Die Lehnsverfassung in Pommern und ihre Reform [Reprint 2019 ed.] 9783111470733, 9783111103822

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Die Lehnsverfassung in Pommern und ihre Reform [Reprint 2019 ed.]
 9783111470733, 9783111103822

Table of contents :
Ueber die pommersche Lehnsverfassung und die Nothwendigkeit ihrer Reform
Ueber die Nachtheile, welche die Lehensverfaffung in Pommern sowohl für die Lehnguts-befitzer als für ihre Gläubiger hat
Beilage

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Lehnsverfassung in Pommern und

ihre Reform. Bon

Bülow - Cummerow.

Berlin.

Ueber

die pommerfche Lehnsverfaffung und die Nothwendigkeit ihrer Reform. Es gehört wahrlich zu den unerklärlichen Erscheinungen, daß sich in einigen der alten Stammproviuzcn, und namentlich in Alt-Vor- und Hinterpommern, die verrotteten Lehnsverhält­ nisse bis jetzt noch zu erhalten vermocht haben. ES läßt sich diese Erscheinung nur dadurch erklären, daß der Regierung die vielfachen Nachtheile derselben unbekannt geblieben sind, und daß man irrthümlich den wahren RechtSboden verkannt und sich über denselben betrübenden Täuschungen hingegeben hat. Wir werden unsere Abhandlung damit beginnen, dem Leser daS Gutachten eines RechtSgelehrten über die pommrrfche LehnSverfassung und über den Umfang und Werth derjenigen Rechte mitzutheilen, welche den Agnaten aus dieser zustehen. Wir werden demnächst die wesentlichen Veränderungen mit­ theilen, welche der frühere RechtSzustand durch die Gesetzgebung der früheren Regenten erfahren hat, so wie welche Nachtheile eineStheilS die Widersprüche in den einzelnen Bestimmungen, anderntheils die unklare Fassung der LehnSgesetze selbst hervor­ gerufen haben. Hieraus erklärt eS sich denn auch, daß die zu1

2 fällige, häufig wechselnde Ansicht der Richter den Mangel ei­ ne- bestimmten und klaren Gesetze- ergänzen

muß,

worau-

dann wiederum eine Unsicherheit de- Recht-zustande- die Folge ist, die der Chicane Thür und Thor öffnet.

Endlich wer­

den wir die Nachtheile hervorheben, welche au- dem Pseudo« LehnSverbande, wie er in Pommern besteht, mehr oder we­ niger da- Ganze wie den Einzelnen treffen, mend

diese

auf die

Bodencultur

und wie hem­

der Provinz

und

ihren

Wohlstand einwirkt, ohne die alten Familien im Besitz ihrer Güter zu schützen.

Nachdem

wir zugleich

entwickelt haben

werden, wie unverantwortlich eS fein würde, einen so rechts­ widrigen Zustand, wie der jetzige werden wir

ist, fortbestehen zu lassen,

am Schlüsse den jetzigen Stand der Lehn-ver-

fassung, aus dem juridischen Gesichtspunkt betrachtet, schildern und daran Vorschläge knüpfen,

wie im Interesse der dabei

Betheiligten, so wie in dem der LandeScultur eine Ordnung derselben rathsam erscheine. Der Zeitpunkt zu einer wesentlichen Reform möchte wohl um so mehr gekommen sein, als auf dem in diesem Herbste abgehaltenen landschaftliche» General-Landtage von Pommern zu Stettin, welcher sich behusS der Umarbeitung der bisherigen PfandbriefS-Taren versammelt hatte, die Frage nothwendig zur Sprache gebracht werden mußte, welche Tare bei Bepfandbriesung der Lehn-güter angewandt werden sollte. Eine baldige Entscheidung dieser Frage ist um so wichti­ ger, da sie von so wesentlichem Einfluß ans den Credit eines großen Theils der Theilnehmer dieser Institution landschaftliche General-Landtag

ist.

Der

hat daher auch allerhöchsten

Ort- um eine Entscheidung gebeten; hierdurch werden wir um so mehr angefeuert, in dieser Schrift eine möglichst gründliche

3 Uebersicht sowohl der Rechtszustände ju liefern, al- auch der Interessen, welche die ganze Provinz daran hat, daß Verhält­ nisse beseitiget werden, die so nachtheilig aus die Cultur deBodenS einwirken. Die pommerschen Lehen find durchweg fcuda oblata. So wie die Macht der Fürsten in Pommern zunahm, zwangen diese den Adel, seine Güter ihnen als Lehn anzubie­ ten.

Häufig fügte sich letzterer erst, durch die Gewalt der Waf­

fen dazu gezwungen. der von Borck das

So z. B. war das mächtige Geschlecht letzte,

welches

sich erst nach der so­

genannten Schlacht bei LabeS — wo alle waffenfähigen BorckS umkamen—der hohem Gewalt unterworfen. Inzwischen fand von den frühsten Zeiten her die Bestimmung statt, daß die LehnSbesitzer ihre Güter verkaufen und nach

dem vollen Werthe

verschulden konnten, und daß die Handlungen deS Hauptes der Familie für seine Descendenten bindend wären. Welche Unsicherheit in der ganzen pommerschen LehnSverfassung herrscht, wird daS hier folgende kurze Gutachten eine- erfahrenen Juristen über die Bestimmungen der LehnSgtsetzgebung klar nachweisen.

„AuS dem Werke des jetzigen Geheimen OberjustizrathS Zettwach über das pommersche Lehnrecht und auS dem vom

Si. OberlandeSgericht zu Stettin i. I. 1835 auS amtlichen Quellen zusammengestellten Provinzialrecht von Pommern, wel­ ches als

angeblich bestehendes

Recht

den Provinzialständen 1*

4 zur Berathung vorgelegt wurde, geht im Allgemeinen hervor, daß das pommersche Lehnrecht ein Aggregat unzusammenhän­ gender mit einander in vielfachem Widerspruch stehender Vor­ schriften ist.

Die mehrsten darin aufgenommenen Sähe geben

zu Zweifeln und Streitigkeiten Anlaß,

und eS ist daher ge­

kommen, daß daS Gewinnen eines Processe- nach pommerschem Lehnrecht häufig eben so ungewiß ist, als das Gewinnen in der Lotterie. Obgleich

die

von Schweder'schen Anmerkungen

hinterpommerschen Lehnconstitution

lange Zeit

als

zur

Autorität

angenommen wurden, ließ doch schon i. I. 1708 der oberste Gerichtshof sich ein Gutachten ausarbeiten,

nach welchem er

sich in streitigen Lehnssachen zu richten pflegte; lich,

augenschein­

weil aus dem alten Wüste nicht herauszufinden war.

