Die »Lachverständigen« im Mittelalter: Untersuchungen zu Darstellungen und Bewertungen des Lachens in Heiligenviten [1 ed.] 9783412520540, 9783412520526

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Die »Lachverständigen« im Mittelalter: Untersuchungen zu Darstellungen und Bewertungen des Lachens in Heiligenviten [1 ed.]
 9783412520540, 9783412520526

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KIRSTEN DARBY

Die »Lachverständigen« im Mittelalter Untersuchungen zu Darstellungen und Bewertungen des Lachens in Heiligenviten

BEIHEFTE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT KARL ACHAM, BERNHARD JAHN, EVA-BETTINA KREMS, FRANK-LOTHAR KROLL, TOBIAS LEUKER, HELMUT NEUHAUS, NORBERT NUSSBAUM, STEFAN REBENICH HERAUSGEGEBEN VON

KLAUS HERBERS BAND 95

DIE „LACHVERSTÄNDIGEN“ IM MITTELALTER Untersuchung zu Darstellungen und Bewertungen des Lachens in Heiligenviten

von Kirsten Darby

BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der FONTE Stiftung zur Förderung des geisteswissenschaftlichen Nachwuchses.

Von der Fakultät Human- und Gesellschaftswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg genehmigte Dissertation Bibliogra sche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra e; detaillierte bibliogra sche Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. KG Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Karin Darby Korrektorat: Vera M. Schirl Wissenschaftlicher Satz: satz&sonders GmbH, Dülmen

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52054-0

Allen, die mich zum Lachen gebracht haben

Inhalt

1.

Einleitung

1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4

Lachen im Mittelalter – widersprüchliche Befunde . . . . . . Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze Forschungsvorhaben und Untersuchungsgegenstand . . . . . Lachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sakralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

9 10 28 31 33 40 42

2.

„Auf den Schultern von Riesen“ – das Lachen im Altertum . . . . . .

55

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.1.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.6

Griechische Überlieferung . . . Arten des Lachens . . . . . . . . . Motive des Lachens . . . . . . . . Akteure des Lachens . . . . . . . Römische Überlieferung . . . . . Arten des Lachens . . . . . . . . . Motive des Lachens . . . . . . . . Akteure des Lachens . . . . . . . Alttestamentliche Überlieferung Arten und Motive des Lachens . Akteure des Lachens . . . . . . . Neutestamentliche Überlieferung Arten und Motive des Lachens . Akteure des Lachens . . . . . . . Frühchristliche Überlieferung . Arten des Lachens . . . . . . . . . Motive des Lachens . . . . . . . . Akteure des Lachens . . . . . . . Zwischenresümee . . . . . . . . .

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55 55 56 60 68 68 69 70 74 74 75 87 87 89 91 91 94 98 106

3.

„Er muoz gelîchesame die leiter abewerfen, sô er an ir ufgestigen“ – Das Lachen im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111

Arten des Lachens Nicht-Lachen . . . Gemäßigtes Lachen Lachen . . . . . . .

111 115 128 143

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3

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9

8

3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.3 3.3.1

Inhalt

3.3.9 3.4

Ausmaß in Körper und Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lachen und Weinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslachen / Verlachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lachen und andere Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenresümee und Bezüge zu Körperlichkeit und Habitus . Motive des Lachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstände des Lachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literarische und situative Kontexte des Lachens . . . . . . . . . . Soziale Konstellationen des Lachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orte und Zeiten des Lachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen und Bewertungen des Lachens . . . . . . . . . . . . . Zwischenresümee und Bezüge zu Emotion und sozialer Praxis . Akteure des Lachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfasser und Adressaten – Abstufungen des Gestaltungs- und Interpretationsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geistliche und Laien – mehr als kirchenrechtliche Unterschiede Laien im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geistliche im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordensgeistliche im Speziellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Machthaber und Unterlegene – politische und soziale Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akteure der Kirchenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akteure der Adelshierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volk und Eliten, Ungebildete und Gebildete – Stand und Bildung als sozio-kulturelle Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . Heilige und Unselige – graduelle und ontologische Unterschiede Junge und Alte – Altersunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frauen und Männer – gender-Unterschiede . . . . . . . . . . . . . Gläubige und Ungläubige – inner- und außerchristliche Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenresümee und Bezüge zu Subjektivierung und gender . Am Anfang stand ein Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.

Schlussbemerkungen

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348

4.1 4.2

Abschied von alten Paradigmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

348 355

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363

Quellen- und Literaturverzeichnis

............................

364

..............................................

398

3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.4 3.3.8 3.3.5 3.3.6 3.3.7

Register

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146 157 161 164 173 181 184 194 206 215 233 246 255

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256 262 262 268 281

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287 293 299

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311 317 322 328

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335 339 345

1. Einleitung „Aus diesem Buch aber könnten verderbte Köpfe wie deiner den äußersten Schluß ziehen, daß im Lachen die höchste Vollendung des Menschen liege!“ 1

1.1 Lachen im Mittelalter – widersprüchliche Befunde Häu g lachte er so stark, dass sein ganzer Körper davon dermaßen erschüttert und ermüdet wurde, als ob seine Innereien zerfetzt würden. 2

Diese Aussage aus dem 13. Jahrhundert scheint bis auf das drastische Bild nichts Erstaunliches in sich zu bergen. Die vorliegende Beschreibung eines Lachenden bezog sich jedoch nicht auf irgendeine gewöhnliche Person, sondern auf den seliggesprochenen Arnulf von Villers. Als Laienbruder orientierte sich dieser an derselben Regel wie der Verfasser dieses Zitats, Goswin von Bossut, Kantor des Zisterzienserklosters von Villers. Beide, seliggesprochener Laienbruder wie auch Hagiograph, unterlagen derselben Klosterregel, die in zentralen Kapiteln über die Stufen der Demut auch die Reglementierung des Lachens thematisiert: Auf der zehnten Stufe der Demut steht, wer nicht leicht und über alles lacht; weil geschrieben steht: DER TOR LACHT MIT LAUTER STIMME. Auf der elften Stufe der Demut spricht der Mönch, wenn er redet, ruhig und ohne Gelächter, bescheiden und ernst [. . . ] 3

Die Quellenbelege derart zusammengeführt verdeutlichen die Widersprüchlichkeit des Aussagengehalts: Hier schrieb ein Mönch nicht nur über das von der Klosterordnung abweichende Verhalten eines anderen, sondern über das eines Seliggesprochenen, der ihm und seinesgleichen zum Vorbild diente. Unvereinbar scheint diese Darstellung mit der eines Seligen oder Heiligen, der die Norm übertreffen, nicht sie unterwandern soll. 1 Eco, Umberto: Der Name der Rose, 1982, S. 604. Dieser Ausspruch über das zweite Buch der Poetik des Aristoteles stammt von der Roman gur des Bibliothekars aus „Der Name der Rose“, Jorge von Burgos, und wendet sich an die Haupt gur William von Baskerville. 2 „Sæpius etiam, ex vehementia risus, in tantum concussus corporaliter fatigabatur, ut viscera ejus interius dissecari sibi viderentur.“ AS, Jun. V, Dies 30, B. Arnulfus, conversus ord. Cist. Villarii in Belgio, Vita auctore Goswino, Cantore Villariensi, coævo ac familiari, lib. II, cap. III, cap. VII, pag. 621C, 22. Vgl. hierzu auch Goswin 〈von Bossut〉, S. 167. 3 „Decimus humilitatis gradus est, si non sit facilis ac promptus in risu, quia scriptum est: Stultus in risu exaltat vocem suam. Undecimus humilitatis gradus est, si, cum loquitur monachus, leniter et sine risu, humiliter cum gravitate“, Benedictus 〈de Nursia〉: Regula monachorum, S. 118 für die dt., S. 111 für die lat. Version.

10

Einleitung

Das genannte Beispiel ist kein Einzelfall. Heiligenviten, die im Mittelalter verwendet und verfasst wurden, enthalten vielfältige Darstellungen des Lachens von Heiligen. Zwar unterstand nicht jeder Hagiograph einer Klosterregel, vermutlich ergab sich dennoch stets derselbe Widerspruch. Wie ist dieses Paradoxon der sich an einem strengeren Ideal orientierenden Vitenverfasser und einer diesem Ideal zuwiderlaufenden Darstellung von Heiligen zu erklären? Das knapp skizzierte Problem der Unvereinbarkeit ist bislang von der Forschung nicht in dieser Deutlichkeit formuliert worden, sondern im Gegenteil in seinen Konturen entweder verwischt oder durch andere Grenzziehungen überzeichnet worden. Die Vielfalt des Lachens wurde eher in bipolaren Rastern erfasst als in Spektren verschiedenster Nuancen, die Motive wurden im Machtgefüge von Kultur und Gegenkultur angesiedelt und die Akteure in Herrschende und (Un-)Beherrschte aufgeteilt. Es stellt sich daher die Frage, ob die Wahrnehmung der Kontraste bezüglich des Lachens nicht zu einem großen Teil auch in der Rezeption des Mittelalters begründet liegt. Es gibt etliche Auseinandersetzungen mit diesem Thema, die an lebensweltliche Kenntnisse anknüpfend Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ ins Feld führen. Darin werden die vermeintlich stereotypen Positionen in der Frage des Lachens eindrücklich veranschaulicht in der polarisierten und polarisierenden Diskussion zwischen dem „starrsichtigen“ Bibliothekar und dem Detektiv in Mönchskutte, „dem in vielerlei Hinsicht den Aufbruch in die Neuzeit verkörpernden Empiriker.“ 4 Aber auch die Fachwelt hat nicht davor zurückgeschreckt, verkürzt von einem regelrechten Lachverbot im Mittelalter zu sprechen. Sollte es also nur eine vereinfachende Sichtweise, eine mangelnde Gründlichkeit beim Blick in den „fernen Spiegel“ sein, die den oben beschriebenen Widerspruch überhaupt erst entstehen lässt? Die folgende Analyse wird sowohl eine Neuerschließung der bislang für das Thema des Lachens wenig berücksichtigten Quellengattung der Heiligenviten als auch eine Neubewertung bereits vielfach untersuchter Textbelege anstrengen. Der in den Blick genommene Forschungsgegenstand des Lachens oszilliert zwischen Lebenswelt und Vertextlichung, zwischen Normen und Praktiken, die sich wie Sedimente in unterschiedlichem Grad in schriftlichen Belegen niedergeschlagen haben.

1.2 Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze „Für das Lachen ist [. . . ] keine Wissenschaft zuständig [. . . ]“ 5

Allein die Geschichte der Auseinandersetzung mit dem Lachen könnte ein eigenständiger Forschungsgegenstand sein, da die Beschäftigung mit dem Lachen weit in die 4 Stauder, Thomas: Gespräche mit Umberto Eco, 2004, S. 17. 5 Kamper, Dietmar / Wulf, Christoph: Der unerschöpfliche Ausdruck. Einleitende Gedanken, 1986, S. 9.

Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze

11

Geschichte zurückreicht: Bereits Platon, Aristoteles und Cicero äußerten sich dazu in ihren philosophischen Schriften. Ihre Aussagen beein ussten nicht nur die mittelalterlichen Autoren und die Poetiker der Renaissance, 6 sondern auch die folgenden Generationen von Wissenschaftlern. Während sich die italienischen Humanisten kaum von den Vorlagen des Aristoteles lösten, entwarfen französische Moralisten, 7 Theoretiker des englischen Humors 8 und deutsche Philosophen 9 zunehmend eigenständige und differenzierte Theorien. 10 Die Aufzählung allein der Namen aller Personen, die etwas über das Lachen gesagt haben, könnte Seiten füllen. 11 Häu g geht es um das Verhältnis von Körper und Geist, viel mehr noch um die wechselseitige Beherrschung, welche bereits seit der Antike im Mittelpunkt des Interesses steht. Es ließe sich regelrecht eine Geschichte der Körperbeherrschung schreiben, die nicht zuletzt auch das Lachen betrifft. Untersuchungen des Lachens in der Geschichte und der Geschichtlichkeit des Lachens sind hingegen weitaus weniger Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen. Gleiches gilt für die Historizität der Aussagen über das Lachen. Die theoretischen Überlegungen sind nämlich ihrerseits stark von der jeweiligen Zeit geprägt. Die enge Verbindung zwischen den „klassischen Lachtheorien“ mit gesellschaftlichen Entwicklungen hat zum Beispiel Elias anhand von Hobbes, Hutcheson, Kant und Bergson herausgestellt, jedoch blieben seine Ausführungen unveröffentlicht. 12 Bereits anhand der Anfänge der analytischen Beschäftigung mit dem Lachen zu Zeiten der Aufklärung lassen sich Kontinuitäten und Diskontinuitäten ausmachen. So wurden bis in die Antike zurückreichende Positionen perpetuiert und jeweils mit Gedankengut vermischt, welches zum Teil ganz deutlich von spezi schen Zeitströmungen zum jeweiligen Abfassungszeitpunkt eingefärbt ist. Lachtheorien sagen demnach neben der historischen 6 Hier wären Namen wie Maggi, Viperano, Vittore Fausto, Giovanni Giorgio Trissino, Giason Denores, Bernardo Pino da Cagli u. a. zu nennen. 7 Darunter fallen La Bruyère, Saint-Evremond, Chamfort, Duclos, La Rochefoucauld, de Bellegarde, in späterer Zeit dann unter anderem A. Gérard, Fontanelle und Bergson. 8 Neben Hobbes und Shaftesbury haben sich noch Monboddo, C. Morris, J. Beattie, F. Hutcheson hervorgetan. 9 Hierzu zählen Gottsched, Schlegel, Lessing und Hegel. Zudem haben sich auch Goethe, F. J. Riedel, Jean Paul, Schopenhauer und Nietzsche zum Thema geäußert. 10 Vgl. hierzu und zur Auflistung obiger Verfasser Hügli, A[nton]: Lächerliche (das), 1980, Sp.2. 11 Seibt differenziert hier, dass über das Lächerliche und das Komische „in drei Jahrhunderten Neuzeit [. . . ] ganze Kohorten von Philosophen, Ästhetikern, Theologen, Literaten, Weltleuten [. . . ] nachgedacht [haben]. Nur das Lachen kam kaum in den Blick – er blieb xiert auf seine Auslöser, für die immer allgemeinere Formeln gefunden wurden.“ Seibt, Gustav: Der Einspruch des Körpers. Philosophien des Lachens von Platon bis Plessner – und zurück, 2002, S. 760. 12 Es kam nicht zur Fertigstellung und somit auch nicht zur Veröffentlichung seiner diesbezüglichen Schrift. Vgl. daher Schörle, Eckart: Die Verhöflichung des Lachens. Anmerkungen zu Norbert Elias' Essay on Laughter, 2005, S. 238–240.

12

Einleitung

Dimension der körperlichen Äußerung 13 auch etwas über die Gesellschaft einer Epoche und das spezi sche Reden über das Lachen und wie es verstanden wird aus. 14 Allzu häu g sind diese geschichtlichen Kontexte bei der Anwendung älterer Theorien zum Lachen außer Acht gelassen worden, wodurch etliche Aussagen unkritisch zu Paradigmen stilisiert und auf andere Epochen übertragen wurden. Daraus ergibt sich teilweise eine eingeschränkte Übertragbarkeit und Verwendbarkeit von bestehenden Theorien auf die vorliegenden Fragestellungen. Einen Gesamtentwurf und zugleich ein Entwicklungsmodell hat Elias grundsätzlich in seinem Werk über den Prozess der Zivilisation geliefert, speziell aber auch in der bereits erwähnten unveröffentlichten Schrift, einem Essay über das Lachen. 15 Die Vorstellungen von Elias sollen hier knapp skizziert werden, da sie trotz kontroverser Diskussionen vielfach noch einen expliziten Ausgangspunkt weiterführender Überlegungen bilden oder implizit in diesen mitschwingen. In seinem Modell vom Zivilisationsprozess geht es um die Vorstellung einer zunehmenden Kontrolle der eigenen Körperbewegungen in der sozialen Interaktion. 16 In Analogie zu seinen Vorstellungen eines Zivilisationsprozesses habe sich eine Entwicklung der biologischen Differenzierung vollzogen, die dem Menschen das Lachen durch die Mimik ermöglichte, gefolgt von einer sozialen Differenzierung, die mit dem erweiterten Zeichensystem eine kom-

13 In diese Richtung zielen zum Beispiel Elias und Huizinga. 14 Vgl. Schörle, S. 238–240. 15 Elias' Aufsatz über das Lachen ist von ihm auf einem zugehörigen Titelblatt auf den 15. Dezember 1956 datiert. In späteren Jahren hat er nochmals darauf Bezug genommen, so in den Jahren 1984, 1987 und 1989/91. Er hat sich somit über vierzig Jahre immer wieder mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Vgl. hierzu Schröter, Michael: Wer lacht, kann nicht beißen. Ein unveröffentlichter ‚Essay on Laughter` von Norbert Elias, 2002, S. 860 u. 873. Die Überarbeitungen zeigen die Schwierigkeiten, das Thema in den Griff zu bekommen. Es ist nie zu einer Veröffentlichung des Aufsatzes gekommen. „Der Umfang, zu dem die Studie über das Lachen [. . . ] heranzuwachsen drohte, wird ein Hauptgrund dafür gewesen sein, daß sie am Ende unfertig liegenblieb.“ Schröter, S. 861 16 Psycho- und Soziogenese bedingen einander, zunehmende Abhängigkeiten innerhalb der Gesellschaft erfordern eine größere Zurückhaltung von spontanen emotionalen Impulsen und ein verzögertes, re ektiertes Handeln, welches die reziproken Wirkungen zu überdenken ermöglicht. Kritik an Elias bezieht sich unter anderem auf die Verkennung von höheren Hemmschwellen im Mittelalter oder bei Naturvölkern und einer Gleichsetzung mit Unzivilisiertheit. Seinen Überlegungen zum Lachen ist zugutezuhalten, dass er einem Vergleich mit Menschenaffen oder sogenannten primitiven Kulturen skeptisch gegenübersteht. Vgl. dazu Schörle, S. 235. Im Hinblick auf das Lachen hat Elias sich besonders mit den evolutionären Aspekten auseinandergesetzt und ist nicht mehr zur Beantwortung einer seiner Kernfragen, nämlich der nach der Grundfunktion des Lachens, vorgedrungen. Im Zusammenhang der Annahme einer Urform des Lachens geht Elias auch von einer Urfunktion des Lachens aus, die er auf der biologischen Ebene sucht.

Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze

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plexere Kommunikation zur Folge hatte. 17 Im Unterschied zum Zivilisierungsmodell ging es Elias bei den Untersuchungen zum Lachen weniger um „den Aufbau bestimmter Selbstzwangapparaturen bei Menschen dieser oder jener Gesellschaft in einem historisch begrenzten Zeitraum“, sondern mehr um „das Potential zur Errichtung von Selbstzwängen als Teil natürlicher Mitgift des Menschen und als eine Voraussetzung ihres Zusammenlebens in Gruppen.“ 18 Insofern Elias von dichotomischen Modellen Abstand nimmt und auf komplexe Strukturen verweist, die stark ineinandergreifen und einander fortdauernd bedingen, kann ihm gefolgt werden. Aber seine Vorstellungen von Schüben in Richtung einer größeren Affektkontrolle und Selbstdistanzierung sowie von ungezwungenen Manieren und einfachen, naiven Verhaltensweisen im Mittelalter sind im vorliegenden Kontext als Prämissen eher hinderlich. 19 Weniger ein Gesamtentwurf als vielmehr ein Theorem ist das Verständnis des Lachens als anthropologische Konstante, welches sich vielfach als Schlagwort in Ausführungen zum Thema ndet. Selten wird die zugrundeliegende Theorie expliziert, sondern ein Verständnis darunter subsumiert von einer körperlichen Äußerung, die allen Menschen in allen Kulturen zu allen Zeiten gemein ist. Vielfach scheint es keinen Widerspruch darzustellen, dass die anthropologische Konstante 20 des Lachens 17 Die Absicht, „von der elementaren Matrix zu den vielgestaltigen Formen des Lachens in verschiedenen sozialen Gruppen und bei verschiedenen Individuen fortzuschreiten“, hat Elias fallen gelassen, vielleicht auch fallen lassen müssen ob der ungeheuren Menge an Material. Elias hat einen Paradigmenwechsel angestrengt, nämlich ein Abrücken von der Vorstellung, Lachen sei Resultat oder Ausdruck einer Veränderung im Inneren des Menschen und der Suche nach dem auslösenden äußeren Reiz als dessen Ursache. Elias war vielmehr interessiert an „Gefühls- und Körperveränderungen [als] zusammenhängende Manifestationen ein und desselben Vorgangs [. . . ], der den Organismus in eine bestimmte Handlungsbereitschaft, einen Betriebsmodus versetzt.“ Schörle, S. 237 f, 867 u. 865. 18 Schröter, S. 873. 19 Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 1981, S. LVIII, 142, 79, 82, 91 u, 277. Liberman vergleicht sogar die Genese des Lachens bei Kindern mit der Entwicklung des Lachens in der Geschichte und setzt die Zeit des Mittelalters mit kindlichen Stadien gleich und vermengt dabei selbst trotz seines eigenen dahingehenden Appells Lachen und Humor. Vgl. Liberman, Anatoly: In prayer and laughter. Essays on Medieval Scandinavian and Germanic mythology, literature, and culture, 2016, S. 427 f. 20 „Die Vorentscheidung für eine historische Betrachtungsweise [des Lachens] schließt nicht aus, daß immer wieder nach möglichen anthropologischen Konstanten zurückgefragt wird, die den kultur- und periodenspezi schen Erscheinungen des Lachens zugrunde liegen.“ Fietz, Lothar: Einleitung, 1996, S. 3. „But these varieties of laughter appear to exist side by side in each period of human history, seem to be an unchanging element of human nature rather than one of changing speci c cultural situations, and even less so do they seem to fall into any historical pattern or developmental trajectory.“ P ster, Manfred: Introduction. A History of English laughter?, 2002, S. V. „Humor – das heißt: die Fähigkeit, etwas als komisch wahrzunehmen, ist universell“. Berger, Peter L.: Erlösendes Lachen. Das Komische in der

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Einleitung

zugleich eine kulturell geprägte Äußerung sein soll. Als bloße körperliche Äußerung sei das Lachen eindeutig identi zierbar, 21 nur eben nicht in identischer Weise deutbar. Die Hypothese der Kontinuität wird bemüht, um eine gewisse Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Das Verständnis des Lachens als kulturelles Phänomen 22 öffnet hingegen nicht nur den Blick für ein großes Spektrum an beein ussenden Faktoren, sondern auch für einen Wandel innerhalb einer veränderlichen Kultur. Neben der Schwierigkeit einer kohärenten Zusammenführung der vielzähligen hochspezialisierten Forschungsergebnisse besteht eine weitere Problematik der Synthesenbildung in der mangelnden Unterscheidung zwischen Lachen und Humor. 23 Daran vermag auch der häu g eingeschlagene Weg der Annäherung über die Begriffsgeschichte nichts zu ändern. 24 Faktisch werden die Termini vielfach synonym verwendet. 25 Neben Untersuchungen zum Lachen und zu Humor gibt es weitere, die sich

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23

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25

menschlichen Erfahrung, 1998, S. X. Neben anderen setzt sich Zychli´nska mit dem Lachen in Vor- und Frühgeschichte auseinander und verweist dabei auf Forschungen, die die evolutionäre Herkunft des Lachens zeitlich verorten wollen, „traced back to at least 16 million years ago, to the last common ancestor of humans and apes.“ Zychlinska, ´ Justyna: Faces of laughter in prehistory, 2016, S. 4. Vgl. Mayer-List, Irene: Lachen, 1997, S. 18. „If there is, therefore, a ‚history of laughter`, it can only be the history of social discourses, representations, performances and practices through which such cultural processing of laughter is effectuated. The history of laughter is the history of the – often con icting – norms circumscribing, and giving a social shape to, the anthropological impulse of laughter in a particular society.“ P ster: Introduction, S. V. Vgl. auch Fichte, Joerg O.: Ergebnisprotokoll der Sektion „Mittelalter“, 1996, S. 117. Zu dieser Feststellung kommt Liberman in jüngster Zeit noch, vgl. Liberman, S. 408. Die synonyme Verwendung von Lachen für Komik und Humor hat seinerseits bereits Tradition, die bis zu Bergson und Ritter zurückreicht. Vgl. Velten, Hans Rudolf: Poetik des Lachens? – zur gegenwärtigen Lach- und Komikforschung in der germanistischen Mediävistik, 2014, S. 440. Es mutet merkwürdig an, dass die im Zusammenhang eines begriffsgeschichtlichen Zugangs angestellten Überlegungen nicht zu einer feineren Unterscheidung führen. Interessante Überlegungen zur Begriffsgeschichte bei Bremmer, Jan / Roodenburg, Herman: Humor und Geschichte. Eine Einführung, 1999, S. 9 f. Dies lässt sich anhand vieler Aufsatztitel in unter einem der beiden Oberbegriffe veröffentlichten Sammelbände leicht veranschaulichen. In dem Sammelband „Kulturgeschichte des Humors“ nden sich Aufsätze wie „Witze, Spaßmacher und Witzbücher der antiken griechischen Kultur“, „Cicero, Plautus und das römische Lachen“, „Lachen im Mittelalter“, „Bachtin und seine Theorie des Karnevals“, „Grenzen des Komischen im frühneuzeitlichen Italien“ und so weiter. Vgl. Bremmer / Roodenburg, S. 5 f. Einer der wenigen, der die problematische Annahme der Übereinstimmung von Lachen und Humor herausgestellt hat, ist Attardo: „The assumption behind this identi cation of humor and laughter is that what makes people laugh is humorous, and hence the property is incorrectly seen as symmetrical – what is funny makes you laugh and what makes you laugh is funny. This leads to the identi cation of a mental phenomenon (humor) with a complex neurophysiological manifestation (laughter).“ Attardo hat darauf hingewiesen, dass selbst so namhafte Forscher wie Bergson und Freud die beiden Be-

Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze

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mit benachbarten Begriffen und Themengebieten befassen. Exemplarisch sei hier die Beschäftigung mit der „Heiterkeit“ genannt, da sich deren Untersuchung enger fassen lässt und damit eine gute Vorlage für eine begriffliche Präzisierung bei der Untersuchung des Lachens liefert. 26 Ein begrifflicher Zugang über das Wort Lachen liegt für althochdeutsche und frühmittelhochdeutsche Literatur, Belege verschiedenster Epik, Minnesang, lehrhafte Dichtung und spätmittelalterliches beziehungsweise frühneuhochdeutsches Schrifttum von Kremer vor. Seine Untersuchung 27 liefert im Anschluss an eine Darbietung und Aufschließung des Textmaterials eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Begriffen des Lachens in der alt- und mittelhochdeutschen Sprache sowie mit Lachen und Lächeln im Kontext der entsprechenden Literatur. Für das Lachen in der lateinischen Sprache und Schriften fehlt eine vergleichbare spezi sche und umfassende Studie. Curtius hat eine beachtliche Zusammenstellung von Belegstellen zu Scherz und Ernst in mittelalterlicher Literatur geleistet in einem seiner Kapitel zur europäischen Literatur und dem lateinischem Mittelalter. 28 Möglicherweise hat die Vermengung von Scherz, Lachen, Komik, Humor und Ridicula 29 hier ihren Anfang genommen, die allesamt seitdem kaum trennscharf geschieden oder gar problematisiert worden sind. Obwohl die Geschichtswissenschaft neben den beispielhaft genannten philologischen und literaturwissenschaftlichen Zugängen einen wesentlichen Beitrag zum Thema zu leisten vermag, erfolgte in ihrem Rahmen lange Zeit keine Auseinandersetzung mit den Themen Lachen oder Humor. Beides avancierte erst im Zuge der Zuwendung zu Mentalitäts-, Körper- und Emotionsgeschichte zu einem eigenen Forschungsgegenstand. Die bis dahin überwiegend literaturwissenschaftlichen Spezialuntersuchungen gerieten seitens der Historiker in die Kritik, in einer zu starken thematischen Engführung zu stehen. 30 Eine Erweiterung des Quellenkorpus wurde daher

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griffe des Lachens und des Humors nicht voneinander unterschieden haben. Vgl. Attardo, Salvatore: Linguistic Theories of Humor, 1994, S. 10. Vgl. dazu besonders die Einführung in die Geschichte des Begriffs der Heiterkeit, seine Erforschung und Heiterkeitskonzeptionen in Kiedaisch, Petra / Bär, Jochen A.: Heiterkeitskonzeptionen in der europäischen Literatur und Philosophie. Einführung in die Geschichte eines Begriffs und seine Erforschung, 1997, S. 7–28, vor allem S. 7–9, 16–19, 24 f u. 27. Es handelt sich dabei um eine Dissertation von Kremer mit dem Titel „Das Lachen in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters“. Curtius, Ernst Robert: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 1978, S. 419–434. Gemeint sind absurde, alberne, lächerliche, lachhafte, lustige, komische, amüsante Dinge. „Historische Untersuchungen zum Humor sind von Literaturhistorikern geschrieben worden, die dazu neigen, sich auf Probleme der Gattung und der literarischen Tradition oder auf den Typus und das Leitmotiv zu konzentrieren.“ Bremmer / Roodenburg, S. 7. „Bisher wurde die Diskussion des Phänomens des Lachens in den Literaturwissenschaften einerseits stark gattungsbezogen geführt, [. . . ] andererseits war sie stark theoriebezogen [. . . ]. Das hat insgesamt zu Übergeneralisierungen und damit zu einer Vernachlässigung der historischen und kulturspezi schen Dimensionen des Untersuchungsgegenstandes geführt.“ Fietz, S. 1.

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mehrfach gefordert 31 und inzwischen durch viele geschichtswissenschaftliche Aufsätze auch geliefert. Die Auseinandersetzung mit dem Lachen durch Historiker bewirkte insgesamt eine stärkere Verortung des Lachens in den jeweiligen sozialen, politischen, theologischen, philosophischen und psychologischen Kontexten des Phänomens. 32 Neben der Bezugnahme auf breitgefächerte Textgattungen erfolgt durch die historische Perspektive auch eine Einordnung der Lachpraktiken in zeitliche Dimensionen, in kürzere oder auch längere Zeitspannen. Je nach gewähltem Zeitabschnitt ergeben sich insofern unterschiedliche Untersuchungsresultate, als die Aussagen sich entweder auf kurzfristige Unterschiede und Transformationen oder auf langfristige Prozesse beziehen. 33 Von den bislang vorliegenden Sammelbänden, in denen die vorhandenen Einzelstudien zusammengeführt sind, einen größeren Geschichtsentwurf jenseits der Summe aller Teilergebnisse hinaus zu erwarten, würde den häu g auch interdisziplinär angelegten Projekten nicht gerecht. In ihren allgemeineren Herangehensweisen sind die Arbeiten von Bachtin, Le Goff und Suchomski wegweisend für die Forschung geworden. 34 Für die Mediävistik 35 stellt 31 „Bis jetzt hat sich die Aufmerksamkeit der Gelehrten üblicherweise auf literarische Werke oder Geschichten aus dem Volk konzentriert. Typische Beispiele hierfür sind Untersuchungen zum Humor bei Shakespeare oder zu den Schwankbüchern der frühen Neuzeit. Die interessanteren dieser Studien versuchen, die Inhalte der humoristischen Texte mit besonderen literarischen Traditionen oder mit einem bestimmten Typ oder Motiv in Verbindung zu bringen, wie man es in den Motivregistern nden kann, die von den Ethnologen oder Literaturhistorikern angefertigt worden sind.“ Bremmer/ Roodenburg, S. 11. 32 Im Sammelband von Bremmer / Roodenburg „Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute“ werden Humor, Witz, Lachen, Karneval, das Komische, Schwankbücher, Scherz, Heiterkeit für verschiedene geographische Räume und Epochen in den Blick genommen. In dem Sammelband von P ster „A History of English Laughter“ wird Bezug genommen auf literarische Werke unterschiedlicher Epochen der englischen Geschichte, von angelsächsischer und altnordischer Literatur bis hin zu Beckett. Schließlich der Sammelband von Halsall „Humour, history and politics in late antiquity and the early Middle Ages“, der, wie aus dem Titel bereits ersichtlich, sich der Spätantike und des Frühmittelalters annimmt. Allen in diesen drei Bänden veröffentlichten Aufsätzen ist eine historische Kontextualisierung der untersuchten Textquellen gemein. 33 Dieser Aspekt wird knapp skizziert von P ster: Introduction, S. IX. Einer der wenigen Beiträge, der trotz der Berücksichtigung einer kleineren Zeitspanne von 1100 bis 1300 die „vielen Schattierungen“ mittelalterlicher „Einschätzung des Lachens“ wiederzugeben vermag, liefert Prütting. Vgl. Prütting, Lenz: Homo ridens. Eine phänomenologische Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens, 2016, vor allem S. 457–460. 34 Wobei mit Bastian in gewissem Sinne immer noch von einem „Fehlen grundsätzlicher Überlegungen zum Verhältnis ‚Kirche und Lachen` im Mittelalter“ gesprochen werden kann. Bastian, Hagen: Mummenschanz. Sinneslust und Gefühlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts, 1983, S. 59. 35 Die von Hartmann skizzierte Forschungsproblematik zum Thema des Lachens im Mittelalter hat bis dato Gültigkeit. Als besonders problematisch wird zu Recht die Annahme herausge-

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der Entwurf Bachtins geradezu ein Paradigma dar, das von einem karnevalistischen Lachen des Volks als Gegenkultur zu den Herrschenden ausgeht. Für Bachtin ist das festtägliche Lachen versteckte Kritik am Gesellschaftssystem, an Herrschaft und Ordnung. Er spannt dabei einen Bogen von der Antike bis zur Renaissance und nimmt zugleich eine Bewertung vor: Das 16. Jahrhundert sei „die hohe Zeit in der Geschichte des Lachens“ gewesen, auf welche der „Prozeß der Degradation des Lachens“ folge. 36 Mit seinem literaturwissenschaftlichen Ausgangspunkt neigt Bachtin zu verallgemeinernden Deduktionen kultureller Phänomene. Zusammenfassend liest sich Bachtins Darstellung des Lachens beim Karneval aus der Perspektive des Volks wie ein Konstrukt einer homogenen Lachkultur beziehungsweise einer durchgängig existenten Opposition zwischen einer gewünschten und von oben verordneten Lachnorm 37 und einer dagegen aufbegehrenden „Volkskultur“. Wie der Literaturwissenschaftler Bachtin vor ihm hat auch der Mediävist Le Goff sein Entwicklungsmodell 38 mit Vorstellungen von machttechnischen Reglementierungsmechanismen verknüpft. Daraus ergibt sich für Le Goff das einseitige Postulat einer negativen Bewertung des Lachens, er spricht sogar vom Verbot des Lachens durch kirchliche Obrigkeiten, gegen deren Normierungsversuche von unten her rebelliert wurde. Diesen Prozess teilt Le Goff in drei Phasen ein: In der ersten Phase, von der Spätantike bis etwa zum 10. Jahrhundert reichend, habe man versucht, das als gefährlich angesehene Lachen zu reglementieren. In dieser Zeit herrschte das mönchische Modell vor, das Lachen zu unterdrücken. In einer zweiten Phase, mit dem 11. Jahrhundert beginnend, hätten kirchliche Kreise versucht, das Lachen unter Kontrolle zu bringen, indem man zwischen gutem und schlechtem Lachen unterschied. Bei den unterschiedlichen Modi des Lachens hätten die Königshöfe als Zentren der Domestizierung fungiert. In einer letzten Phase ab dem 12. Jahrhundert habe sich eine Kasuistik

stellt, „daß sich die mittelalterlichen Bewertungen und Äußerungsformen menschlichen Gelächters wesentlich von allem unterscheiden, was uns Lachen, Gelächter und Lächerlichkeit heute bedeuten können. Daher taugten Kategorien, welche moderne Lachtheorien bereit hielten, wenig, um die mittelalterlichen Erscheinungsformen adäquat in ihrer eigenen Bedeutung zu ermessen.“ Hartmann, Sieglinde: Ein empirischer Beitrag zur Geschichte des Lachens im Mittelalter. Lachen beim Stricker, 1990, S. 107. 36 Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur, 1985, S. 45. 37 „Laut Bachtin habe die Haltung der Kirche als grundlegend für das Mittelalter zu gelten. Die Kirche, welche alle Lebensbereiche mit ihren Normen und Riten beherrschte, habe jede Art von Lachen von Anfang an, d. h. bereits seit der Spätantike, als sündig und unchristlich geächtet.“, Hartmann, S. 108. 38 Verständlich ist die Kritik Lotters an einigen hagiographischen Untersuchungen, die „das Material ohne Rücksicht auf das zeitliche Vorkommen einander undifferenziert zuordnen“, jedoch darf eine Untergliederung des Mittelalters a priori auch nicht den Blick verstellen auf etwaige Kontinuitäten. Lotter, Friedrich: Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen, 1979, S. 333 f.

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des Lachens entwickelt, die ganz klar regelte, wer wann warum wie lachen darf. 39 In der Zeit des ausgehenden Mittelalters galt es, „das Lachen aus der Schande herauszuholen, mit der es zumindest bis zum 12. Jahrhundert belegt war.“ 40 Le Goff übersieht bei seinen mentalitätsgeschichtlichen Auswertungen der Anthropologie des Lachens im Mittelalter, dass widersprüchliche Darstellungen und Normen gleichzeitig nebeneinander existieren. Auch dort, wo Le Goff Ambivalenzen zur Kenntnis nimmt, bietet er keine schlüssige Erklärung an, wie diese Spannungsverhältnisse anders aufgelöst und gedeutet werden können, als in ihnen einen Akt der Rebellion zu sehen. 41 Obwohl die Vorstellung eines Lachverbots in der deutschsprachigen Forschung 42 guten Gewissens wohl kaum noch so undifferenziert behauptet werden kann, nden sich entsprechende

39 Vgl. Le Goff, Jacques: Lachen im Mittelalter, 1999, S. 54 f; vgl auch die Zusammenfassung von Le Goffs Thesen bei Schneider, Rolf Michael: Plädoyer für eine Geschichte des Lachens [Nachwort], 2004, S. 83–88. Wilhelmy legt ein anderes Modell vor, nach welchem im frühen und hohen Mittelalter eine Verurteilung des Lachens in monastischen Kreisen stattgefunden habe, im 12. und 13. Jahrhundert „man jenseits der monastischen Kreise einer strukturell positiveren Bewertung des Lachens [begegnet]“, in den darauffolgenden Jahrhunderten „die Trauer erneut über das Lachen [obsiegt]“ und schließlich „erst die Neuzeit [. . . ] das Lachen [. . . ], nach der allzu kürzen Blüte im Hochmittelalter, in die Gesichter der Menschen zurückholen [wird]“, Wilhelmy, Winfried: Das leise Lachen des Mittelalters – Lächeln, Lachen und Gelächter in den Schriften christlicher Gelehrter (300–1500), 2012, S. 40, 44, 49 u. 53. 40 Le Goff, Jacques / Truong, Nicolas: Die Geschichte des Körpers im Mittelalter, 2007, S. 83. 41 „Der Körper war zwar durch Moralvorstellungen und die Regeln [. . . ] eingeengt, aber er gab sich nie geschlagen. Je enger er in den Schraubstock der Normen und der Vernunft gespannt wurde, desto heftiger und ausgreifender wurden andere Formen der Gestik [. . . ]. Auch das Wort, ebenso wie das Lachen, ist ein Körperphänomen.“ Le Goff / Truong, S. 163 f. 42 Während des Entstehens der vorliegenden Untersuchung ist ein Band zum Lachen im Mittelalter von Bießenecker veröffentlicht worden. Seine bisweilen essayistischen Ausführungen folgen den Urteilen Le Goffs zwar nicht bezüglich des Begriffs des Lachverbotes (vgl. S. 102 und 221), aber darin, dass die Kirche mit ihrem „in vielen Punkten schwarz-weiß malende[n] Weltbild“ eine „sehr kritische“ „ablehnende Haltung [. . . ] dem Lachen gegenüber einnahm“, S. 27 u. 30. Es ist die Rede von „klösterliche[r] Lachablehnung“ und „Kontrolle, Unterdrückung und Bestrafung des Lachens“ „überall dort, wo es christliche Klöster gab“, S. 47, 93, 99 u. 221. Des Weiteren verfolgt auch Bießenecker eine Epochisierung des Lachens im Mittelalter „von seinen antiken Grundlagen bis zur allmählichen Verdrängung der religiösen Lachverachtung und ihrer Ablösung durch eine schon rauschartig anmutende Freude am Lachen im späten Mittelalter“ und sucht „Entwicklungsschritte“ nachzuzeichnen. Seine Untersuchungen „reichen bis in die Hochzeit der hö schen Kultur, also bis ins ausgehende 13. Jahrhundert.“ Ferner postuliert er einen „Weg der Verachtung des Lachens von der Antike bis in die Klöster des Mittelalters“ mit einem Fortwirken der Theologie der Tränen als normsetzend für Mönche und Amtskirche. Vgl. Biessenecker, Stefan: Das Lachen im Mittelalter. Soziokulturelle Bedingungen und sozial-kommunikative Funktionen einer Expression in den „ nsteren Jahrhunderten“, 2012, S. 133 u. 220. Grundsätzlich orientiert Bießenecker sich recht unkritisch an Althoff und dessen Konzepten von Performativität und Ritual.

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Formulierungen selbst noch in den jüngeren Werken Le Goffs. 43 Besonders im französischsprachigen Raum wurden Le Goffs Ausführungen in Form von umfangreichen Studien rezipiert, so hat Horowitz als Schülerin von Le Goff zusammen mit Menache eine Monographie zum Thema Humor von der Kanzel veröffentlicht. 44 Denselben Ausgangspunkt der Predigt nimmt Verdon in seinem sehr allgemein betitelten Buch „Rire au Moyen Âge“, 45 beruft sich allerdings weitaus weniger auf Le Goff als Minois in seinem Werk „Histoire du rire et de la dérision“. 46 Im Übrigen ist Le Goff in der Aufsatzliteratur zum Thema Humor und Lachen sowohl wenig kritisch 47 als auch stärker

43 „[. . . ] deshalb wurden auch die Gaukler so streng verfolgt, und das Lachen war verboten“, Le Goff/ Truong, S. 163. 44 Horowitz, die ihre Dissertation bei Le Goff geschrieben hat, und Menache nehmen Le Goffs Einteilung des Umgangs mit dem Lachen in drei Abschnitten als Ausgangspunkt ihrer Untersuchung. 45 Jean Verdon nimmt bemerkenswerter Weise kaum Bezug auf Le Goff, sondern verweist lediglich auf dessen Aufsatz über das Lachen in den monastischen Regeln und zitiert eine Textpassage nach ihm, vgl. Verdon, Jean: Rire au Moyen Âge, 2001, S. 18 u. 27. 46 Minois rezipiert Le Goff recht unkritisch, vgl. Minois, Georges: Histoire du rire et de la dérision, 2000, S. 10, 98, 126, 166, 169 u. 207. 47 Dass das Lachen bei den Mönchen „eigentlich streng untersagt [war], verstieß es doch als unkontrollierte Körperäußerung gegen Disziplin und Schweigegebot“ übernimmt Grebe unkritisch von Le Goff. Grebe, Anja: Heilige Narren. Einleitende Überlegungen zur Ästhetik von Sakralität und Komik im Mittelalter, 2005, S. 9. Ähnlich verallgemeinernd und unkritisch kommt Hartmann am Ende ihrer Untersuchung des Lachens beim Stricker zu dem Schluss, dass „[d]ie Stricker-Rezeption wie die gesamte nachstrickersche Schwankdichtung [. . . ] somit Beweise für LeGoffs [sic] Evolutionstheorie [lieferten], wonach eine allseitige Befreiung des Lachens von den Fesseln christlicher Lachfeindlichkeit stattgefunden habe, im deutschen Sprachraum allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber der französischen Literatur.“, Hartmann, S. 124. Trokhimenko übernimmt ebenfalls die Vorstellung von einer Phase von „liberation and control“ für die Zeit des Hoch- und Spätmittelalters und zielt besonders auf die als gefährlich angesehene Verbindung des Lachens zum Körperlichen ab unter alleiniger Verwendung des auch bei Le Goff zu ndenden plakativen Zitats aus der Magisterregel. Vgl. Trokhimenko, Olga V.: Women's Laughter and Gender Politics in Medieval Conduct Discourse, 2010, S. 244 f. u. 253 f. Und Dinzelbacher bemerkt nur kurz, dass das Lachen „freilich [. . . ] religiös verpönt [war], weil Jesus nach dem Neuen Testament zwar mehrfach geweint, nie aber gelacht hatte“ und verweist dabei knapp auf Le Goff. Dinzelbacher, Peter: Warum weint der König? Eine Kritik des mediävistischen Panritualismus, 2009, S. 62. In dem Punkt, dass die Zeit der späten Antike und des frühen Mittelalters als eine des unterdrückten monastischen Lachens gesehen werden kann, bezieht sich Balzaretti auf Le Goff, vgl. Balzaretti, Ross: Liudprand of Cremona's sense of humour, 2002, S. 126 f. Auch Shanzer folgt Le Goff in der Vorstellung, dass es „various prohibitions against laughter in early monastic rules“ gegeben habe. Vgl. Shanzer, Danuta: Laughter and humour in the early medieval Latin west, 2002, S. 29. Gleiches bei Bremmer, Jan: Witze, Spaßmacher und Witzbücher in der antiken griechischen Kultur, 1999, S. 31 wie auch bei Innes, Matthew: ‚He never even allowed his white teeth to be bared in laughter`. The politics of humour in the Carolingian renaissance, 2002,

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re ektiert aufgenommen worden. 48 Ein ähnliches Bild ergibt sich bei einem Blick auf Rezensionen, wobei die Buchbesprechungen in den Tageszeitungen sehr viel schärfer im Ton ausfallen. 49 S. 143 u. 148. Ferner wurde die nicht erst von Le Goff eingeführte Vorstellung einer Unterscheidung von gutem und bösem Lachen im Mittelalter von ihm übernommen bei Keller, vgl. Keller, Hildegard Elisabeth: Lachen und Lachresistenz, 2005, S. 37. Kries setzt den Schwerpunkt eher auf das negativ konnotierten Lachen und zitiert dabei Le Goff. Kries, Susanne: Laughter and Social Stability in Anglo-Saxon and Old Norse Literature, 2002, S. 2. In dem Sammelband „risus sacer – sacrum risibile. Interaktionsfelder von Sakralität und Gelächter im kulturellen und historischen Wandel“ nimmt lediglich Merceron Bezug auf Le Goff und dessen Unterscheidung von positiv und negativ besetztem Lachen, vgl. Merceron, Jacques E.: The Sacred and the Laughing Body in French Hagiographic and Didactic Literature of the Middle Ages, 2009, S. 103 u. 106. Bousquet-Labouérie erachtet das Lachen in mittelalterlichen Kirchen als „thoroughly studied“ unter Verweis auf unter anderem Le Goff und im Übrigen auf französische Forschung, wovon die meisten sich auf Le Goff stützen wie Menache und Horowitz, Verdon und Minois, vgl. Bousquet-Labouérie, Christine: Laughter and Medieval Stalls, 2010, S. 504. 48 Den auch bei Le Goff zu ndenden differenzierteren Aussagen stimmen Bremmer und Roodenburg zu, wenn sie in ihrer Einleitung schreiben, dass es „[a]ngesichts dieser Mannigfaltigkeit [. . . ] nicht überraschend [ist], daß Jacques le Goff in seinem Beitrag zu diesem Buch [Kulturgeschichte des Humors, Anm. d. Verf.] bemerkt, daß es bis jetzt unmöglich war, in den verschiedenen Worten, Konzepten und Praktiken des Lachens eine Kohärenz festzustellen.“ Bremmer / Roodenburg, S. 10 f. Auch Halsall verweist ebenso auf Le Goff in Bezug auf unterschiedliche Meinungen bezüglich des Lachens im frühen Mittelalter. Vgl. Halsall, Guy: Introduction. ‚Don't worry, I've got the key`, 2002, S. 6 u. 10. Tomasek hingegen spricht von einem „(allerdings differenzierungsbedürftigen) Überblick“ bei Le Goff, Tomasek, Tomas: Bemerkungen zur Komik und zum ‚Humor` bei Wolfram von Eschenbach, 2005, S. 95. Kemper äußert nur geringfügige Kritik, dass Le Goff keine Erklärung für das Nicht-Lachen bei König Ludwig liefert, vgl. Kemper, Tobias A.: Iesus Christus risus noster. Bemerkungen zur Bewertung des Lachens im Mittelalter, 2005, S. 26 u. 27. Dicke fordert im Zusammenhang mit dem „von Le Goff behaupteten ‚topos [. . . ] des rex facetus, des spaßhaften Königs` eine größere Belegdichte“ ein, vgl. Dicke, Gerd: Homo facetus. Vom Mittelalter eines humanistischen Ideals, 2008, S. 327. Bemerkenswert ist, dass alle weiteren für die vorliegende Arbeit verwendeten Titel der Sekundärliteratur Le Goffs Schriften zum Lachen nicht rezipieren. 49 Gustav Seibt wirft Le Goff „leichtherzige Schlamperei“ vor, er habe Aristoteles „falsch zitiert“ und Plessner „ignoriert“. Die von Seibt rezensierten Aufsätze „brausen methodisch gewaltig, doch ihr Ertrag ist im wesentlichen [sic] eine Stellensammlung, welche die Geringschätzung vor allem der frühmittelalterlichen Mönchskultur fürs Lachen belegt.“ „Ins ergiebigere Spätmittelalter dringt Le Goff gar nicht mehr vor. Daß das Mittelalter keine Spaßkultur war, ist nicht im Ernst als Neuigkeit zu werten.“ Und weiter: „Was dieses Büchlein an Quellenmaterial anbietet, kann ein ndiger Leser sich in zwei Tagen zusammensuchen.“ Zudem wirft Seibt Le Goff vor, sich „wenig Zeit für die Veri kation von Zitaten“ genommen zu haben. Besprechung zu Jacques Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, 2004 durch Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung vom 11. 03. 2004. Weitaus unkritischer el hingegen die Rezension von Michael Jeismann in der Frankfurter Allgemeine Zeitung aus, dessen einziger Kritikpunkt zu

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Suchomski hat sich weniger der Akteure und der sozialen Kontexte angenommen, sondern eher der Arten des Lachens und seiner unterschiedlichen Qualitäten. Diese wurden ebenso bereits von mittelalterlichen Autoren herausgearbeitet, so dass zum Beispiel die theologische Interpretation bestimmter Bibelstellen nicht „an der literalen Bedeutung des Wortes ‚risus` klebt, sondern zu dem Begriff der laetitia temporalis ausweitet“, 50 also einer negativ bewerteten weltlichen Fröhlichkeit. Die biblische Bejahung des Lachens wird nach Suchomski auf eine geistige Freude, gaudium spirituale, hin gedeutet. „Für das sichtbare, körperliche Lachen bestehen jedoch keine verschiedenartigen Wertungsmöglichkeiten.“ 51 Suchomski bietet in seinem Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur einen geistesgeschichtlichen Überblick über die sittliche Beurteilung von Lachen, Scherz und Spiel in den unterschiedlichen sein scheint, dass bei Le Goff nicht ganz klar werde, ob sich diese Revolution [gemeint ist, dass das Verhältnis zum Lachen sich umkehrte und „Lachen als Lächeln [. . . ] ein Attribut von Heiligkeit und Spiritualität“ geworden sei, Anm. d. Verf. mit Zitaten von Jeismann] allein auf den Franziskanerorden bezog. Besprechung zu Jacques Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, 2004 durch Michael Jeismann in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. 02. 2004. Wenig Neues ndet sich bei Le Goff laut Fössel: „Wer konkrete historische Beispiele erwartet, wird enttäuscht und muss sich mit dem hinlänglich bekannten Hinweis begnügen, dass der gern lachende König Ludwig IX., der Heilige, niemals an einem Freitag gelacht habe und ansonsten das freundliche Lachen des Königs als Herrschertugend betrachtet wurde.“ Fössel, Amalie: Jacques le Goff. Das Lachen im Mittelalter [Rezension], 2006. Die Rezension von Lobkowicz fällt in seinen nacherzählenden Teilen sehr neutral aus, aber auch er merkt an: „Trotz zahlreicher interessanter Hinweise legt man das Büchlein, nachdem man es zuende [sic] gelesen hat, ein wenig unbefriedigt zur Seite, zumal, wenn man vor einem halben Jahrhundert die atemberaubende Belesenheit des erwähnten deutschen Romanisten bewundert [gemeint ist hier Curtius, Anm. d. Verf.] und sich durch die Lektüre seines Buches [. . . ] von der viel zu einfachen Mittelaltervorstellung der Thomisten von damals befreit hatte.“ Lobkowicz, Nikolaus: Jacques Le Goff, Lachen im Mittelalter [Rezension], 2004, S. 386. Einen sehr wohlwollenden Blick auf Le Goff hat Marculescu in einer etwas ausführlicheren Besprechung einiger geschichtswissenschaftlicher Werke zum Lachen im Mittelalter. Darin wird Le Goff „sans doute“ als erster Mediävist verstanden, der sich ernsthaft mit dem Lachen auseinandersetzte. Mehrfach wird darauf verwiesen, dass Le Goff sich der Heterogenität im diachronen Blick wie auch bezüglich der Modelle zum Lachen unterschiedlicher sozialer Gruppen annimmt. Jedoch wird in einem Nachsatz die Widersprüchlichkeit dieser Aussage deutlich, wenn Marculescu konstatiert, dass Le Goff sich bei seiner Diskursanalyse auf das monastische Milieu beschränkt. Obwohl Marculescu bereits im einleitenden Satz die Diskrepanz zwischen einem noch im Mittelalter gegenwärtigen Ausspruch eines Kirchenvaters und dem entgegenstehenden anderen mittelalterlichen Vorstellungen bemerkt, geht die Rezension nicht weiter auf diese Problematik ein, die eben auch nicht von Le Goff aufgegriffen wird, sondern lobt, dass Le Goff „une méthodologie et une chronologie convaincante concernant l'évolution du rire“ skizziert habe, vgl. Marculescu, Andreea: Le rire médiéval, 2007, S. 70 f u. 73 f. 50 Suchomski, Joachim: ‚Delectatio` und ‚Utilitas`. Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur, 1975, S. 14. 51 Ders., S. 20.

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Textgattungen und bei verschiedenen Autoren der Patristik bis zur Scholastik. Jedoch zeigt bereits das Eingangsbeispiel des unter vollem Einsatz seines Körpers lachenden Heiligen, dass die These einer strengen Zuordnung von positiver, aber allein geistiger Freude und negativer, weil körperliche Fröhlichkeit, nicht uneingeschränkt haltbar ist. Keines der von Bachtin, Le Goff, Suchomski oder anderen Forschern vorgebrachten Modelle liefert ein zufriedenstellendes Konzept, eine ausreichend differenzierte Theorie oder eine umfassende Erklärung für den weiter oben festgestellten Widerspruch. Die Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Idealen, die einerseits in Heiligenviten und andererseits in Klosterregeln verfolgt werden, bleibt in all diesen Modellen unberücksichtigt und unbearbeitet. Es liegen jedoch andere Untersuchungen vor, die insbesondere zum Verhältnis der Arten des Lachens und den Akteuren Einsichten liefern. Die Soziologie bietet Erkenntnisse zum breiten Spektrum wichtiger sozialer Funktionen des Lachens. Diese können grob in die Faktoren Kon ikt, Kontrolle und Konsens unterteilt werden. 52 Was Levine und Woods in Bezug auf Humor sagen, gilt auch für das Lachen: Im Zusammenhang des Kon ikts kann Lachen als Waffe, als Ausdruck von Aggression und Überlegenheit eingesetzt werden. Kontrollierend wirkt das Lachen bei der Herstellung und Wahrung einer Ordnung oder eines Gleichgewichts, bei der Verringerung von Angstgefühlen, als Ventil für die Entladung von Spannungen. Einen Konsens bilden kann das Lachen, insofern es Solidarität und Freundschaft fördert und Kommunikation ermöglicht. Innerhalb einer Gruppe vermittelt es gegenseitiges Interesse und bewirkt nicht nur den Gruppenzusammenhalt, sondern stärkt auch die Gruppenstruktur. 53 Der Blick auf soziale „Lachgemeinschaften“ eröffnet Sichtweisen auf Bedeutungszuschreibungen und Strukturen des Lachens als einer sozialen Handlung und den dazugehörigen Normen. Die Anlässe des Lachens sind demzufolge nicht nur in den Variablen einer individuellen Persönlichkeit zu suchen, sondern vor allem in den Belangen, Kontroversen und Bestrebungen größerer sozialer Verbände. Diese Funktionen lassen sich zum Teil auf der Inhaltsebene deskriptiver Texte nden, wie auch aus den schriftlich ausgedrückten normativen Ansprüchen sozialer Gruppen herauslesen. Zusätzlich zu diesen skizzierten Analyseansätzen mit konkretem Bezug auf das Lachen bietet sich die Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen größerer Kontexte an, da das Lachen als Untersuchungsgegenstand ein weites Forschungsfeld betrifft. Man kann sich der Thematik aus unterschiedlichen Blickrichtungen verschiedenster Fachrichtungen nähern. Im Folgenden seien knapp diejenigen Theorien und Ansätze skizziert, die auf das Thema des Lachens anwendbar sind und für die vorliegende Fragestellung einen weiteren Erkenntnisgewinn versprechen, dazu zählen die Körpergeschichte und die Emotionsforschung.

52 Vgl. Woods, P[eter]: Humour in Child Development, 1985, S. 2360. 53 Vgl. Levine, Jacob: Humor, 1972, S. 6 u. Woods, S. 2360.

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Le Goff hat zu Recht für das Mittelalter betont, dass „die Bewegungen und das gesamte Verhalten des Körpers [. . . ] im Mittelpunkt des sozialen Lebens [standen]. Das gleiche galt für die Darstellungen und das äußere Erscheinungsbild des Körpers.“ 54 Die Ambivalenz des Körpers im Mittelalter ist sicherlich unbestritten, 55 wie auch der enorme Ein uss der Kirche auf das mittelalterliche Körperbild. 56 Dinzelbacher weist darauf hin, dass „in der [. . . ] Religion Körperlichkeit eine zentrale Kategorie darstellte – nicht in der theologischen Re exion, sondern in der geglaubten und gelebten Religiosität.“ 57 Dies ist ein wertvoller Hinweis darauf, dass Körperbilder 58 eben nicht nur von den Herrschenden vorgegeben werden, sondern auch aus der Mitte der Gesellschaft durch Körperpraktiken hervorgebracht werden können. 59 Diese Feststellung ist von Relevanz im Zusammenhang mit den Akteuren des Lachens.

54 Le Goff/ Truong, S. 155. Die zentrale Bedeutung von Körperlichkeit im Mittelalter hat auch überzeugend Dinzelbacher gezeigt. Dinzelbacher, Peter: Körper und Frömmigkeit in der mittelalterlichen Mentalitätsgeschichte, 2007, besonders S. 11–13. 55 „Der Körper des Menschen [war] im Mittelalter Schauplatz von Widersprüchen“, Le Goff/ Truong, S. 11. „Die jeweils Herrschenden machten ihn [den Körper] zu einem Ort der Strafe; Theologen, die, be ügelt von Leitbildern einer theologia affectiva und devotio moderna, gezählte und ritualisierte Frömmigkeit durch Emotionalisierung verinnerlichen wollten, machten ihn zu einem Ort religiöser Erfahrung.“ Schreiner, Klaus: Soziale, visuelle und körperliche Dimensionen mittelalterlicher Frömmigkeit. Fragen, Themen, Erträge einer Tagung, 2002, S. 15. 56 Dennoch kann man hier kaum von einer einseitig negativen Bewertung von kirchlicher Seite sprechen, wie Le Goff und Truong behaupten, da die Kirche nicht alles „beherrschen und überwachen“ konnte, „begann sie sämtliche Gewohnheiten und Angewohnheiten des menschlichen Körpers zu reglementieren“, Le Goff/ Truong, S. 147. Auch Gegenteiliges ist der Fall, wenn „[i]n der Affektivität und Leiborientierung einer neuen Spiritualität [. . . ] sich eine neue, positive Einschätzung des menschlichen Körpers [zeigt]“, Schreiner: Soziale, visuelle und körperliche Dimensionen mittelalterlicher Frömmigkeit, S. 16. Vgl. zur Ambivalenz des Körpers als Ort der Strafe und der religiösen Erfahrung, als Medium der Nachfolge Christi, aber auch als Subjekt der Sünde und dem Körper der Heiligen als „Ort des Gedächtnisses des Heils“ Schreiner, Klaus: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten. Fragen, Themen und Tendenzen der frömmigkeitsgeschichtlichen Forschung in der neueren Mediävistik, 2000, S. 67, 69, 70, 72. 57 Dinzelbacher: Körper und Frömmigkeit in der mittelalterlichen Mentalitätsgeschichte, S. 11. Hierzu auch Marek, Kristin (u.a): Bild und Körper im Mittelalter, 2006, die skizzieren, „in welchem Ausmaß der Körper im Mittelalter als Projektions äche für religiöse Praktiken und Selbstinszenierungen dient.“, S. 10. 58 Gélis untergliedert im Hinblick auf den Körper, die Kirche und das Heilige sinnigerweise in den Körper des Heilands, in die Nachahmung im Sinne einer Verkörperung Christi sowie in Reliquien und wundersame Körper. Vgl. Gélis, Jacques: Le corps, l'Église et le sacré, 2005, S. 20–44, 45–78 u. 78–101. 59 „[D]er Körper der Gläubigen rückt in den Mittelpunkt des individuellen Heilsbemühens“, Marek [u. a.], S. 11. Signori stellt bei ihrer Untersuchung fest, dass „die Präferenzen der Ge-

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Lange Zeit gehörte der Körper in der abendländischen Vorstellungswelt eher zu der Natur des Menschen als zu seiner Kultur 60 und war daher mit bestimmten Begriffen verbunden wie Moralisierung, Zivilisierung, Disziplinierung und Kultivierung, aber auch mit „Bezähmung und Ökonomisierung seiner Bewegungen“. 61 Bereits diese Begriffe, besonders der Aspekt der Disziplinierung, eröffnen einen Zugang zur Erforschung des Lachens. Ähnlich wie das Lachen stellte der Körper für die Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften lange Zeit kein Forschungsobjekt dar. 62 Als körperliches Phänomen ist das Lachen ein Aspekt von Körpergeschichte, 63 die die Körpertechniken in den Blick nimmt, „die Weisen, in der sich die Menschen in der einen wie der anderen Gesellschaft traditionsgemäß ihres Körpers bedienen.“ 64 Dabei ist auf die Problematik hinzuweisen, dass der Körper kein stabiler Referenzpunkt geschichtlicher Auseinandersetzung darstellt. 65 Der Körper unterliegt als „Ort und Objekt des Handelns“ sowie „politischer und kultureller Diskurse“ 66 seinerseits einem

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schichtswissenschaft – bald in Berufung auf Norbert Elias, bald in Anlehnung an Foucault – beim Körper [liegen], der sich nicht selbst besitzt, der von außen diszipliniert, bedroht, verletzt oder vernichtet wird, dem zerstückelten, geschundenen, fragmentierten Körper, kurz dem Körper als Metapher von Herrschaft und Unterdrückung.“ „Das Interesse an Mikhaïl Bakhtines derb-groteskem Volkskörper als Freiheitsmetapher“ habe hingegen nachgelassen. Signori, Gabriela: Körpersprachen. Krankheit, Milieu und Geschlecht aus dem Blickwinkel spätmittelalterlicher Wundergeschichten, 2002, S. 529 f. Vgl. hierzu Le Goff / Truong, S. 18. König, Eugen: Körper – Wissen – Macht. Studien zur historischen Anthropologie des Körpers, 1989, S. 4 u. 7. Dagegen steht die Position, dass „[d]er Körper [. . . ] eine Geschichte in langsamen Rhythmen [illustriert und nährt]. In Wirklichkeit gibt erst der Körper dieser Art von Geschichte, der Geschichte der Ideen, der Mentalitäten, der Institutionen und sogar der Technik und der Wirtschaft überhaupt einen Körper, eine Gestalt.“, Le Goff/ Truong, S. 191. Vgl. auch Körper Macht Geschichte – Geschichte Macht Körper. Körpergeschichte als Sozialgeschichte / Bielefelder Graduiertenkolleg Sozialgeschichte, 1999, S. 7. Für die theoriegeschichtlichen Grundlagen vgl. Sarasin, Philipp: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, 2003, insbesondere S. 114–118. Eine Art bibliographisches und immer noch relevantes Repetitorium liefert Duden „Body History – Körpergeschichte“. Mauss, Marcel: Soziologie und Anthropologie. Bd. 2: Gabentausch – Soziologie und Psychologie – Todesvorstellung – Körpertechniken – Begriff der Person, 1975, S. 199. Vgl. auch Le Goff/ Truong, S. 20. „Der Körper ist historisch und empirisch kein gemeinsamer Ausgangspunkt der Menschheit schlechthin, keine universelle Basis der Verständigung.“ Sarasin, S. 102. „‚Körper` ist keine überhistorische Invariante, jede Gesellschaft de niert immer wieder aufs neue, was ‚Körperlichkeit`, ‚Natürlichkeit`, ‚eigentliche Natur` usf. ist“, König, S. 1. Sarasin, S. 103. Sarasin fragt weiter „Wer generiert die diskursiven Muster, die die Wahrnehmung und die Praktiken strukturieren?“

Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze

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Wandel 67 und entzieht sich daher in gewisser Weise der Untersuchung. 68 Dieses Dilemma wird von Forschern zum Teil mit der Grundannahme aufgelöst, dass gewisse Gemeinsamkeiten bestehen, zumindest gedacht und kommuniziert werden 69 und somit eine gemeinschaftliche Wirklichkeit suggerieren und schließlich formen. 70 Wie weiter oben gesagt gelten ähnliche Vorannahmen für diese Untersuchung des Lachens. Körper, Körperpraktiken und Körperbilder wirken reziprok und lassen sich nur in diesem größeren Ge echt interpretieren. 71 Dabei besteht eine besondere Schwierigkeit für Historiker im Verhältnis von Körper und Text, 72 auch auf diesen Sachverhalt ist bereits in Bezug auf das Lachen weiter oben hingewiesen worden. Bei Bynum zeigt sich, dass „mindestens einige der vielen Körper des Mittelalters sich in Diskurs auflösen.“ 73 Doch umgekehrt sind Körpererfahrungen mitunter durch diskursive Sprache prä guriert. 74 Die Körperbilder setzen sich aus Erlebtem und Vorgestelltem zusam67 „Wir wissen, daß sich auch der Mensch sehr verändert hat: in seinem Denken und ohne Zweifel bis in die feinsten Mechanismen seines Körpers.“, Bloch, Marc: Apologie der Geschichte oder Der Beruf des Historikers, 1974, S. 57, vgl. auch Sarasin, S. 106. „Dabei verliert der Körper seine Funktion als überhistorische Referenz: ‚[N]ichts am Menschen – auch nicht sein Körper – ist so fest [ xe], um die anderen Menschen zu verstehen und sich in ihnen wiedererkennen zu können.`“ Sarasin, S. 110, welcher ein Zitat verwendet von Foucault, Michel: Von der Subversion des Wissens, 1978, S. 97. Es fehle daher „ein vor aller Diskursivität xierbarer Ausgangspunkt für eine Hermeneutik des Leibes“, Sarasin, S. 110. 68 Foucault habe dies deutlich gemacht, dem es um „eine Leerstelle, einen leeren Ursprung, um die abwesende Essenz des Körpers“ gehe, Sarasin, S. 109. 69 „[E]ine vollständige reale Verschiedenheit von Körpern würde jede wie auch immer imaginäre Vorstellung eines menschlichen ‚Wir` verunmöglichen.“, Sarasin, S. 111. 70 „Lacan zeigt in seinem berühmten Aufsatz über das ‚Spiegelstadium`, dass die Formierung eines Bildes von sich beziehungsweise einer Vorstellung davon, wer man sei, immer über den Umweg des Bildes des Anderen erfolgt.“, Sarasin, S. 111. Vgl. zu der Problematik des Körpers als erklärungsbedürftigem Erfahrungsraum und gleichzeitiger Deutung als metahistorische Substanz Tanner, Jakob: Wie machen Menschen Erfahrungen? Zur Historizität und Semiotik des Körpers, 1999, S. 21–25. 71 „Der Körper wird zum Medium von Repräsentationsstrategien, die sich wiederum erst in Rückbezug auf das zugrunde liegende Körper-‚Bild` entschlüsseln lassen.“ Marek [u. a.], S. 10. 72 Eine von Sarasin angesprochene Richtung von Körpergeschichte betrifft „die Frage nach der ‚Unmittelbarkeit` des Körpers, das heißt seiner ‚Wirklichkeit` und damit auch nach seiner Erfahrbarkeit. Das scheint eine unmögliche Frage zu sein. Denn im Text der Historikerinnen und Historiker erscheinen all diese Körper, von denen hier die Rede ist, als konstruierte.“, Sarasin, S. 117, vgl. auch S. 100. 73 Bynum, Caroline: Warum das ganze Theater mit dem Körper? Die Sicht einer Mediävistin, 1996, S. 32, vgl. auch Sarasin, S. 100. 74 „[ J]ede Körpererfahrung [muss] auf Sprache basieren, um Teil des sozialen Universums zu werden.“, Sarasin, S. 112. Sarasin verweist mit den Formulierungen „‚methodische System der Zeichen`“, „Sprache und deren performative Wiederholungen“ auf den Zusammenhang von Sprache und Körper: „Die Codierung des Körpers durch Narrative, Plots, Diskurse und entsprechend regulierte Praktiken, Bilder und Repräsentationstechnologien, die ihn als sozial

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men, 75 welche in Wechselbeziehung zur Sprache geäußert oder im Gegenteil nicht ausgedrückt werden können, welche a priori sprachlich zur Verfügung stehen oder nachfolgend in Worte gefasst werden. 76 Dem Lachen ist somit in den Texten keine Unmittelbarkeit mehr eigen. Das dargestellte Lachen rekurriert auf kursierende Bilder und imaginiert weitere, die wiederum Vorlage von Handeln werden können. Die Körpergeschichte eröffnet die Fragestellung, ob die Bewertung des Lachens in Wechselbeziehung zur Beurteilung des Körpers steht. Eine derartige Herangehensweise sollte sich jedoch zunächst von etwaigen einseitigen Postulaten eines negativen Körperbildes im Mittelalter freimachen. Der Blick auf den Körper zeigt, dass das Sprechen über das Lachen sich nicht auf eine geistige, theoretische Dimension beschränken kann, sondern das Lachen seit der Antike als Körperbewegung verstanden wurde. Die Frage nach der Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Darstellungen und Bewertungen des Lachens rückt den Körper der Akteure in den Vordergrund. Der Körper ist es auch, der die verschiedenen Arten des Lachens hervorbringt, je nach Vorstellungswelt mit unterschiedlichem Anteil der Beteiligung des Geistes als Steuerungselement. Spannend ist auf jeden Fall die Frage, ob die Heiligen zeitweilig oder graduell als „entkörpert“ gelten. Ist deren Beherrschung des Körpers gleichzusetzen mit einer Transzendierung des Körpers durch Frömmigkeit? Oder als noch gewagtere Hypothese formuliert: Kann nur eine Art „Entkörperung“ des Heiligen dessen Lachen erlauben? Weitaus üblicher – als dies beim Lachen der Fall ist – ist in der theoretischen Debatte die Verortung des Ursprungs von Emotionen im Körper des Menschen. 77 Methodisch liefert besonders die Mediävistin Rosenwein ein ähnliches Konzept zur existierenden bis ins Innerste hinein produzieren, hat viel mit politischer Geschichte zu tun“, Sarasin, S. 115. Sarasin spricht jedoch ebenfalls von Körpererfahrungen, die nicht diskursiv vorgeformt sind: „Menschen machen Erfahrungen, die nicht bereits diskursiv (vor)geformt sind, sondern in die Leerstellen der Repräsentationssysteme einbrechen, Symbolisierung erzwingen und so die Repräsentationen verändern. Das Reale lässt sich nicht ‚in Diskurs auflösen` – aber wo und wie es erscheint, ist weder natürlich noch selbstverständlich oder gar ‚unmittelbar` einsichtig; dieser Einbruch ereignet sich an den Übergängen vom Körper zum Text und in den Leerstellen des Symbolischen. Hier ist das Physische in unseren Diskursen präsent – als Loch, um das die Sprache kreist.“ Und weiter: „Aber solche Texte zeigen häug auch die Grenze dieser symbolischen Strukturierungen, zeigen den Ort, wo das Netz der Repräsentationen reißt.“, Sarasin, S. 20. 75 „[ J]edes Erkennen des Körpers [. . . ] [ist] die Konstruktion eines ‚virtuellen Objekts` als einer Kombination realer und imaginärer Bilder.“, Sarasin, S. 112. 76 „Je nach den symbolischen Systemen, die die eigene Wahrnehmung formen, kann es Verschiedenes sein, was sprachlos macht und eine mühsame nachträgliche Symbolisierung erzwingt“, Sarasin, S. 119. 77 Allgemein ist festzustellen, dass sich mit Emotionen häu g dieselben Personen auseinandergesetzt haben, wie mit dem Lachen und umgekehrt, darunter fallen zum Beispiel Hobbes, Shaftesbury, Hutcheson und Kant, um nur einige zu nennen, die bereits weiter oben genannt wurden.

Bisherige Forschungsergebnisse und mögliche Analyseansätze

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Untersuchung von Gefühlen, 78 wie es hier ebenfalls unabhängig davon entwickelt wurde. Rosenwein untersucht umfassendes Quellenmaterial zu einer „schon bekannten Gruppe vergemeinschafteter Individuen wie einem Kloster“, einer von ihr als emotionale Gemeinschaft bezeichnete Gruppe und exzerpiert aus den unterschiedlichsten Textgattungen Emotionswörter. 79 Sie „achtete hierbei auf Muster, Narrative und Unterscheidungen nach männlich und weiblich“ und um „einen anachronistischen Kurzschluss zu vermeiden (also die Annahme, ein Emotionswort sei gleich geblieben und müsse daher in der Vergangenheit dasselbe bedeuten wie heute)“ 80 hat Rosenwein sich speziell die jeweiligen zeitgenössischen Emotionstheorien der emotionalen Gemeinschaften angesehen. Sie erweitert hier den begrifflichen Rahmen, was auch für das Thema das Lachens bedeutsam ist: Da „nicht nur explizite Emotionswörter für Emotionen stehen, achtete sie auch auf übertragene und bildhafte Emotionssprache.“ 81 Welchen Erkenntnisgewinn liefert die Auseinandersetzung mit der Emotionsforschung demnach für den vorliegenden Kontext des Lachens? In den zu untersuchenden Texten kann das Lachen auf eine Emotion verweisen und sogar als Begriff den einer Emotion ersetzen. Mit einer Annäherung an mittelalterliche Einstellungen zu Gefühlen allgemein und speziellen Emotionen und den Standards für deren Ausdruck, lässt sich ergründen, ob das Lachen als Indiz für bestimmte Emotionen bejaht oder verneint wird. Weiter wäre danach zu fragen, ob bereits allein das Lachen als Ausdrucksweise unabhängig davon, durch welche Gefühle das Lachen hervorgerufen wird, befürwortet oder abgelehnt wird. Es ist ebenfalls danach zu fragen, ob Emotionen im Mittelalter in negative und positive unterschieden wurden oder sie als ambivalent und vielschichtig verstanden wurden. Daraus ergibt sich auch für das Lachen dieselbe Frage nach der Vorstellung von zugrundeliegenden ambivalenten Gefühlen oder ob mit dem Moment des Lachens die damit ausgedrückte Emotion eine eindeutige Bewertung erhält. Für die vorliegende Untersuchung ist demnach der Blick auch darauf zu richten, welchen Stellenwert die Emotionalität für die Bewertungen des Lachens hat. Rosenwein hat sich gegen diverse „Großnarrative“ der zunehmenden Emotionskontrolle ausgesprochen 82 und stattdessen für ein Konzept emotionaler Gemeinschaften plädiert. Eine solche emotionale Gemeinschaft, auch als textuelle Gemeinschaft

78 Näheres zu dem methodischen Vorgehen vgl. Rosenwein, Barbara H.: Problems and Methods in the History of Emotions, 2010, S. 12–24. 79 Dabei sei es wichtig, betont Rosenwein, „[to] take into consideration the full panoply of sources that these groups produced“. Rosenwein: Problems and Methods in the History of Emotions, S. 1. 80 Vgl. Plamper, Jan: Geschichte und Gefühl. Grundlagen der Emotionsgeschichte, 2012, zu einem Berliner Vortrag von Rosenwein am 6. Juli 2009, S. 81. 81 Vgl. Plamper zu einem Berliner Vortrag von Rosenwein am 6. Juli 2009, S. 81. 82 Rosenwein wendet sich explizit gegen Huizinga und Elias. Vgl. Rosenwein, Barbara H.: Thinking Historically about Medieval Emotions, 2010, S. 828–830.

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denkbar, 83 bildet sich nicht um eine einzelne Emotion, sondern „nur um mehrere, um ‚Konstellationen`.“ Für die Untersuchung des Lachens bedeutet dies, nach diesen bestimmten emotionalen Konstellationen zu fragen und zu suchen, die ein Lachen möglicherweise erleichtern oder erschweren. Schließlich geraten mit einer Ausweitung auf derartig komplexe Konglomerate weitere Aspekte in den Blickpunkt. So wie Emotionen in ihrem Verhältnis zum Körper und zu Moral untersucht werden können, kann auch für das Lachen danach gefragt werden. Thesen in Bezug auf das Thema der Moral, dass „die aus der Antike stammende [. . . ] Auffassung, nach der Gefühle den Tugenden zuzuordnen sind, [. . . ] in modi zierter Form noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gültig [bleibt]“, 84 weisen in Richtung von langwährenden Vorstellungen bezüglich der Einordnung von Gefühlen und Tugenden und somit auch indirekt von Lachen. Das Lachen unterliegt im Mittelalter sehr stark der Vorstellung der tugendhaften Selbstregulierung, womit jedoch nicht unbedingt nur eine innere Gefühlsregung, sondern eben auch die Körperäußerung allein angesprochen ist. Bei allen Überschneidungen der Themengebiete des Lachens und der Emotionen bleibt noch Febvres Warnung vor unbewusster, anachronistischer Einbeziehung von Emotionen zu berücksichtigen, indem gegenwärtige Emotionsvorstellungen ohne Berücksichtigung ihres Wandels auf vergangene übertragen werden. 85

1.3 Forschungsvorhaben und Untersuchungsgegenstand

Die vorliegende Arbeit liefert eine grundlegende Analyse, da die Heiligenviten bisher nur marginale Berücksichtigung bei der Erforschung des Lachens im Mittelalter gefunden haben. 86 Zugleich werden die bisherigen Untersuchungsergebnisse anderer Textgattungen einer Neubewertung unterzogen, so dass ein verändertes, breites und solides Fundament entsteht. Von einer derart neu geschaffenen Basis könnten auch andere Themenfelder pro tieren, wie zum Beispiel die Erforschung des mittelalterlichen Humors, 87 aufgrund eines sehr viel differenzierteren Aussagegehalts mittelalterlicher Bewertungen des Lachens. 83 Vgl. Rosenwein: Problems and Methods, S. 11. 84 Kasten, Ingrid: Einleitung, 2003, S. XIX. 85 Vgl. Febvre, Lucien: Sensibilität und Geschichte. Zugänge zum Gefühlsleben früherer Epochen, 1977, S. 323 f. u. 331. Vgl. auch Plamper, S. 54. 86 Insgesamt sind Heiligenviten inzwischen in der Geschichtswissenschaft als ergiebige Quelle für Mentalitätsgeschichte, Weltsicht, Zeitanschauungen, Glaubensvorstellungen und Ideengeschichte anerkannt und liefern einen „Ertrag an ‚repräsentativen Daten`, die exemplarisch Zustände und Vorgänge [. . . ] in [. . . ] den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen ihrer Epoche oft geradezu blitzartig beleuchten“ Vgl. Lotter, S. 303, 338 f u. S. 356. 87 Einen historiographischen Überblick über mittelalterliche Studien von Humor liefert Verberckmoes, Johan: What about Medieval humour? Some historiography, 2003, S. 2–8.

Forschungsvorhaben und Untersuchungsgegenstand

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Weitere Forschungsperspektiven wie Habitus, gender, Subjektivierung und Ritual scheinen für das Thema des Lachens besonders vielversprechend. Habitus ist nach Bourdieu die Verkörperung von Denkweisen sichtbar im Auftreten eines Akteurs. 88 Kultivierte, zum Teil codierte, Praktiken können dabei der Distinktion dienen. Der Habitus-Begriff hat seinen Platz „bei der Vermittlung von Struktur und Handeln“. 89 Was bedeutet dies nun für das Problemfeld des Lachens? 90 Das Konzept des Habitus gibt den Blick frei auf die sozialen Dimensionen des Lachens, insbesondere auf die Frage nach seiner möglichen Funktion als Differenzierungsmittel. Dem schließt sich auch die Frage der Sozialisation an, der Suche nach Lebensphasen als Zeiten der Sozialisation und Lebensgemeinschaften als Träger und Vermittler von Habitu¯ s. Eine Untersuchung in Anlehnung 91 an Bourdieu kann sich auf die symbolische Ebene des Sinnbezugs und punktuell auf die prozessuale Ebene der Sozialisation hinsichtlich des Lachens richten. Es ergibt sich daraus eine Fragestellung, ob hinsichtlich des Lachens eine herrschende, über den legitimen Geschmack verfügende Klasse auszumachen ist. 92 Ausgangspunkt könnte hierzu Bourdieus Feststellung sein, dass „tatsächlich 88 Der Begriff wird Bourdieu folgend in dieser Arbeit vorrangig verwendet mit einem praxistheoretischen Bezug zu Strukturen von Praktiken und den in diesen Strukturen Praktizierenden. 89 Reichardt, Sven: Bourdieu für Historiker? Ein kultursoziologisches Angebot an die Sozialgeschichte, 1997, S. 73. 90 Bourdieus Entwurf, der auf umfassenden empirischen Studien basiert, lässt sich nicht ohne weiteres übertragen, da allein die methodische Vorgehensweise nicht angewendet werden kann und seine differenzierten Untersuchungen notwendigerweise bereits dadurch schon verkürzt werden. Bourdieu schreibt im Anhang zu „Die feinen Unterschiede“ über sein methodisches Vorgehen, das zunächst eine Vorerhebung mittels Intensivinterviews und ethnographischer Beobachtung, dann eine Zusatzerhebung einer gesonderten Untersuchung bestimmter Berufsgruppen umfasste. Dabei war es Bourdieu wichtig, „immer dann, wenn Schwierigkeiten auftauchten oder eine Hypothese es erforderlich machte, auf Beobachtungen und Befragungen im ‚Feld`, d. h. in Realsituationen zurück[zu]greifen“. Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, 1982, S. 794. Noch deutlicher wird Bourdieu angesichts der „Arroganz des Theoretikers, der sich weigert, in der Küche der Empirie seine Hände zu beschmutzen, und der zu sehr mit allen seinen Fasern an den Werten und Gewinnen der hohen Kultur hängt, um sie zu wissenschaftlichen Objekten zu machen“ und weiter „lassen sich die vorläu gen wissenschaftlichen Aussagensysteme, die sowohl stimmig in sich und mit den Fakten kompatibel zu sein versuchen, nur um den Preis einer langen und schwierigen Arbeit hervorbringen, die zudem jeder hastigen Lektüre verschlossen bleibt, welche im vorläu gen Abschluß einer langen Serie von Totalisierungsschritten nur Wiederholungen allseits bekannter Thesen, Einsichten oder Fakten sehen kann, weil sie das Wesentliche übersieht: Die Struktur der Relationen zwischen den Aussagen.“ Bourdieu: Die feinen Unterschiede, S. 798 f. 91 Auf vier Problemfelder hat Reichardt verwiesen, der fragt „mit Hilfe welcher Quellen die Theorie an historische Forschung herangeführt werden könnte“, Reichardt, S. 89. 92 Als generelle Frage nach der Existenz sozialer Unterschiede bezüglich des Lachens ist dies bei Förnegård in der Einleitung zum Tagungsband „Tears, sighs and laughter“ formuliert: „Is there

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Einleitung

[. . . ] sich die expliziten ästhetischen Entscheidungen nicht selten in Absetzung zu denjenigen sozial nahestehender Gruppen heraus[bilden], zu denen die handgreiflichste und unmittelbarste Konkurrenz besteht.“ 93 Dabei sollte nicht davon ausgegangen werden, dass die Trennlinien unweigerlich zwischen Adel und Klerus existieren, sondern dass mitunter das Gefälle innerhalb dieser Gruppen eine viel stärkere Prägnanz hat. Hochadel und hoher Klerus könnten so sehr viel stärker als eine Gruppe zu sehen sein, die sich jeweils gegenüber Niederadel und niederem Klerus zu distanzieren sucht. 94 Die Suche gilt also Akteuren, die sich in der Darstellung, Praxis und Interpretation des Lachens als Lachverständige hervortun. Besonders die Körpergeschichte, aber auch die Emotionsforschung und der Habitusbegriff legen gender-Unterscheidungen 95 bei der Analyse des Lachens, seiner Akteure und den ihnen zugeordneten Arten und Motive des Lachens nahe. Der genderAspekt wird in einem Unterabschnitt zu den Akteuren eigens behandelt und soll daher auch erst in dem betreffenden Zusammenhang näher theoretisch fundiert werden. Ähnliches gilt für weitere Forschungsfelder, -konzepte und -begriffe, die eher punktuell zu spezi schen Aspekten dieser Untersuchung Erklärungshilfe bereithalten und entsprechend in den jeweiligen Kontexten eingeführt werden. Dies ist der Fall für Analyseperspektiven wie Foucaults Subjektivierungstheorien und den Begriff des Rituals, der in einigen Sammelbandbeiträgen und Forschungsprojekten von Bedeutung ist.

a difference in attitude as regards for example laughter and tears between different socio-cultural strata in the Middle Ages?“, welche jedoch in den Beiträgen nicht weiter bearbeitet wird. Förnegård, Per: Introduction, 2017, S. 7. 93 Bourdieu: Die feinen Unterschiede, S. 111. 94 Die im Folgenden untersuchten und diskutierten Heiligenviten weisen keine Auffälligkeiten bezüglich des Bürgertums als Gruppe von Akteuren auf, so dass die Einrichtung einer eigenen Kategorie und eines gesonderten Untersuchungsfelds zur städtischen Bevölkerung nicht nötig erschien. Zudem gab es auch wenig Hinweise aus der Sekundärliteratur, dass es einen Zusammenhang von Stadtbürgern, Lachen und Sakralität gäbe oder in einer speziellen Textgattung dieser Kontext ausgeprägt thematisiert wäre. 95 Der Begriff gender soll im Folgenden die Bedeutungen bezeichnen, die Männern und Frauen kulturell zugewiesen werden. Dabei soll gender nicht als binär verstanden werden, sondern auf multiple Männlichkeits- und Weiblichkeitsmodelle abzielen und somit breitere Spektren abbilden helfen. Der Übersichtlichkeit halber wird auf Nennung der weiblichen Form von Substantiven in der vorliegenden Untersuchung verzichtet und ein Bezug auf alle gender genommen, wenn nicht explizit anders ausgewiesen. Vgl. Gaunt, Simon: Gender and genre in Medieval French literature, 1995, S. 10, 12.

