beteiligten gerecht wird. Der Zweck, der durch das gleichzeitige Leisten hier gewahrt und erreicht werden soll, wird nur durch den Erhalt der Gegenleistung vermittelt, ist jedoch nicht der Erhalt der Gegenleistung als solche. Entscheidend ist aber auch hier, daß von der Regel, nach der, bei nicht wechselseitig vermögenswerten Leistungen, Leistung und Gegenleistung nicht gleichzeitig zu erfolgen haben, nur wegen besonderer Gesichtspunkte im Einzelfall abzuweichen sein wird. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist hier also gerade umgekehrt als beim Vorliegen vermögensbezogener Leistungen. Während dort in der Regel Gleichzeitigkeit anzunehmen ist, ist diese hier regelmäßig zu verneinen. Ist sie ausnahmsweise zu bejahen, werde ich im folgenden gleicllwohl nicht von einer Leistung Zug um Zug, sondern von einer Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung sprechen. Diese begriffliche Trennung hat keine andere Aufgabe, als zu zeigen, daß es sich zum einen um eine Leistung gegen Gegenleistung mit regelmäßiger und zum anderen um eine mit ausnahmsweiser Gleichzeitigkeit handelt. Die tatsächliche und rechtliche Behandlung ist beide Male dieselbe l84 , denn für sie ist aus161 Diese Konsequenz wird aber von der angeführten Meinung (oben, Fn. 154) für all die Fälle, in denen sie eine Leistung Zug um Zug ausdrücklich ablehnt, - zumindest für die Vollstreckung - wiederum auch nicht gezogen; s. auch unten, Kap. IV. 2.4.2.1. (bei Fn. 96 ff.). 182 Sie gilt für den gegenseitigen Vertrag, mit der Folge, daß, ergibt sich kein anderer Parteiwille, der Schuldner der vermögenswertlosen Leistung vorzuleisten hat; vgl. auch § 320 Abs. 2 BGB; ferner Adler, FS Zitelmann, S. 5. 113 Vgl. aber auch Adler, FS Zitelmann, S. 5 (Leistungen, die eine andere Leistung voraussetzen, seien keine Gegenleistungen).

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

schließlich von Bedeutung, daß es sich um Leistungen handelt, die gleichzeitig auszutauschen sind 185 • Soweit im Verlauf der folgenden Untersuchung allgemeine Aussagen allein für die Leistung Zug um Zug gemacht werden, gelten sie daher grundsätzlich und ohne weiteres auch für die Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung. Sollte doch einmal eine differenzierende rechtliche Handhabung geboten sein, wird dies ausdrücklich vermerkt werden. Die Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses je nachdem, ob es sich um vermögensbezogene Leistungen handelt oder nicht, wird sich besonders deutlich und zugleich im Rahmen von nur einer Bestimmung bei § 273 Abs. 1 BGB aufzeigen lassen11Hl•

4. Die Leistung Zug um Zug gegenüber der Leistung schlechthin Dieses Kapitel kann nicht abgeschlossen werden, ohne daß zuvor noch einige Worte über das Verhältnis der Leistung Zug um Zug zur Leistung schlechthin gesagt würden. Trotz der Vielschichtigkeit des seit langem im Streit liegenden Leistungsbegriffs 167 kann es hier keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, auf welche der möglichen Bedeutungenl88 des Leistungsbegriffs sich die rechtserhebliche Beschreibung der beiden unterschiedlichen Attribute "Zug um Zug" und "schlechthin" bezieht. Sie wollen und können beide nur etwas über die tatsächliche Beschaffenheit des obligationsmäßigen Leistungsverhaltens und nichts über den Leistungserfolg aussagen169 • Dieser kann bei der Leistung Zug um Zug und der Leistung schlechthin derse1be sein; nur der zu ihm hinführende Weg ist in beiden Fällen nicht identisch. Dabei haben - um im Bild zu bleiben - die beiden Wege 1M Es kann also nicht zutreffend sein, allein wegen der begrifflichen Verneinung einer Leistung Zug um Zug etwa die Anwendbarkeit der §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO auszuschließen; dazu ist entweder nachzuweisen, daß es sich um eine Leistung handelt, die in ihrer Abwicklung unabhängig vom Erhalt der Gegenleistung ist, oder aber, daß die genannten Normen aus anderen Gründen auf bestimmte Fälle gleichzeitiger Leistungen nicht "passen"; s. auch unten, Kap. IH. Fn. 76. 185 Vgl. auch Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 384, der möglicherweise eine ähnliche Unterscheidung getroffen wissen will. 188 s. unten, Kap. III. 2.1.3. (bei Fn. 131 ff.). 187 s. insbesondere Wieacker, FS Nipperdey, Bd. I, S. 783 ff.; ferner Fikentscher, § 8 (S. 27 ff.); Staudinger / Weber, § 241 Rdnr. 10 ff. m. w. N. in der Schrifttumsnote; vgl. aber auch die abseits stehende Auffassung von Wolf, Bd. I, S. 15 ff. 188 Dazu Staudinger / Weber, § 241 Rdnr. 13; ferner zur "Doppeldeutigkeit" BGHZ 40, 326 (331); Larenz, Bd. I, § 2 I (S. 6 f.) und Wieacker, FS Nipperdey, Bd. I, S. 801. 188 Wendt, AcP 92 (1902) 45; s. schon oben, Einl. (bei Fn. 11). A. M. müßte man aber auf der Grundlage der Wolfschen Auffassung (s. oben, Fn. 167) sein.

4. Leistung Zug um Zug und Leistung schlechthin

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nicht etwa verschiedene Ausgangspunkte, um dann mehr oder minder direkt zum gleichen Ziel zu führen; sie laufen vielmehr ganz parallel darauf zu und unterscheiden sich nur dadurch, daß bei der Leistung Zug um Zug auf einer bestimmten Wegstrecke ein Hindernis (sc. das Gleichzeitigkeitserfordernis des Aus-der-Hand-Gebens) auftaucht, das der Leistende zwar umgehen kann (sc. durch freiwillige Vorleistung), es aber nicht umgehen muß. Wird das Hindernis vom Schuldner umgangen oder aber vom Leistungsempfänger beiseite geräumt (sc. durch seine Bereitschaft zum gleichzeitigen Austausch), geht die Leistung Zug um Zug ihren Weg parallel zur Leistung schlechthin zu Ende. Die Frage, ob die beiden Leistungsverhalten dann (sc. nach dem Aus-der-Hand-Geben) allerdings auch die Ziellinie (sc. den Leistungserfolg) tatsächlich erreichen können, stellt sich für beide in genau demselben Maße (sc. dann, wenn zum Erfolgseintritt ein Verhalten des Leistungsempfängers erforderlich ist1 70). Weniger metaphorisch, damit vielleicht aber auch weniger anschaulich, bedeutet das Gesagte, daß sich die Leistung Zug um Zug von der Leistung schlechthin nicht in bezug auf das anbefohlene Gesamtverhalten, sondern lediglich in bezug auf einen mehr oder weniger großen Ausschnitt daraus unterscheidet, im übrigen aber mit ihr vollinhaltlich übereinstimmt. Nur soweit es um das Aus-der-Hand-Geben des Leistungssubstrats als einem Teil des tatsächlichen, zur Erfolgsherbeiführung erforderlichen Gesamtverhaltens geht l7l , weicht dieses bei der Leistung Zug um Zug von dem der Leistung schlechthin ab. Während bei letzterer allenfalls eine Mitwirkungshandlung172 des Gläubigers zum Eintritt ihres rechtlichen Erfolgs, der Erfüllung i. S. d. § 362 Abs. 1 BGB, erforderlich ist, hängt demgegenüber bei der Leistung Zug um Zug zum einen bereits das Leistungsverhalten, soweit es im Aus-der-Hand-Geben besteht, mit einem Gläubigerverhalten, dem gleichzeitigen Aus-derHand-Geben der Gegenleistung, zusammen. Dabei bedeutet dieser Zusammenhang aber nicht, daß - wie etwa bei der körperlichen Entgegennahme des Leistungsgegenstandes - die Möglichkeit der Erfolgs170 Unrichtig insoweit Staudinger / Weber, Ein!. zu §§ 241 ff. Rdnr. F 23: " ... zur Erreichung des Erfolgs (ist) durchweg eine Handlung des Gläubigers erforderlich ..."; zumindest bei einer Leistung, die in einem Unterlassen besteht, trifft dies nicht zu. - Zutreffend Fikentscher, § 8 2 (S. 28: "Der Leistungserfolg kann oft nur durch die Mitwirkung des Gläubigers eintreten"). 171 Der Vorgang des Aus-der-Hand-Gebens kann selbstverständlich auch für sich genommen das gesamte 'notwendige Leistungsverhalten ausmachen; ebenso kann bereits er selbst bzw. einer seiner Teilakte den Leistungserfolg bzw. einen Leistungsteilerfolg darstellen, s. oben, 2.3. m z. B.: Die körperliche Annahme des Leistungsgegenstandes ; dessen Abholung bei der Holschuld; die Annahme des Ühereignungsangebots etc. - Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen das zur Erfolgsherbeiführung erforderliche Leistungsverhalten überhaupt nur unter der Voraussetzung einer Mitwirkung des Gläubigers erbracht werden kann.

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewil"kung

herbeiführung als solche von einer Gläubigermitwirkung abhinge, sondern nur, daß das Leistenmüssen und BekommensoHen in Abhängigkeit zu einem Gläubigerverhalten stehen. Bei dessen Ausbleiben verhindert der Zusammenhang also weder das Leistenkönnen und -dürfen noch das Bekommendürfen und -können 173 • Zum anderen besteht das Gläubigerverhalten bei der Leistung Zug um Zug nicht nur in einer Mitwirkungshandlung an der im übrigen dem Schuldner anheimfallenden Erfolgsherbeiführung, damit also nicht nur zum eigenen Vorteil des Forderungsberechtigten, sondern es besteht vielmehr in einer eigenständigen und dem Schuldner selbst zugutekommenden Gegenleistungshandlung, die jedoch nicht notwendigerweise ihrerseits Gegenstand eines Forderungsrechts des Schuldners sein muß174. Bei der Leistung Zug um Zug handelt es sich demzufolge um eine besondere, gegenüber der Leistung schlechthin ausschnittsweise andere Modalität des Gesamtleistungsverhaltens, mit dem der geschuldete Leistungserfolg herbeigeführt werden muß176. Die Leistung Zug um Zug steht damit als eine selbständige Abwicklungsform möglichen anbefohlenen Leistungsverhaltens neben derjenigen der Leistung schlechthin. Die eine wie die andere ist jeweils sofort und gegenwärtig zu erbringen176 ; nur, im einen Fall genügt zur wirksamen außergerichtlichen Geltendmachung das reine Leistungsverlangen, während dazu im anderen· Fall erforderlich ist, daß sich der Gläubiger zum gleichzeitigen Aus-der-Hand-Geben seiner Gegenleistung erbietet (vgl. § 298 BGB), also seine Bereitschaft zur Beseitigung des "Leistungshindernisses" dokumentiert. Ist dem aber so, läßt sich bei der Leistung Zug um Zug von einer gegenüber der Leistung schlechthin qualitativ eingeschränkten oder beschtränkten "Leistung" (sc. Leistungshandlung) sprechen177 • Dabei ist allerdings nicht die Pflicht des Schuldners, zum unwiderruflichen Aus-der-Hand-Geben des Leistungsgegenstandes bereit zu sein, eingeschränkt; insofern ist von ihm vielmehr gegenwärtige Leistungsbereitschaft zu erwarten. Sondern eingeschränkt ist das ihm angesonnene Leistungsverhalten insoweit, als er seine andauernde Leistungsbereitschaft nur dann in die Tat umsetzen muß, wenn der Gläubiger gleichzeitig dasselbe hinsichtlich der Gegenleistung tut. s. oben, 2.2. a. A. s. oben, 3.1. 175 Vgl. Langheineken, S. 308 ("BesondereQualificirung der geschuldeten Leistung und zwar in gewissem Sinne eine Beschränkung ihres Gegenstandes"; letzteres trifft jedoch nur zu, wenn man unter "Gegenstand" sowohl das Leistungsverhalten als auch den -erfolg versteht); und im Anschluß an ihn Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919), 382. 17B Vgl. Langheineken, S. 88 ff., 308 ff.; ReuteT, S. 18 f. 177 Dagegen BlomeyeT, Bedingungslehre, S. 109. 173 174

4. Leistung Zug um Zug und Leistung schlechthin

67

Der zur Leistung Zug um Zug Verpflichtete schuldet demnach nicht etwa den gleichzeitigen Austausch als solchen 178, dies tut er ebensowenig wie bei der Holschuld die Abholung geschuldet wird, sondern er schuldet den entscheidenden Teil seiner gesamten Leistungshandlung nur beim Vorliegen der tatsächlichen Möglichkeit eines gleichzeitigen Austausches, und die Herbeiführung dieser Möglichkeit ist keineswegs allein Sache des Schuldners, sondern im gleichen Maße auch Sache des Gläubigers17O • Im Zusammenhang mit der Leistung Zug um Zug finden sich häufig Aussagen, die in unterschiedlichster Richtung von "Bedingung" oder von "Bedingtheit" sprechenl80. Da sie aber zumeist nicht näher begründet werden, läßt sich nur selten eindeutig feststellen, "was durch was" und mit welchem Erfolg bedingt sein soll. Nach dem bislang Gesagten kann die Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug niemals in ihrer Existenz durch die Gegenleistung oder durch das Erbieten dazu aufschiebend bedingt sein181 ; sie wäre ansonsten nämlich nichts anderes als eine bedingte Verpflichtung zur Leistung schlechthin. Indiskutabel ist auch die Annahme einer inhaltlich bedingten Entscheidung. Ist aber mit "bedingtem Urteil"l8l! "eine unbedingte Verurteilung zu einer bedingten, So aber Steininger, S. 50 f., 56 ("rechtsschöpferisches Austauschurteil"). Schon aus diesem Grund muß die Kritik am, vom Begriff her sicherlich unglücklich gewählten, "Austauschanspruch" von Kirn, JZ 69, 326 f. (sub 2 b) ins Leere gehen, s. auch unten, Kap. 11. Fn. 46. - So ist es etwa auch zu erklären, daß Streitgegenstand eines zur Leistung Zug um Zug verurteilenden Erkenntnisses niemals auch die Gegenleistung ist; das Urteil insoweit auch keine der Rechtskraft fähige Aussage enthält, ganz h. M. Dagegen aber Steininger, S. 60 ("Auch Ausspruch über die Gegenleistung ist der Rechtskraft fähig") und abwegig Breuer, S. 129 Fn. 1 (Bei Verurteilung zur Leistung Zug um Zug muß "die Gegenforderung des Beklagten ... vorher im Prozesse ihrem Grund und Betrage nach festgestellt sein"); vgl. aber Langheineken, S. 356 f. und gegen ihn im Ergebnis zu Recht Reuter, S. 38 f. 180 s. z. B. Adler, FS Zitelmann, S. 8 (bei Annahmeverzug hinsichtlich Gegenleistung hat Gläubiger "unbedingtes Recht auf Leistung", zuvor also nur ein bedingtes Recht); Breuer, S. 119 (Leisten des Gläubigers sei "Bedingungstatsache und zugleich Beendigungsgrund" für die Wirkung des Rechts nach § 273 BGB); Kohler, AcP 72 (1888) 25 ("Die zweite der bedingenden Tatsachen ... liegt vor, wenn die [vollstreckbare] Urkunde ... eine zweiseitige Obligation mit Leistung Zug um Zug involvirt"); Sonnenschein, S. 48 (bedingter Anspruch); Stein, FS Fitting, S. 432 ("Bedingung der Leistung Zug um Zug [ist] von Amts wegen in das Urteil aufzunehmen, ... "); ders., Grundriß, § 6 VI (S. 18: nicht in ihrer Entstehung, sondern nur in ihrer Erfüllung bedingte Anspruche), aber § 129 V (S. 366: bedingter Anspruch); ferner Langjeld, S.124f. und Staudinger I Berg, § 1000 Rdnr. 2 (beide sprechen von bedingtem Urteil). - Vgl. auch Blomeyer, Bedingungslehre, S. 104 ff. (insbes. S. 110 f.) und zu ihm van den Daele, S. 42 ff.; Kirn, JZ 69, 362, ferner schon Dernburg, Compensation, S. 367: "Die juristische Eigentümlichkeit des Retentionsrechts besteht ... darin, daß die Erzwingbarkeit eines an sich unbedingten Rechts von einer vorgängigen oder gleichzeitigen Gegenleistung (abhängt)." 181 Vgl. Reuter, S. 12, 3l. 181 Langjeld, S. 124 f.; Staudinger I Berg, § 1000 Rdnr. 2. 178

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I. Kap.: Leistung Zug um Zug: Eine Form der Leistungsbewirkung

nämlich unter der Bedingung gleichzeitiger Gegenleistung zu bewirkender Leistung" 183 gemeint, kann dem ebensowenig gefolgt werden wie etwa einer Meinung, die annehmen wollte, allein der Teil des gesamten Leistungsverhaltens, der das Aus-der-Hand-Geben betrifft, sei durch das gleichzeitige Aus-der-Hand-Geben der Gegenleistung bedingt. "Bedingung" und "Gleichzeitigkeit" verhalten sich zueinander wie eine contradictio in adjecto. Für die Bedingung ist wesentlich, daß sich aufgrund eines bestimmten Umstandes eine bestimmte Folge ergibt; die Figur der Bedingung gründet sich m. a. W. auf das Prinzip von Ursache und Wirkung. Damit ist aber das Gleichzeitigkeitserfordernis der Leistung Zug um Zug unvereinbar. Trotzdem hat die Leistung Zug um Zug tatsächlich etwas mit einer Bedingung zu tun. Dies insoweit, als die auf sie gerichtete Verpflichtung immer zugleich auch eine aufschiebend bedingte Pflicht zur Leistung schlechthin beinhaltet. Daß dies richtig ist, folgt aus einer so einfachen wie treffenden überlegung. Wie erinnerlich kann derjenige, der eine Leistung Zug um Zug zu erbringen hat, auf den Schutz des Gleichzeitigkeitserfordernisses ohne weiteres verzichten, indem er vorleistet. Hat er dies getan, kann er - sofern er überhaupt einen Anspruch darauf hat - die Gegenleistung schlechthin einfordern l84 • Dagegen wird von keiner Seite Widerspruch erhoben. Aber genau dasselbe gilt doch in dem Fall, daß der Gläubiger der Leistung Zug um Zug mit seiner Gegenleistung vorangegangen ist. Auch er kann dann den ihm ursprünglich nur über eine "Zug um Zug"-Abwicklung geschuldeten Leistungserfolg unbestreitbar als schlechthin zu bewirkenden Erfolg beanspruchen. Was ist dieser übergang von der geschuldeten Abwicklungsform "Leistung Zug um Zug" zu derjenigen der Leistung schlechthin anderes, als die Wirkung des Eintritts einer Bedingung, die in der Tatsache vorab erfolgter Gegenleistung liegt? Die Berechtigung des Gläubigers, bei eigener Vorleistung vom Schuldner Leistung schlechthin fordern zu können, läßt sich nicht mit einer "erst recht"- Argumentation begründen. Ganz abgesehen davon, daß die Leistung schlechthin und die Leistung Zug um Zug nicht in einem Plus-Minus-Verhältnis stehen, sondern alternative Leistungsmodalitäten, und damit auch alternative Schuldinhalte darstellen l85 , so daß es nicht um "erst recht", sondern allein um "entweder - oder" gehen kann, hat auch noch niemand Reuter, S. 31 m. w. N. s. oben, 2.2. 185 Dagegen die h. M., soweit es um die Verurteilung zur einen oder anderen Leistung geht, vgI. hier zunächst nur Staudinger / Werner, § 274 Rdnr. 1; zu weiteren Nachw. und dazu, daß diese Meinung lediglich für bestimmte Fälle der Leistung Zug um Zug zutrifft, s. unten, Kap. IH. Fn. 76. - Zur in der Praxis üblichen teilweisen Klagabweisung, wenn Leistung schlechthin beantragt war, aber nur Leistung Zug um Zug zugesprochen wird, vgI. Reuter, S. 36, der allerdings zu Unrecht davon ausgeht, eine solche Praxis bestehe nicht, dazu v.gI. nur Furtner, S. 118, 131. 183

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4. Leistung Zug um Zug und Leistung schlechthin

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behauptet, die Leistung Zug um Zug sei das Plus gegenüber der Leistung schlechthin. Damit fehlt es aber an jeder Grundlage, um über "erst recht"-Erwägungen zur Rechtfertigung des sicherlich richtigen Ergebnisses zu gelangen. Dieses läßt sich unproblematisch und frei von rechtlichen Bedenken über die Annahme begründen, daß dort, wo eine Pflicht zur Leistung Zug um Zug besteht, zugleich auch eine durch die Vorleistung des Gläubigers aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Leistung schlechthin vorhanden ist.

II. Kapitel

Allgemeines zu den Grundlagen der Leistung Zug um Zug 1. Enthält das Gesetz oder dessen Entstehungsgeschichte eine verbindliche oder ausdrückliche Aussage hinsichtlich der als Leistung Zug um Zug in Betracht kommenden Fälle?

Wie dargelegt kann begrifflich jede Leistung gegen Gegenleistung auch eine Leistung Zug um Zug sein, muß dies jedoch nicht sein. Ausdrücklich genannt wird die Leistung Zug um Zug nur in den §§ 274 Abs. 1, 322 Abs. 1, 348 Satz 1 BGB und § 3 AbzG. Im übrigen fehlt eine positiv-gesetzliche Regelung, die definitiv darüber Aufschluß geben würde, wann immer eine Leistung Zug um Zug anzunehmen ist. Insbesondere ist dazu den §§ 298, 373 BGB, den beiden einzigen materiellrechtlichen Bestimmungen, die allgemein von Leistung gegen Gegenleistung sprechen und damit unter anderem1 sämtliche Fälle einer Leistung Zug um Zug erfassen, nichts zu entnehmen. Aus der ausdrücklichen Erwähnung der Leistung Zug um Zug nun im Umkehrschluß verbindlich folgern zu wollen, das Gesetz könne eine Leistung Zug um Zug ausschließlich beim Zurückbehaltungsrecht, beim gegenseitigen Vertrag, beim vertraglichen Rücktritt und beim Rückgewährschuldverhältnis des Abzahlungsgeschäfts, nicht aber in anderen Fällen einer Leistung gegen Gegenleistung kennen, ist weder methodisch noch sachlich zu rechtfertigen. Mit demselben Recht ließe sich dann auch behaupten, die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts seien nur auf die im Gesetz genannten Vertragstypen anzuwenden, da es andere Verträge mangels ausdrücklicher Nennung überhaupt nicht geben könne. Für die Annahme, die Leistung Zug um Zug sei als eine mögliche Form der Leistungserbringung derart außergewöhnlich, daß sie besonderer gesetzlicher Anerkennung bedürfe, fehlt jede Veranlassung!. Ebensowenig gibt es einen Anhaltspunkt dafür, daß zwar eine Leistung Zug um Zug für sich genommen auch in anderen Fällen möglich sei, nicht aber ein darauf lautendes Urteil. Schon nach dem Gesetz selbst kann nur das Gegenteil richtig sein. Wohl ist in §§ 274 Abs. 1 und 322 Abs. 1 BGB die Rede da1 2

Mugdan, Bd. II, S. 40; s. schon oben, Kap. I. Fn. 141. s. aber Breuer, S. 59 ("rechtliche Abnormität"); s. auch unten, Kap. III.

Fn. 41 und ausführlich unten, Kap. III.2.1.1.

1. Aussagen des Gesetzes

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von, daß zur "Erfüllung Zug um Zug zu verurteilen" sei, und § 348 BGB, der selbst lediglich davon spricht, daß die "Verpflichtungen Zug um Zug zu erfüllen" sind, verweist dorthin. In § 3 AbzG ist jedoch weder ein "Zug um Zug"-Urteil erwähnt, noch eine entsprechende Verweisung vorhanden. Mit dieser Regelung sollte sicherlich keine Bestimmung geschaffen werden, die prozeßrechtlich nicht umzusetzen ist. Wäre dies aber die - prozessual unbegründete - Auffassung des BGB, dann enthielte es einen Widerspruch in sich. Denn das Abzahlungsgesetz blieb als früheres Reichsrecht3 gemäß Art. 32 Satz 1 EGBGB in Kraft, und seine Bestimmungen sind daher nach der allgemeinen, Art. 32 Satz 2 BGB zu entnehmenden, Regel so anzuwenden, als wären sie zusammen mit den BGB-Normen in einer einheitlichen Kodifikation enthalten'. Das Gesetz gibt demzufolge selbst weder positiv noch negativ verbindliche Auskunft darüber, welche Fälle, in denen eine Leistung in Abhängigkeit zu einer Gegenleistung gebracht ist, auch Fälle einer Leistung Zug um Zug sind. Ist dem aber so, dann ist es Aufgabe der Rechtswissenschaft, hierüber Aufschluß zu geben. Um sich diese Aufgabe nicht vermeidbarerweise schwerer zu machen, als sie unter Umständen nur ist, empfiehlt sich vorab ein Blick in die Gesetzesmaterialien5 , insbesondere zu denjenigen Vorschriften, die die rechtliche Behandlung der Leistung Zug um Zug als komplexe Figur betreffen oder zumindest betreffen wollen. Die Materialien zum zunächst einmal in Erwägung zu ziehenden § 274 Abs. 1 BGB und dessen Entstehungsgeschichte, erweisen sich schon nach kurzer Betrachtung als wenig hilfreich. Im Entwurf erster Lesung sollte § 274 BGB entsprechend seiner Stellung im Gesetz und entsprechend seiner sprachlichen Fassung6 unmittelbar nur auf das nach § 273 Abs. 1 und 2 BGB begründete Zurückhaltungsrecht Anwendung finden. Aus diesem Grund war die besondere Bestimmung des § 236 vorgesehen, demzufolge "die Vorschriften der §§ 234, 235 (§§ 273, 274 BGB) ... in allen Fällen, in welchen das Gesetz dem Schuldner das Zurückbehaltungsrecht beilegt", gelten sollten. Da man also mit § 274 Abs. 1 BGB nur die in der gemeinrechtlichen Doktrin teilweise noch bestrittene Frage, ob Verurteilung gegen den Retinenten auf Leistung Zug um Zug überhaupt erfolgen könne 7, allgemein, d. h. für alle Fälle einer Retentionsberechtigung, im Sinne der bereits weitaus herrschenden Ansicht Vom 16. V. 1894 (RGBl S. 450). , RGZ 63, 346 (349); vgl. auch RGZ 53, 75 (78); Staudinger I Leiß, Art. 32 EGBGB Rdnr. 14. 5 Enneccerus I Nipperdey, Bd. I, § 55 I (S. 329 f.); Larenz, Methodenlehre, 3

S.315.

s. oben, Kap. I. 3.1. a. E. Mugdan, Bd. II, S. 24 (Mot.); s. auch unten, Kap. III. 2.1.1. und dort die Nachw. in Fn. 82, 85. I

7

72

H. Kap.: Allgemeines zu den Grundlagen

d~r

Leistung Zug um Zug

und ein für allemal entscheiden wolltes; und da man der Auffassung war, daß durch die Einklammerung des Wortes "Zurückhaltungsrecht" in § 273 Abs. 1 BGB dieser Begriff "zu einem terminus technicus erhoben sei und hieraus die Anwendbarkeit (sc. des § 274 BGB) in allen Fällen, in welchen das Gesetz das Zurückbehaltungsrecht gewähre, zur Genüge erhelle"9, wurde § 236 im Verlauf der Beratungen des Entwurfs erster Lesung schlicht für überflüssig erachtet und daher gestrichen. Diese Aussagen könnten, wenigstens soweit es um die Fälle einer Leistung Zug um Zug aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts geht, durchaus hilfreich sein, wenn sich im Gesetz oder in seinen Materialien ein allgemeiner Hinweis darauf finden würde, welche Bestimmungen denn ein solches Zurückbehaltungsrecht geben. Allein, man wird vergeblich suchen lO • Den Protokollen ist vielmehr zu entnehmen, daß die Gesetzesverfasser diese Frage gerade der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen wollten. Auch der Gesetzesgeschichte der §§ 298, 373 BGB ist nichts zu den einzelnen Grundlagen einer Leistung Zug um Zug zu entnehmen. In den Motiven des § 298 BGB wird nur ganz allgemein vom gegenseitigen Vertrag und sonstigen "gegenseitigen Zug um Zug zu erfüllenden Verbindlichkeiten" gesprochenl l. Die Protokolle zum im Entwurf erster Lesung noch nicht vorgesehenen § 373 BGB lassen lediglich erkennen, daß bei dessen Fassung in erster Linie an den gegenseitigen Vertrag gedacht worden war12• Weder das BGB selbst noch seine Materialien geben somit Aufschluß oder bieten auch nur Anhaltspunkte dafür, in welchen Fällen einer Leistung gegen Gegenleistung eine Leistung Zug um Zug angenommen werden muß oder soll. Andererseits ist ihnen aber auch keine Beschränkung auf die vier ausdrücklich genannten Fälle als gewollt zu entnehmen. Daher bleibt die Heranziehung der §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO als letzte Möglichkeit übrig, um mittelbar, über die mit einer Norm, die die Leistung Zug um Zug umfassend betrifft, nach dem Willen des Gesetzgebers bzw. der Gesetzesverfasser13 verfolgte Regelungsabsicht, Auskunft darüber zu erlangen, wann das Gesetz eine Leistung Zug um Zug 8

Aus dieser gesetzgeberischen Motivation ergibt sich zugleich auch, daß

§ 274 Abs. 1 BGB alles andere als eine Negativaussage darüber erlaubt, wann

eine Leistung Zug um Zug nicht gegeben ist. , Achilles I Gebhard I Spahn, Bd. I, S. 313; vgl. auch Breuer, S. 60 f.; Hellwig, LB, Bd. I, S. 257 Fn. 60; Schtegetberger, S. 98 ff.; Steininger, S. 33 ff. 10 Genauer zum sog. Zurückbehaltungsrecht s. unten, Kap. II!. 1.2. 11 Amtliche Ausgabe, Bd. I!, S. 73. Daraus ergibt sich aber, daß die Gesetzesverfasser jedenfalls nicht der Meinung waren, die Leistung Zug um Zug sei auf die Fälle ihrer ausdrücklichen Erwähnung beschränkt. 1! Achilles I Gebhard I Spahn, Bd. I, S. 346 ff. lS Zu dieser Unterscheidung s. Larenz, Methodenlehre, S. 316 f.

1.

Aussagen des Gesetzes

73

für gegeben hält. Die genannten vollstreckungsrechtlichen Vorschriften erfassen ihrem Wortlaut nach die zwangsweise Verwirklichung eines jeden Vollstreckungsanspruchs, dessen Grundlage ein auf Leistung Zug um Zug lautender Titel ist1 4 • Die Frage, wann ein "Zug um Zug"-Urteil sachlich begründet ist, ist naturgemäß allein eine Frage des sachlichen Rechts 15 • Das Prozeßrecht kann hierüber unmittelbar nichts enthalten. Insofern können sich lediglich die Gesetzesmaterialien der §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO als aufschlußreich erweisen. In der Kommissionsbegründung zu § 664 CPO (§ 726 ZPO) findet sich die Aussage: "Nach dem BGB kann eine Verurtheilung des Schuldners zur Erfüllung Zug um Zug in drei Fällen vorkommen", nämlich in denen der §§ 274, 322, 348 BGB16. Bei oberflächlicher Lesart legt dies den Schluß nahe, ein "Zug um Zug"-Urteil sei nur in diesen drei Fällen für möglich gehalten worden17• Mag zwar die Regelungsabsicht des Gesetzgebers bleibende und für den Gesetzesanwender verbindliche "Richtschnur" sein18 , so kann dieser doch niemals allein durch die in den Materialien wiedergegebenen überlegungen der Gesetzesverfasser zu einem diesen entsprechenden Normverständnis verpflichtet sein19. Um so weniger kann dann der zitierten, in den CPO-Materialien enthaltenen Äußerung ein anderer Wert, als lediglich der einer unverbindlichen wissenschaftlichen Stellungnahme zukommen20 , da doch die Frage der Rechtfertigung einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug jedenfalls keine Frage von in der ZPO enthaltenen Normen ist. Sich von diesem Standpunkt aus gegen die Kommissionsbegründung zu "verteidigen"21, ist aber überhaupt nur dann erforderlich, wenn diese tatsächlich eine Beschränkung der Leistung Zug um Zug auf die drei von ihr genannten Fälle zum Ausdruck bringen wollte. Davon kann zu Recht jedoch nicht ausgegangen werden. Das BGB selbst kennt die Leistung Zug um Zug nämlich ausdrücklich noch in zwei weiteren Fällen. So bei der Durchführung der Wandlung 22 und der Rückabwicklung eines Abzahlungsgeschäfts, § 3 AbzG23; ferner gibt es keinen 14 Ob sie dies überhaupt können, ist eine andere Frage und stark zu bezweifeln, s. unten, Kap. III. Fn. 76; ferner Kap. III. Fn. 109. 15 Statt aller Stein / Jonas / MünzbeTg, § 726 Rdnr. 13. Eine andere Frage ist, ob es sich dabei durchweg um rein materiellrechtliche Normen handelt. 18 Hahn, Bd. VIII, S. 136. 17 So denn auch ReuteT, S. 6 f.; Schmidt, S. 5; wohl auch Steininger, S.29 ff. 18 LaTenz, Methodenlehre, S. 315. 19 LaTenz, Methodenlehre, S. 317. 20 Insoweit zutreffend ReuteT, S. 6 f. 21 So ReuteT, S. 6 f. 22 s. § 467 Satz 1 BGB mit §§ 348, 322 BGB und §§ 493, 515, 634 Abs. 4, 651 Abs. 1 Satz 2 BGB jeweils mit §§ 467 Satz 1, 348, 322 BGB. 23 s. oben, im Text bei Fn. 3.

H. Kap.: Allgemeines zu den Grundlagen der Leistung Zug um Zug

74

Grund, weshalb es die ausdrückliche Vereinbarung einer Leistung Zug um Zug nicht anerkennen sollteM. Den zur prozeßrechtlichen Ergänzung des BGB berufenen Verfassern der CPO-Novelle kann nicht ernsthaft unterstellt werden, sie hätten ein "Zug um Zug"-Urteil in diesen Fällen nicht für möglich halten wollen. Zur Annahme einer definitiven Aussage dieses Inhalts fehlt es eben an dem Wörtchen "nur". Mit der Erwähnung der §§ 274, 322, 348 BGB wollten die Gesetzesverfasser erkenntlich nur einige der möglichen Grundlagen einer Leistung Zug um Zug als Beispiele anführen25 • Die Gesetzesmaterialien enthalten demnach insgesamt nichts, was über das ohnehin Eindeutige, daß zumindest nach den zitierten Normen eine Leistung Zug um Zug gegeben sein kann, hinausführen würde. Für die Suche nach weiteren Fällen, die als Grundlage einer Leistung Zug um Zug in Betracht zu ziehen sind, erweisen sie sich als unergiebig28 • Auf das, was die Rechtswissenschaft ihrerseits bislang dazu beigetragen hat, ist im folgenden Abschnitt kurz einzugehen. 2. Die bisherige rechtswissenschaftliche Behandlung der Grundlagen einer Leistung Zug um Zug im Vberblick Es ist heute ganz einhellige Meinung, daß die Leistung Zug um Zug nicht auf diejenigen Fälle und Normen beschränkt ist, in denen sie ausdrücklich genannt wirdl!7. Dennoch ist die bereits in den Gesetzesmaterialien anzutreffende, rein kursorische Erfassung der einzelnen Grundlagen einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug bis in die Gegenwart weitgehend charakteristisch für deren Darstellung in der privat- und prozeßrechtlichen Literatur geblieben28 • Für eine eingehendere Behands. unten, 3. (bei Fn. 44). Zu Unrecht unterstellt Reuter, 5. 7 den von ihm dort in Fn. 1 zitierten Autoren eine Beschränkung der "Zug um Zug"-Verurteilung auf die §§ 274, 322, 348 BGB. Den dort Genannten kann ebensowenig wie den Gesetzesverfassern das auch bei ihnen durchweg fehlende "nur" unterschoben werden. ZB Anzumerken ist allerdings, daß mit dem Behandelten nicht die Frage verwechselt werden darf, ob der Kommissionsbegründung zu § 726 ZPO nicht etwas über den Anwendungsbereich der §§ 726, 756, 765 ZPO entnommen werden kann, bzw. ob sie insoweit nicht im Ergebnis Zutreffendes enthält; vgl. oben, Fn. 14. Z7 A. M. offenbar aber Rosenberg I Schwab, § 105 H 3 (5. 563: "Nur die Einreden [der §§ 274, 322 Abs. 1 BGBl führen zur Verurteilung Zug um Zug") und § 134 I 3 c, d (5. 743); s. ferner unten, Fn. 53. 18 Vgl. z. B. aus der privatrechtlichen Literatur: Erman I Battes, § 298 Rdnr. 2; Oertmann, § 298 Anm. 1 b; § 373 Anm. 1; Palandt I Heinrichs, §298 Anm. 2; 373 Anm. 2; Planck I Siber, § 273 Anm. 1 b; § 298 Anm. 1; RGRK I Alff, §§ 298; 373; Rosenberg, JherJB 43 (1901) 198 f.; Schollmeyer, §§ 298, 299 Anm. 2 a; Soergell Schmidt, § 298 Rdnr. 1; Staudinger I Werner, § 298 Rdnr. 3; Warneyer, §§ 298; 373. - Aus der prozeßrechtlichen Literatur: Falkmann, 5. 125 Fn. 23; Neumann, JW 01, 740; Stein I Jonas I Münzberg, § 726 Rdnr. 13; U

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2. Aussagen der Literatur

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lung hält sich offensichtlich weder die eine noch die andere für zuständig. Der mögliche Einwand der Prozeßrechtswissenschaft, daß es schließlich nicht ihre Aufgabe sein könne, Fragen des sachlichen Rechts zu beantworten, ist sicherlich im Grundsatz richtig, aber eben nur im Grundsatz und nicht im prozessualen Umgang mit der Leistung Zug um Zug. Auch wenn man jede Wechselwirkung zwischen sachlich-rechtlicher und prozeßrechtlicher Behandlung der Leistung Zug um Zug leugnen wollte, so könnte man doch nicht umhin, solches zumindest für die Exekution anzuerkennen. Denn dadurch, daß die §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO an das materiellrechtlich bestimmte Institut "Annahmeverzug" anknüpfen, werden sachlich-rechtliche Fragen, die ihrerseits nicht ohne eine Klärung der sachlichen Grundlagen der Leistung Zug um Zug zu beantworten sind, unmittelbar auf der prozessualen Ebene relevant. Die "Rüge der sachlichen Unzuständigkeit" ist daher keineswegs begründet. Von wenigen Ausnahmen abgesehen2U wollen und können die vorhandenen, unterschiedlich umfangreichen Zusammenstellungen nicht als erschöpfende Behandlung der sachlichen Voraussetzungen eines "Zug um Zug"-Urteils verstanden werden30 • Für sie gilt in dieser Beziehung dasselbe wie für die Aussagekraft der Kommissionsbegrundung zu § 726 ZPO. Dort aber, wo von der privatrechtlichen Literatur im Zusammenhang mit der Untersuchung einzelner Tatbestände auch die Frage beantwortet wird, ob diese eine Leistung Zug um Zug zur Folge haben, geschieht dies zumeist in rein apodiktischer Weise und ohne das Bemühen um übergreifende Wertungen31 • Eine zusammenfassende Darstellung der einzelnen Grundlagen wäre aber allenfalls dann entbehrlich, wenn statt dessen gemeinsame abstrakte Merkmale genannt würden, die, sind sie in einer sachlich-rechtlichen Norm enthalten, geeignet wären, eine auf Leistung Zug um Zug gerichtete Rechtsfolge auszuweisen, ohne daß dies wörtlich im Gesetz stehen müßte. Auch solches findet sich nirgendwo. Lediglich im Verlauf der ersten zehn Jahre nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches wurde ganz sporadisch der Versuch unternommen, den sachlichen Anwendungsbereich der Leistung Zug um Zug auf:zuschlüsseln. Damit hatte es bis in die Gegenwart aber schon sein Bewenden, und dies obwohl die "Folge"-Problematik die mit dieser LeiSydow / Busch, § 726 Anm. 8; Wieczorek, § 726 Anm. D II; ZäHer / Degenhart, § 726 Anm. 2; ferner die von Reuter, S. 7 Fn.1 Genannten.

Dazu sogleich im Text. A. M. Reuter, S. 7 für die von ihm Genannten, s. oben, Fn. 25. 31 Vgl. z. B. Soergel / Schmidt, § 368 Rdnr. 1; RGRK / Weber, § 410 Rdnr. 4; Erman / Ronke, § 1223 Rdnr. 4; ferner Schmidt, S. 13 für die §§ 255, 368, 371, 410, 785, 797, 807, 808 Abs. 2 und 1144 BGB: "Eine jeweilige Anweisung, daß auf Leistung Zug um Zug zu verurteilen ist, fehlt. Doch muß auch hier die Wirkung der Einrede dieselbe wie bei den Fällen der §§ 273 und 320 BGB sein" (weshalb?). Je

30

11. Kap.: Allgemeines zu den Grundlagen der Leistung Zug um Zug

76

stungsart verbunden ist, keineswegs nur "im Verborgenen blüht"32, und obwohl auch die fehlende Aufarbeitung der sachlichen Grundlagen durchaus als Mißstand empfunden wird. Dies zeigt ganz deutlich eine wenn auch von einem etwas anderen Blickwinkel aus gemachte - Äußerung von Gabius. Er meint, "es kann ganz allgemein festgestellt werden, daß eine große Unsicherheit besteht, wann eigentlich unbeschränkt, wann Zug mn Zug und wann ,nur' nach Empfang der Gegenleistung verurteilt werden darf"33. Die in den "Kinderjahren" des BGB angestellten Versuche, die Grundlagen der Leistung Zug um Zug umfassend und erschöpfend zusammenzustellen, stammen von Kohler3 4, Langheineken35 und Reuter36 • Kohler ordnete alle seiner Ansicht nach in Betracht kommenden Fälle, weitgehend unreflektiert3 7 und fernab einer am Gesetz orientierten Einzeldarstellung, einer "Zurückbehaltungseinrede im weiteren Sinne" zu. Anders Langheineken, der die einzelnen Fälle erstmalig in Ansätzen danach unterschied, ob es sich um Einreden oder aber um eine "inhaltliche Beschränkung des Anspruchs"38 handelt. Diese Unterscheidung wurde von Reuter aufgenommen und, bei teilweise anderer Zuordnung der Einzelfälle, im sachlich-rechtlichen Teil seiner Arbeit durchgehalten39 • Reuter läßt dann allerdings, mir unverständlicherweise, diese Trennung im Rahmen seiner Behandlung prozessualer Fragen nahezu vollständig .,unter den Tisch fallen". Demgegenüber mußte Steininger, der sich in seiner Arbeit ebenso wie Reuter mit der Leistung Zug um Zug als solcher befaßt, jedoch als "Anwendungsgebiet" des "Zug um Zug"-Urteils nur die §§ 274, 322, 348 BGB gelten läßt40 , sich zwangsläufig darauf beschränken, die seiner Meinung nach im Gesetz besonders geregelten und § 274 BGB unterfallenden Retentionsfälle herauszuarbeiten4o • Um diese Frage bemühte sich auch, obgleich von einem anderen Ansatzpunkt aus, Schlegelberger 41 mit der Darlegung eines einheitlichen Zurückbehaltungsrechts des BGB. In ähnlicher Weise gingen bereits B7'euer 42 und 32 Insbesondere deren prozessuale Behandlung ist des öfteren Gegenstand wissenschaftlicher Stellungnahmen, vgl. z. B. Koenigk, NJW 60, 2180 ff.; 61, 542 ff.; Münzberg, NJW 61, 540 ff.; Neumann, JW 01, 740 f.; Schmidt, JurBüro 64,415 ff.; Schneider, JurBüro 66, 818 ff.; 911 ff.; ders., MDR 64, 732 f.; Stojek, MDR 77, 456 ff.

n NJW 71, 866. 34

35 38 37

Bd. I, S. 192 ff. S. 87 ff., 307 ff. S. 12 ff., 42 ff. Anders ist etwa die Nennung von § 17 KO nicht zu erklären.

S.308. Bei Reuter findet sich aber eine etwas andere Terminologie. 40 S. 29 ff. u S. 85 f., 93, 100 f., 141 ff., 173. 42 S. 60 ff.

38 89

3. Die grundsätzliche Unterscheidung der Grundlagen

77

Schoenenberg 43 dieser Frage mit ihren Untersuchungen der Konnexitätsbeziehungen bei Retentionsfällen nach. Diese Arbeiten sind jedoch durchweg insofern unzulänglich, als sie bei der Suche nach den einzelnen Grundlagen der Leistung Zug um Zug nicht oder allenfalls en passant das Wesen und den Inhalt der auf solche Leistung lautenden Rechtsfolge berücksichtigen, also den Bezug von tatsächlicher Leistungsart und individuellem Normzweck außer acht lassen. Während dies bei Breuer, Kohler, Langheineken, Schlegelberger und Schoenenberg noch verständlich ist, da die Behandlung der Leistung Zug um Zug innerhalb ihrer Arbeiten mehr oder minder nur ein "Nebenprodukt" darstellt, nimmt es bei Reuter und Steininger um so mehr Wunder, als sich diese Autoren speziell mit der Leistung Zug um Zug bzw. der darauf lautenden Verurteilung befassen. Insgesamt gesehen fehlt Vollständiges, übergreifendes, zumindest aber überzeugendes zu den einzelnen sachlichen Grundlagen einer Leistung Zug um Zug. 3. Die grundsätzliche dogmatische Unterscheidung der Grundlagen einer Leistung Zug um Zug Vor der nunmehr anstehenden Auf- und Untersuchung der einzelnen sachlichen Grundlagen der Leistung Zug um Zug ist zunächst eine grundsätzliche und essentielle Unterscheidung zu treffen. Während wie im vorangegangenen Kapitel zu zeigen versucht wurde - dem Begriff "Leistung Zug um Zug" hinsichtlich seines tatsächlichen Inhalts die Funktion eines terminus technicus zukommt, lassen sich sämtliche Tatbestände, deren Rechtsfolge auf eine solche Leistung gerichtet ist, die also zu einer "Zug um Zug"-Verurteilung führen können, in zwei ihrem Wesen nach grundverschiedene und daher streng zu trennende Kategorien einordnen. In die erste Kategorie gehören all jene Fälle, in denen aufgrund eines Einredetatbestandes eine Leistung Zug um Zug möglich ist, als eindeutiges Beispiel also etwa das Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273 Abs. 1 und 2, 274 Abs. 1 BGB. Zur zweiten Kategorie zählen die Fälle, in denen der Gläubiger bereits von Anfang an nur berechtigt ist, eine Leistung Zug um Zug vom Schuldner zu fordern. Wer glaubt, daß sich für die zuletzt genannte Fallgruppe im Bürgerlichen Recht nirgendwo ein positivgesetzlich normiertes Beispiel finden lasse, muß gleichwohl die Möglichkeit ihrer rechtlichen Existenz anerkennen. Da die geltende Vertragsfreiheit den Parteien erlaubt, die inhaltliche Gestaltung ihrer schuldrechtlichen Leistungspflichten grundsätzlich nach eigenem Belieben zu regeln«, können sie ohne weiteres vereinbaren, daß die Leistung 48 44

S. 23 ff.

LaTenz, Bd. I, § 4 11 (S. 41 f.).

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II. Kap.: Allgemeines zu den Grundlagen der Leistung Zug um Zug

des Schuldners von einer Gegenleistung des Gläubigers derart abhän.. gig sein soll, wie dies bei der Leistung Zug um Zug der Fall ist. Sofern das Bürgerliche Recht per se eine solche Verpflichtung nicht kennen sollte, würden die Parteien mit einer derartigen Vereinbarung 45 zwar rechtsschöpferisch tätig werden, was die Typenfreiheit des Schuldrechts auch unbedenklich zuläßt; auf keinen Fall aber würden sie damit die Grenzen der Vertragsfreiheit verletzen. Diese Vereinbarung wäre also selbst dann von unserer Rechtsordnung anzuerkennen, wenn man der Meinung sein sollte, sie sei auf eine atypische Pflicht gerichtet, weil es eine solche de iure nicht gäbe". Die Leistungsbeschränkung "Zug um Zug" kann mithin entweder auf einer wirksam ausgeübten Einredebefugnis des Schuldners oder aber auf einem bereits ursprünglich nur auf Leistung Zug um Zug gerichteten Forderungsrecht des Gläubigers beruhen. Es gibt mit anderen Worten zum einen auf "Zug um Zug"-Leistung lediglich nachträglich beschränkbare und zum anderen hierauf bereits ursprünglich beschränkte Ansprüche. Tertium non datur47 • "Anspruch" ist hierbei im weitesten Sinne zu verstehen; d. h., damit ist die gesamte Rechtsstellung des forderungsberechtigten Gläubigers gemeint, also auch dessen Befugnis zu klagen und zu vollstrecken.s. Die Frage, ob sich die Anspruchsbeschränkung in beiden Kategorien möglicher "Zug um Zug"-Leistungen auf derselben Ebene realisiert, ist damit also nicht beantwortet. Die Antwort hierauf läßt sich nicht abstrakt treffen, sondern bedarf der Berücksichtigung, welchem Normzweck die Leistung Zug um Zug Geltung verschaffen will 4t• Bei den nachträglich beschränkbaren Ansprüchen ist 45 Ein Beispiel für eine solche Vereinbarung nennt bereits Kohler, ArchBürgR 13 (1897) 190. 41 A. M. muß Kirn, JZ 69, 326 f. (sub 2 b) sein, wenn er meint, ein solcher, wie er es für den gegenseitigen Vertrag nennt, Austauschanspruch sei juristisch denkunmöglich, weil Subjekt und Objekt der Zwangswirkung Rechtsfolge nicht mehr unterscheidbar seien. Diese Indifferenz nimmt Kirn zu Unrecht an, denn das Subjekt, der leistungswillige und -fähige Gläubiger, wird von der Zwangswirkung der Rechtsfolge gerade nicht betroffen. Deren Zwangsfunktion ist nur auf das Objekt, den nicht leistungswilligen bzw. -fähigen Schuldner gerichtet; m. a. W. das zur freiwilligen Leistung bereite (nur unter dieser Voraussetzung kann die Zwangswirkung in Richtung Schuldner der Rechtsfolge zugedacht werden) Subjekt ist niemals zugleich als Objekt der Zwangswirkung denkbar. Gegen Kirn spricht ferner, daß der aufgrund eines titulierten "Zug um Zug"-Anspruchs zu realisierende Zwang sich immer nur gegen den beklagten Schuldner als Objekt richtet. Dieser ist aber niemals aus dem Titel zugleich auch berechtigtes Subjekt der Zwangswirkung. s. auch schon oben, Kap. I. Fn. 179 und die weiteren Nachw. unten in Fn. 53. 47 A. M. offensichtlich Btunck, NJW 67, 1598 f., jedoch ohne Angabe, worin der Unterschied seiner 1. und 3. Fallgruppe eigentlich liegen soll. 48 Vgl. Jahr, JuS 64, 218 Fn. 34. 48 Vgl. unten, Kap. II!. Fn. 76. Selbstverständlich würden auch dann, wenn die Beschränkung den Anspruch beide Male an derselben Stelle träfe, nicht identische dogmatische und damit gleich zu behandelnde Konstruktionen gegeben sein; nur ihre graduelle Verschiedenheit wäre weniger groß.

3. Die grundsätzliche Unterscheidung der Grundlagen

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daher im Rahmen dieser Untersuchung nicht der materiellrechtliche Anspruchsgrund von Interesse, sondern das "Beschränkungsmittel", also die gegen die uneingeschränkte Anspruchsverwirklichung durch den Gläubiger gerichtete Verteidigungsmöglichkeit des Schuldners. Im Gegensatz dazu ist bei den ursprünglich beschränkten Ansprüchen nur die materielle Forderungsberechtigung des Gläubigers ausschlaggebend50• Bei denjenigen Normen, die in ihrer Rechtsfolge eine Leistung des Schuldners in Beziehung zu einer Gegenleistung des Gläubigers setzen, ist deshalb nicht nur zu überlegen, ob ihrem Zweck das mit der Leistung Zug um Zug gegebene Gleichzeitigkeitserfordernis gerecht wird; sondern auch über welche der beiden unterschiedlichen dogmatischen Konstruktionen die notwendige Gleichzeitigkeit zustandekommt. Diese im Rahmen der sachlichen Grundlagen zu treffende Unterscheidung in beschränkbare und beschränkte Anspruche muß dann auch unmittelbarer Anlaß sein, sich darüber Gedanken zu machen, ob und gegebenenfalls wie sie sich bei der Beantwortung prozessualer Fragen (z. B. für die Klaganträge, den Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Klägers, den Streitgegenstand, den Anwendungsbereich der §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO etc.) auswirkt. Eine Aussage, die für die verfahrensmäßige Behandlung der lediglich durch ein bestimmtes (prozessuales oder außerprozessuales51 ) Beklagtenverhalten beschränkbaren Ansprüche zutrifft, braucht nicht apriori auch für die ursprünglich beschränkten Ansprüche zu gelten. Diese Aussage hat nicht einfach deshalb für beide Fälle gleichzulauten, weil im Urteilsausspruch jeweils auf Leistung Zug um Zug erkannt wird und diese einen feststehenden und einheitlichen tatsächlichen Inhalt hat. Denn allein die tenormäßige Einebnung der Unterscheidung zwischen ursprünglich und nachträglich beschränkter Leistung Zug um Zug kann noch nicht einen einheitlichen prozessualen Begriff "Zug um Zug"-Urteil begründen, von dem aus dann alle verfahrensrechtlichen Fragen für das "Zug um Zug"-Urteil zu beantworten wären. Eine solche Argumentation ginge vom äußerlichen prozessualen Ergebnis aus, während gerade umgekehrt zu fragen ist, ob denn überhaupt diese äußerliche Gleichbehandlung im Tenor vom sachlichen Recht her zu rechtfertigen ist52 • Obschon es heute in Rechtsprechung und Literatur weithin als eine selbstverständliche und deshalb oft gar nicht mehr besonders hervorzuhebende Tatsache gilt, daß ein auf Leistung Zug um Zug lautendes Urteil nicht nur die prozessuale Verwirklichung einer ausgeübten Einrede50 Grundlegendes zum Verständnis des ursprünglich beschränkten Anspruchs ("Verurteilung nach dem Klagantrag") findet sich bei Reuter, S. 12-22, allerdings mit einem eklatanten Widerspruch in sich auf S. 20 f. 51 Davon handelt ausführlich Jahr, JuS 64, 129 ff., 293 ff. 51 s. unten, Kap. III. Fn. 76.

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II. Kap.: Allgemeines zu den Grundlagen der Leistung Zug um Zug

befugnis .des Beklagten, sondern genausogut eines von Anfang an lediglich auf Leistung Zug um Zug gerichtetes Forderungsrechtes des Klägers sein kann53 , werden gleichwohl prozeß- und vollstreckungsrechtliche Folgerungen dieser Differenzierung oft in Abrede gestellt bzw. überhaupt nicht erwogen. So werden entweder verfahrensrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem "Zug um Zug"-Urteil pauschal für die "Zug um Zug"-Verurteilung beantwortet54, oder aber es wird das, was verfahrensrechtlich für die beschränkbaren Ansprüche als zutreffend angesehen wird, ohne weiteres auf die ursprünglich beschränkten Ansprüche übertragen, und umgekehrt55 • Solange richtigerweise nicht davon ausgegangen wird, daß es nur einen einheitlichen dogmatischen Ursprung einer Leistung Zug um Zug gibt, kann nicht - weder im Rahmen des materiellen noch des Prozeßrechts - ohne Begründung von der Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" und dann "folgerichtig" von dem "Zug um Zug"-Urteil ausgegangen werden. Zu den angeschnittenen und anderen "Folge"-Fragen der Leistung Zug um Zug kann diese Arbeit nicht umfassend und in kommentarmäßiger Weise Stellung nehmen. Sie muß sich in erster Linie darauf beschränken, das Rüstzeug für die weitere wissenschaftliche Detailbehandlung der Leistung Zug um Zug zu liefern. Da jedoch in ihrem Rahmen 58 Vgl. als wahllos herausgegriffene Beispiele etwa RGZ 54, 137 (140 f.); BGH, NJW 63, 1870; Blunck, NJW 67, 1598 f.; Langheineken, S. 87 ff., 307 ff.; Larenz, Vertrag und Unrecht, S.137; Leonhard, Beweislast, S.343 f.; Plumeyer, DRiZ 29, 17; Püschel, DR 39, 1044; Reuter, S. 11, 12 ff., 42 ff.; Schmidt, S. 11 f., 14 ff.; Weintraud, S. 24; ferner schon Kohler, JherJB 17 (1879) 283 f.; ders., AcP 72 (1888) 25 f.; ders., ArchBürgR 13 (1897) 190; anders aber ders., LB, Bd. I, S, 192 ff.; s. im übrigen die weiteren Nachw. im Kap. IV. passim. - A. M. Klauss, Rdnr. 240 (" ... die Zug-um-Zug-Klausel [ist] im AbzG wie überall sonst nur als Leistungsverweigerungsrecht aufzufassen ... "); ebenso Ostler / Weidner, § 3 Anm. 6; ferner Rosenberg / Schwab, § 134 I 3 c, d (S. 743: "Ausnahmsweise ergeht bei Leistungsurteilen eine einschränkende Verurteilung ... nämlich: Verurteilung Zug um Zug, wenn der Beklagte die Einrede des ... [§ 274 BGB] oder des ... [§ 3~2 BGB] mit Erfolg geltend gemacht hat ... "), ebenso § 105 II 3 (S. 563), dazu oben, Fn. 27; Steininger, S. 9 (" ... das Gesetz kennt keine primäre Verpflichtung zur Zug um Zug Leistung ... "; unklar ist allerdings, ob damit nur eine gesetzlich gegebene, "primäre" "Zug um Zug"Verpflichtung oder deren mögliche Existenz schlechthin verneint werden soll, ob also mit "kennt" auch "anerkennt" gemeint ist); wohl auch Kirn (s. oben, Fn.46). 54 Vgl. statt vieler BGH, NJW 51, 517; Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 308 Anm. 1 B, § 92 Anm. 1 B a; Schmidt, JurBüro 64, 415 f.; Schneider, JurBüro 66, 817 ff., 914 ff. (insbes. Sp. 918); Sebode, DGVZ 58, 35 (sub III); Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 13 (trotz Fn. 44 dort). - Richtig soweit es die Tatsache betrifft, daß unterschieden werden muß, Blunck, NJW 67, 1598 f.; ferner Stein / Jonas / Schumann / Leipold, § 308 Anm. I 2; Wieczorek, Handausgabe, § 308 Anm. C III b (heide zitieren aber zu Unrecht BGH, NJW 51,517 und betreffen nur die beschränkbaren Ansprüche). 55 Vgl. z. B. BGHZ 27, 242 (249); Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 308 Anm. 1 B (zit. OLG Hamburg, MDR 57, 169, dessen Entscheidung jedoch nur ein "Zug um Zug"-Urteil aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts betraf).

3. Die grundsätzliche Unterscheidung der Grundlagen

81

die einzelnen sachlichen Grundlagen einer der beiden Kategorien zugeordnet werden müssen, und diese Zuordnung sich jedenfalls mitunter gefallen lassen muß, von ihren Konsequenzen für die "Folge"-Behandlung der fraglichen "Zug um Zug"-Bestimmung her auf ihre ergebnismäßige Berechtigung hin hinterfragt zu werden, wird sich gleichwohl Gelegenheit bieten, knappe Aussagen zum materiell-, prozeß- und vollstreckungsrechtlichen Umgang mit der Leistung Zug um Zug als solcher, wie auch ihrer unterschiedlichen dogmatischen Begründetheit zu treffen. Diese Aussagen sind aber lediglich als Anregungen dafür zu verstehen, in welche Richtung sich die wissenschaftliche Diskussion nach der Meinung des Verfassers bewegen sollte. Sie erheben keinesfalls den Anspruch, die einzelnen angesprochenen Problemkreise erschöpfend behandelt zu haben. Im folgenden werden zunächst die Fälle der ersten Kategorie, des lediglich beschränkbaren Anspruchs, dargestellt und im Anschluß daran dann diejenigen der zweiten Kategorie, des ursprünglich beschränkten Anspruchs. Danach erst wird auf solche Fälle eingegangen werden, deren Zuordnung für sich genommen besonders problematisch ist, bzw. von der Rechtswissenschaft in besonderem Maße kontrovers entschieden wird.

60esterle

III. Kapitel

Der nachträglich auf Leistung Zug um Zug heschränkhare Anspruch (Die Zug-um-Zug-Einrede) 1. Die zur Leistung Zug um Zug führende Einrede im allgemeinen 1.1. Ihr Verhältnis zu sonstigen Einreden

Die herrschende Meinung definiert die Einrede des bürgerlichen Rechts als "ein Gegenrecht, das das Recht, gegen das es sich richtet, nicht aufhebt!, es aber durch Gegenwirkung hemmt, d. h. (praktisch) unwirksam macht"2. Demzufolge muß die Einrede bei der klagweisen Verfolgung des einredebehafteten Rechts zur Abweisung der Klage als - zumindest zur Zeit - unbegründet führen können. Richtet sich die Einrede - wie im Regelfall3 - gegen einen Anspruch, wird in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Gesetzes' vom Recht des Verpflichteten gesprochen, die geschuldete Leistung5 zu verweigern; dementsprechend wird in ihr allgemein ein Leistungsverweigerungsrecht gesehene. Sämtliche Einreden werden von der h. M. danach unterschieden, ob es sich dabei um ein dauerndes oder nur um ein zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht handelt. Sie bezeichnet je nachdem die einen als peremptorische und die anderen als dilatorische Einreden. Zu den Leistungsverweigerungsrechten im allgemeinen und zu den dilatorischen im besonderen werden auch die hier interessierenden Einreden, die zu einer 1 Dagegen für alle Einreden Hölder, AcP 93 (1902), 74 ff. (insbes. S. 80, 89) und für die peremptorischen Einreden HeUwig, Anspruch, S. 9 ff.; Schlosser, JuS 66, 268; Wolf, Bd. I, S. 306. 2 Enneccerus / Nipperdey, Bd. II, § 226 I (S. 1382). Die Anspruchshemmung wurde zuerst von Windscheid, Pandekten, Bd. I, § 47 (S. 109) betont. a Dazu Larenz, AT, § '14 II (S. 210). - Abw. Langheineken, S. 48 ("immer"). 4 Vgl. die daran orientierten Zusammenstellungen bei Enneccerus / Nipperdey, Bd. II, § 226 I (S. 1382); Jahr, JuS 64, 125 f.; Langheineken, S. 44 Fn. 4; Larenz, AT, § 14 II (S. 210). 5 Gleichbedeutend mit "Erfüllung einer Verbindlichkeit (bzw. Anspruch oder Forderung)" und "Befriedigung des Gläubigers"; vgl. Larenz, AT, § 14 II (S. 210); Jahr, JuS 64, 127 sub 8. t Dies faßt Jahr, JuS 64, 302 entgegen der h. M. nicht als Recht "zur Unterlassung der Leistung", sondern nur als Recht "zur Verweigerung" i. S. e. Gestaltung auf.

1. Allgemeines zur Zug-um-Zug-Einrede

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Leistung Zug um Zug führen können, gerechnet7. Mit der Berufung auf ein solches Einrederecht macht der Schuldner jedoch nicht geltend, der Gläubiger könne - wenigstens zur Zeit - die Bewirkung der geschuldeten Leistung überhaupt nicht beanspruchen, sondern er fordert nur die Berücksichtigung einer mit seiner Leistung kraft Gesetzes funktional verbundenen Gegenleistung durch eine entsprechende Beschränkung des gegen ihn gerichteten Anspruchs 8 • Der Einrede, die zur Leistung Zug um Zug berechtigt, fehlt die sonstige Einreden kennzeichnende (vorübergehend) paralysierende Wirkung. Sie ist lediglich ein den Anspruch modifizierendes Gegenrecht9 • Sie führt deshalb 10 auch nicht, wie es bei der Anspruchshemmung der Fall ist, zur Klagabweisung, sondern nur zur Verurteilung auf Leistung Zug um Zug. Ihre Bezeichnung als Leistungsverweiger.ungsrecht ist daher unscharfl l • Der Sache nach stellt sie ein Leistungsbeschränkungsrecht dar. Dem entspricht der lediglich relativierende Gesetzeswortlaut "kann ... verweigern, bis . .. " (vgl. § 273 Abs. 1 BGB). Damit gibt das Gesetz selbst den nur einschränkenden Charakter dieser "Verweigerung" zu erkennen12, so daß es auch von daher gerechtfertigt ist, von Leistungsbeschränkungsrecht zu reden. Dem entspricht etwa auch die Auffassung der h. M., daß der Schuldner, der wirksam von diesem Recht Gebrauch machen will, nicht einfach erklären kann, er werde nicht leisten, sondern daß er dem Gläubiger ankündigen muß, er wolle bis zur Bewirkung der Gegenleistung nicht leisten13 • Die privatrechtliche Einrede ist insgesamt umfassender zu definieren als ein subjektives Recht14, das seinem Inhaber die Macht gibt, sich der 7 z. B. Dernburg, Bd. II/1, § 58 I ~s. 147); Enneccerus / Nipperdey, Bd. II, § 226 I (S. 1388 u. dort Fn. 2); Erman / Sirp, § 273 Rdnr. 2; Langheineken, S. 293; Jauernig / Vollkommer, § 273 Anm. 4 a; Reuter, S. 44 (aber widersprüchlich zu S. 43); Rieger, S. 60; Schlegelberger, S. 166; Staudinger / Werner, § 273 Rdnr.

17; h. M.; vgl. ferner schon Bekker, JherJB 30 (1891) 268 f. - Ganz anders Sonnenschein, S. 48 (Zurückbehaltungsrecht nach § 273 ist keine Einrede) und Endemann, Bd. I, § 88 3 b (S. 518 f.) Fn. 42, 46; § 126 4 b (S. 713) Fn. 21 (keine Einrede, sondern ~ltendzumachendes, rechtsvernichtendes Gegenrecht). 8 Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß in diesem Zusammenhang "Anspruch" nicht nur die materielle Berechtigung, sondern auch die Möglichkeit klag- und zwangsweiser Durchsetzung meint, s. bereits oben, Kap. 11. 3. (bei Fn.48). 9 Zum "Gegenrecht" allgemein Larenz, AT, § 13 II 11 (S. 191 f.). 10 Nicht etwa wegen der "besonderen" Anordnung in § 274 Abs. 1 BGB, s. unten, 2.1.1. 11 eum grano salis ebenso Kipp, FS Brunner, S. 317/8, 319. 12 Vgl. demgegenüber die absolute Formulierung in § 222 Abs. 1 BGB. s. auch Warneyer, § 273 Anm. 1 ("vorläufige" Leistungsverweigerung). - Zur Bedeutung der Gesetzesfassung s. im übrigen unten im Rahmen der einzelnen Einreden. 13 Vgl. RGZ 77, 436 (438); JW 11, 536 Nr. 8 m. w. N.; LG Mannheim, NJW 61, 2064 (LS); Staudinger / Werner, § 274 Rdnr. 21 m. w. N.; RGRK / Alff, § 273 Rdnr.15. 14 Dies bestreitet Lankheineken, S. 43 (ohne Begründung) für alle Einreden;

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

gegen ihn gerichteten Ausübung eines Rechts (Anspruchs) in irgendeiner Form zu widersetzen, ohne daß jedoch das Gläubigerrecht eine Beeinträchtigung seines materiellen Bestandes erfahren würde. Bereits aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Einreden, die als Rechtsfolge eine Leistung Zug um Zug vorsehen, entgegen der h. M. nicht den dilatorischen zugeordnet werden können15 . Der mögliche Einwand dagegen, daß diese Einreden deshalb sehr wohl dilatorische seien, da sie ja schließlich spätestens mit der Bewirkung der Gegenleistung wegfallen müßten, also nur vorübergehenden Bestand hätten, könnte nicht überzeugen. Richtig ist daran zwar, daß es sich in dieser Hinsicht um, im puren Wortsinn von "diferre", dilatorische Gegenrechte handelt. Nur, dieses reine Wortsinnverständnis ist eben nicht das Verständnis der "dilatorischen Einreden" durch die h. M., die mit "dilatorisch" wie mit "peremptorisch" jeweils auch die Anspruchshemmung impliziert. Ganz deutlich kommt dies bei Zitelmann, S. 32 zum Ausdruck, wenn er dort sagt: " ... man darf diese Einreden ,dauernd ausschließende' oder kürzer ,dauernde Einreden' nennen." Aus diesem Grund ist das zur Leistung Zug um Zug führende Gegenrecht von den dilatorischen Einrederechten auszunehmen. Belegt wird dies auch noch von einer weiteren Erwägung. Während nach wohl h. L. die dilatorischen Einreden spätestens mit ihrer Geltendmachung 16 - vorsichtig formuliert - die Fälligkeit des gegnerischen Anspruchs beeinflussen17, kann selbst die Ausübung der Zug-um-Zug-Einrede 18 nichts an der "Vollfälligkeit"19 des Gläubigeranspruchg2° ändern. Daß dem so ist, zeigt eine ebenso einfache wie zwingende überlegung anhand des § 273 Abs. 1 BGB: Würde wegen der erfolgten Ausübung des Zurückbehaltungsrechts die Gläubiferner S. 328 ausdrücklich für § 273 BGB und Oertmann, § 273 Anm. 5 a für das Zurückbehaltungsrecht (er zitiert für sich zu Unrecht Rieger, der S. 7 ausdrücklich von einem selbständigen, subjektiven Recht spricht); ferner Thon, S. 272 Fn. 105 (das ius retentionis sei ein Rechtsverfolgungsmittel und kein Recht). - Wie hier die h. M. 15 So schon Zaun, ArchPractRWiss 4 (1857) 429. 18 Zum hier bestehenden Streit Larenz, Bd. I, § 23 I c (S.283 ff.). 17 In den Einzelheiten ist vieles unklar; vgl. etwa Fikentscher, § 34 2 a (S. 140: Leistungsverweigerungsrecht schließt Fälligkeit aus); Hellwig, Anspruch, S. 352 (Anspruch "gilt als nicht fällig"); Jahr, JuS 64, 128 (Einrede schiebt Fälligkeit "praktisch" hinaus), 301 f.; Langheineken, S. '94 f., 278 (Nichtfälligkeit ist in entgegenstehender Einrede begründet); zum Ganzen s. Planck I Siber, § 273 Anm. 2 a Cl aa; § 284 Anm. 3 und Staudinger I Werner, § 284 Rdnr.3. 18 Zur sachlichen Gebotenheit dieses Begriffs unten, 1.2. 18 Begriff von Planck I Siber, § 284 Anm. 3 a. 20 Für das reine Bestehen der Zug-um-Zug-Einrede ist dies heute allg. Meinung; zur Begr. s. Langheineken, S. 90 Fn. 1; ferner Kipp, FS Brunner, S. 318 f. - A. M. allerdings Breuer, S. 113 f. und wohl auch noch RG, JW 11, 486 Nr. 4 (obiter).

1. Allgemeines zur Zug-um-Zug-Einrede

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gerforderung der Fälligkeit entbehren, könnte der Schuldner seinen Gegenanspruch offensiv verfolgen, ohne daß dem Gläubiger nun seinerseits noch § 273 Abs. 1 BGB zur Seite stehen könnte. Ihm würde es an einem fälligen Gegenanspruch fehlen. Dies kann nicht richtig sein21 • Im Gegensatz zu den dilatorischen Einreden ist der Gläubiger eines mit einer ausgeübten Zug-um-Zug-Einrede behafteten Anspruchs nicht gehindert, gegenwärtige und sofortige aber eben inhaltlich beschränkte Leistung zu verlangen22 • Von ihrer lediglich einschränkenden Wirkung her gehören die Zug-umZug-Einreden zu einer dritten, als selbständig neben der peremptorischen und dilatorischen stehend anzuerkennenden Einredekategorie der anspruchsbeschränkenden Einreden23 • Der Frage, ob sich diese dritte Kategorie in den Zug-um-Zug-Einredefällen erschöpft, oder ob es daneben noch andere ihr ebenfalls unterfallende Gegenrechte gibt, kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Wichtig ist allein festzuhalten, daß jedenfalls das Zug-um-Zug-Einrederecht kein dilatorisches ist. In der "Hierarchie" der drei Einredearten rangiert die anspruchsbeschränkende als diejenige mit der schwächsten Wirkung an letzter Stelle. Die verhältnismäßig schwächste Wirkung hat sie deshalb, weil sie im Gegensatz zu den peremptorischen und dilatorischen Einrederechten den Einredegegner nicht in seiner aktuellen Rechtsverfolgung zu hindern vermag24 • Dies gilt ganz unabhängig davon, in welcher dogmatischen Beziehung sie den Anspruch betrifft; ob sie die materielle Forderungsberechtigung oder aber nur deren zwangsweise Verwirklichung beschränkt. 21 Gleichwohl a. M. z. B. Erman I Sirp, § 273 Rdnr. 31; Oertmann, § 273 Anm. 5 b; Staudinger I Werner, § 284 Rdnr. 3. U Wie hier Hellwig, Anspruch, S. 354; Langheineken, S. 88 ff. (S. 90: "Ausnahmeeinreden" weil Einfluß auf Fälligkeit fehlt); Leonhard, Bd. I, S. 257; Planck I Siber, § 273 Anm. 1 c; Reuter, S. 40; Soergell Schmidt, § 273 Rdnr. 15; wohl auch Larenz, Bd. I, § 23 I c (S. 285 f.) u. Palandt I Heinrichs, § 273 Anm.

1 b.

23 Ebenso Larenz, AT, § 14 11 (S. 211); Bd. I, § 16 (51. 175: "anspruchsändernd"); Leonhard, Bd. I, S. 257; Siber, S. 69; Planck I Siber, § 273 Anm. 1 c ("anspruchsändernd"), sie rechnen hierher ferner: Die Einreden der mangelnden Sicherheitsleistung (dazu s. unten, 2.5.), der beschränkten Erbenhaftung, z. B. §§ 1990 ff., 2145 Abs. 2 u. 2014 f. BGB (die zuletzt genannten §§ nehmen wirkungsmäßig allerdings eine "Zwitterstellung" mit den zeitweiligen Einreden ein), der Vorleistungspflicht, § 322 Abs. 2 BGB (keine Einrede, sondern Einwendung) und die Einreden, die Schuldner nur unter gleichzeitigem Erbieten zu einer Abfindung geltend machen darf, z. B. §§ 251 Abs. 2, 2170 Abs. 2 Satz 2 BGB (keine Einreden, sondern facultas alternativa des Schuldners); ferner Wolf, Bd. I, S. 305 f.; unklar Soergell Schmidt, § 273 Rdnr. 1, 15 ("rechtsgestaltend"); ebenso MüKo I Keller, § 273 Rdnr. 67 ("rechtsgestaltende Wirkung"). - Abw. Lange I Köhler, § 15 IV 2 c, 3 (S. 111 f.: "anspruchsändernde" Einrede im prozeßrechtlichen Sinne). - Nicht hierher gehören die sog. Kürzungseinreden, dazu Jahr, JuS 64, 127 sub 14 und unten, Fn. 167. 2' s. oben, Kap. I. 4. (bei Fn. 173 ff.).

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111. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Endemann bestreitet, gerade wegen der lediglich beschränkenden Wirkung, den Einredecharakter dieser Tatbestände, denn Einrede könne nur das sein, was hemmend wirke und damit zur Klagabweisung führe2 5 • Grundlage seiner Meinung ist ein Einredeverständnis, für das das BGB keinerlei Anhaltspunkte bietet. Damit kann seiner Auffassung auch kein anderer Wert als der einer petitio principii beikommen28 • Bereits HöZder hat die Berufung auf eine Einrede zutreffend als ein Vorbringen mit dem Inhalt beschrieben, daß eine bestimmte Tatsache eine bestimmte Rechtswirkung ausschließt, die ohne jene Tatsache bestehen würde2 7• Nur mit einer so weit gefaßten Definition ist der Einredecharakter abstrakt zu erfassen und unter den so verstandenen Einredecharakter läßt sich die durch besondere Normierung dem Schuldner verliehene Rechtsmacht, den gegen ihn gerichteten Anspruch auf Leistung Zug um Zug zu begrenzen, zwanglos subsumieren. Mit der Ausklammerung der Zugum-Zug-Einreden aus der Gruppe der dilatorischen ist keineswegs die Verneinung ihrer Eigenschaft als Einrede überhaupt verbunden.

Da die Zug-um-Zug-Einrede die aktuelle Geltendmachung der Gläubigerforderung nicht zu hindern vermag, ist es auch sachlich falsch, die sie begründenden Tatsachen zu den rechtshemmenden oder -ausschließenden zu rechnen. Sie ist keine rechtshemmende Einrede im prozeßrechtlichen Sinne28 • Neben der rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden gibt es richtigerweise die eigene Fallgruppe der rechtsbeschränkenden Tatsachen. Mit dem Dargelegten wurde die Zug-um-Zug-Einrede von ihrer äußeren, einheitlichen Wirkung her begrifflich von den sonstigen Einreden abgegrenzt. Darüber, ob sie auch eine begrifflich einheitlich zu erfassende dogmatische Grundlage hat, war damit noch nichts gesagt. Dies ist vielmehr Aufgabe der Frage nach der Bedeutung des "Retentions- bzw. Zurückbehaltungsrechts" als definierbare juristische Größe. Davon soll der folgende Abschnitt handeln, allerdings im wesentlichen begrenzt auf die innerhalb dieser Arbeit kardinale Frage nach der Aussagekraft der Figur eines "allgemeinen Retentionsrechts" für die Suche nach den einzelnen Einreden, die zu einer Leistung Zug um Zug führen können. 26 s. oben, Fn. 7; im Ergebnis ebenso Sonnenschein, S. 48; vgl. auch Steininger, S. 5 ff., der sich mit im einzelnen nicht ganz zutreffenden Argumenten

gegen Endemann wendet. - Von einem anderen Ausgangspunkt her gegen Endemann ferner Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 12 ff. und van den Daele, S. 47. 26 Darauf weist Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 13 zutreffend hin. 17 AcP 93 (1902) 59; so schon ders., Pandekten, S. 381. 18 So aber die h. M. wegen der Gleichsetzung dilatorischer Einreden mit den rechtshemmenden Tatsachen; vgl. Jahr, JuS 64, 129 sub 111 3 (m. w. N. in Fn. 12), der meint, darüber bestehe Einigkeit, zu Unrecht, vgl. Larenz, AT, § 14 11 (S. 214), der diese Gleichsetzung gerade nicht vornimmt; ferner Lange / Köhler, § 15 IV 2 c, 3 (S. 111 f.).

1. Allgemeines zur Zug-um-Zug-Einrede

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1.2. Ist die Zug-um-Zug-Einrede eine Retentionseinrede oder umgekehrt?

Nach nahezu einhelliger', terminologisch jedoch weitgehend uneinheitlicher Ansicht ist jede nachträgliche, erst aufgrund einer Einrede zustande gekommene Leistung Zug um Zug die Folge eines sogenannten Zurückbehaltungs- bzw. Retentionsrechts80 • Vergeblich sucht man jedoch im BGB nach einer Zusammenfassung der diesem Recht unterfallenden Einzelfälle oder nach der Normierung eines Prinzips, das das tatbestandsmäßige Vorliegen eines solchen Einrederechts anzeigt31 • Und die Feststellung Windscheids, es gebe keine allgemeine Regel für die Annahme einer Retentionseinrede 32, ist von der Rechtswissenschaft bis heute weder widerlegt worden, noch ist es ihr bislang gelungen, die einzelnen Fälle des Retentions- oder Zurückbehaltungsrechts von ihren tatbestandlichen Voraussetzungen aus überzeugend darzustellen33 • Gelingen konnte und kann dies deshalb nicht, weil zwingend gemeinsame tatbestandsmäßige Strukturelemente apriori, d. h. aus einer vorformulierbaren Wesensart dieses Rechts, nicht zu nennen sind. Das, was die in Lehre und Rechtsprechung als sog. Retentionseinreden ausgewiesenen Fälle allein verbindet, liegt nicht im Tatbestand, sondern auf der Rechtsfolgenseite der einzelnen Normen34 • Folgerichtig führt Reuter aus: Die Einrede, die zur Leistung Zug um Zug führt, "ist stets eine Retentions28 Anders allerdings Langheineken, S. 87 ff.; Schlegelberger, S. 81 - 162 passim; Steininger, S. 33 f., ihm zufolge soll nicht jedes Zurückbehaltungsrecht zu einem "Zug um Zug"-Urteil führen, noch soll es immer einer Verurteilung zur Leistung schlechthin entgegenstehen. 30 Zu den unterschiedlichen Terminologien vgl. etwa: Mugdan, Bd. II, S. 526 ff. (Prot.): Zurückbehaltungsrecht identisch mit Retentionsrecht, aber nicht nur im Fall des § 273 BGB gegeben; demgegenüber Enneccerus I Lehmann, § 25 I (S. 110): Zurückbehaltungsrecht zwar identisch mit Retentionsrecht, aber nur gern. § 273 BGB gegeben; Kohler, Bd. I, S. 193: Zurückbehaltungseinreden i. w. S. gegenüber dem "technisch" so genannten Zurückbehaltungsrecht (§ 2-73 BGB) und ferner (S. 195) eine Gruppe von dazu rechtsähnlichen Einredefällen; Leonltard., Bd. I, S. 252, 254: Rückhaltungsrecht als einheitliche, nicht weiter zu unterscheidende Bezeichnung; Reuter, S. 33 Fn. 1: Zurückbehaltungsrecht bezeichnet nur den Fall des § 273 BGB, während Retentionsrecht der weitgefaßte Oberbegriff ist; Schoenenberg, S. 23: generelles Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB u. S. 32: in anderen Fällen "positives Zurückbehaltungsrecht"; u. v. m. 31 Zur Unergiebigkeit der Gesetzesmaterialien hierzu, s. oben, Kap. II. 1. a: Windscheid / Kipp, Pandekten, Bd. H, § 351 (S. 498 f.); ders. so schon für das gemeine Recht, KrVjschr 1 (1859) 127; ähnlich auch Langfeld., S. lOB und KG, OLGRsp 29 (1914) 30. 33 Vgl. z. B. die konträren Auffassungen von Breuer, S. 60 ff. und Schlegelberger, S. 81 und insbes. S. 141 ff., 149 ff. einerseits und Planck / Siber, § 273 Anm. 1 bund Schoenenberg, S. 11 ff., 23 ff. (32) andererseits. - Schon Dernburg, Compensation, S. 366 stellt fest: "Kaum gibt es irgendein Rechtsinstitut, über dessen Charakterisirung die Ansichten vielfältiger auseinander gehen." 34 Ganz deutlich kommt dies beispielsweise in KG, NJW 58, 27 (29) zum Ausdruck (betr. § 3 AbzG).

IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

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einrede, denn das Retentionsrecht ist eben die Einrede, deren Geltendmachung ... zur Verurteilung zur Leistung gegen Gegenleistung führt"35. Genau auf derselben Linie liegt - auch wenn Reuter dies nicht wahrhaben will36 - die gemeinrechtliche Definition Langfelds, wonach das Retentionsrecht in der Befugnis des Schuldners bestehe, den an sich rechtliche Anerkennung verlangenden Willen des Gläubigers einstweilen zurückzudrängen und ihn zu hindern, sich zu entfalten37 • Beide beschreiben sie einzig und allein eine tatsächliche Einredewirkung3s. Erkennt und akzeptiert man, daß die vorausgesetzte Gemeinsamkeit der sog. Retentions- bzw. Zurückbehaltungseinreden ausschließlich in der gleichlautenden Rechtsfolge liegt, solle man von diesem umfassend verstandenen Begriff Abschied nehmen und statt dessen - wie hier schon geschehen - von Zug-um-Zug-Einrede sprechen39 • Damit ist zum einen die Bezeichnung Retentions- oder Zurückbehaltungsrecht allein für § 273 BGB, als einen Fall der Zug-um-Zug-Einreden, reserviert40 , während im Hinblick auf den fraglichen Inhalt der Rechtsfolge einer Norm sachliche Folgerungen aufgrund einer gegebenen bzw. fehlenden tatbestandlichen Verwandtschaft zu § 273 Abs. 1 BGB erst überhaupt nicht zu diskutieren sind'1. Zum anderen hindert diese Auffassung nicht, solche Fälle der Zug-um-Zug-Einrede, die zwingende, wesensmäßige Gemeinsamkeiten zum Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB aufweisen, als dessen spezialgesetzliche Ausprägung zu begreifen. S. 22 f. S. 23 Fn. 2 a. E. 37 S. 157. - Vgl. auch Dernburg, Compensation, S. 367. 38 A. M. Sonnenschein, S. 9, der in der Definition Langfelds unverständlicherweise gemeinsame Voraussetzungen des gemeinrechtlichen Retentionsrechts genannt findet; ebenso S. 13 für das BGB. 38 Der Begriff "Zug-um-Zug-Einrede" findet sich cum grano salis verstanden - in einem engeren Sinne etwa noch bei Brehm, JZ 72, 155; bei Fikentscher, § 48 I 3 (S. 239) für § 320 BGB und bei Steininger, S. 1 ff., 32 ff., 45 für § 273 BGB und einige dessen "Unterarten" (wie z. B. §§ 320, 348 BGB). 40 Dies findet eine Stütze auch im Gesetz selbst. Denn überall dort, wo dieses von "Zurückbehaltungsrecht" spricht (vgl. z. B. §§ 175 2. Hlbs., 202 Abs. 2, 556 Abs. 2, 772 Abs. 2, 773 Abs. 2, 1000 Satz 2 BGB; ferner etwa § 88 a Abs.1 und 2 HGB, § 223 KO, § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 84 Abs. 2 BBG; wegen § 369 HBG s. unten, Fn. 64), wird nur ein Fall des § 273 BGB oder eine spezialgesetzliche Ausprägung von diesem in Bezug genommen. 41 A. M. müssen diejenigen sein, die fälschlicherweise annehmen, nur aufgrund einer tatbestandsmäßigen Verwandtschaft zu § 273 Abs. 1 BGB sei eine Anspruchsbeschränkung und, da deshalb § 274 BGB Anwendung finden könnte, eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug möglich; so etwa Jahr, JuS 64, 127 (sub 13), der jeweils eine ausdrückliche, gesetzliche "Zug um Zug"Rechtsfolgeanordnung fordert; ferner Gabius, NJW 71, 867. Für eine solche Auffassung gibt weder die Systematik des BGB etwas her, noch ist sie gerechtfertigt, weil das "Zug um Zug"-Urteil prozessual etwas besonderes wäre, s. bereits oben, Kap. H. 1. a. A. und unten, 2.1.1. 35

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1. Allgemeines zur Zug-um-Zug-Einrede

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Der richtige Weg bei der Darlegung der einzelnen, Normen, die erst nachträglich eine Leistung Zug um Zug begründen, darf also nicht über eine an § 273 BGB orientierte Untersuchung führen. Die Entscheidung, ob eine zur Leistung Zug um Zug führende, anspruchsbeschränkende Einredenorm vorliegt, ist zunächst unabhängig von einer möglichen Affinität zum Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) allein anhand der Gesetzesfassung und des jeweiligen "individuellen" Normzwecks zu treffen. Mit der "Zug-um-Zug-Einrede" anstelle des "Retentionsrechts" ist ein in der Sache eindeutiger Oberbegriff gewonnen; Widersprüchlichkeiten und circuli vitiosi - wie sie etwa in der Reuterschen Untersuchung der "Verurteilung zur Leistung Zug um Zug aufgrund einer Retentionseinrede"42 auftreten - lassen sich von vornherein weit besser vermeiden. Wenn zum Beleg dafür nun kurz auf die Ausführungen Reuters eingegangen werden soll, so ist dabei zu beachten, daß Reuter nur stellvertretend für viele andere Autoren43 steht. Bei diesen sind die Unstimmigkeiten lediglich deshalb nicht so augenfällig, weil sie nicht näher auf den Zusammenhang der Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung"« mit den einzelnen Tatbeständen des sogenannten Retentionsrechts eingegangen sind. An den Anfang seiner Ausführungen stellt Reuter4 5 die allgemeine Aussage, jedes Retentionsrecht hätte stets den Erfolg einer Leistung Zug um Zug. Ob die von ihm als Retentionseinreden ins Auge gefaßten Be"" stimmungen tatsächlich ein Retentionsrecht enthalten, entscheidet er dann nach dem Inhalt ihrer jeweiligen Rechtsfolge, also danach, ob diese auf Leisung Zug um Zug lautet. Kommt er auf diesem Weg zur Bejahung bzw. Verneinung eines Retentionsrechts, führt er aus, daß deshalb eine Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung gegeben bzw. nicht gegeben ist46. Diese Argumentation im Zirkelschluß führt zu einer Reihe von Einzelwidersprüchen, von denen nur einige aufgegriffen werden sollen. So meint Reuter47 , die §§ 274 Abs. 1, 322 Abs. 1 BGB besagten, daß der Schuldner zur Leistung Zug um Zug verpflichtet sei, und deshalb gehörten die §§ 273, 320 BGB zu den Retentionsrechten. Unmittelbar zuvor hatte er aber bereits ausführlich dargelegt, daß die §§ 273, 42 S. 22 - 56; ferner Schmidt, S. 12 f., der die Widersprüche Reuters vollinhaltlich übernimmt. 43 Vgl. z. B. KZuckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 381 H. (genauer zu ihm unten 2.6.2.1. u. Kap. IV. 2.4.2.2.); Leonhard, Bd. I, S. 256; Oertmann, § 273 Anm. 1,5; Planck I Siber, § 273 Anm. 1 a, b; Rieger, S. 15 f. 44 Zur KlarsteIlung sei nochmals darauf hingewiesen, daß weitgehend anstelle von "Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung" ungenau nur von "Leistung gegen Gegenleistung" die Rede ist; s. oben, Kap. I. 3.2.1.

45 48

47

S.22.

Ganz deutlich S. 55 f.

S.34.

IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

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320 BGB Retentionseinreden sind. Im Anschluß daran beschäftigt sich Reuter mit der Konstruktion der Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug in den Fällen der §§ 274 Abs.l und 322 Abs.l BGB48 und trifft dann 49 innerhalb dieser Untersuchung Folgerungen, die er allgemein auf "die Retentionseinrede" bezieht. Wenig später stellt er jedoch ausdrücklich fest, die Vorschrift des § 274 BGB komme nur für 273 Abs. 1 und 2 BGB, nicht aber für andere Retentionsrechte in Betracht50 • Diese Aussage macht er, obwohl er noch kurz zuvor die Meinung vertrat, durch die Streichung des § 236 des ersten Entwurfs5 t, der die Anwendbarkeit des § 274 BGB auf alle Retentionsfälle vorsah, sei keine sachliche Änderung eingetretens2• Soviel zum Reuterschen Umgang mit "dem Retentionsrecht". Nicht allein um solche Ungereimtheiten zu vermeiden, sollte man die Begriffe Zurückbehaltungs- bzw. Retentionsrecht nicht zum Ausgangspunkt einer Untersuchung der zur Leistung Zug um Zug führenden Einreden nehmen, sondern auch deshalb, um der Gefahr sachlicher Fehler eher entgehen zu können. Denn wer sich ganz auf den Begriff der "Zurückbehaltung" als Grundlage der Zug-um-Zug-Einrede verläßt, ist für den - von Rieger bereits unter Geltung des Corpus iuris konstatiertenS3 - verbreiteten Irrtum quasi "vorprogrammiert", überall dort, wo das Gesetz von "zurückbehalten" spricht, automatisch ein "Zurückbehaltungsrecht" mit der Folge einer Leistung Zug um Zug sehen zu wollen. Dafür legen die Aussagen, die zu § 803 Abs. 2 BGB gemacht werden, ein beredtes Zeugnis ab. Dort wird ohne jede Begründung allein wegen des Gesetzeswortlauts ("ist ... berechtigt, ... zurückzubehalten"), ein solches Zurückbehaltungsrecht angenommen54 • Auf die sachliche Berechtigung dieser Meinung wird im Rahmen der einzelnen Zug-um-Zug-Einreden genauer einzugehen sein55 •

Mit der allgemeinen Bezeichnung der im folgenden interessierenden Fälle als Zug-um-Zug-Einreden ist die apriori nicht zu stützende und lediglich aus der begrifflichen Assoziation zu § 273 BGB geborene, generelle Charakterisierung dieser Einreden als Rechtsverfolgungsmittel von vornherein zu vermeiden. Wie sehr eine solche Charakterisierung, die getroffen wird, bevor die einzelnen Zug-um-Zug-Einreden anhand der jeweiligen, dafür in Betracht kommenden Vorschrift herausgearbei48

41

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55

S. 35 ff. S.40. S.48. Dazu oben, Kap. H. 1. S.42. Rieger, S. 11 f. s. unten, Fn. 328. s. unten, 2.8.

1. Allgemeines zur Zug-um-Zug-Einrede

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tet wurden, in die Irre führen kann, läßt sich wiederum bei ReuteT besonders augenfällig nachweisen. Er bezeichnet die "Retentionseinrede" unter Berufung auf Thon als rechtsverfolgende Einrede und folgert daraus, daß das Gesetz, indem es eine derartige Einrede gewährt, dem Schuldner ein Recht auf die Gegenleistung zuerkenne 56 • Ob Thon mit dieser Auffassung richtig lag, kann letztlich dahingestellt bleiben, da er - anders als Reuter - ein "Retentionsrecht" nur dort für begründet hielt, wo der Schuldner ein auf gegenwärtige Befriedigung gerichtetes Forderungsrecht gegen den Gläubiger hat 57 • Insoweit erscheint es als durchaus vertretbar, von einem defensiven Rechtsverfolgungsrecht58 zu sprechen. Unzutreffend wird ein solches Verständnis der "Retentionseinrede" jedoch dann, wenn man, wie Reuter und im Ergebnis zu Recht, einen selbständig verfolgbaren Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung als nicht wesentlich für das "Retentionsrecht" hält59 • Wollte man mit ihm Ernst machen, müßte man, besteht nicht ohnehin schon ein Anspruch auf die Gegenleistung, im "Retentionsrecht" die materielle Existenzgrundlage eines aktuellen Forderungsrechts des Schuldners auf die Gegenleistung sehen. Einer solchen anspruchsbegründenden und im Gesetz nicht vorgesehenen Einredewirkung will bei genauerem Zusehen auch Reuter nicht das Wort reden60 • Daß er es auf den ersten Blick gleichwohl zu tun scheint, hat seinen Grund eben darin, daß Aussagen, die für den Fall des Retentionsrechts nach § 273 BGB zutreffen mögen, von vornherein und allgemein auf die sonstigen "Retentionsrechte" übertragen werden. Die Grundlage für mögliche sachliche Fehler, Mißverständlichkeiten und Widersprüche der aufgezeigten Art wird mit dem Begriff der Zugum-Zug-Einrede gar nicht erst gelegt. Deshalb ist auch dann nicht vom "Retentionsrecht" in einem über den Fall des § 273 BGB hinausgehenden Sinne zu reden, wenn man erkannt hat, daß die einzelnen "Retentionsfälle" keinem gesetzlich fixierten, tatbestandlichen Prinzip folgen, sondern nur durch ihre inhaltlich gleichlautende Rechtsfolge zu einer einheitlichen Gruppe der anspruchsbeschränkenden Einreden verbunden sind. Geht man davon aus, ist es sowohl unnötig als auch, weil folgefehlerträchtig, in der Sache riskant, nach der Darlegung der einzelnen 56 ReuteT, S. 23 und dort Fn. 3 (anders S. 24); ferner Gaupp / Stein, § 756 Anm. 1 a a. E.: "Recht des Schuldners auf Leistung Zug um Zug"; Hellwig, Anspruch, S. 375: "Recht des Schuldners auf diese Art (Zug um Zug) der Erfüllung"; Steininger (s. unten, Fn. 71); vgl. auch Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 381 ff. 57 Thon, S. 272 und dort Fn. 105; vgl. ferner Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919' 381 ff.; gegen Thon vgl. Hölder, AcP 93 (1902) 83 f. 58 Abw. Thon, S. 272 insoweit, als er nicht von einem Recht spricht, s. oben, Fn. 14; ferner auch unten, Fn. 100. 59 Reuter, S. 23 und S. 43 f. 10 Vgl. ReuteT, S. 24.

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Zug-um-Zug-Einreden, diese unter dem Begriff der Retentions- bzw. Zurückbehaltungseinreden i. w. S. zusammenzufassen. Wer dies dennoch tun will, ist zum einen gezwungen darzulegen, weshalb er, entgegen der Meinung der Gesetzesverfasser6 t, die §§ 273 Abs. 3, 274 BGB dann nicht auf alle von ihm als Retentionsfälle gekennzeichneten "Zug um Zug"Leistungsverhältnisse kraft Einrede anwenden Will62 • Zum anderen hat er einen Grund dafür anzugeben, weshalb er eigentlich nicht sämtliche Einrederechte als Retentionsrechte versteht. Letztlich berechtigt doch auch die peremptorische ebenso wie die dilatorische Einrede den Schuldner dazu, seine Leistung im Wortsinne zu retenieren. . Der konturenlose Begriff des Zurückbehaltungs- bzw. Retentionsrechts ist demnach auf der einen Seite für die Suche nach den Einzelfällen einer zur Leistung Zug um Zug führenden Einrede unergiebig. Auf der anderen Seite provoziert er, auch wenn ihm weder von vornherein noch nachträglich die sachliche Funktion eines terminus technicus für die nachträgliche Leistung Zug um Zug beigelegt werden sollte, vermeidbare Mißverständnisse und Unstimmigkeiten. 1.3. Zusammenfassung

Die Einrede, die zur Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung führt, ist von ihrer tatsächlichen Wirkung her niemals eine dilatorische Einrede bzw. rechtshemmende Tatsache im Prozeß. Sie gehört vielmehr in die eigenständige Gruppe der anspruchs beschränkenden Einreden bzw. rechtsbeschränkenden Tatsachen im Prozeß. Als solches Gegenrecht kann sie nicht zu den absolut wirkenden Leistungsverweigerungsrechten gezählt werden. Soweit es um die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Einredeart geht, ist deren Bezeichnung als Zurückbehaltungs- bzw. Retentionsrecht im umfassenden Sinne nichtssagend. Das "Zurückbehaltungsrecht" als terminustechnicus ist auf den Fall des 273 BGB und dessen spezialgesetzliche Ausprägungen63 beschränkt. Der Begriff "Zug-um-Zug-Einrede" rückt demgegenüber das entscheidende Moment, die tatsächliche inhaltliche Wirkung des Gegenrechts in den Vordergrund und läßt durch eine klare sprachliche Trennung vom Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB mögliche Fehlerquellen erst überhaupt nicht aufbrechene4• s. oben, Kap. H. 1. Die ausnahmslose Geltung des § 273 Abs. 3 BGB wird nicht vertreten; die Anwendbarkeit von § 274 BGB wird von einer starken Meinung für das "Zurückbehaltungsrecht" an Wertpapieren verneint, dazu unten,· Kap. IV. 2.5.1.1. 83 s. oben, Fn. 40. 64 Anzumerken ist, daß es einen einzigen Fall gibt, in dem ausschließlich deshalb, weil von "Zurückbehaltungsrecht" die Rede ist, (auch) eine Zug-umZug-Einrede vorliegt: §§ 369 f. HGB. Diese Bestimmungen formulieren den 81

82

2.1. §§ 273, 274 BGB

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Die Zug-um-Zug-Einrede ist in der Sache identisch mit dem nachträglich auf Leistung Zug um Zug beschränkbaren Anspruch. Während die letztere Bezeichnung jedoch nur zur Unterscheidung von den ursprünglich auf Leistung Zug um Zug gerichteten Ansprüchen dient, hat erstere auch die Aufgabe, die ihr zugehörigen Fälle von den anderen Einrederechten abzugrenzen. Losgelöst vom Begriff des Retentionsrechts ergibt sich für die Suche nach den Einzelfällen einer Zug-um-Zug-Einrede in etwa folgende Prüfungsfolge65 : 1. Die Normen, die in Betracht zu ziehen sind, müssen überhaupt einen Einredetatbestand enthalten. 2. Ihre Rechtsfolge muß zwei Leistungen zueinander in Beziehung setzen. 3. Die beiderseitigen Leistungen stehen in einem "Zug um Zug"-Verhältnis66 • 4. Ausnahmsweise gleichzeitiger Leistungsaustausch, ohne daß eine Leistung Zug um Zug vorliegt. Während zu 1. und 2. der Gesetzesfassung zumeist eine klare und verbindliche Aussage zu entnehmen sein wird, wird sie für die Punkte 3. und 4. oftmals nur erste Anhaltspunkte liefern können, so daß deren endgültige Entscheidung von der weiteren Frage abhängt, welcher tatsächliche Inhalt der Rechtsfolge in sachgerechter Weise mit dem jeweiligen Normzweck korrespondiert. 2. Die einzelnen Fälle der Zug-um-Zug-Einrede 2.1. Das Zurickbehaltungsrecllt, §§ 273,274 BGB

Die einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts interessieren hier grundsätzlich ebensowenig wie dessen praktisches Anwendungsgebiet. Die damit zusammenhängenden Problemkreise und Streitfragen sind Gegenstand einer Vielzahl von rechtswissenschaftlichen Untersuchungen, die, obwohl sie größtenteils älteren Inhalt der Einredewirkung selbst nicht, sondern nehmen insoweit über den Begriff "Zurückbehaltungsrecht" auf die Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB Bezug (Art. 2 EGHGB); vgl. dazu Reuter, S. 25; Schlegelberger, S. 194, 231 ff.; Sonnenschein, S. 48 f.; ferner auch OLG Hamburg, MDR 57,169 und die Kommentare zu § 369 HGB. Was zum Inhalt der Rechtsfolge bei § 273 Abs. 1 BGB zu sagen sein wird, gilt daher auch für das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht. Auch die §§ 369 f. HGB zeigen letztlich wieder deutlich, daß mit "Zurückbehaltungsrecht" lediglich eine bestimmte Rechtsfolge umschrieben wird. - Zur tatsächlichen Ausgestaltung des Zurückbehaltungsrechts im autonomen Recht der Wirtschaft s. Partseh, S. 35 ff. M Eine entsprechende Prüfungsfolge gilt auch bei den ursprünglichen Ansprüchen auf Leistung Zug um Zug. 66 Vgl. auch Breuer, S. 57 ff., der die Frage eines "Zug um Zug"-Verhältnisses innerhalb der Tatbestandsfrage nach dem Vorliegen einer Konnexitätsbeziehung untersucht; und insoweit ebenso Schoenenberg, S. 21 ff.

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Datums sind, insoweit noch weitgehend aktuelle Bedeutung behalten haben67 • Im Rahmen dieser Arbeit besteht also auch nicht die Notwendigkeit, auf die sogenannte actio contraria68 einzugehen, da sie, verteidigungsweise vorgebracht, immer nur über § 273 BGB zu einer Leistung Zug um Zug führen kann und niemals einen selbständigen Fall der Zugum-Zug-Einrede darstellte'. Der Einredecharakter des Zurückbehaltungsrechts steht nach der Fassung des § 273 Abs. 1 BGB ("Schuldner ... kann ... verweigern") außer Frage70 • Darauf muß hier nicht mehr näher eingegangen werden. Zumindest von ihrer Wirkung im Prozeß her ist die Einrede des Zurückbehaltungsrechts eine Zug-um-Zug-Einrede. Dies ist schon wegen § 274 Abs. 1 BGB nicht zu bezweifeln. Wesentlich aber ist die Frage, was zu gelten hätte, wenn die Vorschrift des § 274 Abs. 1 BGB fehlen würde. Beinhaltet § 273 Abs. 1 BGB selbst überhaupt keine Rechtsfolge, die auf Leistung Zug um Zug lautet, so daß dem Urteil gemäß § 274 Abs. 1 BGB rechtsgestaltende Wirkung zukommt7 1 ? Oder begründet das Zurückbehaltungsrecht zwar eine Leistung Zug um Zug, ist aber bei ihm eine darauf lautende Verurteilung nur wegen deren ausdrücklichen Normierung zulässig? Gerade die letzte Frage zeigt, daß die Klärung des Verhältnisses der §§ 273 und 274 BGB zueinander über das bloße Verständnis dieser Normen hinausgeht und allgemein für die Zug-um-Zug-Einrede von Bedeutung ist.

2.1.1. Das Verhältnis von § 273 BGB zu § 274 BGB Es wurde schon darauf hingewiesen, daß dann, wenn das Gesetz eine bestimmte Rechtsfolge ausweist, es Aufgabe des Zivilurteils ist, genau diese Rechtsfolge auszuweisen72 • Nur unter dieser Voraussetzung kann das Urteil die förmliche Grundlage der zwangsweisen Verwirklichung 87 Grundlegend Schlegelberger, S. 81 ff.; ferner Breuer, S. 19 ff.; Fulda, S. 20 ff.; Rieger, S. 19ff.; Schoenenberg, S. 9 ff.; Sonnenschein, S. 14 ff.; Webel, S. 42 ff. und passim; weitere Nachw. bei Staudinger I Werner, Schrifttumsnote zu § 273 und zur älteren Lit. bei Dernburg, Bd. II/1, § 57 (S. 143) Fn. 1. 88 Vgl. Enneccerus I Lehmann, § 32 I 2 b (S. 139) und dort Fn. 1; ferner Motive, Amtliche Ausgabe, S. 73 Fn. 1. 6D Vgl. RGZ 65, 270 (277) für § 601 Abs. 2 BGB. Unverständlicherweise anders Erman I Battes, §298 Rdnr. 2 (selbständige Fälle einer Leistung Zug umZug). 70 Vgl. aber auch Endemann und Sonnenschein oben Fn. 7 und oben 1.1. (bei Fn. 25). 71 So Steininger, S. 56: Das Urteil "hat rechtsschöpferische Kraft, d. i. es wird ein bis jetzt noch nicht bestehendes Recht geschaffen, nämlich das Recht auf Austausch der beiderseitigen Leistungen"; ähnlich auch Breuer, S. 128 f. und Sydow, ZZP 2 (1880) 516; vgl. ferner Soergel I Schmidt, § 273 Rdnr. 1, 15; MüKo I Keller, § 273 Rdnr. 67. - Gegen eine rechtsgestaltende Kraft des Urteils bereits Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 13 und Reuter, S. 37. 72 s. oben, Einl. (bei Fn. 14); ferner oben, Fn. 41. s. aber auch unten, Kap. V.1.2.

2.1. §§ 273, 274 BGB

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der materiellen Rechtslage sein. Diese Feststellung spricht an und für sich nichts weiter als eine reine Selbstverständlichkeit aus und gilt grundsätzlich auch in dem Fall, daß das Urteil dadurch einen vollstrekkungsunfähigen Inhalt bekommen sollte73 • Ginge daher bereits die Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB selbst auf Leistung Zug um Zug, dann müßte schon deshalb das Urteil auf eingeschränkte Leistung lauten, vorausgesetzt allerdings, daß ein solches Urteil prozeßrechtlich auch möglich ist. Nur wenn es dies nicht wäre, hätte § 274 Abs. 1 BGB eine eigenständige und notwendige Funktion. In diesem Fall enthielte er die sachliche Anweisung an den Richter "ausnahmsweise" ein auf Leistung Zug um Zug lautendes Urteil zu erlassen. Bedenken gegen die "Zulässigkeit" eines Urteils, das kraft einer Zug-um-Zug-Einrede "eigentlich" auf Leistung Zug um Zug zu richten ist, könnten sich allenfalls aus § 308 Abs.l Satz 1 ZPO ergeben. Wenn der auf Leistung schlechthin gerichtete klägerische Anspruch durch die begründeterweise vorgeschützte Zug-um-Zug-Einrede eine qualitative und keine quantitative Änderung erfahren würde, stünde das "Zug um Zug"-Urteil zum Urteil auf Leistung schlechthin nicht in einem "plus minusve"- sondern in einem "aliud"-Verhältnis. Ohne Änderung des Klagantrags, der auf unbeschränkte Leistung geht, könnte eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug nicht ergehen, § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO. § 274 Abs.l BGB würde sich also als prozeßrechtliche74 Ausnahmebestimmung zu § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellen 75 • Die heute ganz herrschende Meinung steht jedoch - für das aufgrund einer Zug-um-ZugEinrede ergehende "Zug um Zug"-Urteil im Ergebnis auch zu Recht auf dem Standpunkt, daß die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug immer, also auch im Fall der ursprünglich beschränkten Ansprüche, das Mindere gegenüber dem wesensgleichen Mehr der auf Leistung schlechthinerkennenden Entscheidung ist711 • Der Richter kann demnach ohne 73 Am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis scheitert ein darauf gerichteter Klagantrag nicht ohne weiteres, denn auch das nicht vollstreckungsfähige Urteil kann zumindest eine ausreichende Grundlage für eine spätere Interessenklage bilden. Der Umstand, daß das Gericht stets von Amts wegen auf die Vollstreckbarkeit zu achten hat (Baumbach / Lauterbach / Hartmann § 308 Anm. 1 A), ändert daran niChts. 74 Daß es sich um eine prozessuale Vorschrift handelt, ist schon wegen des Wortlauts nicht zu bestreiten; so auch ganz deutlich Jacobi in Anm. zu OLG Kiel JW 33, 1537 und Münzberg, NJW 61.541; ferner OLG Kiel, JW 3'3, 1537; Breuer, S. 61, 128f.; Langheineken, S. 356; Pa land tI Heinrichs, § 274 Anm. 1; Wolf, Bd. I, S. 312; h. M. - A. M. Hellwig, Anspruch, S. 124; Reuter, S. 34; abw. auch Staudinger / Werner, § 274 Rdnr. 1 (materielle und prozessuale Vorschrift), anders aber noch in der 9. Auf!. a. A. der Anm. zu § 274. 75 Hilfsweise so denn auch OLG Kiel, JW 33,1537. 78 BGH, NJW 51, 517 (518: für § 274 BGB); BGHZ 27, 241 (249: für § 255 BGB, unter Berufung auf seine ältere Entscheidung); OLG Hamburg, MDR 57, 169 (für § 274 BGB) m. w. N.; OLG Kiel, JW 33, 1537 (für § 274 BGB); Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 308 Anm. 1 B (anders aber noch § 308 Anm. 1 C der

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

25. Aufl.: aliud); Münzberg, NJW 61, 541 (wohl nur für §§ 274, 322 BGB); Planck / Siber, § 273 Anm. 1 c (wohl nur für die Zug-um-Zug-Einrede); Reuter, S. 35; Schneider, MDR 64, 732; Staudinger / Werner, § 274 Rdnr. 1 a. E.; Thomas / Putzo, § 308 Anm. 1 b; Wach, S. 58 (pauschal für die "Leistung gegen Gegenleistung"); Weintraud, S. 84 (für ursprünglichen "Zug um Zug"-Anspruch); Zöller / Degenhart, § 308 Anm. 2 b u. a. m.; s. auch schon oben, Kap. I. 4; a. E. und dort Fn. 185. - A. M. heute nur noch Koenigk, NJW 60, 2180 und 61, 542 f. (aliud); gegen ihn überzeugend Münzberg, NJW 61, 541 ff. - Um dem

Irrtum vorzubeugen, in den vorstehend nachgewiesenen FundsteIlen oder an anderer Stelle sei das, was in dieser Beziehung zur Leistung Zug um Zug gesagt werden muß, auch tatsächlich gesagt worden ist, ist hier auf folgendes hinzuweisen. Nur Reuter differenziert für diese Frage danach, ob es sich um eine Verurteilung aufgrund eines ursprünglichen "Zug-um-Zug"-Anspruchs (s. S. 15 ff.) oder aber aufgrund einer Zug-um-Zug-Einrede (s. S. 35 f.) handelt. Ohne jede Begründung und ohne daß die sachliche Verschiedenheit der beiden Fälle bemerkt wird, vertritt zwar der BGH beide Male dieselbe Auffassung. Reuter, S. 15 ff., hat jedoch überzeugend nachgewiesen, daß derjenige, der Leistung schlechthin fordert, obwohl er von vornherein nur Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung zu fordern hat, ein aliud beansprucht, und daß deshalb mit dem Antrag auf Verurteilung zur Leistung schlechthin der Anspruch auf Leistung Zug um Zug nicht zur Entscheidung gestellt ist; ebenso Endemann, JW 21,524 und offensichtlich auch Baumbach / Hefermehl, Art. 50 WG Rdnr. 2 und Jacobi, § 103 11 6 (S. 818). Der Richter würde über den Klagantrag hinausgehen und damit § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verletzen, wenn er den nicht geltend gemachten Anspruch seiner Entscheidung zugrundelegen wollte. Des weiteren entbehrt das für die Zug-um-Zug-Einrede richtige Ergebnis der h. M. zumeist jeder, zumindest aber einer überzeugenden Begründung. Dies trifft auch für Reuter, S. 35 f., zu. Seine zutreffende Annahme einer unterschiedlichen Behandlung kommt für die Zug-um-Zug-Einrede nicht über denWert einer petitio hinaus. Koenigk, NJW 61, 542 f. stellt insoweit durchaus zu Recht fest, daß sich Rspr. und Lit. fast durchweg auf die rein apodiktische Feststellung des OLG Kiel, JW 33, 1537 berufen, wonach die Verurteilung Zug um Zug gegenüber der zur Leistung schlechthin das Mindere sei. Lediglich die Ausführungen von Münzberg, NJW 61, 541 ff. weisen in die richtige Richtung. Mit Grund weist er, in Übereinstimmung mit Planck / Siber, § 273 Anm. 1 c, darauf hin, daß es sich beim Urteil Zug um Zug nicht lediglich um ein rechnerisches Weniger handeln kann und schließt daran die Feststellung an, daß sich die "Vorstellung eines ,Weniger' bei der Leistung Zug um Zug allein auf der Ebene des materiellen Rechts kaum gewinnen" läßt. Positiv sagt jedoch auch er nicht, weshalb die Leistung Zug um Zug kraft Einrede als wesensgleiches Weniger in der Leistung schlechthin mitenthalten sei. Das Ergebnis der h. M. ist für die Zug-um-Zug-Einrede nur mit dem richtigen Verständnis der materiellrechtlichen Wirkung dieser Einrede aufrechtzuhalten. Im Gegensatz zu der überall im Zusammenhang mit der Zug-um-Zug-Einrede anzutreffenden Feststellung, diese Einrede beschränke die (materiellrechtliche) Verpflichtung des Schuldners, ist davon auszugehen, daß sie die Primärverpflichtung des Schuldners gerade unberührt läßt; so ausdrücklich Erman / Hefermehl, § 986 Rdnr. 1 und Palandt / Bassenge, § 986 Anm. 2 d für den Einfluß des Zurückbehaltungsrechts auf die Herausgabeverpflichtung des Besitzers; s. ferner Larenz, AT, § 14 11 (S. 212); Schlegelberger, S. 171 und für das gemeinrechtliche Retentionsrecht schon Wolff, BuschsA 3 (1864) 257 ("prozessualistisches Verteidigungsmittel"); unklar Langheineken, S. 87 ff., 356 f.; vgl. auch Breuer, S. 129 und Endemann, Bd. I, § 126 3 a (S. 713) Fn. 21, der eine "Einrede im prozessualen Sinne höchstens" zulassen will und Adler, LZ 13, 818 für die Leistung nach Empfang der Gegenleistung. - Ausdrücklich a. M. etwa Reuter, S. 37 ff. Der Schuldner ist auch nach Geltendmachung der Einrede immer noch zur selben Leistung wie ursprünglich verpflichtet. Die Einrede

2.1. §§ 273, 274 BGB

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schränkt nur den "actio"-Teil des Anspruchs ein. Ihre Primärwirkung besteht lediglich darin, daß das Forderungsrecht des Gläubigers (vorübergehend) nurmehr als Leistung Zug um Zug zwangsweise durchgesetzt werden kann. Materiellrechtliche Wirkungen zeitigt sie nur für Sekundäransprüche des Gläubigers, insbesondere für den Ersatzanspruch wegen Verzugs des Schuldners. Den Schuldner treffen solange keine Verzugsfolgen, als er die Zug-um-ZugEinrede begründeterweise vorgeschützt hat, denn seine Nichtleistung hat er nach § 285 BGB insoweit nicht zu vertreten (vgl. Wolffenstein, S. 46 - a. M. Kipp, FS Brunner, S. 317 f.), als der Gläubiger sein materielles Forderungsrecht auf die Leistung nur Zug um Zug gegen seine Gegenleistung realisieren kann. Der Zug-um-Zug-Einrede kommt daher eine überwiegend prozessuale Wirkung und Bedeutung zu. Allein dieses Verständnis erlaubt es, viele Aussagen, die von der h. M. im Zusammenhang mit dieser Einrede gemacht werden, befriedigend dogmatisch erklären zu können. Also etwa, daß die Einrede nicht die Fälligkeit des Gläubigeranspruchs beeinträchtigt, s. oben,!.!. (bei Fn. 19 ff.); daß der für die beiderseitigen Leistungen jeweils bestehende Leistungsort durch sie keine Änderung erfährt, RGRK I Alff, § 273 Rdnr. 4; ganz h. M., obwohl ansonsten für die Leistung Zug um Zug ein angeblich notwendig einheitlicher Austauschort behauptet wird, RGRK I Alff, § 269 Rdnr. 17, dazu oben, Kap. I. 2.2.; daß sie ohne Einfluß auf die gerichtliche Feststellung des Gläubigeranspruchs ist, das Feststellungsurteil lautet trotz vorgebrachter Zug-um-Zug-Einrede auf Leistung schlechthin, Schlegelberger, S. 171; h. M.; vgl. auch BGHZ 71, 19 (22: für Gestaltungsklage); daß das Zurückbehaltungsrecht im Konkurs grundsätzlich versagt (Ausnahme: § 49 Abs. 1 Ziff. 3 KO), einhellige Meinung; vgl. dazu Wolft, LZ 08, 35 ff. und 107 ff.; ferner daß der eingetretene Schuldnerverzug nicht allein durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts geheilt wird, BGH, NJW 71, 421 m. w. N.; h. M. (denn wäre tatsächlich der Schuldner nach ausgeübter Einrede nur noch zur Leistung Zug um Zug verpflichtet, schuldete er nunmehr eine noch gar nicht abgemahnte Leistung, so daß man "richtigerweise" Verzugsheilung mit Geltendmachung anzunehmen hätte). Würde die Zug-um-Zug-Einrede die materielle Rechtslage umgestalten, so ausdrücklich z. B. Soergell Schmidt, § 273 Rdnr. 1, 15 ("rechtsgestaltend") und MüKo I Keller, § 273 Rdnr. 67, bedürfte es auch einer genauen Untersuchung, wie es dogmatisch zu rechtfertigen wäre, daß die prozessualen Bestimmungen der §§ 274 Abs. 2 BGB und 756, 765 ZPO es erlaubten, ein Vollstreckungsergebnis (Erhalt der Leistung ohne Bewirken der Gegenleistung) zu erzielen, das von der umgestalteten materiellen Rechtslage nicht getragen würde. Hätte man dazu nicht wiederum eine, in den §§ 293 ff. BGB gar nicht vorgesehene, (Rück-)Gestaltungswirkung des Annahmeverzugs anzunehmen. (Aus dem zuletzt genannten Grund erscheint übrigens auch die Anwendung der §§ 756, 765 ZPO auf die ursprünglichen Ansprüche auf Leistung Zug um Zug mehr als bedenklich. Weshalb soll der Gläubiger, der nur Leistung Zug um Zug zu fordern berechtigt ist, nicht auf jeden Fall seine Gegenleistung aus der Hand geben müssen, wenn und soweit er die geschuldete Leistung zwangsweise erlangt. Ein Verbleiben der Gegenleistung beim Gläubiger im Falle des "Annahmeverzugs" (s. dazu unten, Fn. 109) des Schuldners, würde diesen für das Ausbleiben seiner freiwilligen Leistungserbringung (vgl. § 298 BGB) ohne sachlichen Grund mit der Überbürdung des Insolvenzrisikos des Gläubigers "bestrafen", obwohl er den von ihm geschuldeten Leistungsgegenstand, wenn auch nur zwangsweise, an den Gläubiger verliert. Vgl. auch Adler, LZ 13, 818 und bereits Staub, § 374 Exkurs Anm. 5 a. E.). Dogmatische Bedenken bestünden aber nicht nur gegen die solchermaßen materiell gestaltende Wirkung des Annahmeverzugs, sondern auch gegen die nach § 273 Abs. 3 BGB gegebene gleiche Wirkung der Sicherheitsleistung. Diese hätte eine ihr ansonsten fremde Wirkung, die (Rück-)Änderung des materiellrechtlichen Verpflichtungsgrunds. (Zu beachten ist, daß die Sicher7 Oesterle

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Leistung Zug um Zug, auch ohne dahingehenden Antrag des Klägers, verurteilen. Mit Ausnahme des - ohne die Vorschrift des § 274 Abs.l BGB - immerhin als möglich in Betracht zu ziehenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind sonstige erwägenswerte, prozeßrechtliche Bedenken gegen die Verurteilung Zug um Zug nach keiner Richtung hin ersichtlich. Wenn Münzberg feststellt: "Das Prozeßrecht setzt diese Form (der Verurteilung) nur als zulässig voraus"77, ist dem daher nichts weiter hinzuzufügen. Diese Aussage gilt insoweit für die Fälle der Zug-um-Zug-Einrede nicht minder als für die des ursprünglich auf Leistung Zug um Zug gerichteten heitsleistung zur Ersetzung des Gleichzeitigkeitserfordemisses, s. oben, Kap. I. 2.3.2., keine derart gestaltende Wirkung hat. Dort verbleibt es bei der Leistung Zug um Zug als solcher. Nur deren tatsächliche Abwicklung erfährt eine Änderung dadurch, daß die Aufgabe der gleichzeitigen Bewirkung der Gegenleistung von der erbrachten Sicherheitsleistung übernommen wird.) Mißt man der Zug-um-Zug-Einrede dagegen primär nur eine prozessual beschränkende Wirkung bei, bereitet die dogmatische Begründung für den möglichen Wegfall der Beschränkung keine Schwierigkeiten; zum sachlichen Grund des Wegfalls infolge Annahmeverzugs s. unten, Fn. 109. Schließlich leuchtet unter dieser Voraussetzung die Auffassung der h. M., die Leistung Zug um Zug sei im Falle der Zug-um-Zug-Einrede das Mindere gegenüber der Leistung schlechthin, unmittelbar ein: Der Gläubiger stellt mit der Klage seinen materiellrechtHch unbeschränkten und materiellrechtlich auch unbeschränkbaren Anspruch zur Entscheidung. Ist dieser begründet, wird allein er und, trotz vorgeschützter Zug-um-Zug-Einrede, nichts anderes zugesprochen. Weniger erlangt der Gläubiger deshalb, weil er seinen titulierten Anspruch nur nach Maßgabe der §§ 756, 765 ZPO vollstrecken kann; dagegen jedoch Brückmann, KGBl18 (1907) 30, der sowohl für die erfolgreiche Geltendmachung der Einrede des §273 BGB als auch der des §320 BGB ein teilweises Unterliegen des Klägers bzw. Obsiegen des Beklagten verneint; so auch das dort in Fn. 1 zitierte Urteil des KG. Auf die Weiterungen und Vereinfachungen, die sich aus der vorstehend ohnehin schon gedrängt dargestellten Auffassung für die Diskussion der prozeßrechtlichen Behandlung der Zug-um-Zug-Einrede ergeben (insbesondere hinsichtlich kostenrechtlicher Fragen und der damit zusammenhängenden Suche nach den sachgerechten Anträgen von Kläger und Beklagtem), kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Nur soviel sei noch angemerkt: Auf dem dargelegten Hintergrund erscheint es zweckmäßig und sachgerecht, die Trennung der Verurteilung zur Leistung Zug um Zug aufgrund eines ursprünglich darauf gerichteten, materiellen Anspruchs einerseits von derjenigen aufgrund einer Zug-um-Zug-Einrede andererseits bereits im Tenor zum Ausdruck zu bringen. Der Beklagte ist dazu im zuletzt genannten Fall unter "Ziffer I" des Tenors zur Leistung schlechthin zu verurteilen und erst unter "Ziffer 2" ist die Abhängigkeit der Vollstreckung des Titels von der genau bezeichneten und Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung gesondert auszusprechen. Damit ist - teilt man die Bedenken gegen eine Anwendung der §§ 756, 765 ZPO auf den ersten Fall - auch für das Vollstreckungsorgan klargestellt, daß die Durchführung der Exekution nach §§ 756, 765 ZPO zu erfolgen hat. 77 Stein I Jonas I Münzberg, § 726 Rdnr. 13. A. M. offensichtlich Jahr, JuS 64, 127 (sub 13; s. dazu auch unten, Fn. 87); Reuter, S. 43 und passim, sie scheinen der Meinung zu sein, diese Art der Verurteilung müsse grundsätzlich ausdrücklich normiert sein. Reuter sagt aber nirgendwo, was für § 273 BGB ohne § 274 BGB zu gelten hätte.

2.1. §§ 273, 274 BGB

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Anspruchs78. Sofern die Zurück.behaltungseinrede bereits nach § 273 Abs. 1 BGB auf eine Leistung Zug um Zug gerichtet sein sollte, enthält § 274 Abs. 1 BGB nichts anderes als die überflüssige Anweisung an den Richter, in einem konkreten Fall das zu tun, wozu er ohnehin verpflichtet ist, nämlich eine der sachlichen Rechtslage entsprechende Entscheidung zu fällen. Nur wer im Zurück.behaltungsrecht für sich genommen eine "gewöhnliche"78 dilatorische Einrede verwirklicht sehen will, kann auch in § 274 Abs. 1 BGB besonderes vermuten. Das heißt dann aber, dem Gesetz eine einigermaßen seltsame Regelungstechnik anlasten zu wollen. Denn daß das Gesetz mit § 273 Abs. 1 BGB zunächst eine auf Zeit absolut wirkende Einrede statuieren will, die es erst mit der nachfolgenden Bestimmung für das Hauptwirkungsfeld der Einrede, den Prozeß80, wieder ihres absoluten Charakters "entkleidet", ist wenig wahrscheinlich. Genauer zu dieser gleichwohl vertretenen Auffassung sogleich im Rahmen der Besprechung des § 273 BGB81. Demgegenüber ist der Umstand, daß das Gesetz dann, wenn § 273 Abs. 1 BGB selbst schon auf die Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" geht, mit § 274 Abs. 1 BGB eine überflüssige Bestimmung enthält, auf dem Hintergrund des gemeinrechtlichen Streits um die prozessuale Verwirklichung des ius retentionis 82 gesetzesgeschichtlich erklärbar83 und damit kein unsinniges "Machwerk" des historischen Gesetzgebers8'. 2.1.2. Die Re,chtsfolge des ZUTückbehaltungsTechts allein nach § 273 Abs. 1 BGB Anders als noch unter Geltung des gemeinen Rechts 85 findet sich in der Rechtsprechung und Literatur zum BGB fast nichts zur Frage, wie die Rechtsfolge des Zurück.behaltungsrechts ohne Berücksichtigung des § 274 Abs. 1 BGB lautet. Da die Regelung des § 274 Abs. 1 BGB einmal vorhanden ist, begnügt man sich damit, bei der Darstellung der Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB auf sie zu verweisen88• Es kann so der - in

Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Fn. 44. So etwa Breuer, S. 128; Hellwig, Anspruch, S. 354, zu ihnen s. unten, 2.1.2. und dort Fn. 87. 80 Larenz, AT, § 14 11 (S. 212). 81 s. unten, 2.1.2. 81 Dazu insbesondere Groskopff, S. 13 ff., 72 ff., 99 ff. und Zaun, ArchPractRWiss 4 (1857) 369 ff. (415 ff.); vgl. ferner auch Schenck, AcP 17 (1834) 93 ff., 242 ff. und unten, Fn. 85. 83 S. dazu oben, Kap. 11. 1. 84 s. auch unten, 2.1.2. (bei Fn. 96). 85 s. oben, Ein!. a. A. und dort Fn. 2; ferner Langfeld, S. 124 ff. und oben, 78

70

Fn.82.

81 Weder ReuteT, noch Schlegelberger und Steininger tun in ihren ansonsten teilweise grundlegenden - Arbeiten ein Übriges. - Vgl. ferner RG,



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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

der Regel wohl sachlich ungewollte - Eindruck entstehen, als wolle man einer Auffassung das Wort reden, wonach § 273 Abs. 1 BGB selbst überhaupt keine oder aber eine andere als im Prozeß zum Tragen kommende Rechtsfolge begründen würde. Demgegenüber sind insbesondere Breuer und Hellwig ausdrücklich der zuletzt genannten Meinung. Beide gehen davon aus, daß allein § 273 Abs. 1 BGB die Wirkung einer "echten" dilatorischen Einrede zur Rechtsfolge habe, also eigentlich zur - zeitlichen - Anspruchshemmung und demzufolge zur Klagabweisung als zur Zeit unbegründet führen müßte87 • Diese Auffassung überrascht bei Breuer um so mehr, als er in der vom Tatbestand des § 273 Abs. 1 BGB geforderten konnexen Beziehung von Leistung und Gegenleistung die "gesetzliche Anerkennung eines Zug-um-Zug-Verhältnisses" zu sehen glaubt88 und wenig später meint, es sei "materiellrechtlich die Vorbedingung für eine solche Verurteilung vorhanden89 • Gegen die von Breuer und Hellwig vertretene Ansicht spricht zunächst der Wortlaut des § 273 Abs. 1 BGB. Seine Fassung der Rechtsfolge des Zurückbehaltungsrechts90 weicht deutlich von derregelmäßigen91 Fassung der dilatorischen und peremptorischen Einreden ab92 • Der Gebrauch der Präsensform93 "kann ... verweigern, bis die ... Leistung bewirkt wird" stellt grundsätzlich einmal klar94 , daß der Gläubiger, der seinen Anspruch offensiv verfolgen will, dazu nicht erst den Eintritt eines bestimmten Umstandes abwarten (wie z. B. bei der StundungseinJW 12, 139 Nr. 13; Enneccerus / Lehmann, § 25 III (S. 114); Esser / Schmidt, Bd. 111, § 16 II (S. 169); Fikentscher, § 48 I 4 (S. 241); Larenz, Bd. I, § 16 a. A. (S. 174); Medicus, Rdnr. 737; Soergel / SchmicLt, § 273 Rdnr. 1, 15 u. a. m. 87 Breuer, S. 6, 128; HeUwig, Anspruch, S. 354; ebenso wohl auch Langheineken, S. 89 nach Fn. 2, 3 (s. auch oben, Fn. 76) und Rieger, S. 52, 62 f. Auch Jahr, JuS 64, 127, scheint zunächst dieser Auffassung zu sein, wenn er im Hinblick auf die §§ 274 Abs. 1, 322 Abs. 1 BGB allgemein fordert, die nur beschränkende Einredewirkung bedürfe stets besonderer gesetzlicher Anordnung. Er ist dann allerdings inkonsequent, wenn er als Folge des § 1100 Satz 1 BGB (dazu unten, 2.4.) ebenfalls eine beschränkende Einreclewirkung sieht, obgleich dort eine solche ausdrückliche Anordnung fehlt, und er § 1100 Satz 1 BGB auch nicht für einen Unterfall des § 273 BGB zu halten scheint, s. bei ihm S. 126 sub 5 im Gegensatz zu S. 125 sub 3 a, auch seine nachfolgenden Ausführungen, S. 128 ff., 218 ff., 293 ff., stützen die eingangs gemachte Feststellung nicht weiter. 88 89

S.57. S. 61. Da Breuer in § 274 Abs. 1 BGB eine rein prozessuale Norm findet,

kann er darin die "materiellrechtliche Vorbedingung" nicht sehen, womit dafür nur § 273 BGB übrig bleibt. UD Die denkbare, aber ernstlich nicht zu vertretende Behauptung, § 273 Abs. 1 BGB formuliere selbst keine Rechtsfolge, wird nicht aufgestellt. 91 s. aber auch unten, 2.6.2.2. U! s. oben, 1.1. 93 Vgl. dazu Langheineken, S. 88. 9t s. auch oben, 1.3. a. E.

2.1. §§ 273, 274 BGB

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rede) oder selbst vorgängig etwas getan haben muß (wie z. B. bei der Einrede nach § 771 BGB). Dem Wortlaut des § 273 Abs. 1 BGB ist als herbeiführbare Rechtsfolge die Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und damit die sachliche Rechtfertigung eines Urteils, das dieses Abhängigkeitsverhältnis verwirklicht, zu entnehmen. Zugleich auch deutet die verwendete Präsensform das bei der Leistung Zug um Zug vorhandene Gleichzeitigkeitsverhältnis der beiderseitigen Leistungshandlungen an. Für die gegenteilige überzeugung von Breuer und Hellwig läßt sich zwar die Existenz des § 274 Abs. 1 BGB an sich und das darin enthaltene Wörtchen "nur", das möglicherweise darauf hindeutet, es müsse "eigentlich" eine andere Verurteilung ergehen95 , scheinbar ins Feld führen. Da aber - wie bereits gesagt - die gesetzgeberische Motivation zu § 274 Abs. 1 BGB lediglich darin bestand, die gemeinrechtliche Diskussion um die verfahrensmäßige Folge des ius retentionis und um die Möglichkeit einer Verurteilung Zug um Zug zu beendenoo , zwingt nichts dazu, allein wegen des Vorhandenseins dieser Bestimmung einen inhaltlichen Unterschied zu § 273 Abs. 1 BGB anzunehmen. Was das Wörtchen "nur" anbelangt, so läßt es sich - mißt man ihm überhaupt eine sachliche Bedeutung bei - ohne weiteres dahin verstehen, daß damit auf die gegenüber den hemmenden Einreden schwächere Wirkung der beschränkenden Zug-um-Zug-Einrede speziell für das Zurückbehaltungsrecht hingewiesen wird. Es verlangt jedoch nicht, eine zwischen § 273 Abs. 1 BGB einerseits und § 274 Abs. 1 BGB andererseits divergierende Rechtsfolgenaussage zu konstruieren. Sofern aufgrund des Normzwecks von § 273 Abs.l BGB das Rechtsfolgeverständnis, das dessen Wortlaut nahelegt, nicht zu revidieren ist, spricht nichts für die Meinung von Breuer und Hellwig. Das Zurückbehaltungsrecht beruht als besonders normierte Ausprägung der exceptio doli97 auf § 242 BGB. Ein Gläubiger, der seinen Anspruch durchzusetzen versucht, ohne auf den Umstand Rücksicht zu nehmen, daß er auch Verpflichteter eines fälligen und konnexen Gegenanspruchs seines Schuldners ist, begehrt Unbilliges und verstößt gegen Treu und Glauben98 • Eine von der allgemeinen Arglisteinwendung abweichende Gestaltung hat das Zurückbehaltungsrecht allerdings insoweit erfahren, als ansonsten die Verletzung von Treu und Glauben eine Vgl. Jahr, JuS 64, 127 (sub 13) und Langheineken, S. 355 Fn. 1. s. oben, Kap. II. 1. und oben, Fn. 82, 85. 07 Mugdan, Bd. II, S. 22 (Mot.) und statt vieler RGZ 68, 32 (34); Palandt I Heinrichs, § 273 Anm. 1 b; Sonnenschein, S. 9 ff.; vgl. ferner auch Schlegelberger, S. 2 f. und dort Fn. 1 ff. - A. M. wohl Bekker, JherJB 30 (1891) 268. 98 So die einhellige Meinung, vgl. BGH, LM Nr. 7 zu § 273 BGB; RGZ 68, 32 (34); 137, 324 (353 f.); 152, 71 (73); 163, 62 (64); JW 11, 486 Nr. 4; 36, 3188 Nr. 13; DR 40, 795 Nr. 13; OLG Karlsruhe, NJW 61,2017 (2018) und die Kommentare zu§273 BGB. 95

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UI. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

rechtshindernde bzw. rechtsvernichtende Einwendung darstellt und daher im Prozeß von Amts wegen zu beachten ist99 • Die Treuwidrigkeit des Gläubigers besteht allerdings nicht in seiner Rechtsverfolgung an sich, sondern liegt ausschließlich im Umstand der Nichtberücksichtigung der konnexen und fälligen Gegenleistungspflicht. Nicht die Tatsache, daß der Gläubiger seinen Anspruch realisieren will, ist treuwidrig, sondern die Art und Weise wie er dies tun will, verstößt gegen Treu und Glauben. Aus diesem Grund darf die Wirkung des Zurückbehaltungsrechts nicht auf eine absolute Blockierung des Rechtsverfolgungsinteresses des Gläubigers zielen. Während auf der anderen Seite den Belangen des in Anspruch genommenen Schuldners dadurch ausreichend Rechnung getragen wird, daß einzig die treuwidrige Art der Geltendmachung des gegen ihn gerichteten Begehrens, nicht aber dieses selbst unterbunden wird. Gerade dies würde die Rechtsfolge des § 237 Abs. 1 BGB aber dann tun, wenn sie in der den dilatorischen Einreden eigenen Anspruchshemmung bestünde. In diesem Fall würde das Zurückbehaltungsrecht das mit dem fälligen, konnexen Gegenleistungsanspruch gegebene Rechtswahrungsinteresse100 des Schuldners vollkommen einseitig auf Kosten des Gläubigers schützen101 . Letztlich sanktionierte es damit - nur mit umgekehrten Vorzeichen - ein nicht minder unbilliges Ergebnis, anstatt ein solches zu verhindern. § 273 BGB darf daher nicht lediglich die Interessen des Schuldners zu Lasten des Gläubigers wahren. Er muß vielmehr, ohne einen von beiden zu begünstigen, lIder Billigkeit als solcher zum Siege verhelfen"102. Die Billigkeit ist also es Ganz h. M., vgI. BGHZ 3, 94 (103 f.); 12, 286 (304); 31, 77 (84); 37, 147 (152). Das Zurückbehaltungsrecht als ein Mittel des Rechtsschutzes hat schon Crome, Bd. I, § 124 (S. 545) betont. Der Begriff der "Rechtswahrung" ist in der Sache treffender als der der "Rechtsverfolgung" von Thon, S. 272 und dort Fn. 105 (s. oben, 1.2.), denn durch ihn wird deutlicher zum Ausdruck gebracht, daß der Gegenanspruch im Prozeß nicht zur Entscheidung gestellt ist und damit nichts mit dem gegenständlichen Umfang deren Rechtskraftwirkung zu tun hat; vgI. RG, WarnRsp 21, Nr. 22. Soll auch das Bestehen bzw. Nichtbesteh~n des Gegenanspruchs rechtskräftig entschieden werden, bleibt dazu für den Kläger nur die Möglichkeit des Zwischenfeststellungsantrags (§ 256 Abs. 2 ZPO), bzw. für den Beklagten die Erhebung einer Widerklage, die auf Zwischenfeststellung (§ 256 Abs. 2 ZPO) oder auf Verurteilung zu richten ist. - Unrichtig Schlegelberger, S. 169, der ein Zwischenurteil nach § 303 ZPO für möglich hält; vgI. auch Reuter, S. 36 Fn. 3. 101 Beanspruchte der Schuldner vom Gläubiger nunmehr die Gegenleistung, und würde dieser sich ebenfalls auf § 273 Abs. 1 BGB berufen, käme er zwar auch in den "Genuß" dieser absoluten Wirkung. Damit wäre jedoch für § 273 Abs. 1 BGB das widersinnige Ergebnis erzielt, daß diese Vorschrift einen Stillstand der Rechtsverfolgung hinsichtlich zweier fälliger und "eigentlich" r,efriedigungsbedürftiger Ansprüche ermöglichen würde. Erst das nach § 274 Abs. 1 BGB zu erlassende Urteil würde die Rechtsverfolgung wieder "in Gang setzen". 101 Schlegelberger, S. 154 und ferner auch S. 134. So steht denn auch nach völlig h. M. die Berufung auf § 273 BGB ganz allgemein unter dem Vorbehalt, daß dadurch kein unbilliges Ergebnis erzielt wird; vgl. statt vieler Planck I 100

2.1. §§ 273, 274 BGB

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objektiver Ordnungsfaktor für das Schuldverhältnis im weitesten Sinne103, in das sowohl Anspruch als auch Gegenanspruch gemeinsam einzustellen sind104• Genau dieser gemeinsamen Berücksichtigung von Anspruch und Gegenanspruch entspricht es, wenn die vom Wortlaut des § 273 Abs. 1 BGB nahegelegte Rechtsfolge des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts darin besteht, die Leistungsbewirkung des Schuldners dergestalt in Abhängigkeit zur Bewirkung der Gegenleistung durch den Gläubiger zu bringen, daß die beiderseitigen Leistungshandlungen gleichzeitig zu geschehen haben. Zum einen schützt das Gesetz auf diese Weise den Schuldner davor, daß er auf die Gefahr hin, die Gegenleistung nicht zu erhalten, gleichwohl erfolgreich105 auf die geschuldete Leistung belangt werden kann. Zum anderen beeinträchtigt es die GläubigersteIlung nicht über das für einen wirksamen Schuldnerschutz unbedingt erforderliche Maß hinaus. Es erlaubt dem Gläubiger nach wie vor die aktuelle, nur in ihrer zwangsweisen Durchsetzung beschränkte Rechtsverfolgung seines materiellrechtlich unbeschränkten Anspruchs106 • An dieser Bewertung ändert der Umstand nichts, daß das ausgeübte Zurückbehaltungsrecht den Gläubiger, will er seinen Anspruch realisieren, zumindest faktisch auch zur Erbringung der Gegenleistung anhält. Diese mittelbare Zwangswirkung107 schmälert die Rechtsstellung des Gläubigers nicht. Sie macht lediglich die so oder so bestehende Pflicht, die geschuldete Gegenleistung zu bewirken, für den Gläubiger "fühlbarer". Den rechtspolitischen Gedanken, daß beiderseitige, fällige Ansprüche, die aus ein und demselben Lebensverhältnis entspringen, in ihrer Durchsetzung der wechselseitigen Berücksichtigung bedürfen, erkennt das Gesetz in § 273 Abs. 1 BGB dadurch als im Grundsatz 108 richtig an, daß Siber, § 273 Anm. 2 a ce {); RGRK / Alff, § 273 Rdnr. 34 ff. mit zahlreichen Nachw. zur Rspr.; Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 12 m. w. N. t03 Vgl. Rieger, S. 42. 104 Auch die Frage, ob die Ansprüche "aus demselben rechtlichen Verhältnis" stammen, ist in allererster Linie anhand dessen, was nach Treu und Glauben billig ist, zu entscheiden; vgl. BGHZ 47, 157 (167); FamRZ 70, 642; RGZ 158, 6 (14); JW 23, 749 Nr. 1; st. Rspr. und h. M. t05 Im Sinne von zwangsweiser Realisierung des Gläubigerrechts, s. oben, Fn.76. tot s. oben, Fn. 76. t07 Zum Zurückbehaltungsrecht als Sicherungs- und mittelbares Zwangsmittel vgl. BGH, LM Nr. 3 zu § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO; KG, NJW 58, 27 (29); Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 24; so die heute h. M. - Zum früher bestehenden Streit darüber, ob .nur Sicherungs- oder auch Zwangsmittel bzw. umgekehrt, vgl. Breuer, S. 7 ff. und für das gemeine Recht einerseits Groskopff, S. 71 f. und andererseits Langfeld, S. 89. - Wegen dieser mittelbaren Zwangswirkung war die Auffassung von Thon (s. oben, Fn. 100) auch nicht als falsch zu bezeichnen. t08 " ••• sofern nicht aus dem Schuldverhältnisse sich ein anderes ergibt ... " (§ 273 Abs. 1 BGB). Über diese Tatbestandsvoraussetzung steht das Zurückbehaltungsrecht, als Umkehrung seiner teleologischen Rechtfertigung, unter der

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II!. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

es eine zunächst schlechthin durchzusetzende Leistung zum gleichzeitigen Austausch mit der Gegenleistung verbindetl°9 • allgemeinen Einschränkung seiner im Einzelfall zu bejahenden Vereinbarkeit mit Treu und Glauben und mit den von der Rechtsordnung als richtig vorausgesetzten bzw. anerkannten sozialpolitischen Gedanken (quasi eine Art "privatrechtliche Schaukeltheorie"). Vgl. in diesem Sinne schon Barkow, KGBI 14 (1903) 74 ("sozialer Zweck"); s. ferner oben, Fn. 102, 104. 10D Im Zusammenhang mit dem vorstehend im Text und oben in Fn. 102, 104 und 108 Gesagten ist, nicht zuletzt deshalb, weil es u. a. für das Verständnis von §§ 273, 274 BGB zueinander von Interesse ist, auf folgendes hinzuweisen. So sehr die h. M. das umfassende Eingebundensein des Zurückbehaltungsrechts in den Grundsatz von Treu und Glauben auch bestätigt, übersieht sie doch einen ganz wesentlichen Ausfluß von diesem. Sie steht nämlich unter Berufung auf die frühe Rspr. des RG - s. RGZ 51, 367 (369); 84, 228 (230); SeuffArch 59 (1904) Nr. 149; - ganz überwiegend auf dem Standpunkt, daß § 273 Abs. 1 BGB auch dann (noch) gegeben sei, wenn sich der Schuldner bereits im Annahmeverzug befindet bzw. in Annahmeverzug gesetzt wird; vgl. statt nahezu aller Palandt I Heinrichs, § 274 Anm. 2; Planck I Siber, § 274 Anm. 2; Staudinger I Werner, § 274 Rdnr. 2; Webel, S. 41. Auch ohne, daß hier auf die noch wenig, geschweige denn überzeugend geklärten Fragen des Annahmeverzugs im Zusammenhang mit der Leistung Zug um Zug im allgemeinen eingegangen wird (vgl. dazu etwa Kohler, AcP 72 (1888) 27 f.; ders., ArchBürgR 13 (1897) 273 f.; ders., auch schon allg. zum Annahmeverzug im gemeinen Recht JherJB 17 (1879) 261 ff.; Kulau, insbes. S. 46 f.; Reuter, S. 79ff.; Rosenberg, JherJB 43 (1901) 195, 198 f., 283 ff.; Wolffenstein, S. 44 ff.; Ziegler, S. 25 f., 34 ff.), vermag die h. M. nicht zu überzeugen. Sie berücksichtigt zunächst einmal überhaupt nicht, daß sämtliche Entscheidungen des RG, auf die sie sich beruft, zu §§ 320, 322 BGB und nicht zu §§ 273, 274 BGB ergangen sind. Mit einer schlichten Übertragung der Entscheidungsinhalte auf das Zurückbehaltungsrecht wird aber verkannt, daß bei diesem die sachliche Rechtfertigung und dogmatische Konstruktion der Leistung Zug um Zug jeweils eine andere als beim gegenseitigen Vertrag (dazu unten, Kap. V.!.) ist. Entgegen der h. M. ist für § 273 BGB als richtig festzuhalten: Der Schuldner, dem die Gegenleistung in Annahmeverzug begründender Weise angeboten wurde, hatte die tatsächliche Gelegenheit die Gegenleistung zu erlangen. Das Zurückbehaltungsrecht will dem Schuldner nicht mehr bieten, als eben diese Gelegenheit. Hatte der Schuldner die Gelegenheit bereits, und nahm er sie nicht wahr, entfällt die sachliche Rechtfertigung für eine Anwendung des § 273 Abs. 1 BGB. Weder fordert noch rechtfertigt der Grundsatz von Treu und Glauben in diesem Fall die weitere Wahrung des Schuldnerinteresses am gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung. Der ursprünglich schutzbedürftige Schuldner ist nicht mehr schutzwürdig. Würde man ihm nach wie vor das Recht nach § 273 Abs. 1 BGB geben, wäre das Ergebnis nicht mehr ein für Schuldner und Gläubiger billiges Ergebnis. Weil in diesem Fall "aus dem Schuldverhältnisse sich ein anderes ergibt", besteht ein Zurückbehaltungsrecht nicht bzw. nicht mehr; der beklagte Schuldner ist also zur beschränkungslosen Leistung zu verurteilen; nebenbei im Ergebnis ebenso Langheineken, S. 329 und Wieczorek, § 726 Anm. D II a, der dies allerdings nur vom Standpunkt der h. M. aus, wonach für § 274 Abs. 2 BGB und §§ 756, 765 ZPO der schon vor Urteilserlaß eingetretene Annahmeverzug genügen soll (dazu und zu den Nachw. sogleich) befürwortet, § 756 Anm. B I und ferner Hellwig, Anspruch, S. 375 (zweites Urteil auf Leistung schlechthin, wenn erstes, auf Leistung Zug um Zug lautendes Urteil nicht zum Erfolg geführt hat, und Annahmeverzug nach dem ersten Urteil eingetreten ist); im Ergebnis wie hier auch die h. M. vor Inkrafttreten des BGB, s. dazu Kipp, S. 68 f.; Wolffenstein, S. 27 f. - Vgl. ferner die wohl auf ähnlichen Überlegungen basierende Entscheidung des LG Mannheim, NJW 61, 2064 (LS 1 e).

2.1. §§ 273, 274 BGB

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Bejaht man mit der hier vertretenen Ansicht den Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts unter der genannten Voraussetzung, so darf in dogmatischer Hinsicht nicht übersehen werden, daß es sich dabei nicht um eine Rechtsfolge des nach §§ 293 ff. BGB eingetretenen Annahmerverzugs handelt. Dessen Rechtsfolgen sind in §§ 300 ff. BGB abschließend geregelt (dies betont zu Recht auch Reuter, S. 84); der Ausschluß des § 273 BGB gehört nicht dazu. Nicht der eingetretene Rechtserfolg "Annahmeverzug", sondern allein der ihm als Voraussetzung zugrundeliegende Lebenssachverhalt, der es dem Schuldner ermöglicht hat, sein Interesse am Erhalt der Gegenleistung wahrzunehmen, rechtfertigt die Verneinung des § 273 BGB aus dessen ihm eigenen Wesen heraus. Die Tatsachen, aus denen sich dieser Lebenssachverhalt zusammensetzen muß, ergeben sich im einzelnen aus §§ 294 bis 299 BGB. Der Annahmeverzug mag dann ihre materiellrechtliche Folge sein oder auch nicht,. für § 273 BGB ist dies jedenfalls gleichgültig (vgl. auch § 756 1. Fall ZPO). Unerheblich ist daher auch, ob zwischenzeitlich Verzugsheilung eingetreten ist. Die purgatio morae (dazu vgl. Wolffenstein, S. 82) erlaubt es nicht, nunmehr das Zurückbehaltungsrecht (wieder) zu bejahen. Die hier vertretene Auffassung vermeidet zwanglos die in rechtssystematischer Hinsicht unnatürliche, wenn auch vom letztendlichen Ergebnis her sachgerechte, Aussage der h. M., daß sich der Umstand, daß der Schuldner "im Verzug der Annahme ist" (§274 Abs. 2 BGB,. § 756 3. Fall ZPO u. § 765 2. Fall ZPO), aus dem Tatbestand bzw. aus den Gründen i. V. m. dem Tatbestand des auf Leistung Zug um Zug lautenden Urteils ergeben könne, RG, JW 00, 463 Nr. 23; KG, NJW 72, 2052 f.; OLG Dresden, SeuffArch 64 (1909) 170 (171 m. w. N.); LG Bonn, NJW 63, 721; Adler, LZ 13, 820 m. w. N.; Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 756 Anm. 3; Bruns / Peters, § 11 III 5 (S. 54); Rosenberg, § 175 IV 3 a (S. 912); Schneider, JurBüro 66, 818 und 915; Stein / Jonas / Münzberg, § 756 Rdnr. 7 m. w. N.; vgl. auch bereits Hahn, Bd. VIII, S. 13-7 (Begr. zu § 664 CPO). - A. M. Hellwig, Anspruch, S. 375 und 377; ders., LB, Bd. I, S. 257 f.; Reuter, S. 86 f.; Wieczorek, § 726 Anm. D II a (nach ihnen ist ein den Annahmeverzug begründendes Angebot nach Verurteilung zur Leistung Zug um Zug erforderlich). Nach dieser h. M. kann also der Tenor eine Beschränkung ausweisen, die bereits aufgrund des übrigen UrteilsinhaIts jeglicher Relevanz entbehrt. Nicht weniger seltsam ist diese Beschränkung des Urteils immer dann, wenn sich bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ergeben hat, daß dem beklagten Schuldner die Gegenleistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten wurde. Dabei ist gleichgültig, ob dies etwa durch ein anderes Urteil, durch ein besonderes Zwischenfeststellungsurteil oder aber nur sonstwie liquid nachgewiesen wird. Denn jedesmal steht schon fest, daß das Urteil, mag es auch auf Leistung Zug um Zug lauten, wie ein auf Leistung schlechthin erkennendes Urteil zu vollstrecken sein wird. Die hier vertretene Meinung schöpft ihre Rechtfertigung jedoch nicht aus der "Seltsamkeit" des äußerlichen Ergebnisses der h. M., sondern macht vielmehr dogmatisch verständlich, weshalb es zu dieser "Seltsamkeit" gar nicht kommen kann. Sie allein ist übrigens auch in der Lage, befriedigend zu erklären, weshalb der Schuldner, der wegen seines geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts bislang nicht in Schuldnerverzug geriet (s. oben, Fn. 76), sein Nichtleisten zu vertreten hat, wenn ihm die Gegenleistung in Annahmeverzug begründender Weise angeboten wurde. Bestünde das Zurückbehaltungsrecht fort, würde dies nicht überzeugen können. Gegen das hier Vertretene wende man nicht ein, es stünde im Widerspruch zum Gesetz, weil, wie sich aus § 274 Abs. 2 BGB ergebe, das "Zurückbehaltungsrecht nicht dadurch verloren (gehe), daß der Schuldner ... in Annahmeverzug gerät", so daß also "trotz der mora accipiendi nur eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug zu erlangen" sei, Hellwig, LB, Bd. I, S. 257 und dort Fn. 64 und ebenso etwa Reuter, S. 87. Sehr zu Unrecht beruft sich diese Meinung auf die Begründung in den Motiven. Dort findet sich nur die ausdrück-

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Es wird nun aufgefallen sein, daß - abweichend von der oben (Kap. II!. 1.3.) skizzierten regelmäßigen Prüfungs abfolge - im vorstehenden Text bereits die Gleichzeitigkeit der Bewirkung von Leistung und Gegenleistung als Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB angenommen wurde, ohne daß ein weiteres Wort zur Frage verloren worden wäre, ob im Fall des ZurückbehaItungsrechts überhaupt die wesentlichen Merkmale einer Leistung Zug um Zug zu finden sind. Da sich die Leistung Zug um Zug und die Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung als solche in ihrer juristischen Behandlung nicht unterscheiden, ist dies vom Ergebnis her sicherlich unschädlich. Für dieses ist ausschließlich wichtig, daß man es lich aus dem Wesen des gegenseitigen Vertrages gefolgerte und ganz speziell für diesen getroffene Feststellung, daß das Recht nach § 320 Abs. 1 BGB nicht durch den Annahmeverzug des einen Teils endige (Amtliche Ausgabe, Bd. II, S. 201). Damit war über dessen Wirkung auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB kein Wort verloren. Unmittelbar aus dem Wortlaut oder aus der Existenz des § 274 Abs. 2 BGB ist jedoch nichts für die Frage zu folgern, wann sich "aus dem Schuldverhältnisse ein anderes ergibt", das zur Verneineinung des § 273 Abs. 1 BGB führen kann. Jene Bestimmung setzt die tatbestandlichen Erfordernisse des Zurückbehaltungsrechts voraus, enthält aber selbst keinesfalls etwas darüber, wann dies der Fall ist. Erst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen und dementsprechend eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug ergangen ist, erlangt § 274 Abs. 2 BGB Bedeutung. Er ermöglicht es dem Gläubiger, der das Zurückbehaltungsrecht erst nach dem Urteil durch das Angebot der Gegenleistung zum Wegfall bringt, ohne erneute Klage, die Leistung nunmehr schlechthin vollstrecken zu können. § 274 Abs. 2 stellt somit nicht - wie beispielsweise Breuer, S. 145 meint - die ausnahmsweise Nichtberücksichtigung der Wirkung des § 273 Abs. 1 BGB dar, sondern bringt nur auf einem einfachen Weg dessen Wegfall zur Geltung. Auch der mögliche Einwand, die dargelegte Ansicht würde § 273 Abs. 3 BGB zur Bedeutungslosigkeit abqualifizieren, könnte nicht entscheidend gegen sie sprechen. Der Gläubiger wird nämlich in vielen Fällen das Zurückbehaltungsrecht lieber durch Sicherheitsleistung abwenden als es durch das Angebot seiner Gegenleistung in Wegfall bringen wollen. Dies etwa regelmäßig dann, wenn das Angebot für ihn mit einem spürbaren persönlichen oder finanziellen Aufwand verbunden ist. (Ob das im Vorstehenden Ausgeführte für alle Zug-um-Zug-Einreden gilt, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Ausschlaggebend für diese Frage muß sein, inwieweit sich die jeweilige Zug-um-ZugEinrede aus einem an Treu und Glauben orientierten Schuldnerschutz rechtfertigt. Seine Übertragung auf die ursprünglich auf Leistung Zug um Zug gerichteten Ansprüche und die allein damit gegebene Möglichkeit, den oben in Fn. 76 angesprochenen Bedenken gegen eine Anwendung der §§ 756, 765 ZPO auf die Vollstreckung dieser Ansprüche begegnen zu können, wäre allenfalls dann vertretbar, wenn sich der Akt der Nichtannahme der Gegenleistung als eine "echte" weil selbständige - und nicht wie bei §§ 273 BGB aus dem zugrundeliegenden Normzweck resultierende - Verwirkung der Beschränktheit des materiellrechtlichen Verpfiichtungstatbestands darstellen würde. Auf die damit zusammenhängenden, äußerst schwierigen Fragen (Annahmeverzug begründendes Angebot überhaupt tauglicher Anknüpfungspunkt für Verwirkung? Folge der Verwirkung nicht Ausschluß eines Rechts, sondern Novation? Und weitere Folge: Begründung eines selbständigen Forderungsrechts, um dem Schuldner, der bislang keinen Anspruch auf die Gegenleistung hatte, deren Verfolgung wenigstens dann noch zu ermöglichen, wenn er - freiwillig oder zwangsweise - vorgeleistet hat?) kann hier nicht näher eingegangen werden.)

2.1. §§ 273, 274 BGB

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überhaupt mit einem "Leistung gegen Gegenleistungs"-Verhältnis zu tun hat, das auf Gleichzeitigkeit der beiderseitigen Leistungsbewirkungen gerichtet ist. Da die vorliegende Arbeit nicht nur im Ergebnis "Richtiges", mit dem dann sachgerecht "gearbeitet" werden kann, darstellen soll, sondern sie zugleich auch zum Verständnis der Leistung Zug um Zug als solcher beitragen will, ist gleichwohl noch darauf einzugehen, wie es sich denn nun mit der Leistung Zug um Zug im Fall des § 273 BGB verhält. 2.1.3. "Leistung Zug um Zug" und "Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung" als Rechts/olge des § 273 Abs. 1 BGB

Nach den tatbestandlichen Anforderungen, die § 273 Abs.1 BGB an den Leistungs- bzw. Gegenleistungsanspruch stellt, ist das Zurückbehaltungsrecht zunächst einmal für das gesamte Spektrum möglicher Anspruchsinhalte llO offen111 • Alles, was Gegenstand einer Leistungspflicht sein kann, kann auch Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts sein. Der Anspruch des Gläubigers kann demnach ebenso wie der Gegenanspruch auf eine Leistung gerichtet sein, die einen rein ideellen Wert hat (wie beispielsweise die Herausgabe einer Urne mit der Asche eines Angehörigen112, die Herausgabe eines Familienfotos etc.), die ausschließlich personenbezogen ist (wie beispielsweise die Unterlassung einer wirtschaftlich nicht nachteiligen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Veröffentlichung einer Gegendarstellung nach § 11 PresseG113, auch die Herausgabe des Kindes [§ 1632 Abs. 1 BGBJ114 etc.), Klagbarkeit als "notwendige Eigenschaft des Anspruchs", Enneccerus / A. M. Breuer, S. 24 f., der aber von einem anderen Verständnis der Klagbarkeit (vgl. Zitelmann, 5.24) ausgeht; abw. auch Rieger, 5.22. - Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, daß § 273 Abs. 1 BGB gegenüber einem ursprünglichen Anspruch auf Leistung Zug um Zug als sinnlos ausscheidet, daß ein solcher Anspruch jedoch ohne weiteres als Gegenanspruch in Betracht kommt. Hat also der Gläubiger einen Anspruch auf Leistung schlechthin, und ist der Schuldner berechtigt, Leistung Zug um Zug zu fordern, so kann der Schuldner - liegen die übrigen Voraussetzungen des § 273 Abs. 1 BGB vor - das Zurückbehaltungsrecht geltend machen. 111 Vgl. z. B. Breuer, 19 f., 40; Enneccerus / Lehmann, § 25 I (5. 110); Oertmann, § 273 Anm. 3; Planck / Siber, § 273 Anm. 1 a; RGRK / Alff, § 273 Rdnr. 5; Schlegelberger, 5.111 ff.,.147; Sonnenschein, S. 15, 18. U! Beispiel von Planck I Siber, § 273 Anm. 1 a; vgl. ferner auch das Beispiel bei Lehmann, S. 306. 113 Vgl. BGH, NJW 63,151 f. m. w. N. (kein vermögensrechtlicher Anspruch). 114 A. M. Beitzke, § 27 IV 1 b (5. 205); Döne, Bd. II, § 92 I 3 a (5. 156) und dort Fn. 41; Erman / Ronke, § 1632 Rdnr. 1; Schnitzerling, StAZ 61, 38; sie sind der Auffassung, daß deshalb, weil § 273 BGB dem Schuldrecht angehöre, er gegenüber der familienrechtlichen vindicatio filii vel filiae von vornherein unanwendbar sei; ohne jede Begr. ebenso Breuer, S. 138; MüKo / Hinz, § 1632 Rdnr. 16 und Staudinger I Donau I Schwoerer, § 1632 Rdnr. 11. Mit der gegebenen Begründung müßte dann aber auch die Anwendbarkeit von § 273 BGB 110

Nipperdey, Bd. II, § 222 II 5 (S. 1367), ist erforderlich. -

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

oder die einen sonstigen, nicht vermögens bezogenen Gegenstand hat (wie etwa die Herausgabe persönlicher Ausweispapiere115 , oder die Gestattung der Einsichtnahme in ein Dokument). Solche nicht vermögenswerten Forderungsrechte sind als Anspruch und Gegenanspruch für § 273 Abs. 1 BGB ohne weiteres geeignet116 • Demgegenüber wird nun immer wieder behauptet, zu den positiven Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts gehöre von vornherein die vermögensrechtliche Natur von Anspruch und Gegenanspruch117 • Diese Meinung beruft sich auf eine frühe oberlandesgerichtliche Rechtsprechung, die in allen Fällen jedoch nur die konkrete Frage entschied, ob der Herausgabeanspruch gemäß § 1632 Abs.1 BGB Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts sein kann118 • Sie dokumentiert damit einmal mehr, wie einzelne Aussagen in den Entscheidungsgründen aus ihrem Zusammenhang gerissen werden, und dann zu einem allgemein verbindlichen Obersatz hochstilisiert werden. Es ist zwar richtig, daß das OLG Jena119 ohne Begründung und generell feststellt: "Voraussetzung (des Zurückbehaltungsrechts) ist aber, daß es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt." Aber erst wenn man die Entscheidung auch zu Ende liest, ergibt sich, welches Tatbestandsmerkmal des § 273 Abs. 1 BGB mit dieser zunächst ohne Begründung in den Raum gestellten Aussage der Sache nach gemeint sein sollte. Dort wird ausgeführt, daß "die Verknüpfung von Vermögensforderungen mit rein familienrechtlichen, wesentlich auf sittlicher Grundlage beruhender Ansprüche einem gesunden Rechtsempfinden" widerstrebe120• Was sollte damit anderes im Sachen-, Erb-, ehelichen Güterrecht und überhaupt überall außerhalb des Schuldrechts geleugnet werden. Wer will dies tun? Dazu, daß es nicht getan wird, s. allg. Soergel/ Schmidt, § 273 Rdnr. 2 m. w. N. und Enneccerus / Lehmann, § 25 I (S. 110); ferner RG, WarnRsp 09, Nr. 283 (für familienrechtlichen Anspruch) und zu einem zivilrechtlichen Gegenanspruch, der sich aus einer steuerrechtlichen Vorschrift ergibt, s. unten, Fn. 134 - s. ferner die Nachw. in Fn. 117, 118. 116 Beispiel von Planck / Siber, §273 Anm.l a. tU So auch ausdrücklich z. B. Breuer, S. 23; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382 Fn. 3 (aber widersprüchlich, dazu s. oben, Kap. 1. Fn. 149); Warneyer, § 273 Anm.X1. 117 So etwa OLG Stuttgart, FamRZ 72, 264 (266); Erman / Sirp, § 273 Rdnr. 4, 7; Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 4; wohl auch Gernhuber, § 49 IV 2 (S. 534) wenn er meint, daß "jeder Gedanke an ein Zurückbehaltungsrecht am Wesen einer (also nicht auf den Fall des § 1632 Abs. 1 BGB beschränkt) personenrechtlichen Zuordnung" scheitern müßte; auch Schlegelberger, S. 114 ff. fordert einen Gegenanspruch mit Vermögenswert (inkonsequent s. oben, Fn. 111). 118 OLG Hamburg, OLGRsp 8 (1904) 430 f.; OLG Jena, DJZ 14, 447; OLG Düsseldorf, HRR 40 Nr. 1104 und dann auch RG, DR 44, 663 (664). l1G DJZ 14, 447; das OLG Düsseldorf, HRR 40 Nr. 1104 beschränkt sich auf die Berufung auf das OLG Jena und die entscheidenden Gründe des OLG Hamburg sind in OLGRsp 8 (1904) 430 f. nicht abgedruckt. 120 So auch RG, DR 44, 663 (664: "Wesen" des Kindsherausgabeanspruchs als solcher ist entscheidend).

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gesagt sein, als daß es im Falle des § 1632 Abs. 1 BGB an der positiven Voraussetzung der Konnexität bzw. an der negativen Voraussetzung, daß sich aus der Natur des Schuldverhältnisses nichts anderes ergibt, fehlt. Die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen dieser beiden Tatbestandsmerkmale wird vollständig von Treu und Glauben und der Billigkeit beherrscht121 • über sie fließen sozialpolitische Gedanken in den Tatbestand des § 273 Abs.l BGB ein, nicht aber über ein restriktives Anspruchs- bzw. Gegenanspruchsverständnis 122 • Es gibt nicht einen besonderen, nur für § 273 Abs.l BGB nach Treu und Glauben nicht anzuerkennenden Anspruch. Ein Anspruch besteht entweder oder er besteht nicht (möglicherweise deshalb, weil er an sich schon auf einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft beruht). Besteht er, dann ist er unabhängig von seinem Gegenstand auch grundsätzlich geeignet, ein Zurückbehaltungsrecht zu begründen. Für § 1632 Abs. 1 BGB bedeutet dies etwa, daß mit ihm zwar ein (Gegen-)Anspruch im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB zu bejahen ist, daß jedoch ein Zurückbehaltungsrecht wegen den in diesem Fall stets gegebenen, speziellen personensorgerechtIichen l23 und sozialpolitischen überlegungen immer zu verneinen ist, weil sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben aus der Natur des Schuldverhältnisses stets "ein anderes ergibt" 124. Eine solche allgemeine Ablehnung des § 273 BGB mag in anderen konkreten Fällen ebenfalls anzunehmen sein, hier braucht dies jedoch nicht weiter zu interessieren. Wichtig ist festzuhalten, daß man sich dringend davor hüten sollte, aus diesen Fällen dann - betreffen sie (unter anderen) nichtvermögensrechtIiche Ansprüche - irgendetwas für die vermögensmäßig "erforderliche" Qualität oder auch Quantität des Leistungsinhalts von Anspruch und Gegenanspruch folgern zu wollen. Es darf in diesem Zusammenhang doch auch nicht übersehen werden, daß das Zurückbehaltungsrecht als Rechtswahrungs- und mittelbares Rechtsverfolgungsmittel dem Schuldner gerade bei einem nicht vermögensrechtIichen Gegenanspruch unter Umständen eine wesentlich effektivere Möglichkeit, die Gegenleistung zu erhalten, eröffnet, als dies etwa im Wege deren Exekution der Fall wäre. Denn der Grundsatz der Naturalvollstreckung 125 wird bei solchen Ansprüchen besonders leicht an seine Grenzen stoßenl26 , und die Vollstreckung eines Interesseanspruchs wird St. Rspr. und einhellige Meinung, s. oben, Fn. 104 und 108. Vgl. Planck / Siber, § 273 Anm. 1 a; Schlegelberger, S. 112. 123 Vgl. RGRK / Scheffler, § 1632 Anm. 8 a. E. 124 So Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 12 (s. aber oben, Fn. 117); vgl. ferner die in Fn. 118 Genannten und RG, HRR 27 Nr. 1382 (für persönliche Verpflichtung der Ehegatten); OLG Hamburg, OLGRsp 21 (1910) 240 f. (für gesetzliche Unterhaltspflicht). - Auch bereits die Verneinung der Konnexität wird mit denselben Überlegungen angenommen werden können. 125 Dazu neuestens Müller, S. ,20 ff. 121

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

oft mangels feststellbaren bzw. bezifferbaren Interesses ausscheiden. Warum also dem Schuldner diese Möglichkeit von vornherein aus der Hand schlagen wollen? Auch ist zu berücksichtigen, daß das Gesetz dann, wenn es in § 273 BGB tatsächlich nur vermögensrechtliche Ansprüche als Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts hätte zulassen wollen, es sich den ausdrücklichen Ausschluß desZurückbehaltungsrechts in §175 2. Hlbs.BGB hätte sparen können. Der Anspruch auf Rückgabe der Vollmachtsurkunde ist weder selbst ein vermögensrechtliches Forderungsrecht noch wurzelt er in einem solchen127 • Allein die Möglichkeit der mißbräuchlichen Weiterverwendung der Urkunde und sich daraus unter Umständen ergebender Vermögenseinbußen macht den Herausgabeanspruch noch nicht zu einem vermögensrechtlichen. Würde der Gegenanspruch i. S. d. § 273 Abs. 1 BGB einen eigenen Vermögenswert voraussetzen, wäre also im Fall des § 175 BGB ein Zurückbehaltungsrecht des Vollmachtnehmers bereits am Fehlen der erforderlichen Qualität des Gegenanspruchs gescheitert128 • Ist das Anwendungsgebiet des Zurückbehaltungsrechts demnach nicht apriori auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen sich vermögenswerte Ansprüche gegenüberstehen, kann seine Rechtsfolge auch nicht von vornherein allein in der Verknüpfung beiderseits vermögensbezogener12V Leistungen liegen. Es hält seine Rechtsfolge, die Verknüpfung zweier Leistungen zu gleichzeitigem Austausch, somit grundsätzlich auch für solche Fälle bereit, in denen von einer Leistung Zug um Zug im eigentlichen Sinne deshalb nicht die Rede sein kann, weil es an der für die Leistung Zug um Zug typischen, finalen Bestimmtheit der beiden Leistungen fehlt 130 • Die Umkehrung des "Regel-Ausnahme"-Verhältnisses hinsichtlich des Gleichzeitigkeitserfordernisses bei der vermögensbezogenen einerseits und der nicht vermögensbezogenen Leistung gegen Gegenleistung andererseits13 1, läßt sich an § 273 Abs. 1 BGB, da er zunächst einmal beide Fälle erfaßt, vorzüglich aufzeigen. Stehen sich fällige und konnexe ver128 Bsp.: Der Gläubiger schuldet als Gegenleistung eine Blutspende; er schuldet die Erbringung einer wissenschaftlichen Leistung; oder sonstige in diesem Zusammenhang altbekannte "Schulfälle". 117 A. M. Schlegelberger, S. 116: Aus § 175 BGB kann deshalb nichts für das Zuruckbehaltungsrecht an wertlosen Gegenständen entnommen werden, weil er selbst dann gilt, wenn die Vollmachtsurkunde infolge der künstlerischen Ausführung durch einen berühmten Maler einen noch so hohen Wert repräsentiert. - An eine solche Vollmachtsurkunde hat der Gesetzgeber bei § 175 BGB mit Sicherheit auch nicht im entferntesten gedacht, und hat er dies nicht, bleibt das hier angeführte Argument bestehen. 128 Zum Grund des § 175 BGB s. Endemann, Bd. I, § 126 2 b (S. 712) Fn. 16. 128 s. oben, Kap. I. 3.2. 130 s. insbes. oben, Kap. I. 3.2.2. 131 s. oben, Kap. I. 3.2.3. a. E.