Aber auch dieses Gutachten ist nicht als feste Norm zu be­ trachten, denn spätere Entscheidungen sind mehrmals davon abgewichen.

ES ergingen verschiedene Hofrescripte, deren In­

halt jedoch bei den Urtelssprüchen nicht als unzweifelhaft an­ genommen wurde; die Landstände, welche nach alter Verfas­ sung besage des Berichts

der

pommerfchen Regierung vom

23. Juli 1783 über Abänderung pommerscher Lehnrechte ge­ hört werden mußten,

opponirtcn wesentlich, als ihnen nach

und nach verschiedene Entwürfe zum pommerfchen Lehnrechte vorgelegt wurden.

Die neuere Gesetzgebung, welche theilweise

auch Lehnrechte berührte, vermehrte die vorhandene Verwir­ rung.

Wenn nun sogar das pommersche Lehnrecht ans dem

1 Steil Titel

deS

ersten Theils des Allg. Landrechtö erklärt

wird, so erlangt die Verwirrung kein Ende.

Denn dieser

18te Titel sollte nach dem bekannten Suarez'schen Vortrage Seite 87 Heft 81

der von Kamptz schen Jahrbücher kein

5 bestehendes Recht, sondern nur „rin jus feudale universale im philosophischen Sinne" sein und nur einen Leitfaden für die Berfaffer des künftigen Provinzial-Lehnrechts zur nö­ thigen Bestimmtheit und Vollständigkeit

bilden;

ein

solche-

Provinzial-Lehnrecht fehlt uns aber noch bis jetzt in Pom­ mern.

Der

18te

Titel kann daher zur Erklärung deS pom-

mrrschen LehnrechteS

nie

herangezogen,

sondern dieses muß

aus sich selbst und auS seinen Quellen erklärt werden,

wie

dies in,Bezug auf alle Provinzialgesetze und Statuten schon längst durch Gärtner scharf und schlagend nachgewiesen ist. Da indeß das pommersche Lehngesrtzbuch in Kurzem wohl nicht zu erwarten steht, vielmehr die Hoffnung vielseitig ge­ hegt wird, daß eher das ganze verwitterte und ruinenartige Lehngebäude, welches in keiner Beziehung den jetzigen Zeitverhältnissen mehr entspricht sondern überall widerspricht, zu­ sammenstürzen werde, so wird cS nicht uninteressant' fein, in Kurzem zu untersuchen, welche Rechte die Agnaten auf pom­ mersche Lehne, haben und was diese Rechte, bei Licht besehen, werth seien.

Tenn gewöhnlich werden diese Rechte der Ag­

naten sehr in den Vordergrund geschoben, wenn von Aufhe­ bung oder Veränderung der Lehngesetze gesprochen wird.

Die Rechte der Agnaten auf pommersche Lehne sind ver­ schieden,

je nachdem die Lehne im Lehngange sich befinden

oder durch Veräußerung oder Verpfändung auS

dem Lehn­

gange gebracht waren. Im ersteren Falle, also so lange die Lehne im Lehngange sich befinden, haben die Agnaten

das

Recht, nach Absterben

6 der lehntragenden Linie das Lehn durch Lehnerbfolge zu er­ werben: derjenige Agnat, welcher dem letzten Lehnbesitzer am nächsten in der Linie und im Grade verwandt ist, gelangt zur Lehnerbfolge; will er die Erbschaft nicht annehmen, so folgt derjenige Agnat, welcher außer jenem der nächste war, u. s. w. Dies ist auf dm ersten Blick allerdings ein wesentliches Recht, eS sinkt aber auf nichts zusammen, sobald daS Wesen der pommerschcn Lehne näher betrachtet wird.

Die pommer«

schen Lehne können nämlich vom Lehnbesitzer unbeschränkt ver­ schuldet werden, und sie haften bis aus ihren Vollen Werth für alle Schulden, welche der abgegangene Lehnbesitzer hinter­ läßt, sobald kein Allodialvermögen desselben hinterblieb:

sie

haften für dessen wirkliche Lchnschulden sogar, wenn er auch bedeutendes Allodialvennögen nachließ. Um nicht mehr Schulden berichtigen zu dürfen, als der Werth deS LchneS reicht, hat der Agnat das beneficium taxae.

ES wird nämlich durch eine nach dem Lehngesetze auf­

zunehmende Tare der Ertrag deS LchneS ermittelt, und dieser theils mit fünf theils mit sechs Procent zu Capital gerechnet. Auf Höhe dieser Capitalsumme muß der Agnat die Lchnschuldeu unbedingt, die Allodialschulden aber in Ermangelung eines AllodialnachlasscS übernehmen und berichtigen: er erwirbt also nur daS, was das Lehn mehr als die Tare werth ist.

Tie­

fes Mehr ist aber der Natur der Sache nach ein Nichts, weil die soll.

Tare

den

wirklichen

Werth

des

Lehne-

aussprechen

Dahin ging auch die Absicht deS Gesetzes: eö sollte der

wirkliche Werth dadurch ermittelt werden.

In der That wird

er freilich jetzt dadurch nicht mehr ermittelt, sondern die Tare bleibt hinter dem wiiklichen Werth zurück.

Dies liegt jedoch

bloß in einem Fehler der Gesetzgebung, welche der Zeit nicht

7 gefolgt ist und dadurch jene bestimmt ausgesprochene Abficht de- Gesetze- vereitelt. Den Lrhngesetzrn gemäß wurde näm­ lich eine den dermaligen Zeiten vollkommen entsprechende Tar« ordnung (Abschätzungsmethode) vorgeschrieben: ste befindet fich in a) der vorpommerschen Hofgericht-ordnung v. 18. Octbr. 1672 Th. 3. Tit. 1. §. 19.; b) der hinterpommerschrn Hofgerichtsordnung v. 9. April 1683 Tit. 67. §. 8. c) der hinterpommerschrn Lehnconstitution Tit. 2. §. 5. Tit. 3. tz. 1. Tit. 23. 8. 4.; d) dem Justiz-Reglement v. 16. Ortbr. 1733 §§. 75. 76. und in einigen Rescripten, und befolgt übrigen- den Schwe­ de!'schen Tractat von Anschlagung der Güter, welcher auch in die Tarprincipien der pommerschen Landschaft übergegan­ gen ist. Die Tarordnung ist also zum Theil fast zwei Jahrhun­ derte alt, verändert dadurch das Princip des Lehnrechts und kann mithin augenscheinlich den jetzigen Zeitverhältniffen nicht mehr entsprechen, worüber rS keiner Worte bedarf. Will die Gesetzgebung ihren Fehler, so lange geschlum­ mert zu haben, wieder gut machen, so muß sie eine neue zeit­ gemäße Tarordnung schaffen: dann wird obige Absicht deS GesetzeS nicht mehr vereitelt, sondern erreicht und da- Gesetz selbst also wieder eine Wahrheit werden. ES muß aber auch die thrilweise Capitalisirung zu sechS vom Hundert aufgehoben werden. Sie beruht auf dem al­ ten BIsitationSbescheide vom Jahre 1616 und wurde deshalb beliebt, weil damals in Pommern 6 Thaler vom Hundert als Zinsen überall gegeben

8 wurden.