Forschungsvorhaben und Untersuchungsgegenstand

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1.3.1 Lachen

Untersuchungsgegenstand ist das Lachen im sakralen Kontext im lateinischen Schrifttum der Geistlichkeit: Diese Bezugspunkte sollen im Folgenden kurz umrissen werden. Es erscheint zunächst komisch und witzlos zugleich, Lachen näher erläutern zu wollen, gilt es doch als angeborenes Ausdrucksverhalten 96 und vermeintlich als allen Kulturen aller Epochen bekannt. 97 Tatsächlich ist die Bandbreite des Lachens jedoch recht groß und reicht vom schallenden Gelächter bis hin zum kaum wahrnehmbaren Lächeln. Lachen und Lächeln unterscheiden sich nicht nur durch die ungleiche Intensität der Mimik und durch die Akustik, sondern auch aufgrund der teilweisen Unfreiwilligkeit der Reaktion des Lachens, besonders deutlich beim Kitzeln. Weitere Aspekte scheinen ebenfalls allen Menschen gemein: Lachen gibt generell eher einen Hinweis auf die emotionale Verwicklung einer Person in eine soziale Situation. 98 Lächeln hingegen vermittelt einen größeren Abstand und Selbstkontrolle, 99 es kann auch Ausdruck der Höflichkeit sein und ein Signal für die Aufrechterhaltung der Kommunikation. 100 Lachen indessen verursacht häu g wiederum ein Lachen. 101 Es ist entweder freundlich gemeint und Ausdruck von Zuneigung oder verdeutlicht ganz im Gegenteil als ein Verlachen eine feindliche Gesinnung. Ähnlich paradox kennzeichnet ungehaltenes Lachen Verrücktheit oder konträr beste geistige Gesundheit. 102 Die Variablen der Formen, Ursachen und Bedeutungen des Lachens machen aber auch eines deutlich: Im Lachen kommt ein kulturell durch Normen 103 entwickeltes menschliches Verhalten 104 zum Ausdruck, weshalb hier von dem Theorem einer anthropologischen Konstante Abstand genommen werden soll.

96 Beim Lachen ist das Zwerchfell mit einbezogen, der Pulsschlag erhöht sich, die Pupillen vergrößern sich und die Beinmuskulatur erschlafft. Zwei Sekunden lang ertönt die Stimme des Mannes mit mindestens 280 Schwingungen pro Sekunde und die der Frau mit 500 und erzeugt sieben schnelle „ha“-Laute hintereinander, bevor der Lachende neu Luft holen muss, die beim Lachen mit 100 Kilometern die Stunde aus dem Mund strömt. Vgl. Mayer-List, S. 18. 97 Vgl. P ster: Introduction, S. V. 98 Seit der Antike beschäftigt man sich mit der Frage, welchen Anteil die Vernunft am Lachen haben könnte. Wie groß der Anteil des Geistes, des Denkens auch beim Lachen sein mag, bei der Umsetzung in schriftliche Gestalt darf ein Minimum an Re exion über das Schreiben und das Geschriebene vorausgesetzt werden. 99 Vgl. Levine, Jacob: Humor, S. 4, linke Spalte. 100 Vgl. Zijderveld, Anton C[ornelis]: The Sociology of Humour and Laughter, 1983, S. 38. 101 Vgl. ders., S. 43. 102 Vgl. Levine, Jacob: Humor, S. 1, rechte Spalte. 103 Lachen kann in bestimmten Situationen besonders im interkulturellen Zusammenhang unangemessen, missverständlich oder gar unverständlich sein. 104 Vgl. Levine, Jacob: Humor, S. 4, linke Spalte.

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Mit den Stichworten „Kultur“ und „Entwicklung“ eröffnet sich eine historische Dimension des Lachens. 105 Als historischer Untersuchungsgegenstand bereitet das Lachen aber bei der Erforschung gewisse Probleme der Dokumentation und der Textualisierung. 106 Der Mediävist ist auf bildliche und sprachliche Illustrationen im Unterschied zu akustischen oder visuellen Überlieferungen angewiesen. Im Bereich der Textualisierung fallen viele Aspekte des Lachens weg, 107 beziehungsweise müssen beund umschrieben werden. Auf eine Historizität des überlieferten Lachens soll nicht rückgeschlossen werden. Der Fokus kann daher nur auf der Re exion über das Lachen liegen, den theoretischen Überlegungen der Zeitgenossen und deren literarischen Motiven der Praxis. Die diesbezüglichen Quellen des Mittelalters, abgesehen von Großteilen der weltlichen Literatur, geben vornehmlich Einstellungen und Beobachtungen der gebildeten Geistlichen wieder. Unter Geistlichkeit soll hier ein bestimmter Verfassertyp subsumiert werden, Akteure, die eine theologische, kirchliche Bildung erfahren haben, und ein entsprechendes Amt bekleiden, sei es als Skriptor, Seelsorger, Bischof oder Hofgeistlicher. Da die relevanten Texte überwiegend in Latein verfasst wurden, lässt sich das Wortfeld des Lachens verhältnismäßig gut abstecken. Eine gewisse Entsprechung in seinem grundlegenden Bedeutungsgehalt muss schlichtweg angenommen werden, 108 mit welchem trotz eines etwaigen geistigen oder metaphorischen Verständnisses eine spezielle körperliche Äußerung zu erfassen gesucht wird. 109 Das Lateinische kennt mehrere Wörter für das Lachen. Der Grundbegriff ist risus 110 als Substantiv und ridere als Verb.

105 Dabei ist es weniger das Lachen selbst, welches zeitlichen Veränderungen unterliegt, sondern sind es vielmehr die Kontexte des Lachens, seine Entstehung, seine Ursachen, sein Zweck und, wie bereits gezeigt, die Ansichten über diese Aspekte. 106 Bießenecker spricht in Bezug auf Emotionen gelungen von „doppelter Codierung“, „da sowohl die Ausdrucksseite derjenigen, die die Emotionen emp nden, als auch die Ebene der medialen Umsetzung zu berücksichtigen ist.“ Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 68. Ähnliches kann für das Lachen gelten, doch die wenigsten der vorliegenden Quellen wollen einen Ereignisbericht von sich tatsächlich zugetragenem Lachen liefern, sondern mit der Zeichenhaftigkeit des Lachens bestimmte Erzählzusammenhänge herstellen. Sofern es um „Figurenlachen“ und Textstellen geht, „in denen das Lachen der Figuren inszeniert wird“, „wird das Lachen als körperliches, soziales und gesellschaftliches Phänomen durch den Filter der literarischen Fiktion beobachtet.“ Bartsch, Nina: . . . nu lach oder zurne – (Formen-)Vielfalt des Lachens in Texten des Mittelalters, 2015, S. 65. 107 Hier sind die körperliche Präsenz des Lachenden in situ und die darin eingeschlossenen momentanen Anzeichen des Lachens, die Akustik, Gestik und Mimik zu nennen. 108 Ohne jedoch damit eine anthropologische Konstante zu meinen. 109 Unberücksichtigt bleiben metaphorische Ausdrücke, die sich nicht auf den Menschen beziehen, wie der Ausdruck pratum ridet, „die Wiese lacht“, welche so und in ähnlichen Formen auch in der hö schen Literatur vorkommt. Vgl. Liberman, S. 422. 110 Davon abgeleitet ist das Substantiv risor – „Lacher, Spötter“.

Forschungsvorhaben und Untersuchungsgegenstand

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Durch Prä xe erhält das Verb unterschiedliche Konnotationen. 111 Weitere Vokabeln sind cachinnare und renidere. 112 Einige Ausdrücke des Lachens werden unter Verwendung von beigestellten Wörtern gebildet, die das Lachen näher bestimmen, wie etwa risus cum cacchinis, geräuschvolles Lachen. 113 Nur marginal berücksichtigt wird im Folgenden der Bereich des „Lachen machen“, also durch Gestik, Mimik, Worte und Handlungen eines Akteurs einen anderen Akteur zum Lachen zu verleiten. Zunächst steht die Frage des Lachens an sich im Raum, seiner Legitimität, seiner Beschränkungen und seiner Freiräume. Die Frage, ob es legitim ist, jemanden zum Lachen zu bringen, kann sich nur an die erste Fragestellung anschließen. Daher nden Witz, Possen, Spaßmacher, Komik, Theater und vieles weitere nur randständig Berücksichtigung, sofern sie im Kontext von Textpassagen zum Lachen genannt werden.

1.3.2 Sakralität

Die vorliegende Arbeit untersucht hauptsächlich das Lachen im sakralen Kontext. 114 111 Bei ad- und arridere ist das An- und Zulächeln gemeint, auch im Sinne von mitlachen. Es kann aber auch „belächeln“ bedeuten oder im übertragenen Sinne „günstig sein“ und „jemandem gefallen“ oder „jemandes Beifall nden“, arrisor bedeutet daher auch „Schmeichler“. Es existiert jedoch kein Substantiv „das Lächeln“. Deridere wie auch in- und irridere meinen beide „aus-, verlachen, verspotten“. Zu beiden existieren Substantive: derisor – „Spötter, Witzbold, Spaßvogel“ und derisus – „Spott, Gespött, das Verlachen“, irrisor – „Spötter, Verhöhner“ und irrisus – „Spott, Verspottung, Verhöhnung“. Subridere umschreibt das Stadium unmittelbar vor dem Lachen oder nur etwas, ein wenig zu lachen. Im Deutschen wird dies übersetzt mit „lächeln“. Es kann auch verstanden werden als „heimliches Lachen“. Vgl. Le Goff, Jacques: Jésus a-t-il ri?, 1992, S. 72, Sp. 1. 112 Während der onomatopoetische Ausdruck cachinnare „laut au achen“ und cachinnus „lautes Lachen, schallendes Gelächter“ bedeutet, ist renidere ein Begriff für „vor Freude strahlen, lächeln“ oder auch „sich freuen“. Die wörtliche Bedeutung ist „zurückstrahlen, glänzen, schimmern“. Nur im übertragenen Sinne erhält es die oben aufgeführten Bedeutungen. 113 Vgl. Le Goff: Jésus a-t-il ri?, S. 72, Sp. 2. 114 Die Forschung zu Heiligkeitskonzepten, zu Hagiographie, Frömmigkeit und religiösen Verhaltensmustern fächert sich nach Disziplinen, Schulen und Hauptvertretern und unterschiedlichen methodischen Ansätzen auf und ist recht umfassend, weshalb hier nur auf einige wenige Literaturtitel verwiesen werden soll. Dabei lassen sich seit der Feststellung von Lotter bislang mehr Einzeluntersuchungen als Gesamtanalysen in Bezug auf Heiligenviten nden, vgl. Lotter, S. 348. Immer noch einen grundlegenden Überblick über Fragen, Themen und Tendenzen der Forschung zur Frömmigkeit liefert Schreiner „Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten“ von 2000. Besonders für den vorliegenden Kontext interessant ist der von Pulz herausgegebene Tagungsband „Zwischen Himmel und Erde. Körperliche Zeichen der Heiligkeit“ von 2012. Ferner bezüglich der Verbindung von Frömmigkeit, Politischem, Sozialem und Körper der von Schreiner herausgegebene Tagungsband „Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche

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Das Heilige bildet einen Gegensatz zum Profanen 115 und umfasst mehrere schwer greifbare Momente, die in sich widersprüchlich zu sein scheinen. 116 Heiligkeit ist nicht nur eine Eigenschaft oder das Wesen Gottes, sondern auch der Dinge oder Personen, die Gott geweiht sind. 117 Mit dieser De nition können in dieser Untersuchungen Ausdrucksformen“ von 2002. Aus dem DFG-Projekt „Sakralität und Sakralisierung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Interkulturelle Perspektiven in Europa und Asien“, welches seit 2011 existiert, sind bislang zwei Veröffentlichungen hervorgegangen: Sakralität zwischen Antike und Neuzeit / Berndt Hamm, Klaus Herbers, Heidrun Stein-Kecks (Hg.). – Stuttgart, 2007. – (Beiträge zur Hagiographie; 6). Sakralität und Sakralisierung. Perspektiven des Heiligen / Andrea Beck; Andreas Berndt (Hg.). – Stuttgart, 2013. – (Beiträge zur Hagiographie; 13). Vermutlich werden noch weitere Publikationen aus dem bis 2017 bewilligten Projekt hervorgehen. Bernd Hamm hatte bereits 2003 mit seinem Aufsatz „Heiligkeit im Mittelalter. Theoretische Annäherung an ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben“ Kritik, Aufgabenstellung, Komplexität des mittelalterlichen Heiligkeitsverständnisses sowie de nitorische Annäherungen dazu skizziert. 115 Diese Unterscheidung von heilig / profan ndet sich unter anderem bei Durkheim. Durkheim, Emile: Physik der Sitten und des Rechts. Vorlesungen zur Soziologie der Moral, 1999, S. 207 f, 222, 256. Die klassische De nition von Eliade geht ebenfalls von einer solchen Dichotomie aus: „Alle bisher gegebenen De nitionen des Phänomens Religion weisen ein Gemeinsames auf: jede von ihnen setzt in irgendeiner Weise das Heilige und das religiöse Leben dem Profanen und dem weltlichen Leben entgegen.“ Eliade, Mircea: Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte, 1954, 19. „Die Andersartigkeit des Heiligen in seiner Abgestuftheit kann auch als Qualität des Guten im Gegensatz zum Bösen bestimmt werden.“ Hamm, Berndt: Heiligkeit im Mittelalter. Theoretische Annäherung an ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben, 2003, S. 630. Für das Mittelalter ist ferner auszugehen von einer „Spannung zwischen einem verdienstorientierten virtus-Ideal des Heiligen und der Gegenkonzeption einer radikalen Gnadenhaftigkeit von Heil und Heiligkeit.“ Hamm: Heiligkeit im Mittelalter, S. 639. 116 Rudolf Otto beschreibt 1917 in seinem Werk „Das Heilige“ in einzelnen Kapiteln das Numinosen als sich aufgliedernd in das Moment des tremendum (des Schauervollen), der majestas (des Übermächtigen), des Energischen, des Mysteriums, des fascinans und des Ungeheuerlichen. Er unterscheidet verschiedene Heiligkeitsbegriffe: „Wir haben uns nämlich gewöhnt, ‚heilig` in einem Sinne zu gebrauchen der ein durchaus übertragener, keineswegs sein ursprünglicher ist. Wir verstehen es nämlich gewöhnlich als das absolute sittliche Prädikat, als vollendet gut.“ Dagegen will er aber darunter verstanden wissen: „Heilig schließt zwar all dieses mit ein, enthält aber, auch noch für unser Gefühl, einen deutlichen Überschuß, den es hier zunächst zu besondern gilt. Ja, die Sache liegt vielmehr so [sic!] daß das Wort heilig [. . . ] zunächst und vorwiegend nur diesen Überschuß bezeichnet“, daher müsse er für seine Untersuchung „einen besonderen Namen dafür [. . . ] er nden [sic!] der dann bezeichnen soll das Heilige minus seines sittlichen Momentes und [. . . ] minus seines rationalen Moments überhaupt.“ Otto, Rudolf: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, [1958], S. 5 f. Ambivalenzen sind somit unweigerlich mit Sakralität, Heiligkeit und Numinosität verbunden. 117 Ein derartiges Verständnis lässt sich gut mit dem Sprachgebrauch von sacer / sanctus vereinbaren: „Sacer [. . . ] ist alles, was einem numen zugehört, mit ihm in Verbindung steht, von

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Schriften mit Bezug zu diversen Personengruppen Berücksichtigung nden: Zu den Laien in sakralen Zusammenhängen, dem Klerus als dem gottgeweihten Stand sowie der ständeübergreifende Gruppe der Heiliggesprochenen. 118 Die Begriffe „heilig“ und „sakral“ werden im Folgenden synonym und wertfrei im Sinne einer Kategorie verwendet. 119 Christliche Heiligkeitskonzepte sind in der Vergangenheit im Hinblick auf Personen unterschiedlich eng oder weit gefasst worden. Während das Neue Testament 120 noch ein anderes Verständnis von Heiligen p egt, welches alle Gemeindemitglieder als Heilige zusammenfasst, beschränkte sich der Begriff in der kirchlichen Verwendung schon sehr früh allein auf besondere Ausnahmen. Die Christenheit verehrte zuerst nur Märtyrer. Deren Leiden und gewaltsamer Tod stellte in hohem Maße die Nachfolge Christi dar. Gleichzeitig bildete sich innerhalb der Gemeinden eine separate Gruppe von Mitgliedern als Amtsträger heraus. Durch die Absonderung bestimmter Personengruppen von den ursprünglich in ihrer Gesamtheit als heilig angesehenen Urgemeinden, wurde der Dienst an Gott institutionalisiert. Die Spezialisierung zu Fachleuten bewirkte die Formierung des Klerus, welcher in der Folgezeit als eigener Stand unterschiedliche Ausprägungen in Form von Welt- und Ordensgeistlichen annahm. Da der Schwerpunkt der Untersuchung auf den Heiligenviten liegt, folgen einige nähere Ausführungen zu den Heiliggesprochenen, ihrer Verehrung, der Kanonisation und den Hagiographen. Bei Heiligen zielt der Begriff auf ihre ethische und geistliche Vollkommenheit ab, die sich im Lebenswandel, ihrer überragenden Frömmigkeit und in von Gott gegebenen Gaben ausdrücken. 121 Die Funktionen der Heiligen im engeren

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seiner Macht in besonderer Weise betroffen ist u. darum Menschen besondere Verhaltensweisen vorschreibt.“ Dihle, Albrecht: Heilig, 1988, S. 20. „Das ‚Heilige` [ist] nicht nur ein philosophisches Abstractum [. . . ], sondern auch Gegenstände, Orte und Personen [können] als heilig gelten [. . . ], weil sich Gott durch sie kundgetan hat oder weil er sie zu seinem Kult besonders erwählt oder ermächtigt hat.“ Vocelka, Karl: Frömmigkeitsforschung Mittelalter und Frühe Neuzeit. Forschungsüberblick und bibliographische Einführung, 2009, S. 19. Sicherlich sind hierbei Hierarchisierungen des Heiligen zu berücksichtigen. Vgl. Hamm: Heiligkeit im Mittelalter S. 630. Dabei ist völlig klar, dass Heiligkeit jeweils im Zusammenhang damit steht, „[a]n welchem Ort, zu welcher Zeit und in welchen sozialen, politischen, ökonomischen, institutionellen, kulturellen und mentalen Kontexten [. . . ] von welchen Personen welches Ideal von Heiligkeit formuliert oder welche Wirklichkeit von Heiligung praktiziert [wird]“, Hamm: Heiligkeit im Mittelalter, S 633. In Kolosser 1,2 werden die Adressaten angesprochen mit den Worten „an die Heiligen in Kolossä, die gläubigen Brüder in Christus“. Interessant ist, dass der lateinische Begriff virtus bei Heiligen häu g auch die Wunderkraft meint. Das hier untersuchte Material lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass virtus sich ursprünglich nur in der Wunderhaftigkeit des toten Körpers der Heiligen ausdrückte und erst später auf ihre irdische Existenz ausgeweitet wurde. So aber bei Vauchez, André: Sainthood in the later Middle Ages, 1997, S. 427 u. 434.

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Verständnis sind unterschiedlich, 122 zentral aber ist ihre Position als Mittler zwischen Menschen und Gott, wobei diese Aufgabe und das Charakteristikum der Heiligen von Vollkommenheit und Reinheit einander bedingen. Indem die Heiligen diese göttlichen Eigenschaften in der Welt verkörpern, sind sie Zeichen für Gottes Fortwirken in der Geschichte, ermöglichen sie Gottes Offenbarung sichtbar in Wundern, auch durch Heilige bewirkt, und verhelfen den Gläubigen zu einem, wenn auch nur üchtigen, Kontakt mit dem Letztgültigen. 123 Dabei spielt auch die Vorstellung eine Rolle, dass jedes irdische Phänomen mit einem transzendenten korrespondiert. Die himmlische Ordnung spiegelte sich in der kirchlichen Hierarchie, das himmlische Jerusalem fand sich in dem irdischen und jeder Heilige entsprach dem Archetypen des Heiligen jenseits von Zeit und Raum. 124 Es verwundert daher auch nicht, dass die Viten einander ähneln, wollen die Verfasser doch stets auch das Heilige schlechthin in ihren Werken widerspiegeln. Es erfolgen Angleichungen in der Darstellung, die vielfach in bestehenden Heiligkeitskonzepten begründet liegen. Heiligkeitsvor- und -darstellungen weisen daher in gewissem Sinne einen hohen Grad an Kontinuität auf. Demgegenüber bestehen jedoch auch gewisse Änderungen, die sich zum Beispiel auf den Kreis der als Heilige verehrten Akteure erstrecken. Mit der Einführung des Christentums als Staatsreligion 125 wandeln sich die Kriterien der Heiligenverehrung, so dass sich der Kreis der heiligen Märtyrer seit dem 4. Jahrhundert erweiterte um besondere Bischöfe, 126 Eremiten, Asketen und Mönche, die als confessores ihren Glauben als Akt der Imitatio Christi bekannt, verbreitet oder verteidigt hatten. Im aske122 Je nachdem, ob der Heilige eher bewundert oder mehr gefürchtet wird, mag er den Gläubigen als Priester, Heiler, Schamane, Zauberer, Held, Prophet oder Seher dienen. Vgl. Goodich, Michael: Vita perfecta. The Ideal of Sainthood in the Thirteenth Century, 1982, S. 206. 123 „Society chooses to separate the saint, who represents wholeness and transcendental purity, from the prosaic secular world which surrounds him. Through his agency, the Holy Spirit transmits God's revelation and performs miracles, and his followers achieve a eeting contact with the eternal.“ Goodich, S. 206. 124 „The medieval Christian vision demanded that every terrestrial phenomenon correspond to a transcendental, celestial prototype: the heavenly Jerusalem was re ected in the earthly; the celestial hierarchy in the ecclesiastical. The Catholic saint likewise corresponds to an archetype of the sacred which transcends time or place. Thus, the formative years of the thirteenth century saint may well recall those of his counterparts in other times and other faiths.“ Goodich, S. 207. 125 Die Anzahl der Märtyrertode verringerte sich dementsprechend, dennoch kam der Märtyrertod zum Beispiel bei der Besiedlung paganer Landstriche durchaus noch vor. Unter Religion soll in der vorliegenden Untersuchung im Unterschied zu anderen De nitionen nicht der Glaube an eine übernatürliche oder übermenschliche Komponente der Wirklichkeit oder an ein übernatürliches oder übermenschliches Wesen verstanden werden, sondern die Ausübung dieses Glaubens und dessen soziale oder institutionelle Einbindung. 126 Die Vorlage für diesen Typus, der in der Westkirche maßgebend wurde, bot die Vita des Heiligen Martin von Sulpicius Severus verfasst.

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tisch-monastische Modell erscheint der Heilige „vor allem als Asket, der durch den Rückzug aus der Welt sich selbst abtötet und damit eine neue Form des Martyriums ermöglicht.“ 127 In ihrer Gesamtheit fächern sich die christlichen Heiligen in ein breites Spektrum an Menschen auf, 128 zumeist zurückzuführen auf historische Personen jeglichen genders, jeden Alters, unterschieden in Herkunft, sozialem und kirchlichem Status und in vielen weiteren Merkmalen. Die jeweiligen Absichten der Vitenverfasser haben das spezi sche Bild ebenfalls beein usst. Dabei sind Rückschlüsse möglich, „die hagiographische Quellen auf Mentalitäten und Vorstellungen zulassen. Verschiedene, sich wandelnde Ideale von Heiligkeit und [. . . ] Topoi gehören in diesen Zusammenhang.“ 129 Die Heiligenviten, verstanden als eine literarische Gattung, sind geprägt von divergierenden Anteilen von Faktizität und Fiktionalität, wobei einerseits der enorme Ein uss der Texttradition den Rahmen stark vorgibt und andererseits die Textproduktion auf eine Stimmigkeit abzielt, um gehört, verstanden und gefördert zu werden. Entstehungs- und Verwendungszusammenhänge wirken auf die Darstellung, die Themenwahl und den Fokus. Die Individualität der Heiligen rückt jedoch häu g zugunsten des Ideals der Heiligkeit in den Hintergrund. Die Heiligen sollen schließlich vorbildhaft als Menschen erscheinen, die eben nicht ihr Leben nach ihren eigenen Bedürfnissen gestaltet haben, sondern sich in ihrem Denken und Tun auf Gott ausrichteten und in gewissem Sinne die menschliche Sphäre zwar nicht verlassen, jedoch in ihrer Existenz eine Transzendierung verkörpern. 130

127 Herbers, Klaus: Hagiographie, 2002, S. 193. 128 Die vollständigste Liste der Heiligen bieten die Acta Sanctorum in ihrem 61. Band, worin etwa 20.000 Namen verzeichnet sind. 129 Herbers, S. 206. Die ehemalige Abwertung hagiographischer Texte durch Historiker des 19. Jahrhunderts weiß Herbers mit einer Frage zu relativieren: „[. . . ] denn was ist wertvoller, als Hoffnungen, Sehnsüchte, Glaubensvorstellungen vergangener Zeiten, kurz: Lebenswelten verschiedenster Art, in diesen Schriften zu entdecken?“, Herbers, S. 209. 130 Mit der Verbreitung der monastischen Lebensform wurden Mönche, die einen sehr geringen Teil der Bevölkerung ausmachten und anfänglich überwiegend dem Adel entstammten, zum Idealbild einer heiligen Lebensführung. Kirchliche und spirituelle Aspekte des Heiligen, besonders die Imitatio Christi, gewannen wieder an Bedeutung im Zuge der Gregorianischen Reform und mit dem cluniazensischen und dem zisterziensischen Mönchtum. Mystik und Visionen stellten Ende des 13. Jahrhunderts den Höhepunkt dieser Entwicklung der Verinnerlichung dar, die zur Heiligsprechung großer Theologen und berühmter Kanzelredner führte. Die Gruppe der heiligen Eremiten und Pilger spielte jedoch weiterhin häu g aufgrund ihrer Volksnähe eine große Rolle. Vauchez, A[ndré]: Heilige. Westkirche. Heiligkeit, 2002, Sp. 2014 f. Kontakte zu anderen Kulturkreisen, etwa während der Kreuzzüge, hatte die Einführung unbekannter Heiliger zur Folge. Große Beliebtheit erfuhren Heilige im Kontext der Ausbildung der Standes- und Schutzpatrone, die zu direkten Ansprechpartnern und Helfern, Adiutoren wurden. Die Heiligenverehrung nahm in der Folgezeit zunehmend magische Züge an. Vgl. Daxelmüller, Ch[ristoph]: Heilige. Westkirche. Heiligenverehrung in Liturgie und Volksfrömmigkeit, 2002, Sp. 2015–2017.

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Die Heiligenverehrung wurde sowohl von den gläubigen Laien geprägt als auch von den geistlichen Obrigkeiten gefördert und geformt. Die religiösen Praktiken 131 hatten sich bereits in der Spätantike zu einem umfassenden Kult außerhalb der Liturgie ausgeweitet, welchen man zurück unter kirchliche Führung zu lenken suchte. 132 Verschiedene Elemente hielten die Volksnähe jedoch aufrecht, 133 andere Elemente wie die exklusive Herkunft des Großteils der Heiligen scheinen dieser in gewisser Weise entgegenzustehen. 134 Mit der Entfaltung und Verbreitung der Heiligenverehrung entwickelte sich auch der Vorgang der Heiligsprechung, welcher zunehmend reglementiert wurde. Neben der aus einer lokalen Gemeinde entstandenen Verehrung sogenannter Volksheiliger gewannen kirchliche und weltliche Autoritäten bei der Befürwortung und Umsetzung einer Heiligsprechung an Bedeutung. 135 Nicht nur auf regionaler Ebene, sondern schließlich vom Papst selbst wurde der Umgang mit den Heiligen, ihren Schreinen und Reliquien auch als Werkzeug der Macht erkannt und genutzt. Die Kanonisation war seit dem 13. Jahrhundert eine letztlich dem Papst vorbehaltene Erklärung. Die Verlagerung der Zuständigkeit von der bischöflichen zur päpstlichen Heiligsprechung diente der Steigerung der päpstlichen Autorität ebenso wie der Kontrolle der Volksfrömmigkeit. Dem zunehmenden päpstlichen Interesse ist es sicherlich auch zu verdanken, dass sich die Gattung der Hagiographie, 136 darunter auch 131 Es entwickelten sich die Ideen der Gemeinschaft der Heiligen, der communio sanctorum, ihrer Verehrung, veneratio, ihrer Anrufung, invocatio und ihrer Funktion als Fürsprecher, intercessor. Vgl. Daxelmüller, Sp. 2015–2017. 132 Durch liturgische Reformen des Ambrosius von Mailand und Augustinus im 4. Jahrhundert und Überführung der Märtyrergebeine, Translation in den Kirchenraum wurden die „ungehemmten Entfaltungsmöglichkeiten“ eingeschränkt, die „zwangsläu g zu Ausartungen bes. der Martyrerfeiern [sic]“ geführt hatten. Andresen, Carl / Denzler, Georg: Martyrerkult, 1982, S. 390. 133 Bedeutsam für die Gläubigen war die konkrete Erfahrung der Heiligen im Diesseits in Form von Erscheinungen, welche die Anwesenheit des Heiligen bestätigten, Kultorten, zu denen man eine Wallfahrt machte, und Gegenständen wie die Reliquien. Vgl. Daxelmüller, Sp. 2015–2017. 134 „In ihrer großen Mehrzahl waren es Mitglieder der Führungsschicht (Bischöfe, Äbte, Gründer von Klöstern oder Kirchen), die als Heilige verehrt wurden, und es setzte eine Verschmelzung zwischen der Idee der Heiligen, hoher aristokratischer Herkunft und Ausübung der Macht ein (Adelsheiliger). Hierdurch bedingt, begegnen nur selten Frauen, jüngere Leute oder aber einfache Gläubige als Heilige.“ Vauchez: Heilige. Westkirche. Heiligkeit, Sp. 2014 f. 135 War die Popularität eines Heiligen in einer bestimmten Region der Ausgangspunkt, war eine Kanonisation ohne das Interesse kirchlicher oder weltlicher Autoritäten meist unmöglich. Bezüglich des öffentlichen Kultes war die Zustimmung des zuständigen Bischofs wesentlich. 136 Unter Hagiographie ist zunächst alle Literatur zu verstehen, die der Heiligenverehrung dient, dazu zählen Passionsberichte (passiones), Lebensbeschreibungen (vitae), Wundererzählungen (miraculae) und Translationsberichte (translationes) und auch Sammlungen von Heiligengeschichten. Hagiographie ist neben dem Begriff der Hagiologie aber auch die gebräuchliche Be-

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die Heiligenviten, immer stärker herausgebildet hat. Die Forschung tut sich immer noch schwer damit, die Frage nach Übertreibungen und Verfälschungen hinter sich zu lassen, und stattdessen nach eingewobenen kollektiven Vorstellungen zu suchen und die sinnstiftenden Bestrebungen herauszuarbeiten. Nicht selten waren die Heiligenviten die Grundlage für einen Kanonisationsprozess oder wurden kurz im Anschluss daran verfasst. Während die Heiligen des 1. Jahrhunderts noch als Folge spontaner Verehrung durch das christliche Volk „Heilige“ genannt wurden, entwickelte sich ein zunehmend juristisches Verfahren der Heiligsprechung. In der Beschreibung und der Rezeption der Heiligen erfolgte bis in das 16. Jahrhundert kein Unterschied zwischen sancti, den Heiligen, und beati, den Seligen. 137 Die Intentionen der Vitenverfasser waren demnach von theologischen, pädagogischen und auch von politischen Interessen geleitet. Sie richten sich an den eigenen Stand, aber auch an Laienzuhörer, die anschaulich in ihrem Glauben bestärkt und zu einem frommen Lebenswandel bewegt werden sollen. Die Heiligkeit einer lokalen Persönlichkeit zu betonen, hatte häu g wirtschaftliche und politische Vorteile zur Folge. Die Gruppe der Heiliggesprochenen, die Heiligen der Viten, sind in besonderem Maße Schnittstelle zwischen den Ständen, zwischen Klerus, Adel und der restlichen Bevölkerung, zwischen Theologen und Laien, weil sie allen Gruppen entstammen und alle Christen ansprechen sollen. Sie sind daher auch Bindeglied zwischen den bisweilen breiten Bevölkerungsschichten, die eine Heiligsprechung auslösen, den klerikalen Vitenverfassern und den Adressaten. Während also die Absonderung des gottgeweihten Standes insbesondere durch eigene Lebensregeln und theologische Bildung die Stände trennt, sind es der Vorgang von der Heiligenverehrung bis zur Heiligsprechung und der Gebrauch der Viten, die ständeübergreifend wirken konnten. Dies gilt es im Blick zu

zeichnung für die Wissenschaft, die sich mit diesen Quellen beschäftigt. In der vorliegenden Arbeit wird der Terminus nur eng auf die Quellengattung angewendet. Für die Geschichtswissenschaft sind die hagiographischen Quellen lange Zeit eine sehr problematische Gattung gewesen, da in den Augen vieler Historiker die in ihnen transportierte religiöse Wahrheit den Blick auf historischen Gehalt bestenfalls verstellt. Es sei kurz angemerkt, daß dies für die vorliegende Untersuchung kein Problem darstellt: Es geht hier nicht um die Belegbarkeit des Lachens von Heiligen, sondern darum dass den Adressaten die Heiligen in einer bestimmten Weise dargestellt werden und diese sich an der Darstellung unabhängig von der ihr zugrundeliegenden Historizität orientieren. Besonders in der Nouvelle Histoire der „Annales-Schule“ in Frankreich gewann auch die Hagiographie an Bedeutung im Rahmen einer Geschichtswissenschaft als Kulturwissenschaft, die auf Anthropologie, Ethnologie, Human- und Sozialwissenschaften rekurriert. Für die Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Religiosität ist vornehmlich Vauchez wohl als bahnbrechend anzusehen. Eine knappe Forschungsgeschichte zur Hagiographie liefert Flemmig, Stephan: Hagiographie und Kulturtransfer. Brigitta von Schweden und Hedwig von Polen, 2001, S. 11–15. 137 Deshalb werden in dieser Arbeit sowohl beati als auch sancti unter dem Begriff Heilige untersucht. Vgl. Goodich, S. 21; vgl. auch Bernt, Günter: Hagiographie, 1993, S. 25.

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haben, wenn das Lachen in Heiligenviten als trennendes oder verbindendes Element von Ständen untersucht wird.

1.3.3 Untersuchungszeitraum

Eine zeitliche Abgrenzung der Analyse erfolgt durch die Bestimmung der zu erforschenden Epoche des Mittelalters. Eine sinnfällige Zäsur im vorliegenden Kontext ist die Phase der Reformation und Spaltung der Kirche in unterschiedliche Konfessionen als Endpunkt der Untersuchung. Durch diesen Prozess wird die gesamte Thematik komplexer, da die protestantischen Glaubensvertreter nicht dieselben Textgattungen hervorgebracht haben. Nicht nur fehlen auf dieser Seite zum Beispiel die Heiligenviten, sondern auch die Vorstellungen von Heiligen, von subjektivierter Heiligkeit, unterliegen einem eklatanten Wandel. 138 Etwaige Rückwirkungen auf katholische Heiligkeitsideale sind nicht vollständig auszuschließen. 139 Da die Reformation gemeinhin als ein markanter Wendepunkt angesehen wird, der das Ende des Mittelalters einleitet, soll diese Formel für die Untersuchung ausreichend sein. Eine derart deutliche Zäsur für den Beginn des Untersuchungszeitraumes gibt es nicht. Das Lachen wird sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament thematisiert. Die Kirchenväter nehmen zusätzlich zum biblischen Ideengut antike Vorstellungen in ihren Wissensschatz mit auf. In die Textproduktion geht beständig neues Material 138 So hat Karant-Nunn im Hinblick auf Gefühlsgeschichte „anhand katholischer, evangelischer und calvinistischer Predigttexte [. . . ] gezeigt, wie im nachreformatorischen 16. und 17. Jahrhundert jede der Glaubensrichtungen ihr eigenes ‚Emotionsskript` entwickelte.“ Vgl. Plamper, S. 83. Jäggi liefert vielschichtige Antworten auf die Frage nach der Sakralität im Protestantismus im Hinblick auf Kirche als sakralen Raum. Nicht nur mahnt sie zur Unterscheidung der verschiedenen Gruppierungen, sondern stellt unterschiedliche Umgangsweisen mit dem Heiligen fest, von „vorreformatorischen Sakralitätsvorstellungen[, die] nach der Reformation ungebrochen fortlebten“, Destruktion traditioneller Heilsmedien und von „De-Sakralisierungsprozesse[n, die sich] auch als Re-Sakralisierungen erwiesen.“ Jäggi, Carola: Sakralität im Protestantismus, oder: Wo steckt das Heilige nach der Reformation?, 2013, S. 53 u.69. Die Wirkung der Reformation auf die Hagiographie allgemein und der Konfrontation „herkömmliche[r] Heiligenverehrung und Hagiographie mit einem konsequent protestantischen Gegenmodell“ anhand eines Beispiels skizziert Ohst. Ohst, Martin: Protestantische Hagiographie. Einige Bemerkungen zu John Foxe's ‚Acts and Monuments`, 2007, S. 285. 139 So weist die „katholische Frömmigkeitsgeschichte [. . . ] auch wesentlich spektakulärere Erscheinungsformen auf [. . . ] als die protestantische oder reformierte Variante“. „Die Reformation wurde von katholischer Seite meist nur als Einbruch bei den Frömmigkeitsformen gesehen“, aber „[n]ach dem Widerstand der Reformation gegen die Heiligenverehrung kam es im katholischen Bereich Europas als Gegenschlag zu einer starken Betonung der Heiligen [. . . ]“, Vocelka, S. 15 u.26.

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ein, welches mit dem vorhandenen in unterschiedlichem Maß in Einklang gebracht wird. Neue Textgattungen entstehen und Texttraditionen formen sich aus, verfestigen und entwickeln sich. Schließlich erleben die schriftlichen Erzeugnisse einen ungleichen Nachhall in der Rezeption, sie werden bewahrt, umgestaltet, vergessen und wiederentdeckt. Somit ist der Einschnitt zwischen Antike und Mittelalter eine willkürlich gesetzte Marke und orientiert sich mit ungefähr dem 6. Jahrhundert 140 an der Verschriftlichung koinobitischer, klösterlicher Lebensregeln. Die Berücksichtigung einer solchen langen Zeitspanne ist unumgänglich, um vorgelegte Phaseneinteilungen und Entwicklungsmodelle nachzuvollziehen oder davon abweichende zu identi zieren. Punktuelle und sehr spezialisierte Detailanalysen können diesen Anspruch nicht erfüllen. Zu dieser zeitlichen Abgrenzung erfolgt noch eine geographische durch die Konzentrierung auf Belege der Westkirche. Insgesamt bezieht sich das Forschungsvorhaben auf Beschreibungen und Bewertungen des Lachens unter der Grundannahme einer weitestgehenden Entsprechung vom Bedeutungsinhalt der Bezeichnungen in Mittelalter und Gegenwart. 141 Das Lachen soll insbesondere im sakralen Kontext untersucht werden, wobei Heiligkeit sich auf Personen, Orte, Gegenstände, Handlungen und Zeiten beziehen kann, die dem profanen Bereich enthoben sind. Der sakralen Sphäre zugeordnet fordern sie eine bestimmte Haltung und entsprechendes Verhalten von den Akteuren, die sich dem Heiligen zuwenden.

140 Textbeispiele aus den davorliegenden Jahrhunderten werden in der vorliegenden Arbeit mitunter zur Verdeutlichung unter anderem von Erzähltraditionen herangezogen werden. Sie sollen aber insgesamt keineswegs die absichtlich nicht chronologisch sortierten Forschungsergebnisse zugunsten einer anderen Gewichtung des Befundes beein ussen. Dies wäre insbesondere der Fall bei den in den ersten Jahrhunderten häu g vorkommenden Viten der Märtyrer, wie später noch zu zeigen ist. 141 Oder anders mit den Worten Dinzelbachers „(wir müssen prinzipiell mit gegenwärtigen Begriffen über die Vergangenheit handeln, da der Diskurs zwischen uns Heutigen geführt wird, und nicht mit irgendeinem ‚homo mediaevalis`, und das Fehlen von Begriffen damals nicht auch das Fehlen des Phänomens erweist).“ Dinzelbacher, Warum weint der König?, S. 14. Nun fehlt der Begriff des Lachens im Mittellateinischen zwar nicht, es soll jedoch auf eine aufwendige Untersuchung zu einem identischen Begriffsverständnis verzichtet und als übereinstimmend angenommen werden im Unterschied zu Rosenwein, die mit Emotionsbegriffen operiert, deren verändertes Verständnis eher anzunehmen ist. Vgl. Plamper zu einem Berliner Vortrag von Rosenwein am 6. Juli 2009, S. 81.

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1.4 Vorgehensweise

Die Untersuchung des Lachens in sakralen Kontexten des Mittelalters ist nur unter den Annahmen möglich, dass der Begriff „Lachen“ stets einen ähnlichen Bedeutungsinhalt bezeichnet und von den Zeitgenossen entweder in bewusster Intention verwendet wurde oder auf die Gefahr hin, mitunter auch wortwörtlich und nicht metaphorisch verstanden zu werden. 142 Des Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass das Lachen kulturell geprägt ist und sich die daraus ergebenden Varianzen mit geschichtswissenschaftlichen Methoden untersuchen lassen. Diese beiden Hypothesen sind jedoch nicht Gegenstand der folgenden Analyse und können auch nicht durch den Untersuchungsansatz hinterfragt und eruiert werden. Im Folgenden werden die Eckpfeiler des Forschungsvorhabens und Untersuchungsgegenstandes „Lachen“, „Sakralität“, „lateinische Quellen“, „Schrifttum“ und „Geistlichkeit“ im Zusammenhang mit dem methodischen Vorgehen skizziert. Mit dem Objekt des Lachens liegt ein weitaus klarer zu umreißendes Phänomen vor als es zum Beispiel bei Humor der Fall ist. Im Unterschied zum Lachen muss der Begriff des Humors nicht explizit genannt werden, um in einem Text transportiert zu werden. 143 Beim Lachen ist dies nicht im gleichen Maße möglich, der Begriff muss im Text fallen, „explicitly lexicalized“, 144 um anzuzeigen, dass ein Akteur lacht. Humor unterliegt nicht nur als Phänomen einem stärkeren Wandel, sondern selbst der Begriff hat einen größeren Bedeutungswandel erfahren. Im Mittelalter stand er im Kontext der Humoralpathologie. 145 Insofern könnte sich eine Untersuchung des Humors im 142 Diese Annahme beinhaltet daher auch, dass der Begriff des Lachens grundsätzlich dieselbe Körperäußerung bezeichnet, also zum Beispiel nicht etwas Komplementäres wie Weinen, etwas Entlegenes wie eine Kratzbewegung oder etwas Verschiedenes wie mentale Abwesenheit oder Aufmerksamkeit. Diese Hypothese soll trotz der Möglichkeit des metaphorischen Verständnisses aufrechterhalten bleiben, da die sinnbildliche Auffassung bei allen Adressaten durch die Verfasser angesichts von Theoremen wie des sensus litteralis, der wörtlichen Textauslegung, nicht durchweg angenommen worden sein dürfte. Auf diese begrifflichen Feinheiten wird an gegebener Stelle dennoch eingegangen, sie sollen jedoch nicht zu einem Ausschluss von Belegstellen a priori führen. 143 Diese Problematik lässt zum Beispiel Bießenecker völlig unberücksichtigt. Vgl. Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 51. 144 Merceron, S. 115. 145 In dieser Lehre antiken Ursprungs wurden zunächst Elemente und Lebenssäfte, schließlich auch Farben, Organe, Jahreszeiten, Lebensalter und Charakter eines Menschen einander zugeordnet. Die lateinische Grundbedeutung von Feuchtigkeit, Flüssigkeit und Nahrungssaft von P anzen meinte nunmehr die wohltemperierte Mischung der Körpersäfte und eine damit zusammenhängende ausgeglichene Stimmung beim Menschen. Dieser Zusammenhang ist heute noch in einigen Sprachen erkennbar. Im Französischen bedeutet „humeur“ soviel wie Temperament, Neigung, Laune, im Englischen kann „humour“ darüber hinaus auch Spaß, Komik, aber auch immer noch Körper üssigkeit bedeuten.

Vorgehensweise

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Mittelalter kaum auf diesen Begriff stützen. Methodisch ergibt sich daher das schwierige Unterfangen, zuvor eine De nition zu liefern, was unter Humor zu verstehen sein soll. Allenthalben beklagen sich Forscher aber über die Schwierigkeit „Humor“ zu denieren 146 und die damit zusammenhängende ungenaue Verwendung des Wortes. 147 Bereits das Lachen allein stellt einen ausreichenden Untersuchungsgegenstand dar, die Fülle und Vielfalt des Materials ist kaum erfasst worden und eine Neubewertung des bisher gesichteten Quellenmaterials ist vielversprechend. Aus methodischer Sicht scheint die Sphäre des Sakralen zunächst eine unpräzise Kategorie zu sein, im vorliegenden Zusammenhang umfasst das Heilige daher mehrere Dimensionen. 148 Das Sakrale ist dabei besonders schwer fassbar, da auch hier ein historisch unterschiedliches Verständnis vorliegt. Die oben bereits erläuterten unterschiedlichen Eckpunkte eines weit gefassten Heiligkeitsbegriffs gewährleisten dennoch ausreichend Orientierung. Im Anschluss an die Untersuchung ist vermutlich in Bezug auf das Lachen eine Bestimmung von Abstufungen 149 des Sakralen möglich. Durch die Festlegung auf lateinische Quellen erfolgt eine Auswahl auf eine im mittelalterlichen Europa überall verbreitete Sprache, mittels derer sich repräsentative Ergebnisse erzielen lassen ohne das Hindernis der Übersetzungen in andere Sprachen 150 und damit möglicherweise der Aufgliederung in mehrere Begriffe. Es ist höchstens die Entwicklung des Verständnisses des Begriffs zu berücksichtigen, nicht aber seine unterschiedliche Übertragung in mannigfache Volkssprachen. Diese Beschränkung erhöht die Vergleichbarkeit unabhängig von verschiedenen Sprachräumen des Mittelalters und erlaubt die vergleichende Übersicht nicht nur von Belegen aus unterschiedlichen Zeitabschnitten, sondern auch von Material aus unterschiedlichen geo-

146 „As a matter of fact, the claim that humor is unde nable has been advanced several times.“ Escarpit, Robert: L'humour. – Paris, 7. Au . 1981, S. 5–7, zit. nach Attardo, S. 3. 147 „The lack of a rigorous, or at least reliable, de nition of humor and of its categories causes (. . . ) another dif culty that hinders research“. Sinicropi, Giovanni: La struttura della parodia; ovvero Bradamante in Arli, in: Strumenti critici, 1981, 45, S. 232–251, zit. nach Attardo, 1994, S. 4. 148 So ndet sich selbst zu einem Band wie „Komik und Sakralität“ eingangs keine De nition von Sakralität. Diese scheint als bekannt vorausgesetzt zu werden. Vgl. Grebe, S. 9–13. 149 Köbele spricht in ihrer Untersuchung zu Grenzfällen von Heiligkeit in der mittelalterlichen Mystik von „einer Skala von mehr oder weniger heiliger Heiligkeit“ oder auch, dass die Kirche „‚Grade` von Heiligkeit zulässt“. „Unterschieden werden in der theologischen Binnenperspektive ein absoluter Begriff von Heiligkeit – der kommt nur Gott zu –, und ein relativer Begriff von Heiligkeit, der von jenem ersten abgeleitet gedacht ist und sich ausdehnt auf alles, was zur Heiligkeit Gottes in Beziehung steht: auf Personen, Dinge, Gegenstände, Räume, Zeiten, Texte.“, Köbele, Susanne: Heilicheit durchbrechen. Grenzfälle von Heiligkeit in der mittelalterlichen Mystik, 2007, S. 148 u. 150. 150 Dieses Problem hat auch Bießenecker erkannt, jedoch daraus keine methodischen Konsequenzen gezogen. Vgl. Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 25.

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graphischen Räumen. 151 Die Sichtung des Quellenmaterials 152 erfolgte mittels elektronischer Stichwortsuche in den Acta Sanctorum 153 mit besonderem Fokus auf die Wortfamilie risus als dem zentralen Ausdruck mit dem häu gsten Vorkommen in den zeitgenössischen Quellen. 154 Dabei wird das Begriffsfeld des Lachens, lateinisch 151 Eine stärkere Differenzierung der Darstellungsweisen des Lachens zwischen lateinischen und volkssprachlichen Quellen muss nicht unbedingt gegeben sein. Dahingehende Thesen könnten in einer Forschungsrezeption von Herrschaftstechniken im Zusammenhang mit dem Lachen begründet liegen. 152 Zurecht von Le Goff als „mühsame ‚Angelei`“ bezeichnet. Vgl. Le Goff, Jacques: Das Lachen im Mittelalter, 2004, S. 14. 153 Die Verwendung der Acta Sanctorum ist nicht unproblematisch, sie stellen ein Textkorpus dar, „das nicht als Vitensammlung im engeren Sinn verstanden werden könne, sondern in dem die zu den verschiedenen Heiligen verfügbaren Dokumente präsentiert werden sollten.“ Sawilla, Jan Marco: Antiquarianismus, Hagiographie und Historie im 17. Jahrhundert. Zum Werk der Bollandisten. Ein wissenschaftshistorischer Versuch, 2009, S. 102. Zum Teil konnten bereits existierende „Verwirrungen“ und „Widersprüchlichkeiten“ nicht von den Bollandisten aufgedeckt werden, zum Teil begnügten sie sich aus unterschiedlichen Gründen mit ungenauen Textdatierungen. Vgl. ders., S. 107 u. 113. Ähnliche Ungenauigkeiten schlichen sich mit Ort- und Personennamen ein. Vgl. ders., S. 123–128. Dazu kommen Fälle von martyrologischer Überlieferung, die „kein realhistorisches Gegenstück besessen haben. Sie scheinen ohne Ausnahme das Produkt eines irritierenden Verschriftlichungsprozesses zu sein, der in seiner Charakteristik weniger auf traditionale Missverständnisse schließen läßt, sondern die Züge einer willentlichen Vervielfältigung der Namen der Heiligen trägt.“ Ders., S. 128. Häu g verband sich „mit der Reihung zahlreicher Belegstellen die Vorstellung verdichteter Evidenz.“ Ders., S. 132. Die Bollandisten tendierten dazu, weniger den originalen Textbestand wiederzugeben, sondern sich eher an einer „kult- und überlieferungsgeschichtlichen Realität, die sich in späteren Modi kationen verkörperte“ zu orientieren. Ders., S. 134. „Die Frage nach der historischen Wahrheit steht in herausgeberischen Zusammenhängen nicht an erster Stelle. Das Modell abgestufter Plausibilität, das Bolland in seiner Einleitung der Januarbänder präsentiert hatte, ist nicht in ein editorisches Programm zu übersetzen.“ Ders., S. 767. So gesehen ist die Editionsarbeit der Bollandisten kritisch zu betrachten, unterlag sie im Verlaufe der Jahrhunderte sicherlich unterschiedlichen Transkriptionsweisen, divergierenden wissenschaftlichen Standards neben der vermutlich mitunter problematischen konfessionellen Nähe zum Textmaterial. Dennoch ist es recht unwahrscheinlich, dass das Textmaterial ausgerechnet in Bezug auf das Lachen schwerwiegende Interpolationen durch die Editoren erlitten haben sollte. Noch mehr zu dieser Problematik vgl. Sawilla. Bei Badea ndet sich ebenfalls die Problematik dargestellt, die „Mechanismen, deren sich die gelehrten Ordensleute [gemeint sind die Bollandisten als Jesuiten, Anm. d. Verf.] bedienten, um neues historisches Wissen zu generieren, sind vielschichtig und schwer nachvollziehbar.“ Badea, Andreea: (Heiligen-)Geschichte als Streitfall. Die Acta sanctorum und Mabillons Epistola de cultu sanctorum ignotorum und die römische Zensur, 2012, S. 383. 154 Quantitativ fallen der Grundbegriff „lachen“ – ridere und die Ausdrücke mit unterschiedlichen Prä xen für „verlachen, auslachen“, nämlich irridere, mit der weniger gebräuchlichen Form inridere, und deridere in den Heiligenviten der Acta Sanctorum am meisten ins Gewicht. Da der allgemeine Begriff ridere auch für das Auslachen benutzt werden kann, ist diese

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risus beziehungsweise ridere als dazugehöriges Verb mit etwaigen Prä xen wie de-, ad- und ir-, ganz eng bestimmt 155 und das Quellenmaterial dahingehend ausgewählt. Die daraufhin ausgeworfenen Textpassagen zeigten Auffälligkeiten bezüglich weiterer Begriffe, die im Kontext genannt wurden. Diese weiteren Schlüsselworte, die zum Beispiel die Art des Lachens näher bezeichnen oder auf die Objekte des Lachens verweisen, wurden daraufhin weiter fein sortiert. Mittels eines derartigen Blicks auf die Syntax bilden sich bestimmte Muster und Kategorien heraus. Nicht zu verschweigen ist dabei, dass dieses Forschungsraster letztlich suggeriert, die mittelalterlichen Verfasser hätten nur die im Folgenden analysierten Aspekte in der vorliegenden Ordnung verinnerlicht und entsprechend eine Kasuistik, ein System von Verhaltensregeln, entworfen. Die große Menge an weiteren Belegstellen ohne offensichtliche sich wiederholende Stichworte im näheren Textzusammenhang weist darauf hin, dass nur durch weiterführende Untersuchungen genauer herausgearbeitet werden kann, ob und wie sich weitere, feinere Aufteilungen ergeben oder ob dem Lachen der Heiligen eher keine oder nur wenig Systematik zugrunde liegt. Diese Forschungsarbeit hat jedoch den Anspruch, zunächst ein möglichst umfassendes Spektrum abzubilden und ein größeres Feld für folgende Forschung zu eröffnen. Der Untersuchung liegt daher eine größere Menge an ausführlichen Beispielen zugrunde, die die Vielfalt an Darstellungsvarianten

Bedeutung die häu gste in den Viten. Dabei ist diesem statistischen Wert keineswegs eine Aussage über den Akteur zu entnehmen und umfasst daher zum Beispiel auch die Gegenspieler der Heiligen als Lachende. In absteigender Häu gkeit werden „lächeln“ – subridere, „laut lachen“ – cachinnare und schließlich renidere – „vor Freude strahlen“ verwendet. Äußerst selten in Gebrauch ist die Bezeichnung für „an-/zulächeln“ – adridere. All diese Angaben erlauben wie gesagt noch keine Rückschlüsse über die Art des Lachens der Heiligen. 155 Die Untersuchung beschränkt sich überwiegend auf lateinische Quellen. Eine gewisse Auswirkung auf das Ergebnis der Untersuchung ist nicht von der Hand zu weisen. Die Auswahl der Quellen birgt verschiedene Vorteile in sich: Dieses Vorgehen bietet sich aufgrund des Umstandes der Verbreitung und der Jahrhunderte andauernden Nutzung des Lateinischen als der Schriftsprache des Klerus geradezu an. Auf diese Weise lässt sich eine sehr viel längere Entwicklungslinie verfolgen, als dies bei klerikalen Quellen in der jeweiligen Volkssprache der Falle wäre. Da die Analyse sich insbesondere auf Fundstellen bestimmter lateinischer Wortfelder stützt, lassen sich leichter Anknüpfungspunkte an Verfasser der Antike und an die Schriften der Kirchenväter aufzeigen. Auch der Vergleich der Heiligenviten zu den theoretischen Schriften der Theologen und Klosterregeln, die weiterhin überwiegend in Latein abgefasst wurden, wird durch die übereinstimmende Sprache trotz ihrer Weiterentwicklung erheblich vereinfacht. Mit Sicherheit ließen sich regionale und überregionale Aspekte einer Lachkultur sehr viel dramatischer anhand der Volkssprachen darstellen. Für die Herausarbeitung der Grundlagen eignet sich jedoch eine Quellenauswahl mit immerhin mehr als 2000 Fundstellen allein für den Bereich der Heiligenviten in den Acta Sanctorum auf der Basis einer gemeinsamen Sprache am ehesten. Von „Lachen als Randerscheinung“ wie Bießenecker es bezeichnet kann also nicht die Rede sein. Vgl. Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 223–225.

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aufzeigen und zugleich dem Eindruck vorbeugen möchte, es handle sich um Einzelfälle, stereotype Formen und eindimensional zu systematisierende Kategorien. 156 Die Auseinandersetzung allein mit textlichen Belegen hat – ebenso wie die alleinige Berücksichtigung der lateinischen Sprache – den Vorteil einer besseren Vergleichbarkeit, da keine Übersetzungen in eine andere mediale Sprache erfolgt. Die damit zusammenhängenden theoretischen Vorüberlegungen müssten einen zufriedenstellenden Transfer bezüglich eines eindeutigen Ausdrucks leisten. Bildliche Darstellungen, im erweiterten Verständnis auch in Form von Skulpturen, bleiben daher aufgrund von methodischen Hindernissen der Vergleichbarkeit von Wort- und Bildsprache unberücksichtigt. In den Texten geht es in den seltensten Fällen um die Dokumentation eines Lachens, das sich historisch ereignet hat, sondern viel mehr um mögliche Darstellungsweisen, Beschreibungsarten und Bewertungen des Lachens. Diese haben vermutlich Auswirkungen auf die Praxis genommen, bei formulierten Normen galten sie als Idealvorgabe. Die Darstellungen können sich jedoch nicht beliebig weit von der Lebenswelt entfernen, sondern müssen nachvollziehbar für die Adressaten in ihrem Verständnis vom Lachen bleiben. Die Geistlichen sind die Akteure der Vertextlichung, der Auseinandersetzung mit dem Lachen. Als Lachverständige stellen sie insbesondere einen deutlichen Bezug zum Sakralen her. Es wäre in einer anderen Untersuchung anzustrengen, inwieweit in der weltlichen Literatur solche Bezugnahmen erfolgten. Ein diachroner Untersuchungsansatz schließlich liefert einzig die Möglichkeit, die Gleichzeitigkeit von divergierenden Vorstellungen zu beweisen und die vorhandenen Entwicklungsmodelle zu überprüfen, auch auf die Gefahr hin, nicht überall tiefgreifende Analysen und Interpretationen liefern zu können. Zu erwarten ist allerdings eine gewisse Kontinuität bezüglich der Hagiographie, der Heiligenverehrung und der Verfasserintentionen. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung liegt auf Heiligenviten, da diese bislang wenig in Bezug auf das Lachen erforscht sind und das in ihnen vermutete strengste Ideal der Enthaltung des Lachens sich bereits durch wenige Beispiele wiederlegen lässt. 157 Mit den Acta Sanctorum liegt eine für die elektronische Suche zum Wortfeld des Lachens geeignete Quellenedition vor. Erstellt wurde die Sammlung von als 156 In Übereinstimmun mit Pohlig geht es darum, „durch die Erforschung einer Vielzahl von Partikularphänomenen zu einer belastbaren Verallgemeinerung“ zu gelangen und „aus einem begrenzten empirischen Material Idealtypen zu bilden“. Dabei sollen die Belegstellen „induktiv auf ein Allgemeines hin[führen]“, sie dienen „zur Korrektur und Neujustierung“ des bisherigen Forschungsstands. Pohlig, Matthias: Vom Besonderen zum Allgemeinen? Die Fallstudie als geschichtstheoretisches Problem, 2013, S. 302, 304, 312 u. 316. 157 Die Aussage, „da das Lachen im frühen Christentum als sündhaft angesehen wurde und somit in Werken, die religiöser Erbauung dienen sollten, keinen eigentlichen Platz nden konnte“, ist daher ebenso wenig haltbar wie die Behauptung, „daß das Christentum den Spott als Sünde verurteilte und daß das Lachen einfach nicht in das Leben von Heiligen paßte.“ Blaicher, Günther: Über das Lachen im englischen Mittelalter, 1970, S. 518 u. 520.

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Bollandisten bezeichneten Jesuiten in einem Publikationszeitraum vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Die Heiligenviten sind sowohl kurz nach dem Tod des jeweiligen Heiligen, aber auch bis zu mehreren Jahrhunderten danach abgefasst worden zum Gedenken ihrer Taten und Wunder, vielfach auch zum Zweck, einen Kanonisationsprozess einzuleiten. Die Acta Sanctorum versammeln entsprechende Texte aus allen Jahrhunderten bis zur jeweiligen Edition in mehr als 60 Foliobänden mit insgesamt fast 58.000 Seiten mit überwiegend Beschreibungen von Heiligenleben und -wirken von schätzungsweise rund 25.000 Heiligen, Seligen und Märtyrern. In ungefähr 2000 bis 3500 Werken ist mindestens einmal der Bereich des Lachens thematisiert. Um die Inhalte und den Platz des Lachens darin besser einschätzen zu können, ist zu vergegenwärtigen, dass die Viten in einem spezi schen Abfassungskontext stehen, der von Traditionen, Textgenese, 158 Topoi, Normen und Formen der Vermittlung geprägt ist: „War es dem mittelalterlichen Autor wichtig, den Kult des verehrten Heiligen zu verbreiten, so mußte er dabei verschiedene ‚Richtlinien` beherzigen, die von der Darstellung des Heiligen selbst bis in die sprachliche Formulierung der Inhalte der Vita ging.“ 159 Es gibt für die Verfasser jedoch kein Handbuch zur Darstellung des Lachens, diese fügt sich vielmehr in die bestehenden Inhalte der Viten ein. 160 Schwerpunkt ist die Lebensführung, die Tugendhaftigkeit der Heiligen, besonders bei allen, die nicht als Märtyrer gestorben sind. Gezeigt werden soll anhand einer „Gottesähnlichkeit die Heiligkeit des Betreffenden.“ 161 Bestandteile können der Lebensweg der Heiligen sein, dabei besonders die conversatio, wobei das Interesse den widrigen Umständen bis zu dieser Entscheidung des Heiligen gilt, und der weitere Weg bis zum Tod, der als dies natalis, als Tag der Geburt, begriffen wird. 162 Fokus sind theologische Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Nächstenliebe, sowie die weltlichen der prudentia, Gerechtigkeit und der temperantia, der Mäßigung. 163 158 Im Frühchristentum vollzieht sich ein Wandel von knappen Texten zum Gedenken zum Ausbau zu längeren Erzählzusammenhängen bis hin zu richtiggehenden Biographien: „In anderen, meist etwas späteren Märtyrerakten gleichen die Verhöre [von Märtyrern, Anm. d. Verf.] mitunter Rededuellen, und die Folterungen und ihre Schilderungen nehmen breiteren Raum ein, die Acta martyrum entwickeln sich zur Passio. Das geht dann oft mit manchen maßlosen Übertreibungen einher.“ Bernt, S. 27. 159 Kerscher, Gottfried: Einleitung. Die Mentalität des mittelalterlichen Hagiographen und das Gegensatzpaar Hagiographie und Kunst, 1993, S. 14. 160 Hier hat sich ähnlich wie für die Historiographie die „schriftstellerische Autonomie insofern erwiesen, als sie [die Verfasser, Anm. d. Verf.] weniger das systematisch faßbare Allgemeine herausarbeiten wollten, sondern sich um ein zeitlich gestaffeltes Kontinuum von Einzelfällen bemühten.“ Ehlers, Joachim: Gut und Böse in der hochmittelalterlichen Historiographie, 1977, S. 62. 161 Kerscher, S. 14. 162 Vgl. Nahmer, Dieter von der: Die lateinische Heiligenvita. Eine Einführung in die lateinische Hagiographie, 1994, S. 32 u. 75 f. 163 Vgl. ders., S. 26.

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Hagiographie ist nicht ausgenommen davon, ein Ort der Kon iktaustragung im Spannungsfeld von Religion, Kultur, Politik und Wirtschaft zu sein. Dies vollzieht sich zum Beispiel in der Selbstheiligung adeliger Familien. 164 Die Adeligen stellen trotz neuer sozialer Schichten, die auch zunehmend in den Reihen der Heiligen vertreten sind, immer noch 60 % der Heiligen. 165 „Laien [konnten] über Jahrhunderte hinaus nicht zu den Ehren einer hagiographischen Vita kommen [. . . ]. Erst im 10. Jahrhundert hat man [. . . ] wieder einem Vertreter des Laienstandes zugetraut, die Bedingungen für eine vorzeitige Mitgliedschaft in den himmlischen Gremien tatsächlich mit den Tugenden eines Laien erfüllt zu haben.“ 166 Die Verfasser ihrerseits möchten sicherlich unter anderem ihre Belesenheit zur Schau stellen, ihre Bildung und damit auch soziale Stellung unterstreichen. Sie greifen deshalb auf bestimmte Traditionen zurück, deren Kenntnis sie in hohem Maße als Gelehrte ausweisen. Für die literarische Praxis im religiösen Feld bedeutet dies, dass „Herrschaft [. . . ] nicht einfach von außen an das Individuum heran[tritt], sie ist, über den Habitus, immer auch in das Individuum selbst eingelagert.“ 167 Die Darstellungen und Differenzierungsbemühungen sind somit Produkt früherer Kämpfe, „Resultat der Machtkämpfe zwischen Akteuren.“ 168 Diese Resultate fallen, bedingt durch verschiedene Faktoren, wie auch am Lachen zu sehen, immer wieder unterschiedlich aus und hängen wesentlich mit den Akteuren zusammen. All die genannten Intentionen lassen sich kaum als explizite Formulierungen in den Viten nden, vielmehr galt es hier, sich geschickt und vor allem metasprachlich auszudrücken. 169 Die gesamte Rhetorik, sei es allgemein oder speziell diejenige zu Emotionen oder dem Lachen, hat mitunter moralische oder politische Signi kanz. 170 Sie zielt in etlichen Fällen auch auf die Reform des Klerus, dessen geistliche Aufgaben und Lebenswandel sowie auf sittliches Verhalten ab. 171 Die Heiligenviten können immer als im Auftrag entstanden angesehen werden. Verwendung fanden sie im liturgischen und

164 Goodich, S. 6. 165 Ders., S. 69. 166 Heinzelmann, Martin: Die Rolle der Hagiographie in der frühmittelalterlichen Gesellschaft. Kirchenverständnis und literarische Produktion im spätantiken und merowingischen Gallien, 2007, S. 136. 167 Krais, Beate / Gebauer, Gunter: Habitus, 2002, S. 79. 168 Schäfer, Hilmar: Bourdieu gegen den Strich lesen. Eine poststrukturalistische Perspektive, 2011, S. 70. 169 So merkt Kerscher an, dass „die Gründe für das Verfassen eines Textes [. . . ] verschieden sein [können], und ob der Ausgangspunkt die Mitteilung des Wirkens eines Heiligen ist oder die Propagierung seines Kultes, ebenso. Wichtig war nur, das Argument indirekt vorzubringen, es metasprachlich zu formulieren.“ Kerscher, S. 17. 170 Rosenwein: Thinking Historically about Medieval Emotions, S. 834. 171 Freimuth, Torsten: Körper und Selbstthematisierung in der mittelalterlichen Beichtpraxis, 1999, S. 173.

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privaten Rahmen, sowie in der Predigt, zumindest als ihre Grundlage. 172 Dabei zählen Heiligenviten zur Erbauungsliteratur 173 mit erzieherischen Zielen. 174 Die hagiographische Literatur wurde aber auch „zu einem guten Teil die Unterhaltungsliteratur des Mittelalters“ aufgrund der nicht nur erbaulichen, sondern auch interessanten und kurzweiligen Passagen. 175 Die Darstellung des Lachens verfolgt demnach ebenso eine hagiographische Absicht und soll im Gesamterzählzusammenhang eine bestimmte Wirkung bei den Adressaten entfalten. 176 Bedeutsam für die vorliegende Untersuchung sind zwei zentrale Feststellung, dass die Inhalte erstens Normen darstellen und zweitens zur Nachahmung 177 anregen sollten: „Es handelt sich um Inhalte, möglicherweise die norma, die mitzuteilen er [der Hagiograph, Anm. d. Verf.] sich zur Aufgabe gemacht hat. Die gura christi et ecclesie bedeutet inhaltlich eine der vornehmsten ‚Wahrheiten`, denn die imitatio des Rezipienten ist Ziel der mittelalterlichen Gesellschaft.“ 178 Da die Verfasser sehr unterschiedlicher regionaler Herkunft sind, kann man von Ähnlichem für die Adressaten ausgehen. Zudem bestehen Zusammenhänge zwischen Textgattungen und Adressaten. Bei der im vorliegenden Kontext ebenfalls analysierten Summenliteratur zum Beispiel darf mit dem gebildeten Klerus von einem eingeschränkten Adressatenkreis ausgegangen werden, jedoch kann von einer derartigen Textgattung und den in hohem Maße theoretischen Überlegungen nicht auf die Glaubensrealität geschlossen werden. 179 Bei der hagiographischen Literatur sollte jedoch 172 173 174 175 176

Vgl. Nahmer, S. 171. Vgl. Bernt, S. 25 sowie Nahmer, S. 46. Ders., S. 72 f. Bernt, S. 30. Hierzu recht treffend Kerscher: „Die Vermischung von historischer und hagiographischer Wahrheit in einem Text ist [. . . ] eine Selbstverständlichkeit, die Topik verliert hier ihre ursprüngliche Bedeutung des Formelhaften – und doch ist sie wieder von anderen Topoi durchdrungen, die wir einfach Metaphern oder Muster nennen sollten. ‚Ein Heiliger erbaut eine Kirche` ist also Metapher für das Wirken des Heiligen. Die Topik ist auf einen Rezipienten gerichtet, der in eine gewünschte Stimmung versetzt werden soll.“ Kerscher, S. 18. 177 Köbele weist zurecht darauf hin, dass der „gemeinschaftsbezogene ‚Imitatio`-Appell einerseits, die Vorstellung exklusiven ‚Erwähltseins` andererseits“ in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. „Anders gesagt: Heiligkeit soll zwar imitierbar sein, als normative Instanz für alle, zugleich soll sie als absolute Kategorie bestehen bleiben, außerhalb von Abbildlichkeit und Vorbildlichkeit“. Und noch pointierter: „Heiligkeit lädt mit hoher Suggestion zur Nachfolge ein. Sie stellt, nach der weltzugewandten Seite hin, Nachahmungsmuster bereit. Andererseits und zugleich muss sie sich der glatten Umsetzung immer verweigern, bleibt sie Ausnahmekonstellation, unnachahmbares Modell. Dass mit dem Modellcharakter von Heiligkeit immer auch dessen Unmöglichkeit erhalten bleibt, macht eine Dauerirritation im christlichen Heiligkeitsentwurf aus.“ Heilige bleiben daher in gewisser Weise „sunderlinge“. Köbele, S. 149, 167 f. 178 Kerscher, S. 17. 179 Freimuth, S. 169.

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ein weitreichenderer Adressatenkreis angenommen werden, wobei dieser wahrscheinlich auch von einer mittelbaren Weitergabe abhängig war. 180 Die lateinischen Heiligenviten richten sich an den Klerus und an ein Laienpublikum, hier vornehmlich gebildete Adlige, die des Lateins mächtig sind. Das gottesdienstliche Interesse steht in Zusammenhang mit einer breiten Bevölkerung, die sogar ursprünglicher Anlass für die Abfassung gewesen sein kann. Dabei darf eben nicht nur ein liturgisches, homiletisches Interesse vermutet werden, sondern neben dem eigentlichen Kanonisationsprozess auch ein historiographisches. 181 Eine Rolle spielten dabei „Prozesse der Identitätsbildung und Selbstvergewisserung“ mit Bindung an Institutionen, „Schreibanlässe waren aber nicht nur institutionsgebunden.“ 182 Sitz im Leben könnte sowohl das Verlesen im Konvent wie die Privatlektüre von Mönchen und Nonnen gewesen sein. 183 Dabei scheint die Auffassung, dass die Heiligen Vorbilder zum Nacheifern darstellen, in der Forschung 184 über jeden Zweifel erhaben zu sein: „his [the saint's, Anm. d. Verf.] 180 „Die hagiographische Literatur ist natürlich Derivat der wenigen, die lesen und schreiben konnten, aber sie ist nicht, wie man leicht vermuten könnte, ausschließlich auf die Gruppe der Lesenden und Schreibenden bezogen. Ein Ergebnis der Forschung, wonach die hagiographische Literatur nicht selten die ‚breite Masse` erreichte, läßt auf den generellen Charakter dieser Schriften schließen und beleuchtet eine der Intentionen, die der mittelalterliche Autor verfolgte; dabei muß freilich an eine vermittelnde Instanz gedacht werden [. . . ]“ Kerscher, S. 14. 181 Grundsätzlich ging es dabei darum, „Heilige und ihre Kulte [zu] propagieren, etablieren und stabilisieren“, Lotter, S. 307. 182 Herbers, S. 207 f. 183 Vgl. Nahmer, S. 174 f. Lotter sieht dies in der Aufgliederung vieler Heiligenviten und Translationsberichte in lectiones, die zu liturgischen Zwecken „an den Heiligenfesten vor allem in Klöstern während der Horen verlesen wurden.“ Vgl. Lotter, S. 307. 184 Hierzu auch Hammer: „At the same time, it is necessary to anchor the life and works of a saint in history in order to safeguard the exemplarity and appeal to imitatio for the Christian community, based on the actual existence of holy personalities.“ Hammer, Andreas: Interferences between Hagiography and Historiography. Bishop Ulrich of Augsburg and Emperor Henry II, 2012, S. 180. Und bei Tippelskirch: „Imitatio Christi durch das Nach- und Mitleiden erfahrbar (und nachahmbar) zu machen, war das Anliegen, das die Autoren [. . . ] von hagiographisch inspirierten Viten [. . . ] einte. Die Lektüre dieser Texte wurde in spezi sche Körperpraktiken übersetzt [. . . ]“ Tippelskirch, Xenia von: Schmerzen als (un)sichtbare Zeichen von Heiligkeit. Stigmata im Text (Frankreich, 1630–1730), 2012, S. 163. Besonders die historische Verortung der Heiligen „kann mehr als ein bloß ktiver [Heiliger] durch sein wirkliches Handeln als ein wirksames nachahmenswertes Vorbild erscheinen.“ Besonders die Legende mit einem historisch bezeugten gegenüber einem ktiven Heiligen löse „einen stärkeren mimetischen Impuls und eine nachhaltige Identi kation aus [. . . ]“, da „moralische Erzählungen im Sinne ktiver Exempelgeschichten für weniger wirksam [gehalten werden] als Geschichte mit realen Personen aus der Umgebung des Publikums.“ Langer, Otto: Leibhafte Erfahrung Gottes. Zu compassio und geistliche Sinnlichkeit in der Frauenmystik des Mittelalters, 2002, S. 446. Die neuere Forschung stimmt somit, wenn auch nur implizit, aber zu Recht nicht mit Vauchez überein darin, dass die Idee der Nachahmung erst unter dem

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‚character` was presented to the youth as an object worthy of emulation, whose life embodies the noblest ideals of his age“ 185 oder auch „Saints' lives tell us how people were supposed to behave, emphasizing emotional ideals.“ 186 Dies bedeutet für die Darstellung des Lachens, dass es auch hierbei um ein Ideal ging, welches nicht nur den Heiligen als Eigenschaft zukam, sondern welches demnach auch zur Nachahmung in seiner ganzen Vielfalt freistand und erstrebenswert war. Aus der Fragestellung nach einer Erklärung für die Differenzen zwischen den unterschiedlichen Darstellungen des Lachens, der Beschreibungen eines sehr vorbehaltlos lachenden Heiligen einerseits, und den restriktiveren Vorgaben der Klosterregel, ergeben sich bestimmte Analyseaspekte. Gelten für die Heiligen andere Regeln als für Mönche, richten sich die Vorgaben demnach an verschiedene Akteure? Gibt es bestimmte Motive, die den einen das Lachen erlauben und den anderen wiederum nicht? Bestehen Unterschiede in der Art zu lachen, die eine Befürwortung oder Ablehnung zur Folge haben? Die Suche gilt dem Spektrum an darstellbaren Arten, es geht darum, welche Differenzierungen beim Lachen vorgenommen werden, welche durch sprachliche Unterscheidung ausgedrückt werden können, aber auch durch ethische, literarische oder wie auch immer geartete Vorgaben überhaupt geäußert werden dürfen. Die Erforschung der Motive soll die Zusammenhänge erhellen, welche Gründe für das Lachen im Mittelalter denkbar sind, im Sinne von gedacht werden und gedacht werden können. Der Blick gilt aber auch dem situativen Kontext und den Erzählzusammenhängen, den divergierenden Erzählabsichten der Verfasser. Hierbei zeigen sich die Abhängigkeiten zu den Textgattungen, die bereits bestimmte Normen für die Darstellung des Lachens beinhalten, welche von den Verfassern kaum ignoriert werden können. Damit unterliegen nicht nur die Erzähl guren, die Akteure, von denen die Texte erzählen, vorgegebenen, bereits vorliegenden, prä gurierten Motiven, sondern eben auch die Verfasser als Akteure einer Sozialisation, einer Unterwerfung unter die Spielregeln der Gesellschaft und die der Textproduktion. Die Arten, Motive und Akteure stehen also in einem direkten Zusammenhang mit der Umwelt der Textgattungen und ihren Autoren. Grundsätzlich sollen im Folgenden die Belege innerhalb der Textgattung der Heiligenviten unter der Fragestellung verglichen werden, welche Arten, Motive und Akteure existieren und welche Interdependenzen es zwischen diesen Variablen gibt. Über diesen gattungsinternen Vergleich hinaus lohnt sich jedoch der Blick auf andere Textgattungen, um auch hieran die Abhängigkeiten auf der Ebene der innertextlichen Bezüge aufzuzeigen, aber auch Interdependenzen zur Textgattung und dem jeweiliEin uss der Bettelorden generell verbreitet war und vom 11. bis zum 14. Jahrhundert das Interesse eher dem spektakulären Eingreifen Gottes galt. Vgl. Vauchez: Sainthood in the later Middle Ages, S. 434. 185 Goodich, S. 3. 186 Rosenwein, Barbara H.: Emotional Communities in the Early Middle Ages, 2006, S. 28.

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gen Kontext, dem Bezugsrahmen und den Absichten. Nur so lässt sich feststellen, ob zum Beispiel in einem Bibelkommentar gemachte Aussagen über das Lachen als allgemeine Anweisung für alle Lebensbereiche verstanden werden konnten. Es geht dabei um die Übertragbarkeit von Aussagen aus den jeweiligen Quellen auf andere Gebiete. Dieses erweiterte Quellenkorpus umfasst die in der Forschung bereits diskutierten kirchenrechtlichen Bestimmungen, Predigtexempel, klerikalen Tugendempfehlungen, Bibelkommentare, theologischen Schriften, Klosterregeln, Briefe von Geistlichen und panegyrischen Texte. Die Heiligenviten sind hingegen bislang bezüglich des Lachens nicht erschöpfend und wenig systematisch erforscht. Besonders diese Textgattung vermag die bisherigen Forschungsaussagen nochmals in ein neues Licht zu setzen. Dabei geht es nicht nur um eine in dieser Form noch nicht vorgenommene Typologie, einer Bestandsaufnahme von möglichen Darstellungsweisen. Schnell wird deutlich, dass die vielen Varianten in sich komplex sind und in jeder Belegstelle verschiedene Aspekte von Arten, Motiven und Akteuren des Lachens zum Tragen kommen und untersucht werden könnten. Es geht daher in der vorliegenden Analyse auch um die Vielschichtigkeit und gegenseitige Durchdringung von Bestandteilen der Darstellung des Lachens. Die Heiligenviten werden daher erst in einem zweiten Schritt in Bezug zu anderen Textgattungen gesetzt und mit diesen verglichen. Aus diesem Vorgehen folgt in vielen Fällen eine Neu- und Uminterpretation des bereits von anderen Forschern erschlossenen und erforschten Materials. Neben der Abhängigkeit von gattungsspezi schen Eigenheiten ist auch diejenige von textlicher Tradition sowie die unterschiedliche Rezeption 187 von alten Schriften relevant. Texte beziehen sich im Mittelalter besonders auf Autoritäten und Vorlagen, daher werden die Traditionslinien des Altertums, griechische, römische, alttestamentliche, neutestamentliche und frühchristliche Überlieferungen in einem Kapitel vorab skizziert. Soweit möglich, sollen die entsprechenden Texte ebenfalls im Hinblick auf Arten, Motive und Akteure analysiert und ihre religiösen und sozialen Dimensionen des Lachens beleuchtet werden. Der Fokus der Untersuchung der mittelalterlichen Quellen richtet sich schwerpunktmäßig an wesentlichen Aspekten des sakralen Moments aus und darüber hinaus auch an einem sich darin ausformenden gesellschaftlichen Abgrenzungsmittel der Lachverständigen. Die Analyse nimmt verstärkt Akteure, Modi und Zusammenhänge von Regulierungsmechanismen in den Blick, die sowohl zwischen Praxis und Idealität wie auch zwischen Allgemeingültigkeit und eingeschränkter Gültigkeit oszillieren. Ausgehend von den zwei Ebenen, die der historischen Einbettung und die des innertextlichen Zusammenhangs, sind nach Entwicklungen und Konstanten hinsichtlich Kategorisierungen, Systematisierungen und Kasuistiken zu fragen. Der zum Teil wenig chronologisch anmutende Ansatz,

187 Liberman hat darauf verwiesen, dass „reception does not seem to bother students of medieval humor (or of what they call humor).“ Liberman, S. 410.

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die Systematisierung nach Frömmigkeitssubjekten, 188 die Einteilung nach Textgattungen und die kontextuale Detailanalyse dienen der Kontrastierung und Revidierung bisheriger Erklärungsmodelle von Bachtin, Le Goff und Suchomski, die sowohl punktuell Vereinfachungen der normativen und normierenden Strukturen beinhalteten als auch einen stärkeren Fokus auf historischen Wandel der Reglementierungsversuche bei gleichzeitiger Betonung von Kontinuitäten der Machtverhältnisse gelegt haben. 189 Zur Entfaltung einer Argumentation auf diesen Ebenen der Arten, Motive, Akteure sowie der Textgattungen und der Traditionslinien steht der Vergleich von zeitlichen Phasen im Hintergrund. Die diachrone Gegenüberstellung wird erst im Schlussteil diskutiert und die Epochenmodelle im Anschluss an die Jahrhunderte übergreifende Analyse überprüft, um eine von Epochisierungsversuchen unabhängige Untersuchung zu gewährleisten. Das Ziel der Untersuchung ist es, einem interessanten, aber immer noch marginalisierten Thema nachzugehen, für welches Le Goff zwar eine Bresche geschlagen hat, das nun aber eingehender untersucht und differenzierter betrachtet werden muss. Mit dem in dieser Arbeit skizzierten Begriffsverständnis von Lachen ist nicht nur eine Lösung der relevanten Passagen aus den bisherigen Untersuchungskontexten und damit eine Neubewertung möglich, sondern auch ein Paradigmenwechsel angestrebt. Durch die hier skizzierte methodische Präzisierung, einem deutlich abgesteckten Forschungs188 Unter Frömmigkeit, welche zu de nieren problematisch ist, soll in der vorliegenden Untersuchung nicht die ohnehin schwer voneinander zu trennende Volksfrömmigkeit im Unterschied zu Elitenfrömmigkeit verstanden werden, sondern vielmehr alles Agieren, welches im religiösen Kontext sich auf Gott hin gerichtet ereignet und für gottgefällig erachtet wird. „Frömmigkeit hat es [sic] mit der Verwirklichung christlicher Wertvorstellungen in konkreten Lebensbezügen zu tun. Sie konkretisiert sich in ‚religiösen und ethischen Einstellungen und Grundannahmen sowie der Partizipation an religiösen Ritualen, Handlungen und Kommunikationsformen`“, Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 85 u. Wintzer, Friedrich: Frömmigkeit, 1983, S. 684. Frömmigkeit hat demnach viele Erscheinungsformen, dazu zählen die Verehrung Gottes, Christi und des Heiligen Geistes, Feste und Rituale im Kirchenjahr, Heiligenverehrung, Reliquienkult, Wallfahrten, Prozessionen und spezielle Gebetsformen. (Diese Anschauung von Frömmigkeit steht in Übereinstimmung mit Artikulationen im Mittelalter, so bei Abaelard oder Thomas von Aquin, vgl. Forschner, Maximilian: Über Frömmigkeit und Heiligkeit. Platons Dialog ‚Euthyphron` und die Diskussion des Themas im Mittelalter, 2007, S. 18). Heiligenviten sind Teil einer Frömmigkeitskultur, neben weiteren schriftlichen Quellen zählen dazu aber auch bildliche Quellen und religiöse Objekte. Vgl. Vocelka, besonders S. 16–17. „Frömmigkeit, unter kommunikativen Aspekten betrachtet, verwirklicht sich als Austausch von Emotionen, Vorstellungen und Gedanken jener, die in Kult- und Gebetsgemeinschaften miteinander kommunizieren.“ Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 60. 189 So bei Le Goff die Einteilung in Phasen der Ablehnung, der dichotomischen Unterscheidung und schließlich der Kodi zierung – jeweils mit der Kirche als bestimmenden Akteur. Vgl. Le Goff: Lachen im Mittelalter, S. 47 u. 54 f.

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rahmen, soll hinterfragt werden, ob das Lachen im Mittelalter stets per se negativ bewertet wurde oder eine Vielzahl von Faktoren Ein uss auf dessen Konnotation hatte. Aus einer Untersuchung der Gleichzeitigkeit verschiedener Ideale und Darstellungsweisen des Lachens kann möglicherweise gefolgert werden, dass diverse soziale Gruppen unterschiedliche Vorgaben bezüglich des Lachens mit divergierender Absicht nutzten, darunter auch als Instrument ihrer Differenzierungsbemühungen. Das Ziel ist es, entlang des aus heutiger Perspektive markantesten Widerspruchs – von lachenden Heiligen und Lachreglementierung – dessen Zustandekommen zu erklären und zu dessen Auflösung zu gelangen. Möglicherweise lässt sich von einem veränderten Verständnis in der Frage des Lachens auch der Horizont bei anderen Themen, wie etwa der Bewertung des Körpers im Mittelalter, erweitern. Auch in Bezug auf Scherzen, Schausteller und Komödie werden Neubewertungen in der Forschung denkbar.

2. „Auf den Schultern von Riesen“ – das Lachen im Altertum „Es kann nur dann ein Lächeln aus dem Spiegel schauen, wenn ein Lächelnder hineinschaut.“ Chinesische Weisheit

Die mittelalterliche Auseinandersetzung mit dem Lachen fußte auf vorausgegangenen Traditionen, welche in ihrer Vielfalt und zum Teil auch Gegensätzlichkeit als Gedankenhorizont der mittelalterlichen Verfasser stets mitgedacht werden müssen. Sie griffen dabei auf Material aus dem antik-paganen, dem jüdischen und dem frühchristlichen Kulturkreis zurück. Jüdische Ein üsse sind für die mittelalterlichen Rezipienten greifbar im Alten Testament, welches neben dem Neuen Testament unangreifbare Autorität innehat. Wie das Alte Testament nach innerchristlichen Auseinandersetzungen nicht verworfen wurde, sondern Teil der kanonischen Schriften wurde, so wurde auch antik-paganes Schrifttum durch frühchristliche Verfasser rezipiert, zum Teil für christliches Denken legitimiert und darin integriert. Die Bedeutung dieses Prozesses im Frühchristentum ist daher nicht zu unterschätzen, weil das Material nicht nur zugänglich gemacht wurde, sondern seine Behandlung dadurch erst zulässig war und bereits eine erste Verschmelzung der Traditionen erreicht wurde. Zur selben Zeit entstanden auch eigenständige hagiographische Erzählmotive. Im Folgenden geht es weniger um eine chronologische Auflistung abgesteckter Texttraditionen, sondern um die Auffächerung möglicher Darstellungsweisen nach Arten, Motiven und Akteuren des Lachens, die mittelalterlichen Autoren als Vorlage dienen konnten.

2.1 Griechische Überlieferung 2.1.1 Arten des Lachens

In der griechischen Antike gab es eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Arten, Motiven und Akteuren des Lachens. Trotz ganz unterschiedlicher Zugänge zum Thema des Lachens lauten die Empfehlungen bezüglich der Art des Lachens ähnlich: Platon beispielsweise spricht sich gegen das viele, übermäßige und ungezügelte Lachen aus. 1 Aristoteles geht es um das rechte Maß. 2 Ein entsprechendes Verhalten berichtet 1 Platon: Politeia, III, 388e. 2 Aristoteles meint dabei eher das rechte Maß in der Unterhaltung. Es geht um die Vermeidung der Extreme: Man soll es vermeiden, ständig Witze um jeden Preis zu reißen und sich nicht mehr bemüht zeigen, andere zum Lachen zu bringen, als den Anstand zu wahren. Ebenso soll man sich jedoch davor hüten, nie etwas Lustiges zu sagen und Anstoß an denen zu nehmen,

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Das Lachen im Altertum

der antike Philosophiehistoriker Diogenes Laertios von Pythagoras. 3 Es ist also festzuhalten, dass die gänzliche Unterdrückung des Lachens eine Art des Lachens ist, die eher selten dargestellt wird. Lediglich für seine Akademie sah Platon ein Verbot des Lachens vor. 4 Ansonsten nden sich eher lachende Protagonisten als gegenteilige Beschreibungen. 5 Durch den Blick auf die Motive und die allgemeinen Vorstellungen vom Habitus der Akteure soll im Folgenden die Deutung des Lachens erhellt werden.