2.1. §§ 273, 274 BGB

111

mögenswerte Ansprüche gegenüber, wird das vom Zurückbehaltungs-

recht entsprechend § 242 BGB zu verwirklichende Ordnungsprinzip die Bejahung der Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB, also der Gleichzeitigkeit, regelmäßig nicht hindern, weil sich in diesem Fall nämlich aus der Natur des Schuldverhältnisses regelmäßig nichts anderes ergibt l32 • Gerade umgekehrt verhält es sich, wenn Anspruch und Gegenanspruch sich nicht vermögensbezogen gegenüberstehen. Hier wird sich aus der Natur des Schuldverhältnisse in deli' Regel ein anderes ergebenl33 • Nur aufgrund besonderer, an Treu und Glauben orientierter Erwägungen wird vermieden werden können, daß die Rechtsfolge und damit Gleichzeitigkeit an dieser Tatbestandsklippe scheitert. Kurz gesagt heißt dies: Geht es um fällige, konnexe und vermögensbezogene Ansprüche, begründet § 273 Abs.l BGB regelmäßig eine Leistung Zug um Zug; fehlt es dagegen am Vermögensbezug, führt § 273 Abs. 1 BGB nur ausnahmsweise zur Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung. Im Prinzip dasselbe wie bei nicht vermögensbezogenen Leistungen hat dann zu gelten, wenn Leistung und Gegenleistung zwar vermögensrechtlicher Natur sind, ihr WertverhäItnis jedoch in einem auffälligen m Zu Ausnahmefällen, vgl. RGRK / Alff, § 273 Rdnr. 34 ff.; Soergel/ Schmidt, § 273 Rdnr. 20 f.; Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 12. - Ob ein Unterlassen als Leistung oder Gegenleistung zur Anwendbarkeit des § 273

Abs. 1 BGB führt, ist nicht etwa eine Frage der in Betracht kommenden AnsprüChe, sondern allenfalls eine der Natur des Schuldverhältnisses, vgl. Rieger, S. 42 f.;Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 12. So bejaht die heute einhellige Meinung die grundsätzliche Möglichkeit eines Zurückbehaltungsrechts auch bei Unterlassungsansprüchen, vgl. die Zuletztgenannten; ferner OLG Karlsruhe, VersR 73, 857; Enneccerus / Lehmann, § 25 I 1 a (S. 112); Palandt / Heinrichs, § 273 Anm. 2; RGRK / Altf, § 2173 Rdnr. 5; Soergel/ Schmidt, § 273 Rdnr. 4 und schon Mugdan, Bd. II, S. 527 (Prot.); Breuer, S. 21; Sonnenschein, S. 18. Sie gelangt jedoch über "die Natur des Schuldverhältnisses" bei Unterlassungsansprüchen, auch bei Vermögenswerten, sehr schnell zur Ablehnung des § 273 Abs. 1 BGB; grundlegend dazu Lehmann, S. 305 ff. So soll etwa der Schuldner, der einen "Gegen"-Unterlassungsanspruch hat, seine Leistung gestützt auf jenen - "nur ganz ausnahmsweise" zurückbehalten können, RG, DR 40, 795 Nr. 13 (zudem noch mit der unverständlichen Konsequenz, daß dann, wenn § 273 BGB ausnahmsweise bejaht wird, gleichwohl keine "Verurteilung zur Erfüllung Zug um Zug Anwendung finden könne", was dann?); Palandt / Heinrichs, § 273 Anm. 2. Der wahre Grund für diese Zurückhaltung der h. M. dürfte allerdings darin liegen, daß bei Unterlassungsleistungen effektive Gleichzeitigkeit in aller Regel nicht zu wahren ist (s. oben, Kap. 1. 2.3. [bei Fn. 63]), und man daher in der "Zug um Zug"-Rechtfolge ein "unmögliches" Ergebnis sieht, das es zu vermeiden gilt. Dem Schuldner, für den § 273 BGB u. U. gerade das einzig wirklich effektive Mittel zur Wahrung seines Unterlassungsanspruchs darstellen kann, sollte diese Möglichkeit aber nicht vorschnell entzogen werden. Dazu ist insbesondere daran zu denken, ob dem Sicherungsbedürfnis des Schuldners, das § 273 Abs. 1 BGB "eigentlich" anerkennen will, nicht dadurch entsprochen werden kann, daß das Gleichzeitigkeitserfordernis durch einen adäquaten Sicherungsmechanismus ersetzt wird (s. oben, Kap. 1. 2.3.2.).

133 Vgl. oben, bei Fn. 123 f. (für § 1632 Abs. 1 BGB); Planck / Siber, § 273 Anm. 1 a (für die bei Fn. 112 und 115 genannten Beispiele); Schlegelberger, S. 113 ff.; ferner die oben in Fn. 132 Genannten passim; s. auch unten, Fn. 134.

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Mißverhältnis besteht, und dieses wegen Unteilbarkeit der überwiegenden Leistung auch nicht vermindert werden kannl34 • Dann kann trotz der bei der Leistung Zug um Zug gebotenen großzügigen Betrachtungsweise nicht mehr von einer Finalitätsbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung gesprochen werden, die sich aus der wechselseitigen Vermögensbezogenheit der Leistungen rechtfertigen würde. Damit ist zwar, nicht anders als bei der Leistung ohne eigenen Vermögenswert, die Anwendbarkeit von § 273 Abs. 1 BGB nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch wird sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben regelmäßig "etwa anderes aus dem Schuldverhältnis ergeben"135. Denn je größer der Wertunterschied von Leistung und Gegenleistung ist, desto mehr ändert sich der Charakter des Zurückbehaltungsrechts vom Sicherungsmittel mit mittelbarer Zwangswirkung zum Zwangsmittel mit mittelbarer Sicherungswirkung. Um § 273 Abs. 1 BGB gleichwohl bejahen und damit, wenn auch nicht zur Leistung Zug um Zug, so doch zur Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung gelangen zu können, bedarf es besonderer, billigerweise zu schützender Interessen des Schuldners, die nicht allein im Wert der Gegenleistung liegen l38 • 134 Die lediglich teilweise Zurückbehaltung ist in diesem Fall ganz h. M., vgl. RGZ 61, 128 (133); LZ 12, 752; ferner auch LG Mannheim, NJW 61, 2064 (LS 1 e) und statt vieler Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 24; ebenso schon Schollmeyer, § 273 Anm. 1 b. - A. M. Rieger, S. 26, dem jedoch in der Ablehnung der analogen Anwendung von § 320 Abs. 2 BGB, so etwa Schollmeyer, § 273 Anm. 1 b und Soergel/ Schmidt, § 273 Rdnr. 21, zuzustimmen ist. Für eine Gesetzesanalogie (dazu Larenz, Methodenlehre, S. 366 ff.) fehlt es nicht nur an der dazu erforderlichen "Lücke" (die Beschränkung folgt bereits aus § 273 BGB selbst), sondern auch an der Vergleichbarkeit der in § 273 Abs. 1 BGB und § 320 Abs. 1 BGB geregelten Sachverhalte (s. unten, Kap. V. 1.2.). - Einen (h. M.: zivilrechtlichen) Anspruch, der durchweg nur teilweise Zurückbehaltung erlaubt, enthält § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG. Der danach bestehende Anspruch auf eine Rechnung, die den Vorsteuerbetrag gesondert ausweist, berechtigt den Leistungsempfänger nach § 273 Abs. 1 BGB zur Zurückhaltung des Rechnungsbetrags nur in Höhe des anteiligen Steuerbetrages; und dies auch nur dann, wenn er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, denn ansonsten handelt es sich dabei um einen nicht vermögensbezogenen Anspruch, bei dem sich - wie i. d. R. - "aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt". A. M. Peusquens, NJW 74, 684, der - als Parallele zur Quittungserteilung nach § 368 BGB und aus steuerrechtlichen Erwägungen - die Zurückhaltung des gesamten Rechnungsbetrages bejaht. Zum einen ist die Quittung der Sache nach aber etwas vollkommen anderes als der gesonderte Steuerausweis und sie führt zudem überhaupt nicht zur Leistung Zug um Zug, s. dazu unten, Kap. IV. 2.4.3. Zum anderen beruht die steuerrechtliche Argumentation bei genauem Zusehen auf einem Zirkelschluß. Wie hier z. B. Dürrwächter und Rau in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, Kommentar zum UStG, 3. Aufl., § 14 Rdnr. 41. 135 Vgl. BGHZ 54, 244 (250); RG, Recht 10, Nr. 292; JW 35, 505 (506); vgl. ferner OLG Karlsruhe, NJW 61, 2017 (2018); Erman / Sirp, § 273 Rdnr. 22; RGRK / Alff, § 273 Rdnr. 12; Staudinger / Werner, § 273 Rdnr. 12 a. E.; st. Rspr. und h. M. - A. M. Rieger, S. 42 f. 138 Zu einem solchen Fall, in dem sich trotz Geringfügigkeit der Gegenleistung ausnahmsweise nichts anderes aus dem Schuldverhältnis ergibt, s. RG, Recht -23, Nr. 489 (beharrliche Zahlungsweigerung des Gläubigers).

2.1. §§ 273, 274 BGB

113

§ 273 Abs.l BGB führt bei wechselseitigem Vermögensbezug demnach regelmäßig zur Leistung Zug um Zug. Fehlt eine solche Beziehung kann er aber auch ausnahmsweise zur Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung führen. Dieser Fall würde allerdings dann, wenn man die "Definition" des § 274 Abs. 1 BGB auf die Leistung Zug um Zug im hier verstandenen Sinne beschränken wollte, von § 274 Abs. 1 BGB nicht erfaßt. Eine solche begriffliche Beschränkung des § 274 Abs. 1 BGB wäre sachlich vollkommen unerheblich, da diese Bestimmung nach der hier vertretenen Auffassung137 überhaupt keine Aussage enthält, die in der Sache von der ohnehin gegebenen und daher zu verwirklichenden Rechtfolge des § 273 Abs. 1 BGB abweicht, sondern ihr lediglich beschreibende Bedeutung zukommt.

2.1.4. Zusammenfassung zu §§ 273, 274 BGB § 273 Abs. 1 BGB enthält nichts über den möglichen Gegenstand von Anspruch und Gegenanspruch. Er erlaubt somit keine von vornherein und ausnahmslos geltende Aussage darüber, ob sich Leistung und Gegenleistung in seinem Fall immer vermögensbezogen gegenüberstehen. Aus einem bestehenden wechselseitigen Vermögensbezug kann daher nichts endgültiges dafür geschlossen werden, ob seine Rechtsfolge - wie von deren Wortlaut nahegelegt - zur Leistung Zug um Zug und damit zur Gleichzeitigkeit der beiderseitigen Leistungsbewirkung führt. Dieses Gleichzeitigkeitserfordernis ergibt sich - beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 273 Abs. 1 BGB - als allgemeines und billiges Ordnungsprinzip, das die Schulnerinteressen unter ge ringst möglicher Beeinträchtigung der Belange de Gläubigers berücksichtigt, aus dem N ormzweck des Zurückbehaltungsrechts.

Nur im Einzelfall kann mit letzter Verbindlichkeit die begriffliche Unterscheidung getroffen werden, ob die Einrede des § 273 Abs. 1 BGB zur Leistung Zug um Zug oder aber zur Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung führt. Regelmäßig wird das erste und nur ausnahmsweise das zweite der Fall sein. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB selbst anspruchsbeschränkend wirkt, § 273 Abs. 1 BGB somit selbst eine Zug-um-Zug-Einrede138 darstellt. § 274 Abs. 1 BGB konstituiert daher keine besondere prozessuale Wirkung des § 273 BGB, sondern beschreibt nur dessen urteilsmäßige Verwirklichung. Insoweit ist § 274 Abs. 1 BGB nicht anders zu qualifizieren, als es - gäbe es ihnz. B. ein ,,§ 771 a BGB" wäre, der bestimmen würde: "Die Geltendmachung der Einrede der Vorausklage durch den Bürgen hat zur Folge, 137

138

s. oben, 2.1.1. a. E.

Bzw. ausnahmsweise eine "Gleichzeitigkeits"-Einrede.

8 Oesterle

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

daß die Klage des Gläubigers abgewiesen wird." Eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug hätte auch ohne § 274 Abs.l BGB zu ergehen. Wenn Schlegelberger sagt, ,,§ 274 BGB sei die notwendige Folge des § 273"139, so ist dem nur dann zuzustimmen, wenn unter "notwendige Folge" nicht Erforderlichkeit im Siinne von Unentbehrlichkeit für den Erlaß eines "Zug um Zug"-Urteils verstanden wird, sondern damit gemeint sein soll, daß § 274 Abs. 1 BGB die zwangsläufige weil natürliche prozessuale Konsequenz des § 273 BGB ist. Eine prozeßrechtliche Besonderheit 140 kann in § 274 Abs.l BGB lediglich derjenige sehen, der glaubt, durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts würde die Forderungsberechtigung des Gläubigers materiellrechtlich derart verändert, daß der Gläubiger anstelle einer Leistung schlechthin nunmehr nur noch Leistung Zug um Zug zu beanspruchen habe. Bei solcher Auffassung müßte das Gericht - ohne § 274 Abs. 1 BGB - wie beim ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruch den auf Leistung schlechthin gerichteten und nicht umgestellten Klagantrag mangels Schlüssigkeit als unbegründet abweisen. Eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug würde in diesem Fan sachlich etwas anderes als beantragt zusprechen (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Wer also der Ansicht ist, § 273 Abs. 1 BGB beinhalte eine die materielle Rechtslage - zumindest zeitweilig - umgestaltende Wirkung, hat § 274 Abs. 1 BGB in der Tat als Ausnahmeregelung aufzufassenl41 • 2.2. Das vertragliche "Zurückbehaltungsrecllt"

Nur wenig ist zum sogenannten "vertraglichen Zurückbehaltungsrecht" zu sagen. Bei diesem vereinbaren die Parteien die Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB für einen anderen, als den dort zu subsumierenden Sachverhalt. Dies ist grundsätzlich ebenso unbedenklich zulässig l 4.2, wie der vertragliche Ausschluß oder die vertragliche Beschränkung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts. So können die Parteien etwa übereinkommen, daß die Wirkung des § 273 Abs. 1 BGB auch aufgrund eines nicht konnexen l43 oder eines nicht fälligen Gegenanspruchs 144 herbeigeführt werden kann. Daraus folgt aber auch schon, daß nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht, wonach der Begriff "Zurückbehaltungsrecht" zunächst einmal allein die Fälle des § 273 Abs. 1 und 2 BGB bezeichnet, nicht eigentlich von "vertraglichem ZurückbehaltungsSchlegelberger, S. 172. Nicht aber i. S. v. Langheineken, S. 356 f.; gegen ihn - allerdings nur im Ergebnis zutreffend - Reuter, S. 38 f. 141 Vgl. Schmidt, S. 8: die Annahme einer Ausnahmeregelung beruhe auf 139

140

der Verkennung des materiellrechtlichen Charakters des § 274 Abs. 1 (?). 142 Einhellige Meinung. 143 Vgl. RGZ 66, 24 (27). 144 Vgl. RGZ 106, 247 (249 f.).

2.2. Vertragliches "Zurückbehaltungsrecht"

115

recht", sondern sachlich treffender von vereinbarter Zug-um-Zug-Einrede zu sprechen ist. Da sich diese sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihrer inneren Rechtfertigung 145 von der Zug-um-Zug-Einrede nach § 273 BGB unterscheidet, ist sie nicht als deren Unterfall zu verstehen. Die Bezeichnung "vertragliches Zurückbehaltungsrecht" sollte daher vermieden werden. Mit dem "neutralen" Begriff der gewollten Zug-um-Zug-Einrede kommt in sachgerechter Weise zum Ausdruck, daß § 273 Abs. 3 BGB keineswegs schon im Zweifel Anwendung findet 1". Ob § 273 Abs. 3 BGB gilt, bedarf vielmehr der vertraglichen Abmachung. Haben sich die Parteien auf die Einräumung eines "Zurückbehaltungsrechts" geeinigt, so ist unter Berücksichitgung des Vertragszwecks der mit diesem Begriff verbundene wirkliche Parteiwille zu ermitteln (vgl. §§ 133, 157 BGB). Ergibt sich daraus nicht, daß das gewollte Einrederecht durch Sicherheitsleistung abzuwenden ist, fehlt es sowohl an der Veranlassung als auch an der methodischen Möglichkeit zur Anwendung des § 273 Abs. 3 BGB147. Haben die Parteien die "Zurückbehaltungsmöglichkeit" für nicht vermögensbezogene Leistungen vereinbart, so handelt es sich begrifflich nicht um eine eigentliche Zug-um-Zug-Einrede, sondern um eine "Gleichzeitigkeits"-Einrede. Allerdings wird sich - wie bei § 273 BGB148 - das "Regel-Ausnahme"-Verhältnis von Leistung Zug um Zug und Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung hier ebenfalls weitgehend fortsetzen. Wenn auch, anders als bei § 273 Abs. 1 BGB, Treu und Glauben als unmittelbares, bereits bei den Voraussetzungen zu beachtendes Korrektiv ausfällt, und die Parteien grundsätzlich etwas in der Regel Unbilliges (Gleichzeitigkeit bei nicht vermögenswerten Leistungen) vereinbaren können, so wird doch fehlender Vermögensbezug immer Veranlassung sein, besonders gründlich zu prüfen, ob nicht die Auslegung ergibt, daß in Wahrheit gar nicht Gleichzeitigkeit der beiderseitigen Leistungsbewirkungen, sondern etwas anderes - etwa ein einseitiges Leistungsverweigerungsrecht - gewollt ist14t. Sie ist kein Ausfluß des § 242 BGB, sondern der Privatautonomie. Vgl. etwa RG, HRR 31, Nr. 105. 147 Nicht anders verhält es sich etwa mit der Frage, ob das Annahmeverzug begründende Angebot die vertragliche Zug-um-Zug-Einrede zum Wegfall bringt (s. oben, Fn. 109). Im Gegensatz zu § 273 BGB ist dies nicht allein eine Frage von Treu und Glauben, sondern primär des beiderseits Gewollten. Ebenso bedarf die Frage besonderer Berücksichtigung, ob das vertragliche Recht nicht zur Umgestaltung der materiellen Rechtslage berechtigen soll, so daß nach seiner Geltendmachung nur noch eine Forderung auf Leistung Zug um Zug besteht. 148 s. oben, 2.1.3. (bei Fn. 132). 148 In dieser Beziehung gilt ähnliches bei § 320 Abs. 1 BGB. Auch dort ist in diesem Fall immer besonders zu prüfen, ob nicht ein Vertragsteil mit seiner Leistung voranzugehen hat. 145

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden Exkurs: Die §§ 320, 322; 321; 348 BGB und § 3 AbzG

Daß § 320 Abs. 1 1. Hlbs. BGB zu einer "Zug um Zug"-Verurteilung führt, ist schon wegen § 322 Abs. 1 BGB nicht zu bezweifeln. Ebenso steht für § 348 Satz 1 BGB die Rechtsfalge "Leistung Zug um Zug" fest. Die Frage, ob § 320 BGB ein auf Leistung Zug um Zug lautendes Urteil trägt, ließe sich für diese Bestimmung also in derselben Weise wie für § 273 BGB beantworten, sofern die Einordnung jener Norm als Einrede ebenso zweifelsfrei wäre, wie deren Rechtsfolge. Aber gerade das "Wie" des Zustandekommens der "Zug um Zug"-Rechtsfolge ist lebhaft umstritten150 • Handelt es sich dabei wirklich um einen Fall der lediglich beschränkbaren Ansprüche, oder gehört § 320 BGB nicht vielmehr zur Gruppe der schon ursprünglich auf "Zug um Zug"-Leistung beschränkten Forderungsrechte? Da in erster Linie diese Problemstellung zu entscheiden ist, wird die eingehendere Behandlung der §§ 320, 322 BGB erst im Anschluß an die Einordnung der übrigen sachlichen Grundlagen einer Leistung Zug um Zug erfolgen151 • Wegen § 348 Satz 2 BGB und vor allem wegen der Tatsache, daß durch den Rücktritt das ursprüngliche Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet wird, das dem gegenseitigen Vertrag zumindest152 sehr ähnlich ist1 53, kann -unabhängig vom unterschiedlichen Wortlaut des § 320 Abs. 1 1. Hlbs. BGB und des § 348 Satz 1 BGB - die Zuordnung dieser beiden Bestimmungen entweder zu den beschränkten oder beschränkbaren Ansprüchen nur einheitlich erfolgen154 • Deshalb wird auch auf § 348 BGB erst im Zusammenhang mit den §§ 320, 322 BGB einzugehen sein155• Bei § 321 BGB ist zwar die Zuordnungsfrage weitgehend unproblematisch, da aber die Einordnung des § 320 BGB Rückwirkungen auf § 321 BGB zeitigen kann, ist letztere Vorschrift nach § 320 BGB zu erörtern, sie scheidet für den hier zu behandelnden Abschnitt daher zunächst ebenfalls aus156• § 3 AbzG enthält keine dem § 348 Satz 2 BGB entsprechende Bestimmung. Dennoch wird auch er nur eine zu § 320 BGB einheitliche Einordnung dulden können. Denn es ist kein einleuchtender Grund dafür er-

Wegen der Nachw. s. unten, Kap. V. Fn. 4, 24, 37 und 40. s. unten, Kap. V. 1. - Schon hier sei jedoch darauf hingewiesen, daß dieser Behandlung der §§ 320, 322 im Rahmen der vorliegenden Arbeit enge Grenzen gesetzt sein werden. 152 Weitergehend Wolf, Bd. I, S. 318. 153 So die heute wohl h. M. - Zum ganzen s. Wolf, AcP 153 (1'954) 102 ff. 154 Ohne daß dies immer ausdrücklich gesagt würde, h. M. - A. M. Medicus, Rdnr.223. 155 s. unten, Kap. V. 2.1. 1S8 s. unten, Kap. V. 3. 150

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2.3. Mangelnde Genehmigung von Verwendungen

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sichtlich, daß die von § 3 AbzG normierte Fortsetzung des funktionellen Synallagmas des gegenseitigen Vertrages im Rückaustauschverhältnis eine andere Qualifikation erfahren sollte, als das funktionelle Synallagma im Austauschverhältnis des § 320 BGB. Da § 3 AbzG lediglich gegenseitige Verträge zum Gegenstand hat, ist seine dogmatische Gleichbehandlung mit § 320 BGB noch zwingender, als dies bei § 348 BGB der Fall ist, da sich die §§ 346 ff. BGB eben nicht allein auf die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge bezieheni57 • 2.3. Die Einrede mangelnder Genehmigung von Verwendungen 2.3.1. Die Regelung des § 1000 Satz 1 BGB

Der Regelung des § 1000 Satz 1 BGB bedurfte es, weil es dem zur Herausgabe verpflichteten Besitzer wegen § 1001 Satz 1 BGB an einem fälligen Gegenanspruchl58 gegen den Eigentümer auf Ersatz seiner nicht genehmigten Verwendungen mangelt, und ihm damit die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 2 mit Abs. 1 BGB infolge fehlender Tatbestandsmäßigkeit versagt ist1 59 • § 1000 Satz 1 BGB ist also schon deshalb mehr als eine "Präventivmaßnahme gegen Rechtsirrtümer"lClO, und keinesfalls "wiederholt er lediglich für den Fall der Verwendung die Vorschrüt des § 273 BGB"181. Ferner kann das Recht aus § 1000 BGB zu einer pfandähnlichen Verwertung durch den Besitzer führen (§ 1003 BGB), gibt also anders als § 273 BGB unter bestimmten Voraussetzungen ein Befriedigungsrechtl82 ; zudem berechtigt es im Gegensatz zum Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB im Konkurs immer zur Absonderung (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 KO), sofern es hinsichtlich einer beweglichen Sache ausgeübt wird l83 • Auch wenn man nicht erneut der überwundenen Auffassung anhängt, die Anwendbarkeit des § 273 BGB sei gegenüber dinglichen Ansprüchen unzulässig 184 und bzw. oder § 1000 BGB sei sachenrechtlicher Natur 185, erscheint es daher zumindest als zweifelhaft, s. unten, Kap. V. 2.2. s. bereits oben, Kap. I. 3.1. 160 Dies berücksichtigt Schlegelberger, S. 92 ff. nicht, ebenso ders., ZBlFG 6 (1905/06) 554. - Wie hier z. B. Enneccerus ILehmann, § 25 I 1 b (S. 112); Wolft 1 Raiser, § 88 V (S. 342) Fn. 19; Langheineken, S. 88; Palandt 1 Heinrichs, § 273 Anm. 6; Palandt 1 Bassenge, § 1000 Anm. 1; Planck 1 Brodmann, § 1000 Anm. 1; Soergell Mühl, § 1000 Rdnr. 1; Reuter, S. 43; h. M.; s. ferner Oesterle, JZ 79, 157 158

635.

180 Schlegelberger, S. 93; vgl. ferner Mugdan, Bd. II!. S. 232 (Mot.); ähnlich auch Staudinger 1Berg, § 1000 Rdnr. 2. 181 Schlegelberger, ZBlFG 6 (1905/06) 554. 182 Soergell Schmid;t, § 273 Rdnr. 3. 183 Für unbewegliche Sachen ist das Absonderungsrecht in § 47 KO abschließend geregelt, Mentzell Kuhn, § 49 Rdnr. 25. 184 Rieger, S. 51. Gegen ihn ausführlich Schlegelberger, S. 92 ff.

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

ob in § 1000 BGB tatsächlich einfach ein Unter- oder Sonderfall des § 273 BGB gesehen werden kann l66 . Allein die Verwendung des Wortes Zurückbehaltungsrecht in § 1000 Satz 2 BGB gibt dafür nichts her167 • Zur Klärung der Rechtsfolge des § 1000 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung dieser Frage jedoch nicht erforderlich und kann damit letztlich dahingestellt bleiben. Denn auch ohne die unmittelbare168 oder analoge HI9 Anwendbarkeit des § 274 Abs. 1 BGB gibt § 1000 Satz 1 BGB eine Einrede, die auf .,Zug um Zug"-Leistung und ein dementsprechendes Urteil gerichtet ist170• Ebenso wie bei § 273 Abs. 1 BGB spricht hier der Gesetzeswortlaut des § 1000 Satz 1 BGB - unabhängig vom "Zurückbehaltungsrecht" in Satz 2 - eine eindeutige Sprache. Schematisch läßt sich auch hier sagen: Aus der Formulierung "kann ... verweigern"l71 folgt der Einredecharakter und aus "bis ... befriedigt wird" der "Zug um Zug"-Leistungscharak1&5 Becker, JherJB 30 (1891) 267 ff.; Sonnenschein, S. 13; Rieger, S. 52 ("sachenrechtliches Verwendnungs-Z.B.R.", anders aber S. 56). 188 So z. B. Erman / Sirp, § 273 Rdnr. 36; Oertmann, § 273 Anm. 1 b 8; Planck I Siber, § 273 Anm. 1 b; RGRK I Alff, § 273 Rdnr. 7; Schlegelberger, S. 95 (er bestreitet die selbständige Existenzfähigkeit des § 1000 BGB ausdrücklich); Soergell Schmidt, § 273 Rdnr. 3; Sonnenschein, S. 13 (inkonsequent s. soeben, Fn. 165); Staudinger I Werner, § 273 Rdnr. 14. - Bedenken dagegen auch bei Planck f Brodmann, § 1000 Anm. 1; Soergell Mühl, § 1000 Rdnr. 1 und RGZ 137,324 (353) stellt die §§ 273 und 1000 BGB nebeneinander; ausdrücklich 8. M. Breuer, S. 10, 61; Langheineken, S. 87 f., 332 (s. unten, Fn. 175); Rieger, S. 15. 187 Daß der Gesetzeswortlaut, wenn darin von "zurückbehalten" die Rede ist, weder etwas für das Verhältnis der fraglichen Norm zu § 273 BGB noch etwas für deren Rechtsfolge hergibt, war für §§ 1428 Abs. 1 a. F. (geändert durch Art. 8 I 5 Abs. 1 GleichberG v. 18. VI. 1957, BGBl I S. 609), 1579 Abs. 1 Satz 1 a. F. und 1585 Abs. 2 a. F. (beide aufgehoben durch § 84 EheG v. 6. VII. 1938, RGBl I S. 807) weitgehend anerkannt. Diese Vorschriften sprachen wörtlich von "zurückbehalten können" bzw. der "Berechtigung zurückzubehalten"; gleichwohl sah man in ihnen kein Zurückbehaltungsrecht i. S. d. §§ 273 f. BGB und damit nach h. M. und im Ergebnis zu Recht keine Grundlage für ein "Zug um Zug"-Urteil (vgl. für § 1428: Palandt I Lauterbach, 9. Aufl., § 1428 Anm. 1; für §§ 1428, 1585: Planck I Unzner, § 1428 Anm. 4; § 1585 Anm. 15; Reuter, S. 28 m. w. N.; für §§ 1428, 1579, 1585: Breuer, S. 62 f. m. w. N.; Langheineken, S. 333 f. m. w. N.; Schlegelberger, S. 101 m. w. N.). Alle diese Fälle gaben dem Berechtigten nicht eine Kürzungseinrede (so Reuter), sondern eine rechtskürzende (sc. teilweise rechtsausschließende) Einwendung in der Form eines Gestaltungsrechts (so richtig Breuer, Langheineken, Planck I Unzner, Schlegelberger). - Wegen § 803 Abs. 2 s. oben, 1.2. (bei Fn. 54) und unten, 2.8. 188 Vgl. statt vieler Erman I Hefermehl, § 1000 Rdnr. 1 f.; RGRK I Johannsen, § 1000 Anm. 2,11; Staudinger I Berg, § 1000 Rdnr. 2 (sub b). 18D SO Z. B. Rieger, S. 52, der sich zur Analogie aufgrund seiner Meinung von der Unanwendbarkeit der §§ 273 f. BGB im Sachenrecht gezwungen glaubt. - Für Analogie auch Palandt I Bassenge, § 1000 Anm. 2 a; Reuter, S. 43 (ohne Begr., weshalb er sie hier für erforderlich hält und in den anderen von ihm bejahten Retentionsfällen nicht, dort aber gleichwohl zur "Zug um Zug"Verurteilung kommt). 170 Im Ergebnis allg. Meinung. 171 Vgl. Jahr, JuS 64, 125 f.

2.3. Mangelnde Genehmigung von Verwendungen

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ter172 • Auch dem Zweck des § 1000 Satz 1 BGB entspricht allein dessen Einordnung als Zug-um-Zug-Einrede. Er enthält ebenso wie § 273 BGB eine besondere Ausprägung des § 242 BGB173, durch die das Rechtsverfolgungsinteresse des Besitzers ohne gleichzeitige "Entrechtung" des Eigentümers gewahrt werden SOll174. An der im Sinne des "Zug um Zug"-Begriffs finalen Beziehung von Leistung und Gegenleistung läßt sich ebenfalls nicht zweifeln. Eine vom sachlichen Grund her gegebene Verwandtschaft zu § 273 BGB ist somit nicht zu verkennen; auch die dogmatische Konstruktion ist in bei den Fällen dieselbe 175 • Das zur Rechtsfolge des § 273 Abs. 1 BGB dort näher Ausgeführte kann daher für § 1000 Satz 1 BGB vollinhaltlich übernommen werden. § 1000 Satz 1 BGB ist mithin eine Zug-um-Zug-Einrede und damit selbst ausreichender Grund für eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug 176• Wenigstens insoweit ist er ein gegenüber den §§ 273, (274) BGB selbständiges Einrederecht1 77 • Ist vom Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 Satz 1 BGB die Rede, eine Bezeichnung, die sich wegen des Gesetzeswortlautes (§ 1000 Satz 2 BGB) schwerlich umgehen läßt, darf damit keine Sachaussage verbunden werden. Nicht, weil § 1000 Satz 1 BGB ein "Zurückbehaltungsrecht" ist, sondern weil seine Rechtsfolge auf Leistung Zug um Zug geht, ermöglicht er ein "Zug um Zug"-Urteil. Erkennt man das, ist es letztlich gleichgültig, ob man deshalb, weil § 1000 Satz 1 BGB zu einer Vgl. Langheineken, S. 88 und oben, 2.1.2. a. A. RGZ 137, 324 (353). 174 Vgl. RGZ 137, 324 (353: "SicherungszweckU); RGRK / Johannsen, § 1000 Anm.2. 175 Dies leugnet Langheineken. Er meint (S. 87 und 88 Fn. 2) die Einrede nach § 1000 Satz 1 BGB begründe lediglich die Beachtlichkeit der schon ursprünglich vorhandenen Beschränkung des Anspruchs im Prozeß. Demgegenüber sieht er (S. 89, 356 f.) in der Einrede nach §§ 273 f. BGB eine erst durch deren Geltendmachung zustandekommende Beschränkung des klägerischen Rechtsschutzbegehrens. Woher Langheineken diese dogmatische Unterscheidung nimmt, ist unerfindlich. Einzig mögliche Erklärung ist, daß er in § 274 Abs. 1 BGB etwas hineinliest, was darin nicht enthalten ist. 17& Daraus ergibt sich zugleich zwingend, daß es sich bei § 1000BGB um ein selbständiges Gegenrecht gegenüber dem Vindikationsanspruch des Eigentümers handeln muß. § 1000 BGB kann wie auch andere Gegenleistungsoder Zug-um-Zug-Einreden kein Recht zum Besitz i. S. d. § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen (a. M. die h. M.; vgl. BGHZ 64, 122 (124); WM 66, 1086(1088); NJW 55, 340 (341); Staudinger / Berg, § 986 Rdnr. 3 m. w. N.). Denn mit der Rechtsfolge des § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB, die - gleichgültig ob es sich bei dieser Vorschrift um eine Einwendung oder eine echte Einrede handelt (dazu Staudinger / Berg, § 986 Rdnr. 1) - zur Klagabweisung als - z. Z. - unbegründet führt, läßt sich die Wirkung der Zug-um-Zug-Einrede in keinen logischen Einklang bringen; so richtig ArbG Berlin, MDR 68, 531 (m. w. N. zur h. M.) und Scherk, JherJB 67 (1917) 354; gegen die h. M. ferner Erman / Hefermehl, § 1000 Rdnr. 2 und Rdnr. 5 vor §§ 987 ff.; Köbl, S. 112; Palandt / Bassenge, § 986 Anm. 2 d m. w. N. 177 Im Ergebnis ebenso Langheineken, S. 88, 332. Anders wohl die h. M. (s. oben, Fn. 166, 168, 169); s. aber auch oben, 2.1.2. 17!

173

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II!. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Leistung Zug um Zug führt und eine innere Verwandtschaft zu § 273 BGB besteht, auch von "Zurückbehaltungsrecht" reden Will 178 • 2.3.2. Die übrigen Einreden mangelnder Genehmigung von Verwendungen; insbesondere § 2022 Abs. 1 BGB

In einer Reihe von Vorschriften wird § 1000 BGB für entsprechend anwendbar erklärt, so in §§ 850, 972 179, 1007 Abs. 3, 1017 Abs. 2180 , 1065, 1227,2185 BGB. All diese Vorschriften begnügen sich mit einer schlichten Verweisung auf die §§ 1000 ff. BGB bzw. allgemein auf die Regelung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses. Nicht so § 2022 Abs. 1 BGB; im Gegensatz zu den genannten Vorschriften beinhaltet dessen Satz 1 selbständig eine - unbestreitbare - "Zug um Zug"-Rechtsfolge 181 • Zur Klärung der Rechtsfolge hätte es daher der Verweisung auf § 1000 BGB in Satz 2 nicht bedurft. Nach der Fassung des § 2022 Abs. 1 Satz 1 BGB ("nur gegen Ersatz ... verpflichtet") besteht gegen den sachlichen Erbschaftsbesitzer jedoch nur ein auf Leistung Zug um Zug beschränktes Forderungsrecht; allein nach ihr scheint der Erbschaftsbesitzer wegen seiner Verwendungen nicht auf die Geltendmachung eines Einrederechts und damit lediglich auf die Beschränkbarkeit des gegen ihn gerichteten Anspruchs angewiesen zu sein182 • Aber daraus, daß § 1000 BGB nach Satz 2 des § 2022 Abs. 1 BGB Anwendung und nicht nur entsprechende Anwendung finden soll, ergibt sich eindeutig, daß dessen Satz 1 im Gegensatz zu seinem Wortlaut dem Erbschaftsbesitzer nur eine Zug-umZug-Einrede gewährt183 • § 2022 BGB Abs. 1 Satz 1 BGB ist somit nichts anderes als ein selbständig formulierter Anwendungsfall der Zug-umZug-Einrede nach § 1000 Satz 1 BGB. Er ist wie dieser mit denselben Bedenken behaftet, soweit es darum geht, ihn als Unterfall des Zurückbehaltungsrechts gern. § 273 BGB zu begreifen. Im Ergebnis ist § 2022 Abs. 1 BGB also nicht anders zu beurteilen als diejenigen Vorschriften, s. oben, 1.2. Ausgenommen ist jedoch § 1003 BGB; dem Finder steht kein Befriedigungsrecht an der Fundsache zu. 180 Soweit noch maßgebend, vgl. § 38 ErbbauVO; ansonsten gilt anstelle des § 1017 Abs. 2 BGB der inhaltsgleiche § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO. 181 Vgl. Staudinger I Lehmann, § 2022 Rdnr. 8; RG, WarnRsp 13, Nr. 233. Schief RGRK I Kregel, § 2022 Rdnr. 4 ("Erbschaftsbesitzer ... kann Herausgabe ... verweigern, bis er ... befriedigt ist"). 182 Dies übersehen Staudinger I Lehmann, § 2022 Rdnr. 8, aber auch Rdnr. 12 und Jahr, JuS 64, 125 (sub I! 3 a); vgl. auch RG, WarnRsp 13, Nr. 233. 183 Richtig daher BGH, NJW 72, 1752 (1753: Zurückbehaltungsrecht [= Zugum-Zug-Einrede] wird ... nach § 2022 i. V. m. § 1000 zugebilligt"); ferner Bartholomeyczik / Schlüter, § 34 IX 4 (S. 231); Kipp I Coing, § 107 IV 2 (S. 453); Palandt I Keidel, § 2022 Anm. 1. - Vgl. aber auch RGRK I Kregel, § 2022 Rdnr. 4 ("Herausgabepjlicht besteht nur gegen Ersatz aller Verwendungen", gleichwohl ist im folgenden dann auch von "Verweigerungsrecht [Zurückbehaltungsrecht]" die Rede). 178 178

121

2.4. § 1100 S. 1 und 2 BGB

die sich mit einer einfachen Verweisung auf die §§ 1000 ff. BGB begnügen. Für § 2029 BGB, der unter anderem auf § 2022 BGB verweist, gilt selbstredend das zu § 2022 BGB Gesagte. 2.4. Die Rechte des Käufers nach § 1100 Satz 1 und 2 BGB

Die §§ 1100 ff. BGB beinhalten eine nähere Regelung der schuld rechtlichen Beziehungen zwischen Verkäufer, Käufer bzw. dessen Rechtsnachfolger(n) und Vorkaufsberechtigtem, wie sie sich durch die Ausübung des Vorkaufsrechts ergeben l84 • Für den Fall, daß der Käufer bzw. sein Rechtsnachfolger Eigentümerl85 des Grundstücks ist oder war, und der Kaufpreis gegenüber dem Verkäufer berichtigt wurde, sehen die §§ 1100 ff. BGB unter überspielung der bestehenden Vertragsverhältnisse eine vereinfachte Abwicklung vor: Die Rückerstattung des vom Käufer berichtigten Kaufpreises durch den Verkäufer und die Begleichung des noch vom Vorkäufer zu zahlenden Kaufpreises soll durch eine Zahlung geschehen. Hierzu räumt § 1100 BGB dem Käufer bzw. dessen Rechtsnachfolger zwei streng zu trennende eigene Rechte einl88 •

2.4.1. Das Recht nach Satz 1 Satz 1 des § 1100 BGB beinhaltet ein Gegenrecht, das dem Anspruch des Verkäufers auf Zustimmung zur Eigentumsumschreibung (§§ 1198 Abs. 2, 888 BGB) und auf Herausgabe 187 vom Käufer, der Eigentümer ist bzw. war l88 , verteidigungsweise entgegengehalten werden kann. Nach der Fassung der Rechtsfolge ("kann ... verweigern, bis ... erstattet wird") dieses Gegenrechts handelt es sich dabei um eine Zug-um-ZugEinrede l89 . Die der Leistung Zug um Zug wesentliche Finalitätsbezie184 Erman / Ronke, Vorbem. zu §§ 1100 - 1102 Rdnr. 1; Staudinger / Dittmann, § 1100 Rdnr. 1. 185 Nur (s. aber auch unten, Fn. 188) Besitz reicht nicht aus, h. M. A. M. Immerwahr, JherJB 40 (1899) 337 f.

188

Zu undifferenziert und deshalb unrichtig

Schmidt, S. 15 Fn. 42.

Sch~ege~berger,

S. 100; ferner

Hierzu RGZ 84, 100 (107 f.) m. w. N.; Hoche, NJW 63,301 (302). Unabhängig von der Frage, (s. unten, nach Fn. 199), ob der nur noch besitzende, aber bereits Eigentümer gewesene Käufer gegenüber dem Vindikationsanspruch des nunmehr als Eigentümer eingetragenen Vorkäufers das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen kann (gestützt auf den Gegenanspruch nach § 1100 Satz 2 BGB), muß davon ausgegangen werden, daß auch der besitzende Käufer, der vormals Eigentümer war, das Recht aus § 1100 Satz 1 BGB für sich in Anspruch nehmen kann. So auch Planck / Strecker, § 1100 Anm. 2 a; vgl. ferner § 957 des ersten Entwurfs. 18g Hier gilt dasselbe, was zum Wortlaut der §§ 273 Abs. 1, 1000 Satz 1 BGB gesagt wurde, s. oben, Fn. 172. - In der Begründung abw. Reuter, S. 43: Gesetz formuliere eine verzögerliche Einrede. Entgegen dem Wortlaut sei sie als Retentionseinrede (sc. Zug-um-Zug-Einrede) zu verstehen und so auszulegen. Ich vermag keinen Unterschied zur Fassung des § 273 Abs. 1 BGB zu sehen. - Im Ergebnis einhellige Meinung. 187

188

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

hung von Leistung und Gegenleistung ist hier augenfällig. Unabhängig von einem zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden (vgl. § 1102 BGB) Rückerstattungsanspruch gegen den Verkäufer hat der Käufer das Grundstück dem Vorkäufer nur gegen gleichzeitige Zahlung des berichtigten Kaufpreises zu Eigentum zu übertragen und herauszugeben. Damit ist nicht nur der Käufer gesichert, sondern durch die indirekte Zwangswirkung 1°O, die den Vorkäufer zur Zahlung an den Käufer "nötigt", wird zugleich der Zweck der §§ 1100 ff. BGB verwirklicht. Diese Zug-um-Zug-Einrede hat außer ihrer Rechtsfolge nichts mit dem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu tun. Anders jedoch Schlegelberge'l1191 , der in § 1100 Satz 1 BGB nur "eine besondere Anwendung des Zurückbehaltungsrechts (sc. nach § 273 Abs. 1 BGB) im Sachenrecht" sieht1'!. Er führt dazu aus: "Die Besonderheit liegt nicht in der Schaffung eines neuen, von § 273 abweichenden Zurückbehaltungsrechts, sondern in der Begründung eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Käufer, das, wenn es einmal besteht, ohne weiteres den Käufer schon nach § 273 zur Zurückbehaltung berechtigt." Diese Auffassung ist verfehlt. Sie übersieht, daß dem Käufer, der noch Eigentümer ist - anders als etwa in § 1000 BGB -, überhaupt kein und nicht nur ein nicht fälliger 193 Anspruch gegen den Verkäufer auf Erstattung des Kaufpreises zusteht194• Im Gegensatz zu § 957 des ersten Entwurfs, der in seinem Absatz 1 einen Herausgabe- und Eigentwnsübertragungsanspruch des Vorkäufers und in Absatz 2 einen Erstattungsanspruch des Käufers vorsah, wobei diese beiden Ansprüche bereits mit der Ausübung des Vorkaufsrechts existent werden sollten195, gibt § 1100 BGB dem Käufer ein eigenes Forderungsrecht erst nach Erlangung des Eigentwns durch den Vorkäufer (Satz 2). Mit dieser Regelung, die dem Käufer ein unmittelbares Angriffsmittel gegen den Vor~ käufer nunmehr nur unter den Voraussetzungen des Satzes 2 gibt, sollte den vertraglichen Beziehungen unter den Beteiligten möglichst weitgehend Rechnung getragen werden196 • Die Zug-um-Zug-Einrede des Satzes 190

Vgl. Mugdan, Bd. III, S. 717 (Prot.).

Schlegelberger, S. 100. Ebenso Jahr, JuS 64, 127 (sub 12.); Planck / Strecker, § 1100 Anm. 2 a; RGRK / Denecke, § 1100 Anm. 3; wohl auch Cosack / Mitteis, Bd. II, § 73 IV b ~ aa (S. 263); Hoche, NJW 63, 301 (302); Soergel / Baur, § 1100 Rdnr. 1; Wolff / Raiser, § 126 V 2 b (S. 505). U3 Fehlende Fälligkeit nimmt Reuter, S. 43 an. m Vgl. Langheineken, S. 296; Staudinger / Dittmann, § 1100 Rdnr. 5. Wohl a. M. nur Schlegelberger, S. 100; Wolff / Raiser, § 126 V 2 b (S. 505: "... wenn der Käufer bereits Eigentum erworben hat ... hat der Vorkäufer 191

192

dem Käufer den Betrag zu erstatten, den der Käufer ... schon geleistet hat ... "). 115 Mugdan, Bd. III, S. 256 (Mot.). 196 Mugdan, Bd. III, S. 717 (prot.).

2.4. § 1100 S. 1 und 2 BGB

123

1 stützt sich also nicht auf einen Gegenanspruch des Käufers 197 ; damit fehlt ihr ein essentielles Tatbestandselement des § 273 Abs. 1 BGB198 und sie kann schon deshalb nicht als ein (besonderer) Anwendungsfall des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB verstanden werden109.

Selbst wenn der Käufer einen fälligen Erstattungsanspruch hätte, wäre ein weiteres Tatbestandsmerkmal des § 273 Abs. 1 BGB zweifelhaft, nämlich die Konnexität der Ansprüche. Tatsächlich zweifelhaft ist die Konnexität, sobald dem Käufer der Anspruch nach § 1100 Satz 2 BGB zusteht. Wäre der das Grundstück noch besitzende Käufer, der aber das Eigentum daran bereits an den Vorkäufer verloren hat, wirklich darauf angewiesen, sich gegenüber dem Vindikationsanspruch mit einem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu verteidigen, müßte die Frage entschieden werden, ob der Erstattungsanspruch des Käufers überhaupt auf "demselben rechtlichen Verhältnis" (§ 273 Abs. 1 BGB) wie der Herausgabeanspruch des Vorkäufers beruht. So ohne weiteres, wie dies Schlegelberger tut, kann von der Konnexität dieser beiden Ansprüche nicht ausgegangen werden, denn sie entspringen zumindest nicht offensichtlich einem "innerlich zusammengehörigen einheitlichen Lebensverhältnis"200, hat doch der Anspruch des Vorkäufers seinen Grund in dessen Eigentumsrecht, während sich der Erstattungsanspruch des Käufers eigentlich auf das zwischen letzterem und dem Verkäufer bestehende Vertragsverhältnis gründet und sich nur zum Zwecke einer vereinfachten Abwicklung gegen den Vorkäufer richtet. Dafür, daß die Konnexität der beiden Ansprüche bezweifelt werden kann, spricht auch der Umstand, daß § 957 des ersten Entwurfs in seinem Absatz 5 die "Zug um Zug"-Verknüpfung der fälligen Ansprüche von Käufer und Vorkäufer201 ausdrücklich anordnete. Wenn auch nicht aufgrund des formalbegrifflichen "einheitlichen Lebensverhältnisses" , so wäre doch wohl aufgrund an Billigkeitsgesichtspunkten orientierter, wertender überlegungen202 letztlich eine Entscheidung zugunsten der Anwendbar187

Dazu, daß ein solcher Anspruch allerdings bestehen kann, s. oben, Fn.188.

108 Auch Schlegelberger hält dieses Erfordernis zur Annahme eines Zurück-

behaltungsrechts für unentbehrlich (vgl. S. 141 f.), er sieht es nur fälschlicherweise bei § 1100 Satz 1 BGB für gegeben an (s. oben, Fn. 191). - Unhaltbar ist die unter Berufung auf die Prozeßökonomie vertretene Auffassung des OLG Hamburg, NJW 71,1317, für das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB reiche es aus, wenn der Gegenanspruch erst nach abgeschlossener Leistungsbewirkung durch den Schuldner existent werde; s. auch unten, Kap. IV. 2.4.2.1. (bei Fn. 95). Im Ergebnis nunmehr ebenso der BGH, JZ 79, 404 ff., unter Berufung auf den Zweck des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB; dagegen Oesterle, JZ 79, 634 ff. 199 So richtig Erman I Ronke, § 1100 Rdnr. 2; Hellmann, S. 205; Langheineken, S. 296; Staudinger I Dittmann, § 1100 Rdnr. 5 und im Ergebnis auch Reuter, S. 43. 200 RGZ 72, 61 (65). 201 s. oben, bei Fn. 195.

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

keit des § 273 Abs. 1 BGB zu treffen. Diese Frage braucht hier jedoch nicht verbindlich entschieden zu werden, da es dem Käufer gleichgültig sein muß, ob neben der Zug-um-Zug-Einrede nach § 1100 Satz 1 BGB, die ihm auch dann zusteht, wenn er sein Eigentum bereits an den Vorkäufer verloren hat203 , gleichzeitig noch die Zug':um-Zug-Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB begründet ist. Ein Mehr an Sicherheit bzw. ein stärkeres indirektes Zwangsmittel stünde dem Käufer auch beim gleichzeitigen Vorliegen des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB nicht zu. Ganz unabhängig von der fehlenden tatbestandlichen Verwandtschaft des § 1100 Satz 1 BGB mit § 273 Abs. 1 BGB haben diese beiden Bestimmungen auch in ihrer inneren, sachlichen Rechtfertigung nichts miteinander zu tun. Während die "Zug um Zug"-Abwicklung bei § 273 Abs. 1 BGB in erster Linie billigen Erwägungen entspringt, die dem zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Schuldverhältnis i. w. S. quasi "von außen" angetragen werden, rechtfertigt sie sich bei § 1100 Satz 1 BGB unmittelbar aus den zwischen Verkäufer und Käufer einerseits und Verkäufer und Vorkäufer andererseits bestehenden Vertragsverhältnissen. § 1100 Satz 1 BGB überträgt das in diesen Verhältnissen ohnehin gegebene "Zug um Zug"-Austauschverhältnis der Einfachheit halber und in modifizierter Form204 auch auf die Beziehung "VorkäuferKäufer". Eine Abwendung des Käuferrechts nach § 1100 Satz 1 BGB durch Sicherheitsleistung entsprechend § 273 Abs. 3 BGB kommt daher nicht in Betracht205 • § 1100 Satz 1 BGB stellt eine selbständige Zug-um-Zug-Einrede dar und ist scharf von der Zug-um-Zug-Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB zu trennen. Die Bezeichnung des Gegenrechts nach § 1100 Satz 1 BGB als Zurückbehaltungs-206 bzw. als Retentionsrecht 207 allein wegen seiner mit § 273 BGB identischen Rechtsfolge ist aus den bereits ausgeführten Gründen208 zu vermeiden20D •

202 Als besondere Ausprägung der allgemeinen Arglisteinrede ist § 273 BGB solchen Überlegungen in besonderem Maße zugänglich, vgl. RGZ 72, 61 (65). 208 s. oben, Fn. 188. 204 Zur abweichenden dogmatischen Konstruktion bei § 320 BGB s. unten, Kap. V.1.2. 205 Ausdrücklich wird dies auch nicht angenommen. Unklar aber RGRK / Denecke, § 1100 Anm. 3 ("Die den Vorschriften der §§ 273, 274 BGB unterliegende ... Einrede des Zurückbehaltungsrechts ... "). 200 So aber Staudinger / Dittmann, § 1100 Rdnr. 5. 207 So aber Reuter, S. 43. 208 s. oben, 1.2. 208 Richtig daher Erman / Ronke, § 1100 Rdnr. 2; Hellmann, S. 205; Langheineken, S. 296.

2.4. § 1100 S. 1 und 2 BGB

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2.4.2. Das Recht nach Satz 2

Der Käufer hat gemäß § 1100 Satz 2 BGB ein eigenes und selbständiges Forderungsrecht; ihm steht damit unter bestimmten Voraussetzungen auch ein unmittelbares Angriffsmittel gegen den Vorkäufer zur Verfügung210 • Ein Eingehen auf diese Vorschrift ist deshalb innerhalb der Untersuchung des Verteidigungsmittels "Gegenleistungs- bzw. Zug-umZug-Einrede" eigentlich fehl am Platze. Wegen des Sachzusammenhangs mit der Regelung des § 1100 Satz 1 BGB soll gleichwohl bereits hier und nicht erst im Rahmen der ursprünglich beschränkten Ansprüche kurz auf dieses Forderungsrecht eingegangen werden. Liegen die Voraussetzungen des § 1100 Satz 2 BGB vor, so kann der das Grundstück noch besitzende Käufer die Erstattung des an den Verkäufer berichtigtenKaufpreises nur noch vom Vorkäufer (§ 1102 letzter Hlbs. BGB) und nur gegen Herausgabe des Grundstücks an den Vorkäufer verlangen. Während derVorkäufer den Käufer schlechthin auf Herausgabe belangen kann, hat letzterer lediglich einen materiellrechtlichen Anspruch auf Leistung gegen Gegenleistung. Der Vorkäufer will seiner Verpflichtung zur Kaufpreiserstattung allein um der Gegenleistung des Käufers211 willen nachkommen. Leistung und Gegenleistung sind Zug um Zug zu bewirken. Dem Käufer steht somit nach § 1100 Satz 2 BGB ein ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränktes Forderungsrecht zu. Dessen klagweise Verfolgung kann immer nur zu einer Verurteilung des Vorkäufers zur Kaufpreiserstattung Zug um Zug gegen Herausgabe des Grundstücks führen21!. Hat der Käufer nicht nur sein Eigentum, sondern bereits auch seinen Besitz an dem Grundstück an den Vorkäufer verloren, so kann er die Kaufpreiserstattung gemäß § 1100 Satz 2 BGB erst recht und selbstverständlich schlechthin einfordern213 • Dasselbe muß dann gelten, wenn der Vorkäufer seine Eintragung als Eigentümer erreicht hat, und der Käufer zwar Eigentümer des Grundstückes war, dieses aber niemals in Besitz hatte 214 ; in diesem Fall kann der Käufer ebenfalls die Erstattung des von ihm berichtigten Kaufpreises nach § 1100 Satz 2 BGB verlangen.

Allg. Meinung; vgl. auch Mugdan, Bd. III, S. 717 (Prot.). Dazu, daß nicht beiderseits nur "Zug um Zug"-Leistungsansprüche bestehen müssen, s. bereits oben, Kap. 1. 3.1. 212 Reuter, S. 14; Staudinger / Dittmann, § 1100 Rdnr. 6; ebenso allg. Meinung, ohne daß allerdings "Zug um Zug"-Rechtsfolge und hierauf lautende Verurteilung besonders erwähnt würden; vgl. schon Immerwahr, JherJB 40 (1899) 333, 337. 213 Allg. Meinung; s. statt aller schon Gierke, Bd. II, § 154 (S. 805) Fn. 41. Dazu s. oben, Kap. 1. 4. (bei Fn. 180 ff.). 214 Gierke, Bd. II, § 154 (S. 805) Fn. 41; Planck / Strecker, § 1100 Anm. 2 b m. w. N.; Staudinger / Dittmann, § 1100 Rdnr. 6. 210 211

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden 2.4.3. Satz 1 und 2 im Zusammenhang

Während dem Vorkäufer der Anspruch auf Zustimmung zu seiner Eintragung als Eigentümer und der Vindikationsanspruch unbeschränkt zustehen, und der Käufer - will er eine Verurteilung zur Herausgabe schlechthin vermeiden - darauf angewiesen ist, ein Gegenrecht in Form der Zug-um-Zug-Einrede des § 1100 Satz 1 BGB geltend zu machen, kann der Käufer demgegenüber allenfalls den immer und von vornherein auf Leistung Zug um Zug beschränkten Erstattungsanspruch nach § 1100 Satz 2 BGB geltend machen215 • Erhebt etwa der auf Herausgabe verklagte Käufer Widerklage mit dem Antrag, den Kläger zur Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Grundstücks zu verurteilen, macht er aber nicht zugleich auch seine Zug-um-ZugEinrede geltend 216 , ist der Beklagte zur Leistung schlechthin und der Kläger zur Leistung Zug um Zug zu verurteilen. Darin scheint auf den ersten Blick eine gewisse unverständliche Ungereimtheit der Regelung des § 1100 BGB zu liegen. Allerdings besteht diese Ungereimtheit keinesfalls hinsichtlich der Leistung Zug um Zug als solcher. Der Umstand, daß die Gegenleistung nicht ebenso von der Leistung abhängt, wie dies umgekehrt der Fall ist, stellt nichts Ungereimtes dar. Ein spiegelbildliches Entsprechen der beiderseitigen Leistungsmodalitäten ist - wie bereits erwähnt - dem Begriff der Leistung Zug um Zug nicht wesentlich217 • Aber auch sachlich ist die durch die Regelung des § 1100 BGB verursachte Diskrepanz der Rechtsstellungen von Vorkäufer (nur beschränkbarer Anspruch) und Käufer (bereits ursprünglich beschränktes Forderungsrecht) gerechtfertigt. Die mit dem - zunächst - auf Leistung schlechthin gerichteten Forderungsrecht gegebene bessere Ausgangsposition des Vorkäufers entspricht dessen höherer Schutzwürdigkeit gegenüber dem Käufer. Der Käufer eines mit einem dinglichen Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks geht, erwirbt er das Eigentum (und den Besitz) daran, "sehenden Auges" das Risiko ein, daß sein Rechtserwerb u. U. nicht von Dauer sein wird; er wird deshalb möglicherweise versuchen müssen, den von ihm entrichteten Kaufpreis zurückzuverlangen. Dem solchermaßen 215 Anders § 957 des ersten Entwurfs, dessen Abs. 5 ein echtes funktionell synallagmatisches Verhältnis der beiderseitigen Ansprüche bestimmte; vgl. auch Mugdan, Bd. IH, S. 256 (Mot.). !18 Allein der Umstand, daß die Widerklage im Gerichtsstand des § 33 Abs. 1 ZPO zulässig ist, spricht noch nicht dafür, daß in der Erhebung der Widerklage zugleich auch die Geltendmachung der Zug-um-Zug-Einrede gegenüber dem eingeklagten Herausgabeanspruch zu sehen wäre. Dies könnte lediglich dann angenommen werden, wenn sich der von § 33 Abs. 1 ZPO geforderte rechtliche Zusammenhang (vgl. auch §§ 145 Abs. 2 und 3; 147; 302 Abs. 1 ZPO) nUT aus einem gegen den klägerischen Anspruch gerichteten Verteidigungsmittel ergeben könnte. 217 s. oben, Fn. 211.

2.5. Mangelnde Sicherheitsleistung

127

"risikofreudigen" Käufer hat das Gesetz die Wahrung eigener Belange nicht dadurch abzunehmen, daß es dem Vorkäufer lediglich ein beschränktes Forderungsrecht gegen den Käufer einräumt. Der Käufer selbst hat dafür zu sorgen, daß er das Eigentum (und den Besitz) am Grundstück nur gegen gleichzeitige Erstattung des Kaufpreises wieder verliert. Dementsprechend gewährt § 1100 Satz 1 BGB ein Gegenrecht, das nur unter der Voraussetzung seiner Geltendmachung durch den Käufer dessen Interesse wahrt. Durch die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts wird nicht nur die Realisierung der grundsätzlichen Erwerbsabsicht des Vorkäufers gesichert, sondern zugleich wird damit auch diese Absicht gegenüber potentiellen (Dritt-)Käufern publik gemacht. Wird ein Dritter (Käufer) Eigentümer und Besitzer des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks, ohne daß zuvor eine Entscheidung über die Ausübung oder Nichtausübung des Vorkaufsrechts herbeigeführt wurde (§§ 1098 Abs. 1, 510 Abs. 2 BGB), muß sich der Vorkäufer darauf verlassen können, daß das Gesetz, wenn es ihn aus Gründen vereinfachter Abwicklung zur Kaufpreiserstattung verpflichtet, bereits von sich aus seinem Anspruch gegen den Käufer für den Fall Geltung verschafft, daß er auf Kaufpreiserstattung in Anspruch genommen wird. Folgerichtig gibt § 1100 Satz 2 BGB dem Käufer nur ein anfänglich beschränktes Forderungsrecht. Die aufgezeigte, theoretische Möglichkeit, daß der beklagte Käufer zur Leistung schlechthin, während der widerbeklagte Vorkäufer zur Leistung Zug um Zug verurteilt werden kann, entspricht also nicht nur der verschiedenen dogmatischen Konstruktion von § 1100 Satz 1 und Satz 2 BGB und ist damit "formal" richtig, sondern ist auch sachlich begründeter Ausfluß unterschiedlich zu wertender Rechtspositionen von Käufer und Vorkäufer. 2.5. Die Einreden der mangelnden Sicherheitsleistung (Die Einrede des mangelnden Kostenvorschusses)

Die §§ 258 Satz 2 letzter Halbsatz 218, 811 Abs. 2 Satz 2, 867 Satz 3219 BGB, 838 ZP0220 geben dem Anspruchsverpflichteten ein Einrederecht221 mit dem Inhalt, daß er seine Leistung verweigern kann, "bis ihm ... Sicherheit geleistet wird"222. Ihrem Wortlaut zufolge scheinen sie zu218 Vgl. §§ 500 Satz 2, 547 a Abs. 1, 601 Abs. 2 Satz 2, 997 Abs. 1 Satz 2, 1049 Abs. 2, 1216 Satz 2, 2125 Abs. 2 BGB. 219 Entsprechende Anwendung findet § 867 Satz 3 BGB nach § 1005 BGB. 220 Wegen § 321 BGB s. unten, Kap. V. 3. 221 Nicht hierher gehören etwa die §§ 273 Abs. 3, 1051, 2128 Abs. 1, 2217

Abs. 2 BGB, die keinen Einredetatbestand enthalten, sondern eine "Replik der erfolgten Sicherheitsleistung" (ReuteT, S. 54 Fn. 2) begründen; vgl. Hellmann, S. 204. - A. M. Fulda, S. 51 (§ 2217 Abs. 2 BGB sei Zurückbehaltungsrecht). - Ferner gehört nicht hierher § 1218 Abs. 1 BGB, dazu unten, Kap. IV. 2.6. 222 So §§ 258, 867 BGB; 838 ZPO. § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB: "... verweigern,

128

III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

nächst dem Verpflichteten zu gestatten, daß er seine Leistung nur Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung bewirkt. Gegen ihre Qualifizierung als Zug-um-Zug-Einreden bestehen aber nicht nur wegen der hier u. U. besonders zweifelhaften finalen Bezeichnung von Leistung und Gegenleistung, sondern insbesondere aufgrund der Natur der Sicherheitsleistung erhebliche Bedenken. Von den wenigen Autoren, die sich zur Rechtsfolge der Einreden mangelnderSicherheitsleistung überhaupt223 bzw. inmehr als nur feststellender Weise224 und eindeutig225 äußern, halten sich diejenigen, die eine "Zug um Zug"-Rechtsfolge bejahen226, mit denen, die eine solche ablehnen227 , in etwa die Waage. Eine überzeugende Begründung wurde bislang weder für die eine noch für die andere Auffassung geliefert. Die bejahende Meinung orientiert sich sklavisch am Gesetzeswortlaut und verkennt dessen in Zweifelsfällen nur indizierenden Wert, während die ablehnende Meinung von falschen Voraussetzungen einer Zug-um-ZugEinrede ausgeht und deshalb zu deren Verneinung gelangtl!28. Ansatzweise Richtiges findet sich ausschließlich bei Reuter!!9. 2.5.1. Das Verhältnis zu § 273 BGB

In allen genannten Fällen der Einrede mangelnder Sicherheitsleistung hat der einredeberechtigte Schuldner kein Forderungsrecht auf die Sicherheitsleistung2llo. Das Gesetz formuliert deutlich lediglich ein selbbis ihm der andere Teil ... Sicherheit leistet." - Auch im Falle des § 838 ZPO ist Sicherheit nach §§ 232 ff. BGB zu leisten, ganz h. M. 223 Solches fehlt z. B. bei Erman / H. P. Westermann, § 811 Rdnr. 3; Erman / H. Westermann, § 867 Rdnr. 2; Palandt / Heinrichs, § 258 Anm. 3; Planck /

Siber, § 258. 224 SO Z. B. Erman / Sirp, § 258 Rdnr. 3; Larenz, SchuldR, Bd. I, § 13 II (S. 155): für § 258 BGB; Planck / Landois, § 811 Anm. 2; Oertmann, § 811 Anm. 2; Soergel / Mühl, § 867 Rdnr. 7; ferner die unten, in Fn. 225 Genannten und die ZPO-Kommentare zu § 838 ZPO (s. unten, Fn. 248). 225 Unklar z. B. Palandt / Bassenge, § 867 Anm. 5; MüKo / Keller, § 258 Rdnr. 10; RGRK / Alff, § 258 Rdnr. 5; RGRK / Kregel, § 867 Rdnr. 5; Soergel/ Schmidt, § 258 Rdnr. 5; Wolff / Raiser, § 19 VII 3 (S. 62): für § 867 BGB; an

all diesen Stellen wird ohne weiteres von einer dilatorischen Einrede gesprochen, da die h. M. hierzu auch die Zug-um-Zug-Einreden rechnet, wird die tatsächliche Rechtsfolge der hier fraglichen Einreden nicht deutlich. 218 Vgl. Kohler, Bd. I, S. 195 f.; Langheineken, S. 88; Rieger, S. 15 und dort Fn. 1: für §§ 867, 811 BGB; Schoenenberg, S. 23 f.: für §§ 258, 811 BGB. Ebenso OLG Rostock, SeuffArch 66 (1911) 62 (63 ff.): für §§ 258, 867 BGB. 227 Breuer, S. 70; Henle, Bd. II, S. 363; Reuter, S. 55. 228 So etwa Breuer, S. 70. m S. 55, zu ihm unten, 2.5.2.2. 280 A. M. Dernburg, Bd. IIIl, § 35 IV (S. 97: für § 258 BGB); Palandt / Bassenge, § 867 Anm. 5; RGRK I Kregel, § 867 Rdnr. 5; Rieger, S. 15 und dort Fn.l; Schoenenberg, S. 23 f.; Schollmeyer, § 258 Anm.; Soergel! Mühl, § 867 Rdnr. 7; Staudinger / Müller, § 811 Rdnr. 2; Staudinger / Werner, § 258 Rdnr. 7; Stöber, Rdnr. 703: für § 838 ZPO; vgl. auch Mugdan, Bd. II, S. 1222 (Prot.): für § 811 BGB; Bd. III, S. 607 (Prot.): für § 867 BGB.

2.5. Mangelnde Sicherheitsleistung

129

ständiges, ohne zugrundeliegenden Anspruch begründetes Gegenrecht und keinesfalls eine Forderungsberechtigung auf (und als deren Kehrseite eine Verpflichtung zur) Sicherheitsleistung231 • Diese Regelung ist von der Sache her allein angezeigt, denn die zur Wegnahme, Vorlegung, Verfolgung und Herausgabe berechtigten Gläubiger sind jederzeit in der Lage, ihre Begehren fallen zu lassenl!32. Der einredeberechtigte Schuldner kann schon deshalb zu keiner Zeit einen Anspruch auf Sicherheitsleistung haben. Wird vom Gläubiger Sicherheit geleistet, so erfolgt sie nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern ausschließlich zur Abwendung eines Gegenrechts des Schuldners. In dieser Abwendung liegt der mit der Sicherheitsleistung verfolgte Zweck und der diese rechtfertigende Grund 233 i. S. des § 812 BGB. Die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung unterscheidet sich somit wesentlich von der Zurückbehaltungseinrede nach § 273 BGB. Sie schärft nicht - wie Oertmann meint - eine bereits nach § 273 BGB gegebene Rechtslage zum überfluß nochmals besonders ein 234 und enthält auch keinen einzelnen Anwendungsfall des § 273 BGB235. Die Rechtsfolge "Leistung Zug um Zug" kann sich daher nicht aufgrund der §§ 273 f. BGB ergeben.

2.5.2. Der tatsächliche Inhalt der Rechtsfolge Für die Annahme eines selbständigen "Zug um Zug"-Gegenrechts in den Fällen der Einrede mangelnder Sicherheitsleistung läßt sich vornehmlich deren Gesetzesfassung ins Feld führen. Darauf ist die - nach Rieger "unzweifelhafte"236 - Einordnung als Zug-um-Zug-Einrede allein jedoch nicht zu stützen. Daß mit der grammatikalischen Fassung dieser Normen keine Sachaussage verbunden ist, tritt schon deutlich in den zu ihnen vorhandenen Gesetzesmaterialien zutage und wird zudem durch die sprachlich identische Fassung der Einrede des mangelnden Kostenvorschusses und der der mangelnden Sicherheitsleistung in § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB belegt. 231 Ebenso Breuer, S. 70; Henle, Bd. H, S. 363; Langheineken, S. 88 (aber wegen Kostenvorschuß [§ 811 Abs. 2 Satz 2 BGB] s. S. 331 und dort Fn. 5); Planckl Landois, § 811 Anm. 2; Reuter, S. 55; Schlegelberger, S. 101; Soergell Mormann, Rdnr. 4 f. vor §§ 232 ff.; wohl auch Palandt I Thomas, § 811 Anm. 2; Planck I Brodmann, § 867 Anm. 4; Planck I Siber, § 258 Anm. 232 Vgl. Siegel, S. 71. 2:lS RG, JW 06,69 (70); ferner BGH, LM Nr. 25 zu § 812 BGB m. w. N. 234 So aber Oertmann, § 811 Anm. 2 für die Einrede des mangelnden Kostenvorschusses. 2S5 In diesem Sinne aber OLG Rostock, SeuffArch 66 (1911) 62 (63 ff.); Erman I Sirp, § 258 Rdnr. 3; Fulda, S. 41, 50 ff. - Vgl. auch Rieger, S. 15 (es bestehen wechselseitige Ansprüche, diese sind aber nicht auf dasselbe rechtliche Verhältnis zurückzuführen, deshalb sind §§ 867,811 BGB nicht unter § 273 BGB zu fassen); ferner Seuffert I Walsmann, § 838 Anm. 2 ("Art Zurückbehaltungsrecht"). 238

S.15.

90esterle

130

III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

2.5.2.1. Der Aussagewert der Gesetzesfassung

Wie aus den Protokollen der zweiten Kommission hervorgeht, sollten die §§ 811 Abs. 2 Satz 2, 867 Satz 3 BGB Aufschluß darüber geben, "daß solange Sicherheit nicht geleistet ist oder die Kosten nicht vorgeschossen sind", der Schuldner nicht leisten muß237, daß also "vorherige Sicherheitsleistung erforderlich" ist238 . Für die Einrede des mangelnden Kostenvorschusses gemäß § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB ergibt sich aus einer so einfachen wie zwingenden überlegung, daß es sich dabei nicht um eine Zug-um-Zug-Einrede handeln kann. Sinn und Zweck des Kostenvorschusses im Gegensatz zum Kostenersatz ist es, daß der Vorlegungspflichtige die Kosten im Ergebnis nicht nur nicht zu tragen hat, sondern daß sie von vornherein gar nicht erst zu seinen Lasten gehen. Er soll durch die Bevorschussung in die Lage versetzt werden, die mit der Vorbereitung und Durchführung der Vorlegung entstehenden Aufwendungen unmittelbar mit fremden finanziellen Mitteln bestreiten zu können. Die Einrede mangelnden Kostenvorschusses muß dem Vorlegungsverpflichteten also die Möglichkeit eröffnen, eine Kreditierung seiner Aufwendungen auszuschließen. Zu diesem Zweck verhält sich die Annahme einer Zug-um-Zug-Einrede diametral. Danach hätte die Aushändigung des Vorschusses gleichzeitig mit der Ermöglichung der Einsichtnahme zu erfolgen. In diesem Zeitpunkt sind eventuelle Vorlegungskosten regelmäßig bereits entstanden und von einer Bevorschussung kann keine Rede mehr sein. Eine Zahlung zu diesem Zeitpunkt ist nichts anderes als der geschuldete Kostenersatz (§ 811 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieser soll aber gerade nicht genügen. Die Einrede des Vorlegungsverpflichteten kann daher ausschließlich durch vorgängige Berichtigung der zu erwartenden Kosten vom Vorlegungsberechtigten abgewandt werden238 , und kann deshalb nicht zur "Zug um Zug"-Leistung führen 240 . Ihren Zweck 237 238

Mugdan, Bd. II, S. 1222 (prot.). Mugdan, Bd. III, S. 607 (Prot. zu § 867 BGB); ebenso S. 965 (DenkSchr.

zu § 867 BGB). 2311 Unrichtig Langheineken, S. 92 Fn. 1, der meint, die Annahme einer Vorleistung erfordere einen Anspruch auf die Vorleistung. 240 Zu Unrecht wird deshalb auch angenommen, der Anspruch auf Kostenvorschuß (§§ 369 Abs. 1, 403 Satz 2, 798 Satz 2, 799 Abs. 2 Satz 2, 800 Satz 2, 1023 Abs. 1 Satz 1 2. Hlbs., 1035 Satz 4 BGB) gäbe ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, vgl. Kohler, Bd. I, S, 193; Langheineken, S. 331 f. und die Kommentare zu § 403, die sich fälschlicherweise auf RG, HRR 32 Nr. 2141 berufen. Das RG sagt dort nur, daß der Anspruch auf Ausstellung der Abtretungsurkunde nach § 403 Satz 1 BGB aufgrund der §§ 273 f. BGB zur Verurteilung des Zessionars zur Bezahlung der Forderung Zug um Zug gegen Aushändigung der Urkunde führen könne. Die Entscheidung betrifft also gar nicht die Pflicht, die Kosten vorzuschießen, sondern die aus dem der Abtretung zugrundeliegenden Kausalgeschäft entspringende Vergütungspflicht des Zessionars. Richtigerweise ist anzunehmen: Den Zessionar trifft hinsichtlich des Kostenvorschusses eine Vorleistungspjlicht, sein Anspruch nach § 403 Satz 1 BGB ist vor Berichtigung des Kostenvorschusses nicht fällig, seine

2.5. Mangelnde Sicherheitsleistung

131

vermag sie nur als dilatorische Einrede zu erfüllen. Eine Klage auf Vorlegung ist im Falle der Geltendmachung des Rechts aus § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB als (zur Zeit) unbegründet abzuweisen241 , sofern der Kläger nicht dartut, daß er den Kostenvorschuß geleistet hat, oder daß voraussichtlich überhaupt keine Kosten entstehen werden. Entgegen dem Wortlaut des § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB ist hinsichtlich des Kostenvorschusses nicht davon auszugehen, daß der Vorlegungspflichtige seine Leistung zu bewirken hat, sofern nur gleichzeitig mit ihr der Kostenvorschuß ausgehändigt wird. Ist dem so, verliert der Gesetzeswortlaut des § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB auch hinsichtlich der Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung entscheidend an Aussagekraft. Die Annahme eines lediglich anspruchsbeschränkenden Gegenrechts im Falle der Einreden mangelnder Sicherheitsleistung bedürfte schon von daher einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie ist aber nicht zu liefern, vielmehr zwingt die Sache selbst zu einer gegenteiligen Auffassung. 2.5.2.2. Die Reutersche Meinung Reuter lehnt für die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung die Annahme eines zur Leistung Zug um Zug führenden Gegenrechts abw . Zur Begründung führt er sinngemäß aus: Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsleistung ist Schwankungen unterworfen, daher kann der Schuldner erst dann beurteilen, ob er gesichert ist, wenn der Gläubiger geleistet hat. Dem widerspricht das Erfordernis, daß die beschränkte Verurteilung auf Leistung gegen eine bestimmte Sicherheitsleistung lauten muß; ein "Zug um Zug"-Urteil würde hier also dem Zweck der Einrede, der Sicherung des Schuldners, widerstreiten und verbietet sich deshalb243 • Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, daß sie sich einzig und allein am Interesse des Schuldners ausrichtet, und daß sie irrigerweise von einem Widerspruch zwischen dem zu Recht angenommenen Erfordernis einer bestimmten Sicherheitsleistung im Urteil einerseits und dem der erforderlichen Sicherheitsleistung andererseits ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsleistung ist aufgrund darauf gestützte Klage mithin nicht schlüssig. Erhebt der Zedent den Einwand mangelnden Kostenvorschusses, macht er die fehlende Schlüssigkeit des klägerischen Begehrens und niemals ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend. Nicht anders verhält es sich in den übrigen Fällen einer Kostenvorschußpflicht. Wie hier wohl BreueT, S. 77; Planck / Siber, § 369 Anm. 1, § 403 Anm. 2; Staudinger / Werner, 9. Auf!., § 403 Anm. 3 b (anders Staudinger / Kaduk, § 403 Rdnr. 18). 241 A. M. Kohler, Bd. I, S. 193 Fn. 1; Langheineken, S. 331 f. Fn. 5; Oertmann, § 811 Anm. 2; Siegel, S. 70 f.: Zug-um-Zug-Einrede aus praktischen Gründen (welche?). - Wie hier ausdrücklich Henle, Bd. H, S. 363 (ohne Begr.) und Staudinger / Müller, § 811 Rdnr. 2. 211 S.55. 243 S.55. 9·

132

III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

der Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung genau zu bestimmen. Wird die im Urteil ausgewiesene Sicherheitsleistung nachträglich unzulänglich, kann der Schuldner dies - entgegen Reuter244 - sehr wohl nach § 767 ZPO geltend machen. Die hierzu gegenteilige Reutersche Ansicht müßte zwangsläufig, aber in unvertretbarer Weise davon ausgehen, daß der Umfang der Sicherheitsleistung überhaupt nicht - auch nicht etwa aufgrund eines Feststellungsantrags - judikabel sei. Richtigerweise ist davon auszugehen, daß der Sicherungszweck der Einrede auch bei Annahme einer Zug-um-Zug-Einrede nicht darunter leiden würde, daß die Gegen(Sicherheits)leistung im Urteil bestimmt sein muß. Anzumerken ist noch, daß Reuter schließlich seiner Ablehnung einer Zug-um-Zug-Einrede selbst untreu wird, indem er meint, eine Verurteilung zur Leistung gegen Sicherheitsleistung könne jedoch dann ergehen, wenn der Gläubiger seinen Klagantrag dahingehend faßt 245 • Worin soll diese Verurteilung ihre gesetzliche Rechtfertigung finden? Die von Reuter gelieferte Argumentation ist insgesamt nicht dazu angetan, überzeugend gegen die Annahme einer Zug-umZug-Einrede zu sprechen. Die Gründe hierfür liegen vielmehr zum einen analog der Sachlage bei der Einrede des mangelnden Kostenvorschusses und zum anderen in der Natur der Leistung, die der Gläubiger mit der Sicherheitsleistung nach §§ 232 ff. BGB erbringt. 2.5.2.3. Ausgangspunkt: Die Natur der Sicherheitsleistung Aufgabe der Sicherheitsleistung ist es, dafür Sorge zu tragen, daß die - später möglicherweise gefährdete - Realisierung zur Zeit nicht durchführbarer oder noch nicht existenter Ansprüche von vornherein gewährleistet ist; mit anderen Worten, der Sicherungsnehmer soll vor ungewissen aber drohenden Rechtsnachteilen bewahrt werden246 • In den Fällen der Einrede mangelnder Sicherheitsleistung wird dem Schuldner, der - bei §§ 811, 867 BGB ausschließlich - im Interesse des Gläubigers kraft normativer Anordnung zu einer Leistung verpflichtet ist, das Recht eingeräumt, sich gegen die ihm aus der Rechtsausübung durch den Gläubiger drohenden Vermögenseinbußen schützen zu können. Der Schuldner soll also nicht darauf angewiesen sein, erst die entstandenen Einbußen unter Inkaufnahme des Insolvenzrisikos des Gläubigers liquidieren zu können, sondern soll die Gewähr dafür haben, daß er seine Ersatzansprüche wegen solcher Einbußen durch Zugriff auf die geleistete Sicherheit tatsächlich realisieren k.ann. Diesem Sicherungsbedürfnis genügt S.55. S.55. 248 Vgl. Endemann, Bd. I, § 94 1 (S. 564); MüKo / v. Feldmann, § 232 Rdnr. 1 a. A.; RGRK / Johannsen, Rdnr. 1 vor §§ 232 ff.; Staudinger / Coing, Rdnr. 4 vor §§ 232 ff. 244

145

2.5. Mangelnde Sicherheitsleistung

133

eine Zug-um-Zug-Einrede nicht. Denn im für die "Zug um Zug"-Leistung maßgeblichen Zeitpunkt des gleichzeitigen Leistungsaustausches werden sich regelmäßig die meisten mit der Leistungsbewirkung des Schuldners drohenden Gefahren - wenn überhaupt - schon verwirklicht haben. Geht etwa die vorzulegende Sache oder Urkunde auf dem Transport zum Vorlegungsort unter, so soll nach dem Sicherungszweck des § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB der Schuldner dazu imstande gewesen sein, die Erfüllung seines sich daraus ergebenden Ersatzanspruchs durch Sicherheitsleistung des Gläubigers abgesichert zu haben. Dem widerspräche die Annahme einer Zug-um-Zug-Einrede. Das Sicherungsbedürfnis des Schuldners wird nur gewahrt, wenn die Sicherheit vor Beginn dessen eigener Vorlegungstätigkeit geleistet wurde. Das kann der Schuldner aber regelmäßig dann erreichen, wenn ihm eine dilatorische Einrede und damit ein absolut wirkendes Leistungsverweigerungsrecht zur Seite steht. Von seiten des Gläubigers aus ist zu berücksichtigen, daß dieser eines Schutzes durch die Zug-um-Zug-Einrede nicht bedarf. Die Leistung Zug um Zug rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß weder der Schuldner seine Leistung noch der Gläubiger seine Gegenleistung aus der Hand geben soll, ohne daß der jeweils andere ebenfalls ein Vermögensopfer erbringt. Der Gläubiger führt mit keiner der nach §§ 232 ff. BGB vorgesehenen Arten der Sicherheitsleistung eine - endgültige - Schmälerung seines Vermögens herbei. In der Belastung von Vermögenswerten mit einem Pfandrecht ist eine Vermögensminderung so lange nicht zu sehen, als dem Schuldner daraus ein Befriedigungsrecht nicht zusteht. Dieses erwirkt der Schuldner aber erst mit der Realisierung der Gefahr, für die Sicherheit geleistet wurde. Der Gläubiger kann somit kein vernünftiges Interesse daran haben, seine Sicherheitsleistung zur Abwendung des Einrederechts nur Zug um Zug gegen die Leistung des Schuldners erbringen zu müssen. Der Zweck der Einreden der mangelnden Sicherheitsleistung fordert deren dilatorische Wirkung. Dem steht ein erkennbares, geschweige denn ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an· einer lediglich beschränkenden Einredewirkurig nicht entgegen. Die Einordnung der Einreden mangelnder Sicherheitsleistung als Zug-um-Zug-Einreden ist daher sachlich nicht zu rechtfertigen. In Übereinstimmung mit der in den Protokollen der zweiten Kommission zum Ausdruck gekommenen Meinung 247 handelt es sich dabei vielmehr um dilatorische Einreden, deren Geltendmachung im Prozeß zur Abweisung des Klagantrags als (zur Zeit) unbegründet führt248 , sofern der Kläger nicht dartut; daß er Si.;. s. oben, Fn. 226, 238. Im Ergebnis ebenso Breuer, S. 70; Henle, Bd. 11, S. 363; Reuter, S. 55 f.; Soergel / Mühl, § 867 Rdnr. 7; Staudinger / Kober / Seufert, § 867 Rdnr. 8; 247

248

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II!. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

cherheit geleistet hat, oder daß der Eintritt eines mit der Bewirkung der Schuldnerleistung verbundenen Schadens überhaupt nicht droht. 2.6. Die Regelung fehlender Gläubigerlegitimation in den §§ 410; 1160 (1161) BGB

Die §§ 410 Abs. 1 Satz 1 und 1160 Abs. 1 BGB bezwecken zum einen den Schutz des Schuldners (Eigentümers) vor einer (nochmaligen) Inanspruchnahme durch den wahren (Hypotheken-)Gläubiger241 für den Fall, daß sich der Scheingläubiger hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft, deren er sich gegenüber dem Schuldner berühmt, durch Urkunden legitimieren kann. Zum anderen sollen sie dem Schuldner ermöglichen, sich ohne Legitimation nicht auf einen Streit um seine Verpflichtung mit dem (Neu-)Gläubiger einlassen zu müssen250 • Die Legitimation bewirkt bei § 410 BGB, daß nach § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB zugunsten des Schuldners eine wirksame Abtretung fingiert wird26 t, und hat bei § 1160 BGB zur Folge, daß sich der Eigentümer auf seinen guten Glauben hinsichtlich der Person des Gläubigers berufen kann252 • Die die Abtretung bezeugende Urkunde ist daher zunächst nichts weiter als ein Legitimationspapier, das bei seiner Vorlage geeignet ist, eine gesetzliche Fiktion zu begründen und über diese die Liberation des Schuldners zu bewirken. Ist der Hypothekenbrief seiner rechtlichen Natur nach auch mehr als eine LegitimationsurkundeZli3, so kommt seiner Vorlegung - gegebenenfalls zusammen mit den in § 1155 BGB bezeichneten Urkunden - im Rahmen des § 1160 Abs. 1 BGB ebenfalls nichts weiter als lediglich die Funktion eines solchen Papieres zu. Da die bei §§ 410, 1160 BGB in Frage stehende Gegenleistung nur die Aushändigung bzw. Vorlage einer Urkunde zum Gegenstand hat, die einzig und allein den Schuldner vor nichts anderem als den mit einem Gläubigerwechsel verSuppes, S. 23; ferner Larenz, Bd. I, § 13 I! (S. 155) und Planck I Brodmann, § 867 Anm. 4, die zwar auch nur von "dilatorischer Einrede" sprechen, sie

rechnen zu diesen aber, entgegen der h. M., die Zug-um-Zug-Einreden nicht (s. oben, Fn. 23); wohl auch Jahr, JuS 64,127 (sub 12, 13); MüKo I Keller, § 258 Rdnr. 10 und Steininger (er erwähnt diese Einreden nirgends als Grundlage einer Leistung Zug um Zug). - Unklar Schlegelberger, S. 100 f. - A. M. die oben, Fn. 226 Genannten; ferner Erman I Sirp, § 258 Rdnr. 3; Fulda, S. 50; Planck I Landois, § 811 Anm. 2. - Für § 838 ZPO wie hier: Stein I Jonas I Münzberg, § 838 Anm. I!; Zöller I Scherübl, Anm. zu § 838; ähnlich auch Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 838 Anm. 1. - A. M. Falkmann I Hubernagel, § 838 Anm. 1; Seuffert I Walsmann, § 838 Anm. 2; Stöber, Rdnr. 704; SYMW I Busch, § 838 Anm. 1 a. E.; Wieczorek (1958) § 838 Anm. B. I. u, Vgl. BGHZ 26, 241 (246) und MDR 69, 554 (555) zu § 410 BGB. 150 Vgl. BGH, MDR 69, 554 (555); Staudinger I Kaduk, § 410 Rdnr. 1 und RGZ 55, 224 (226 f ..): für § 1160 BGB. %51 RG, JW 26, 2529 (2530); ferner RGZ 126, 183 (185); BGHZ 29, 76 (82); BB56,639. 251 Vgl. Planck I Strecker, § 1160 Anm. 1, Vorbem. 2 c vor § 1113. 253 Dazu s. unten, Kap. IV. 2.5.6.