Bekanntlich

ist

ungesetzlichen erklärt. gebung

sich

nicht

dieser

Zinssatz

längst

für

einen

Folgerecht muß also auch die Gesetz­

der Beibehaltung

eines

ungesetzlichen

Zinssätze- schuldig machen. Muß nach Herstellung des RcchtSzuftandeS der Agnat es sich gefallen lassen, daß das Gut nach seinem wahren, jetzigen Werth durch seinen Vorgänger verschnldet wird, so behält er materiell nichts,

sondern nur die Genugthuung, rin Gut zu

erlangen, welches früher seine Vorsahren besaßen, wogegen er daS große Opfer bringen muß, sein Allodial-Vermögen in ein Lehn zu verwandeln.

Der Gedanke, ein altes Familiengut

wieder in Besitz genommen zu haben, mag sein Angenehmes haben:

aber er allein vermag nicht, die offenbaren Leiden zu

beseitigen, welche mit dem Besitz eines bis auf seinen vollen Werth

verschuldeten Gutes

verbunden

Besitzer hat nicht einen Heller Credit.

sind.

Denn

solcher

Cr mag durch Fleiß

und Anstrengung die Zinsen der Schulden allenfalls erschwin­ gen:

hat er aber nicht sein Allodial-Vermögen zum Ankauf

verwandt und wird ihm ein Capital gekündigt oder tritt nur ein einziges schlechtes Erntejahr ein, so ist er rettungslos ver­ loren.

Selbst das oft beliebte Mittel einer reichen Heirath

fehlt ihm dann,

weil jeder Vater sich bedenken muß,

eine Tochter zu geben,

indem

ihm

das Vermögen der letzteren

jeder Sicherheit entbehrt. Daher wurde von dem bcnesicium taxae so lange, al» die Tare eine Wahrheit war, nach dem Bericht der pommerschen Regierung vom 23. Juli 1783 noch bis zu jener Zeit nie Gebrauch gemacht; und eS wird auch wie­ der so kommen, sobald die Gesetzgebung eine wahre Tarordnung erscheinen läßt.

9 Da nun rrsahrungSmäßig solche Lehnbesitzrr, welche keine Söhne, sondern nur Töchter oder andere Allodialerben haben, in der Regel die Lehne bis aus ihren höchsten Werth ver­ schulden oder au-saugen, um möglichst entweder selbst das Le­ ben zu genießen oder ihren Allodialerben etwas zu hinterlas­ sen; so hat sein nachfolgender Agnat stet» nur auf den Besitz eine- völlig verschuldeten und total ruinirten Gute- zu rech­ nen, zu dessen Wiederinstandbringung ihm da- Gut selbst gar keine Mittel gewährt. Dasselbe

bcneficium

taxac

haben

die

Agnaten

auch

außer dem Falle der Lehnerbfolge dann, wenn dem zur lehn­ tragenden Familie gehörigen Besitzer da- Gut wegen Schul­ den entweder im Concurse oder auch nur im Wege der Cre­ mt ion durch Subhastation gerichtlich verkauft wird. Allein auch hier hat das bcneficium taxac keinen an­ deren als den vorgedachten Werth, sobald nur die Tare nach einer Tarordnung, wie sie sein sollte, aufgenommen wird.

Alle

die oben geschilrerten Nachtheile treten auch hier demjenigen entgegen, welcher auf da- bcneficium anträgt) eS kommt hier sogar noch hinzu, daß durch die Subhastation alle auf dem Gute stehende Hypothekcapitale fällig geworden sind und also in der Regel baar ausgezahlt werden müssen, dadurch folglich die Ausübung de-

beneficii noch lästiger,

schwieriger und

werthloser wird. Da nun die Entwerfung einer richtigeren Tarordnung zur Zeit im Werke ist, so läßt sich erwarten, daß daS beneticium taxac wiederum, wie es bis zum Jahre 1783 wirklich war, außer aller Anwendung kommen werde.

10 Die pommer schm Lehne dürfen bekanntlich von dem Lehn­ besitzer auch an fremde, nicht zur lchntragenden Familie gehö­ rige Personen erblich veräußert oder verpfändet werden. Die­ lst der zweite oben berührte Fall, und eS gestalten sich in die­ sem die Rechte der Agnaten ander-. Ist nämlich der veräußernde Lehnmann mit lehnsähiger DeSccndenz nicht versehen, so ist die unbedingte Veräußerung mir aus die Zeit seine- Leben- als gültig anzunehmen: der nächste Agnat kann nach seinem Tode da- Lehngut zurückfor­ dern, allein er muß ebenfalls die zur Zeit der Veräußerung vorhanden gewesenen Lehnschulden de- Veräußerer-^ ja sogar die Allodialschulden, wenn der Veräußerer kein Allodlalvermögen hatte, bis zur vollen Höhe des LehnwertheS übernehmen. Dies ist eigentlich auch nichts weiter als das benesicium laxac. Ist dagegen der veräußernde Lehnmann mit lehnsähiger DeScenden? versehen, so werden als Rechte der Agnaten ge­ wöhnlich angenommen 1) das Borkaufrecht, welches bei Verlust desselben in Jahr und Tag ausgeübt werden muß, und 2) das RcvocationSrecht, wodurch nach dem Absterben deS Ver­ äußerers und der in die Veräußerung etwa consentirt ha­ benden Agnaten, so wie sämmtlicher lehnsähiger DeScenden; beider derjenige Agnat, welcher mit dem Veräußerer am nächsten verwandt ist, zuerst und dann die entfernteren Agna­ ten das Lehngut zurückfordern können, jedoch dann an den fremden Besitzer deS Gutes, den Preis, für welchen das Gut zuerst au- dem Lehngange veräußert war, nebst allen nothwen­ digen und nützlichen Verbesserungen, unter Abzug der Ver­ schlimmerungen ersetzen muß.