2.1.2 Motive des Lachens

Das Lachen hatte seinen Platz im Theater, in der Komödie, in Dichtung und Possen. Lachen in der griechischen Antike gehört in das Feld von Kunst, aber auch von Religion sowie zu Tugend und Moral von Herrschenden. Dabei wurden unterschiedliche Motive des Lachens thematisiert: Lachen im Spannungsfeld von Götterkult, Festen und Herrschaftsdarstellung, das Lachen allgemein als Eigenschaft des Menschen, die Funktionen des Lachens generell und insbesondere in der Rhetorik. Es gibt einen Bezug des Lachens zur Götterwelt bei der Inszenierung hellenistischer Herrscher. Ihr Lachen „war Ausdruck des neuen Herrscherideals der dionysischen Tryphe, [. . . ] an dem Vorstellungen von rauschhafter Lebenslust, kollektiver Festkultur und äußerstem Über uss hafteten.“ 6 Den makedonischen König Demetrios Poliorketes begrüßten die Athener wie einen leibhaftigen Gott, wie die lachenden Satyrn Dionysos. 7 Sie umtanzten ihn singend und riefen „Er aber ist heiter, schön und la-

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die das tun, denn so gelte man als rüpelhaft und mürrisch. Aristoteles: The Nicomachean ethics, IV, 8, 1128a. Diogenes Laertios, 8,20 u. 22. In den beiden Textbelegen geht es darum, dass Pythagoras das rechte Maß hielt, sich weder dem Lachen, Scherzen und vulgären Geschichten hingab noch seiner Verärgerung jemals Ausdruck im Schlagen von Sklaven oder Freien verlieh. Maßhalten und Decorum bestanden für ihn darin, weder dem Lachen nachzugeben noch streng, ernst, mürrisch auszusehen. Für Bremmer zählt Pythagoras daher zu den als nie oder nur selten lachend dargestellten Personen. Vgl. Bremmer, S. 26. Aelianus, 3,35. Heinrich lässt sich zu einer verallgemeinernden Frage zur Antike verleiten, wie dies Le Goff für das Mittelalter mit einer Aussage versehen hat: „warum sonst hätte die Philosophie es [das Lachen, Anm. d. Verf.] teils zu verbieten, teils auszugrenzen versucht?“, Heinrich, Klaus: „Theorie“ des Lachens, 1980, S. 18. Eine Analyse, die dezidiert das Lachen in der antiken, griechischen Literatur untersucht, steht seitens der Althistoriker derzeit noch aus. Sie würde möglicherweise doch zahlreicher vorhandene Belege, als die vorliegende Studie vermuten lässt, zutage fördern. Dieses Ideal ist sogar in die Septuaginta, die Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische, eingegangen im Kontext der Vertreibung Adams „aus dem Paradies der Tryphe“, Gen 3,24. „Auf der paradiesischen Basis der Tryphe haben hellenistische Könige ihre Macht auch durch Lachen verübt.“, Schneider, S. 87. Eines der frühesten Zeugnisse hierfür ist der Hymnos „Ithyphallikos“, wörtlich zu übersetzen

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chend bei uns, wie für den Gott es sich ziemt.“ 8 Das Lachen ist kein Verlachen, sondern ein gemeinsames Lachen der Freude. Die Athener und der makedonische König bilden auf diese Weise eine Gemeinschaft von Lachenden. Einen hohen Stellenwert hatte das Lachen als Attribut auch bei anderen hellenistischen Königen. Der Gelehrte Athenaeus berichtet ebenso, nicht als Zeitzeuge, sondern Jahrhunderte später, der als neuer Dionysos auftretende König Ptolemaios IV. Philopator habe sich mit Teilnehmern von Symposia aus allen Städten umgeben, die Lachkünstler 9 genannt wurden. Dies entsprach dem Bild des von ihm ebenfalls nachgeahmten mit lachenden Satyrn umgebenen Gottes. Diese Motive können dahingehend interpretiert werden, dass im Hellenismus das Lachen „als Instrument der Macht und als Ausdruck von Loyalität“ 10 bedeutend war. Zwei Anmerkungen seien hierzu erlaubt: Wichtiger noch scheint die Beobachtung, dass eine derartige Darstellung das Lachen zum Resultat, zur Antwort auf eine Herrschaft werden lässt, die Anlass zur Freude gibt. Das Bild der Lachenden soll von den allen zuteilwerdenden Früchten zeugen, die sich aus der Regentschaft ergeben. Schneider versäumt zu erwähnen, dass Athenaeus kein Zeitzeuge ist und seine Darstellung nicht nur aus der zeitlichen Distanz von etlichen Jahrhunderten schreibt, sondern auch – aus Ägypten stammend und später in Rom lebend – mit einer gewissen kulturellen Entfernung zu den altgriechischen Sitten. Daher wäre zumindest auf die Frage zu verweisen, ob Athenaeus diese zwei Herrscher eigenständig so darstellt oder sich auf Vorlagen beruft. Eine enge Verknüpfung von Mythos, inszenierter Macht und Lachen scheint dennoch für die alte griechische Kultur plausibel. 11 Dem Christentum sollte eine derartige Vermengung von Göttlichem, Menschlichem und Lachen fremd bleiben. Zentral sind die Überlegungen zum Lachen als einer menschlichen Eigenschaft. In seinem Werk „Nikomachische Ethik“ 12 legte Aristoteles das Lachen als eine den Menschen de nierende Eigenschaft fest, wie dem Menschen auch die Vernunft zu-

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mit „erigierter Penis“, von ungefähr 280 v. Chr. in dem Werk „Deipnosophistai“ von Athenaeus 6, 253d. Schneider, S. 87. „ὁ δ´ ἱλαρός, ὥσπερ τὸν θεὸν δεῖ, καὶ καλὸς καὶ γελῶν πάρεστι.“ Athenaeus, 6, 253d. Bei Athenaeus „γελοιασταί“ (geloiastai) genannt, 6, 246. Schneider, S. 87 f. Dies umso mehr als auch weitere Belege, die jedoch den Bereich des Humors betreffen, dafürsprechen. So ndet sich eine Einbettung von Komödien in religiöse Feierlichkeiten, welche in Griechenland zum Beispiel an Festtagen zu Ehren des Dionysos aufgeführt wurden. Vermutlich war das Lachen der Zuschauer dabei beabsichtigt, wie auch bei der Gep ogenheit von Männern auf vorbeiziehenden Wagen, Passanten zu verspotten. Bei der Prozession nach Eleusis der in die Demeter-Mysterien zu initiierenden Athener erfuhren Prominente eine Verspottung mit expliziter Nennung ihres Namens. Vgl. Bremmer, S. 20. Das Werk von Aristoteles über die Komödie ist nicht mehr vorhanden, die „Nikomachische Ethik“ ist daher die einzig verbliebene Schrift der systematischen Analyse von Lachen und

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gewiesen wird. Im Unterschied zu den Tieren ist der Mensch zum Lachen fähig. Es entspricht zwar nicht der Essenz des Menschen, aber es ist seiner Natur als spezi sche Äußerung des Zwerchfells eigen. 13 Dieser Gedanke wurde von Quintilian, 14 Lucianus von Samosata, Julius Pollux und Porphyrios zur Zeit der römischen Herrschaft tradiert. 15 Valerius Maximus, wie auch Martianus Capella mit größerem zeitlichen Abstand, gelten aufgrund ihrer starken Rezeption im Mittelalter als diejenigen, die ohne christlichen Bezug den aristotelischen Gedanken des Lachens als proprium des Menschen in die christliche Kultur eingeführt haben. 16 Ersterer stellte dabei den umkehrbaren Logiksatz auf, dass jeder Mensch lachen kann und jeder, der lachen kann, ein Mensch ist. 17 Bis in das Mittelalter weit verbreitet waren die Werke des römischen Philosophen und Politikers Boethius, der unter anderem zwei Kommentare zum von Victorinus übersetzten „Isagoge“ von Porphyrios von Tyros 18 verfasste: Während der Mensch vom Genus her zusammen mit den niederen Kreaturen dem Tierreich angehört, ist sein Unterscheidungsmerkmal einerseits zum Tier die ratio, die Vernunft, über die Gott und Mensch verfügen, und andererseits die Sterblichkeit, die den Menschen von Gott sondert. Das Lachen aber ist allein dem Menschen eigen. 19 Diese Fähigkeit

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Scherz. Das sogenannte „Tractatus Coislinianus“ gibt jedoch eine kurze Zusammenfassung seiner Gedanken zur Komödie, in welchem sich die Vorstellung ndet, dass Lachen von Worten oder Fakten herrühren könne. Möglicherweise war die ursprüngliche Unterteilung jedoch, dass Lachen durch Wortwitze, unerwartete Ereignisse und dem Kontrast zwischen rhetorischer Entfaltung und den Fakten hervorgerufen werde. Vgl. Attardo, S. 24. Aristoteles: Opera, De partibus animalium, 3, 10, 673a, 2–13. Quintilian: Institutio Oratoria, 6, 3. Vgl. Resnick, I[rven] M[ichael]: Risus monasticus. Laughter and Medieval Monastic culture, 1987, S. 98; Adolf listet die Belegstellen der Primärquellen, Adolf, Helen: On Medieval Laughter, 1947, S. 252. Galen wird diesbezüglich bis in die Renaissance konsultiert, die Formulierung des proprium soll von Isaac Judaeus (Yis. h. ¯aq ben Šelomo Yisr¯a'el¯, Ish. ¯aq ibn Sulaim¯an al-Isr¯a'¯l¯) im 9. Jahrhundert stammen, vgl. Screech, M[ichael] A[ndrew]: Laughter at the Foot of the Cross, 1997, S. 1 f. Martianus Capella: De nuptiis philogiae, et Mercurii, et de septem artibus liberalibus libri novem, lib. IV, § 398. Boethius übernahm in seinem Werk auch den umkehrbaren Satz, was lachen kann, ist ein Mensch, und was ein Mensch ist, kann lachen. „Quidquid ergo fuerit risibile, hoc est homo. Quidquid homo, hoc risibile est. Itaque neque risibile hominis, neque homo risibilis potentiam supervadit, sed aequalia sibi ad se invicem praedicari possunt, ut si dicas, quid es homo? Risibile. Quid es risibile? Homo.“ Boethius, In Porphyrium Dialogi a Victorino translato, Sp. 29B, vgl. auch Boethius: In Topica Ciceronis Commentariorum, V, Sp. 1133B/C. Der Neuplatoniker Porphyrios hatte ebenfalls die Fähigkeit zum Lachen als Unterscheidungsmerkmal des Menschen betont. Porphyrios: Isagoge, 4, 623. „Per se quippe proprium est homini quod ei omni et soli et semper adest, ut risibilitas, per usurpatam vero locutionem etiam proprium hominis rationabilitas dicitur non per se proprium, quippe quod ei cum deorum est natura commune, sed homini rationabilitas proprium dici-

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bedeutet jedoch nicht, dass er ständig lachen muss, sondern nur, dass er es von Geburt an kann. 20 Auf diese Ausführungen von Boethius stützte sich der römische Gelehrte Cassiodor und sorgte ebenfalls für eine Perpetuierung der Vorstellung der risibilitas, der Fähigkeit zu Lachen, mit welcher besonders der körperliche Aspekt angesprochen ist. Das Motiv, den Körper und auch das Lachen als ein körperliches Phänomen durch den Geist und die Vernunft zu beherrschen, ndet sich demnach bereits in der Antike und stellt somit kein Novum für das Mittelalter dar. Indem Aristoteles Lachen, Spiel, Scherz und Witz als natürlichen Drang des Menschen und als lebensnotwendig anerkennt, 21 können dem Lachen und Lachen hervorrufenden Aktivitäten die zwei wichtigen Funktionen der Entspannung und der Geselligkeit beigemessen werden. Doch in beiden Fällen darf es laut des Philosophen nicht einem Selbstzweck dienen. Mittels Vernunft wird die Natur des Menschen zu Kultur, das Lachen hat sich dabei an dem gesellschaftlichen Ideal der Einhaltung des rechten Maßes zu orientieren. 22 Jede Form der Erholung sollte zu neuerlicher Tätigkeit befähigen. Ein Übermaß wie auch ein Mangel des Lachens konnte als deplatziert empfunden werden 23 und entsprechend galt ein reiner Spaßmacher als Sklave seines Sinns für Humor. 24 Entspannung und Geselligkeit als Wirkung von Lachen ließen sich in der Rhetorik, deren Bedeutung in der Antike nicht zu unterschätzen ist, instrumentalisieren. Das Nachdenken über das Lachen und seine Wirkung hatte hierin ebenfalls seinen Platz. Das Wissen, wie ein Lachen hervorzurufen oder zu vermeiden sei, konnte im „Kampf der Geister“ von Nutzen sein. Es ermöglichte dem Redner, den Ernst des Gegners durch Gelächter zunichtezumachen und sein Gelächter durch Ernst. Unterschiede wurden getroffen, was dabei für einen freien Mann als schicklich galt. 25 Doch

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tur ad discretionem pecudis, quod rationale non est; [. . . ]“ Boethius: In Isagogen Porphyrii commenta, V, 4. „Sit genus animal, sit species homo, sit differentia rationale vel mortale, sit proprium risibile [. . . ] Homo vero et Deus sub eadem differentia sunt, id est rationali, quod utrique rationales sunt, quamvis homo et Deus adiuncta mortali differentia separentur; proprio tamen, id est risibili, quod solus habet homo, [. . . ]“, Boethius: In Porphyrium Dialogi a Victorino translati, Sp. 17. „[. . . ] quemadmodum homini esse risibilis, nam etsi non semper rideat, tamen risibile dicitur, non quod iam rideat, sed quod aptus natus sit“, Boethius: In Isagogen Porphyrii commenta, IV, 15. Vgl. Suchomski, S. 30. Der versittlichte Scherz, das maßvolle Lachen war im Kontext von geistiger und gesellschaftlicher Gewandtheit, im Zusammenhang der Eutrapelie, gesellschaftsfähig. Ein geschmackvoller Scherz sollte wohlgewandt, eutrapeloi, sein und einen Mittelweg darstellen. Vgl. Suchomski, S. 32. Vgl. Suchomski, S. 30. Vgl. Bremmer, S. 28. Zum Beispiel war zu unterscheiden zwischen einer unschicklichen Verhöhnung eines anderen und der gegen den Sprecher sich richtenden Ironie. Vgl. Hügli, Sp. 1.

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über die Funktion eines Stilmittels innerhalb der Redekunst hinaus können die Motive des Lachens Ausweis sozialer Stellung werden. In seinem Werk über die Rhetorik fasst Aristoteles diesen Gedanken zusammen: „Vom Lächerlichen gibt es eine Art, die sich für den freien Mann schickt, die andere dagegen nicht. Man mag also so auswählen, wie es zu einem jeden passt. Es steht aber die Ironie dem freien Mann an eher als die Possenreißerei; denn dabei trägt er das Lächerliche zu seinem eigenen Vergnügen vor, der Possenreißer jedoch tut es zum Vergnügen anderer.“ 26 Mit Äußerungen dieser Art, die sich auf das sozial Angemessene beziehen, spricht Aristoteles nicht mehr nur die Kontexte des Lachens an, sondern verweist auf die Akteure.

2.1.3 Akteure des Lachens

Abhängig von der Art und Weise, zu lachen und Lachen hervorzurufen, tat sich im gesellschaftlichen Umgang ganz deutlich eine Möglichkeit auf, sich von anderen zu unterscheiden, sich anderen gegenüber hervorzutun. Hiermit eng verbunden ist der Befund, dass die Akteure des Nachdenkens, der methodischen Auseinandersetzung mit dem Lachen Gelehrte, Philosophen und Rhetoren sind. Die strengsten Verhaltensmaßgaben bezüglich des Lachens nden sich bei dem Entwurf Platons eines idealen Staates, bei den Darstellungen der Pythagoräer sowie bei denen der Spartaner. Das Symposion als Ort lachender Akteure erfährt hingegen in seiner Beschreibung je nach Normvorstellungen unterschiedliche Bewertungen. Die genannten Akteure konnten jeweils neben anderen auch zum Objekt des Lachens werden. Bei Platon, dessen Ein uss auf Antike und Mittelalter hoch einzuschätzen ist, erfolgt eine starke Polarisierung 27 von dem Guten, dem Schönen, dem Rechten einerseits und dem Schlechten, dem Unverständigen andererseits. Entsprechend stehen einander Ernstes und Lächerliches unvereinbar gegenüber. 28 Der Bereich des Humors rufe

26 Aristoteles: Rhetorik, 3,18. 27 Aufgrund dieser Polarisierung, des strengeren Entwurfs und der unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen ist es problematisch in Aristoteles „die Tendenz Platons in vollendeter Entwicklung [zu] erkennen, denn er hält diejenigen, die den Humor übertreiben und darauf zielen, ein Lachen hervorzurufen, statt etwas Angemessenes zu sagen und es zu vermeiden, den Gegenstand ihres Spottes zu verletzen, für vulgäre Spaßmacher.“ Bremmer, S. 28. Insgesamt traut Aristoteles dem Menschen einen vernünftigeren Umgang mit dem Lachen zu als dies noch sein Lehrer tat und liegt in der Entwicklung seiner Gedanken Xenophon näher. 28 Für das gesellschaftliche Leben hat dies zur Konsequenz, dass die Beschäftigung mit Theater und Dichtung mit Tugendhaftigkeit verknüpft sein muss. Vgl. Hügli, Sp. 1. Zur kritischen Einstellung Platons gegenüber dem Lächerlichen, der Lachen bewirkenden Komödie, Theater, Dichtung und schließlich auch dem Lachen allgemein vgl. Suchomski, S. 31 f.

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das Hässliche 29 und Destruktive hervor 30 und werte dadurch Kunst, Religion und Moral ab. Daher sei solches von gebildeten Menschen zu meiden, 31 wie zum Beispiel Possen der Komödie zur Nachahmung im privaten Kreis verleiten könnten. Die Sorge gilt hier jeweils den Akteuren, die den Lachen hervorrufenden Aktivitäten ausgesetzt sind. Für den Entwurf eines Idealstaates fordert Platon in seinem Werk „Nomoi“ konsequenterweise die Abschaffung der Komödie: Possen seien für Sklaven oder angeworbene Fremde. Im gleichen Zuge lehnt er die Anwesenheit von Unterhaltern auf Symposien ab, damit es nicht zu einem Gelage ungebildeter und gewöhnlicher Menschen verkomme, die unfähig seien, sich selbst zu unterhalten. Platon beschrieb beispielsweise im Unterschied zu Xenophon das Gelage eines gewissen Kallias und seiner Freunde als nicht asketisch, sondern verschwenderisch. 32 Das viele und übermäßige Lachen läuft dem obersten Gebot der Selbstbeherrschung bei allen Gefühlsregungen durch die Vernunft zuwider. Deshalb verurteilt Platon auch Homers Darstellungen des Lachens und Weinens tugendhafter Männer und der Götter. 33 Ein ungezügeltes Lachen sei diesen Personen unwürdig, da es Hinweis auf einen Wandel des seelischen Zustandes, eine Beeinträchtigung der inneren Ruhe des Weisen sei: 34 Die vornehme Seele und die Vernunft seien nicht anfällig für das Lachen, daher müssten die Berichte von lachenden Würdenträgern und Göttern falsch sein. 35 Seine theoretischen Überlegungen fanden Anwendung in der Führung seiner Schule, der Akademie: Dort galt 29 Ähnliches lässt sich bei Aristoteles nden: Das Lächerliche sei eine Art des Hässlichen. Die Maske, die Lachen hervorrufe, sei etwas Hässliches und Deformiertes ohne Schmerzen zu bereiten. Vgl. Aristoteles: De Arte Poetica, 1149a. 30 Diese Aussage Platons ist der Aggressionstheorie zuzuordnen. Vgl. Attardo, S. 19. Ähnliches lässt sich bei Aristoteles nden. 31 Vgl. Levine, Jacob: Humor, S. 1. 32 Platon: Protagoras, 347c–d. 33 Platon: Politeia, III, 389a. So hatte Homer zum Beispiel in dem 8. Buch der Odyssee die unerlaubte Liebschaft von Aphrodite und Ares auf dem Lager des Hephaistos beschrieben. Das Liebespaar wird von dem betrogenen Ehemann in agranti erwischt und mit unsichtbaren Stricken aneinandergefesselt. Dann ruft er den Göttern zu: „Kommt doch hieher! Da seht ihr ein Werk nicht zum Loben und Lachen!“ Die Götter kommen zusammen, wobei die Göttinnen schamvoll zuhause bleiben. „Lachen, es war nicht zu löschen, entstand bei den seligen Göttern“ Die Götter lachen über die Ehebrecher, die in der kompromittierenden Situation verharren müssen. Diese „nackte“ Wahrheit ruft die prompte Reaktion der Götter hervor. Das „homerische“ Lachen ist die Quittung für das Vergehen, der Höhepunkt ist entschärft und eine Lösung kann sich anbahnen. Vgl. Homer: Odyssee, Vers 307 u. 326 f. Zum „nicht zu löschenden Lachen“ vgl. u. a. Heinrich, S. 14. Laut Heinrich ist es „Xenophanes, nicht erst Aristoteles, [. . . ] [der] das Bild vom ‚unbewegten Beweger` [prägt].“ Heinrich, S. 16, Nachweise dazu S. 27. 34 Vgl. Suchomski, S. 31 f. 35 Gleiches sagt Platon jedoch auch bezüglich des Jammerns, das heißt jedwede Regung, die einer Gemütsruhe zuwiderläuft, lehnt Platon anders als andere antike Autoren für die Darstellung von Göttern und ehrenwerten Figuren ab, vgl. Platon: Politeia, III, 388b u. 389a.

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ein Verbot des Lachens. 36 Radermacher merkt zur Haltung Platons gegenüber dem Lachen an, „daß durch die platonische Gesetzgebung ein asketischer Zug geht, der an die Regeln klösterlicher Gemeinschaften erinnert. Es ist ein Staat wenn nicht der Mönche, dann doch der Philosophen.“ 37 Die Ausführungen Platons zeigen somit ganz deutlich soziale Abgrenzungstendenzen der führenden Schichten, seien dies die Aristokraten oder im Idealfall die Philosophen. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Platon in seinen Schriften durchaus Unterscheidungen vornimmt: Darin nden sich sehr wohl lachende Protagonisten, 38 in seinem Werk „Philebos“ hält er sogar fest, dass Lachen ein Vergnügen ist, 39 welches sich aber mit Schmerzlichem mischt. 40 Für die städtischen Aristokraten emp ehlt er Mäßigung, für die Akademiemitglieder hingegen ist wie gesagt ein Lachverbot vorgesehen. Platon unterscheidet also in seinen Zustandsbeschreibungen der von ihm dargestellten Wirklichkeit und in seinen Idealentwürfen verschiedene Arten des Lachens und weist sie verschiedenen Kontexten und Akteuren zu. Es werden jedoch nicht nur die eigenen Ideale formuliert, sondern auch – wie bereits anhand Platons Kritik an Homers Darstellung der lachenden Götter gesehen – mit Negativbeispielen konturiert oder Gegenentwürfe instrumentalisiert. Mangel an Lachen galt als ein typisches Merkmal eines Menschenfeindes. 41 Nicht nur Platon ist in der athenischen Komödie als Miesepeter dargestellt, 42 sondern auch Pythagoras und seine Anhänger erfuhren darin Spott wegen ihres freudlosen Ausdrucks. Es ist wenig bekannt über die asketischen Regeln dieser um 530 v. Chr. gegründeten Bewegung der Pythagoräer, deren Meister und Schülerkreis als niemals lachend beschrieben wer36 Aelianus, 3,35. 37 Radermacher, Ludwig: Weinen und Lachen. Studien über antikes Lebensgefühl, 1947, S. 95. 38 Platon: Politeia, III, 398c; V, 451b; Phaidon, 64b. 39 Platon: Philebos, 50a. 40 Damit ist Platon der erste Vertreter der Ambivalenztheorie, einer zentralen Humortheorie. Vgl. Attardo, S. 19. Zur Übersetzungsproblematik bei der von Platon genannten Ursache des Lachens vgl. Screech, S. 61–67. Im Kontext von Emotionsforschung ist anzumerken, dass das Lachen in den Worten Sokrates als eine gemischte Emotion zu verstehen ist, also sowohl Anteile von guten wie auch von schlechten Emotionen hat. Platon: Philebos, 49c–50a. Vgl. auch Screech, S. 59. 41 Phrynichos, Frg. 19, vgl. Bremmer, S. 26. 42 Amphis, Frg. 12, vgl. Bremmer, S. 27. Bei Gaiser ndet sich eine Auflistung von Forschungsarbeiten zu den zwanzig Anspielungen auf Platon und seine Schule. Vgl. Gaiser, Konrad: Ein Komödienwitz über Platon, 1974, S. 62. Nicht nur seine Person, sondern auch seine Werke waren Gegenstand von Witzen, ein Witz „zielt wohl überhaupt auf das Umständliche und Langweilige der philosophischen Schriften Platons. Das gleiche Bild von Platon spiegelt sich noch deutlicher in den anderen Komödienanspielungen wider, die sich freilich mehr auf den Unterricht in der Akademie beziehen als auf die literarischen Dialoge: man hielt die schwer verständlichen, abstrus wirkenden Erörterungen des Philosophen für hochtrabendes, gespreiztes, unergiebiges – also ‚frostiges` Gerede.“ Gaiser, S. 67.

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den. 43 Neben Platon und den Pythagoräern zählen als eine dritte Gruppe mit einer strengen Haltung gegenüber dem Lachen, wie bereits oben kurz erwähnt, die Spartaner. Von ihnen sind keine Selbstzeugnisse in Bezug auf das Lachen überliefert, sie erfahren im Gegensatz zu Platon und den Pythagoräern bemerkenswerterweise eher eine positive Beurteilung bezüglich ihrer tugendhaften Enthaltsamkeit gegenüber dem Lachen. Es verwundert nicht, dass Platon ihr Verbot des festlichen Treibens und des Humors bei Symposien und religiösen Festen betont. Aber auch Xenophon äußert sich im Kontext der spartanischen Verfassung über das Fehlen von frevelhaftem Übermut, Rausch und schlechter Sprache bei Gelagen. Im Widerspruch zur Strenge gegenüber ausgelassenem Treiben und Freude scheint der Bericht des lakonischen Schriftstellers Sosibios zu stehen, wenn er schreibt, dass der spartanische König Lykurg, sonst bekannt für seine extreme Strenge, „dem Gott des Lachens ein kleines Standbild errichtet [habe]“ und ferner „[. . . ] Lykurg hat den Scherz zur rechten Zeit in die Gelagekultur und in ähnliche Formen gemeinsamer Vergnügungen eingeführt, um das mühselige und strenge Leben zu versüßen.“ 44 In der Plutarch-Vita über den spartanischen König Kleomenes ist Ähnliches zu lesen, nämlich dass „bei den Lakedaimoniern [. . . ] es nicht nur Heiligtümer des Gottes der Furcht, sondern auch des Todes und des Lachens und anderer solcher Zustände, die einen befallen“ 45 gibt. 46 Der Widerspruch zwischen der Zuschreibung von Strenge und der Existenz eines Gottes des Lachens wird in der Forschung mit Machtmechanismen erklärt, dem politischen Willen, „elementare Bedingungen und Triebkräfte des Menschen rituell einzubinden und gesellschaftlich zu kontrollieren; namentlich das Lachen, das in seiner anthropologischen Ambivalenz ohnehin eng mit Furcht und Tod verbunden ist.“ 47 Plutarch beschreibt auch die Teilnahme von Jungen an Gelagen, die sich an Spott ohne Posse gewöhnen und selbst Spott ertragen lernen sollen. In dieser Idealisierung seiner Biographie des Lykurgos rühmt Plutarch schließlich, dass der Bitte um ein Ende des Spotts nachgekommen wird. Diese ablehnende Haltung gegenüber dem Lachen, der Spöttelei und anderen Arten freudigen Zeitvertreibs sei zurückzuführen auf den „starken Druck, der auf dem Leben der Spartaner lastete – angesichts der ständigen Bedrohung durch die 43 Diese Rezeption der Pythagoräer in den Beschreibungen bei Aelianus ist zeitlich Jahrhunderte später einzuordnen und bezieht sich auf Aristoxenos, der zuerst Schüler des Pythagoräers Xenophilos von Chalkidike war, bevor er Schüler von Aristoteles wurde und auf Dionysios. Dieser Tyrann von Sizilien bevorzugte Tragödien in einem solchen Maße, dass er sogar selbst einige verfasste. Seine Gefühle für die Komödie waren jedoch anders geartet, da er kein Liebhaber des Humors war. Vgl. Aelianus, 8,13 u. 13,18; ferner Alexis, Frg. 201 (Komödie), vgl. Bremmer, S. 30. 44 Plutarch: Lykurgos, 25,4, deutsche Übersetzung zit. nach Schneider, S. 84. 45 Dahinter verbirgt sich vermutlich die Vorstellung, dass das Lachen den Körper durch einen äußeren Reiz ausgelöst überkomme. 46 Plutarch: Cleomenes, VIII, IX, deutsche Übersetzung zit. nach Schneider, S. 84. 47 Schneider, S. 84.

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unterworfene Bevölkerung [. . . ] waren sie gezwungen, ihre Reihen zu schließen –, [. . . ] daß Festlichkeiten und Spott unerträglich werden konnten.“ 48 Humor und Lachen als Zeichen von Freiheit, Genuss, Entspannung und Offenheit stünden der asketischen Ideologie und der „steifen Gesellschaft“, wie Bremmer es nennt, entgegen. 49 Es ist jedoch ähnlich wie für das Mittelalter Vorsicht geboten, in den formulierten Entwürfen und berichteten Idealisierungen einseitig die Macht und Kontrolle durch die Herrschenden herauslesen zu wollen. Es muss unterschieden werden zwischen einem Verständnis von Kontrolle, welches als Machtmittel herrschender Akteure verstanden wird, der Gesamtgesellschaft eine reglementierende Verhaltensnorm aufzuerlegen, oder einer individuellen Kontrolle, die von Akteuren einer bestimmten sozialen Gruppe von sich selbst gefordert und, wenn nicht praktiziert, so doch dessen Umsetzung angestrebt und in Darstellungen als Norm entworfen wird. An Platon, Pythagoras und den Spartanern 50 wird deutlich, dass proportionale Abhängigkeitsverhältnisse zwischen hierarchischen Abgrenzungsversuchen 51 und Entwürfen von moralisch-ethischem Verhalten bestehen. Demnach gehe es weniger um eine gesellschaftlich von oben nach unten wirkende Fremdtechnik und äußeres Herrschaftsmittel, sondern um ein jeweils von bestimmten Kreisen gewolltes Ausdrucks- und Selbstdarstellungsmittel. Die Normen bezüglich des Lachens im Kontext der hier diskutierten Belegstellen lassen sich bezüglich Gesellschaftsidealen auf die Formel bringen: Je elitärer die Ansprüche einer sozialen Schicht, desto selbstdisziplinierender fallen die Entwürfe für die Verhaltensregeln aus. Diese Abstufungen lassen sich auch für das Mittelalter feststellen, wenn nicht realiter in einer ohnehin nicht mehr zu ermittelnden Praxis, so doch in textlich erfassbaren Zuschreibungen. 48 Bremmer, S. 30. 49 Bremmer führt hierzu weiter aus: „Die Freude am Humor und wildes Lachen stehen freilich ganz offenbar dem Bemühen entgegen, alles Leben unter Kontrolle zu halten, wie wir es bei den Pythagoräern, den Spartanern und in weit markanterer Weise bei den asketischen Christen beobachtet haben. Es sollte uns daher nicht überraschen, wenn eine gesellschaftliche Gruppe, die versuchte, alle Arten körperlichen Ausdrucks wie Essen, Schlafen und Sexualität unter Kontrolle zu halten, auch gegen das Lachen eingestellt war.“ Bremmer, S. 31. 50 Zu dem Lachen bei den Spartanern gibt es einen sehr erhellenden Aufsatz von David, der den Spartanern keine Unterwerfung unter die Gottheit, die Gewalt des Lachens bescheinigt, sondern viel mehr ihr Bewusstsein für seine mysteriöse Macht in den Blick nimmt. David stellt nicht nur fest, welche unterschiedlichen sozialen Funktionen das Lachen in Sparta innehatte, sondern auch wie komplex die Vorstellungen der Spartaner gewesen sein müssen. Demnach habe es Maßgaben gegeben wo, wann, warum und wie man lachen oder nicht lachen durfte. Davids Ausführungen legen ferner nahe, dass es Unterschiede in den Anforderungen an das Lachen der jeweiligen Akteure in Abhängigkeit zu ihrer sozialen Stellung gab, wie die Spartaner auch einen Zusammenhang sahen zwischen moderatem Trinken und moderatem Lachen. Vgl. David, Ephraim: Laughter in Spartan Society, 1989, S. 2, 5, 7 und 17. 51 Wobei es gleich ist, ob diese aufgrund von sozialem Bedrohungsemp nden beziehungsweise Vereinnahmung eines gesellschaftlichen Kulturauftrags erfolgen.

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Für das Mittelalter wäre demnach nach Unterscheidungen zwischen dem Mönchtum, den Weltgeistlichen und dem Adel zu fragen. Viele der diskutierten Texte dürften in ihrer Funktion als Ratgeber von der Aristokratie, den vornehmen, führenden Männern der Polis rezipiert worden sein. Im Rahmen von Symposien allerdings ließen sie sich häu g von Spaßmachern unterhalten. 52 Was den einen zu Prestigezwecken gedient haben mag, galt anderen möglicherweise als auf verschiedenen Ebenen unangemessen. Hatte Platon die Anwesenheit von Unterhaltern auf Symposien abgelehnt, 53 bewertete sein Zeitgenosse Xenophon dieselbe Szene des Gelages von Kallias mit Sokrates 54 in seinem 380 v. Chr. verfassten „Symposion“ gegenteilig. Sokrates wird bei Xenophon zum beispielhaften Vorbild und verkörpert das „Ideal des Scherzhaft-Ernsten“. 55 Als Grund für die Anwesenheit des Spaßmachers Philippos beim Gelage wird dem Gastgeber Kallias in den Mund gelegt, die ernste Runde könne etwas Lachen vertragen. 56 Der Bericht über einen gelotopoios, wörtlich einen „Lachen-Macher“ ist der ausführlichste und gibt einen Einblick in diese Form antiker Unterhaltung und Geselligkeit im Athen des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. 57 Xenophon hielt demnach nicht nur die ernsthaften Handlungen ehrenwerter Männer für erinnerungswürdig, sondern – mit den üblichen Einschränkungen – auch ihre Vergnügungen. 58 Die Symposien gewannen Ende des 6. vorchristlichen Jahrhunderts Bedeutung aufgrund des Verlusts der Monopolstellung der Aristokratie in der Politik. 59 Mitglieder der athenischen Führungsschicht leisteten sich ab der Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts einen Schmeichler, kolax bezeichnet, der für seine geist52 Aristokratische Kreise konnten sich häu g die Dienste von Spaßmachern leisten, liefen aber Gefahr, selbst zum Gespött zu werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Art der Witze zum Teil der Unterschicht entstammte, wie die weiter unten kurz erwähnte Sammlung von Witzen zeigt. Bei der städtischen Elite führte die Clownerei zeitweise zum Statusverlust. Vgl. Bremmer, S. 23. 53 Platon: Protagoras, 347c–d. 54 Sokrates selbst empfahl nur das sparsam verwendete Lachen, wie im Folgenden noch dargelegt wird. 55 Suchomski, Anm. 112, S. 268. 56 Vgl. Bremmer, S. 18 f. 57 Vgl. ders., S. 18 f. 58 Sokrates lässt sich in der Beschreibung auf die heiter gelöste Stimmung durchaus ein. Die Unterhaltung soll dennoch mit Anstand geführt und Pöbelei unterdrückt werden. Bremmer, S. 19. Vgl. auch Suchomski, Anm. 112, S. 268. Jeglicher verletzender Spaß, zum eigenen Vorteil oder zum Schaden eines anderen, wurde von Xenophon strikt abgelehnt. Suchomski, Anm. 112, S. 268. Für die Entwicklung eines vornehmeren Humors ist ein früher Beleg Xenophons Abhandlung „Kyropädie“, über die Erziehung des persischen Königs Kyros, in welchem er die Vermeidung von verletzenden Witzen nahelegt. Bremmer spricht in diesem Kontext von „Schamkultur“, in der negative Witze „noch weit mehr Schaden anrichten können.“ Bremmer, S. 27. 59 Eine Verlagerung in die Privatsphäre war die Folge und die Symposien, seit jeher Bühne der Elite für Politik, Spiel und Unterhaltung, dienten nunmehr der Zurschaustellung von Reich-

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reichen Scherze, der Namensgebung entsprechend dem Gastgeber und seinen Gästen schmeichelnd, mit Essen entlohnt wurde. 60 Zum Repertoire dieser Spaßmacher gehörten parodierende Imitationen und besonders auf Symposien und Hochzeiten beliebte Vergleiche. Eben diese Vergleiche, die allgemein üblich waren, beanstandet Sokrates. 61 Die Frage ist, ob es sich dabei um eine Gesellschaftskritik handelt, die sich gegen bestimmte Differenzierungsformen wie etwa Parodie und Spott wendet, die Differenzierungsabsichten innerhalb der Polis im Grunde aber als legitim stärkt. 62 In den von Spaßmachern verwendeten Witzbüchern sind verschiedene Akteure Objekte des Lachens. Eine in der Spätantike anonym verfasste Sammlung von 265 Witzen 63 lässt zwar eine gewisse Verachtung der Frau erkennen, dennoch nden sich in der Sammlung wenige obszöne oder gegen Frauen gerichtete Witze. 64 GenderFragen lassen sich daher vermutlich anhand des genannten Witzbuchs wenig zufriedenstellend beantworten. Gegenstand der überwiegenden Mehrheit dieser Witze ist der Typus des scholastikos, des Intellektuellen, des pedantischen Studenten, des Juristen und Professoren. Möglicherweise äußert sich hierin Kritik an bestimmten Formen

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tum und passivem Zeitvertreib, um sich als des Lohnerwerbs nicht bedürftig auszuweisen. Vgl. Bremmer, S. 20. Vgl. ders., S. 20 f. Vgl. ders., S. 21 f. Mehr zur rückgängigen Akzeptanz von Possen als zulässigem Ausdruck von Humor bei Symposien und einer parallelen Entwicklung bei der Bewertung von Komödien bei Bremmer, S. 29. Bremmer führt diese Veränderung auf ein zunehmendes „embourgeoisement“ zurück, das mit einer Verfeinerung der Moral und der Kultivierung von Geistreichem einherging. Wie der Wandel des Begriffs der Eutrapelie hier mit hineinspielt bzw. zusammenhängt, wäre näher zu untersuchen. (Begriffsgeschichtliche Hinweise bei Bremmer, ebd. Screech zeigt sehr aufschlussreich, wie in Bezug auf die Eutrapelie unterschiedliche Positionen existierten: Aristoteles, Augustinus und Thomas von Aquin hatten ein positives Verständnis davon, Paulus, Chrysostomos und Hieronymus eher ein negatives. Paulus in seiner Unkenntnis des Griechischen wurde sogar von Redaktoren diesbezüglich korrigiert. Screech, S. 135. Demnach kann auch für das Verständnis von Eutrapelie wie beim Lachen nicht von einer Entwicklung von einer positiven hin zu einer negativen Bewertung gesprochen werden.) Elias und Bourdieu hatten den Rückzug der Aristokratie aus dem öffentlichen Leben und die Konzentration auf das Symposion, also die Suche nach Auszeichnung auf anderen Gebieten, mit der abnehmenden, vermeintlichen Akzeptanz von Streitigkeiten und inneren Auseinandersetzungen in Verbindung gebracht. Vgl. Bremmer, S. 29 u. 26 f. Dies hätte demnach ein kontrolliertes Verhalten und einen verfeinerten Stil zur Folge gehabt. Die genannten Thesen liefern nicht nur wichtige theoretische Ansatzpunkte für die Auseinandersetzung mit dem Lachen als sozialen Differenzierungsprozess im Mittelalter, sondern im Sinne der longue durée auch teilweise Ausgangspunkte dieser Entwicklung. Hierauf wird an späterer Stelle zurückzukommen sein. Diese Sammlung wurde in keiner Handschrift vor dem 10. Jahrhundert überliefert, ist aber wahrscheinlich im 3. Jahrhundert zusammengestellt und deren letzte Ausgabe erst im 6. Jahrhundert erstellt worden. Vgl. Bremmer, S. 24. Ders., S. 26.

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von Männlichkeit. Die Dummheit und gesellschaftliche Ungeschicklichkeit werden in den Mittelpunkt der Belustigung gestellt. Die Intellektuellen, die nicht mit normaler Handarbeit befasst sind, ziehen Vorurteile und Verachtung ihrer Mitbürger auf sich. Die Witze feiern die Vernunft der einfachen Menschen. 65 Möglicherweise ist dies auch als Angriff auf noch elitärere Kreise zu verstehen. Philosophen legten hohe Bildungsmaßstäbe und damit einhergehend ihre idealen Tugendvorstellungen auch in diesem Bereich an. 66 Eine späte Anthologie schreibt Sokrates die Worte zu: „Man sollte Lachen so verwenden, wie man Salz benutzt: sparsam.“ 67 Die Philosophen inszenieren sich in ihren Äußerungen als diejenigen, die durch ihre Selbstbeherrschung ihre Würde wahren und auch der Selbstbeherrschung des Lachens mächtig sind. Die Aufnahme eben dieser Akteure in die Witzbücher zeigt, dass die Belustigung keinesfalls vor ihnen Halt machte und sie sich dafür sehr wohl eigneten. Die Verfeinerung 68 der Körperäußerung des Lachens avancierte in der Darstellung zusammenfassend gesagt zu einem Differenzierungsmittel sozialer Schichten in der griechischen Polis. Das Symposion ist einer von mehreren Orten, wo die Unterschiede in Szene gesetzt werden. 69 Die Witzbücher zeigen, dass sich die Akteure mit reglementierten Vorstellungen des Lachens offensichtlich auch als Objekte des Lachens geeignet haben. Die genannte soziale Nähe der Akteure zueinander steht in Übereinstimmung mit der Aussage Bourdieus, dass die Absetzungen sich besonders zu der unmittelbarsten Konkurrenz bilden. 70 Die Kon iktlinien könnten demnach zwischen verschiedenen Führungsschichten verlaufen sein, zwischen Akteuren mit unterschiedlichem politischem und sozialem Status, verschiedenem Bildungsstand und divergierendem ethischem Verständnis. Dazu zählen auch unterschiedliche Grade an zur Schau gestellter Lebensfreude, die bei dem hellenistischen Herrschertypus Teil des Personenkults werden konnte. 65 Vgl. Bremmer, S. 25 f. 66 „Unter den hellenistischen Philosophien eigneten sich am besten für die ironische Behandlung der Komiker einmal die stoischen mit ihrem strengen und unversöhnlichen Standpunkt, dann die epikureische mit ihren porci de grege Epicuri“, Corte, Francesco della: Stoiker und Epikureer in Plautus' Komödien, 1974, S. 80. Obwohl Epikurs Philosophie als Philosophie der Freude verstanden werden kann, nden sich in seinem Werk kaum konkrete Äußerungen zum Thema Lachen. Schneider nimmt zwar Bezug auf Epikur, nennt aber keine Belegstellen. Vgl. Schneider, S. 90. 67 „Σωκράτους. Τῷ γελοιῳ καδἀπερ ἁλὶ πεφεισµἐνως δεῖ χρῆσδαι.“ Stobaios, 3, 34,18. 68 Zu fragen ist, ob es sich um eine zunehmende Verfeinerung handelt und diese Entwicklung im Sinne von Elias einem „embourgeoisement“ gleichkommt. 69 Wobei soziale Differenzierung auch hier zwei Funktionen erfüllt: Zum einen erfolgt eine Abgrenzung nach außen, zum anderen werden innerhalb des ausgewählten Kreises Regeln aufgestellt, die sowohl durch Festlegung von Verhaltensnormen die Elite formieren helfen als auch durch die Begrenzung internen Streitpotentials diese Schicht in der ihr verbleibenden Machtposition stabilisieren sollen. 70 Bourdieu: Die feinen Unterschiede, S. 111.

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Das Lachen im Altertum

2.2 Römische Überlieferung 2.1.1 Arten des Lachens

Auch bei den römischen Textbelegen lassen sich Aussagen zu den Arten, Motiven und Akteuren des Lachens nden. Bezüglich der Arten unterscheidet Cicero zwischen gaudium und laetitia. Erstere ist gekennzeichnet von Ruhe und Beständigkeit hervorgerufen durch Vernunft. Fröhlichkeit hingegen, laetitia, ist ohne Vernunft und auf ein leeres, zerstreutes und maßloses Herz zurückzuführen, welches sich dann übermütig äußert. 71 In Bezug auf die Lehre von der risibilitas des Menschen, die weitertradiert wird, gilt es auch hier das rechte Maß einzuhalten. Dazu merkte der römische Stoiker Epiktet an: „Lache nicht viel, nicht über alles und nicht überlaut.“ 72 Das griechische Ideal der Ernst-Heiterkeit ist auch in der römischen Tradition wirkmächtig. Ebenfalls in textlichen Zeugnissen enthalten ist die Vorstellung von nicht-lachenden Akteuren. Der römische Sophist und Lehrer der Rhetorik Claudius Aelianus stellte die Griechen Anaxagoras 73 und den weisen König Anacharsis 74 als nie oder selten lachend dar. 75 Auch hier gilt es als Wesentliches festzuhalten: Ein Verbot des Lachens lässt sich in den römischen Überlieferungen jedoch nicht ohne weiteres herauslesen.

71 „nam cum ratione animus movetur placide atque constanter, tum illud gaudium dicitur; cum autem inaniter et effuse animus exultat, tum illa laetitia gestiens vel nimia dici potest, quam ita de niunt: sine ratione animi elationem“ – „Wenn nämlich die Seele durch die Vernunft bewegt wird und dies mit Ruhe und Beständigkeit, so nennen wir das Freude. Wenn aber sinnlos und ungehemmt der Geist sich begeistert, so ist dies ein übertriebenes Vergnügen, das so de niert wird: eine Erhebung der Seele ohne Vernunft.“, Cicero: Gespräche in Tusculum [Tusculanae disputationes], IV, 13, S. 254 f. Selbstbeherrschung, Maß und Anstand sollen Witz und Spiel eindämmen. Die Jugend könne durch die Anwesenheit von maßvollen und sittsamen Männern bei ihren Mußestunden Ausgelassenheit und Unanständigkeit beim Spiel vermeiden. Vgl. Suchomski, S. 32. Der Schlaf unterbricht den Ernst des Lebens und dient der Erholung wie das Spiel und der Scherz nach der gewissenhaften Erledigung der Geschäfte. Vgl. Suchomski, S. 30. 72 „Γέλως µὴ πολὺς ἔστω µηδὲ ἐπὶ πολλνῖς µηδὲ ἀνειµένος.“ Epiktet, 33, S. 48. 73 Aelianus, 8,13. Dort ist zu lesen, dass Anaxagoras von Clazomenae nie lachend oder lächelnd gesehen wurde, Aristoxenus auch ein entschiedener Gegner des Lachens war, während Heraklit angesichts des menschlichen Daseins weinte. 74 Es ist nicht ganz klar, warum Bremmer dieses Beispiel bei den nie oder nur selten lachenden Personen aufführt, geht es doch in dem Quellenbeleg darum, dass Anacharsis angesichts einer Vorführung eines Spaßmachers seine Miene nicht verzogen habe, jedoch beim Anblick eines herbeigebrachten Affen in Lachen ausbrach. Vgl. Bremmer, S. 26; Athenaeus, 613d. 75 Plinius habe dieser Aufzählung Crassus hinzugefügt, wofür Resnick jedoch keine Belegstelle angibt. Resnick, S. 97. Dem wird aber in späterer Zeit von Hieronymus widersprochen, der angibt, Crassus habe ein einziges Mal gelacht. Hieronymus: Apologia adversus libros Ru ni, I, 30.

Römische Überlieferung

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2.2.2 Motive des Lachens

Die Motive und Kontexte des Lachens gehören in der römischen Antike den Bereichen der Rhetorik, des Theaters und der Philosophie an. 76 Cicero interessieren die gesellschaftlichen Kontexte und die damit verbundenen Funktionen des Lachens. Erholung, Geselligkeit und rhetorische Kunst lassen ihn das Lachen befürworten, solange die Tugend durch die Unterordnung der Triebe unter die Vernunft zu besonnenem und leidenschaftslosem Handeln führt. 77 Auch Seneca liefert Argumente für die Bedeutung der Entspannung. Er bewundert dennoch diejenigen, die sich das Lachen abgewöhnen konnten. 78 In seinem Werk „De of ciis“ hat Cicero für den Bereich der Rhetorik wesentliche im Mittelalter rezipierte Motive benannt. So hat der Redner bezüglich des Witzes die drei Faktoren Zeit, Sache und Person zu berücksichtigen. 79 Ciceros Ausführungen beziehen sich besonders auf die Kunst des Witzes. Für das Mittelalter von Relevanz ist dabei, dass er dem Witz eine derartige Bedeutung beimisst und daher die Übung dieses rhetorischen Mittels emp ehlt. 80 Die im Mittelalter verbreiteten Schriften Quintilians, die einen von Cicero geprägten Exkurs über den Witz bieten, 81 unterstreichen den Stellenwert des Witzes innerhalb der Rhetorik

76 Eine begriffliche Nennung des „Lachens“ im Kontext von religiösen Feiern konnte wie für die griechische Überlieferung nicht nachgewiesen werden. Komödien gehörten jedoch ebenso zu religiösen Feierlichkeiten dazu. Hierzu zählen die ludi Apollinares, die ludi Romani und die ludi plebei zu Ehren von Jupiter, Iuno und Minerva. Im Kontext der Feiern für die anatolische Cybele, den ludi Megalenses, kann man von einem dem Karneval ähnlichen Treiben sprechen. Vgl. Graf, Fritz: Cicero, Plautus und das römische Lachen, 1999, S. 40. Die römischen Feste erreichen aber nicht „spezielle Merkmale ritueller Umkehrung“, wie dies der Fall bei den dionysischen Festen war, die von Komödien und Tragödienaufführungen begleitet wurden. 77 Vgl. Suchomski, S. 32. 78 „Quodcumque sibi imperauit animus, obtinuit; quidam ne umquam riderent consecuti sunt“, Seneca: De ira, II, XII, 4. 79 So solle das rhetorische Mittel des Witzes selten eingesetzt werden, situationsbedingt, spontan und schlagfertig sein. Verhasstes oder Bemitleidenswertes ist für Cicero kein gutes Thema für einen Witz. Ehrenwerte und befreundete Männer, sowie unglückliche und elende Menschen dürfen auch nicht zum Opfer von Gelächter werden. Tabuisiert sind großes Verbrechen und großes Elend, die eine ernste Behandlung zum Erhalt der Glaubwürdigkeit des Redners verlangen. Vgl. Suchomski, S. 32 f. 80 Richtig angewandt dient Witzigkeit dazu, den Zuhörer zu erfrischen, seine Aufmerksamkeit für ernste Themen wiederherzustellen, das Wohlwollen der Hörer allgemein und besonders der Richter zu sichern und kann gezielt zur Verwirrung oder Widerlegung eingesetzt werden. Das rechte Maß wird auch durch das Publikum bestimmt, denn der Humor eines Redners als Instrument der Überredung, der Gewinnung des Publikums, sollte dieses nicht zum Feind machen. Vgl. Suchomski, S. 33 f und Graf, S. 33. 81 Quintilians Kapitel über Humor in dem Werk „Institutio oratoria“ weist hohe Parallelitäten zu dem Kapitel in Ciceros „De oratore“ auf.

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zur Entspannung, Aufweckung oder Ablenkung besonders der Richter. 82 Quintilian emp ehlt aber auch die Vermeidung von Übertreibungen und weist darauf hin, dass Lachen nicht weit von Verlachen ist. 83 Er betont ferner, dass Lachen sowohl eine psychische wie auch eine physische Ursache haben kann. Bedeutsam ist ebenfalls Ciceros Verknüpfung von Scherzen mit allgemeinen Tugenden der Selbstbeherrschung, 84 des Scharfsinns, der Bildung und des Anstands. Cicero behandelt den Scherz im Kontext seiner Erörterung der vier Kardinaltugenden. 85 Mit Ironie lässt sich das sittlich Gute an einem lasterhaften Menschen beschreiben, weshalb Cicero Caesar die Worte in den Mund legt, hinter jedem Witz sei ein ernster Gedanke zu nden. Das Übermaß erfährt von Cicero eine stärkere Missbilligung als der Mangel, eine Vorstellung, die im Mittelalter wiederholt begegnet. Dem geistreichen Witz, der durch Würde, Anmut und Ernst den sittlichen Gesetzen unterworfen wird, ist der Vorzug zu geben gegenüber den unedlen Possenreißereien, mimischen Übertreibungen und schamlosen, ausgelassenen Zoten. In Gesellschaft ist es bedeutend, beim Scherzen nicht verletzend zu sein, sondern am besten den Betroffenen selbst zu erheitern. Ebenso wichtig ist es, selbst einen guten Witz mit Freude aufnehmen zu können und bei einem Gastmahl die Stimmung nicht durch Griesgrämigkeit zu beeinträchtigen. Obwohl bei Cicero überwiegend die Rede von Witz und Scherzen ist, lassen sich die Motive im Mittelalter im Zusammenhang mit dem Lachen vielfach wieder nden.

2.2.3 Akteure des Lachens

Insgesamt gehen Ciceros Ausführungen über rhetorische Anweisungen hinaus 86 und verknüpfen ein bestimmtes Menschenbild mit einem Tugendentwurf. In dem daraus folgenden gesellschaftlichen Modell wird Witz zum Instrument sozialer Differenzierung. Somit schneiden die Vorstellungen vom Lachen beziehungsweise vom „Lachen 82 „Huic diuersa uirtus quae risum iudicis mouendo et illos tristes soluit adfectus et animum ab intentione rerum frequenter auertit et aliquando etiam re cit et a satietate uel a fatigatione renouat.“ Quintilian: Institutio oratoria, 6,3,1. 83 „Neque enim ab ullo satis explicari puto, licet multi temptauerint, unde risus, qui non solum facto aliquo dictoue, sed interdum quodam etiam corporis tactu lacessitur. Praeterea non una ratione moueri solet: neque enim acute tantum ac uenuste, sed stulte iracunde timide dicta ac facta ridentur, ideoque anceps eius rei ratio est, quod a derisu non procul abest risus.“ Quintilian: Institutio oratoria, 6,3,7. Ein Beleg für einen derartigen Skrupel gegenüber dem Verlachen muss für das Mittelalter erst noch erbracht werden. 84 In Bezug auf den Witz bedeutet dies die oben aufgeführten Beschränkungen bezüglich Sache, Person und Zeit. 85 Vgl. Suchomski, S. 32. 86 So kann nur von dem frühen Werk „De oratore“ behauptet werden, dass die Erwägungen „römischer Praktikabilität statt griechischer ethischer Theorie“ folgten. Graf, S. 33.

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machen“, von Witzen und Scherzen, die ein Lachen bezwecken können, einmal mehr das Thema der Akteure an. Für Cicero greifen die gesellschaftliche Bedeutung eines Redners, eines Gebildeten und eines tugendhaften Mannes als des besten Mannes des Staates ineinander. Noch deutlicher wird der Versuch der sozialen Abgrenzung in den Aussagen, die der Aneignung von Tugenden und Anwendung von rhetorischen Mitteln zu widersprechen scheinen, wenn Eleganz auch beim Humor zur Oberschicht gehörig und die dazu nötige Er ndungsgabe, ingenium, als dieser angeboren verstanden werden. Die Betonung der Befähigung zu stilvollem Witz und Originalität von Geburt her könnte eine Abschließungstendenz gegenüber Emporkömmlingen bedeuten, die sich durch Bildung und Verhalten hervortun. Ebenso im Kontrast zur Erlernbarkeit steht es, wenn Cicero daher das Fehlen strenger Kunstregeln konstatiert und den Witz letztlich als Naturanlage auffasst. Begriffe 87 wie urbanum im Gegensatz zu inliberale, mittels derer Cicero die Grenzen der Ehrbarkeit, die Gesellschaftsfähigkeit eines Witzes absteckt, weisen zusätzlich darauf hin, dass die Ausführungen als gesellschaftliche Abgrenzungsversuche verstanden werden dürfen. In römischer Zeit diente der ethnische Humor besonders gegen die Griechen zur Bestätigung der eigenen Identität. Verbunden mit Rügen zum Zweck der Vermeidung weiterer Verstöße gegen bestehende Normen wurden die moralischen Lehren nicht anhand einer wohlbekannten Alltagswelt verdeutlicht, sondern mittels der Inszenierung des Fremden mit typisch griechischen Alltagsszenen. 88 Trotz der zeitweiligen Uneinigkeit bezüglich des Humors aufgrund sozialer Standortbestimmungen, sind die Römer stolz auf ihren Humor. Cicero ndet „der höfliche altrömische Witz ist witziger als der attische“ 89 und Quintilian verbucht die Er ndung der Satire für die Römer, auch wenn er einräumen muss, dass „wir in der Komödie hinterherhinken“. 90 Ein weiterer beliebter Topos war die Unterscheidung von Stadt und Land. So befand Cicero, dass nicht alles, was lächerlich ist, auch witzig ist, 91 wie der sannio, der bäuerliche Spaßma-

87 Zu diesen Begriffen zählen elegans, urbanum, gleichbedeutend mit „geistreich“, ingeniosum als „er nderisch“, facetum „komisch“ und werden mit der Vorstellung des Unfreien inliberale, aber auch mit petulus „unverschämt“, agitiosum „schändlich“ und obscenum kontrastiert. 88 Folgende These wäre genauer durch die Altertumswissenschaften im Zusammenhang mit Umkehrungsverhältnissen, die zum Lachen anregen können, zu beleuchten: „Während die athenische Komödie durchweg innerhalb der Normen ihrer Gesellschaft blieb, schuf die römische Komödie eine verdrehte „verkehrte Welt“, in der sonst verbotene Dinge erlaubt waren.“ Graf, S. 39. 89 „[. . . ] accedunt non Attici sed salsiores quam illi Atticorum Romani veteres atque urbani sales.“ Cicero: Ad familiares, 9,15,2. 90 „Satura quidem tota nostra est“, „In comoedia maxime claudicamus“, Quintilian: Institutio oratoria, 10,1,93 u. 99. 91 „Atque hoc etiam animaduertendum est, non esse omnia ridicula faceta. Quid enim potest esse tam ridiculum quam sannio est? Sed ore, uoltu, [imitandis moribus], uoce, denique corpore

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cher. Horaz hingegen ist unter anderem die Kenntnis der ioca fescennina zu verdanken, archaisch römischen ritualisierten Späßen mit „ländlichen Rügen“, 92 wie er sich ausdrückt. Sie haben den Zweck, abweichendes Verhalten zu tadeln und dadurch ein gruppenkonformes Verhalten zu fördern. Diese gesellschaftliche Funktion, mit Horaz Worten „lachend die Wahrheit sagen“, ridentem dicere verum, 93 bediente sich zu diesem Zweck des bäuerlichen Witzes. Ähnliches gilt für die negative Einstellung gegenüber Spaßmachern. Die spaßmachenden Berufsstände zählten gesellschaftlich häug zu den niederen Schichten 94 und wurden gleichgesetzt mit Trickbetrügern. 95 Bei Plautus verband sich Verhaltenstadel zeitweilig mit einer Art „gender-Humor“, „wenn die matronae kritisiert werden, weil sie zu laut lachen und damit den Anstand ihres Standes verletzen.“ 96 Auch in der römischen Textüberlieferung gibt es Berichte über besondere Akteure des Lachens wie Philosophen oder Götter. Bei Vergil ndet sich der ländliche Gott Silen lachend dargestellt, dessen Lachen jedoch anders als das homerische ein nachsichtiges ist. 97 In einem Dialog Ciceros erklärt die Figur des Strabo, dass er nicht viel darüber wisse, was Humor sei. Das Thema gelte zwar als gemeinhin bekannt, jedoch solle man sich für nähere Erklärungen an Demokrit wenden, von welchem man sage, dass er unentwegt über die menschliche Torheit gelacht habe und daher ein Experte auf dem Gebiet des Lachens sei. 98 Bemerkenswert ist diese Zuschreibung zu einem griechischen Philosophen des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Interessant wäre es, dem Gedanken nachzugehen, inwieweit dies den Kreis schließt zum weiter oben kurz skizzierten ethnischen Humor. Cicero, der seinerseits viel zum rhetorischen Mittel des Witzes geschrieben hat, wurde letztlich selbst zum Objekt der Belustigung. 99 Das Urteil über ihn als witziridetur ipso. Salsum hunc possum dicere atque ita, non ut eius modi oratorem esse uelim, sed ut mimum.“ Cicero: De oratore, 2,251. 92 „[. . . ] oribus et vino Genium memorem brevis aevi Fescennina per hunc inventa licentia morem versibus alternis opprobria rustica fudit, [. . . ]“ Horaz: Epistel, 2,1,146. 93 Dem „Moralium dogma philosophorum“ dienten die Überlegungen von Horaz als Basis. Obwohl Horaz wenig über Humor oder Lachen schreibt, ist sein Ein uss, der für das Mittelalter hoch eingeschätzt werden muss, hinsichtlich eines Aspekts bedeutsam: Die Idee, dass man mit Humor beziehungsweise Komödien erziehen, Ideen in einer zugänglichen und angenehmen Weise präsentieren könne. Vgl. Attardo, S. 33. 94 Eine Ausnahme liefert Prokop mit Königin Theodora, die eine Schauspielerin war. Damit sie Justinian heiraten konnte, war eine Gesetzesänderung nötig, da Senatoren keine Schauspielerinnen heiraten durften. Vgl. Codex Iustinianus 5,4,23. 95 Vgl. Bremmer, S. 23. 96 Graf, S. 38. 97 Vergil: Bucolica, 6, 23. Vgl. Wittchow, Frank: Prekäre Gemeinschaften. Inklusives und exklusives Lachen bei Horaz und Vergil, 2005, S. 104 u. 106. 98 Cicero: De oratore, 2, LVIII–LXII = 235–252. Die Stelle zu Demokrit ndet sich in 235, Cicero führt dennoch Gedanken zum Thema weiter aus. 99 Angreifbar hatte Cicero sich sicherlich gemacht, nicht nur mit Sätzen wie „Ich denke, daß

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gen Redner 100 el unterschiedlich aus. Quintilian, ein späterer Lehrer der Rhetorik, ist nicht der Meinung, Cicero habe das rechte Maß überschritten, sein Zeitgenosse Cato der Jüngere nennt ihn „einen lächerlichen Konsul“, 101 wiederum andere schimpfen ihn scurra, Clown. 102 Dies muss ihn umso mehr getroffen haben, als Cicero selbst eigens Regeln festgelegt hatte, die die Lächerlichkeit eines Redners verhindern sollten. 103 Der römische Redner galt als die Verkörperung des perfekten Mitglieds der Senatorenschicht Roms, dessen Tugenden gravitas und prudentia sein sollten. Scurra, mimus, ethopoios und sannio waren als griechische Ausländer, Sklaven oder Freigelassene die Gegenspieler. Die größte Gefahr eines Redners war es, als Unterhaltungskünstler zu erscheinen. Diese Gefahr war insofern real, als die verwendeten Techniken einander ähnelten und Schauspieler häu g den jungen Rednern als Lehrer dienten. Sich zu unterscheiden war demnach aufgrund ähnlicher Ausdrucksweise von Bedeutung, aber gleichsam auch schwierig. Die Bezeichnung Ciceros als Clown war somit eine wirksame Verletzung, die ihn als homo novus aus der Provinz deklassiert, der keineswegs zur angestammten Oberschicht Roms zählte.

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[es] für einen Mann, dem es nicht an Witz mangelt, einfacher ist, über irgendetwas anderes als über Witze zu sprechen“, (Zitiert nach Graf, S. 32, dort ohne genaue Belegstelle.), die es Ciceros Gegner leicht gemacht haben könnten, über ihn zu spotten. Vermutlich weniger aufgrund eines Abweichens vom gesellschaftsfähigen Humor und Witz, als vielmehr aufgrund des Ringens der etablierten Oberschicht um ihre eigene unangefochtene Position in der Gesellschaft war Cicero als Emporkömmling Opfer der Kritik geworden. Zudem war in diesem Zusammenhang mit dignitas, der Würde, ein wichtiger Punkt der Rhetorik und des gesellschaftlichen Lebens angesprochen. Es galt die eigene zu wahren, rhetorisch zu fesseln, die Lächerlichkeit der Gegner zu demonstrieren und nicht selbst wie ein scurra oder mimus dazustehen. Cicero, „dem im Laufe der Zeit eine spätere Tradition eine wachsende Anzahl von Witzen zuschrieb (bereits sein Freigelassener Tiro hatte eine Sammlung veröffentlicht)“, Graf, S. 32 f, vgl. Macrobius: Saturnalia, 2,1,12. Plutarch: Comparatio Demosthenis et Ciceronis, 1,5. „Cicero autem quantum in ea re valuerit quis ignorat qui vel liberti eius libros quos is de iocis patroni composuit, quos quidam ipsius putant esse, legere curavit? quis item nescit consularem eum scurram ab inimicis appellari solitum?“ Macrobius: Saturnalia, 2,1,12. So dürfe das Maß zum Beispiel bei der Belustigung über körperliche Erscheinungen nicht überschritten werden, sonst gelte man leicht als Clown und Mimus-Schauspieler, „Est etiam deformitatis et corporis uitiorum satis bella materies ad iocandum; sed quaerimus idem, quod in ceteris rebus maxime quaerendum est, quatenus. In quo non modo illud praecipitur, ne quid insulse, sed etiam, si [quid] perridicule possis, uitandum est oratori utrumque, ne aut scurrilis iocus sit aut mimicus.“ Cicero: De oratore, 2, 239. Clowns und Mimus-Schauspieler können die Grenzen des Humors nicht kennen, die von Ernst, gravitas, und Wissen, Einbeziehungsweise Umsicht, prudentia, auferlegt werden. Ferner fordert er die Unterlassung von Übertreibungen bei Karikaturen, sonst gleiche man wiederum den schlecht beleumdeten mimus und ethopoios, einem Parodisten von Charakteren. Ebd., 2, 242 u. 243.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die römischen Gelehrten ebenso wie die griechischen Philosophen im kultivierten Lachen ein Mittel der Abgrenzung sahen. Jedoch betrifft dies in der Tendenz nicht nur die Konkurrenz innerhalb städtischer Führungsschichten, sondern auch Distinktionsbemühungen gegenüber Fremden und Außerstädtischen. Eventuell sind hierin mehrere Abschließungsbemühungen zu erkennen. Auf Kon iktpotential weist auch die Vorstellung hin, dass witzige Bemerkungen den Akteuren besonders der führenden Schicht eine Möglichkeit boten, sich in entschärfter Form tadelnd zu äußern. Andererseits waren einige gesellschaftliche Abweichungen, auch die Schichtengrenzen überschreitenden, derart ernsthaft, dass der Witz kein hinreichendes soziales Korrektiv darstellte, beziehungsweise eine geistreiche Bemerkung als zu leichtfertig wirken konnte. Die bereits erwähnte sorgfältige Beachtung von Tabuthemen und die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, gewinnen in diesem Kontext für die Akteure zusätzlich an Bedeutung.

2.3 Alttestamentliche Überlieferung

Für das Mittelalter von zentraler Bedeutung ist die Bibel, sowohl das Alte wie auch das Neue Testament. Darin sind jedoch in Anbetracht des Textumfangs vergleichsweise wenige Belegstellen enthalten, die das Lachen betreffen. Voeltzel schreibt bezüglich dieses Mangels, „wenn es das Lachen nur gibt, weil ein Lachender existiert, dann ist die Gefahr groß, daß man sich in Bezug auf die Bibel in jedem Fall an einer großen Dürftigkeit stößt“. 104

2.3.1 Arten und Motive des Lachens

Das Hebräische kennt zwei verschiedene Begriffe für das Lachen: sâhaq, 105 was ein positives, freudiges Lachen umschreibt, und lâaq, ein spöttisch, häu g boshaftes Lachen. Die Vulgata, die seit der Spätantike dominierende lateinische Bibelübersetzung, operiert überwiegend mit ridere und deridere und spiegelt dadurch zum Teil den Wortsinn der Originalsprache und unterscheidet somit ebenfalls in zwei Arten des Lachens. 106 104 Voeltzel, René: Das Lachen des Herrn. Über die Ironie in der Bibel, 1961, S. 9. Voeltzel wendet sich daher neben dem Lachen auch dem Bereich der Ironie zu. 105 Brenner stellt hier noch genauere Unterscheidungen an zwischen s. h. q und ´sh. q. Vgl. Brenner, Athalya: On the Semantic Field of Humour, Laughter and the Comic in the Old Testament, 1990, S. 46–52. 106 Die Septuaginta gibt die Begriffe als γελάω (gelao) und καταγελάω (katagelao) wieder. Rengstorf unterteilt interessanterweise in eine Wortgruppe in ihrer Anwendung auf den Menschen und eine auf die Gottheit. Vgl. Rengstorf, [Karl Heinrich]: γελάω, καταγελάω, γέλως, 1949, S. 656–660. Le Goff sieht die lateinische Entsprechung zum he-

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Die Formulierungen des Lachens sind überwiegend schlicht gehalten ohne weitere beigefügte Adjektive, selten dienen Bilder wie „Mund voll Lachens“ der Darstellung. 107 Weiterhin wird punktuell unterschieden zwischen lauthals lachen und lächeln. Die Motive werden nur sehr selten durch konkrete Begriffe erhellt, wie zum Beispiel Lachen und Freude, Jauchzen oder Jubel, sondern vielmehr durch die gesamte Erzählung. Insgesamt ist das semantische Wortfeld unausgewogen, 108 so dass das Lachen entweder neutrale Bedeutung hat oder eher eine Verachtung und Verspottung ausdrückt. 109 Möglicherweise hängt dieses Ungleichgewicht mit der Vorstellung von Freude als störenden und ablenkenden Faktor 110 und dem didaktischen Anspruch der Texte zusammen: 111 Im alttestamentlichen Verständnis Gottes als Erzieher wird das Lachen der heidnischen Völker zur Warnung und Drohung für Israel, die Furcht vor diesem Auslachen soll zur Hinwendung zu Gott führen. Zugleich tritt das Lachen im Zusammenhang von Verheißung auf, wenn also das Lachen der Gegner ersticken wird und sich zum Lachen, zur Freude Israels verkehrt. 112

2.3.2 Akteure des Lachens

Viel wichtiger als die begriffliche Unterscheidung des Lachens ist jedoch die Abhängigkeit seiner Bedeutung vom Akteur. Die lachend in Erscheinung tretenden Akteure bilden eine Dreiheit: Gott, 113 der Gottlose 114 und der Fromme. 115 In den meisten

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bräischen und griechischen in dem Paar „risus et subrisus“, was jedoch unpräzise ist. Vgl. Le Goff, Jacques: Une enquête sur le rire, 1997, S. 452. Hier ist interessant, dass der weit offene Mund mit der Unterwelt assoziiert werden kann, so etwa in Jes 5,14 und Hab 2,5. Zur Personi kation eines lachenden Monsters oder Dämons, der die Opfer verschlingt und in seinem Bauch, dem Erdreich aufnimmt, vgl. Brenner, S. 46 u. 57. Brenner, S. 44. Ders., S. 42, 51 f u. 57. Vgl. Brenner, S. 40. Vgl. ders., S. 43, aber auch Voeltzel S. 55 u. 105. Vgl. Voeltzel, S. 104–106 u. 110–111. In seinem essayistischen Beitrag „Götter lachen, Gott nicht“ hält Türcke es für „[u]ndenkbar, dass der alttestamentliche Gott, der Inbegriff des Erhabenen, wie die Olympier in Lachen ausbricht.“ Türcke behauptet, dass Lachen „das Gott schlechterdings Unangemessene ist.“ Türcke, Christoph: Götter lachen, Gott nicht, 2002, S. 777. Es kann sich dabei um äußere Feinde, Andersgläubige handeln, aber auch um sündige, vom Glauben abgekommene Israeliten. Der Fromme, der Gerechte, tritt entweder als Individuum auf oder als das Volk Israel in seiner Gesamtheit. Bei dem Propheten Jesaja zum Beispiel gilt entsprechendes für subsannare. In Jes 37,22 ist es Israel als Jungfrau, als Tochter Zion, die den König Sanherib von Assyrien, den Feind Israels verachtet und seiner spottet.

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Fällen wird jemand verlacht, wobei mit der größten Häu gkeit die Gottlosen als die Lachenden in Erscheinung treten und Israel als Ganzes oder der Fromme, der Protagonist einer Erzählung das Opfer des Gelächters ist. Seltener sind die Verhältnisse umgekehrt. 116 Die fremden Völker, Gottlosen und Toren einerseits und das Volk Israel andererseits stellen die jeweiligen Opfer des Gelächters dar. 117 Das Volk Israel kann dabei nur zum Objekt werden, sofern es Gott gegenüber untreu und ungehorsam ist. 118 Gott tritt mitunter selbst als der Lachende in Erscheinung, 119 manchmal führt er auch Situationen herbei, in denen zum Beispiel die äußeren Feinde über Israel lachen. 120 Die Psalmen 121 geben einen guten Einblick in die Thematik des akteurbezogenen Lachens. Dabei handelt es sich überwiegend um das Lachen des Überlegenen: Gott lacht über die Könige, die Völker der Erde oder den Gottlosen. 122 Beleg hierfür sind die

116 Die Gruppe der Frommen lacht nur halb so oft wie die Gottlosen, die ihrerseits proportional weniger häu g verlacht werden. 117 Bei Hiob tritt ein Sonderfall auf, da der Unschuldige zum Objekt des Lachens Gottes wird. Dieser Fall wird weiter unten eingehender diskutiert. 118 Vgl. Voeltzel, S. 51. 119 Voeltzel wirft die Frage auf, ob die betreffenden Textstellen „ein gelegentliches Überbleibsel einer ganzen Ausmerzungsarbeit wären, die darauf ausging, das verschwinden zu lassen, was gewisse Anthropomorphismen und gewisse Anthropopathismen Gottes an Anstößigem enthalten.“ Er liefert selbst die Antwort, dass das Lachen sich meist in „Stellen [. . . ] einer jüngeren Periode der hebräischen Literatur“ ndet. Vgl. Voeltzel, S. 47. 120 Gott als Objekt des Lachens ist nahezu tabuisiert. Dennoch gibt es zwei Belege, jeweils einen im Alten und einen im Neuen Testament. Beide Stellen sind jedoch vorsichtig formuliert, so dass nicht explizit über Gott „gelacht“ wird. In der alttestamentlichen Stelle in 2. Chronik 36,16 verspotten (subsannabant) die Israeliten die Boten Gottes und verachten (parvipendebant) sein Wort und verhöhnen (inludebant) seine Propheten, bis der Zorn Gottes über sein Volk wuchs und es kein Vergeben mehr gab. Die Reaktion des Zorns beruht auf der Vorstellung, Botschafter, hier die Propheten, seien weitestgehend identisch mit dem Auftraggeber. Vgl. Westermann, Claus: Genesis; 2. Teilband Genesis 12–36, 1989, S. 341. 121 Das Lachen kommt nicht etwa in den Hymnen, den Lob- und Dankespsalmen, vor, sondern in den Klageliedern, sei es vom Einzelnen oder dem Volk, und in einem Königspsalm. Einen ähnlichen Befund liefern die negativen Ausdrücke des Lachens und Verspottens ab wie deridere, subsannare und inridere: Sie sind neben Königspsalmen und Klageliedern auch in Weisheitspsalmen, aber sogar auch in einem Danklied des Einzelnen vertreten. Insgesamt überwiegen die Ausdrücke des Verlachens zahlenmäßig, Ausdrücke des Lächelns oder Scherzens werden überhaupt nicht verwendet. 122 Voeltzel stellt sogar fest, dass die „wenigen Textstellen, in denen der Akt des Lachens Gott selbst zugeschrieben wird, [. . . ] alle einen Parallelismus [zeigen], sogar eine vollkommene Gleichheit zwischen dem Lachen im eigentlichen Sinne [. . . ] und dem Spott [. . . ]“, Voeltzel, S. 51.

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Psalmen 2,4, 123 59,9 124 und 36,13. 125 Das Lachen Gottes ist dabei kein Ausdruck von Freude. 126 Die Gerechten lachen über jeden Übeltäter, der nicht auf Gott vertraute, sondern auf seinen großen Reichtum und seine Macht (Psalm 52,8). 127 In Psalm 126 ergeht eine Weissagung an „die Gefangenen Zions“, die Gott erlösen wird: „Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein.“ Auch hier wird eine Überlegenheit, wenn auch nur eine zukünftige, ausgedrückt, wenn es in Vers 2 im Anschluss heißt: „Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan!“ Darin ndet sich das weiter oben angesprochene Motiv der Verheißung. Ebenso auf die Zukunft gerichtet ist das Lachen in Psalm 126,2, welches als Zeichen einer kommenden 128 Freude, der Zuversicht, eines tief empfundenen Jubels angesichts „der göttlichen Wundermacht“ 129 gedeutet werden kann. Die jeweils positive Bewertung des Lachens ist daher in den Psalmen nicht am Wort festzumachen, sondern ergibt sich allein aus dem Kontext des Lachens beziehungsweise aus Akteur und Objekt. 130 Dieser Sachverhalt gestaltet sich im ausführlichsten Beispiel des Alten Testaments zum Lachen sehr viel komplexer. In der Erzählung um Abraham und Sara drückt sich 123 In der Vulgata „habitator caeli ridebit Dominus subsannabit eos“, nach Luther „Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer [der Könige der Erde, Anm. d. Verf.], und der Herr spottet ihrer.“ Ridere ist hier ergänzt durch subsannare. Steidle deutet dies als „Gott lacht [. . . ] über seine Feinde im Bewußtsein seiner göttlichen Kraft.“, Steidle, Basilius: Beiträge zum alten Mönchtum und zur Benediktusregel, 1986, S. 34 Fußnote 2. 124 Nach der Vulgata-Zählung Ps 58,9 „tu autem Domine deridebis eos subsannabis omnes gentes“, nach Luther „Aber du, Herr, wirst ihrer lachen und aller Völker spotten.“ Hier wird ridere zusammen mit deridere verwendet. 125 Nach der Vulgata-Zählung Ps 36,13 „Dominus deridebit eum videns quod venit dies eius.“, nach Luther „Aber der Herr lacht seiner [des Gottlosen, Anm. d. Verf.]; denn er sieht, daß sein Tag kommt.“ 126 Vgl. Voeltzel, S. 51. 127 Voeltzel hat darauf hingewiesen, „daß man [. . . ] auch auf die Haltung des Gläubigen achten [muß], der sich über den Spott seiner Feinde lustig macht und der von da aus zur wahren Freude übergeht.“ Voeltzel, S. 10. 128 Kraus deutet die hebräischen Verbformen jedoch als Vergangenheitsform. Vgl. Kraus, HansJoachim: Psalmen, 1966, S. 853–857. 129 Weiser, Artur: Die Psalmen; Zweiter Teil: Psalm 61–150, 1950, S. 506. 130 Ähnliches gilt für andere Bibelstellen. In der Weisheit Salomos ndet sich nicht nur ein weiterer Beleg für das Lachen Gottes, der über die Gottlosen lacht, inridere, (Weish 4,18), sondern auch ein Beispiel für die Verkehrung von Subjekt und Objekt des Lachens als Folge einer Schicksalswendung angedeutet in Weish 5,3: Der einst verlachte und mit Spottreden verhöhnte, ist nun derjenige, der in der besseren Position steht: „Reuevoll werden sie untereinander sagen und vor Seelenangst seufzen: ‚Das ist der, den wir einst verlachten und mit Spottreden verhöhnten.`“ Weish 4,18 „videbunt enim et contemnent illos autem Dominus inridebit“, Weish 5,3 „dicent inter se paenitentiam agentes et per angustiam spiritus gementes hi sunt quos habuimus aliquando in risu et in similitudine inproperii“.

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Gottes Bund in der Verheißung eines Sohns aus. Als Abraham davon erfährt, wirft er sich als Zeichen seiner Demut auf sein Angesicht, lacht und wundert sich, dass er mit hundert Jahren mit seiner neunzigjährigen Frau Sara noch ein Kind bekommen soll. 131 Gott übergeht diese Reaktion und antwortet mit den drei Mitteilungen der Geburt, des Kindesnamens und des Bundes. Die eigentliche Pointe geht in allen Übersetzungen aus dem Hebräischen verloren. Abraham soll seinen Sohn Isaak nennen, was von dem hebräischen Begriff für Lachen sâhaq abstammend so viel bedeuten kann wie „Er lacht“. 132 Als Gott in Gestalt eines Menschen seine Verheißung an Abraham wiederholt, hört Sara hinter einem Zelteingang verborgen diese Nachricht und lacht. 133 Sie lacht noch ein zweites Mal, da ihr wie Abraham Zweifel aufgrund ihres Alters kommen. 134 Gott fragt Abraham danach, woraufhin Sara aus Furcht leugnet, gelacht zu haben. 135 Aber Gott konstatiert, dass Sara gelacht habe. Das Thema des Lachens 136 wird mit einer Ätiologie in Saras Munde abgeschlossen: Gott habe ihr ein Lachen bereitet; denn wer es hörte, würde über sie lachen. 137 In Genesis 21,6 werden für den Namen Isaak zwei verschiedene Begründungen abgegeben: 138 Zum einen hat Gott Sara lachen lassen, zum anderen werden andere über diese Begebenheit mit Sara la-

131 Gen 17,17. 132 „Er lacht“ kann dabei sowohl auf Isaak als auch auf Gott bezogen werden. Vgl. u. a. Schneider, S. 95. Spätere Textstellen lassen den Eigennamen Isaaks zu einem Begriff für Isaaks Handeln werden, so dass ins Deutsche übertragen eine Formulierung wie „Isaak isaakte“ zustande kommt. Das bedeutet entweder so viel wie Isaak spottete oder lachte, wobei es strittig ist, ob es sich um einen Ausdruck der positiv besetzten Freude oder des negativen Spotts handelt. Vgl. hierzu eine längere Diskussion bei Voeltzel, S. 26–29. 133 Gen 18,10. 134 Gen 18,12. 135 Gen 18,13 u. 15. Westermann merkt zu Saras Reaktion an, „[d]iese [. . . ] setzt voraus, daß sie den Sprecher für einen Menschen, für einen fremden Mann hält; dann ist es eine ganz natürliche Reaktion. Für den Erzähler wie für den Hörer ist das ungläubige Lachen ein jetzt noch verborgener Hinweis auf die Erfüllung.“ Und weiter, „daß die Reaktion Saras die in ihrer Situation zu erwartende ist.“ „Die Antwort des Gottesboten weist das Lachen Saras ab [. . . ] und stellt ihm die grenzenlosen Möglichkeiten Gottes entgegen.“ Als „der Fremde sich als Bote Gottes zu erkennen [gibt] [. . . ] erschrickt Sara [. . . ]. Ihr Erschrecken ndet seinen Ausdruck darin, daß sie ableugnet, gelacht zu haben“ und ist „ein Versuch, das Lachen wieder zurück zu nehmen [. . . ] sie merkt jetzt erst, was sie da getan hat.“ Vgl. Westermann, S. 340– 342. 136 Exum und Whedbee zeigen an dem Fortgang der Erzählung um Isaak Elemente von Komik und Komödie auf. Vgl. Exum, J. Cheryl / Whedbee, J. William: Isaac, Samson, and Saul. Reections on the comic and tragic visions, 1990, S. 123–134. Ähnliches setzen sie für Saul und Samson fort, hier gibt es jedoch keinen Bezug zum Lachen. 137 Gen 21,6. 138 Vgl. auch Scharbert, Josef: Genesis; 12–50, 1986, S. 160.

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chen, ihr zulachen. 139 Die gesamte Erzählung kreist über mehrere Kapitel hinweg um das Lachen, welches den Ausgangspunkt der Geschichte um Isaak, „Er lacht“, darstellt. Die Komplexität zeigt sich nicht nur in dem breit angelegten Erzählstrang, sondern auch in der unterschiedlichen Bewertung, die das Lachen beider frommer Protagonisten Sara und Abraham aufgrund der jeweiligen Motivation dahinter erfährt. Mittelalterliche Exegeten haben sich sowohl der Frage nach einem qualitativen Unterschied im Lachen des Ehepaars als auch der nach der Namensgebung von Isaak angenommen. In der Glossa ordinaria zum Beispiel leitet Walahfrid Strabo im 9. Jahrhundert den Namen von dem Lachen Abrahams her und nicht von dem Saras. Dies geschieht jedoch nicht aufgrund einer Bewertung hinsichtlich einer unterschiedlichen Qualität des Lachens, sondern aufgrund der Chronologie der Ereignisse: Abraham hatte gelacht, dann kam die Ansage bezüglich der Namensgebung und erst sehr viel später lacht Sara. Nicolaus von Lyra kommentiert im 14. Jahrhundert, dass das Lachen Abrahams kein Auslachen, derisio, war, sonst wäre es wie bei Sara getadelt worden, sondern ein Lachen aufgrund der Ausgelassenheit, des Jubels, exultatio, des Herzens. 140 Die Qualität des Lachens Abrahams und die Namensgebung werden auf diese Weise näher erklärt und positiv bewertet. Bei Sara wird das Lachen nicht übergangen. In Gottes Nachfragen und Insistieren kann eine indirekte Rüge hineininterpretiert werden. Sarah selbst ahne ja, dass ihr Lachen aus Ungläubigkeit heraus nicht angemessen war und streite es daher ab, gelacht zu haben. Der Verfasser der Bibelstelle habe „offenbar Verständnis dafür, dass Abraham über die Ankündigung, dass Sara noch einen Sohn erhalten hat [sic], lacht“. „Darum läßt P [der Verfasser der Priesterschrift, Anm. d. Verf.] Gott auch keinen Tadel aussprechen wie für das Lachen Saras [. . . ]“, welches „nicht die richtige Reaktion war“. 141 Saras Lachen sei mit ihrem Zweifel an Gottes Verheißung verbunden, bei Abraham nde sich zusätzlich zur Demutsgeste Freude, Erstaunen und Ehrfurcht. 142 Auf diese Weise wird es auch im Mittelalter von Walahfrid Strabo kommentiert, welcher dem 139 „Gott hat mir Lachen bereitet (oder: Gott ließ mich lachen); jeder, der davon hört, (weiß), daß Er lacht ist für mich (oder: wird lachen über mich).“ Schneider, S. 93. 140 Nicolaus 〈de Lyra〉, [S. 57]. 141 Scharbert, S. 146 u. 149. 142 Vgl. Resnick, S. 91. Schneider erkennt eine weitere Dimension des Lachens in den Motiven des Alters, der Zeugungskraft beziehungsweise der Gebärfähigkeit und der paradiesischen Freude. Sara fragt sich, ob sie in ihrem Alter noch Lust emp nden soll. Die hebräische Wurzel dieses Wortes ist gleichzusetzen mit Eden. Die sexuellen Konnotationen lassen sich auch in der Anspielung nden, Sara sei im Alter noch schön und fähig, zu stillen. Abraham, Sara, Isaak und Gott „sind durch den ewigen Bund und das damit verknüpfte Thema des Lachens theologisch unmittelbar aufeinander bezogen.“ „Durch ihn [Isaak, Anm. d. Verf.] ist das Thema des Lachens in dem ewigen Bund zwischen Gott und dem Volke Israel für immer festgeschrieben. Die Geschichte von Er lacht gehört damit zu den Schlüsselstellen für die gesamte Theologie des Alten Testaments.“ Schneider, S. 93–95.