2.6. Fehlende Gläubigerlegitimation

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bundenen Gefahren schützen kann und soll, gehören hierher keinesfalls etwa die §§ 368 Satz 1, 785, 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1, 1144 BGB oder sonstige Vorschriften, nach denen die Schuldnerleistung gegen Aushändigung einer Urkunde zu erbringen ist oder erbracht werden kann. In diesen Vorschriften geht es entweder primär überhaupt nicht um eine Legitimation des Gläubgers (vgl. z. B. § 368 BGB), oder aber deswegen - zumindest dem ersten Anschein nach - um mehr, weil sich ihre Funktion nicht in der reinen Legitimations- und gegebenenfalls Liberationswirkung erschöpft (vgl. z. B. § 1144 BGB), und bzw. weil es um die Aushändigung eines Wertpapieres, was die Abtretungsurkunde nicht ist, geht (vgl. z. B. § 797 Satz 1 BGB)254. Reuter bildet zu Unrecht aus allen Fällen mangelnder Urkundenaushändigung eine einheitliche Fallgruppe255, von der er ohne, bzw. ohne überzeugende Begründung jedoch die §§ 798 Satz 1, 1160 BGB und Art. 48 WO (Art. 50 Abs. 1 WG) ausnimmt!". Wenn sich auch die §§ 410 und 1160 BGB in ihrer dogmatischen Konstruktion unterscheiden mögen, und obwohl § 410 BGB von Aushändigung und § 1160 BGB demgegenüber nur von Vorlegung spricht, so gehören sie wegen ihrer einheitlichen Zielsetzung doch zusammen257 , und der tatsächliche Inhalt ihrer Rechtsfolge wird demgemäß nur derselbe sein können258 • Aus diesem Grund erscheint die Behandlung des § 410 BGB im Rahmen der Fallgruppe "Zug-um-Zug-Einreden" auch dann angebracht, wenn sich ergeben sollte, daß diese Norm - unabhängig von der Frage nach ihrer tatsächlichen Rechtsfolge - überhaupt keinen Einredetatbestand enthält, sondern unmittelbar die Forderungsberechtigung des Zessionars betrifft und damit aus der hier behandelten ersten Kategorie möglicher Grundlagen einer Leistung Zug um Zug ausgeschieden werden muß.

2.6.1. Die Regelung der §§ 1160 (1161) BGB § 1160 BGB enthält upzweifelhaft einen Einredetatbestand. Die von sonstigen Einreden etwas abweichende Formulierung ("Der Geltendmachung ... kann . .. widersprochen werden, ... ") entspricht dem Umstand, daß sich § 1160 BGB gegen die Durchsetzung eines dinglichen Rechts richtet und dort nicht von einer Berechtigung, die Leistung verweigern zu können, gesprochen werden kann. Nach heute allgemeiner s. dazu unten, Kap. IV. 2.5.1.1. ReuteT, S. 43. - Vgl. auch BTeueT, S. 71; KohleT, Bd. I, S. 195 f.; Lang~ heineken, S. 308 f.; ferner Hellbach, Recht 03,572 (§ 410 BGB entspricht Art. 39 !54

ISS

WO).

S. 14 Fn. 2 und 54 f. Vgl. Habicht, JW 01, 771 (sub I f.: § 1160 BGB liegt zum Teil im Anwendungsbereich des § 410 BGB). !58 Dies übersieht Kluckhohn, ArchBürgR 43, (1919) 491. !51

!S7

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

Meinung gibt dieses Gegenrecht eine dilatorische Einrede, deren Geltendmachung im Prozeß zur Klagabweisung führt 259 • Die Unhaltbarkeit der von der zweiten Kommission vertretenen Auffassung, derzufolge der Widerspruch des Eigentümers nur gestattete, "die Leistungspflicht desselben von der Vorlegung des Briefes abhängig zu machen und dementsprechend den Urtheilstenor zu fassen"26o, wurde vom Reichsgericht mit überzeugenden Gründen dargelegt261 . Auf die Ausführungen des Reichsgerichts wird bei § 410 BGB zurückzukommen sein, für § 1160 BGB ist ihnen nichts hinzuzufügen. Hier bleibt nur noch anzumerken, daß man selbst dann, wenn man eine lediglich beschränkende Einredewirkung annehmen wollte, nach der hier vertretenen Meinung nicht von einer Zug-um-Zug-Einrede sprechen dürfte, denn die für das "Zug um Zug"-Abwicklungsverhältnis maßgebenden Merkmale lägen auf keinen Fall vor; es würde sowohl an einer auf die Vorlegung gerichteten Finalität der Leistung des Eigentümers als auch an der wechselseitigen Vermögensbezogenheit von Leistung und Gegenleistung fehlen. Es hätte also allenfalls eine anspruchs ändernde Einrede in Betracht kommen können, die den Anspruch auf Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung einschränken würde. Für § 1160 BGB ist festzuhalten, daß - beruft sich der Eigentümer auf die Einrede - die Briefhypothek nur dann mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich282, also insbesondere im Wege der Hypothekenklage (§ 1147 BGB), geltend gemacht werden kann, wenn der Gläubiger den Brief und gegebenenfalls die weiteren, in § 1155 BGB bezeichneten Urkunden im Prozeß vorgelegt hat. Dies gilt nach § 1161 BGB auch für die Geltendmachung der Forderung, sofern der Eigentümer zugleich der persönliche Schuldner ist. 2.6,2. Die Regelung des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB 2.6.2.1. Das Verständnis der Rechtsfolge des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Privatrechtswissenschaft

Der Normzweck des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB bleibt in der Diskussion um dessen Rechtsfolge ebenso außer acht wie der Umstand, daß diese Vorschrift für ihren Anwendungsbereich - zumindest auch - denselben !SD Vgl. statt aller Cosack I Mitteis, Bd. II/1, § 77 c ß (S. 279); SoeTgell BaUT, § 1160 Rdnr. 2; StaudingeT I ScheTübl, § 1160 Rdnr. 1 c, 1 g; WesteTmann, § 102 III 2. - Anders FTiedenthal, S. 46 ("Prozeßeinrede", deren Rüge zur Klagabweisung durch PTozeßuTteil führen muß). 280 Mugdan, Bd. III, S. 840 (Prot.); ebenso nur BieTmann, § 1160 Anm. 1 (Unterfall des Zurückbehaltungsrechts); KohleT, Bd. I, S. 195 f. und Langheineken, S. 88, 91 f. 261 RGZ 55, 224 (226 ff.) m. w. N. 282 Vgl. dazu JahT, JuS 64, 126 (sub 6 d). Für jede außergerichtliche Geltendmachung gilt Abs. 2 entsprechend, So er gel I BaUT, § 1160 Rdnr. 3 m. w. N.

2.6. Fehlende Gläubigerlegitimation

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Zweck verfolgt wie § 1160 BGB. Mit der Formulierung "Leistung nur gegen Aushändigung einer ... Urkunde" steht für die fast einhellige Meinung die Rechtsfolge "Aushändigung der Urkunde Zug um Zug gegen Bewirken der geschuldeten Leistung" ohne weiteres fest263 • Eine abweichende Meinung, die vom Privatrecht ausgeht, vertreten soweit ersichtlich nur Kluckhohn und wohl auch Larenz. Kluckhohn264 hält eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug nur unter den Voraussetzngen der §§ 273, 274 BGB für möglich. Diese Voraussetzungen sieht er mangels eines fälligen Gegenanspruchs des Schuldners265 bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht für gegeben an. Hieraus folgert er, es handle sich bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich um eine Vollstreckungsbeschränkung, . so daß "eigentlich" zur Leistung schlechthin zu verurteilen sei266• Da aber aufgrund eines solchen Urteils der Gerichtsvollzieher anzunehmen hätte, der Ausnahmefall des § 410 Abs. 2 BGB liege vor, und er deshalb das Urteil ohne Rücksicht auf die Abtretungsurkunde zu vollstrecken hätte267 , bejaht Kluckhohn im Ergebnis eine "Aufnahme der Beschränkung in die Urteilsformel"2iI8. Auf dieses Urteil will er allerdings die §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO nicht angewandt wissen. Während Kluckhohn also an und für sich trotz § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Leistung schlechthin verurteilen wollte, nimmt Larenz wohl den hierzu konträren Standpunkt ein. Larenz sieht in § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB eine dilatorische Einrede269 • Da er die Einreden, die zu einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug 2&3 Vgl. beispielsweise RGZ 56, 301 (303); HoldMschr 10 (1901) 63; OLG Koblenz, NJW 62, 1869 (1870); Aron, ZRpflBay 1 (1905) 278; Blomeyer, § 43 VI 2 (S. 277); Breuer, S. 71 f.; Hellwig, Anspruch, S. 354 und dort Fn. 18; Leonhard, Bd. I, S. 254; Oertmann, § 410 Anm. 3; Planck / Siber, § 410 Anm. 1 a; Reuter, S. 46 m. w. N.; RGRK / Weber, § 410 Rdnr. 4; Schoenenberg, S. 25; Soergel/ Schmidt, § 410 Rdnr. 2; Staudinger / Kaduk, § 410 Rdnr. 10 m. w. N.; Steininger, S. 33 u. v. m. 26' Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 404 f. 265 S. 402 ff. 268 So im Ergebnis auch die ganz herrschende prozeßrechtliche Meinung; vgl. z. B. Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 726 Anm. 3 A; Blomeyer, ZwVR, § 18 III 3 c (S.· 65); Falkmann / Hubernagel, § 726 Anm. 2 m a. E.; Seuffert I Walsmann, § 726 Anm. 2 b; Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18; Sydow / Busch, § 726 Anm. 8; Weismann, Bd. II, S. 34; Wieczorek, § 726 Anm. D III a; Zöller J Scherübl, § 726 Anm. 1 b und ferner die weiteren Nachw. bei Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 405 in Fn. 66. Den meisten dieser Stellungnahmen fehlt es an einer materiellrechtlich überzeugenden Begründung, sie sind offensichtlich nur vom Wunsch getragen, die Anwendbarkeit der §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO auszuschließen; genauer dazu unten, Kap. IV. 2.4.2.1. (bei Fn. 96 ff.). 287 So auch Hellbach, Recht 03, 572. 268 S. 404. Im Ergebnis ebenso Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18 a. E. - Unklar OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr. 196, das eine Leistung Zug um Zug zwar ablehnt, aber den Inhalt des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht positiv bestimmt. 269 Larenz, Bd. I, § 34 IV (S. 463). Für das Akkreditiv ebenso OLG Düsseldorf, WPM 76, 115 (118 f.).

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

führen, als anspruchsbeschränkende bezeichnet und unter die dilatorischen Einreden nur diejenigen bringt, die zur Klagabweisung als zur Zeit unbegründet führen270, muß davon ausgegangen werden, daß seiner Ansicht nach die Geltendmachung des Einrederechts aus § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Abweisung der Klage des Zessionars führt. Bevor wir uns mit diesen Auffassungen zur tatsächlichen Folge des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB auseinandersetzen können, ist vorrangig die Frage zu klären, aufgrund welcher dogmatischen Konstruktion diese Rechtsfolge zustande kommt, ob also § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Einredetatbestand oder aber eine Regelung der Forderungsberechtigung des Zessionars enthält. 2.6.2.2. § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Einrederecht? (Kritik der Reuterschen Auffassung) Betrachtet man die Regelung des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB unvoreingenommen und ohne nach einem bestimmten, angeblich sachgerechten Ergebnis zu "schielen", findet sich kein Anhaltspunkt für deren Einredecharakter. Das Gesetz normiert kein in die Macht des Schuldners gegebenes Recht, unter dessen Voraussetzungen dieser sich nach seinem Belieben gegen die Geltendmachung des gegen ihn gerichteten Anspruchs verteidigen kann271 • Denn wenn der Schuldner "zur Leistung nur gegen Aushändigung ... verpflichtet" sein soll, so wird damit unmittelbar die Leistungspflicht des Schuldners, genauer: es werden die Voraussetzungen, unter denen das geschuldete Gläubigerinteresse vom Schuldner zu befriedigen ist, geregelt. Und dort, wo der Schuldner nur in bestimmter Weise zu leisten verpflichtet ist, besteht als Kehrseite dieser Verpflichtung nur eine entsprechende Forderungsberechtigung des Gläubigers. Dieser kann lediglich fordern, wozu der Schuldner verpichtet ist. § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält somit nichts anderes als die Bestimmung, wie oder unter welcher Voraussetzung der Zessionar aus der ihm abgetretenen .Forderung materiell anspruchsberechtigt ist272 • Sollte sich ergeLarenz, AT, § 13 II (S.211); s. auch oben, Fn. 248. Vgl. auch Jahr, JuS 64, 125 f., der sämtliche, einen Einredetatbestand enthaltende Vorschriften nennt; § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt. . t71 Wie hier OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr. 196: "Einschränkung der eigenen Leistungspfiicht des Schuldners" (insoweit anders, die ansonsten bestätigende Entscheidung RGZ 56, 301 [303]); Cosack / Mitteis, Bd. I, § 176 4 a (S. 386 f.); Hellbach, Recht 03, 571; Kisch, GrünhutsZ 29 (1902) 539; Langheineken, S. 308 f.; vgl. auch Friedenthal, S. 49 f. - Unentschieden die Kommission zweiter Lesung, vgl. Mugdan, Bd. II, S. 584 (prot.). - Unklar Blomeyer, § 43 VI 2 (S. 277). - Völlig widersprüchlich Endemann, Bd. I, § 152 2 b (S. 879) Fn. 27: § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB "giebt anspruchshemmende Einrede"; "Schuldner kann nur (sie!) auf Erfüllung Zug um Zug verurtheilt werden (§ 274)"; aber: ,,§ 410 BGB will eine gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des erworbenen Rechtes aufstellen" und "Erhebt der Erwerber, ohne den Voraussetzungen des § 410 I 1 genügt zu haben, die Klage, ..., als der Schuldner hierdurch zur Bestreitung des Klaganspruchs veranlaßt worden ist". 170

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2.6. Fehlende Gläubigerlegitimation

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ben, daß "Leistung nur gegen Aushändigung" im Sinne von Leistung Zug um Zug gegen Aushändigung zu verstehen ist, wäre § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB unserer Fallgruppe der ursprünglich beschränkten Ansprüche zuzurechnen, und ohne den Sachzusammenhang zu § 1160 BGB im Rahmen der Behandlung der Zug-um-Zug-Einreden fehl am Platze. Wenn Reuter gegen die hier vertretene Auffassung ausführt: "Mit den Worten ,der Schuldner ist nur verpflichtet zu leisten gegen eine Gegenleistung', sagt das Gesetz, daß der Schuldner nur gegen Gegenleistung zu leisten braucht, wenn er nämlich darauf Wert legt, also die Einrede erhebt.

Der Gläubiger hat demnach zunächst einen Anspruch auf Leistung schlechthin"273,

so ist ihm in allem beizupflichten, nur nicht in seiner Schlußfolgerung. Diese kommt trotz des Versuchs einer Begründung nicht über den Wert einer petitio principii hinaus und ist deshalb nicht geeignet, den Gesetzeswortlaut zu widerlegen. Reuter wäre - wegen eines ansonsten schwerlich tragbaren Ergebnisses - lediglich dann zuzustimmen, wenn der Schuldner, obwohl er keinen Wert darauf legt, nur gegen die Aushändigung der Abtretungsurkunde leisten dürfte. Unabhängig vom tatsächlichen Inhalt, den man § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB richtigerweise wird beimessen müssen (Begründung eines "Zug um Zug"-Abwicklungsverhältnisses, eines Vorleistungserfordemisses oder einer Pflicht zur Leistung schlechthin), kann der Verpflichtete die dem Zessionar geschuldete Leistung jederzeit auch vor der Gegenleistungsbewirkung oder vor Erhalt der Gegenleistung erbringen (vgl. § 271 Abs. 2 BGB)27'. Der Schuldner ist nicht gehindert, den einwendungsfrei geschuldeten Rechtserfolg unter Außerachtlassung einer gegen die Art seiner Herbeiführung bestehenden Einwendung zu bewirken. Dadurch entsteht auch für den Gläubiger keine untragbare, weil wegen bestehender Kondiktionsmöglichkeit275 ungewisse Rechtslage. Der Schuldner, der positive Kenntnis von seiner "Nicht-So"-Verpflichtung hat, kann nach § 814 1. Fall BGB seine Leistung nicht zurückfordern, wenn er diese schlechthin erbracht hat, weil er...,- um mi~ Reuter zu sprechen - "keinen Wert auf die Gegenleistung legt". Einem Bereicherungsanspruch des in Unkenntnis seiner nach § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Zessionar modifiziert bestehenden Verpflichtung leistenden Schuldners stünde die Arglisteinwendung entgegen, wenn der Zessionar zur Aushändigung der Abtretungsurkunde bereit und imstande ist, oder, sofern er hierzu nicht in der Lage ist, wenn er sich hinsichtlich seiner Forderungsberechtigung auf andere Weise liquid legitimiert27t ; denn: dolo agit, qui petit, quod statim n3 S.44.

274 s. bereits oben, Kap. I. 2.2. (bei Fn. 41 und vor Fn. 50), 4. (bei Fn. 184). %75 Dazu s. unten, Kap. IV. 2.2.2. (nach Fn. 41). !78 Vgl. BGH, LM § 285 BGB Nr. 10; Staudinger I Kaduk, § 410 Rdnr. 21; h. M. - A. M. Hellwig, Anspruch, S. 355; Rechtskraft, S. 266 f. und dort Fn. 11.

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III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

redditurus est, § 242 BGB. Der Verpflichtung des Schuldners, nur in bestimmter Art und Weise bzw. unter bestimmten Voraussetzungen leisten zu müssen, steht zwar eine entsprechende Forderungsberechtigung des Zessionars gegenüber, nicht aber eine entsprechende Leistungsberechtigung des Schuldners dergestalt, lediglich dementsprechend leisten zu dürfen. Was Reuter gegen die nach der Gesetzesfassung offen zutage liegende dogmatische Konstruktion des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB anführt, ist im Ergebnis mit rechtlichen überlegungen nicht zu stützen. Die von Reuter nachgeschobene wirtschaftliche Begründung: "Der Gläubiger der Hauptleistung (Zessionar) wäre benachteiligt, wenn er nur mit dem Erbieten zur Gegenleistung fordern könnte, denn die ihm geschuldete Leistung hat eine wirtschaftlich wichtigere Funktion"277

ist keinesfalls dazu geeignet, eine klare gesetzliche Aussage in ihr Gegenteil zu verkehren. Auch bleibt Reuter die Begründung für seine wertende Prämisse, die "Benachteiligung des Gläubigers", schuldig. Entgegen der h. M., die ebenso wie Reuter, allerdings durchgängig ohne den Versuch einer Begründung278 vom Einredecharakter des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeht279, ist daran festzuhalten, daß diese Vorschrift eine unmittelbare Regelung der materiellen Forderungsberechtigung des Zessionars enthält. Die Beachtlichkeit des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB ist somit ipso iure und nicht erst infolge der Geltendmachung durch den Schuldner gegeben. 2.6.2.3. Das Verhältnis zu § 273 BGB Bei der Frage, worin nun diese ipso iure gegebene Wirkung des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht, ist zunächst zu erwägen, daß dann, wenn aufgrund dieser Vorschrift auch ein Zurückbehaltungsrecht des Schuldners nach § 273 BGB begründbar wäre, angenommen werden müßte, § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB wolle die Forderungsberechtigung des Zessionars ebenfalls auf Leistung Zug um Zug gegen Aushändigung bzw. auf Leistung gegen gleichzeitige Aushändigung einschränken. Denn nur so ließe sich ein Wertungswiderspruch vermeiden, der ansonsten zur Wirkung - Der Umstand,. daß die nachträgliche Aushändigung nicht mehr die Fiktion des § 409 BGB begründet, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. 217 S.44. !78 s. insbesondere Planck I Siber, § 410 Anm. 1 a a. A., die sich ohne Begründung über den als entgegenstehend erkannten Gesetzeswortlaut hinwegsetzen. 279 SO Z. B. BGH, NJW 69,1110; RGZ 56, 301 (303); 70,163 (164); OLG Düsseldorf, WPM 76, 115 (118 f.); OLG Koblenz, NJW 62, 1869; OLG München, SeuffArch 71 (1916) 137 (138); Aron, ZRpflBay 1 (190-5) 278; Breuer, S. 71; Erman I H. P. Westermann, § 410 Rdnr. 2; Fikentscher, § 57 III B 5 b (S. 315); Hellwig, Anspruch, S. 355; Rechtskraft, S. 266 f. und dort Fn. 11; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 402; MüKo I Roth, § 410 Rdnr. 5; Oertmann, § 410 Anm. 3; Palandt I Heinrichs, § 410 Anm. 1; Planck I Siber, § 410 Anm. 1 a. A.; Reuter, S. 43 ff. (46); RGRK I Weber, § 410 Rdnr. 3; Schlegelberger, S. 143; Soergell Schmidt, § 410 Rdnr. 2; Staudinger I Kaduk, § 410 Rdnr. 10 u. v. m.

2.6. Fehlende Gläubigerlegitimation

141

des § 273 BGB bestünde. Zutreffend geht jedoch die heute - soweit ersichtlich - einheitliche Meinung davon aus, daß dem Schuldner in § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB kein Anspruch auf die Aushändigung der Abtretungsurkunde eingeräumt ist280. Nichts in dieser Bestimmung spricht für eine eigene, selbständige Forderungsberechtigung des Schuldners (vgl. § 194 Abs. 1 BGB)281. Wo eine solche Berechtigung vom Gesetz nicht ausdrücklich gewährt wird, darf sie nicht einfach, auf eine nicht näher dargelegte ratio legis gestützt, behauptet werden282 . Der Schuldner erwirbt deshalb übrigens auch mit der Bewirkung der geschuldeten Leistung keinen selbständigen Anspruch auf nachträgliche Aushändigung283 • Auch eine in diese Richtung gehende, ausdehnende Auslegung müßte am möglichen Wortsinn284 der Formulierung des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitern. Da zudem die nachträgliche Aushändigung den Schutz des § 409 Abs. 1 BGB nicht mehr verschaffen kann, würde der Schuldner an einem auf sie gerichteten Anspruch regelmäßig ohnehin kein Interesse mehr haben können. Obwohl also keinerlei Anhaltspunkte für einen Anspruch auf Aushändigung der Abtretungsurkunde vorhanden sind, wird immer noch, wenn auch in verneinendem Sinne, oft die Frage behandelt, ob es einen dahingehenden Anspruch des Schuldners aufgrund des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB gebe285 • Dieser Umstand wird daraus zu erklären sein, daß man sich noch nicht vollständig von der Vorstellung frei gemacht hat, die Verpflichtung zur Leistung gegen Gegenleistung im allgemeinen und zur Leistung Zug um Zug im besonderen müsse etwas mit einem Anspruch auf die Gegenleistung zu tun haben2~. Es sei hier deshalb nochmals darauf hingewiesen, daß es nicht ungewöhnlich ist, wenn bei einer von einer Gegenleistung abhängigen Leistung die Gegenleistung lediglich in conditione ist. Schollmeyer will im Anwendungsbereich des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Schuldner dann ausnahmsweise ein selbständiges Forderungsrecht auf Aushändigung der Urkunde zuerkennen, wenn dem Schuldner ein Recht auf Abnahme zusteht, weil ansonsten dieses Recht "gelähmt wäre, indem der Abnahmepflichtige die Aushändigung der Abtretungsurkunde verweigern könne und der Schuldner 280 BGH, NJW 69, 1110; RGZ 56, 301 (303); OLG Koblenz, NJW 62, 1869; OLG Hamburg, SeuffArch 59 (1904) Nr. 196 und statt vieler Staudinger I Kadluk, § 410 Rdnr. 10. - Mißverständlich aber BGHZ 26, 241 (246: ,,§ 410 I 1 gewährt das Recht die Aushändigung zu verlangen"). 281 Deutlich ebenso Kisch, GrünhutsZ 29 (1902) 539. 282 So aber Reuter, S. 44. 283 So aber Schlegelberger, S. 143 f.; Reuter, S. 44. Dagegen überzeugend Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 402 f. m. w. N. zur früheren Gegenmeinung in Fn. 61; vgl. ferner Aron, ZRpfiBay 1 (1905) 276 ff. 284 Vgl. zum die Auslegung begrenzenden Wortsinn Larenz, Methodenlehre, S. 307 f.; zur Wortsinnauslegung neuestens auch Honsell, JuS 79, 85. 285 Vgl. z. B. die Kommentare zu § 410 BGB. 286 In dieser Richtung sind die prozeßrechtlichen Stellungnahmen zu § 410 BGB (s. oben, Fn. 266) teilweise (miß)zuverstehen.

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IU. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

dann vor der Wahl stünde, entweder auf die Abnahme oder auf die Aushändigung der Abtretungsurkunde zu verzichten"287. Daß Schollmeyer sich auch mit der ausnahmsweisen Bejahung eines selbständigen Gegenanspruchs des Schuldners jedenfalls praeter legern befindet, dürfte mit dem im vorstehenden Gesagten nachgewiesen sein288 • Er führt für seine Meinung aber zudem den Anspruch sachlicher Notwendigkeit zu Unrecht ins Feld. Schollmeyer übersieht nämlich, daß es sich in seiner "Ausnahmesituation" überhaupt nicht mehr um eine einfache, ohne Mitwirkung des Schuldners mögliche Forderungsabtretung nach §§ 389 ff. BGB handelt. Der Schuldner, der ein selbständiges Forderungsrecht auf Abnahme seiner Leistung hat, ist zugleich Gläubiger des Abnahmeverpflichteten. Ein Zessionar, der auch die Abnahmeschuld mit den Zendenten befreiender Wirkung übernehmen will, kann dies deshalb immer nur unter Mitwirkung des Schuldners tun. Der Schuldner hat dazu entweder ein zweiseitiges Rechtsgeschäft mit dem Zessionar (§ 414 BGB) oder ein einseitiges Hilfsrechtsgeschäft (§ 415 Abs. 1 Satz 1 BGB: Genehmigung) vorzunehmen289 • Es mag hier dahinstehen, ob § 410 BGB zu einem wirksamen Schuldnerschutz überhaupt erforderlich ist, wenn der Schuldner, wie im Falle des § 415 BGB, über die Schuldübernahme mittelbar auch in den Zessionsvorgang mit einbezogen wird. Zu verneinen ist diese Frage sicherlich dann, wenn es sich um eine Vertragsübernahme kraft dreiseitigen Vertrags oder kraft Vertrages zwischen dem ausscheidenden und eintretenden und unter Zustimmung des ververbleibenden Teil~ handelt. Unabhängig von der Frage nach der Erforderlichkeit des § 410 BGB in diesen Fällen, folgt aus der Notwendigkeit einer Schuldnermitwirkung zur Übernahme der Abnahmeverpflichtung durch den Zessionar, daß der Schuldner dafür Sorge tragen kann, daß sein Recht auf Abnahme nicht in der von Schollmeyer befürchteten Art und Weise blockiert wird. Deshalb besteht kein sachlich zwingender Grund, praeter legern ausnahmsweise einen Anspruch des Schuldners auf Aushändigung der Abtretungsurkunde anzunehmen2tl • Im Anwendungsbereich des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner nach alledem ohne besondere Vereinbarung niemals einen Gegenanspruch auf Aushändigung gegen den Zessionar. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB scheidet schon deshalb aus2t2. Damit entfällt auch das eingangs SchoUmeyer, § 410 Anm. 2; zustimmend Oertmann, § 410 Anm. 2. Gegen Schollmeyer auch Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 403 f. und Kisch, GrünhutsZ 29 (1902) 539. 287

288

289 Unerheblich ist hier, ob es sich um eine "komplette" Vertragsübernahme oder lediglich um eine "kombinierte" Zession mit Schuldübernahme handelt. 290 Vgl. BGH, LM Nr. 16 zu § 581 BGB. 2D1 Dies wird von Kisch und Kluckhohn (s. oben, Fn. 288) übersehen. 292 Aus demselben Grund kann die h. M., die in § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Einrede sieht, diese nicht als einen Unterfall zu § 273 BGB begreifen; insoweit a. M. aber Endemann, Bd. I, § 1522 b (S. 879) Fn. 27.

2.6. Fehlende Gläubigerlegitimation

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als möglich dargestellte Präjudiz für den tatsächlichen Regelungsinhalt des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB. 2.6.2.4. Der tatsächliche Inhalt der Rechtsfolge Zur Feststellung der tatsächlichen materiellrechtlichen Auswirkung des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Schuldnerverpflichtung und damit auf die Forderungsberechtigung des Zessionars bleibt damit lediglich der Wortlaut und der Zweck der Bestimmung. Die Formulierung "Leistung nur gegen Aushändigung" läßt, für sich allein genommen, eine Auslegung in die unterschiedlichsten Richtungen zu%83, hier allerdings gerade nicht zur Leistung Zug um Zug bzw. zur Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung hin. Die Abtretungsurkunde hat für sich genommen keinen eigenen Vermögenswert294 • Dies kann zumindest dann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, wenn berücksichtigt wird, daß die Aushändigung der Abtretungsurkunde jederzeit durch die mit Sicherheit keinen Vermögenswert darstellende schriftliche Anzeige des Zedenten ersetzt werden kann (§ 410 Abs. 2 BGB). Damit fehlt ein nach dem hier vertretenen Verständnis wesentliches Element der Leistung Zug um Zug2U5. Eine Finalitätsbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung, die deren gleichzeitigen Austausch rechtfertigen würde, kann somit nicht im Vermögens(gegen)wert der Urkundsaushändigung gefunden werden21H1 • Eine die Forderungsberechtigung des Zessionars auf Leistung Zug um Zug beschränkende Modifikation enthält § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB somit nicht2U7 . Von daher nun aber einfach zu folgern, der Bestimmung sei - zumindest "eigentlich" - überhaupt keine materiell- und prozeßrechtlich, sondern allenfalls eine in der Vollstreckungsinstanz relevante Funktion beizumessen298 , bedeutet zumindest2UU , den Gesetzeszweck nicht zu berücksichtigen. Schon gar nicht kann davon ausgegangen werden, der Schuldner sei vorleistungspflichtig, der Zessionar könne also nach wie vor die Leistung so verlangen, wie es der Zedent konnte3OO • Dagegen 293 So richtig OLG Naumburg, OLGRsp 29' (1914) 381 (382) zur Auslegung des "gegen"; s. auch oben, Kap.!. 3.2.1. 2U4 Zutreffend etwa Stein I Jonas I MünzbeTg, § 726 Rdnr. 18. Unzweifelhaft keinen Vermögenswert hat auch die reine Vorlegung, wie bei § 1160 BGB, - Näheres zur Frage des Vermögenswertes auszuhändigender Urkunden unten, Kap. IV. 2.5. passim. 295 s. oben, Kap. I. 3.2.2. 2DI Vgl. SeuffeTt I Walsmann, § 276 Anm. 2 b; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 404 mit 382; vgl. ferner Gaupp I Stein, § 726 Anm. III (für die in dieser Beziehung ebenmäßige Quittung). 297 Soweit es um die Verneinung einer Leistung Zug um Zug geht, daher zutreffend die oben, in Fn. 266, 268 und 263 Genannten. 2DB s. oben, 2.6.2.1. !DD Genauer dazu unten, Kap. IV. 2.4.2.2. 800 So aber ZaeschmaT, S. 56 passim.

144

!II. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

spricht bereits, daß in diesem Fall, entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, die Verpflichtung des Schuldners überhaupt nicht beeinträchtigt würde, § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB in dieser Form vollständig überflüssig wäre. Als möglicher Rechtsfolgeninhalt kann demnach nur in Betracht kommen, daß der Zessionar entweder ausnahmsweise301 Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung zu fordern berechtigt ist, oder aber, daß er - wiebei nichtvermögensbezogener Gegenleistung in der RegeP02 - die Leistung vom Schuldner erst dann beanspruchen darf, wenn er die Abtretungsurkunde ausgehändigt hat. § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB soll den Schuldner nicht allein in die Lage versetzen, an einen Nichtgläubiger mit befreiender Wirkung leisten zu können, sondern soll ihn - ebenso wie bei § 1160 BGB - vor, wie sich mittelbar aus Satz 2 ergibt, jeder Geltendmachung der zedierten Forderung schützen, solange sich der Zessionar nicht ausreichend legitimiert303 • Insbesondere muß sich der Schuldner von vornherein nicht auf einen Prozeß mit demjenigen einlassen, der sich seiner Gläubigerschaft berühmt, ohne seine Legitimation nachzuweisen304 • Ferner soll der Schuldner durch die Aushändigung "in Stand gesetzt werden, ruhig zu prüfen, ob die Abtretung in Ordnung sei"305. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, daß der Schuldner ein wesentliches Interesse daran hat, anhand der Abtretungsurkunde prüfen zu können, ob sich für ihn aus dieser Einwendung gegen die Forderungsberechtigung des Zessionars, in erster Linie gegen dessen Gläubigerstellung ergeben3oo • Der Schuldner kann sich aufgrund der Abtretungsurkunde beispielsweise Gewißheit über die Identität der zedierten Forderung verschaffen, ferner darüber, ob die Abtretung entsprechend ihrem Verfügungscharakter ausreichend bestimmt ist, und ob gegebenenfalls Bedingungen, unter denen die Abtretung vorgenommen wurde, eingetreten sind. All dem läuft aber die Annahme einer Verpflichtung des Schuldners zur Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung zuwider. Denn in diesem Fall ist der Schuldner bei fehlender Urkundenaushändigung weder vor einem Prozeß, an dem er, würde er die Abtretungsurkunde in Händen halten, möglicherweise keinerlei Interesse hätte, noch vor einer Verurteilung mit der Folge zumindest weitgehender Kostentragung geschützt. Genau davor will § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB den Schuldner aber bewahren. Der Schutz dieser Bestimmung vor gerichtlicher und außergerichtlicher Inanspruchnahme des Schuldners durch einen nicht (ausreichend) legitimierten Zessionar

s. oben, Kap. I. 3.2.3. s. oben, Kap. I. 3.2.3. (bei Fn. 162). 303 Vgl. RGZ 55, 224 (227) zu § 1160 BGB. S04 SO ausdrücklich die Motive, s. Mugdan, Bd. II, S. 75; vgl. ferner Staudinger I Kaduk, § 410 Rdnr. 1. 805 OLG Stuttgart, OLGRsp 43 (1924) 41. 308 Vgl. RGZ 55, 224 (227) zu § 1160 BGB. 301

302

2.6. Fehlende Gläubigerlegitimation

145

ist nur dann gewährleistet, wenn die Abtretungsurkunde - ebenso wie der Hypothekenbrief bei § 1160 BGB - vor der freiwilligen Leistung bzw. vor der gerichtlichen Durchsetzung ausgehändigt worden ist. Ein gleichzeitiger Austausch von geschuldeter Leistung und Urkundsaushändigung könnte den Schutzzweck des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht realisieren. Der von § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB gewollte Schuldnerschutz ist ausschließlich unter der Voraussetzung einer Vorleistung (nicht Vorleistungspflicht) des Zessionars, zu verwirklichen. Die Vorleistung ist dabei für dessen materiellrechtliche Forderungsberechtigung in conditione. Daraus ergibt sich, daß sich der von § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB angestrebte Zweck zur Annahme einer Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung diametral verhält. Für diese sind gerade besondere Umstände erforderlich, die trotz fehlenden Vermögensbezugs die gleichzeitige Leistungsabwicklung rechtfertigen. Im Gegensatz dazu spricht bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB bislang alles dafür, daß es bei der für eine nichtvermögensbezogene "Leistung gegen Gegenleistung" geltenden Regel307 verbleiben muß. Der hier vertretenen Auffassung könnte lediglich noch entgegenstehen, daß der Zessionar ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse daran hat, zur Realisierung seiner Forderung nicht erst vorleisten zu müssen. Anders als in § 1160 BGB ist nach § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB die Abtretungsurkunde nicht nur vorzulegen, sondern dem Schuldner auszuhändigen, also ihm zu übergeben und zu belassen, mithin zu Eigentum zu übertragen308 • Damit wird dem Schuldner der Beweis der erfolgten Vorlegung und dadurch wiederum der Beweis des Vorliegens der nurmehr unter der Voraussetzung des 409 Abs.2 BGB zerstörbaren Fiktion, mit befreiender Wirkung an den legitimierten Zessionar leisten zu können oder geleistet zu haben (§ 409 Abs. 1 Satz 2 BGB), gesichert. Mehr als ein liquides Beweismittel verschafft der Zessionar dem Schuldner mit der Aushändigung nicht309 • Er selbst gibt mit der Aushändigung nicht mehr auf, als den Beweis seiner Sachbefugnis gegenüber dem Schuldner; nicht aber verliert er ein Beweismittel für die wirksam erfolgte Abtretung gegenüber dem Zedenten. Bei dieser Sachgestaltung vermag ich kein vernünftiges Interesse des Zessionars, nicht vorleisten zu müssen, zu erkennen. Denkbar ist bei vorgängiger Aushändigung nur noch, daß sich der Schuldner dadurch dolos verhält, daß er die Urkunde entgegennimmt und bei einern späteren Forderungsverlangen des Zessionars wider besseres Wissen einwendet, dieser hätte seine Sachlegitimation noch nicht nachgewiesen; oder daß er durch Annahmeverweigerung der Abs. oben, Kap. I. 3.2.3. Vgl. Habicht, JW 01,776 ff. (sub 4 zur "Vorlegung" und "Aushändigung"); ferner OLG Stuttgart, OLGRsp 43 (1924) 41. 3011 H. M.; vgl. Staudinger / Kaduk, § 410 Rdnr. 9. 307

308

100esterle

L46

IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

tretungsurkunde das Verlangen des Zessionars zu vereiteln versucht. Da sich der Neugläubiger gegen beide Formen solchermaßen arglistigen Verhaltens leicht und ausreichend absichern kann, besteht keine Notwendigkeit, zu Lasten des Schuldners von seiner Vorleistung abzugehen. Dem ersten Einwand des Schuldners kann er dadurch begegnen, daß er diesem nur eine Ablichtung der Abtretungsurkunde aushändigt310 bzw. selbst eine solche zurückbehält31l , oder daß die Urkunde im Wege der eingeschriebenen, eigenhändigen Postzustellung gegen Rückschein312 ausgehändigt wird, oder schließlich, daß er sich vom Schuldner ein schriftliches Empfangsbekenntnis für die Aushändigung der Urkunde geben läßt313 • Verweigert aber der Schuldner die Annahme der Abtretungsurkunde, kann der Zessionar auf Kosten des Schuldners die Urkunde unter Ausschluß der Rücknahme hinterlegen und wird dadurch vom Vorleistungserfordernis frei, §§ 372 Satz 2, 378, 381 BGB analog314. Berechtigte Interessen des Neugläubigers werden dem Gesagten zufolge durch das Erfordernis, mit der Aushändigung voranzugehen, in keiner Weise berührt; damit entfällt jeder Grund, dieses im evidenten Interesse des Schuldners liegende Erfordernis anzuzweifeln. 2.6.2.5. Ergebnis zu § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB Der Zessionar hat nach § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Aushändigung ebenso voranzugehen316 , wie es der Hypothekengläubiger mit der Vorlegung des Briefes nach § 1160 BGB zu tun hat. Hier hängt die Abwendung einer dilatorischen Einrede und dort die ursprüngliche materielle Forderungsberechtigung von der Vorleistung ab316 • Der Fall des § 410 Abs. 1 310 Eine Fotokopie reicht im Rahmen des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig aus, so BAG, WPM 68, 1047 (1049) = AP § 398 BGB Nr. 3 mit zust. Anm. von Schnorr v. Carolsfeld (sub b) und dem folgend die h. M.; vgl. Staudinger / Kaduk, § 410 Rdnr. 25; Bedenken dagegen allerdings bei MüKo / Roth, § 410 Rdnr.6. 311 Will der Zessionar ganz sicher gehen, kann er die Ablichtungen auch noch beglaubigen lassen. 312 §§ 29 ff. PostO (allerdings kann der Gläubiger damit nicht die Aushändigung einer bestimmten Urkunde nachweisen). 313 Dabei handelt es sich um einen Empfangsschein, nicht um eine Quittung i. S. d. § 368 BGB, da mit letzterer der Erhalt einer geschuldeten Leistung bescheinigt wird; vgl. Zaeschmar, S. 54. 314 Eine unmittelbare Anwendung der §§ 372 ff. BGB scheidet aus, da es sich bei der Aushändigung nicht um eine zu erfüllende Verbindlichkeit des Zessionars handelt. Aus demselben Grund können auch die §§ 293 ff. BGB auf die Aushändigung zumindest keine unmittelbare Anwendung finden. 315 Insoweit wohl übereinstimmend Larenz, s. oben 2.6.2.1. (bei Fn. 269 f.); wohl auch OLG Stuttgart, OLGRsp 43 (1924) 41; vgl. ferner OLG Düsseldorf, WPM 76, 115 (118 f.). - Ausdrücklich gegen eine Vorleistung Seuffert / Walsmann, § 726 Anm. 26 und Weismann, Bd. II, S. 34. 318 Wie hier cum grano salis verstanden - Esser / Schmid,t, Bd. I/2, § 37 I 4 (S. 251/252). - Dasselbe gilt übrigens unter Berücksichtigung des § 5 VVG sinngemäß auch für die Pfiicht des Versicherungsnehmers zur Prämienzah-

2.7. § 526 Satz 1 BGB

147

Satz 1 BGB wäre von seiner dogmatischen Konstruktion her also eigentlich erst im folgenden Kapitel der ursprünglich beschränkten Ansprüche zu behandeln gewesen. Er war aber wegen seines wesensmäßigen Zusammenhangs mit § 1160 BGB und wegen der abweichenden und überwiegenden Meinung, die von einer Einrede ausgeht, bereits hier zu klären. 2.7. Die mangelnde Ausgleichung des Fehlbetrages nach § 526 Satz 1 BGB

Die praktische Bedeutung des § 526 BGB ist äußerst gering317 ; gleichwohl ist der Vollständigkeit halber die Einordnung des nach 526 Satz 1 BGB begründeten Einrederechts ("ist ... berechtigt, ... zu verweigern")318 hier kurz zu erörtern. Dieses Recht will den mit einer Auflage beschwerten Beschenkten in die Lage versetzen, eine Verminderung seines ursprünglichen Vermögens infolge der Vollziehung der Auflage bei Rechts- oder Sachmängeln am Schenkungsgegenstand von vornherein zu verhindern319 . Eine solche Vermögensminderung würde dann eintreten, wenn bei Vollziehung der Auflage die hierfür erforderlichen Aufwendungen betragsmäßig den Wert der (mangelhaften)320 Schenkungszuwendung übersteigen würden. Daraus ergibt sich, daß das Recht aus § 526 Satz 1 BGB dem Verlangen nach teilweiser Vollziehung der Auflage - sofern eine solche möglich ist - solange nicht entgegengesetzt werden kann, als die dafür notwendigen Aufwendungen vom Wert der Schenkungszuwendungen noch gedeckt werden321 . Soweit danach das Gegenrecht des Beschenkten besteht, wird es teilweise als Zugum-Zug-Einrede qualifiziert=. Diese Auffassung hat den Gesetzeswortlung in ihrem Verhältnis zur Aushändigung des "normalen" Versicherungsscheines nach § 35 Satz 2 VVG; nicht jedoch dann, wenn es sich um einen auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsschein (§ 4 Abs. 1 VVG) oder eine Transportversicherungspolice (vgl. für das Seefrachtgeschäft § 812 Abs. 2 HGB) handelt, s. unten, Kap. IV. 2.5.1. und dort Fn. 170, 199; vgl. ferner unten, Kap. IV. Fn. 156. - Auch insoweit a. M. Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 399. 317 So gibt es soweit ersichtlich außer RGZ 112., 210 (s. unten, Fn. 319) und 120, 237 keine veröffentlichte Rspr. zu dieser Norm. Diese Entscheidungen betrafen noch nicht einmal unmittelbar § 526 BGB, sondern die nachträgliche Entwertung des Geschenks, auf die sie den Grundgedanken des § 526 BGB entsprechend anwandten; dazu auch unten, Fn. 320. 318 Vgl. Jahr, JuS 64, 126 (sub 5 c). 319 RGZ 112, 210 (213). 320 Zur entspr. Anwendung der Rechte aus § 526 BGB in allen Fällen eines durch die Vollziehung der Auflage entstehenden Fehlbetrages s. Larenz, Bd. 11, § 47 111 (S. 164 f.); Staudinger I Ostler, § 525 Rdnr. 5 m. w. N. 321 RGZ 112, 210 (213); richtig auch Haymann, S. 118. Unklar hierzu die Kommentare zu § 526. 322 Fischer I Henle I Titze, § 526 Anm. 4; Kohler, Bd. I, S. 194; Langheineken, S. 88; RGRK I Mezger, § 526 Rdnr. 3. - Unklar diejenigen, die allg. von "Leistungsverweigerungsrecht" bzw. "aufschiebender Einrede" sprechen; vgl. Erman I Seiler, § 526 Rdnr. 2; Esser I Weyers, Bd. IIfl, § 12 IV 1 (S. 133); Oertmann, § 526 Anm. 3 a; SoeTgell Ballerstedt, § 526 Rdnr. 1; WaTneyer, 10·

148

II!. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

laut ("verweigern, bis ... ausgeglichen wird.") auf ihrer Seite. Dieser formuliert das Gegenrecht in der für die Zug-um-Zug-Einreden typischen Präsensform. Was die Gesetzesfassung als eindeutig erscheinen läßt, bedarf jedoch. von der Sache her einer Korrektur, die sich unmittelbar aus der Regelung. des zwischen Schenker und beschwertem Beschenkten bestehenden Schuldverhältnisses ergibt. Danach trifft den Schenker eine Vorleistungspflicht. Erst nach Erfüllung seines Schenkungsversprechens, kann er die Vollziehung der Auflage verlangen, § 525 Abs. 1 BGB323. Diese grundsätzliche gesetzliche Entscheidung muß auch im Falle des § 526 Satz 1 BGBfortwirken324 • Die zur Abwendung des Einrederechts nach § 526 Satz 1 BGB erforderliche Ausgleichung soll den Mangel des Schenkurigsgegenstandes insoweit surrogieren, als dieser bei Vollziehung der Auflage eine Vermögenseinbuße beim Beschenkten hervor-:rufen wurde. In diesem Fall stellen somit der (mangelhafte) Schenkungs.. gegenstand und die Ausgleichung des Fehlbetrags gemeinsam die "Schenkung" i. S. d: § 525 Abs. 1 BGB dar und diese muß erbracht worden sein, bevor vom Beschenkten die Vollziehung der Auflage erfolgreich zu verlangen ist. § 526 Satz 1 BGB kann dem Beschenkten deshalb nicht nur das Recht geben, dem Anspruch auf (vollständige) Vollziehung der Auflage mit einer anspruchsbeschränkenden Zug-um-Zug-Einrede entgegenzutreten; er beinhaltet vielmehr eine dilatorische Einrede, also ein auf Zeit absolut wirkendes Leistungsverweigerungsrecht. Zu Recht werinauch ohne Begründung - hat deshalb das Reichsgericht aufgrund des entsprechend herangezogenen § 526 Satz 1 BGB eine Klage auf Vollziehung der Auflage als "jedenfalls zur Zeit unbegründet" abgewiesEm325 • Festzuhalten ist somit, daß die Fassung des § 526 Satz 1 BGB infolge einer redaktionellen Ungenauigkeit326 auf den ersten Blick in die falsche Richtung weist, und sie sachlich zutreffend lauten müßte: " ... berechtigt ... zu verweigern, bis ... ausgeglichen ist."

§ 526 (bei Fn. 5), da die h. M. hierzu auch die Zug-um-Zug-Einreden rechnet (s. oben, 1.1. a. A.). - Völlig unverständlich PalancLt / Putzo, § 526 Anm. 2:

"Erfüllungseinrede: aufschiebend bedingt". 323 Dazu ausführlich Haymann, S. 113. 824 Richtig Reuter, S. 55. 32$ RGZ 112, 210 (215). Wie hier Endemann, Bd. I, § 164 4 a (S. 1031) Fn. 30 und Planck / Knoke, § 526 Anm. 2 (beide bezeichnen § 526 Satz 1 BGB ohne weiteres als dilatorische Einrede, im Gegensatz zu den oben, in Fn. 322 Genannten ergibt sich daraus, daß sie darin keine Zug-um-Zug-Einrede sehen, denn diese rechnen sie nicht zu den dilatorischen; s. oben, Fn. 7,23); Henle, Bd. I!, S. 363; Reuter, S. 55; wohl auch Enneccerus / Lehmann, § 125 I! 4 (S. 500); Haymann, S. 118; Hellwig, Verträge, S. 283; Jahr, JuS 64,127 (sub 12); Staudinger / Ostler, § 526 Rdnr. 3; vgl. ferner Mugdan, Bd. I!, S. 753 (Prot.). 328 Daß es sich nur um eine solche handeln kann, folgt auch aus den Protokollen der zweiten Kommission, Mugdan, Bd. I!, S. 753.

2.8. "Zurückbehaltungsrecht nach § 803 Abs. 2 BGB U

149

2.8. Die "Zurückbehaltung" nach § 803 Abs. 2 BGB

Bereits oben wurde nachgewiesen, daß dem Begriff "zurückbehalten" für die Frage nach einer Zug-um-Zug-Einrede nicht die Bedeutung eines terminus technicus zukommt327 • Wenn das Gesetz in § 803 Abs. 2 BGB den Aussteller einer Inhaberschuldverschreibung dazu berechtigt, einen Betrag "zurückzubehalten", der den bei der Einlösung der Hauptschuldverschreibung nicht vorgelegten Zinsscheinen entspricht, so ist damit nicht per definitionem eine Zug-um-Zug-Einrede geschaffen328, Vielmehr ist dieses Recht "zurückzubehalten" zunächst einmal im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauchs zu verstehen329 • Danach braucht derjenige, der eine Leistung zurückhalten darf, eben überhaupt nicht mehr oder noch nicht, jedenfalls aber nicht nur in einer modifizierten Weise zu leisten. Ansonsten enthält § 803 Abs. 2 BGB nichts, was auf eine Zug-um... Zug-Einrede hindeuten könnte. Insbesondere fehlt es infolge seiner negativen "Wenn ... Dann"-Konstruktion an der Möglichkeit, die Leistung des Ausstellers und die Rückgabe der Zinsscheine in einem gleichzeitigen Austauschverhältnis zusammenzufassen33o • Dem Wortlaut entsprechend ist der Aussteller somit berechtigt, seine Leistungsverpflichtung aus der Hauptschuldverschreibung um den durch die nicht zurückgegebenen Zinsscheine repräsentierten Betrag zu kürzen331 oder mit anderen Worten, diesen Betrag von der Hauptforderung abzuziehena32 • Macht der Aussteller von dieser Berechtigung Gebrauch, hebt er seine Verpflichtung zur Einlösung insoweit auf333 • Diese Auffassung stehtim Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. § 690 Abs. 2 des ersten Entwurfs sah ausdrücklich die Befugnis des Ausstellers vor, die "Hauptforderung zu kürzen"334. Gegen das damit verbuns. oben, 1.2.; vgl. ferner oben, Fn. 167. Ein Zurückbehaltungsrecht (hier also: Zug-um-Zug-Elnrede) nehmen aber an Enneccerus I Lehmann, § 214 lImit Fn. 1 (S. 858); Erman I H ense, §803 Rdnr. 4; Kohler, Bd. I, S. 193; Oertmann, § 803 Anm. 2; Planck I Landois, § 803 Anm. 3; RGRK I Steffen, § 803 Rdnr. 15; wohl auch Dernburg, Bd. 11/1, S. 54. - Widersprüchlich Soergell Lippisch, § 803 Rdnr. 1 (Kürzungsrecht), Rdnr. 4 (Zurückbehaltungsrecht) und Staudinger I MüHeT, §803 Rdnr.. 3. 329 BreueT, S. 63. . .. .. . . . .. 330 Ein solches ist auch über § 273 Abs. 1 BGB nicht zu. begründen, denn der Aussteller hat keinen Anspruch auf Rückgabe der Zinsscheine, so richtig Langheineken, S. 333 und wohlh. M. .. 331 Wie hier Langheineken, S. 333 m. w. N. zur Gegenmeinung; Palandt I Thomas, § 803 Anm. 1; ReuteT, S. 28; SchlegelbeTger,S. 101; vgl. auch Breuer, S. 62 f.; ebenso wohl auch Jahr, JuS 64, 125 f.; Lqrenz, Bd. 11, § 66 VI (S. 453); SchoenenbeTg, S. 22 ff. 3112 Staudinger I Müller, § 803 Rdnr. 3 (in der Folge aber auch ."Zurückbehaltungsrecht U ) . 333 Es handelt sich hier also um keinen anderen als den bereits oben, in Fn. 16-7 erwähnten Fall. 334 Vgl. Mugdan, Bd. 11, S. 392 (Mot.). . 8! 7

3118

150

III. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

dene Risiko des Inhabers der Schuldverschreibung wurden in der Kommission zweiter Lesung zwar Bedenken laut, sie fanden jedoch aus praktischen Erwägungen keine Billigung335. Daß die Gesetz gewordene Fassung nunmehr von "zurückbehalten" anstelle von "kürzen" spricht, kann auf diesem Hintergrund keine Änderung in der Sache selbst bedeuten. Dies zumal deshalb, weil allein die in diesem Sinne verstandene Rechtsfolge dem Zweck des § 803 BGB gerecht wird. Da die Zinsscheine vom Hauptpapier unabhängige, selbständig umlauffähige Inhaberpapiere sind (vgl. § 803 Abs. 1 BGB), kann regelmäßig davon ausgegangen werden, daß sie einen anderen Berechtigten gefunden haben, wenn sie bei der Einlösung der Hauptschuldverschreibung nicht zurückgegeben werden33f1 • Diejenigen, die in § 803 Abs. 2 BGB eine Zug-um-Zug-Einrede sehen wollen337, müssen damit für die Mehrzahl der Fälle nicht zurückgegebener Zinsscheine zu dem eigenartigen Ergebnis gelangen, daß der Aussteller dem Inhaber der Hauptschuldverschreibung hinsichtlich des zurückbehaltenden Betrages unwiderruflich zur Leistung verpflichtet bleibt338 und zugleich aber auch dem neuen Inhaber der Zinsscheine verpflichtet ist. Daß eine solche, mit der Annahme einer Zug-um-Zug-Einrede latent vorhandene, rechtsunlogische Situation vom Gesetz nicht ge.· wollt sein kann, leuchtet unmittelbar ein. Für den Fall, daß die Zinsscheine untergegangen oder abhandengekommen sind, stünde der Inhaber der Schuldverschreibung letztlich nicht günstiger, wenn ihm anstatt eines Kürzungsrechts nur eine Zug-um-Zug-Einrede entgegengestzt werden könnte, denn ohne die Zinsscheine kann er seine Forderung auch dann nicht durchsetzen33'. Kann aber der Inhaber die Zinsscheine nachliefern, entstehen ihm aufgrund des teilweisen Ausschlusses seines Forderungsrechts aus der Hauptschuldverschreibung ebenfalls keine Nachteile gegenüber einer Zug-um-Zug-Einrede. Denn die Auszahlung des gekürzten Betrages kann er spätestens mit Fälligkeit der Zinsscheine aus diesen verlangen, und zwar solange, wie eine Verjährungs- oder Ausschlußfrist nicht abgelaufen ist. 335 Mugdan, Bd. 11, S. 1057 f. (Prot.), 1296 (Kom.-Ber.). Vgl. Langheineken, S. 333. 331 s. oben, Fn. 328. 338 Völlig widersinnig ist diese Meinung dann, wenn auch noch angenommen wird, die Zug-um-Zug-Einrede sei nach § 273 Abs. 3 BGB durch Sicherheitsleistung abwendbar, so Enneccerus / Lehmann, Oertmann, Planck / Landois und Staudinger / Müller (alle oben, Fn. 328). In diesem Fall tritt nämlich eine Verdoppelung der unbeschränkten Verpflichtung des Ausstellers ein, ohne daß dieser - mangels eines Anspruchs auf Rückgabe der Zinsscheine - jemals auf die geleistete Sicherheit Zugriff nehmen kann. 339 Eine Abwendung nach § 273 Abs. 3 BGB kann auch hier nicht in Betracht kommen. - Schon die Kommission zweiter Lesung war der Auffassung, daß in diesem Fall der gekürzte Betrag endgültig verloren ist, Mugdan, Bd. 11, S. 1296 (Kom.-Ber.). 3M

2.10. Zusammenfassung

151

§ 803 Abs. 2 BGB gibt somit dem Aussteller der Hauptschuldverschreibung ein Gestaltungsrecht hinsichtlich des Umfangs seiner materiellrechtlichen Verpflichtung. Dieses Recht übt er durch Einbehaltung eines Teilbetrags aus; beruft er sich darauf, macht er keine peremptorische Einrede340, sondern eine rechtskürzende Einwendung geltend, mag sie auch nur vorläufiger Art sein. Die gegenteilige Annahme einer Zug-umZug-Einrede findet weder im Gesetzeswortlaut, -zweck noch in der -geschichte eine tragfähige Stütze. 2.9. Das Recht des Rechtsanwalts nadl § 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO

§ 50 BRA0341 enthält eine nähere Bestimmung der Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts aus dem seiner Tätigkeit regelmäßig zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag342. Er wirkt unmittelbar auf das zwischen Anwalt und Mandant bestehende Schuldverhältnis ein. Ausnahmslos wird in § 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO ein Zurückbehaltungsrecht, nach der hier vertretenen Ansicht also eine Zug-um-Zug-Einrede, und damit die Grundlage einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug gesehen343 • Wie ich jedoch an anderer Stelle ausführlich dargelegt habe344, enthält § 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht lediglich ein anspruchsbeschränkendes sondern vielmehr ein "echtes" dilatorisches Einrederecht. Ist das Honorar des Rechtsanwalts vom Mandanten noch nicht beglichen worden, muß die auf Herausgabe der Handakten gerichtete Klage als - zur Zeit - unbegründet abgewiesen werden345 • Ein "Zug um Zug"-Urteil scheidet aus. 2.10. Zusammenfassnng der Zug-um-Zug-Einreden

In den vorangegangenen Abschnitten wurden solche Einreden untersucht, die aufgrund ihrer gesetzlichen Formulierung eine auf Leistung Zug um Zug lautende Rechtsfolge als möglich erscheinen lassen. Eine kritische überprüfung dieses "ersten Anscheins" durch am Gesetzeszweck orientiertes Hinterfragen der einzelnen Bestimmungen ergab, daß nur die Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB, der mangelnden Genehmigung von Verwendungen nach §§ 1000 Satz 1 (972); So aber Reuter, S. 28. Der hier interessierende § 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO lautet: "Der Rechtsanwalt kann seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist." 342 Seltener reiner Dienst- oder Werkvertrag. 343 Vgl. BT-Drucks., III, Nr. 120, S. 78 und statt aller Bülow, § 50 Rdnr. 2; Riedel! Sußbauer ! Fraunholz, § 17 Rdnr. 13 und Rieger, S. 48 Fn. 1 zu § 32 RAO. 344 Oesterle, JR 79, 100 ff., dort auch zu § 32 Abs. 1 RAO und § 36 Abs. 1 RRAO und ferner zum Verhältnis des § 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO zu § 273 BGB. 345 Ebenso LG Kassel, AnwBl 76, 130. 340

341

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IH. Kap.: Die Zug-um-Zug-Einreden

2022 Abs. 1 (2029) BGB und die der mangelnden Erstattung des berichtigten Kaufpreises nach § 1100 Satz 1 BGB zu einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug führen können. In den Einredefällen der §§ 526 Satz 1 BGB und 50 Abs. 1 Satz 1 BRAO, ferner denen der mangelnden Sicherheitsleistung nach §§ 258 Satz 2, 811 Abs. 2 Satz 2, 867 Satz 3 (1005) BGB und 838 ZPO, des mangelnden Kostenvorschusses nach § 811 Abs. 2 Satz 2 BGB und der fehlenden Gläubigerlegitimation nach §§ 1160 (1161; 1192) BGB handelt es sich bei näherem Zusehen um überhaupt keine Zug-um-Zug-Einreden sondern um "normale" dilatorische Einreden, sie führen also zur Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet. Wegen ihres Sachzusammenhangs zu einer der genannten Vorschriften ist bereits an dieser Stelle auf die §§ 1100 Satz 2 und 410 Abs. 1 Satz 1 BGB eingegangen worden, obgleich sie keine Einreden darstellen. Während § 1100 Satz 2 BGB einen Fall der ursprünglich auf Leistung Zugum Zug beschränkten Ansprüche darstellt, paßt die "Zug um Zug"-Rechtsfolge bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB überhaupt nicht. Nach dieser Regelung hängt die Leistung von einer Gegenleistung insoweit ab, als das vorgängige Bewirken der Gegenleistung Voraussetzung des fälligen Leistungsverlangens ist. Ebensowenig um eine Einrede handelt es sich bei § 803 Abs. 2 BGB. Darin ist dem Schuldner vielmehr das Recht eingeräumt, den Umfang seiner materiellrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Inhaber der Schuldverschreibung - zumindest vorläufig, nämlich bis zum etwaigen Wiederauftauchen der Zinsscheine - zu schmälern. Die hier gefundenen Ergebnisse stehen oftmals im Widerspruch zu dem, was die herrschende Meinung zu einzelnen Normen vertritt. Die Aussagekraft dieser Tatsache relativiert sich jedoch, wenn man berücksichtigt, daß die herrschende Meinung in der Regel isoliert zu einzelnen Vorschrüten Stellung nimmt34f und dies zumeist noch in der Form nicht näher begründeter Feststellungen geschieht. Fast ausnahmslos fehlt zu'dem eine Argumentation, die den Zweck der fraglichen Norm zum tatsächlichen Inhalt einer Leistung Zug um Zug in Beziehung setzt. Wird all dies in Rechnung gestellt, kann es letztlich nicht überraschen, daß teilweise zur herrschenden Meinung gegenteilige Resultate zu vertreten sind. Wenn mit den genannten Einreden die Fallgruppe der erst nachträglich auf Leistung Zug um Zug beschränkbaren Ansprüche - zumindest zunächst - abgeschlossen wurde, mag aufgefallen sein, daß in diesem Rahmen einige Bestimmungen nicht genannt und untersucht wurden, in denen zum Teil ebenfalls noch Zug-um-Zug-Einreden gesehen wer348

Vgl. auch unten, Kap. IV. 2.10.

2.10. Zusammenfassung

153

den3i7 • In all diesen, erst im folgenden Abschnitt der ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Ansprüche zu behandelnden Fällen, spricht die Gesetzesfassung klar gegen das Vorliegen von Einrederechten, und in keinem dieser Fälle besteht eine sachliche Verwandtschaft zu einer der bereits besprochenen Einreden. Damit gibt es für sämtliche noch in Betracht kommenden sachlichen Grundlagen einer Leistung Zug um Zug wenigstens apriori keinen Grund, sie im Rahmen der Zug-um-ZugEinreden zu diskutieren. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß mit der Behandlung unter der überschrift "Ursprünglich beschränkter Anspruch" natürlich noch keine definitive Einordnung verbunden sein kann. Es handelt sich dabei lediglich um eine vorab erfolgte, kursorische Qualifikation. Auch hier kann sich daher grundsätzlich noch ergeben, daß einzelne Normen bei genauerem Zusehen entgegen ihrem Wortlaut aus der Fallgruppe herausgenommen werden müssen.

347 Für die §§ 255, 368, 371, 785 BGB u. a. m. vgl. zunächst Kohler, Bd. I, S. 195 f.; Reuter, S. 43; Schoenenberg, S. 24, 26 f., 28 ff.; Steininger, S. 33; zu den weiteren Nachw. s. unten bei den Einzelfällen.

IV. Kapitel

Der ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkte Anspruch 1. Allgemeines zum ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruch Das Wesentliche, was zum ursprünglich, also ipso iure, auf "Zug um Zug"-Leistung beschränkten Anspruch als solchem, vor der Darstellung seiner einzelnen Grundlagen, gesagt werden kann, wurde bereits am Ende des 11. Kapitels ausgeführt1 und im übrigen innerhalb des III. Kapitels passim angesprochen. Auf das dort Dargelegte sei hier verwiesen. Anders als bei der Gruppe der Zug-um-Zug-Einreden ist eine vorgehende systematische und terminologische Klärung nicht erforderlich. Ist im folgenden der ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkte Anspruch gemeint, wird der Kürze wegen von "Zug-um-Zug-Anspruch" die Rede sein. Der Zug-um-Zug-Anspruch bedarf gegenüber anderen, auf eine modifizierte Leistung gerichteten, materiellen Forderungsberechtigungen im Gegensatz zur Zug-um-Zug-Einrede keiner systematis.chen Abgrenzung. Denn gegenüber der nach ihrer Wirkungsweise beschränkt möglichen Auffächerung der Einreden ist die Fallgruppenbildung der ipso iure nicht auf eine Leistung schlechthin gerichteten Ansprüche weitgehend unbegrenzt, so daß sich uns nur die Aufgabe stellt, die einzelnen Zug-um-ZugAnsprüche zu einer Fallgruppe zusammenzustellen. Nicht aber ist eine Abgrenzung gegenüber anderen denkbaren, beschränkten Leistungsberechtigungen notwendig. Soweit zum Zug-um-Zug-Anspruch überhaupt eigenständige Äußerungen von seiten der Rechtsprechung und der Literatur vorliegen, ist ein der Diskussion der Zug-um-Zug-Einrede entsprechendes Begriffsgemenge nicht vorhanden, so daß sich auch die Frage nach einer richtigen, weil sachentsprechenden Terminologie von vornherein nicht stellt. Auf Einzelheiten der dogmatischen Konstruktion und sich daraus ergebenden Folgerungen ist an dieser Stelle ebensowenig einzugehen, wie dies bei der Zug-um-Zug-Einrede der Fall war. Insoweit muß es auch hier sein Bewenden damit haben, daß mögliche Problemlagen, die sich 1

s. oben, Kap. H. 3.

2.1. § 236 BGB

155

bei der weiteren materiell-, prozeß- und vollstreckungs rechtlichen Behandlung des Zug-um-Zug-Anspruchs ergeben können, im Rahmen dieser Arbeit nur im Zusammenhang mit der Darstellung der einzelnen sachlichen Grundlagen eines solchen Anspruchs angerissen werden können!. 2. Die einzelnen, gesetzlich normierten Fälle des ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruchs 2.1. Der in § 236 BGB erwähnte Fall

§ 236 BGB begründet selbst keinen Anspruch auf Leistung gegen Gegenleistung, der als Zug-um-Zug-Anspruch in Betracht kommen könnte. In seinem letzten Halbsatz erwähnt er lediglich ein solches, nach anderen Vorschriften gegebenes Forderungsrecht des Gläubigers. Der Vollständigkeit halber ist auch hierauf einzugehen.

An die Stelle des Reichsschuldbuchs3 ist gemäß dem Gesetz über die Errichtung einer Schuldenverwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 13. VII. 1948 (WiGBl S. 73) i. V. m. Art. 127 GG und § 1 der va über die Bundesschuldenverwaltung vom 13. XII. 1949 (BGBl50 S. 1) das Bundesschuldbuch getreten. Nach § 2 SchuldVerwG-VWG und den überleitungsbestimmungen finden die Vorschriften des Reichsschuldbuchgesetzes auf die Bundesschuldenverwaltung sinngemäße Anwendung. Dasselbe gilt für die in den meisten Bundesländern eingerichteten Landes- bzw. Staatsschuldbücherl. Ebenso gelten nach § 1 AnleiheG5 die Bestimmungen des Reichsschuldbuchgesetzes, die Schuldurkunden, Schuldverschreibungen des Reichs sowie Reichsschuldbuchforderungen betreffen, für die Bundesrepublik Deutschland entsprechend6 • In § 236 BGB geht es also um die Sicherheitsleistung mit Buchforderungen gegen den Bund oder ein Land, deren Löschung gegen Aushändigung von Wertpapieren (Schuldverschreibungen) möglich ist. Entsprechend § 1 Abs.1 RSchuldBG können Schuldverschreibungen des Bundes in Bundesbuchforderungen umgewandelt werden7 • Damit wird dem Inhaber der Schuldverschreibung eine gegenüber deren Depotverwahrung kostengünstigere Alternative eröffnet. Andererseits kann s. oben, Kap. II. 3. a. E. Reichsschuldbuchgesetz (RSchuldBG) vom 31. V. 1891 (RGBI S. 321) in der Fassung der Bek. vom 31. V. 1910 (RGBl S. 840). , Vgl. § 3 des Gesetzes über die Errichtung eines Landesschuldbuches für Ba-Wü vom 11. V. 1953 (GBI S. 65); s. ferner die Nachw. bei MüKo I v. Fetdmann, § 232 Rdnr. 4. 5 Gesetz vom 29. III. 1951 (BGBI I S. 218). e Zum Schuldbuchrecht des Bundes und der Länder s. die Schrift von Meder I Ernst und dazu Schuttzenstein, DVBI 51, 327 f. 7 Dazu allgemein Schuttzenstein, S. 21 ff. 2

3

156

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

eine Buchforderung auch in ein durch Schuldverschreibungen und eventuell Auslosungsscheine getragenes Gläubigerrecht (rück)umgewandelt werdens, § 9 Abs. 1 RSchuldBG9. Durch die Austauschbarkeit der Schuldbuchverbindlichkeiten des Bundes mit Schuldverschreibungen ist eine erhöhte Verkehrsfähigkeit der Schuldbuchforderung gewährleistet. Schließlich kann unter bestimmten Voraussetzungen die Löschung der eingetragenen Forderung und die dagegen zu erfolgende Auslieferung von Schuldverschreibungen auch von Amts wegen geschehen, § 20 RSchuldBG. Der Inhaber der Schuldverschreibung kann deren Umwandlung nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 RSchuldBG nur "gegen Einlieferung zum Umlauf brauchbarer ,Reichs'schuldverschreibungen" verlangen. Ebenso kann der Gläubiger nach § 9 Abs. 1 RSchuldBG die Ausreichung von Schuldverschreibungen nur "gegen Löschung der eingetragenen Forderung" fordern. Dabei handelt es sich jeweils um einen privatrechtlichen Nebenanspruch zum Hauptanspruch des Gläubigers aus dem Schuldversprechen des Bundes 10• Allein der Fall des § 9 Abs. 1 RSchuldBG wird von § 236 BGB erwähntl l . Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist jedoch in § 1 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 RSchuldBG dasselbe, so daß es hier für beide Fälle gemeinsam und einheitlich behandelt werden kann. Zur Leistung, die der aus der Schuldverschreibung Verpflichtete bzw. der Schuldner der Buchforderung erbringen muß, also zur Eintragung einer Buchforderung bzw. Aushändigung einer Schuldverschreibung, steht die Gegenleistung (Einlieferung der Schuldverschreibung bzw. Löschung der Buchforderung) nicht nur in einem vermögenswerten Gegenseitigkeitsverhältnis, sondern sie ist vielmehr das dem Betrag nach voll entsprechende Surrogat der Leistung (vgl. §§ 6, 20 Abs. 2 RSchuldBG). Von daher ist die, von der Formulierung der Bestimmungen ohne weiteres getragene Annahme eines "Zug um Zug"-Austauschverhältnisses gerechtfertigt. Keine Seite soll ihre Leistung unwiderruflich bewirken müssen, ohne hinsichtlich des Erhalts der Gegenleistung gesichert zu sein. Diesist insbesondere unter der Voraussetzung gleichzeitigen, endgültigen Leistungsaustausches gewährleistet. Gegen eine Leistung Zug um Zug sprechende, schutzwürdige Interessen einer Seite bestehen nicht. Bedenken gegen eine solche Leistungsform ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, daß ein Anspruch auf die jeweilige Gegenleistung nicht besteht; ferner nicht daraus, daß im Falle der Ausreichung von SchuldSchultzenstein, S. 33. Diese Möglichkeit ist aber etwa nach § 1 Abs. 5 der 14. Leistungs-DV-LA vom 7. 1. 1959 (BGBI I S. 22) ausdrücklich ausgeschlossen. 10 Schultzensein, S. 19. 11 Wenn Reuter, S. 11 nebenbei meint, in § 236 BGB sei ein Fall vertraglich bedungener Leistung gegen Gegenleistung erwähnt, so kann dies nur auf einem "übersehen der Bestimmungen des RSchuldBG beruhen. 8

D

2.2. Abtretung der Ersatzansprüche (§ 255 BGB)

157

verschreibungen die Löschung der Buchforderung als Gegenleistung nicht vom Gläubiger selbst, aktiv vorgenommen werden kann. In diesem Fall hat der Gläubiger als Gegenleistung eben allein ein positives Tun des Schuldners zu dulden. Dieser Umstand gibt im Rahmen der Frage, ob eine Leistung Zug um Zug vorliegt, zu keiner besonderen Betrachtung Anlaß. Nach § 1 Abs.2 i. V. m. § 4 und nach § 9 Abs.l RSchuldBG ist somit eine auf Leistung Zug um Zug beschränkte Verpflichtung des Bundes gegeben. § 236 BGB erwähnt mithin einen Fall, in dem der Gläubiger von vornherein nur ein auf Leistung Zug uni Zug12 beschränktes Forderungsrecht, einen Zug-um-Zug-Anspruch hat. 2.2. Die Abtretung der Ersatzansprüche nach § 255 BGB

Zu § 255 BGB besteht eine Vielzahl altbekannter Streitfragen13. So werden etwa die Problemkreise "Auslegung des Tatbestandsmerkmals ,Verlust einer Sache''', "Kreis der abzutretenden Ansprüche", ,,§ 255 BGB und Vorteilsausgleichung", ferner mögliche Lösungswege für die Fälle, in denen 255 BGB aUf· jeden von mehreren Schuldnern zutrifft, kontrovers, aber mit dem Bemühen um überzeugende Begründungen in Literatur und Rechtsprechung diskutiert bzw. entschieden. Trotz einer dementsprechenden literarischen Fülle zu § 255 BGB14 findet sich so gut wie keine sachlich fundierte Stellungnahme zur dogmatischen Konstruktion dieser Norm. Zur Frage, ob in§ 255 BGB dem Ersatzpflichtigen ein selbständiges Einrederecht oder aber ein Gegenanspruch, der erst ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB begründet, gewährt ist, oder aber, ob § 255 BGB den Ersatzanspruch des Berechtigten einschränkt, oder ob nichts von alledem vorliegt und § 255 BGB dem Ersatzpflichtigen nur einen AnspruCh auf nachträgliche Abtretung gewährt, ist zwar eine Vielzahl von Meinungen, aber gleichwohl fast keine verwertbare vorhanden. Im Grunde genommen wird alles Denkbare und zusätzlich noch einiges Undenkbare vertreten. Wenn Selb meint, man müsse sich bei § 255 BGB "der Zufälligkeit, Unvollkommenheit, und der teilweisen Inhaltsleere der Norm bewußt sein"15, so gilt dies nicht minder für das in Literatur und Rechtsprechung zur dogmatischen Konstruktion der Vorschrift Vorhandene. Da das im einzelnen dazu Gesagte zumeist noch in sich perplex ist, entzieht es sich einer Zusammenfassung zu Auffassungen gleichen Inhalts. Ebensowenig ist eine ausführliche Einzelkritik zu leisten. Wegen der Widersprüchlichkeit und der fehlenden Insoweit - eum grano salis verstanden - zutreffend Reuter, S. 11. Vgl. Thiele, JuS 68, 153 f. 14 Vgl.die Nachw. bei Münehbaeh (passim); Oertmann, § 255 Lit.; SeIb, FS Larenz, S. 517 Fn. 1 und 5; Staudlinger I Werner, Schrifttumsnote zu § 255. 15 FS Larenz, S. 547. 12

13

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

158

Begründungen mangelt es an der für eine solche Kritik erforderlichen Angriffsfläche. Deshalb und zum Beleg des bislang nur Behaupteten sollen hier lediglich einige Gerichte und Autoren mit ihren Ausführungen unmittelbar zu Wort kommen. Soweit sich die Unvertretbarkeit nicht schon per se oder aus den knappen Anmerkungen des Verfassers ergibt, empfiehlt sich ein oberflächlicher Vergleich mit dem Wortlaut des § 255 BGB: "Wer ... Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, ... ".

2.2.1. Rechtsprechung und Literatur zur Rechtsfolge und dogmatischen Konstruktion des § 255 BGB Die folgenden (teilweise sinngemäßen) Zitate sind weitgehend repräsentativ, stehen also nur stellvertretend für viele andere. RGZ59,367: S. 370: Ersatzpflichtiger war "Zug um Zug Ersatz zu leisten verpflichtet". S. 371: "Das dem Ersatzpflichtigen in § 255 eingeräumte Recht (mit welcher Wendung räumt § 255 ein Recht ein?) ist wesentlich ein Retentionsrecht, welches erst mit der Ersatzleistung in Wirksamkeit tritt." - (Was nützt das sog. Retentionsrecht, wenn es zu seiner Wirksamkeit der Leistung bedarf, vor deren Bewirkenmüssen es schützen soll?) BGHZ 52, 39 (42): ,,§ 255 regelt ausdrücklich nur ein Zurückbehaltungsrecht"18, gleichwohl (sie!?) kann Ersatzpflichtiger noch nachträglich die Abtretung verlangen, wenn er schon Schadensersatz geleistet hat17 • Crome, Bd. II, § 151 II 5: b (S. 82) Fn. 97: ,,§ 255 ist nie gegen den Ersatzberechtigten zu wenden in dem Sinne, daß er gegen Geldersatz seine Sache abandonieren mü.ßte." c (S. 83): "Ersatzpflichtiger kann gemäß § 255 Abtretung verlangen ..."

Endemann, Bd. I: § 88 3 a (S. 516) Fn. 33 b: § 255 BGB ist ebenso wie § 1160 Abs. 1 BGB keine

Einrede, sondern ein "rechtsvernichtendes Gegenrecht", auf das sich der Angegriffene berufen muß; "entscheidend ist, daß hier das Recht selbst aufgehoben, beschränkt, ,gekürzt' wird". § 128 5 (S. 730): "Der Gläubiger ist dazu (sc. zur rechtsgeschäftlichen Abtretung) verpflichtet, der Schuldner kann die Leistung des Ersatzes zurückbehalten, bis die Abtretung Zug um Zug erfolgt. Nach § 273 1."

Enneccerus / Lehmann, § 17 II 2 (S. 87): "Ersatz ... braucht nur geleistet zu werden Zug um Zug gegen Abtretung .... Bis dahin hat also (sie) der Ersatzberechtigte eine Rückbehaltungseinrede18."18 Ebenso BGHZ 27, 241 (249). 17 Einen zumindest nachträglichen Abtretungsanspruch nimmt auch die ganz h. M. an, vgl. RGZ 117, 335 (338); LG Berlin, NJW 58,1877; Breuer, S. 67; Erman / Sirp, § 255 Rdnr. 4; Henle, Bd. II, S. 362; Horn, S. 91; Reuter, S. 44; RGRK / Al!!, § 255 Rdnr. 4; Schlegelberger, S. 142; Staudinger / Werner, § 255 Rdnr. 16 u. a. m.; s. auch unten, Fn. 21.

2.2. Abtretung der Ersatzansprüche (§ 255 BGB)

159

(Wenn jemand nur in einer bestimmten Weise zu leisten braucht, ist dies etwas anderes, als wenn er - wie bei der Zug-um-Zug-Einrede - unter der Voraussetzung der Geltendmachung eines Gegenrechts den gegen sich gerichteten Anspruch beschränken kann.) Erman / Sirp, § 255 Rdnr.l: § 255 gewährt "dem Verpflichteten als selbständige Gegenansprüche Rechte auf Zurückbehaltung und Abtretung ... " - (Das sog. Zurückbehaltungsrecht ist immer eine Einrede und niemals ein (Gegen-)Anspruch. Zudem ist dem BGB

eine Konstruktion fremd, bei der mit ein und derselben Bestimmung sowohl ein selbständiges Einrede- als auch Forderungsrecht normiert wird.)

Henle, Bd. 11, S. 362: § 255 BGB ist ein dilatorisches Leistungsverweigerungsrecht, das zur Abweisung der Klage führt. Es handelt sich dabei um eine "anspruchsschwangere" Einrede, die im Fall der Erfüllung der einredebehafteten Forderung sich ihrerseits zu einer Forderung auswächst. (Einen solchen dogmatischen "Zwitter" gibt es nicht.) Horn 1e

S. 45 ff.: Geht ohne weiteres von einem Recht des Ersatzpflichtigen auf Abtretung aus. - (Im Gesetz steht davon nichts.) S. 63: "Das Recht auf Abtretung hat die Leistung von Schadensersatz zur Vor-

aussetzung." S. 66: "Fordert der Gläubiger das volle Interesse, wozu er berechtigt ist, so ist

er zur Abtretung verpflichtet. Diese Pflicht tritt ... erst hervor, wenn Ersatzschuldner das Recht auf Abtretung geltend gemacht hat." S. 88: "Das Recht des Beklagten (sc. Ersatzpflichtigen) stellt sich dar als ... die Einrede des Zurückbehaltungsrechts. Es handelt sich um einen fälligen Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger ... § 273 BGB20." - (Wie ist die Annahme eines fälligen Anspruchs mit dem auf S. 63 Gesagten zu vereinbaren?) S. 91: "Das Recht (sc. Abtretung zu fordern) ist ein durch die Leistung vollen Ersatzes bedingtes, es wird durch Bewirkung der Leistung unbedingt. Jeder Teil kann, wie beim gegenseitigen Vertrage, die Leistung nur gegen die vertragsmäßige (?) Gegenleistung fordern." - (Unvereinbar mit dem auf S. 88 Gesagten.) S. 93: "Nach der Absicht des § 255 erzeugt die vollständige Ersatzleistung nicht nur ein Recht auf sofortige, sondern auch auf nachträgliche Abtretung." - (Wenn Ersatz geleistet wurde, kann es sich immer nur um eine nachträgliche Abtretung handeln.) 18 Eine selbständige Einrede nehmen cum grano salis - z. B. noch an: RGZ 59, 367 (371); BGHZ 27, 241 (249) und oben, im Text; LG Berlin, NJW 58, 1877; Erman I Sirp, § 255 Rdnr. 1 (s. auch im Text); Hellmann, S. 199; H enle (s. unten, im Text); Kohler, Bd. I, S. 193; Leonhard, Bd. I, S. 254; Reuter, S. 45; Schoenenberg, S. 25; Weimar, JR 59, 92; Wolf, Bd. I, S. 368 (aber unklar, s. unten, im Text). 19 Dessen Arbeit trägt bezeichnenderweise schon den Titel "Das Recht des Schadensersatzpflichtigen auf Abtretung der Ansprüche ... " 20 Ein nach § 273 Abs. 1 BGB begründbares Zurückbehaltungsrecht nehmen z. B. auch noch an Esser I Schmidt, Bd. 1/2, § 33 V 2.2. (S. 196 f.); Fischer, S. 256; MüKo I Grunsky, § 255 Rdnr. 5; Neumann, § 255 Anm. 1; Oertmann, § 255 Anm. 3; Palandt I Heinrichs, § 255 Anm. 3; Schollmeyer, § 255 Anm. 4 (s. aber auch unten, im Text); Staudinger I Werner, § 255 Rdnr. 15.

160

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprucb.e

Larenz, Bd. I, § 32 I (S. 439): Ersatzverpjlichteter kann verlangen21 , daß ihm Zug um Zug gegen die Ersatz-

leistung die Anspruche des Ersatzberechtigten abgetreten werden. zeswortlaut!)

(Geset-

Schollmeyer, § 255 Anm. 4:

Es besteht eine gesetzliche "Verpjlichtung zur Abtretung der Anspruche". "Klagt der Ersatzberechtigte auf vollen Schadensersatz, so ist der Antrag von vornherein auf Leistung von Schadensersatz gegen Abtretung der Ansprüche zu richten." Bei § 255 BGB "handelt es sich nur tim. einen Anwendungsfall des Zurückbehaltungsrechtes (§ 273 Abs. 1) und ein Recht, auf Abtretung . .. steht ihm nicht zu. - (Diese Äußerungen paralysieren sich gegenseitig.) Wolf, Bd. I, S. 368:

§ 255 BGB ist eine "gesetzliche Zurückhaltungsberechtigung". "Ein Zuruckbehaltungsrecht entsteht nur, wenn ein fälliger Gegenanspruch existiert (vgl. § 273 I BGB). Das gilt auch für ... § 255. In dieser Bestimmung ist vorausgesetzt, daß dem Schadensersatzpflichtigen ein Anspruch auf Abtretung ... zusteht." - (Diese Ausführung ist zum einen widerspruchlich und enthält zum anderen zugleich einen Zirkelschluß.)