11 Diese- Recht verjährt in 30 Jahren nach dem Absterben der veräußernden und consentirenden Linien. Betrachten wir beide Rechte näher. 1) DaS Vorkaufsrecht wird nur irrthümlich noch als ein Recht der pommerfchen Agnaten aufgeführt, da eS durch daEdict vom 9. Octbr. 1807 unbedingt aufgehoben ist. Diese Behauptung ist zwar noch nicht von allen Gerichtshöfen, jedoch z. B. schon vom ersten Senate des König!. OberlandeögerichtS zu Stettin als richtig anerkannt: sie wird ohne Zweifel bald die allseitige Anerkennung finden. Die Motive des Edictvom 9. Octbr. 1807 ergeben cS mit dürren Worten, daß es Absicht des Gesetzgebers war, durch das Edict das Vorkaufs­ recht der Agnaten unbedingt aufzuheben: deshalb sagt daS Gesetz wörtlich: ein gesetzliche- Vorkaufs- oder Näherrecht soll ferner­ hin nur bei Lehn- - Obereigenchümern, ErbzinSherrn, Erbverpächtern, Miteigenthümern und da eintreten, wo eine mit anderen Grundstücken .vermischte oder von ihr umschlossene Besitzung veräußert wird. Dir Lehnagnaten sind hier auSgelaffcn, obwohl ihre Erwähnung so nahe lag, da des Lehnobereigenthümerö gedacht wurde. Al­ lein es war, wie gesagt, wirkliche Absicht, ihr ehemalige- Vor­ kaufsrecht durch da- Edict aufzuheben, und deshalb wurden sie ausgelassen *). Bevor die Motive' zum Edict bekannt geworden waren, wollte oder konnte man von dieser wohlthätigen Absicht deS

*) Wir verweisen den Leser auf das, waS hierüber weiterhin bei Mittheilung einer (Lircularrersügung fr et Ministeriums der Justiz an die Oberlandesgerichte zu Stettin und (5eSlin gesagt ist.

12 Gesetzes sich nicht überzeugen: man suchte daher das Vorkaufs­ recht der Agnaten, da eS aus den Worten des EdictS nicht herauszufinden war, durch eine Deduction zu rette». Man sagte, die Agnaten sind Miteigenthümer des Lehne-, denn sie nehmen Theil am nutzbaren Eigenthum des Lehn-, welches dem Vasallen zusteht,

folglich sind sie als Miteigenthümer nach dem Edict zum Vor­ kaufsrecht befugt. Allein diese Deduction, welche bei der kla­ ren Absicht deS Gesetzgebers an sich unzuläßig ist, kann auch bei pommerschen Lehnen keine Anwendung finden. Abgesehen nämlich davon, daß selbst das A. L. R. im §. 18. Tit. 18. FH. I. daS Mittheilnahmerecht der Agnaten am nutzbaren Eigenthum des Lehnes für ein ruhendes erklärt, so hat dasjenige Recht, welches der nach Suarez Ausspruch nur philosophirendc, aber nirgends als Gesetz gelten sollende Tit. 18. Th. I. A. L. R. den Agnaten wirklich ertheilen wollte, auch weit mehr im Munde, als das Recht der pommerschen Agnaten. Rach Tit. 18. Th. 1. 21. L. R. 228 soll der Vasall die Substanz des Lehns überhaupt nicht und die Nutzun­ gen nur für seine Benutzzcit eigenmächtig mit Schulden bela­ sten dürfen: nach §. 288 soll kein LIgnat die ohne seine Zu­ ziehung vom Lehnmann über das Gut getroffenen Verfügungen anzuerkennen verpflichtet fein, sondern unentgeltliche Rückgabe des veräußerten LehneS fordern können (§§. 302. 303.), er soll auch unconsentirte Lchnschuldcn in der Regel nicht über­ nehmen dürfen. Hiernach würde der Agnat allerdings we­ sentliche, wenn auch negative Rechte haben, und man könnte

13 dann wohl mit Grund von ihm sagen, er habe ein ruhendeMitrigenthum. Alle- die- ist nach pommerschen Lehnrechten ander-. Der Lehnmann kann hier, sobald er nur lehnfähig beerbt ist, daLehngut für alle Zeit veräußern, so daß der Erwerber wahrer Eigenthümer wird; er kann eS, selbst ohne DeScendenz zu ha» ben, ganz unbeschränkt mit Schulden gültig belasten; ja er könnte e- sogar ganz oder theilweise zerstören. Wo so starke Kennzeichen des Alleineigenthums vorhanden sind, da bleibt kein einziges Kennzeichen de- MiteigenthumS: ein Miteigen­ thum aber, welche- nicht erkennbar ist und keinerlei Wirkung äußern kann, ist kein Mitrigenthum. Die pommerschen Agna­ ten haben vielmehr nur ein Erbrecht und gewisse beneficia, welche zur Erhaltung diese- Erbrechte- dienen sollten. 2) DaS RevocationSrecht erscheint allerdings Von erheb­ licherem Belange, besonder- wenn erwogen wird, daß im Laufe der Jahre da- Geld immer werthloser wird. Bei der Revo­ kation erstattet der Agnat zunächst nur den Kaufpreis, für welchen da- Gut vor Jahren auö der Familie veräußert wurde: er zahlt also jetzt z. B. nur die etwanigen 10,000 Thaler zu­ rück, für welche da- Gut vielleicht vor 100 Jahren veräußert war. Offenbar sind jetzt 10,000 Thaler kaum den vierten Theil von dem werth, was sie vor 100 Jahren werth waren. Hierin liegt ein Vortheil deS Agnaten. Allein das weiß auch jeder Käufer eine- LehnguteS und deshalb sucht er sich vorzusehen. Daher ist eS denn gekom­ men, daß in den mehrsten Fällen bei Verkäufen von Lehngü­ tern die Berkauspreise viel höher in den Eontracten angegeben sind, als sie wirklich gezahlt waren. Der Veräußerer verlor dadurch nichts; der Käufer erlangte höhere Deckung und daS