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Lachen Abrahams, Verwunderung bzw. Verehrung, admiratio, zuordnet und dem Lachen Saras, Zweifel, dubitatio. 143 In Bezug auf die gender-Thematik bleibt zentral fest-

143 Demgegenüber gibt es aus heutiger Sicht auch eine positive Auslegung des Lachens von Sara. Während das Lachen Abrahams trotz seiner „Geste der Ehrerbietung“, Abrahams „erste und auf jeden Fall erforderliche Reaktion“, „etwas Bizarres im unmittelbaren Gegenüber zu dem ihm Wunderbares verheißenden Gott“ an sich habe, sei „Saras Lachen über die absonderliche Ankündigung [. . . ] verständlich.“ Westermann, S. 322 f. Genauso lässt sich das Lachen beider in moderner Exegese aber auch gleichsetzen, sowohl das anfängliche „sceptical laughter“ von Abraham und das „amused but incredulous laughter“ von Sara. „Sarah's equally incredulous laughter [. . . ] stands as a perfect complement to the preceding story about Abraham: it is a case of like husband, like wife“. Exum / Whedbee, S. 124. Exum und Whedbee begründen die Gleichbewertung des Lachens von Abraham und Sarah, da „their laughter at bottom is most easily taken as an all too human reaction to an incongruous situation lled with amusing, even absurd ingredients“. Exum / Whedbee, S. 123. Wohingegen der Ausspruch Saras zur Bedeutung des Namens Isaak ihr Lachen positiv hervorhebt als „full-throated, vibrant, and infectious because it is born in one of life's most beautiful moments – the birth of a child. In contrast to Abraham's earlier laughter that was marked by disbelief, or Sarah's initial laughter that was choked back in denial, Sarah's new laughter is wonderfully contagious: she extends it beyond the charmed circle of YHWH, Abraham and Sarah, and Isaac, announcing that ‚everyone who hears will laugh with me`.“ Exum / Whedbee, S. 126.

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zuhalten, dass bei den genannten Kommentaren der Exegese eher die Glaubenshaltung der Protagonisten zugrunde liegt, also ein qualitativer Unterschied in den lachenden Akteuren, als die Frage von gender, so dass überhaupt nur von der Frömmigkeit her gefragt wird. 144 In dem Buch Hiob drückt sich aus lebensweltlichen Erfahrungen gespeister Zweifel auch an dem Bewertungsmodell des Lachens aus. Zunächst wird Hiob Gutes verheißen, dass er über Verderben und Hunger lachen und sich vor den wilden Tieren im Lande nicht fürchten werde (Hiob 5,22). Das Lachen bildet einen Kontrast zur äußersten Notlage 145 von Verderben und Hunger und ist daher Symbol für Unversehrtheit und Leben, aber auch von Bündnis und Verheißung Gottes. Walahfrid Strabo geht bei dieser Bibelstelle in seinem Kommentar in der Glossa ordinaria gar nicht weiter auf das Wort „lachen“ ein. Vielmehr deutet er den Vers dahingehend, dass der Stunde des Todes jener sicher im Herzen entgegensehen kann, der nicht vereinzelt, sondern in Gemeinschaft gut gelebt hat. 146 Thomas von Aquin deutet die Textpassage als Hin-

144 Die gender-Frage ist nachrangig, weder Sarna mit seiner neutralen Bewertung des Lachens von Sarah noch Scharbert mit seiner negativen Analyse ihres Lachens oder Westermann mit einer tendenziell negativen Aussage zu Abrahams Lachen heben in ihren Kommentaren auf einen gender-Unterschied ab. Vgl. Sarna, Nahum M.: The JPS Torah Commentary. Genesis, 1989, S. 126 f u. 147; Scharbert, S. 146–160; Westermann, S. 322–325, 338–342 u. 404–410; Exum / Whedbee, S. 123 f u. 126. 145 Der Kontrast entsteht, indem in Vers 19 ein ungewöhnlicher Zahlenspruch verwendet wird. Anstatt alle Notlagen aufzuzählen, werden die Zahlen sechs und sieben („In sechs Trübsalen wird er dich erretten, und in sieben wird dich kein Übel anrühren.“) zur Andeutung der Fülle verwendet. Gott wird auf dem Höhepunkt der Not zur Hilfe kommen. Gross, Heinrich: Ijob, 1986, S. 27. 146 Walahfrid Strabo, 5, 22, S. 770 f.

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weis auf künftigen Über uss, der Anlass der Freude sein werde, und verknüpft somit Freude, gaudium, mit Lachen, welches bei Thomas legitimes Ausdrucksmittel von ersterem darstellt. 147 Hiob wird versichert, dass Gott die Frommen nicht verwerfe und die Hand der Boshaften nicht festhalte, 148 bis er Hiobs Mund voll Lachens gemacht habe und seine Lippen voll Jauchzens (Hiob 8,21). Der Lehrsatz der doppelten Vergeltungsgerechtigkeit 149 Gottes sieht Lachen und Jubel des Frommen einerseits und Schmach und Untergang des Gottlosen andererseits vor. Walahfrid Strabo ergänzt, dass der Geist mit Freude, gaudio, über die Sicherheit des ewigen Lebens gefüllt ist. Den Jubel deutet Walahfrid bemerkenswerterweise als einen mit aller Fröhlichkeit des Herzens, jubilum cum tanta lætitia corde, bei welchem dennoch der Mund ertönt, sed tamen os sonet. 150 Thomas von Aquin erläutert, dass die Fröhlichkeit, laetitia, sich in Form von Lachen und Jubel äußern werde, die aus großer Freude, gaudium, hervorzugehen p egen. 151 Auch in dem Kommentar zu dieser Stelle verknüpft Thomas Fröhlichkeit, Lachen, Jubel und Freude wie selbstverständlich miteinander. Doch für Hiob hat das Lachen eine weniger positive Bedeutung angenommen. Trotz der Vergewisserung, dass Gott die Frommen nicht verwirft, ist Hiob sich sicher, dass Gott über die Verzweiflung der Unschuldigen lache (Hiob 9,23). 152 Die Beobachtung der Wirklichkeit und sein eigenes Schicksal führen Hiob zu dem Schluss, der Mensch habe nichts zu lachen, Gott töte Schuldige und Unschuldige gleichermaßen und kenne darin kein Mitleid. Die Glossa ordinaria folgt der Interpretation von Gregor dem Großen und Walahfrid Strabo nimmt keine Ergänzungen zu dessen mystischer Interpretation vor, die durchaus die negative Bewertung beibehält. 153 Thomas von Aquin fügt einer längeren Erläuterung über den Zusammenhang von Unschuld und Bestrafung eine allgemeine Aussage über das Lachen zu, nämlich dass wir darüber zu lachen p egen, was uns in uns selbst erfreut. Auch hier deutet Thomas von Aquin das Lachen positiv, obwohl die Bibelstelle sich auf das Lachen über die Bestrafung

147 „idest abundantiam habebis quae erit tibi materia gaudii“, Thomas 〈von Aquin〉, Super Iob, caput V. 148 Dieser Ausdruck könnte aus der Kulttradition des Königsrituals kommen und bezeichnet die Verleihung des göttlichen Heils. Vgl. Weiser, Artur: Das Buch Hiob, 1974, S. 69. 149 Weiser: Das Buch Hiob, S. 69. 150 Walahfrid Strabo, 8, 21, S. 780. 151 „ita scilicet quod ex prosperitate quae subsequetur laetitia tua prorumpet in risum et iubilum, quae solent ex magnitudine gaudii provenire“, Thomas 〈von Aquin〉: Super Iob, caput VIII. 152 Nach der Vulgata „si agellat occidat semel et non de poenis innocentum rideat“. 153 Walahfrid Strabo, 9, 23, S. 783. Diese sperrige Bibelstelle wird von Gregor so gedeutet, dass bis zum Opfertod Jesu Gott kein Mitgefühl mit dem Leidenden hatte, welches jedoch in mehrfacher Weise theologisch gerechtfertigt wird. Gregor der Grosse: Moralium libri, Expositio in librum B. Job, cap. IX, caput XXVII [Rec. XV], Vers. 23, 41, pag. 881.

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der Unschuldigen bezieht. 154 Hiob fühlt sich selbst sogar als Frommer ausgelacht, 155 schließlich vergleicht Hiob sein früheres Glück und sein jetziges Unglück. Der religiösen Dimension des zu Unrecht verlachten Frommen entspricht eine soziale: Der vormals wie ein König 156 behandelte Hiob wird nun von Jüngeren verlacht, deren Väter er nicht wert geachtet hätte, sie zu seinen Hunden bei der Herde zu stellen (Hiob 30,1). Nun ist Hiob wie ein ausgestoßener Aussätziger, über den sich selbst der Abschaum der Gesellschaft lustig mache. 157 Zuvor, wenn er jemandem zulachte, so fasste dieser Vertrauen, und das Licht seines Angesichts tröstete die Trauernden (Hiob 29,24). Hier nimmt Thomas von Aquin interessanterweise eine Uminterpretation vor: Hiob habe Mäßigung in der Unterhaltung mit seinen Mitmenschen gezeigt und löste sich nicht in Freude auf, weshalb er, Hiob, sagte „Wenn ich sie anlachte“, Zeichen der Freude zeigend, „glaubten sie nicht“, dass er sich dem Lachen hingebe. Gleiches gelte für die Traurigkeit, von der er nicht niedergeschlagen sei. Thomas führt dies noch weiter an dem Beispiel des Vergleichs zum König aus, dass er trotz seines Vorrangs in der Gemeinde nicht hochmütig, sondern ein Trostspender war. Diese bemerkenswerte Neuinterpretation von Thomas nimmt die Vorstellung von Mäßigung sowie der Ernst-Heiterkeit auf und stellt damit einen Versuch dar, die schwierige Bibelstelle und das darin enthaltene Dilemma aufzulösen. Im Hinblick auf das Lachen bleibt die Geschichte Hiobs unversöhnlich. 158 Das Lachen, das Hiob als einem ehrenwerten Mann entgegengebracht wurde, hat sich nun in das Verlachen durch unehrenwerte Männer verkehrt. Das bleibt das Schlusswort zum Thema des Lachens, obwohl die Entschädigungen Hiobs um ein Vielfaches seiner Verluste eigentlich ausreichend Anlass zur Freude bieten. Aber dieser Freude wird nicht mit einem Lachen Ausdruck verliehen. Mit dem Buch Hiob wird weniger Zweifel an dem Modell geäußert, dass ein Frommer Anlass zum Lachen hat, sondern vielmehr an dem Umkehrschluss, dass ein Lachen auf einen Frommen verweist: Der Fromme lacht, aber ein Lachender ist nicht unbedingt fromm. Hier wird der gegenteiligen Beobachtung von lachenden Unfrommen Ausdruck verliehen. Der Tun-Ergehen-Zusammen154 „De illis enim ridere solemus quae nobis secundum placeant“, Thomas 〈von Aquin〉: Super Iob, caput IX. 155 Hiob 12,4. Eine weitere Antwort leitet Hiob mit den Worten ein: Ertragt mich, dass ich rede, und danach lacht über meine Worte (Hiob 21,3). „sustinete me ut et ego loquar et post mea si videbitur verba ridete“. Vulgata. Nachdem seine Freunde ihn zuvor in ihren Reden als Frevler dargestellt haben, bittet Hiob um ihr Gehör. Ihre Aufmerksamkeit wäre ihm schon ein Trost. Er bittet sie dabei höflich, ihn ausreden zu lassen, bevor sie ihn verspotten. Seine Klage soll dabei nicht ihnen, sondern Gott gelten. Gross, S. 79. 156 Gross, S. 105. 157 Ders., S. 106. 158 Ein Blick auf den Aufbau der Thematisierung des Lachens zeigt, dass die ersten beiden positiven Belegstellen von zwei negativen gefolgt werden. Dieses Schema zieht sich fort, so dass die letzte diesbezügliche Äußerung eine negative ist.

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hang, durch welchen dem Frommen eigentlich Gerechtigkeit widerfahren und daher auch ein Lachen zuteilwerden müsste, entspricht nicht der persönlichen Erfahrung Hiobs. In Hiob greift das textliche Modell nicht, dass sich aus der Bewertung des Akteurs die Bewertung des Lachens ableitet. Stattdessen wird formuliert, dass von einem Lachen in der Lebenswelt nicht auf die Frömmigkeit des Akteurs geschlossen werden kann. Dem Schema des gerechtfertigten Lachens über die Gottlosen entspricht es auch, wenn nicht ein Akteur, sondern die personi zierte Weisheit über das Unglück derjenigen lacht, die ihren Rat zuvor abgelehnt haben. 159 Die Weisheit kann identi ziert werden mit der Tora oder dem göttlichen Geist, beides verstanden als praktischer Lebensratgeber. Das Göttliche lacht demnach einmal mehr über den Gottlosen, der die göttliche Leitung verweigert. Entsprechend positiven Ausdruck ndet das Lachen der Weisheit auch in einem anderen Fall, wo das Lob der tüchtigen Hausfrau als Metapher der „vertrauenden Seele“ gilt. 160 Das Lachen ist Zeichen von Sorglosigkeit, denn der auf Gott bauende Fromme hat vorgesorgt. Das Preislied spricht daher von der Weisheit, die des kommenden Tages lacht, 161 die „in heiterer Gelassenheit dem Morgen begegnen kann“. 162 In der Weisheitsliteratur 163 des Alten Testaments bilden der Weise und der Narr ein Gegensatzpaar 164 und stellen dabei Chiffren für die bereits genannten Akteure des Frommen und des Gottlosen dar. 165 Umfassend wird dieser Gedanke im Prediger Sa-

159 Nach Luther Spr 1,24–26 „Wenn ich [die Weisheit, Anm. d. Verf.] aber rufe und ihr euch weigert, wenn ich meine Hand ausstrecke und niemand darauf achtet, wenn ihr fahren laßt all meinen Rat und meine Zurechtweisung nicht wollt: dann will ich auch lachen bei eurem Unglück und euer spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet.“ 160 Beauchamp, Paul: Lachen, 1967, S. 405. 161 Lob der tüchtigen Hausfrau in Sprüche Salomos 31,25: „Kraft und Würde sind ihr Gewand, und sie lacht des kommenden Tages.“ „Die Weisheit ‚lacht` (nach dem hebräischen Text) vor Jahve und auf dem Erdkreis (Spr 8,30 f ). Das Lachen bedeutet die souveräne göttliche Allmacht.“ Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 34 Fußnote 2. 162 Fuhs, Hans Ferdinand: Sprichwörter, 2001, S. 185. 163 Die Weisheitsliteratur, die Levine zusammenfasst als „the art and science of how not to be a damn fool.“ Levine, Etan: Qohelet's Fool. A composite Portrait, 1990, S. 279. 164 Auf die Vielschichtigkeit dieses Gegensatzpaares verweist Levine in seinem Portrait des Narren bei Kohelet, vgl. Levine, Etan: Qohelet's Fool, S. 280–194. Wie nah Weiser und Narr beieinanderliegen zeigt für angelsächsischen Humor Shippey, T[homas] A[lan]: ‚Grim Wordplay`. Folly and Wisdom in Anglo-Saxon Humor, 2000, S. 38 f. 165 In den Sprüchen Salomos 10,23 ndet sich die Zuordnung von Lachen und Torheit einerseits, sowie Weisheit und Klugheit andererseits: „Ein Tor hat Lust an Schandtat, aber der einsichtige Mann an Weisheit.“ In der Vulgata „quasi per risum stultus operatur scelus sapientia autem est viro prudentia.“

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lomos ausgeführt. Für Kohelet führt Weisheit zu Gram, Wissen zu Leid, 166 weshalb er dies zunächst als wenig erstrebenswert verwirft. 167 Doch umgekehrt stellt sich für ihn auch die Frage: „Ich sprach zum Lachen: Du bist toll! und zur Freude: Was schaffst du?“ 168 Kohelet konstatiert weiter in einer Aufzählung in Koh 3,4 für alle Lebensäußerungen zunächst gleichwertig, „weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit“. All dies gehört zum menschlichen Leben dazu. Letztlich kommt Kohelet aber zu folgendem Schluss: „Trauern ist besser als Lachen; denn durch Trauern wird das Herz gebessert. Das Herz der Weisen ist dort, wo man trauert, aber das Herz der Toren dort, wo man sich freut. Es ist besser, das Schelten des Weisen zu hören, als den Gesang der Toren. Denn wie das Krachen der Dornen unter den Töpfen, so ist das Lachen der Toren; auch das ist eitel.“ 169 Der Weise lacht nicht, sondern erfährt Läuterung durch Trauer. Damit ist eine Wertigkeit vorgenommen, wie der Weise seine Lebenszeit in gutem Sinne nutzen kann. Dies wird zwar nicht durch Lachen ausgedrückt, dennoch geht es bei Kohelet darum, wie man ein gutes Leben führen kann und um die Freude am Leben. 170 Die apokryphe Schrift Jesus Sirach, auch Ecclesiasticus genannt, liefert weitere Motive bezüglich des Gegensatzpaares. In Kapitel Sir 19,27 erfüllt das Lachen des Menschen die Funktion, seinen Charakter offenzulegen. Das Gesicht gebe zudem Hinweise über den Verstand, was sich vielfach in den Textbelegen des Mittelalters wieder ndet. Gewandung, das „Lachen der Zähne“ und der Gang des Menschen verrieten den Menschen. Schweigsamkeit wird mit Klugheit in Verbindung gebracht. 171 Später, in Kapitel 21,20, erfolgt eine Unterscheidung zwischen dem lauthals lachenden Toren und dem still vor sich hin lächelnden Klugen. 166 Kohelet 1,1. Gegenbegriffe der Vulgata sind hier indignatio – Unwille und labor – Arbeit, Mühsal. In der Übersetzung von Luther mit den Begriffen „Grämen“ und „leiden“ wird der Zusammenhang von Freude und Lachen deutlicher, ist aber auch in der Vulgata gegeben durch den baldigen Anschluss an die Begriffe risum und gaudio im übernächsten Vers 2,2. 167 In Übereinstimmung damit steht 1,18 „Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und wer viel lernt, der muß viel leiden.“ 168 Kohelet 2,2. 169 Prediger Salomo 7, 3–6. Eine recht neutrale Bewertung ndet sich an späterer Stelle in Kohelet Kapitel 10,19: „Man hält Mahlzeiten, um zu lachen, und der Wein erfreut das Leben, und das Geld muß alles zuwege bringen.“ Während in den vorangegangenen Versen 16 und 17 die Rede vom gesamten Land war, lassen sich die Verse 18 und 19 entweder im Sinne ptolemäischer Reichsideologie des Staates als Haushalt des Königs, aber auch allgemeiner verstehen als Warnung vor Faulheit und Aufforderung zum Gelderwerb, durch welchen man erst zum Lachen und zur Freude kommt. Loh nk, Norbert: Kohelet, 1980, S. 78. Das Lachen hat eine Rechtfertigung, wenn der damit verbundenen Muße Arbeit vorausgegangen ist. 170 Vgl. Levine, Etan: Qohelet's fool, S. 284 u. 287. 171 In der Vulgata 19,26–28 „ex visu cognoscitur vir et ab occursu faciei cognoscitur sensatus amictus corporis et risus dentium et ingressus hominis enuntiant de illo est correptio mendax in ira contumeliosi et est indicium quod non probatur esse bonum et est tacens et ipse est prudens.“

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Das Lachen im Altertum

Noch ausgeprägter wird die Verbindung zwischen Lachen und Torheit in Kapitel 27, Vers 13 (14) formuliert: „Die Rede der Narren ist ein Greuel, und ihr Lachen ist voll sündhafter Ausgelassenheit.“ Der Weise lächelt also höchstens, denn das Lachen ist dem Narren vorbehalten. Lachen wird zum Indiz für Dummheit und Unwissen und in letzter Konsequenz für Mangel an Weisheit und Gottesfurcht. 172 Diese Sonderformen des Akteurs, der Weise und der Narr, entsprechen daher zu einem gewissen Maße dem Frommen und dem Gottlosen. Im Unterschied zum üblichen Paradigma ergeben sich hier jedoch zwei Abweichungen. Das Lachen wird überwiegend ohne ein Objekt des Gelächters behandelt. Im Fall des Narren ist es unerheblich, worüber dieser lacht. Das Lachen ist quasi eine Eigenschaft des Narren, der lacht, weil er dumm ist, und dumm ist, weil er lacht. Damit bricht eine wesentliche Komponente der Gleichung der Interdependenz von Akteur, Objekt und Lachwertigkeit weg. Es erfolgt stattdessen die Zuweisung des Nicht-Lachens beziehungsweise des Lächelns zum Weisen und des Lachens zum Narren. Es sei noch auf eine Stelle aus den Sprüchen Salomos hingewiesen, wo es heißt: „Wenn ein Weiser mit einem Toren rechtet, so tobt der oder lacht, aber es gibt keine Ruhe.“ 173 Mit dieser Textpassage und der aus Jesus Sirach ist das Thema der Schweigsamkeit und Ruhe für asketische Praktiken prä guriert. Nur wenige Bibelstellen lassen sich nden, in denen das Lachen frei von der AkteurObjekt-Bindung ist. Sie entstammen alle der Weisheitsliteratur, die als praktischer Ratgeber der Lebensführung stärker auf alltägliche Erfahrungen rekurriert. In diesem Sinne kann der Ausspruch in Sprüche Salomos 14,12 als regelrechter Leitsatz gelten: „Auch beim Lachen kann das Herz trauern, und nach der Freude kommt Leid.“ Einige Verse später in Spr 15,13 steht beinahe im Gegensatz dazu: „Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht; aber wenn das Herz bekümmert ist, entfällt auch der Mut“. Beide Textstellen sind umrahmt von dem Gegensatz zwischen dem Narren und Weisen, werden jedoch im Kontext nicht näher erhellt. Vielmehr handelt es sich um die Beobachtungen, dass Freude zwar vorübergehend Kummer lindern kann, sie aber nicht unbedingt vertreibt. Die inneren Zustände des Menschen sind an seinem Gesicht abzulesen, so auch der Kummer an den ausbleibenden Zeichen für Lebensfreude. Die Weisheitsliteratur nimmt auf diese Weise zur Kenntnis, dass Freude und Leid dem Menschen auch unabhängig von seiner Frömmigkeit widerfahren. Die Thematik wird in den genannten Spruchversen nicht weiter erörtert, da sie, wie bei Kohelet der Fall, in ein theologisches Dilemma führt. Die Problematik wird zwar nicht behandelt, aber eben auch nicht verschwiegen. 174 Aufgrund des Themenzusammenhangs und der nur im Ansatz angedeuteten Problematik verbleiben diese zwei Textstellen exegetisch häu g im Wertungsschema von Narren und Weisem. Auf diese Weise sind 172 Voeltzel spricht davon, „daß der ‚Tor` im Alten Testament genau der ist, des sich gegen Gott wendet, über ihn spottet und ihn leugnet“. Voeltzel, S. 22. 173 Sprüche Salomos 29,9. 174 Plöger, Otto: Sprüche Salomos (Proverbia), 1984, S. 172 u. 182.

Neutestamentliche Überlieferung

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auch die wenigen Beispiele, die Horizonte für kritische Erwägungen bezüglich des Lachens jenseits der Verknüpfung mit Frömmigkeit eröffnen, auf die Eingliederung in das Akteur-Frömmigkeits-Schema hin geglättet. Die Schriften des Alten Testament bilden in ihrem Aussagegehalt bezüglich des Lachens somit für die mittelalterliche Rezeption ein geschlossenes Textkorpus, der hier in ihrer Gesamtheit behandelten, das Lachen betreffenden Bibelstellen.

2.4 Neutestamentliche Überlieferung

In der Forschung wird häu ger die Frage diskutiert, ob sich in der Bibel allgemein, aber auch speziell im Neuen Testament, Humor und Komik nden lassen, als dass die Textpassagen explizit zum Lachen diskutiert würden. 175 Über das Göttliche zu spotten, gilt als Blasphemie, zumindest dem Gefühl von Andacht zuwiderlaufend. 176 Jedoch muss ein Lächeln oder Lachen im Zusammenhang von Handlungen, Dingen oder Personen, die für heilig gehalten werden, nicht unbedingt in jedem Fall fehl am Platz sein. 177 Die Autoren des Neuen Testaments entstammten einem Milieu, in dem Lächeln und Lachen hervorzurufen als legitimer Teil der Erziehung angesehen wurde. Dies gilt sowohl für den rabbinischen Humor als auch für das hellenistische Denken der neutestamentlichen Umwelt. 178

2.4.1 Arten und Motive des Lachens

Im Neuen Testament operieren nur wenige Textstellen mit dem Wort ridere, häu ger ist die Verwendung eines Prä xes zu nden, nicht aber andere das Lachen umschreibende Begriffe. 179 Dies entspricht den griechischen Vorlagen der Vulgata, die die Unterscheidung zwischen γέλâν (gelan) und καταγέλâν (katagelan) vornehmen. Bemerkenswert ist, dass im Neuen Testament nirgends die Rede vom Lächeln ist. Im Zentrum steht das Lachen als Verlachen, das Personen wie auch ihr Verhalten zum Objekt des Gelächters hat. Das Verlachen und die Verspottung Christi sind Motive, die sowohl die Darstellung des Leidens Christi verstärken, dramatisieren, als auch den 175 Auch die in der Forschung diskutierten mittelalterlichen Quellenbelege gehen wenig auf das Neue Testament ein. 176 Jónsson, Jakob: Humour and Irony in the New Testament. Illuminated by Parallels in Talmud and Midrash, 1985, S. 31. 177 Ebd. 178 Ders., S. 251. 179 Die sehr viel geringere Anzahl von Textstellen mit dem Begriff des Lachens wird von Voeltzel mit der Kürze des Neuen Testaments sowie der „Zeit, auf die sich die Texte beziehen“, begründet. Vgl. Voeltzel, S. 106.

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Das Lachen im Altertum

Unglauben der lachenden Akteure ausdrücken sollen. Durch die Einbettung des Gegensatzpaars von Lachen und Weinen in die Seligpreisung im Evangelium nach Lukas 6,21 erhalten die Begriffe eine Zuordnung zum Diesseits und Jenseits: „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihre werdet lachen.“ 180 Und in den darauf folgenden Wehrufen in Lk 6,25 wird noch absoluter formuliert: „Weh euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen.“ 181 Im Jakobusbrief wird dieser Konnex erhellt, wenn im 4. Kapitel in den Versen 8 und 9 zu lesen ist: „Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen. Jammert und klagt und weint; euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit.“ Auf einer ersten Interpretationsebene sind in der Seligpreisung in Analogie zu den anderen Versen die im Diesseits Benachteiligten, die Ausgestoßenen angesprochen. Im Gegenzug zu ihrem derzeitigen Los der Armut, des Hungers, der Verschmähung ergeht an sie eine Verheißung von kommendem Ausgleich. In weitergehender Interpretation gehen Gottessuche und Gottesnähe im Diesseits nicht mit Lachen einher. Es ist nicht nur Symbol für ein sorgloses, beschwingtes Lebensgefühl, sondern auch für ein gottfernes Lebensverhältnis. Die Qualität der Freude ist in der Dimension der eschatologischen Verheißung andersgeartet und nicht auf das Leben in dieser Welt bezogen. 182 Der Polarisierung von Diesseits und Jenseits im Neuen Testament entspricht die von Weinen und Lachen sowie von Fleisch und Geist. Zwar ist auf diese Weise eine ungleiche Wertung gesetzt, sie ist jedoch klar im Kontext der Parusie, einer baldigen Wiederkehr des Herrn, formuliert und bezieht sich damit auf einen befristeten kurzen Zeitabschnitt. Mit abnehmender Erwartung einer baldigen Parusie verstärken sich diese Gegensätze, beziehungsweise bilden sich geradezu erst im stärkeren zeitlichen Auseinandertreten von Diesseits und Jenseits als wahrnehmbar heraus, wie auch anhand einer letzten Textstelle deutlich wird. Im Galaterbrief ist in Kapitel 6,7 zu lesen: „Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht verspotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Im Folgenden wird die Dualität von Fleisch und Geist angesprochen. Das heutige Tun, sei es dem Fleisch oder dem Geist verhaftet, hat Auswirkung auf das zukünftige Gericht. 183 Aufgrund dieser Lesarten erfährt das Lachen eine negative Bewertung, wenn es das Lachen der Reichen, Satten und Angesehenen ist, wenn es das Lachen derjenigen ist, die daraufhin nicht das Reich Gottes suchen. Das verheißene Lachen hingegen ist eines der gerechten Freude.

180 181 182 183

Lk 6,21. Lk 6,25. Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1992, Sp. 578. Rohde, Joachim: Der Brief des Paulus an die Galater, 1989, S. 266.

Neutestamentliche Überlieferung

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2.4.2 Akteure des Lachens

Auch im Neuen Testament ndet sich das Akteur-Objekt-Schema des Lachens als Glaubensideal in der Dimension von Frömmigkeit und Gottlosigkeit. Mehr als einmal ist Christus das verlachte Opfer. 184 Bei Lukas ndet sich eine Dreizahl zunächst bezüglich des Verlachens und dann des Spotts. In der Wundererzählung in Kapitel 8,53 185 wird Jesus von ungläubigen Menschen verlacht, da er behauptet, die Tochter des Jaïrus sei nicht tot, sondern schlafe lediglich. In Lukas 16,14 sind es die Pharisäer, die über die Lehrmeinung Jesu spotten, kein Knecht könne zwei Herren dienen, also der Mensch auch nicht Gott und dem Mammon zugleich. 186 Die dritte Textstelle steht in Kapitel 23,35. Der gekreuzigte Jesus wird von den Oberen verlacht, deridebant, indem sie sagen: „Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.“ 187 Diese Aussage wiederum leitet eine dreifache Verspottung Jesu ein, 188 zuerst durch die Oberen, dann durch die römischen Soldaten deutlich an dem Wort inludebant und schließlich durch einen der Mitgekreuzigten mit dem Begriff blasphemabat, jeweils mit der Aufforderung zur Selbsthilfe. 189 Die Bedeutung des Verlachens bei Lukas wird nicht nur durch die dreimalige Verwendung betont, sondern auch durch die soziale und räumliche Position der Akteure in Szene gesetzt. 190 Die sozial am höchsten stehenden Oberen sind nicht weiter räumlich in Bezug zu Christus gesetzt, sondern werden als bei der Kreuzigung zugegen beschrieben. Die vom Rang her geringeren Soldaten stehen unterhalb des Kreuzes, nähern sich Christus und be184 Röcke deutet an, dass das Sujet des verspotteten Christus und des nicht-spottenden Christus das Ergebnis eines Orthodoxie-Prozesses ist. Vgl. Röcke, Werner: Heiliger Spott. Lachende Überlegenheit und Glaubensgewissheit in der Literatur der Spätantike und des Mittelalters, 2009, S. 41. Der nicht-lachende Christus hat seinen Ursprung in der antidoketischen Kontroverse. Vgl. Merceron, S. 101. 185 Dieser Text hat seine Parallelen in Matthäus 9,24 mit demselben Verb deridere und in Markus 5,39 mit dem Verb inridere mit derselben Bedeutung. 186 Zur Begründung ihres Spotts wird angegeben, die Pharisäer seien geldgierig und sie sähen keinen Widerspruch zwischen dem Verlangen nach Geld und Frömmigkeit. 187 Nach Luther. 188 Die dafür verwendeten Begriffe wie im Folgenden aufgezählt, implizieren gemäß Screech das Lachen, in Lk 23,25 wurde im Lateinischen entsprechend das Wort derideo eingefügt, dessen Äquivalent sich in der griechischen Vorlage nicht ndet. Vgl. Screech, S. 26 f. 189 Grundmann, Walter: Das Evangelium nach Lukas, 1966, S. 433. 190 In Bezug auf das Verlachen be ndet sich Jesus in dem ersten Fall im Haus des Synagogenvorstehers, dann geht es um eine Gruppe von Pharisäern. Die Episode wird nicht lokal an einem bestimmten Ort angesiedelt. Jesus spricht vermutlich zu seinen Jüngern und anderen Zuhörern. Aufgrund der Thematik Frömmigkeit und Reichtum steht die Erzählung aber im Konnex der Reinigung des Tempels von Händlern. Im dritten Fall steht schließlich Christus am Kreuz im Mittelpunkt. Hieran knüpft sich der Spott, der zunächst von führenden Männern des Volkes ausgeht. Die Soldaten treten mit ihrem Spott an den Gekreuzigten heran, bis dieser letztlich von dem einen Mitgekreuzigten ebenfalls verspottet wird.

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rühren ihn. Der als Mitgekreuzigte aus der Gesellschaft Ausgeschlossene erleidet das gleiche Schicksal am benachbarten Kreuz und versucht sich dennoch durch Spott über Christus zu erheben. Nicht nur Jesus ist Objekt des Gelächters, sondern auch die Apostel in ihrer Nachfolge, ihr wundersames Verhalten und ihre Lehren. Die Apostelgeschichte liefert zwei Berichte, die eine äquivalente Struktur der Publikumsreaktion aufweisen. Die Menschen reagieren entweder mit Spott als Ausdruck der Ablehnung und des Unglaubens oder mit Ratlosigkeit beziehungsweise einer Art Neugier. Das Wort inridere steht an zwei markanten Stellen im Zusammenhang mit dem P ngstwunder und der Lehre von der Auferstehung. Im ersten Fall in Kapitel 2,13 spotten Schaulustige über das Zungenreden 191 der Apostel und meinen, das Zungenreden geschehe aufgrund von Trunkenheit. Mit dieser einfachen Erklärung tun sie das Ereignis als profan ab. Andere Umstehende reagieren hingegen mit Verwunderung und Ratlosigkeit. Sie haben keine Erklärung für dieses Phänomen und fragen sich daher, was es zu bedeuten habe. 192 In Kapitel 17,32 wiederholt sich das Thema der Neugierigen und der Spötter. Im Bericht über die Lehrtätigkeit von Paulus in Athen spotteten einige der Zuhörer, als sie von der Auferstehung der Toten hörten, andere aber sagten, sie wollten ein anderes Mal mehr darüber hören. 193 Das Verlachen ist Anzeichen für Ablehnung, Desinteresse und Unglauben der Akteure, welches mit Irritation, Verwunderung und Neugier anderer kontrastiert wird. Doch im Gegensatz zum Alten Testament ndet sich im Neuen Testament nicht die Umkehrung des Frommen, der über den Gottlosen lacht. Auf diese Weise ist die Thematik des Lachens radikalisiert, es gibt nur noch eine „Richtung“ des Lachens, nämlich das des Ungläubigen über den Messias, die Wunder und die neue Botschaft. Die Hinzunahme einer eschatologischen Perspektive wie in der bereits erwähnten Seligpreisung bei Lukas verschärft diesen Sachverhalt zusätzlich. Im ebenfalls weiter oben genannten Jakobusbrief werden die lachenden Akteure als Sünder und Wankelmütige angesprochen. Die besprochene Textstelle im Galaterbrief ist aufgrund von Akteur und Objekt des Lachens, hier inridere, auffällig, da hier Gott Objekt des Spottes und der Mensch Spötter Gottes ist. Auf diese Tatsache wurde im Mittelalter noch weniger Bezug genommen als auf die allgemeine Kontrastierung von Diesseits und Jenseits mit der Zuordnung von Weinen und Fleisch einerseits und Lachen und Geist andererseits.

191 Gemeint ist das Reden in fremden Sprachen, die die Apostel zumeist gar nicht beherrschten. Die Glossolalie wird daher auf göttlichen Geist zurückgeführt. 192 Der Satz über die Spötter ist von dieser Frage und der im anschließenden Kapitel beschriebenen P ngstpredigt von Paulus eingerahmt. 193 Möglicherweise wird hiermit aber angedeutet, dass sie einer Entscheidung aus dem Weg gehen und das Auferstehungskerygma als diskussionswürdig missverstehen. Vgl. Mussner, Franz: Apostelgeschichte, 1984, S. 107.

Frühchristliche Überlieferung

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Das Bild des Lachens, welches sich im Neuen Testament konturiert, ist in den wenigen Textstellen sehr homogen und nimmt innerhalb der Passionsgeschichte eine der Thematik entsprechende Bedeutung an. Trotz des seltenen Vorkommens des Wortes ridere steht es in dem Fall der Seligpreisungen an bedeutender Stelle. Eine außerbiblische Schrift, die apokryphe Kindheitsgeschichte Christi 194 liefert mit dem Bild des lachenden Jesuskindes einen starken Kontrast zu den kanonischen Textstellen: In einem Fall folgt dem Lachen das Wunder einer Heilung, in einem anderen Fall soll es die Göttlichkeit verdeutlichen. 195 Im biblischen Kanon, welcher im Hinblick auf das Lachen eine große Geschlossenheit aufweist, hat diese Beschreibung keinen Platz gefunden. Apokryphe Schriften wurden jedoch im Mittelalter durchaus auch rezipiert, die Kindheitsevangelien waren von großer Bedeutung für die Literatur und die bildende Kunst. Das ursprünglich griechische Protevangelium des Jakobus in seiner lateinischen Version, die seit dem 4. Jahrhundert bestand, war dafür die Grundlage. 196 Sicherlich hat die Schrift nicht allein aufgrund der Darstellung des lachenden Jesus keinen Eingang in das Neue Testament gefunden, jedoch wird anhand dieser Textstelle eine Bruchstelle der christlichen Gedankenwelt sichtbar: Die Protagonisten sind keine lachenden Täter, sondern Opfer des Gelächters. Das Motiv des verlachten Christen ist in mittelalterliche Darstellungen eingegangen. 197

2.5 Frühchristliche Überlieferung

Aus der Zeit der Kirchenväter, der Zeit der Alten Kirche stammen weitere Schriften. Sie dienten als Vorlagen für die mittelalterlichen Autoren, und stellten für diese eine sehr wichtige Autorität dar. Zeitlich abgesteckt ist im Folgenden diese Phase bis zu Gregor dem Großen, dem letzten Kirchenlehrer der Westkirche, der auch im Osten Akzeptanz ndet.

2.5.1 Arten des Lachens

Besonders auffällig für diese Zeit ist die Betonung und das Herausstellen von unterschiedlichen Arten des Lachens in Schriften, die das klösterliche Zusammenleben regeln sollen, in Bibelkommentaren, aber auch in umfassenderen Werken, wie zum 194 Diese Schrift könnte in ihrer Urform aus dem Jahr 150 stammen. Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 34 Fußnote 2. 195 Vgl. ebd. 196 Rädle, F[idel]: Apokryphen, 2002, Sp. 760. 197 Eine systematische Erschließung und Analyse der im Mittelalter kommentierten und theologisch re ektierten Textpassagen des Neuen Testaments über die Verwendung von Sentenzen hinaus steht noch aus.

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Das Lachen im Altertum

Beispiel im „Gottesstaat“ von Augustinus. Das Lachen wird dabei differenzierter als im Neuen Testament dargestellt. Wie Hieronymus arbeitete Augustinus qualitativ unterschiedliche Arten des Lachens heraus, indem er über die Bedeutung des Namens von Isaak nachsann: „Denn gelacht hatte sein Vater, da er ihm verheißen wurde, in freudiger Verwunderung; und gelacht hatte auch seine Mutter [. . . ] in freudigem Zweifel; obschon hier der Engel schalt, weil dieses Lachen, wenn auch ein Lachen der Freude, doch nicht ein Lachen vollen Glaubens war.“ Und später: „Abrahams Lachen ist das Frohlocken des dankbar Beglückten, nicht das spöttische Lachen der Hoffnungslosen.“ 198 Wichtig festzuhalten ist hier, dass die unterschiedliche Qualität des Lachens 199 hier über die Betrachtung der Motivation, der Gründe und Ursachen herausgearbeitet wurde. Dadurch kann ein Pauschalurteil des Lachens vermieden und seine Bewertung in Abhängigkeit der genannten Faktoren erst ermöglicht werden. Eine leichte Verschiebung dieses Fokus von inneren Motiven, erweitert um äußere Wirkung, gibt es auch bei Hieronymus: In seinem Kommentar zum Galaterbrief hat er die – später von Isidor von Sevilla 200 fast völlig wortgleich aufgegriffene – systematische Unterscheidung zwischen gaudium und laetitia vorgenommen, was sich bereits bei Cicero ndet. Hieronymus assoziiert die reine Freude mit Würde, die Fröhlichkeit hingegen mit Maßlosigkeit, die sich auch mit anderen Makeln vermischt. 201 Bei Gre198 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 35 Fußnote 2, bei Augustinus: De civitate Dei, XVI, 26 u. 31. 199 Die Deutung des Lachens von Abraham als Zeichen des Unglaubens wie bei Sara, welche Hieronymus vornimmt, stellt laut Screech eine Ausnahme dar: „Abraham et Sara, audita repromissione lii Isaac, rident in corde suo, et tacita cogitatio non latet scientiam Dei. Arguuntur in risu, et ipsa cogitatio, quasi pars in delitatis reprehenditur. Attamen non ex eo quod postea crediderunt, justitiæ palmam acceperunt.“ Hieronymus: Dialogus adversus Pelagianos, PL 23, Sp. 527. Vgl. Screech, S. 48. Zur Thematisierung des Lachens in Briefen von Hieronymus, vgl. Hieronymus, Epistola XLV Ad Asellam (es geht einmal um verstohlenes, einmal um gegnerisches und einmal um gemeinschaftliches Lachen, aber auch darum, dass Qualen die Wahrheit eher erzwingen als Lachen) und Epistola LXVI Paulæ et Eustochii ad Marcellam (Hieronymus erinnert seinen Freund daran, wie sie über einen Ausspruch als junge Männer gelacht haben), PL 22, Sp. 481 f u. 642–647. Vgl. auch hierzu Screech, S. 70 f. 200 In seinem Werk „Libri differentiarum“ beschreibt Isidor unter Berufung auf die Stoiker den Unterschied zwischen gaudium und laetitia. Die Freude sei eine im Herzen aufkommende Stimmung, deren Ausgelassenheit mit Würde einhergehe. Die Fröhlichkeit hingegen sei eine zügellose Stimmung des Herzens, die sich mit weiteren Mängeln vermische. „Stoici sic distinguunt: gaudium quippe esse aiunt elationem animi, in his quae digna sunt exsultantis, laetitiam vero effrenatam animi elationem, quae modum nesciat; et in his quoque quae vitio sunt mista laetetur“, Isidor 〈de Sevilla〉: Diffentiarum Liber, I, 265, PL 83, Sp. 37. Isidor greift hier nicht direkt auf Cicero, sondern auf Hieronymus zurück. 201 „Gaudium quippe, esse aiunt [Stoici, Anm. d. Verf.] elationem animi super his quae digna sunt exultantis: Lætitiam vero effrenatam animi elationem, quæ modum nesciat, et in his quoque quæ vitio sint mista lætatur“, Hieronymus: Commentariorum in epistolam ad Galatas libri tres, PL 26, lib. III, c. 5, Sp. 419B.

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gor I. dem Großen wird diese Differenzierung verortet: Er unterscheidet zwischen der ungeregelten Ausgelassenheit des körperlichen Lachens und dem zukünftigen Lachen des Herzens, welches die Freude aus der Gemütsruhe heraus ausdrückt. Bei Gregor vollzieht sich eine Spiritualisierung des Wortes risus zu einem „Lachen im Munde des Geistes“. Der metaphorische Gebrauch des Wortes, die Betonung zweier Arten und der Ursachen des Lachens führen zu der Ablehnung des sichtbaren körperlichen Lachens, welches nicht gleichbedeutend sein könne mit dem Ausdruck der himmlischen Freude. 202 Das freudige Lachen der Frommen im Jenseits wird nur für die Kirche erfahrbar, die das Leid dieser Welt ertragen hat. Selbst dann wird es ein Lachen des Geistes sein. 203 Im Unterschied dazu und zu der neutestamentlichen Rigidität hatte Basilius der Große in seinen „Ausführlichen Regeln“ für Mönche lediglich das unmäßige, unbändige und laute Lachen ausgeschlossen. 204 Diese Differenzierung betrifft eine bestimmte Art des geäußerten Lachens, andere, eventuell mildere Formen des Lachens sind damit nicht ausgeschlossen. Äußerst bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich nicht nur eine Unterscheidung hinsichtlich des Lachens für die Zeit des Frühen Christentums belegen lässt. Bei Cassian nden sich auch zwei Arten von Traurigkeit, nämlich zum einen Verzweiflung sowie Melancholie und zum anderen die Trauer um den Herrn, die aus Reue über die Vergehen oder durch Sehnsucht nach Vervollkommnung oder durch Versenkung in die zukünftige Glückseligkeit entsteht. 205 Die zu verhindernde Art der Traurigkeit

202 „Os quippe justorum tunc risu replebitur, cum eorum corda, nitis peregrinationis etibus, æternæ lætitæ exsultatione satiabuntur [. . . ] De hoc risu sanctae Ecclesiae Solomon ait: Ridebit in die novissimo (Prov. xxxi, 25) [. . . ] Non autem tunc risus erit corporis, sed risus cordis. Risus enim nunc corporis de lascivia dissolutionis, nam risus cordis tunc de lætitiæ nasceretur securitatis. Cum ergo electi omnes implentur gaudio manifestæ contemplationis, quasi ad hilaritatem risus exsiliunt in ore mentis“, Gregor der Grosse: Moralium libri, Moralium libri, Expositio in librum B. Job, PL 75, cap. VII, caput LII, Vers. 20/21, 88, 41, pag. 855D– 856A. 203 Vgl. Resnick, S. 92. 204 „Nam intemperanti ac immodico risu detineri, indicio est grassari intemperantiam, nec sedari motus, nec a severa ratione comprimi laxitatem animi.“ Der griechische Text wurde von Ru nus von Aquileia ins Lateinische übersetzt. Basilius der Grosse: Regulæ fusius tractatæ, interrogatio XVII. Quod oportet etiam risum continere, PG 31, pag. 962–966. Vgl. auch Screech, S. 50. Basilius liefert eine „soteriologische Beweisführung“, wobei das Lachen als „unerlöst“ gilt, womit Basilius „das Widerspruchsvolle des Lachens in dieser Zeitlichkeit klar aufgedeckt“ hat. Steidle, Basilius: Das Lachen im alten Mönchtum, 1938, S. 273 f. 205 „Est etiam aliud detestabilius tristitiae genus, quod non correctionem uitae nec emendationem uitiorum, sed perniciosissimam desperationem animae inicit delinquenti [. . . ] sed ad suspendium laquei sua [Cain, Iudam, Anm. d. Verf.] desperatione pertraxit. Ideo que utilis nobis una re tantum tristitia iudicanda est, cum hanc uel paenitudine delictorum uel desiderio perfectionis accensi uel futurae beatitudinis contemplatione concipimus“, Johannes Cassianus: De institutis coenobiorum, 9,9 f, pag. 170.

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entferne den Menschen von Gott zur qualvollen Verzweiflung, die andere habe alle Früchte des Heiligen Geistes in sich (vgl. Gal 5,22–23). 206 Erst daraus entstehe die Zerknirschung, die Reue des Herzens, compunctio cordis genannt. Weiter charakterisiert Cassian auch in dem für die Einrichtung des klösterlichen Lebens gedachten Werk als das neunte und zehnte Zeichen der monastischen Demut die Unterdrückung der Sprache, der lauten Stimme und des Lachens, 207 wobei hier interessanterweise konkret als zehnte Stufe formuliert ist, dass man nicht offen und leicht lachen soll. Diese Stufen nden sich in veränderter Reihenfolge und Nummerierung später in der Benediktsregel wieder.

2.5.2 Motive des Lachens

Das Hauptmotiv frühchristlicher Darstellung ist die detailreichere Ausgestaltung des neutestamentlichen Gegensatzes von Lachen und Weinen. Origenes zeichnet die radikale Dualität der Lukasstelle nach, indem er das Lachen unversöhnlich in die Zukunft verschiebt und die Müh- und Trübsal der Gegenwart mit einer Wüstenwanderung vergleicht. In der irdischen Zeit gebe es kein wahres, echtes Lachen und auch kein Lächeln, sondern nur Trauern und Weinen. Die ernste Lage des nach Vollkommenheit strebenden Christen verträgt sich nach Origenes nicht mit dem Lachen. Caesarius von Arles und Olympiodorus Alexandrinus übertragen die Ablehnung des diesseitigen Lachens, auf das Alte Testament. Caesarius von Arles interpretiert die Aussage in Koh 3,4 zur Zeit des Weinens und der des Lachens dahingehend, dass die Bibelworte nicht zu missverstehen seien und sich nicht durch sie täuschen zu lassen. Er warnt davor, in dieser Welt Glück oder wahre Freude zu suchen und zu nden. „Wahre Freude war nicht in dieser Welt, sie ist es nicht, und sie kann es auch nicht sein.“ 208 Es bestehe kein Zweifel darüber, dass in dieser Welt nicht die Zeit zum Lachen sei, die wahre Freude sei nicht

206 „[. . . ] habens in semet ipsa omnes fructus spiritus sancti, [. . . ]“, Johannes Cassianus: De institutis coenobiorum, 9,11, pag. 170. Vgl. auch Schmitz, Gerhard: . . . quod rident homines, plorandum est. Der ‚Unwert` des Lachens in monastisch geprägten Vorstellungen der Spätantike und des frühen Mittelalters, 1980, S. 11 auch in der Fußnote 42. 207 „Humilitas vero his indiciis conprobatur: [. . . ] nono si linguam cohibeat uel non sit clamosus in uoce, decimo si non sit facilis ac promptus in risu.“, Johannes Cassianus: De institutis coenobiorum, 4,39, pag. 75, „[. . . ] neuntens, wenn einer seine Zunge beherrscht und nicht mehr laut redet; zehntens, wenn einer nicht leichthin und schnell lacht“, deutsche Übersetzung zit. nach Frank, Karl Suso: Frühes Mönchtum im Abendland, 1975, S. 191. 208 „Nemo se credat aliquam felicitatem aut aliquod verum gaudium in hoc saeculo possidere [. . . ] Verum gaudium in hoc mundo nec fuit, nec est, nec esse poterit.“ Caesarius 〈von Arles〉: Sermones, 215, 2, deutsche Übersetzung zit. nach Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 14.

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diesseitig. Weinen und Nicht-Lachen sind dem Diesseits zugeordnet, das Lachen dem Jenseits. Ausgeweitet zu einer umfassenderen Welt- und Jenseitsvorstellung ndet sich dieses Motiv bei Salvian. Er schildert in seinem Werk „Von der Weltregierung Gottes“ mit drastischen Bildern die Dualität von Lachen und Weinen: „Wer denkt in Erwartung der Gefangenschaft an den Zirkus? Wer fürchtet den Tod und lacht? Wir spielen trotz der Furcht vor der Gefangenschaft, und mitten in der Todesangst lachen wir. Man möchte glauben, das ganze römische Volk sei mit sardonischem Kraut gesättigt worden: es stirbt und lacht, moritur et ridet. Und deshalb folgen in fast allen Teilen der Welt Tränen auf unser Lachen und deshalb kommt auch in der Gegenwart über uns das Wort des Herrn: ‚Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet weinen`“. 209 Gründe für die Ablehnung des diesseitigen Lachens liefert der syrische Mönch Ephräm in einer seiner Homilien. Seine Ausführungen richten sich an den Mönch, dessen Aufgabe im irdischen Tränental durch das Lachen zunichte würde: „Lachen vertreibt die Seligkeit, die der Herr den Klagenden verheißen hat [. . . ] Lachen betrübt den Heiligen Geist und richtet Seele und Körper zugrunde [. . . ] Lachen verjagt die Tugenden und verdrängt den Gedanken an den Tod und das Nachdenken über die Bestrafung. O Herr, verbanne von mir das Lachen und gib mir das Weinen und Klagen, die du von mir verlangst. Der Anfang des Klagens ist, daß der Mensch sich selbst erkennt.“ 210 Das körperliche Lachen hat einen negativen Effekt auf den ganzen Menschen, auf seine Seele, seinen Leib und seinen Geist. Lachen erweist sich als Hindernis bei der Orientierung auf die zukünftige Verheißung, bei der Ausübung von Tugendhaftigkeit und schließlich bei der Selbsterkenntnis als Voraussetzung zur Um209 „Totus Romanus orbis et miser est et luxuriosus. Quis, quæso, pauper [. . . ], qui captivitatem exspectans de circo cogitat? quis metuit mortem, et ridet? Nos et in metu captivitatis ludimus, et positi in mortis timore ridemus. Sardonicis quodammodo herbis omnem Romanum populum putes esse saturatum. Moritur, et ridet. Et ideo in omnibus fere partibus mundi risus nostros lacrymæ consequuntur; ac venit etiam in præsenti super nos illud Domini nostri dictum: Væ vobis qui ridetis, quoniam ebitis (Luc. Vi, 25)“, Salvianus 〈von Marseille〉: De gubernatione Dei, Liber VII., pag. 130C, 142, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 33 Fußnote 1. Unter sardonischem Gelächter ist eines aus grimmigem Hohn motiviertes zu verstehen: Ein zorniger Akteur lacht oder lächelt bei eigenem Schmerz oder Schaden. Die Verbindung eines krampfhaften Lächelns zu einem auf Sardinien wachsenden Kraut rührt von der ihm zugeschriebenen Wirkung her, den Mund zum Lachen zu verziehen. Weitere Herleitungen des Begriffs bei Heinrich, S. 17. 210 „Risus beatum animæ luctum exterminat, et quæ ædi cata sunt, dissolvit, Spiritum sanctum contristat, animæ nocet, corpus corrumpit, virtutes (velut hostes) persequitur. Mortis memoriam exstinguit, curam suppliciorum tollit. Aufer a me risum, et da mihi luctum et etum, quem petis a me, Deus meus.“ Johannes Climacus: Scholia Græca, PG 88, 1046A, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 36.

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kehr. Das irdische Lachen ist ein „unbegründetes und unberechtigtes Vorwegnehmen eines zukünftigen Gutes“. Die Konsequenzen des diesseitigen Lachens könnten mit den Begriffen wie dem Bösen, Zerstörung und Tod kaum drastischer umrissen sein. 211 Moraltheologisch werden dieser negativen Konturierung positive Motive entgegengesetzt: Für Origenes kann es das Lachen in seinem vollen Sinn nur in der Zukunft, in der Vollendung aller Dinge geben. Es ist somit ein Versprechen 212 eines seligen Lachens, eines Ausdrucks der Heiterkeit und Freude des kommenden Äons. Das „Sehnen geht nach dem Lachen der Verheißung und nach der göttlichen Heiterkeit und Fröhlichkeit“. 213 Die alttestamentliche Erzählung von Abraham, Sara und ihrem Sohn dient Origenes auch als Beleg für diese Vorstellung, denn „der Name Isaak weist auf das uns von Christus verheißene Lachen hin.“ 214 Lachen ist somit nicht nur ein Versprechen, sondern neben der Vorstellung von Verheißung auch mit Trost verknüpft: Trost bestehe in dem Gedanken, dass es möglich sei, die wahre Freude im Diesseits vorzubereiten, nur eben nicht sie zu besitzen. 215 Dabei wird Weinen zum möglichen Mittel zur Erlangung des Heils. Olympiodorus sah die Erbauung der gläubigen Seele eher durch Traurigkeit denn durch Lachen verwirklicht: Gerechter Zorn gegen das Böse sei gut und nicht das Lachen. 216 Fulgentius sah die wahre Freude nur durch Tränen und ein reuiges Herz erwerbbar. Demütiges Weinen sei der Untergang der eischlichen Begierde. Tränen der Reue besiegten solche Feinde und führten zum Geschenk der triumphalen Fröhlichkeit. 217 Das Motto Ephräms „Weinen wir jetzt in dieser Zeit-

211 „Der Anfang der Zerstörung der Seele ist Lachen“, mit welchem der Mönch „in die Tiefe des Bösen gelangt“. Ephräm wendet sich eindringlich an seine Adressaten, dass sie „Gott bitten, daß er dich [angesprochen ist der Mönch, Anm. d. Verf.] von diesem Tode befreie“. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 36. 212 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 31. 213 Origenes: Origenes Werke, Klageliederkommentar, S. 239. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 32. 214 „[. . . ] ἧς ἐπαγγελίας ἐπώνυµός ἐστιν ὁ πατριάρχης ᾿Ισαάκ ἑρµηνεύεται γὰρ Γέλως.“, Origenes: Origenes Werke, Jeremiashomilie 20, 6, S. 185, 22 f. 215 „Duo sibi tempora ordine suo succedunt, tempus endi, et tempus ridendi. Nemo se circumveniat, fratres, non est in hoc mundo tempus ridendi [. . . ] Non ergo requiramus gaudium in hoc mundo, quia, sicut supra dictum est, verum gaudium conparari hic potest, possideri non potest.“, Caesarius 〈von Arles〉: Sermones, 215, 2. 216 „In tristitia enim vultus et animus emundabitur [. . . ] Melius itaque est hoc pacto irasci, quam risu dissolvi. [. . . ] Melius est ergo vel præceptori vel domino, subditos oratione, coercere, quam per risum atque blanditias pati illorum mentes languescere: in vultus enim austeritate, quam hoc loco tristitiam nominat [. . . ]“, Olympiodorus Alexandrinus: Comentarii In Ecclesiasten, PG 93, VII, 4, pag. 560D–562A. 217 „Humilium ergo etus magnus est concupiscentiae carnalis interitus. Lacrimae quae ex compunctione cordis ueniunt, et inimicum uincunt, et nobis donum laetitiae triumphalis acquirunt.“, Fulgentius 〈von Ruspe〉, 4,9.

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lichkeit ein wenig, um in der Vollendung ewig lachen zu können.“ 218 weist dem Lachen und auch dem Lächeln seinen Platz einer kommenden Zeit zu, zeigt aber auch ganz deutlich, dass das Weinen im Gegensatz zum ewigen Lachen endlich und in Erwartung der bevorstehenden Parusie als äußerst überschaubar in der Dauer zu verstehen ist. 219 Es verliert nicht zuletzt dadurch seinen Schrecken und kann als positives Mittel auf dem Weg zum Heil verstanden werden. Dieses temporäre Verständnis löst sich folglich in jeder historischen Epoche auf, in welcher die Parusie, das Wiedererscheinen Christi, nicht als unmittelbar bevorstehend erwartet wird. Unweigerlich musste die Vorstellung vom irdischen Tränental zur Zeit der Alten Kirche eine Auswirkung auf die Bewertung des Lachens haben. Ganz im Zeichen dieser Vorstellung steht die Bibelexegese entsprechender Textpassagen, wobei auch deutlich wird, wie die Auslegung der biblischen Textstellen ihrerseits Auswirkungen auf die Tränental-Theologie gehabt haben muss. Das Motiv des Lachens und Weinens geht mit den Zuordnungen von Körper, Zerstörung, Gefangenschaft, Tod, dem Bösen, Klage, Bestrafung sowie Reue zum Diesseits und Vollkommenheit, Vollendung, Verheißung, Seligkeit sowie Triumph zum Jenseits weit über das neutestamentliche Verständnis hinaus. Es nimmt eher implizit alttestamentliche Vorstellungen mit einem christlichen Gepräge in sich auf. Die Herkunft der Autoren zeugt davon, wie weit die enge Verknüpfung von Lachen mit Weinen in einem Gebiet von Nordafrika und dem Nahen Osten bis in den gallischen Raum verbreitet war. Die Zeit der Alten Kirche darf jedoch genauso wenig wie das Mittelalter einseitig betrachtet und in allen Lebensbereichen mit der Tränental-Theologie identi ziert werden. Zum einen konnte hier nicht alles Quellenmaterial untersucht werden, um eine solche Behauptung gut zu fundieren, zum anderen deuten bereits einige noch im Folgenden zu diskutierende Belege in die Richtung von Vielstimmigkeit.

218 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 36. 219 Ein ähnliches Verständnis ndet sich in der Psalmeninterpretation des Prosper Tiro von Aquitanien, eines Anhängers von Augustinus. Er äußert sich nicht direkt über das Lachen, doch in der Auslegung des Psalms, es gebe eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Säen, wird die Ablehnung des Lachens deutlich: Die zweite Vershälfte bezüglich der Zeit des Lachens ist hier unterschlagen. Der Unzeit des Lachens ist der Entwurf einer zukünftigen Zeit gegenübergestellt: Und durch die Werke der Nächstenliebe werde die Ernte der ewigen Freude erzeugt. „Sed tempus endi et tempus est seminandi. Quia opera caritatis, quae reuelandis hominum miseriis abhibentur, aeternorum messem pariunt gaudiorum.“ Prosper Aquitanus, Ps. 125.

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2.5.3 Akteure des Lachens

Frühchristliche Quellen kennen durchaus die Unterscheidung zwischen verschiedenen Akteuren des Lachens von den Mönchen und asketischen Vorbildern zu christlichen Laien der Oberschicht und allgemeinen Kirchgängern. Mit einigen Schriftstücken aus der Zeit der Alten Kirche sind besonders Mönche angesprochen. In einem Spruch des Abtes Nistherous emp ehlt dieser dem Mönch, „sich abends und morgens [zu] sagen: ‚Nichts gemein hat der Mönch mit Schwören, Falschschwören, Lügen, Veruchen, Frechsein, Lachen`“. 220 Die negative Wertung des Lachens könnte im Kontext der Aufzählung der anderen Vergehen nicht deutlicher sein, aber es erhellt zugleich auch die Bedeutung des Lachens an dieser Stelle: Alle anderen Begriffe bezeichnen Handlungen, die ein unehrenhaftes Verhalten in der Interaktion ausdrücken. Insofern könnte das Lachen hier eher Auslachen und Spotten meinen als Begriff auf ähnlicher Ebene einer Handlung, die gegen einen Akteur gerichtet ist. Besonders geht es dabei darum, was einen Mönch von innen her zum Lachen bewegt. Bei einer Versammlung von Mönchen zum Abendmahl, lacht einer der Brüder. Der Abt Johannes Kolobos bemerkt dies, weint und sagt: „Was hat dieser Bruder in seinem Herzen, daß er lacht? Er sollte eher weinen, daß er das Mahl essen muß.“ 221 Wörtlich genommen bedeutet der Nachsatz, weil er die Nächstenliebe kaut und isst. Der Sinn wäre demnach, dass der Bruder des Opfertods Christi gedenken soll, beziehungsweise, dass jeder Mensch ob seiner Sündhaftigkeit dieses Opfers bedurfte. 222 Lachen, das wird an diesen Textstellen deutlich, steht im Widerspruch zum Bewusstsein der eigenen Sünden und zum Gedenken des Opfertods Christi. Beides lastet schwer auf dem Einzelnen. Lachen als Ausdruck von Leichtfertigkeit ist keine angemessene Antwort für Mönche. Die in mo-

220 „Alienum a monacho est, jurare, pejerare, mentiri, imprecari, facere contumeliam, ridere.“, Apophthegmata Patrum, PG 65, pag. 307C, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 37. 221 „Dicebant fratres quia manducantibus aliquando fratribus in charitate, risit unus frater ad mensam. Et videns eum abbas Joannes, evit, dicens: Quid putas habet frater iste in corde suo, quia risit, cum debuisset magis ere quia charitatem manducat.“ Severus Sulpicius / Johannes Cassianus: De Vitis Patrum, PL 73, V, III, 861C, deutsche Übersetzung zit. nach Resnick, S. 93; vgl. auch Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 5. Andernorts „Narrabant Patres, quod manducantibus aliquando fratribus in agape, unus ex illis ad mensam risit. Quem intuitus abbas Joannes, ploravit, dixitque: Quidnam corde gerit frater hic, quod riserit, cum potius debuisset ere, qui agapen comedat?“ Apophthegmata Patrum, PG 65, 206D f, vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 37. 222 Die Bedeutung dieses Nachsatzes ist nach Steidle vermutlich eine Anspielung auf die Verstrickung in irdische Bedürfnisse, vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 37.

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nastischen Kreisen stark rezipierten „Vätersprüche“ 223 verweisen eindringlich auf die biblische Tradition, dass „das Weinen der Weg ist, den die Schrift lehrt“, festgehalten „mit den Worten: ‚Weinet`, denn es gibt keinen andern Weg“. 224 Es werden regelrechte Vorbilder, andere Mönche, Wüstenväter, Asketen und Einsiedler für das Lachen erschaffen. Gregor von Nyssa, der jüngste Bruder von Basilius, berichtet von dem bereits erwähnten Mönch Ephräm, „daß ihm das Weinen so natürlich gewesen sei wie anderen das Atmen.“ 225 Ein alter Mann, vermutlich ein Wüstenvater, sah jemanden lachen und sagte zu diesem, jeder müsse vor dem Herrn persönlich Rechenschaft ablegen über sein Leben, und wundert sich, dass er lache. 226 Die Unvereinbarkeit des Lachens mit dem Auftrag und Anspruch des asketischen Lebens, mit der Vergegenwärtigung der eigenen Sündhaftigkeit, wird hier deutlich. Theodoret von Cyrus liefert in seiner „Mönchsgeschichte“, welche von den Tugenden und Wundern der Einsiedler berichten will, zwei Beispiele für unterschiedliche Erzählmotive, die das Lachen verbannen oder ihm einen – wenn auch nur begrenzten – Platz im Leben eines Vorbilds einräumen. Die Einsiedler werden von Theodoret als solche beschrieben, die „Lachen nicht konnten, sondern in Trauer und Tränen ihr ganzes Leben verbrachten“. 227 Biblisch begründet ist der Fall des Säulenstehers Symeon, von Theodoret als großes Wunder des Erdkreises bezeichnet, dessen Bekehrung allein durch das Herrenwort bei Lk 6,21 und 6,25, die Seligsprechung beziehungsweise die Wehrufe bezüglich des Weinens und Lachens, geschehen sei. In einem vorherigen Kapitel dient der Mönch Julian aus der Landschaft Osroëne am Euphrat als Beispiel der „Tränengnade“. Während eines Gebets lächelte er aber und löste Verwunderung bei den Anwesenden aus, durch diese unübliche Miene des sonst so ernsten Mannes. Nach der Ursache befragt, 223 Eigentlich „Vitae patrum“, im Mittelalter aber meist als „Vitas patrum“ oder „Vitaspatrum“ bezeichnet. Vgl. Williams, U[lla]: Vitas patrum, 2002, Sp 1765. Auch bekannt unter dem Namen „Verba seniorum“, „Apophthegmata patrum“ und „De Vitis Patrum“ handelt es sich um ein ursprünglich griechisches Florilegium, welches eine alte monastische Überlieferung der Aussprüche der Wüstenväter darstellt, die möglicherweise bereits um 450 in der heute bekannten Form vorhanden war. Das Werk wurde im 6. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt und war im Mittelalter sehr beliebt, nach der „Regula Benedicti“ sollte es möglichst in jeder Klosterbibliothek vorhanden sein. Vgl. Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 4 f. 224 „Flete. Alia quippe via non est, præter istam.“, Apophthegmata Patrum, PG 65, pag. 354A, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 37. 225 „ita beato Ephræm assidue lacrymas profundere, natura quodammodo videbatur insitum“, Gregor 〈von Nyssa〉, pag. 830 f, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 36. 226 „Videt senex quemdam ridentem, et dicit ei: Coram cœli et terræ Domino rationem totius vitæ nostræ reddituri sumus, et tu rides?“, Severus Sulpicius/ Johannes Cassianus: De Vitis Patrum, PL 73, V, III, 23, 864A/B. 227 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 37.

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drückte der Mönch seine Freude über die wiedergewonnene Freiheit der Kirche aufgrund des Todes des Apostaten Julian aus, welchen er im Geist gesehen hatte. Auch hier wird eine Begründung für das Verhalten abgegeben, die das Lächeln nachvollziehbar und statthaft macht. Das Lachen ist somit selbst in monastischen Zeugnissen divergent. Neben der Ausprägung von prototypischen Erzählmotiven zu Akteuren, die Heiligkeitsideale verkörpern, gibt es auch solche zu dem Gegenpart der Dämonen. Diesen kommt mitunter die Rolle zu, die Heiligen auch bezüglich des Lachens zu versuchen. Von einem solchen Fall erzählt der Begründer des Klosterwesens Pachomius: 228 Dämonen ziehen ein Blatt am Ende eines Seils und geben vor, es handle sich dabei um einen schweren Stein. „Das taten sie, weil sie meinten, das Herz des Heiligen zum Lachen verführen zu können, damit sie gegen ihn, wenn auch nur in dieser geringfügigen Sache prahlen könnten.“ Der Versuchte reagiert auf die von ihm erkannte Bosheit, indem er nicht lacht. 229 In einem anderen Fall versuchen Dämonen ebenfalls, den niemals auch nur lächelnden Abt Pambo zum Lachen zu bringen. Sie binden dazu einen Flügel an ein Holz, tragen es herum und rufen dabei laut: „Auf, auf !“ Da Pambo lacht, freuen die Dämonen sich zunächst, bis Pambo ihnen erklärt, er habe sie ob ihrer Ohnmacht verlacht, da sie in so großer Zahl den Flügel einhertragen. 230 Die Botschaft dieser Episoden ist, dass die heiligen Männer von einem „gewaltigen Ernst“ erfüllt sind, so dass Lachen, Lächeln und Scherzen nicht aufkommt. 231 Gleichzeitig eröffnet sich aber auch zaghaft die Möglichkeit für das Lachen eines Heiligen in Gegenwart eines Dämons, wenn es Zeichen seiner Überlegenheit, seiner Glaubensstärke ist. 232 228 Keller liefert leider ohne genauen Beleg einen Hinweis darauf, dass „Teufel in niederländischen Theatertexten [. . . ] die Lachbereitschaft ihres Publikums auf die Probe stellen, wenn sie es mit lauten ho-ho-hoo-Rufen zum Lachen animieren. Unmissverständlich antwortet einer, der das Lachen verweigert: ‚Hörst du nicht, dass ich schweige?`“, Keller, S. 36. 229 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 38. „Der Teufel benützt das Lachen, um die Schlagkraft des Soldaten Christi zu brechen.“ Steidle: Das Lachen im alten Mönchtum, S. 277. 230 „Aiebant de abbate Pambo, quod nunquam vultus ejus subrisum ostenderet. Quadam ergo die, cum vellent dæmones ef cere ut rideret, ligaverunt alam ad lignum, portabantque, facientes tumultum, ac dicentes: Alle, alle. Quos cernens abbas Pambo, risit. Dæmones vero cœperunt tripudiare: Vah, vah, inquientes, Pambo risit. At ille respondit eis: Non risi, sed derisi imbecillitatem vestram, qui unam alam tot numero portetis.“ Apophthegmata Patrum, PG 65, 371B, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 37 f. 231 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 38. „Die Mönche der alten Kirche betrachten das Lachen im Licht der Offenbarungswahrheit. Ihre Wertung des Lachens ist rücksichtslos folgerichtig, kompromißlos [. . . ]“ Ders.: Das Lachen im alten Mönchtum, S. 279. 232 In der von dem Zisterzienser Richalm von Schöntal Anfang des 13. Jahrhunderts verfassten

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Die Differenzierung der Arten des Lachens bietet den Rahmen dafür, verschiedenen Personengruppen ein bestimmtes Lachen zu erlauben. Bei Ambrosius ndet sich keine fundamentale Abneigung gegenüber dem Lachen, sondern sogar eine positive Beurteilung von ioca suavia und honesta, angenehmen und ehrbaren Scherzen, aber eben nur für den säkularen Bereich. Eine scharfe Trennung zwischen sakral und profan zeichnet sich in der Argumentation ab und führt demzufolge zu einer unterschiedlichen Beurteilung. Auf diese Weise ndet die Befürwortung des Lachens Eingang in weitere christliche Literaturgattungen. Wirkungsgeschichtlich waren daher die Überlegungen von Ambrosius von großer Bedeutung. Konsequenterweise wurden auch Schriften ausschließlich für Laien verfasst, wie die Tugendlehre „Formula vitae honestae“ des Martin von Bracara, Mönch, Klostergründer, Bischof und Missionar. Aus dem Widmungsbrief an Miro, den König der Sueven, wird der Verwendungszweck deutlich, der in einer Anleitung für einen tugendhaften Lebenswandel für Laien und nicht in komplizierten Regeln der Perfektion für wenige hervorragende Geistliche liegt. Die Ausführungen über die vier Kardinaltugenden stützt Martin von Bracara auf die Schriften Senecas. Ganz in antiker Tradition wird das Lachen im Kontext von prudentia, Klugheit, behandelt. Das Lachen dient der Entspannung. Derartige Muße sei aber nicht gleichzusetzen mit schlaffer Trägheit, sondern müsse im Dienst des Weisheitsstrebens und guter Gedanken stehen. Im Kontext der continentia, Mäßigung, werden die Verhaltensmaßstäbe zum Lachen und Scherzen weiter ausgeführt. Beides helfe zur Auflockerung ernster Angelegenheiten, die Teilnahme sei beizeiten sogar erforderlich, um nicht in Gesellschaft durch Griesgrämigkeit aufzufallen. Dabei gelten die üblichen Einschränkungen: Der Ernst habe Vorrang, eine nützliche Rede sei förderlicher als eine witzige. Beim Einsatz von Witzigkeiten ist Würde und Anstand zu berücksichtigen, um nicht verletzend zu wirken. Untersagt ist jegliches kindische, weibische und laute Gelächter. Verabscheuenswert ist ein Lachen aus Stolz oder Hinterhältigkeit, welches auf einen entsprechenden Charakter schließen lasse. Das Erstaunliche an dem Werk von Martin von Bracara ist das Fehlen einer Einbettung der Ethik in die christliche Vorstellungswelt, wie es bei Hieronymus, Ambrosius und Augustinus der Fall ist. Martin leitet seine Lehre nicht von Bibelgeboten her, weshalb er sich auch kaum um eine Untermauerung seiner Argumente durch Bibelzitate bemüht, sondern von den natürlichen Gesetzen der menschlichen Vernunft. Die antiken Ideale sind für Martin von Bracara in ihrer Urform akzeptabel, die ausdrückliche Einschränkung ist der Kreis der Akteure mit den Laien als Adressaten. 233 Schrift „Liber revelationum“ ndet sich die Vorstellung, dass ein Lachen durch boni spiritus iocosi hervorgerufen werden kann und Menschen so zum Lachen bewegt werden. Vgl. Schmitt, Jean-Claude: Demons and the emotions, 2017, S. 57. 233 Martin selbst hatte nach seiner monastischen Schulung in Palästina das Mönchtum der Prägung des Caesarius von Arles kennengelernt und war ein Verehrer des Heiligen Martin von Tours, der als der Prototyp des nicht-lachenden Heiligen gelten kann. Ferner p egte Martin

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Zwei Autoren, die im Mittelalter wenig rezipiert wurden, sollen hier dennoch ausführlicher diskutiert werden. Anhand ihrer wird nämlich die Differenzierung bezüglich unterschiedlicher Akteure deutlich, die augenscheinlich bereits an der Wende vom 2. zum 3. sowie vom 4. zum 5. Jahrhundert durchaus möglich war. Als Kirchenvater der Ostkirche hat Johannes Chrysostomus wenig Ein uss auf die mittelalterliche Theologie genommen, dennoch zeigt sich bei ihm eine Vielfalt an Idealen, Ansprüchen und Aussagen auch hinsichtlich der Akteure, die Christus, Mönche, Prediger und Kirchenbesucher umfassen. 234 In der 6. Homilie zum Matthäusevangelium stellt Johannes den fehlenden Beleg eines Lachens Christi fest: „Weinen sehen kann man den Herrn oft, lachen niemals, nicht einmal stille lächeln. Deshalb sagt auch der heilige Paulus selbst von sich, und andere sagen es von ihm, 235 daß er geweint habe, drei Tage und drei Nächte lang geweint. Daß er aber gelacht hätte, das hat er nirgends gesagt, weder er noch andere.“ 236 Johannes adressiert den zur Nachahmung Christi angehaltenen Mönch, der lacht „mit dem ganzen Gesicht, der du doch ein Mönch bist, der du ein Gekreuzigter bist, der du ein Trauernder 237 bist, und du kannst lachen, sag an!“ 238 „Der Mönch ist, weil er ein Mönch ist, zur Nachfolge Christi verp ichtet. Also darf er nicht lachen, muß aber weinen.“ 239 Eine derart explizite und radikale Aussage ndet sich so kaum im Mittelalter. Orientierung bezüglich des Lachens gibt aber nicht

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von Bracara den Kontakt zu anderen Verehrern dieses Heiligen, darunter Gregor von Tours und die heiliggesprochene fränkische Königin und Witwe Radegundis. Das Werk Martins von Bracara fand im Mittelalter große Beachtung, nicht zuletzt aufgrund der Zuschreibung zu Senecas Werken. Diese Vielfalt ist möglicherweise auch dem Lebensweg von Johannes geschuldet, der vor seiner Taufe auch von einem heidnischen Rhetor unterrichtet worden war, nach Beginn seines Studiums sich für ein asketisches Leben entschloss und sechs Jahre in seiner Heimatstadt Antiocheia bei Mönchen verbrachte und später als Diakon, Priester, Prediger und Reformbischof tätig war, bevor er ins Exil verbannt wurde. „Wir wissen nicht, wen Johannes Chrysostomus damit meint.“ Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 35 Fußnote 1. Auf Epheser 3,4 bezugnehmend „Cum turpitudine ponit scurrilitatem: tu autem rides? Quid stultiloquium? quæ nihil habent utile. Tu tamen rides, et vultum diffundis, qui es monachus? qui cruci xus qui luctum induis, rides, dic mihi? Ubi vidisti Christum hoc facientem? Nusquam; sed sæpe quidem tristem. Et enim quando vidit Jerusalem, evit; et quando de proditore cogitavit, fuit turbatus; et quando Lazarum suscitaturus erat, lacrymatus est: tu autem rides?“ Christus selbst habe schließlich beim Anblick Jerusalems und bei der Erweckung des Lazarus geweint. Und weiter, so liest man in seiner 15. Homilie zum Hebräerbrief, singe man auch in Psalm 6,7 „Ich habe mich abgemüht in meinem Seufzen“, Johannes Chrysostomus: Enarratio in Epistulam ad Hebræos, PG 63, XV, 8, 121 f, deutsche Übersetzung zit. nach Resnick, S. 95. Steidle merkt hierzu an, dass im Syrischen „der Mönch geradezu ‚Trauernder` ('abil)“ heißt. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 34. Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 34. Ebd.

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nur Christus allein: „Aber auch kein Heiliger hat dies weder von sich noch von einem anderen Heiligen erzählt. Nur von Sara allein wird dies berichtet, nämlich damals, als sie getadelt wurde.“ 240 Lachen ist unvereinbar mit dem drohenden Gericht, mit Rechtschaffenheit und ist vielmehr gleichzusetzen mit Torheit und schwachem Glauben. 241 Daher wendet sich Johannes als Prediger auch gegen Possen und Zoten. Die Welt sei „kein Theater zum Lachen“, sondern vielmehr ein Ort, „über die Sünden zu weinen“. 242 Als Bischof von Konstantinopel hatte Johannes auch mit lachenden Kirchenbesuchern zu kämpfen. 243 Trotz seiner Unterscheidung verschiedener Arten 244 und Funktionen 245 des Lachens spricht sich Johannes als Seelsorger gegen das Lachen im diesseitigen Tränental aus. 246 Somit stammen Bibelkommentar, Empfehlungen an Mönche, der Entwurf eines Heiligenideals, Verhaltensvorgaben angesichts der Nah240 Davon, dass die Heiligen vom Lachen ausgenommen sind, zeugen die Quellenbelege des Mittelalters keineswegs, ebenso wenig wie in dem hagiographischen Motiv des Lachens bei dem Abt Pambo. 241 Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 36. 242 „Besondere Stätte des Lachens war das antike Theater“, welches „als Teufelswerk“ abgetan werden müsse. Jeden Wunsch nach einer Gelegenheit zum Lachen und Scherzen tut der Kirchenlehrer als kindisch ab. Schließlich wäre diese Gelegenheit nicht von Gott, sondern vom Teufel gegeben. Dieser benütze das Lachen, „um die Schlagkraft der Soldaten Christi zu brechen.“ Er vergleicht die Gegenwart mit einem Königspalast, in welchem man auch um Anstand bemüht ist. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 35 f. 243 Vgl. Resnick, S. 95. Konfrontiert mit der Gleichgültigkeit seiner Adressaten auf die ernsten Worte, klagt Johannes über das fortwährende Lachen, „weil wir so über das Lachen gesprochen haben. So groß ist die Torheit, daß sie nicht einmal die Zurechtweisung fühlt.“ „Etenim ejusmodi res furor, talis mentis stupor, ne sentit quidem increpationem.“, Johannes Chrysostomus: Enarratio in Epistulam ad Hebræos, XV, 8, PG 63, 122, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 35. 244 Johannes schreibt über das maßlose und unzeitige Lachen. Eine Abschwächung nimmt er nicht für das Lachen und Lächeln vor, welches nur theoretisch statthaft und begründet sei. Gefordert sei der Verzicht. Diese Strenge provozierte den spottenden Zuruf „Sogleich Tränen!“, worauf Johannes erwidert, es gehe darum zu trauern, um „in Wahrheit [zu] lachen“, um sich „tatsächlich [. . . ] freuen [zu] können zur Zeit der echten Freude“, „Scio quod multi nos irrideant, dicentes: Statim lacrymæ. Propterea tempus est lacrymarum. [. . . ] Lugeamus ergo, o dilecti, lugeamus, ut vere rideamus ut vere lætemur in tempore sinceræ lætitiæ.“, Johannes Chrysostomus: Enarratio in Epistulam ad Hebræos, XV, 8, PG 63, 122 f, deutsche Übersetzung zit. nach Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 35. 245 Johannes Chrysostomus räumt den Aspekt der Entspannung und der Aufheiterung bei Niedergeschlagenheit ein. Er kommt auch nicht um die Feststellung umhin, Lachen könne auch ein Zeichen der Freude zum Beispiel beim Wiedersehen eines Freundes sein. „Insitus est nobis risus, ut quando viderimus amicos post longum tempus, hoc faciamus [. . . ]“ Johannes Chrysostomus: Enarratio in Epistulam ad Hebræos, PG 63, XV, 8, 122, vgl. Resnick, S. 95. 246 Johannes Chrysostomos ging es nicht um „spekulative Durchdringung und Erhellung der Glaubensgeheimnisse. Er ist in seinem Werk immer Seelsorger, der zur christlichen Vollkom-

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erwartung, Einwände gegen weltlichen Zeitvertreib, Auseinandersetzungen mit Laien, sowie Modelle der Differenzierung hier aus einer Feder. Dabei zielen alle Schriften auf eine ähnlich negative Bewertung des Lachens ab. Bei genauerer Betrachtung nimmt Johannes jedoch Unterscheidungen vor, die bislang der Forschung entgangen zu sein scheinen: In seinen vehementen Formulierungen wendet er sich an Mönche, in einem Abschnitt, in welchem er sich mit dem Lachen in der Kirche auseinandersetzt, klingen seine Aussagen jedoch sehr viel abgeschwächter. Ginge es ihm um ein Verbot, wie es zunächst anmutet, müsste er nicht so viele Worte verwenden. Tatsächlich kommt er sogar zu der Aussage, dass das Lachen nicht das Übel ist, sondern das, welches außerhalb des Maßes liegt und zu einer Unzeit erfolge. Er spricht sich weiter gegen das laute Gelächter und das ständige Lachen aus, aber kommt auch zu dem Schluss, dass das Lachen dem Menschen eigen sei und ihm Entspannung verschaffe. 247 Geradezu als Gegenpart zu dem bisherigen Verständnis von Johannes Chrysostomos wirken die Aussagen Clemens' von Alexandria, sowohl dessen Rückbezüge auf antik-paganes Traditionsgut wie auch seine sehr viel neutralere Bewertung betreffend. In seinem Werk „Paidagogos“, das der Belehrung junger Christen der Oberschicht diente, 248 widmete Clemens sich dem Problem des Lachens in einem ganzen Abschnitt. In dem Kapitel „Über das Lachen“ entwickelt er geradezu eine Ethik des Lachens, die sowohl die natürlichen als auch die sittlichen Aspekte zu berücksichtigen versucht. Dabei begnügte sich Clemens nicht mit der Übernahme der zurückhaltenden Einstellung Platons gegenüber dem Lachen. Er ergänzt sie vielmehr um das Argument der Entspannung vom Ernst und der Einschränkung des Lachens durch die Berücksichtigung von den Faktoren des Gegenstands, des Zeitpunkts, des Ortes und der Gesellschaft. Nicht nur dies ist unter anderem von Aristoteles und später von Cicero her bekannt, sondern auch die Idee des Lachens als dem Menschen von Natur aus gegeben. Clemens be ndet, man dürfe lachen und es nicht dem Menschen mit Gewalt nehmen. Somit ist der Mensch allgemein als Akteur in den Blick genommen. Die Einschränkung ist, man solle nicht dauernd lachen – so gibt Clemens zu bedenken, dass ein Pferd auch nicht ständig wiehere. 249 Seiner Haltung liegt die Idee zugrunde, menheit führen wollte und dabei vor utopischer Zielsetzung nicht zurückschreckte.“ Frank, Karl Suso: Johannes Chrysostomus, 2002, Sp. 563 f. 247 „Non malum est risus, sed malum est id quod est præter modum, id quod est intempestivum [. . . ] non ut cachinnos edamus, et semper rideamus; animo nostro insitus est risus, ut aliquando relaxetur animus, non ut diffundatur.“, Johannes Chrysostomus: Enarratio in Epistulam ad Hebræos, PG 63, XV, 8, 122. 248 Vgl. Bremmer, S. 30. 249 „Hominis itaque de nitioni adjectum, vi ridendi præditum, facit totum: animal rationis particeps, mortale, terrestre, pedestre, vi ridendi præditum. [. . . ] Dicimus ergo Homo est animal vi ridendi præditum.“ Clemens von Alexandria: Stromatum, PG 9, VIII, 6, 21, pag. 586D–587A. „Nam, ut semel dicam, quæcunque sunt, naturalia hominibus, ea ab illis minime tollenda sunt, sed eius potius modus et conveniens tempus adhibendum. Non

Frühchristliche Überlieferung

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was der Mensch hervorbringe, lasse auf seinen Charakter schließen, lächerliche Äußerungen also auf einen lächerlichen Geist. 250 Die Verbannung von Spaßmachern aus der christlichen Gesellschaft, 251 wie auch Platon dies für seine Zeit verwirklicht sehen wollte, hält Clemens demnach für sinnvoll, nicht aber die des Lachens. Mit seiner Befürwortung des Lächelns, griechisch µειδίαµα (meidiama), als dem erlaubten Lachen, dem Lachen der Weisen, entwirft Johannes ein Modell des Lachens, das schamvollen und traurigen Dingen die Stirn bietet und der Scham und der Traurigkeit Platz macht. 252 Die Thematisierung der Häu gkeit des Lachens, der Zügelung, der Berücksichtigung der Umstände, 253 des Maßhaltens 254 spiegelt antikes Gedankengut wider. 255 Zur Rechtfertigung des gemäßigten Lachens zieht Clemens die weiter oben besprochene Stelle in Sirach 21,23 heran. Beschrieben wird die Erheiterung des Gesichts mit dem Moment, wenn die „Spannung des Gesichts wie die eines Instruments zu harmonischer Wirkung ein wenig nachläßt“. 256 An diesem Vergleich mit einem Instrument wird die Vorstellung einer nach Regeln einzuübenden Fähigkeit des Lachens beziehungsweise Lächelns verbunden mit Kultiviertheit deutlich. Das Lachen wird für Akteure zum Instrument von Distinktion. Das Ideal, das Clemens vorschwebt, sieht er ausgerechnet in Ajax verwirklicht, dem neben Achilles als tapfersten geltenden griechischen Held von Troja, der „lächelnd mit furchtbarem Antlitz“ beschrieben wird. 257 Im Hinblick auf seinen Adressatenkreis behandelt Clemens, orientiert an antiken Vor-

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enim quoniam homo est animal facultate ridendi præditum, ideo perpetuo ridendum est, quandoquidem nec equus, cujus est proprius hinnitus, semper hinnit.“ Clemens von Alexandria: Pædagogus, PG 8, II, 5, pag. 447B, vgl. auch Resnick, S. 98 und Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 30. Dieser Gedankengang wird bei Clemens mit der Bibelstelle Lukas 6,43 fundiert: „Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht trägt, und keinen faulen Baum, der gute Frucht trägt.“ Und weiter: Lächle man angesichts von Possen und Zoten anstatt zu Erröten, signalisiere man dieselbe Gesinnung. Zur Ablehnung von Spaßmachern bei den Kirchenvätern Asterius, Gregor von Nyssa und Johannes Chrysostomus vgl. Bremmer, S. 202. Trotz der Milde dem Lachen gegenüber bestimmt Clemens konkreter das Lächeln als dem Lachen der Verständigen zur wirklich sittlich erlaubten und anständigen Form des Lachens. Und selbst dies müsse gezügelt werden. Nicht ganz klar ist, ob es für Frauen und Heranwachsende unangebracht war oder in ihrer Gegenwart. Die Mäßigung ist angemessen, weshalb ein Lächeln genügt und Frauen und junge Männer sich daher bemühen sollen, nicht zu lachen. Vgl. Bremmer, S 30. Clemens griff auf Verhaltensregeln seiner Zeit zurück, „rules for disciplined deportment, commended by philosophers to the Greek elites of his age, in order to wrap the believer in a web of minute, seemingly insigni cant patterns of daily living“. Brown, Peter: The body and society. Men, women and sexual renunciation in early Christianity, 1989, S. 125 f. Vgl. Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 31. Die Position von Clemens, das Lachen verbunden mit sittlichem Ernst, lässt sich mit folgend Worten zusammenfassen: „Würdiger Ernst schützt vor ausgelassenem, schallendem La-

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Das Lachen im Altertum

bildern, auch das Verhalten bei Mahlzeiten. Er zitiert aber ebenso im Kontext von unzüchtiger Rede und Spott beim Gastmahl Paulus, unter anderem aus dem Epheserbrief 5, 3 und 4. 258 In den Zusammenhang von Tischmanieren gehört auch die Warnung vor übermäßigem Weingenuss, der in die Gefahr des verabscheuungswürdigen Lachens führen kann. Zeichen des frechen Übermuts sei das unstatthafte Gelächter der Männer und Gekicher als das Lachen der Dirnen. Als Topos wurde dies im Mittelalter durchaus aufgegriffen. Dabei sind verschiedene gender betroffen: Die Frau müsse vermeiden, zu lachen wie eine Prostituierte, der Mann wie ein Zuhälter. Hier kommen die problematischen Seiten des Lachens für die Akteure zur Sprache, wenn es aus Ausschweifung, Obszönität und Trunksucht resultiert. Beim Lachen iehe die Vernunft und ungeheure Leidenschaften erwachten. Es führe zu Exzessen der Sprache und des Trinkens bei Festen. In der christlichen Anthropologie hat dies zu einer Verbindung von Lach- und Tischmanieren geführt. 259 Jedoch wurden die umfangreicheren Schriften von Clemens von Alexandria erst Mitte des 16. Jahrhunderts ins Lateinische übersetzt, was darauf schließen lässt, dass die Rezeption des „Paidagogos“ im Mittelalter nicht sehr umfassend aus el. Die im Hinblick auf die Akteure gemachten Aussagen nden jedoch über andere Traditionslinien ihren Eingang in mittelalterliche Vorstellungen über das Lachen.