Dieser Vielfalt unterschiedlichster und nicht näher belegter Meinungen steht der Versuch Breuers gegenüber, die Rechtsfolge des § 255 BGB aus dessen Entstehungsgeschichte und Zweck dogmatisch zu begründen!2. Breuer gelangt zu dem Ergebnis, daß der Ersatzverpflichtete erst dann ein selbständiges Forderungsrecht auf Abtretung der Ansprüche erwirbt, wenn er seinerseits Schadensersatz geleistet hat. Aus diesem Grund verneint er ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB. Damit bleibt seiner Meinung nach nur die Alternative übrig, in § 255 BGB eine sonstige Einrede oder aber die Anordnung einer Vorleistungspflicht des Ersatzverpflichteten zu sehen. Zwischen dies.en beiden Möglichkeiten entscheidet er sich zugunsten der zweiten, denn "für den besonderen (sie!) Fall, daß jemand ,für Verlust einer Sache oder eines Rechts' Schaden zu ersetzen hat, die Anormalität eines Verweigerungsrechts anzunehmen, ist kein Grund vorhanden"23. Damit lehnt er jede Einschränkung oder Einschränkungsmöglichkeit der Schadensersatzforderung des 21 Von einer nicht erst nachträglich gegebenen, selbständigen Abtretungsforderung. bzw. -pflicht sprechen ferner z. B. Crome oben, im Text; Dernburg, Bd. lI/I, § 34 I (S. 94 f.); Erman / Sirp oben, im Text; Fischer, S. 256; ders., FS Zitelmann,S. 38 f. (passim); HeUwig, Anspruch, S. 354. Fn. 18 (unverständlich, weshalb er für§ 410 BGB anderer Meinung ist); Münchbach, S. 83 ff., 106 ff. (passim); Planck / Siber, § 255 Anm. 2 a (anders aber Anm. 4); Reeb, JuS 70, 214; RGRK fAlff, § 255 Rdnr. 1; Selb, FS Larenz, S. 519 ff., 548; Soergel! Schrnidt, § 255 Rdnr. 5; Staudinger / Werner, § 255 Rdnr. 1, 9, 15; Wolffenstein, S. 45 (s. auch unten, Fn. 25); ferner die oben, in Fn. 20 Genannten. !! S. 65 ff. !8 S. 69. Breuer spricht schon im Zusammenhang mit § 273 BGB von "rechtlicher Abnormität" (S. 59), ohne allerdings zu sagen, was denn daran so abnorm ist.

2.2. Abtretung der Ersatzansprüche (§ 255 BGB)

161

Berechtigten ab. Dieser kann, von § 255 BGB unbeschadet, Ersatzleistung schlechthin beanspruchen; eine Verteidigungsmöglichkeit steht dem dazu Verpflichteten nicht zu. Dieses Ergebnis wird weder vom Gesetzeswortlaut noch - wie Breuer meint - von "der Idee, dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des §"24 gerechtfertigt. Es ist überhaupt nur unter der Voraussetzung eines selbständigen, nachträglichen Anspruchs auf Abtretung denkbar. Für einen solchen ergibt sich unmittelbar aus § 255 BGB nichts. Für das "Hineininterpretieren"25 bleibt Breuer den dazu zumindest erforderlichen Nachweis sachlicher Notwendigkeit schuldig. Er verkennt ferner, daß das Besondere der Sachlage, aus dem heraus sich § 255 BGB rechtfertigt, nicht im "Verlust einer Sache ... " sondern in der mehrfachen Ersatzberechtigung des Verletzten ohne wechselseitige Tilgungsgemeinschaft der Ersatzschuldner liegt. Die Möglichkeit eines ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruchs wird von Breuer nicht gesehen. Daher gelangt er überhaupt nicht zu der Frage, ob nicht allein die Leistung Zug um Zug den Zweck des § 255 optimal verwirklicht. Des weiteren sagt er nirgends, wie sich seine Annahme einer Vorleistungspflicht mit der Tatsache verträgt, daß im § 223 des ersten Entwurfs eine cessio legis und damit absolute Gleichzeitigkeit von Leistung und Gegen"leistung" vorgesehen war und hiervon nur deshalb Abstand genommen wurde, weil sich daraus Unsicherheiten über den Zeitpunkt des Forderungsübergangs ergeben könnten, die bei einer rechtsgeschäftlichen Abtretung zu vermeiden sind 28 • Trotz ihrer relativen Breite können auch die Ausführungen von Breuer insgesamt nicht überzeugen.

2.2.2. Eigene Meinung zur Rechtsfolge und dogmatischen Konstruktion des § 255 BGB Vergleicht man die Fassung des § 255 BGB mit der des § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB, ergibt sich, daß der Gesetzeswortlaut in beiden Fällen inhaltlich identisch ist: Der Ersatzpflichtige (Schuldner) ist dem Ersatzberechtigten (Neugläubiger) zum Ersatz (Leistung) nur gegen Abtretung (Aushändigung) verpflichtet. Daraus folgt unmittelbar, daß das bei § 410 Abs.l Satz 1 BGB zur dogmatischen Konstruktion Ausgeführte2 7 , zumindest soweit es sich aus der Gesetzesfassung ergab, für § 255 BGB ebenfalls gelten muß. § 255 BGB enthält ebensowenig wie § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB ein selbständiges, anspruchsbeschränkendes Einrederecht28 • Mit seiner Formulie24

S.65.

Vgl. auch Wolffenstein, S. 45, der dies wohl der Verpflichtung des Ersatzschuldners zur Leistung Zug um Zug entnehmen will. 28 Vgl. Mugdan, Bd. II, S. 519 (Prot.); Horn, S. 49 f.; Laband, AcP 73 (1888) 25

182 ff. 17

s. oben, Kap. 111. 2.6.2.2.

11 Oesterle

162

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

rung "Wer ... Schadensersatz zu leisten hat" nimmt er auf die Anspruchsgrundlage des Ersatzberechtigten und die danach bestehende Schuldnerverpflichtung zur Ersatzleistung schlechthin Bezug. Bei Vorliegen seiner weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfährt diese Verpflichtung und damit die Forderungsberechtigung des Geschädigten eine Änderung dahingehend, daß der Ersatzschuldner nunmehr "nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet" ist29 • Mit einer solchen Regelung gibt § 255 BGB nichts dafür her, was seine Charakterisierung als Einrede rechtfertigen könnte. Auch aus seiner EntstehungsgeschichteSO folgt nichts, was andeuten würde, daß er in diesem Sinne verstanden werden sollte. Desgleichen sind sachliche Gründe nicht ersichtlich, die in Richtung "Einrede" weisen würdensI. So muß es letztlich im Verborgenen bleiben, weshalb § 255 BGB gleichwohl häufig als selbständiges Einrederecht angesehen wirdS2• Aufgrund des § 255 BGB kann der Ersatzverpflichtete auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen. Sollte die materielle Berechtigung des Gläubigers nach § 255 BGB nur auf Leistung Zug um Zug gerichtet sein, würde die Einrede nach § 273 Abs. 1 BGB ohnehin "offene Türen eintreten"33. Aber einmal ganz abgesehen davon, fehlt es zur Annahme eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB an einem Gegenanspruch34 . Aufgrund des § 255 BGB hat der Ersatzschuldner nichts zu fordern. Die von der Kommission für die zweite Lesung beschlossene Fassung sah zwar vor, daß der Ersatzverpflichtete "von dem Ersatzberechtigten gegen Leistung des Schadensersatzes Abtretung der Ansprüche verlangen kann"35. Wohlweislich hat man dies jedoch nicht Gesetz werden lassen. Es wäre vollkommen uneinsichtig, 28 Sowohl eine selbständige als auch eine nach § 273 BGB begründete Einrede wird von Breuer, S. 68 f. (s. oben, nach Fn. 22); Endemann, Bd. I, § 88 3 a (S. 516) Fn. 33 b; Friedenthal, S. 49 f.; Planck / Siber, § 255 Anm. 4 und Schlegelberger, S. 142, ausdrücklich; von Jahr, JuS 64, 125 f. (nur selbständige Einrede) und Steininger, S'. 33 konkludent abgelehnt. - Unklar sind insoweit Cosack / Mitteis, Bd. I, § 147 IV (S. 402); Dernburg, Bd. lI/I, § 34 I (S. 94 f.); Larenz, Bd. I, § 32 I (S. 439); Thiele, JuS 68, 153 f. 29 Zu Unrecht bezeichnet Breuer, S. 66 Fn. 2 die Fassung des § 255 BGB auch

insoweit als "verunglückt". 30 Im einzelnen dazu Selb, FS Larenz, S. 523 ff. 31 s. oben, Kap. 111. 2.6.2.2. 32 s. oben, Fn. 18. 33 Zur möglichen Bedeutung eines begründbaren Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich des Verständnisses der Formulierung "Ersatz gegen Abtretung" s. oben, Kap. 111. 2.6.2.3. und unten, bei Fn. 45. 34 Einen Abtretungsanspruch vor bewirkter Ersatzleistung verneinen auch (teils weitergehend) LG Berlin, NJW 58, 1877; Breuer, S. 67; Endemann; Friedenthal; Langheineken; Planck / Siber; Schlegelberger (alle oben, Fn. 28); ferner Henle, Bd. 11, S. 362; Reuter, S. 45; Schoenenberg, S. 25. Wohl auch RGZ 59, 367 (371). - Zur Gegenmeinung s. oben, Fn. 21. 35 Mugdan, Bd. 11, S. 519 (Prot.).

2.2. Abtretung der Ersatzansprüche (§ 255 BGB)

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weshalb der Ersatzpflichtige dem Berechtigten von vornherein und VOI). sich aus den Anspruch entziehen können sollte, den der Ersatzberechtigte gegen den Dritten hat. Dem Berechtigten muß die Wahl bleiben, gegen welchen von mehreren Schuldnern er vorgehen will. § 255 BGB nunmehr grade im Sinne der nicht Gesetz gewordenen Fassung verstehen zu wollen, ist sachlich nicht zu rechtfertigen88 • Ferner ist schon' wegen der Begrenzung ausdehnender Auslegung durch den möglichen Wortsinn der Gesetzesformulierung87 die Annahme eines selbständigen Forderungsrechts des Ersatzverpflichteten nach § 255 BGB unvertretbars. Dies gilt ebenso für die Befürwortung eines erst nach erfolgter Ersatzleistung begründeten Zessionsanspruchs39 • Auch für einen solchen Anspruch gibt § 255 BGB nichts her. Die Verpflichtung zur Leistung gegen Gegenleistung trägt eben nicht per se den Keim eines Anspruchs auf die Gegenleistung in sich; sie ist nicht dergestalt "anspruchsschwanger"40, daß sie sich im Falle ihrer Erfüllung ihrerseits zu einer Forderung auswächst41 • Niemand würde doch etwa auch auf den Gedanken kommen, daß derjenige, der zur Erfüllung einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht eine nicht (so) geschuldete Leistung bewirkt, diese bereits aufgrund seines Verpflichtungstatbestands wieder zurückfordern kann. Zur Korrektur von solchen fehlerhaften Leistungsvorgängen enthält das BGB mit den §§ 812 ff. ein besonderes Instrumentarium. Für die Leistungspflicht gegen Gegenleistung gilt nichts anderes. Wer ohne Berücksichtigung der Gegenleistung schlechthin leistet, führt zwar den geschuldeten Rechtserfolg herbei, hat jedoch gleichwohl eine andersartige Pflicht, die überhaupt nicht bestand, nur vermeintlich erfüllt. Zum Anspruchs38 Das LG Berlin, NJW 58, 1877 führt insoweit zutreffend aus: "Es fehlt an jedem rechtspolitischen Grund, den Berechtigten für verpflichtet zu halten, die Entschädigung annehmen und seine Herausgabeansprüche aufgeben zu müssen. Ein Recht dies verlangen zu können, gibt § 255 dem Verpflichteten nicht, ... ". - Vgl. auch die Rechtslage bei der VorteUsausgleichung und der Schadensersatzabwicklung nach der eingeschränkten Differenztheorie, s. dazu unten, 3. und Kap. V. 2.3. 37 s. schon oben, Kap. HI. 2.6.2.3. (bei Fn. 284). 38 Auch ohne die Bindung an eine bestimmte Gesetzesfassung wird man von der Sache her bei der Vorteilsausgleichung ebenfalls einen selbständigen Anspruch auf Herausgabe des Vorteils zu verneinen haben, s. dazu unten, 3. SQ Wie hier Langheineken, S. 309; Planck I Siber, § 255 Anm. 4; Schollmeyer, (s. oben, 2.2.1., aber widersprüchlich). - Dagegen die ganz h. M. (s. oben, Fn. 17, 21), die sich damit aber in Widerspruch zu ihrer einhelligen Ablehnung eines Aushändigungsanspruchs bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt. Die hier wie dort gleichlautende Formulierung des Gesetzes läßt sich aber nicht einfach in gegenteiligem Sinne verstehen. 40 Vgl. Henle, Bd. H, S. 362; s. auch oben, Kap. In. 2.6.2.3. 41 Anders verhält es sich, wenn derjenige, der nur Leistung Zug um Zug zu fordern berechtigt ist, seinerseits mit der Gegenleistung vorangeht; er kann dann selbstverständlich Leistung schlechthin beanspruchen. Denn er bringt mit seiner Vorleistung nur eine Beschränkung seiner schon gegebenen Forderungsberechtigung in Wegfall, nicht aber begründet er damit erst eine solche.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

inhalt des Gläubigers gehört nicht allein der Leistungserfolg sondern auch die Art und Weise, wie dieser geschuldet wird, m. a. W. die Leistungsart. Wurde nicht insgesamt dementsprechend geleistet, wurde eine nicht (so) geschuldete Leistung bewirkt. Auch diese Fälle werden grundsätzlich von der condictio indebiti erfaßt und sind mit ihrer Hilfe zu korrigieren42 . Der nicht Leistung schlechthin schuldende Ersatzverpflichtete, der gleichwohl mit seiner Leistung voranging, hat einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB43. Diesen Bereicherungsanspruch mag der Ersatzberechtigte dadurch abwenden, daß er seine gegen Dritte bestehenden Ansprüche zediert'4 und dadurch den vollen Rechtsgrund für die erfolgte Ersatzleistung schafft. Nur wer hier vorschnell urteilt, kann glauben, die Dogmatik auf dem heute allzu gerne in den Vordergrund geschobenen Altar vermeintlicher Zweckmäßigkeit opfern zu müssen. Festzuhalten ist also, daß § 255 BGB keine selbständige Einrede darstellt. Er enthält seinem Wortlaut entsprechend, ebenso wie § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB, eine unmittelbare, ipso iure bestehende Regelung der materiellen Verpflichtung des Ersatzschuldners und damit zugleich der Forderungsberechtigung des Ersatzgläubigers. Ferner folgt aus § 255 BGB niemals ein eigenes Forderungsrecht des Verpflichteten, so daß auch nach § 273 Abs. 1 BGB eine Zurückbehaltungseinrede nicht begründet werden kann. Aus diesem Grund ist die noch offene Entscheidung hinsichtlich des tatsächlichen Inhalts der Wendung "Ersatz gegen Abtretung" nicht schon präjudiziert45 • Unter den Tatbestandsvoraussetzungen des § 255 BGB ist somit einzig und allein ein ursprünglich auf Leistung gegen Gegenleistung geänderter Ersatzanspruch des Geschädigten gege42 Richtig Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 391 Fn. 24 m. w. N. (zu Art. 39 WO); Zaeschmar, S. 65 f. (für einen anderen - allerdings zu Unrecht angenommenen - Fall eines ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Forderungsrechts) ; vgl. auch BGHZ 41, 98 (100 f.) und oben, Kap. III. 2.6.2.2.; ferner unten, 2.5.1.2. und dort Fn. 206. 43 Ebenso für die Vorteilsausgleichung (s. unten, 3.) Planck / Siber, § 249 Anm. 5 a a. E. - Der Weg über § 812 BGB hat im Rahmen des § 255 BGB zudem den Vorteil, daß der Ersatzpflichtige, der vorgeleistet hat, dann, wenn der Ersatzberechtigte die Sache zurückerlangt, unzweifelhaft seine Ersatzleistung herausverlangen kann und sich nicht mit der Herausgabe der Sache begnügen muß. Damit ist zumindest für diese Sachlage ein dem Grundsatz der Naturalrestitution entsprechendes Ergebnis dogmatisch einwandfrei zu begründen. - Zu den ansonsten bestehenden Schwierigkeiten vgl. Reeb, JuS 70, 214 ff. Diese Schwierigkeiten ergeben sich zwar auch nach der hier vertretenen Meinung, wenn der Ersatzpflichtige entsprechend seiner Verpflichtung leistete und dann die Sache wieder auftaucht; aber eben nur dann. Diese - wenn auch bescheidene - Verminderung möglicher Problemlagen bei § 255 BGB ist die erfreuliche Begleiterscheinung eines so einfachen wie "sauberen" dogmatischen Verständnisses dieser Vorschrift. U Daß diese Ansprüche durch die Ersatzleistung nicht untergehen, setzt § 255 BGB als Prämisse voraus. 45 s. oben, Kap. III. 2.6.2.3.

2.2. Abtretung der Ersatzansprüche (§ 255 BGB)

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ben48 • Bleibt nun noch die Frage zu klären, ob es sich bei dieser Änderung um eine "Zug um Zug"-Leistungsbeschränkung handelt. Sie ist anders als die dogmatische Konstruktion nicht zwangsläufig im seI ben Sinne wie bei § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB zu entscheiden. Da "Leistung gegen Gegenleistung" unterschiedlich zu verstehen und jeweils dem Normzweck entsprechend auszulegen ist, wäre eine solche Zwangsläufigkeit nur bei identischem Gesetzeszweck der Fall. Ein solcher ist aber ganz offensichtlich nicht gegeben. Ob ein Zug-um-Zug-Anspruch vorliegt, ist für § 255 BGB isoliert zu entscheiden. § 255 BGB ist kein gesetzlich normierter, unmittelbarer Anwendungsfall der Vorteilsausgleichung47, denn bei dem abzutretenden Ersatzanspruch handelt es sich nicht um einen auszugleichenden "Vorteil" in deren Sinne48 • § 255 BGB beruht jedoch insoweit auf demselben Rechtsgedanken wie die Vorteilsausgleichung, als er unter anderem auch den Ausschluß einer Bereicherung des Geschädigten bezweckt4'. Gerade dieses Ziel vermag eine Auslegung der Formulierung "Ersatz gegen Abtretung" im Sinne von "Ersatz Zug um Zug gegen Abtretung" optima] zu verwirklichen 50 • Nur mit einer auf Leistung Zug um Zug lautenden Einschränkung läßt sich nämlich der Eintritt einer Bereicherung auf seiten des Ersatzberechtigten bereits von vornherein ausschließen. Daß eben dies von § 255 BGB verhindert werden soll, folgt zwingend daraus, daß § 223 des ersten Entwurfs eine cessio legis vorsah und hiervon nur aus Praktikabilitätsgründen abgegangen wurde s1 . Eine cessio legis hätte einen synchronen Austausch von Leistung und Gegen"leistung" bewirkt. Zu einer Bereicherung des Geschädigten hätte es nie kommen können, und beide Seiten wären hinsichtlich des Erhalts der Leistung des jeweils anderen Teils in der bestmöglichen Weise geSichert gewesen. Einen in 41 Insoweit wie hier Langheineken, S. 308 f. und wohl auch Planck I Siber, 255 Anm. 4 (s. aber oben, Fn. 2,1); ferner Lange, § 11 A 111 (8. 423: Der zum Wertersatz Verpflichtete "braucht gern. § 255 nur zu leisten, wenn er die ... bestehenden Herausgabeansprüche abgetreten erhält"). - Ausdrücklich gegen die hier vertretene Auffassung etwa Schoenenberg, S. 25. 47 Heute ganz h. M. - A. M. Fischer, S. 247 ff.; ders., FS Zitelmann, S. 38 f.; Schollmeyer, § 252 Anm. 6 ("Anwendungen der compensatio lucri cum damno flnden sich in §§ 255, 281 "). 48 Oertmann, Vorteilsausgleichung, S. 276; ders., § 255 Anm. 1; Planck I Siber, § 249 Anm. 5; Staudinger I Werner, § 255 Rdnr. 8; vgl. auch BGHZ 60, 353 (358); 49, 56 (61 f.). - Unrichtige Begründung bei Erman I Sirp, § 255 Rdnr.1. 48 Vgl. Mugdan, Bd. 11, S. 13; ferner z. B. BGHZ 60, 353 (358); RGZ 53, 327 (328 f.); Palandt I Heinrichs, § 255 Anm. 1; RGRK I Alff, § 255 Rdnr. 1; h. M. Zu pauschal aber Wolf, Bd. I, S. 368. 50 A. M. Breuer, S. 68 und Henle (zu beiden s. oben, 2.2.1.). Wie hier die h. M., wenn auch aufgrund einer anderen dogmatischen Konstruktion; wohl auch Langheineken, S. 308 f. 51 s. oben, 2.2.1. (vor Fn. 26).

§

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dieser Beziehung fastö2 gleichwertigen Ersatz für die "unhandliche" cessio legis bietet die Leistung Zug um Zug mit dem ihr immanenten Gleichzeitigkeitserfordernis. Interessen der Beteiligten, die billigerweise gegen sie sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Daß sich hier Leistung und Gegenleistung final im Sinne des hier vertretenen "Zug um Zug"Leistungsbegriffs gegenüber stehen, ist nicht zu bezweifeln, so daß die Annahme einer Leistung Zug um Zug auch im übereinklang mit dem "Regel"-Verständnis der beiderseits vermögensbezogenen Leistung ge·· gen Gegenleistung steht. Daran ändert allein der Umstand nichts, daß die Realisierung des abzutretenden Anspruchs möglicherweise unsicher ist. 2.2.3. Ergebnis zu § 255 BGB Als Ergebnis haben wir für § 255 BGB festzustellen, daß unter seinen Voraussetzungen der Geschädigte nur einen ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten, materiellen Ersatzanspruch hat63 • Dies deckt sich mit der Sach- und Rechtslage bei der mit § 255 BGB vom Rechtsgedanken her verwandten Vorteilsausgleichung, wenn in deren Rahmen die Vorteile nicht anzurechnen sondern herauszugeben sind5f• Die unserem Ergebnis gegenüberstehende herrschende Meinung muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie sich mit ihrer Annahme einer selbständigen oder nach § 273 BGB begründbaren Zug-um-Zug-Ein52 Um einen nur "fast" gleichwertigen Ersatz handelt es sich, weil Gleichzeitigkeit und damit die beiderseitige Sicherung mit der cessio legis automatisch zu erzielen gewesen wären, während das Gleichzeitigkeitserfordernis im Rahmen der Leistung Zug um Zug gerade im Fall des § 255 BGB (Einigung über die Abtretung gegen [i. d. R] Sach- bzw. Geldleistung) nicht so einfach zu wahren ist. Ist kein Teil zur Vorleistung bereit, wird hier nicht ohne einen Sicherungsmechanismus auszukommen sein, der das Gleichzeitigkeitserfordernis in adäquater Weise zu ersetzen geeignet ist (s. oben, Kap. 1. 2.3.2.). Man wird es in diesem Fall also zumeist mit einer Leistung Zug um Zug im weiteren Sinne zu tun haben (s. oben, Kap. 1. 2.4.). Auch in der Vollstreckung des auf Leistung Zug um Zug lautenden Urteils zeigt sich, daß diese Leistungsart in ihrer Sicherungsfunktion zugunsten des Ersatzverpflichteten hinter derjenigen der cessio legis zurückbleibt. Denn bei der cessio legis würden die Ansprüche des Ersatzberechtigten auf jeden Fall mit Eintritt dessen zwangsweiser Befriedigung auf den Ersatzschuldner übergegangen sein. Nicht so bei der Vollstreckung des "Zug um Zug"-Urteils. Hält man mit der ganz einhelligen Meinung die §§ 756, 765 ZPO auch auf die Fälle der Zug-um-Zug-Ansprüche für anwendbar (dagegen aber oben, Kap. III Fn. 76 und 109), besteht die Möglichkeit, daß der Ersatzgläubiger seine zwangsweise Befriedigung erreicht, ohne damit notwendigerweise auch seine gegen Dritte bestehenden Ersatzansprüche "aus der Hand gegeben" zu haben. Dieses mögliche, sachlich aber nicht gerechtfertigte Ergebnis scheint mir die oben, Kap. III Fn. 76 und 109 vorgebrachten Bedenken zu stützen. 53 Völlig unhaltbar ist die Meinung Henles (s. oben, 2.2.1.). Wie er anzunehmen, der Ersatzberechtigte hätte vorzuleisten und damit seine Ansprüche gegen Dritte unter Inkaufnahme des Insolvenzrisikos des Ersatzpflichtigen aufzugeben, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. 54 Dazu unten, 3.

2.3. Die Rückgabe der Draufgabe (§§ 337, 338 BGB)

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rede in Widerspruch zum Gesetz setzt, ohne dies zu erkennen, geschweige denn, es argumentativ zu bewältigen. In dieser Form kann sie, auch wenn sie weiterhin herrschend bleiben wird, nicht überzeugen. 2.3. Die Rückgabe der Draufgabe,

§ 337 Abs. 1 2. Fall und § 338 Satz 2 2. Fall BGB

Den §§ 336 ff. BGB kam unter Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuches zu keiner Zeit eine große entscheidungserhebliche Aufgabe ZU55 • Mag die Draufgabe auch noch vereinzelt bei der Einstellung von Hausangestellten und Viehkäufen vorkommen, so ist doch ihre praktische Relevanz im Laufe der Zeit fast vollständig verschwunden. Als römisch- und gemeinrechtliches Relikt, das nicht mehr in den heutigen Rechts- und Geschäftsverkehr paßt, gewinnt sie hier, lediglich deshalb Bedeutung, weil sie in den §§ 337 f. BGB eben als möglicher Gegenstand einer Leistung Zug um Zug auftaucht, und, soweit es um die Erfassung deren Grundlagen geht, im Rahmen dieser Arbeit größtmögliche Vollständigkeit angestrebt wird. Mehr als das unbedingt Notwendige wird aber nicht dazu gesagt werden können. Ist bisher zur Konstruktion und zum tatsächlichen Inhalt der Rechtsfolge der §§ 337 Abs. 1 2. Fall, 338 Satz 2 2. Fall BGB überhaupt etwas veröffentlicht worden, gehen die Meinungen auch hier wiederum unüberlegt und ohne erkennbare gegenseitige Beachtung, geschweige denn Kritik, auseinander. Schoenenberg meint, "im Moment des Erfüllungsbeginnes"56 durch den Geber der Draufgabe könne dieser dIe Herausgabe verlangen, da in diesem Augenblick der mit der Draufgabe verfolgte Zweck, nämlich als Beweismittel für den Abschluß des Vertrages zu dienen, entfallen sei57 • Dieser Herausgabeanspruch soll dann offenbar ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) an der vollständigen Erfüllung begründen58• Weniger umständlich Steininger, der in § 337 BGB ein selbständiges "positives" Zurückbehaltungsrecht findet 59 • Oertmann zufolge kann der Geber auf Rückgabe klagen, aber auch seine Hauptleistung nach § 273 .BGB zurückbehaltenGo. Schollmeyer hält den Empfänger der Draufgabe zur Rückgabe Zug um Zug gegen Leistung des Gebers für verpflichtet6 t, während Langheineken umgekehrt den Geber nur gegen Rückgabe der Draufgabe zur Leistung verpflichte1;62. 55 Vgl. die einigen wenigen Rechtsprechungsnachweise bei Stau dinger / Kaduk, Vorbem. zu §§ 336 - 338 und die Anm. zu §§ 336 ff. 58 Damit soll wohl "Beginn der Leistungsbewirkung" gemeint sein. 57 S.31. 58 S.38. SD S. 33-; ebenso Fulda, S. 49. 80 § 337 Anm. 2. n § 337 Anm. 1. 82 S. 308 (für § 338 Satz 2 BGB).

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Sofern die Auslegungsregeln der §§ 337 f. BGB nicht durch einen entgegenstehenden Partei willen entkräftet werden, ist folgendes anzunehmen. Einen Anspruch auf Rückgewähr der Draufgabe schlechthin erwirbt der Geber bei § 337 Abs.l 2. Fall BGB nicht bereits mit der "begonnenen Erfüllung" (Schoenenberg), sondern erst nachdem er seine Leistung vollständig bewirkt hat. Denn die Draufgabe dient nicht allein dem Nachweis des erfolgten Vertrags schlusses, sondern - wie sich aus § 338 BGB ergibt - daneben auch dem Zweck, den Geber zur obligationsgemäßen Leistungserbringung anzuhalten63 • Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn der Geber, bevor er alles, wozu er verpflichtet ist, getan hat, keinen fälligen Anspruch auf Rückgabe schlechthin hat. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB kommt daher nicht in Betracht. Für ein selbständiges Einrederecht gibt § 337 Abs. 1 2. Fall BGB erst recht nichts her. Mit der Regel "Die Draufgabe ist . .. bei der Erfüllung des Vertrages zurückzugeben" normiert § 337 Abs. 1 2. Fall BGB eine Verpflichtung des Empfängers und eine dementsprechende Berechtigung des Gebers, bei Erfüllung des Vertrages die Rückgabe zu verlangen. Mit "bei Erfüllung ... " kann nichts anderes gemeint sein, als die letzte, dem Erfüllungseintritt unmittelbar vorgelagerte Leistungshandlung des Gebers64 ; zugleich mit ihr ist die Draufgabe zurückzugeben. Dieser gleichzeitige Austausch stellt nichts anderes als ein "Zug um Zug"-LeistungsverhäItnis dar. Keine Seite soll vorleisten müssen. Der Empfänger nicht, weil er nicht sicher sein kann, die geschuldete Leistung zu erhalten; der Geber nicht, weil er es nicht auf sein Risiko zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung65 des Empfängers kommen lassen muß. Was sich bei einer zu der geschuldeten Leistung gleichartigen Draufgabe durch Anrechnung automatisch vollzieht, ist bei Ungleichartigkeit über die "Zug um Zug"Verknüpfung der Rückgewähr der Draufgabe mit der geschuldeten (Gegen-)Leistung zu erreichen. Sobald der Geber leisten darf (§ 271 BGB), kann er somit die Draufgabe Zug um Zug gegen seine Leistung verlangen". Daraus folgt zwar eine spiegelbildliche Verpflichtung des Draufgabeempfängers, nicht aber unmittelbar eine entsprechende Einschränkung seines vertraglichen Forderungsrechts. Der Wortlaut des § 337 Abs. 1 2. Fall BGB legt jedoch auch die Annahme einer solchen Einschränkung nahe. Zwingend ist sie dann, wenn man in Rechnung stellt, daß der Gen Planck / Siber, § 338 Anm. 1 a. A. und 2 a. A.; Staudinger / Kaduk, § 338 Rdnr.1. 84 Vgl. bereits oben, Einl. (bei Fn. 10 ff.). 85 Ob es sich dabei um eine ungerechtfertigte Bereicherung i. S. d. §§ 812 ff. BGB handelt, ist bestr.; vgl. einerseits Erman / H. P. Westermann, § 337 Rdnr. 1 und Planck / Siber, § 337 Anm. 3 m. w. N.: §§ 275 ff. BGB gelten; andererseits Oertmann, § 337 Anm. 3 m. w. N.; RGRK / BaUhaus, § 337 Rdnr. 2 und Staudinger / Kaduk, § 337 Rdnr. 3: §§ 812 ff. BGB gelten. 88 So SchoUmeyer, s. soeben, bei Fn. 61.

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

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ber mit der Draufgabe eine Vorleistung auf seine geschuldete Leistung erbracht hati!7, und diese deshalb bei Gleichartigkeit mit der Draufgabe durch Anrechnung zu kürzen ist. Wird hier die Forderung des Empfängers selbst beeinträchtigt, kann dies im Fall der Ungleichartigkeit von geschuldeter Leistung und Draufgabe nicht anders sein. Auch der Nehmer der Draufgabe kann nur Leistung Zug um Zug gegen deren Rückgabe forderni!8. Bei § 337 Abs. 1 2. Fall BGB handelt es sich somit um wechselseitig gegebene, auf Leistung Zug um Zug beschränkte Forderungsrechte. Die Meinungen von Schollmeyer und Langheineken zusammengenommen ergeben also das hier vertretene Ergebnis. Dient die Draufgabe zum Beweis und zur Verstärkung eines gegenseitigen Vertrages, so ist ihre Rückgabe ohne weiteres in das synallagmatische Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung 69 miteinzubeziehen. Sie bildet dann m. a. W. einen Teil der Leistung bzw. der Gegenleistung. Bei § 338 Satz 2 2. Fall BGB surrogiert die Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung den Primärleistungsanspruch. Es gilt daher genau dasselbe wie für § 337 Abs. 1 2. Fall BGB. Die Nähe dieser Bestimmung zur Schadensersatzabwicklung nach der Differenztheorie, wenn der Berechtigte den "großen" Schaden ersetzt haben will, ist nicht zu übersehen70. Auch von daher ist der ursprünglich auf Leistung Zug um Zug gerichtete Anspruch des ersatzberechtigten Draufgabeempfängers zu rechtfertigen. 2.4. Die Quittungserteilung nach § 368 Satz 1 BGB und ihr Einfluß auf die Forderungsberechtigung des Gläubigers; sowie die Rückgabe des Schuldscheins, § 371 Satz 1 BGB

2.4.1. Allgemeines zur Quittung und zur Bedeutung des § 368 Satz 1 BGB Nach § 368 Satz 1 BGB hat der Gläubiger "gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein schriftliche Empfangsbekenntnis (Quittung) zu erteilen". Danach ist der Erhalt einer jeden geschuldeten Leistung zu quittieren, sofern die Parteien nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen 67 Larenz, Bd. I, 9. Aufl., § 6 I; die Motive sprechen etwas ungenau von "Vorschuß" (Mugdan, Bd. H, S. 152,). - Zum Unterschied dieser Vorleistung gegenüber der Anzahlung oder dem Vorschuß s. Staudinger I Kaduk, § 337 Rdnr. 6; Erman I H. P. Westermann, § 336 Rdnr. 3. 68 So Langheineken, s. oben, bei Fn. 62. Der Geber ist also nicht auf die Geltendmachung eines auf seinen Zug-um-Zug-Rückgabeanspruch gestützten Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB angewiesen. 60 s. dazu unten, Kap. V. 1. 70 Abweichungen bestehen hinsichtlich des Wahlrechts des Ersatzberechtigten und des Ausschlusses einer eigenen Forderungsberechtigung des Ersatzverpflichteten; näher dazu unten, 3. (bei Fn. 383 ff.).

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haben71 • Die Art der geschuldeten Leistung ist also grundsätzlich ohne Einfluß auf die Quittierungspflicht des Gläubigers72 . Aus der Fassung des Gesetzes ergibt sich ferner unmittelbar und zweifelsfrei das, was der Gläubiger mit der Quittung zu bescheinigen hat. Anders als beim Empfangsschein bezeugt der Gläubiger damit nicht nur irgendeine Tatsache im Zusammenhang mit der Leistung, sondern er bekennt damit, gerade die Leistung, auf die er einen Anspruch hat, empfangen zu haben 73 . Die Quittung beinhaltet das Zeugnis des Gläubigers, die erfüllungstaugliche Leistung empfangen zu haben. Der Gläubiger hat somit nicht allein die Tatsache der Leistung, sondern daneben auch ihre Rechtsfolge, die Erfüllung, zu bescheinigen74 . Das rechtliche Gewand, in dem diese Bescheinigung zustande kommt, und die davon abhängige rechtliche Bedeutung der Quittung ist lebhaft umstritten75 . Mit der in der Literatur herrschenden Meinung 76 und der Praxis77 ist davon auszugehen, daß die Quittung, so wie sie nach § 368 BGB zu erteilen ist, ein durch schriftliche Wissenserklärung zustande gekommenes Beweismittel darstellt. Da sie den Gegenbeweis nicht ausschließt, bewirkt sie im Grunde genommen nur eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Erfüllung; deren Nichteintritt hat nunmehr der Gläubiger nachzuweisen. Da § 368 BGB jeden Gläubiger, der eine Leistung zu fordern berechtigt ist, betrifft, und da er sich einer weitverbreiteten Auffassung zufolge in einer ganzen Reihe anderer Bestimmungen wiederfinden so1l78, scheint seinem richtigen Verständnis zunächst weitreichende Bedeutung beizukommen. Tatsächlich jedoch relativiert sich diese, wenn man bedenkt, daß jeder vernünftige Gläubiger bereit ist, den Erhalt der ordnungsgemäßen Leistung zu quittieren. Die unmittelbare Streiterheblichkeit des 71 Vgl. Planck I Siber, § 368 Anm. 3 (Annahme eines kokludenten, vertraglichen Quittungsverzichts bei Geschäften des täglichen Lebens). 72 H. M.; wegen Zweifelsfällen s. Zaeschmar, S. 63 ff. Abw. Endemann, § 141 (S. 798) Fn. 21 für Realaustauschgeschäfte, weil bei diesen keine Obligation begründet würde. 73 Zaeschmar, S. 54 f. (dort auch zum Empfangsbekenntnis, bei dem das Empfangene nicht zum Zwecke der Erfüllung geleistet wird, sondern eine Verpflichtung des Empfängers begründet). 74 Ganz h. M.; vgl. statt aller RGZ 79, 191 (192) und Staudinger I Kaduk, § 368 Rdnr.2. 75 Vgl. die Darstellungen des Meinungsstreites bei Planck I Siber, § 368 Anm. 5 und Staudinger I Kaduk, § 368 Rdnr. 4 ff.; zu den unterschiedlichen Theorien im einzelnen Zaeschmar, S. 26 - 59. 78 s. zur Begr. und zu weiteren Nachw. Planck I Siber, § 368 Anm. 5; SoeTgell Schmidt, § 368 Rdnr. 3; Staudinger I Kaduk, § 368 Rdnr. 4 ff.; ferner auch Vonschott, Gruchot 49 (1905) 21 ff. - Abw. Stötter, MDR 78, 632 (geschäftsähnliche Handlung). 77 st. Rspr.; vgl. BGH, MDR 78, 914 Nr. 23; ferner schon RGZ 14, 235 (242); 108,50 (55 f.) und die weiteren Nachw. bei RGRK I WebeT, § 368 Rdnr. 5; Soergell Schmidt, § 368 Rdnr. 3; Staudinger I Kaduk, § 368 Rdnr. 4 ff. 78 Vgl. dazu unten, 2.5.1.1. (bei Fn. 175 ff.).

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

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primär in § 368 Satz 1 BGB Geregelten ist daher verschwindend gering. Dieser reale Hintergrund ist nicht aus den Augen zu verlieren, wenn im folgenden der dogmatischen Konstruktion und dem Inhalt der Rechtsfolge des § 368 Satz 1 BGB anhand seiner dafür wesentlichen Elemente nachgegangen wird. 2.4.2. Der Stand der Lehre und Rechtsprechung zur Verpflichtung des Gläubigers nach § 368 Satz 1 BGB

Daß unmittelbar aus § 368 Satz 1 BGB allein eine Legalverbindlichkeit des Gläubigers und damit ein kraft Gesetzes gegebenes Forderungsrecht des Schuldners folgt, wird heute nicht mehr bestritten79 • Die vereinzelt, gegen den Gesetzeswortlaut vertretene Meinung, nach der § 368 Satz 1 BGB auch ein selbständiges Retentionsrecht (sc. eine Zug-um-ZugEinrede) sein sollte80, kann als überwunden betrachtet werden. Die nunmehr noch vorhandenen Meinungen lassen sich bei einer Grobeinteilung in drei unterschiedliche Gruppen zusammenfassen. Die erste davon bildet sich hauptsächlich aus dem privatrechtlichen Schrifttum, und die zweite neben der Literatur insbesondere auch aus der Rechtsprechung zum sachlichen Recht. Während diese beiden Gruppen sich im Ergebnis teilweise decken, steht die dritte, zumeist vom Prozeßrecht ausgehende Auffassung in unversöhnlichem Gegensatz zu ihnen. Beklagenswerterweise schenken sich diese entgegengesetzten Meinungspole untereinander fast keine Beachtung81 • 2.4.2.1. Die drei Meinungen im einzelnen Die erste, vom sachlichen Recht ausgehende Meinung n~mmt an, daß der Schuldner, sobald er seine Leistung erbringen darf und die Quittung verlangt hat, einen selbständigen, klagbaren Anspruch auf Quittungserteilung Zug um Zug gegen seine Leistung hat. Dieser ursprüngliche Zug-um-Zug-Anspruch soll ein Zurückbehaltungsrecht des Schuldners an seiner Leistung nach § 273 Abs. 1 BGB begründen8!. Vgl. bereits Vonschott, Gruchot 49 (1905) 26 und dort Fn. 45. So Reuter, S. 46; ferner Fulda, S. 49; Hellwig, Anspruch, S. 3'54 Fn. 18; Kohler, Bd. I, S. 195 (anders noch ders., ArchBürgR 13 [1897] 245); Leonhard, Bd. I, S. 254; Schoenenberg, S. 29 mit 32, 38; widersprüchlich Steininger, S. 33 einerseits und S. 34 f. andererseits. - Vgl. ferner Henle, Bd. II, S. 372, der in § 368 BGB wieder eine "seiner" anspruchsschwangeren Einreden (dazu oben, 2.2.1.) sieht. 81 Dies kritisiert bereits auch Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 380. 82 Mugdan, Bd. II, S. 49 (Mot.); ferner Aron, ZRpflBay 1 (1905) 277; Crome, Bd. II, S. 239 f.; Enneccerus / Lehmann, §§ 64 I 1 (S. 260),25 I 1 a (S.l11) Fn. 1; Esser / Schmidt, § 17 VI 2 (S. 190); Fischer / Henle / Titze, § 368 Anm. 1; Oert-. mann, ZRpflBay 1 (1905) 52 (s. aber auch unten, Fn. 88); Planck / Siber, § 368 Anm. 2; Schollmeyer, § 368 Anm. 1; Soergel / Schmidt, § 368 Rdnr. 1; Staudinger / Kaduk, § 368 Rdnr. 26; Vonschott, Gruchot 49 (1905) 25 f.; Zaeschmar, S. 62, 65; ebenso MilKo / Heinrichs, § 368 Rdnr. 8. 79

80

172

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Sofern die Prämisse stimmt, daß der Anspruch nach § 368 Satz 1 BGB auf Leistung Zug um Zug geht83 , ist diese Auffassung auf den ersten Blick in sich konsequent. Sie geht vor allem mit Recht davon aus, daß die Verpflichtung zur Quittungserteilung Zug um Zug gegen die Schludner(gegen)leistung keine unmittelbaren, per se gegebenen Auswirkungen auf die Forderungsberechtigung des Gläubigers bzw. die Leistungsverpflichtung des Schuldners haben kann 84 • Eine Beeinträchtigung des Gläubigersanspruchs kann hier, wenn überhaupt S5 , nur aufgrund des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB angenommen werden86 • Daß etwa ein ursprünglicher Zug-um-Zug-Anspruch als Gegenleistungsanspruch i. S. d. § 273 Abs. 1 BGB ausscheiden müßte, würde jeder sachlichen Rechtfertigung entbehren und wird - soweit ersichtlich - auch nicht behauptet87 • Die zweite, ebenfalls vom sachlichen Recht ausgehende Meinung steht demgegenüber auf dem Standpunkt, daß der Quittungsanspruch erst mit der Leistung des Schuldners als deren Folge entsteht. Dieses vor Leistung noch nicht existente Forderungsrecht soll gleichwohl ein Gegenanspruch i. S. d. § 273 Abs. 1 BGB sein und danach den Schuldner zur Zurückbehaltung seiner Leistung berechtigen, wenn der Gläubiger die Quittung verweigert88 • Diese Auffassung sieht zwar in § 368 Satz 1 BGB selbst keinen Fall einer Leistung Zug um ZugSI, will aber, zumindest was den Anspruch des Gläubigers betrifft, zu einer dahingehenden Einschränkung über § 273 Abs. 1 BGB gelangen. Dies ist dogmatisch unhaltbar. Nach § 273 Abs. 1 BGB ist unverzichtbare Voraussetzung, daß dem Gläubigeranspruch ein fälligerGegenanspruch des Schuldners gegenübersteht. Davon kann aber keine Rede sein, wenn der Gegenanspruch überhaupt erst mit Erfüllung des Gläubigeranspruchs in Wirksamkeit tritt". Die Substitution des TatDazu unten, 2.4.3. Unrichtig daher OLG Hamburg, OLGRsp 7 (1903) 297 (298), (s. auch oben, Kap. 111, Fn. 268); Langheineken, S. 307 f.; Larenz, Bd. I, § 18 111 (S. 199~; Schlegelberger, S. 141; nach ihnen ist der Schuldner aufgrund des § 368 Satz 1 BGB nurmehr zur Leistung Zug um Zug verpflichtet. Was dann noch die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts (so aber Langheineken, S. 331 und Larenz, Bd. I, § 18 111 [So 199], anders allerdings § 16 4. [So 177], wo er § 273 BGB für § 368 BGB ausdrücklich ablehnt) soll, bleibt verborgen. 85 s. unten, Fn. 129. 86 Diese Erkenntnis schwingt auch in der Argumentation von Oertmann, § 368 Anm. 2 mit, ohne daß er den für sein angestrebtes Ergebnis richtigen Ansatzpunkt gesehen hätte. 87 Vgl. auch oben,. Kap. 111. 2.4.3. 88 RGZ 82, 25 (27); 158, 145 (149); JW 11, 808 Nr. 12; Erman / Sirp, § 368 Rdnr. 4; Oerimann, § 368 Anm. 2; RGRK / Weber, § 368 Rdnr. 2, 4; Warneyer, § 368 Anm. V; wohl auch Paland,t / Heinrichs, § 368 Anm. 3. - Und zu AprLR I 16 § 86 so schon RGZ 28, 434 ff.; s. auch unten, 2.4.3. (bei Fn. 142). 89 Ob zu Recht, dazu unten, 2.4.3. 90 So aber die h. M.; BGH, JZ 79, 404 ff. (dagegen Oesterle, JZ 79, 643 ff.); 88 84

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

173

bestandsmerkmals "Gegenanspruch" durch das Erfordernis "Erfüllungsverweigerung eines künftigen oder in Zukunft fällig werdenden Anspruchs" ist auch mit dem Hinweis auf Treu und Glauben91 nicht zu begründen. Jede Ankündigung, das, was in Zukunft zu erfüllen sein wird, nicht erfüllen zu wollen, verstößt gegen Treu und Glauben. Daß der Schuldner allein schon unter dieser Voraussetzung zur Zurückhaltung nach § 273 BGB berechtigt sein soll, ist ernsthaft nicht zu behauptenU2, denn die untragbare Folge wäre, daß der Gläubiger zur Durchsetzung seines fälligen Hauptanspruchs eine von ihm noch überhaupt nicht geschuldete Gegenleistung erbringen müßte. Wie sich zudem unmittelbar aus §§ 1001 Satz 1 mit 1000 Satz 1 BGB ergibt, geht das Gesetz selbst zwingend davon aus, daß es für den "Gegenanspruch" i. S. d. § 273 Abs. 1 BGB auch nicht ausreicht, daß dieser mit der Erfüllung des Hauptanspruchs wirksam wird. Will man nicht die Gefahr heraufbeschwören, daß § 273 Abs. 1 BGB zu einer ufer- und konturenlosen Vorschrift wird, ist am Erfordernis eines fälligen, existenten Gegenanspruchs ausnahmslos, also auch für § 368 Satz 1 BGB, festzuhalten 93 • Wohin die vom Reichsgericht eingeleitete94 Surrogation des "Gegenanspruchs" durch andere, in § 273 BGB nicht Gesetz gewordenen Erwägungen führt und noch führen mag, belegt eine Entscheidung des OLG Hamburg mit aller Deutlichkeit. Nach ihr muß ein Gegenanspruch des Schuldners dann nicht vorliegen, wenn die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB und damit einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug aus prozeßökonomischen (!) Gründen gerechtfertigt erscheint95 • Nicht genug, daß die RGZ 28, 434 ff.; ferner RG, JW 06,:545 Nr. 10; 12, 1060 Nr. 2; 32, 582 (583) (das RG setzt sich damit aber zu eigenen Ausführungen an anderer stelle in Widerspruch, vgl. RG, Gruchot 47 (1903) 955: § 273 "setzt einen Anspruch voraus, bis zu dessen Erfüllung das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden soll, ... besteht ein solcher Anspruch nicht, ... besteht daher auch kein Zurückbehaltungsrecht") ; Celle, OLGZ 70, 357 (359); OLG Hamburg, NJW 71, 1317 (s. unten, bei Fn. 95); vgl. auch BGHZ 64, 122 (12.7) und dieser Rspr. kritiklos folgend die Kommentare zu § 273 BGB, vgl. statt aller Erman / Sirp, § 273 Rdnr. 15; Planck / Siber, § 273 Anm. 2 a ace. - Zur Unhaltbarkeit der h. M. vgl. auch unten Kap. V. Fn. 110. 91 So RG, JW 11, 808 Nr. 12; ferner BGH, JZ 79, 404 ff. 92 Daß dies allenfalls ganz ausnahmsweise der Fall sein kann, zeigt sich deutlich an § 321 BGB. 83 Deshalb kann auch die versuchte Rechtfertigung des Verzichts auf den Gegenanspruch im Bereich des § 368 Satz 1 BGB von Oertmann, § 368 Anm. 2 nicht überzeugen, zumal er in § 273 Anm. 2 a meint, daß § 273 BGB "nichts Selbständiges gegenüber dem Anspruch ist, sondern auf seiner Grundlage beruht." - Wie hier OLG Hamburg, OLGRsp 7 (1903) 297 f.; Breuer, S. 72; Friedenthal, S. 49 f. (für § 410 BGB); Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382 f.; Reuter, S. 45 f.; Schlegelberger, S. 141; Steininger, S. 33 ff.; allgemein zur Frage" § 273 BGB ohne Gegenanspruch?" s. Freymuth, ZRpflBay 13 (1917) 13,9 ff.

84 s. oben, Fn. 88; ausdrücklich sanktioniert nunmehr von BGH, JZ 79, 404 ff. (s. oben, Fn. 90). 85 NJW 71,1317.

174

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Argumentation mit der Prozeßökonomie im Rahmen des Verfahrensrechts überstrapaziert und teilweise mißbraucht wird, soll sie also jetzt bereits den Verzicht auf Tatbestandsvoraussetzungen in BGB-Normen ermöglichen. Was hiervon zu halten ist, bedarf keiner weiteren Darlegungen. Sieht man in dem Recht, Quittung zu verlangen, keinen Zug-um-ZugAnspruch, ist das gleichwohl erwünschte Ergebnis einer Quittungserteilung Zug um Zug gegen Leistung des Schuldners nicht über § 273 Abs. 1 BGB erreichbar. Die dritte, vorwiegend vom Prozeßrecht ausgehende Auffassung wendet sich ausschließlich gegen die nach den beiden materiellrechtlichen Meinungen mögliche Folge einer Verurteilung des Schuldners zur Leistung Zug um Zug. Sie ist der Ansicht, daß trotz des Rechts auf Quittung das Urteil nur auf Leistung schlechthin lauten könnels, bzw. daß dann, wenn es auf Leistung gegen Quittung ergeht, es sich dabei nicht um eine "echte" Leistung Zug um Zug handeln würden. Die Ablehnung einer Leistung Zug um Zug stützt man auf die überlegung, daß die Quittung mangels eigenen Vermögenswertes keine Gegenleistung lS zumindest aber kein Leistungsäquivalentll sei. Die Vollstrekkung soll nichtsdestotrotz nur mit der Urkunde (Quittung) in der Hand des Gerichtsvollziehers geschehen dürfen, weil dieser ansonsten nicht zur Empfangnahme der freiwilligen Leistung des Schuldners bzw. zur vollständigen Durchführung der Vollstreckung berechtigt sei. Dies alles sei aber, eben weil eine eigentliche Leistung Zug um Zug nicht vorliege, keine Anwendung der §§ 726, 756, 765 ZPOIOO. 18 Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18 und ferner die oben, Kap. IH. Fn. 266 Genannten; vgl. auch die Rspr. zur Wechselaushändigung (Art. 39 Satz 1 WO); z. B. RGZ 36, 96 (105); 37, 1 (5); JW 1894, 64 Nr. 13 und die weiteren Nachw. bei Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 386 Fn. 14 und 391 Fn. 27; ferner Steininger, S. 34 f. - Diese Auffassung beschränkt sich nicht auf § 368 Satz 1 BGB, sondern wird von der prozeßrechtlichen Meinung für alle Normen, die eine Leistung gegen Aushändigung einer Urkunde zum Gegenstand haben, vertreten. e7 LG Düsseldorf, DGVZ 72, 59 (s. dazu bereits oben, Kap. 1. Fn. 119 und Fn. 147); Wieczorek, § 726 Anm. D UI; vgl. ferner OLG Hamburg, OLGRsp 7 (1903) 298; Neumann, § 368 Anm. 1 (er bejaht sowohl einen Quittungsanspruch als auch ein Zurückbehaltungsrecht, verneint aber gleichwohl eine "echte" Leistung Zug um Zug. es So z. B. Sebode, DGVZ 58, 39 (vgl. auch den dort wiedergegebenen Beschluß des LG Berlin, dazu auch oben, Kap.!. Fn. 119); Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18; dagegen Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382 Fn. 3. 91 So z. B. Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 382. 100 Vgl. die in Fn. 96 genannte Rspr.; ferner statt vieler Falkmann / Hubernagel, § 726 Anm. 2 m mit weiteren Nachw.; Sebode, DGVZ 58, 39; Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18 und die Nachw. bei Reuter, S. 51 Fn. 2. Vgl. auch § 62 Nr. 3 GVGA. - Einschränkend Weismann, Bd. 11, S. 34 (nur zur Empfangnahme der freiwilligen Leistung ist Quittung erforderlich), vgl. bereits oben, Kap. I. Fn. 119 und 147. - Hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit der §§ 726, 756, 765 ZPO besteht unter den Prozessualisten weitgehend Einigkeit, wenn auch mit Unterschieden und Widersprüchen im .einzelnen.

2.4. 'Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

175

Diese Meinung hat, was die Ablehnung eines "Zug um Zug"-Urteils und der Einschlägigkeit der §§ 726, 756, 765 ZPO anbelangt, unzweifelhaft gute praktische Erwägungen auf ihrer Seite. Die beiden zuerst dargestellten Auffassungen müssen nämlich konsequenterweise dazu führen, daß, da jeder Schuldner aufgrund des Anspruchs nach § 368 Satz 1 BGB zurückbehaltungsberechtigt ist, bei jeder Leistungsklage grundsätzlich ein "Zug um Zug"-Urteil möglich ist, und der Kläger schon deshalb in der Regel teilweise unterliegen kann. Davor, daß das "Schreckgespenst"lOl einer regelmäßigen Verurteilung zur Leistung Zug um Zug gegen Quittung nicht zur alltäglichen Rechtswirklichkeit wird, schützt nicht - wie Reuter behauptet 102 - die Verkehrssitte und der Anwaltszwang. Die Masse der Leistungsklagen ist - zunächst einmal - bei den Amtsgerichten, somit ohne "notwendigen" Rechtsanwalt, anhängig; und weshalb die Verkehrssitte einem vom Gesetz dem Schuldner ausdrücklich verliehenen Recht entgegenstehen soll, ist schlechthin unerfindlich. Den einzig effektiven Schutz vor diesem "Schreckgespenst" bietet allein ein Verständnis der sachlich-rechtlichen Grundlagen des Quittungsanspruchs, nach dem die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug vom Gesetz von vornherein nicht getragen wird und deshalb überhaupt nicht Rechtswirklichkeit werden kann. In etwa diesen Weg versucht die prozessuale Auffassung zu gehen, allerdings gelingt ihr dabei die dogmatische Verarbeitung des gewünschten Ergebnisses nicht. Für die tatbestandsmäßige Verneinung der §§ 726, 756, 765 ZPO mag man es - wenn auch zu Unrechtl 03 - für ausreichend halten wollen, mit einer ausschließlich begrifflichen Argumentation eine "echte" Leistung Zug um Zug abzulehnen. Dabei bleibt aber auf jeden Fall völlig im Unklaren, ob damit entgegen der Rechtsfolge der §§ 273, (274) BGB eine Verurteilung zur Leistung schlechthin möglich sein soll, oder ob § 273 BGB bereits tatbestandsmäßig ausgeschlossen werden soll. Auch wird nicht gesagt, worauf sich eigentlich die angenommene Einschränkung der Vollstreckung, derzufolge der Gerichtsvollzieher nur mit einer Quittung in der Hand vollstrecken darf, gründet104 • Will man dazu § 368 Satz 1 (auch) als ein von Amts wegen zu beachtendes oder vom Schuldner geltend zu machendes Vollstreckungshindernis betrachten? Warum hängt dann aber die Wirksamkeit der Vollstreckung nicht davon ab 106 ? Da die prozeßrechtliche Meinung also insgesamt nichts zur Rechtslage sagt, wie sie sich aufgrund des § 368 BGB, möglicherweise i. V. m. § 273 Abs. 1 BGB, ergibt, "hängt" ihr Ergebnis letztlich im rechtsfreien Raum und verstößt damit ohne 101 102

Reuter, S. 50. S.50.

s. oben, Kap. 1. Fn. 164. s. auch unten, 2.4.2.2. (bei Fn. 115). 105 Ganz h. M., vgl. statt vieler Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 726 Anm. 3 A; Sebode, DGVZ 58, 39; Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 18. 103 104

176

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Anspruche

Rechtfertigung gegen den zwingenden und elementaren Grundsatz des Vollstreckungsrechts, daß Grundlage der Zwangsvollstreckung nur der Inhalt des Titels ist. Ohne gesetzliche Anweisung hat der Gerichtsvollzieher in diesen aber nichts hineinzulesen106 • Einzig und allein Kluckhohn unternahm bislang den Versuch, das Resultat der prozeßrechtlichen Meinung dogmatisch zu untermauern H'7. 2.4.2.2. Die Meinung Kluckhohns Kluckhohn ist der Ansicht, der Schuldner habe keinen fälligen Quittungsanspruch Hl8 , und zudem sei die Quittung kein Gegenleistungsäquivalent zu seiner Leistung, aus diesen beiden Gründen könnten die §§ 273, 274 BGB weder unmittelbare noch mittelbare Anwendung finden 108 • Gleichwohl und ohne Angabe von Gründen, geschweige denn eines gesetzlichen Grundes führt er dann aus: "Der Schuldner ist auch nach unserer Konstruktion (diese bestand bislang nur in der Ablehnung der §§ 273, 274 BGB!) bei entsprechendem Verlangen von seiner Seite nur gegen Quittungserteilung, also gegen eine Leistung des Gläubigers - wenn auch nicht eine Gegenleistung - seinerseits zu leisten verpflichtet. § 298 BGB deckt offenbar auch diesen Falll1O." Obwohl demnach der Schuldner nur gegen Gegenleistung materiell verpflichtet ist, soll er zur Leistung schlechthin zu verurteilen sein, wobei es allerdings zulässig sei, zur Vermeidung von Mißgriffen bei der Zwangsvollstreckung im Urteilstenor auszusprechen, "daß der Schuldner gegen Aushändigung einer nach ihren Erfordernissen näher zu bezeichnenden Quittung ... zu leisten habe, wobei indessen einschränkend hinzuzusetzen ist, daß diese Beschränkung ,gegen Aushändigung einer Quittung' nur dann eintritt, wenn der Schuldner Erteilung einer Quittung verlangt"111. Diesen nur "erklärenden" Zusatz stellt Kluckhohn auch dann in das freie Ermessen des Richters, wenn der Schuldner Quittung überhaupt nicht verlangt; und gleichgültig wie sich der Richter entscheidet, handelt es sich immer um eine unbeschränkte Verurteilung 112 ; also ein Urteil, das trotz aller Zusätze im Grunde genommen auf Leistung schlechthin lau108 Ganz deutlich AG Bielefeld, MDR 77, 500 in bezug auf die Leistung Zug um Zug (s. unten, Fn. 117); ferner Reuter, S. 51 f. - Vgl. auch BGH, LM Nr. 40 zu § 767 ZPO (s. unten, Fn. 256). 107 Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 381 ff. 108 Dabei hat Kluckhohn allerdings nicht untersucht, ob der Schuldner nach § 368 Satz 1 BGB nicht einen auf Leistung Zug um Zug gehenden Anspruch hat, aufgrund dessen er nach § 273 Abs. 1 BGB zuruckhaltungsberechtigt sein könnte. 108 S. 383. 110 S.384. 111 S. 385 unter Berufung auf RG, JW 1894, 479 Nr. 42. 112 S. 386, 387 f.

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

tet. Der Vollstreckungsbeginn daraus soll in keinem Fall von der genleistung abhängen,

177 Ge~

weil "der Anspruch ... auf Quittungserteilung lediglich dazu (führt), daß dem Schuldner auf sein Verlangen bei freiwilliger Zahlung ... oder nach Befriedigung des Gläubigers ... die von diesem ausgestellte Quittung auszuhändigen ist, vgl. § 757 Abs. 2 ZPO, und daß der Schuldner bis zu einer solchen Aushändigung die Leistung verweigern kann l18• ••• erst eine tatsächliche Befriedigung des Gläubigers, insbesondere eine Auszahlung des Versteigerungserlöses wird durch die Geltendmachung des Quittungsrechtes verhindert"114.

Diese Ausführungen enthalten cum grano salis einiges Zutreffendes, können in ihren wesentlichen Punkten jedoch nicht überzeugen, denn unerklärt bleibt, wie die Beschränkung der Verpflichtung des Schuldners zur "Leistung gegen eine Leistung des Gläubigers" zustandekommt. Der dogmatische Bruch zwischen dieser behaupteten materiellrechtlichen Einschränkung und der Verurteilung zur Leistung schlechthin ist ebenso unhaltbar wie das praeter legem konstruierte besondere Leistungsverweigerungsrecht in der Vollstreckungsinstanz 115 • Ferner fehlt es an der Angabe einer gesetzlichen Ermächtigung des Richters zur fakultativen Fassung des Urteilstenors. Gegen deren Zulässigkeit spricht im übrigen das gewichtige praktische Bedenken, daß der Gerichtsvollzieher, zumindest vor Abschluß der Vollstreckung von Leistungsurteilen und gleichgültig wie der Tenor gefaßt ist, zunächst einmal nachzuforschen hätte, wie es denn um die Geltendmachung des Quittungsrechtes116 steht117 • Aus diesen Gründen und zudem noch wegen einer Reihe von Widersprüchlichkeiten en detail mußte die von Kluckhohn versuchte Rechtfertigung der prozeßrechtlichen Meinung ein untauglicher Versuch bleiben. Sie findet deshalb im Ergebnis zu Recht keine "Gegenliebe" bei denjenigen, die vom materiellen Recht ausgehen118, und wird von den Prozessualisten, wenn überhaupt, nur sehr zurückhaltend119 zur Stützung ihrer Auffassung angezogen.

S.387. S.388. 115 Ähnlich wie Kluckhohn schon Sydow, ZZP 2 (1880) 517 und Steininger, S. 34 f. (einredeähnliches Recht); dagegen Reuter, S, 53. - s. auch oben, 2.4.2.1. (bei Fn. 104). 118 Zu beachten bleibt, daß Kluckhohn ein solches erst nach Erfüllung bejaht. Der Gerichtsvollzieher hat nach ihm also die Geltendmachung eines Rechtes zu prüfen, das der Schuldner "eigentlich" noch gar nicht hat (?). 117 Vgl. auch AG Bielefeld, MDR 77, 500: Nur aus dem Titel kann sich ergeben, ob eine Leistung Zug um Zug zu vollstrecken ist; enthält der Titel keine Einschränkung, ist er ohne Rücksicht auf eine mögliche Gegenleistung vollstreckbar. - Dies hat auch für Kluckhohns "Leistung gegen (Gegen-)Leistung des Gläubigers" zu gelten. 118 Vgl. Oertmann, § 368 Anm. -2; Staudinger I Kaduk, § 368 Rdnr. 26. 118 Vgl. Falkmann I Hubernagel, § 726 Anm. 2 m. 113

114

12 Oesterle

178

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche 2.4.2.3. Zusammenfassung zu den unterschiedlichen Meinungen

Keines der dargestellten Ergebnisse vermag zu überzeugen, sei es, weil es zwar praxisgerecht aber dogmatisch nicht haltbar ist, sei es, weil das Umgekehrte der Fall ist, oder sei es schließlich, weil es weder das eine noch das andere ist. Gleichwohl kann jeder der vertretenen Auffassungen in Teilen durchaus zugestimmt werden. Wenn und soweit diese innerhalb der nachfolgenden Darstellung für die Begründung der Meinung des Verfassers in Anspruch genommen werden, so darf deshalb doch nicht übersehen werden, daß sie immer nur für die konkreten Teilaspekte, nicht aber für die daraus zu ziehenden Folgerungen oder Wertungen mit der Verfasseransicht übereinstimmen. Insgesamt läßt sich sagen, daß sich aus der Summe der einzelnen richtigen Gesichtspunkte der drei Meinungen auch das richtige Ergebnis wird finden lassen. Daß dies bislang noch nicht geschah, liegt letztlich daran, daß sich die vertretenen Auffassungen nicht unter Berücksichtigung des Zweckes der Quittung einerseits und desjenigen der Leistung Zug um Zug andererseits konträr auseinandersetzen.

2.4.3. Eigene Meinung zum Inhalt des Anspruchs nach § 368 Satz 1 BGB und dessen Auswirkung auf die Verpflichtung des quittungsberechtigten Schuldners § 368 Satz 1 BGB gibt dem Schuldner ein selbständiges Forderungsrecht auf Quittungserteilung, d. h. auf Ausstellung und Aushändigung der Quittungsurkunde l20 • Diesen Anspruch zu erfüllen, ist der Gläubiger in jedem Fall nur "auf Verlangen" des Schuldners verpflichtet. Es handelt sich dabei um einen sog. verhaltenen Anspruch, einen Anspruch also, der zwar schon vor dem Verlangen begründet, jedoch noch nicht fällig ist1 21 • Der Eintritt der Fälligkeit hängt allein von der Ausübung des Anspruchs durch entsprechende Willenserklärung des Quittungsberechtigten ab l22 • Mehr als die Begründung eines solchen Anspruchs auf Quittung enthält § 368 Satz 1 BGB nicht. Insbesondere normiert er nicht per se eine Einschränkung der materiellen Verpflichtung des Schuldners zur Hauptleistung l23 , noch läßt sich aus ihm (auch) eine Beschränkung der Vollstreckbarkeit des Gläubigeranspruchs herauslesen l24 • Dessen Beein-

s. oben, 2.4.2. a. A. Langheineken, S. 103 und dort (S. 101 ff.) ausführlich zum verhaltenen Anspruch; ferner MüKo I Heinrichs, § 3ß8 Rdnr. 8. 122 Vgl, v. Thur, Bd. I, S. 257; ferner auch Planck I Siber, § 271 Anm. 2 ("mahnfälIige" Ansprüche). 123 So richtig (ausdrücklich oder stillschweigend) die in Fn. 82,88 Genannten. - A. M. Kahler, ArchBürgR 13 (1897) 245; Sydow, ZZP 2 (1880) 516: "Schuldner ist ohne Quittung nicht zur Zahlung verpflichtet" (anders aber S. 517: Vollstreckungseinrede, s. oben, 2.4.2.2. [bei Fn. 115]); mißverständlich Schlegelberger, S. 141 a. A. 120 121

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

179

trächtigung kann sich aZlenfaZls126 mittelbar über die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB ergeben. Da § 368 Satz 1 BGB dem Schuldner vor Leistungsbewirkung ganz sicher keinen Anspruch auf Quittungserteilung schlechthin einräumt126 und ein Forderungsrecht, das die Erfüllung des Hauptanspruchs zur Existenzvoraussetzung hat, für das Zurückbehaltungsrecht nicht ausreicht127 , kommt als fälliger Gegenanspruch i. S. d. § 273 Abs. 1 BGB nur in Betracht, daß der Schuldner nach § 368 Satz 1 BGB berechtigt ist, die Quittung Zug um Zug l28 gegen seine Leistung zu verlangen l29 • Ob diese einzige, gesetzlich zu rechtfertigende Möglichkeit einer Beschränkung des Gläubigeranspruchs auf nachträgliche Leistung Zug um Zug gegeben sein kann, hängt allein davon ab, ob der Schuldner seinerseits nach § 368 Satz 1 BGB einen ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruch hat. Daß im Rahmen des § 368 Satz 1 BGB eine Leistung Zug um Zug überhaupt in Erwägung zu ziehen ist, liegt vornehmlich an der Gesetzesfassung. Aus der Formulierung "gegen Empfang" wird häufig unmittelbar auf ein "Zug um Zug"-Abwicklungsverhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit auf deren gleichzeitigen Austausch geschlossen13o • Demgegenüber ist an das schon wiederholt Gesagte 131 zu erinnern, daß diese Formulierung grundsätzlich ein solches Verständnis zuläßt, jedoch keineswegs dazu zwingt. Es ist auch für § 368 Satz 1 BGB daran festzuhalten, daß sich aus der Wendung "Leistung gegen Leistung" nur ein nicht näher bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung ergibt; aber allein daraus folgt in keinem Fall ein bestimm12C Dieser Meinung müssen aber gezwungenermaßen die Vertreter der prozeßrechtlichen Meinung sein. t25 Es wurde schon gesagt (vgl. oben, Kap. II!. 2.4.3., 2.6.2.2., 2.6.2.3. [bei Fn. 286]) daß auch dann, wenn nach § 368 Satz 1 BGB ein Zug-um-Zug-Anspruch auf Erteilung der Quittung bestehen sollte, hieraus keine unmittelbare, automatische Einschränkung des Hauptanspruchs ebenfalls auf Leistung Zug um Zug resultieren kann. 128 Solches wird soweit ersichtlich - nicht vertreten. 1!7 s. oben, 2.4.2.1. (bei Fn. 90 ff.). 128 Ausreichend wäre selbstverständlich auch ein auf Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung gehendes Forderungsrecht des Schuldners, sofern trotz Fehlens der für die Leistung Zug um Zug wesentlichen Merkmale wegen zwingender, besonderer Gründe ein gleichzeitiger Austausch von Quittung und Hauptleistung angenommen werden müßte. 120 Zu beachten bleibt, daß selbst wenn ein solches Recht des Schuldners gegeben wäre, die Bejahung des § 273 BGB Zweifeln begegnen müßte; denn fraglich bliebe in diesem Fall immer noch, ob sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben hier nicht "aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt" (s. oben, Kap. II!. 2.1.3. [bei Fn. 131 ff.]); m. E. zu Recht, lehnt Schlegelberger, S. 113 f. auch aus diesem Grund ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ab; dagegen z. B. Planck / Siber, § 273 Anm. 1 a. 130 s. z. B. Crome, Bd. 11, S. 239 f.; Staudinger / Kaduk, § 368 Rdnr. 26; Schollmeyer, § 368 Anm. 1; Plumeyer, DRiZ 29,17; Zaeschmar, S. 62. 131 Ausführlich dazu oben, Kap. I. 3.2.1.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

tes zeitliches Zueinander der beiderseitigen Leistung l32 • Hätte das Gesetz eine deutlichere wenn auch keine zwingend eindeutige Aussage etwa in Richtung auf einen gleichzeitigen Austausch treffen wollen, hätte die Fassung "bei Empfang" nahegelegen. "Gegen Empfang" ist daher auslegungsbedürftig und -fähig, wobei insbesondere das Wesen der Quittung zu berücksichtigen ist. Die Quittungserteilung stellt niemals die überführung eines Vermögenswertes dar. Die Quittung selbst ist somit nicht der Zweck, den der Schuldner mit seiner Leistung anstrebt. Eine Leistung Zug um Zug scheidet nach der hier vertretenen Auffassung von vornherein aus l3S • Dies überhaupt festzustellen und die im Anschluß daran mögliche Frage, ob Gleichzeitigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht auch ohne das Vorliegen einer "Zug um Zug"-Beziehung angenommen werden kann l34 , ist jedoch dann überflüssig, wenn sich ein gleichzeitiger Austausch aus der Natur der Sache ohnehin verbietet. Der Gläubiger hat mit der Quittung den Empfang der geschuldeten Leistung, also deren Erfüllungstauglichkeit und den damit verbundenen rechtlichen Erfolg, die Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB, zu bekennen l35 ; mithin setzt die rechtserhebliche Quittung eine befreiende Leistung voraus. Eine mangelhafte Leistung ist deshalb auch dann nicht zu quittieren, wenn sie vorläufig angenommen wird l36 • Bei der Entgegennahme einer Leistung durch den Gläubiger braucht sich der Schuldner jedoch nicht auf den in die Quittung aufgenommenen Vorbehalt nachträglicher überprüfung einzulassen l37 • Der Gläubiger ist, erhält er nicht die gesamte geschuldete Leistung und nimmt er sie an, verpflichtet, diese Teilleistung zu quittieren138 • All dies läßt sich weder rechtslogisch noch tatsächlich in Einklang mit einer gleichzeitigen Quittierungspflicht des Gläubigers bringen. Bereits ganz zu Beginn der Arbeit wurde dargelegt, daß der Eintritt des rechtlichen Erfolges einer Leistungsbewirkung als Gleichzeitigkeitszeitpunkt ausscheidet139 • Ferner kann der Gläubiger den rechtlichen Erfolg naturgemäß erst dann bestätigen, wenn dieser eingetreten ist. Ob dies der Fall ist, kann er aber lediglich dann feststellen, wenn er die Leistung in Händen hä1t1 40 • Nur unter dieser VorausEbenso Breuer, S. 74. Insoweit übereinstimmend die prozeßrechtliche Meinung (s. oben, 2.4.2.1.) und Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 381 f. (mit etwas abw. Begr.). 134 Dazu unten, 2.5.3. (bei Fn. 237 f.). 135 Einhellige Meinung, s. schon oben, 2.4.1. 138 Zaeschmar, S. 62; h. M. Der Schuldner hat in diesem Fall auch keinen Anspruch auf einen Empfangsschein (s. oben, 2.4.1.), denn die erbrachte Leistung hat er nicht geschuldet. 137 Vgl. OLG Kiel, JW 23, 616. 138 Ganz h. M.; vgl. statt aller Staudinger / Kaduk, § 368 Rdnr. 25. 138 s. oben, Einl. (bei Fn. 10 ff.). 132

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2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

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setzung kann er erkennen, ob er überhaupt bzw. inwieweit er verpflichtet ist, das Empfangsbekenntnis zu erteilen. Einmal abgesehen von diesen für sich schon zwingenden Einwänden, ist im übrigen dann, wenn die Vornahme der geschuldeten Leistungshandlung nicht sofort und unmittelbar den Erfüllungseintritt herbeiführt, sondern zwischen beidem eine zeitliche Divergenz besteht, die "gleichzeitig" mit der Erfüllung erfolgende Quittungserteilung für den Schuldner nicht sinnvoller als die Quittierung nach Erfüllung. Wer aber deshalb einen Anspruch des Schuldners auf Quittung gegen gleichzeitige Leistungsbewirkung annehmen wollte, hätte das Wesen des Empfangsbekenntnisses, wie es in § 368 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommt, und damit das Gesetz gegen sich. Es ist insgesamt unausweichlich davon auszugehen, daß der Schuldner mit seiner Leistung gegenüber der Quittungserteilung voranzugehen hat. Dies ist auch die ausdrückliche Auffassung des Gesetzes bei § 757 Abs. 1 ZPO. Dort hat der Gerichtsvollzieher ebenfalls nur das zu quittieren, was er vom Vollstreckungsschuldner erlangt hat. Solange die geschuldete Leistung nicht erbracht worden ist, ist der Anspruch nach § 368 Satz 1 BGB nicht begründet, da es an seiner Tatbestandsvoraussetzung "Empfang der Leistung" fehlt!4!. Nur wenn man dem folgt, ist gewährleistet, daß aus dem Recht auf Quittung nicht in vielen Fällen ein Recht auf Vorausquittung wird. § 368 Satz 1 BGB stimmt daher voll mit Teil I Titel 16 § 86 AprLR142 überein, und diese übereinstimmung war vom Gesetzgeber beabsichtigt!43. Ferner deckt sich sein dahingehendes Verständnis mit dem Umstand, daß § 757 Abs. 2 ZPO unverändert aus der CPO vom 30. 1. 1877 übernommen wurde. Wäre man tatsächlich der Auffassung gewesen, der Schuldner könne nach § 368 Satz 1 BGB Quittung gegen (gleichzeitige) Gegenleistung verlangen, müßte es unverständlich bleiben, weshalb bei der CPO-Novellierung in § 757 Abs. 2 ZPO das Wort "nachträglich" nicht gestrichen wurde, nimmt diese Bestimmung doch lediglich auf die §§ 368 f. BGB Bezug 144 . Schließlich und endlich hat - worauf Breuer zu Recht hinweist - ein vor erbrachter Leistung bestehender 140 Vgl. auch Plumeyer, DRiZ 28, 119: Unzulässigkeit einer Verurteilung zur Löschung einer Hypothek gegen (gleichzeitige) Zahlung, weil Löschungsanspruch erst durch Zahlung entsteht. 141 Insoweit übereinstimmend die zweite materieHrechtHche Meinung (s. oben, 2.4.2.1.); ferner OLG Hamburg, OLGRsp 7 (1903) 298; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 383 f.; Reuter, S. 45; Soergell Baur, § 1144 Rdnr. 1 (Rechte nach §§ 368, 371 BGB hat Schuldner erst nach Befriedigung des Gläubigers). lU "Wer Zahlung geleistet hat, ist 'Quittung ... zu fordern berechtigt." Vgl. dazu pr. Obertribunal, StriethorstArch 70, 229 Nr. 43 ("Der Anspruch auf Quittung ist ... Folge der Zahlung"). - Vgl. ferner § 983 sächs. BGB. 143 Schlegelberger, S. 141; vgl. Mugdan, Bd. 11, S. 49 (Mot.) aber widersprüchlich, s. oben, Fn. 82. lU Vgl. Stein I Jonas I Münzberg, § 757 Rdnr. 8.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Quittungsanspruch auch deshalb auszuscheiden, weil es "dem gesunden Rechtsempfinden" widersprechen würde, "jedwedem Dritten145, auch demjenigen, der die Leistung noch nicht bewirkt hat"146 und sie möglicherweise nie bewirken wird, einen klagbaren Anspruch auf Quittung gegen Gegenleistung zuzuerkennen. § 368 Satz 1 BGB gibt dem Schuldner keinen Anspruch auf Quittung gegen Gegenleistung. Quittung zu verlangen, ist der Schuldner erst berechtigt, nachdem er seine Verpflichtung erfüllt hat l47 • Damit scheidet jede Möglichkeit aus, den Hauptanspruch des Gläubigers zu beeinträchtigen, dieser kann unabhängig von seiner späteren Verpflichtung zur Quittungserteilung Leistung schlechthin verlangen. Der Schuldner ist durch eine Berufung auf sein noch nicht existentes Quittungsrecht weder in der Lage, seinen Leistungsverzug, noch seine unbeschränkte Verurteilung, noch eine uneingeschränkte Vollstreckung zu hindern148.

Gegen dieses Ergebnis kann nicht eingewandt werden, es würde dem Gläubiger die sanktionslos arglistige Verweigerung der Quittungserteilung ermöglichen. Abgesehen davon, daß die Fälle, in denen der Gläubiger, der die schuldgemäße Leistung erhalten hat, gleichwohl die Quittung verweigert, mit der Lupe zu suchen sein werden, geht es nicht an, theoretisch mögliches, arglistiges und in diesen Fällen zumeist ebenfalls schon strafrechtlich relevantes Verhalten zum allein entscheidenden Auslegungskriterium zu erheben. Für die zwangsweise Durchsetzung des Gläubigeranspruchs fällt dieser Einwand ohnehin in sich zusammen, da dem Vollstreckungsschuldner auf jeden Fall vom Gerichtsvollzieher Quittung erteilt wird (§ 757 Abs. 1 ZPO) und diese Quittung in den Händen des Schuldners zumindest denselben, wenn nicht als öffentliche Urkunde 149 noch einen weitergehenden Beweiswert hatl 6G • Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß dem freiwillig, außerhalb der Vollstrek145 Jeder leistungsberechtigte Dritte (§ 267 Abs. 1 BGB) ist quittungsberechtigt; ganz h. M.; vgl. schon Mugdan, Bd. H, S. 49 (Mot.). 148 Breuer, S. 73. 147 Damit besteht für die Quittung als nichtvermögensbezogene Gegenleistung insofern eine Abweichung von dem oben, Kap. 1. 3.2.3., Dargelegten, als nicht der Schuldner der Leistung ohne Vermögenswert mit deren Bewirken voranzugehen hat. 148 Ebenso insbesondere Schlegelberger, S. 141; ferner Breuer, S. 75, der allerdings die Möglichkeit eines Zug-um-Zug-Anspruchs nicht sieht. - Ausdrücklich gegen eine Vorleistung etwa Weismann, Bd. H, S. 34. I4g Eickmann, DGVZ 78,148. 150 De lege ferenda wäre es m. E. sinnvoll, die vom Gerichtsvollzieher erteilte 'Quittung an die Stelle des Anspruchs nach § 368 Satz 1 BGB treten zu lassen. In dieser Richtung ist wohl auch Eickmann, DGVZ 78, 145 ff. zu verstehen. - Dem privatrechtlichen Quittungsanspruch kommt in der Zwangsvollstreckung nur dann noch möglicherweise eine eigene praktische Bedeutung zu, wenn die Vollstreckung durch gerichtliche Handlung betrieben wird (insbesondere bei §§ 829 ff. ZPO).

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

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kung, leistenden Schuldner mannigfache andere Wege zum Nachweis seiner erfolgten Leistungsbewirkung zu Gebote stehenl61 • Quittiert aber der Gläubiger deshalb nicht, weil er die erbrachte Leistung nicht für erfüllungstauglich hält, läßt sich ein Prozeß sowieso nicht vermeiden.

2.4.4. Nochmals: Die prozeßrechtliche Meinung Zum Schluß der Ausführungen zu § 368 Satz 1 BGB sei es erlaubt, nochmals kurz auf die dargelegte prozeßrechtliche Meinung152 zurückzukommen. Unabhängig von der Frage, welchem praktischen Bedürfnis des Vollstreckungsschuldners es denn dienen soll, wenn von Amts wegen15S dafür Sorge getragen wird, daß die privatrechtliche Quittung noch neben der des Gerichtsvollziehers erteilt wird, bestehen gegen das Ergebnis dieser Meinung als solches noch zwei weitere Bedenken. Zum einen wird § 757 Abs. 2 ZPO ohne Begründung übergangen, obwohl diese Vorschrift deutlich davon ausgeht, daß die privatrechtliche Quittung erst nach abgeschlossener Vollstreckung zu fordern ist. Zum anderen wird nicht erklärt, wie es der Gläubiger bewerkstelligt, dem Gerichtsvollzieher eine Quittung richtigen Inhalts mit auf den Weg zu geben, denn zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, ob und gegebenenfalls was der Schuldner freiwillig leisten wird. Soll er deshalb den Gerichtsvollzieher etwa beauftragen müssen, in seinem Namen die Schuldnerleistung zu quittieren? Er geht damit das Risiko ein, daß der Gerichtsvollzieher über eine Leistung Quittung erteilt, die nach seiner Ansicht gar nicht erfüllungstauglich ist. Und was ist, wenn der Gerichtsvollzieher diesen Auftrag nicht annimmt? Soll ferner der Gläubiger deshalb, weil der Gerichtsvollzieher Teilleistungen anzunehmen hatt 64 , diese zu quittieren haben, obwohl er materiellrechtlich zu deren Annahme nicht verpflichtet ist (§ 266 BGB)? Aus dem Vorstehenden ergibt sich eindeutig, daß es auch vom Ergebnis und nicht nur von der gesetzlichen Rechtfertigung her für § 368 Satz 1 BGB nicht damit getan sein kann, eine Leistung Zug um Zug abzulehnen. Damit läßt sich lediglich die Anwendbarkeit der hier nicht sachgerechten §§ 756, 765 ZPO umgehen, weitere Ungereimtheiten bleiben aber bestehen. Die Praxisnähe 155 der prozeßrechtlichen Meinung hält sich, was die Quittung anbelangt, somit in engen Grenzen. 151 Dabei ist bei Geldschulden vor allem an den bargeldlosen Zahlungsverkehr und bei Sachleistungen an die Einschaltung glaubwürdiger Transportpersonen und "Oberbringungsboten (Bahn und Post etc.) zu denken. 152 s. oben, 2.4.2.1. 153 So aber die herrschende prozeßrechtliche Meinung; vgl. auch § 62 Nr. 3 GVGA, der aber nur instruktionellen Charakter hat. - Anders aber Kluckhohn, s. oben, 2.4.2.2.; ferner Sydow, ZZP 2 (1880) 517. 15t Stein I Jonas I Münzberg, § 757 Rdnr. 5; h. M. 155 s. oben, 2.4.2.1. (nach Fn. 100).