14 früher bestehende Vorkaufsrecht wurde den Agnaten noch er« fchwert. Oder eS wurde zwar wirklich der geschriebene Preis berichtigt; aber mit Obligationen, welche wenig oder gar kei­ nen Werth hatten. Hiervon etwa- zu erweisen, ist dem re« vocirenden Agnaten fast jederzeit unmöglich: er wird also den geschriebenen Kaufpreis baar zurück zahlen müssen. Er muß aber außerdem auch die Meliorationen vergüten, und diese be­ laufen sich, wenn der fremde Besitzer irgend vorsichtig war, stet- sehr hoch. Gewöhnlich entsteht darüber ein Proceß, wel­ cher auf jegliche Weise verzögerlich, von dem fremden Besitzer geführt wird, weil dieser erst nach wirklicher Erstattung der Meliorationen da- Gut zurückzugeben verpstichtrt ist: und so sehr auch die Beschleunigung der Processe durch die neuere Gesetzgebung herbeigeführt ist, so wird eS doch einem erfahre« mit Eonfulenten gelingen, einzelne Puncte zu verzögern, ad separalum zu bringen und von vorne anzufangen. Gewöhn­ lich ermüdet hierbei die Geduld des revocirenden Agnaten; noch häufiger schwinden aber seine Geldmittel, welche anfäng­ lich vorräthig, oder doch wenigstens in Aussicht waren. Und Geld gebraucht er viel. ES ist schon vorgekommen, daß ein fremder Lehnbesitzer alte Pfandbriefe ablösetc, damit der rrvo« cirende Agnat zur vollen Baarzahlung gezwungen und also die Revocation höchlich erschwert würde. Ueberdies ist eS im­ mer ein Lehngut, welches der Agnat durch die Revocation er­ wirbt: er darf also auf Credit nicht rechnen, weil auf Lehn­ güter Niemand gern Geld ausleihet. So z. B. giebt daKönig!. OberlandcSgericht zu Stettin aus seinen TepositiS jetzt keinen Groschen mehr als Darlehn auf ein Lehngut: andere milde Stiftungen und öffentliche Fonds machen es eben so. Glaubt endlich der revocirende Agnat alle- überwunden zu

15 haben, so ist er oft im Falle, nicht» zu behalten: rin näherer Agnat tritt auf, und er muß da» Lehngut herausgeben, frei­ lich gegen Empfang seiner Auslagen.

Ja rS ist nach dem

Plenarbefchluß deS Königl. Geh. Ober-Tribunals vom 9. Dcbr. 1839 sogar anzunehmen, daß dem revocirenden Agnaten der Einwand,

er sei nicht der nächste zur Lehnfolge berechtigte

Agnat, von dem fremden Lehnbesitzer werde entgegengesetzt wer­ den können. Ein Recht, welche» so schwer auszuüben ist, als das RevocationSrecht, ist also kaum noch als ein Recht anzuseben, selbst dann nicht, wenn eS nicht mit dem Vorkaufsrecht aufgehoben wäre. 3) DaS Bcneficium taxae steht bei erblich veräußerten Lehnen den Agnaten nur dann zu,

wenn sie vom fremden

Lehnbesitzer zur Ausübung aller ihrer Lehnrechte unter Andro­ hung der Präclusion provocirt werden.

Dieses Beneficium

ist jedoch, wie oben gezeigt, werthloS, sobald richtige Tarordnungen vorhanden sind.

Auch kann eS dadurch beseitigt wer­

den, daß der fremde Lrhnbesitzer seine Provokation zurücknimmt. ES bleibt nun noch daS ReluitionSrecht oder Einlösungs­ recht der Agnaten übrig. Solches ist nur bei pfandweise ver­ äußerten Gütern, und zwar nach dem Aussterben der Linien des Verpfänders und deren, welche in die Verpfändung consentrirt haben, zuläßig. Der Einlösende muß die Summe, für welche das Lehn verpfändet war, und dir Verbesserungen nach Abzug der Verschlimmerungen erstatten,

er kann

dessen auch daS beneficium taxae ausüben.

aber

statt

Bei wiederkäuf-

lich veräußerten Gütern gilt fast eben dasselbe. Solche Verpfändungen und wiederkäufliche Veräußerungen geschahen früher großentheils nur bei kleineren Gütern oder GutSpertinencien, z. B. einzelnen Bauerhöfen, und waren ein

16 Mittel, mehr Geld daraus zu lösen, als bei freien Verkäufen zu erlangen war- Tie Erwerber waren gewöhnlich gemeine Landleute, welche als Nichtadelige kein Rittergut eigenthümlich erwerben konnten: den Adligen war der Erwerb solcher klei­ neren Stücke ganz werthloS. Letztere- ist noch jetzt der Fall, und eS wird daher das Reluitionsrecht nur selten zur Aus­ übung kommen. UebrigenS sind mti demselben auch alle die Nachtheile verbunden, welche bei dem Revokationsrechte erwähnt sind, und cS hat mir noch den Vorzug, daß es durch keine Verjährung verloren gehen kann. Sind hiernach die Rechte der Agnaten auf pommersche Lehne so unbedeutend, so kann bei der Frage: ob die Lehne nicht überhaupt aufzuheben seien, aus jene kein sonderliches Gewicht gelegt werden. Deshalb ist denn auch die Aushebung der Lehne von mehrere» Familien, z. B. von Manteuffel und von Dewitz, ohne alle Schwierigkeit ausgeführt worden."

Utbtr

dte Nachtheile, welche die Lehensverfaffung i« Pommer« sowohl für die Leh«g«tSbefitzer als für ihre Gläubiger hat. Aachdem wir in dem vorstehenden Abschnitte die Leser mit dem Gutachten eine- erfahrenen praktischen Juristen über die pommersche Lehn-verfassung, und mit den Veränderungen bekannt gemacht haben, welche diese durch die frühere Gesetz­ gebung und besonder- die de- vorigen König- erfahren hat, treten die Abweichungen deutlich hervor, welche zwischen der pommerschrn und der in der Mark Brandenburg bestehenden stattfinden. Hier sind die Familienlehen nicht wie in Pommern verkäuflich und verschuldbar. In der Mark bedarf der Lehn-träger zu jedem Act, der eine Veränderung in der Substanz de» Lehn- bezweckt, den Consen- der Agnaten, und er kann selbst seinen Descendenten nicht- vergeben; hier ist mithin der LehnSträger eigentlich nur der temporaire Nutznießer. In Vorund Hinterpommern dagegen find, nachdem auch der Lehn-neruS mit dem Landeöherrn ausgelöst ist, nur noch gewisse Familienrechte übrig geblieben, welche aber durch die Wider2

18 sinnigkeit und Dunkelheit der darüber sprechenden Bestimmun­ gen den lehnStragendkN Familien selbst die größten Nachtheile bringen. Als einen der wesentlichsten unter diesen müssen wir die Schwächung des Credits betrachten, welche die LehngutSbesiher dadurch erfahren haben, daß der frühere Rechtsbode», nach welchem der Lehnsempfänger den vollen Werth bezahlen mußte, verlassen ist

und der Werth jetzt durch

wird, die seit

80

eine Tare bestimmt

Jahren jede Grundlage verloren hat und

daher viel zu geringe ausfällt. Nach

den

früheren

Rechtsverhältnissen

steht den

Be-

sitzern von Lehngüteru das Recht zu, ohne ConsenS der Agnaten, daS Lehngut bis auf seinen vollen Werth zu verschulden. Wenn demnächst durch daS Auösterben einer Linie die Lehngüter in eine andere übergingen, so wurden von den dabei interesfirenden Parteien „Sachverständige" ernannt, welche die Güter nach ihrem vollen Werthe abschäßten, und der LehnSnachfolger war dann verpflichtet,

die Befriedigung der Gläubiger und

selbst die Anforderungen der weiblichen Descendenz bis auf Hohe der Tare zu übernehmen. Da diese Taren aber, wie oben gezeigt worden ist,

aus

der zufälligen Ansicht der Taratoren beruheten, so fielen diesel­ ben sehr ungleich auS; daher wandten sich die Lehnöbesitzer an Friedrich II. mit der Bitte, ,Iarprincipien" entwerfen zu lassen, um eine größere Gleichmäßigkeit zu erzielen. Friedrich

beauftragte

Tarpriucipien zu entwerfen.