2.6 Zwischenresümee

Grundsätzlich hatten die mittelalterlichen Gelehrten also ganz unterschiedliches Ausgangsmaterial zur Verfügung, wollten sie eine Aussage über das Lachen machen. Dabei hat die Antike keine geschlossene Theorie des Lachens tradiert, 260 jedoch zeigen sich bereits Differenzierungen bezüglich der Arten, Motive und Akteure des Lachens. Unterscheidungen in verschiedene Arten des Lachens gibt es seit dem Altertum in Form vom rechten Maß, der Unterscheidung von den Begriffen gaudium und laetitia, welche später wie bei Thomas von Aquin auch beide positiv bewertet sein können, Arten von Verlachen, Lachen und Lächeln, von Körper und Geist sowie von Lachen und Weinen. In griechischen und römischen Quellen tritt das Ideal des Nicht-Lachens lediglich punktuell auf. Es gibt dazu keine Zitatensammlung nicht-lachender Akteure durch chen, verschließt sich aber einem maßvollen ‚Lächeln` nicht.“ Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 31. 258 Nach Luther: „Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.“ 259 Le Goff, Jacques: Le rire dans les règles monastiques du Haut Moyen Age, 1990, S. 94. 260 Seibt spricht hier wie Le Goff für das Mittelalter, dort aber in Bezug auf das Lachen, von einer „Kasuistik des Lächerlichen“, die im Bereich der Rhetorik in der Antike entwickelt worden ist. Vgl. Seibt, S. 753.

Zwischenresümee

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Zeitgenossen. Die Darstellung erscheint zudem auch unabhängig voneinander ohne eine sich fortschreibende Tradition, da jeweils unterschiedliche Akteure als Beispiel angeführt werden. Besonders die pagane Welt liefert nähere Differenzierungen innerhalb des Lachens und eine positiv bewertete Art des Lachens weitestgehend unabhängig von dem jeweiligen Akteur. Das alttestamentliche Lachen und Lächeln stehen in seiner Bewertung in direktem Zusammenhang zum Akteur. Ein Nicht-Lachen kommt in der alttestamentlichen Tradition so nicht vor, das Lächeln der Weisen kommt dem noch am nächsten. Im Neuen Testament ist nur die Rede von Verlachen, aber nicht von Lachen oder Lächeln. Zudem gibt es aber keine explizite Formulierung des NichtLachens, sondern lediglich den Mangel an Darstellungen des Lachens Christi, seiner Jünger oder anderer Protagonisten. Es ist die Rede vom Auslachen und Spotten der Gegner, der Ungläubigen und Zweifler. Damit bestünde das streng christliche Ideal darin, selbst nicht zu lachen, sondern das Auslachen und den Spott durch Andere zu ertragen. Ergänzt wird diese radikale Haltung durch die frühchristliche Bevorzugung des Lachens im Geiste und des Weinens ausgedrückt im Körper. Die Motive des Lachens der griechischen und römischen Antike nehmen besonders Bezug auf die sozialen Aspekte des Lachens, selbst dort, wo mit der Gemeinschaft des Lachens von Göttern, Herrschern und Volk auch die sakrale Sphäre tangiert ist. Häuger betrifft das Lachen jedoch das Zusammenleben der Menschen und ist ein Mittel, die eigene Stellung innerhalb der Gesellschaft durch angemessene Selbstbeherrschung auszudrücken. Dabei wurde die physische und psychische Dimension des Lachens thematisiert. Im biblischen Kontext steht das Lachen in direktem Bezug zu Gott, auch dann, wenn die Feinde Israels oder des Frommen diese auslachen. Das Lachen übernimmt dann eine erzieherische Funktion und wirkt im Sinne einer Kontrolle. Das Neue Testament enthält die Vorstellung eines eschatologischen Lachens, einer Art Vertagung des Lachens, die sich im Frühchristentum noch stärker ausprägen sollte. Ein Grund für die „Einseitigkeit“ des Lachens im Neuen Testament liegt sicherlich darin begründet, dass die Passion Christi und das Leiden in seiner Nachfolge im Zentrum des Interesses stehen. Die Umkehrung des Lachens über die Gegner der jesuanischen Bewegung wäre verständlich, denn derer treten ausreichend im Neuen Testament in Erscheinung. Die Argumentation, als jüdische Sekte hätte der Fokus der jesuanischen Anhänger zunächst stärker auf dem inneren Zusammenhalt gelegen, greift insofern zu kurz, als dass die Gegner durchaus ihren festen Platz in der Geschichte Jesu und der ersten Gemeinde haben. Es entspricht jedoch dem Kern der Lehre, Gleiches nicht mit Gleichem zu vergelten, sondern bestimmte Angriffe in gewissem Sinne ins Leere laufen zu lassen 261 und die Botschaft nicht nur der Nächstenliebe, sondern sogar der 261 Auch wenn Jónsson sich eher mit Humor und Ironie auseinandergesetzt hat, trifft seine Aussage auch den hier angesprochenen Punkt, wenn er sagt, „[t]he parable of the Good Samaritan is not exactly friendly towards some people, who, no doubt, have felt themselves hurt by Jesus, although, in fact, he is not attacking persons but a certain way of thinking.“ Jónsson, S. 306.

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Feindesliebe wirken zu lassen. Das Frühchristentum hat das Motiv des nicht-lachenden Christen, des Heiligen sehr viel stärker ausgestaltet, indem sogar kleine Episoden hagiographischer Literatur um dieses Thema entworfen werden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass frühe, insbesondere hagiographische Texte das Motiv des „begründeten“ Lachens kolportieren. Dadurch zeigt sich, dass auch dort keine grundsätzliche Ablehnung erfolgt ist, sondern dass ein Lachen in bestimmten Kontexten gerechtfertigt sein kann. Die Akteure im alten Griechenland und Rom können sich durch das Lachen von Anderen abheben. Selbstbeherrschung und Würde, den Seelenzustand, Tugend, das Innerste nach außen hin sichtbar zu machen, ist über das Lachen möglich. Innerhalb einer Gruppe kann durch die Kontrollfunktion des Tadels letztlich ein Konsens hergestellt werden. In der römischen Kultur wird insgesamt stärker mit äußeren Abgrenzungsmerkmalen operiert, zum Beispiel gegenüber der griechischen Kultur, aber auch durch epochale oder geographische Unterscheidungskriterien. Eine Standortbestimmung wird auf diese Weise eher über die Konturierung des Fremden erzielt. Die biblischen Belege des Lachens sind vielfach um den Gegensatz von Lachendem und Verlachtem gruppiert, wobei der Bezugspunkt zu Gott stets gegeben ist. In der Zeit der Alten Kirche scheinen exklusivistische Modelle des auf Christus bezogenen Asketen, des weinenden Mönchs neben dem sich im Lachen mäßigenden Laien nebeneinanderher existiert zu haben. Im größeren Kontext betrachtet ging es den paganen Philosophen um die Erkenntnis des Wesens des Menschen. Sie lieferten den Theologen des Mittelalters eine Basis für ihre Erklärungsversuche für Mensch, Gott und Welt. Die Philosophie gestand dem Menschen sein Lachen zu. Der Platz, auf den das Lachen als körperliche Reaktion, als durch ein Objekt hervorgerufener Instinkt, 262 innerhalb der Ethik verwiesen wurde, ist der Vernunft und der Tugendhaftigkeit und somit auch der Mäßigung als gesellschaftsbildenden Kräften untergeordnet. Insgesamt ist die Betrachtung des Körpers in den Quellen des Altertums weniger bedeutsam als die Selbstbeherrschung, die ihren Ausgangspunkt in Tugenden und im Geistigen hat. Die Körperbeherrschung, die Zivilisierung des körperlichen Selbst ist nicht nur in den Texten angelegt, sondern deutlich ausgeprägt. Im Hinblick auf die Verbindung von Lachen und Emotionen geben die Belegstellen wenig konkrete Hinweise. Das hervorstechendste Motiv ist das des Auslachens, des Spottens, bei welchem „Gefühle“ der Überlegenheit einerseits und solche der Scham, des Ausgegrenztseins andererseits eine Rolle spielen. In Bezug auf gender gehen die Belegstellen im Hinblick auf Frauen wenig über Topoi hinaus, die Rede ist eher von Staatsmännern, Philosophen, Rhetoren und Mönchen, männlichen Akteuren als Träger der legitimen Kultur und deren Statusabgrenzung und Konkurrenz zu 262 Brosch scheint die Wertung der antiken Philosophen dahingehend zu interpretieren, dass sie diesen Instinkt als bösartig betrachteten. Vgl. Brosch, Renate: The Funny Side of James. Gendered Humour in and against Henry James, 2002, S. 157.

Zwischenresümee

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anderen Männern. In den vorliegenden Kontexten sollen durchaus Hierarchien zum Ausdruck gebracht werden, sei es nun die aristokratische Vorrangstellung in der griechischen Polis, die besondere Auserwähltheit des frommen Israels oder die im eschatologischen Kontext stehende Enthobenheit der christlichen Praxis des Asketentums. Die untersuchten Textbelege verdeutlichen die Vielfalt des „legitimen“ Materials, auf welches die mittelalterlichen Autoren als autoritatives Traditionsgut zurückgreifen. 263 Aus dieser Zusammenschau geht hervor, dass sowohl soziale wie auch religiöse Ideale in der Darstellung in der vom Mittelalter rezipierten Überlieferung angelegt sind. Der Antike entstammen Texte, deren gemeinsamer Orientierungspunkt die Gesellschaft ist. Über die Art des Lachens kann sich ein Akteur hervortun, als Mitglied der Oberschicht ausweisen. Die antiken Quellen stellen einen großen Fundus an möglichen Kontexten des Lachens bereit, die allesamt in der Darstellung zur gesellschaftlichen Stellung des Akteurs in Bezug gesetzt sind. Dabei zeigt sich ein proportionaler Zusammenhang zwischen Elitenbildung und gemaßregelten Verhaltensnormen. Von einer grundlegenden oder systematischen Auseinandersetzung mit der menschlichen Regung des Lachens kann in den vergleichsweise wenigen Textstellen des Alten sowie des Neuen Testaments nicht die Rede sein. Dennoch liegt den Aussagen ein gemeinsames Schema zugrunde, welches das Lachen nicht nur stets in einen religiösen Zusammenhang stellt, sondern geradezu als Indikator für die Beschaffenheit des Glaubens fungiert. Das Alte Testament liefert die Verknüpfung von der Frömmigkeit des Akteurs und der Bewertung des Lachens. Das Neue Testament kennt keinen positiv zu bewertenden lachenden Akteur. 264 In der biblischen Tradition ist allein der Akteur ausschlaggebend für die Bewertung des Lachens. Die Frommen lachen ein gerechtes Lachen, die Unfrommen und Feinde Israels oder Christi verlachen die Gerechten und damit den rechten Glauben und Gott. Bereits im Frühchristentum verbinden sich die sozialen mit den religiösen Positionen wie auch die Mechanismen der Distinktion durch die Art des Lachens mit der Bewertung des Lachens in Abhängigkeit vom Akteur. Dem Asketen wird Enthaltsamkeit in Bezug auf das Lachen zugewiesen. Für die Laien gibt es sogar kaum ernsthafte Bemühungen, den antiken Vorstellungen eine christliche Legitimation zuzuführen. Obwohl die Kirchenväter stark in der Vorstellung des irdischen Tränentals verhaftet sind, welches keinen Platz für das Lachen zulässt, wurden von ihnen wesentliche Differenzierungen vorgenommen. Die verschiedenen Diskurse, die verschiedenen Haltungen zum Lachen existieren gleichzeitig. Sie erlangen unmittelbar durch die Tra263 Verbaal verweist zurecht auf das Bestehen von „intense intertextual dialogue with ancient and contemporaneous writers“. Verbaal, Wim: Bernard's Smile and the conversion of laughter, 2017, S. 197. 264 Gejerus, ein Bibelkommentator des frühen 17. Jahrhunderts sollte festhalten, dass im Alten Testament Gott lachte, aber niemals weinte: Im Neuen Testament weinte er, aber lachte niemals. Gejerus, Psalm II, Vers 4, Sp. 491. Vgl. auch Screech, S. 43.

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Das Lachen im Altertum

ditionsfortsetzung innerhalb der Kirche Legitimität oder mittelbar, indem im Verlaufe der Zeit zunehmend pagane Autoren als legitime Grundlage anerkannt werden. Die hier angestrengte Betrachtung des Altertums dient jedoch nicht dem Nachweis einer ungebrochenen Traditionskette, sondern eher der Veranschaulichung, welches Material theoretisch vorlag. Es lässt sich anhand eines Blicks auf Vorläufer feststellen, in welchem Umfang und in welcher Art im Mittelalter auf Bestehendes zurückgegriffen wurde, um dadurch eigene Positionen und Darstellungsweisen zu legitimieren. 265 Die allgemeine Auseinandersetzung der Kirchenväter mit den antiken paganen Autoren eröffnet den mittelalterlichen Gelehrten die Möglichkeit, ebenfalls aus diesem Material zu schöpfen und es in ihre Denkgebäude einzuarbeiten. Anhand der speziellen Aussagen der Kirchenväter zum Lachen zeigt sich aber auch die Enge des vorgegebenen Rahmens für die Gelehrten des Mittelalters. Mitnichten soll aber die Vorstellung einer Lachfeindlichkeit des Mittelalters durch die vorgenommene Quellenauswahl in die Zeit des Frühen Christentums vorverlagert werden. 266

265 Die aufgezeigten Positionen sind keine exklusiv christlichen, wie Ammann für den mittelalterlichen Islam zeigt. Die Entsprechungen sind nicht allein auf „unmittelbare Abhängigkeit“ zurückzuführen, sondern können auch „als konvergente Entwicklungen aus ähnlichen Voraussetzungen“ aufgefasst werden. Ammann, Ludwig: Vorbild und Vernunft. Die Regelung von Lachen und Scherzen im mittelalterlichen Islam, 1993, S. 97. 266 Eine solche Aussage könnte hier nur aufgrund einer Auswahl an Belegmaterial erfolgen. Screech zeigt sehr anschaulich, wie das Verständnis von Lachen in der Antike und bei den Kirchenvätern sehr differenziert verstanden wurde und daher neben negativer ebenso sehr positive Bewertung erfuhr. Screech, insbesondere S. 49, 50, 70, 76.

3. „Er muoz gelîchesame die leiter abewerfen, sô er an ir ufgestigen“ 1 – Das Lachen im Mittelalter „You are contemplation laughing at accumulated knowledge. You laugh at the path, the traveler, and the journey.“ 2

3.1 Arten des Lachens

Die behandelten streng christlichen Vorlagen mit ihren asketischen und monastischen Zügen haben zu der Annahme geführt, dass diese auch uneingeschränkt im Mittelalter übernommen worden wären und das Lachen daher in religiösem und gesellschaftlichem Wertekanon keinen leichten Stand gehabt hätte. Wie bereits einleitend skizziert, perpetuiert sich nach wie vor die Vorstellung, das Lachen im Mittelalter wäre, wenn nicht verboten, so doch stark reglementiert worden. Demnach müssten sich entsprechende Vorbilder unter den Heiligen nden, die als nicht lachend oder ihr Lachen unterdrückend dargestellt werden. Es soll im Folgenden aber auch untersucht werden, ob neben dem Nicht-Lachen und Formen des unterdrückten Lachens weitere Arten des Lachens ihren Eingang in die Darstellungen in Heiligenviten und weitere schriftliche Zeugnissen fanden. 3 Dabei sollen die Arten des Lachens im weitesten Sinne als Lachhandlungen verstanden werden, die als „gerichtetes Tun“ sowohl „das Ausagieren (Lachen bzw. Mitlachen) als auch den bewussten Widerstand gegen den Anreiz zum Lachen (verweigertes Lachen bzw. Mitlachen)“ 4 beinhalten. Der Fokus soll dabei nicht auf einem wie auch immer gearteten Stimulus liegen, der Art, wie das Lachen hervorgerufen wird und dem Lachen als Antwort auf einen solchen Stimulus. 5 Dies ist den Quellen kaum zu entnehmen. Auch können viele Einordnungen seit den Anfängen der modernen Auseinandersetzung nicht als Vorlage dienen, 6 da sie vielfach bereits Wertungen enthalten: Das Lachen wurde aggressivem 1 Eco, S. 625. ¯ ¯, S. 186. 2 Rum 3 Weitere Faktoren wie Gegenstände, Orte, Zeiten und Funktionen werden im Kapitel zu den Motiven erörtert, Beteiligte, soziale Kontexte und der Vergleich mit anderen Akteuren erfolgt im Kapitel zu den Akteuren. 4 Keller, S. 35. Milner sieht auch diese Unterscheidung „that the urge to laugh is resisted or inhibited as often as it is indulged or stimulated.“ Milner, G[eorge] B[ertram]: Homo Ridens. Towards a Semiotic Theory of Humour and Laughter, 1972, S. 2. 5 Zijderveld, S. 31. 6 „Nicht das Lachen bzw. das Weinen selbst stand zur Diskussion, sondern sein Motiv“, Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung nach den Grenzen menschlichen Verhaltens, 1950, S. 15. Auf die verschiedenen Arten des Lachens hat mit Nachdruck aber Ni-

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und bösartigem Verhalten zugeschrieben und erst allmählich um andere Aspekte ergänzt, wie etwa um spielerischen Momenten Ausdruck zu verleihen. 7 Die Arten des Lachens werden demnach zwar ebenso auf körperlicher, mehr jedoch auf emotionaler wie auch auf mentaler Ebene unterschieden. 8 Neben psychologischen Zusammenhängen ist das Lachen erst nachgeordnet als konstituierendes Element sozialer Interaktion gedeutet worden. 9 Letzterem kann mit dem Verständnis von Lachen als Teil von Kommunikation noch am ehesten gefolgt werden. Wichtig ist dabei, dass keine Bewertung a priori erfolgt. Mit entsprechenden Kategorisierungen in verschiedene Arten des Lachens gehen häu g recht subjektive Bewertungen einher. 10

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les hingewiesen. Vgl. Niles, John D.: Byrhtnoth's Laughter and the Poetics of Gesture, 2000, S. 14. Zijderveld, S. 36. Grotjahn hingegen sieht Lachen positiv als Zeichen für „strength, freedom, health, beauty, youth, and happiness.“ Und erst in seiner unkontrollierten Art kann es ein Zeichen sein für „hysteria as well as a sign of intoxication or encephalitis or brain tumor. Inappropriate laughter is a signi cant sign of deterioration. It may herald the danger of an approaching psychosis.“ Grotjahn, Martin: Beyond Laughter. Humor and the Subconscious, 1957, S. 263 f. Wobei Grotjahn anmerkt, dass die Freude einer Person nicht an Länge und Stärke des Lachens gemessen werden kann. „The happiness of a person, of a period of time, or of a culture cannot be measured by the length and strength of laughter.“ Grotjahn, S. 255. Zijderveld, S. 31. Exemplarisch sei hier eine Liste von vier Gruppen genannt: „1. fröhlich, natürlich, herzlich, heiter, unbefangen, breit, unbändig, unbeschwert, befreit, ungezwungen, lustig, zufrieden, freudig, glücklich, überglücklich, selig; 2. freundlich, gutmütig, liebevoll, harmlos, überrascht, unverfänglich, befriedigt, humorvoll, p f g, diebisch, durchtrieben, keck, unbekümmert, verwegen, erfreut, erleichtert, befreit, gelöst, amüsiert, belustigt, behaglich, vergnügt, verständnisvoll, beifällig, anerkennend, höflich; 3. schüchtern, verlegen, ungläubig, unsicher, betreten, nervös, affektiert, krampfhaft, hohl, gezwungen, gequält, bitter, grimmig, dreckig, unanständig, obszön, vulgär, unnatürlich, albern, töricht, dümmlich, irr; 4. überlegen, triumphierend, hochmütig, spöttisch, höhnisch, verächtlich, kalt, gemein, schadenfroh, verschlagen, boshaft, giftig, grausam, gehässig, maliziös, hämisch, sarkastisch, sardonisch (d. h. hintergründig-unheilverkündend). Die beiden ersten Gruppen sind Ausdruck einer arglosen und fröhlichen, die beiden letzten einer leidigen und zum Verletzen aufgelegten Gemütsstimmung.“, Reiser, Marius: Von allen Lebewesen lacht nur der Mensch – die griechisch-römische Lachkultur, 2012, S. 16. Ähnlich ohne methodische Begründung unterteilt Reiser das Lachen im Alten Testament. Vgl. Reiser, Marius: Das Lachen in der Bibel und die christliche Lachkultur, 2012, S. 28. Auch Blaicher nimmt eine Unterscheidung vor, jedoch hinsichtlich der Wirkung auf heutige Zeitgenossen: „[. . . ] so sind wir zwar in der Lage solches Lachen zu verstehen, aber wir können es nicht mitvollziehen“ und „Die das Lachen hervorrufende Wortsituation wirkt in ihrer Struktur auf uns genau so wie auf den mittelalterlichen Zuhörer.“ Blaicher, S. 517 f. Schweizer hält die Verurteilung bestimmter Arten des Lachens als negativ nicht nur für kurzsichtig, sondern auch naiv. Vgl. Schweizer, Bernard: The heresy of humor. Theological responses to laughter, 2017, S. 138 f.

Arten des Lachens

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Aus den Quellenbelegen ist bezüglich des Lachens vielfach von Mäßigung zu lesen, die auf unterschiedliche Weise erreicht werden kann. Daneben gibt es weitere Formen des Lachens ohne derartige Beschränkungen. Die vielfach vertretene These eines positiv bewerteten geistigen Lachens und eines negativ beurteilten körperlichen Lachens erfordert eine eingehende Analyse vom Ausmaß des Lachens in Körper und Geist beziehungsweise des Verhältnisses von Lachen zu Körper und Geist. Zum Beispiel gelten Lachende im Unterschied zu Weinenden als „more objective and personally less involved in their laughter“. Aber selbst „the most affectionate, humorous, profoundly sensitive laughter has a touch of the super cial.“ 11 Damit verknüpft ist auch die Frage, welchen Ein uss 12 nach mittelalterlicher Vorstellung der jeweilige Akteur auf diese körperliche Äußerung nehmen kann. In die Betrachtung der Arten des Lachens spielt auch die Verknüpfung von Lachen und Weinen als Gegensätze hinein, aber auch als Äußerungen mit gemeinsamen Qualitäten. Die Frage ist dabei, ob dem Weinen ein positiver Wert zugeschrieben wird, und daraus unweigerlich eine Abwertung des Lachens folgt. Weiter gehört zu den Arten des Lachens ausgehend vom lateinischen Begriffsfeld auch das Verlachen und die Frage, ob ihm durchweg eine negative Konnotation beigemessen wird oder ob es ambivalent verstanden wurde. Auffälligerweise ist das Lachen im Mittelalter weniger in moderne Kategorien des Mitlachens oder des Lachens über eine Person, 13 sprich des Auslachens eingeteilt, sondern in Abstufungen, wie wenig 11 Zijderveld, S. 29. 12 Grotjahn verweist in Bezug auf die Beherrschbarkeit des Lachens darauf, dass „the child does not begin to laugh until it has mastered or almost mastered the movements of the body.“ Grotjahn, S. 259. Für Plessner haben das Lachen und Weinen eruptiven Charakter, sind „unbeherrschte und ungeformte Eruptionen des gleichsam verselbständigten Körpers“, Plessner, S. 30 u. 40. Bei Morreall ist im Zusammenhang mit der Entwicklung des Lachens von kleineren Kindern zu größeren und Erwachsenen durchaus die Rede davon, dass das Lachen „is no longer merely an involuntary response to a stimulus. Now it is also a piece of learned behavior, at least partially under the person's control“. Daraus resultiert bei Morreall jedoch keine Unterscheidung in verschiedene Arten des Lachens. Morreall, John: Taking laughter seriously, 1983, S. 52. 13 Vgl. Döring, Tobias: Freud about Laughter – Laughter about Freud, 2002, S. 128. Wie Döring herausarbeitet, hat Freud diese auch von ihm benutzten Kategorien 1928 um die des über sich selbst Lachens ergänzt. Bislang fehlen umfassende Untersuchungen zum Lachen jenseits sozialer Interaktion wie etwa für sich selbst lachen, vor sich hin lachen. So stellt Fichte ein Fehlen von „Lachen über sich selbst oder ein gemeinsames Lachen“ – „man lacht zumeist über jemanden, selten mit jemanden [sic!] und noch seltener aus Freude“ – in der mittelenglischen hö schen Romanze fest, vgl. Fichte, Joerg O.: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, 1996, S. 99. Seabourne hingegen hat zumindest „self-mocking“ in gerichtlichen Jahrbüchern gefunden. Vgl. Seabourne, Gwen: ‚Et subridet etc.` Smiles, laughter and levity in the medieval Year Books, 2018, S. 205. Wiltenburg hat neben Prozessdokumenten auch Ego-Dokumente des 16. und 17. Jahrhunderts untersucht: Gegen Lachen im Zusammenhang mit Ehrverletzung wurde zum Teil versucht gerichtlich vorzugehen, womit sich besonders das Verlachen als machtvolles Druckmittel erweist.

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oder wie stark sich das Lachen äußert. 14 Zudem gilt es, das Lachen im Kontext von körperlichen oder verbalen Äußerungen in den Blick zu nehmen, die in den Quellen häu g zusammen mit einer Lachhandlung genannt werden. Es geht dabei um die Klärung verschiedener Fragen, ob das Lachen eine Begleiterscheinung von bestimmten Äußerungen ist, eine Metapher für diese und ob das Lachen jeweils dieselbe Wertung erfährt wie eben diese anderen Äußerungen. Als Begleiterscheinung richtet sich etwaige Kritik womöglich gegen etwas Anderes als das Lachen selbst, Gleiches kann für das Lachen als Metapher gelten. Daher widmen sich die folgenden Abschnitte der Frage, welche Abgrenzungen vorgenommen werden, und wie das Lachen in seiner Art und Weise im Abgleich mit Zeugnissen aus anderen Quellengattungen beschrieben wird. 15 Die Frage nach den Arten des Lachens ist mit dem Körper des Menschen verknüpft: Welche unterschiedlichen Arten von Lachen kann dieser hervorbringen? Das „Wie“ zeigt sich zunächst lediglich im Körper, alle anderen Formen des Lachens, wie etwa die des Geistes, bedürfen einer Verbalisierung: Formulierungen wie „Lachen des Geistes“ oder „geistige Freude“ legen hiervon Zeugnis ab. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf den etwaigen kodi zierten körperlichen Ausdruck wie zum Beispiel die Redewendung „Lachen im Gesicht“ und eine entsprechende Dechiffrierung des Codes, die jedoch selten in Form einer Erläuterung geliefert wird. Plessners Unterscheidung der Essenz der conditio humana in das Haben eines Körpers und das Sein eines Körpers 16 bietet einen äußerst interessanten Ansatzpunkt für den Vergleich mit den mittelalterlichen Vorstellungen zum Lachen. Das Lachen kann ferner auch als Teil des Habitus der Akteure verstanden werden, wodurch sich weitere Erkenntnisse über

In Ego-Dokumenten dienen Berichte der Selbstdarstellung des eigenen Witzes, auch im Sinne von Schlagfertigkeit. Lachen und Witz konnte auch dazu dienen, Situationen neu zu gestalten oder zu rede nieren und besonders Geschlechterrollen zu verhandeln. Vgl. Wiltenburg, Joy: Soundings of laughter in Early Modern England. Women, men, and everyday uses of humor, 2016, S. 23, 28, 31, 36 f, 41. 14 Kremers Untersuchung zeigt für die alt- und mittelhochdeutsche Sprache eine größere Anzahl unterschiedlicher Begriffe für das Lachen als die für die vorliegende Analyse verwendeten lateinischen Quellen. Kremer kommt zu dem Ergebnis, dass nähere Bestimmungen Auskunft über Grad und Dauer geben, sehr viel häu ger aber über Art und Weise des Lachens. Zu den Arten des Lachens und für die näheren Bestimmungen vgl. Kremer, Karl Richard: Das Lachen in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters, 1961, S. 28–34 und 45. 15 Der Befund der verschiedenen Arten des Lachens in den Texten wäre mit der chronologischen Einteilung durch Le Goff abzugleichen, einer ersten Phase einer ablehnenden Haltung aus monastischem Bereich gegenüber dem Lachen, einer zweite Phase der Unterscheidung in zwei Arten des Lachens und schließlich einer letzte Phase einer Kasuistik des Lachens, die unter anderem festlegt, wie gelacht werden darf. 16 Vgl. Plessner, S. 45. In Bezug auf das Lachen formuliert auch Milner „[. . . ] we do not laugh, but ‚something laughs in us`“, Milner, S. 27.

Arten des Lachens

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die Arten des Lachens mittels einer Einordnung in ein komplexeres Bild der Leiblichkeit, der Stimmigkeit im Gesamthabitus ergeben.

3.1.1 Nicht-Lachen

Mitnichten soll behauptet werden, dass das Ideal des Nicht-Lachens im Mittelalter unbekannt war. Die Analyse der Heiligenviten zeigt jedoch recht deutlich, dass sofern Heilige überhaupt als nicht-lachend dargestellt werden, dies verbunden ist mit der Darstellung ihrer Kindheit oder Jugendzeit. Der Ausgestaltung dieses Topos dienen unterschiedliche Modelle: So kann die von Anbeginn vorhandene Tugendhaftigkeit des Heiligen veranschaulicht oder eine Veränderung im Lebenswandel thematisiert werden. In jedem Fall geht es den Verfassern darum, einen Kontrast herauszuarbeiten. In der im 10. Jahrhundert verfassten Vita von Lucas Iunior Thaumaturgus wird das außergewöhnliche Verhalten des Heiligen betont, welcher sich bereits als Junge am Heiligkeitsideal orientierte und kein kindliches Gebaren zeigte: Während andere Jungen sich an allerlei Zeitvertreib, Lachen, Spielen und ausgelassener Bewegung erfreuen, ist Lucas hingegen still, ruhig und ernst und zieht die Gesellschaft von Älteren, Reiferen vor. 17 Jungenhaftigkeit ist Reife gegenübergestellt, dem Lachen, Spielen und der ausgelassenen Bewegung die Stille, Ruhe und Ernst. In einem anderen Abschnitt der Vita, der Bezug auf seine späteren Lebensphasen nimmt, wird beschrieben, wie Lucas trotz seiner umfassenden Askese niemals mit einem traurigen oder missgestimmten Gesicht gesehen wurde, sondern im Gegenteil fröhlich, lætus, und heiter, hilaris. 18 Dieser Topos des Maßhaltens zu einem späteren Zeitpunkt im Leben des Heiligen verdeutlicht, dass die Darstellung des Nicht-Lachens keinen Absolutheitsanspruch in sich birgt, sondern eindeutig im Kontext der im Hinblick auf das junge Alter außerordentlichen Tugendhaftigkeit steht und keineswegs auf das gesamte Leben zu übertragen und als radikale Gegenposition zum Lachen zu verstehen ist. Bemerkenswert in dem Zusammenhang der Viten ist, dass anderweitige Darstellungen 19 unter anderem des Jesuskindes, welches sich kindlich benimmt und gerne spielt und dabei fröhlich ist, 20 zu 17 „Pueris namque ludibria, risus, lusus, motus incompositi, quam maxime animo sunt atque delectant; Lucæ autem nihil eiusmodi, sed quies, tranquilitas animi, morum gravitas, quodque annos senio maturiores undique præferret.“ AS, Feb. II, Dies 7, S. Lucas Iunior Thaumaturgus, Soterii in Graecia, Auctore monacho anonymo, eius discipulo, pag. 85, col. A, 6. 18 AS, Feb. II, Dies 7, S. Lucas Iunior Thaumaturgus, Soterii in Graecia, Auctore monacho anonymo, eius discipulo, pag. 88, col. A, 22. 19 Hier könnte auch Paulus genannt werden, der in 1. Kor 13,11 über sich selbst sagt: „Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.“ 20 „[. . . ] Crist, while he was child, childly and myryli pleyde hym among oþer children at Nazareth“, Ayto, John / Barratt, Alexandra: Aelred of Rievaulx's De institutione inclusarum,

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diesem Zwecke auch die Gemeinschaft der Gleichaltrigen sucht und sich neue Spiele ausdenkt, 21 den Heiligendarstellungen hier kein Vorbild zu sein scheint. Die Heiligen erweisen sich nicht im Spiel und im Umgang mit Gleichaltrigen als herausragend, sondern in der Abwendung davon und der Hinwendung zu ernsten Formen der Frömmigkeit. 22 Darin orientiert sich die Darstellung eher an dem Bild des zwölfjährigen Jesus im Tempel aus Lk 2,41–52. Die Darstellung des Nicht-Lachens der Heiligen in ihrer Kindheit erhält besonders Kontur gegenüber der Darstellung von Gleichaltrigen: „Overcoming a propensity to misbehaviour marked these children as holy. Further, these writers indicate a clear understanding of children's natural tendency to willfulness and playfulness.“ 23 An dieser Stelle kann nur knapp auf die zunehmende Forschung zu Kindheit im Mittelalter verwiesen werden. Die These, Kinder wären im Mittelalter als junge Erwachsene angesehen und die Kindheit bis zur Moderne nicht entdeckt worden, hält sich trotz vielfacher Gegendarstellungen, die aber allmählich zu einem Umdenken führen. 24 Ebenso haben besonders monastische Normen der Erziehung dazu verleitet, die darin enthaltene Strenge als maßgeblich für alle Schichten anzunehmen. 25 Beide Annahmen wurden mehr als differenziert, 26 nicht zuletzt ergeben sie vor dem Hintergrund der

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1984, 41, II. 637–61. Dies ist eine Interpretation der Textstelle von Aelred de Rievaulx, der in „De institutione inclusarum“ zum Thema der Kontemplation der Kindheit Christi sagt: „Præterea nihilne tibi suavitatis æstimas accessurum, si cum apud Nazareth puerum inter pueros contemplaris?“ Aelred de Rievaulx: Regula sive Institutio inclusarum, cap. XLIX, pag. 1466 (siehe auch: De institutione inclusarum / Hoste; Talbot: Opera omnia Corp. Christ. Contin. Mediev. 1, Turnhout, 1971, S. 664). Zur Ausgestaltung des Motivs des spielenden Jesus in volkssprachlicher Form, in welcher Jesus sogar als auf Josephs körperliche Bestrafung hin lachend dargestellt wird, vgl. Dzon, Mary: Joseph and the Amazing Christ-Child of LateMedieval Legend, 2005, S. 147. Vgl. Classen, Albrecht: Childhood in the Middle Ages and the Renaissance. The Results of a Paradigm Shift in the History of Mentality, 2005, S. 35. Zudem wird das Jesuskind in der Kunst auch dargestellt, wie es von Maria gekitzelt wird, was neben der intimen Beziehung zur Mutter auch auf ein Lachen im Umgang mit ihr verweist. Ders., S. 34. Eine Darstellung, die auch für die Heiligen anerkennt, dass sie christliche Inhalte und Praktiken erlernen müssen. Vgl. Garver, Valerie L.: The In uence of Monastic Ideals upon Carolingian Conceptions of Childhood, 2005, S. 72. Garver, S. 81. Vgl. Classen: Childhood in the Middle Ages and the Renaissance, S. 9, 23, 32, 40. Es kann aber von einem neuen Paradigma für das Thema der Kindheit im Mittelalter gesprochen werden. Vgl. Auslander, Diane Peters: Victims or Martyrs. Children, Anti-Judaism, and the Stress of Change in Medieval England, 2005, S. 107. Ders., S. 22. Wobei ein Ein uss auf die Darstellung von Kindern, die nicht eine klerikale Laufbahn einschlugen, zum Beispiel in der karolingischen Epoche, nicht zu leugnen ist. Vgl. Garver, S. 68. Besonders durch die Sichtung schriftlicher Quellen mit neuer Perspektive, aber auch durch archäologische Funde, die materielle Kultur zutage fördert, die auf die Wahrnehmung der

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genannten hagiographischen Quellen wenig Sinn. Die Besonderheit der Heiligen in ihrer Kindheit lässt sich nur anhand eines Gegenmodells herausstellen, welches jedoch für Leser oder Hörer plausibel erscheinen muss. Die Kinder, die im Umfeld der Heiligen dargestellt werden, repräsentieren lebensweltliche Erfahrungen, 27 nämlich dass ihr Zeitvertreib sich auf Spiel und Spaß erstreckt. 28 Paulus de Celano gestaltet im 13. Jahrhundert die Kindheitsdarstellung des Eremiten Placidus vor diesem Hintergrund. Jedoch arbeitet der Verfasser hier noch viel deutlicher den Unterschied zu Vorstellungen vom Zeitvertreib von Kindern allgemein aus: Als Junge ist Placidus reif, liebt die Armut statt des Genusses. Er singt ständig das Vaterunser und beteiligt sich niemals an Spielen oder anderer Kurzweil, sondern ist stattdessen ernst. Niemand habe ihn lachen und scherzen sehen, wie es kindlichem Benehmen entspräche, vielmehr gehorche er seinen Eltern und lasse in allem Demut erkennen. 29 Kinder wurden in einem ambivalenten Licht von Unschuld 30 und Sünde gesehen, „prone to sin and misbehaviour because of their play and lack of restraint“. 31 Die Kindheit der Heiligen erfüllt eine Vorbildfunktion. In anderen Textgattungen wird Eltern empfohlen, ihre Kinder Gebete und Psalmen zu lehren. 32 Die Kinderheiligen selbst

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Kindheit als eigenem Lebensabschnitt und dessen Akzeptanz und Förderung eigene Bekleidungsformen, Spielsachen, und geeignete Möbel und Haushaltsgegenstände bezeugen. Vgl. Classen: Childhood in the Middle Ages and the Renaissance, S. 38, Jambeck, Karen K.: The Tretiz of Walter of Bibbesworth. Cultivating the Vernacular, 2005, S. 162. So bemerkte Bartholomäus Anglicus, dass Kinder sowohl unvermittelt lachen wie auch weinen können. Vgl. Classen: Childhood in the Middle Ages and the Renaissance, S. 23. Erwachsene des Mittelalters nahmen durchaus wahr, dass Kinder ein für ihr Alter typisches Verhalten an den Tag legten, welches mit „childish zeal“, „youthful excess“ oder „childish playfulness“ umrissen werden kann. Vgl. Classen: Childhood in the Middle Ages and the Renaissance, S. 21. Dabei wurde dem Spiel für adelige Jungen die wichtige Funktion beigemessen, auf Jagd und Krieg vorzubereiten. Vgl. Garver, S. 76. Zusätzlich zu der Vorstellung von Kindheit als Vorbereitung auf das zukünftige Leben ging es auch darum, sich eine korrekte Sprache anzueignen, um der Belustigung durch andere Mitglieder höherer Gesellschaftsschichten vorzubeugen, vgl. Jambeck, S. 161, 163, 165 u. 168. „Eum ridentem & jocantem, ut mos est, nemo vidit [. . . ]“, AS, Jun. II, Dies 12, S. Placidus, Eremita prope Ocram, in Aquilana Aprutii dioecesi, pag. 610, col. B, 4. Die mittelalterliche Vorstellung der Unschuld und Reinheit von Kindern hängt unter anderem mit ihrer Jungfräulichkeit und Ehelosigkeit zusammen, aber auch mit der Überlegung, dass Kinder noch nicht so viele Sünden angesammelt haben und ihnen daher eher der Himmel offensteht. Vgl. Auslander, S. 124 und Classen: Childhood in the Middle Ages and the Renaissance, S. 2. Garver, S. 79. Die Frage von Schuld und Unschuld von Kindern wurde jedoch im Mittelalter durchaus diskutiert, vgl. u. a. Ruys, Juanita Feros: Peter Abelard's Carmen ad Astralabium and Medieval Parent-Child Didactic Texts. The Evidence for Parent-Child Relationships in the Middle Ages, 2005, S. 205. Vgl. Garver, S. 77. Zu didaktischen Texten von Eltern an Kinder, aus denen deutlich wird, dass den Eltern an der Zukunft ihrer Kinder gelegen war, „that this concern lay both with

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bedürfen jedoch keiner correctio durch Erzieher. Innerer Antrieb ihres Verhaltens ist nicht unabdingbarer Gehorsam, 33 sondern conversio als inneres Moment und göttliche Gnade. Darin besteht kein Unterschied zu Akteuren fortgeschrittenen Alters, da „the level of one's compunction demonstrated perfection, not age.“ 34 Das Motiv des NichtLachens in der Kindheit ndet sich auch in der Vita des Heiligen Guido, die frühestens im 11. Jahrhundert entstanden sein kann. Auch ihn zeichnet Demut, Studium und an Armut grenzende Bescheidenheit in seiner Kindheit aus, in dessen Gesicht ein Lachen weder bubenhaft, pueriliter, noch weibisch, muliebriter, hervorbrach. Täglich wusch er die Sünden mit Tränenströmen ab. 35 Hier erfolgt eine zweifache Abgrenzung: Guido ist nicht nur dem Bereich des Kindlichen enthoben, sondern auch des Weiblichen. Derart ist er zwar nicht frei von Zeitlichkeit und Geschlechtlichkeit, aber vorzeitig der Welt erwachsener Männer im Sinne eines senex puer zugewiesen. Streng genommen könnte man in diese Belegstelle hineininterpretieren, dass Guido auf zwei bestimmte Arten nicht lachte, die, wie sich später zeigen wird, Topoi des Lachens von Jungen und von Frauen darstellen. Eine Aussage, dass Guido überhaupt nicht lachte, liefert die Belegstelle nicht wortwörtlich. Es gibt folglich innerhalb der Darstellungsvariante nicht-lachender Heiliger in ihrer Kindheit bereits abgemilderte Formen, die zeigen, dass die Heiligen auf bestimmte Weisen nicht lachten. Dazu jedoch an späterer Stelle mehr. Der Topos des Nicht-Lachens steht nicht nur im Kontrast zum Verhalten Gleichaltriger, sondern kann zum Beispiel als Folge eines Bekehrungserlebnisses 36 auch eine Veränderung im Lebenswandel anzeigen. In sein Werk „Dialogi“ ließ Papst Gregor im 6. Jahrhundert einen kurzen hagiographischen Bericht 37 über die Heilige Musa ein ießen: Dem kleinen Mädchen erscheint in einer nächtlichen Vision die Gottesmutter mit heiligen Jungfrauen. Um eine von ihnen zu werden, bekommt sie den Auftrag, nichts leichtfertig und mädchenhaft zu tun, sich des Lachens und der Scherze zu ent-

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their children's success and safety in the temporal world and with their salvation in the world to come.“, vgl. Ruys, S. 206 f, insbesondere S. 208, S. 217 f zum Ideal eines weisen Schülers und zur Impulsivität der Jugend. Vgl. hierzu Garver, S. 78. Ders., S. 80. „Nunquam in ore ejus risus aut pueriliter effusus, aut muliebriter fractus. Peccata quotidiana [. . . ] tanto lacrymarum fonte abluere [. . . ]“ AS, Sep. IV, Dies 12, S. Guido conf., Anderlaci prope Bruxellas in Brabantia, Vita ex Manuscripto Anderlechtenis, Auctore anonymo, pag. 42, col. B, 5. Bereits in dem Werk „Liber de vita patrum“ von Gregor von Tours „[haben] alle sancti [. . . ] gemeinsam, dass sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens entschieden haben, sich ganz zum Herrn zu bekehren und in den Klerus einzutreten“, Heinzelmann, S. 135, dort auch mehr zum Zusammenhang von Kirchenverständnis und literarischer Produktion von Hagiographien im spätantiken und merowingischen Gallien. Papst Gregor liefert diesen Bericht im 4. Buch seiner „Dialogi“ (Kapitel 17), welches er wohl von 593 bis 594 n. Chr. verfasst hat.

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halten, bis die Jungfrau Maria nach Ablauf von dreißig Tagen das junge Kind zu sich holt. Nach diesem Bekehrungserlebnis werden alle Zeugen der Verwandlung von Musas Leichtfertigkeit zu Ernsthaftigkeit. 38 Da es sich um ein kleines Kind handelt, besteht hier ebenfalls der Gegensatz zum üblichen Verhalten Gleichaltriger. Hier erfolgt eine Gleichsetzung des Lachens und Scherzens mit Leichtfertigkeit und Mädchenhaftigkeit, also allgemeiner Untugenden und Unreife, die jedoch in der Vorstellungswelt des Verfassers dem jungen Alter geschuldet vermehrt auftreten und der Ernsthaftigkeit nach der Bekehrung gegenübergestellt sind. 39 Die Ende des 8. Jahrhunderts gestorbene Heilige Hiltrud, über die im 10., wahrscheinlicher aber im 11. Jahrhundert geschrieben wurde, habe keine leichtfertigen oder zum Lachen bewegenden Worte hervorgebracht und niemand soll sie selbst lachen gehört oder gesehen haben. Auch hier wird die Jugendlichkeit ihres Körpers der Reife des Geistes gegenübergestellt, weshalb die Heilige nach dem Gebet die Bibel studiert, schweigt, betet und meditiert. Als Grafentochter war sie vor einer Eheschließung mit einem Fürsten ge ohen und weihte sich – wie ihr Bruder – Gott als Reklusin. 40 In diesen beiden Fällen ist nicht die Darlegung einer stets vorhandenen, quasi lebenslänglichen Enthaltsamkeit bezüglich des Lachens beabsichtigt. Im Zentrum des Verfasserinteresses steht in unterschiedlich starker Ausprägung die Verdeutlichung einer Veränderung nach einem Bekehrungserlebnis beziehungsweise dem Beginn eines gottgeweihten Lebens. Während für Musa und Hiltrud keine expliziten Aussagen zum vorherigen Lebenswandel gemacht werden, ist von Bischof Cuthbert, dessen Vita Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert verfasste, gegenteiliges Verhalten aus seiner Jugend bekannt. Er soll sich in dieser Zeit den Spielen und Späßen hingegeben haben. Beda Venerabilis modelliert hier jedoch Cuthberts Leben nach dem biblischen Vorbild von Samuel, der lange Zeit von Gott keine Kenntnis hatte. 41 Auch die Heilige Maria Aegyptia änderte geläutert ihr Leben. Die im 11. Jahrhundert be38 „et a risu et jocis se abstineret“, „[. . . ] omnemque a se levitatem puellaris vitæ magna gravitatis detersit [. . . ]“ Kurze Zeit später stirbt sie an einem Fieber und wird in den Kreis der heiligen Jungfrauen aufgenommen. AS, Apr. I, Dies 2, S. Musa, Virgo Romana, Commentarius, pag. 94, col. C, 1. 39 In der volkssprachlichen Sammlung der Cantiga de Santa Maria wird Musa als „frivolous and ighty“ charakterisiert, bevor sie den Auftrag von der Gottesmutter erhält, Lachen und Spiel, ris' e jogo aufzugeben. Vgl. Scarborough, Connie L.: Laughter and the Comedic in a Religious Text. The Example of the Cantigas de Santa Maria, 2010, S. 291. 40 „Nullus eam levia verba aut risum moventia proferentem; nullus faciem suam ridendo effundentem aut audivit, aut vidit.“, AS, Sep. VII, Dies 27, S. Hiltrudis virgo, Laetiis in Hannonia, cap. VII, pag. 494, col. D, 10. 41 „Siquidem usque ad octavum ætatis annum, qui post infantiam pueritiæ primus est, solis parvulorum ludis et lasciviæ mentem dare notaverat: ita ut illud B. Samuelis tunc de ipso posset testimonium dici: Porro Cuthbertus necdum sciebat Dominum neque revelatus fuerat ei sermo Domini. Quod in præconium laudis dictum est pueritiæ illius, qui ætate major, perfecte jam cogniturus erat Dominum, ac sermonem Domini revelata cordis aure percepturus. Oblectabatur ergo, ut diximus, jocis et vagitibus, et juxta quod ætatis ordo poscebat, parvulorum

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gonnene Vita stellt den Scherzen die Hymnen gegenüber und das ausdrücklich laute Gelächter, cachinnus, der Trauer. 42 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Unterlassen des Lachens deutlich einen erfolgten Einschnitt im Leben der Heiligen markiert und in diesem sehr punktuellen Zusammenhang zu dessen Veranschaulichung dient, aber wie auch bei den Kindheitsbeispielen keine Allgemeingültigkeit beansprucht. Diese Belege liefern ein recht homogenes Bild von nicht-lachenden Heiligen. Als Vergleichspunkt dient das Thema des Scherzens in den Viten, um anhand von möglichen Analogien und Abgrenzungen die als problematisch angesehenen Verhaltensweisen einzukreisen. Ebenso wie bei der Darstellung der Tugend, nicht zu lachen, wird bei dem Thema des Scherzens die Kindheit eines Heiligen zur besonderen Betonung der Tugendhaftigkeit herangezogen. 43 Vielfach wird der Gegensatz von Kurzweil und Studium, Profanem und Sakralem herausgestellt. Lachen und Scherzen ist demnach der Kindheit und Jugend zugeordnet mit allen Begleiterscheinungen 44 im Gebaren von Heranwachsenden, das Nicht-Lachen steht somit für einen religiösen Reifungsprozess. Soweit scheint es also keinen Unterschied bezüglich der Darstellung von Lachen und Scherzen zu geben. Während aber in den hier behandelten Beispielen der Enthaltsamkeit gegenüber dem Lachen das Modell der Differenzierung gegenüber Gleichaltrigen oder das Motiv des Lebenswandels greift, gibt es einen Beleg für das Thema des Scherzens, bei welchem sich dieses Muster nicht anlegen lässt. In der Vita des Abtes Ioannes conventiculis interesse cupiebat, ludentibus colludere desiderabat.“, AS, Mar. III, Dies 20, S. Cuthbertus Episcopus Lindisfarnensis in Anglia, pag. 99, col A, 4. 42 „[. . . ] Suppleo præteritæ scelus et dispendia vitæ, Muto jocis hymnos, purgo mœrore cachinnos, Pœna voluptatem redimit, sitis ebrietatem, Paupertas luxum, labor otia, glarea mulsum, Crux mollem stratum, devotio sancta reatum.“, AS, Apr. I, Dies 2, S. Maria Aegyptia poenitens, in Palaestina, pag. 88, col. A, 34. 43 Hierzu zwei kurze Beispiele: Während sich ihre Altersgenossinnen die Zeit mit Späßen und Spielen vertreiben, liebt die Heilige Coletta, Tochter eines Zimmermanns, die Einsamkeit, ieht die Gesellschaft Gleichaltriger und gibt sich stattdessen ihren Studien hin. Ihre Worte und Taten sind frei von Eitelkeit und Leichtfertigkeit. „Requisita frequenter a puellis coævis ut jocis, ludis, tripudiis, aliisque ejus ætatis oblectamentis interesse vellet, non modo non acquievit numquam; sed etiam quotiescumque earum præsentiebat adventu, abdebat ipsa studiosius sese, donec recessisse eas cognovisset.“ So ist es in ihrer Vita des 15. Jahrhunderts zu lesen. AS, Mar. I, Dies 6, B. Coletta Reformatrix Ordinis S. Clarae Gandaui in Belgio, pag. 601, col. F, 2. Dasselbe Motiv des Studiums statt dem üblichen Zeitvertreib der Jugend ndet sich in der ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert stammenden Vita des Petrus Hieremias, welcher aus vornehmem Geschlecht stammte. Von seinen ersten Lebensjahren an fromm, verbrachte er seine Zeit nicht mit Spielen und Scherzen, sondern mit Grammatik und Dialektik. „Pietatem a primis annis coluit: pueritiæ tempus non in ludis jocisque, sed in Grammaticæ, ac Dialecticæ studiis transmisit.“, AS, Mar. I, Dies 3, B. Petrus Hieremias, Ordinis Praedicatorum Panormi in Sicilia, pag. 294, col. F, 1. 44 Explizit aufgeführt werden Spiel, Ausgelassenheit und Genuss, sowie implizit Unreife, Ungehorsam, Geselligkeit, Eitelkeit und Leichtfertigkeit.

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aus dem 6. Jahrhundert, mit Einschüben aus dem 7. Jahrhundert, wird dieser als jemand beschrieben, der unter anderem das Scherzen abgelegt hat. Diese Bemerkung steht im Kontext der Entsagung von eischlichen Gelüsten und unzüchtigen Äußerungen. 45 Anders als in den anderen oben beschriebenen Fällen ist dies keine Schilderung über sein Verhalten im Kontext seiner Jugend oder eines Bekehrungserlebnisses. Es handelt sich um eine ganz allgemeine Aussage, die darauf hindeutet, dass Scherze als unangemessen erachtet werden. Vom Lachen ist hier jedoch keinesfalls die Rede. Insgesamt haben die Analysen der Viten kein entsprechendes Beispiel zutage gefördert, in welchem die Heiligen unabhängig von Kindheits- oder Bekehrungserzählung so dargestellt werden, dass sie sich des Lachens generell enthielten. Wie verhält es sich mit dem Ideal des Nicht-Lachens in anderen geistlichen Quellen? Die Darstellung des nicht-lachenden Akteurs ndet sich auch in anderen Textgattungen wieder. In einigen theologischen Schriften wird auf eine Leerstelle des Neuen Testaments verwiesen und der Lehrsatz formuliert, Christus habe nicht gelacht. Eine fehlende Aussage diesbezüglich wurde als Beweis verstanden, dass sich schlichtweg nichts Derartiges ereignet habe. Erhärtet wurde dieser Tatbestand in den Augen der Schriftgelehrten durch die vorhandene Beschreibung des Weinens Christi. Die Zeitgenossen Burchard von Worms und Egbert von Lüttich haben beide auf das NichtLachen Christi verwiesen, wobei der Weltgeistliche Egbert dies einerseits mit der Frage nach der risibilitas, des Lachens als einer dem Menschen eigentümlichen Fähigkeit, verknüpfte 46 und andererseits mit dem Stichwort des Weisen, der vor dem Lachen warne. 47 Bernhard von Clairvaux gibt die Tradition 48 des nicht-lachenden Christus ebenso weiter wie Petrus Cantor. Anhand des Lentulusbriefs, Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts im monastischen Kontext entstanden 49 und im 15. Jahrhun45 „Illecebras vicit corporeas, jocos, obscœnaque dicta vitavit [. . . ]“, AS, Jan. III, Dies 28, S. Ioannes, Abbas Reomaensis in Gallia, pag. 860, 19. 46 „Fusteus aut raro canis aut numquam bene ridet“, eine ungewöhnliche Formulierung, die den Hund als selten oder niemals recht lachend beschreibt. Egbert von Lüttich, S. 79, 359. Ungeklärt ist die Verwendung des Begriffs fusteus. Der Hund ist mangels Mienenspiel wie aus Holz. Warum aber das Lachen mit raro und bene eingeschränkt wird, bleibt unklar. Egbert von Lüttich, S. 79, 359, sowie Voigt in der Anmerkung dazu. 47 „Non dominum risisse legis, quod euerit, audis: Vir sapiens ait errorem conducere risu“, Egbert von Lüttich, S. 155, 935 f. 48 Bernhard 〈de Clairvaux〉: Liber de modo bene vivendi, LXV, 1296A; ebenso in Bernhard 〈de Clairvaux〉: De adventu Domini, sermo IV, 50B. 49 Bei Le Goff wird der Anschein erweckt, es handle sich hierbei tatsächlich um eine apokryphe Schrift, die über die Kirchenväter und das griechische Mönchtum, über Chrysostomos und Basilius in das lateinische Christentum durch die Übersetzung von Ru n eingegangen ist und von Petrus Cantor in sein „Verbum abbreviatum“ und den Scholastikern der Pariser Universität aufgenommen wurde. Vgl. Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 93. Unter anderem auch Curtius (S. 422, Anm. 7) befürwortet „eine frühere Datierung, als sie von E. v. Dobschütz festgelegt wurde.“ Suchomski, S. 258 Anm. 26.

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dert weit verbreitet, wird ein Bedarf der Kirchenmänner auch in Bezug auf das Lachen deutlich. Der Brief ist ein ngierter Bericht eines Amtsvorgängers von Pilatus über Jesus von Nazareth. 50 Darin wird der Mangel an Aussagen über die äußere Erscheinung Christi korrigiert. Explizit wird das Weinen Christi beschrieben wie auch angemerkt, dass er nicht gelacht habe. 51 Christus kennzeichnet eine Würde und Ernst bewahrende Heiterkeit, die gegen das Lachen ausgespielt wird. Diese Fälschung zeigt, dass nicht nur das allgemeine Auftreten Christi näher geschildert werden sollte, sondern auch ein positiver Beweis des gänzlichen Ausbleibens seines Lachens gewünscht wurde. 52 Es gibt demnach eine Fortschreibung der Vorstellung des nicht-lachenden Christus durch das gesamte Mittelalter hindurch. 53 Die obigen Beispiele für nicht-lachende Heilige orientieren sich expressis verbis bemerkenswerterweise nicht im Sinne einer Imitatio, einer Nachahmung an dem Ideal Christi. Das Nicht-Lachen ist vielmehr eine Eigenschaft, die die Heiligen in ihrer Kindheit von anderen unterscheidet beziehungsweise nach einem Bekehrungserlebnis von ihrer eigenen suggerierten vorherigen Lebensweise. Christus ist in Bezug auf das Lachen erstaunlicherweise nicht das Vorbild, auf welches hin das Leben der Heiligen modelliert wird. Die in den Lehrbüchern wieder50 Vgl. Resnick, S. 96, auch Anm. 35; Aufhauser, Johannes B.: Antike Jesus-Zeugnisse, 1913, S. 3 u. 37; Dobschütz, Ernst von: Christusbilder. Untersuchungen zur christlichen Legendenbildung, 1899, S. 325**–330**. 51 Vgl. Suchomski, S. 12. 52 „Das Christusbild, dem wir im ‚Lentulusbrief` begegnen, schlägt sich sogar in der Dichtung nieder. Wernher der Schweizer beschreibt in seinem ‚Marienleben` Christus, wie er an Weisheit und Tugend zunimmt. Dabei betont er – gemäß dem NT und der Tradition –, daß man Christus nie lachen sah, spricht ihm jedoch Freundlichkeit und Fröhlichkeit als Tugenden zu. Vom Mund Christi sagt der Dichter: Ob huoneges suessi was sin munt, Friuntlich, guetlich allestunt, Als sam er welte lachen Lieplich ze allen sachen (v. 5979–5882). Das Verbum ‚lachen` wird deutlich durch ein ‚als sam` eingeschränkt. Es dient hier lediglich dazu, der menschlichen Vorstellungskraft das Abstraktum ‚hilaritas` zugänglich zu machen. Wenn auch theologisches Beiwerk fehlt oder durch die Erzählfreude verschleiert ist, so haben die Worte Wernhers [. . . ] dies eine gemein, daß sie zwei einander ausschließende Ausdrucksweisen der Freude postulieren.“ Suchomski, S. 17 Suchomski macht ferner auf die Passage aufmerksam, „in der Wernher die Sitten Marias lobt. Dort heißt es (v. 1093): ‚vil selten man si lachen sach`; wenn es vorgekommen sei, dann nur einer anderen ‚ze liebe` (v. 1095), die ‚gouter sache lachet` (v. 1096). Gegenstand des Lachens ist also etwas Gutes, die Intention (Leutseligkeit; affabilitas) ist gut und auch die Form des Lachens ist gemäßigt (v. 1097 ff.) und wird auf einen fröhlichen Gesichtsausdruck reduziert. Dagegen darf nicht unerwähnt bleiben, dass derselbe Autor in demselben Werk die himmlischen Freuden als Gesang, Musik und Tanz schildert und sich in diesem Zusammenhang nicht scheut zu sagen, ‚das ir got selber lachet` (v. 1429).“ Suchomski, Anm. 43ª, S. 259. 53 Laut Verberckmoes verschwindet das Argument des nicht-lachenden Christus aus der theologischen und philosophischen Debatte im Verlaufe des 17. Jahrhunderts. Ebenfalls bis in die Zeit des 16., 17. und 18. Jahrhunderts verortet er „the christian distrust of laughter“, wie auch „the transfer of Latin knowledge“ in Bezug auf Maßgaben zum Humor. Verberckmoes, S. 3.

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holte Aussage, Christus habe nicht gelacht, hat demnach keinen nachweislichen Effekt auf die Abfassung der Heiligenviten. Umgekehrt zeigen sich die Vitenverfasser, die den Topos des nicht-lachenden Heiligen favorisieren, anscheinend unbeeindruckt von der Darstellung eines lachenden Christus in den Apokryphen oder in der darstellenden Kunst. In kirchenrechtlichen Bestimmungen lässt sich kein Lachverbot nden. Insbesondere nach der Lektüre der Aufsätze von Le Goff erwartet man in Ordensregeln zumindest strengere Verordnungen für die Mönche aufgrund der stärkeren Reglementierung zur asketischen Lebensweise. In den ersten drei Jahrhunderten der Entstehung des Mönchtums hat es um die 30 „Regeln“ gegeben, von denen der Großteil trotz unterschiedlicher Strömungen und Traditionen das Lachen thematisiert. Der Gegenstand des Lachens bleibt nicht nur von der anhaltenden Diskussion um das Gewicht von Gebet und Handarbeit unbeein usst, sondern auch vom Übergang des Eremitentums in individuellen „cellae“ zu einer monastischen Gemeinschaft. Doch ein einheitliches Bild ergibt sich auch hier nicht. Vielmehr differenzieren die meisten Vorschriften bei den angesprochenen Personen, der Art des Lachens, den Begründungen, den Kontexten und Konsequenzen. Diese inhaltlichen Nuancen lassen sich jedoch in keine chronologische Abfolge einer Entwicklung von einem strengeren Ideal hin zu einem kasuistischen Umgang bringen. 54 Le Goff subsumiert alle von ihm aufgeführten Ordensregeln unter einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Lachen. 55 Jedoch halten nach eingehender Prüfung nur wenige Formulierungen einem derartigen Votum stand, so dass von einer rigorosen Haltung gegenüber dem Lachen nur bei der Vier-Väter-Regel und bei einer von Leander von Sevilla verfassten Schrift die Rede sein kann. 56 Die erstgenannte „Regula SS. 54 Einteilen lassen sich diese Entwicklungen in die Anfänge, welche durch die „Regula Pachomios brevis“ und die „Regula orientalis“ markiert sind, es folgt die Zeit des augustinischen, des lérinischen und benediktinischen Mönchtums, welche zu verschiedenen Regeln angeregt haben. 55 Zu derselben Einschätzung gelangt Richert, der die „Kleine Geistesgeschichte des Lachens“ verfasst hat. Darin spannt er einen Bogen von der Antike bis zur Neuzeit, wobei er für das Mittelalter von dem „kultur-prägenden Lachverbot des Mönchtums“ spricht. „Infolgedessen ist das Lachen beinahe insgesamt in gebildeten Kreisen des Mittelalters in Misskredit geraten.“ Seine Aussage, „[. . . ] weder mit dem Alten noch mit dem Neuen Testament an sich ist das Mönchtum mit seiner Lachkritik begründbar“ hat Richert nicht dazu geführt, seine Behauptungen der Verurteilung des Lachens durch das Mönchtum zu revidieren. Entsprechende Textpassagen bei Basilius oder auch bei Benedikt interpretiert er daher auch hierhingehend, auch wenn zum Beispiel wie im Folgenden gezeigt, gar nicht explizit das Lachen, sondern die lachenerregende Rede genannt wird. Richert, Friedemann: Kleine Geistesgeschichte des Lachens, 2009, S. 12, 82, 90 f, 99, 104. Gleiche Ungenauigkeit in der Interpretation ndet sich bei Wilhelmy, S. 41. 56 Die Vier-Väter-Regel stammt aus dem Kloster Lérins im Süden Galliens und orientiert sich am Denken von Johannes Cassian, wie auch die weiter unten erörterte Magisterregel. Leander von Sevilla im westgotischen Spanien ist in seiner Schrift von der Benediktsregel und auch von

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Patrum Serapionis, Macharii, Pafnutii et alterius Macharii“ 57, kurz Vier-Väter-Regel, stammt aus dem frühen 5. Jahrhundert. Sie sieht die Bestrafung jedes mönchischen Lachens mit der agello humilitatis, eine Züchtigung zur Demut, für die Dauer von zwei Wochen vor. Dies betraf jeden, der erwischt wurde beim Lachen, aber auch bei Possenreißerei, die in Analogie zu dem Brief von Apostel Paulus an die Epheser (5,4) nun an die Mönche gerichtet „[. . . ] euch nicht anstehen“. 58 Der Zusammenhang zu unschicklicher und närrischer Rede ist mit diesem Bibelzitat zweifellos hergestellt. Da es bei der Schrift von Leander von Sevilla strittig ist, ob es sich um eine Nonnenregel handelt, 59 ist die Vier-Väter-Regel die einzig verbleibende Klosterregel, die ein strengeres Ideal zu verfolgen scheint. Letzte Vergleiche dieser Belegstellen zum Ideal des Nicht-Lachens mit anderen nicht geistlichen Textgattungen gelten neben den Forschungsergebnissen Kremers der von Thegan verfassten Königsbiographie Ludwigs des Frommen. Thegan nimmt in seine Beschreibung von Ludwig auch explizit das Thema des Lachens mit auf. Mit dem Werk, welches noch zu Lebzeiten des Regenten kurz nach der Regierungskrise entstand, 60 reagiert Thegan direkt auf Einhards neuen Entwurf der Herrscherdarstellung. 61 Indem er bei seiner Beschreibung streng klösterliche Ideale anwendet, bricht

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der Magisterregel beein usst. Er erklärt das Lachen zur Sünde, weshalb es wie ein Vergehen zu iehen sei. Dieser Quellenbeleg wird im Abschnitt „Lachen und Weinen“ noch eingehender thematisiert. Diese Klosterordnung wurde vermutlich im Kloster von Lérins gegen 400 bis 410 verfasst. „Si vero aliquis deprehensus fuerint in risu, vel in scurrilitate sermonis, sicut ait Apostolum, quæ ad rem non pertinent (Ephes. v), jubemus hujusmodi duarum hebdomadarum spatio in nomine Domini omni agello humilitatis coerceri [. . . ]“, Regula Sanctorum Serapionis, Macarii, Paphnutii et alterius Macarii, cap. XV, S. 440C. Prelog spricht davon, dass Leander „für seine Schwester eine Schrift ‚De institutione virginum et contemtu mundi` [verfaßte]“, Prelog, J[an]: Leander v. Sevilla, 2002, Sp. 1776. Franks Einschätzung ist, dass „[m]öglicherweise [. . . ] die Abhandlung als geistig-geistliche Mitgift der ins Kloster eingetretenen Schwester gedacht [ist], vielleicht vergleichbar der von Ambrosius in seiner Schrift ‚De virginibus` wiedergegebenen Predigt des Bischofs Liberius von Rom anläßlich der ‚Schleierübergabe` an Marcellina (des Ambrosius Schwester). Ist der ‚Sitz im Leben` der Schrift Leanders so bestimmt, dann ist damit auch der Charakter seiner ‚Regel` angegeben. Florentina hat selbstverständlich in ihrem Kloster bereits eine Regel, der sie zu folgen hat [. . . ]“, Frank: Frühes Mönchtum im Abendland, S. 308 f. Vgl. Innes, S. 136. Boshof konstatiert als Motiv Thegans dessen „Erschütterung über die Demütigung des Kaisers im Aufstand der Söhne 833. Er sucht nach Erklärungen für das unerhörte Geschehen und ist um Rechtfertigung und Verteidigung seines Helden, den er trotz Absetzung und Kirchenbuße in günstigem Licht erscheinen lassen möchte, bemüht.“ Boshof liefert eine gute Erklärung für das evozierte Bild einer starken hierarchischen Ferne zwischen Ludwig und seiner Mitwelt, indem Thegans „Adelsstolz [. . . ] es nicht verwinden [konnte], den Herrscher dem Ein uß unwürdiger Männer von niedriger Herkunft ausgeliefert zu sehen“, Boshof, Egon: Ludwig der Fromme, 1996, S. 11.

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Thegan mit der sonst üblichen Tradition der Herrscherdarstellung. Er greift nicht nur den zeitgenössischen Diskurs um die Anwesenheit und Teilnahme Geistlicher bei den Ritualen weltlicher Feste auf, sondern wendet sich auch gegen Vorwürfe eines verkommenen Hofstaates. 62 Daher gilt die besondere Aufmerksamkeit den Festen. Ludwig der Fromme wird dabei in zweierlei Weise hervorgehoben, über andere erhoben und dadurch distanziert: Zum einen wird eine Unterscheidung durch das Erscheinungsbild Ludwigs vorgenommen, der sich – wenn auch nur selten – in prunkvollem Gewand und mit herrschaftlichen Insignien präsentiert. Auch wenn Schlichtheit das Äußere Ludwigs kennzeichnete, entsteht vor dem geistigen Auge ein glanzvolles Bild des Herrschers mit allen dazugehörigen Symbolen in Gold. 63 Zum anderen distanziert Ludwig sich durch sein Verhalten von seiner Umgebung. 64 Besonderes Merkmal ist die Selbstkontrolle, der Eindruck eines unbewegten Seelenzustands. 65 Zur Verdeutlichung dient wie erwähnt die Schilderung von Festlichkeiten. Auf dem Höhepunkt treten verschiedene Arten von Schaustellern zur Unterhaltung und Belustigung auf. Ein Lachen ist von Ludwig aber nicht zu vernehmen. Auch die anderen Anwesenden mäßigen ihr Lachen. Ludwig enthält sich jeder Regung, sein Mund verzieht sich nicht im Mindesten, auch nicht zu einem Lächeln, wie Thegan es deutlich macht. 66 Der Bruch zu der Darstellung Einhards von Karl dem Großen könnte nicht deutlicher sein. 67 Einhards Karl hat nicht nur äußerst menschliche Züge, sondern gibt sich beinahe wie ein Gleicher unter Gleichen. Die Distanziertheit von Ludwig bei Thegan lässt sich, wie bereits angedeutet, aus der Regierungskrise erklären und mutet wie ein Versuch an, sich angesichts von Vorwürfen sowohl nachträglich wie auch prophylaktisch zu verteidigen. Ludwig hatte den falschen Beratern vertraut. 68 Nun aber soll er mit allem dafür nötigen Ernst erhaben und unbeirrt von äußeren Ein üssen dargestellt werden. Die Interpretation dieser Textstelle kann jedoch sogar noch weitreichender verstanden werden als eine Demonstration von Ludwigs conversio, dem Prozess einer religiösen Wandlung, und einem Versuch, ihn als sakrale persona zu porträtieren und sein Handeln als Imitatio Christi zu verstehen. 69 62 63 64 65 66 67 68 69

Vgl. Innes, S. 136. Ders., S. 134 u. 139. Vgl. ders., S. 140. In anderem Kontext verweis Milner darauf, dass durch Lachen der Mensch in Gefahr steht „of losing his human equilibrium“, Milner, S. 27. Thegan: Gesta Hludowici imperatoris, cap. 19, Z. 2 u. 6, vgl. auch Recensio B2, S. 266, Z. 7 u. 11. Vgl. hierzu auch Boshof, S. 3 u. 9. Vgl. Innes, S. 133 f u. 136, Boshof, S. 4 u. S. 211 f Vgl. Innes, S. 145 u. 147 f. Boshof weist darauf hin, daß „gerade die Af nität zum Mönchtum und zu den monastischen Idealen Ludwigs Persönlichkeit und Herrschaft positiv bestimmt habe“ und Thegan sich „bemüht [. . . ], den Karolinger [i.e. Ludwig den Frommen, Anm. d. Verf.] geradezu zum Mönch zu stilisieren, [. . . ] das freilich zweifellos aus dem Grunde, weil

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Kremers Untersuchungen zum Lachen in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters zeigen, dass das Thema des Nicht-Lachens recht häu g bei Dichtern zu nden ist. Dabei stellt er fest, dass „keineswegs eine immer sich gleiche Erscheinung [vorliegt], man trifft es in den verschiedensten Situationen an [. . . ]. Es kann auch eine Tugend oder, häu ger noch, eine Untugend sein, also etwas Konstantes.“ 70 Lachen und Nicht-Lachen lassen sich zuordnen „zwei guten Sitten, einmal sich mit dem Frohen zu freuen, und zum anderen, nicht zu lachen, wenn im nahen Kreise jemand weint.“ 71 Ein Themenkomplex des Nicht-Lachens ist demnach die Gegenwart von Leid, „Leid schließt Lachen aus.“ 72 Vielfach ausgestaltet ist dies in der Minnedichtung. 73 Eine von Kremers Belegstellen ist sehr erhellend für die Betrachtung geistlicher Haltungen gegenüber dem Lachen, wenn ein Diener „am Leide seines Herrn solchen Anteil [nimmt], daß man ihn [den Diener, Anm. d. Verf.] nicht lachen sieht.“ 74 Für Geistliche, die sich als Diener Gottes verstehen, ergäbe sich die logische Konsequenz, in der Anteilnahme der Leiden Christi nicht zu lachen. Weltliche Dichtung stellt jedoch auch von sich aus religiöse Zusammenhänge zum Nicht-Lachen her, so zum Beispiel ganz allgemein, „daß mit Gott nicht zu spaßen ist[.] Dem Sünder wird das Lachen vergehen.“ 75 Konkreter auf religiöse Praktiken bezogen, lässt sich ebenfalls ein Aussagegehalt herauslesen: „Fromme Askese verbietet sich das Lachen. Parzival und Trevrizent lachen nicht beziehungsweise ‚selten`, als sie in einsiedlerischer Askese zusammenleben. Vorbild solcher frommen Enthaltsamkeit ist Jesus, und auch Maria legt sich äußere Zurückhaltung auf.“ 76 Auffällig an dieser Feststellung ist jedoch, dass es streng genommen nicht um Nicht-Lachen geht, sondern um eine Mäßigung in Form von seltenem Lachen oder Zurückhaltung. 77 Es ist sicherlich nicht zutreffend, dass jegliches Nicht-Lachen seinen Eingang in die weltliche Dichtung religiösen Gründen zu

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die monastische Lebensform die höchstmögliche Vervollkommnung menschlichen Daseins bedeutete. Zur monastischen Tradition gehörte es, angesichts der Eitelkeit menschlichen Treibens und der Betrachtung des irdischen Wandels als eines Durchgangsstadiums das Lachen als anstößig und verwerflich anzusehen; [. . . ] Eine derartige asketische Strenge ist kaum glaubwürdig bei einem Manne, der sich den Herausforderungen und den Freuden der Jagd mit einer solchen Leidenschaft hingab [. . . ] Vielleicht hat Thegan zum Gebaren eines Mönchs hochstilisiert, was in Wahrheit nichts anderes war als das Bemühen eines Herrschers um Haltung und Würde im Getriebe des Hofes“, Boshof, S. 5 u. S. 257 f. Kremer, S. 131. Ebd. Ebd. „Eine besondere Art des Leides ist die Minnenot.“, Ebd. Ders., S. 132. Ders., S. 133. Ebd. Zum quasi mönchischen Verhalten von Parzival und Trevrizent vgl. auch Classen, Albrecht: Laughter as an Expression of Human Nature in the Middle Ages and the Early Modern Period. Literary, Historical, Theological, Philosophical, and Psychological Re ections; also an

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verdanken hat. Dafür hat die säkulare Literatur zu sehr ihre eigenen Motive des NichtLachens hervorgebracht. 78 Nicht-Lachen hat eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, sich nicht durch Lachen in bestimmten Situationen zu verraten. Dieses Prinzip wurde sogar einem auch in der Dichtung thematisierten Spiel zugrunde gelegt. Als rhetorisches Mittel dient die Aufforderung des Nicht-Lachens den Dichtern, dass Hörer und Leser diesem gewogen sind und bleiben. 79 Nicht-Lachen ist in der weltlichen Literatur ambivalent. Neben für die Zeitgenossen nachvollziehbaren Gründen für dieses Phänomen stößt es auch auf Unverständnis: „Im normalen Leben wirkt es ungewöhnlich, wenn jemand gar nicht lacht wie der alte Wate in der Kudrun. Er ist durch und durch unhö sch, aber er imponiert als Kriegsheld.“ Der ungalante oder untugendhafte Charakter, aber auch die Figur des Fremden geraten durch das Nicht-Lachen in ein unvorteilhaftes Licht. „Im Rolandslied gilt ein heidnischer Herzog als ein übler Mann, weil er niemals lacht. Der Zornmütige lacht nicht. Der ungehobelte, kaltherzige Mensch lacht nicht. Neid lacht nicht.“ 80 Das Nicht-Lachen kann in der Dichtung eine Vielzahl von Bedeutungen annehmen 81 je nach Kontext und vor allem je nach Bewertung des Akteurs. Insgesamt braucht es jedoch für das Nicht-Lachen eine Begründung, um positiv bewertet werden zu können: „Wenn keine schwerwiegenden Gründe vorliegen, die dem Menschen die Freude und heitere Gelöstheit und Ansprechbarkeit verbieten, deutet Nicht-Lachen auf einen Charakterfehler.“ 82 Das Nicht-Lachen bedarf einer Erklärung und kann sich bei der Mitwelt verdächtig machen: „Hugo von Trimberg warnt vor der übermäßigen und falschen Askese. Wenn man sich des Lachens enthält, muß das mit echter Frömmig-

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introduction, 2010, S. 55. Sich des lauten Lachens zu enthalten, galt besonders für die Damen des Hofes. Vgl. ders., S. 18. Insofern kann der Aussage Bießeneckers „as the teachings of the Church in ltrated the courts of the nobility so too did the disdain for laughter“ in zweierlei Hinsicht nicht zugestimmt werden: Zum einen sind die Darstellungstraditionen und Erzählmotive nicht allein durch kirchliche Verbreitung in die hö sche Kultur eingegangen, sondern könnten hier unabhängig vor- und außerchristliches Traditionsgut in sich aufgenommen haben. Zum anderen weist die hö sche Kultur auch keine monolithische Verachtung gegenüber dem Lachen auf, sondern kennt einen vielschichten Umgang der Darstellung und Bewertung. Biessenecker, Stefan: How to rebel via jokes and laughter, 2010, S. 4. Vgl. Kremer, S. 132 f. „Vor allem am Hofe hat [. . . ] witzige Konversation die Absicht, die Umstehenden zum Lachen zu bringen und dadurch dem Sprechenden Lob und Ansehen zu erringen.“ Blaicher, S. 513. Kremer, S. 134. „Nicht-Lachen ist ein Zeichen, ja eine Gebärde der Freudlosigkeit. Man kann sich das Lachen versagen, um seinen Schmerz zu zeigen (Nicht-Lachen als Haltung der Trauer) oder um Askese zu üben. Wenn im Kampf der letzte Einsatz gefordert wird, fällt das Lachen vom Menschen ab. Das Nicht-Lachen ist ein Zeichen der Konzentration, der Bindung und Überlegenheit.“ Kremer, S. 134. Vgl. auch Liberman, S. 163. Kremer, S. 134.

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keit geschehen, aus Liebe zu Gott und nicht aus mangelndem Frohsinn.“ 83 Wobei hier Frömmigkeit und Zurückhaltung beim Lachen durchaus selbstverständlich miteinander verbunden sind. In Anbetracht der vergleichsweise wenigen Belege zum Nicht-Lachen aus den hagiographischen und monastischen Schriften wirkt das Beispiel von Ludwig umso imposanter und könnte kaum deutlicher mit allen üblichen Erzählmotiven brechen. Das unbeugsamste Ideal ndet sich demnach neben einer Klosterregel in einem nichtgeistlichen Text einer Königsbiographie. In der von Kremer untersuchten weltlichen Dichtung ist das Nicht-Lachen ambivalent. Es bedarf einer Erklärung und guter Gründe, um sich nicht als Untugend zu entpuppen. Folglich wäre es mehr als verständlich, wenn die Position geistlicher Texte das Nicht-Lachen zu begründen versucht. Möglicherweise ist dies jedoch nicht nötig aufgrund der verbreiteten Vorstellung, dass angesichts von Leid, des eigenen oder das eines Anderen, bei welchem der Akteur jedoch mitleidet, sich das Lachen verbietet. Allen Textbelegen unbestreitbar gemeinsam ist, dass das Nicht-Lachen ein sehr eindrückliches Mittel der Charakterisierung eines Akteurs und seiner situativen oder generellen Haltung ist, wie Tarnung, Zorn, Ungeschliffenheit, Gefühllosigkeit, Neid, Trauer, Askese, Leiden oder Mitleiden.

3.1.2 Gemäßigtes Lachen

Das Ideal des Nicht-Lachens ist weitaus weniger zu nden, als man annehmen könnte und das Vorbild Christi vermuten ließe. Häu ger als die Betonung, dass die Heiligen nicht lachen, werden sie als maßvoll lachend beschrieben. 84 Dabei werden Begriffe der Mäßigung und Abmilderung benutzt, wie in der vermutlich auf das 11. Jahrhundert zu datierenden Vita des Abtes Victorianus, 85 der sich durch ein moderates Lachen, risus moderatione, auszeichnete oder der Kirchenlehrer und Bischof Johannes Chrysostomus durch ein mildes Lachen, risus placidus. 86 Daneben treten Darstellungen, die 83 Kremer, S. 134. 84 Zu den Formen der Darstellung des gemäßigten Lachens ist auch das Lächeln zu zählen. Das Lächeln soll hier ausgenommen werden, da es nicht strittig ist, dass Lächeln im Mittelalter sehr viel weniger kritische Äußerungen hervorrief und die bisherige Forschung hat kein Verbot des Lächelns nachzuweisen gesucht. In den Acta Sanctorum lässt sich das Lachen unabhängig vom Akteur drei- bis viermal häu ger nden als alle Formen des Lächelns wie ad- oder arridere, renidere und subridere. 85 „Quem non ille vigiliarum constantia, ciborum abstinentia, risus moderatione, carnis continentia, animi submissione, caritatis of ciis superabat?“, AS, Jan. I, Dies 12, S. Victorianus, Abbas in Hispania, pag. 738, 6. 86 „Mores quidem ipsius erant gratiosi, et risus in vultu placidus, non in dissolutum effusus cachinnum.“, AS, Sep. IV, Dies 14, S. Joannes Chrysostomus, episcopus Constantinopolitanus & doctor Ecclesiae, pag. 706, col. B, 13.

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auf die Häu gkeit des Lachens abzielen, wie bei der Äbtissin Herlindis, die seltener als andere Nonnen lachte, 87 oder Abt Theodericus, der ebenfalls nur selten lachte. 88 Eine weitere Art der Formulierung der Mäßigung wird in dem Bericht über die Äbtissin Lioba aus dem 9. Jahrhundert verwendet. Diese habe stets ein fröhliches Gesicht gezeigt, aber diese große Heiterkeit habe sich niemals in Lachen aufgelöst. 89 Fröhlichkeit und Heiterkeit sind dem Gesicht abzulesen, die Einschränkung besteht hier nicht in der expliziten Nennung eines gemäßigten Lachens. Sie liegt vielmehr darin, dass die Gemütsverfassung sich nicht in einem Lachen Bahn bricht, sondern allein am Gesicht abzulesen ist. Diese Ausdrucksweise ähnelt derjenigen in der Vita des Heiligen Tillo oder Hillonius, der Ende des 7. Jahrhunderts lebte. 90 Die Heiligen nehmen somit auf die Art des Lachens Ein uss, auf dessen Umfang in Ausmaß und Lautstärke. Der Kontext derartiger Darstellungen des gemäßigten Lachens sind Tugenden und andere Praktiken der Mäßigung. Bei eben genanntem Abt Victorianus folgt die Beschreibung seiner Tugenden, nachdem seine Gelehrigkeit und Gelehrsamkeit ausführlich ausgemalt worden sind. Neben Eifer, Barmherzigkeit und Mildtätigkeit zählen verschiedene Formen von Abstinenz und Gefühlsbeherrschung dazu. Die Mäßigung des Lachens fügt sich in diese Darstellung in mehrfacher Weise ein, indem sie ebenso als Tugend zu verstehen ist, als eine Form der Enthaltsamkeit gegenüber dem lauten Lachen und als eine Gefühlsbeherrschung. Umrahmt sind diese Aussagen von Hinweisen darauf, dass auch hier auf den noch jungen Heiligen Bezug genommen wird, der reif ist und seinen Eltern Anlass zu ausgelassener Freude, lætitia, ist. Bei dem ebenfalls bereits erwähntem Abt Theodericus wird das seltene Lachen von einem seiner Zeitgenossen des 11. Jahrhunderts in den Kontext der äußeren Erscheinung gestellt, die auf eine innere Haltung rückschließen lässt. Wiederum sind Aussagen zur Bildung und dem Verhalten vorausgeschickt, gefolgt von einer längeren Beschreibung: Theodericus hielt seinen Kopf demütig zu Boden gesenkt, die Schultern herabfallend, Hände, Füße und Arme wohlgeordnet, die Augen niedergeschlagen und demütig blickend, selten ein Lachen im Gesicht, selbiges zurückhaltend und moderat, häu ger sich kniend mit Tränen zeigend. Im weiteren Kontext dieser Darstellung werden Ausbildung und Verhalten des jungen Heiligen in den Blick genommen, dessen Sitten und Weisheit mit dem Alter immer mehr zunahmen. 87 „[. . . ] in sobrietate paratior, in corpore honestior, in corde sincerior, in risu rarior, in compunctione cordis feruentior.“ AS, Mar. III, Dies 22, S. Herlindis, Virgo, Abbatissa Masaci in Belgio, pag. 387, col. A, 4. 88 „[. . . ] rarus in ore risus [. . . ]“, AS, Aug. IV., Dies 24, B. Theodericus, primus istius nominis abbas Andaginensis, in Arduenna silva, cap. II, pag. 851, col. D. 89 „Et cum lætam semper faciem præferret, nunquam hilaritate nimia resoluta est in risum.“ AS, Sep. VII, Dies 28, S. Lioba seu Leobgytha, alias Truthgeba, virgo abbatissa, in Germania, pag. 764, col. E, 14. 90 „[. . . ] ut nu¯ quam hilaritate nimia resolutus esset in risu.“ AS, Jan. I., Dies 7, S. Tillo sive Hillonius, cognomento Paulus, Solemniaci in Gallia, cap. II, pag. 378, 18.