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Bleibt allein noch anzumerken, daß in der Praxis ebensowenig Verurteilungen zur Leistung (Zug um Zug) gegen Quittung oder umgekehrt vorkommen, wie je ein Gerichtsvollzieher auf den Gedanken käme, die Durchführung der beantragten Vollstreckung vom Erhalt einer privatrechtlichen Quittung abhängig zu machen. Das hier vertretene Ergebnis kann also für sich in Anspruch nehmen, wenigstens auf der Seite der Rechtswirklichkeit zu stehen. 2.4.5. Die Rückgabe des Schuldscheins gemäß § 371 Satz 1 BGB

Der Schuldschein156 ist eine Urkunde, die der Schuldner zur Beweissicherung für das Bestehen der Schuld ausgestellt hatt 57 . Er kann die Verbindlichkeit des Schuldners entweder nur bestätigen oder aber auch erst begründen. Für den Rückgabeanspruch nach § 371 Satz 1 BGB ist es somit gleichgültig, ob die Schuldurkunde den darin dokumentierten juristischen Willen nicht "bloss zu beweisrechtlicher Evidenz, sondern (auch) zu privatrechtlicher Existenz"158 bringtt59 • Der Besitz des Schuldscheins erbringt zwar keinen vollen Beweis für den Fortbestand der Forderung, geschweige denn eine dahingehende Vermutung 180. Da er jedoch ein starkes, der freien Beweiswürdigung unterliegendes161 Indiz für den Bestand der Forderung ist182, muß er, um eine widersprüchliche Beweislage zu vermeiden l63, zusammen, besser: gleichzeitig mit der Quittung dem Schuldner zurückgegeben werden. Deshalb ist § 371 Satz 1 BGB in übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut dahin zu verstehen, daß der danach begründete Rückgabeanspruch im einzelnen denselben Regeln folgt wie der Anspruch auf Quittungserteilung nach § 368 Satz 1 BGBlt4. Der Schuldschein ist also ebenso wie die Quittung erst 156 Das folgende gilt auch für die Rückgabe des "normalen" Versicherungsscheins, vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 VVG, nicht aber für die Transportversicherungspolice, vgl. §§ 363 f. HGB, und nicht für den auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsschein, vgl. § 4 Abs. 1 VVG mit § 808 Abs. 2 BGB; dazu s. unten, Fn. 170, 199; ferner schon oben, Kap. IH. Fn. 316. 157 BGH, WPM 76,975; st. Rspr. und h. L. 158 So die für die Unterscheidung von schlichten Beweisurkunden und dispositiven Urkunden treffende Formulierung von Brunner, S. 145. 159 RGZ 116, 166 (172 f.); Oertmann, § 371 Anm. 2; Planck I Stber, § 371 Anm. 1 a. A. - Zur Bedeutung des § 371 Satz 1 BGB bei den Wertpapieren, s. unten, 2.5.1.2. (bei Fn. 205). 180 RG, JW 10, 64 Nr. 10; Hedemann, JherJB 48 (1905) 65; h. M. 161 RGRK I Weber, § 371 Rdnr. 6. 182 Staudinger I Kaduk, § 371 Rdnr. 6 m. w. N. 183 Der durch die Quittung geführte Beweis unterliegt ebenfalls der freien Beweiswürdigung, s. oben, 2.4.1. 18( Staudinger I Kaduk, § 371 Rdnr. 10; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 389; wohl h. M., die dies allerdings zu Unrecht allein aufgrund des Gesetzeswortlauts annimmt. - A. M. wohl Erman I H. P. Westermann, § 371 Rdnr. 3 einerseits und § 368 Rdnr. 4 andererseits. - Zu beachten ist jedoch, daß sich viele Autoren zur Natur des Anspruchs nach § 371 Satz 1 BGB überhaupt nicht

2.4. Quittungserteilung und Schuldscheinrückgabe

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nach Erfüllung der Hauptverbindlichkeit zurückzugeben165 . Diese Er-

füllung ist tatbestandliche Voraussetzung des Rückgabeanspruchs, der somit nicht geeignet ist, den Schuldner zur Zurückhaltung seiner geschuldeten Hauptleistung nach § 273 Abs. 1 BGB zu berechtigen. Der Anspruch auf Rückgabe des Schuldscheins ist weder selbst auf Leistung (Zug um Zug) gegen Gegenleistung gerichtet, noch gibt er dem Schuldner eine irgendwie geartete Möglichkeit, seine Verpflichtung bzw. deren Durchsetzung zu beschränken 166.

Dieses Ergebnis wird im Rahmen des § 371 BGB noch durch die Regelung in dessen Satz 2 gestützt; und da sowohl der Anspruch nach § 368 Satz 1 BGB als auch der nach § 371 Satz 1 BGB dasselbe Schicksal teilen müssen, schlägt die Rechtfertigung ihrerseits auf das für den Quittungsanspruch gefundene Ergebnis durch. Behauptet der Gläubiger, den Schuldschein nicht mehr zurückgeben zu können, ist er (nur noch)167 zur Ausstellung eines sog. Mortifikationsscheines verpflichtet, § 371 Satz 2 BGB. Daneben kann von ihm eine Quittung nicht mehr gefordert werden, da das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis selbst eine Quittung enthäItl88. Nach dem zwingenden Inhalt des Mortifikationsscheines, nämlich dem Anerkenntnis "daß die Schuld erloschen sei", ist es völlig undenkbar, daß diese Leistung in einem Gleichzeitigkeitszusammenhang mit der vom Schuldner zu erbringenden Hauptleistung steht, oder in einen solchen gebracht werden kann 169 • Ginge nun der Quittungs- und Rückgabeanspruch auf eine Leistung gegen Gegenleistung bzw. könnte er eine dahingehende Einschränkung des materiellen Forderungsrechtes oder des Vollstreckungsanspruchs des Gläubigers bewirken, wäre es vollkommen unverständlich, weshalb das Gesetz dem Schuldner dieses" bessere" Recht aufgrund einer sich im Risikobereich des Gläubigers realisierenden Gefahr, dem Untergang des Schuldscheins nehmen und ihm statt dessen einen Anspruch auf nachträgliche Ausstellung eines Mortifikationsscheines geben sollte. Die "Qualität" der Ansprüche nach §§ 368 Satz 1 BGB einerseits und nach § 371 Satz 2 BGB andererseits muß dieäußern,. vgl. z. B. Oertmann, Anm. zu § 371; Palandt I Heinrichs, § 371 Anm. 1; RGRK / Weber, § 371 Rdnr. 1 - 6; So erg el I Schmidt, § 371 Rdnr. 1, 2. 155 Daß für die Rückgabe wertpapierrechtlicher Schuldscheine etwas anderes gelten kann (s. unten, 2.5.2.), vermag an diesem Verständnis des § 371 Satz 1 BGB nichts zu ändern. 166 Übereinstimmend KG, OLGRsp 4 (1902) 141 (142); OLG Düsseldorf, MDR 53, 557; Schlegelberger, S. 142; Stein / Jonas I Münzberg, § 724 Rdnr. 6. A. M. die wohl h. M., vgl. Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 389; Langheineken, S. 331; Planck I Siber, § 371 Anm. 1 a. A.; Reuter, S. 45; Schollmeyer, § 371 Anm. 1; Staudinger / Kaduk, § 371 Rdnr. 10. m Zu dem hier bestehenden Streit vgl. Hedemann, JherJB 48 (1905) 86 ff.; Staudinger I Kaduk, § 371 Rdnr. 19 ff. (21 m. w. N.). 188 Mugdan, Bd. II, S. 546 (Prot.); h. M. 169 Dies wird soweit ersichtlich auch nicht behauptet; unklar allerdings Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 389.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

selbe sein. Aus einem Umkehrschluß zu § 371 Satz 2 BGB ergibt sich also, daß die zu §§ 368 Satz 1,371 Satz 1 BGB vertretene Auffassung "richtig liegt". 2.4.6. Ergebnis zu §§ 368 Satz 1, 371 Satz 1 BGB Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs sowohl auf Quittungserteilung als auch auf Rückgabe des Schuldscheines ist die vollendete Erfüllung der Hauptverbindlichkeit. Vor Erfüllung ist eine Klage des Schuldners auf Erteilung der Quittung unbegründet. Mangels eines existenten Gegenanspruchs kann der Schuldner seine Hauptleistung auch nicht nach § 273 Abs. 1 BGB zurückhalten. Geht der Gläubiger klagweise gegen ihn vor, ist er zur Leistung schlechthin zu verurteilen. Da eine gesetzliche Grundlage fehlt, kann der künftige Quittungs- und Rückgabeanspruch auch in der Vollstreckungsinstanz keine Bedeutung erlangen. 2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

2.5.1. Die Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung, der -karten und -marken und des Namenspapiers mit Inhaberklausel 2.5.1.1. Allgemeines und die dogmatische Konstruktion der Aushändigung

Nach der insoweit gleichlautenden Gesetzesfassung der §§ 797 Satz 1, (807 i. V. m. 797 Satz 1) und 808 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der in der Urkunde genannte Schuldner zur darin verbrieften Leistung "nur gegen Aushändigung (des Papieres) verpjlichtet"170. Auszuhändigen ist ein forderungsrechtliches Wertpapier l71 , wobei hier zunächst bedeutungslos ist, daß es sich zum einen um ein (unvollkommenes, § 807 BGB) umlauffähiges Inhaber- und zum anderen nur um ein qualifiziertes Legitimations- bzw. sog. hinkendes Inhaberpapier, ein Rekta-172 und als solches ein "schlich170 Ebenso für die Rückgabe des auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsscheins, § 4 Abs. 1 VVG i. V. m. § 808 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das folgende hat auch für die identisch gefaßte Bestimmung des § 35 Satz 2 VVG zu gelten, sofern es sich um einen wertpapierrechtlichen ("hinkenden" Inhaber-)Versicherungsschein handelt; desgleichen nach § 812 Abs. 2 HGB für die Seetransportversicherungspolice (zu ihr vgl. BGH, NJW 62, 1436 [1437]). Weg~n der "normalen" Versicherungsscheine s. oben, Kap. III. Fn. 316 und Kap. IV. Fn. 156, ferner unten Fn. 199. - Nach § 1195 BGB findet § 797 BGB auch auf den Inhabergrundschuldbrief Anwendung. 171 Auch § 808 BGB handelt von Wertpapieren, h. M., vgl. statt vieler BGHZ 64,278 (287); Baumbach / Hefermehl, WPR, Rdnr. 35; Cosack / Mitteis, Bd. II/1, § 131 I 4 (S. 479); Endemann, Bd. I, § 196 1 a (S. 1219) Fn. 9; Larenz, Bd. II, § 66 VII b (S. 454); Rehlfeldt / Zöllner, § 27 IV (S. 149); So erg el / Lippisch, § 808 Rdnr. 1 m. w. N. - A. M. Esser, 4. Aufl., Bd. II, § 89 V 1 b, 2 (240 f.); Staudinger / Müller, § 808 Rdnr. 1. 17Z Rehfeldt I Zöllner, § 27 IV (S. 149).

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

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tes" Wertpapier, handelt. Die gesetzliche Regelung der Aushändigung entspricht dem in beiden Fällen schon bei der Begründung der Wertpapierverbindlichkeit vorhandenen Willen des Ausstellers, die Urkunde dann zurückzuerlangen, wenn er seiner darin verbrieften Schuld nachkommtt 73 . Dabei ist weder der Wille des Ausstellers noch der des Gesetzes von dem Gedanken getragen, dem Wertpapierverpflichteten mit der Aushändigung der Urkunde einen Erfüllungsnachweis zu schaffen. Vielmehr geht es dabei vornehmlich darum, den Verpflichteten vor den Gefahren eines weiterhin im Verkehr befindlichen Wertpapieres zu bewahren174, ihn (bei § 808 BGB) vor der nochmaligen Inanspruchnahme durch den wahren Berechtigten zu schützen und ihm den Nachweis der befreienden Wirkung seiner (erfüllungstauglichen) Leistung an den nur scheinbar materiell Berechtigten zu verschaffen. Zu Unrecht wird deshalb teilweise gesagt, die §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB seien eine Ausgestaltung des Rechts auf Quittung und sie seien daher entsprechend § 368 Satz 1 BGB zu behandeln 175, denn soweit die Aushändigung der Wertpapierurkunde dem Schuldner ein Beweismittel in die Hand gibt, unterscheidet sich ihre Beweisrichtung von der der Quittungserteilung 17ll • Das Recht Quittung zu verlangen, wird dementsprechend von der Aushändigung in keiner Weise berührtt 77. Dies folgt jedenfalls auch schon aus der unterschiedlichen Fassung von § 368 Satz 1 BGB einerseits und §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB andererseits und ergibt sich ferner unmittelbar aus § 371 Satz 1 BGB ("neben der Quittung")178. Aus dem zuletzt genannten Grund könnte nun geschlossen werden, daß für die "Aushändigung" wertpapierrechtlicher Schuldscheine das zur "Rückgabe" nach § 371 Satz 1 BGB Dargelegte und somit mittelbar doch ale 173 Bereits in den Motiven zu § 797 BGB ist zu lesen (Mugdan, Bd. II, S. 390): "Der Aussteller einer Schuldverschreibung auf Inhaber macht seine Verpflichtung zur Leistung schon durch die Verbriefung des Versprechens in der Urkunde davon abhängig, daß ihm das Papier vorgezeigt und zurückgegeben wird." - Für § 808 BGB, s. Mugdan, Bd. 11, S. 1071 (Prot.); ferner Larenz, Bd. II, § 66 VII b (S. 454). 174 Mugdan, Bd. II, S. 390 (Mot.). 175 So schon Gaupp I Stein, § 726 Anm. III; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 390,398; Reuter, S. 51; Steininger, S. 34; ferner LG Düsseldorf, DGVZ 72, 59 (für Wechselaushändigung) ; ferner die oben, in Fn. 96 Genannten und passim viele mehr. 178 Dies ergibt sich auch aus Art. 39 Abs. 1 WG ("quittierter Wechsel") und § 364 Abs. 3 HGB ("quittierte Urkunde"), sofern sich diese "Quittierung" mit der des § 368 Satz 1 BGB deckt; dazu unten, 2.5.3.; vgl. ferner, 2.5.1.2. (bei Fn.202). 177 Ganz h. M. im privatrechtlichen Schrifttum, vgl. Oertmann, § 797 Anm. 1; § 808 Anm. 1 b a. E.; Palandt I Thomas, § 797 Anm. 1; Planck I Landois, § 797 Anm. 1; RGRK I Steffen, § 797 Rdnr. 5; Staudinger I Müller, § 797 Rdnr. 1; Warneyer, § 797 Anm. - Nicht anders verhält es sich im Falle des § 785 BGB, vgl. Soergell Lippisch, § 785 Rdnr. 1; ebenso Mugdan, Bd. II, S. 390 (Mot.). 178 Auch Wertpapiere sind Schuldscheine und fallen deshalb grundsätzlich unter § 371 BGB, s. oben, 2.4.5.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Ausführungen zu § 368 Satz 1 BGB zu gelten hätten179 • Es ist zwar zuzugeben, daß das ausgehändigte Wertpapier wie der einfache Schuldschein auch ein starkes Indiz für die Erfüllungstauglichkeit der erbrachten Leistung sein mag, nur ist dies eben nicht der maßgebli.che Grund für die Aushändigung. Anders als beim einfachen, lediglich die Begründung einer Verbindlichkeit bestätigenden Schuldschein bildet beim Wertpapier das Präsentations- und Rückgabeerfordernis (= Aushändigung) das eigentümliche und ursprüngliche Wesen der darin verbrieften Verbindlichkeit1 80 • Eine zwangsläufige Gleichbehandlung der die Aushändigung von Wertpapieren betreffenden Vorschriften mit § 371 Satz 1 BGB scheidet schon aus diesem Grund aus 181 • Aus § 371 Satz 1 BGB ergibt sich also nur, daß außer (sc. "neben") der auszuhändigenden Wertpapierurkunde auch noch das Recht auf Quittungserteilung besteht, mehr nicht. Für die Untersuchung der §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB wie für die weiteren Bestimmungen, die die Aushändigung eines Wertpapieres zum Gegenstand haben, bedeutet dies, daß nicht einfach das zu §§ 368, 371 BGB Dargelegte herangezogen werden kann; zumal dadurch der Unterschied der dogmatischen Konstruktionen von §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB einerseits und §§ 368 Satz 1, 371 Satz 1 BGB andererseits, wie er in deren Gesetzesfassung klar zutage tritt, eingeebnet werden würde 182• Nicht anders als bei §§ 410 Abs. 1 Satz 1 und 255 BGB regeln die §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB ausschließlich die materielle Verpflichtung des Ausstellers und als rechtslogische Kehrseite davon zugleich die Forderungsberechtigung des Gläubigers 183 • Sie selbst beinhalten weder nur ein selbständiges Einrederecht des Schuldners 184 noch 17U So in der Tat Fischer / Henle / Titze, für § 78-5 BGB, dort Anm. 2 ("entspricht dem § 371 BGB"). 180 Einlösungsfunktion der Wertpapiere, vgl. Enneccerus / Lehmann, § 210 V (So 852); Wolf, Bd. 11, S. 391, 397; ferner dazu schon Brunner, S. 145 ff. 181 Zur Bedeutung des § 371 Satz 1 BGB bei Wertpapieren s. unten, 2.5.1.2. (bei Fn. 205). 182 Dies wird von den in Fn. 175 Genannten übersehen, vgl. insbesondere Reuter, S. 51. 183 Dazu oben, Kap. 111. 2.6.2.2. 184 So aber Breuer, S. 71 (§ 274 BGB analog); Esser, 3. Aufl., 1969, § 89 111 1 (So 237: Leistungsverweigerungsrecht) ; Kohler, Bd. I, S. 195, Bd. 11/1, S. 443 (§§ 797, 808 BGB sind dilatorische Einreden, die zur Leistung Zug um Zug führen, ohne daß es der (analogen) Anwendung des § 274 BGB bedarf); anders aber Bd. 1111, S. 438 für § 797 BGB; Reuter, S. 43 (Retentionsrecht) und ihm folgend Schmidt, S. 13j Steininger, S. 35 (einredeähnliches Recht in Vollstrekkungsinstanz). - Nach einem von der Kommission zweiter Lesung angenommenen Antrag sollte § 808 Abs. 2 Satz 1 BGB (§ 703 des ersten Entwurfs) in der Tat in Form eines Einrederechts ("kann ... Leistung verweigern, solange ... ce) gefaßt werden, vgl. Mugdan, Bd. 11, S. 1070 (Prot.), aber schon bei der Beratung dieses Antrages wurde erkannt, daß der Aussteller von vornherein "nur gegen Vorlage ... zu leisten verpflichtet sei" {Mugdan, Bd. 11,

2.5. Die Aushändigung von WertQapieren

189

geben sie diesem einen selbständigen Anspruch auf Aushändigung, womit die Möglichkeit einer nach § 273 Abs. 1 BGB begründbaren Zug-umZug-Einrede ausscheidet 185. Ebensowenig bilden sie die Grundlage für einen Aushändigungsanspruch nach erfolgter Leistung 1Si1 . Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ist auch nicht aufgrund des nach § 371 Satz 1 BGB bestehenden Anspruchs anzunehmen187 . Die prozeßrechtliche Meinung, die hier ebenso wie bei § 368 BGB, dort allerdings im Ergebnis zu Recht, annimmt, das Urteil könne trotz der §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Leistung schlechthin lauten l88 , ist nicht zu halten. Ihr Ergebnis ist nämlich nur dann verständlich, wenn man davon ausgeht, daß sie entweder contra legern ("verpflichtet") den materiellrechtlichen Charakter dieser Normen verneint, oder aber, wollte sie jenen nicht bestreiten, daß sie abweichend vom grundlegenden Verständnis des Verfahrensrechts die Möglichkeit bejaht, daß die richterliche Entscheidung nicht das auszusprechen hat, "was Rechtens ist"18U. Auch daran wird wieder die Schwäche dieser nUT ergebnisorientierten Meinung offenbar. Allein die hier und von der heute herrschenden privatrechtlichen Meinung zu §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB vertretene Auffassung190 wird dem Wortlaut der Bestimmungen und der Natur des Wertpapiers, als eines verbrieften Privatrechts, dessen Ausübung die Innehabung der Urkunde voraussetztlQl, gerecht.

s.

1071); mit dieser Erkenntnis steht der Wortlaut des Gesetzgewordenen in Einklang. - Gegen die Annahme eines Einrederechts ausführlich oben, Kap.

111. 2.6.2.2.

185 So aber Crome, Bd. H, S. 949 und dort Fn. 39 mit S. 240; Oertmann, § 797 Anm. 1, § 808 1 b a. E.; Planck / Landois, § 797 Anm. 1; Rehfeldt / Zöllner, § 3 VI (S. 18); vgl. auch die weiteren Nachw. bei Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 391 Fn. 25, der selbst (S. 398) von einem selbständigen Anspruch auf Aushändigung spricht; vgl. auch unten, Fn. 242. 188 So aber z. B. Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 398; Reuter, S. 44; vgl. dazu oben, Kap. III. 2.4.3., 2.6.2.3. und unten, 2.5.1.2. (bei Fn. 206). 187 s. oben, 2.4.5. (nach Fn. 165). 188 s. oben, 2.4.2.1. und dort Fn. 96; ferner oben, 2.4.2.2. 188 Stein / Jonas / Schumann / Leipold, Anm. II 2 vor § 300. 190 So schon Langfeld, S. 22; Mugdan, Bd. II, S. 390 (Mot.); deutlich auch OLD Dresden, OLGRsp 4 (1902) 335 (336); ferner Cosack / Mitteis, Bd. II/1, § 131 I 4 (S. 479); Endemann, Bd. I, S. 1220 Fn. 15; Enneccerus / Lehmann, § 210 V (S. 852), § 215 3 (S. 861); Henle, Bd. II, S. 798; Langheineken, S. 308 f.; Schlegelberger, S. 142, 144; Schoenenberg, S. 27 Fn. 7 (anders für § 785 BGB); Wolf, Bd. II, S. 391, 397; s. im übrigen die Kommentare zu §§ 797, 808 BGB, wobei allerdings weder gesagt wird, weshalb hier eine Einschränkung der Leistungspflicht und bei § 410 BGB ein Einrederecht angenommen wird, noch die Konsequenzen dieser Auffassung dargestellt werden. - Teilweise anders bei § 785 BGB, s. unten, 2.5.2. - Unklar Dernburg, Bd. 1111, S. 424 f. 181 So die aüf Brunner, S. 147 zurückgehende Wertpapiertheorie der h. L., vgl. Hueck / Canaris, S. 1.

190

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche 2.5.1.2. Der tatsächliche Inhalt der Verpflichtung des Ausstellers einer Inhaberschuldverschreibung bzw. eines qualifizierten Legitimationspapiers nach §§ 797 Satz 1 bzw. 808 Abs. 2 Satz 1 BGB

Schon wiederholt war festzustellen, daß das Gesetz, wenn es nur von einer "Leistung gegen Gegenleistung" spricht, inhaltlich nicht viel aussagt. Diese Formulierung mußte immer erst durch eine am jeweiligen Normzweck orientierte Auslegung "mit Leben erfüllt" werden. Unter Berücksichtigung des Wertpapiercharakters und der damit für Gläubiger und Schuldner gleichermaßen verbundenen Bedeutung der Innehabung bzw. Erlangung der auszuhändigenden Urkunde kann diese Auslegung im Rahmen der §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB nur zu dem einzig und allein denkbaren Ergebnis führen, daß die Aushändigung und die Bewirkung der als geschuldet verbrieften Leistung gleichzeitig zu geschehen haben l ':!. Dagegen kann weder das zu § 410 Abs. 1 Satz 1 BGB noch das zu §§ 368 Satz 1, 371 Satz 1 BGB in dieser Arbeit Vertretene l93 mit Grund angeführt werden. Im ersten dieser beiden Fälle bestand kein gleichgewichtiges Interesse von Gläubiger und Schuldner am Behalt bzw. an der Erlangung der auszuhändigenden Abtretungsurkunde, während im zweiten Fall eine rechtslogische und tatsächliche Notwendigkeit gegen den gleichzeitigen Austausch von Quittung und zu quittierender Leistung sprachen. Anders bei den wertpapierrechtlichen Urkunden, von denen die §§ 797 (807) 808 BGB handeln. Der Gläubiger der verbrieften Forderung kann sein Recht gegen den Willen des Schuldners grundsätzlich lV4 nur dann erfolgreich geltend machen, wenn er die Urkunde innehat195 • Gibt er sie aus der Hand, verliert er seine Sachlegitimationl98 , und, hat der Schuldner sie erlangt, zumindest den Nachweis seiner Sachlegitimation. Dies kann vom Gläubiger allenfalls dann erwartet werden, wenn er die Gewähr hat, die geschuldete Leistung zu erlangen. Dies wäre naturgemäß der Fall, wenn der Schuldner mit seiner Leistung vorausginge. Eine Vorleistung kann jedoch allein schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die §§ 797, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB dann überhaupt keinen Regelungsgegenstand hätten. Ihr Bezugsobjekt, die Verpflichtung des Schuldners, würde genau denselben Inhalt haben, wie ohne ihr Vorm Einhellige Meinung. s. oben, Kap. IH. 2.6.2.4 und Kap. IV. 2.4.3. 184 Von der Ausnahmemöglichkeit, die Innehabung der Urkunde nach §§ 799, 804, 808 Abs. 2 Satz 2 BGB zu ersetzen, kann abgesehen werden. 195 Daß er bei den qualifizierten Legitimationspapieren gegebenenfalls seine Berechtigung auch noch sachlich nachweisen muß, spielt hier keine Rolle, denn entscheidend ist nur, daß der Schuldner allein aufgrund dieses Nachweises der sachlichen Berechtigung nicht leisten muß. - Bei den an Order gestellten Wertpapieren kommt noch hinzu, daß sie ihn als Berechtigten ausweisen. 198 Vgl. RG, Gruchot 47 (1903) 102l. 193

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

191

handensein. Sie wären schlicht sinnlos. Zu ihrer Funktion, klarzustellen, daß es sich bei den von ihnen betroffenen Papieren um Einlösungspapiere handelt, verhielte sich eine Vorleistung des Schuldners diametral. Eine solche wäre diesem auch sachlich nicht zuzumuten. Vom Schuldner ist die Leistung ausschließlich dann zu verlangen, wenn er mit ihr die Sicherheit erhält, daß seine Verbindlichkeit nicht durch Weiterübertragung des Inhaberpapieres neu begründet werden kann 197 , bzw. daß er beim qualifizierten Legitimationspapier den Nachweis der befreienden Wirkung seiner Leistung erlangt und er nicht nochmals an den wahren materiell Berechtigten leisten muß. Allein die Präsentation des Papieres, mit der der Gläubiger übrigens voranzugehen hat l98 , vermag einen ausreichenden Schutz des Schuldners nicht zu schaffen. Hat demnach der aus dem Inhaber- bzw. qualifizierten Legitimationspapier Verpflichtete noch der daraus Berechtigte vorzuleisten, bleibt als einzig mögliche und zugleich sachgerechte Lösung der gleichzeitige Austausch von Wertpapierurkunde und geschuldeter Leistung. Mit grundsätzlichen überlegungen ist damit bereits die Frage nach dem tatsächlichen Inhalt der Verpflichtung beantwortet. Noch nicht geklärt ist jedoch diejenige Frage, ob der gleichzeitige Austausch auch als "Zug um Zug"-Verhältnis zu qualifizieren ist. Mit der Rückgabe der in diesem Kapitel besprochenen Wertpapiere erlangt der daraus Verpflichtete im Grunde nichts weiter als die Sicherheit vor einer nochmaligen Inanspruchnahme. Wenn daher auch derWertpapierinhaber mit der Weggabe der Urkunde einen eigenen Vermögenswert aufgibt, so gelangt doch dieser als solcher nicht ins Vermögen des Verpflichteten. Dessen vermögensrechtliche Stellung erfährt keine Veränderung, nur eine hypothetische Vermögenseinbuße wird durch die Papierrückgabe ausgeschlossen. Von der Überführung eines Vermögenswertes kann keine Rede sein, und schon überhaupt nicht davon, daß die Gegenleistung des Gläubigers ein Leistungsäquivalent sei. Aus diesem Grund erbringt der Schuldner seine Leistung nicht um der Rückerlangung des Wertpapieres willen, sondern Leistungsmotiv ist für ihn ausschließlich die Erfüllung seiner eigenen Verpflichtung. Eine Leistung Zug um Zug scheidet somit ausle~. Es handelt sich hier also um einen der Fälle, in dem sich der gleichzeitige Vgl. Staudinger / Müller, § 797 vor Rdnr. 1. Insoweit gilt dasselbe wie bei § 1160 BGB, s. oben, Kap. 111. 2.6.1., ohne Vorlegung braucht sich der Aussteller mit demjenigen, der sich lediglich einer wertpapiermäßig verbrieften Forderung berühmt, überhaupt nicht einzulassen; dies übersieht Reuter, S. 47. - VgI. auch Art. 38 Abs. 1 WG. UD Insoweit zutreffend die prozeßrechtliche Meinung (s. oben, Fn. 188). A. M. Reuter, S. 49. - Die Ablehnung einer Leistung Zug um Zug trifft jedoch nicht für § 35 Satz 2 VVG und § 812 Abs. 2 HGB (s. oben, Fn. 170) zu. Begebung des wertpapierrechtlichen Versicherungsscheins und Prämienzahlung stehen in einem "Zug um Zug"-Verhältnis zueinander, denn das im Versicherungsschein verkörperte Forderungsrecht ist die vermögenswerte Gegenleistung zur Prämie. 187

198

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Austausch von Leistung und Gegenleistung zwar nicht unmittelbar aus deren beiderseitigen Vermögensbezogenheit rechtfertigt, wohl aber um einen solchen Fall, in dem sich Gleichzeitigkeit ausnahmsweise aufgrund besonderer, außerhalb des eigentlichen Gegenleistungsgegenstandes liegender Gründe ergibt und deshalb auch nicht zu umgehen ist. Für die inhaltliche Ausgestaltung, Abwicklung und Wahrung des danach bestehenden Gleichzeitigkeitserfordernisses gilt selbstverständlich nichts anderes als im Rahmen der Leistung Zug um Zug 200 ; lediglich der den gleichzeitigen Austausch rechtfertigende Grund ist hier ein anderer als im Rahmen eines "Zug um Zug"-Leistungsverhältnisses. Nach den §§ 797 Satz 1 (807 i. V. m. 797 Satz 1) und 808 Abs.2 Satz 1 BGB ist der Aussteller des (unvollkommenen) Inhaber- bzw. qualifizierten Legitimationspapieres zum Bewirken der als geschuldet verbrieften Leistung nur gegen gleichzeitige Rückgabe der Urkunde verpflichtet. Der Gläubiger hat dementsprechend von Anfang an lediglich einen inhaltlich auf Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung eingeschränkten materiell rechtlichen Anspruch. Dem Aussteller dagegen steht kein Recht zu, aufgrund dessen er seinerseits die Rückgabe gegen gleichzeitige Leistung verlangen könnte. Dieses Ergebnis steht in einem sinnvollen Einklang mit dem Erfüllung voraussetzenden, selbständigen Quittungsanspruch des Wertpapierschuldners nach § 368 Satz 1 BGB. Während sich die Aushändigung auf die geschuldete Leistungshandlung bezieht und vor einer nochmaligen Inanspruchnahme auf die Primärleistung schützt, ist die Quittung erfüllungsbezogen und hat neben der ausgehändigten Wertpapierurkunde nur noch den eigenständigen Wert, eine beweisrechtliche Sicherheit gegenüber Sekundäransprüchen wegen mangelhafter Leistung zu vermitteln201 • Anders als im Falle der bereits erteilten Quittung und des noch nicht zurückgegebenen Schuldscheines (§§ 368, 371 BGB) kommt es hier, leistet der Schuldner seiner Verpflichtung entsprechend, nicht zu einer widersprüchlichen Beweislage. Das ausgehändigte Wertpapier ist zwar - darauf wurde schon hingewiesen - sicherlich ebenso wie der Schuldschein ohne Wertpapiercharakter ein Indiz für das Bewirken der geschuldeten Leistung 202 , aber der Umstand, daß (noch) keine Quittung erteilt wurde, spricht weder für noch gegen dieses Indiz. Eine Gleichbehandlung der Wertpapierrückgabe und der Quittungserteilung ist daher auch vom Ergebnis her abzulehnen. Verzichtet der Aussteller auf den durch die ursprüngliche Beschränktheit seiner Leistungspflicht vermittelten Schutz und leistet er, was er s. oben, Kap. I. 3.2.3. a. E. Vgl. oben, 2.4.3. (bei Fn. 140). 202 Nur unter dieser Voraussetzung wird der Gläubiger regelmäßig bereit sein, die Urkunde herauszugeben, vgl. RGZ 152, 166 (168); über die Frage der tatsächlichen Erfüllung ist damit unmittelbar aber nichts gesagt. 200 201

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

193

selbstverständlich kann203 , ohne sich die Urkunde aushändigen zu lassen, hat er zwar nicht nach §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB204 wohl aber gemäß § 371 Satz 1 BGB einen selbständigen Anspruch auf deren nachträgliche Rückgabe205 . Dieser Anspruch steht selbständig neben seinem Quittungsrecht. Ist der Gläubiger zur Rückgabe nicht bereit oder imstande, kann der Aussteller seine erbrachte Leistung konzidieren2OO, sofern dem nicht § 814 BGB entgegensteht207 , da erst mit der Wiedererlangung des Wertpapieres durch ihn der volle Rechtsgrund für seine Leistung gegeben ist. Auf die Frage, was im Falle der Teilleistung zu gelten hat, ist noch kurz einzugehen, denn eine Aushändigung scheidet hier naturgemäß aus. E's ist zwar unrichtig, wenn Hense unter Berufung auf Art. 39 Abs. 2 WG und Art. 34 Abs. 2 ScheckG annimmt, auch der aus einer Inhaberschuldverschreibung berechtigte Gläubiger dürfe Teilleistungen nicht zurückweisen 208 , denn diese Abweichung von § 266 BGB bedarf einer besonderen Rechtfertigung aus der Natur der Verbindlichkeit. Diese Rechtfertigung liegt für Art. 39 Abs.2 WG und Art. 34 Abs. 2 ScheckG darin, daß die Rückgriffsschuldner so weit wie möglich vor einer Inanspruchnahme geschützt werden sollen, und deshalb der Wechsel- bzw. Scheckgläubiger zunächst Teilleistungen des Bezogenen anzunehmen hat20u . Vergleichbares läßt sich für die Inhaberschuldverschreibung und die Papiere des § 808 BGB nicht finden. Zudem erscheint es beim Wechsel und Scheck, die beide nur eine auf Geldzahlung gehende Leistung verbriefen können, durchaus zumutbar, den Gläubiger zur Annahme von Teilzahlungen zu verpflichten. Anders bei den hier interessierenden Wertpapieren. Deren verbriefter Leistungsgegenstand kann beispielsweise auch eine bestimmte Warenmenge sein; den Gläubiger nun für verpflichtet zu halten, die als Gesamtmenge geschuldeten Waren einzeln oder in Teilmengen abzus. oben, Kap. III. 2.6.2.2. und dort Fn. 274. A. M. die in Fn. 185, 186 Genannten. 205 Richtig Henle, Bd. II, S. 799 Fn. 20. Ob bei den Rektapapieren, also auch beim qualifizierten Legitimationspapier des § 808 BGB, daneben noch ein Vindikationsanspruch besteht, weil das Eigentum nach dem Grundgedanken des § 952 BGB mit der Tilgung auf den Verpflichteten übergegangen ist, ist bestritten; vgl. Baumbach / Hefermehl, WPR, Rdnr. 29. 208 Vgl. RGZ 82, 25 (27) und oben, 2.2.2. und dort Fn. 42. Zu Unrecht schränkt Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 391 Fn. 24 die Kondiktionsmöglichkeit auf den Fall ein, daß der Gläubiger "bei der Zahlung den Wechsel nicht hatte"; ebenso aber auch Staub / Stranz, Art. 39 Anm. 6. - A. M. wegen § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB diejenigen, die hier eine Zug-um-Zug-Einrede annehmen (s. oben, Fn. 184). Nach ihnen hat der Aussteller seine Leistung, erbrachte er sie, ohne sich die Urkunde aushändigen zu lassen, unwiederbringlich verloren. 207 Dazu oben, Fn. 203. 208 Erman / Hense, § 79-7 Rdnr. 1. 20' Vgl. Baumbach / Hefermehl, Art. 39 WG Rdnr. 5; Rehfeldt / Zöllner, § 15 III 1 (5. 88). 203 204

13 Oesterle

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

nehmen, liegt vollkommen außerhalb dessen, was einem Gläubiger vernünftigerweise zuzumuten ist. Entgegen Hense hat es bei der Regelung des § 266 BGB zu verbleiben210 • Ist der Gläubiger freiwillig bereit, Teilleistungen anzunehmen, so ist Hense jedoch insofern zuzustimmen, als er meint, daß dann ein entsprechender Vermerk auf die Wertpapierurkunde zu setzen ist211 • Dies hat nicht allein für die Inhaberschuldverschreibung sondern für alle forderungsrechtlichen Wertpapiere zu gelten212 • Der Vermerk entwertet das Papier in Höhe der Teilleistung und surrogiert insoweit die nicht mögliche "Teilaushändigung". Demgemäß gilt das zur Aushändigung Gesagte entsprechend. Der Schuldner braucht die Teilleistung nur gegen gleichzeitige Entwertung der Urkunde vorzunehmen. Daraus ergibt sich, daß der Vermerk nicht denselben Inhalt wie die Quittungserteilung i. S. d. § 368 Satz 1 BGB haben kann213 • Er bestätigt vielmehr ausschließlich die Tatsache und den Umfand der Teilleistungsbewirkung, er steht also dem sog. Empfangsschein 214 nahe. über den Eintritt der Teilerjüllung hat sich der Gläubiger auf Verlangen des Schuldners gesondert nach § 368 Satz 1 BGB zu erklären216 •

2.5.2. Die Aushändigung der Anweisung nach § 785 BGB Die Regelung der Aushändigung in § 785 BGB ist von der Gesetzesfassung und von ihrem Zweck her völlig identisch mit derjenigen in §§ 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das dort zur Konstruktion und zum tatsächlichen Inhalt der Wertpapierverbindlichkeit Gesagte 218 gilt daher ganz genauso für die Anweisung 217 • § 785 BGB schränkt nach der hier für die §§ 797, 808 BGB in übereinstimmung mit der h. M. vertretenen Ansicht also ebenfalls die Verpflichtung des Angewiesenen - entspre210 übereinstimmend Schlegelberger / Hefermehl, § 364 Rdnr. 36 für die Wertpapiere des § 363 HGB. 211 Erman / Hense, § 797 Rdnr. 1; ferner RGRK / Kuhn, 11. Aufl., § 797 Anm. 1; Staud.inger / Müller, § 797 Rdnr. 3. 212 Die Möglichkeit ihres gutgläubigen Erwerbs spielt hierfür ebensowenig eine Rolle wie für die Aushändigung; vgl. Art. 39 Abs. 3 WG und Art. 34 Abs. 3 ScheckG, die nicht nur für die umlauffähigen Orderwechsel bzw. -schecks und Inhaberschecks, sondern auch für die ohne Verkehrsschutz ausgestatteten Rektawechsel bzw. -schecks gelten. !13 Vgl. auch Art. 39 Abs. 3 WG und Art. 34 Abs. 3 ScheckG, wonach zu vermerken und Quittung zu erteilen ist. Da ein doppeltes schriftliches Empfangsbekenntnis für den Bezogenen offensichtlich ohne Sinn ist, kann die Meinung des Gesetzes nur sein, daß der Vermerk einen von der Quittung zu unterscheidenden Inhalt hat. - A. M. aber Staub / Stranz, Art. 39 Anm. 10, 12. 2U Dazu Zaeschmar, S. 54; s. schon oben, 2.4.1. 215 Auch Teilleistungen sind, werden sie angenommen, zu quittieren, s. oben,

Fn.138.

s. oben, 2.5.1.1. und 2.5.1.2. Sie ist, ebenso wie das qualifizierte Legitimationspapier, ein keinen Verkehrsschutz genießendes. Rektapapier, vgl. Soergel/ Lippisch, Rdnr. 9 vor § 783 m. w. N., also ein sog. schlichtes Wertpapier. 211

217

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

195

chend dessen Annahmewillen218 - von vornherein auf Leistung gegen gleichzeitige Aushändigung ein. Diese Gleichbehandlung219 ist, soweit sie die Frage betrifft, ob § 785 BGB materiell- oder lediglich vollstrekkungsrechtlich bedeutsam ist, ganz einhellige Meinung, so daß sich der zwischen Prozessualisten einerseits und Privatrechtlern andererseits bestehende Meinungsunterschied hier in derselben Form wiederfindet. Hinsichtlich der dogmatischen Konstruktion wird die gebotene Gleichbehandlung innerhalb der privatrechtlichen Literatur jedoch von vielen Kommentatoren zu § 785 BGB unverständlicherweise und ohne Begründung nicht durchgeführt220 • Sie nehmen anders als bei §§ 797, 808 BGB221 an, daß der Angewiesene, auch der, der die Anweisung nicht angenommen hat und somit dem Anweisungsempfänger überhaupt nicht verpflichtet ist, einen selbständigen Anspruch auf Aushändigung gegen gleichzeitige Leistung hat222 . Dieser im Anschluß an Oertmann223 vertretenen Ansicht liegt offensichtlich ein von der Kommission zweiter Lesung angenommener Antrag zugrunde22" der vorsah, dem § 607 des ersten Entwurfs (§ 784 BGB) einen Absatz mit dem Inhalt "Der Angewiesene kann bei Bewirkung der Leistung vom Anweisungsempfänger die Aushändigung der Anweisung verlangen" hinzuzufügen225 • Diese ursprünglich anstelle des § 785 BGB beabsichtigte Regelung wäre einerseits dem Verpflichtungswillen des Angewiesenen, der von Anfang an nur gegen gleichzeitige Aushändigung leisten und nicht auf die Einrede nach § 273 BGB angewiesen sein will, nicht gerecht geworden. Andererseits hätte es auch hier228 unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt 218 Bei den meisten Anweisungen sind entsprechende Klauseln ohnehin als Vertragsinhalt in die Urkunde mitaufgenommen: "Zahlen Sie gegen diese Anweisung... ". !U Ausdrücklich dagegen nur Schoenenberg, S. 26 f. 220 Anders und richtig das übrige privatrechtliche Schrifttum, das in sich konsequent zu § 785 BGB dieselbe Konstruktion wie zu §§ 797, 808 BGB vertritt, vgl. etwa die oben, Fn. 184 Genannten: Selbständige Einrede; Crome, Bd. 11, S. 949 und 929 Fn. 19; Rehfeldt / Zöllner, § 3 VI (S. 18): § 273 BGB; Langheineken, 8. 308 f. und Schlegelberger, S. 142, 144: Einschränkung der Leistungsverpflichtung, s. dazu die weiteren Nachw. unten, Fn. 231; ferner Fikentscher, § 95 7. (S. 554: Ausdrücklicher Verweis auf § 797 BGB bei § 785 BGB); Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 398. 221 Insofern allerdings in sich schlüssig Oertmann, § 797 Anm. 1 und § 785 Anm. 2; Planck / Landois, § 797 Anm. 1 und § 785 Anm. 2. m Fischer / Henle / Titze, § 785 Anm. 1,2; Neumann, § 785 Anm. 1; Palandt / Thomas, § 785 Anm.; RGRK / Steffen, § 785 Rdnr. 2; Soergel / Lippisch, § 785 Rdnr. 1; Staudsinger/ Müller, § 785 Rdnr. 2; Warneyer, § 785 Anm. - Inwieweit der Unterschied in den Aussagen zu § 785 BGB einerseits und zu § 797 BGB andererseits tatsächlich von der Sache her gewollt ist, läßt sich nicht sagen, da eine wechselseitige Bezugnahme durchgängig fehlt. 223 Oertmann, 1. Aufl., § 785 Anm. 2; vgl. auch Schoenenberg, S. 27 Fn. 8. 224 Ganz deutlich bei Staudinger / Müller, § 785 Rdnr. 1, 2. 225 Mugdan, Bd. 11, S. 963 (Prot.). 220 Vgl. schon oben, 2.2.2. (bei Fn. 36).

13"

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

einleuchten wollen, weshalb - gleichgültig ob die Anweisung angenommen wurde oder nicht - dem Angewiesenen ein selbständiger Anspruch auf Aushändigung zustehen und dadurch der Anweisungsempfänger mittelbar gezwungen sein sollte, die Leistung beim Angewiesenen erheben zu müssen227 • Ohne Grund hätte so die Möglichkeit bestanden, daß derjenige Anweisungsempfänger, der es an und für sich vorzöge, die Anweisung nicht zu verwerten und statt dessen aus dem Valutaverhältnis gegen den Anweisenden vorzugehen, dies nicht kann, da er sich die notgedrungenermaßen zu akzeptierende Leistung des Angewiesenen auf das Kausalverhältnis, das zwischen ihm und dem Anweisenden besteht, anrechnen lassen muß228. All diesen, gegen die Entschließung der zweiten Kommission sprechenden Erwägungen trägt die Fassung des § 785 BGB Rechnung. Es ist daher weder sachgerecht noch methodologisch zulässig, das Gesetzgewordene im Sinne einer während des Gesetzgebungsverfahrens einmal vorgesehenen, konträren Regelung zu verstehen229 • Der Anweisungsempfänger ist dem Angewiesenen gegenüber zu nichts verpflichtet, letzterer hat aufgrund der Anweisung nichts zu fordern 230 • Es gibt somit keinen Grund, vom hier vertretenen und am Wortlaut des § 785 BGB orientierten Ergebnis der auf Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung eingeschränkten Verpflichtung des Angewiesenen abzuweichen231 • Daraus ergibt sich zugleich, daß § 785 BGB nur für die angenommene Anweisung gilt232 , denn ohne Annahme ist der Angewiesene überhaupt nicht verpflichtet!33. Erklärt er sich ohne Akzept zur Honorierung gegen Aushändigung bereit, so macht er lediglich seine "freiwillige Leistung von einer von ihm kraft freien Beliebens gesetzten Bedingung abhängig234 • Leistet er ohne dazu verpflichtet zu sein, kann er weder Quittung noch - wurde die Anweisung nicht übergeben - Rückgabe der Urkunde aus eigenem Recht verlangen2S5 • Allein der Fakt frei227 Daß sich ein solcher Zwang aus der Anweisung selbst nicht ergibt, ist ganz h. M., auch die der Kommentare, vgl. statt aller Staudinger / Müller, § 783 Rdnr. 2, 11; diese führen somit das, was sie eigentlich ablehnen, über ihr Verständnis des § 785 BGB wieder ein. 228 Dazu Wolff, JherJB 84 (1934) 129. 229 Insoweit richtig Schoenenberg, S. 27 Fn. 8. 230 So ausdrücklich Cosack / Mitteis, Bd. I, § 226 IV 1 (S. 755 f.). 231 übereinstimmend Cosack / Mitteis, Bd. I, § 227 111 1 a (S. 759); Dernburg, Bd. 11/2, S. 280; Endemann, Bd. I, S. 1212 Fn. 9; Enneccerus / Lehmann, § 205 I 3 (S. 83'5); Fiktenscher, § 95 7. (S. 554); Henle, Bd. 11, S. 813; Langheineken, S. 308 f.; Schlegelberger, S. 144 mit 141 f. - Wohl auch Larenz, Bd. 11, § 67 11 b (S.460). 232 A. M. die Kommentare, s. oben, Fn. 222. 288 Vgl. dazu WoZft, JherJB 84 (1934) 132 f. 284 Insoweit treffend Schoenenberg, S. 27 f. Vgl. auch RGZ 146, 398 (400: Anweisung ist ohne Annahme "rechtlich wirkungslos"). - Erwägenswert ist allerdings, ob man nicht vor Annahme eine Einschränkung der Ermächtigung des Angewiesenen dahingehend anzunehmen hat, daß er für Rechnung des Anweisenden nur gegen gleichzeitige Aushändigung leisten darf.

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

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williger Leistung ist nicht geeignet, Verpflichtungen des Leistungsempfängers zu begründen. Es ist völlig systemgerecht, daß der ohne Verpflichtung gegenüber dem Anweisungsempfänger leistende Angewiesene, wie jeder andere freiwillig Leistende, dies auf eigenes Risiko tut. Er mag deshalb selbst zusehen, wie er seinen Deckungsanspruch gegenüber dem Anweisenden nachweist236 • Der eigentliche Grund, weshalb § 785 BGB nicht im Zusammenhang mit §§ 797, 808 BGB behandelt wurde, liegt nicht so sehr in der Tatsache der von unserem Ergebnis abweichenden Kommentatorenmeinung, als vielmehr in der Frage, ob die Leistung des Angewiesenen gegen gleichzeitige Aushändigung nach § 785 BGB als "Zug um Zug"-Leistungsverhältnis zu qualifizieren ist. Diese Frage stellt sich deshalb, weil der Angewiesene im Gegensatz zum Aussteller einer Inhaberschuldverschreibung bzw. eines qualifizierten Legitimationspapieres mit seiner Leistung auf die Anweisung regelmäßig nicht nur eine Verpflichtung237 gegenüber dem Anweisungsempfänger erfüllt, sondern sich damit zugleich - bei der Anweisung auf Schuld, § 787 BGB - von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisenden befreit oder aber einen Deckungsanspruch gegenüber diesem erwirbt. Allein, weder der Erfüllungseintritt im Dekkungsverhältnis noch der Revalierungsanspruch setzt die Innehabung der Anweisungsurkunde voraus. Der Besitz des Papieres verbessert in dieser Beziehung u. U. zwar die beweismäßige Situation des Angewiesenen238 , darin liegt jedoch auch unter Zugrundelegung einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise kein eigener, in dem Papier selbst verkörperter Vermögenswert. In der Hand des Angewiesenen hat die Anweisungsurkunde keine Wertpapierfunktion mehr, ihre Aushändigung stellt somit nicht die überführung eines Vermögenswertes im Sinne einer vermögensmäßigen Minderung auf seiten des Anweisungsempfängers und einer entsprechenden Vermögensmehrung beim Angewiesenen dar. Der Angewiesene leistet nicht deshalb, weil es ihm auf den Erhalt des Gegenleistungsgegenstandes als solchem ankommen würde, sondern Motiv ist für ihn auch hier einzig und allein die Erfüllung seiner 235 Enneccerus I Lehmann, § 205 I 3 (S. 835: für die Quittung). § 371 BGB scheidet tatbestandsmäßig aus, vgl. Mugdan, Bd. 11, S. 963 (Prot.). Die wegen nicht erfolgter Rückgabe im Verhältnis Anweisungsempfänger - Angewiesener allein in Betracht zu ziehende condictio ob rem wird wegen fehlender, auf Rückgabe gehender Zweckbestimmung regelmäßig ausscheiden. Ob die in der Anweisung enthaltene Ermächtigung zur Leistung für Rechnung des Anweisenden, den Angewiesenen auch zur Geltendmachung eines möglichen Rückgabeanspruchs des Anweisenden berechtigt, wird zu bejahen sein. 238 Deshalb hätte die dem genannten Antrag der zweiten Kommission zugrundeliegende Erwägung auch bei einer dem Antrag entsprechenden Gesetzesfassung nicht zu überzeugen vermocht. 237 Bei der angenommenen Anweisung. 238 Vgl. RGRK I Steffen, § 785 Rdnr. 1; Staudinger I Müller, § 783 Rdnr. 12, § 785 Rdnr. 1.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Verpflichtung nach § 784 Abs. 11. Hlbs. BGB und bzw. oder aufgrund des Deckungsverhältnisses. Der Grund für die Eingehung dieser vertraglichen Verpflichtung(en) liegt seinerseits nicht in der Aussicht, die Anweisung zu erhalten. § 785 BGB schränkt somit ebenso wie die §§ 797, 808 BGB die Verpflichtung aus einer angenommenen Anweisung von vornherein auf Leistung gegen gleichzeitige Aushändigung ein. Es handelt sich dabei also nicht um eine Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug239 • Hinsichtlich Teilleistungen, des Rechts auf Quittung und der Herausgabe nach § 371 Satz 1 BGB gilt ebenfalls das oben zu den §§ 797, 808 BGB Ausgeführte240 • 2.5.3. Die Aushändigung der handelsrechtlichen Wertpapiere nach §§ 364 Abs. 3, 448, 653, 688 Abs. 2 HGB

Es leuchtet unmittelbar ein, daß die Bedeutung der §§ 364 Abs. 3, 448, 653, 688 Abs. 2 HGB241 dieselbe sein muß, wie in den eben behandelten Bestimmungen des BGB. In jenen Fällen wird wiederum und ausschließlich der Anspruch des Wertpapierberechtigten von vornherein auf Leistung gegen gleichzeitige Aushändigung eingeschränkt 242 • Eine Leistung Zug um Zug liegt hier wie dort nicht vor. Die Wahrung der gleichwohl erforderlichen Gleichzeitigkeit hinsichtlich des Austausches von geschuldeter Leistungsbewirkung und Papieraushändigung wird im Rahmen der §§ 364 Abs. 3, 448 etc. HGB nicht selten auf Schwierigkeiten stoßen, und zwar wird Gleichzeitigkeit regelmäßig dann nicht ohne weiteres zu erzielen sein, wenn das Aus-der-Hand-Geben der verbrieften Leistung ein zeitlich gestreckter Akt ist oder sich in Teilakten vollzieht. Dies ist insbesondere beim Ladeschein, Konnossement und Bodmereibrief, aber auch bei der kaufmännischen Anweisung und beim kaufmännischen Verpflichtungsschein, wenn sie die Lieferung eines 239 Insoweit übereinstimmend die prozeßrechtliche Meinung (s. oben, Fn. 188, 175); vgl. hier statt vieler Stein I Jonas I Münzberg, § 726 Rdnr. 18; ferner Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 398, 391, 382. uo s. oben, 2.5.1.2. (bei Fn. 208 ff.). 241 § 653 HGB lautet: "Die Güter brauchen nur gegen Rückgabe einer Ausfertigung des Konnossements,auf der ihre Ablieferung bescheinigt ist, ausgeliefert zu werden. ce § 688 Abs. 2 HGB lautet: "Die Zahlung kann nur gegen Rückgabe dieses Exemplars (sc. des Bodmereibriefs) verlangt werden, auf welchem über die Zahlung zu quittieren ist. ce 24! A. M. Reuter, S. 43; uneinheitlich Schlegelberger / Hefermehl, § 363 Rdnr. 46 (für Lagerschein: "Der Einlagerer ... hat das vertragliche Recht erworben, daß die Waren nur gegen Rückgabe des Lagerscheins ausgeliefert werden") aber § 364 Rdnr. 35 (Schuldner kann Aushändigung verlangen und die Leistung verweigern), Schlegelberger / Geßler, § 448 Rdnr. 2 (nach § 448 HGB ist Frachtführer nur gegen Rückgabe verpflichtet; Ablieferung u. Rückgabe sind Zug um Zug zu erfüllen); Schlegelberger / Liesecke, § G53 Rdnr. 1 ("Leisungsverweigerungsrecht") aber Rdnr. 2 ("Der Anspruch auf Auslieferung kann nur unter Vorlegung der Urkunde geltend gemacht werden. ").

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

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Warenpostens zum Leistungsgegenstand haben, möglich. Deshalb erlangen die im Rahmen der Leistung Zug um Zug gemachten und für die Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung nicht minder geltenden Ausführungen zur Wahrung bzw. Ersetzung des Gleichzeitigkeitserfordernisses243 besondere Bedeutung244 • Im übrigen ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß Teilleistungen nur gegen einen entsprechenden Vermerk auf der Wertpapierurkunde erbracht werden müssen245 • Das soeben Gesagte scheint - soweit es § 364 Abs. 3 HGB betrifft nun allerdings unvereinbar mit dem zu § 368 Satz 1 BGB vertretenen Ergebnis246 • Denn einerseits hat nach § 364 Abs. 3 HGB die Leistung nur gegen gleichzeitige Aushändigung der "quittierten Urkunde" zu erfolgen, während andererseits Quittung jedoch erst nach Erfüllungseintritt erteilt werden muß. Da aus zwingenden Gründen247 keines der beiden Ergebnisse dem jeweils anderen angeglichen werden kann, ist die Folgerung unabweislich, daß es sich bei der "quittierten Urkunde" um überhaupt keine Quittung im rechtstechnischen Sinne handelt. Dies folgt nicht lediglich aus einem Vergleich mit § 368 Satz 1 BGB, sondern ergibt sich für § 364 Abs. 3 HGB mittelbar auch aus §§ 448, 653 HGB. Diese Normen dehnen § 364 Abs. 3 HGB auf den Rekta- und Inhaberladeschein bzw. -konnossement aus. Inhaltlich Abweichendes wollen sie nicht regeln. Anstelle von "quittierter Urkunde" sprechen sie - ohne daß damit etwas anderes gemeint sein könnte - jedoch davon, daß auf dem zurückzugebenden Ladeschein bzw. Konnossement die Ablieferung der Güter bescheinigt sein muß. Diese Bescheinigung ist ihrem tatsächlichen Aussagewert nach nichts anderes, als der bei Teilleistungen anzubringende Vermerk248 • Sie enthält wie dieser nur die schriftliche Bestätigung eines realen Vorgangs, nicht aber des rechtlichen Erfolgseintrittes. Nichts anderes gilt für die "quittierte Urkunde" im Rahmen des § 364 Abs. 3 HGB. Nur mit dieser Auffassung läßt sich in Einklang bringen, daß etwa das "quittierte" Konnossement auch bei der Ablieferung beschädigter Güter zurückzugeben ist249 , eine Quittung i. S. d. § 368 Satz 1 BGB s. oben, Kap. I. 2.3.2. In diesem Sinne auch KG, OLGRsp 8 (1904) 390 f. (für den Ladeschein); RGRK I Ratz, HGB, § 448 Anm. 1. - A. M. Schlegelberger I Liesecke, § 653 Rdnr.2 (einerseits Zug-um-Zug-Leistung, andererseits jedoch: "Aushändigung kann erst nach vollständiger Auslieferung verlangt werden"). t45 s. oben, 2.5.1.2. (bei Fn. 211 ff.); so auch Schtegelberger I Hefermehl, § 364 Rdnr. 36; zu eng Schlegelberger I Geßler, § 448 Rdnr. 4 und Schlegelberger I Liesecke, § 653 Rdnr. 2 (nur Teilquittung, damit besteht aber kein Schutz des Verpflichteten gegenüber Erwerbern des Papieres). . 246 s. oben, 2.4.6. 247 s. zum einen oben, 2.4.6. und zum anderen oben, 2.5.1.2. (nach Fn. 196). 246 s. oben,·2.5.1.2. (bei Fn. 208 ff.). m Vgl. Schlegelberger I Liesecke, § 653 Rdnr. 2. 243

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hat demgegenüber die Erfüllungstauglichkeit zu bescheinigen, und eine mangelhafte Leistung ist nicht zu quittieren25o • Das Recht, Quittung nach § 368 Satz 1 BGB zu fordern, wird daher von den §§ 364 Abs. 3, 448 etc. HGB ebensowenig berührt, wie von den §§ 785, 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dem auf die handelsrechtlichen Wertpapiere zu setzenden Vermerk kommt, wie dem Vermerk bei Teilleistungen, primär eine Entwertungsfunktion zu. Sie verhindert beispielsweise, daß die Verpflichtung des Wertpapierschuldners, dem die bereits ausgehändigte Urkunde abhandengekommen ist, wieder neu begründet wird. Ferner erleichtert der Vermerk dem Verpflichteten den Nachweis, daß ihm das Papier nicht rechtsgrundlos ausgehändigt wurde. Er hat jedoch nichts mit dem Nachweis der Erfüllungstauglichkeit der geschuldeten Leistung zu tun. Die Unverträglichkeit von § 364 Abs. 3 HGB und § 368 Satz 1 BGB stellt sich somit als eine lediglich scheinbare dar. 2.5.4. Die Aushändigung von Wechsel und Scheck nach Art. 39 Abs. 1 WG und Art. 34 Abs. 1 ScheckG Art. 39 Abs. 1 WG und Art. 34 Abs. 1 ScheckG sind identisch gefaßt, so daß im folgenden Art. 39 Abs. 1 WG stellvertretend für Art. 34 Abs. 1 ScheckG behandelt werden kann. Soweit sich Abweichungen ergeben sollten, wird darauf besonders hingewiesen werden. Das, was sich in Rechtsprechung und Literatur zur Aushändigung des Wechsels findet, ist dogmatisch wenig überzeugend. Der zwangsläufig beschränkte Raum, der dieser Frage im Rahmen der vorliegenden Arbeit eingeräumt werden kann, erlaubt es nicht, all den vorhandenen Ungereimtheiten im einzelnen nachzugehen. Nur das zur Einordnung des Art. 39 Abs.1 WG unbedingt Notwendige kann im folgenden erörtert werden. Die ganz einhellige Meinung nimmt an, daß der Hauptwechselschuldner2 51 gemäß Art. 39 Abs. 1 WG ein Einlösungsrecht hat, er also mit Eintritt der Verfallzeit Aushändigung Zug um Zug gegen Vollzahlung forder,n kann252• Zugleich geht die wohl herrschende Auffassung davon aus, daß der Hauptwechselschuldner aufgrund des Art. 39 Abs. 1 WG zur Zahlung nur gegen Aushändigung des Wechsels verpflichtet ist253 • s. oben, 2.4.3. (bei Fn. 136). Also: Der Akzeptant beim gezogenen Wechsel; beim eigenen Wechsel der Aussteller (Art. 77 Abs. 1 WG). Aber auch der bloß Bezogene, vgl. statt aller Baumbach I Hefermehl, Art. 39 WG Rdnr. 2 a. A 252 Vgl. statt aller Jacobi, § 17 11 (S. 157); Stranz, Art. 39 Anm. 2. 253 Z. B. Baumbach I Hefermehl, Art. 39 WG Rdnr. 3 (anders aber noch 11. Aufl.: Zuruckbehaltungsrecht); Hueck I Canaris, § 7 1. 48); Knur / Hammerschlag, Art. 39 Anm. 3 a. A; Quassowski I Albrecht, Art. 39 Rdnr. 3; Rehfeldt I Zöllner, § 15 11 (S. 87); Staub I Stranz, Art. 39 Anm. 3, 4; ebenso auch Erman I Hense, § 797 Rdnr. 1. - A. M. OLG Nürnberg, BB 65, 1293 ("selb250

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Trotz dieser Einschränkung der Leistungspflicht wird es weithin für zulässig gehalten, daß das vom Wechselgläubiger erstrittene Urteil auf Zahlung schlechthin lauten kann. Allerdings soll auch bei einer solchen unbeschränkten Verurteilung der Gerichtsvollzieher nur gegen Aushändigung des Titels vollstrecken können254 • Die überwiegende Rechtsprechung und Literatur zu Art. 39 Abs.l WG deckt sich in ihrem verfahrensrechtlichen Ergebnis also weitgehend mit der oben bei § 368 Satz 1 BGB näher dargestellten prozeßrechtlichen Meinung zur "Leistung gegen Urkundenaushändigung"255. Die dort gegen diese Auffassung vorgebrachten Gründe treffen hier genauso zu. Wenn Jacobi der Auslegung des "normalen" auf Zahlung schlechthin lautenden Urteils im Sinne einer eingeschränkten Verurteilung das Wort redet, weil die Einschränkung beim Wechselurteil "selbstverständlich" sei 256 , so ist dem - abgesehen von der Systemwidrigkeit einer Auslegung der re-chtlichen Aussage des Tenors267 durch das Vollstreckungsorgan - entgegenzuhalten, daß eben jedes Urteil exakt und lückenlos die bestehende, gesetzmäßige matrielle Rechtslage wiederzugeben hat, ohne daß es darauf ankäme, wie normal oder selbstverständlich sich diese Rechtslage aufgrund des zur Entscheidung gestellten Sachverhalts ergibt 258 • Ein Mehr an substanzieller Begründung findet sich nicht. Zumeist wird ausschließlich die ständige - deshalb jedoch noch nicht richtige - und unter der Geltung der Wechselordnung 259 entstandene Rechtsprechung des Reichsgerichts, das sich seinerseits auf die Praxis des Reichsoberhandelsgerichts stützt260 , zur Begründung angezogen. Da für Art. 39 Abs. 1 WG keine anderen, bzw. überzeugenderen Gesichtspunkte, als die bereits bei § 368 Satz 1 BGB ständiges Zurückbehaltungsrecht", nicht ganz klar) und ebenso ReuteT, S. 43, 48 ff. für Art. 39 WO; ferner Rilk, Art. 39 Anm. I 3 und StTanz, Art. 39 Anm. 2 (beide bejahen §§ 273 f. BGB). 254 s. zunächst oben, Fn. 96 und die dort zit. Rspr. des RG zu Art. 39 Satz 1 WO; vgl. ferner die Kommentare dazu und Dernburg, Bd. II/2, § 269 IV (S. 368) Fn. 18; zu Art. 39 Abs. 1 WG: OLG Marienwerder, HRR 1939 Nr. 46; LG Bochum, DGVZ 58, 92; LG Düsseldorf, DGVZ 72, 59; Baumbach / Hefermehl, Art. 39 WG Rdnr. 3 (gegenteilig noch 11. Aufl.); Jacobi, § 16 III (S. 154 f.); Staub / Stranz, Art. 39 Anm. 3, 4 m. w. N.; vgl. ferner Rehfeldt / Zöllner, § 3 VI (S. 18 f.). - A. M. Quassowski / Albrecht, Art. 39 Rdnr. 3; Rilk, Art. 39 Anm. I 3; unklar Stranz, Art. 39 Anm. 5. 2/;5 s. oben 2.4.2.1. (bei Fn. 96 ff.) und 2.4.2.2. 256 Jacobi, § 16 III (S. 154 f.). 257 BGH, LM Nr. 40 zu § 767 ZPO (" ... das, was einem Titel unterfallend angenommen wird, wird nicht wieder selbst zum Titel. Ein Titel kann nicht in dieser Weise gestaltet werden, er ist in jedem Wort unveränderbar und nur gegen diesen Titel ist die Zwangsvollstreckungsabwehrklage [und damit die Zwangsvollstreckung überhaupt] zulässig"). 258 Gegen eine Auslegung des Wechselurteils auch Michaelis, Art. 39 Anm. 4; Reuter, S. 53. 259 Allgemeine Deutsche Wechselordnung v. 24. XI. 1848; Reichsgesetz seit dem 16. IV. 1871. 260 Vgl. ROHG 11, 67 (71); 21, 303 (304 m. w. N.).

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behandelten, zu finden sind, kann es hier, soweit es um die Annahme einer eingeschränkten Leistungspflicht und eines gleichwohl auf Zahlung schlechthin lautenden Wechselurleils geht, mit einem Verweis auf das bei § 368 BGB dazu Gesagte sein Bewenden haben. Nicht nur das verfahrensrechtliche Ergebnis sondern auch die auf Art. 39 Abs. 1 WG gestützte Begründung der ursprünglichen Einschränkung der Zahlungsverpflichtung des Hauptwechselschuldners ist abzulehnen. Deren materiellrechtliche Rechtfertigung folgt nicht aus Art. 39 Abs. 1 WG. Der Grund für diese verfehlte, nicht mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbarende Ansicht ist leicht auszumachen. Völlig unkritisch wird nämlich davon ausgegangen, daß sich Art. 39 Abs. 1 WG in seinem Regelungsgehalt mit Art. 39 Satz 1 WO decken würde281 • Nach Art. 39 Satz 1 WO war der Wechselschuldner "nur gegen Aushändigung ... zur Zahlung verpflichtet"; demgegenüber kann nach Art. 39 Abs. 1 WG der Bezogene lediglich "gegen Zahlung die Aushändigung ... verlangen". Während die Fassung des Art. 39 Satz 1 WO mit der der §§ 785, 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB übereinstimmte, deckt sich die des Art. 39 Abs. 1 WG nunmehr,mit der des § 371 Satz 1 BGB. Ebenso wie der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommende konstruktive Unterschied zwischen den genannten BGB-Normen berücksichtigt werden mußte, kann er im Verhältnis von Art. 39 Satz 1 WO zu Art. 39 Abs. 1 WG nicht unberücksichtigt bleiben262 • Während in der Wechselordnung unmittelbar die Wechselverbindlichkeit und damit -forderung geregelt wurde, wird im Wechselgesetz nunmehr eine neben dieser stehende Berechtigung des Schuldners bzw. Verpflichtung des Gläubigers begründet. Bereits die Wechselordnung wußte beides fein säuberlich auseinanderzuhalten. Sie bestimmte in ihrem Art. 48: "Jeder Wechselschuldner hat das Recht, gegen Erstattung der Wechselsumme ... die Auslieferung des ... Wechsels ... von dem Inhaber zu fordern." Artt. 39 Satz 1,48 WO und Artt. 54263 , 48 WO waren jeweils im Zusammenhang zu sehen. Während Artt. 39 Satz 1, 54 WO nur den Inhalt einer Wechselverbindlichkeit regelten, gab Art. 48 WO dem jeweiligen Wechselverpflichteten ein selbständiges Forderungsrechtll64 • Eine Nivellierung und Verschmelzung dieser essen261 Statt vieler Staub I Stranz, Art. 39 Anm. 1; vgl. auch RT-Drucks. VIII 1932 Nr. 177 S. 1'26 zu Art. 39 WG (DenkSchr.). - Vgl. auch Oesterle, JR 79, 101 zu dem ähnlichen Fall der unkritischen übertragung des zu §§ 32 RAO, 36 RRAO Gesagten auf § 50 BRAO. 262 Daß ein Unterschied besteht, wird von Baumbach I Hejermehl, 11. Auf!., Art. 39 WG Rdnr. 3 und Rilk, Art. 39 Anm. 13 anerkannt; die richtige Konsequenz ziehen sie allerdings nicht. 283 "Der Regreßpflichtige ist nur gegen Auslieferung ... Zahlung zu leisten verbunden. " 284 Vgl. Reuter, S. 13; wohlweislich vermeidet er es (S. 43 ff.) allerdings, seine zu Art. 48 WO einerseits und zu Artt. 39 Satz 1, 54 WO (selbständige Retentionsrechte) andererseits vertretene Meinung in Beziehung zueinander zu setzen; die Begründung einer derart unterschiedlichen Rechtsstellung des in der

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tiellen dogmatischen Verschiedenheit 285 ist im Rahmen des Art. 39 Abs. 1 WG weder auslegungsmäßig zu leisten266, noch sachlich geboten. Art. 39 Abs. 1 WG kann schon deshalb nicht (auch) die Einschränkung einer Verpflichtung beinhalten, weil er - abweichend von Art. 39 Satz 1 WO - vom Bezogenen spricht. Ohne Akzept ist dieser aus dem Wechsel jedoch zu nichts verpflichtet, folglich kann insoweit auch nichts geregelt werden267 • Dies gilt beim Scheck wegen des Akzeptverbots nach Art. 4 ScheckG erst recht für Art. 34 Abs. 1 ScheckG. Die Einschränkung der Leistungspflicht des Akzeptanten bzw. des Ausstellers beim eigenen Wechsel ergibt sich fast durchweg unmittelbar aufgrund des aus der Wechselurkunde ersichtlichen Vertragsinhalts2e8 • Sämtliche Wechselformulare weisen den Bezogenen nur zur Zahlung .,gegen diesen Wechsel" an. Wird der Wechsel akzeptiert, verpflichtet sich der Annehmer allein mit dem Inhalt der angewiesenen Leistung. Er schuldet von Anfang an nur Zahlung gegen gleichzeitige Aushändigung, weil das ihm vom Wechselinhaber angetragene Vertragsangebot und seine Annahme ausschließlich auf die rechtsgeschäftliche Begründung einer solchermaßen eingeschränkten Einstandspfiicht gerichtet sind 26u • Einer gesetzlichen Bestimmung dieses Inhalts bedarf es in diesem Fall nicht. Fehlt im Wechsel ausnahmsweise eine entsprechende Klausel und hält man ihn nicht in dieser Richtung für auslegungsfähig270 , ergibt sich die Einschränkung der Verpflichtung des Akzeptanten zumindest aus § 785 BGB. Der Wechsel stimmt in seiner äußeren Form mit der bürgerlich-rechtlichen Anweisung überein, weicht sachlich jedoch erheblich von dieser ab 271 • Eine übertragung der §§ 783 ff. BGB ist daher im allgemeinen nicht ohne weiteres möglich272 ; soweit jedoch diese Normen dem Wesen des Wechsels Entsprechendes enthalten und dies im WG selbst keine Regelung gefunden hat, bestehen gegen ihre Anwendung - im Rahmen einer systemgerechten Lückenfüllung - keine Bedenken273 • Es "Offensive" gegenüber dem in der "Defensive" befindlichen Wechselschuldners hätte ihm ganz erhebliche Schwierigkeiten machen müssen. 265 So aber ausdrücklich Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 390 für Artt. 39 Satz 1, 54 WO einerseits und Art. 48 WO andererseits. 288 Vgl. oben, Kap. 111. 2.6.2.3. (bei Fn. 284) und Kap. IV. 2.2.2. (bei Fn. 37 f.). 267 s. auch oben, 2.5.2. (bei Fn. 233 f.). 268 Vgl. oben, Fn. 218. 218 Vgl. die herrschende Vertragstheorie; z. B. Baumbach / Hefermehl, Art. 28 WG Rdnr.l m. w. N. zur Gegenmeinung; Hueck / Canaris, § 9111 3 (5. 73); Rehfeldt / Zöllner, § 13 I (5. 68 f.). 270 Zur Auslegung des Wechsels, s. RGZ 15, 111 (113); JW 23, 512 Nr. 15 mit Anm. Bernstein; Rilk, Art. 1 Anm. 11 2. 271 Dazu Staub / Stranz, Art. 9 Anm. 4. 272 Vgl. Baumbach / Hefermehl, Art. 1 WG Rdnr. 6; aber auch Ulmer, AcP 126 (1926) 148 ff. (insbes. S. 156). 273 Vgl. Staub / Stranz, Art. 9 Anm. 4; ferner BGH, NJW 51, 598 (599) mit

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kann keinem Zweifel unterliegen, daß § 785 BGB der Natur des Wechsels als verkehrsfähigem Wertpapier entspricht und es ist nichts ersichtlich, was aus dem WG gegen seine Anwendbarkeit sprechen würde. Auf den eigenen Wechsel ist er auf jeden Fall nur entsprechend anzuwenden; ob dies auch für den gezogenen gilt, oder ob er auf diesen unmittelbare Anwendung finden kann, ist letztlich gleichgültig und mag deshalb hier dahinstehen. Der Akzeptant und der Aussteller beim eigenen Wechsel sind somit zur Zahlung nur gegen gleichzeitige Aushändiigung des Wechsels verpflichtet; der Wechselinhaber seinerseits hat nur Entsprechendes zu fordern. Für den bloß Bezogenen enthält § 785 BGB selbstverständlich ebensowenig wie für den Angewiesenen, der die Anweisung nicht angenommen hat. Desgleichen gilt § 785 BGB naturgemäß beim Scheck nicht, da bei ihm ebenfalls eine Verpflichtung des Bezogenen nicht zustandekommt (Art. 4 ScheckG), und die Haftung des Ausstellers - den trassierteigenen Scheck gibt es nicht 274 - immer eine Rückgriffshaftung (Artt. 12,40 ff. ScheckG) ist. Im Ergebnis unterscheidet sich diese Auffassung also nicht von der herrschenden Meinung, sie stellt diese lediglich insoweit "vom Kopf auf die Beine", als sie die Einschränkung der Verpflichtung des Hauptwechselschuldners nicht einer Norm zu entnehmen versucht, die diese nicht enthalten kann. Art. 39 Abs. 1 WG gibt, seinem Wortlaut entsprechend, einzig und allein ein selbständiges Forderungsrecht; in dieser Beziehung stimmt er mit Art. 48 WO und nicht mit Art. 39 Satz 1 WO überein. Lediglich dieses Verständnis steht im Einklang mit der nach Art. Irr Abs.1 des Abkommens über das einheitliche Wechselgesetz 275 ausschließlich maßgeblichen französischen und englischen Fassung des Art. 39 Abs. 1 EinhWQZ7t. Geht man mit der ganz einhelligen Meinung davon aus, daß der Anspruch nach Art. 39 Abs. 1 WG mit Verfall gegeben ist und auf Aushändigung gegen gleichzeitige277 Zahlung gerichtet ist, ergibt sich im Zusammenhang mit der Herausgabe des "quittierten" Wechsels dieselbe Schwierigkeit wie bei § 364 Abs. 3 HGB. Dasselbe, was dort zur "quittierten Urkunde" gesagt wurde 27B, muß hier für den "quittierten Wechsel" gelten. Auch bei ihm kann es sich nicht um eine Quittung i. S. d. § 368 Anm. Hefermehl; er läßt die Frage der Anwendbarkeit der §§ 787 ff. BGB auf den Scheck ausdrücklich offen. 274 Baumbach I Hefermehl, Art. 6 ScheckG Rdnr. 3. 275 RGBI 33 11 S. 385. m RGBI 33 11 S. 408: "Le tire peut exiger" und "The drawee '" may require".

277 Eine Leistung Zug um Zug im hier vertretenen Sinne scheidet, nicht anders als bei der Anweisung (s. oben, 2.5.2.), aus. - Mit der Präsentation des Wechsels (Art. 38 WG) hat der Inhaber voranzugehen. %78 s. oben, 2.5.3.

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

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Satz 1 BGB sondern lediglich um einen entwertenden Vermerk der tatsächlichen Zahlung 27U handeln, der nicht geeignet ist, vollen urkundlichen Beweis für die Erfüllung der Wechselverbindlichkeit zu erbringen2BO • Der Quittungsanspruch nach § 368 Satz 1 BGB wird von Art. 39 Abs.l WG nicht berührt2B1 • Da der Wechsel immer eine Geldforderung verbrieft (Art. 1 Ziff.2 WG) und der Wechselgläubiger daher in der Regel bereits bei der Zahlung mühelos absehen kann, ob Teil- oder Volleistung erfolgt, und ob somit teilweise oder vollständige Erfüllung eintreten wird, mag man die getroffene Differenzierung als begriffsjuristisch abtun wollen. Auch auf die Gefahr dieses Vorwurfes hin ist jedoch an der Unterscheidung festzuhalten, denn sie ist eben nicht allein formal richtig, sondern sie schützt - soweit als möglich2B2 - zugleich den Wechsel gläubiger in den "zwei von hundert" Fällen, in denen entgegen der Regel keine Erfüllung eintritt, ohne daß sie in den übrigen "achtundneunzig" Fällen dem Wechselschuldner zum Nachteil gereichen würde. Ferner wird man, insbesondere bei umfangreichen Barzahlungen, den Vorbehalt der Nachzählung des ausgehändigten Geldbetrages beim Zahlungsvermerk zulassen können und müssen. Eine Quittung i. S. d. § 368 Satz 1 BGB würde dies nicht erlauben2B3, denn ihr Inhalt würde mit einem solchen Vorbehalt perplex. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß einerseits die Hauptwechselschuldner zur Bezahlung des Wechsels nur gegen gleichzeitige Aushändigung verpflichtet sind; daß die Forderung des Wechselinhabers dementsprechend von vornherein auf solche Leistung beschränkt ist. Andererseits können sowohl die Hauptwechselschuldner als auch der bloß Bezogene nach Art. 39 Abs. 1 WG die Aushändigung des Wechsels und das Anbringen eines Vermerkes gegen gleichzeitige Zahlung fordern. Da die Einschränkung der Hauptwechselverpflichtung nicht auf Art. 39 Abs. 1 WG beruht, deckt sich Art. 34 Abs. 1 ScheckG mit ihm nicht nur äußerlich, sondern vollinhaltlich. Nicht verschwiegen werden soll jedoch, daß der zum Inhalt des nach Art. 39 Abs. 1 WG begründeten Forderungsrecht einhellig vertretenen Auffassung lediglich deshalb so ohne weiteres gefolgt wurde, weil eine eingehendere Behandlung auch dieser Frage den Rahmen der vorldegenden Arbeit sprengen würde. Hier sei nur noch auf folgendes hingewiesen. Der Wortlaut des Art. 39 Abs. 1 WG zwingt nicht zur Annahme ednes Einlösungsrechts. Er erlaubt genauso eine Auslegung in dem Sinne, daß der quittierte Wechsel erst nach seiner Bezahlung herauszugeben ist. Art. 40 Abs. 1 WG ist kein unbedingt beweisschlüssiges m Vgl. Stranz, Art. 39 Anm. 4. 280 Vgl. auch Art. 39 Abs. 3 WG. Wegen Art. 50 Abs. 1 WG s. unten, 2.5.5. 281 Vgl. auch Sydow, ZZP 2 (1880) 516. 2B2 Gegenüber einer Nachforderung hat der Zahlungs vermerk nur indizielle Bedeutung, die wesentlich einfacher zu widerlegen ist, als der nur durch vollen Gegenbeweis zu entkräftende Erfüllungsnachweis mittels Quittung. 283 s. oben, Fn. 137.

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Argument für ein Einlösungsrecht. Gegen ein solches spricht zunächst einmal die tatsächliche Erwägung, daß der Wechselschuldner oft den Wechselinhaber nicht kennt, er sein "Recht" somit nicht ausüben kann. Ferner vermag es auf den ersten Blick nicht einzuleuchten, weshalb der Bezogene, dem der Wechsel zur Annahme vorgelegt wurde, der ihn jedoch nicht akzeptiert hat, vom Wechselinhaber gleichwohl Aushändigung gegen Zahlung verlangen können so1l284. Die steht im Widerspruch zum Rückgriffsanspruch mangels Annahme. Es ist aber auch nicht recht einsichtig, welchen Nutzen der Wechselschuldner aus dem schon mit Verfall gegebenen Einlösungsanspruch ziehen soll. Zur Zahlung ist er - auch ohne einen solchen eigenen Anspruch - nur gegen gleichzeitige Aushändigung verpflichtet. Wird ihm der Wechsel nicht innerhalb der Fristen des Art. 38 WG zur Zahlung vorgelegt, so eröffnet ihm Art.42 WG einen wesentlich einfacheren Weg, als den einer Realisierung seines Einlösungsrechts, um sich von der Last weiterer Bereithaltung der Wechselsumme zu befreien. Zwar hat derjenige Wechselschuldner, der den vorgelegten, fälligen Wechsel nicht bezahlt hat, ein ganz erhebliches Interesse, den protestierten Wechsel einlösen zu ~önnen. Denn nur so kann er verhindern, daß er erst zu Ende des Wechselrücklaufs unausweichlich auf die, seine ursprünglich geschuldete Wechselsumme oft bei weitem übersteigende, Remboursregreßsumme in Anspruch genommen wird. Das in diesem Fall sachgerechte Einlösungsrecht folgt jedoch schon aus Art. 50 WG285. Von daher ist es nicht erforderlich, Art. 39 Abs.l WG als Einlösungsrecht zu begreifen; zumal ohnehin nur dessen entsprechende Anwendung in Betracht kommen könnte2 86 . Würde man ein Einlösungsrecht ablehnen und annehmen, daß der Anspruch nach Art. 39 Abs. 1 WG die Bezahlung des Wechsels voraussetzt, erreichte man ein durchaus sinnvolles Ergebnis. So wären die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem "quittierten Wechsel" gegenstandslos. Der Wechselschuldner, der entgegen seiner Verpflichtung zahlt, ohne sich den Wechsel aushändigen zu lassen, könnte die Rückgabe eines nunmehr mit der Quittung i. S. d. § 368 Satz 1 BGB versehenen Wechsels fordern. Hat er entsprechend seiner eingeschränkten Verpflichtung den Wechsel bei der Zahlung erlangt, könnte er verlangen, daß ihm Quittung auf dem Wechsel erteilt wird. Art. 39 Abs.l WG würde sich als eine Zusammenfassung der §§ 368 Satz 1 und 371 Satz 1 BGB darstellen; nur so ließe er sich füglich (auch) als eine Ausgestaltung des Rechts auf Quittung bezeichnen. über die BGB-Bestimmungen ginge er jedoch insoweit hinaus, als er diese auch auf den wechselmäßig nicht verpfLichteten Bezogenen erstreckte. Für diese Ausdehnung bestünden gute Gründe. Mit der Bezahlung des Wechsels bringt der bloß Bezogene zwar keine eigene Verpflichtung, wohl aber die gesamte Wechselverbindlichkeit zum Erlöschen. Hier ist es sachgerecht, wenn das Gesetz dafür Sorge trägt, daß der freiwillig zahlende Bezogene, der es versäumt hat sich zugleich den Wechsel aushändigen zu lassen, den noch immer Verkehrsschutz genießenden Wechsel herausverlangen kann!87. Vgl. auch oben, 2.5.2. Ganz überwiegende Meinung, vgl. Baumbach / Hejermehl, Art. 50 WG Rdnr. 1; Gareis / Riezler, Art. 50 Anm. 5; Jacobi, § 103 11 2 (S. 816); Knur / Hammerschlag, Art. 39 Anm. 1; Rilk, Art. 50 Anm. 1/1 2; Stranz, Art. 50 Anm. 10. - A. M. Quassowski / Albrecht, Art. 50 Rdnr. 1. - Vgl. zu Art. 50 WG sogleich unten, 2.5.5. 288 Insoweit richtig Staub / Stranz, Art. 50 Anm. 3. 287 Anders bei der Anweisung, da deren Verbleiben beim Anweisungsemp284

285

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

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Eine solche Auffassung hätte ferner noch den Vorteil, daß sie mit der maßgeblichen englischen Fassung des Art. 39 Abs. 1 EinhWG übereinstimmte. Dort heißt es nämlich: "The drawee who pays a bill of exchange may require that it shall be given up to him ...!88." Ob diese quasi ,ins Unreine geschriebenen Bedenken tatsächlich durchschlagend sind, bedarf an anderer Stelle eingehenderer Behandlung. Sie mögen aber vielleicht auch schon in dieser Form Anlaß geben, das durchweg angenommene, aber wenig hinterfragte Einlösungsrecht nach Art. 39 Abs. 1 WG kr,itischer zu sehen1!8'.