darauf Schweder,

geeignete

Dieser erfüllte auch seinen Auf­

trag, allein er war verständig genug,

bei Ueberreichung der­

selben ausdrücklich daraus aufmerksam zu machen, daß die nach dem von ihm ausgestellten Princip angefertigten Taren nur so

19 lange den Werth der Grundstücke richtig angeben würden, alsich die Produkte in dem Werthe erhielten, welchen sie damals gehabt hätten;

daß aber, wenn dieser sich änderte,

leicht Rechtsverletzungen Lehnsverfassung

jederzeit

hervorgehen würden, der volle Werth

da

darau-

nach

der

von dem LehnS-

empfängrr gezahlt werden müßte *). Seiner Warnung entgegen hat man die besagten Taren beibehalten, welche jetzt, nachdem die Producte, und mit ihnen die Güter so im Preise gestiegen sind, statt de- vollen Wer­ thes kaum

25

bis 30 pCt. deS Werthes

abschätzen.

Die

Folge hiervon ist, daß nicht allein die Gläubiger eines LehnguteS und die Allodialerben oft um einen großen Theil ihres Vermögens gebracht werden, sondern daß, da der Credit des LehngutSbefiherS, sowohl in erster als folgender Hand,

sich

nach der LehnStare richtet, und diese verhältnißmäßig immer niedriger wird, je höher die Cultur und der Werth der Gü­ ter steigt, sich auch in gleichem Maaße der Credit deS LehnSbesitzrrS vermindert.

Schon in dem Zeitraum bis zum Jahre

1806 zeigte sich diese Beschränkung deö Credits den Lehngütern verderblich.

Der Ackerball war bei den vielen damals

seine Cultur hemmenden Verhältnissen aus der untersten Stufe stehen geblieben, der Ertrag der Güter blieb daher, so groß auch ihr Umfang war, ein sehr geringer.

Es bestand aber

von jeher in Pommern die gleiche Erbthcilung und in Folge davon der Zwang, entweder Schulden zu machen, oder, wenn dies nicht möglich war, die Güter zu zersplittern r*) und zu *) Den Vefev, der sich vollständiger über das pemmersche LehnSwesen zu unterrichten wünscht, verweisen wir auf daS so vollständig und gründlich bearbeitete Buch vom Geh. Ober Jnstizrath Zet twach über die Pommersche -ehnsverfaffung, ans welchem auch obige Angaben theitweise geschöpft sind. •*) Gtf erscheint fast fabelhast, wohin diese Zersplitterung führte.

2*

Der

20 veräußern; dazu kam, daß die Einnahme aus den Gütern wegen ihrer geringen Erträge kaum hinreichte, die Eristenz der Familie zu sichern, mithin nicht daran gedacht werden konnte, von den gemachten Ersparungen bei eintretenden Todesfällen Die Miterben abzufinden.

ES blieb daher oft nur übrig, die

alten Familiengüter zu veräußern.

Tenn wenn einer oder

der andere der Erben eS wagte, die Güter zu übernehmen und dir Geschwister abzufinden, so ward er nur zu oft von seinen Gläubigern so gedrängt, daß er Die Güter demnächst doch frei­ willig oder unfreiwillig verkaufen mußte, und zwar wegen der daran klebenden lästigen Lehnsqualität immer unter ihrem Werthe. Vor dem Jahre 1806 war es daher schon der Fall, daß die alten früher so stark begüterten Familien, in Folge der Bei­ behaltung der unglücklichen Schweder'schen Tare, mehr oder

Besitzer mehrerer Güter bestimmte häusig, wie die Güter unter seine Söhne vertheilt werden sollten. ren alt a,

Da aber die Güter b und c weniger werth wä­

so ward bestimmt, daß die ersteren in dem Gute a noch jeder

einen Bauerhof erhielten, daß ne als Higentlium einzelne Wiesenstücke und Forstcaveln in den Gütern de- andern bekomnlen sollten, dann mit Knoten in den Zweigen bezeichnet wurden.

deren Grenzen

Diese Theilungen

wiederholten sich in der zweiten und folgenden Generation und führten zu der allergrößten Zersplitterung, welche die Grundstücke selbst werthloS machte. Wir selbst besitzen ein Haus, welches früher drei Gutsherren gehörte, welche mehr Meilen aus einander wohnten, als das Haus Hunderte von Thalern werth war. In dem alten von Osten'schen Kreise von Pommern, in welchem wir angesessen sind, war Alles in Communion der sämmtlichen Rittergutsbe­ sitzer des ganzen Kreise-, nicht allein die Aecker, forsten, Wiesen, Weiden, eS war auch das Wild auf den Feldern und im Walde,

Ne Fische im

Wasser, die Vögel unter dem blauen Himmel, mit anderen Worten im ganzen Kreise war Alles gesetzlich in Kommunion, mit Ausnahme dessen, was Gott durch die Halid des Priesters zusammengefügt hatte.

Dies war

sehr patriarchalisch, alle- dieses hat die moderne Gesetzgebung aufgelöset, und selbst die Kreistage auf einer einzeln gelegenen Mahlmühle.