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Das Lachen ist damit nicht unbedingt eine Regung, die gänzlich unterlassen werden soll, sondern eine, die in ihrer Art und in ihrer Häu gkeit beherrschbar sein soll. Dies ist nichts für das Mittelalter genuin Neues, 91 bereits antike jüdische, griechische und römische Kulturkreise kannten solche Ideale der Selbstbeherrschung, die auch das Lachen betrafen. Diese Vorstellungen wurden im Mittelalter ebenso vermittelt. Dabei übertreffen die Heiligen zum Beispiel andere Klosterangehörige. 92 Souveränität über Qualität und Quantität des Lachens werden zum Nachweis eines erfolgreichen Selbstbildungsprozesses. Der Mensch ist hier „Material, an dem sich Subjektivierung mithilfe eines Unterscheidungsrasters [. . . ] vollzieht.“ 93 Wobei es sich hier nicht um allgemein gültige soziale „Abweichung und Norm“, „Standards der Gesamtgesellschaft“ handelt, sondern um den spezi schen Ort des Hirten innerhalb des „Hirte-HerdeModells“. 94 Die Selbsttechnik der Mäßigung ermöglicht es allen Subjekten sich selbst als solches zu begreifen. Das Lachen ist gegeben, das Selbst kann darüber regulierend verfügen. Es ist im Verständnis der Zeitgenossen gottgegebene Natur, Auserwählte vermögen diese Natur zu transformieren, es in einem „Raum der Innerlichkeit“ zu erforschen und es der Selbstbeherrschung zu unterwerfen. 95 Eine ähnliche Form der Zurückhaltung zeigen die Könige Ludwig der Fromme und Eduard in den jeweiligen Heiligenviten, wobei hier die Formen der Mäßigung ausführlicher behandelt und dazu noch übersteigert werden. Das Exempel von König Ludwig IX. von Frankreich ist besonders eindrucksvoll und bekannt. In dessen Vita, noch im 13. Jahrhundert verfasst, ist ein ganzer Absatz seiner Enthaltsamkeit gewidmet: Der König zügelte seinen Appetit, verdünnte Wein mit viel Wasser, fastete häu g streng und bekleidete sich gelegentlich mit einem Bußgewand. Schließlich enthielt er sich des Lachens an Freitagen. Dies geschah in Analogie zum Fleischverzicht zum Gedenken an den Tod Christi. Wenn er jemals unachtsam zu lachen an ng, hörte er sogleich wieder auf. 96 Mit ähnlichen Worten hielt der Zisterzienser Aelred von Rievaulx im 12. Jahrhundert das Verhalten von Eduard, König von England, fest: 91 Und ndet sich auch für spätere Zeiten, so zum Beispiel führt Niles Lord Chester eld an, der 1748 seinem Sohn schreibt: „Having mentioned laughter, I must particularly warn you against it. . . . Frequent and loud laughter is the characteristic of folly and ill manners. . . . In my mind, there is nothing so illiberal and so ill-bred as audible laughter.“ Zit. nach Niles, S. 27. 92 Dies wird zum Beispiel deutlich an Komparativen „[. . . ] in sobrietate paratior, in corpore honestior, in corde sincerior, in risu rarior, in compunctione cordis feruentior.“ AS, Mar. III, Dies 22, S. Herlindis, Virgo, Abbatissa Masaci in Belgio, pag. 387, col. A, 4. 93 Kammler, Clemens / Parr, Rolf / Schneider, Ulrich Johannes: Foucault-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, 2008, S. 294. 94 Dies., S. 294 f. 95 Dies., S. 294 u. 296. 96 Unklar ist, inwieweit die Aussagen Allgemeingültigkeit haben und in dem besonderen Zusammenhang des Kreuzzugs als Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten gesehen werden müssen. „Adhæc beatus Rex, quantum poterat, a risu abstinebat diebus Veneris; si quandoque inad-

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In einer speziellen Situation einer göttlichen Eingebung lacht der heiliggesprochene König nur maßvoll, wie selbst dies nicht seine Gewohnheit ist. 97 Sowohl Ludwig als auch Eduard zeichnen sich durch eine grundlegende Enthaltsamkeit gegenüber dem Lachen aus, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Legen sie ausnahmsweise ein gegenteiliges Verhalten an den Tag, dann mäßigen und zügeln sie sich selbst darin. Bei dieser Gruppe der Akteure zeigt sich einmal mehr, dass die Selbstdisziplinierung von hoher Bedeutung war. Die Herrscher üben Selbstbeherrschung. Eine andere und vergleichsweise häu ge Umschreibung für den maßvollen Umgang mit dem Lachen wird gleich in mehreren Viten verwendet: Von den folgenden Heiligen heißt es, sie hätten nicht leicht, facilis, gelacht. Über den Eremiten Abramius wird im 6. Jahrhundert gesagt, seine Lippen haben sich nicht leicht zu einem Lachen verzogen. Dies hatte er sich angeblich selbst als Regel für sein Einsiedlertum auferlegt und unter anderem beibehalten, als er schließlich in ein Kloster eintrat. 98 Die Lebensumstände der Heiligen werden nicht als Erklärung herangezogen beziehungsweise wird kein Zusammenhang damit hergestellt, wie die nächsten beiden sehr gegensätzlichen Beispiele zeigen: Pelagius starb im Alter von dreizehn Jahren nach mehrjähriger Gefangenschaft als Geisel am Hofe eines Kalifen den Märtyrertod. Trotz der widrigen Umstände war der Junge gemäß dem Bericht aus dem 10. Jahrhundert sehr tugendhaft, keusch, ruhig, klug, fromm, frei von Übel und nicht leicht am Lachen, was aufgrund seines Lebens als Gefangener auch wenig verwundert. Dennoch reiht sich das Lachen und dessen Mäßigung in eine gängige Tugenddarstellung ein. Es wird nicht aus den Umständen der Gefangenschaft erklärt, sondern ergänzt die Auflistung von allgemeinen und religiösen Tugenden um asketische Praktiken. Die Bedingung seiner Freilassung war der Abfall vom christlichen Glauben, welche Pelagius nicht erfüllen wollte. 99 Dieser Hintergrund einer Gefangenschaft, die sicherlich als entbehrungsvoll zu verstehen ist, steht in einem starken Kontrast zu dem im 12. Jahrhundert beschriebenen Leben von Bischof und Apostel der Sachsen Ludgerus, welcher in seiner vertenter ridere cœpisset, mox ridere desinebat [. . . ]“, AS, Aug. V, Dies 25, S. Ludovicus Francorum rex, prope Tunetum in Africa, cap. XII, XIV, pag. 606, col. B, 130. 97 „Quadam namque die Pentecostes, cum Rex divinis interesset mysteriis, hora elevationis Corporis Christi subito Rex vultu hilarior, et erectior oculis, in risum modicum, servata tamen regia gravitate, dissolvitur. Mirari, qui aderant, cœperunt; nec sine caussa, cum præter consuetudinem id ei accidisse sciebant.“ AS, Jan. I., Dies 5, S. Eduardus, Angliae Rex Confessor, cap. III, 11. 98 „Non facile sua labia in risum solvebat: sed ne subridebat quidem.“, AS, Mar. II., Dies 16, S. Abramius Eremita in Hellesponto, pag. 440, col. B, 24. Dabei stellt sich die Frage, weshalb der Verfasser betont, dass Abramius diese Regel beibehielt, als er in ein Kloster eintrat: Erfolgt die Hervorhebung, weil der Heilige dies als eine Regel des Klosters bereits vorher beherzigte oder aber eher deshalb, weil die Klosterregel dies nicht vorsah, Abramius dennoch an seiner eigenen strengeren Vorgabe festhalten und eine strengere Praxis verfolgen wollte? 99 „risui non facilis.“, AS, Jun. VII, Dies 26, S. Pelagius Martyr, Cordubae in Hispania, pag. 207, col. B, 4.

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Ausbildungszeit von adeligen und klugen Mitschülern umgeben war. Diese schätzten ihn für seinen wundersamen Sanftmut, der mit einem heiteren Gesicht, dennoch nicht leicht am Lachen, in all seinem Handeln Klugheit verknüpft mit Mäßigung erkennen ließ. 100 Diese Variante der Formulierung, die sich auch in der Vita des Bischofs Baudinus ndet, 101 sollte jedoch nicht überinterpretiert werden, da die Textkontexte keine näheren Erklärungen zur Deutung liefern. Es muss daher offenbleiben, ob mit den Worten non facilis in risu eine verringerte Empfänglichkeit gegenüber einer äußeren Bewegung zu verstehen ist, im Sinne eines „nicht leicht zum Lachen zu bringen“, oder eine eingeschränkte Bereitschaft, einer inneren Regung nachzugeben. Das Prinzip der Gemütsruhe wird unabhängig von den Begleitumständen herausgearbeitet, weder Widrigkeiten noch ein privilegiertes Umfeld vermögen den Seelenzustand zu beeinussen, markiert durch die Beherrschung des Lachens. Das Ideal der Mäßigung gilt jedoch nicht nur für die Heiligen und auch nicht nur für das Lachen allein. Im Kontext von Erziehung zu gewünschten Tugenden und ihrem körperlichen Ausdruck spielt es generell eine Rolle. Die Verfasser der Viten der Heiligen Elisabeth aus dem 12. Jahrhundert und der Heiligen Godeleva aus dem 14. Jahrhundert lassen diese Empfehlungen an Jungfrauen aussprechen, in denen sie diesen ebenfalls zu einem gemäßigten Lachen raten. Der Schlüsselbegriff ist bei Elisabeth constringere, wörtlich genommen sich zusammenreißen, also sich zügeln und zurückhalten, was jedoch auch Sprechen, Hören und Handeln betrifft. 102 Godeleva adressiert Jungfrauen und rät ihnen zu bestimmten Verhaltensmaßregeln, die ihre Ehre wahren helfen sollen: Dazu gehört zum Beispiel, nicht in fremden Häusern einzukehren, um kein Gerede hervorzurufen und andersherum, selbst nur selten und dann nur ehrenhaft das Wort zu ergreifen. Der Anblick soll ehrwürdig sein, der Blick gesenkt, die Gesten demütig, der Habitus schlicht, das Lachen moderat, die Gedanken rein und aufrichtig. All dies soll die Unbe ecktheit von Herz und Geist wahren helfen, da die äußerlich sichtbaren Handlungen Zeugnis der inneren Disposition ablegen. 103 Durch die Zeichen des Körpers werden Ehrwürdigkeit, Demut und Schlichtheit vermittelt, die Reinheit und Aufrichtigkeit des Inneren soll nach außen sichtbar werden. Ein moderates Lachen macht sich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht verdächtig, sondern scheint dem Gesamtbild zu entsprechen. In den konkreten Empfehlungen wird ohne Zweifel die Perspektive von gender deutlich, in Bezug auf das Lachen er100 „vultu hilaris, non tamen facilis in risu“, AS, Mar. III, Dies 26, S. Ludgerus Mimegardeuorsensis Episcopus in Westphalia, Saxonum Apostolus, pag. 644, col. D, 8. 101 „non facilis erat ad risu“, AS, Nov. III, Dies 7, S. Baudinus seu Baldus episcopus Turonensis, pag. 389, col. B, 2. 102 „Virgo constringere ut sit verecunda ad loquendum, ad audiendum, ad ridendum, ad faciendum omne quod impudicum est“, AS, Jun. V, Dies 18, S. Elisabeth Virgo, Ord. S. Benedicti Schonaugiae in dioecesi Trevirensi, pag. 632, col. F, 101. 103 „risus moderati“, AS, Jul. II, Dies 6, S. Godeleva Virgo Martyr, Ghistellae in Flandria, pag. 424, col. F, 49.

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gibt sich hier jedoch keine Auffälligkeit zu den sonst üblichen Darstellungen. Die Mäßigung allgemein und die des Lachens speziell ist ein Verhalten, welches Heilige verinnerlicht haben und denjenigen, die ihnen nacheifern sollen, Nonnen und Mönche im Besonderen, ans Herz gelegt wird. Das Ideal der Mäßigung kann sich auf weitere Personenkreise ausweiten, die Wirkkraft des Heiligen als Vorbild wird auf diese Weise anhand seines Umfelds verdeutlicht. Thomas von Celano, Schüler von Franz von Assisi, beschreibt im 13. Jahrhundert die Gemeinschaft der Anhänger des Heiligen, die sich zu einem gottesfürchtigen Leben zusammengefunden haben. Er lobt in der Form einer Auflistung ihre Tugenden, zu welchen ein besonnenes Lachen zählt. 104 Bemerkenswert hieran ist die Ausweitung der Tugendhaftigkeit auf eine Gruppe frommer Menschen, die selbst nicht heilig sind, sondern sich einem Heiligen angeschlossen haben. In einem späteren Kapitel wird dieses Motiv wiederum aufgenommen. Für seinen Besuch in Rom bei Papst Honorius hat Franz von Assisi in Bischof Hugo einen eifrigen Fürsprecher, der sich in seiner Rede nicht zum Lachen hinreißen lässt, sondern im Gegenteil durch Wehklagen seinem Schmerz 105 Ausdruck verleiht. 106 Sein gesamter Auftritt wird als Widerhall des Ruhmes von Franz von Assisi dargestellt. 107 Die Tugendhaftigkeit seiner Anhänger und Fürsprecher spiegelt die des Heiligen wider. Nur sehr selten werden die Aussagen zur Mäßigung des Lachens erläutert oder gar begründet. Besonders in dem Ideal der Gemütsruhe klingen antike Vorbilder an. Herleitungen aus christlicher Tradition sind eher selten und nden sich beachtlicherweise bei den hochrangigen Akteuren der Adelshierarchie wieder: Wie bei Ludwig dem Frommen eine christliche Begründung der Enthaltsamkeit am besonderen Ge-

104 „Casti amplexus, suaves affectus, osculum sanctum, dulce colloquium, risus modestus, animus simplex, lingua placabilis, responsio mollis, idem propositum, promptum obsequium et indefessa manus.“, AS, Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, cap. V, XV, 694, B, 38. 105 Zur Bedeutung des Schmerzes im Leben des Heiligen selbst vgl. u. a. Köpf. Zum Zusammenhang von Imitatio, Flagellation und Stigmatisation allgemein und bei Franz von Assisi speziell siehe Trexler, Richard C.: The stigmatized Body of Francis of Assisi conceived, processed, disappeared, 2002. 106 „non ad risum movens, sed planctum doloris extorquens.“ AS, Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, cap. IX, XXVII, pag. 703, col. E, 73. Das strikte Nicht-Lachen bildet hier den Gegenbegriff zur Wehklage und dem Schmerz als einem Ausdruck für den Glaubenseifer. Es ist daher verständlich, dass ein moderates Lachen als Antonym hier nicht angemessen ist. 107 „quoniam in eum Sancti gloria resultat“, AS, Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, cap. IX, XXVII, pag. 703, col. F, 73.

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denktag des Leidens Christi geliefert wird, so wird auch in der Vita 108 des Heiligen Stephan, König von Ungarn, auf die Bibel Bezug genommen: Stephan habe kaum jemals seine Lippen zu einem Lachen verzogen, weil er sich der Schrift erinnert habe. Gemeint ist die Bibelstelle in Sprüche 14,13, die Luther übersetzt mit „Auch beim Lachen kann das Herz trauern, und nach der Freude kommt Leid.“ Der weitere Kontext gibt Aufschluss über die Beweggründe des Königs: Er bewertete sich und seine Taten im Hinblick auf das Jüngste Gericht. Dies erklärt, warum der König keine Leichtfertigkeit an den Tag legte, sondern Ernsthaftigkeit sein Handeln bestimmte. 109 Trotz dieser christlich-biblischen Rückbezüge in beiden Viten folgt kein analoger Umgang mit dem Lachen, keine radikale Negierung, das Lachen wird lediglich gezügelt und nicht gänzlich vermieden oder in gegenteiliges Weinen verkehrt. Das moderate Lachen in den aufgeführten Beispielen steht im Zusammenhang der allgemeinen Tugendhaftigkeit der Heiligen. Selbstbildung und Selbstbeherrschung sind dabei die zentralen Praktiken der Aneignung und Aufrechterhaltung der Heiligkeitsideale. Bei dem überwiegenden Anteil der erörterten Fälle handelt es sich um Klostervorsteher und Heilige königlichen Geblüts, dabei werden jedoch andere Heilige nicht von dieser Art der Darstellung ausgenommen. Eine Erklärung für die Überzahl dieser „Heiligentypen“ könnte in ihrer sozialen, herrschaftlichen und kirchlichen Stellung liegen. Dabei ist die Frage offen, ob sich die Darstellung von diesen zum einen stärker an antiken Idealen der Mäßigung orientiert haben mag und ob ihnen zum anderen, vermutlich bedingt durch ihre stärkere Interaktion mit dem säkularen Bereich, ein realistischeres Bild eingeräumt wird. 110 Um mit Foucault zu antworten, haben Selbstsorge und Selbsttechnologien hier ihren Bezugspunkt sowohl zum politischen, als auch zum rationalen und pastoralen Bereich. 111 Akteure der politischen und religiösen Machtsphäre sorgen sich um ihr Selbst, damit diese „die Macht, die auszuüben man bestimmt ist, angemessen, vernünftig und tugendhaft auszuüben in der 108 Die im 16. Jahrhundert edierte Vita lässt sich nicht genau zurückdatieren. Sie wurde vermutlich bereits im 11. Jahrhundert begonnen, spätestens aber im 12. Jahrhundert, wobei Ergänzungen bis ins 14. Jahrhundert erfolgt sein dürften. Ob es sich bei der relevanten Passage um eine ältere oder jüngere Textstelle handelt, ist nicht gewiss. Dem Redakteur war die Erwähnung wichtig, Stephan habe kaum jemals seine Lippen zu einem Lachen verzogen. 109 „Vix unquam ad risum labia movit, recolens scriptum, Risus dolore miscetur, et extrema gaudii luctus occupat; semper sic apparens, acsi ante Christi tribunal staret, interioris u oculis ejus præsentiam vultu sereno conspiciens, Christum in ore, Christum in corde, Christum in cunctis actibus se gestare demonstravit. Diem ultimum semper ante oculos cordis statuens [. . . ]“, AS, Sep. I, Dies 2, S. Stephanus primus Hungariae rex, Albae regalis in Hungaria, cap. IV, pag. 571, col. C, 28. 110 Hier wäre unter anderem an ihre Amtsführung zu denken, die mitunter eine gegenteilige Haltung zum Beispiel im Zusammenhang mit Gastgeberqualitäten abverlangt. 111 So wie Foucault dies ähnlich für die klassisch-griechische Zeit anhand Platons' Alkibiades feststellt. Foucault, Michel: Hermeneutik des Subjekts. Vorlesungen am Collège de France (1981/82), 2009, S. 112.

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Lage“ sind. 112 Die Form der Sorge ist Selbsterkenntnis im christlichen Gewand der Gewissensprüfung. In Bezug auf das Lachen bedeutet dies, dass elitäre Akteure sich um ihr Lachen sorgen, da das Lachen zu ihrem Selbst gehört. Sie sorgen sich um einen vernünftigen Umgang mit dem Lachen, das heißt, die Vernunft ist das Steuerungselement, welches mäßigend auf das Lachen einwirkt. Anhand der Art des Lachens können die Akteure an sich selbst prüfen, ob die Vernunft Selbstbeherrschung ausübt oder ob „Fehler, Versuchungen und Begierden“ die Oberhand gewonnen haben. 113 Ähnliche Vorstellungen von Mäßigung nden sich in Ordensregeln, in welchen die Art und Weise des Lachens de niert werden. Während einige wenige Mönchsregeln strikt gegen jegliches Lachen eingestellt sind, gibt es vielfach mildere Ausprägungen, die sich lediglich gegen exzessives Lachen verwahren. Dies schlug sich in einer kleineren italienischen Schrift, in den letzten Gliedern der provenzalisch-arelatensischen Traditionskette mit benediktinischem Ein uss sowie in einem Benediktskommentar aus Lothringen nieder. Die „Regula Pauli et Stephani“ aus dem 6. Jahrhundert warnt vor dem übermäßigen Lachen und will es in das rechte Maß verwiesen sehen. 114 Der heilige Ferreolus, Bischof von Uzès, mutmaßlicher Verfasser der „Regula ad monachos“, 115 erwähnt sogar das Nicht-Lachen Christi und kommt dennoch nur zu der Empfehlung für Mönche, sich des Lachens so viel wie möglich zu enthalten. Die Überschrift zum 24. Kapitel lautet daher entsprechend „Daß der Mönch selten lache“. Wenn man sich des Lachens schon nicht völlig enthalten könne, so doch wenigstens die meiste Zeit. Jeder der Brüder der Klostergemeinde könne dies anhand der Evangelien nachprüfen. Neben gängigen Schriftzitaten 116 wird als Begründung das Weinen sowie das fehlende Lachen Christi genannt. 117 Ferreolus ist der einzige, „der es in einer Mönchsregel expressis verbis festgehalten hat.“ 118 „Dieses Beispiel [muss] für den Mönch, der sich in besonderer Weise in die Nachfolge Christi gestellt sieht, eine hohe normative Kraft be-

112 Foucalt: Hermeneutik des Subjekts, S. 112. 113 Kammler / Parr / Schneider, S. 290. 114 „Propterea cavenda est omnibus nobis joci et risus immoderata luxuria, per quam plerumque amarissima inter fratres nascuntur scandala.“ Regula Pauli et Stephani, cap. 37, 957D. 115 Die Regel, auch unter dem Namen „Regula Ferrioli“ bekannt, entstand in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts, vermutlich unter der Feder von Ferreolus, der sich in seinen Regeln dem Mönchtum von Arles anschloss. Vgl. Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 97. 116 Pred 7,4 ; Sir 21,23 ; Lk 6,21 und 25. Vgl. Regula Sancti Basilii Episcopi Cappadociæ ad monachos, interrog. VIII, 500D–501A. 117 „Conveniens etiam hoc credo monachis, ut risu, etsi non assidue, frequenter tamen abstineat. Unde si exemplum legens fratrum quisque requiret, hoc solum ei suf ciat, quia Dominum nostrum Jesum Christum, Evangelio teste (Joan. XII), evisse legimus, risisse nescimus; tristatum etibus, risibus non solutum“, Sancti Ferreoli Regula ad monachos, cap. XXIV, 967D. 118 Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 10.

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sitzen [. . . ]“ 119 Dennoch ist die Konsequenz keineswegs radikal trotz der Zuordnung des Lachens zu dem „Bereich der menschlichen Fehlerhaftigkeit“. 120 Das Lachen wird auch in den Klosterregeln im Zusammenhang mit anderen Handlungen und Haltungen betrachtet. Der eitlen Rede zugeordnet, wie auch dem Laster der Leichtfertigkeit, wird das Lachen in der am Anfang des 6. Jahrhunderts 121 entstandenen „Regula Magistri“. In einer dezidierten Kausalkette wird dargelegt, wie Lachen nicht erbaulich sei, sondern die Seele verletze. 122 Lediglich das viele und exzessive Lachen sei daher aus dem monastischen Leben zu entfernen. 123 Alles Tun solle mit Ernsthaftigkeit vollzogen werden, denn das klösterliche Leben diene nicht der Freude, sondern der Buße und der Trauer über die Sünden. 124 Die Magisterregel, neben der Benediktsregel eine der wichtigsten, behandelt das Lachen ferner im Kontext des Schweigegebots. Die Frage der Schüler an ihren Meister, wie beschaffen und wie beträchtlich die Schweigsamkeit sein müsse, wird mit der Eindämmung des Lachens beantwortet, da eben eine der bedeutendsten spirituellen Praktiken, das Schweigen, die taciturnitas, dadurch negativ betroffen ist. 125 Die Wahrung dieser klösterlichen Disziplin ist eng mit der Beherrschung des Körpers verknüpft. 126 Darüber gibt der seit Le Goffs plakativer Darstellung 127 viel zitierte Meister Auskunft in einer umfassenden Beschreibung über Aufbau und Bedeutung des menschlichen Körpers als einem In119 120 121 122

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Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 10. Ders., S. 11. Ungefähr 500 bis 530 n. Chr. „[58] Nam cum uerbum uanum, frater, de ore tuo exierit, quamuis per risum, tamen nostro perit, auditui, [59] quia exiens per os redire non potest, sed ratio eius seruatur usque ad praesentiam discussoris, [60] et cum non aedi cet actum, adgrauat causam et uulnerat animam.“ Regula Magistri, XI, 58–60. „Respondit Dominus per magistrum: [1] Cauenda in nobis uitia haec sunt: [. . . ] [9] risus multus uel excussus, [. . . ] [11] Haec omnia non sunt a Deo, sed opera sunt diaboli, quae in die iudicii a Deo meritum suum perpetui ignis gehennam merentur.“ Regula Magistri, V, 9. „Cum gravitate fac quod facis, quia conversionis nostrae tempus non est laetitiae ad ridendum, sed poenitentiae tempus est ad lugenda peccata [. . . ]“ Regula Magistri, XI, 76. Vgl. Resnick, S. 94. „[. . . ] wo Schweigen gefordert wird – etwa in den monastischen Regeln – ist das laute Lachen die größtmögliche Grenzverletzung.“ „Das in den Ordensregeln festgelegte Gebot der taciturnitas verschärft die Welt ucht durch Kommunikations ucht.“ Lachen ist jedoch Teil von Kommunikation. Velten, Hans Rudolf: Lachen und Schweigen in Wolframs Parzival, 2017, S. 78 f. Vgl. Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 97. In den drastischen Worten Le Goffs ist das Lachen damit lebenslänglich verurteilt zu einer Gefängnisstrafe in dem ärmlichen, kleinen Körper des Menschen, der diesem als Instrument dient. Vgl. Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 98. Andernorts interpretiert Le Goff das Lachen im mittelalterlichen Verständnis als „schlimmste Form aller schlechten Gefühle, die von innen nach außen dringen“, vgl. Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 26 f.

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strument und dem Wohnsitz der Seele. Durch Augen und Mund ist das Innere mit der in der Außenwelt be ndlichen Gnade verbunden. Gleichzeitig sind die Körperöffnungen aber auch Zugang für Sünden: Das Auge kann Begehrlichkeiten ein- und der Mund schändliche Reden herauslassen. Die Zähne vermögen dem einen Riegel vorzusetzen. Der Mensch – und insbesondere der Mönch – sollte diesen Riegel geschlossen halten, denn das Schweigen dient als Widerstand gegen Sünden. Für das Leben im Kloster bedeutete dies, dass wenn das Tor des Mundes geöffnet, der Zaun des strikten Schweigens durchbrochen werden musste, dann nicht außerhalb der erlaubten Zeiten oder nur mit der Genehmigung des Abts und allein um ehrenhafte Worte hervorzubringen. Alles andere, was die Pforte des Mundes, das Gehege der Zähne wie Homer sagte, passieren könnte, sollte der Mönch sorgsam anhalten und zurückdrängen. 128 Doch unterschlägt Le Goff hier, dass es dabei um die Rede und das Schweigen geht und nicht um das Lachen. 129 Diese Ausführungen sind sehr allgemein gehalten und stehen in deutlichem Zusammenhang zum Schweigen. Erst im Anschluss an die plastische Darstellung folgt die Verurteilung aller Worte, die zum Lachen führen, und nur sehr eingeschränkt des Lachens an sich, welches eine ständige Bedrohung während der gesamten Ausbildungszeit darstellt und niemals an unheilvoller Wirkkraft verliert. „Leichtfertige Späße aber, albernes und zum Lachen reizendes Geschwätz stellen wir unter ewigen Verschluß und erlauben nicht, daß der Schüler zu solchen Reden den Mund auftun darf.“ 130 Es sei eigens darauf hingewiesen, dass hier speziell von der Ausbildungszeit und Schülern die Rede ist, worauf in einem späteren Kapitel zurückzukommen sein wird. Die meisten Klosterregeln sind um eine Mäßigung des Lachens bemüht. Auch die am weitesten verbreitete Regel, die Benediktsregel, auf die an späterer Stelle noch näher eingegangen wird, folgt keiner radikalen Linie. Vielmehr geht es hier um eine Einschränkung sowohl die Art als auch die Häu gkeit betreffend, wenn geboten wird, nicht dauernd oder schallend zu lachen. 131 In Folge der allgemeinen Einführung der Benediktsregel orientierten sich Reformbewegungen, wie zum Beispiel die von Cluny und Gorze, aber auch Ordensneugründungen, wie die der Zisterzienser, an diesem Vorbild und übernahmen somit auch die Inhalte zum Thema des Lachens. In seinem Benediktskommentar geht Smaragd, Abt von Saint-Mihiel, noch stärker auf das Lachen ein als es seine Vorlage tut. Zunächst wird wiederholt, dass das laute Lachen, das den Lachenden schüttelnde Gelächter sich nicht für einen Mönch ziemt. Hier wird 128 Übertragen aus Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 98. 129 Vgl. Regula magistri, VIII, insbesondere 21–39. 130 „Scurrilitates uero uel uerba otiosa et risum mouentia aeterna clusura damnamus et ad talia eloquia discipulum non aperire os permittimus.“ Regula magistri, IX, 51, deutsche Übersetzung zit. nach Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 57 f. Frank: Frühes Mönchtum im Abendland, S. 127. 131 „[. . . ] multum loqui non amare, verba vana aut risui apta non loqui, risum multum aut excussum non amare“, Benedictus 〈de Nursia〉: La Règle de Saint Benoît, IV, 52–54.

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wieder auf die betreffenden Bibelstellen verwiesen, damit er vor den Menschen nicht als Narr gelte. Neben der lautstarken Art des Lachens gilt auch das häu ge Lachen als unangemessen, da der Mönch mit „zerknirschtem und demütigem Herzen Gott dienen“ soll. „Das entlockte Lachen mit lauter Stimme darf der Mönch nicht lieben, dass er nicht als dumm bezeichnet werde, weil geschrieben ist ‚Der Dumme erhöht sein Stimme in Lachen`.“ 132 Trotz des eindringlichen Bilds des dummen Narren ist das Lachen nicht verboten. „Der Mönch darf lachen. Die Begründung, die Smaragd dafür gibt, zeugt von beeindruckender Menschenkenntnis: Es sei nämlich die Natur des Menschen zu lachen, und deshalb könne man es nicht völlig verhindern. Deshalb dürfe es zugestanden werden, dass man unterdrückt, vorsichtig und ehrenhaft lache. Denn: Was die Natur erzwingt, das kann der Mensch nicht völlig hinter sich lassen.“ 133 Die Vorstellung von der Naturhaftigkeit des Lachens ist insgesamt wenig ausgeführt worden, der Schwerpunkt liegt stärker auf der Beherrschbarkeit des Lachens. Zeitlich wenig später wurde ein weiterer Kommentar der Benediktsregel von Hildemar von Corbie verfasst. Darin setzt er sich dezidiert mit den Formulierungen auseinander und weist auf klare Unterscheidungen hin: Leere Worte und törichtes Gerede weisen den Unverständigen als solchen aus, angemessene scurrilitas 134 und Lachen zeichnen den Wissenden aus. Lachen erregende Worte unterscheiden sich in solche der Ausschweifungen, Zügellosigkeit und Begierde sowie in solche der Weisheit, des Guten und Nützlichen. 135 Insofern verwirft Hildemar das Lachen nicht: Die Regel

132 „Non multum debet ridere monachus, qui corde contrito et humiliato debet servire domino. Non excussum risum id est qui alta voce excutitur et excutientem se excutit debet amare monachus, ne stultus notetur ab hominibus, quia scriptum est ‚Stultus in risu exaltat vocem suam`; et ‚Sicut sonitus spinarum sub olla, sic risus in ore stulti`.“, vgl. Smaragd, S. 134, 15–20. 133 Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 9. Bei Smaragd: „Naturaliter est enim homini ridere et ideo non potest hoc illi penitus prohiberi, sed ut subpresse, caute at et honeste, licet illi concedere quod et natura conpellente penitus non potest homo relinquere“ und an späterer Stelle „Ridere enim homini ut iam superius dictum est penitus non vetatur, quia illi soli hoc inter omnes creaturas concessum naturaliter esse cognoscitur; sed ut levitatis caveatur vitium, facilitas et alta vox eri prohibetur in risu“, Smaragd, S. 134, 20–23 und S. 188, 26–29. 134 Mit dem Begriff der scurrilitas, dem Lachen in Literatur und Kultur und dem Hervorrufen des Lachens durch Possenreißer setzt sich Velten in seiner Habilitationsschrift auseinander, jedoch vor dem Hintergrund einer skeptischen und ablehnenden Haltung des Christentums gegenüber dem Lachen. Zudem weist er Clemens von Alexandrien als „für die christliche Haltung dem Lachen gegenüber bis ins hohe Mittelalter hinein wegweisend“ aus, übersieht dabei jedoch die geringe Rezeption vor Mitte des 16. Jahrhunderts. Velten, Hans Rudolf: Scurrilitas. Studien zur Körpergeschichte des Lachens in Literatur und Kultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, 2008, S. 117–119. 135 „Risum moventia sunt illa verba, quae risum movent; verba risum moventia et scurrilitates videntur unum signi care, sed hoc inter se differunt: scurrilitates attinent ad lasciviam, quae lascivia vicina est libidini. Illa est lascivia, quae aut loquitur aut agit aliquomodo, quae ad li-

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sagt nicht, dass man nicht lachen soll, sondern dass man es nicht lieben soll und daher nicht viel lachen soll und auch nicht exzessiv im Sinne von lautem Lachen. 136 In Bezug auf die Stufen der Demut fasst er dies nochmals in andere Worte, dass es nicht heißt, dass der Mönch niemals lache, sondern nicht leicht zum Lachen zu bewegen ist und nicht eifrig oder bereitwillig. Die Heilige Schrift verbiete das Lachen nicht. 137 Während Hildemar qualitative Unterscheidungen vornimmt, klingt in der von Smaragd verwendeten Formulierung die Vorstellung der risibilitas an. Der Kommentar geht darin über die Wertmaßstäbe Benedikts hinaus. Schmitz sieht hier eine „von tiefer Humanität geprägte Einsicht in die Natur des Menschen, die dem Lachen [. . . ] keinen positiven Wert beizumessen vermag, es aber als Humanum zulässt und nicht rigoros verbietet oder verurteilt“. 138 Das Lachen ist in all diesen Beispielen also nicht generell verboten, sondern auf seltene Anlässe zu beschränken. Die zurückhaltende Forderung, sich dem Lachen soweit als möglich zu enthalten, ndet sich später bei Be-

bidinem attinent, nam lascivia de scurrilitate nascitur; verba autem risum moventia etiam ad sapientem attinent et ad bona et pro cua, quia possunt sapientes ita bona et pro cua loqui, ut risum moveant, sicut superius dicit: Os suum a malo vel pravo eloquio custodire.“ Hildemar, Cap. VI, S. 206. 136 „Sequitur: Verba vana aut risui apta non loqui. Sic enim dicit Paulus apostolus: Stultiloquium aut scurrilitas, quae ad rem non pertinet, sed magis gratiarum actio. Vana verba et stultiloquium unum signi cant et attinent ad inspipientes, scurrilitas et risui apta unum signi cant et possunt attinere etiam ad sapientes. Quae verba possunt esse pro cua et sapienter dicta, et tamen, quia risum movent, ideo dicuntur risum moventia. Sequitur: Risum multum aut excussum non amare. Non dixit, non ridere, sed dixit, non amare. Multum attinet ad frequentiam, excussum autem ad illum risum, qui in alto t, qui etiam cachinnus vocatur.“ Hildemar, Cap. IV, S. 172. 137 „Decimus humilitatis gradus est, si non est facilis ac promptus in risu, quia scriptum est: ‚Stultus in risu exaltat vocem suam.` Facilis ac promptus quamvis possiut unum esse, tamen potest etiam aliud esse facilis et aliud promptus. Nam facilis attinet ad illum, qui cito in risu movetur, promptus autem ad illum, qui intentus est risui vel paratus. Et item facilis intelligitur levis, citus; promptus autem, i. e. paratus. In hoc enim loco cum dicit: non sit facilis ac promtus [sic] in risu, non dicit, ut monachus nunquam rideat, sed non sit facilis ac promtus [sic] in risu, quia scriptura divina non prohibet, hominem hilaritatem spiritalem habere, cum ait: Hilarem enim datorem diligit Deus. Et iterum: Jucundus homo, qui miscretur et commodat. Et rursum: Sermo bonus super datum optimum et reliq. Quod dicit: Stultus in risu exaltat vocem suam, i. e. ridendo exaltat vocem, sicut laici faciunt, qui granditer rident, h. e. cachinnant; sciendum est enim, quia sunt multi, qui, quamquam in voce non exprimant sonum in risu, tamen, si in corde super uam laetitiam habuerint, apud Deum magnus risus est.“ Hildemar, Cap. VII, S. 260 f. 138 Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 9 f.

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nedikt von Aniane, 139 Petrus Cantor, 140 Bernhard von Clairvaux 141 und im „Flores omnium paene doctorum“ 142 des 14. Jahrhunderts wieder. Auch wenn die Klosterregeln in Bezug auf Selbstbeherrschung vielfach den Weg der Mäßigung propagieren, ist die Ausübung dieser Selbsttechniken anders gelagert als in den Heiligenviten. Es geht dabei weniger um eine individualisierte Wahl, sondern um die Unterordnung der Akteure unter eine kollektive Verhaltensvorgabe. Auch hier gibt es politische, religiöse und ethische Bezugspunkte. Indem monastische Gemeinschaften ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen, haben sie auch Anteil an der Macht. Daher wird die individualisierte Gewissensprüfung durch kollektive Regulationsmechanismen ergänzt. Durch die weitverbreitete Vorgabe der Mäßigung wird deutlich, wie selbstverständlich die Vorstellung der möglichen Bändigung des Lachens war. Zum Teil ist diese Zuversicht jedoch zurückgenommen, wenn über das Hervorrufen von Lachen strengere Sanktionen verhängt sind. Im monastischen Kontext reiht sich die Regulierung des Lachens in andere asketische Praktiken der Körperbeherrschung ein. In einigen Regeln wird deutlich, dass die Einsicht mittels Bibelstudium als ein Weg zur erfolgreichen Selbstdisziplinierung verstanden wurde. Das Nachlesen und Nachprüfen in der Heiligen Schrift sollte die Beherrschung dessen fördern, was sich nicht völlig verhindern und überwinden lässt. Im Zentrum der Kritik von kirchenrechtlichen Bestimmungen stand besonders lautes Gelächter, cachinnationes. Die entsprechenden Textbelege sollen an dieser Stelle behandelt werden, da sie einerseits zwar nicht das Lachen erlauben, aber andererseits es auch nicht verbieten, sondern meist indirekt auf eine Mäßigung abzielen. Auf dem Pariser Konzil im Jahre 829 wandte man sich gegen alles, was schallendes Gelächter hervorruft. 143 Hinkmar von Reims ergänzt in seinem Verbot von 852, auf welches im Folgenden noch näher eingegangen wird, den Begriff des Lachens mit dem Wort inconditus, plump. 144 Gratian warnt 1140 vor den Gefahren weltlicher Feste und ihren Begleiterscheinungen für Geistliche. Diese sollten sich daher nicht betrinken, nicht 139 Benedikt von Aniane bezieht sich dort unter anderem auf die Regel von Sanctus Ferreolus. Benedictus 〈de Aniane〉: Concordia regularum, cap. XX–XXI, 862–864. 140 Venerabilis Petri: Verbum abbreviatum, cap. LXVII, pag. 203, col. C. 141 „Risus et joci inutiles conscientiam vanam ostendunt sanctimonialis feminæ: plerumque quale sit cor feminæ sanctimonialis, demonstrat risus et jocus turpis. Non enim illa imprudenter rideret, si cor castrum haberet: nunquam rideret lascive, si lasciviam non habere in mente.“ Bernhard 〈de Clairvaux〉: Liber de modo bene vivendi, LXV, 1295D. Im weiteren Kontext dieser Textpassage und in anderen Texten von Bernhard nden sich jedoch auch striktere Aussagen, wie weiter unten noch diskutiert wird. 142 Vgl. Coulton, G[eorge] G[ordon]: Five Centuries of Religion, 1923, S. 80, Anm. 5. 143 „[. . . ] magis convenit lugere, quam ad scurrilitates & stultiloquia, & histrionum obscœnas jocationes, & ceteras vanitates [. . . ] in cachinnos ora dissolvere.“ Concilium Parisiense, 562. 144 „Ut nullus presbyterorum ad anniversariam diem, vel tricesimam tertiam, vel septimam alicujus defuncti, aut quacunque vocatione ad collectam presbyteri convenerint, se inebriare

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Beifall klatschen, keine selbstgefälligen Geschichten vortragen oder diese als Lieder darbringen, vor allem aber nicht plump lachen. 145 Die Art des Lachens ist mit inconditus näher in seiner Qualität spezi ziert und somit nicht als eine Pauschalaussage zu werten. Ein Gradual aus Moosburg von 1360 enthält eine Reihe von cantiones für den Gebrauch bei der Wahl des Knabenbischofs zu Weihnachten. Nachdem der Dekan ein Dekret des Konzils von Lyons aus dem Jahr 1274 gegen die cantiones zitiert hat, schreibt er unter anderem, dass die weltlichen parliamenta, Lärm und lautes Gelächter, 146 nicht die Oberhand gewinnen sollen. 147 Die Wortwahl wirkt nachsichtig, denn es betrifft den Lärm, das laute Gelächter, welches nicht gänzlich verboten scheint, sondern ein bestimmtes Maß an Lautstärke nicht überschreiten soll. Auch Bischof Grandisson von Exeter erwähnt das Lachen. Er sprach sich im Kontext von „Kirchenspielen“ 1360 mehrfach dagegen aus, de niert es aber zugleich näher. Zum einen meint er insbesondere das laute Gelächter des Spotts mit dem Ausdruck seu risibus et cachinnis derisoriis und zum anderen das plumpe Lachen mit dem Begriff risum incompositum. 148 In ähnlichem Kontext stehen die Formulierungen des Konzils zu Basel 1435, die besagen: „Schändlich ist auch jener Mißbrauch . . . (bei dem) 149

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præsumat, nec precari in amore sanctorum vel ipsius animæ bibere, aut alios ad bibendam cogere, vel se aliena precatione ingurgitare: nec plausus et risus inconditos, et fabulas inanes ibi referre aut cantare præsumat, nec turpia joca cum urso vel tornatricibus ante se facere permittat, nec larvas dæmonum, quas vulgo talamascas dicunt, ibi anteferre consentiat: quia hoc diabolicum est, et a sacris canonibus prohibitum.“ Hincmar 〈von Reims〉, PL 125, I., 710 capitula presbyteris data anno 852, cap. 14, Sp. 776. „Nullus presbiterorum, quando ad anniuersarium diem, trigesimum, aut septimum, uel tertium alicuius defuncti, aut quamcumque uocatione ad collectam presbiteri conuenerit, se inebriare ullatenus presumat; nec precatus amore sanctorum uel ipsius animae bibere, aut alios ad bibendum cogere, uel se aliena precatione ingurgitare; nec plausus et risus inconditos, et fabulas inanes ibi referre, aut cantare presumat, aut turpia ioca uel urso uel tornatricibus ante se eri patiatur; nec laruas demonum ante se ferri consentiat, quia hoc diabolicum est et a sacris canonibus prohibitum.“, Gratian: Decretum, pars prior, S. 158. An dieser Stelle steht das Wort cachitus, welches im Kontext von clamor wohl lautes Gelächter meint. „Ne igitur propter scholarium episcopum, cum quo in multis ecclesiis a juniore clero ad specialem laudem et devotionem natalis Domini solet tripudiari, saecularia parliamenta nec non strepitus clamorque et cachitus mundanarum cantionum in nostro choro invalescant, ex quibus sacerdos in altari divina celebran frequentis abstrahitur, disciplina choralis confunditur, nec non popularis devotio in risum et lasciviam provocatur [. . . ]“, Analecta Hymnica Medii Aevi, 20, S. 22 f. „Ex quorum gestis, seu risibus et cachinnis derisoriis, nedum populus, more Catholico illis potissime temporibus ad Ecclesiam conveniens, a debita devocione abstrahitur, set et in risum incompositum ac oblectamenta illicita dissolvitur; Cultusque Divinus irridetur et Of cium perperam impeditur [. . . ]“, John de Grandisson, S. 1214. Übernahme der Zeichensetzung von Jacobelli, Maria Caterina: Ostergelächter. Sexualität und Lust im Raum des Heiligen, 1992, S. 33.

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einige die Menschen mit Masken und Theaterpossen andere mit Reigen und Freudentänzen Männer und Frauen zu Spiel und lautem Gelächter reizen.“ 150 Anhand dieses Beschlusses wird nochmals deutlich, dass es keinesfalls um das Lachen an sich geht, sondern vielmehr um den gesamten Rahmen, die Maßlosigkeit der Feierlichkeiten und die Unschicklichkeit der Ausschweifungen und ganz konkret wiederum um die Lautstärke des Gelächters. Ein Bericht aus Patti von 1537 äußert Kritik an einem Geistlichen, der „[d]ort stieg [. . . ] auf die Kanzel, von der man sonst das Evangelium zu lesen und das Wort Gottes zu predigen p egte, und begann albernes, unanständiges, verwerfliches und lasterhaftes Zeug zu reden, um damit Männer und Frauen zu unterhalten und zu lautem Gelächter zu reizen.“ 151 Auch hier ist das Hauptproblem wohl eher der Gesamtzusammenhang, der sakrale Ort, die Predigt als Teil des Gottesdiensts, die Art der Rede und die Absicht, um jeden Preis zu unterhalten. Wiederum gilt der Einwand in dem insgesamt negativ bewerteten Kontext nur dem lauten Gelächter. Alle genannten Quellenzitate zeigen, 152 dass die Mäßigung des Lachens auf verschiedene Weise erzielt werden kann, zum Beispiel durch die geringere Lautstärke oder Häu gkeit. Eine weitere Möglichkeit, dass das Lachen nicht den gesamten Körper erfasst, wird weiter unten noch behandelt. Insgesamt wird deutlich, dass die Mäßigung ein allgemeines Ideal darstellte, welches sich auch auf andere Verhaltensweisen bezog wie etwa das Reden oder den Genuss von Wein. Dabei darf man in diesen Zusammenhängen wohl weder ein generelles Verbot im Mittelalter noch ein pauschales im monastischen Bereich annehmen, welches dominierend auf die gesamte Gesellschaft ausstrahlte. Die Mäßigung kann vielmehr als Ausdruck der Selbstbeherrschung sowohl ein religiös-asketisches als auch elitär-soziales Ideal verkörpern und dadurch bestimmte Akteure in ihrer Darstellung aus der Allgemeinheit hervorheben. Es lassen sich sogar Unterschiede im Grad der Mäßigung feststellen, so dass in den kirchenrechtlichen Bestimmungen in Bezug auf die Gemeinde in ihrer Gesamtheit oder auf den Geistlichen im Einzelnen von einer Vermeidung des lauten, plumpen und ähnlich charakterisier150 „Turpem etiam illum abusum [. . . ] alii larvales et theatrales iocos, alli choreas et tripudia marium ac mulierum facientes homines ad spectacula et cachinnationes movent.“ Concilium Basileense anno 1431–1437, sessio XXI, S. 492, deutsche Übersetzung zit. nach Jacobelli, S. 33. 151 „[. . . ] qui etiam pulpitum ascendens: ubi sacrum Evangelium legi, et verbum Domini predicari solet, enunciat verba vana, turpia, damnabilia et viciosa, ut moveat mulieres et viros ad spectacula, et cachinnationes.“ Corrain, Cleto / Zampini, Pierlugi: Documenti etnogra ci e folkloristici nei sinodi diocesani italiani, 1970, S. 262, deutsche Übersetzung zit. nach Jacobelli, S. 33. 152 Zwei weitere Beispiele anderer Textgattungen, die sich auf eine Mäßigung des Lachens beziehen, nden sich bei Paulinus von Aquileia, der einem gewissen Heiric rät, die Gefahren des unwürdigen und exzessiven Lachens zu vermeiden, und bei Gratian, der Geistliche warnt, sie sollten nicht plump lachen. Beide Belege werden an späterer Stelle noch eingehender diskutiert.

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ten Lachens, zumeist mit cachinnare umschrieben, Abstand genommen werden soll. In den Heiligenviten und monastischen Regeln ndet sich ebenfalls diese Wortwahl, aber auch die von ridere. Neben die kollektive Regulierung von Übertreibungen der Gemeinde oder Verstößen gegen Schweigegebot 153 und weiteren Formen der Selbstbeherrschung im monastischen Bereich treten individualisierte Selbstbeobachtung der Geistlichen oder frommen Akteuren in Heiligenviten und weiteren Texten mit ähnlicher Erzählabsicht der Betonung von hervorragenden Selbsttechniken.

3.1.3 Lachen

Wie gezeigt, tritt neben das Ideal des Nicht-Lachens das des gemäßigten Lachens. Bislang ist dieser Befund als Reglementierung des Lachens gedeutet worden. Die ausgedrückten Einschränkungen und Mäßigungen sind jedoch nicht nur Belege für eine Reglementierung in Richtung des Nicht-Lachens, sondern können gleichermaßen auch als Hinweise auf die Bejahung des Lachens interpretiert werden: Die bisher erörterten Beispiele zeigen die Heiligen in oben diskutierten Ausnahmefällen als nicht lachende, viel häu ger aber als lachende Protagonisten. Auch das Vorhandensein eines Ideals der Mäßigung ganz allgemein sowie speziell in Bezug auf das Lachen soll hier nicht bestritten werden. Daneben gibt es jedoch auch Belege dafür, dass das Lachen weniger zurückhaltend dargestellt werden konnte, 153 Das Schweigegebot hatte zur Entwicklung von Zeichen für eine gewisse Anzahl von Wörtern geführt, die im monastischen Bereich für den Alltag benötigt wurden. Diese Zeichen, die aus Handgesten bestanden, sind für die Zeit vom 10. bis zum 12. Jahrhundert als schriftliche Listen überliefert. Das Zeichensystem wurde für individuelle Bedürfnisse und organisatorische Fragen verwendet. Die schriftlich xierten Listen waren für die Novizen gedacht, die ein eingeschränktes Zeichenvokabular erlernten, die auch der Instruktion und der Zurechtweisung dienen konnten. Die Zeichen mussten vor dem Ablegen des Gelübdes erlernt werden und wurden von den Novizen bis dahin auch verwendet in den Bereichen und zu den Zeiten, in denen für alle das Sprechen im Kloster untersagt war. Bei den Zisterziensern gibt es sogar Hinweise darauf, dass der Novizenmeister die Zeichen während der Zeiten des Schweigens auch zum Unterrichten gebrauchte. In einer im Kloster Hirsau verwendeten Liste aus dem späten 11. Jahrhundert hat auch die Bezeichnung des Lachens Eingang gefunden. In Hirsau wurde das Schweigegebot strikter interpretiert und auch auf die Novizen ausgeweitet. Es war insofern vermutlich notwendig, auch das Lachen mit in die Liste aufzunehmen, um Verhaltensweisen zu instruieren und ebenfalls auf Vergehen schweigend hinweisen oder anzeigen zu können. Aufsichtspersonen patrouillierten die unterschiedlichsten Bereiche des Klosters und gaben Berichte über Vergehen ab. Bemerkenswerterweise ist das Lachen mit zwei weiteren Bezeichnungen in einer Unterkategorie zusammengefasst, dem Nasenbluten und dem Erbrechen, alles eruptive Ausbrüche des Körpers. Bruce, Scott G.: Silence and sign language in Medieval monasticism. The Cluniac tradition c. 900–1200, 2007, S. 12, 50. 54, 62 f, 69, 78, 120–122, 162.

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es trotz des Ideals der Mäßigung uneingeschränkt Heiligen zugeordnet wird. Eine entsprechend explizite Formulierung ndet sich in dem Fall des im 6. Jahrhundert lebenden Heiligen Simeon, in dessen Vita mit den Worten in risum effusus ein stärkerer Ausbruch des Lachens ausgedrückt wird. 154 Eine derartige drastischere Darstellung des Lachens von Heiligen ist kein Einzelfall. Eine besonders herausstechende Beschreibung liefert ein Vitenverfasser im 12. oder 13. Jahrhundert für den Seligen Bernardus Poenitens, der aufs Heftigste in ein Lachen ausbrach, in vehementissimum risum prorupit. Der Verfasser wählt diese Worte ohne Not, wie das an späterer Stelle noch zu behandelnde Beispiel der Heiligen Elisabeth aus dem 13. Jahrhundert zeigt. Auch bei ihr geht es wie bei Bernardus beim Lachen um eine Reaktion auf die Verehrung zu Lebzeiten. Das Lachen der Heiligen hat in einem solchen Zusammenhang folglich seinen Platz in der Darstellung, aber es bestehen durchaus Gestaltungsmöglichkeiten in dessen Ausmaß, in dem Fall Elisabeths nur mit dem Begriff ridere umschrieben. 155 Weitere Beispiele liefern die Selige Alpais, die auf eine Anfrage hin lachend antwortet, 156 ähnliches ndet sich beim Heiligen Jacobus Mevanas, der auf eine Bitte um Rat fröhlich lachend antwortet 157 und die Heilige Benevenuta reagiert auf die Worte einer Mitschwester, indem sie als kräftig lachend, fortiter ridendo, beschrieben wird. 158 Von einer Mäßigung ist in all diesen Beispielen keine Rede. Erst bei dem negativ bewerteten schallenden Gelächter ist die Grenze des Erträglichen überschritten: Die Freude der Königin Margarita von Schottland ging nicht in schallendes Gelächter über. 159 Gründe für die Ablehnung des lauten Lachens sind dessen Zusammenhang zur negativen Vielrederei und die Bejahung des positiv besetzten Schweigens wie im Fall der Heiligen Margarita Hungarica. 160 Ähnliches gilt auch für den Fall der Heiligen Lidwigis, die nie aus Leichtfertigkeit lachte und zudem nie in der 154 „Quid ad hæc Symeon? in risum effusus“, AS, Maii V, Dies 24, S. Simeon Junior Stylita, prope Antiochiam Syriae, pag. 321, col. F, 40. Dieses Beispiel wird im nächsten Kapitel eingehender vorgestellt. 155 „Ridebat illa, totumque pro nihilo habebat, atque istuc ipsum insipientiæ attribuebat.“, AS, Aug. VI, Dies 31, B. Elisabetha seu Isabella virgo regia, prope Fanum S. Clodoaldi in Agro Parisiensi, cap. I, pag. 799, col. B, 4. 156 „Cui ipsa ridendo respondit [. . . ]“, AS, Nov. II, Pars i, Dies 3, B. Alpais virgo, Cudoti in territorio Senonensi, lib. IV, cap. II, VIII, pag. 202, col. A, 8. 157 „Tunc Frater Jacobus hilaris et affabilis alacriter ridendo ait: Placet valde, quod petis.“, AS, Aug. IV, Dies 23, B. Jacobus Mevanas, ex Ordine Praedicatorum, Mevaniae in Umbria, cap. I, V, pag. 730, col. A, 8. 158 AS, 1. Oct. XIII, Dies 29, B. Benevenuta Bojana, Virgo ex Ordine FF. PP. Forojulii in Italia, cap. VI, pag. 164, col. E, 55. 159 „Numquam hilaritate nimia in cachinnum soluta, numquam irascendo fuerat in furorem effusa.“, AS, Jun. II, Dies 10, S. Margarita, Regina Scotiae, Edimburgi, cap. I, pag. 329, col. E, 8. 160 „Erat paucis contenta verbis, ideoque laudabilem taciturnitatem mire amabat: subridere quidem aliquando, sed in cachinnum numquam laxari visa est. Laudari se permoleste patiebatur,

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Form des lauten, schallenden Gelächters. 161 Durch diese Formulierung scheint in doppelter Weise bestätigt zu sein, dass die Heilige durchaus lachte: Sie lachte, aber nicht aus Leichtfertigkeit, sie lachte, aber nicht schallend. In der Vita der Heiligen Maria Aegyptia tritt der Topos des geläuterten Lebenswandels zutage. Der Kontrast wird anhand von Späßen und albernem, schallenden Gelächter hergestellt. 162 Durch diesen Ausschluss von cachinnus wird das Lachen, risus, nicht verworfen, sondern im Gegenteil erst möglich. Deutliches Signal dafür ist die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe, wobei das laute Gelächter, cachinnus, unter anderem Gegnern der Heiligen zugeschrieben wird. 163 Für Heilige kommt es nicht zuletzt deshalb als Darstellungsmotiv nicht in Frage, weil es den Mangel an Selbstbeherrschung ausweist. Es stellt ein inakzeptables Extrem dar. Damit ist Lachen in Form von risus jedoch nicht per se ausgenommen. Aus derartigen Beispielen lässt sich ableiten, dass nicht unbedingt das Lachen allein gemeint ist, sondern das Übermaß und abzulehnende Begleiterscheinungen oder gar Ursachen. Die Auflistung und Argumentation mag penibel wirken, weist jedoch auf eine notwendige Offenheit der Interpretation hin, um zu einem ausgewogenen Bild der Bewertungs- und Darstellungsvarianten des Lachens der Heiligen zu kommen. Das Extrem von cachinnus ist ausgeschlossen, welches im gleichen Zuge aber auch die Möglichkeit für ein anderes Lachen, risus, eröffnet. Die Heiligen werden eindeutig lachend dargestellt. Es gibt wie gezeigt Formen der Abmilderung wie die Mäßigung des Lachens in Art und Häu gkeit. Im Folgenden bleibt zu klären, ob Objekte und Kontexte als Erklärungen, gar als Entschuldigungen für das Lachen verstanden werden können. Mäßigung des Lachens ist zwar gleichbedeutend mit einer Reglementierung des Lachens, darf aber nicht gleichgesetzt werden mit dessen Ablehnung. Denn bestünde eine allgemeine negative Einschätzung des Lachens, kann kaum hinreichend begründet werden, warum in einigen Fällen die Wortwahl weniger vorsichtig ausgefallen ist. Von den Begrifflichkeiten her gefragt, lachen die Heiligen. Die untersuchten Beispiele legen den Schluss nahe, dass schallendes Gelächter, mit dem Wort cachinnus belegt, für die Heiligendarstellung keinesfalls in Betracht kommt. Die Vitenverfasser belegen die Darstellungen nicht immer mit einer adverbialen Form von Mäßigung, sondern lassen die Heiligen sogar heftig lachen, so-

jactantiæ vel minimum verbum ex ejus ore nemo unquam audivit.“, AS, Jan. III, Dies 28, B. Margarita Hungarica, Virgo Ordinis Praedicat, cap. II, pag. 707, 7. 161 „Nemo cachinnantem eam vidit, ridere vix umquam ex levitate percepit.“, AS, Apr. II, Dies 14, B. Lidwigis sive Lidwina, Virgo, Schidami in Hollandia, cap. I, pag. 320, col. F, 73. 162 „[. . . ] Suppleo præteritæ scelus et dispendia vitæ, Muto jocis hymnos, purgo mœrore cachinnos, Pœna voluptatem redimit, sitis ebrietatem, Paupertas luxum, labor otia, glarea mulsum, Crux mollem stratum, devotio sancta reatum.“, AS, Apr. I, Dies 2, S. Maria Aegyptia poenitens, in Palaestina, cap. III, pag 88, col. B, 34. 163 Dies wird im Kapitel zu den Akteuren des Lachens noch ausführlich diskutiert.

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fern es sich um ridere handelt. 164 In weiteren Untersuchungsabschnitten ist daher den Fragen nachzugehen, welches Ausmaß das Lachen in Körper und Geist haben kann, und weiter, welche Objekte, Kontexte und Funktionen des Lachens sich nden lassen beziehungsweise ausgeschlossen sind.

3.1.4 Ausmaß in Körper und Geist

Anders als es die Ausführungen von Suchomski und Le Goff vermuten lassen, ndet sich bereits in dem im Mittelalter rezipierten Traditionsgut vergleichsweise wenig zu einer Unterscheidung von zwei Arten des Lachens und zwei der Freude. Zwischen gaudium und laetitia hatte lediglich Cicero eine Distinktion geschaffen, welche soweit bekannt nur Isidor von Sevilla übernahm. Wie weiter oben gezeigt hatte Thomas von Aquin hingegen Lachen und Fröhlichkeit als gleichwertige Folgen von Freude verstanden. Eine Differenzierung von körperlichem und geistigem Lachen gab es in dem in der Forschung diskutierten Material vor dem Mittelalter bei Gregor dem Großen und bei Ephräm. Inwiefern diese Unterscheidungen in den Heiligenviten vorgenommen werden, steht im Zentrum der folgenden Analyse. Auffällig in den Darstellungen ist die Bezugnahme auf das Lachen, welches nur das Gesicht als Teil des Körpers erfasst. Daneben gibt es auch Beispiele, in denen das Lachen des Gesichts ins Verhältnis zum Körper insgesamt gesetzt wird. Zudem sind weitere Belegstellen aufschlussreich, die das Lachen in Verbindung mit bestimmten körperlichen Situationen oder geistigen Zuständen sehen. Das Lachen kann bei den Heiligen unterschiedliches Ausmaß und unterschiedliche Auswirkungen im Körper haben. Häu g bezieht sich die Beobachtung auf das Gesicht, facies, vultus oder os, als den einzigen Körperteil, den das Lachen erfasst. Die Darstellung folgt den beschriebenen Mustern der Mäßigung, welche hier im Körper verortet wird. 165 Demnach kann das Gesicht fröhlich sein, aber die dazugehörige Gefühlsregung erfasst nicht den Körper in Form von Lachen. Dies wird anhand der weiter oben 164 Es verwundert nicht, dass die bisherige Forschung nicht zu einem solchen Ergebnis kommen konnte, da andere, im Kontext des Lachens untersuchte Textgattungen nicht unbedingt diese drastische Darstellungsweise gewählt haben. Diejenigen, die sich auf das laute Gelächter beziehen, sind mit dem fehlenden Hintergrund der Heiligenviten missverstanden worden als Versuche, das Lachen generell zu unterdrücken. Der Mangel an expliziten positiv formulierten Normen in anderen schriftlichen Zeugnissen bedeutet jedoch nicht zwingend, dass deshalb das Gegenteil stark gemacht werden sollte. 165 Derartige Vorstellungen nden sich generell in „Darstellung[en] des Äußeren, Descriptio, Characterismos in Beschränkung auf die körperliche Erscheinung“, wenn zum Beispiel Einhard über Karl den Großen über dessen Körperbau, von „hervorragender Größe, die jedoch das richtige Maß nicht überschritt“ schreibt. Vgl. Berschin, Walter: Personenbeschreibung in der Biographie des frühen Mittelalters, 1994, S. 186 u. 188.

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kurz erwähnten Vita der Äbtissin Lioba aus dem 9. Jahrhundert deutlich, deren Heiterkeit sich niemals in Lachen aufgelöst habe. 166 Die Beschreibung des Bischofs Ludgerus, zugleich Apostel der Sachsen, in der bis zum 12. Jahrhundert verfassten Vita zielt ebenso auf das heitere Gesicht ab, welches nicht leicht am Lachen war. 167 Im 12. Jahrhundert berichtet Bernhard von Clairvaux in einer Vita über Bischof Malachias von Connor in Irland, mit welchem er befreundet gewesen war, und dessen innerer Schönheit, Stärke und Reinheit deutlich in seinen Sitten, seiner gleichbleibenden äußeren Erscheinung, aufs äußerste gemäßigt und geziemend. Seine Lebensführung könne keinen Anstoß erregen. Bernhard bezieht sich auf Gang, Anblick, Habitus und Gesicht: Weder habe Trauer oder Betrübnis die Heiterkeit des Gesichtsausdrucks verdunkelt, noch Lachen sie zusätzlich aufgeheitert. 168 Malachias ist in allem sehr diszipliniert und von allen Anzeichen der Tugendhaftigkeit geformt. Bernhard schreibt ganz explizit über den Zusammenhang von inneren Werten, die äußerlich im Körperlichen sichtbar werden. In allen drei genannten Beispielen ist der Ausdruck des Gesichts mit Heiterkeit, hilaritas, bezeichnet, die nicht oder nicht leicht in ein Lachen überging. Bernhards Darstellung unterscheidet sich insofern, als er die Heiterkeit als sowohl von Betrübnis als auch Aufheiterung unbeein usst verstanden wissen will. Daneben gibt es Beispiele, die explizit auf ein Lachen und nicht nur eine Heiterkeit im Gesicht verweisen. In der Beschreibung von Abt Theodericus aus dem 11. Jahrhundert zeigen sich bereits in der Jugend des Heiligen positive Eigenschaften in seinem Auftreten, in der Beherrschung seines Körpers in all seinen Teilen: Der zu Boden geneigte Kopf lässt Demut erkennen, die Schultern, Hände, Füße und Arme Ordnung und Ruhe und mit gesenkten und demütig herunterblickenden Augen war ein Lachen in seinem Gesicht selten. 169 Der Gegenbegriff zu Demut könnte demnach 166 „Et cum lætam semper faciem præferret, nunquam hilaritate nimia resoluta est in risum“, AS, Sep. VII, Dies 28, S. Lioba seu Leobgytha, alias Truthgeba, virgo abbatissa, in Germania, Pars II, pag. 764, col. E, 14. Beachtenswert ist die Wortwahl laetus, fröhlich, abgeleitet von laetitia für einen geistlichen Text. In anderen Textquellen ist der Ausdruck facie laeta et hilari oder facies laeta et hilaris gängig, scheint aber tatsächlich „eher aus dem Bereich der Heiligenals der Herrscherdarstellung“ zu stammen. Vgl. Berschin, S. 188 f. 167 „[. . . ] vultu hilaris, non tamen facilis in risu, [. . . ]“, AS, Mar. III, Dies 26, S. Ludgerus Mimegardeuorsensis Episcopus in Westphalia, Saxonum Apostolus, cap. II, pag. 644, D, 8. 168 „Denique vultus hilaritatem nec fuscavit maeror, nec levigavit risus.“, AS, Nov. II Pars I, Dies 3, S. Malachias, episcopus Connerthensis in Hibernia, Vita S. Malachiae, cap. VI, pag. 157, col. B, 24. 169 „Incedebat quippe humiliter inclinato in terram capite, humeris dejectis, manibus & pedibus, & brachiis pulchre compositis, oculis submissis & humiliter respicientibus, rarus in ore risus, & ipse tenuis erat & moderatus, in genis lachrymæ deprehendebatur frequentius.“, AS, Aug. IV, Dies 24, B. Theodericus, primus istius nominis abbas Andaginensis, in Arduenna silva, Vita auctore anonymo coaevo, cap. II, pag. 851, col. D, 11. Diese Art der Beschreibung, die bereits mehrfach in diesem Kapitel thematisiert wurde, ndet sich interessanterweise auch in „Regieanweisungen“ für Kleriker, insbesondere Beichtväter, die bei der Abnahme der Beichte

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häu ges Lachen als Zeichen von Hochmut sein. Ergänzend wird Theodericus als fein, schlicht und gemäßigt umschrieben, auf dessen Wangen sich häu g Tränen zeigten. Sein Benehmen wird in direkten Zusammenhang mit seinem Geist und seiner Weisheit gebracht. Die Tugendhaftigkeit der Heiligen drückt sich in ihrem Körper aus und in all seinen Äußerungen. Einige Beispiele beruhen besonders auf der Vorstellung, dass die inneren Werte sich im äußeren Erscheinungsbild widerspiegeln. 170 In Bezug auf Johannes Chrysostomus lautet die Begründung für das gesamte Verhalten – gekennzeichnet von Demut, einem erfrischendem Anblick im Gespräch, wohlwollenden und göttlichen Worten mit „Salz“ gewürzt, entgegenkommenden Sitten und einem sanften, ruhigen Lachen im Gesicht – Johannes habe die enge Verbindung von Fehlern und Tugenden erforscht und schließlich die verinnerlichten Sitten inbrünstig gepredigt. In dieser im 7. oder 8. Jahrhundert verfassten Vita wird ebenfalls ein Zusammenhang zwischen dem Lachen und dem Gesicht hergestellt: Mildes Lachen war in dem Gesicht von Johannes Chrysostomus, et risus in vultu placidus, aber es verwandelte sich nicht in schallendes Gelächter – des Körpers – wie man hier ergänzen möchte. 171 Demnach gibt es allein für die Bezugnahme auf das Gesicht drei Darstellungsvarianten, nämlich die Heiterkeit, hilaritas, des Gesichts, die sich nicht (leicht) in Lachen auflöst, dann Lachen, risus, im Gesicht und schließlich Lachen im Gesicht, welches sich nicht in lautem Gelächter, cachinnus, entlädt. Ähnlich wie bei den Darstellungsarten des Lachens allgemein gibt es demnach Formen der Mäßigung des Lachens im Gesicht, ein nicht weiter de niertes Lachen und eine nicht zu überschreitende Grenze, die mit lautem Gelächter markiert ist. Die Bezugnahme auf das Gesicht 172 bedeutet somit nicht per se eine Mäßigung, in dem Sinne, dass sich das Lachen auf das Gesicht beschränkt, sonselbst ein demütiges Gesicht machen und die Augen zu Boden richten sollen, wie auch der Sünder demütig, reuigen Herzens die Augen fest auf den Boden richten soll. Vgl. Freimuth, S. 179 f. 170 Eming weist darauf hin, dass „mit dem pragmatisch-funktionalen Aspekt der Zeichenhaftigkeit von Emotionen [. . . ] ein Gefühlsaudruck sich nicht darin erschöpft, den ‚inneren` Zustand einer Person nach ‚außen` treten zu lassen. Ein Gefühlsausdruck übernimmt auch soziale Funktionen und wirkt in Zeit und Raum.“ Eming, Jutta: Emotion und Expression. Untersuchungen zu deutschen und französischen Liebes- und Abenteuerromanen des 12.– 16. Jahrhunderts, 2006, S. 66. 171 „Mores quidem ipsius erant gratiosi, & risus in vultu placidus, non in dissolutum effusus cachinnum.“, AS, Sep. IV, Dies 14, S. Joannes Chrysostomus, episcopus Constantinopolitanus & doctor Ecclesiae, cap. II, pag. 706, col. B, 13. 172 Die Beschreibung des Gesichts gehört bereits seit der Antike zu Personenbeschreibungen und fand ihren Eingang in frühchristliche und ihre Fortsetzung in mittelalterlichen Darstellungen. Zum „deskriptiven Katalog“ gehörten unter anderem „Körpergröße, Haartracht, Gesicht, Hände, Gewandung“. Allen derartigen Porträts gemein ist eine „Reduzierung der äußeren Erscheinung auf einen Kanon weniger, sich wiederholender Details“, wobei zugleich „derart reduzierte Porträts nicht als Typen aufgefaßt wurden, sondern als Individualdarstellungen.“ Vgl. Berschin, S. 187 u. 190.

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dern die Benennung des Gesichts dient auch als Signalwort, dass daran innere Werte abgelesen werden können. Dies bedeutet, dass das Lachen im Gesicht Ausdruck für eine innere Gesamtverfassung des Lachenden ist im Sinne eines pars pro toto. 173 Folglich erschließt sich die Konnotation des Lachens im Gesicht erst im Zusammenhang des jeweiligen Gemütszustands des Heiligen. 174 In zwei weiteren Belegstellen soll nochmals verdeutlicht werden, dass sowohl die Heiterkeit als auch das Lachen nicht allein im Gesicht verortet werden. In der Vita über den Heiligen Tillo oder Hillonius wird als Grund, weshalb er sich in seiner Heiterkeit niemals in ein Lachen aufgelöst habe, die Reinheit seines Herzens angegeben. 175 Hier erfolgt eine deutliche Bezugnahme auf das Herz als Teil des Körpers. Wie auch bei dem ersten Beispiel der Heiligen Lioba richtet sich der Blick bei Tillo im weiteren Kontext besonders auf das äußere Erscheinungsbild, auf den Ausdruck, den Körper insgesamt und das Gesicht im Speziellen. In den Äußerlichkeiten tritt der Charakter der Heiligen zutage. Positivaussagen zielen auf Gelehrsamkeit, Ehre, Würde, Ruhe, Askese und Wohltätigkeit ab. In der Vita Liobas erfolgt eine Konturierung ex negativo mittels Begriffen wie Arroganz und Hochmut sowie Jähzorn und üble Nachrede. Zwischen diesen Gegensätzen sind auch Heiterkeit und Lachen anzusiedeln. Ein derartiges Lachen macht sich verdächtig, nicht im Einklang mit Bildung, Decorum, Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung zu stehen. Damit ist das Lachen eindeutig mit geistigen Qualitäten in Verbindung gebracht. Die Deutungsmöglichkeiten könnten kaum gegensätzlicher sein und müssen von Fall zu Fall als Erklärungen ausgelotet werden. Metaphorischer drückt sich der Verfasser der weiter oben kurz erwähnten Vita der Äbtissin Herlindis aus dem 9. Jahrhundert aus. Der körperliche Zustand der Nüchternheit kann ebenso den Geist betreffen, der Körper in seiner Gesamtheit ist Träger von Ehrbarkeit und speziell das Herz Sitz von Aufrichtigkeit und Reue. 176 Gleichrangig wie die Nüchternheit wird das Lachen in der Aufzählung nicht näher leiblich 173 Vgl. Schmitt, Jean-Claude: Die Logik der Gesten im europäischen Mittelalter, 1992, S. 27. 174 Vor diesem Hintergrund des Gesichts als pars pro toto sind die Erkenntnisse von Lentes bedeutsam, der sich mit der Kontrolle von Auge, Blick und Angesicht im Zusammenhang von Frömmigkeit und Moraldidaxe beschäftigt hat. Viele der hier genannten Belege zielten auch auf den demütigen, gesenkten Blick ab, durch welchen verhindert werden sollte, dass durch die Augen Sünden aufgenommen werden und den eigenen Innenraum okkupieren. Bemerkenswert ist Lentes Verweis auf die Verknüpfung von imaginatio, imago und imitatio. Lentes, Thomas: Inneres Auge, äußerer Blick und heilige Schau. Ein Diskussionsbeitrag zur visuellen Praxis in Frömmigkeit und Moraldidaxe des späten Mittelalters, 2002, S. 188, 196– 207. Hierzu knapp auch Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 99. 175 „[. . . ] ut nu¯ quam hilaritate nimia resolutus esset in risu.“ AS, Jan. I., Dies 7, S. Tillo sive Hillonius, cognomento Paulus, Solemniaci in Gallia, cap. II, pag. 378, 18. 176 Hier wie auch in vielen der folgenden Belegstellen ist wenig von einer „Verachtung des Körpers“ herauszulesen. Diese Vorstellung hält sich jedoch ähnlich hartnäckig wie die der Lachablehnung. Vgl. Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 27.

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verortet, sondern fügt sich in das Gesamtbild der Körperbeschreibung ein. Die Aufzählung weiterer Tugenden in der Vita des 9. Jahrhunderts gibt einen Hinweis darauf, dass mit dem Begriff des Lachens nicht die körperliche Äußerung allein gemeint ist, sondern damit bestimmte Untugenden verknüpft sind. Auf die ausführliche Beschreibung des Studiums folgend werden weitere „Werke Gottes“ aufgeführt. Gebet und Lektüre schließen inhaltlich an die vorherigen Ausführungen an. Hinzu kommen zwei Formen der Askese, Keuschheit und Nüchternheit, dann die Reinheit von Körper und Geist und schließlich das seltene Lachen sowie die Reue des Herzens. Das häu ge Lachen wird somit zum Symbol des Gegenteils von Reue, für welche Seufzen und Weinen vorgesehen ist, für die damit verbundene Ernsthaftigkeit der Gewissensauseinandersetzung und im weiteren Kontext für Hinwendung zu Gott, für die Beherrschung des Körpers, und für den Zustand der Reinheit. Die Bezugnahme auf den Körper könnte in der Aufzählung in corpore honestior, in corde sincerior, in risu rarior, in compunctione cordis feruentior kaum deutlicher sein. 177 Die Darstellung des seltenen Lachens oder der Begrenzung, dass ein bestimmtes Maß nicht überschritten wurde, ist weiter oben als eine übliche Beschreibung der Arten des Lachens schon eingeführt worden. Aber selbst im Kontext von Aussagen über geistige Qualitäten zieht dies nicht immer unweigerlich eine Aussage nach sich, dass überhaupt keine Heiterkeit oder Lachen zugelassen ist. Die religiösen Praktiken der Heiligen stehen in unterschiedlichem Verhältnis zum Lachen. Die Kontexte sollen an späterer Stelle näher beleuchtet werden. Hier soll ein kurzer Blick auf einige Beispiele genügen, bei denen das Augenmerk auf den Körper gelenkt wird. In den Viten des Heiligen Rudericus und Bavo geht es jeweils um die Erfahrung von körperlichen Leiden. Der Körper des im 8. Jahrhundert gestorbenen Märtyrers Rudericus glich einem Kadaver. Kaum noch geistesgegenwärtig lacht er vielmehr, als die Qualen zu spüren. Die Textpassage ist mit dem Vokabular von Krieg und Sieg eingeleitet, welches auf Körper und Geist des Heiligen als Schauplatz dieses Kampfes verweist. 178 Zwei Deutungsvarianten bieten sich an. Die Marter hat ein solches Ausmaß angenommen, dass nicht nur der Körper kapituliert, sondern Rudericus als natürliche Folge auch nicht mehr ansprechbar ist. Das Lachen wäre demnach wie ein letzter Re ex, eine letzte Reaktion seines benommenen Körpers. Möglicherweise wird aber auch die Trennung von Körper und Geist stärker vorgenommen. Der Heilige zieht sich gedanklich aus seinem Körper zurück und spürt die Schmerzen

177 „[. . . ] in sobrietate paratior, in corpore honestior, in corde sincerior, in risu rarior, in compuncitone cordis feruentior.“ AS, Mar. III, Dies 22, S. Herlindis, Virgo, Abbatissa Masaci in Belgio, cap. I, pag. 387, col. A, 4. 178 Stein-Kecks weist eindrucksvoll auf „die Verquickung des frühen Christentums mit den militärischen Strukturen des römischen Reichs“ und den Soldatenstand als Vorbild für etliche Mönchsregeln hin. Stein-Kecks, Heidrun: „Bonum certamen certare“ – Bilder und Vorbilder für den monastischen Weg zur Heiligkeit, 2007, S. 238–251.

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daher kaum noch. Selbst in seinem Geist ist Rudericus kaum noch gegenwärtig im Übergangsstadium zum Tod. Von diesem Zustand des Entrücktseins her gedacht, dem himmlischen Jenseits nahe, mit dem Wissen des Geistes um den Gewinn des ewigen Lebens, erfolgt eine letzte Äußerung des Körpers im Diesseits, das Lachen als sichtbares Zeichen des Sieges. Die gemarterten Überreste landen im Jahre 757 auf dem Grund eines Flusses. 179 Das Körperemp nden des Heiligen Bavo 180 ist in der Darstellung einer Handschrift vermutlich aus dem 10. Jahrhundert dem von Rudericus entgegengesetzt. Als Konfessor, als einem der sich standhaft zu seinem Glauben bekannte, sei dieser spezielle Heilige nicht durch das Schwert seiner Verfolger niedergeschlagen worden. Dennoch habe er Qualen erlitten, Opfer auf sich genommen und sich mit körperlichen Schwächungen konfrontiert gesehen. Er empfand die Wundmale und Kreuzigung mit und lachte ob dieser Marter. Es wird ausdrücklich betont, dass er auch ohne Blutvergießen das Martyrium erfüllte, durch die Hoffnung auf ewiges Leben die Leiden des menschlichen Schmerzes aber nicht spürte. 181 Die Hervorhebung des Körperlichen liegt vermutlich in dem Bemühen begründet, das Leiden auf eine Stufe mit dem der früheren Märtyrer zu stellen. In diesem Fall ist es bedeutsam, dass der Heilige volles Körperemp nden hat, um sich mittels des Geistes darüber hinwegzusetzen. Dieser Vorgang der mentalen Überwindung des Leidens wird durch das körperliche Lachen symbolisiert. Während die körperlichen Qualen einen negativen Ausgangspunkt des Lachens darstellen, sind die Visionen, die zum Teil auch unmittelbar dem Tod vorausgehen können, positiver Anlass des Lachens. In der Vita 182 des Heiligen Nicolaus Tolentinas wird berichtet, dass aus seinem Zimmer eine fröhliche Stimme vernommen wurde, als er im Sterben lag, und er aus großer Freude heraus zu lachen schien. Gefragt nach seiner Freude und Fröhlichkeit antwortete er, der Herr habe ihm gesagt, er solle gut und gläubig dienen und eintreten in die Freude seines Herrn. Daraufhin befahl er sich mit seinen letzten Worten in die Hände des Herrn mit erfreutem und heiterem Ge179 „qui potius irrideret, quam sentiret tormenta“, AS, Mar. II, Dies 13. S. Rudericus Presbyter, Martyr Cordubae in Hispania, et al.: Passio Ex Apologetico Sanctorum Martyrum ab S. Eulogio conscripto, cap. III, pag. 330, col. D, 12. 180 Der Heilige Bavo starb im 7. Jahrhundert. Dessen Geschichte hat von dieser Zeit an bis mindestens ins 12. Jahrhundert Autoren zur Niederschrift veranlasst. 181 „[. . . ] non præstiterit martyrium, gloria tamen martyris non carebit; quia voto atque virtute potuit esse martyr et voluit. In semetipso vero sponte suscepit omnes pœnas atque supplicia, quibus plerumque humana cedit in rmitas, et a confessione Domini non recessit, immobilis perseverans in opere mandatorum Domini, ita ut ulceribus congaudens et cruciatibus, quælibet inter tormenta rideret. Sed quanquam gladio persecutoris minime truncaretur, implevit tamen sine cruore martyrium. Quas ille pro spe æternitatis humanorum dolorum non pertulit passiones, [fame, . . . ]“ AS, Oct. I, Dies 1, S. Bavo, alias Alloynus, Conf., Gandavi in Flandria: Vita Auctore anonymo ex Ms. S. Audomari, pars III, pag. 234, col B, 26. 182 Der Heilige starb um das Jahr 1305. Die Kanonisation wurde unter Papst Johannes XXII. angestrengt, also spätestens bis 1334.

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sichtsausdruck. 183 Während in dieser Beschreibung der Körper wenig thematisiert ist, verhält es sich im Fall des Seligen Robertus anders, über den einer seiner Zeitgenossen im 15. Jahrhundert schrieb. Nachdem er in Gebeten um ein Martyrium gebeten hatte, wurde er von Krankheit befallen, welche er ohne ein Zeichen der Ungeduld ertrug. Von einem Diener Gottes an den kommenden Verfall seines Körpers erinnert, habe Robertus sich gefreut und sich mit großem Fleiß durch tägliches Bekenntnis und häuge Kommunion vorbereitet. Sein Lebensende wirkt bewegt: In seiner letzten Stunde widerstand er dem Teufel, kam wieder zur Ruhe, um bald mit heiterem und frohem Gesicht den Himmel anzublicken und sich in göttliche Dinge zu vertiefen. Nach dieser Schau noch einmal zu Bewusstsein zurückgekehrt, berichtet Robertus von den geöffneten Himmeln. Lachend und jubelnd mit in den Himmel gerichteten Augen kehrte er zurück zum Schöpfer und den heiligen Erzengeln. 184 Bei Bavo ist die Freude eine innere Bewegung, die sich im Körper manifestiert. Sie ist eine Vorwegnahme des Moments, in dem er den Körper verlassen wird, um in ewige Freude wie zu einem Ort zu gelangen. Robertus an seinen Körper und dessen Verfall erinnert, bereitet sich durch geistige Übungen vor. Welches Ausmaß die Teufelsversuchung und die anschließende Beruhigung in Körper und Geist annehmen, wird nicht näher bestimmt. Bedeutsam ist in diesem Fall der Zusammenhang zwischen Vision und Leiblichkeit: Das Gesehene und die Emp ndung darüber schlagen sich auf dem Gesicht in Form von Lachen nieder. 183 „Postea in cella ejusdem Nicolai vox lætitiæ audiebatur, et ex gaudio magno ridere videbatur. Tunc ejus serviens dixit Nicolao: Quid tibi gaudii et lætitiæ Pater? Idem Nicolaus post multa rogamina respondit: Deus est et Dominus meus Jesus Christus, qui suæ Matri et meo patri Augustino inhærens, dixit mihi: Euge serve bone et delis, intra in gaudium Domini tui. Et dicens ultimo, In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum, junctis manibus ad cœlum, oculis ante crucem levatis, jucundo vultu et hilari spiritum ad Dominum commendavit, anno Domini [. . . ]“ AS, Sep. III, Dies 10, S. Nicolaus Tolentinas, Ord. Eremitarum S. Augustini in Tolentini in Piceno, Vita altera auctore anonymo, pag. 665, col. F, 10. 184 „Ad martyrium pro Christo ferendum vehementer anhelans, precibus multis petebat, ut mereretur pro vitæ Auctore mortem oppetere, vel saltem Dominicas passiones intenso dolore compensare. Immisit Dominus dolores multos & gravem stulam adjunxit, quibus cum ferro, igne & asperis remediis oporteret mederi, nullum visus est impatientiæ signum edidisse. Admonitus a quodam Dei servo de futura corporis dissolutione post menses quatuor, lætatus est, & magno studio præparavit se quotidiana confessione & communione frequenti, repetens passim illud Apostoli: ‚Cupio dissolvi & esse cum Christo.` In ultima hora satan oppugnare tentavit, objectis dubiis circa dei mysteria, quibus ille opposuit Athanasii symbolum, quod & alta voce recitari præcepit. Divino deinde adjutorio speciali pro igato inimico, paulisper requievit, mox hilari & jucundo vultu cælum aspiciens, rerum divinarum contemplatione profunda, mente excessit. E raptu rediens: Video, inquit, cælos apertos, & protinus ridens & exultans, xis in cælum oculis, sub auroram sanctam animam reddidit Creatori in vico sancti Archangeli.“, AS, Oct. V, Dies 10, B. Robertus Malatesta Conf. tertii Ordinis S. Francisci Arimini in ditione Ponti cia, Acta, ex Legenda Ms. auctoris anonymi, cap. I, pag. 147, col E, 6.