2.5.5. Die Aushändigung des Wechsels und Schecks an den Rückgriffsschuldner, Art. 50 Abs. 1 WG und Art. 47 Abs. 1 ScheckG Die Behandlung des Art. 50 Abs. 1 WG - wiederum stellvertretend für die entsprechende scheckgesetzliche Regelung des Art. 47 Abs. 1 ScheckG - ist nach dem bislang Gesagten weitgehend unproblematisch. Art. 50 Abs. 1 WG entspricht in seiner Fassung dem Art. 39 Abs. 1 WG. Wie dieser dem Bezogenen, gibt er dem Regreßverpflichteten ein selbständiges Forderungsrecht auf Aushändigung. Im Gegensatz zu Art. 39 Abs. 1 WG unterliegt es überhaupt keinem Zweifel, daß dieses Recht auf Aushändigung gegen gleichzeitige Zahlung geht. Jeder Regreßschuldner hat ein eigenes, lebhaftes Interesse daran, nicht abwarten zu müssen, bis der Wechsel im Rücklauf mit einer infolge der Kosten der Nachmänner die Rückgriffssumme weit übersteigenden Remboursregreßsumme bei ihm eintrifft. Ihm wird regelmäßig dar an liegen, durch Bezahlung seiner Schuld in den Wechselrücklauf zu einem Zeitpunkt "einsteigen" zu können, in dem seine Verpflichtung noch nicht allzusehr angeschwollen ist, und vor allem, in dem seine Vormänner noch solvent sind, so daß für ihn die Aussicht besteht, sich durch sofortigen Weitergriff an diesen schadlos halten zu können29o • Die soeben mehr kursorisch gegen die Annahme eines Einlösungsrechts nach Art. 39 Abs. 1 WG vorgebrachten Bedenken, können von der Sache her für Art. 50 Abs. 1 WG nicht gelten. Zudem wird ihnen ohnehin von dessen Wortlaut (" ... , gegen den Rück.., griff genommen wird oder genommen werden kann, ... CI) die Grundlage entzogen. Hinsichtlich der Frage, ob die Aushändigung gegen gleichzeitige Zahlung als Leistung Zug um Zug zu qualifizieren ist, ergibt sich im Rahmen des Art. 50 Abs. 1 WG zum ersten Mal Abweichendes von den bislang behandelten Fällen der Wertpapieraushändigung. In diesen war fänger wertpapiermäßig, wenn überhaupt, dann nur zu Lasten des freiwillig leistenden Angewiesenen gehen kann, vgl. oben, 2.5.2 (bei Fn. 235). 288 s. oben, Fn. 276; die französische Fassung ist nicht so eindeutig. 288 Vgl. auch OLG Naumburg, OLGRsp 29 (1914) 381 (382), das im Ergeb~ nis zu Unrecht - mit ähnlichen überlegungen bei § 1223 Abs. 2 BGB zur Ablehnung eines Einlösungsrechts des Verpfänders gelangt. 280 Vgl. Jacobi, § 103 11 (S. 814).

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

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das Wertpapier mit seiner Bezahlung vermögens rechtlich gegenstandslos geworden; anders hier nun. Der Regreßschuldner erwirbt mit der Einlösung eine durch den Wechsel verbriefte und der bezahlten Regreßsumme entsprechende Forderungsberechtigung, sei diese nun seine ursprüngliche oder diejenige vom befriedigten Wechselinhaber291 . Der Wechsel repräsentiert in seiner Hand einen konkreten Vermögenswert, der die mit seiner Zahlung verbundene Vermögenseinbuße ausgleicht. Zahlung und Wechselaushändigung stehen sich - zumindest nominell - als adäquate und vermögenswerte Leistungen gegenüber292 . Sie stehen somit in einem "Zug um Zug"-Leistungsverhältnis zueinander. Dies gilt selbstverständlich nicht, wenn der Einlösende ausnahmsweise überhaupt keinen Remboursregreß nehmen kann; also etwa dann nicht, wenn der Aussteller einen nicht angenommenen Wechsel einlöst293 • In das "Zug um Zug"- bzw. ausnahmsweise Gleichzeitigkeitsverhältnis ist die Herausgabe des Protests, nicht jedoch die Erteilung der quittierten Rechnung miteinbezogen. Die Rückrechnung ist als substantiierte Quittung i. S. d. § 368 Satz 1 BGB entsprechend dem dort Dargelegten zu erteilen. Art. 50 Abs. 1 WG gibt dem Rückgriffsschuldner somit einen ursprünglich - in der Regel - auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruch294 . Art. 50 Abs. 1 WG selbst enthält jedoch ebensowenig wie Art. 39 Abs. 1 WG etwas zum Inhalt der Regreßverbindlichkeit. Darüber, ob der Wechselinhaber vom Rückgriffsschuldner ebenfalls nur Zahlung Zug um Zug gegen Aushändigung verlangen kann, ist ihm nichts zu entnehmen. Da es sich bei der Rückgriffsverbindlichkeit um keine rechtsgeschäftlich begründete Wertpapierverpflichtung, sondern um eine Haftung kraft Gesetzes handelt295 , kann sich auch ihr Inhalt nur aus dem Gesetz ergeben. Was, wann und wie der Rückgriffsverpflichtete schuldet, bestimmt sich ausschließlich nach den Artt. 43 ff. WG; für "aus der Sache selbst geschöpfte Erwägungen"296, geschweige denn für eine entsprechende Anwendung des § 785 BGB ist daneben kein Raum vorhanden. Die Artt. 43 ff. WG enthalten keine dem Art. 54 WQ297 entsprechende Vorschrift 29s . Nach 291 Zum hier bestehenden Streit vgl. Baumbach / Hefermehl, Art. 14 WG Rdnr. 2, 4; Hueck / Canaris, § 12 VI 3 (S. 105 ff.); Rehfeldt / Zöllner, § 14 II

(S. 74 f.).

292 Dies übersieht Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 389 ff.; damit fällt seine nur auf der Ablehnung einer Leistung Zug um Zug basierende Argumentation zumindest für Artt. 48, 54 WO in sich zusammen. 293 Die Einlösung durch den Scheckaussteller geschieht also niemals Zug um Zug gegen Aushändigung. 294 Insoweit übereinstimmend die ganz einhellige Meinung. 295 Hueck / Canaris, § 9 III 3 (S. 73). 296 297 298

So Jacobi, § 103 I (S. 810). s. oben, Fn. 263. Darauf weist auch Jacobi, § 103 I (S. 809 f.) hin.

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

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ihnen kann - ebenso wie es unter Geltung der Wechselordnung ohne Art. 54 WO der Fall gewesen wäre - der Rückgriffsberechtigte Zahlung schlechthin beanspruchen. Der Rückgriffsschuldner ist - anders als der Akzeptant - zunächst einmal rnateriellrechtlich uneingeschränkt zur Zahlung verpflichtetJ189 • Da er jedoch nach Art. 50 Abs. 1 WG einen fälligen, zum Zahlungs anspruch des Wechselinhabers konnexen Gegenanspruch hat, kann er gegenüber dem Rückgriffsanspruch das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machens0o . Ihm steht somit die Möglichkeit offen, den gegen ihn gerichteten Zahlungsanspruch auf Leistung Zug um Zug zu beschränken. Ob die damit verbundenen unterschiedlichen RechtspositionenS1l 1 von Wechselinhaber und Rückgrüfsverpflichtetem dem nach wie vor gegebenen Wertpapiercharakter des rücklaufenden Wechsels unbedingt gerecht werden, mag bezweifelt werden. Das Gesetz jedenfalls steht auf diesem StandpunktS02 . Da bei seiner Fassung die abweichende Regelung in der Wechselordnung nicht zu übersehen war, will es diesen Standpunkt offensichtlich auch einnehmen. Diese getroffene gesetzgeberische Entscheidung ist nicht durch lediglich sachgerechte jedoch contra legern getroffene ErwägungenSOO zu überspielen. 2.5.6. Die Aushändigung des Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefs nach §§ 1144 (mit 1192 bzw.1200) BGB

Der Hypothekenbrief ist nach der schon den vorstehenden Abschnitten zugrundegelegten, herrschenden Wertpapiertheorie als Rektapapier des Sachenrechts ebenso wie die qualifizierten Legitimationspapiere ein Wertpapier.Sll4. Zum Verständnis des § 1144 BGB kann durchweg auf bereits Gesagtes zurückgegriffen werdenS1l5. Liegen die Voraussetzungen m Ebenso Hueck / Canaris, § 12 V a. A. (S. 104); Rilk, Art. 50 Anm. I/l 1 d; Stranz, Art. 39 Anm. 2; vgl, auch RT-Drucks. VII/1932 Nr. 177 S. 130 zu Art. 50 EinhWG (DenkSchr.); ferner zu Art. 48 WO: Michaelis, Art. 48 Anm. 7; Reuter, S. 14. - Unrichtig Baumbach / Hefermehl, Art. 50 WG Rdnr. 2 (Schuldner hat gesetzlich (?) nur Zug um Zug zu zahlen; gleichwohl soll aber ein Urteil auf Zahlung schlechthin möglich sein); J acobi, § 103 I (S. 809 f.); Quassowski / AIbrecht, Art. 50 Rdnr. 3; Staub / Stranz, Art. 50 Anm. 8. 300 So richtig Rilk, Art. 50 Anm. I/lid. 301 Vgl. auch die vergleichbare Rechtslage bei § 1100 BGB, oben, Kap. III. 2.4.3.

301 Diejenigen, die aus §§ 785, 797 Satz 1, 808 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Forderungsrecht herauslesen, nehmen ebenfalls lediglich ein Zurückbehaltungsrecht des Wertpapierverpflichteten an (vgl. oben, Fn. 185), sie halten dies also für durchaus vereinbar mit dem Wertpapiercharakter. 308 Vgl. Jacobi, § 103 I (5. 809 ff.), der so zu einem ganzen Bündel angeblich "sachgerechter" Einzelmodiflkationen der Rückgriffsverpflichtung gelangt. 304 Baumbach / Hefermehl, WPR, Rdnr. 29 f.; Erman / H. Westermann, § 1116 Rdnr. 2; Hueck / Canaris, § 2 II 2 (S. 20); Paland,t / Bassenge, § 1116 Anm. 2 a; Planck / Strecker, § 1116 Anm. 5 (m. w. N. zur Gegenmeinung); Rehfeldt / Zöllner, § 3 IV 4 b (S. 14); Soergel / Baur, § 1116 Rdnr. 4; Staudinger / ScheT'Übl, § 1116 Rdnr. 2; h. M.

14 Oesterle

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

des § 1142 Abs. 1 BGB vor, steht dem Eigentümer (bzw. dem ablösenden Dritten, § 1150 BGB, oder dem persönlichen Schuldner, § 1167 BGB306) nach § 1144 BGB307 ein selbständiges Aushändigungsrecht zu. Mehr oder anderes als einen solchen Anspruch enthält § 1144 BGB nicht 308 . Insbesondere beinhaltet er neben einem Forderungsrecht des Eigentümers nicht zugleich eine ursprüngliche Beschränkung des Gläubigerrechts, was - im Gegensatz zu Artt. 39 Abs. 1, 50 Abs. 1 WG - hier soweit ersichtlich auch nicht vertreten wird309 . Der Hypothekenbrief hat eine eigene selbständige vermögensrechtliche und wirtschaftliche Bedeutung310 . Mit dem Erlöschen der Hypothekenforderung wird der Brief vermögensrechtlich nicht etwa gegenstandslos, sondern hat als Eigentümergrundschuldbrief (§§ 1163, 1177 BGB) für den Eigentümer nach wie vor denselben Vermögenswert. Er stellt also sogar den betragsmäßig entsprechenden Vermögenswert zur Bezahlung der Forderung dar. Der Anspruch des Eigentümers nach § 1144 BGB geht somit auf Aushändigung Zug um Zug gegen Zahlung311. Daran können nicht etwa deshalb Zweifel bestehen, weil § 1144 BGB ungenau von "gegen Befriedigung" spricht. "Befriedigung" ist nicht als Erfüllung i. S. d. § 362 Abs. 1 BGB sondern im Sinne von geschuldeter Leistungsbewirkung zu verstehen312 • In das "Zug um Zug"-Verhältnis ist die Aushändigung derjenigen Urkunden, die zu ihrer Ausstellung die Erfüllung der Hypothekenforderung voraussetzen, nicht einbezogen. So ist etwa die löschungsfähige Quittung oder das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis, daß die Hypothek kraft Gesetzes auf den Eigentümer übergegangen sei, erst nach Tilgung der Hypothekenforderung zu erteilen313 • Aufgrund des ursprünglichen Zugs. die vorgängigen Abschnitte 2.5.1. bis 2.5.5. Ebenso § 62 SchiffsRG. 307 Ebenso § 45 SchiffsRG. 308 Richtig BGHZ 71, 19 (22); RGZ 55, 224 (227) und oben, Fn. 84. A. M. Reuter, der sowohl einen anfänglichen Zug-um-Zug-(Herausgabe-)Anspruch (81. 14), als auch eine selbständige Zug-um-Zug-Einrede des Eigentümers (S. 43) annimmt; ebenso wohl auch Soergell Baur, § 1144 Rdnr. 4; Staudinger I Scherübl, § 1144 Rdnr. 13 a; Plumeyer, DRiZ 29, 17 (§ 1144 BGB sei nur Vollstreckungsbeschränkung) und ähnlich Steininger, S. 33 ff.; vgl. ferner Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 400, 381 ff. (s. oben, 2.4.2.2.). 30g Langheineken, S. 308 f. nimmt allerdings an, § 1144 BGB beinhalte ausschließlich eine solche Beschränkung der Vollstreckung (s. oben, Fn. 308). 310 Planck I Strecker, § 1116 Anm. 5. 311 H. M.; unklar jedoch Erman I H. Westermann, § 1144 Rdnr. 2 (Zug-umZug-Anspruch), und 3 (Voraussetzung des Anspruchs ist volle Befriedigung). A. M. die prozeßrechtliche Meinung (s. oben, 2.4.2.1.), vgl. z. B. Falkmann I Hubernagel, § 726 Anm. 2 m; Stein I Jonas I Münzberg, § 726 Rdnr. 18; Wieczorek, § 726 Anm. D IU; ferner Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 400, 381 ff. 312 RGRK I Schuster, § 1144 Anm. 2; vgl. auch oben, Einl. (bei Fn. 10 ff.). Anders Plumeyer, DRiZ 29, 16 f. sta Wegen einer Zug um Zug zu erteilenden Löschungsbewilligung vgl. BayObLGZ 75, 396. 305

808

2.5. Die Aushändigung von Wertpapieren

211

um-Zug-Anspruchs nach § 1144 BGB kann der Eigentümer die Zurückbehaltungseinrede nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen und damit den gegen ihn gerichteten, auf Zahlung schlechthin gehenden Anspruch beschränkens14 .

2.5.7. Die Aushändigung von Ersatzurkunden, § 798 BGB und § 74 AktG315 § 74 Satz 1 AktG31G ist - abgesehen von einigen, aufgrund des unterschiedlichen Regelungsobjekts erforderlichen Abweichungen - mit § 798 Satz 1 BGB identischs17 . Für ihn gilt dasselbe wie für § 798 Satz 1 BGB. Dieser gibt dem Inhaber einer beschädigten oder verunstalteten, gleichwohl jedoch noch eindeutig individualisierbaren Schuldverschreibung das Recht, die ErteiIung und Aushändigung einer technisch sogenannten "Ersatzurkunde" zu fordern. Die Einlösung der i. S. d. § 798 Satz 1 BGB beschädigten Urkunde ist nach wie vor möglich318, lediglich ihre Veräußerung ist erschwert319, sie ist jedoch keineswegs vermögensrechtlich gegenstandslos. Da die neue Urkunde an die Stelle der alten tritt und deren verlorengegangene Umlauffähigkeit wiederherstellt, versteht es sich - nach dem in den vorgehenden Abschnitten Ausgeführten - von selbst, daß die Aushändigung der neuen und die Rückgabe der alten Zug um Zug zu erfolgen haben. Der Inhaber hat einen ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruch auf Aushändigung einer Ersatzurkunde320 • Ebenso selbstverständlich ist es, daß dem Aussteller kein eigener Anspruch auf Rückgabe der beschädigten Schuldverschreibung zusteht. Unerklärlich ist es, weshalb und auf welchem Weg einige Autoren hier gleichwohl ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB annehmen321 . Allein schon 314 Ebenso RGZ 158, 145 (149); OLG Kiel, SeuffArch 65 (1910) Nr. 114; OLG Posen, OLGRsp 29 (1914) 365 f.; Palandt / Bassenge, § 1144 Anm. 3 c; Planck / Strecker, § 1144 Anm. 3; RGRK / Schuster, § 1144 Anm. 2. - A. M. ausdrücklich Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 400, 381 ff. - Vgl. auch BGHZ 71, 19 (22) wegen eines Zurückbehaltungsrechts des Hypothekengläubigers nach § 273 BGB, wenn Eigentümer infolge eigener Vorleistung einen Anspruch auf Aushändigung schlechthin hat. 315 Vgl. ferner §§ 68, 70 GBO; § 14 Abs. 3 BBankG; zu weiteren Sonderregelungen s. RGRK / Steifen, § 798 Rdnr. 4 und Staudinger / Müller, § 798 Rdnr. 2 ff. 318 Vormals § 229 HGB bzw. § 68 AktG vom 30. 1. 1937 (RGBI I S. 107). 317 Barz, § 74 Anm. 1. 318 Barz, § 74 Anm. 3 (Grundlage der Eintragung ins Aktienbuch). 31Q Larenz, Bd. 11, § 66 V a (S. 451). 320 H. M.; vgl. DernbuTg, IIfl, § 153 III (S. 425); Langheineken, S. 308 f.; Larenz, Bd. 11, § 66 V a (S. 451); Reuter, S. 14; Wolf, Bd. 11, S. 395. - A. M. Breuer, S. 71 f. (selbständiges Einrederecht, § 274 BGB analog); ebenso wohl RGRK / Steifen, § 798 Rdnr. 2; Kluckhohn, ArchBürgR 43 (1919) 401, 381 ff. (s. oben, 2.4.2.2.); Steininger, S. 33 ff. 321 So Oertmann, § 798 Anm. 1; Planck / Landois, § 798 Anm. 1; Schollmeyer, § 273 Anm. 2 b 11.

14·

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IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Anspruche

vom Ergebnis her ist dies sinnlos, da, entsprechend dem auch von diesen Autoren angenommenen, eingeschränkten Anspruch des Inhabers, der Aussteller ohnehin nur zur Leistung Zug um Zug verpflichtet ist.

2.5.8. Zusammenfassung zur Aushändigung von Wertpapieren Es ist im Vorstehenden sicherlich hinlänglich deutlich geworden, daß der rechtswissenschaftliche Stand zur Frage der Aushändigung von Wertpapieren weit davon entfernt ist, einen einheitlichen Grundkonsens zu haben. Das hier Vertretene kann daher auch nicht mit der Auffassung einer herrschenden Meinung abschließend verglichen werden; es muß insoweit sein Bewenden mit den erfolgten Einzelauseinandersetzungen haben. Die vom Verfasser in deren Rahmen erzielten Ergebnisse sind ihrerseits vom Bemühen möglichst großer Gesetzestreue getragen, ohne allerdings den "roten Faden", der diese Fallgruppe kraft des letztendlich einheitlichen Regelungsobjekts durchzieht, aus den Augen zu verlieren. Die Uneinheitlichkeit von Literatur und Rechtsprechung, wobei insoweit auch durchaus das von ihnen zu §§ 368, 371, 410, 1160 BGB Vertretene einzubeziehen ist, hat sicherlich ihren Grund in der relativ geringen Streiterheblichkeit322 der behandelten Fragen. Dieser Mangel an häufigen tatsächlichen Schwierigkeiten vermag es jedoch nicht zu rechtfertigen, die Entscheidung von Rechtsfragen, die in Einzelfällen dann doch wesentlich werden, mit einem "Pinselstrich" zu erledigen. Eine Rechtsdogmatik, die sich selbst auf das Anbieten überzeugender Lösungsversuche nur für dauernd im Streit liegende Fragen reduzieren wollte, müßte ihre Aufgaben verfehlen. 2.6. Der Pfandlösungsanspruch323 des Verpfänders nach §§ 1217 Abs. 2 Satz 1; 1218 Abs.l; 1223 Abs. 2 BGB

Reuter bezeichnet den Pfandlösungsanspruch in seinen verschiedenen Formen als den "typischen Anspruch auf Leistung Zug um Zug nach dem geltenden Recht"324. Sollte Reuter damit gemeint haben, daß es sich um einen unproblematischen Fall einer ursprünglichen Leistung Zug um Zug handelt, wäre ihm zuzustimmen; abzulehnen wäre seine Aussage aber dann, wenn er annehmen wollte, die anderen gesetzlichen Zugum-Zug-Ansprüche seien, hinsichtlich ihrer rechtlichen Behandlung, als solche in irgendeiner Form atypisch. Nicht nur der Drittverpfänder sondern auch der Verpfänder, der zugleich der persönliche Schuldner is1;325, können gemäß § 1223 Abs. 2 BGB 322 Davon legen die insgesamt spärlichen Rechtsprechungsnachweise beredtes Zeugnis. 323 So anschaulich Reuter, S. 13 im Anschluß an Kohler, ArchBürgR 13 (1897)

273.

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ReuteT, S. 13, wie immer ihm folgend Schmidt, S. 15.

2.6. Der Pfandlösungsanspruch

213

"die Rückgabe des Pfandes gegen Befriedigung des Pfandgläubigers verlangen". Diese Vorschrift entspricht sowohl in ihrem Sinn und Zweck als auch nach ihrer Konstruktion vollständig der Regelung, die die Rückgabe des Hypothekenbriefs in § 1144 BGB erfahren hat. Hier wie dort gilt dasselbe326 • Danach hat der Verpfänder ein Einlösungsrecht hinsichtlich der Pfandsache. Er kann deren Herausgabe Zug um Zug gegen Bewirken der geschuldeten Leistung verlangen327 • § 1223 Abs. 1 BGB widerspricht dem nicht328, denn der Umstand, daß der Pfandgläubiger verpflichtet ist, das Pfand Zug um Zug zurückzugeben, ändert per se nichts daran, daß er die geschuldete und durch das Pfand gesicherte Leistung so fordern kann, wie sie ihm bereits von Anfang an geschuldet wird329 • Es wäre doch auch ein höchst eigenartiges Ergebnis, wenn die dingliche Sicherung den materiellrechtlichen Inhalt der gesicherten Forschung ändern würde. Zu beachten ist allerdings, daß § 1223 Abs. 1 und 2 BGB teilweise dasselbe regeln. Bereits aus Absatz 2 ergibt sich, daß der Ver"" pfänder, der vorgeleistet und die gesicherte Forderung erfüllt hat, erst recht einen Anspruch auf Rückgabe der Pfandsache hat, eben dies besagt auch Absatz 1. Dieser stellt jedoch darüber hinaus klar, daß ebenfalls dann, wenn die Forderung auf andere Weise als durch freiwillige Leistung des Verpfänders erloschen ist, dieser die Rückgabe fordern kann. Nur in den letztgenannten Fällen ist die Erfüllung der Schuld Voraussetzung des Herausgabeverlangens33o • Aus diesem Grund verdrängt § 1223 Abs. 1 BGB auch nicht das nach § 273 Abs. 1 BGB mit § 1223 Abs. 2 BGB gegebene Zurückbehaltungsrecht desjenigen Verpfänders, der zugleich persönlicher Schuldner i:st, wenn dieser vom Pfandgläubiger auf 325 Ganz h. M.; vgl. BGHZ 23, 293 (299); RGZ 90, 69 (72); 92, 280 (282); JW 10, 391 Nr. 10; KG, OLGRsp 26 (1913) 203; OLG Naumburg, OLGRsp 29 (1914) 381 f.; OLG Dresden, OLGRsp 29 (1914) 383 und statt vieler Erman I Ronke, § 1223 Rdnr. 3; Planck I Brodtmann, § 1223 Anm. 3 b m. w. N. zur Gegenmeinung. - A. M. OLG Bamberg, SeuffArch 62 (1907) Nr. 58; Reuter, S. 13 und dort Fn. 5. - Zur Frage der Pfandrückgabe, wenn der Verpfänder nicht Eigentümer der Pfandsache ist, s. BGH, JZ 404 ff. mit zust. Anm. Schubert, JR 79, 417 f. einerseits und die dazu ablehnende Stellungnahme von Waldner, MDR 79, 811 ff. andererseitS. 328 s. oben, 2.5.6. 327 Ganz h. M.; vgl. BGHZ 23, 293 (299); ferner RG; KG; OLG Dresden; OLG Bamberg (alle oben, Fn. 325) und übereinstimmend die Lit. - Dies wird aber von BGH, JZ 79, 404 ff. und Schubert, JR 79, 417 nicht beachtet; s. dazu Oesterle, JZ 79, 636 f. 328 So auch RGZ 92, 280 (281) m. w. N. zur Entstehungsgeschichte. Unrichtig OLG Naumburg, OLGRsp 29 (1914) 382 f., das zu Unrecht annimmt, die

Durchführung der Pfandverwertung würde durch einen "Zug um Zug"-Titel des Verpfänders behindert; denn bei ordnungsgemäßer Verwertung - auch während des Prozesses - wird der Pfandgläubiger von seiner Rückgabepflicht frei. Gegen das OLG ausdrücklich auch RGZ 92, 280 (282). 329 Ebenso RG, JW 14, 76; Wolff I Raiser, § 171 IV (S. 710); Staudinger I Spreng, § 1223 Rdnr. 4 sub a (s. auch unten, Fn. 333). 330 RGZ 92, 280 (281); Soergell Augustin, § 1223 Rdnr. 2.

214

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Leistung schlechthin in Anspruch genommen wird 331 • Wollte man die Anwendbarkeit von § 273 BGB hier verneinen, ergäbe sich das wenig einleuchtende Ergebnis, daß dem Verpfänder sein Recht nach § 1223 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur dann von Nutzen sein könnte, wenn ihn der Pfandgläubiger seinerseits überhaupt nicht in Anspruch nehmen würde332 • Da keine sachlich zwingenden Gründe gegen die Annahme eines mit § 1223 Abs. 2 BGB begründbaren Zurückbehaltungsrechts vorhanden sind, ergibt sich insoweit ebenfalls nichts anderes als bei § 1144 BGB333. Für die außerordentlichen Rechte des Verpfänders zur Lösung des Pfandverbandes bzw. zum Austausch des Pfandes nach §§ 1217 Abs. 2 Satz 1 bzw. 1218 Abs. 1 BGB gilt nichts anderes als bei § 1223 Abs. 2 BGB. Zu § 1218 Abs. 1 BGB bleibt nur anzumerken, daß für ihn natürlich nicht das zutreffen kann, was im Rahmen der Einrede mangelnder Sicherheitsleistungllu zum Verhältnis von Leistung und Sicherheitsleistung dargelegt wurde. Denn während dort die erstmalige Stellung einer Sicherheit in Rede stand, geht es hier um den Austausch einer bereits erbrachten (realen) Sicherheit gegen eine andere, gleichwertige (reale) Sicherheit. Ferner triff aufgrund des § 1218 Abs. 1 BGB den Verpfänder keine Pflicht zum Pfandaustausch, und dementsprechend hat der Pfandgläubiger auch kein Recht darauf336• 2.7. Das Ubemahmeremt gegen Wertersatz zur Ablösung einer Gesamthandsberedltigung nach §§ 1477 Abs. 2; 1502 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2; 1515 Abs. 1 BGB

Das -übernahmerecht nach § 1477 Abs. 2 BGB ist ein Gestaltungsrecht336 ; wird es ausgeübt, so kommt eine Verpflichtung des Gestaltungsgegners mit dem Inhalt zustande, daß dieser das zur Verwirk331 Unrichtig RG, JW 14, 76; OLG Dresden, OLGRsp 29 (1914) 383; gegen dieses RGZ 92, 280 (282); OLG Naumburg, OLGRsp 29 (1914) 381 f., lehnte § 273 BGB ab. weil es einen Zug-um-Zug-Anspruch nach § 1223 Abs. 2 BGB verneinte; demgegenüber lehnte das KG, OLGRsp 26 (1913) 203, § 273 BGB deshalb ab, weil sich aus dem konkreten ·Schuldverhältnis "ein anderes" ergab. - Der Zusammenhang von § 1223 Abs. 1 BGB und § 273 Abs. 1 BGB wird von BGH, JZ 79, 404 f. nicht gesehen, dazu Oesterle, JZ 79, 636 f. 332 Vgl. auch oben, Kap. III. 2.4.3. 333 In diesem Sinne sind wohl auch Palandt I Bassenge, § 1223 Anm. 2; Soergel I Augustin, § 1223 Rdnr. 7 (ansonsten Widerspruch zu Rdnr. 6); Staudinger I Spreng, § 1223 Rdnr. 4 sub d (ansonsten Widerspruch zu Rdnr. 4 sub a) zu verstehen. - Unrichtig RGRK I Kregel, § 1223 Anm. 4, der neben einem Anspruch offensichtlich eine selbständige Einrede in § 1223 Abs. 2 sehen will; ebenso Schubert, JR 79, 417 f. unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte. 3114 s. oben, Kap. III. 2.5.2.3. 33S Auch Hellmann, S. 190 nimmt nichts anderes an, er wird von Reuter, S. 14 Fn. 1 allerdings sinnentstellend zitiert; dort jedoch zutreffend gegen

Schlegelberger, S. 180. 338

Einhellige Meinung.

2.7. Das 'Obernahmerecht gegen Wertersatz

215

lichung des übernahmerechts, m. a. W. das zur Verschaffung von Gesamtgutsgegenständen zu alleinigem Recht des übernehmenden, seinerseits Erforderliche tun muß337. Diese Verpflichtung ist inhaltlich ganz ohne Frage von vornherein auf Leistung Zug um Zug gegen Wertersatz beschränkt338 • Dem steht nicht entgegen, daß der Wertersatz nicht unmittelbar an den anderen Ehegatten sondern in die Teilungsmasse339 zu zahlen ist340, denn dadurch verliert er als Gegenleistung des übernehmenden nicht den Charakter eines dem Verpflichteten zugute kom·· menden Vermögenswertes. Der die Gestaltung erklärende Ehegatte begründet damit keine gegen sich selbst gerichtete Verpflichtung zur übernahme 341 und Ersatzleistung342. Eine solche Verpflichtung ist vom Gesetz mit keiner Silbe erwähnt und auch sachlich nicht erforderlich. Der Gestaltungsgegner seinerseits hat nichts zu fordern. § 1477 Abs. 2 BGB ermöglicht lediglich demjenigen Ehegatten, der die zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmten Gesamthandsgegenstände von der Teilung ausnehmen will, eine einseitige Verpflichtung des anderen Ehegatten herbeizuführen. Der vom übernehmenden Zug um Zug zu erbringende Wertersatz ist ausschließlich Modalität der Leistungsbewirkung des verpflichteten Ehegatten343 • All dies hat weder etwas mit § 273 BGB noch mit § 274 BGB zu tun344. Die praktische Bedeutung des ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruchs nach § 1477 Abs. 2 BGB dürfte allerdings gering sein, da sich die Ersatzleistung des übernehmers in der Regel durch Anrechnung auf seinen Teil nach § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB erledigen wird, so daß es zu einem Leistungsaustausch überhaupt nicht kommt. Planck I Unzner, § 1477 Anm. II 8. Boehmer, NJW 50, 72; Crome, Bd. IV, S. 395; Langheineken, S. 309; Reuter, S. 14 und im Ergebnis ganz h. M., wobei oft allerdings fälschlicherweise auf § 273 BGB, so RGRK I Finke, § 1477 Rdnr. 16, bzw. auf § 274 BGB, so z. B. Planck I Unzner, § 1477 Anm. II 3, hingewiesen wird, ohne daß jedoch 337

338

erklärt würde, welche Bewandtnis es mit diesem Hinweis haben soll; vgl. auch die unbegründeten und unbegründbaren Ausführungen bei Staudinger I Felgentraeger, § 1477 Rdnr. 16. S8U Boehmer, NJW 50, 72; Dälle, Bd. I, § 80 I 1 b ce (5.976); Gernhuber, § 38 X 9 (S. 433). - Abw. OLG Stuttgart, NJW 50, 70 (71). 840 Vgl. oben, Kap.!. 3.1. (nach Fn. 122). 841 Ebenso Palandt I Diederichsen, § 1477 Anm. 2; RGRK I Finke, § 1477 Rdnr. 7; Soergell Gaul, § 1477 Rdnr. 4. 841 Ebenso Boehmer, NJW 50,72; Crome, Bd. IV, S. 395 Fn. 65; Langheineken, S. 309; vgl. auch Dälle, Bd. I, § 80 I 1 b ee (S. 976: Gestaltungsgegner ist verpflichtet, während der 'Obernehmer nur "gehalten" ist). - A. M. GeTnhubeT, § 38 X 9 (S. 433); MüKo I KanzleiteT, § 1477 Rdnr. 9, 12; Planck I UnzneT, § 1477 Anm. II 3; zweifelnd Kipp I Wolft, § 66 IV 2 (S. 259). 343 BoehmeT, NJW 50, 72 spricht rechtstechnisch falsch von "Bedingung der Rechtsausübung" . 344 s. aber oben, Fn. 338.

216

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

In den Fällen der §§ 1502 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 und 1515 Abs. 1 BGB gilt dasselbe wie bei § 1477 Abs. 2 BGB. 2.8. Das Recht auf Wertersatz gegen Ubertragung des überbauten Grundstücksteils, § 915 BGB

Dem rentenberechtigten Eigentümer steht nach § 915 Abs. 1 Satz 1 BGB ein einseitiges Forderungsrecht gegen den Rentenpflichtigen auf Wertersatz gegen Auflassung des überbauten Grundstücksteils zu. Ebenso wie in der vorstehenden Fallgruppe handelt es sich auch hier um einen ursprünglich auf Leistung Zug um Zug gerichteten Anspruch345 • Dem Rentenpflichtigen steht nach hier ganz einhelliger Meinung kein Ablösungsrecht ZU346 • Unrichtig ist es allerdings, wenn davon gesprochen wird, der mit dem überbau belastete Eigentümer hätte ein Recht auf Grundabnahme3 47 ; denn dies würde bedeuten, daß der Rentenpflichtige Schuldner zweier selbständiger Ansprüche, zum einen auf Abnahme und zum anderen auf Wertersatz, wäre. Demgegenüber statuiert das Gesetz ganz deutlich nur einen - verhaltenen3'8 - Wertersatzanspruch, der in Abhängigkeit zur übereignung steht341I • Lediglich der Wertersatz, nicht aber die Abnahme ist Gegenstand eines Forderungsrechts. Wenn § 915 Abs. 1 Satz 2 BGB die Vorschriften über den Kauf für anwendbar erklärt, so kann dies nicht bedeuten, daß sich die Verpflichtung zum Wertersatz als Pflicht zur Kaufpreiszahlung nach § 433 Abs. 2 BGB darstellen würde, denn die schuldrechtliche Verpflichtung hierzu liegt bereits im Satz 1350 • Da der Rentenpflichtige seinerseits nichts zu fordern hat, auch nicht, wenn der Berechtigte Wertersatz verlangt hat351 , ist es ausgeschlossen, daß die §§ 320 ff. BGB zur Anwendung gelangen können352 • Daß das Gesetz mit § 915 Abs. 1 Satz 2 BGB kein schuldrechtliches, gegenseitiges Kaufvertragsverhältnis zustande bringen wollte 353 , folgt unmittelbar aus der eigenständigen Regelung des Abhängigkeitsverhältnisses von Wertersatz und übereignung in Satz 1. Dieser regelt 346 Mugdan, Bd. III, S. 159 (Mot.); Paland,t I Bassenge, § 915 Anm. 1; dies hat nichts mit §§ 273, 274, 322 BGB zu tun, wie Planck / Strecker, § 915 Anm. 4 und RGRK / Pritsch, § 915 Anm. 4 meinen. 348 Statt aller Soergel / Baur, § 915 Rdnr. 1. m Palandt I Bassenge, § 915 Anm. 1; Planck / Strecker, § 915 Anm. 1; Soergel/ Baur, § 915 Rdnr. 1; Staudinger / Seufert, § 915 Rdnr. 1. 348 Richtig Langheineken, S. 104; s. auch oben, 2.4.3. 348 Ebenso Mugdan, Bd. III, S. 159 (Mot.). Ein begriffslogisches "Untier" ist das "Recht auf Grundabnahme gegen Wertersatz", so aber viele, vgl. Soergel/ Baur, § 915 Rdnr. 1. - Vgl. auch unten, 3. (nach Fn, 402). 360 Insoweit zutreffend Staudinger / Seufert, § 915 Rdnr. 2 sub b. 351 A. M. Langheineken, S. 107 Fn. 2. 352 A. M. Staudinger / Seufert, § 915 Rdnr. 3. 363 So aber Palandt / Bassenge, § 915 Anm. 1; Planck / Strecker, § 915 Anm. 4; Soergel/ Baur, § 915 Rdnr. 1.

2.9. Die Frachtauslieferung

217

den Austausch der beiden Leistungen abschließend354. Nur für die weiteren, nicht den Austausch betreffenden Fragen, ist das Kaufrecht heranzuziehen, insbesondere die §§ 434 - 436, 439 BGB355. Es kommt somit zu keinem Wertungswiderspruch zwischen § 320 BGB (nach h. M.: Zugum-Zug-Einrede) einerseits und § 915 Abs. 1 Satz 1 BGB (Zug-um-ZugAnspruch) andererseits. 2.9. Die Auslieferung der Fracht an den Destinatar nadl §§ 435, 436; 614 Abs. 2 HGB

Nach §§ 435 Satz 1356 und 614 Abs. 2357 HGB kann der Destinatar vom Frachtführer die Auslieferung der beförderten Güter "gegen die Erfüllung" der sich aus dem Frachtvertrag ergebenden "Verpflichtungen", also insbesondere gegen Zahlung von Fracht, Zoll, Nachnahme etc., verlangen. Dasselbe Recht steht ihm im Eisenbahn- und Güterkraftverkehr nach § 75 Abs. 1 EV0358 bzw. § 25 Abs. 1 Satz 2 mit Abs. 2 KV0359 zu. Eine Abweichung von der ansonsten einheitlichen dogmatischen Konstruktion enthält § 25 KVO insofern, als nach seinem Absatz 2 der Empfänger, sobald das Gut am Bestimmungsort angekommen ist, die übergabe des Gutes zunächst schlechthin verlangen kann. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 KVO ist der Frachtführer jedoch berechtigt "die übergabe von der Zahlung der (Fracht-)Forderung abhängig zu machen". Damit ist ihm nicht eine Einrede sondern eine einseitige Gestaltungsbefugnis bezüglich des materiellrechtlichen Inhalts seiner Verpflichtung an die Hand gegeben. Macht er von ihr Gebrauch, so kommt dieselbe Rechtslage zustande, wie sie bei §§ 435 Satz 1; 614 Abs. 2 HGB; 75 Abs. 1 EVO bereits von vornherein besteht. Obwohl die Fassung Auslieferung "gegen" Zahlung an sich mehrdeutig ist, kann es sich hier ausschließlich um ein "Zug um Zug"-Verhältnis von Leistung und Gegenleistung handeln360 • Denn daß der Destinatar nicht vorleistungspflichtig ist, ergibt sich unmittelbar aus den §§ 436, 614 Abs. 1 HGB; und daß es der Verfrachter nicht ist, folgt schon aus dem 354 Davon ging auch die Kommission zweiter Lesung aus. als sie die Einfügung des Satzes 2 beschloß, Mugdan, Bd. III, S. 591 (Prot.). 355 Mugdan, Bd. III, S. 591 (Prot.), ferner S. 159 (Mot.). 356 Die §§ 435 f. HGB gelten nach § 26 BinnSchG (RGBI 98 S. 868) auch für das Binnenschiffahrtsfrachtgeschäft. 357 § 614 Abs. 2 HGB lautet: "Der Verfrachter hat die Güter gegen Zahlung der Fracht und gegen Erfüllung der übrigen Verpflichtungen des Empfängers auszuliefern ... 858 RGBI 38 II S. 663; abgedruckt bei SchZegeZberger / GeßZer, Anh. zu §§

453 - 460.

359 RVerkBI 36 B 151 in der Fassung vom 14. X. 69 (BAnz Nr. 194); abgedruckt bei SchZegeZberger / GeßZer, Anh. II zu §§ 425 - 452. 360 Ganz h. M. A. M. allerdings Ad,Zer, FS Zitelmann, S. 5 Fn. 1, der ohne Begründung behauptet, die Auslieferung sei keine Gegenleistung für die Frachtzahlung.

218

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

Umstand, daß die §§ 435 Satz 1, 614 Abs. 2 HGB nicht einfach vom Recht des Empfängers, Auslieferung verlangen zu können, sprechen. Das Gesetz kann daher mit "gegen" hier nur den gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung meinen. Die überführung von Vermögenswerten steht außer Frage. Die Frachtzahlung wird gerade für den erfolgten Transport und für die Auslieferung, m. a. W. für die Besitzverschaffung an der Ladung, erbracht. Die nach dem Gesetz allein mögliche Gleichzeitigkeitsbeziehung stellt demnach ein "Zug um Zug"-Verhältnis im hier vertretenen Sinne dar361 • Da die Auslieferung als solche mit dem Aus-der-Hand-Geben der Leistung im Rahmen einer komplexen "Zug um Zug"-Abwicklung identisch ist, läßt sich die gesamte geschuldete Leistung des Verfrachters, also auch der Transport an den Bestimmungsort, als eine Leistung Zug um Zug begreifen. Dem auf Auslieferung Zug um Zug gegen Zahlung gerichteten Anspruch des Destinatars stehen keinerlei Ansprüche des Verfrachters auf die Gegenleistung gegenüber. Der Destinatar selbst ist gern. §§ 436, 614 Abs. 1 HGB erst nach Annahme des Gutes zur Gegenleistung verpflichtet382 • Wenn das Gesetz daher davon spricht, daß der Verfrachter gegen "Erfüllung der Verpflichtungen" des Empfängers zu leisten hat, ist dies strenggenommen falsch, denn vor Annahme ist der Empfänger eben zu nichts verpflichtet und kann zu diesem Zeitpunkt folglich nichts erfüllen363 • Aus diesem Grund wäre es auch besser gewesen, den Absatz 2 des § 614 HGB dessen Absatz 1, entsprechend der Folge der §§ 435 f. HGB, voranzustellen. Vor Abnahme der Fracht besteht nur einseitig zugunsten des Empfängers ein Zug-um-Zug-Anspruch; während der Zahlungsanspruch des Verfrachters zu diesem Zeitpunkt noch nicht existent und keinesfalls nur nicht fällig ist. Unrichtig ist es deshalb, wenn das Reichsgericht zu § 435 HGB meint, dort könnten die Vorschriften über gegenseitige Verträge Anwendung finden364 • Fordert der Destinatar Auslieferung schlechthin und lehnt der Verfrachter dies - möglicherweise unter Hinweis auf die Gegenleistung - ab, so hat dies auch nichts mit der Geltendmachung irgendeiner besonderen Einrede zu tun365, sondern der Verfrachter weist 381 Schwierigkeiten des gleichzeitigen Austauschs sind in diesem Rahmen theoretisch - fast zwangsläufig; so daß das zur Abwicklung der Leistung Zug um Zug Gesagte hier besondere Bedeutung erlangt; vgl. schon oben. 2.5.3. a. A. 382 Baumbach / Duden, § 436 Anm. 1 B; RGRK / Ratz, HGB, § 435 Anm. 11; Schaps / Abraham, § 614 Anm. 14; Schlegelberger / Geßler, § 435 Rdnr. 19; ganz h. M.; auch die Annahme allein des Frachtbriefs begründet noch keinen Anspruch des Frachtführers, vgl. RG, JW 1900, 314 Nr. 13. 383 Darauf weisen mit Recht Schlegelberger / Liesecke, § 614 Rdnr. 14 hin. 384 RGZ 71, 342 (345); ihm folgend Schlegelberger / Geßler, § 435 Rdnr. 19. H~ SO aber Schaps / Abraham, § 614 Anm. 13; Schlegelberger / Geßler, § 435 Rdnr. 19 (widersprüchlich); auch Schlegelberger / Liesecke, § 614 Rdnr. 14 spre-

2.10. Zusammenfassung

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damit lediglich darauf hin, daß die Rechte aus dem Frachtvertrag gegen ihn allein Zug um Zug gegen Zahlung geltend gemacht werden können366 ; er wendet damit also die Unbegründetheit des Verlangens ein. 2.10. Zusammenfassung der ursprünglidt auf Leistung Zug um Zug besdtränkten Ansprüdte

In den vorstehenden Abschnitten 1.1. bis 2.9. wurden die positiv gesetzlich geregelten Fälle des ursprünglich auf Leistung Zug um Zug bzw. auf Leistung gegen gleichzeitige Gegenleistung beschränkten Anspruchs dargestellt. Da mit Ausnahme der §§ 368, 371 BGB alle besprochenen Bestimmungen zu einem solchen Anspruch führen, kann hier auf ihre nochmalige Zusammenfassung verzichtet werdens87 • Ebenso wie im Rahmen der Zug-um-Zug-Einreden fehlt es auch innerhalb der Zug-um-Zug-Ansprüche an einer einheitlichen und einem erkennbaren Prinzip folgenden Meinungsbildung der Rechtswissenschaft. Die breite Einzeldarstellung der Normen, die als Grundlage eines Zugum-Zug-Anspruchs in Betracht gezogen werden mußten, war daher unvermeidlich. Diese Einzeldarstellungen sind von dem Wunsch getragen, in ihrer Gesamtheit durch Schlüssigkeit in sich, Gesetzestreue und gleichwohl sachgerechte Ergebnisse zu überzeugen. Nur wenn bereits bei der Qualifizierung einzelner Normen als gesetzliche Grundlage einer Leistung Zug um Zug argumentative Einheitlichkeit gewahrt wird, lassen sich diejenigen Fragen, die nicht Einzelnormen sondern die Leistung Zug um Zug als solche betreffen, auch einheitlich beantworten. Entgegen der bei der Zusammenfassung der Zug-um-Zug-Einreden noch offen gelassenen Möglichkeit3e8, ist keine der Bestimmungen, die wegen ihres Wortlauts unter dem Titel der "Ursprünglichen Zug-umZug-Leistung" zu behandeln waren, aufgrund sachlicher Notwendigkeit den Gegenrechten zuzugesellen. Sofern eine Beschränkung in Frage steht, handelt es sich entsprechend der Gesetzesfassung immer entweder um die materiellrechtliche Einschränkung eines Forderungsrechts und die damit gegebene eingeschränkte Verpflichtung des Schuldners, oder umgekehrt um die materiellrechtliche Beschränkung einer Verpflichtung und die damit gegebene, beschränkte Forderungsberechtigung des Gläubigers. chen von "Zurückbehaltungsrecht des Verfachters", wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, verstehen sie darunter jedoch keine Einrede, sondern lediglich den tatsächlichen Umstand, daß Verfrachter nicht schlechthin leisten muß und er deshalb seine Leistung im Wortsinne zurückhalten kann. 368 RGZ 71, 342 (344); Baumbach I Duden, § 436 Anm. 1 B; RGRK I Ratz, HGB, §435 Anm. 7. 387 s. auch unten, Schlußbemerkung. 388 s. oben, Kap. II!. 2. 10. a. E.

220

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

3. Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Fälle eines ursprünglich auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruchs Nachdem die gesetzlich normierten Fälle einer Leistung Zug um Zug besprochen worden sind, bleiben noch einige wenige übrig, die von Rechtsprechung und Literatur entwickelt worden sind, ohne daß für sie ein unmittelbarer gesetzlicher Anknüpfungspunkt gegeben wäre. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist es allerdings schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, zu untersuchen, ob diese Entwicklung sachlich und dogmatisch gerechtfertigt ist. Sie ist insoweit vielmehr als fait accompli zu akzeptieren, als solches darzustellen und allenfalls mit einem Hinweis auf vergleichbare gesetzliche Grundlagen einer Leistung Zug um Zug zu versehen. Der 1. Fall ist im Schadensersatzrecht anzutreffen. Muß sich ein Ersatzberechtigter nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen durch das schadensstiftende Ereignis erlangten Vorteil anrechnen lassen, besteht sein Schadensersatzanspruch von vornherein nur in Höhe der Differenz von erlittenem Schaden abzüglich des erlangten Vorteils. Ist nun Ersatz durch Naturalherstellung zu leisten, so kann bei einem zur Naturalrestitution ungleichartigen, auszugleichenden Vorteil eine Verrechnung und damit eine unmittelbare Schmälerung des Ersatzanspruchs nicht erfolgen1l69• In diesem Fall geht - anstatt der Anrechnung - der Anspruch des Ersatzberechtigten von vornherein nur auf Schadensersatzleistung. Zug um Zug gegen Herausgabe des erlangten Vorteils370 . Die Rechtslage ist insoweit nicht anders zu beurteilen als bei § 255 BGB371. Hier wie dort steht dem Ersatzschuldner kein eigener Anspruch auf Herausgabe des Vorteils Zug um Zug gegen seine Ersatzleistung ZU~I72. Ob man ihm nach erfolgter Leistung einen Herausgabeanspruch hinsichtlich des beim Gläubiger verbliebenen Vorteils zubilligt373 , oder ob man ebenso wie bei § 255 BGB374 den Weg über das Bereicherungsrecht wählt3 76, kann und braucht hier nicht verbindlich entschieden zu werden. Diese Frage läßt sich für die gesetzlich nicht geregelte Vorteilsausgleichung - anders als für § 255 BGB - frei von normativen Zwängen entscheiden. Auf eine Schwierigkeit, die sich bei Bejahung 389 Wolf, Bd. I,. S. 246, der die Existenz einer Vorteilsausgleichung im von der ganz h. M. verstandenen Sinne leugnet, kann diese Fälle überhaupt nicht lösen. 370 BGHZ 27, 241 (248 f.); Blunck, NJW 67, 1599; Leonhard, Bd. I, S. 210; Oertmann, Vorbem. 5 a vor §§ 249 - 254; Palandt / Heinrichs, Vorbem. 7 a vor § 249; Planck / Siber, § 249 Anm. 5 a. 371 s. oben, 2.2.2. Vgl. auch Planck / Siber, § 249 Anm. 5 a. 372 Richtig Oertmann, Vorbem. 5 a vor §§ 249 - 254. 373 Dagegen wohl Oertmann, Vorbem. 5 a vor §§ 249 - 254. 374 s. oben, 2.,2.2. (bei Fn. 42 ff.). 375 So wohl Planck / Siber, § 249 Anm. 5 a a. E.

3. Gesetzlich nicht geregelte Einzelfälle

221

eines solchen Anspruchs zumindest theoretisch ergeben kann, sei allerdings gleichwohl hingewiesen. Infolge der Anrechnung eines Vorteils kann die Differenz zwischen Schaden und erlangtem Vorteil bis auf Null herabsinken, aber nicht weiter176, d. h. ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des Mehrwertes des Vorteils kommt nicht in Betracht. Wie aber läßt sich dieses Ergebnis dogmatisch konsequent für den Fall erzielen, daß der Vorteil nicht anzurechnen sondern in natura herauszugeben ist? Soll der Ersatzpflichtige dadurch, daß er Naturalrestitution leistet, nunmehr den betragmäßig höher als die Ersatzleistung zu veranschlagenden Vorteil fordern können? Dem Ersatzschuldner ist es nicht in die Hand zu geben, sich aus eigener "Machtvollkommenheit" den Vorteil zu verschaffen. Nur wenn der Berechtigte aus eigenem Entschluß die Ersatzleistung Zug um Zug gegen Herausgabe des höherwertigen Vorteils verlangt, mag der Schuldner in den "Genuß" dieses Vorteils gelangen. Dies, und das Bedürfnis nach einer zu § 255 BGB einheitlichen Rechtslage legen wohl die Verneinung auch eines nachträglichen Anspruchs auf Herausgabe des Vorteils nahe. Nicht um einen Fall der Vorteilsausgleichung, sondern um einen bloßen Rechnungsposten innerhalb der Schadensberechnung geht es, wenn dem Geschädigten, der vollen Ersatz für eine zerstörte Sache verlangt, ein noch verwertbarer Rest verblieben ist3 71 • Ein Schaden und damit ein Anspruch besteht hier von vornherein nur in Höhe der Differenz zwischen dem ursprünglichen Wert der zerstörten Sache und dem des verbliebenen Restes. Erfolgt in einem solchen Fall Naturalrestitution, gilt für die Berücksichtigung des wegen Ungleichartigkeit nicht anrechenbaren Restes dasselbe wie bei der Vorteilsausgleichung. Anstelle der unmittelbaren Verrechnung hat der Gläubiger einen auf Ersatzleistung Zug um Zug gegen Herausgabe des verbliebenen Restes gerichteten Anspruch378 • Entsprechendes gilt dann, wenn sich der Ersatzberechtigte einen "Abzug Neu für Alt" gefallen lassen muß379 und man in diesem Fall die Möglichkeit der Naturalherstellung durch Leistung einer neuwertigen Sache bejaht, d. h. nicht nur eine Entschädigung in Geld nach § 251 Abs. 1 BGB für begründet hält380 • Eine Verrechnung scheidet dann naturgemäß aus. Der auf die neuwertige Ersatzsache gehende Anspruch besteht nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Ausgleichsbetragg381. Vgl. Staudinger / Werner, Vorbem. Rdnr. 102 §§ 249 - 252. Larenz, Bd. I, § 30 11 (S. 416), § 29 11 (S. 391). 378 Vgl. BGH, NJW 65, 1756 f.; KG, NJW 72, 496 (497). Unrichtig Larenz, Bd. I, § 30 11 (S. 416) Fn. 3: Rest ist "auf Verlangen" herauszugeben; ebenso Lange, § 6 XIII 5 e bb (S. 244). 370 Zur Frage, ob es sich dabei um einen Fall der Vorteilsausgleichung handelt, s. BGHZ 30, 29 (32 f.); Erman / Sirp, § 249 Rdnr. 111 und Soergel / Schmidt, §§ 249 - 253 Rdnr. 37 (bejahend); Lange, § 9 13 (S. 301); Staudinger / Werner, Vorbem. Rdnr. 103 zu §§ 249 - 252 (verneinend, m. w. N.). 380 Dazu s. Staudinger / Werner, § 251 Rdnr. 12. 376 377

222

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

In den genannten Fällen wird über die Annahme einer "Zug um Zug"Verpflichtung der Eintritt einer Bereicherung des Ersatzgläubigers von Anfang an verhindert. Eine "ungerechtfertigte Wagnisabnahme"382 zu Lasten des Schuldners kommt, da Leistung und Gegenleistung gleichzeitig auszutauschen sind, überhaupt nicht erst zustande, während der Gläubiger in seiner Rechtsverfolgung nicht beeinträchtigt wird. Er erhält wertmäßig dasselbe, was ihm bei einer unmittelbaren Kompensation zufließen würde. Auch der 2. Fall ist im Schadensersatzrecht angesiedelt. Wird beim gegenseitigen Vertrag nach den Grundsätzen der eingeschränkten Differenztheorie s83 der "große" Schadensersatz wegen Nichterfüllung der gesamten Primärverpflichtung vom Berechtigten gewählt, so geht sein Anspruch wiederum nur auf volles Leistungsinteresse Zug um Zug gegen Bewirkung seiner ursprünglich vertraglich geschuldeten Leistung 384 • Eine Verpflichtung zum Erbringen der Gegenleistung besteht ebensowenig wie im zuvor behandelten Fall 1 und wie bei § 255 BGB. Aus dem Wesen der Differenztheorie folgt nämlich gerade, daß die Leistungspflicht des Ersatzberechtigten entfälltS85 • Eine solche Pflicht entsteht auch nicht dadurch, daß der Ersatzschuldner das volle Leistungsinteresse erbrachte, ohne die Gegenleistung zu erhalten. Wenngleich sie dazu soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich Stellung nehmen, müssen die Anhänger der herrschenden, abgeschwächten Differenztheorie dieser Ansicht sein, da sich ansonsten ihre Meinung mit der Austauschtheorie3s8 in dogmatisch bedenklicher Weise vermengen würde. Den Vorzug vor einem selbständigen Anspruch auf die Gegenleistung verdient wiederum die Korrektur des nicht rechtmäßigen Ergebnisses (Erhalt des vollen Interesses ohne Gegenleistungsbewirkung) über das Bereicherungsrecht. s. Enneccerus / Lehmann, § 18 II 3 (S. 91). Esser / Schmidt, Bd. I12, § 33 V (S. 194). 383 Auf ihrem Boden steht die st. Rspr. und ganz h. L.; vgl. die Nachw. bei Staudinger / Kaduk, Vorbem. Rdnr. 56 f. zu §§ 323 - 327 und dort Rdnr. 60 ff. auch überzeugend zur Begründung. 384 RGZ 96, 20 (22); BGHZ 20, 338 (342 f.); Blunck, NJW 67, 1598; Planck / Siber, § 325 Anm. 1 a a. E.; RGRK / BaUhaus, § 325 Rdnr. 15; Staudinger / Kaduk, Vorbem. Rdnr. 67, 73 zu §§ 323 - 3'27 und § 325 Rdnr. 43, 48; ganz h. M. - Dagegen aber van den Daele, S. 90 ff. - Dasselbe gilt übrigens auch für den Fall, daß bei Mangelhaftigkeit der erbrachten Leistung, der "große" Schadensersatz wegen Nichterfüllung der gesamten Verbindlichkeit gefordert wird (dazu s. BGHZ 27, 215 ff. m. w. N.); der Anspruch geht nur auf Ersatz Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Leistungsgegenstandes ; vgl. J auernig / VoUkommer, § 463 Anm. 4 c bb; ferner BGHZ 71, 234 (238). 385 BGHZ 20, 338 (342); ganz h. M. Abw. etwa Leser, Rücktritt, S. 132 (Gläubiger hat "Einrede" mangelnder Gegenleistung); ferner Niederländer, FS Wahl, S. 251. - s. insbesondere auch unten, Kap. V. 2.3. zur Inkonsequenz und zur notwendigen Korrektur der h. M. 886 Zu ihr Oertmann, § 325 Anm. 1 b ß - (j 1]1] m. w. N. 381

382

3. Gesetzlich nicht geregelte Einzelfälle

223

Der 3. Fall eines nicht ausdrücklich normierten Zug-um-Zug-Anspruchs findet sich im Bereicherungsrecht. Er ist den beiden vorhergehenden Fällen insoweit verwandt, als er wie diese auf dem Rechtsgedanken der Kompensation beruht387 • Nach der heute weitgehend anerkannten Saldotheorie388 sind die durch einen Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile zu ermitteln und zu vergleichen. Nur derjenige Beteiligte, zu dessen Gunsten sich ein positiver Saldo, insbesondere nach Absetzung der Gegenleistung, ergibt, ist Gläubiger eines einheitlichen, von vornherein auf den Saldo beschränkten Bereicherungsanspruchs. Im übrigen ist seine Entreicherung durch die ihm zugeflossenen Vorteile kompensiert389• Sind Leistung und Gegenleistung ungleichartig, so läßt sich die Saldotheorie nicht durch einfache Subtraktion der minderwertigeren von der höherwertigeren Bereicherung durchführen. Einen dogmatischen Bruch, wie er in der Rückkehr zur Zweikondiktionentheorie 390 allein für die Fälle der Ungleichartigkeit liegen würde391 , vermeiden Rechtsprechung und Lehre dadurch, daß sie dem Bereicherungsgläubiger lediglich einen von vornherein auf Herausgabe der Bereicherung Zug um Zug gegen Rückgabe des selbst erlangten Vorteils beschränkten Anspruch geben392 • Wie in den Fällen 1 und 2 wird also die wegen Ungleichartigkeit der beiderseitigen Bereicherungen nicht mögliche Kompensation durch die ipso iure gegebene "Zug um Zug"-Einschränkung des Bereicherungsanspruchs ersetzt393 • Es versteht sich, daß anders als dort - jeder der bei den am Bereicherungsvorgang Beteiligten Zutreffend BTaga, MDR 59, 438. Die in jüngerer Zeit getroffene Unterscheidung zwischen der Abwicklung fehlgeschlagener synallagmatischer Verträge ("Saldotheorie" i. e. S.) und der Abwicklung in adäquat kausalem Zusammenhang stehender, wechselseitiger Bereicherungen, denen keine synallagmatisch gedachte Beziehung zugrundeliegt ("Saldierung"); ist im hier interessierenden Zusammenhang belanglos, daher bleibt sie unerörtert. Vgl. zu dieser Unterscheidung BGHZ 57, 137 (150); RqRK / Heinemann-Trosien, § 812 Rdnr. 56 ff. S88 RGZ 54, 137 (141); 137, 324 (336 m. w. N.); weitere Nachw. zur älteren Rspr. bei OeTtmann, § 818 Anm. 3 a 11; BGHZ 1, 75 (81); 53, 144 (145); 57, 137 (149 ff.); st. Rspr. und h. L., statt vieler LaTenz, Bd. H, § 70 IH (S. 516) m. w. N. in Fn. 1 und zur Gegenmeinung Fn. 3. 390 OeTtmann, § 818 Anm. 3 a 11 m. w. N.; v. TuhT, Bd. H, § 59 (S. 358 f.). 391 Richtig Weintraud, S. 24. 382 RGZ 137, 324 (336 f., aber widersprüchlich); JW 14, 301 (302 a. E.); SeuffArch 76 (1921) 42 (45 m. w. N.); BGH, NJW 63, 1870 (1871); 73, 613 (615); WPM 72, 564 (565) und aus der Lit. z. B. Enneccerus / Lehmann, § 227 IH 1 (S. 911); Erman/ H. P. Westermann, § 818 Rdnr. 41; KoppensteineT / Kramer, S. 137, 146; LaTenz, Bd. H, § 70 IH (516 f.); Palandt j Thomas, § 818 Anm. 6 D b, E; RGRK/ Heimann-Trosien, § 812 Rdnr. 63; Soergel/ Mühl, § 818 Rdnr. 41; WeintTaud, S. 24, 39, 49, 83 ff. - A. M. etwa Medicus, Rdnr. 225; Stau dinger / Seufert, § 818 Rdnr. 45 c; Wolf, Bd. H, S. 498 f.; ferner die in Fn. 390 Genannten. 3D3 Auf den Zusammenhang mit der Vorteilsausgleichung wird z. B. von LeseT, Rücktritt, S. 111, 122 f.; RGRK / Heimann-TTosien, § 812 Rdnr. 63 a. E.; WeintTaud, S. 13, 52 ff. (ausführlich) hingewiesen. 387

388

224

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Anspruche

die vom anderen erlangte Bereicherung Zug um Zug gegen Herausgabe der seinerseits empfangenen Leistung fordern kann. ' Die Saldotheorie weist sicherlich unterschiedlichste, dogmatische Reibungsflächen mit gesetzlich normierten Wertungsentscheidungen auf394 • Im Rahmen dieser Arbeit ist lediglich auf einen weitverbreiteten Widerspruch innerhalb der herrschenden Meinung hinzuweisen, und dies auch nur deshalb, weil sich daraus nach erfolgter Einordnung des § 320 BGB als Zug-um-Zug-Einrede oder als Zug-um-Zug-Anspruch möglicherweise Konsequenzen ergeben können395 • Während der Bereicherungsgläubiger nach h. M. von vornherein nur eine Leistung Zug um Zug zu beanspruchen hat, will die weitgehend identische h. M. in § 320 BGB eine " echte " Einrede sehen, so daß der Gläubiger in jeder Hinsicht zunächst einmal Leistung schlechthin fordern kann, und der Schuldner selbst zusehen muß, daß die von ihm zu beanspruchende Gegenleistung Berücksichtigung findet3 9s • Diese Meinung müßte sich eigentlich mit der von ihr in den Mantel des Schweigens gehüllten Frage auseinandersetzen, weshalb die synallagmatische Verknüpfung im intakten Vertragsverhältnis weniger ausgeprägt sein soll als in der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des fehlgeschlagenen, gegenseitigen Vertrages. Sieht man wie sie den Hauptgrund für die Entwicklung der Saldotheorie darin, daß die ausgetauschten Leistungen als gegenseitig gewollt und bewirkt waren317, dann gibt es keinen überzeugenden Grund, die entstehenden Rückgewährspflichten stärker voneinander abhängig sein zu lassen, als dies die vertraglichen Pflichten gewesen wären. Allenfalls das Umgekehrte ließe sich noch verstehen398• Von der Schlüssigkeit der Argumentation her, überzeugt es da schon eher, wenn Leser eine entsprechende Anwendung des § 320 BGB auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung befürwortet399 • Denn damit wird wenigstens in sich konsequent klargestellt, daß der Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung im "faktischen" Synallagma kein weitergehender als im funktionellen Synallagma der §§ 320 ff. BGB sein so11 4oo• 394 Vgl. dazu Diesselhorst, JZ 70,418 (Anm. zu BGHZ 53,144); Flume, NJW 70, 1161 ff.; Leser, Rücktritt, S. 114 ff. mit zahlreichen weiteren Nachw. passim; Wolf, Bd. H, S. 498 f. 396 s. unten, Kap. V. 2.3.

St. Rspr. und h. L.; zu den Nachw. im einzelnen, Kap. V. 1. passim. Vgl. insbesondere BGHZ 57, 137 (150); ferner Jauernig I Schlechtriem, § 818 Anm. 7 a m. w. N. ("Nachwirkung des Synallagmas Larenz, Bd. H, § 70 IH (S. 516) m. w. N. in Fn. 2; RGRK I Heimann-Trosien, § 812 Rdnr. 61; Staudinger I Seufert, § 818 Rdnr. 45. 398 Darauf weist Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 14 für § 348 Satz 1 BGB mit Recht hin. 399 Leser, Saldotheorie, passim; ders., Rücktritt, S. 121. Gegen § 320 BGB analog die h. M.; vgl. etwa Wolf, Bd. II, S. 497. fOO Ob zu Recht, dazu unten, Kap. V. 2.3. 398

397

U );

3. Gesetzlich nicht geregelte Einzelfälle

225

Neben dem über die Saldotheorie begründeten Zug-um-Zug-Anspruch wird ein solcher bei der Einzelbereicherung dann noch angenommen, wenn die subjektiv und objektiv mögliche Bereicherungsherausgabe in Natur über die reine Beseitigung der Bereicherung hinausgeht401 , also nicht den status quo ex ante herstellt, sondern zu einer Minderung des Schuldnervermögens gegenüber der Zeit vor dem Bereicherungseintritt führt. Auch in diesem Fall kann der Gläubiger Herausgabe der Bereicherung nur Zug um Zug gegen Ausgleichung der Vermögenseinbuße in Geld beanspruchen402 • Entsprechendes gilt ebenfalls dann, wenn der beim Bereicherten an sich noch vorhandene Bereicherungsgegenstand so grundlegend umgestaltet wurde, daß er wirtschaftlich etwas anderes darstellt und daher seine Herausgabe in Natur wegen Unvermögens oder Unmöglichkeit scheitern muß. Ist der Bereicherte in einem solchen Fall nicht dinglich Berechtigter des erlangten und umgestalteten Gegenstandes geworden, was insbesondere bei Grundstücken in Betracht kommt, dann schuldet er Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB nur Zug um Zug gegen übertragung des Eigentums am Bereicherungsgegenstand403 • Als 4. Fall könnte prima vista noch derjenige in Erwägung gezogen werden, daß trotz eines vorhandenen Vollstreckungstitels ein zweites, denselben Streitgegenstand betreffendes Leistungsurteil erwirkt wird404 und dieses - zum Schutz des Schuldners405 - die Vollstreckung von der Rückgabe des ersten Schuldtitels abhängig macht4 06 • Zwar ist diese Einschränkung ipso iure gegeben und daher von Amts wegen in den Titel aufzunehmen407 , womit jedoch auch schon jede weitere Gemeinsamkeit mit dem ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruch endet. Denn es geht hier weder um die Beschränktheit eines materiellrechtlichen Anspruchs noch Vgl. auch Weintraud, S. 9. RGZ 117, 112 (113 f.); RGRK / Heimann-Trosien, § 812 Rdnr. 58; § 818 Rdnr.3. 403 RGZ 133, 293 (295 f.) = JW 31, 3271 (3273) mit insoweit zust. Anm. Lehmann; RGRK / Heimann-Trosien, § 818 Rdnr. 17; Staudinger / Seufert, § 818 Rdnr. 17. - Die Rechtslage ist also di~selbe wie im vergleichbaren Fall des § 915 BGB, s. oben, 2.8. 404 Dies ist grundsätzlich möglich, etwa wegen Unklarheit des alten Titels; OLG Braunschweig, SeuffArch 47 (1892) 377 (378); Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 767 Anm. 1 B b; Hellwig, System, Bd. II, S. 167; Stein, FS Fitting, S. 419 ff.; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, Anm. IU 4 b Fn. 153 vor § 253 m. w. N.; § 322 Anm. IX 1 c; Stein / Jonas / Münzberg, Rdnr. 31 vor § 704; § 727 Rdnr. 7; § 794 Anm. IX. 405 Vgl. bereits Motive, Amtliche Ausgabe, S. 376. 406 OLG Dresden, SächsAnn 23 (1903) 358; Reuter, S. 33; Stein, FS Fitting, S. 431 ff.; Stein / Jonas / Münzberg, § 794 Anm. IX. 407 Reuter, S. 33; Stein, FS Fitting, S. 432 und insoweit ebenfalls übereinstimmend Hellwig, System, Bd. U, S .167 und Wieczorek, § 794 Anm. B U. A. M. Stein / Jonas / Münzberg, § 794 Anm. IX (auf Antrag des Beklagten). (01

402

15 Oesterle

226

IV. Kap.: Die Zug-um-Zug-Ansprüche

überhaupt um eine Leistung Zug um Zug. Die Einschränkung betrifft vielmehr allein die Vollstreckbarkeit des zweiten Leistungsurteils und sie tut dies in der Weise, daß sie die Befugnis zur Vollstreckung aufschiebend bedingt'°8. Der Gläubiger erhält eine vollstreckbare Ausfertigung des zweiten Titels erst dann, wenn er in der Form des § 726 Abs. 1 ZPO nachweist, daß er den ersten Schuldtitel zurückgegeben hat. In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß der Vollstrekkungsschuldner niemals einen Anspruch auf Aushändigung des ausgefertigten Titels gegen gleichzeitige freiwillige Leistung hat. Entsprechend § 371 Satz 1 BGB kann er Rückgabe der Ausfertigung erst nach vollständiger Tilgung verlangen409 • Als gesetzlich nicht geregelte Fälle einer ursprünglichen Leistung Zug um Zug verbleiben demnach die drei materiellrechtlich eingeschränkten Ansprüche, während es einen auf solche Leistung lediglich vollstrekkungsrechtlich beschränkten Anspruch nicht gibt.

408 OLG Dresden, SächsAnn 23 (1903) 358; Stein, FS Fitting, S. 431; Stein / Jonas / Münzberg, § 726 Rdnr. 9. - Vgl. auch Hellwig, Anspruch, S. 169 Fn. 18. 409 OLG Düsseldorf, MDR 53, 557; Lüke, JZ 56, 475 ff. m. w. N. passim; Stein I Jonas I MünzbeTg, § 724 Rdnr. 6; ganz h. M.; dies entspricht auch dem zu § 371 BGB gefundenen Ergebnis, s. oben, 2.4.5.

v.

Kapitel

Alleinige Frage: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-An8pruch? Die §§ 320, 322; 348 BGB und die auf sie verweisenden §§ 327 Satz 1; 467 Satz 1; 515 i. V. m. 467; 634 Abs. 4 i. V. m. 467; 651 Satz 2 i. V. m. 467 BGB sowie § 3 AbzG regeln den Leistungsaustausch aufgrund gegenseitiger Pflichten in deren funktionell synallagmatischer Zuordnung aufeinander, bzw. aufgrund gegenseitiger Rückgewährspflichten. Ein "Zug um Zug"-Leistungsverhältnis als solches steht dabei außer Frage. Das dem gegenseitigen Vertrag zugrundeliegende und für seine Rückabwicklung fortgeschriebene "do-ut-des"-Prinzip wäre ohne die Leistung Zug um Zug nicht lebensfähig!. Schon deshalb und nicht erst wegen der ausdrücklichen Nennung in den §§ 322 Abs. 1; 348 Satz 1 BGB und § 3 AbzG braucht hier nicht das "Ob" einer Leistung Zug um Zug, sondern ausschließlich das "Wie" ihres konstruktiven Zustandekommens zu interessieren. In dieser Beziehung muß trotz der abweichenden Formulierung der einzelnen Normen durchweg dasselbe gelten2 • Denn soweit das funktionelle Synallagma in der Rückabwicklung fortwirkt3 , kann sein Prinzip keine qualitative Veränderung erfahren. Das funktionelle Synallagma der vertraglich geschuldeten Primärleistungen wie auch seine Fortsetzung im Rückaustauschverhältnis kann gesetzestechnisch nur einheitlich verwirklicht worden sein4, und zwar grundsätzlich entweder durch eine Zug-um-Zug-Einrede oder durch die ursprüngliche Beschränktheit des Leistungs- bzw. Rückgewähranspruchs. Daß die Ge1 Daran ändert auch nichts, daß die Parteien im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages etwas anderes (Vorleistung) vereinbaren können. - Abweichend aber Gernhuber, FS Larenz, S. 484; ders., FS Raiser, S. 66. ! Wegen des Bereicherungsanspruchs auf Leistung Zug um Zug im "faktischen" Synallagma, s. oben, Kap. IV. 3. (bei Fn. 395 ff.); ferner unten, 2.3.; dort auch nochmals zum "großen" Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. 3 über die Reichweite im einzelnen besteht Streit; vgl. Leser, Rücktritt, S. 210 ff.; Wolff, AcP 153 (1954) 120 f.; 142 ff.; ferner auch Esser / Schmidt, Bd. I/I, § 19 III 2 (S. 220). 4 Vgl. zunächst Mugdan, Bd. II, S. 156 (Mot.); 1240 (DenkSchr.); oben, Kap. IH. Exkurs und Kap. IV. 3. (bei Fn. 395 ff.); ferner Gramm, AcP 158 (1959/60) 257 f.; Larenz, Bd. I, § 26 b (S. 332 f.); Leser, Rücktritt, S. 210, 296; Palandt / Putzo, 30. Aufl., § 3 AbzG Anm. 1; Staudinger / Kaduk, § 348 Rdnr. 2; Steinin-

ger, S. 44 f. IS·

228

V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

setzesfassung bei §§ 320, 322 BGB mehr für die erste, während der W ortlaut der §§ 348 Satz 1 BGB, 3 AbzG sowie die konstruktive Durchführung des faktischen Synallagmas mehr für die zweite Alternative sprechen, kann allein keine tragfähige Grundlage einer unterschiedlichen Handhabung sein. Leitmotiv für die Einordnung der aus einer synallagmatischen Verbindung zweier Pflichten resultierenden Leistung Zug um Zug muß zunächst die materielle Rechts- und Gesetzeslage im intakten Austauschverhältnis sein. 1. Die Leistung Zug um Zug im funktionellen Synallagma Soweit es bislang um die Einordnung der einzelnen Grundlagen einer Leistung Zug um Zug ging, konnte sie immer in übereinstimmung mit der Gesetzesfassung vorgenommen werden, ohne daß es zu einem Bruch zwischen darin festgeschriebener Gesetzestechnik und Dogmatik gekommen wäre. Gleichwohl bezogen dort viele Autoren - oft begründungslos - einen Standpunkt, der mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr zu vereinbaren war. Einen solchen rigorosen Standpunkt hält der Verfasser, dies sei vorweggenommen, von der Dogmatik des gegenseitigen Vertrages her und zur effektiven Verwirklichung des funktionellen Synallagmas, im Hinblick auf die Einordnung des § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB als Einrede oder als unmittelbare Anspruchsbeschränkung zugunsten der zweiten Alternative für sachlich zumindest wünschenswert5 • 1.1. Die Meinung von Esser / Sdlmidt

Die eben skizzierte "extreme" Position beziehen aber nur Esser /

Schmidtfl und Jahr 7 • Esser / Schmidt meinen: " ... ungeachtet des Wort-

lauts der §§ 320, 322 ist die Leistungsverknüpfung beim Synallagma im Prozeß von Amts wegen zu berücksichtigen8 ." Wie sie selbst zugeben, ist dieses Ergebnis nicht .mehr auslegungsmäßig zu erzielen, sondern verhält sich zu der ins Belieben des Gesetzgebers gestellten rechtstechnischen Verwirklichung 9 des funktionellen Synallagmas diametrapo. Will man die Bindung an das positive Recht nicht aufgeben, läßt sich diese Ansicht ohne den Ruf nach dem ändernden Gesetzgeber methodisch allenfalls dann aufrechterhalten, wenn die positivrechtliche Aussage der §§ 320 Abs. 1 Satz 1, 322 Abs. 1 BGB durch eine ihr zwar sachlich ent5 s. unten, 1.2. • Bd. 1/1 § 16 II 2.3. (5. 172). 7 JuS 64, 297 und dort Fn. 109. 8 S. 172; nicht ganz so deutlich Jahr (Beschränkung der Verurteilung tritt ipso iure ein). Im Ergebnis ebenso Endemann, JW 21, 523 (524). g

10

Van den Daele, S. 47, 53.

s. unten, 1.2. (nach Fn. 29).

1. Leistungsaustausch im funktionellen Synallagma (§ 320 BGB)

229

sprechende, aber aussagemäßig widersprechende andere positivgesetzliche Normierung "paralysiert" würde. Nur unter dieser Voraussetzung ließe sich eine Gesetzeslücke konstatieren, die durch Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf die "Natur der Sache"l1, also entsprechend einer konsequenten Dogmatik zum Synallagrna, zu schließen wäre. Keine in diesem Sinne widersprechende Bestimmung ist § 323 Abs. 1 1. Hlbs. BGB. Zwar verliert danach der Gläubiger bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit seiner Leistung eo ipso den Anspruch auf die Gegenleistung; da dies jedoch die gesetzestechnische Realisierung des konditionellen Synallagmas ist, läßt sich daraus kein unmittelbarer gesetzZicher l2 Widerspruch zu derjenigen des funktionellen in § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB herleiten. Als diesem entsprechende, möglicherweise jedoch widersprechende Normen kommen lediglich die §§ 348 Satz 1 BGB; 3 AbzG in Frage. Wie Oertmann treffend darlegt, ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte des § 348 BGB und derjenigen des § 320 BGB, daß die unterschiedliche Formulierung dieser Vorschriften wohl auf einem Redaktionsversehen der Kommission zweiter Lesung beruht13 • Zudem zeigt der Zusammenhang von Satz 1 und 2 des § 348 BGB: Satz 1 hat ausschließlich die Funktion klarzustellen, daß auch beim Rücktritt vom nicht gegenseitigen Vertrag beiderseitige Rückgewährungspflichten wechselseitig aufeinander bezogen sind 14 • Und aus Satz 2 folgt unmißverständlich, daß ihre Durchsetzung in jedem Fall den gesetzlichen Regeln des gegenseitigen Vertrages folgen, nicht aber davon abweichen sollls.

§ 3 AbzG entstand noch zur Zeit der Landrechte. Diese formulierten für den aus einem gegenseitigen Vertrag Verpflichteten jedoch zumeist keine Einrede, sondern bestimmten wie etwa Teil I Titel 5 § 271 AprLR, daß "wer die Erfüllung eines Vertrages fordert", nachweisen muß, "daß er demselben von seiner Seite schon Genüge geleistet habe, oder warum er dazu erst in der Folge verbunden sei"l8. Larenz, Methodenlehre, S. 406 ff. Wohl aber ein dogmatischer! 13 Oertmann, ZRpflBay 1 (1905) 11, 14. Dafür, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, daß im Rückgewährschuldverhältnis ein gegenüber dem Austauschverhältnis erhöhtes Sicherungsbedürfnis bestünde, das es erforderte, die "Einrede" des § 320 BGB zur von Amts wegen zu beachtenden Einwendung zu erheben, ergibt sich nichts aus der Entstehungsgeschichte. 14 Vgl. § 299 des zweiten Entwurfs ("beiderseitigen Verpflichtungen"). 15 A. M. Medicus, Rdnr. 223,: für den Rücktritt vom nicht gegenseitigen Vertrag will er § 273 BGB anwenden. (Was ist dann mit § 348 Satz 1 BGB?) Dazu auch unten, 2.1. 16 Vgl. auch § 859 sächs. BGB; § 1052 österr. BGB. Vgl. zum AprLR auch Webet, S. 14,. ferner Mugdan, Bd. II, S. 110 (Mot.). 11

12

230

V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

Dies wurde dahingehend ausgelegt, daß - hat kein Teil vorzuleisten jeder Vertragspartner einen Anspruch auf Leistung Zug um Zug hat und Klage nur auf dahingehende Verurteilung erheben kann l7 • Dem entspricht die Fassung des § 3 AbzG und sein Verständnis als Anspruchsbeschränkung unter Geltung der Landrechte l8 • Da das BGB die Durchführung des gegenseitigen Vertrages und des Rückgewährschuldverhältnisses anders als die Landrechte regelt, das AbzG jedoch so anzuwenden ist, als sei es mit dem BGB in einer einheitlichen Kodifikation enthaltenl9 , kann ein Widerspruch des § 3 AbzG zu den §§ 320 Abs. 1 Satz 1, 322; 348 BGB allein wegen des unterschiedlichen Wortlauts nicht angenommen werden20 • Einer verbindlichen Entscheidung, wie die Fassung des § 3 AbzG für sich genommen, auszulegen wäre, bedarf es hier nicht. Treten nicht weitere, außerhalb des fortwirkenden Synallagmas begründete Gesichtspunkte bei § 3 AbzG auf den Plan 2!, ist dessen Formulierung im Sinne der BGB-Normen zu verstehen. Die von Esser / Schmidt für ihre Auffassung angeführten §§ 257, 688 Abs. 2, 726 Abs. 2, 756, 765 ZP022 geben in keiner Weise zu erkennen, daß sie im Gegensatz zu §§ 320 Abs. 1 Satz 1, 322 Abs. 1 BGB von einem Anspruch ausgehen, dessen ursprüngliche Beschränkung zwingend von Amts wegen zu berücksichtigen wäre. Im Gegenteil, die §§ 756, 765 ZPO stehen dem eher noch entgegen, wenn sie bestimmen bzw. davon ausgehen, der Annahmeverzug bewirke, daß die Schuldnerleistung uneingeschränkt vollstreckt werden kann. Wie soll denn die den materiellrechtlichen Verpflichtungstatbestand umgestaltende Wirkung des Annahmeverzugs dogmatisch befriedigend zu erklären sein23 ? 1.2. Die eigene Meinung und ihr Verhältnis zur "Einrede" des nicbterfülIten Vertrags

Ist demnach der Wortlaut der §§ 320 Abs. 1 Satz 1, 322 Abs. 1 BGB nicht einfach beiseite zu schieben und durch ein nicht positivgesetzlich begrenztes Verständnis des funktionalen Synallagmas zu ersetzen, bleibt die Frage, ob deshalb mit der h. M. in § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gewöhnliche dilatorische Einrede, nach der hier vertretenen Ansicht also eine anspruchsbeschränkende Zug-um-Zug-Einrede zu sehen ist!'. Der 17 Dernburg, Preuß. PR, Bd. H, S. 101; Förster / Eccius, Bd. I, S. 489 ff.; Oertmann, 'ZRpflBay 1 (1905) 12; Reuter, S. 13. - Ebenso § 365 des ersten Entwurfs, dazu Mugdan, Bd. H, S. 110 (Mot.). 18 Ostler / Weidner, § 3 Anm. 7. lU s. oben, Kap. H. 1. 20 Vgl. Gramm, AcP 158 (1959/60) 257 f. und Palandt / Putzo, 30. Aufl., § 3

AbzGAnm.1. 21 Dazu unten, 2.2. 22 Bd. 1/1 § 16 H 2. (5. 169). !3 s. bereits oben, Kap. IH. Fn. 76.

1. Leistungsaustausch im funktionellen Synallagma (§ 320 BGB)

231

Wortlaut "kann ... verweigern" entspricht zwar der regelmäßigen gesetzlichen Formulierung von Einredetatbeständen, er läßt jedoch für sich allein noch nicht ausnahmslos zwingend auf das Vorhandensein einer Einrede schließen25 • Der Umstand, daß § 202 Abs. 2 BGB von "Einrede des nicht erfüllten Vertrags" spricht, zwingt ebenfalls nicht dazu, der h. M. beipflichten zu müssen. Dies nicht etwa deshalb, weil § 202 Abs. 2 BGB eine "todte Norm"~ wäre, sondern weil das Gesetz selbst überhaupt keinen eigenständigen Einredebegriff kennt27 • Auch die §§ 2014, 2015 BGB bezeichnet § 202 Abs. 2 BGB als "Einreden", obwohl sie nach einhelliger Meinung einer unbeschränkten Verurteilung nicht entgegenstehen und nach der Rechtsprechung und wohl herrschenden Lehre ausschließlich in der Vollstreckung Wirkungen zeitigen28 ; es sich bei ihnen daher um rein prozessuale Rechte handelt29 • Erst die Fassung des § 322 Abs. 1 BGB in seinem Zusammenhang mit § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB muß die von Esser / Schmidt vertretene Ansicht als mit dem möglichen Gesetzesverständnis unvereinbar scheitern lassen. Nach § 322 Abs. 1 BGB hat erst die Geltendmachung des dem Beklagten zustehenden Rechts den Erfolg der auf Leistung Zug um Zug eingeschränkten Verurteilung. Die Annahme einer von Amts wegen zu beachtenden Beschränkung ist damit unvereinbar. Diese Feststellung bedingt aber noch nicht die notwendige Folgerung, daß es sich deshalb nur um eine gewöhnliche Zugum-Zug-Einrede handeln könne30• Dieser Schluß kann verbindlich erst gezogen werden, wenn die materiellrechtliche Bedeutung des gegenseitigen Vertrags als solchem mit in Rechnung gestellt wurde. Zu diesem Zweck sei, ohne die Diskussion um die Rechtsnatur des Synallagmas31 groß aufnehmen zu können noch zu wollen, die Meinung des Verfassers abrißartig dargestellt. 2f BGH, NJW 66, 200; 51, 517; RGZ 50, 255 (259); 126, 280 (285); st. Rspr. (s. aber unten, Fn. 37); Enneccerus / Lehmann, § 32 III 2 (S. 139 f.); Gernhuber, FS Raiser, S. 64; Langheineken, S. 96, 335 f.; Oertmann, § 320 Anm. 1; ders., ZRpflBay 1 (1905) 12 f.; Reuter, S. 13, 24 ff.; RGRK / BaUhaus, § 320 Rdnr. 1, 21; Schlegelberger, S. 101, 148; Schmidt-Rimpler, S. 55; Soergel/ Schmidt, § 320 Rdnr. 1; Staudinger / Kaduk, Vorbem. Rdnr. 17 zu § 320; § 320 Rdnr. 7 f. m. w. N.; Steininger, S. 37 f.; van den Daele, S. 45 ff.; Webel, S. 18 f.; Wolf, Bd. I, S. 313 ff.; Wolf, JurA (ZR I) 69, 53 u. a. m.; h. L. 25 Langheineken, S. 44 f. Vgl. z. B. § 2217 Abs. 2 BGB. - A. M.,. trotz seiner von der h. M. abweichenden Auffassung, Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 168). 28 So Endemann, Bd. I, § 88 3 b (S. 519) Fn. 46. 27 Richtig Leonhard, Bd. I, S. 338. !8 RGZ 79, 201 (204 ff. m. w. N.); Planck / Flad, Vorbem. 6 zu §§ 2014 ff. m. w. N. auch zur Gegenmeinung. - s. aber auch Kipp, FS Brunner, S. 311 ff. (319 ff.). 20 Soerget / Schippet, § 2014 Rdnr. 2. 30 So aber statt vieler Soergel / Schmidt, § 320 Rdnr. 1. 31 Vgl. dazu die Nachw. bei Gernhuber, FS Raiser, S. 64 ff. passim; Kirn, JZ 6~, 325 ff. passim; Schmidt-Rimpler, S. '56 Fn. 8; Teubner, S. 20ff. in Fn. 52 - 59; van den Daele, S. 23 ff. passim; ferner Wolf, JurA (ZR I) 69, 51 ff.