21 weniger ihre Güter verkaufen mußten, und viele Von ihnen völlig verarmten. Durch die Gesetzgebung von 1807 und den folgenden Jahren ward diese Pseudo-LehnSverfassung völlig unhaltbar, und der Nachtheil sowohl für den Einzelnen als für die All­ gemeinheit immer größer. Bis zum Jahre 1807 forderte der Betrieb der Wirthschaft selbst fast kein baareS Geld. Die unterthänigen Bauern und Tagelöhner mußten den herrschaftlichen Acker für die ihnen zur Benutzung übergebenen Grundstücke bebauen; Gespann ward auf den Höfen nicht gehalten; die Handdienste wurden unentgeltlich geleistet. Durch die Gesetzgebung jener Zeit, der Preußen seinen raschen Aufschwung verdankt, wurde die Erbunterthänigkeit und der Dienstzwang aufgehoben, und durch daS Gesetz vom 14. Septbr. 1811, welches die bisherigen Pachtbauern zu Eigen­ thümern erhob, alle Frohndienste abgeschafft, die großen Strekfeit gemeinschaftlicher Hütung getheilt. Bon jetzt an mußten die Gutsbesitzer mit eigenem Zug­ vieh und mit baarrm Gelde ihre Wirthschaften betreiben; zu­ gleich erhielten sie nicht nur daö halbe Bauerland zurück, sondern auch noch in Folge der Gemeinheitstheilung große uncultivirte Strecken von wüst gewerdeneu, früher als Weide benutzten Ländereien. Bon jetzt an forderte der Betrieb der Wirthschaft ein kostspieliges Inventarium, es mußten eine Menge Wirthschaft-gebäude und Tagelöhnerwohnungen ausge­ führt werden. Hierzu gehörten bedeutende Summen baaren Geldes, und zwar um so größere, da die zurückerhaltenen Grund­ stücke, welche ganz außer Cultur waren, in den ersten Jahren nicht den geringsten Ertrag lieferten, mithin auch die Zinsen des Grundcapitals verloren gingen.

22 Woher sollten die Besitzer der Lchngüter oder die Käu­ fer derselben die Capitalien nehmen, die sie so nothwendig ge­ brauchten,

da

sie durch

die Schweder'schen Tarprincipien

creditloS geworden waren,

Tarprincipien, die um so weniger

paßten, da sie nur Dreiselderwirthschasten, elend von Frohnen bestellt, kannten?

Die natürliche Folge davon war, daß eine

große Zahl von Gutsbesitzern in ConcurS gerieth, andere, um doch etwas zu retten, zu jedem Preise verkaufen wollten und mußten.

Hierunter litten aber nicht

allein die Besitzer der

Güter selbst, sondern auch alle GutSbewohner mit, und am meisten die Landeskultur;

denn während der langen Seque­

strationen, welche dadurch herbeigeführt wurden, kamen die Gü­ ter völlig herunter, die Bodenkraft ward verzehrt, die Forsten devastirt und die Gebäude

verfielen.

Schlagender

wie

alle

Ausführungen, daß in der LehnSverfassung selbst der Grund liege, weshalb die Lehnsbesitzer gezwungen worden sind, ihre Güter zu verkaufen, beweiset dies der jetzige Besitzstand. Daß früher in Pommern, mit Ausnahme der lauenburgbütowschen Kreise, alle Rittergüter Lehngüter waren,

ist be­

kannt. In Alt-, Bor- und Hinterpommern beläuft sich die Zahl der Rittergüter nach den uns gewordenen Mittheilungen nmd gerechnet auf 1200, davon abgezogen circa hundert für den lauenburgischen Kreis, bleiben 1100 übrig, von diesen sind ungefähr 600 bereits völlig auS dem Lehn ausgeschieden und von den verbleibenden 500 etwa 100 noch im rechten LehnSgange, und 400 zwar in fremden Händen, jedoch noch nicht vom LehnneruS befreit *).'

’)

Unsere Bemühung, ein ganz specielle- Berzeichniß zu erhalte», ist

23 In dem Osten'schen Kreis, der früher mit einer Ausnahme der Familie gleichen Namens gehörte, Güter,

find nur

die fich im rechten LehnSgange befinden.

noch

zwei

In dem

Borckfchen Kreis, der sehr bedeutend ist, find noch sechs Her« re» von BorckS, welche fich ihren' alten Familienbesitz er­ halten haben; beide Kreise zusammen, welche jetzt den Regenwalder Kreis bilden, zählen

81

Rittergutsbesitzer, von welchen

mithin nur ein Zehntheil ihr Befitzthum im LehnSgange erhal­ ten hat. Im Naugardter Kreis, welcher größtentheils aus Lehen der Dewitz'schen Familie bestand, giebt eS, so viel unS be­ kannt, keine mehr, da jene Familie die Lehen unter sich auf­ gehoben hat. Die Zahl der übriggebliebenen Lehngüter im Randow« schm Kreise von Vorpommern ist auch sehr geringe, und wenn sich daS Gerücht bestätigt, daß die Raminsche Familie von der ihr zustehenden Befugniß Gebrauch machen will, den LrhnSneruS aufzuheben, um ihren großen gemeinschaftlichen Besitz verkaufen zu können **), so würde der Gras von Eickstädt der einzige LehnSträger bleiben. Auch das alte stark begüterte Geschlecht der Manteuffel, welches im Brllgardtschen und Fürstenthumschrn Kreise

INI« zwar nicht geglückt, inzwischen glaube» wir verbürgen zu kbnnen, daß

obige Angaben sehr annähernd find. •) Hier bestätigt fich von Neuem die oben von »n» ausgesprochene An­ ficht, daß wegen des geringen Credits, den die LehngutSbefitzer haben, der Verkauf da» einzige Au-kunst-mittel ist, wenn ei» großer Grundbesitz zwi­ schen viele Interessenten getheilt werden muß.

Di« Theilung in Grund

und Boden ist nicht möglick, nur die Ausgleichung in Capital bleibt übrig. Wie gern würde Einer der Interessenten die schön« Herrschaft Stolzrnburg der Familie erhalten, wen» e« ihm nicht unmeglich gemacht wäre.

24 angesessen ist, hat gleich tem Geschlecht derer von Dewitz durch einen Familienbeschluß den LrhnneruS aufgehoben. Diese Familie und die der von Dewitz haben von sich da» Schick­ sal abwenden wollen, welche» schon so viele andere alte Fa­ milien erfahren haben,

unter den verderblichen Einfluß der

Lehn»verfassung einer völligen Verarmung entgegen zu gehen. Da aber die Gesetzgebung ihnen bi» jetzt nicht die Befugniß eingeräumt hat, die in ihren Händen befindlichen Güter for­ mell allodificiren zu lassen, so ist ihr Realcredit dadurch nicht gebessert, und ihre Güter werden erst Allodium, wenn sie sie an Andere verkaufen*). In anderen Kreisen der Provinz, in welchen sich größere Besitzungen in einer Hand befanden und der Ehesegen gerin­ ger au-siel,

finden wir verhältnißmäßig mehr

lehnstragende

Familien, die sich int Besitz der angestammten Güter erhalten haben; namentlich ist dies im Anclam'schen, Flemmingschen und Stolper Kreise der Fall.