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Körper und Geist werden in einem weiteren Beispiel zu den religiösen Körperpraktiken intensiv thematisiert. Im 13. Jahrhundert berichtet der Dominikaner Thomas von Cantimpré recht zeitnah über Christina von St-Trond. 185 Das fünfte Kapitel der Vita befasst sich unter anderem mit der Lebensweise der Heiligen kurz vor ihrem Tod. Ein längerer Bericht 186 schildert ein Zwiegespräch Christinas mit sich selbst, in welchem sie einmal die Rolle des Körpers und einmal die des Geists annahm: 187 Sie schlug ihren Körper, der daraufhin den Geist zum Verlassen seiner irdischen Hülle bewegen wollte, so dass auch er selbst zur Ruhe käme. Begleitet wird dieser Dialog vom Seufzen, Keuchen und Weinen der Heiligen. Nachdem sie kurz zur Ruhe gekommen war und, wie der Verfasser es ausdrückt, in heiligem Gedanken an Gott ungetrübter entbrannte, wurde sie in süßestes Lachen aufgelöst. 188 Sie erhob mit beiden Händen ihre Füße und küsste sie mit größter Zuneigung. Sie erinnerte sich an den Gehorsam ihres Körpers bei ihren guten Taten, an die wohlwollend und geduldig ertragenen Qualen und Arbeit, die der Geist ihm auferlegt hatte. Ganz deutlich soll hier der Körper den Geist zum Zwecke der inneren Ruhe entlassen. Dem quälerischen Prozess folgt Klarheit infolge einer Gottesschau, religiöser Versenkung oder Glaubenseifer und dies drückt sich im Lachen des Körpers aus. Schließlich kommt es sogar zu einer Hinwendung der Heiligen zu ihrem Körper und zu seiner Bejahung. 189 Das Lachen ist quasi Teil dieser positiven Bewertung des Körpers, geht ihr als Symbol voraus und folgt ihr gleichfalls nach. In einem späteren Abschnitt werden die Ereignisse kurz vor dem Tod Christinas behandelt. Dort hält der Verfasser fest, dass niemals jemand in jenen Tagen ein Lachen von dem Gesicht der Heiligen sah, die von übermäßigem Schmerz außer sich war. 190 Sie betet, geht wehklagend umher und trauert, bis sie schließlich entkräf185 Christina von St-Trond galt nicht nur ihrer allgemeinen Mitwelt, sondern auch ihren eigenen Familienangehörigen lange Zeit als Besessene und erst mit der Zeit erkannte man in ihrem Verhalten ihre Heiligkeit. Vgl. hierzu Dinzelbacher, Peter: Ekstase, das zentrale körperliche Phänomen der Mystik, 2012, S. 27 f. 186 Der Bericht in Abschnitt 36 basiert auf der Erinnerung des Abts von St-Trond, der zu Christinas Zeit presbyter der Stadt war. 187 Derartige Dialoge nden sich auch in anderen Heiligenviten, ein prominentes Beispiel liefert Mechtild von Magdeburg in ihrem Werk das „Fließende Licht der Gottheit“, in welchem personi ziert Minne und Seele miteinander kommunizieren. Vgl. Köbele, S. 152. 188 „Haec dicens suspirabat, & anhelabat & ebat. Nec mora; quiescens paululum cum silentio, & cogitatione sancta in Deum sincerius incalescens, in risum dulcissimum resolvebatur, & tollens ambabus manibus pedes suos, cum maximo affectu deosculabatur plantas ejus, [. . . ]“, AS, Jul. V, Dies 24, S. Christina virgo, cognomento Mirabilis, Trudonopoli in Belgio, Vita. Auctore Thoma Cantipratano Ordinis Prædicatorum, cap. V, XXVI, pag. 658, col. E, 48. 189 Langer stellt in seiner Untersuchung zur leibhaften Erfahrung Gottes besonders durch Mystikerinnen anhand von mehreren Beispielen eine „Positivierung von Leib und Sinnlichkeit“ fest. Vgl. Langer, S. 458. 190 „Numquam in diebus illis risum quis vidit de ore ejus, sed erat similis illi, qui nimio dolore

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tet stirbt. Für das Ausbleiben des Lachens der Heiligen wird in dem vorliegenden Fall die plausible Erklärung der körperlichen Schmerzen vor dem Tod abgegeben. Bemerkenswerterweise wird an dieser Stelle das Ausbleiben des Lachens gerechtfertigt, da – in Übereinstimmung mit obigen Belegen – die Adressaten eher ein Lachen erwarten. Möglicherweise soll durch diese Darstellungsweise das Leiden Christinas besonders in den Vordergrund gestellt und nachfühlbar gemacht werden. Wie gezeigt weisen die religiösen Praktiken und Erfahrungen der Heiligen bestimmte Zuordnungen auf: Visionen versetzen die Heiligen in religiöse Verzückung, die sich im Lachen Bahn brechen kann. Körpererfahrungen wie Qualen, Schmerzen und Leiden rufen mitunter ein Lachen hervor, welches obwohl ebenfalls körperlich vermittelt, die geistige Überlegenheit über den Körper und bisweilen auch auf emotionaler Ebene die Überwindung des Diesseitigen und eine Annäherung an die Glückseligkeit des Jenseitigen ausdrückt. Das Beispiel von Christina zeigt, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss. 191 Bußpraktiken hingegen sind ohne Frage mit Seufzen, Keuchen und besonders mit Weinen und niemals mit Lachen verbunden. 192 Abschließend soll noch ein kurzer Blick dem vermeintlichen Gegensatzpaar von Fröhlichkeit und Freude gewidmet sein. Gemäß dem Ordnungsmodell theologischer Lehrsätze wird laetitia dem Körper und dem Diesseits zugeordnet, während gaudium dem Bereich des Geistigen und Jenseitigen angehört. Während „die theologische Interpretation dieser [(von Suchomski aufgeführten) Bibel-] Stellen nicht an der literalen Bedeutung des Wortes „risus“ klebt, sondern es zu dem Begriff der laetitia temporalis ausweitet“, 193 muss die Zuordnung des Lachens innerhalb dieses Schemas anhand der Heiligenviten erst noch überprüft werden. Theoretisch stehen den Vitenverfassern diese Systematisierungskategorien von Diesseits und Körper sowie Jenseits und Geist zur Ausgestaltung der Heiligen guren zur Verfügung. Das Lachen kann grundsätz-

amens effectus est.“, AS, Jul. V, Dies 24, S. Christina virgo, cognomento Mirabilis, Trudonopoli in Belgio, Vita. Auctore Thoma Cantipratano Ordinis Prædicatorum, cap. V, XXXVII, pag. 659, col. A, 50. 191 Magennis hat zwei grundlegende Erzählmuster identi ziert, zum einen die Heiligen „humanly worn down by [. . . ] suffering“ und zum anderen die Heiligen „being transcendently immune from bodily torment“. Vgl. Magennis, Hugh: A funny thing happened on the way to heaven: humorous incongruity in Old English Saints' Lives, 2000, S. 150. 192 Uffmann hat im Kontext ihrer Analyse der Wiederbelebung körperlicher Disziplin die Beobachtung gemacht, dass die Bußpraktiken sich zwar auf den Körper bezogen, diese jedoch nicht von Übertreibung oder gar Leibesfeindlichkeit gekennzeichnet sein sollten, da erkannt wurde, dass durch krankmachende Praktiken die Gebetsp icht vernachlässigt würde. In der Observanzbewegung erkennt Uffmann „eine Wendung gegen die Topoi der körperbetonten und von Krankheit geprägten Frömmigkeitsformen frauenmystischer Texte.“ Uffmann, Heike: Körper und Klosterreform. Leiblichkeit und Geschlecht in spätmittelalterlichen Frauenkonventen, 1999, S. 220. 193 Vgl. Suchomski, S. 14.

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lich beiden Gebieten je nach Ursprung, Motivation und Inhalt zugehören. Bevor das Lachen der Heiligen in diesem Wertesystem zusammenfassend verortet werden soll, lohnt sich zunächst der Blick auf ein Beispiel der „Verkörperung“ von Fröhlichkeit und Freude im Fall des Heiligen Hugo, die von einem Zeitgenossen aus dem 12. Jahrhundert berichtet wird: Ein Zögling des Heiligen stattet diesem noch einen letzten Besuch am Krankenbett ab. Als Hugo dessen Ankunft gemeldet wird, geriet er so sehr außer sich vor Freude, gaudium, und war dermaßen erfüllt von Fröhlichkeit, laetitia, dass er seinen schlechten Zustand vergaß und beinahe aus dem Bett stürzte, um dem Besuch entgegenzulaufen. Die Begrüßung erfolgt unter Freudentränen, prae gaudio lacrymas fundens. Die Fröhlichkeit lässt Hugo den körperlichen Zustand vergessen, der Überschwang der Freude schlägt beinahe in Schädigung des Körpers um. Den anfänglichen Freudentränen folgen später Abschiedstränen. 194 Insgesamt durchziehen die ganze Szene der Krankheit und des Todes aber auch die Begriffe des Weinens und der Trauer. Bemerkenswerterweise schließt sich ein Absatz an, der mit dem Thema des Lachens eingeleitet wird: Lachen, über üssige Worte oder unnütze Gerüchte duldete Bischof Hugo nicht bei seinen Dienern. 195 Er reagierte mit ernster Schelte auf derartiges Verhalten, waren sie es schuldig, die Zeit mit Tränen, Reue und Wehklagen anzufüllen und nicht mit lautem Gelächter, Unfug von Witzen und nutzlosen Reden zu vergeuden. Während im vorherigen Abschnitt die Begriffe gaudium und laetitia ohne Vorbehalte mit dem Körperlichen und Diesseitigen verknüpft sind und der Bericht dadurch zugleich eine sehr persönliche, gefühlvolle Note erhält, scheint der folgende Absatz geradezu einem möglichen Missverständnis vorbeugen zu wollen. Es wird explizit auf das Lachen Bezug genommen, welches jedoch in den Kontext von nutzloser Rede gestellt wird und in der Wiederholung als lautes Gelächter spezi ziert ist. Die Untugenden der Vielrederei und Spaßmacherei sollen vermieden werden. Da Bischof Hugo dies von seinen Untergebenen verlangt, ist anzunehmen, dass diese Maßstäbe selbstverständlich auch für ihn selbst gegolten haben. Auf diese Weise werden die vorher thematisierten Augenblicke der Freude nochmals in das rechte Verhältnis gesetzt und es wird verdeutlicht, dass diese im Angesicht des Todes von einer anderen Qualität

194 Nach Kremer treten „Lachen und Weinen [. . . ] als Verkörperung des Gegensatzes FreudeLeid auf. Im allgemeinen lösen Freude und Leid einander ab, doch gibt es Situationen, in denen sie nebeneinander wirksam sind“, zum Beispiel bei einer „Wiedervereinigung nach langer, schmerzlicher Trennung“. „Überaus große Freude läßt den Menschen auch weinen und lachen, wenn er eine beglückende Botschaft erhält.“ „Ganz anderer Natur ist das Lachen und Weinen in einer Abschiedssituation.“ Kremer, S. 14 f. 195 „Ridere autem, vel otiosis vacare verbis, aut rumores inutiles recitare, servitores suos, nequaquam patienter habebat: statim enim hoc ipsum severa increpatione frænabat; asserens, tempora etibus debita & pœnitentiæ, occupanda lamentis; nec cachinnis, nec nugacibus relationibus, nec otiosis terenda sermonibus.“, AS, Apr. I, Dies 1, S. Hugo Episcopus Gratianopolitanus, in Gallia, cap. VI, pag. 45, col. D, 32.

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ist. Dennoch wird dem Heiligen in der geschilderten Szene sowohl die Freude als auch die Fröhlichkeit zugeordnet. 196 In einem letzten konturierenden Vergleich der Heiligenviten mit anderen Textgattungen ist die Interpretation der Bibelstelle aus dem Buch Kohelet 2,2 durch Hugo von St. Victor beachtlich. Obwohl dort sowohl das Lachen als auch die Freude negativ bewertet werden, gelingt Hugo die Aufrechterhaltung einer qualitativen Unterscheidung. Freude schien ihm nicht unbedingt per se schlecht, operiert er schließlich auch mit dem Begriff gaudium spirituale. Man müsse nur wissen, dass die geistige Freude niemals sich in einem Lachen auflöst. 197 Die Gesinnung, die innere Haltung ist am Lachen nicht abzulesen, selbst maßvolles Lachen ist zweideutig. Daher kommt es als Ausdruck der geistigen Freude nicht in Betracht. Vielmehr ordnete Hugo das Lachen den körperlichen Trieben zu und stellte es als Indiz für Leichtfertigkeit 198 der törichten Freude gleich. Indem Hugo hier den Begriff der Freude – im Unterschied zu Fröhlichkeit, laetitia – einführt, zeigt sich, dass gaudium Gutes oder Schlechtes bezeichnen kann. „Für das sichtbare, körperliche Lachen bestehen jedoch keine verschiedenartigen Wertungsmöglichkeiten.“ 199 Während die Freude nicht unbedingt schlecht sein muss, ist das Lachen verwerflich, weil es in jeder Hinsicht schlecht ist. 200 Im Vergleich zu den anderen Quellenbelegen zeigt sich, dass diese radikalere Unterscheidung Resultat einer Bibelauslegung sein kann, die mit den negativ konnotierten Aussagen bei Kohelet: „Ich sprach zum Lachen: Du bist toll! und zur Freude: Was schaffst du?“ 201 eine strenge Vorlage liefert. Diese Vorstellung wurde jedoch keineswegs durchgängig in andere Bereiche übernommen. Die versammelten Belege verdeutlichen, dass die Darstellung des Lachens von Körper und Geist besonders in den Viten sehr differenziert erfolgt und es keine eindeutige Zuordnung des Lachens und einer damit verbundenen Bewertung zum Diesseits und Jenseits gibt. Die Vitenverfasser benutzen verschiedene Motive in unterschiedlicher Ausgestaltung und Abstufung. Es existieren demnach Belege für eine Legitimität sowohl von geistigem als auch von körperlichem Lachen im sakralen Kontext. In einigen 196 In einem ehemaligen Cluniazenserpriorat in Marcilhac ndet sich eine bildliche Darstellung der himmlischen Freude, welche Menschen erringen können im Fall ihres Sieges über „wilde Gestalten mit Bocksbeinen und fratzenhaften Gesichtern“. Die Personi kation der himmlischen Freude wird als LITITA (laetitia) bezeichnet. Stein-Kecks, S. 246. 197 „Sed sciendum est quod spirituale gaudium nequaquam animum ad risum dissolvit [. . . ]“, Hugonis de S. Victore: In Salomonis Ecclesiasten Homiliae XIX, Homilia VIII, pag. 165, col. A. 198 Vgl. Resnick, S. 93. 199 Suchomski, S. 20. 200 „Notandum quod gaudium tantum arguitur, risus ver omnino reprobatur, quia risus omnimodo malus est; gaudium non semper malum est, nisi quando de malo est [. . . ]“, Hugonis de S. Victore: In Salomonis Ecclesiasten Homiliae XIX, Homilia VIII, pag. 165, col. B. 201 Kohelet 2,2.

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Fällen ist es der schlichte Verweis auf das Gesicht, an welchem das Lachen abzulesen ist, auf welches es beschränkt bleibt, der das Ausmaß des Lachens im Körper absteckt. Die Mäßigung aller Körperbewegungen soll von der (Aus-)Bildung der Heiligen zeugen. Der Körper der Heiligen wird zur Projektions äche ihres Seelenlebens. Die Beschreibungen des Lachens bis hin zu heftigeren Ausbrüchen, die in einem vorherigen Unterkapitel thematisiert wurden, legen die Vermutung nahe, dass neben der Art und Weise des Lachens auch die Objekte, Kontexte und Funktionen eine Relevanz für das Wertesystem haben.

3.1.5 Lachen und Weinen

Lachen und Weinen werden sicherlich vielfach unabhängig voneinander thematisiert. Sofern es jedoch gemeinsam behandelt wird, lassen sich zwei verschiedene in der Forschung so bislang noch nicht aufgefasste Paarungen ausmachen. Der Unterschied fällt recht subtil aus und besteht zwischen der Darstellung von Heiligen, die allgemein von Gemütsruhe gekennzeichnet sind, und der von Heiligen, die als sowohl lachend als auch weinend beschrieben werden. 202 Die eine Variante ist somit als ein „Weder-noch“ exklusivistisch, die andere als ein „Sowohl-als-auch“ inklusivistisch. Die seliggesprochene Königin Mathildis, deren Vita im 10. Jahrhundert auf Geheiß ihres Mannes, König Heinrich I., verfasst wurde, zeichnete sich durch Enthaltsamkeit und eine eben solche Gemütsruhe des „Weder-noch“ aus: Sie verurteilte und verdammte niemanden, selten sah man sie zornig oder erregt und niemand sah sie über das Maß weder trauern noch albern sein oder lachen. 203 Zorn oder Erregung sind Gegenpole nicht zum Lachen allgemein, sondern zu Albernheit und Unmäßigkeit im Lachen. Der Begriff der modestia fällt explizit. In der wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert stammenden Vita des Abtes Galterius wird die Thematik ausgeschmückt. Je nach Standeszugehörigkeit seines Gegenübers weiß der Heilige sich gut zu beherrschen, bene se regere. Er benimmt sich nicht verächtlich, sondern lobenswert. Kennzeichen davon ist auch sein Äußeres: Von Statur aus schlank, hochgewachsen, Decorum im Gesicht, „ein Engel im Anblick“. Keine ungeordneten Handlungen, stets tugendhaft im Habitus. „Nicht leicht im Lachen, nicht schwer in Traurigkeit. Nicht fröhlich im Glück, nicht traurig im Unglück.“ Der Verfasser verliert im Anschluss noch einige Worte über weitere 202 Die bereits erörterten Beispiele des Heiligen Hugo, Christina von St-Trond und Theodericus haben ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Lachen und Weinen hergestellt. Im Kontext von Wunderberichten verwandeln sich die Tränen der Kranken nach einer Heilung in ein Lachen, wie noch an späterer Stelle erörtert wird. 203 „Raro videbatur irata, vel etiam commota: nemo illam vidit ultra modum mœrentem aut ridentem: miro caritas splendore effulsit: modestiæ mirabilis amatrix, & humilitatis placida sectatrix [. . . ]“, AS, Mar. II, Dies 14, B. Mathildis Regina, coniux Henrici Aucupis Regis Germaniae, cap. III, pag. 363, col. B, 13.

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Tugenden, die Gabe des Heiligen zu Predigt und Lehre. 204 Deutlich ins Bild gesetzt sind mit den Formulierungen die Ausgeglichenheit, das rechte Maß und die unerschütterliche Seelenruhe. Auch Bischof Raynaldus, über den womöglich einer seiner Schüler im 13. Jahrhundert schreibt, hat niemand ein Lachen hervorbringen sehen, aber eben auch keine allzu große Traurigkeit. Im Kontext zuvor ist von erlittenem Unrecht durch Kleriker zu hören, deren Vergehen er jedoch nicht mit harten Strafen wie dem Ausschluss vom Gottesdienst ahndete. Sein Herz heftete sich an nichts außer Friede, Frömmigkeit und Freude, gaudium. 205 Wie kein anderer schmückt Bernhard von Clairvaux dieses Motiv der Ernst-Heiterkeit in seiner weiter oben bereits behandelten Vita des Malachias aus. Die Darstellung der Tugendhaftigkeit des Heiligen eröffnet Bernhard mit der Aussage, das erste und größte Wunder, das Malachias gewirkt habe, sei er selbst. 206 Hier noch einmal zur Wiederholung: Weder habe Trauer oder Betrübnis die Heiterkeit des Gesichtsausdrucks verdunkelt, noch Lachen sie zusätzlich aufgeheitert. 207 Bernhard charakterisiert ihn als in allem ernst, aber dabei nicht streng oder nster, als mild, sanft oder scherzhaft, heiter zwischendurch, remissus, aber niemals aufgelöst, sorglos, nachlässig oder ausgelassen, dissolutus. Der noch folgende lange Bericht schließt mit dem anfänglichen Gedanken der Wunderhaftigkeit des Heiligen. Insgesamt ähnelt die Darstellung von Malachias der Totenrede von Bernhard für den Mönch Humbert. Beiden gemeinsam sind eine beschwingte Heiterkeit und die Vermeidung des Lachens wie auch der bedrückten Trauer. Dieses wiederkehrende Motiv gestaltet Bernhard von Clairvaux jedoch mit unterschiedlichem Vokabular aus. Im Unterschied zu dem Motiv der Gemütsruhe, 208 durch welche sich der Heilige weder übertrieben lachend noch weinend oder trauernd zeigt, liefert die Paarung des Lachens und Weinens auch einen inklusivistischen Zugang zu diesen Gefühlsäußerungen. Der Abt Theodericus, dessen zeitgenössische Vita aus dem 11. Jahrhundert 204 „[. . . ] non facilis in risu, non tristitia gravis; non lætus in prosperis, non tristis in adversis; [. . . ]“, AS, Apr. I, Dies 8, S. Galterius, Abbas S. Martini, Ordinis S. Benedicti, juxta Pontisaram in Gallia, cap. I, pag. 758, col. E, 5. Formulierungen wie angelico vultu nden sich auch in merowingischen Biographien, vgl. Berschin, S. 186. 205 „Nemo eum vidit aut mœstitia deiectum aut risu elatum.“, AS, Feb. II, Dies 9, S. Raynaldus Ep. Nucerinus in Umbria, cap. II, pag. 375, col. B, 12. 206 Diese Idee („Et meo quidem iudicio primum et maximum miraculum, quod dedit, ipse erat.“) verfolgt Bernhard öfter, siehe dazu auch Anmerkung a) in: AS, Nov. II Pars I, Dies 3, S. Malachias, episcopus Connerthensis in Hibernia, Vita S. Malachiae, cap. VI, pag. 160, col. E. 207 „Denique vultus hilaritatem nec fuscavit maeror, nec levigavit risus.“, AS, Nov. II Pars I, Dies 3, S. Malachias, episcopus Connerthensis in Hibernia, Vita S. Malachiae, cap. VI., pag. 157, col. B, 24. 208 Gott selbst kann als ruhig und unbewegt gesehen werden, der keine Emotionen des Geistes oder des Körpers zeigt. Nur sehr punktuell nden sich menschliche Beweggründe und Handeln, sogenannte Anthropopathien in der alttestamentlichen Darstellung Gottes, vgl. Screech, S. 42 u. 44.

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stammt, hatte selten ein Lachen im Gesicht, welches dann zurückhaltend und moderat war. Häu ger jedoch fand man ihn kniend mit Tränen vor. 209 Der Heilige legt sowohl das Lachen als auch das Weinen an den Tag, in diesem ungleichgewichteten Dualismus hat aber letzteres Vorrang. Dieses Verhalten des Abts deckt sich mit anderen mittelalterlichen Textgattungen, besonders den monastischen Regeln des Vorzugs des Weinens gegenüber dem Lachen. 210 Derartige Bestimmungen galten nicht nur für Mönche, sondern auch für Nonnen. Leander von Sevilla erklärt das Lachen zur Sünde. Das Lachen sei daher für die Schwestern bzw. für seine Schwester zu iehen wie ein Vergehen. Die irdische, vergängliche Fröhlichkeit soll in Trauer verwandelt werden. Hier erfolgt eine Gleichsetzung von jedem Lachen mit weltlichem Frohsinn. Leander erinnert an die Seligsprechung derer, die während ihrer Pilgerschaft in der Welt trauern: Die über den Herrn trauern, sind gesegnet und werden selbst getröstet werden. 211 Diese Welt ist zur Pilgerschaft bestimmt, denn nicht die Welt ist das Vaterland, sondern der Himmel. 212 Smaragd von St. Mihiel verurteilt in seinem bereits erwähnten Kommentar 213 zur Benediktsregel das Lachen wegen der darin ausgedrückten Leichtfertigkeit und setzt 209 „rarus in ore risus“, AS, Aug. IV., Dies 24, B. Theodericus, primus istius nominis abbas Andaginensis, in Arduenna silva, cap. II, pag. 851, col. D. 210 Althoffs Aufsatz „Tränen und Freude“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch in der mediävistischen Forschung das Augenmerk häu ger auf Tränen und Weinen lag als auf Lachen und Freude. Er diskutiert ausführlich Trauer- und Abschiedsszenen, Buß- und Devistiturrituale sowie Akte der Unterwerfung, liefert jedoch kein konkretes Beispiel für Szenen der Freude und des Jubels. Vgl. Althoff, Gerd: Tränen und Freude. Was interessiert Mittelalter-Historiker an Emotionen?, 2006, S. 4–10. Interessant ist ein Beleg, den Althoff liefert, dass in einer Chronik zur Unterwerfungsgeste der Mailänder Friedrich Barbarossa als unbeeindruckt von den Tränen der Bittsteller beschrieben wird: „des Kaisers Antlitz blieb unbewegt“ und „einzig des Kaisers Antlitz blieb unbewegt wie Fels“, „set [sic!] imperatoris facies non est immutata.“ „set [sic!] solus imperator faciem suam rmavit ut petram.“, vgl. Chronica regia Coloniensis, a. 1162, S. 111, deutsche Übersetzung nach Lautemann, Wolfgang / Schlenke, Manfred: Geschichte in Quellen, 2: Mittelalter, 1970, S. 419. 211 In diesen Worten klingen die Seligpreisungen und die Wehrufe aus Lk 6,21 und 25 deutlich an. 212 „Quod peccatum sit virgini ridere. [. . . ] Risum ergo, soror, ut errorem fuge, et temporalem laetitiam commuta in luctum; ut beati ceris, si peregrina in mundo luxeris; quoniam qui secundum Deum lugent, beati sunt, et ipsi consolabuntur. Peregrinari te in mundo scito; nec hic habere patriam, se in caelo [. . . ]“, Sancti Leandi Regula, cap. XI, pag. 886, col. B. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass die Formulierungen keinen Hinweis darauf geben, dass die Nonnen als Frauen, sofern an diesen größeren Adressatenkreis gedacht werden darf, in einem besonderen Verhältnis zum Lachen stehen, sie eher dazu neigen oder ähnlich denkbare Vorstellungen. Gender-spezi sche Äußerungen nden sich in den Ausführungen Leanders zum Thema des Lachens nicht. Regelungen für das Lachen lassen sich demnach gleichermaßen für Mönche wie auch für Nonnen nden. 213 Smaragd, S. 134, 15–20.

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es in Bezug zum Weinen. Dem „Laster der Nichtigkeit“ entsprechen die nutzlose Rede und das Lachen. 214 Das Lachen lässt Rückschlüsse zu auf die innere Verfasstheit eines Mönchs. Aus diesem soll in der Nachfolge und Nachahmung Christi Wahrheit hervorgehen. Darin ist ihm der Lohn gewiss, dass der Mönch umso glücklicher mit Christus in der Ewigkeit herrschen werde. Lachen hingegen gilt als untrügliches Zeichen mangelnder Gottesfurcht. Die Leichtfertigkeit des Herzens mache, dass der Mönch immer leicht und offenkundig am Lachen ist. Wiederum ist die Rede von schallendem Gelächter, von Lachen mit lauter Stimme. 215 Schließlich sei aber mehr Anlass zum Weinen gegeben im irdischen Tränental: Tränen für die Sünden, für die Schwäche des Körpers, für die Sehnsucht nach dem Schöpfer und der Gemeinschaft aller Engel und aller Heiligen, Tränen zur Befreiung von den Qualen der Hölle und den Fallen des Teufels. 216 Die daraus resultierende Forderung, der Mönch solle mehr von heilbringender Trauer als von der nichtigen Fröhlichkeit geprägt sein, ist „erstaunlich maßvoll“ 217 angesichts dieser vielen Gründe für das Weinen. 218 Lachen und Weinen betrifft gleichermaßen die Heiligen. Beidem kann in der Darstellung eine Mäßigung als Zeichen der allgemeinen Gemütsruhe auferlegt sein. 219 Einige Verfasser haben durchaus die Gefahr des Übermaßes beim Lachen wie auch beim Weinen gesehen. Als religiöse Praxis im Kontext von Vergegenwärtigung der Leiden Christi und menschlicher Sündhaftigkeit hat das Weinen eine Sonderstellung

214 Bei Smaragd ist die Rede von verba vana, vanitas, levitas animi, vitium vanitatis, Smaragd, S. 132, 24–133, 27. „Hoc est vitium vanitatis quod omnino non debent habere monachi, sed diligentes et ex corde et ore proferentes veritatem Christum dominum sequi debent et imitari, ut cum illo feliciter possint in aeternum regnare. Haec autem supradicta vanitas in vano corde, in vano moratur et pectore. Semper enim alios ridere, semper aliorum cachinnos facit excutere. Cuius indicium et in vaniloquio et in multo et excusso saepe deprehenditur esse risu.“, Smaragd, S. 133, 21–27. 215 „Levitas animi facit monachum facilem ac promptum esse semper in risu. Non enim timorem domini gestat in corde, ideo in cachinno vult et alta semper ridere voce.“, Smaragd, S. 188, 15–17. 216 „In valle lacrimarum sumus, et ideo non ridere sed lugere debemus. Lacrimas enim pro peccatis nostris, lacrimas pro dissolutione corporis, lacrimas pro desiderio nostri creatoris et societate omnium angelorum et omnium debemus habere sanctorum, lacrimas ut a poenis inferni et a laqueis liberemur diaboli.“, Smaragd, S. 133, 31–134, 3. 217 Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 9. 218 „Plus ergo monacho salutarem tristitiam quam vanam convenit habere laetitiam“ und „Oportet enim monacho amplius ere quam ridere“, Smaragd, S. 134, 9 f. und S. 133, 28 f. 219 Ein aus weltlicher Literatur bekanntes Motiv der „Selbstbeherrschung [. . . ], die sich ein ‚lachen` [sic] abringt, obwohl das ‚herze weinet`“, ndet sich in dem hier analysierten Quellenmaterial nicht. Kremer, S. 117. Dies hängt möglicherweise mit der Erzählhaltung zusammen, die die Heiligen als wahrhaftig darstellt, die sich der Welt gegenüber nicht verstellen, sich ihr nicht anpassen, und deren Inneres Gott, auf den allein es letztlich ankommt und sich das Agieren der Heiligen hin ausrichtet, ohnehin kennt.

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gegenüber dem Lachen. 220 Somit ist der Anlass eines solchen Weinens negativ, die Praktik an sich jedoch als Gnadengabe positiv besetzt. 221 Lachen, sofern es seine Ursache im Weltlichen hat, ist hingegen negativ besetzt. Die Aussage, die Kirche habe Weinen zur christlichen Tugend erklärt und „jedes Lachen als Sünde klassi ziert“, 222 trifft auf obiges Quellenkorpus so nicht uneingeschränkt zu.

3.1.6 Auslachen / Verlachen

Das Nicht-Lachen der Heiligen als Imitatio Christi ndet sich in den Heiligenviten kaum, dafür aber sind sie umso mehr dem neutestamentlichen Schema folgend Opfer des Verlachens. Viel häu ger wird die Passion Christi in dieser Form nachempfunden, indem die Heiligen wie Christus am Kreuz dem Auslachen durch Gegner ausgesetzt sind. Dies wird ganz explizit anhand des Beispiels der Seliggesprochenen Margarita Poenitens aus dem Tertiärorden der Franziskaner deutlich, über deren Meditation der Passion Christi ihr Beichtvater vermutlich Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts ausführlich schreibt. Christus spricht zu Margarita in Frage und Antwort. Auf die Frage, wer diejenigen seien, die ihn am Kreuz verlachen, erfolgt die Antwort, es seien die, die seinen Körper auf dem Altar sähen und keineswegs glaubten. Herodes, der Christus verlacht, sei jeder beliebige schlechte Prälat. Damit ist deutlich eine kirchenkritische Position bezogen, denn unter Prälaten sind vornehmlich geistliche Würdenträger, im engeren Sinne wohl Bischöfe und Äbte gemeint. Schlecht seien demnach solche Würdenträger, die ihren Dienst und somit Christus selbst nicht ernstnähmen. Schließlich verheißt Christus der Frau, dass sie durch das Blut der Märtyrer die Welt verlassen werde und wie Magdalen ausgelacht wurde wegen ihrer Verachtung aller weltlicher Zierde, so werde auch Margarita verlacht werden in ihrer Nachfolge Christi. 223 220 Ein Vorrang des Weinens gegenüber dem Lachen ndet sich auch in weltlicher Literatur, so hat Kremer herausgefunden, „daß auf Freude Leid, auf Lachen Weinen folgt. Die Freuden der Welt sind üchtiger und nicht reiner Natur.“ Kremer, S. 114. Zu ähnlichen Schlüssen kommt Fichte, wenn er anhand von weltlichen, literarischen Werken feststellt, dass „das Weinen [. . . ] die vorherrschende Gefühlsäußerung ist“ und dass dagegen „die [. . . ] Belege des Lächelns und [. . . ] des Lachens wirken wie Inseln der Heiterkeit in einem Meer von Tränen.“ Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 109. 221 Rosenwein zeigt jedoch, dass die Tränengabe zur selben Zeit von einer Emotionsgemeinschaft befürwortet und von einer anderen abgelehnt werden konnte, so zum Beispiel von den Zisterziensern im Gegensatz zu den Cluniazensern im 12. Jahrhundert. Vgl. Rosenwein, Barbara H.: Worrying about Emotions in History, 2002, S. 844. 222 Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 211. 223 „Qui sunt illis, qui me derident in Cruce? Qui vident corpus meum in altari, & minime credunt. Quis est Herodes, qui me deridet? Quilibet malus Prælatus.“, „Et sicut de Magdalena

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Es sei nur knapp darauf verwiesen, dass religiöse, asketische Körperpraktiken der Heiligen dem Lachen anderer preisgegeben sind. Das Beispiel der Heiligen Catharina 224 sei kurz angeführt, die von ihrem Bruder verlacht wurde. Anlass des Auslachens war ihr enthaltsames Eheleben, ihre ärmliche Art der Kleidung und die gesamte fromme und demütige Lebensweise, die der der Beginen glich. Insbesondere der Verzicht auf Sexualität und auf luxuriöse Bekleidung betreffen die körperlichen Praktiken der Heiligen. Das Verlachen durch einen Familienangehörigen steht im Kontrast zum heiteren Gesichtsausdruck der Jungfrau Maria, die damit ihr Wohlwollen über die Schwägerin der Heiligen, der Ehefrau ihres Bruders, und deren durch die Heilige inspirierte fromme Lebensführung ausdrückt. In dieser literarischen Komposition sind zwei Motive enthalten: Zum einen klingt das Thema der Verwandtschaft an, dass Gott beziehungsweise die Gottesmutter im religiösen Kontext als wahrer Vater oder wahre Mutter verstanden werden. Zum anderen scheint das Verhalten des Bruders – das Auslachen Catharinas – quittiert zu werden, indem nun seine eigene Ehefrau fromme Lebensweisen übernimmt. Besonders die Einmischung in die Belange der Welt kann die Heiligen dem Lachen von Gegnern aussetzen. Eine Vita aus dem frühen 15. Jahrhundert überliefert den Glaubenseifer der heiligen Witwe Birgitta, der sie veranlasst habe, sich nicht nur durch Beten und Seufzen um das Seelenheil ihrer Nächsten zu sorgen. Sie sandte Briefe mit den ihr mitgeteilten „Worten des Herrn“ an Päpste, so an Urban V. und Gregor XI., an Herrscher, wie König Karl IV. und an Magnus, König von Schweden, an Königin Blanca von Schweden, Joanna von Neapel und Eleonora von Zypern, an Bischöfe und andere Prälaten der Kirche, an Fürsten und weitere Amtmänner der Welt, an Gläubige und säkulare Personen gleich welchen Ansehens, Rangs oder Alters. Ob Königtümer oder Gemeinschaften, sie drohte mit dem Zorn Gottes, sie predigte, argumentierte, bat, tadelte oder ermunterte mit Geduld und Gelehrsamkeit, so dass sich niemand vor ihrem Eifer verbergen könnte: Sie scheute keine Arbeit, keinen Aufwand, weil wahre murmuratum fuit, quod ornamenta contempserat, & ardenter sequebatur me; ita te multi deridebunt sequentem me.“, „& si quæ nobiliores illo nomine vocarentur, deridebat eas: & seruire nolens aliis, exigebat ab omnibus famulatum.“ AS, Feb. III, Dies 22, B. Margarita Poenitens, tertii Ordinis S. Francisci, Cortonae in Etruria, Vita Ex MSS. auctore F. Iuncta Beuagnate ejus confessario, cap. V, pag. 319, col. F, 100; pag. 320, col. B, 102 und cap. VIII, pag. 342, col. D. 215. Die Thematik des Lachens wird noch ergänzt um weitere Belege in einem folgenden Kapitel, die in einer Lebensordnung auch das Lachen umfasst und in der schließlich Adlige verlacht werden. Die genauen Zusammenhänge bleiben aber unklar. 224 „Ipsi vero descendentes pluuias increpationum, venientia umina detractionum, & antes ventos irrisionem æquanimiter tolerantes“, „nec propter detractiones & irrisiones ab humilitatis & honesta consuetudinis patriæ obseruantia desistebat.“, „Patienter itaque ferebat improperia & irrisiones pro Domino“, AS, Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi, cap. I, pag. 506, col. E, 5; col. F, 6 und pag. 507, col. A, 8.

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Liebe keine Schwierigkeiten vorschütze. Die Heilige fürchtete sich auch nicht davor, so heißt es, dass ihr Sendungsbewusstsein zur Folge haben könnte, ausgelacht zu werden, derisiones non verebatur. Nicht einmal vor dem allen Lebenden verhassten Tod soll sie zurückgeschreckt sein in ihrem Kampf um die Befreiung der Seelen vor den Martern der Hölle. Denn schließlich sei dafür Freude 225 und reichlicher Lohn im Himmel verheißen. Wenige Abschnitte später betont der Verfasser aus einem Kloster in Bayern nochmals, wie taub die Ohren der Heiligen für Beleidigungen, Verführungen und für das Auslachen waren, denn sie fühlte sich in dieser Nachahmung ihrem Bräutigam Christus gleich. 226 Das Auslachen durch Gegner soll korrigierend wirken, doch die Heiligen lassen sich dadurch in der Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umwelt nicht beein ussen und entziehen sich daher der gewünschten Anpassung. Das Verlachen als soziales Korrektiv wird jedoch nicht nur gegen die Heiligen verwendet. Folgendes Beispiel aus der Vita von Juetta aus dem 13. Jahrhundert belegt, wie sich die Heilige dieser Kontrollfunktion auf indirekte Weise bedient: Sie argumentierte gegen einen in Liebe entbrannten jungen Mann mit den Folgen einer sündigen Tat, die in Beschimpfung und Verlachen ihrer Umwelt münden könnte. Das Lachen hätte dann als Zeichen der Verachtung einer solchen Liaison die Funktion einer gesellschaftlichen Korrektur, welche von Juetta geschickt zur Vorbeugung instrumentalisiert wird, um sich der Avancen zu erwehren. Hier wird demnach mit einer entsprechenden Wirkung des Lachens gerechnet im Unterschied zu obigem Beispiel der Heiligen Birgitta, worin das potentielle Lachen ihres Umfelds als soziales Korrektiv ihrer Glaubensstärke nichts anhaben konnte. Begriffe wie deridere oder irridere sind aber nicht nur anderen Akteuren vorbehalten, sondern auch den Heiligen selbst werden sie zugeschrieben. Der im frühen 8. Jahrhundert gestorbene Heilige Hildulfus verlacht als unerschrockener Glaubenskämpfer die Hoffnung auf Weltliches, spem seculi irridens. 227 Der Zusammenhang zwischen metaphorischem Gebrauch und der Bezeichnung für das Lachen fällt hier auf, das Wort bezieht sich auf einen Sachverhalt und nicht auf eine Person. Dieses und weitere Beispiele sollen an späterer Stelle eingehender analysiert werden, hier gilt es lediglich festzuhalten, dass das Aus- und Verlachen kein Tabu für Heilige bedeutet. 225 Hier wurde der Begriff gaudium verwendet. 226 „Non parcebat labori, non sumptibus, quia verus amor de dif cultate non causatur, contra vero has detractiones, derisiones non verebatur, sed nec ipsam mortem cunctis viventibus odiosam expavescebat, quin Dei beneplacitum per ceret, & a gehennæ cruciatibus proximorum animas pro viribus liberaret.“ AS, Oct. IV, Dies 8, S. Birgitta vidua Romae, Vita Altera ex Apographo Monasterii S. Altonis, cap. II, pag. 500, col. C, 21 und col. E, 24. 227 „quam tunc copiosus incolebat populus, monachorum etiam bonæ opinionis odorem circumcirca spargentium decorabat conventus, quibus spem seculi irridens, imperterritus agonotheta Christi sociatus, monasticam normam professione explevit & actibus [. . . ]“, AS, Jul. III, Dies 11, S. Hildulfus ex episcopo abbas Mediani monasterii in Vosago Lotharingiae, Vita tertia. Ex ms. Medianensi, cap. II, pag. 229, col. B, 5.

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Daraus folgt ferner, dass das Verlachen per se keine negative Konnotation beinhaltet, sondern in Beziehung zum Akteur steht.

3.1.7 Lachen und andere Äußerungen

Etliche der bereits behandelten Beispiele haben deutlich gezeigt, dass Lachen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Äußerungen steht und in der Darstellung eine häu ge Nähe zu bestimmten Aktivitäten und Praktiken aufweist. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern diese anderen Aktivitäten Hinweise auf Arten, Verständnis, Gründe und Bewertung des Lachens geben: Geht es in der Darstellung allein um das Lachen, ist es Teil von einem größeren Kontext und steht es eventuell vertretend für andere Äußerungen des Menschen? Das Nicht-Lachen der noch jungen Heiligen stellt zusammen mit anderen Tugenden wie Ruhe, Ernst, Demut, Reife und Bescheidenheit einen Kontrast dar zum gewöhnlichen Zeitvertreib von Kindern und Jugendlichen, wie Spiel, ausgelassene Bewegung, Kurzweil, Scherz, Leichtfertigkeit und Späße. Das bereits behandelte Beispiel der Seligen Coletta stellt der Geselligkeit unter Gleichaltrigen die Einsamkeit des Betens und Studierens gegenüber. 228 Geselligkeit impliziert Kommunikation und eröffnet Möglichkeiten des Lachens, Einsamkeit in den vorliegenden Kontexten ist Voraussetzung für Kontemplation. In monastischen Zeugnissen ist die markanteste Verbindung diejenige von Sprechen und Lachen. Das abgelehnte Sprechen ist spezi ziert als die unschickliche, närrische, eitle, alberne, unanständige, verwerfliche und lasterhafte Rede. Das zu vermeidende Lachen oder die Form des erlaubten Lachens wurden wie gezeigt ebenfalls näher bestimmt. Lachen erfährt seine Bewertung durch andere Handlungen, mit denen zusammen es auf- oder abgewertet sein kann. Andere Beispiele weisen darauf hin, dass das Lachen genauso wenig per se eine negative Konnotation beinhaltet wie andere im Kontext aufgelistete Verhaltensweisen. Die Heilige Elisabeth, deren zuvor erwähnte Vita aus dem 12. Jahrhundert stammt, rät Jungfrauen zu einem gemäßigten Lachen. Elisabeths Empfehlungen an die jungfräulichen Zuhörerinnen soll höchste Autorität zukommen, indem sie als Antworten von Engeln auf Fragen der Heiligen inszeniert sind. 229

228 „Requisita frequenter a puellis coævis ut jocis, ludis, tripudiis, aliisque ejus ætatis oblectamentis interesse vellet, non modo non acquievit numquam; sed etiam quotiescumque earum præsentiebat adventu, abdebat ipsa studiosius sese, donec recessisse eas cognovisset.“, AS, Mar. I, Dies 6, B. Coletta Reformatrix Ordinis S. Clarae Gandaui in Belgio, cap. I, pag. 601, col. F, 2. 229 Elisabeths Visionsberichte waren nicht nur von körperlichen Metaphern gekennzeichnet, sondern auch von ekstatischen Körpererfahrungen begleitet. Vgl. hierzu Dinzelbacher: Ekstase, das zentrale körperliche Phänomen der Mystik, S. 20.

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Mittels einer Metapher 230 spricht sie von einer Ausstattung oder Schmuck, der eischlichen Unschuld als Gewand, der Nächstenliebe als Umhang und der Sittsamkeit als Krönung. Zu dieser letzten Tugend zählt es, sich zusammenzureißen, dass man zurückhaltend im Sprechen, Hören, Lachen sei und von allem Tun abstehe, was unzüchtig sei. Die Sittsamkeit mit der Metapher einer Krönung verknüpft adelt den Akteur mehr als die anderen Tugenden, da eine Krone sehr viel eindeutiger auf den Adel, sogar auf das Königtum verweist als es die Begriffe von Schmuck, Gewand und Umhang tun. Da das Lachen zusammen mit Reden, Hören und Handeln aufgezählt ist, wird wohl kaum das Lachen an sich als einzige Ausnahme verdammt sein, sondern sofern es sich, wie in den anderen Fällen auch, auf etwas Unkeusches bezieht. 231 Anhand von kirchenrechtlichen Statuten wird noch einmal deutlich, welche anderen Aktivitäten zu einer negativen Konnotation des Lachens führen können, wobei sich auch hier in vielen Fällen der Einwand gegen spezielle Arten des Lachens erhebt. Schriftzeugnisse über Narrenfeste gewähren einen Einblick in die damit verbundenen Sorgen seitens kirchlicher Autoritäten bezüglich der Ausschweifungen. Häu g eher als Klerikerfeste gedacht, verließen die Feierlichkeiten auch mitunter den sakralen Raum, so dass außenstehende schaulustige Laien Zeugen des spaßhaften Treibens werden konnten. 232 Bischof Grandisson befand 1360, dass das in Exeter zusammengekommene Volk durch die Gesten und lautes Gelächter von der Andacht abgelenkt werde, diese zu plumpem Lachen sowie zu unzulässiger Erheiterung und Unterhaltung verführt, und darüber hinaus der Gottesdienst verlacht, aufgehalten oder verhindert würde. 233 Weiteres Zeugnis davon gibt Eustace de Mesnil, Dekan der theologischen

230 Derartige Metaphern von einem „Hemd der Demut“, einem „weißen Kleid der Keuschheit“ und einem „Mantel des heiligen Leumunds“ ndet sich zum Beispiel auch bei Mechtild von Magdeburg, vgl. Köbele, S. 154. 231 „[. . . ] Virgo constringuere ut sit verecunda ad loquendum, ad audiendum, ad ridendum, ad faciendum omne quod impudicum est [. . . ]“, AS, Jun. V, Dies 18, S. Elisabeth Virgo, Ord. S. Benedicti Schonaugiae in dioecesi Trevirensi, cap. VII, pag. 632, col. F, 101. 232 Heers formuliert etwas verallgemeinernd: „In Wirklichkeit bestanden die [. . . ] Zeremonien, die Narrenfeste [. . . ], ebenso wie die Feste der Unschuldigen oder Kinder immerhin aus zwei großen, säuberlich getrennten, keineswegs gleichartigen Abschnitten – zuerst kam die liturgische Zeremonie oder Parodie in der Kirche, dann der volkstümliche lärmende Umzug durch die Straßen.“, S. 203. Weiter: „Aber das sittsame, überwachte Fest im kleinen Kreis der geschlossenen Körperschaft wird leicht zum ausgelassenen Spaß, sobald die Spiele länger als einen Tag dauern und fröhliche Scharen von ‚kleinen` Klerikern, Kaplanen und Kindern in die Stadt ausschwärmen: Die lustige, kaum ungewöhnliche Prozession wird zum zuchtlosen, lärmenden Aufmarsch, der die herrschende Ordnung für eine Weile außer Kraft setzt, der alle möglichen Kon ikte heraufbeschwört und manchmal in Raufereien ausartet.“, Heers, Jacques: Vom Mummenschanz zum Machttheater. Europäische Festkultur im Mittelalter, 1986, S. 110. 233 John de Grandisson, S. 1214.

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Fakultät von Paris in einem Brief von 1445 an Bischöfe und Kapläne Frankreichs. 234 Johannes Hus sieht im frühen 15. Jahrhundert die Gefahr, dass Zuschauer lachen und alles für gottesfürchtig und richtig halten. 235 Die genannten Beispiele zeigen deutlich, dass die artikulierte Kritik nicht vordergründig das Lachen betraf, wie jedoch vielfach die Beispiele nur in diesem Licht in der Forschung betrachtet wurden. Anhand von weiteren Beschlüssen, die sich nicht konkret auf das Lachen beziehen, werden die allgemeinen Hintergründe für die Vorbehalte sowie ein Gesamtbild der Problematik nochmals deutlich. Dazu zählen „die Verbannung weltlichen Zeitvertreibs“ im Vorfeld von Heiligenfesten durch die Synode von Avignon 1209 236 und „während der heiligen Handlungen“ durch das Konzil zu Toledo im Jahr 1473, welches Hinweise auf das zeitliche und räumliche Ausmaß übertriebenen und abweichenden Verhaltens liefert. 237 Neben dem Lärm und der Unzüchtigkeit wird die Frömmigkeit der Gläubigen thematisiert: „Außerdem vollführen

234 „Quis, quaeso, christianorum sensatus non diceret malos illos sacerdotes et clericos, quos divini of cii tempore videret larvatos, monstruosos vultibus, aut in vestibus mulierum aut lenonum vel hystrionum choreas ducere, in choro cantilenas inhonestas cantare, offas pingues supra cornu altaris juxta celebrantem missam comedere, ludum taxillorum ibidem exercere, thuri care de fume fetido ex coreo veterum sotularium, et per totam ecclesiam ligurire, saltare, turpitudinem suam non erubescere, ac deinde per villam et theatra in curribus et vehiculis sordidis duci ad infamia spectacula, pro risu astantium et concurrentium turpes gesticulationes sui corporis faciendo, et verba impudicissima ac scurrilia proferendo?“ In den Folgerungen, conclusio, geht es hauptsächlich um Auslachen im Sinne von Spott, derisiones. Vgl. Chartularium Universitatis Parisiensis, S. 652–656, 2595. 235 „Spectatores autem rident atque haec omnia religiosa et justa esse putant; [. . . ]“, Johannes Hus, S. 722. 236 „Statuimus ut in sanctorum vigiliis in ecclesiis histrionicae saltationes, obscaeni motus, seu chorae non ant, nec dicantur amatoria carmina, vel cantilenae ibidem.“ Corrain / Zampini, S. 22, Anm. 149. Auf der Synode von Avignon wandte man sich 1209 gegen weltlichen Tanz und Gesang, „daß am Vorabend der Heiligenfeste in den Kirchen keine Gauklersprünge, obszöne Tänze oder Reigen aufgeführt werden; auch Liebeslieder oder Gassenhauer dürfen nicht gesungen werden.“ Deutsche Übersetzung zit. nach Jacobelli, S. 43. 237 „Quia vero quædam tam in metropolitanis, quam in cathedralibus & aliis ecclesiis nostræ provinciæ consuetudo inolevit, ut videlicet in festis nativitatis domini Jesu Christi, & sanctorum Stephani, Joannis & Innocentium, aliisque certis diebus festivis, etiam in solemnitatibus missarum novarum, dum divina aguntur, ludi theatrales, larvæ, monstra, spectacula, nec non quamplurima inhonesta & diversa gmenta in ecclesiis introducuntur; [. . . ]“, Concilium Toletanum, cap, XIX, col. 397. „Sowohl in den Metropolitankirchen als auch in den Kathedralen und anderen Kirchen unserer Provinz hat sich die Sitte verbreitet – vor allem am Geburtsfest unseres Herrn Jesus Christus und an den Festen des heiligen Stephanus, Johannes, der Unschuldigen Kinder und an anderen Festtagen, als auch bei Primizmessen –, während der heiligen Handlung Theaterspiele, Masken, Dämonen, Possen, die meistens schamlos sind, und anderes erfundenes Zeug aufzuführen.“ Deutsche Übersetzung zit. nach Jacobelli, S. 42.

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sie Geschrei und man sagt schamlose Gedichte auf und hält Spottpredigen in der Art, daß sie die heilige Handlung behindern und das Volk jeglicher Andacht berauben.“ 238 Mit diesem Aspekt der Andacht ist ein seelsorgerisches Problemfeld angesprochen: Um den Nutzen für das Seelenheil über den Punkt der Trennung von weltlichen und geistlichen Inhalten hinaus ging es ebenfalls dem Bischof von Köln. Er wies 1549 darauf hin, dass die Art der Darstellung von Komödiantenvorstellungen, die nicht nur auf Bühnen gespielt wurden, sondern auch in Kirchen und Nonnenklöster, die Zuschauer von den durchaus religiösen Inhalten ablenke, „die eher stehenbleiben, um die Gesten der Schauspieler zu betrachten und zu bewundern, als um die Worte zu hören.“ 239 Trotz ihrer Behandlung von geistlichen, religiösen Stoffen und ihrer grundsätzlichen Erbaulichkeit, erreichten sie nicht das gewünschte Ergebnis bei den Zuschauern. Auch hier ging es nicht um ein allgemeines Verbot, sondern sehr differenziert darum, dass, wie derselbe Bischof noch anmerkt, „historische Darstellungen, die uns die Mysterien unserer Heiligen Religion vor Augen führen und vergegenwärtigen, ohne ihren Wahrheitsgehalt in irgendeiner Weise zu verändern oder zu verschleiern, in den Kirchen nicht verboten sind.“ 240 Zum Teil wurden solche Aufführungen bewusst von kirchlicher Seite initiiert, wie das Beispiel einer Äbtissin eines bei London gelegenen Klosters zeigt: „Da die Teilnahme des Volkes erkennen ließ, daß die Frömmigkeit erkaltete [. . . ] und sie [die Äbtissin, Anm. d. Verf.] dieser Gleichgültigkeit ein Ende setzen wollte, richtete sie [. . . ] ein Mysterienspiel ein.“ 241 Aus oben genannten Quellen lässt sich herauslesen, dass das Problem weniger im Lachen des Publikums gesehen wird, sondern eher in der Art, wie es hervorgerufen wird, welche in der Übertreibung und der Themenwahl dem Priester als ehrbarer Person nicht ansteht. Gleichfalls ist die Sakralität des Anlasses und des Ortes zu wahren. 242 In dem frühen Beleg aus der Hand Hinkmars von Reims aus dem Jahr 852 geht es darum, nicht Gelächter hervorzurufen an Gedächtnistagen. Dies könnte man als Wahrung des sakralen Anlasses aber auch als zeitliche Einschränkung verstehen. Eine Poenitenziale aus Prag, die aus dem Zeitraum von 1352 bis 1415 stammt, verbietet lachenerregende Fabeln und Ähnliches als weltlich, albern, zügellos und unziemlich angesehenes Treiben in der Kirche unter der Strafe der Exkommunikation. 243 In Ba238 „[. . . ] tumultuationes quoque & turpia carminia & derisorii sermones dicuntur, adeo quod divinum of cium impediunt, & populum reddunt indevotum [. . . ]“, Concilium Toletanum, cap, XIX, col. 397, deutsche Übersetzung zit. nach Jacobelli, S. 42. 239 Zit. nach Heers, der hier keine genauen Quellenangaben macht, S. 78. 240 Zit. nach ebd. 241 Zit. nach ders., S. 65. 242 So gesehen nimmt Jacobelli ganz richtig die Kirche als Ort, den Priester als Akteur und die Ostermesse als Bereich des Lachens speziell unter die Lupe. 243 „Item cantantes canciones seculares ineptas et scuriles. Ancille cum famulis vel viri cum mulieribus risus vel cachinnos et pohadky (Mährchen) proferentes et ad luxuriam provocantes.“ Concilia Pragensia 1353–1413, S. XVII.

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sel wird 1435 auf einem Konzil ein bestimmter Missbrauch angeprangert, der durch Masken, Theaterpossen, Reigen und Freudentänzen zu Spiel und lautem Gelächter reizt. 244 Anhand dieses Beschlusses wird nochmals deutlich, dass es keinesfalls um das Lachen allein und an sich geht, sondern vielmehr um den gesamten Rahmen, die Maßlosigkeit der Feierlichkeiten und die Unschicklichkeit der Ausschweifungen. Auf der Synode von Patti 1537 ging es um ein Verbot, durch albernes, unanständiges, verwerfliches und lasterhaftes Zeug zu unterhalten und zu lautem Gelächter zu reizen. 245 Dies betrifft also die Inhalte und die Art des Lachens im Kontext dieser speziellen Äußerungen, die als profan angesehen und daher als unangemessen betrachtet werden. In dem Kontext von lachenerregenden Zeitvertreib gehört auch die Frage nach dem Verhältnis zu Schaustellern und ihren Darbietungen. An der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert rückt bei zwei Verfassern das Interesse an den Schaustellern eher als das Lachen in den Blickpunkt. Ein Beispiel dafür ist Peter von Blois, der sich nicht über das Lachen äußerte. Er gesteht den Spaßmachern, den ioculatores zu, in ihren gesungenen Vorträgen durchaus auch von klugen, anständigen, tapferen, liebenswerten und überaus angesehenen Männern zu berichten. Sie schildern deren Bedrängnis und widerfahrenes Unrecht wie bei Artus und Tristan: Sagen, die die Schauspieler berichten, die den Zuhörer erschüttern und zu Tränen zu rühren vermögen. Die Spaßmacher und Schauspieler sind für Peter von Blois dann gerechtfertigt, wenn sie moralische Werte vermitteln. 246 Mit den genannten Geschichten um Artus und Tristan ist deutlich der Bereich der weltlichen Dichtung angesprochen. Gervais von Tilbury schrieb sein um 1211 verfasstes Werk „Otia imperialia“ als eine bessere Alternative für die oben erwähnten Darbietungen der ioculatores. 247 Der „betrügerische Geist der Schauspieler und ihre lügenhaften Reden“ gelten Gervais als unwürdig für die Ohren seiner ehrwürdigen Zuhörerschaft und als nicht angemessen für die Vermittlung göttlicher 244 „Turpem etiam illum abusum [. . . ] alii larvales et theatrales iocos, alli choreas et tripudia marium ac mulierum facientes homines ad spectacula et cachinnationes movent.“ Concilium Basileense anno 1431–1437, sessio XXI, S. 492, deutsche Übersetzung zit. nach Jacobelli, S. 33. 245 „Cachinnationes“, vgl. Corrain / Zampini, S. 262. 246 „Sæpe in tragœdiis et aliis carminibus poetarum, in joculatorum cantilensis describitur aliquis vir prudens, decorus, fortis, amabilis et per omnia gratiosus. Recitantur etiam pressuræ vel injuriæ eidem crudeliter irrogatæ, sicut de Arturo et Gangano et Tristanno, fabulosa quædam referunt histriones, quorum auditu concutiuntur ad compassionem audientium corda, et usque ad lacrymas compunguntur.“ Peter von Blois: Liber de confessione sacramentali, 1088C–D. 247 Dabei ist der Titel „Otia“, was sowohl Muße, Freizeit als auch literarische und wissenschaftliche Betätigung oder Studium bedeuten kann, gut gewählt: Die Wissensvermittlung über Schöpfung, Natur, Geographie, Geschichte, Wunder und Legenden soll nämlich gleichermaßen unterhaltsam und ernsthaft sein. Der Unterhaltungswert von Neuigkeiten und buntem Allerlei wird instrumentalisiert und dient als Mittel gegen Ermüdung des Zuhörers oder Lesers. Sprache und Gesinnung sind dabei jedoch sehr bedeutsam.

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Tugenden. 248 Über das Lachen wird in beiden Werken, die sich dem Themenfeld von der Erbauung her nähern, nichts ausgesagt. Diese Leerstelle gilt es jedoch festzuhalten, denn sie kann bedeuten, dass das eigentliche Lachen als unproblematisch angesehen wird. Die unterschiedliche Qualität der Inhalte ist Grundlage für eine Distinktion der Rezipienten, die sich insbesondere durch ihre Abwesenheit als tugendhaft hervortun können. Sich des Lachens zu enthalten, ist in dem größeren Kontext von Unterhaltung nicht grundsätzlich nötig. Exkurs: Ioca monachorum als lachenerregender Zeitvertreib? Die sehr häu g in der Forschung thematisierten ioca monachorum 249 werden wie keine andere Quellengattung als Beleg angeführt, dass sich selbst im monastischen Bereich das Lachen und lachenerregender Zeitvertreib Bahn gebrochen hat und beides eben nicht restlos zu unterdrücken war. Diese Vorstellung steht dennoch völlig unter dem Eindruck, dass das Lachen reglementiert wurde und die ioca monachorum ihre Existenz ihrer Ventilfunktion verdanken. Die Bezeichnung ioca legt den Schluss nahe, diese oft in Gesprächsbüchlein zusammengefassten Texte wären für die Humor- und Lachforschung ergiebig. Jedoch gehen die Meinungen bereits bei der Bedeutung des Begriffs auseinander. Dabei ist die Position nicht haltbar, dass es „am Wort iocus [. . . ] nichts zu deuteln gibt“, 250 schließlich kann unter dem Wort nicht nur Witz oder Spaß, sondern auch Zeitvertreib, Kurzweil, Spiel oder eine geistreiche Beschäftigung unter Gebildeten subsumiert sein. Die Übersetzung als Mönchswitze ist mitunter als unglücklich befunden worden, denn es handle sich vielmehr um Mönchsunterhaltungen, deren „Fragen und Antworten oft paradoxer und scherzhafter an[muten], als sie gewollt sind.“ 251 Neben den als ioca monachorum betitelten Schriftstücken gehören noch weitere derselben zwanglosen Literaturgattung an, 252 welche „must have circulated singly,

248 „Quia ergo optimum nature fatigate remedium est amare novitates et gaudere variis, nec decet tam sacras aures spiritu mimorum fallaci ventilari, dignum duxi aliquid auribus vestris ingerere quo humana opertur recuperacio.“ „optimates per mimorum aut ystrionum linguas mendaces percipiant Dei virtutes“ Gervais von Tilbury: Otia imperialia, S. 366. 249 Diese mittelalterlichen Sammlungen sind nicht identisch mit dem im zweiten Kapitel behandelten Witzbuch der Antike. 250 Bodmer, Jean-Pierre: Ioca monachorum um 800. Scherze der Mönche, 2008, S. 10. Eher ist an dem Wort monachorum nichts zu deuteln. 251 Lehmann, Paul: Die Parodie im Mittelalter. Mit 24 ausgewählten parodistischen Texten, 1963, S. 10. 252 Zu nennen wären Symphosius (4./5. Jahrhundert), die „Berner Rätsel“, deren Name Aenigmata Tullii auf den Verfasser Tullius (7. Jahrhundert) verweisen, die vermutlich aus Südgallien stammenden ioca monachorum (7. Jahrhundert), lateinische Rätsel der Angelsachsen Aldhelm (7. Jahrhundert), Bonifatius (7./8. Jahrhundert), Tatwine (8. Jahrhundert) und Abt Eusebius (evtl. 8. Jahrhundert) als formale Sammlungen, sowie die Disputatio Pippini von Al-

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orally and in prose, as much as in verse and in manuscript.“ 253 Die unterschiedlichen Interpretationen der Funktion reichen von Unterhaltung über Belehrung bis zu Gedächtnisübungen. 254 Der Zusammenhang zu Humor und Lachen wird dabei in der Forschung entweder abgelehnt, 255 bezweifelt 256 oder bejaht. 257 Zur Veranschaulichung der Inhalte und des Charakters der ioca monachorum sei hier ein Beispiel aus der „Disputatio Pippini“ aufgeführt, welches sogar den Begriff des Lachens enthält. Das Rätsel lautet: Vidi mortuum sedentem super vivum, et in risu mortui moritur vivus, „Ich sah Totes sitzend über Lebendem, und in dem Lachen des Toten starb das Lebende.“ Die Lösung, die Alkuin andeutet durch den Hinweis „Hoc coqui nostri norunt“, „Unsere Köche kennen den hier“, ist ein Topf mit Wasser über dem Feuer, wobei das Lachen des Wassers als eine Metapher für das Überkochen verwendet wird. 258 Die Themen der ioca und anderer Rätselverse variieren sehr stark, weshalb die bezweckten Absichten und Wirkungen divergieren dürften. Dabei zeichnen sich zwei Interpretationsmodelle ab, es gehe dabei um Unterhaltung und Kurzweil der Mönche oder um Belehrung und Gedächtnisübungen. Diese gelehrten Wortspiele, 259 Listen von Rätseln, Fragen mit bestimmten Antworten, stellten sich die Mönche außerhalb der Stunden des auferlegten Schweigens. Dem

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kuin (8./9. Jahrhundert), welches die Altercatio Hadriani Augusti et Epicteti philosophi zur Vorlage hat (6./7. Jahrhundert). Daneben gibt es weiteres unabhängiges und anonymes Material in Pseudo-Bedas Collectana (8. Jahrhundert) in einer Lorscher Sammlung (9./10. Jahrhundert), die Altercatio in einem St. Gallener Manuskript (10. Jahrhundert), „Leidener Rätsel“ (11. Jahrhundert), ein lateinisches Rätsel Æthelwold's bowl (11. Jahrhundert), Rätselverse im Exeter-Buch (11. Jahrhundert), Cambridger Liedersammlung (betreffende Handschrift des 11. Jahrhunderts). Die Cena Cypriani aus dem 5. Jahrhundert zeigen eine breite Überlieferung vom 9. bis zum 15. Jahrhundert. Vgl. zu diesen Beispielen insbesondere Bayless, Martha: Alcuin's Disputatio Pippini and the early medieval riddle tradition, 2002, S. 157– 161. Bayless: Alcuin's Disputatio Pippini, S. 159. Vgl. hierzu insbesondere Brunhölzl, Franz: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, 1975, S. 147; Lehmann, S. 10 u. 13, aber auch Kershaw, Paul: Laughter after Babel's fall. Misunderstanding and miscommunication in the ninth-century west, 2002, S. 179. Für gerichtliche Jahrbücher, welche das Lachen von Richtern, Anwälten und anderen Akteuren im Zusammenhang von gerichtlichen Fällen und Prozessen in ihre Darstellung haben mit ein ießen lassen, nimmt Seabourne eine ähnliche Funktion von Erziehung und kollektivem Gedächtnis an. Vgl. Seabourne, S. 209 f. Brunhölzl, S. 147. Bodmer, S. 10; Lehmann, S. 10. Vgl. Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 67 f; Smith, D[onald] K[imball]: Humor in Hiding. Laughter between the Sheets in the Exeter Book Riddles, 2000, S. 82. Zit. nach Bayless: Alcuin's Disputatio Pippini, S. 169 f. Bayless liefert einen Reprint aus: Altercatio Hadriani Augusti et Epicteti Philosophi / L[loyd] W[illiam] Daly; W[alther] Suchier. – Urbana, 1939. – (Illinois Studies in Language and Literature; 24), S. 137–143. Vgl. Le Goff: Jésus a-t-il ri?, S. 73, Sp. 1.

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vermeintlichen Verbot des Lachens und dessen Verbannung aus dem Kloster stellt Le Goff dieses Werkzeug, sich zu amüsieren, gegenüber. Gleichzeitig erfüllen die Rätsel einen didaktischen Zweck, so dass in einer Synthese beider Absichten von „vergnüglicher Katechismus“ die Rede ist. Es handle sich um eine „vor allem auf Bibelfestigkeit bezogene Gedächtnisübung“, 260 zur Erinnerung eines umfassenden Katalogs unglaublicher und wunderbarer (Glaubens-)Taten, welche sich mittels des Vergnügens besonders einprägen. Aufgrund des Quellenmaterials ist nicht zu bestimmen, wo genau im Einzelnen die Texte auf einer Skala zwischen Unterhaltung und Belehrung anzusiedeln sind. In Le Goffs Aussagen ist in Anlehnung an Entwürfe einer Gegenwelt 261 eine gewisse Ventilfunktion herauszulesen, wenn er von den „Spielen, Scherzen der Mönche“, „die die Rigorosität der Regeln nicht aller Zerstreuung hat entziehen können“, schreibt „weil ihnen die strengen Regeln nicht jegliche Zerstreuung verboten“. 262 In diesem Sinne belegten die ioca monachorum, dass diese „Athleten Gottes“ nicht vollkommen dem von Aristoteles geerbten Konzept, des Lachens als der Eigenschaft des Menschen, entwischt seien. Die ioca gäben Zeugnis für ein anderes Bild der Mönche als das der ewig Weinenden, 263 ein Bild näher an der Realität. Der Mönch, der eigentlich ein homo lugens, ein Mensch des Weinens sei, ließe manchmal sein Gesicht heiter als das des homo risibilis erscheinen. 264 Eine andere Position hat dahingegen Bodmer, der konstatiert, „beim [. . . ] Publikum [. . . ] mischte sich in solche Heiterkeit wohl ein ehrfürchtiges Staunen über die eröffneten Geheimnisse; Gelächter aber war nicht vorgesehen.“ 265 Da über Absicht und Wirkung aus den Texten wenig hervorgeht, ist es bereits problematisch davon zu sprechen, „daß man vor lustiger Behandlung des Himmlischen und Heiligen nicht zurückschreckte.“ 266 Es ist dementsprechend fraglich, ob die Rätselverse Humor enthalten und – im vorliegenden Kontext bedeutsamer – mit ihnen die Absicht verfolgt werden sollte und konnte, Lachen zu provozieren. 267 Selbst im Fall der Umdichtung der Cena Cypriani im 9. Jahrhundert durch den aus Rom stammenden Johannes Diaconus ist die tatsächlich hervorgerufene Wirkung ungewiss. Obwohl er den Wunsch äußert, einer der Empfänger, nämlich Karl der Kahle, möge vor Lachen platzen, 268 ist dies nicht gleichbedeutend mit einer entsprechenden Reak260 Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 67. 261 Für Le Goff sind die ioca monachorum nicht nur Beweis einer traditionellen intellektuellen Technik, sondern auch vergleichbar mit dem alten Spiel des Enigmas, nur weniger gefährlich als zur Zeit der Sphinx oder Samsons (Richter 14, 12–18), vgl. Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 67. 262 Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 67. 263 Vgl. ebd. 264 Vgl. Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 103. 265 Bodmer, S. 11. 266 Lehmann, S. 18. 267 Vgl. Brunhölzl, S. 147. 268 „Quique cupitis saltantem me Johannem cernere, nunc cantantem auditote, iocantem atten-

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tion, zumal dies auch als rhetorisches Mittel metaphorisch gemeint sein könnte, der Verfasser sich mit dieser Formulierung die Zuneigung der Adressaten wünscht. Der andere Adressat, Papst Johannes VIII., wird beachtlicherweise mit dieser speziellen Äußerung nicht angesprochen. Dem überwiegenden Teil der Rätsel ist der Bezug zur Bibel gemein, wobei stärker auf das Alte als das Neue Testament angespielt wird. Dubois betont zu Recht mehrfach, dass diese Schriftstücke den Mönchen gute Bibelkenntnisse bescheinigen und damit Hinweise auf das kulturelle Niveau liefern, aber keine Aussage über „authentische“, „wahrhafte“ Kultur 269 im Sinne einer aus ihnen abzuleitenden sozialen Praxis erlauben. „Charakteristischerweise haben die karolingischen Gelehrten das Werk [Cena Cypriani, Anm. d. Verf.] weder für töricht gehalten, was moderne Forscher taten, noch für blasphematorisch, was nicht überraschen würde.“ 270 Auch bei Rätseln mit sexuellen Anspielungen, wie zum Beispiel den im Exeter-Buch enthaltenen, ist lediglich zu konstatieren, dass sie aufgrund „its script and its inclusion in the Exeter Cathedral library identify [. . . ] as a product of monastic culture“ und „were [. . . ] selected for the expensive and time-consuming labor of copying, and later allowed to remain on the page instead of being scraped away and written over“. 271 Das Verfassen, Verwenden und Verwahren derartigen Schriftguts kann in seiner Konsequenz mehreres bedeuten: Entweder ist darin kein Potential enthalten gewesen, zum Lachen anzuregen oder es ist billigend in Kauf genommen worden, weil es in diesem Kontext als unproblematisch galt oder einem höheren Zweck diente. Smith steht mit seiner Untersuchung zu den sexuell konnotierten Rätseln vor dem Dilemma des starken Widerspruchs der durch monastische Regeln eingeforderten Keuschheit und der Skepsis gegenüber dem Lachen: Das Exeter-Buch ist nicht nur ein Beispiel für den allgemeinen erzieherischen Aspekt, Lebensweisheiten wiederzugeben, derer die Mönche in Bezug auf sexuelle Kenntnisse per se nicht bedürfen. Vielmehr deutet Smith im Rückgriff auf Freud'sche Theorien den Sinn in Schutz und Kontrolle durch Witzarbeit. 272 Un-

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dite [. . . ] Riserat qua Cyprianus post Felicem Mineum [. . . ] ut Silenus cum asello derisus cantantibus [. . . ] Hanc exhibeat convivis imperator Karolus [. . . ] ut imperialis iocus instruat exercitum. Video ridere, certet quam scurra Crescentius, ut cachinnis dissolvatur, torqueatur rictibus [. . . ]“ Monumenta Germaniae Historica Poetae Latini aevi Carolini, S. 870 f. Vgl. auch Lehmann, S. 15. „Bon indice du niveau de culture générale, les Ioca monachorum attestent chez les moines une bonne connaissance de la Bible. Ce n'est pas un indice de culture authentique.“, „Des jeux scolaires ne dé nissent pas une véritable culture, ils témoignent du niveau des connaissance acquises et dans ce cas particulier permettent de conclure que les moines du Moyen Age lisaient et assimilaient l'ensemble des livres saints.“, Dubois, Jacques: Comment les moines du Moyen Age chantaient et goûtaient les Saintes Ecritures, 1984, S. 269 f. Lehmann, S. 14. Smith, S. 79 u. 81. Ders., S. 80, 84 u. 87.

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abhängig von diesen thematischen Einordnungen durch die Forschung lässt das hier angerissene Material aufgrund der im Mittelalter anhaltenden Lektüre, Neuverarbeitung und Umwandlung in andere Literaturgattungen keine Einteilung in Phasen im Sinne einer humor- oder gar lachfreudigeren Zeit zu. 273

3.1.8 Zwischenresümee und Bezüge zu Körperlichkeit und Habitus

Das Nicht-Lachen in den Heiligenviten wird einem sehr eingeschränkten Kreis von Akteuren zugeschrieben. Die untersuchten Quellenbelege der Heiligenviten beinhalten kein Beispiel, in welchem einem anderen Akteur außer den Protagonisten, den Heiligen, das Nicht-Lachen zugewiesen wird. Es stellt dann jeweils einen Gegensatz zu dem sonst üblichen Verhalten bei Kindern dar oder markiert den auf ein Bekehrungserlebnis folgenden veränderten Lebenswandel. Lediglich für den Scherz lässt sich neben ähnlichen Erzählmotiven auch eine allgemeinere Ablehnung feststellen. Das Nicht-Lachen mit einer expliziten Erwähnung hat seine Vorläufer nur in frühchristlichen Schriften, Altes und Neues Testament kennen die ausdrückliche Erwähnung so nicht, dass ein Akteur nicht lacht. 274 Angesichts dessen, dass Christus trotz dieses Umstands als Vorbild des Nicht-Lachens fungiert und diese Vorstellung als Lehrsatz im Mittelalter durchaus präsent war, weisen die hagiographischen und monastischen Quellen erstaunlich wenig entsprechende Darstellungen beziehungsweise Verbote des Lachens auf. Auch in weiteren Textgattungen wie zum Beispiel in den kirchenrechtlichen Bestimmungen ndet sich nichts Derartiges. Regulierungen hingegen, die eine Vermeidung des Lachens nahelegen, liegen möglicherweise schlichte Beobachtungen zugrunde: Es gibt Praktiken, die das Lachen ausschließen, da der Körper ganz pragmatisch gesehen nicht beides gleichzeitig vermag. Bei Gebet und Gesang sowie dem Schweigen ist es auch aus heutiger Sicht augenfällig, dass ein Lachen derartige Tätigkeiten eines Akteurs 275 unterbricht. Und dass sich ein Lachen bei Studium und Meditation verdächtig macht, beziehungsweise wie es auch einige der Belegstellen bisher gezeigt haben, erklärungsbedürftig ist ob dessen Motivation, leuchtet ebenfalls ein. In Bezug auf das Nicht-Lachen sind die Aussagen Bourdieus relevant, dass der Ak-

273 Lehmanns Einordnung der ioca monachorum in die Ursprünge und Anfänge der Parodie und die Vorstellung einer „anekdotenfreudigeren Zeit, die auf die karolingische Renaissance folgte“, sowie die Aussage „Sieht man von der Cena Cypriani ab, wird bis zum 11. Jahrhundert das Parodistische immer nur angedeutet und gestreift. Die Vergeistlichung der Literatur war übermächtig geworden“ sind hier irreführend. Lehmann, S. 8–24. 274 Inwiefern die Vorlagen von Aelianus zu nicht-lachenden Herrschern und von Platons Lachverbot in seiner Akademie hier wirkmächtig waren, wäre gesondert zu untersuchen. 275 Dies betrifft im Übrigen nicht nur Mönchsheilige, sondern auch andere Heilige, die sich religiösen Praktiken in größerem Umfang hingeben als Zeichen einer Gabe Gottes.

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teur in ein soziales Feld einen Habitus einbringen muss, „der praktisch kompatibel sein oder eine genügende Nähe aufweisen und der vor allem formbar und geeignet sein muss, um sich in einen konformen Habitus konvertieren zu lassen, kurz gesagt, kongruent und lernfähig [docile], das heißt offen für die Möglichkeit der Restrukturierung ist.“ 276 Ein striktes, generelles Lachverbot liefert wenig Raum für Restrukturierung: Niemand darf in irgendeiner Weise lachen. Möglicherweise sind alle Versuche, die auf eine Mäßigung des Lachens abzielen, Folge mittelalterlicher Einschätzungen, dass ein Nicht-Lachen nicht erlernbar ist. Eine größere Bandbreite von Arten des Lachens, die lediglich das laute Gelächter ausschließt, 277 bietet mehr Möglichkeiten der Kompatibilität, der Formbarkeit, der Aneignung. In einem solchen Fall setzt der Habitus nur dem lauten Gelächter „nicht-bewußte Grenzen, die von den Akteuren nicht überschritten werden können.“ 278 Die Darstellung des Lachens ist also höchst differenziert. So gibt es neben Darstellungen eines gemäßigten Lachens solche, in denen das Lachen nicht näher quali ziert ist, und schließlich sogar solche, die ein starkes, heftiges Lachen, risus, der Heiligen beschreiben. Wie gezeigt werden konnte, gibt es Unterscheidungen in diverse Arten. Damit ist das Postulat von der Einteilung in lediglich zwei Arten des Lachens 279 im Mittelalter falsi ziert. Die unterschiedlichen Arten des Lachens unterliegen dabei keiner Wertung 280 bis auf eine Ausnahme: Eine Ablehnung von cachinnus, dem lauten

276 Bourdieu, Pierre: Méditations pascaliennes, 1997, S. 120, deutsche Übersetzung zit. nach Krais / Gebauer, S. 61 f. Oder anders bei Reckwitz „Schließlich enthält der Habitus kulturell codierte, wiederum häu g eher vorbewusst eingesetzte als explizit bewusste Strategien: Wunschkomplexe dessen, was kurzfristig oder langfristig für einen selbst und durch das eigene Handeln scheinbar natürlicherweise erstrebenswert und was zu vermeiden oder unmöglich zu erreichen ist.“, Reckwitz, Andreas: Habitus oder Subjektivierung? Subjektanalyse nach Bourdieu und Foucault, 2011, S. 44. 277 Bei Elias ndet sich ein Zitat aus einer Tischzucht vermutlich aus dem 15. Jahrhundert, bei Tisch friedlich, höflich und nicht zu laut zu sein. Vgl. Elias, S. 116. Die Lautstärke der Stimme könnte daher sehr viel allgemeiner als nicht erstrebenswert angesehen werden, als die alleinige Untersuchung des Lachens vermuten lässt. 278 Schäfer, S. 68. 279 In Shippeys Untersuchungen wird deutlich, wie problematisch die Einteilung durch die heutige Forschung in positive und negative Arten des Lachens ist, wie „[t]he laughter of ‚happiness and prosperity` can [. . . ] be seen positively [. . . ] or negatively [. . . ] The laughter of ‚triumph, hostility and scorn` can also be positive or negative, Christian or pagan, heroic or monstrous. Furthermore [. . . ] even the positive of ‚joy or relief` is ‚in many ways similar` to the negative laughter of ‚triumph, hostility and scorn`“, Shippey, S. 36. 280 Zu einem anderen Ergebnis kommt Kremer für die deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters, wo dem Lachen „gern erfreuliche Eigenschaften beigelegt“ werden, hingegen „[a]bträgliche Zusätze sind vor allem solche, die die Echtheit des ‚Lachens` in Zweifel ziehen [. . . ]“, Kremer, S. 46. Zu der Frage der Echtheit oder eines geheuchelten Lachens äußern sich die hier verwendeten Quellen nicht.

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Gelächter, als mögliche Darstellungsvariante für die positiv konnotierten Akteure in den Heiligenviten scheint mit den vorliegenden Belegstellen sehr plausibel und kann mit dem weiteren Material anderer Textquellen gut untermauert werden. 281 Das Lachen, risus, ist eine mögliche Form des Ausdrucks für alle Akteure einschließlich der vorbildhaften Heiligen, dagegen besteht keine generelle Ablehnung. 282 Es gibt unterschiedliche Darstellungen vom Ausmaß des Lachens in Körper und Geist, aber es geht damit nicht jeweils eine bestimmte Konnotation einher. „Habitusund Subjetivierungsanalyse [sic] setzen das Subjekt nicht mit dessen mentalen Prozessen (Denken, Planen, Verstehen etc.) gleich, sondern analysieren es zunächst als menschliche Körperlichkeit, als die kulturelle Formung der Materialität von Körpern und deren beständiger Performativität.“ 283 An dieser Stelle soll daher noch einmal ein genauerer Blick auf den Körper des Lachenden genommen werden, die physiologische Grundlage des Lachens als eine Bewegung des Körpers. 284 Das Lachen in seinem wörtlichen Sinn kann sich nur im Körper ausdrücken, die Darstellungen der verschiedenen Arten verweisen sowohl auf unterschiedliche Konditionierbarkeit als auch auf eine differenzierte Beobachtungsgabe: Das Lachen betrifft die Lippen, das Gesicht 285 oder den gesamten Körper, wenn es den Lachenden schüttelt, wenn der Akteur, der Körper des Akteurs in ein Lachen ausbricht. Das Gesicht – neben Gesten – gilt zum Beispiel bei Alanus ab Insulis als besonderer Schlüssel zur Innenwelt. Es erstaunt daher wenig, dass das Lachen in den Darstellungen besonders auf das Gesicht bezogen wird. Dies bedeutet jedoch auch, dass das Lachen im Gesicht nicht als Mäßigung verstanden werden muss, nur weil es nicht den ganzen Körper erfasst, sondern lediglich das Gesicht. Vielmehr handelt es sich um das Signalwort vultus, welches auf die besondere „Ausdruckskraft“ des Gesichts verweist und etwas über das Innere aussagen soll. 286 Daraus ergibt sich für die Vorstellungswelt des Mittelalters, dass nicht jedes Lachen unbedingt

281 Seibt zeigt, wie auch in der modernen Philosophie „beständige Heiterkeit [. . . ] also ein philosophisches Gütesiegel [erhält], plötzliches Herausplatzen aber nicht“ und dabei „pöbelhaftes Herausplatzen und wahlloses Lustig nden“ abgelehnt werden. Vgl. Seibt, S. 757 u. 759. 282 Åkestam bemerkt, dass das Lachen bei Skulpturen anders bewertet ist, insofern negativen Figuren das Lachen zugeordnet ist, das Lächeln hingegen ambivalent sowohl positiven als auch negativen Figuren zugewiesen wird. Åkestam, Mia: „I felt like jumping for joy“ – smile and laughter in Medieval imagery, 2017, S. 220 f. 283 Reckwitz, S. 42. Dabei ist weniger von „universalen anthropologischen Konstanten“ auszugehen, sondern von „einer natürlichen Prädisposition menschlicher Körper [. . . ], sich verändern zu können“, von „der Konditionierbarkeit als natürlicher Fähigkeit, nicht naturgegebene, beliebige Fähigkeiten zu erwerben.“ Schäfer, S. 69 im Gegensatz zu Bourdieu, Pierre: Meditationen zur Kritik der scholastischen Vernunft, 2001, S. 175. 284 Vgl. P ster, Manfred: Beckett, Barker, and Other Grim Laughers, 2002, S. 175. 285 Vgl. Alanus ab Insulis, Sp. 287 f. 286 Eine Vorstellung die sich, anders als es bei Elias den Anschein hat, bereits vielfach vor Erasmus von Rotterdam nden lässt. Vgl. Elias, S. 69.

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ein Lachen des Bauchs 287 oder des Körpers ist. Um eine Aussage über einen Akteur insgesamt zu machen, reicht es, wenn das Lachen in dessen Gesicht sichtbar wird. Mit dem Begriff der risibilitas ist eine Fähigkeit des Körpers angesprochen. Diese steht jedoch häu g in einem engen Verhältnis zum Geistigen. 288 Im Kontext von Körperlichkeit zeugt das Lachen vielfach von Selbstvergessenheit in Bezug auf den Leib, so zum Beispiel von Freude, die den Schmerz vergessen lässt, oder einer Freude, die von einer geistigen Überwindung der irdischen Leiden zeugt. Wenn die Empfehlung geäußert oder normativ vorgegeben wird, das Lachen solle nicht unwürdig und plump sein, geht es auch darum, den Körper nicht unwürdig und plump erscheinen zu lassen. Exzessives Lachen überantwortet den Körper einem Exzess, einem Übermaß, einer Ausschweifung, einem Rausch. Hier wird die Ver echtung von Körper und Geist deutlich. Ein körperlicher Exzess hat Auswirkungen auf den Geist und steht einem körperlichen und geistigen Zustand der Nüchternheit entgegen, so wie ein Gefühlsausbruch der Gefühlsbeherrschung. Freimuths These einer „Differenzierung zwischen solchen Strafen, die man für geistige Sünden verhängte, und solchen, die man als Maßnahme gegen körperliche Vergehen verstand“ folgend, 289 ergeben sich aufschlussreiche Ergebnisse in Bezug auf das Lachen. Wollte man das als Fehltritt bewertete Lachen dem Körper zuordnen, so wäre danach zu fragen, ob nicht auch die Ahndung eines derartigen Fehltritts auf eine körperliche Bestrafung hinausliefe. Die wenigen hier erörterten Beispiele, die überhaupt etwas über die Konsequenzen des Lachens für ein Individuum aussagen, lassen eher den Schluss zu, dass es keineswegs eine eindeutige Zuteilung gab: In einem Fall hat das mönchische Lachen eine körperliche Züchtigung zur Folge, 290 in einem anderen Fall führt das Lachen, welches durch Fabeln und anderes negativ verurteilte Tun hervorgerufen wurde, zur Exkommunikation. 291 Eine dichotomische Gegenüberstellung und Trennung von Geistigem und Körperlichem in Bezug auf das 287 In Burtons physiologischer Untersuchung aus dem 17. Jahrhundert ist jedes Lachen ein Lachen des Bauchs. Vgl. Burton, S. 152. 288 Interessant ist ein möglicher Zusammenhang zwischen Lachen zur Unterstützung von Erinnerungsleistung beim Memorisieren von Rätseln. Bourdieu spricht davon, „daß die ‚pädagogische Arbeit` den Körper als ‚Gedächtnisstütze` bei der Einverleibung von Kultur benutzt.“ Freimuth, S. 188. Vgl. Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, 1976, S. 189 f, 199 f, 202. Offen bleibt hier, inwiefern Körperliches den Akteur erinnert, nicht zu lachen beziehungsweise, was der Akteur einverleibt, wenn er lacht. 289 Freimuth, S. 179. 290 „Si vero aliquis deprehensus fuerint in risu, vel in scurrilitate sermonis, sicut ait Apostolum, quæ ad rem non pertinent (Ephes. v), jubemus hujusmodi duarum hebdomadarum spatio in nomine Domini omni agello humilitatis coerceri [. . . ]“, Regula Sanctorum Serapionis, Macarii, Paphnutii et alterius Macarii, cap. XV, S. 440C. 291 „Item cantantes canciones seculares ineptas et scuriles. Ancille cum famulis vel viri cum mulieribus risus vel cachinnos et pohadky (Mährchen) proferentes et ad luxuriam provocantes.“ Concilia Pragensia 1353–1413, S. XVII.

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Lachen erweist sich somit einmal mehr als problematisch: Es wird in seiner Darstellung in den Heiligenviten nicht eindeutig dem Körper oder dem Geist zugewiesen, vielmehr durchdringen sich diese Bereiche, beein usst der eine den anderen, ergeben sich Wechselwirkungen. Eine derartige Ver echtung verbietet eine pauschale negative oder positive Bewertung von Dingen, die untrennbar sind. Der Körper ist in den angeführten Beispielen dieses Kapitels nicht nur negativ bewertet, sondern er ist Spiegel des Inneren und soziale und religiöse Projektions äche zugleich. Das Äußere des Körpers und die Äußerungen des Körpers vermitteln das Innere und lassen Rückschlüsse auf den Akteur zu. 292 Der Körper wird zum Träger von Werten, die der Akteur verkörpert. So kann sich Bildung im Verhalten niederschlagen und Weisheit in Sitten. Die Art des Lachens kann nach Aussage einiger mittelalterlicher Quellen zur Verletzung der Seele führen. In seinen Untersuchungen zu Gesten im Mittelalter hat Schmitt mehrfach eingängig darauf hingewiesen, wie „sich als Grundprinzip dieser Ausdrucksfunktion [erweist], daß den Gesten zugeschrieben wurde, verborgenen Wirklichkeitsbezirken, dem Inneren der Person – der ‚Seele`, ihren Lastern und Tugenden – zum Ausdruck verhelfen, während demgegenüber die ‚Disziplin` der Gesten, die am Äußeren des Körpers ansetzt, zu einem Wandel des menschlichen Inneren beizutragen vermag.“ 293 Beachtenswert ist also, dass Gleiches auch umgekehrt gilt: „Sind sie [die Gesten, Anm. d. Verf.] erst einmal durchgeformt [entsprechen sie den Verhaltensanforderungen, Anm. von Freimuth] dann können sie ihrerseits auf die Seele zurückwirken.“ 294 Viele der Beispiele belegen, wie neben dem Lachen auch andere Körperbewegungen und Praktiken nach mittelalterlicher Vorstellung ihre Wirkkraft im Körper entfalten und somit den Körper als Wohnsitz der Seele berühren. 295 Das Verhalten, also auch das Lachen, soll die Reinheit von Herz und Geist wahren, so dass der Körper Träger von Ehrbarkeit und Ehrenhaftigkeit ist. Besonders die Ausgewogenheit des Körperhandelns bewirkt und wahrt Körperintegrität.