232

V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

Während bei vielen, im Kapitel zuvor behandelten Fällen eines Zugum-Zug-Anspruchs der Schuldner ohne eigenes Zutun von vornherein nur eingeschränkt verpflichtet ist, macht er beim Abschluß eines gegenseitigen Vertrags die Einschränkung "Nur dann leisten zu müssen, ,wenn' gleichzeitig der Gläubiger leistet" bereits zum Inhalt seines Verpflichtungswillens32. Will er sich zur Vorleistung bereit finden, oder will er nur zur Nachleistung verpflichtet sein, bedarf dies besonderer Vereinbarung. Da ein auf Leistung Zug um Zug gerichteter Wille für die "Normallage" des gegenseitigen Vertrages schlechterdings nicht zu leugnen ist, ist es sachlich nicht zu erklären, weshalb im gegenseitigen Vertrag die funktionale Bedeutung der reziproken Verpflichtungen gleichwohl keine andere als etwa bei der Zug-um-Zug-Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB sein soll33. Dem von den Vertragsparteien materiellrechtlich Gewollten läßt sich nicht eine Begrenzung des Synallagmas auf die genetische und konditionelle Verflechtung ihrer beiderseitigen Verpflichtungen unterschieben; deren funktionale Abhängigkeit voneinander ist schon im Vertragsschluß als solchem begründet worden, und sie ist nicht erst - wie bei § 273 BGB - mit dem Gegenübertreten zweier fälliger, grundsätzlich selbständiger und isoliert durchsetzbarer Forderungsrechte begründbarM. Andernfalls dürfte beim gegenseitigen Vertrag überhaupt nicht von einem, kraft seines Wesens gegebenen, funktionellen Synallagma gesprochen werden. Der gegenseitige Vertrag würde dann der ihm nach heutigem Verständnis zukommenden Aufgabe, ein Mittel zur Realisierung wirtschaftlicher Entscheidungen darzustellen35 , mangels einer materiellrechtlichen Gesamtkonstruktion, die die Vertragspartner durchgängig in ihrer Funktion als Gläubiger zugleich auch als Schuldner bindet36 , nur noch unvollkommen gerecht werden können. Will man das mit der Lehre vom "Gesamtsynallagma" zu verwirklichende "do-ut-des"-Prinzip des gegenseitigen Vertrags nicht 32 Huber, JuS 72, 58 f.; LaTenz, Bd. I, § 15 I (S. 168); ders., Vertrag, S. 136; Meincke, AcP 171 (1971) 31. - A. M. GeTnhubeT, FS Raiser, S. 66 und ders.,

FS Larenz, S. 484. 3S Von vielen wird dennoch in § 320 BGB lediglich eine Unterart des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB gesehen, so z. B. BlomeyeT, SchuldR, § 21 IV (S. 108); Enneccerus I Lehmann, § 33 I (S. 141); Hellwig, Anspruch, S. 374; OeTtmann, § 320 Anm. 3; Palandt I HeinTichs, § 320 Anm. 1; StaudingeT I Kaduk, § 320 Rdnr. 9 m. w. N.; Staudinger I WeTner, § 273 Rdnr. 18 m. w. N.; Sonnenschein, S. 12; Webel, S. 22 f.; Wolf, Bd. I, S. 315; wohl h. M.; vgl. ferner RGZ 149, 321 (328: "Zurückbehaltungsrecht nach § 3,20" ohne aber auf Verhältnis zu § 273 BGB einzugehen). - Dagegen, auch vom Standpunkt des Einredecharakters des § 320 BGB, aus, etwa RG, SeuffArch 80 (1926) 50 (51); Gernhuber, FS Raiser, S. 69 Fn. 24; Langheineken, S. 335 f.; ReuteT, S. 27; RGRK I Ballhaus, § 320 Rdnr. 2; SchlegelbeTgeT, S. 101, 148; SoeTgell Schmidt, § 320 Rdnr.1,5. 34 SO Z. B. aber ganz deutlich Webel, S. 19 und Wolf, Bd. I, S. 315. 35 LeseT, FS Rheinstein, S. 655. - Vgl. bereits Andre, S. 123 f. 38 Leser, F1S Rheinstein, S. 655.

1. Leistungsaustausch im funktionellen Synallagma (§ 320 BGB)

233

zu einem stilisierten, theoretischen Prinzip abwerten, ist dem von den Parteien gewollten Austauschgedanken mit einem entsprechenden dogmatischen Verständnis der Rechtsnatur des Synallagmas Rechnung zu tragen. Dazu ist die Annahme unumgänglich, daß beide Vertragspartner in ihrer Eigenschaft als Gläubiger von vornherein die ihnen geschuldete Leistung nur Zug um Zug gegen die geschuldete Gegenleistung fordern können, und daß sie umgekehrt in ihrer Eigenschaft als Schuldner nur zu solcher Leistung verbunden sind37 • Mit der so verstandenen Verflechtung der gegenseitigen Leistungspflichten läßt sich § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB seinem Wortsinn nach noch vereinbaren. Der nicht vorleistungspfiichtige Schuldner, von dem Leistung schlechthin verlangt wird, ohne daß der Gläubiger die Gegenleistung erbracht hat, hat selbstverständlich das Recht, dieses Ansinnen zurückzuweisen, er tut damit nichts anderes, als die Leistung dem Wortsinn nach "verweigern". Andererseits kann er ebenso selbstverständlich dem Verlangen entsprechen. Nur macht er damit im ersten Fall kein Gegenrecht geltend, sondern unterläßt die Leistung unter Hinweis auf seine nicht dahingehende Verpflichtung, und im zweiten Fall erbringt er den geschuldeten Erfolg auf eine nicht geschuldete Weise, leistet mithin sine causa. Die volle causa kommt erst mit erbrachter Gegenleistung zustande. Die Annahme einer inhaltlichen Beschränkung des Leistungsanspruchs steht nicht im Widerspruch zu § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern wird von diesem bestätigt38. Damit ist der Weg frei, um auf der materiellrechtlichen Ebene sämtliche sich im Zusammenhang mit dem funktionalen Synallagma ergebende Fragen einheitlich vom Zug-um-Zug-Anspruch des Gläubigers ausgehend zu beantworten. Erst wenn es um die prozeß- und vollstreckungs rechtliche Verfolgung des ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruchs, der sich aus dem gegenseitigen Vertrag ergibt, geht, erzwingt die mit § 322 Abs. 1 und Abs. 3 BGB normierte Gesetzestechnik eine Abweichung von der "normalen" prozessualen Behandlung des Zug-um-Zug-Anspruchs und nötigt insofern 37 Aus der Rspr. stehen dieser Auffassung nahe RG, HRR 1930 Nr. 1434; JW 21, 523 Nr. 2 (524: ,,~S'chuldner ist nur zur Leistung Zug um Zug gegen die dem Gläubiger obliegende Gegenleistung verpflichtet") mit zust. Anm. Endemann; ders., Bd. I, § 88 3 b (S. 519) Fn. 46 und § 125 1 b (S. 701 f., allerdings mit unhaltbarer Konsequenz in Fn. 14, dagegen zu Recht van den Daele, S. 47, vgl. schon oben, Kap. 111. Fn. 7); ferner wie hier Esser / Schmidt, § 16 11 2 (S. 169 f.); Huber, JuS 72, 58 f.; Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 168); Leonhard, Bd. I, S. 336; Meincke, AcP 171 (1971) 31; Teubner, S. 22. - A. M. die h. M. (s. oben, Fn. 24). - Abw. auch Blomeyer, Bedingungslehre, S. 104 ff. (114: Die Gegenleistung soll "Bedingung" der Leistung sein), gegen ihn mit Recht Larenz, Bd. I § 15 I (8. 168) Fn. 1; van den Daele, S. 42 ff.; Blomeyer selbst führt seine Konstruktion in seinem SchuldR § 21 IV (S. 107 ff.) nicht konsequent durch; vgl. auch Kirn, JZ 69, 326. 38 Die Möglichkeit eines solchen Verständnisses des § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB wird insbesondere von van den Daele, S. 46 f. übersehen.

234

V. Kap;:

~g-um-Zug-Einrede

oder Zug-um-Zug-Anspruch?

auch zur Aufgabe einer vollständig konsequenten und m. E. auch sachlich wünschenswerten Durchführung des funktionellen Synallagmas. Beim "normalen" Zug-um-Zug-Anspruch ist die auf Leistung schlechthin gerichtete Klage mangels Schlüssigkeit als unbegründet abzuweisen, denn eingeklagt ist etwas anderes als nach dem Sachvortrag materiellrechtlich geschuldet wird39 • Demgegenüber weist § 322 Abs. 1 BGB den Richter bindend an, die fehlende Schlüssigkeit überhaupt nur dann zu beachten, wenn sie geltend gemacht wird, und dann auch nicht die Klage abzuweisen, sondern auf Leistung Zug um Zug zu erkennen 4o • Dies hat aber mit der Einrede des bürgerlichen Rechts nichts zu tun, sondern ist prozessuale Voraussetzung 41 des auf Leistung Zug um Zug lautenden Sachurteils beim sich aus einem gegenseitigen Vertrag ergebenden Zugum-Zug-Anspruch. § 322 Abs. 1 BGB gibt als rein prozeßrechtliche Vorschrift4 2 dem Gläubiger somit die verfahrensrechtliche Möglichkeit, ents. oben, Kap. IH. Fn. 76. Im Ergebnis ebenso Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 168 f.); Leonhard, Bd. I, S. 336 ff.; ders., Beweislast, S. 342 ff. (beide sprechen von "Rüge"); ferner Huber, JuS! 72, 58 f. - In der Begründung wie Leonhard übrigens auch schon Treitschke, AcP 22 (1839) 279 f.; 422 ff. passim (insbes. S. 433). 41 Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 168 f.) spricht im selben Sinne von "prozessualer Vorbedingung"; ders., Vertrag, S. 139 ("verfahrenstechnische Besonderheit"). 41 Außer den in Fn. 40 Genannten sehen in § 322 BGB lediglich eine prozessuale Vorschrift etwa Erman I Battes, § 322 Rdnr. 1; Langheineken, S. 357; Münzberg, NJW 61, 541; Palandt I Heinrichs, § 322 Anm. 1; Soergel/ Schmidt, § 322 Rdnr. 1; Staudinger I Kaduk, § 322 Rdnr. 1, anders aber Staudinger I Werner, § 274 (s. oben, Kap. IH. Fn. 74). - A. M. z. B. Hellwig, Anspruch, S. 124; Reuter, S. 34. - s. wegen § 274 BGB auch oben, Kap. IH. 2.1.1. und dort insbesondere Fn. 74. - Diesem rein prozeßrechtlichen Verständnis des § 322 BGB und des § 320 Abs. 1 Satz 1, soweit er von § 322 Abs. 1 BGB in Bezug genommen wird ("Recht"), entsprechen auch die allein auf prozessualem Gebiet liegenden Gründe, die die Gesetzesverfasser zur gesetzgewordenen Gestaltung bewogen haben, s. Mugdan, Bd. H, S. 110, 112 (Mot.) und ausdrücklich S. 637 (Prot.: "lediglich prozessualistische Vorschrift"). Danach hielt man es aus "praktischer Zweckmäßigkeit" für erforderlich, klarzustellen, daß der Gläubiger seinen Anspruch aus einem gegenseitigen Vertrag auch ohne die Substantiierung, bereits vorgeleistet zu haben, klagweise verfolgen könne. Es sollte vermieden werden, daß die Klage "infolge eines verzeihlichen Versehens" des Klägers "aus einem Grunde abgewiesen wird, mit dem sich der Beklagte nicht hat verteidigen können und wollen" ~S. 112). Diese Erwägungen sind insgesamt von dem Wunsch getragen gewesen, von der Regel des AprLR I 5 § 271 (s. oben, 1.1.) loszukommen, nach deren wörtlichem Verständnis, die Klage aus einem gegenseitigen Vertrag zwingend die erfolgte Vorleistung des Klägers oder aber die Vorleistungspflicht des Beklagten voraussetzte. Die Gesetzesverfasser übersahen dabei jedoch, daß trotz dieser Bestimmung des AprLR ein Klagantrag auf Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung weithin für zulässig gehalten wurde (s. oben, Fn. 17). Hätten sie nicht nur den Wortlaut des AprLR I 5 § 271 im Auge gehabt, sondern sich mehr mit der prozessualen Lage, die sich bei Annahme eines ipso iure gegebenen Zug-um-ZugAnspruchs ergibt, beschäftigt, dann hätten sie nur schwerlich zu ihrer Überzeugung, daß der theoretisch richtige Standpunkt dem der praktischen Zweckmäßigkeit zu opfern ist, gelangen können. Für den Kläger stellt es keine unzweckmäßige, noch überhaupt eine Belastung dar, wenn er entweder nur eine "Zug um Zug"-Verurteilung beantragen kann oder aber die Gründe sub39

40

1. Leistungsaustausch

im funktionellen Synallagma (§ 320 BGB)

235

gegen seiner materiellrechtlichen Berechtigung, ein auf Leistung schlechthin lautendes Urteil zu erwirken. Auch dann noch, wenn der Gläubiger infolge der prozessualen Geltendmachung seiner eingeschränkten Forderungsberechtigung "nur" eine "Zug um Zug"-Verurteilung erlangt hat, kann er sie - wiederum anders als bei sonstigen Zug-um-ZugAnsprüchen43 - unter den Voraussetzungen des § 274 Abs. 2 BGB nach § 322 Abs. 3 BGB wie ein auf Leistung schlechthin lautendes Urteil vollstrecken (vgl. §§ 756, 765 ZPO). 1.3. Die Kritik von van den Daele Van den Daele 44 wendete gegen die hier vertretene Lösung ein, sie sei nicht nur systemwidrig, sondern rechtslogisch überhaupt nicht möglich, da es "einen Gesetzesbefehl, der den Richter anweist, eine nach materiellem Recht unmittelbar erhebliche Tatsache bei der Rechtsfindung unberücksichtigt zu lassen", deshalb nicht geben könne, weil ansonsten "die Rechtsordnung einen Widerspruch, der das Recht selbst aufhebt, enthielte"45.

Soweit er die rechtliche Möglichkeit des hier befürworteten Ergebnisses in Abrede stellt, ist seinem "Widerspruchs"-Argument entgegenzuhalten, daß dies nur dann durchschlagen könnte, wenn ein der materiellen Rechtslage entsprechendes Urteil überhaupt ausgeschlossen wäre. Dem ist aber nicht so. Damit reduziert sich sein Einwand auf eine petitio. Er legt nicht dar, weshalb nicht das Gesetz aus - wenn auch nur vermeintlich46 - sach- und zweckmäßigen Gründen die prozessuale Beachtlichkeit der materiellen Rechtslage von einem bestimmten Beklagtenverhalten abhängig machen können so1l47. Mit seiner Behauptung ließe sich letztlich auch die Möglichkeit eines Versäumnisurteils etwa in dem Fall leugnen, wenn der Gläubiger eine verjährte Forderung einklagt und der Schuldner in den vorbereitenden Schriftsätzen die Verjährungseinrede stantiieren muß, weshalb er trotz seiner aus einem gegenseitigen Vertrag entspringenden Gläubigerstellung Leistung schlechthin beanspruchen zu können glaubt (vgl. auch Hachenburg, S. 126). Mit den §§ 322, 320 BGB ist der Gesetzgeber über das von den Gesetzesverfassern "eigentlich" verfolgte Ziel, eine ähnlich sachwidrige und unzweckmäßige Vorschrift wie AprLR I 5 § 271 zweifelsfrei zu vermeiden, weit hinausgegangen und bezog damit, im Ergebnis ebenso unzweckmäßigerweise, die zum AprLR entgegengesetzte Position. Diese ist vom heutigen Gesetzesanwender leider nur unvollkommen zu korrigieren. 43 s. oben,. Kap. II!. Fn. 76. 44 S. 45 ff. in bezug auf die von Larenz und Leonhard vertretene Meinung (s. oben, Fn. 40). - Volle Zustimmung erfährt van den Daele von Wolf, JurA (ZR I) 69,53. Vgl. auch Gernhuber, FS Raiser, S. 64 ff. 45 S.46/47. 46 s. oben, Fn. 42. 47 Van den Daele, S. 44 führt sogar selbst aus: "Das Gesetz entscheidet verbindlich nur über die Rechtsfolgen und die Techniken ihrer Durchsetzung,

"

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V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

erhoben oder auf deren bereits erfolgte Geltendmachung hingewiesen hat, im mündlichen Termin jedoch säumig ist. Der Richter hat aber auch hier "eine nach materiellem Recht unmittelbar erhebliche Tatsache bei der Rechtsfindung unberücksichtigt zu lassen". Dies wird nicht in Zweifel gezogen, will van den Daele es tun? Van den Daele ist allerdings einzuräumen, daß unser Ergebnis nicht vollkommen konsistent ist. Daß der materiellrechtlich eo ipso beschränkte Anspruch nicht als solcher eingeklagt werden muß, ist eine zuzugebende Systemwidrigkeit, aber eben nur eine. Gibt man, wie van den Daele 48, allein wegen dieses einen Widerspruchs eine zumindest materiellrechtlich konsequente Dogmatik des Synallagmas auf und zieht sich auf die bereits in der gemeinrechtlichen Doktrin herrschende Lehre von der exceptio non adimpleti contractus49 zurück, so bedeutet dies nicht nur einen abstrakt-dogmatischen Rückschritt50, sondern man handelt sich zugleich eine Vielzahl51 von anderen, nicht minder systemwidrigen Ungereimtheiten ein, die sowohl auf materiell- als auch auf prozeßrechtlicher Ebene liegen. Es geht hier deshalb überhaupt nicht um die Entscheidung zwischen einer systemgerechten und einer systemwidrigen Alternative, sondern nur darum, welcher Weg der wenigerdornenreiche ist. Und in dieser Beziehung muß die Entscheidung klar zugunsten der hier vertretenen Auffassung ausfallen, denn sie erlaubt die eindeutige Lokalisation der einzigen Bruchstelle zwischen Dogmatik und Rechtstechnik, während sie ansonsten von der gewöhnlichen Handhabung der Zug-umZug-Ansprüche nirgendwo abweichen muß. 1.4. Beispiele für die Inkonsistenz der herrschenden "Einrede"-Meinung

Im folgenden sei noch kurz auf einige jener Fälle hingewiesen, in denen die Inkonsistenz der h. M., die sich aus deren Annahme einer gewöhnlichen Zug-um-Zug-Einrede nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, deutlich zutage tritt. Nach allgemeiner Meinung reicht bereits das bloße Bestehen der "Zugum-Zug-Einrede" des nichterfüllten Vertrages aus, um den Schuldnerverzug auszuschließen62 • Im Gegensatz dazu wird bei der Zug-um-ZugEinrede nach § 273 BGB angenommen, erst deren Geltendmachung hinS.47. Deren Charakter als Gegenrecht jedoch schon damals bestritten wurde, s. insbesondere Schenck, AcP 17 (1834) 93 ff., 242 ff. (245 f.) und Treitschke, AcP 22 (1839) 278 ff., 422 ff.; vgl. dazu auch Webel, S. 4 ff. 50 Vgl. Huber, JuS 72, 58 Fn. 12. 51 s. unten, 1. 3. 52 RGZ 126,280 (285); JW 21, 523 Nr. 2; Recht 1926 Nr. 19i3'2; 2415; SeuffArch 79 (1925) 237; BGH, LM Nr. 9 zu § 320 BGB; NJW 63, 1149 und statt aller Soergell Schmidt, § 320 Rdnr. 5. 48

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1. Leistungsaustausch im funktionellen Synallagma (§ 320 BGB)

237

dere den Verzugseintritt53 • Danach gibt es also Zug-um-Zug-Einreden erster und zweiter Klasse. Nach meiner Auffassung kann und braucht es diese Differenzierung nicht zu geben. Der von vornherein lediglich zur Leistung Zug um Zug verpflichtete Schuldner kommt erst mit dem Angebot der Gegenleistung in Verzug 54•

.Die "Einrede" des nichterfüllten Vertrages ist unstreitig auch dann

gegeben, wenn der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung bereits verjährt ist55 • Dieselbe Frage ist jedoch für § 273 BGB sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur lebhaft umstritten 58 • Für meine Ansicht folgt die Lösung schon daraus, daß die Verjährung des Gegenanspruchs des Schuldners überhaupt nichts mit seiner inhaltlich beschränkten Verpflichtung zu tun hat57• Im Prozeß beruft er sich auf diese und nicht auf sein verjährtes Forderungsrecht6ll • Damit scheidet ein Widerspruch zu § 273 BGB auch dann aus, wenn man dort einen verjährten Gegenanspruch nicht genügen läßt. Nach allgemeinen Regeln muß der Beklagte, der eine Einrede geltend macht, deren Voraussetzungen im Prozeß beweisen. So muß er bei § 273 BGB das Bestehen eines fälligen, konnexen Gegenanspruchs nachweisen. Für die "Einrede" nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutete dies eigentlich, daß er für deren Voraussetzung, das Bestehen seines Gegenanspruclls 5', den Beweis erbringen müßteoo• Gleichwohl nimmt die h. M. an, daß der Kläger, hält er trotz Erhebung der "Einrede" an seinem unbeschränkten Begehren fest, auch nachweisen muß, daß der Gegenanspruch des Beklagten infolge Erfüllung nicht mehr besteht61 • Für das hier Vertretene folgt dieses Ergebnis allein schon daraus, daß der Beklagte kein Gegenrecht erhebt, für das er "eigentlich" beweispflichtig sein müßte. Erhebt der Beklagte auf den unbedingten Klagantrag hin lediglich die "Einrede des § 320 BGB", dann soll nach ganz überwiegender Meinung 53 RGZ 77, 436 (438); SeuffArch 80 (1926) 50 (51); BGH, WPM 71,. 1021; st. Rspr. und h. L. 54 Ebenso BlomeyeT, SchuldR, § 21 IV 2 (S. 109); GeTnhubeT, FS Raiser, S. 69 Fn. 24 und van den Daele, S. 49 und dort Fn. 41, aber von ihrem "Einrede"Standpunkt aus ist dies nicht erklärbar. 55 RG, HRR 1930 Nr. 1434; RGZ 149, 321 (328); StaudingeT I Kaduk, § 322 Rdnr. 6. - Vgl. auch KiTn, JZ 69, 326 bezeichnet dies als "willkürliche Ausnahme von der entgegengesetzten Regel" (welcher?). 58 Vgl. BGHZ 48, 116 m. w. N. zum Meinungsstand. Der BGH selbst bejaht die Frage, unter Berufung auf § 390 Satz 2 BGB. 57 Richtig KiTn, JZ 69, 326; er weist auch zu Recht darauf hin, daß der beschränkte Anspruch selbst wie jeder andere Anspruch verjährt. 58 Dies wird von LaTenz, Bd. I, § 15 I (S. 169) Fn. 3 übersehen. 58 Daß es sich dabei um eine Voraussetzung der Einrede handelt, übersieht van den Daele, S. 48. 80 Vgl. LeonhaTd, Bd. I, S. 338 f.; ferner ders., Beweislast, S. 342 ff. 81 RG, Recht 1915, Nr. 11 und die weiteren Nachw. bei LaTenz, Bd. I, § 15 I (S. 169) Fn. 2; s. ferner GeTnhubeT, FS Raiser, S. 65 f. und dort Fn.16.

238

V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

der Kläger grundsätzlich die Prozeßkosten tragen62 • In den sonstigen Fällen einer Zug-um-Zug-Einrede ist jedoch von der Regel des § 92 Abs. 1 ZPO auszugehen und Teilunterliegen des Beklagten anzunehmen83 • Diese im Ergebnis richtige Unterscheidung ist nur auf der Grundlage der materiellrechtlich eingeschränkten Verpflichtung des Beklagten überzeugend. Der Kläger, der sachlich allein eine Leistung Zug um Zug zu fordern hat, wäre nach regelmäßigen prozeßrechtlichen Grundsätzen mit seiner auf Leistung schlechthin gehenden Klage abzuweisen; weicht § 322 Abs. 1 BGB davon zu seinen Gunsten ab, so darf dies in kostenrechtlicher Hinsicht nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Diese Liste könnte ohne Schwierigkeiten fortgesetzt werden. So kann, um ein letztes Beispiel zu nennen, die h. M. auch nicht erklären, weshalb allein ihre "Einrede" des nichterfüllten Vertrages, aber nicht die des Zurückbehaltungsrechts von § 688 Abs. 2 ZPO erfaßt wird64 • Für uns erfolgt dies bereits aus dem Wortlaut des § 688 Abs. 2 ZPO ("die Geltendmachung des Anspruchs von einer ... Gegenleistung abhängig ist"). Im Gegenteil, die h. M. kann noch nicht einmal befriedigend erklären, weshalb § 688 Abs. 2 ZPO überhaupt ein Verlangen, das auf einen gegenseitigen Vertrag gestützt wird, erfassen soll; hindert ihr zufolge § 320 Abs. 1 BGB doch gerade nicht die Geltendmachung des ins Synallagma eingestellten Anspruchs. 1.5.

Er~ebnis

Insgesamt gesehen sollte also die Wahl zwischen einem im gegenseitigen Vertrag begründeten ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruch und einer auf seiner Grundlage erst begründbaren Zug-um-Zug-Einrede nicht schwerfallen. Der Zug-um-Zug-Anspruch erlaubt es, die gesetzestechnisch erzwungene Korrektur einer konsequenten Durchführung des von den Vertragspartnern in ihren Verpflichtungswillen aufgenommenen Austauschgedankens auf ein erträgliches Mindestmaß zu reduzieren. Mit der einzigen Ausnahme, daß er im Prozeß nicht ipso iure, also nicht von Amts wegen zu beachten ist, besteht kein Unterschied zu den sonstigen ursprünglichen Ansprüchen auf Leistung Zug um Zug. Damit entfällt eine "Von-Fall-zu-Fall"-Korrektur, wie sie die h. M. im Verhältnis zu anderen Zug-um-Zug-Einreden an derjenigen des nichterfüllten Vertrages in mehrerlei Hinsicht vornehmen muß. 82 Brückmann, KGB118 (1907) 29f.; Engelhard, JW 38,2942; Leonhard, Bd. I, S. 343; Soergell Schmidt, § 322 Rdnr. 2; van den Daele, S. 49 Fn. 41. - Einschränkend Staudinger I Kaduk, § 322 Rdnr. 8. - Vgl. ferner Schneider, MDR 64,732. 83 Vgl. RG,. DR 41, 1961; Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 92 Anm.1 Ba; Thomas / Putzo, § 92 Anm. 1 d; Stein / Jonas / Leipold, § 92 Rdnr. 1; h. M. s. aber auch oben, Kap. IH. Fn. 76. 8< Crevecreur, NJW 77, 1321; Stein / Jonas / Schlosser, § 688 Rdnr. 6,

2. Leistungsaustausch im Rückabwicklungsverhältnis

239

2. Die funktionelle Abhängigkeit im Rückabwicklungsverhältnis 2.1. § 348 BGB

Für die Durchführung der Abwicklung beiderseitiger Rückgewährpflichten stellt § 348 BGB dieselbe funktionelle Abhängigkeit wie im gegenseitigen Vertrag her65 • Das dort zum Verständnis der Durchführung des Austauschanspruchs Dargelegte gilt hier im sei ben Maße und zwar auch dann, wenn es um die Rückabwicklung eines nicht gegenseitigen Vertrages geht. Die demgegenüber von Medicus 66 vorgeschlagene Korrektur, für die Abwicklung nichtsynallagmatischer Rückgewährpflichten nur § 273 BGB anzuwenden, wurde zu Recht - zumindest soweit ersichtlich - nirgendwo aufgenommen. § 348 Satz 1 BGB betrifft eindeutig die sich aus § 346 BGB ergebenden Rückgewährpflichten, und § 346 BGB seinerseits unterscheidet nicht danach, ob es sich um den Rücktritt von einem gegenseitigen Vertrag handelt oder nicht. Hätte das Gesetz nur die aus einem synallagmatischen Vertrag entspringenden Rückgewährpflichten in ein funktionales Abhängigkeitsverhältnis bringen wollen, hätte es des § 348 Satz 1 BGB nicht bedurft67 • Ferner müßte Medicus konsequenterweise der Auffassung sein, daß sich das Risiko einer für das ursprüngliche Austauschverhältnis vereinbarten Vorleistungspflicht auch im Rückgewährschuldverhältnis fortsetze. 2.2. § 3 AbzG

Der Wortlaut des § 3 AbzG spricht eher für das Vorliegen einer ipso iure gegebenen Einschränkung der wechselseitigen Rückgewährpflichten des Abzahlungskäufers und -verkäufers (" ... sind Zug um Zug zu erfüllen")68. Man wird jedoch zutreffend davon ausgehen können, daß der grammatikalische Wortsinn seiner Auslegung im Sinne einer Zug-umZug-Einrede nicht unbedingt entgegensteht69 . Aus den oben angeführten Gründen kommt es darauf aber überhaupt nicht entscheidend an70 , weil - unabhängig vom auslegungsmäßigen Ergebnis - die Gleichbehandlung des § 3 AbzG mit § 348 BGB angenommen werden muß71. DemgeGanzh.M. Rdnr.223. 87 s. oben, 1.1. (bei Fn. 13 ff.). 88 Ostler / Weidner, § 3 Anm. 7. A. M. Klauss, Rdnr. 239, der darin eine verbotene ausdehnende Auslegung einer lex specialis sehen will. 89 Dazu Schaumburg, JR 75, 447; ferner auch Ostler / Weidner, § 3 Anm. 7 a.E. 70 s. oben, Kap. V a. A. und 1.1. 71 So OLG Hamburg, MDR 65, 383; LG Köln, NJW 59, 1831; Erman / Weitnauer / Klingsporn, § 3 AbzG Rdnr. 1 m. w. N.; Gramm, AcP 158 (1959/60) 257 f.; Klauss, Rdnr. 233; Palandt / Putzo, 30. Aufl., § 3 AbzG Anm. 1 (a. M. seit der 31. Aufl., Anm. 1 mit eklatantem Widerspruch zu Anm. 2); Reuter, S. 26 Fn. 2; vgl. die weiteren Nachw. bei Schaumburg, JR 75, 447 Fn. 1. 85

88

240

V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

genüber wird jedoch von einer starken Meinung eingewandt, der sozialpolitische Zweck des Abzahlungsgesetzes verbiete es, § 3 AbzG im Sinne einer Einrede zu verstehen, und dies sei auch methodisch durchaus zulässig, da es sich bei dieser Vorschrift um eine lex specialis gegenüber dem § 348 BGB handle; § 3 AbzG meine daher einen von Anfang an auf Leistung Zug um Zug beschränkten Anspruch7!. Ohne in den bestehenden Meinungsstreit tiefer eindringen zu können, ist doch auf folgendes hinzuweisen. Da es sich bei § 348 BGB nicht um eine Zug-umZug-Einrede handelt, sondern um eine materiellrechtliche"Zug umZug"Einschränkung, die wie bei der "Einrede" des nichterfüllten Vertrages erst durch Geltendmachung prozessuale Beachtung findet, treffen uns viele der gegen eine Gleichbehandlung mit § 348 BGB vorgebrachten Bedenken schon gar nicht. Allerdings entgeht auch die hier vertretene Auffassung nicht dem Einwand, es widerspreche dem sozialpolitischen Schutzzweck des Abzahlungsgesetzes, daß der Käufer im Falle seiner Säumnis zur Leistung schlechthin verurteilt werden könne73 . Soweit dieses Argument trotz § 6 a AbzG überhaupt noch aufrechterhalten wird 74, ist dazu zweierlei anzumerken. Zum einen will das Abzahlungsgesetz den regelmäßig sozial schwächeren Käufer zwar schützen, ihn jedoch nicht entmündigen. Der Käufer kann sicherlich, § 3 AbzG hin oder her, seiner Rückgewährverpflichtung durch Vorleistung nachkommen, der Verkäufer ist nicht gehindert, diese anzunehmen. Ebenso kann er es unterlassen, im Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen; tut er dies, obwohl er im Gerichtsbezirk wohnt (§ 6 a AbzG), hat es nichts mit seiner sozial schwächeren Stellung zu tun. In beiden Fällen handelt er freiwillig ohne äußeren, wirtschaftlichen Druck seitens des Verkäufers und er hat daher wie jeder andere, der sich rechtserheblich verhält, mögliche nachteilige Konsequenzen zu tragen. Nur dort, wo er wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt ist bzw. sein kann, also insbesondere bei Abschluß des Abzahlungsgeschäfts, oktroyiert ihm das Abzahlungsgesetz seinen Standardschutz75 . Erscheint er im Termin, weiß jedoch nichts davon, daß er die Beschränktheit des klägerischen Anspruchs geltend machen muß, so läßt sich daraus - wegen § 139 ZP076 - ebenfalls kein stichhaltiges sozialpolitisches Argument gewinnen. Zudem ist auf eine erhebliche Lücke in der "Käufer7! OLG Bremen, NJW 52, 347 f.; Blunck, NJW 67, 1599; Ostler I Weidner, § 3 Anm. 7 m. w. N. in Anm. 6; Palandt I Putzo, § 3 AbzG Anm. 1 (aber oben, Fn. 71); Schaumburg, JR 75, 448 m. w. N. in Fn. 2; Weintraud, S. 24 Fn. 9; ebenso auch schon Alberty, DR 39,1779 und Püschel, DR 39,1044 f. 73 Ostler I Weidner, § 3 Anm. 7; Palandt I Putzo, § 3 AbzG Anm. 1. 74 Nach wie vor so etwa Palandt I Putzo, § 3 AbzG Anm. 1. Vgl. auch Erman I Weitnauer I Klingsporn, § 3 AbzG Rdnr. 3. 75 Dies übersieht Schaumburg, JR 75, 448. 78 Vgl. auch Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 169).

2. Leistungsaustausch im Rückabwicklungsverhältnis

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schutz"-Argumentation hinzuweisen. Sie sieht den Abzahlungskäufer immer nur in der Rolle des Beklagten. Wenn dieser seinen Rückgewähranspruch selbst offensiv verfolgt, kehrt sich das, was zu seinem Schutz gedacht war, plötzlich gegen ihn. Da auch er lediglich eine Leistung Zug um Zug zu fordern hat und dies nach der sozialpolitischen Auffassung im Prozeß von Amts wegen zu beachten ist, er davon, "als der sozial Schwächere", aber regelmäßig nichts wissen wird, muß seine auf Leistung schlechthin gerichtete Klage abgewiesen werden77 • Die "schutzweise" Entmündigung des Abzahlungskäufers im Passivprozeß verkehrt sich in seinem Aktivprozeß in ihr Gegenteil. An der Gleichbehandlung des § 3 AbzG mit § 348 BGB, die sich bereits aus systematischen überlegungen ergibt, ist daher auch unter Berücksichtigung des sozialpolitischen Zwecks des Abzahlungsgesetzes festzuhalten. 2.3. Die Korrektur des Schadensersatzansprudls wegen Nichterfüllung und des "Zug um Zug"-Bereicherungsansprudls

Hat der Schuldner beim gegenseitigen Vertrag die Unmöglichkeit seiner Leistung zu vertreten, und beansprucht der deshalb ersatz berechtigte Gläubiger das volle Leistungsinteresse, so kann er dies nach h. M. nur Zug um Zug gegen seine ursprünglich geschuldete Vertragsleistung, und diese ipso iure gegebene Anspruchseinschränkung ist im Prozeß von Amts wegen zu beachten78 • Der ersatzberechtigte Gläubiger stünde damit nach der h. M. materiellrechtlich und nach der hier vertretenen Auffassung prozeßrechtlich schlechter als im Abwicklungsverhältnis der beiderseitigen Primärleistungspflichten. Es besteht jedoch kein vernünftiger und sachlicher Grund dafür, daß dann, wenn der Primäranspruch von einem Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung surrogiert wird7v, sich die Durchführung des Austausches von Sekundärleistung und Primär(gegen)leistung zu den Ungunsten des Ersatzberechtigten gestalten sollte. Vielmehr hat sich die gesetzlich nicht geregelte inhaltliche Ausgestaltung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung nach § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB an der gesetzgeberischen "Verwirklichung" des funktionalen Synallagmas, wie es sich aus §§ 322, 320 BGB ergibt, zu orientieren. Berücksichtigt man noch, daß dem Gläubiger durch § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB alternativ zu einem Recht auf Schadensersatz ein Recht auf Rücktritt vom Vertrag eingeräumt wird, und daß darauf nach § 327 Satz 1 BGB die §§ 346 ff. BGB und somit auch § 348 BGB Anwendung finden, ist die 77 Falls er nicht nachträglich seine Klage auf Leistung Zug um Zug beschränkt. Das wäre dann allerdings eine Klageänderung, da der Zug-um-ZugAnspruch gegenüber dem Anspruch auf Leistung schlechthin - anders als bei der Zug-um-Zug-Einrede - ein aliud und kein minus ist, dazu oben, Kap. III Fn.76. 78 s. oben, Kap. IV. 3. (bei Fn. 383 ff.). 71 So die Austauschtheorie und die herrschende eingeschränkte Differenztheorie, s. Staudinger / Kaduk, Vorbem. Rdnr. 51, 56 zu §§ 323 - 327.

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V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

den §§ 322, 320; 348 BGB entsprechende Durchführung des "großen" Schadensersatz anspruchs wegen Nichterfüllung unumgänglichso. Die dem Ersatzanspruch innewohnende Beschränkung auf Leistung Zug um Zug ist im Prozeß erst auf "Rüge" des Ersatzpflichtigen zu beachten. In diesem Fall ist die Klage entsprechend § 322 Abs. 1 BGB weder abzuweisen noch bedarf es ihrer Änderung nach § 263 ZPO. Um nachteilige Kostenfolgen zu vermeiden, empfiehlt es sich für den Kläger allerdings, seinen Antrag auf "Zug um Zug" -Verurteilung umzustellen81 • Das nämliche müßte für die Abwicklung wechselseitiger Bereicherungsansprüche wenigstens insoweit gelten, als deren funktionelles Abhängigkeitsverhältnis auf das Synallagma der intendierten causa gestützt wird 82• Damit würde sich der systematische Bruch zwischen materieller Berechtigung und deren prozessualen Durchsetzung bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung zumindest in den Fällen verwirklichen, die von der Saldotheorie i. e. S.83 erfaßt werden. Einen Zwang zum "Mitschleppen" dieser Systemwidrigkeit hätte man in der Tat dann anzunehmen, wenn sich die Saldotheorie und der über sie begründete ursprüngliche "Zug um Zug"-Bereicherungsanspruch lediglich aus dem als gegenseitig gewollten Vertragsverhältnis erklären ließe. Die h. M. hält einen solchen Anspruch jedoch durchaus auch in dem Fall für begründet, daß dem Bereicherungsvorgang überhaupt kein als synallagmatisch intendiertes Schuldverhältnis zugrunde lag84 • Der Grund für die Anerkennung eines "faktischen" Synallagmas besteht also keineswegs nur in der Natur der angestrebten causa. Gibt man dies zu, fällt der letzte Schritt, gänzlich auf die Berücksichtigung der gescheiterten causa zu verzichten, nicht mehr schwer. Stellt man statt dessen die Rechtsähnlichkeit der schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleichung und des Bereicherungsausgleichs in den VordergrundS5 , ergibt sich, daß der Zug-um-ZugAnspruch des Bereicherungsgläubigers niemals etwas anderes ist, als die 80 In diesem Sinne zu verstehen ist wohl auch RGZ 149, 321 (328: Beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung stehen die beiderseitigen Leistungen in einem die "Anwendung des § 320 BGB rechtfertigenden Abhängigkeitsverhältnis"). - Zur engen Verzahnung von für den Rücktritt typischen Aufgaben und Schadensersatz im engeren Sinne im Rahmen einer Gesamtabrechnung s. Leser, Rücktritt, S. 128 ff.,. insbes. S. 133. 81 Von vornherein auf Leistung Zug um Zug klagen kann er nicht, da er nicht weiß, ob der Beklagte die "Rüge" erheben wird, die materiellrechtliche Beschränktheit des Gläubigeranspruchs aber nur unter dieser Voraussetzung prozessuale Beachtlichkeit erlangt. 82 s. oben, Kap. IV. 3. (bei Fn. 394 ff.); dort auch zu dieser von Leser gezogenen Konsequenz. 83 Dazu oben, Kap. IV. Fn. 388. 84 Vgl. z. B. BGH, WPM 72, 564 (565); RGRK / Heilmann-Trosien, § 812 Rdnr. 63; ferner Weintraud" S. 24,.29, 49, 83 ff. und die oben, Kap. IV. 3. (bei Fn. 401 ff.). angeführten Fälle. 85 Zutreffend Weintraud, S. 52 ff.

3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung

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von der Billigkeit geforderte modifizierte Art der Verrechnung ungleichartiger, wechselseitiger Bereicherungen. Nur darin findet er seine materielle Rechtfertigung. Im Rahmen der Saldotheorie Le. S. gilt für ihn nichts Abweichendes. Auch dort hat die Beschränkung auf Leistung Zug um Zug ihren dogmatischen Grund nicht in einer angeblich gebotenen Fortführung des fehlgeschlagenen funktionellen Synallagmas, sondern lediglich in der - anhand wertender überlegungen als billig anzusehenden - funktionalen Abhängigkeit des Be- und Entreicherungsausgleichs. Hat demnach der Bereicherungsanspruch in seiner Eigenschaft als möglicher ursprünglicher Zug-um-Zug-Anspruch nichts mit demjenigen des gegenseitigen Vertrags zu tun, können die §§ 322, 320 BGB ihn nicht aus seinem Verbund mit den übrigen, prozessual "normal" zu handhabenden Zug-um-Zug-Ansprüchen herauslösen. Ohne Not ist auf sach- und systemwidrige Bestimmungen nicht über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus zurückzugreifen. Daher kann sich auch aus § 348 BGB nichts ergeben. So muß zwar die Frage, weshalb die prozessuale Situation des Gläubigers beim intakten synallagmatischen Vertragsverhältnis günstiger ist, als in dessen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung86, in der Sache ohne Antwort bleiben. Dies wiegt jedoch gering gegenüber dem konkreten Vorzug, im Rahmen des Bereicherungsrechts die ursprüngliche "Zug umZug"-Anspruchsbeschränkung konsequent durchführen zu können. Die gestellte Frage offenbart letztlich nur die unsachgemäße Behandlung, die das funktionelle Synallagma im Gesetz erleidet; sie deckt aber weder eine system widrige noch sachlich ungerechtfertigte Durchführung der vom "fehlenden Rechtsgrund" vollständig unabhängigen bereicherungsrechtlichen "Zug um Zug"-Rückabwicklung auf. Für diese hat es bei der oben im Rahmen der übrigen Zug-um-ZugAnsprüche dargestellten herrschenden Rechtsauffassung zu verbleiben. 3. Die Einrede der Vermögensverscblecbterung, § 321 BGB Zum Abschluß der vorliegenden Untersuchung kommt mit § 321 BGB eine Vorschrift zu Wort, die während der "Kinderjahre" des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur eine kurze aber nichtsdestoweniger lebhafte Diskussion auslöstes7• 88 s. oben, Kap. IV. 3. (bei Fn. 394 ff.). Zu beachten ist, daß diese Diskrepanz für diejenigen, die eine Zug-um-Zug-Einrede des nichterfüllten Vertrages annehmen, größer ist, da sie sich dann auch auf die materiellrechtliche Ebene erstreckt, während nach der hier vertretenen Ansicht nur die prozessuale Ebene betroffen ist. 87 s. dazu die Lit.-Nachw. in den folgenden Fn. Aus der Rspr. vgl. z. B.: RGZ 53,62 ff.: Grundsätzliches; RGZ 51, 170 (172); Gruchot 52 (1908) 408 (413) und WarnRsp 11, Nr. 223: Zur inneren Rechtfertigung; RGZ 51, 170 (172) und LZ 24, 121 f.: Zur Rechtsnatur; RGZ 54, 356 (358 f.); 92, 212 (218); Gruchot 55 (1911) 898 f. und LZ 24, 121 f.: Zur Fälligkeit der Nachleistung; RG, LZ 24, 122

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V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

Innerhalb dieser wurde bereits das meiste, was zu dieser Bestimmung gesagt werden kann, auch tatsächlich weitgehend gesagt. In der Folgezeit wurde es daher um § 321 BGB recht ruhig, und ist es bis in die Gegenwart geblieben88• Was die im Rahmen dieser Arbeit in erster Linie interessierende Frage nach dem Inhalt der Rechtsfolge und dem Verständnis deren Zustandekommens anbelangt, kommt die ganz einhellige Meinung - wenn auch über unterschiedliche dogmatische Konstruktionen - zu einer im äußerlichen Ergebnis gleichlautenden Antwort hinsichtlich des tatsächlichen Inhalts der Rechtsfolge. Nach ihr kann der Vorleistungspflichtige, dem § 321 BGB zur Seite steht, zumindest erreichen, "daß er auf die Klage des anderen Teiles nur zur Leistung Zug um Zug mit der Gegenleistung oder gegen Sicherheitsleistung verurteilt wird"89. Trotz der Einhelligkeit, die hinsichtlich dieser - in der Sache weitgehend unangreifbarenAussage besteht, erscheint eine nähere, allerdings so knapp als möglich gehaltene Beschäftigung mit der Vorschrift des § 321 BGB angebracht. Zum einen enthält nämlich die eben zitierte Passage, die so oder ganz ähnlich vielerorts zu finden ist90 , - jedenfalls nach der hier zur Einrede mangelnder Sicherheitsleistung vertretenen Auffassung - einen sachlichen Fehler. Zum anderen sind einige Worte dazu zu verlieren, ob und gegebenenfalls w.ie sich § 321 BGB in die Systematik des gegenseitigen Vertrages einfügt. Dabei wird insbesondere auch allgemein auf die Rechtslage einzugehen sein, die bei gesetzlicher oder vereinbarter Vorleistungspflicht besteht. Bemerkenswert und mir nicht recht verständlich ist in diesem Zusammenhang übrigens, daß fast alle Autoren, die sich mit den Grundlagen der Leistung Zug um Zug umfassender beschäftigt haben, den § 321 BGB (obiter); OLG Jena, WarnJB 7 (1908) Nr. 5 zu § 321; OLG Dresden, OLGRsp 33 (1916) 220 und ferner auch BGHZ 11, 80 (85 obiter): Zur Behebung des "Schwebezustands"; RG, SeuffArch 52 (1897) Nr. 116 und Gruchot 52 (1908) 408 (412): Zum Wegfall des § 321 BGB. 88 Vgl. zuletzt Lindacher, MDR 77, 799 f. (beschränkt auf die Konkurrenzfrage von § 119 Abs. 2 BGB und § 321 BGB); ferner Gernhuber, FS Raiser, S. 73 ff. (im Zusammenhang mit Synallagma und Zession); Götz, JuS 61, 58 f. (analoge Anwendung von § 321 BGB auf Fälle, in denen für Vorleistungspflichtigen nur der subjektive Eindruck einer Vermögensverschlechterung besteht). 88 So Staudinger / Kaduk, § 3·21 Rdnr. 26 statt nahezu aller; vgl. schon Mugdan, Bd. H, S. 636 (Prot.). - A. M. ausdrücklich nur Steininger, S. 38 f. (Klagabweisung; man bedenke die Konsequenz); unklar allerdings die unten in Fn. 1·29 Genannten. - Erfrischend ist es, feststellen zu können, daß hier einmal - in übereinstimmung mit der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht die weit überwiegende Meinung zur Rechtfertigung des "Zug um Zug"-Urteils offenbar nicht auf §§ 274 Abs. 1 bzw. 322 Abs. 1 BGB zurückgreifen zu müssen glaubt; anders allerdings etwa noch RGZ 51,170 (172) und 53, 62 (64), wo § 322 Abs. 1 BGB herangezogen wurde. 80 s. unten, Fn. 130.

3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung

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überhaupt nicht oder nur ganz am Rande beachtet haben. So enthalten die Darstellungen von Breuer, Rieger, Schmidt, Schoenenberg und Sonnenschein überhaupt nichts zu § 321 BGB. Fulda beschränkt sich im wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzestextes und auf die "inhaltsreiche" Aussage, es handle sich um eine "vom wirtschaftlichen Standpunktnicht zu unterschätzende Vorschrift"91. Reuter stellt an zwei verschiedenen Orten seiner Arbeit "eben kurz mal" auch zwei sich teilweise widersprechende Behauptungen in den Raumv2 • Schlegelberger schließlich begnügt sich mit der nebulösen Feststellung, die "im Falle des § 321 BGB gestattete Verweigerung der Dienstleistung bis zur Gewährung der Vergütung" gehöre nicht zum Zurückbehaltungsrecht93 . Lediglich Steininger ist - allerdings um den Preis eines unhaltbaren Ergebnisses ein wenig ausführlicher9'. 3.1. Die Rechtslage bei vereinbarter und gesetzlicher Vorleistung

Um die dogmatische Konstruktion und die Wirkungsweise des § 321 BGB überzeugend erfassen zu können, ist erste und grundlegende Voraussetzung das richtige Vorverständnis der Rechtslage, auf die diese Regelung Anwendung finden kann. Bestimmt das Gesetz oder vereinbaren die Parteien oder ergibt sich aus der Verkehrs sitte unter Berücksichtigung von Treu und Glauben9ö, daß der eine Vertragsteil mit seiner Leistung voranzugehen hat und er dadurch dem anderen Teil- wirtschaftlich gesehen - Kredit gewähren wird", dann ist die im Regelzustand eines Gegenseitigkeitsverhältnisses gegebene, funktionale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung aufgelöst und von vornherein nicht zustandegekommen97. Der Vorleistungspflichtige erbringt seine Leistung - entsprechend der nach wie vor gegebenen Natur des gegenseitigen Vertrages alsUmsatzgeschäft- zwar immer noch im Austausch gegen die Gegenleistung. So hängt etwa seine Leistungspflicht in ihrer Entstehung und in ihrem Fortbestand nicht minder von der Gegenleistung ab, als sie es ohne die Verpflichtung zu vorgängiger Leistung tun würde. Er verS.52. S. 25 und dort Fn. 4; S. 54 Fn. 2. 83 S.148. U s. oben, Fn. 89. 85 Vgl. Staudinger I Kaduk, § 321 Rdnr. 5. 88 Die Vorleistungsvereinbarung als Kreditgeschäft (zu ergänzen: in einem umsatzgeschäftlichen Rahmen) ist anerkannt; vgl. Esser I Schmidt, Bd. 112, § 16 II (S. 171); Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 170); ders., Geschäftsgrundlage, S. 102; Planck I Siber, § 321 Anm. a; ebenso schon Regelsberger, JherJB 40 (1899) 478. - A. M. wohl Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 82 f. V7 Darin liegt kein Abbedingen des § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB, so etwa Staudinger I Kaduk, § 320 Rdnr. 21, sondern die Vereinbarung eines anderen Vertragsinhalts. - Abw. Gernhuber, FS Raiser, S. 73 (Lockerung der funktionalen Abhängigkeit). V1

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V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-AnSipruch?

zichtet jedoch - sei dies kraft Vereinbarung oder kraft normativer, allerdings abdingbarer Anordnung - auf den Schutz, den ihm der ursprüngliche Anspruch auf Leistung Zug um Zug im Regelzustand des gegenseitigen Vertrages bei der Durchführung des Leistungsaustausches gewähren würde. Insoweit schuldet er seine Leistung schlechthin, d. h. vollständig ohne Rücksicht auf die Gegenleistung. Vom Gläubiger seiner Leistung hat er zumindest im Moment nichts zu fordern. Seine Gegenforderung ist als "betagte"98 Forderung zwar schon existent99 , aber mangels Fälligkeit noch nicht wirksam und somit zur Zeit nicht begründet. Eine auf sie gestützte Klage wäre - liegen nicht die Voraussetzungen des § 322 Abs. 2 BGB vor - von Amts wegen als unbegründet abzuweisen100• Der Vorleistungsberechtigte ist also nicht darauf angewiesen, seine Nachleistungspflicht durch eine sogenannte Vorleistungseinredelot, die der Sache nach eine Stundungseinrede darstellen würde, geltend zu machen102 • "Materiell perfekt"l03, also fällig, kann der Anspruch auf die Nachleistung unter zwei voneinander zu unterscheidenden Voraussetzungenwerden. Hängt der Fälligkeitseintritt der Nachleistungsverpflichtung nur vom Erreichen eines fest datierten Zeitpunkts und nicht davon ab, daß die bereits früher fällig gewordene Vorleistung auch erbracht worden ist, können sich Vor- und Nachleistungsanspruch als beiderseits fällige Ansprüche gegenübertreten (sogenannte "unbeständige Vorleistungspflicht"l(4). Ist dies der Fall, tritt keineswegs - deus ex machina - die Normallage des gegenseitigen Vertrages, also wechselseitige, ursprüngliche Ansprüche auf Leistung Zug um Zug bzw. nach der herrschenden Meinung die Einrede des § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB, ein105, sondern es bleibt zunächst Im Gegensatz zu aufschiebend "befristet" i. S. d. § 163 BGB. Dies folgt aus §§ 271 Abs. 2, 813 Abs. 2 BGB; Larenz, AT, § 25 V (S. 448) m. w. N. - A. M. Leonhard, Bd. I, S. 238 (nicht entstanden, nur geschützte Anwartschaft). 100 Heute ganz h. M.; vgl. statt vieler Enneccerus / Lehmann, § 33 III 2 (S. 143); Erman/ Battes, § 320 Rdnr. 28, § 322 Rdnr. 3; Hellwig, Anspruch, s. 376; Lübbert, JherJB 52 (1907) 357 f. mit überzeugender, auf § 322 Abs. 2 BGB gestützter Begründung, dort in Fn. 52 f. auch weitere Nachw.; Soergel/ Schmidt, § 322 Rdnr. 3 und ferner Leonhard, Bd. I, S. 346, der sehr treffend darauf hinweist, daß die h. M. von ihrem Standpunkt aus, wonach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB eine "echte" Einrede sein soll, folgerichtig auch im Vorleistungseinwand eine Einrede und nicht eine Einwendung sehen müßte. 101 Das Begriffspaar Nachleistungspjlicht und Vorleistungseinrede beinhaltet streng genommen eine contradictio in adjecto. lot So noch RGZ 53, 62 (64) - stillschweigend anders aber schon RG, LZ 24, 121 f. -; Langheineken, S. 96 f.; Oertmann, § 320 Anm. 1, § 322 Anm. 1; Planck / Siber, § 320 Anm.l b, § 322 Anm. 2; Schollmeyer, § 322 Anm. 2. 103 Lübbert, JherJB 52 (1907) 357 f. 104 Dieser Begriff stammt von Adler, LZ 13, 816. 105 A. M. RG, Recht 15, Nr. 840; Adler, LZ 13, 816; Soergel/ Schmid,t, § 322 Rdnr.3. 08

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3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung

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einmal die durchführungsmäßige Unabhängigkeit der beiderseitigen Ansprüche erhalten. Der mit der Vorleistungspflicht verbundene Ausschluß der funktionalen Abhängigkeit ist die Folge eines Vertragsinhalts, der in einem wesentlichen Punkt vom regelmäßigen Inhalt des gegenseitigen Vertrages abweicht. Er steht nicht etwa de iure unter dem allgemeinen Vorbehalt, daß sich die Ansprüche zu keiner Zeit als beiderseits fällig gegenüberstehen. Ergibt sich ein solcher Vorbehalt nicht ausdrücklich oder durch Auslegung aus dem Vertrag bzw. aus dem Gesetz, ist die Aufhebung der funktionellen Verknüpfung endgültig und nur durch vertragsändernde Vereinbarung wieder herzustellen. Ist die Nachleistung fällig geworden, ohne daß die Vorleistung bewirkt worden ist, besteht allerdings für beide Teile die grundsätzliche Möglichkeit, gegenüber dem Leistungsanspruch der anderen Seite die Zug-um-Zug-Einrede nach § 273 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Nun wende man dagegen aber nicht ein, es sei zumindest von der zu § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB vertretenen, herrschenden Auffassung aus unerheblich, ob man den Weg über § 273 Abs. 1 BGB oder den über § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB gehe. Denn ganz abgesehen davon, daß der klagende Gläubiger nach der h. M. bei der "Einrede" des nichterfüllten Vertrages beweismäßig zum einen erheblich ungünstiger106 als bei der Zurückbehaltungseinrede steht, und daß er zum anderen nur die letztere durch Sicherheitsleistung abwenden kann, erlaubt es der Weg über § 273 Abs. 1 BGB, den Vorleistungspflichtigen unter Umständen umfassend an seiner Vorleistung festzuhalten. Dies ist im Einzelfall möglicherweise das allein sachgerechte Ergebnis. Hat nämlich der Vorleistungspflichtige seine Leistung in vorwerfbarer Weise solange verzögert, bis auch die Nachleistung fällig wurde, darf ihm daraus kein Vorteil erwachsen. Dies ist aber jedenfalls nur dann ohne weiteres vermeidbar, wenn zu seinen Gunsten lediglich die Zurückbehaltungseinrede greifen kann. Denn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben wird sich in diesem Fall trotz beiderseitiger vermögensbezogener Ansprüche ausnahmsweise aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergeben (§ 273 Abs. 1 BGB)107, so daß für ihn § 273 Abs. 1 BGB mangels Tatbestandsmäßigkeit ausscheidet, während er vom Nachleistungspflichtigen begründeterweise wird geltend gemacht werden können. Bejaht man demgegenüber die "Einrede" des nichterfüllten Vertrages, bringt man sich selbst um die juristisch einwandfreie Begründbarkeit des gegebenenfalls allein sachgerechten Ergebnisses, und dies geschieht zudem noch auf eine Art und Weise, die zwar faktisch, nicht jedoch dogmatisch nachzuvollziehen ist. Aufgrund der dargestellten Rechtslage kann im Hinblick auf § 321 BGB bereits festgehalten werden, daß dieser Bestimmung für die unbelOB s. schon oben, 1.4. (bei Fn. 59 ff.); ferner auch Staudinger / Kaduk, Rdnr. 17 vor § 320, § 320 Rdnr. 8, § 322 Rdnr. 7. 107 s. dazu oben, Kap. III. 2.1.2. (bei Fn. 97 ff.).

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V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

ständige Vorleistungspflicht dann nur vorübergehende Bedeutung zukommt, wenn seine Wirkung keine andere als die des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB ist. Ist dem so, wird - sobald sich Vorund Nachleistung fällig gegenüberstehen - die Funktion des § 321 BGB von § 273 Abs. 1 BGB übernommen108 • Der Fakt der Vermögensverschlechterung ist dann im Rahmen der Tatbestandsprüfung des § 273 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur Rechtslage bei der unbeständigen Vorleistungspflicht kann die Fälligkeit des Anspruchs auf die Nachleistung auch von dem Umstand abhängen, daß die Vorleistung tatsächlich erbracht worden ist. Dabei ist gleichgültig, ob sie zu einem späteren, jedoch von der erfolgten Vorleistung an zu berechnenden Zeitpunkt109, oder ob sie bereits unmittelbar mit deren Bewirkung eintrittllO • Diese sogenannte "beständige Vorleistungspflicht"111 unterscheidet sich von der unbeständigen nur insofern, als sich Nach- und Vorleistung in keinem Augenblick als beiderseits fällige, noch nicht bewirkte Leistungen gegenübertreten. Sind die beiderseitigen Pflichten entstanden und bestehen sie fort, dann werden die beiden Leistungen grundsätzlich unverrückbar sukzessiv und jeweils schlechthin geschuldet. Der beständige Vorleistungsanspruch, er ist praktisch die Regel, stellt das eigentlich - weil von Dauer112 - entscheidende und zugleich problematische Anwendungsgebiet des § 321 BGB dar. 3.2. Die dogmatische Konstruktion und der Inhalt der Rechtsfolge des § 321 BGB

Nach dem, was im Vorstehenden ausgeführt wurde, kann sich § 321 BGB nur gegen den einseitig fälligen Anspruch auf (Vor-)Leistung schlechthin richten113 • Ganz ähnlich114 wie das Widerrufsrecht nach Vgl, Adler, LZ 13, 816: §§ 320,322 Abs. 1 BGB anstatt § 321 BGB. "Zahlbar mit 1 Monat Ziel ab Lieferung." 110 "Zahlbar nach Eintreffen der Ware." An dieser Sachverhaltsgestaltung läßt sich einmal mehr zeigen, wie wenig aufeinander abgestimmt die Grundlagen der Leistung Zug um Zug behandelt werden. Hier kommt sicherlich niemand auf den Gedanken, ein Zurückbehaltungsrecht zugunsten des Vorleistungspflichtigen, im Klauselbeispiel also des Verkäufers, auch nur zu erwägen. Von der oben, Kap. IV. 2.4.2.1. (bei Fn. 90 ff.) und dort Fn. 90 dargestellten h. M. aus, wird dieser Gedanke aber sehr zu Unrecht nicht gedacht, soll es ihr zufolge doch für § 273 Abs. 1 BGB genügen, daß der Gegenanspruch mit der Bewirkung der Schuldnerleistung fällig wird. Der h. M. bleibt damit nur die Möglichkeit, § 273 Abs. 1 BGB über den in diesem Fall "gekünstelten" Weg der Natur des Schuldverhältnisses zu verneinen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Idee eines Zurückbehaltungsrechts noch nicht einmal "anzudenken" . 111 Adler, LZ 13, 816 und ebenso Soergel / Schmidt, § 322 Rdnr. 3. 112 Entfällt allerdings die Vermögensgefährdung nachträglich, so besteht auch das Recht nach § 321 BGB nicht mehr, Staudinger / Kaduk, § 321 Rdnr. 21 m. w. N. - A. M. etwa RG, WarnRsp 08, Nr. 298 a. E. 11S § 321 BGB ist somit niemals eine Replik des Vorleistungspflichtigen. 108 108

3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung

249

§ 610 BGB versetzt auch § 321 BGB den Vorleistungspflichtigen in die Lage, Konsequenzen aus einer für ihn negativen Veränderung solcher Umstände zu ziehen, die in der Sphäre seines Vertragspartners liegen, und die für ihn bei der übernahme der Kreditierungspflicht regelmäß.ig (mit-)ausschlaggebend waren. § 321 BGB ist damit einer der wenigen, gesetzlich anerkannten Anwendungsfälle der c1ausula rebus sie stanti·· bus115, die im übrigen keinen allgemeinen Eingang ins BGB gefunden hat. Die Frage danach, in welcher Art und Weise § 321 BGB auf den Vorleistungsanspruch einwirkt, ist nicht von der Frage nach der inneren Rechtfertigung für diese singuläre Anerkennung der elausula rebus sie stantibus zu trennen. Lediglich dann, wenn diese Rechtfertigung - trotz des oben Gesagten - aus einer nach wie vor latent vorhandenen, funktionell synallagmatischen Abhängigkeit von Vor- und Nachleistung entnommen werden könnte116, ließe sich möglicherweise mit Grund die Meinung vertreten, über § 321 BGB sei die Normallage, d. h. der Regelzustand des gegenseitigen Vertrages herzustellen. Daher könnte es allenfalls unter dieser Voraussetzung einleuchten, daß nach § 321 BGB vom Vorleistungspflichtigen die Vorleistung nur noch Zug um Zug gegen die Nachleistung zu fordern wäre, bzw. daß ihm - bei Zugrundelegung der h. M. zu § 320 BGB - die " Einrede " des nicht erfüllten Vertrages zustünde 117 , oder daß er - noch weitergehend - nunmehr auch seinerseits in der Lage sei, die Nachleistung Zug um Zug gegen seine Vorleistung, bzw. schlechthin, nur mit der "Einrede" des § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkbar, zu beanspruchen118 • Den dazu erforderlichen Restbestand einer unter den Voraussetzungen des § 321 BGB reaktivierbaren funktionalen Abhängigkeit gibt es jedoch nicht. Durch die Verpflichtung zur Vorleistung wurde die Durchführung der beiderseitigen Leistungen A. M. Oertmann, § 321 Anm. 5 b, der von seinem Standpunkt aus, wonach die Vorleistung durch Einrede geltend zu machen sein soll (s. oben, 3.1. [bei Fn. 101 f.D, in § 321 BGB mit Recht eine Ggegeneinrede sieht; inkonsequent daher Langheineken, S. 88, 286 und Planck 1 Siber, § 321 Anm. b (zu beiden s. oben, Fn. 102). 114 Weitergehend wohl Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 81 ff. Vgl. auch Schmidt-Rimpler, S; 73 Fn. 5. 115 Mugdan, Bd. II, S. 636 (prot.). 118 In diesem Sinne wohl Laubhardt, AeP 109 (1912) 250 f. 117 So beispielsweise RGZ 51, 170 (172); Planck 1Siber, § 321 Anm. a; Reuter, S. 25; Wolf. Bd. I, S. 314. - Wäre das Gesetz tatsächlich dieser Auffassung, hätte es sich mit einer einfachen, um die Sicherheitsleistung modifizierten Verweisung auf § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB begnügen können. 118 So etwa Erman 1 Battes, § 321 Rdnr. 11 (aber Widerspruch zu Rdnr. 10); Esser 1 Schmidt, Bd. 1/1, § 16 II (S. 171); Götz, JuS 61, 58; Larenz, Bd. I, § 15 I (S. 170); ders., Geschäftsgrundlage, S. 102 und dort Fn. 31; Soergell Schmidt, § 321 Rdnr. 5; unklar Leonhard, Bd. I, S. 347. - Dagegen die st. Rspr. und die überwiegende Lit.; statt vieler Stau dinger 1 Kaduk, § 321 Rdnr. 33 mit zahlreichen Nachw. auch zur Gegenmeinung; stillschweigend auch BGHZ 11, 80 (85).

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V. Kap.:

~g-um-Zug-Einrede

oder Zug-um-Zug-Anspruch?

gewolltll9 voneinander losgekoppelt und zeitlich hintereinander geschaltet. Die Gefahr der Vermögensverschlechterung und die damit unter Umständen verbundene Gefährdung der Nachleistung ist das typische Risiko dieser Abwicklung des Vertragsverhältnisses. Der Vorleistungspfiichtige geht als Kreditgeber dieses Risiko "sehenden Auges" ein, und er vermindert es in der Regel auch keineswegs dadurch, daß er den Fortbestand der Vorleistungsverpflichtung vom Ausbleiben einer wesentlichen, negativen Vermögensveränderung abhängig machen würde 120 • Akzeptiert er dieses Risiko, so geschieht dies nicht aus reinem Altruismus, sondern regelmäßig aus eigennützigen Gründen; sei dies, weil er sich die Risikoübernahme unmittelbar "bezahlen" läßt, oder sei dies der Gewinn als solcher, den er mit dem Geschäft zu erzielen gedenkt. Wenn das Gesetz den Vorleistungspflichtigen mit § 321 BGB nun gleichwohl vor dem Risiko der Vermögensverschlechterung auf seiten des Nachleistungspflichtigen (teilweise) schützt, dann bringt es damit nicht - zugleich mit der Vorleistung gegebene - vertragsimmanente Gesichtspunkte zur Geltung, sondern trägt Erwägungen Rechnung, die außerhalb der eigentlichen Vertragsbeziehung liegen. Genau auf dieser Linie liegen auch die meisten Äußerungen, die sich zum inneren Grund der Beachtlichkeit "veränderter Umstände" im Falle des § 321 BGB finden. In übereinstimmung mit den überlegungen des Gesetzgebers, die zur Aufnahme des § 321 BGB, der übrigens im Entwurf erster Lesung noch gar nicht vorgesehen war, geführt haben, gehen alle Äußerungen zum Grund der Beachtlichkeit der c1ausula rebus sie stantibus letztendlich darauf hinaus, daß es für unbillig gehalten wird, den Vorleistungspfiichtigen bei Vermögensverfall des Nachleistungspflichtigen schutzlos zu lassen121 • Für das Verständnis der dogmatischen Konstruktion des § 321 BGB bedeutet dies, daß mit dieser Bestimmung dem Vorleistungspflichtigen ein selbständiges Recht gegen den in seiner Durchführung ebenfalls selbständigen Vorleistungs anspruch eingeräumt wird. Es hat nichts mit dem 118 Auch in den Fällen gesetzlicher Vorleistung, denn deren Geltung steht zur Disposition der Parteien. 120 Dazu, daß immer zunächst zu prüfen ist, ob die Parteien ein Recht zum Rücktritt oder zur einseitigen Vertragsänderung für den Fall der Vermögensverschlechterung stillschweigend vereinbart haben, Dernburg, Bd. lI/I, § 93 3 (S. 242) Fn. 11, mag bei der Vorleistung zwar besondere Veranlassung bestehen, ist jedoch keine Besonderheit der Vorleistung. 121 Vgl. Mugdan, Bd. II, S. 636 (Prot.): Billigkeit; RG, Gruchot 5-2(1908) 408 (413): Billigkeit und Treu und Glauben; PaLandt I Heinrichs, § 321 Anm. 1: Ausprägung des § 242 BGB; Oertmann, § 321 Anm. 1: soziale Schutzvorschrift; SoergeLl Schmidt, § 321 Rdnr. 1: Unzumutbarkeit. Wenn Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 103 f. meint, § 321 BGB wolle das enttäuschte Vertrauen des Vorleistungspflichtigen schützen, so ist damit noch nichts darüber gesagt, weshalb das Gesetz dieses Vertrauen schützt. - Ob die Risikoabnahme überhaupt billig ist, mag zu bezweifeln sein, vgl. auch Leonhard, Bd. I, S. 346, kann hier aber dahinstehen, da jedenfalls das Gesetz dieser Meinung ist und es den Rechtsanwender an diese Wertentscheidung bindet.

3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung

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funktionellen Synallagma und damit auch nichts mit dem ursprünglichen Zug-um-Zug-Anspruch bzw. der "Einrede" des nichterfüllten Vertrages zu tun122. Auch Schollmeyer bringt dies zum Ausdruck, wenn er meint: "Für die Aufnahme der Vorschrift des § 321 ist ... nicht ... die synallagmatische Natur des Vertrages bestimmend gewesen, als vielmehr das Bestreben, dem Vorleistungspftichtigen Sicherheit ... zu gewähren ...123." Betont man mit dem Gesetz das Interesse des Vorleistungspftichtigen, bei Vermögens verfall des anderen Teils nun nicht mehr in der Ungewißheit des Erhalts der Nachleistung vorab leisten zu müssen, so darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß zum einen der Grundsatz "paeta sunt servanda" auch dann fortgilt, wenn seine tatsächliche Befolgung von seiten eines Teils zweifelhaft geworden ist, und daß zum anderen der Nachleistungspftichtige gerade in Zeiten eigener wirtschaftlicher Depression ein starkes, nicht von vornherein schutzunwürdiges Interesse an der Krediterlangung hatt 24 . Auch aus dieser allgemeinen überlegung heraus verbietet es sich - ganz unabhängig von der Frage nach der dogmatischen Verwurzelung im Synallagma -, die Wirkung des § 321 BGB über das eben noch zum Schutz des Vorleistungspftichtigen Erforderliche hinaus auszudehnen. Diese Wirkung darf deshalb keinesfalls zu einer Verbesserung der materiellen Rechtsstellung des Vorleistungspftichtigen nach der Vermögensverschlechterung gegenüber der zuvorbestehenden führen 125 und somit nicht etwa in der Herbeiführung der Fälligkeit des Nachleistungsanspruchs bestehen. Ein Verständnis des § 321 BGB, das vom reinen Schutzcharakter weg und hin zu einer Sanktionierung der Vermögensverschlechterung führen würde, wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und daher abzulehnen. Auch als selbständiges Recht des Vorleistungspflichtigen ist § 321 BGB nicht in der Lage, zur - wie Larenz meint- "regelmäßigen Form der Ausführung gegenseitiger Verträge"128 zurückzuführen. § 321 BGB ist nach alledem kein für die Zeit tatsächlicher Vermögensverschlechterung bestehendes, materielles Gestaltungsrecht, das eine einseitige Vertragsänderung zur Folge hätte 127, sondern lediglich ein 122 Vgl. Crome, Bd. 11, S. 17'6 Fn. 29 (Sicherungsmaßregel eigener Art für bedingte oder betagte Forderungen). 123 § 321 Anm. 2. 124 Vgl. Leonhard, Bd. I, S. 346. 125 Planck / Siber, § 321 Anm. b. 126 Bd. I, § 15 I (S. 170); vgl. ferner die in Fn. 118 Genannten und auch Fikentscher, § 10 II 4 c (S. 39), wenn er davon spricht, daß § 321 BGB es erlaube, sich nachträglich von der Vorleistungspflicht zu befreien. 127 Dagegen auch die h. M.; statt vieler RG, Gruchot 55 (1911) 898 f.; LZ 24, 121 (122); RGRK / Ballhaus, § 321 Rdnr. 6 und Staudiinger / Kaduk, § 3~1 Rdnr. 33. - Der wesensmäßige Unterschied von Gestaltungs- und Gegenrecht wird von Lindacher, MDR 77, 799 f. bei seinem Folgenvergleich von Irrtumsanfechtung und § 321 BGB nicht berücksichtigt.

252

V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

eigenständiges Einrederecht, das der Vorleistungspflichtige abwehrend, also nur wenn er auf die Vorleistung belangt wird 128, gebrauchen kann. Er hebt die Pflicht zur Vorleistung als solche nicht auf, noch ändert er das schon bestehende, materiellrechtliche Abhängigkeitsverhältnis in ein weitergehendes ab. Was den Inhalt der Einredewirkung des § 321 BGB anbelangt, so sind dabei zwei Dinge auseinanderzuhalten, die allerdings durch eine mißliche Gesetzesfassung eine scheinbare Gleichbehandlung erfahren haben. Geht es darum, daß der Vorleistungspflichtige "die ihm obliegende Leistung verweigern (kann), bis die Gegenleistung bewirkt ... wird", schränkt § 321 BGB den Vorleistungsanspruch auf eine Leistung Zug um Zug ein. Dies wird schon vom Wortlaut mit seiner für die Leistung Zug um Zug typischen Fassung nahegelegt und ist von der Sache her nicht zu bezweifelnl29 • Mit diesem Inhalt der Einredewirkung ist die geforderte, geringstmögliche Beeinträchtigung des Vorleistungsanspruchs realisiert. Insoweit ist die Einrede der Vermögensverschlechterung jedenfalls eine Zug-um-Zug-Einrede. Sie scheint nun aber nicht nur die Nachleistung selbst, sondern ersatzweise für die Nachleistung auch eine mögliche Sicherheitsleistung in ein "Zug um Zug"-Verhältnis zur Vorleistung zu bringen. Der im Gesetz erfolgten sprachlichen Gleichschaltung wird denn auch in der Weise gefolgt, daß ohne nähere Unterscheidung gesagt wird, auf die Einrede des § 321 BGB ergehe ein "Urteil auf Leistung Zug um Zug oder gegen Sicherheitsleistung"13o. Bereits bei der Untersuchung der Einreden mangelnder Sicherheitsleistung wurde jedoch ausführlich dargelegt, daß es eine Leistung Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung nicht gibt, sondern daß mit der Sicherheitsleistung vielmehr immer voranzugehen ist131 • Enthielte § 321 BGB tatsächlich die beiden Alternativen "gegen Gegenleistung" oder "gegen Sicherheitsleistung", würde er zwei gegensätzliche Einredewirkungen begründen. Die eine müßte (im Falle der "Sicherheitsleistung"), als zeitweilig anspruchshemmende, zur Klagabweisung führen, während die andere, (im Falle der "Gegenleistung"), als lediglich anspruchsbeschränkende, allein eine 128 Nissen, JW 03, 361. A. M. ausdrücklich Soergel / SC1l,midt, § 321 Rdnr. 5, danach soll der Vorleistungspflichtige, ohne daß er in Anspruch genommen wird, also bereits beim objektiven Vorliegen der Voraussetzungen des § 321 BGB, berechtigt sein, auf "Nachleistung" Zug um Zug gegen seine "Vorleistung" zu klagen. 1!1 s. oben, Fn. 89; unklar jedoch Cosack / Mitteis, Bd. I, S. 372; Hellmann, S. 204; Jahr, JuS 64, 125 sub 3 c und Langheineken, S. 88 (anders S. 286), die bei § 321 BGB pauschal von einer "Einrede mangelnder Sicherheitsleistung" sprechen; für diese muß aber eine Leistung Zug um Zug ausscheiden, dazu sogleich im Text. 130 Blomeyer, SchuldR, § 21 V 1 (S. 111); ferner z. B. Adler, LZ 13, 823; Erman / Battes, § 321 Rdnr. 10 und oben, 3. (bei Fn. 89). - Anders aber wohl Gernhuber, FS Raiser, S.77. 131 s. oben, Kap. IH. 2.5.

3. Die Einrede der Vermögensverschlechterung

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Verurteilung zur sofortigen, jedoch beschränkt durchsetzbaren Leistung rechtfertigen würde. Ein Urteil, das entsprechend dem angeführten Zitat lautete, dürfte überhaupt nicht ergehen. Richtigerweise hat man beides als nicht gleichberechtigt nebeneinanderstehende Möglichkeiten zu trennen l32 • § 321 BGB gibt dem Vorleistungspjlichtigen eine Einrede, die ausschließlich zur "Vorleistung" Zug um Zug gegen die "Nachleistung" führt. Diese Zug-um-Zug-Einrede kann der Nachleistungspjlichtige durch die Replik der erfolgten Sicherheitsleistung abwenden. "Oder Sicherheit für sie geleistet wird" ist demnach in einem § 273 Abs. 3 Satz 1 BGB entsprechenden Sinn zu verstehen. Die Einrede der Vermögensverschlechterung ist also nicht auch eine Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung133. Nach all dem, was in dieser Arbeit gesagt wurde, ist der abschließende Hinweis, daß nicht etwa deshalb, weil § 321 BGB zur Leistung Zug um Zug führt, auch der Vorleistungspflichtige einen fälligen Anspruch auf die Nachleistung besitzen muß134, eigentlich überflüssig. 3.3. Zusammenfassung

Der Anspruch auf die Vorleistung ist in seiner Durchführung vollständig unabhängig von der Bewirkung der Gegenleistung. Ihm kann der Vorleistungspflichtige nach § 321 BGB eine selbständige, nicht aus der Natur des gegenseitigen Vertrages abgeleitete Zug-um-Zug-Einrede entgegensetzen. Weder das Bestehen noch die Ausübung dieses Rechts ändert etwas an der fehlenden Fälligkeit der Nachleistung. Diese hat der Vorleistungspflichtige solange nicht zu beanspruchen, als er - bei der beständigen Vorleistungspflicht - seine Leistung noch nicht erbracht hat135. Die Einrede der Vermögensverschlechterung ist wie das Zurückbehaltungsrecht durch Sicherheitsleistung vom Vorleistungsberechtigten abzuwenden. Bei einem solchen Verständnis des § 321 BGB liegt ein Vergleich, der - wäre er bereits eingangs getroffen worden - wohl überrascht hätte, mit § 1000 Satz 1 BGB nahe. Hier wie dort räumt das Gesetz einem zur Vgl. Crome, Bd. lI,S. 175. Übereinstimmend Crome, Bd. II, S. 176; Langheineken, S. 286 (anders S. 88); Oertmann, § 321 Anm. 5 d; Planck/ Siber, § 3'21 Anm. a (die beiden Letztgenannten müssen von ihrer Auffassung her, s. oben, Fn. 113, eine Duplik annehmen); Reuter, S. 54 Fn. 2; wohl auch die Kommentare zu § 202 BGB, vgl. z. B. Staudinger / Coing, § 202 Rdnr. 8. - A. M. ausdrücklich die in Fn. 129 Genannten. 184 So aber Staub, DJZ 03, 388 f., der mit dieser Begr. unmittelbar aus § 321 BGB einen Anspruch auf sofortige Zahlung oder Sicherheitsleistung ableitet; für die "Nachleistung" ebenso wohl auch Oertmann, § 3,21 Anm. 5 d. 135 Zu dem "mißlichen" Schwebezustand, der dann eintritt, wenn sich der Nachleistungspflichtige nicht "regt", oder wenn er - nachdem § 321 BGB geltend gemacht wurde - sowohl die Bewirkung seiner Gegenleistung als 132

133

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V. Kap.: Zug-um-Zug-Einrede oder Zug-um-Zug-Anspruch?

Leistung schlechthin verpflichteten Schuldner ein Zug-um-Zug-Einrederecht ein, um ihm die billigerweise gebotene Wahrung eines noch nicht fälligen Gegenanspruchs zu ermöglichen. Sieht man in § 1000 Satz 1 BGB einen Unterfall des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB, bejahe ich dies deshalb auch für § 321 BGB. Trotz des mehr als großzügigen Umgangs mit dem Begriff "Zurückbehaltungsrecht"136 findet sich dieser im Zusammenhang mit § 321 BGB nur höchst selten137. Mich erstaunt dies und zugleich erscheint es mir als ein weiteres Indiz für den sachlich inhaltsleeren Umgang mit dem "Zurückbehaltungsrecht".

auch die Abwendung der Einrede durch Sicherheitsleistung unterläßt, vgl. die überzeugende Darstellung bei Staudinger / Kaduk, § 321 Rdnr. 34 f. m. w. N. Ein näheres Eingehen darauf kann hier unterbleiben, da die damit zusammenhängenden Fragen nicht unmittelbar zum hier behandelten Thema gehören, und da wohl sämtliche Lösungsmöglichkeiten, die zur Behebung des Schwebezustandes in Betracht gezogen werden können, bereits aufgezeigt worden sind. 138 s. oben, Kap. IIr. 1.2. 137 Etwa bei RGZ 53, 62 (63) und Laubhardt, AcP 102 (1912) 248. - Ausdrücklich dagegen nur Schlegelberger, S. 148; s. schon oben, 3. (bei Fn. 93).

Schlußbemerkung Derjenige, der sich mit der vorangegangenen Untersuchung beschäftigt hat, wird mir wohl zustimmen, wenn ich meine, daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, die gefundenen Ergebnisse an dieser Stelle in der Form eines Kurzreferats zu rekapitulieren. Da es nicht Aufgabe der Arbeit sein sollte, ein Ergebnis systematisch zu begründen, sondern deren Anliegen vielmehr darin bestand, den komplexen Begriff "Leistung Zug um Zug" dadurch "mit Leben zu erfüllen", daß die einzelnen gesetzlichen Grundlagen der Leistung Zug um Zug umfassend dargestellt und unter ihnen bestehende Querverbindungen aufgezeigt wurden, ist sie notgedrungenermaßen Referat und Kurzreferat in einem. Allein in ihrer Gesamtheit läßt sie den verfolgten "roten Faden", den abstrakten Inhalt einer Leistung Zug um Zug und die grundlegende Unterscheidung in Zug-um-Zug-Einreden einerseits und ursprüngliche Zug-um-ZugAnsprüche andererseits, deutlich werden. Nur aufgrund normindividueller Berücksichtigung dieses "roten Fadens" kann Einwänden gegen Ein· zelaussagen, die zum Inhalt einer Rechtsfolge und zu deren dogmatischen Konstruktion zu treffen waren, überzeugend begegnet werden. Auf die Wiederholung von bereits Gesagtem muß hier somit verzichtet werden. So wünschenswert und notwendig auch eine in die Einzelheiten ge.. hende Darstellung des weiteren materiell-, prozeß- und vollstreckungs.. rechtlichen Schicksals der Leistung Zug um Zug ist, sowenig war dies-· allein schon umfangmäßig - innerhalb dieser Arbeit zu bewerkstelligen, Vor die unausweichliche Alternative gestellt, entweder Lückenhafte! sowohl zu den Grundlagen als auch zur weiteren Behandlung der Leistung Zug um Zug auszuführen, oder aber den Versuch zu unternehmen, weitgehend nur einen in sich geschlossenen Grundstock für die weitere Diskussion der Leistung Zug um Zug zu legen, scheint mir die Entscheidung zugunsten der zweiten Alternative auf der Hand zu liegen. Nicht zu übersehen ist jedoch, daß im Zusammenhang mit dieser "Grundstocklegung" - eum grano salis - Fragen angeschnitten und behandelt wurden, bzw. angeschnitten und behandelt werden mußten, die in die weitere materiell-, prozeß- und vollstreckungsrechtliche Behandlung der Leistung Zug um Zug hineinreichen. Man mag dabei der Auffassung sein, diese weiterführenden Aspekte seien das eine oder andere Mal nicht mit der gebotenen Tiefe betrachtet worden. Die umfassende Darlegung von einzelnen Folgeproblemen der Leistung Zug um Zug war aber wie schon gesagt - auch überhaupt nicht beabsichtigt. Vielmehr sollte

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Schlußbemerkung

dadurch, daß solche Probleme ebenfalls angesprochen wurden, in allererster Linie aufgezeigt werden, in welcher Richtung sich nachfolgende überlegungen - zumindest unter anderem - bewegen sollten und welche Richtung ich selbst für die richtige halte. Nur natürlich ist es, daß sich mit dieser Abhandlung die Hoffnung verbindet, daß durch sie die Diskussion der Leistung Zug um Zug neue Impulse erhält, und daß sie wegführt von den kurzsichtigen Entscheidungen einzelner Fragen anhand einzelner Fälle, und sie statt dessen hilft,den Blick zu öffnen für eine umfassende Beantwortung einzelner Fragenkomplexe, wobei dann auch bestehende Querverbindungen aufgezeigt werden oder aber nachgewiesen wird, weshalb solche Verbindungen trotz äußerlich gleichlautender Rechtsfolge nicht bestehen. Allein auf diese Weise wird sich - wenn auch nur langfristig - eine koinzidente und damit konsistente Dogmatik zur Leistung Zug um Zug bilden.

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