Soll noch ein kleiner Theil derselben

als lebende Bilder de- frühern LehnSwesenS übrig bleiben, so ist

die- nur

durch Umbildung

der Lehen

in Fideicommiffe

möglich. Doch wir sind überzeugt, daß die hier mitgetheilten Facta mehr als alles Andere die Ansicht bestätigen, daß in der LehnSverfassung, wie sie jetzt besteht, der Grund der Verarmung der Familien und die Ursache der Veräußerung ihrer Besitzungen liegt. Wie wenig Werth oft einzelne Glieder der Familie aus

') Auch die« liefert einen Beleg für die reit un« gemachte Behaup­ tung, daß die Regierung, welche bi» jetzt die alten Familien im Beßtz zu erhalten wünscht, durch ihre Maaßregeln die entgegengesetzte Wirkung herverruft.

25 entfernte Lehnsansprüche legen, geht daraus hervor, daß unviele Fälle bekannt sind, in welchen der Lehnsberechtigte für 50 bis 120 Thaler auf fein LehnSrecht selbst bei einem größeren GütercompleruS verzichtet und in die Allodification der Güter gewilligt hat. Ware den

feit

40

Jahren

an den Thron gelangten

Bitten um Herstellung de- Rechtszustandes und um eine Re­ form der LehnSgefehgebung Gehör geschenkt, so würden viele Familien gerettet und nicht viele Millionen Vermögen in den durch die LehnSversaffung herbeigeführten Verwickelungen unter­ gegangen sein. Wie ist eS aber überhaupt denkbar, daß sogenannte LehnSgüter, die der zeitige Besitzer ohne ConsenS seiner Agnaten zu verkaufen und bis zu ihrem vollen Werthe zu verschulden ge­ setzlich befugt ist, den Familien erhalten werden können, da die Besitzer derselben gezwungen sind, Schulden zu machen. Der Name Lehn ist kein Zauberstaab, sondern ein todter Schall, wenn alle Attribute fehlen. Friedrich

der

Große erkannte e- schon sehr wohl,

wie verderblich daS pommersche LehnSwesen auf den Wohlstand der Rittergutsbesitzer, auf die Bodencultur und auf den Flor der Provinz einwirkte;

daher ertheilte er den lehnstragenden

Familien die Befugniß, den LehnSneruS unter sich durch einen Familienbeschluß aufzuheben.

Die ganze Lehnsverfassung selbst

aufzuheben, schien ihm damals eben so wenig an der Zeit, als die Erbunterthänigkeit abzuschaffen. Ganz besonder- erkannte der vorige Monarch da- Be­ dürfniß einer durchgreifenden Reform deS LehnwesenS, nach­ dem er alle anderen gesetzlichen Beschränkungen deS Eigenthums entfernt hatte.

Das Gesetz vom 9. Oktober 1807, aus wel-

26 che- wir weiterhin zurückkommen Werten, ist ein erste- und sehr beteutenteö Zeichen davon, inzwischen nicht da- einzige. Al- im Jahre 1810 dem Monarchen von einer großen Anzahl pommerscher Rittergutsbesitzer eine Bittschrift, „die Um« Wandlung der LehnSverfaffnng betreffend", überreicht worden war und eS besonders hervorgehoben wurde, daß, nachdem alle übrigen gesetzlichen Fesseln, welche bisher der freien Ent­ wickelung der Nation und ihren materiellen Interessen entgegen­ standen, entfernt wären, eine Lehnsverfassung wie die pommersche nicht mehr bestehen könnte, erging vom Etaat-canzler der Be­ scheid,

daß,

sobald

nort

erst einige andere Gesetze erlassen

worden wären, mit welchen sich die Regierung bechäftige, auch die LehnSgesetzgebnng an die Reihe kommen würde. AIS darauf im Jahre 1812 die erste interimistische Na­ tionalversammlung zusammenberufen ward,

befand sich unter

den königlichen Präpositionen auch eine, die allgemeine Aufhebung derLehne betreffend. Der Krieg vomJahre 1813 störte die Bera­ thungen und unterbrach alle eingeleiteten Vorarbeiten, welche aber mit Rücksicht aus Pommern im Jahre 1819 wieder aufgenommen wurden und dahin führten, daß unS persönlich vom Staatscanzler Hardenberg der Auftrag ertheilt ward, landschaftliche Kreis­ tage in der ganzen Provinz zu halten

und

auf diesen die

Ansichten der Rittergutsbesitzer über den eingereichten Plan we­ gen Verwandlung der Güterlehne in Geldlehen auszusprechen, da Se. Majestät zu wissen verlangte, ob die Ansicht der Bitt­ steller von der Majorität der Rittergut-besitzer getheilt würde. Sämmtliche Kreise der Provinz, mit Ausnahme deö Randowschen und Demminschen, die sich einer Meinungsangabe ent« hielte», erklärten sich für den Plan, was den König veranlaßte,

27 ihn an den ersten Provinzial - Landtag zu verweisen, welcher sich aber für incompctent erklärte. Die in der nächstfolgenden Zeit eingetretene Reaction im Princip übte auch auf die so dringend nothwendige Ordnung deS LehnwesenS ihre Macht, inzwischen wurden die Berathun­ gen über die Reform der Lehns-Gesetzgebung von Zeit zu Zeit immer wieder aufgenommen. Jetzt, wo durch die Hochherzigkeit deS Monarchen eine neue Entwicklungs-Periode in allen Beziehungen, und ganz besonder- in den Rechtsverhältnissen in Aussicht steht, und wo sich zugleich immermehr das Bedürfniß herausstellt, nicht hem­ mend den Fortschritten deS Landbaues entgegen zu treten, läßt sich mit Gewißheit erwarten, daß auch dieser faule Fleck in unserer Gesetzgebung und Provinzialverfassung eine Reform erhalten werde. Wie gezeigt worden ist, hat die Lehnsverfassung selbst die alten Familien aus den Besitz ihrer Güter gebracht. Jede Ver­ letzung deS RechtSzustandeS straft sich immer und oft an den­ jenigen, von welchen sie ausgeht; so auch hier. Durch die Beibehaltung der Schwederschen Tarprincipien wurde bei Ausübung des benelicii taxac oft nicht der halbe Werth bezahlt, aber dennoch wenig gewonnen, weil zu­ gleich der Credit, den nur der ganz Reiche entbehren kann, verloren ging. Ein großer Kapitalsverlust war die Folge de» veränderten RechtSzustandeS. Der Wohlstand der Provinz hat sehr bedeutend hierdurch gelitten, viele Personen sind um ihr Vermögen gekommen und di« verwickelten LehilSgesetze haben in der Regel zu einer völligen Devastation der Güter, und Verarmung ihrer unglücklichen Einwohner geführt. Kann eS unter diesen Umständen zweifelhaft bleiben, daß