292 Auf diesen Sachverhalt verweist auch Freimuth im Kontext von mittelalterlicher Beichtpraxis, bei welcher es in besonderem Maße um „äußere Repräsentation innerer Haltungen“ geht. Freimuth verweist ferner auf „jene [. . . ] Entwicklung, die die Religionsgeschichte als eine im Kontext der ‚Renaissance` des 12. Jahrhunderts einsetzende Zunahme der Innerlichkeit des religiösen Emp ndens beschreibt.“, Freimuth, S. 179 u. 167. „[D]ie Sprache des Körpers sollte gleichfalls dazu beitragen, im Inneren des Menschen andächtige Stimmungen und Bewegungen der Seele zu wecken“, Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 67. 293 Schmitt: Die Logik der Gesten, S. 20. Vgl. auch S. 27, 64 u. 71. 294 Ebd., vgl. auch Freimuth, S. 182 f. 295 Hiermit ist grundlegend die Frage berührt, „in welcher Weise mittelalterliche Fromme körperliche Gebärden mit religiösen Sinnverweisen ausstatteten, welchen [. . . ] religiösen Handlungen welche Sprache des Körpers gemäß war, wie und in welcher Absicht dessen Glieder, Bedürfnisse und Funktionen in die religiöse Bildsprache Eingang fanden.“ Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 67.

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Das Lachen im Mittelalter

Ferner wenden sich die Verfasser vielfach gegen beide Extreme des Lachens und des Weinens. Das Ideal der Mäßigung galt nicht nur für das Lachen, wie hier ansatzweise gezeigt werden konnte, sondern war ein genereller Tugendwert, 296 der sich auch in anderen volkssprachlichen Textgattungen in Bezug auf das Lachen ndet. 297 Das Motiv der Gemütsruhe bezieht sich auf ganz unterschiedliche Akteure. Es gibt im monastischen und monastisch geprägten Bereich einen Vorrang des Weinens gegenüber dem Lachen. 298 Die Untersuchung des Verlachens zeigt deutlich, dass die Bewertung des Auslachens stark von den Akteuren abhängig ist. Einige Quellenbelege legen den Verdacht nahe, dass nicht unbedingt das Lachen verdammt wird, zumindest nicht allein, sondern ein bestimmtes Konglomerat von Aktivitäten, denen mit Skepsis begegnet wird. 299 Dies ist überall dort der Fall, wo neben dem Lachen auch andere Äußerungen aufgezählt werden. Noch deutlicher wird es jedoch bei den Belegstellen, die gar nicht vom Lachen sprechen, sondern sich nur über andere Verhaltensweisen auslassen. Im Folgenden soll das erörterte Textmaterial zu den Arten des Lachens zu der These von Le Goff über Zäsuren im Umgang mit dem Lachen in Beziehung gesetzt werden. 300 Die Belege zum Nicht-Lachen sind jedoch nicht die frühesten und formen 296 Die von Uffmann untersuchten Quellen „proklamieren das rechte Maßhalten in den täglichen Übungen der Frömmigkeit“. Dies bedeutet, dass man es selbst mit der Frömmigkeit übertreiben konnte, jedoch wäre aus einer entsprechenden Darstellung der Mäßigung wohl kaum herauszulesen, dass die Frömmigkeit verboten, unterdrückt oder negativ bewertet worden wäre. Vgl. Uffmann, S. 217. 297 Vgl. Kremer, S. 46. 298 Laut Bießenecker wurde „Weinen [. . . ] im Mittelalter zur Christenp icht erhoben“, woraus sich für ihn die Konsequenz der Lachablehnung ergibt: „Die Verteufelung des Lachens besonders in Kreisen der Kleriker, lässt bis zum Aufkommen der volkssprachlichen Verschriftlichung und der zunehmenden Zurückdrängung des Latein auf den Status einer Expertensprache nur wenige Belege in den Quellen erwarten. Wenn überhaupt Gefühlsregung, die dem Lachen nahe kommt, angesprochen bzw. aufgeschrieben wurde, dann kann man meist nur ein Lächeln, oder ein freundliches Blicken in der Überlieferung ausmachen. Das Lachen ist ein Thema, über das man nicht schreibt. Es wird verdrängt.“ Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 47 f. Auch Schmitz sieht das Lachen in der kirchlichen Lehre nicht positiv bewertet und spricht von Lachfeindlichkeit. Zugleich stellt er sich die Frage nach dem „Durchdringungsgrad“ dieses „hohen Geltungsanspruch[s]“. Schmitz, Gerhard: Ein Narr, der lacht . . . Überlegungen zu einer mittelalterlichen Verhaltensnorm, 1992, S. 132, 134, 136. 299 Hierzu zählt typischerweise in der mittelalterlichen Vorstellungswelt die „Neigung zum Laster bei müßigen Menschen“, wobei ein Lachen auf Müßiggang verweisen kann. Vgl. Ehlers, S. 36. 300 In diesem Zusammenhang lassen sich auch Aussagen von Elias nicht auf das Lachen übertragen. Der obige Befund weist nicht auf „Schübe [. . . ] in der Richtung auf größere Affektkontrolle und Selbstdistanzierung“ hin, dass es „vom späten Mittelalter und der frühen Renaissance an ein[en] besonders starke[n] Schub der individuellen Selbstkontrolle“ gegeben habe, dass es seit den Humanisten eine „verstärkte Neigung, sich und andere zu beobachten“ gebe, der „Zwang zur Selbstkontrolle wächst“ wie auch der „Druck zu einer größeren Zu-

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daher keine Phase einer ablehnenden Haltung aus dem monastischen Bereich. Die verschiedenen Arten des Lachens verteilen sich über den gesamten Untersuchungszeitraum. Es lässt sich also keine zweite Phase der Unterscheidung in zwei Arten des Lachens identi zieren, zumal durchgängig mehr als zwei Arten in den Darstellungen Verwendung nden und die dichotomische Unterscheidung eines positiven geistigen Lachens und eines negativen körperlichen Lachens so nicht existiert. Eine Art Kasuistik des Lachens, wie gelacht werden darf, lässt sich sicherlich noch anhand der Motive stärker herausarbeiten. Die Belege soweit deuten jedoch darauf hin, dass sich Entsprechendes nicht erst einer letzten Phase einer Kasuistik zuordnen lässt. Vielmehr weisen die Quellenbelege auf kontinuierliche Darstellungen von Selbsttechniken hin. 301 Das Lachen reiht sich in eine Symphonie von Verhaltensanweisun-

rückhaltung“. So wenig sich ein Wandel bei den Arten des Lachens ab dem späten Mittelalter konstatieren lässt, so wenig sind Aussagen übertragbar wie „die Verbote der mittelalterlichen Gesellschaft, selbst der hö sch-ritterlichen, legen dem Spiel der Affekte noch keine allzu großen Beschränkungen auf“, dass „die Manieren ungezwungen“ seien und dazu, dass „die Schwere des gesellschaftlichen Verbots [. . . ] viel geringer“ und „die Triebe, die Emotionen [. . . ] ungebundener, unvermittelter, unverhüllter als später“ seien. Beim Lachen zeigt sich, wie in diesem Kapitel dargelegt, eine Ausdifferenzierung in verschiedene Arten. Elias verkennt die Bedeutung von Mäßigung des Verhaltens in mehreren Bereichen, unter anderem bei der „Freude am Töten“ und in dem Zusammenhang auch beim Spott: „eben waren sie [die Menschen des Mittelalters, Anm. d. Verf.] noch beim Scherz, dann verspotten sie sich, ein Wort gibt das andere, und plötzlich können sie mitten aus dem Scherz in der äußersten Fehde stehen.“ Elias, S. 276. Der vorliegende Befund zu den Arten des Lachens lässt sich überhaupt nicht mit der Zuweisung von Elias zum Mittelalter vereinbaren, den einfachen, naiven Verhaltensweisen, die in „schlichte Gegenüberstellung“ gebracht sind und im Vergleich heute eher Kindern zukämen. Elias vergleicht in dem Kontext frühere Epochen mit „Kindern unserer eigenen Gesellschaft“. Elias, S. LVIII, LXI, S. 102 u. 106, 185 f, 142, 193, 277, 79, 82, 91 u. 277 301 Einige der Mechanismen, die Elias benannt hat, gelten auch für das Lachen: Dieses Verhalten kann Fremd- und Selbstzwängen unterliegen, eine Selbstkontrolle internalisiert sein. Wie sich im Folgenden noch zeigen wird, gibt es eine Uneinheitlichkeit des Verhaltens der mittelalterlichen Gesellschaft, also Differenzen innerhalb einer Gesellschaft, Manieren können gemäß dem sozialen Gegenüber angepasst werden – für Elias eine Erscheinung, die irrigerweise erst ab der Frühen Neuzeit in zunehmendem Maß gelte. Es kann eine Ausrichtung auf tonangebende Kreise erfolgen. Vgl. Elias, S. XX, XXIV, 139 u. 141, VII, LIX, 153, 299 f. „Hier [Verhältnis zur Fleischnahrung, Anm. d. Verf.], wie in hundert anderen Erscheinungen, zeigt sich die extreme Uneinheitlichkeit des Verhaltens, die für die mittelalterliche Gesellschaft, verglichen mit der neuzeitlichen, charakteristisch ist.“ Elias, S. 157. „Innerhalb dieses Standards der Affektregelung, der für die ganze weltliche Gesellschaft des Mittelalters charakteristisch ist, für Bauern, wie für Ritter, gab es gewiß beträchtliche Differenzierungen.“, Elias, S. 297. Die oben auf das Allgemeine und Wesentliche extrahierten Aussagen von Elias sind für die folgende Untersuchung tragfähig, nicht jedoch seine spezi schen Anmerkungen sowie die Vorstellungen von einer Seelenlage einer Gesellschaft, einem psychischen Prozess

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Das Lachen im Mittelalter

gen, von Handlungsstrukturen, die zu Darstellungen würdevoller Habitu¯ s 302 der Heiligen führen. Über den Habitus werden „Körpervorstellung und Körpererleben [bestimmt], sinnliche Wahrnehmung, die Möglichkeiten, Freude und Leiden zu fühlen und auszudrücken“ und umgekehrt. 303 Sofern also ein Akteur als lachend dargestellt wird, ist der Ausdruck des Lachens durch den Verfasser höher bewertet worden als die Charakterisierung des sich mäßigenden, zügelnden, selbstbeherrschenden Heiligen. Dem Lachen wird ein besonderer Sinn zugewiesen. 304 Mäßigung kann durch einen Verinnerlichungsprozess zur „zweiten Natur“ 305 werden. Die zeitweilige Beherrschung des Lachens ist demnach eine Selbsttechnik, mittels welcher ein Akteur auf sich selbst einwirkt, sich selbst zum Subjekt einer moralischen Lebensführung macht. 306 Die Gesamtheit der Quellenbelege spiegelt demnach Kontinuitäten von Darstellungen von Arten des Lachens als verschiedene Praktiken wieder und zeigt, „diese Verbindung [von Werken mit signi kanten Beziehungen] stellt sich her, löst sich auf, um schließlich nach Regeln wieder zu erstehen, die um so [sic] beständiger sind, je mehr sie sich dem Bewusstsein entziehen.“ 307 Der Verfasser als Akteur hat „eine generierende und einigende, konstruierende und einteilende Macht [. . . ] und [der Begriff Habitus, Anm. d. Verf.] erinnert zugleich daran, daß diese sozial geschaffene Fähigkeit, die soziale Wirklichkeit zu schaffen, nicht die eines transzendentalen Subjekts ist, sondern die eines sozial geschaffenen Körpers, der sozial geschaffene und im Verlauf einer räumlichen und zeitlich situierten Erfahrung erworbene Gestaltungsprinzipien in die Praxis umsetzt.“ 308 Der Körper in seiner

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der Zivilisation, in welchem zum Vorschein käme, „wie der Einzelne sich verhält und emp ndet“ Elias, S. LXXII f, LXXXI u. 297. Dabei weicht das moderne Verständnis vom mittelalterlichen ab. Die Lehre vom Habitus gewann im Mittelalter erst nach den Übersetzungen der Schriften von Aristoteles an Bedeutung. Sie wurde als „dauernde Beschaffenheit eines Wesens, durch die es sich regelmäßig in einer bestimmten Weise verhält, ohne dass diese dauernde Beschaffenheit zur Substanz dieses Wesens gehört“ de niert und von Thomas von Aquin äußerst differenziert ausgestaltet. Vgl. Bauer, M[artin]: Habitus, 2002, Sp. 1813–1815. Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist die Habitustheorie in Ethik und Naturphilosophie nur noch von geringer Bedeutung. Die zuvor erörterten Beispiele zeigen, dass der Begriff zur Beschreibung von Heiligeneigenschaften unabhängig von einer komplexen Theorie Verwendung gefunden hat. Krais / Gebauer, S. 51. Übertragen kann man hier im foucaultschen Sinne von „Wahrheitsproduktion“ sprechen, wenn das Lachen und nicht dessen Ausbleiben hervorstechend dargestellt wird. Vgl. Freimuth, S. 185. Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis, S. 171. Vgl. auch Freimuth, S. 187. Vgl. Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit. Bd. 2. Der Gebrauch der Lüste, 1986, S. 39 f. Vgl. auch Freimuth, S. 171 u. 189. Zum Thema der Aneignung, Übung und Einübung solcher Praktiken, zur Sozialisation vgl. Kapitel zu den Akteuren. Bourdieu, Pierre: Zur Soziologie der symbolischen Formen, 1997, S. 153. Bourdieu: Meditationen zur Kritik der scholastischen Vernunft, S. 175.

Motive des Lachens

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Funktion als Projektions äche ist auch immer in Kommunikation eingebunden, und in die Regeln der Kommunikation ist das Lachen eingebettet. Häu gkeit und Lautstärke scheinen geradezu in Abhängigkeit von Anzahl und Disposition der Akteure zu stehen, entsprechend basiert das körperliche Phänomen des Einzelnen auf der Gegenwart anderer zum Lachen fähiger Körper. Somit stellen Geselligkeit, Feste und Zeitvertreib und ihre Gegenteile Abgeschiedenheit, Weltabgewandtheit, Einsamkeit und Andacht unmittelbare Regulative der Arten des Lachens dar. Auf entsprechende Motive wird im folgenden Kapitel eingegangen.

3.2 Motive des Lachens

Allein der Blick auf die Arten des Lachens hat bereits gezeigt, dass neben der Art und Weise viele andere Aspekte einen Ein uss auf die Bewertung des Lachens haben. Neben begrifflichen Spielräumen vom Lächeln bis zu schallendem Gelächter ergeben sich weitere, die die Objekte und Kontexte des Lachens betreffen. In gleicher Weise, wie die Begriffe und modalen Zusätze das Lachen einzuschränken scheinen, liefern die Objekte und Kontexte Erklärungen für das Lachen. Wiederum müssen gegensätzliche Deutungsvarianten offengehalten werden, ob diese Erklärungen Entschuldigungen gleichkommen, so dass sich der Blick auf die konditionale Beschränkung des Lachens richtet, oder aber ob sie grundsätzlich die Zulässigkeit dieser menschlichen Äußerung für zum Beispiel Heiligenbeschreibungen erst einräumen. Selbst den Heiligen kommt in den über sie verfassten Viten ein Lachen zu und Lachen fächert sich in den Textzeugnissen in eine Vielzahl von Arten auf. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen, sind nun die Motive des Lachens als mögliche beein ussende Faktoren für Bedeutung und Bewertung zu untersuchen. Unter Motiv sollen hier mehrere Aspekte subsumiert sein: Zum einen wären Beweggründe des Lachens zu untersuchen, womit sowohl nach den inneren Motiven von Subjekten wie auch nach den dazugehörigen äußeren Anlässen zu fragen wäre. 309 Diese können sehr abstrakt gefasst sein, sich aber auch sehr konkret auf dingliche Objekte, Personen sowie auf einfache oder komplexere Sachverhalte wie Handlungen oder erkennbare Haltungen beziehen. Zusammengefasst werden sie hier als Gegenstände des Lachens betrachtet. Zum anderen soll der Blick auf Motive als prägende Elemente der textlichen Darstel309 Hiermit ist nicht das Verständnis von Freud gemeint, der im Lachen einen sonst unzugänglichen psychischen Prozess sichtbar wähnt, der durch einen äußeren Anreiz – Freud untersucht hier besonders den Witz – angeregt wird. Er operiert mit dem Unbewussten als einer anthropologischen Konstante, weshalb in späterer Zeit seine Analysen um die Historizität von sozialen Wirklichkeiten ergänzt werden sollten. Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 1940, S. 118; Döring, S. 125. In der vorliegenden Untersuchung kann nur auf versprachlichte, in der Darstellung explizierte innere Motive eingegangen werden.

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Das Lachen im Mittelalter

lung gerichtet werden, die das Lachen in einen Rahmen setzen. Einen solchen Rahmen von Begleitumständen liefern besondere Kontexte des Lachens im Sinne von Situationen und Erzählzusammenhängen, wie zum Beispiel Todesszenen, Visionsberichte sowie Wundererzählungen. 310 Sie sollen in einem eigenen Abschnitt zu den Kontexten behandelt werden. In diesem Sinne zählen ferner verschiedene soziale Konstellationen sowie Ort und Zeit des Lachens in Form von tabuisierten Räumen und Unzeiten zu den dargestellten Motiven des Lachens, denen jeweils weitere Unterkapitel gewidmet sind. Auf diese Weise wird grundlegenden Fragen nach dem Warum beziehungsweise Worüber, den situativen und sozialen Umständen sowie nach dem Wo und Wann des Lachens und Nicht-Lachens nachgegangen. Ziel ist es, Faktoren zu benennen, die die jeweilige Angemessenheit oder Unangemessenheit des Lachens im Mittelalter abstecken. Schließlich ist auf einer abstrahierenden Ebene zu analysieren, welche Funktionen und Bewertungen mit dem Lachen verknüpft werden: Welchen Nutzen, Sinn oder Aufgabe, welche Absicht, Wirkung oder Ergebnis hat das Lachen und dessen Unterdrückung für die Akteure im sozialen, politischen und religiösen Feld? Was drückt sich im Lachen und im Nicht-Lachen aus? Welche Zusammenhänge werden zwischen den genannten Aspekten und der Bewertung des jeweiligen Lachens hergestellt? Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage ist die These, dass der Ausdruck des Lachens semiotisch stark angereichert ist, es vielfach nicht in Worte zu übersetzen und auch nicht reduzierbar auf eine Formel ist. 311 „Like any sign, laughter cannot function in the absence of a system of reference by which it can be construed.“ 312 Dabei werden abstrakte Ideen in konkrete Bilder, materielle Objekte und „bodily display“ übersetzt, ein System von Zeichen, die exibel genug sind, um eine große Vielfalt an menschlicher Erfahrung in sich aufzunehmen. 313 Die Motive worüber, in welchem Zusammenhang, mit oder über wen weshalb, wann und wo, mit welcher Absicht, Wirkung oder Ergebnis gelacht wird und wie dieses Lachen zu bewerten ist, muss aus einer sozialen Praxis heraus plausibel sein. Sofern die soziale Praxis eines Lachens über lebensweltliche Erfahrungshorizonte hinausgeht, muss das Lachen im literarischen Kontext deutbar sein, möglicherweise aufgrund von Praktiken der literarischen Darstellung. 314 In den Quellenbelegen tritt sowohl eine so310 Entsprechende Signalworte traten bei der Sichtung der Quellenbeispiele gehäuft auf. 311 Dabei ist die Frage offen, ob es möglich ist „to learn to read the language of things and gestures [. . . ] with the con dence of native [i.e. zeitgenössische, Anm. d. Verf.] speakers.“ Niles, S. 26. 312 Niles, S. 20 f. 313 Ders., S. 21. 314 Durch welche sie aber möglicherweise eine Wirkung auf die Lebenswelt entfalten. „Die ‚Ordnungsstiftung` im Bereich des Immateriellen, des Wahrnehmens und Denkens, trägt zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Bereich des ‚Materiellen`, des sozialen Gefüges, der gesellschaftlichen Hierarchien bei, sämtliche Kulturerscheinungen verhängen als ‚Symbolsysteme` spezi sch geordnete Wahrnehmungskategorien, ihre ‚Ideologien` sind nicht nur ‚Be-

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ziale Praxis des Schreibens über das Lachen in der Darstellung des Lachens als auch eine soziale Praxis des Lachens selbst zutage, wie es den Verfassern und Adressaten plausibel in der Lebenswelt begegnet. 315 Zu letzterem ist bereits vielfach spekuliert worden, zum Beispiel bezüglich des Ostergelächters, was weiter unten diskutiert wird. Auch ob Texte eine Wirkung des Lachens erzielten, ist schwer zu ermitteln, lediglich bei einigen Textgattungen gibt es Hinweise darauf, dass die Inhalte zum Lachen anregen sollten. Die Frage nach den Motiven des Lachens kann darüber hinaus in Verbindung mit Emotionen betrachtet werden. Dabei ist in der Forschung strittig, wie das Lachen innerhalb von Gefühlen und menschlichen Verhaltens kategorisierbar ist. Konsens ist, dass es sich beim Lachen um eine physische Aktivität handelt, die sowohl kognitive wie auch emotionale Anteile hat. 316 Es gibt „no single, agreed-upon word to designate the feeling expressed in laughter.“ 317 Spätestens auf der textlichen Ebene ist das Lachen eine Konstruktion und somit als konstruierte Geste zu verstehen. 318 Die Unterscheidung in die Arten des Lachens, aber auch die Anlässe, Objekte und Kontexte des Lachens geben möglicherweise Hinweise auf eine Verwicklung auf der Gefühlsebene oder auf einen emotionalen Abstand. 319 Über die Betrachtungsebene von Emotionen lassen sich mögliche Rückschlüsse auf die Funktionen des Lachens ziehen. Als Ausdruck bestimmter Emotionen erfolgt möglicherweise eine Rechtfertigung oder Ablehnung des Lachens in bestimmten Zusammenhängen. Es ist auf jeden Fall danach zu fragen, ob das Lachen sowohl positiv als auch negativ bewerteten Emotionen zugeordnet wird und mehr noch, ob das Lachen Ein uss auf die Bewertung von Emotionen hat oder umgekehrt. 320 Damit verbunden ist die Über-

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gleitdiskurse`, sondern ‚Denksysteme`, die als Hervorbringung einer sozialen Ordnung die in sie hineingewachsenen, in sie ‚verwachsenen` Menschen deren Selbstverständlichkeit, ‚Natürlichkeit`, fraglose Gegebenheit, schlichte Evidenz erleben zwingt.“ Schultheis, Franz / Egger, Stephan: Der Glaube und sein Mehrwert. Pierre Bourdieus „Ökonomie symbolischer Güter“, 2011, S. 247. Man kann hier von „mediale[m] und situative[m] ‚Hervorbringen`“ sprechen. Vgl. Eming, S. 36 f. Morreall, S. 39. Laut Morreall kann der dem Lachen vorausgehende psychological shift dabei kognitiver oder emotionaler Natur sein. Ebd. Vgl. Niles, S. 16. Niles weist zudem an frühmittelalterlichen Beispielen darauf hin, daß „their [the Anglo-Saxons, Anm. d. Verf.] palette of emotional responses to the stimuli of life was probably analogous to ours without being identical to it. To the extent that laughter is a social construction and a construable gesture rather than an upwelling of biology, their laughter, considered as a sign, is bound to have had different meanings from ours, for their society itself was different in countless ways.“, Ders., S. 16. Eming hat für das Mittelalter deutlich gemacht, dass „beide Extreme, Affektentladung und Emotionskontrolle, nebeneinander bestehen“. Eming, S. 39. Dabei wird sicherlich nicht jede „Lachgemeinschaft“ auch identisch mit einer Emotionsgemeinschaft sein, sondern diese greifen vielmehr von Fall zu Fall unterschiedlich ineinander,

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legung, ob bestimmte emotionale Konstellationen das Lachen erschweren oder erleichtern. Indirekt geben die Belege Hinweise auf die soziale Praxis, indem den Adressaten Anlässe, Objekte und Kontexte plausibel erscheinen müssen, ein Lachen hervorrufen zu können, wie auch ein solches lieber zu unterdrücken. Bestimmte Orte, Zeiten und Anlässe des Lachens regen zu der Frage an, ob Lachen in spezi sche Rituale eingebunden sein konnte. Insgesamt geht es in diesem Kapitel um für die zeitgenössischen Rezipienten plausible Gegenstände, Kontexte und Funktionen des Lachens, die einen Ein uss auf dessen Bewertung als bejahte oder abgelehnte Praxis im Mittelalter haben.

3.2.1 Gegenstände des Lachens

Im Unterschied zu komplexen Situationen und Kontexten lassen sich konkrete Objekte in den Quellen sehr viel leichter begrifflich fassen. In solchen Fällen bezieht sich das Lachen häu g auf ein Objekt im Sinne eines Auslösers, wie konkret oder abstrakt es auch sein mag. Es kann sich dabei um Dingliches, Akteure oder Sachverhalte, darunter Taten und Worte, handeln. In direktem Zusammenhang mit dem christlichen Bekenntnis der Heiligen steht ihr Lachen über die Vorstellungen der nicht-christlichen Umwelt, konkret über Anhänger anderer Götterkulte und über die verehrten fremden Götter. So bezieht sich das Lachen der Heiligen Devota, die zur Zeit der Christenverfolgung unter Diokletian stellen sie häu g nur Teilmengen voneinander dar. Besonders bezüglich der bereits in der Forschung als Emotionsgemeinschaften etablierten Klostergemeinschaften (so macht Rosenwein zum Beispiel anhand von Epitaphen aus drei Städten drei verschiedene emotionale Gemeinschaften in Gallien des 8. Jahrhunderts aus. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 77) dürften sich interessante Vergleiche anstellen lassen. Dies müsste jedoch in einer eigenständigen Untersuchung erfolgen. Der Begriff „Lachgemeinschaft“ ist durch die von Röcke, Werner / Velten, Hans Rudolf 2005 herausgegebene Veröffentlichung „Lachgemeinschaften“ prominent geworden, ndet jedoch kaum noch Verwendung in der Forschung aufgrund der Problematik, dass solche Gemeinschaften in sozialem und zeitlichem Umfang nicht klar zu fassen sind. Gleiches gilt im Übrigen für den Begriff der Emotionsgemeinschaften, der jedoch von vornherein problematisiert worden ist durch Rosenwein in Bezug auf ießende Übergänge von Emotionsgemeinschaften, der Zugehörigkeit von Akteuren zu verschiedenen solcher Gemeinschaften und den widersprüchlichen Werten innerhalb einer Gesellschaft: „I further propose that people move (and moved) continually from one such community to another [. . . ] adjusting their emotional displays and their judgements of weal and woe (with greater and lesser degrees of success) to these different environments. [. . . ] not only does every society call forth, shape, constrain, and express emotions differently, but even within the same society contradictory values and models, not to mention deviant individuals, nd their place.“ Vgl. Rosenwein: Worrying about Emotions in History, S. 842.

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und Maximianus auf Korsika gelebt haben soll, auf aus christlicher Sicht falsche Götter. Dem Statthalter kam zu Ohren, dass in dem Haus eines Senators ein Mädchen 321 lebe, das die Götter verlache und ihnen nicht opfere. 322 Ein ähnlicher Beleg ndet sich bei dem Heiligen Eutitius, der von dem Tribun Maximus gezwungen werden sollte zu sagen, dass er die Götter und Göttinnen nicht (weiter) verlachen will. 323 Das Verlachen ist somit Synonym für den Unglauben gegenüber fremden Göttern und auch Zeichen der Verweigerung, sich zu einem anderen als dem christlichen Glauben bekehren zu lassen. Als der heilige Diakon und Märtyrer Hermylus auf keinen geringeren als Licinius, den Ostkaiser zur Zeit Konstantins, traf, sollte der Heilige seinen christlichen Glauben gestehen. Der Imperator wollte sich in der Unterhaltung weltmännisch und geistreich, urbanum & valde ingeniosum, zeigen. Dies misslang ihm der Erzählung nach, weshalb der Heilige ihn auslachte, in risum vertens, als taub und dumm, als jemanden, der nichts von dem christlichen Glauben verstanden hat. Das Lachen des Heiligen bezieht sich auf die kaiserliche Person als Machthaber und dessen Unverständnis gegenüber der christlichen Religion. Doch Hermylus ging noch weiter, indem er erläuterte, dass er keineswegs leblose aus Stein und Holz von Menschenhand gefertigte Götter anbete, über welche diejenigen, die wissend sind, vielmehr lachen als diese anzubeten. 324 Hermylus lacht über den Andersgläubigen, dessen Götter und die Glaubensvorstellung von deren Repräsentanz in gefertigten Gegenständen. Das Lachen zeugt von Ablehnung und Geringschätzung all dessen, davon, dass die nicht-christlichen irdischen und überirdischen Mächte eben nicht als mächtig anerkannt werden. Die Konsequenz solcher Missachtung seitens der christlichen Bekenner war ihre Verfolgung. Doch anstatt sich eingeschüchtert zu zeigen, gab dies den Heiligen Anlass zum Lachen. So stellen sie sich mit ihrem Lachen den Drohungen, minas, entgegen. Im 11. Jahrhundert wurde der Bericht über einen heiligen Bischof namens Domnius ausgeschmückt, der auch unter Androhung von Qualen und Todesstrafe römischen Göttern kein Opfer darbringen wollte. Der Heilige war dadurch nicht zu erschrecken, 321 Der Verfasser berichtet, dass das Mädchen christlich aufgewachsen war. AS, Jan. II, Dies 27, S. Deuota, Virgo Martyr in Corsica, Acta Ex Chronol. Lerinen. Vinc. Barralis, pag. 770, cap. 1. 322 „hoc est a satellitibus suis ei nuntiatum, quod cum Euticio Senatore domi esset puella, quæ Deos eorum irrideret, & sacri care differret.“ AS, Jan. II, Dies 27, S. Deuota, Virgo Martyr in Corsica, Acta Ex Chronol. Lerinen. Vinc. Barralis, pag. 770, cap. 3. 323 „Tunc impiissimus Maximus jussit eu¯ ante se fustibus cædi, dicens; Deos & deas noli deridere, [. . . ]“, AS, Maii II, Dies 15, S. Eutitius Martyr apud Surianum in Hetruria, Vita Ex MS. Ecclesiae Viterbiensis, pag. 460, col. F, 6. 324 „[. . . ] quos ipse, ut qui falleris, perinde as deos colis, cum sint lapides & ligna omnino inanima, & surda opera manus humanæ, & quæ iis qui sapiunt, sunt potius ridenda, quam adoranda.“ AS, Jan. I, Dies 13, S. Hermylus Diaconus, Martyr Singidoni in Mysia, et al., Acta Ex Metaphraste, Auctore Anonymo, pag. 769, Quæstio I, cap. 3. Der Bericht ist von Lipomanus und Surius noch im 16. Jahrhundert ediert worden.

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hielt an seinem Glauben fest, verdammte die fremden Götter und verlachte die Drohungen. Er erklärte sich bereit, alles zu erleiden, anstatt seine Glaubensaussagen und -anschauungen zu ändern. Zunächst von seinem wütenden Verfolger in den Kerker geworfen, wurde er später entlassen und durch Bestechungen und Versprechungen zu korrumpieren versucht. 325 Ein stärkerer Grad des beschriebenen körperlichen Leidens tut dem Lachen als dargestellte Reaktion keinen Abbruch. Eine im 13. Jahrhundert oder später interpolierte und bis in das 16. Jahrhundert verwertete Akte über den Heiligen Conus ist ein Beleg dafür: Die Drohungen, das entfachte Feuer, der Gang zu den Folterinstrumenten kann den Glauben der Märtyrer nicht erschüttern. Die Strafen und Qualen verlachend sprechen sie ihre Peiniger als Dumme und Ungläubige an, die und deren Marter sie nicht fürchten. Das Lachen drückt hier Geringschätzung der Gegner und Verachtung ihrer Ungläubigkeit aus wie auch Unbeeindrucktheit vom angedrohten und erlittenen Leid. 326 Durch deren Feuer und Rauch könnten sie als Diener Christi nicht überwunden werden. Vielmehr rühmen und freuen sie sich ob aller ihnen beigebrachten Marter. 327 In eine prägnante Metapher gebracht ist dies in den Akten des Mönchs aus Ely, die ein Lob der Heiligen von Beda Venerabilis in Versform enthalten. Darin rühmt er mehrere Jungfrauen, unter anderem Agnes, die „froh über Schwerter lacht“, ebenso Cäcilia, die „über gezückte Schwerter lacht“. 328 Auf diese Weise wird sinnbildlich von der Marterung und Verfolgung gesprochen, die das Lachen als Reaktion nach sich zieht. 329 Im Martyrium werden das christliche Bekenntnis, die Standhaftigkeit, die Glaubensstärke und in all dem sowie in der übermenschlichen 325 „eum, nisi diis sacri care voluerit, capite puniri, vel multiplici suppliciorum genere absumi oporteret ; respondit: Non me ista terrent iniqua. Christum Dei lium & colo & prædico: Deos autem tuos contemno, minas irrideo. Pœnas omnes in me unum confer: cuncta potius pati paratus sum, quam asserendæ veritatis mutare sententiam.“, AS, Apr. II, Dies 11, S. Domnius, seu Domnio, Episcopus salonitanus, et al., Vita S. Domnii Episcopi Ab Adamo Parisiensi seculo XI illustrata, & ex Breviario Spalatensi a Ioanne Lucio communicata, pag. 8, col. A, 4. 326 Dies ist ähnlich zu Heldengeschichten, in denen die Helden verächtlich über ihre Feinde lachen. Vgl. hierzu auch Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 97 f. 327 „Sancti vero Martyres, irridentes pœnas atque tormenta, dicebant: O stulti & increduli ! non timemus vos nec tormenta vestra: ignis enim vester & fumus nos non potuerunt superare: nos quippe servi Christi, gloriantes & gaudentes sumus, pro omnibus tormentorum generibus, quæ nobis intulistis.“, AS, Maii VII, Dies 29, S. Conus, Martyr Iconii in Asia, et al., Acta Recentiora ex Ms. Neapolitano & Of cio Acerano, pag 9, col. F, 8. 328 „Læta ridet gladios, ferro robustior Anges: Cæcilia infestos læta ridet gladios.“, AS, Jun. IV, Dies 23, S. Ethelreda regina, virgo abbatissa Elyensis in Anglia, Acta prolixiora autore Thoma monacho Elyensi, pag. 516, col. D, 74. 329 Dabei muss nicht unbedingt ein Lachen erfolgen, sondern auch ein Lächeln ist möglich. Vgl. Classen: Laughter as an Expression of Human Nature in the Middle Ages and the Early Modern Period, S. 42.

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Reaktion, das Leiden nicht nur auszuhalten, sondern sogar zu lachen, auch die Heiligkeit unter Beweis gestellt. Kraft dazu gibt den Heiligen ihr Glaube und göttlicher Beistand. Der Märtyrer Speusippus spricht aus, dass Christus helfe, von den Qualen keine Schmerzen zu emp nden, sondern sogar zu lachen. 330 Die Verfolgung erging dabei nicht nur durch nicht-christliche Machthaber, sondern auch durch nicht-missionierte Bevölkerung. So berichtet im 14. Jahrhundert der Dominikaner Bernard von Guy, 331 von dem Heiligen Papulus, einem Märtyrer aus Okzitanien. Als junger Mann war dieser nach Toulouse gegangen, um dem Volk das Wort Gottes, über den Glauben und das Heil zu predigen. Er erlitt von den Ungläubigen viel Schaden und Drangsal, hielt sich dennoch keineswegs fern, sondern beharrte vielmehr auf das Predigen, die Qualen verlachend und die ihm zugefügte Pein verachtend. 332 Die aufgeführten Belege zeigen, dass das Lachen in diesen Fällen die von Menschen zugefügte Pein beantwortet und diese als gescheiterte Angriffe auf den Glauben und in dem letzten speziellen Fall auf die Missionstätigkeit zurückweist. Das Martyrium muss jedoch nicht unbedingt nur körperliche Ausmaße annehmen, sondern kann auch in anderen widrigen Umständen, anderen Formen des Leidens begründet liegen, denen ebenso mit einem Lachen begegnet wird. 333 Die königliche Heilige Ethelreda, jungfräuliche Äbtissin in Ely, erlitt kein solches leibliches Martyrium. Sie dürfe sich dennoch mit dem Ruhm der Märtyrer schmücken, da sie sich auch mit Vergehen und Begierden auseinandersetzen musste. Der Autor der Vita, ein Mönch in Ely namens Thomas, wagt sogar den historischen Vergleich und nimmt an, dass, wenn Ethelreda zu Zeiten Neros oder Diokletian gelebt hätte, sie sich freiwillig auf das Folterinstrument und in die Flammen begeben hätte. 334 Ferner hätte die Heilige keine Furcht vor den Eisen gezeigt, allen Qualen unbewegt entgegengesehen, ohne von ihrem Bekenntnis zum Herrn abzuweichen, und schließlich froh über die

330 Vgl. auch Mt 27, 41–43. 331 In das Werk von Eco ist er als Inquisitor eingegangen. Er war of ziell von 1307 bis 1323 Inquisitor von Toulouse, nahm die Aufgaben aber aufgrund von diplomatischen Missionen selten persönlich wahr. Vgl. Vernet, A[ndré]: Bernardus Guidonis, 2002, Sp. 1977. Zudem war Bernard von Guy Autor historischer Abhandlungen und hagiographischer Schriften. 332 „Igitur Papulus, tunc juvenis, postea futurus martyr Domini gloriosus, cum beato Saturnino Tholosam ingreditur civitatem, ad prædicandum in populis verbum Dei et dei ac salutis: et licet multas ab in delibus toleraret injurias et tribulationes, nullatenus tamen vacabat, sed magis insistebat prædicationi verbi Dei, tormenta deridens despiciensque illata sibi supplicia: sciens quod Non sunt condignæ passiones hujus temporis ad futuram gloriam quæ revelabitur in nobis.“, AS, Nov. I, Dies 3, S. Papulus, martyr in pago Laureacensi, in Occitania, Vita Sancti Papuli Auctore Bernardo Guidonis, pag. 599 f, col F f, 2. 333 Dies wird im folgenden Abschnitt zu den Kontexten – im Hinblick zum Beispiel auf Krankheit – eingehend dargelegt. 334 Auf Isidor von Sevilla zurückgehend wurde der Topos des hypothetischen Märtyrertums vielfach verwendet. Vgl. Lotter, S. 318.

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Verwundungen und sich der Folterwerkzeuge freuend unter Martern gelacht. 335 All diesen Belegen ist somit gemein, dass das Lachen Zeichen der Glaubensstärke der Heiligen ist, die sich – sichtbar am Lachen – der Stärke von Verfolgung, Leid, Martyrium und Anfechtungen entgegenstellen. So wie die Heiligen auf die Verfolgung in der Welt mit einem Lachen reagieren, so richtet sich ihr Lachen ebenso auf Weltliches allgemein. Materieller Besitz ist in diesem Zusammenhang ein wiederkehrendes Motiv: So lachte Paphnutius 336 bei einem zufälligen Besuch bei dem reichen Nestorius, nachdem man ihn auf einen silbernen Sitz platziert hatte ob der Reichtümer. Er empfahl der Dame des Hauses und ihrer Tochter, ihre Hoffnung nicht auf derartige eitle und nichtige Dinge zu setzen. 337 Der Sphäre des Weltlichen wird in der Beschreibung der Heilige Paphnutius entgegengestellt, der in den Augen der Hausherrin wie ein Engel anmutet. Das Lachen scheint nicht im Widerspruch mit dem engelsgleichen Eindruck zu stehen, sondern nimmt eine Position zwischen dem Überirdischen und dem Irdischen ein. Es ist hier einmal mehr Zeichen dafür, dass die Heiligen etwas als nichtig oder unwichtig erachten, in diesem Fall den Wert von materiellen Besitztümern. Dahinter verbirgt sich weniger Verachtung als vielmehr ein charakterlicher Vorzug. Der Verfasser einer metrischen Version der Vita des Heiligen Bavo, vermutlich aus dem 12. Jahrhundert, lobt daher die auserlesene Tugendhaftigkeit Bavos, weil der bescheidene Heilige ob der Fülle unermesslichen, irdischen Pomps lachte. Diese Askese ist nicht mit einer Welt ucht gleichzusetzen. Beigefügt ist nämlich die Bemerkung, dass der Heilige dennoch nicht der frommen Taten in aller Rechtschaffenheit entbehrte. 338 Mit dem Lachen wird demnach dem Weltlichen eine geringere Bedeutung im Leben der Heiligen zugeordnet. Besonders deutlich ist dies in Fällen vermögender Heiliger. Ein entsprechendes Lob erhält der Selige Godefridus von dem anonymen Schreiber seiner Vita, ebenfalls in metrischer Form verfasst. In Domino dens mundanaque gaudia ridens, an den Herrn glaubend 335 „Jam vero adversum omnes pœnas atque supplicia, quibus plerumque cessit humana in rmitas, ita a confessione Domini non recedens, immobilis obstitisset; ut leta ulceribus, gaudens cruciatibus quelibet inter tormenta risisset.“, AS, Jun. IV, Dies 23, S. Ethelreda regina, virgo abbatissa Elyensis in Anglia, Acta prolixiora autore Thoma monacho Elyensi, pag. 507, col. A, 40. In der Beschreibung liegt an vielen Stellen eine fast wortwörtliche Übereinstimmung mit dem Bericht über den Heiligen Bavo vor. Beide sind im 7. Jahrhundert gestorben, über beide wurde bis spätestens zum 12. Jahrhundert berichtet. Geographisch ist der eine in Flandern angesiedelt, die andere im heutigen Cambridgeshire. 336 Dies bleibt nicht die einzige Textpassage, die Paphnutius lachend darstellt. So lachte er auch in Gegenwart eines praeses, eines Statthalters, dessen Androhung von Qualen den Märtyrer keineswegs von seinem Glauben abbringen konnte. 337 „Ridens autem beatus ille Vir“ AS, Sep. VI, Dies 24, S. Paphnutius martyr in Thebaide, et al., Acta Fabulosa Latine Reddita ex Editione Surii, pag. 695, col. D, 9. Dieser Bericht ist ursprünglich in Griechisch abgefasst und erst spät ins Lateinische übersetzt worden. 338 „Quamvis immensæ rideret copia pompæ [. . . ]“, AS, Oct. I, Dies 1, S. Bavo, alias Alloynus, Conf., Gandavi in Flandria, Vita Metrica Auctore Anonymo, pag. 237, col. A, 9.

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lachte Godefridus, der letzte Graf von Cappenberg, über die irdischen Freuden, wobei hier der Begriff gaudia Verwendung ndet. Das Lachen ist hier nicht ex negativo der Askese – im Sinne einer Selbstpraxis des Verzichts auf Lachen und des Schweigens – zugeordnet, wie es ihm als Klosterangehörigen zugeschrieben werden könnte, sondern drückt positiv die Askese gegenüber der Welt aus: Er blähte sich nicht mit Besitztümern auf, sondern enthielt sich vielmehr, verwarf sie, verzichtete auf sie und schuf den Heiligen Christi, den Armen, den Brüdern, den Fremden Wohnplätze. 339 Durch das Lachen wird dem Materiellen eine Wertlosigkeit für den Heiligen zugeordnet, woraus Abwendung von diesem und die Hinwendung zu Rechtschaffenheit und dem Einsatz – zum Teil unter Aufwendung der materiellen Güter – für Andere im Sinne der christlichen Nächstenliebe resultieren. Die Gefühle der weltlichen Freuden, Wünsche, Verlangen, Begierden und die Anhaftung an Materielles werden im Leben der Heiligen ersetzt durch Gefühle der Geringachtung, Befreiung und Distanz, die sich in einem Lachen über Materielles ausdrücken kann. Die vielfach im Lachen ausgedrückte Geringschätzung betrifft noch weitere Aspekte weltlicher Belange, wie sich bei dem im frühen 8. Jahrhundert gestorbenen Heiligen Hildulfus zeigt. Über dessen Leben wurde in etlichen Viten berichtet, die eine lange Berichtszeit umfassen. Von zuhause nach Trier fortgegangen wird Hildulfus Mönch. Als unerschrockener Glaubenskämpfer verlacht er die Hoffnung auf Weltliches, spem seculi irridens. 340 In dieser allgemeinen Formulierung kann Vieles inbegriffen sein. Es kann konkrete irdische Güter meinen, aber auch weltliche Ämter und gesellschaftliches Ansehen. In einer weiteren Textstelle zu obigem Beispiel von Ethelreda drückt sich die Geringschätzung dieser Heiligen für „die weltliche Herrschaft und zeitliche Zierden aus Liebe zum Herrn Jesus“ aus, nichts an irdischen Dingen kann sie wirklich erfreuen. 341 Während in diesen Motiven der Aspekt der Askese im Vordergrund steht, zielen andere Verfasser zum Teil wie bei den Arten des Lachens auf die Betonung von Gemütsruhe und weiteren Tugenden ab: Die Mön339 Tatsächlich übertrug Godefridus alle Besitzungen dem Prämonstratenserorden, trat schließlich selbst in ein Kloster ein und bewegte seine Frau und Kinder dazu, dasselbe zu tun. AS, Jan. I, Dies 13, B. Godefridus, Comes Capenbergensis, post religiosus ord. Praemonstratensis in Westphalia, Alia Vita Metrica Auctore anonymo, pag. 860, §. I. 340 „quam tunc copiosus incolebat populus, monachorum etiam bonæ opinionis odorem circumcirca spargentium decorabat conventus, quibus spem seculi irridens, imperterritus agonotheta Christi sociatus, monasticam normam professione explevit & actibus“ AS, Jul. III, Dies 11, S. Hildulfus ex episcopo abbas Mediani monasterii in Vosago Lotharingiae, Vita tertia. Ex ms. Medianensi, pag. 229, col. C, 5. 341 „Nil ei prorsus de terrenæ rei placebat specie, sed regnum mundi & ornatum seculi contempsit, propter amorem Domini Jesu Christi, quem mente & puro corde super omnia dilexit, a quo illi nunc reddita est corona justitiæ“ AS, Jun. IV, Dies 23, S. Ethelreda regina, virgo abbatissa Elyensis in Anglia, Acta prolixiora autore Thoma monacho Elyensi, pag. 507, col. A, 40.

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che Girardus und Gobertus lachen über zugefügtes Unrecht beziehungsweise widrige Umstände. In der Vita des 12. Jahrhunderts wird über die Bescheidenheit, den Gehorsam und die Geduld von Girardus berichtet. Über ihm zugefügtes Unrecht lacht der Heilige. 342 Dabei ist anzumerken, dass das erfahrene Unrecht nicht weiter durch eine handelnde Person spezi ziert ist. Der weitere Kontext der Passage ist das Klosterleben und der Gehorsam auch dem Geringsten gegenüber. Ähnliches ndet sich in der Vita des Seligen Gobertus aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, der sich inmitten günstiger Umstände nicht gehen lässt und inmitten widriger Umstände lacht. 343 Diese Formulierung fand zum Beispiel auch auf einem frühmittelalterlichen Epitaph in Vienne Verwendung. 344 Den Schicksalsschlägen, die sich in der Welt den Heiligen entgegenstellen, können diese mit einem Lachen begegnen. So wie Weltliches konkret oder allgemein durch Heilige verlacht wird, so kann sich dieses Lachen auch auf menschliches Handeln und darin ausgedrückte Haltungen beziehen. 345 Die bei Hermylus angedeutete Geringschätzung von „Menschenwerk“ bezüglich der Götter guren, sie seien leblos und aus Stein und Holz von Menschenhand gefertigt, ndet sich in der Vita des im 6. Jahrhundert lebenden Heiligen Simeon in anderer Form. Dieser litt an einer schweren Krankheit, so dass man schließlich einen Arzt kommen ließ. Als dieser eintraf, lachte der Heilige und weigerte sich, durch Menschenhand geheilt zu werden, 346 sondern wollte seine Genesung lieber in Gottes Hand 342 „Omni vilitate vel extremitate contentus, tantae fuit patientiae ut frequenter acceptis iniuriis rideret“, AS, Nov. II, Pars I, Dies 4, S. Girardus, monachus Andegavensis, Vita S. Girardi Confessoris, pag. 494, col. E, 3. 343 „Hinc etiam inter tristes contristabatur, desolatos consolabatur, bona bonis exhortabatur: & quia corde erat lenis, gestabat pia viscera, ac dedit egenis pietatis ubera. Non lasciviebat in prosperitate, sed ridebat in adversitate: & licet peste plena, tamen huic sapiebat, ut dulcia, pœna: sciens quod a servis Christi non est cassa tribulatio pro Domino passa; quia virtus in in rmitate per citur. Apostolum hac imitabatur, &, ut dictum est, desolatos solabatur“, AS, Aug. IV, Dies 20, B. Gobertus, Ordinis Cisterc., in abbatia Villariensi in Brabantia, pag. 386, col. A, 44. 344 Die Angabe nach Rosenwein soll an dieser Stelle reichen: „[Celsa] repudiated worldly things and subjected her esh to the cross, and fearing [maetuens] prosperity, she always laughed at [ridens] adversity.“ Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 76. 345 Wie bereits weiter oben anhand der Personen der nicht-christlichen Umwelt gezeigt. 346 Makarios Ægyptios, PG 34, Homilia 48, pag. 809–812. Möglicherweise stehen derartige Aussagen auch im Zusammenhang damit, dass „[d]ie Kirche [. . . ] einen erbitterten Kampf gegen die magischen Wunderheiler [führte].“ Le Goff / Truong, S. 121. Bedeutender ist jedoch, dass ein „innertheologischer und innerkirchlicher Kon ikt zwischen Asketen und Weltchristen“ seit der Frühen Kirche besteht. „- Pseudo-Makarios will in der Medizin äußerstenfalls ein Zugeständnis Gottes an die sündhafte Menschheit sehen, wer wirklich glaubt, kann auf Arzt und Medizin verzichten. So und im Umkehrschluß, wer auf Medizin und Arzt verzichtet, erweist seinen wahren Glauben, wird der asketische Topos immer wieder seine kritische Potenz gegenüber der Medizin als einer rein weltlichen Veranstaltung zum Heile des verachteten Leibes entfalten. Der Körper bleibt in der mächtigen asketischen Tradition

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legen. 347 Das Lachen gilt hier einmal mehr dem Unglauben, hier jedoch in der Form von mangelndem Gottvertrauen und somit der darin ausgedrückten Kleingläubigkeit. Nimmt die Haltung von Gläubigen jedoch ein anderes Extrem an, wie etwa die Verehrung der Heiligen zu deren Lebzeiten, ruft dies bei den Heiligen ein Lachen hervor und ist dann unter anderem ein Zeichen von Demut. Dies zeigt das bei den Arten des Lachens kurz angedeutete und an späterer Stelle noch näher zu analysierende Beispiel des Seligen Bernardus Poenitens, dessen Vita aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammt. Eine Frau wollte seinen geheilten Kopf berühren, worauf Bernardus vehement zu lachen begann als Ausdruck von Verlegenheit und Demut sowie von Verzicht auf Aufmerksamkeit und Ruhmsucht. 348 Dasselbe Motiv wird in der vermutlich noch im 13. Jahrhundert von Agnes de Harcourt verfassten Vita der Heiligen Elisabeth verwendet. Ihre Dienerinnen sammelten beim Kämmen die Haare der Heiligen auf, um sie später als Reliquien verehren zu können. Die Heilige lachte, da sie das alles „für nichtig erachtete und darin Torheit erkannte“. 349 Elisabeth konnte nicht von ihrer eigenen Heiligkeit ausgehen, weshalb die Haare aus ihrer Sicht auch nicht zu Reliquien würden. Beide Beispiele bezeugen eine Art demütigen Umgang der Heiligen mit ihrer Verehrung durch Andere. Ihre Selbsteinschätzung und -wahrnehmung unterscheidet sich davon, da sie sich selbst nicht als wunderwirkend ansehen beziehungsweise ihre Demut – gleich einer Selbstverleugnung – stattdessen den Verweis auf Gottes Wirken verlangt. 350 Das Lachen ist Ausdruck für die Beherrschung und Überwindung von Gefühlen der Überheblichkeit, der Ruhmsucht und Eitelkeit. Vor diesem Hintergrund lachen oder belächeln die Heiligen das Verhalten ihrer Mitmenschen ihnen gegenüber. Das Lachen über Personen scheint jedoch insgesamt ambivalent bewertet zu sein. Sofern es sich um Gegner der Heiligen handelt, entgegnen die Heiligen diesen und

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zweitrangig.“ Toellner, Richard: Der Körper des Menschen in der philosophischen und theologischen Anthropologie des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. (Das medizinische Wissen vom Körper), 1992, S. 136. „Ubi autem fœtoris causa indagata repertaque est, medicum accersivit Joannes, arte sua medelam affecto corpori adhibiturum. Quid ad hæc Symeon? in risum effusus; Vivit Dominus meus, inquit, ac Deus meus: absit ut humana aut ars aut manus medica vulnera me tractet. In Dominum projeci curam mei, ipse medicabitur me.“, AS, Maii V, Dies 24, S. Simeon Junior Stylita, prope Antiochiam Syriae, pag. 321, col. F, 40. „Ad hæc vir Dei, ut erat jucundissimus, in vehementissimum risum prorupit, & se medicum, licet putaretur, non esse dixit. E contrario cum illa a precibus non desisteret, quasi per jocum puellam inter brachia arripuit, & amplexu unius brachii caput vertiginosum aliquantulum rmius astrinxit.“, AS, Apr. II, Dies 19, B. Bernardus Poenitens, Audomaropoli in Belgio, pag. 678, col. D, 19. „Ridebat illa, totumque pro nihilo habebat, atque istuc ipsum insipientiæ attribuebat.“, AS, Aug. VI, Dies 31, B. Elisabetha seu Isabella virgo regia, prope Fanum S. Clodoaldi in Agro Parisiensi, pag. 799, col B, 4. Dahingehende Hinweise liefert Köbele, wenn sie feststellt, dass „Heiligkeit kann, ja muss verkannt werden“ und „[a]uch der Heilige selbst kennt sich nicht.“, Köbele, S. 149.

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ihren Taten ein Lachen. Taten, die auf Kleingläubigkeit, Torheit oder Untugenden verweisen, rufen ein Lachen hervor, womit auch die jeweiligen Akteure zu einer Zielscheibe des Lachens werden. 351 Eine Formulierung in der Vita des Abramius deutet darauf hin, dass ein Lachen über eine Person nicht generell positiv gedeutet wird. Dieser im vorigen Kapitel behandelte Eremit hatte sich selbst eine Regel der Mäßigung seines Lachens auferlegt und diese bei Klostereintritt beibehalten. Dabei lacht er nicht nur allgemein nicht leicht, sondern zudem auch nicht über eine andere Person. 352 Neben dieser expliziten Aussage ist der mangelnde Befund von Textstellen festzuhalten, in denen Heilige über Mitmenschen lachen, wenn es nicht durch deren Taten und Worte gerechtfertigt ist, die dem Sakralen entgegenstehen. 353 Die Heiligen lachen über ihre Gegner, deren Gottlosigkeit und schließlich über weltliche Angelegenheiten, über die unterschiedlichsten Aspekte des irdischen Daseins. In abstrakter Form kulminieren diese Sujets in einer im Jahre 1018 von einem gewisser Ditmar geschriebenen Bericht über die zeitgenössische Bekehrung von Russen zum christlichen Glauben: Ein Bischof namens Vladimir scheidet freudig in Erwartung des wahren Friedens aus dem Leben und verlacht in himmlischer Sicherheit ruhend die Drohungen der unfrommen Männer, die auf der Erde nur einen unsicheren

351 Eine Untersuchung, inwiefern Heilige auf entsprechende Akte der Kleingläubigkeit, Torheit oder Untugend explizit nicht mit einem Lachen reagieren, um noch stärker Nachsicht und Milde zu zeigen, steht noch aus. Gleichermaßen wäre zu analysieren, welche anderen Reaktionen möglich sind, also die Heiligen implizit nicht lachen, um das Lachen demgegenüber ins Verhältnis setzen zu können. 352 „Non facile sua labia in risum solvebat: sed ne subridebat quidem.“, AS, Mar. II., Dies 16, S. Abramius Eremita in Hellesponto, pag. 440, col. B, 24. 353 Zum Vergleich, welche Objekte, welche Personen und welche Sachverhalte Lachen erregen konnten, dient eine andere Textgattung, die der Exempelsammlungen. In ihnen wird ein Zusammenhang zwischen Lachhaftigkeit und sittlichem Wert des Objekts hergestellt: Es scheint hier statthaft, über etwas zu lachen, sobald es als schlecht identi ziert ist. Den Lachenden wird der gute Part zugewiesen, da sich in ihrem Lachen die Erkenntnis der Schlechtigkeit spiegelt, eine Distanzierung zum Ausdruck kommt und darin letztlich sich die eigene moralische Überlegenheit erweisen kann. Es fällt auf, dass es nicht nur um Stereotypen geht, sondern die Sündhaftigkeit den Kern ausmacht. Untugenden, Vergehen und Schwächen sowohl der Geistlichkeit als auch von anderen Respektspersonen werden in den Blick genommen, so zum Beispiel die Trunkenheit der Templer. Als Kategorie des zu verlachenden Objekts wird häu g das Thema Geld angesprochen. Ganz allgemein gibt es aber auch Exempel zu Sitten und Gebräuchen, die der Gemeinde anschaulich vor Augen gehalten und moralisch bewertet werden. Die Beispielsammlungen als Grundlage für Predigtthemen machen selbst vor dem Tod nicht halt. Auch Tiere der Bestiarien erfüllen eine moralische Funktion. Vgl. Horowitz, Jeannine / Menache, Sophia: L'humour en chaire. Le rire dans l'Eglise médiévale, 1994, S. 152. Männer als Opfer des Lachens thematisiert Schuh, wobei sich in den von ihm diskutierten Beispielen kein textimmanentes Lachen ndet. Vgl. Schuh, Dominik: Man as victims. Speaking and laughing about violence against men, 2018, S. 120–124 u. 124–127.

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Frieden herstellen können. 354 So zeigt auch dieser Beleg, dass die Heiligen über alles lachend dargestellt werden können, womit die Welt befasst ist. Die Heiligen lachen in einer Zusammenschau aller Beispiele im wahrsten Sinne des Wortes über fremde Götter und die Welt. Die analysierten Beispiele zeugen von einem Lachen der Heiligen über Sakrales aus der nicht-christlichen Umwelt und über Profanes der christlichen Mitwelt. Ein Lachen über das Sakrale des christlichen Glaubens ist hingegen nicht möglich. Während das Lachen in ersterem Fall Verfolgung durch die Andersgläubigen provozieren kann, ist diese nicht als göttliche Strafe zu verstehen, denn erst die Verfolgung und das Standhalten im Glauben ermöglicht Martyrium und Eingehen in die Gemeinschaft der Heiligen. Eine umgekehrte Sachlage besteht im Falle des Heiligen Praeiectus, Bischof und Märtyrer in Gallien des 7. Jahrhunderts. In einem zeitgenössischen Bericht über Martyrium und Wunder ist es ein Gegenstand der sakralen Sphäre, welcher zum Objekt des Spaßens wird: Zu Scherzen aufgelegte Männer hatten einen von Praeiectus verwendeten Schemel entwendet, um die davon ausgehenden Wunder öffentlich zu machen. Sie brachten ihn jedoch aus Furcht wieder in die Kirche zurück, woraufhin eine wundersame Ent ammung aller Leuchten im Kirchenraum geschah. 355 Hier geht es um fehlenden Respekt gegenüber dem christlichen Sakralen. Zwischen den Zeilen werden die Themen des Unglaubens, der Umkehr aus Gottesfurcht und die Auflösung der Situation durch ein Wunderzeichen angesprochen. In diesem Fall handelte es sich um Scherze, dass aber auch ein Lachen über das Sakrale nicht angemessen ist, zeigt sich in anderen Beispielen, die an späterer Stelle behandelt werden. Die Heiligen lachen über Profanes. Wird jedoch aus christlicher Perspektive Heiliges verlacht, ist dies Zeichen von Unglauben oder Unfrömmigkeit und zieht in den Erzählungen der Viten vielfach eine Strafe nach sich. 356 Heilige lachen über Worte und Taten von anderen. Umfassendere Untersuchungen wären noch anzustrengen, ob Heilige jedoch eher zurückhaltend als über eine andere Person lachend dargestellt werden.

354 „[. . . ] ad libertatem perennis gloriæ gaudens transiit [. . . ] Episcopus iste in cœlesti securitate pausans, minas viri impii deridet, [. . . ]“, AS, Sep. II, Dissertatio de Conversione et Fide Russorum, pag. Xi, col. D, 43. 355 „Erat quodam loco scamnum, vbi consuetudo fuerat sedenti Præiecto: quod cum ioculares viri ad suum arti cium deportassent, agnoscentes tanta miracula per Sanctum Dei ostendi, timore perterriti, ipsum scamnum in basilica S. Symphoriani studuerunt reportare.“ AS, Jan II=III, Dies 25, S. Praeiectus, Episcopus Arvernensis Martyr in Gallia, et al., Alia Vita Auctore Coaetano Anonymo, pag. 636, cap. 22. 356 Zu der Bedeutung des Verspottens und den Konsequenzen dessen vgl. Johnson, Máire: Snark and the saint. The art of the Irish curse, 2018, S. 67, 78–80.

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3.2.2 Literarische und situative Kontexte des Lachens

Der Blick auf die Kontexte kann Unterschiedliches umfassen: Auf literarischer Ebene steht das Lachen im Zusammenhang von der Charakterdarstellung der Heiligen einerseits und andererseits von Situationen aus deren Leben. Ersteres zeigt sich in den Beschreibungen der Art und Weise des Lachens, insbesondere im Motiv der Mäßigung, wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt. Die situativen Kontexte lassen sich in positive und ambivalente Erzählungen unterteilen. 357 Eindeutig positiv besetzt sind das freudige Lachen im Anschluss an eine Heilung und das mitunter verzückte Lachen aufgrund einer Vision. Zu den ambivalenten Rahmenhandlungen zählen Krankheit, Martyrium und Sterbeszenen der Heiligen, aber auch Anfechtungen durch Dämonen. Die dichotomische Bewertung ergibt sich aus dem Leiden oder der Bedrohung, die sich jedoch für die Heiligen ins Positive wenden. Heilungen können Freude, Lächeln und Lachen hervorrufen. In den im 15. Jahrhundert gesammelten Akten der Seligen Hildegard, Frau Karls des Großen, ist von einem geheilten Kind zu lesen: Es führte seine wiederhergestellte Hand wiederholt zum Gesicht und lächelte dabei, subridens, um seinen Dank für die Gabe Gottes zu zeigen. 358 Das Kind veranschaulicht die Heilung durch die fortwährende Verwendung der Hand. Indem es diese zum Gesicht führt, führt es das Wunder vor Augen und verweist mit dieser Geste zugleich auf den eigenen Ausdruck der Freude im Lächeln. Diese Freude kann sich auch in einem Lachen äußern. Im vierten Kapitel der spätestens bis zum 9. und 10. Jahrhundert verfassten Wundererzählungen des im 7. Jahrhundert gestorbenen Heiligen Remaclus ist von der Freude, gaudium, einer Frau im Kontext ihrer Heilung die Rede. Ihr Lachen, welches das Gesicht überzieht, ist deutliches Zeichen für die wiederhergestellte Gesundheit, 359 und somit Ausweis der „Heilstat als hagiographische Pointe“. 360

357 Velten merkt an, dass das Lachen in seiner „Bedeutung [. . . ] sich überhaupt nicht allgemein festlegen [lässt], sie ist nur aus dem unmittelbaren Kontext der jeweiligen Kommunikationssituation und insofern in ihrem Verhältnis zum Reden zu erhellen.“ Velten: Lachen und Schweigen in Wolframs Parzival, S. 77. 358 „Manum quoque prius aridam, sentiens sibi restitutam, ori sine dif cultate admovit; idque frequenter agens atque subridens, dono Dei quod experiebatur se adgratulari monstravit.“ AS, Apr. III, Dies 30, B. Hildegardis, uxor Caroli Magni Imperatoris, Acta a Monacho Campidonensi seculo XV collecta, pag. 798, col. A, 14. 359 „[. . . ] sed post pusillum, quasi per laxissimas gaudii habenas liquido sereno claraque facie perfusa risu excutior & cum eo pariter pristinæ saluti, ut nunc patet, restituor.“ AS, Sep. I, Dies 3, S. Remaclus conf. ep. Trajectensis, ac dein abbas Stabulensis, Stabuleti in Germania, Miracula ex Ms. Coloniensi collato cum aliis quinque Mss. & editione Mabillonii, Liber II, Caput IV, pag. 7171, col. E, 53. 360 Lotter, S. 328.

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Viele der Heilungswunder werden nur knapp in den Viten dargelegt, da sie meist Teil einer längeren Aufzählung von Wundertaten sind. Einige von diesen Berichten wurden dennoch etwas umfassender ausgestaltet. In einer Vita aus dem 15. Jahrhundert ndet das biblische Motiv der Tränen, die sich in Lachen verwandeln, seine Verwendung. Eine arme Witwe sollte ein Kind, vermutlich gegen Geld, ernähren, es wurde jedoch krank und nahm keine Nahrung zu sich. Auf den Rat einiger Nonnen hin machte die Witwe sich mit dem Kind auf zum Grab des Heiligen Gregorius, 361 eines Abts des späten 10. Jahrhunderts. Darauf sitzend verwandelte der Junge die Tränen in Lachen, lacrimas in risum mutabat, und wurde geheilt. 362 Alle geistlichen wie weltlichen Personen, die anwesend waren, sahen und bestätigten dies. 363 Welchen besonderen Stellenwert das Lachen in diesen Heilungsberichten hat, zeigt sich bei dem Verfasser Johannes Peckham, Erzbischof von Canterbury, an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in der von ihm verfassten Vita des Heiligen Thomas von Cantilupe. Ein krankes Kleinkind, welches von einem Wagenrad am Kopf verletzt worden war, nahm nach erfolgter Heilung wieder Essen zu sich. Am dritten Tag 364 lachte es bereits wieder, auch wenn der blaue Fleck erst nach einer längeren Weile wieder verschwand. 365 Hier liegt das Hauptaugenmerk auf dem Genesungsprozess, der sich in einem Dreischritt äußerlich sichtbarer Zeichen vollzieht: Zunächst die Nahrungsaufnahme als Grundlage des Lebens und damit quasi als Zeichen der Herstellung des Lebenswillens. Es folgt das Lachen als Symbol für die Wiedergewinnung

361 Heiligengräber waren Stätten der Reliquienverehrung und -frömmigkeit, die hier wie auch anderen materiellen Überresten den Heiligenkörpern galten. Prachtvoll inszeniert wurde die Kostbarkeit der Relikte verdeutlicht. Marek [u. a.], S. 14. 362 Der Quellenbeleg könnte eine Ausnahme sein, da die Untersuchungen Signoris von Wundergeschichten gezeigt hat, dass „der dargestellte Schmerz [. . . ] aber immer ein tränenloser [ist].“ Signori: Körpersprachen, 2002, S. 537, vgl. auch S. 553 und S. 555 für eine andere Quelle von Wundererzählungen, die den vorliegenden Fall erklärt: „Denn wie erwähnt, schreien durften alle, auch Männer, weinen aber nur Kinder und Frauen, letztere aber nicht als Ausdruck körperlicher, sondern primär seelischer Schmerzen.“ 363 „Ipsa autem vidua de consilio quarundam sanctimonialium ipsius loci puerum iam dictum ad beati Gregorii tumulum deportabat, et puer ipse residens super tumulum lacrimas in risum mutabat, et de suis languoribus est curatus. Nos omnes tam spirituales quam saeculares personae, quae eramus in villa Porcetensi, haec vidimus et testamur.“ AS, Nov. II Pars I, Dies 4, S. Gregorius, abbas Porcetensis prope Aquasgrani, Additamentum Vita S. Gregorii abbatis posterior. 364 Eine Zeitspanne mit mehrfachem biblischem Bezug, unter anderem der Auferstehung Christi am dritten Tag. 365 „[. . . ] suxit lac; & exinde mater fovit eum usque ad tertium diem. Et tertia die risit, & ivit, sicut prius. [. . . ] remansit tamen aliquid de livore & in atura in superiore parte superciliorum ipsius Galfridi usque ad festum nativitatis B. Joannis Baptistæ, tunc proxime subsecutum.“ AS, Oct I, Dies 2, Thomas de Cantilupe, episc. Herefordiensis, apud Montem Flasconis in Hetruria Ponti cia, Miracula ex Processu Canonizationis, pag. 521, col. E, 40.

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von Lebensfreude. Schließlich erfolgt die Wiederherstellung der natürlichen Hautfarbe des geprellten Körperteils als Sinnbild für die Rückkehr zur Normalität, zum vollständig abgeschlossenen Heilungsprozess, der einerseits basaler Lebensgrundlagen und Lebensenergie bedurfte, aber eben auch der Rückgewinnung von Frohmut, eines positiven Lebensgeists. Im Kontext von Heilungen sind es zumeist die Betroffenen, die nach der Wiederherstellung ihrer Gesundheit lachen. Die ansteckende Wirkung solch einer Freude über ein Wunder zeigt sich bei der Heilung eines Mädchens am Grab des Heiligen Erminoldus, Abt von Prüfening und Konfessor im 12. Jahrhundert. Die verkürzte Hand des Mädchens wurde auf das Heiligengrab gelegt, die dabeistehenden Ordensbrüder beteten. Nach vollständiger Heilung kann die Hand wieder ausgestreckt und benutzt werden: Das Mädchen bringt in seiner kindlichen Art ein Ei hervor, wirft es und entlockt auf diese Weise allen Fröhlichkeit, Ausgelassenheit und Lachen, gemäß des Berichts von ungefähr 1290. 366 Die Heilung bewirkt nicht nur die Herstellung der Gesundheit, sondern auch des kindlichen Vergnügens und im Zuge dessen das Lachen der Zeugen. Lachen als soziale Praxis ist somit Ausdruck der Mitfreude, der geteilten Freude. Freude, Lachen und Lächeln hat seinen Platz in den Heilungsberichten. Die Heilige Genouefa des 6. Jahrhunderts bringt im Zusammenhang mit ihrer Wundertätigkeit selbst kein Lachen, sondern ein Lächeln hervor. 367 Aus einer um 1100/1130 aus älteren Handschriften zusammengeschriebenen Vita ist vom Diebstahl an der Heiligen zu lesen. Als Folge erblindet die Diebin, als sie zuhause ankommt. Sie erkennt dies als Strafe Gottes und kehrt zu Genouefa zurück, wirft sich ihr zu Füßen und bittet um Vergebung und die Wiederherstellung ihres Augenlichts. Die Heilige hebt die Diebin lächelnd vom Boden hoch, segnet sie und heilt sie dadurch. Die Episode ndet sich bereits in einer älteren Version der Vita. 368 Das Lächeln der Heiligen kann Vergebung und Milde ausdrücken. In allen Beispielen zum Motiv der Heilung ist Lachen und Lächeln vorausgeschicktes oder bestätigendes Zeichen von Heilsgewissheit.

366 „Quam manum cum mulier ante dicta tumulo Confessoris imposuisset, adstantibus Fratribus & orantibus pro eadem puella, clamans, Oh, integra sanitate recepta, in momento in ictu oculi manum ante contractam extendens, ouum quod casu in tumba iacebat, puerili more attraxit, iocunditatem & exultationem risumque excutiens vniuersis.“ AS, Jan. I, Dies 6, S. Erminoldus, Abbas Prufeningensis in Germania, Vita, pag. 344, 14. 367 Michaelis verweist darauf, dass ein Lächeln vielfach die „Funktion des beredten Schweigens hat“ und insofern „Lächeln nie durch ein Lachen ersetzt werden könne, Lachen aber durchaus durch Lächeln substituierbar sei.“ Michaelis, Beatrice: Beredtes Lächeln im Nibelungenlied, 2017, S. 129 u. 133. 368 „At illa humo eam miserata sustollens, ac de illati furti vilitate subridens, oculis eius Crucis signaculo con denter impresso pristini visus restituit sanitatem.“ AS, Jan. I, Dies 3, S. Genouefa, Virgo Parisiis in Gallia, Alia Vita Ex Veteribus Mss, pag. 145, 19, ebenso in der Vita.

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Ähnliche Heilsgewissheit liegt den Visionen der Heiligen zugrunde, daher stellen die entsprechenden Berichte 369 einen weiteren positiven Kontext dar. Grundlegend zum religionsphänomenologischen und religionssoziologischen Verständnis ist, „daß alle präsentische ‚Berührung` mit dem Sakralen oder Numinosen, so beschrieben wird, daß dabei die Normalbedingungen ‚außer Kraft` gesetzt sind und dies einhergeht mit ‚kommunikativen Verstörung(en)`“, mit Furcht und „Verstummen“. Gleichermaßen bestehen aber Praktiken, „die das Unsichtbare an Sichtbarem ‚vor Augen führt` und so [. . . ] ‚verstehbar machen` will. Gerade dabei geht es dann aber um alles andere als um ‚schiere Sinneswahrnehmung`; vielmehr geht es um Kommunikation.“ 370 Das lässt sich besonders gut an folgendem Beispiel nachvollziehen: Die 1213 gestorbene Selige Maria von Oignies, deren Vita 371 von einem Regularkanoniker vor 1240 verfasst worden ist, teilt ihre Himmelsvision mit. Maria möchte selbst auch in den von ihr geschauten „Himmel höchster Freude“ eingehen. 372 Zur Erheiterung, quasi ridendo, wird sie von anderen befragt, was sie machen würde, wenn sie dort ankäme. Dabei ist fraglich, ob das quasi ridendo der nicht näher genannten Personen als ein belustigtes Lachen zu verstehen ist aufgrund des geäußerten Wunsches der Heiligen, oder eher im Sinne von einem kurzweiligen Gespräch mit ernsthaftem Hintergrund über das Dasein im Jenseits. An späterer Stelle wird von einer weiteren Entrückung der Seligen berichtet, die lächelnd leise zu singen begann. Sie verblieb lange in dieser Freude, sang, lachte und klatschte manchmal in die Hände. Lange nach diesem Zustand der Verzückung konnte oder wollte Maria nicht sprechen, fastete 52 Tage lang und sang schließlich „mit lieblicher Stimme das Halleluja eine ganze Nacht hindurch in Jubel und Jauchzen“. 373 Das in der Vision Erfahrene ist unsagbar und in dem Sinne „entsprachlicht“, wie die Heilige zunächst auch weder sprechen kann noch will. In diese

369 Darunter sind zum Beispiel auch Bilder zu verstehen, „Bilder, die durch göttliche Inspiration im Gläubigen hervorgerufen werden. Mit dem Aufblühen einer allgemeinen Visionskultur im 12. Jahrhundert erhalten diese eine neue Bedeutung und die Arten ihrer medialen Vermittlung differenzieren sich aus.“ Marek [u. a.], S. 19. 370 Tyrell, Hartmann: Religiöse Kommunikation. Auge, Ohr und Medienvielfalt. Religion als Kommunikation, 2002, S. 54 f. 371 Die Vita des Jakob von Vitry ist eingehender und unter anderem – auf die Leiblichkeit bezogen – diskutiert bei Langer. 372 Vgl. zum Himmel als Ort des Lachens und der Freude u. a. Scarborough, S. 290. 373 „Cumque quasi ridendo ab ea quæreremus, quid illic si pervenisset faceret; [. . . ] Tunc ipsa præ gaudio diutissime, quasi subridens cœpit nescio quid submissa voce cantare: non enim jam vocem poterat exaltare. Cum autem magis appropinquassem, non nisi modicum de cantilena ejus potui intelligere, hoc scilicet: Quam pulcher es Rex noster Domine. Cumque diu in tanto permansisset gaudio, cantando, ridendo, & manibus aliquando plaudendo; [. . . ]“, AS, Jun. IV = V, Dies 23, B. Maria Oigniacensis in Belgio, Vita per Jacobum de Vitriaco tunc, pag. 665, col. C, 107.

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Lücke der Kommunikation 374 nach außen lässt sich das Lachen ein, das Gesicht wird zum Spiegel der Vision, des Gesehenen. Der in dem Bericht unsichtbare Gott, Deus invisibilis, wird für die Mitwelt der Heiligen nur indirekt anschaulich durch ihre Sichtbarmachung an ihr selbst. Den Zusammenhang zwischen Visionen und Heiligkeit, dass „Visionen [. . . ] für die Frage der Heiligkeit eine ambivalente Rolle [spielen], denn sie sind weder ein notwendiges noch hinreichendes Kriterium für Heiligkeit“, zeigt Wittekind. 375 Dennoch kann der Nachweis einer visionären Begabung die Heiligkeit am stärksten erweisen. „Indem [. . . ] allein Heilige als Empfänger bildlicher Einblicke in himmlische Bereiche dargestellt werden, wird dies ein zentrales Kriterium und Nachweis für Heiligkeit“. 376 Da in einigen Viten in Bezug auf die Visionen anscheinend die Außerordentlichkeit der Heiligen betont werden soll, die Gläubigen also nicht darauf hoffen können, es den Heiligen nachzutun, könnte dies für das Lachen bedeuten, dass es in seiner Qualität ebenfalls als nicht nachahmbar aufgefasst wird. Der Körper wird dennoch in der Darstellung zu einem „Medium der Begegnung mit Gott“, zu einer „Schnitt äche“ zwischen Diesseitigem und Jenseitigem. 377 Die Berichte der mystischen Erfahrungen durchbrechen den Gegensatz von Körper und Geist: „Bis in ihre Körperlichkeit hinein zeigen sich sichtbare leibliche Zeichen ihrer inneren Disposition. Die dieser anthropologischen Konzeption entsprechende Spiritualität umgreift Leib und Geist als Einheit. Die christlichen Wahrheiten werden nicht nur geistig, sondern auch leiblich-gesamtmenschlich erfahren.“ 378 Davon zeugt unter anderem das Lachen. Neben einem solchen spirituellen Kontext gibt es auch Visionen von profanerem Inhalt. Die Vision König Eduards von England bezieht sich auf den Tod seiner weltlichen Gegner. Diese göttliche Eingebung rief ein maßvolles Lachen bei dem Heiligen

374 Schnyder nennt dies eine „Leerstelle der Kommunikation“, das Lachen ist „Ausdruck einer Unartikulierbarkeit gegenüber einem Phänomen, das im gewohnten kulturellen, begrifflich fassbaren Rahmen nicht mehr semantisierbar ist.“ Schnyder, Mireille: Lachen oder schweigen? Inszenierungen von Macht und Ohnmacht an den Grenzen des Verstehens, 2017, S. 7. Velten spricht von „meditative[r] Vereinzelung“. Lachen ist dabei „machtvolle[s] erzählerische[s] Mittel [. . . ], was über die Grenzen der Kommunikation und ihren Mitteilungscharakter hinausgeht: Bereich des Transzendenten und Innerlichen ansatzweise zu erfassen und erfahrbar zu machen.“ Velten: Lachen und Schweigen in Wolframs Parzival, S. 93 u. 97. 375 Wittekind, Susanne: Überlegungen zur Konstruktion von Heiligkeit in Bildviten des Hochmittelalters am Beispiel von Visionsdarstellungen, 2007, S. 45. 376 Dies., S. 55. 377 Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 74 u. Kasten, Ingrid: Körperlichkeit und Performanz in der Frauenmystik, 1998, S. 104 u. 107. 378 Langer, S. 449. Untersuchenswert wäre hier der Zusammenhang zwischen der Emp ndung von Süße, die Langer ebenfalls als Sinneswahrnehmung der Mystikerinnen thematisiert, und dem Ausdruck des Lachens, vgl. Langer, S. 450 u. S. 453–455.

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hervor. 379 Vermutlich aufgrund der weniger sakralen Natur der Vision, entschied sich der Verfasser den Heiligen Eduard als maßvoll lachend darzustellen. Diese Mäßigung scheint jedoch nicht unbedingt notwendig, wie das Lachen der Seligen Alpais zeigt, deren Vita aus zwei Versionen aus dem 13. Jahrhundert und einer aus dem 14. Jahrhundert zusammengestellt wurde. Alpais wurde die Fähigkeit des Hellsehens zugeschrieben. Ein Kleriker und ein Presbyter, die zu ihr zu Besuch kamen, wollten dies testen. Da sie die Selige schlafend vorfanden, machten sich die zwei Männer weiter auf den Weg zu einem anderen Ort. Um sich die Reisezeit mit Kurzweiligem zu verkürzen, erzählte der Kleriker von einem Tristanroman. Auf dem Rückweg besuchten sie nochmals Alpais und baten sie um einen Bericht ihrer Visionen. Daraufhin lachte sie und erwähnte den Tristanroman. 380 Der Verfasser bietet für das Lachen jedoch keine Erklärung an. Zwei Grundvarianten sind denkbar: Entweder bezieht sich das Lachen auf die Anfrage oder den Inhalt der Vision. Dabei ist das Objekt des Lachens wohl weniger in dem Tristanroman zu sehen, obwohl mit dem Bezug auf weltliche Literatur auf den Gegensatz von sakral und profan verwiesen wird. Vielmehr verstärkt die Andeutung dieses Kontrasts eine andere Grundthematik. Die zwei Geistlichen testen durch ihre Anfrage die wundersame Fähigkeit der Heiligen und bezweifeln sie dadurch in gleichem Maße. Das Motiv ist demnach der Unglaube der Männer, auf welchen die Selige mit einem Lachen reagiert. Das Schema von ungläubig-unfromm spiegelt sich in der kurzweiligen Beschäftigung der Geistlichen mit weltlicher Literatur an Stelle eines theologisch gelehrten Gesprächs. Insofern bezieht sich das Lachen auf indirektem Wege wohl auch auf den Inhalt der Vision. Das Lachen der Seligen Alpais, ihrer hellsichtigen Vision vorausgehend, lässt eine Vielzahl von Deutungen zu, bezieht sich aber auf einen weltlichen Inhalt beziehungsweise die Diskrepanz von Sakralem und Profanem sowie auf die Un- oder Kleingläubigkeit der Geistlichen. Sakraler und profaner Inhalt der Visionen schlagen sich unterschiedlich im Körper nieder. Der „Körper als Ausgangspunkt ihrer Visionen“, der „als ‚Entkörperlichung` erfahrene Visionsempfang hat unweigerlich ein gesteigertes Bewusstsein für den Körper 379 „Quadam namque die Pentecostes, cum Rex divinis interesset mysteriis, hora elevationis Corporis Christi subito Rex vultu hilarior, et erectior oculis, in risum modicum, servata tamen regia gravitate, dissolvitur. Mirari, qui aderant, cœperunt; nec sine caussa, cum præter consuetudinem id ei accidisse sciebant.“ AS, Jan. I., Dies 5, S. Eduardus, Angliae Rex Confessor, Vita Auctore Sancto Ealredo, pag. 295, 11. 380 „Cui ipsa ridendo respondit: Plura vobis quam mihi narrabit, nunc ei vicem rependite 8 (rependitis 2, reddite 3.), et quod a me petistis 9 (petitis 3.), ei vos ipse 10 (ipsa 2.) narrate. Et interrogavit eam 11 (eum 1.) dicens: Et quid mihi rettulit? Quomodo scis quid mihi dixerit? Ad quem illa: Scio, inquit, scio quod hic 12 (om. 3.) ante me iam alia vice fuit; sed quia dormiebam, et cum eo loqui non poteram, vobiscum ad villulam illam perrexit, et in 13 (om. 2.) ambulando multa de romano de Tristain vobis ex ordine disseruit ut quid nunc a me vobis alia referre postulatis.“, AS, Nov. II, Pars i, Dies 3, B. Alpais virgo, Cudoti in territorio Senonensi, lib. IV, cap. II, VIII, pag. 202, col. A, 8.

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als Organ der Vermittlung zur Folge.“ 381 Eine religiöse Erfahrung, in diesem Fall die einer Vision, kann in der sozialen Praxis des Lachens münden, wenn sie der positiven Freude über die Gotteserfahrung und Gottesnähe Ausdruck verleihen soll. 382 Nicht zu verkennen ist sicherlich die Tatsache, dass in diesen Fällen auch eine metaphorische Sprache ihren Platz hat: „Mit Hilfe von Metaphern aus der Welt des Körpers sollte es gelingen, Unbegreifliches sag- und erfahrbar zu machen. Fromme sollten schmecken, wie süß der Herr ist (Ps 33,9).“ 383 Ist die Vision hingegen von profaner Natur, ist auch das Lachen von anderer Qualität. Es handelt sich dann weniger um ein verzücktes Lachen aufgrund einer Gottesschau, sondern vielmehr um ein wissendes Lachen aufgrund von Einblicken eher weltlicher Natur. 384 Zu den ambivalenten Kontexten zählen die Todesszenen im Leben der Heiligen. Ambivalent, da der Tod oftmals mit Krankheit, Leiden – also unterschiedliche Formen von Martyrium – und letzten Anfechtungen des Glaubens einhergeht, bevor sie in die Gemeinschaft der Heiligen eingehen. Aber auch ohnedem ist der Tod nicht ohne Schrecken, 385 die eben nur durch die Aussicht auf das ewige Leben überwunden werden können. 386 Die im 10. Jahrhundert in Gedichtform abgefasste Vita der Heiligen Äbtissin Eusebia aus dem 7. Jahrhundert berichtet von ihrer Innenkehr auf dem Sterbebett als Vorbereitung auf den Tod: Die dadurch erlangte Hoffnung stärkt ihr Herz, welches der Schrecken lacht und zurückschreckt vor Verlockungen. 387 Das Herz ist nach mittelalterlicher Vorstellung Sitz von unter anderem Lebenskraft, Gedanken, 381 Marek [u. a.], S. 19. 382 Zu unterschiedlichen körperlichen Zuständen der Ekstase, Rigor, Katalepsie, Stupor und Nahtod-Zuständen und deren jeweiligen De nition vgl. Dinzelbacher: Ekstase, das zentrale körperliche Phänomen der Mystik, S. 19. 383 Schreiner, Klaus / Schnitzler, Norbert: Historisierung des Körpers. Vorbemerkungen zur Thematik, 1992, S. 15. 384 In beiden Fällen trifft jedoch Libermans Einschätzung des Lachens als Zeichen von Triumph und Verachtung, als Vorgeschmack auf den Sieg, welches in seiner Qualität prophetisch sein kann. Vgl. Liberman, S. 417 f u. 420. Merceron hat auf den Zusammenhang zwischen Lachen und dem gottgegebenen Wissen über die Zukunft verwiesen. Vgl. Merceron, S. 108. 385 Die Angst vor dem Tod soll im Laufe des 14. Jahrhunderts „beträchtlich“ zugenommen haben. Vgl. Le Goff/ Truong, S. 134. Das vorliegende Material ist nicht umfassend genug, um eine derartige Beobachtung an den Heiligenviten und der Darstellung des Lachens veri zieren zu können. 386 Gefühle der Trauer waren im Todesfall akzeptiert, aber auch herabgestuft, sofern sie in der augustinischen Weltsicht aufgingen; sie wurden verlagert von weltlichen Dingen zu himmlischen, und der Tod wurde transformiert von einem traurigen zu einem frohen Anlass. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 75 f. 387 „Terrores ridet, & blandimenta perhorret.“ Die Thematik des Lachens wird noch in einem späteren Vers fortgesetzt, wo in einer Art Himmelsschau über die irdischen Könige, Magnaten und durch irdische Ehren aufgeblasenen Personen gelacht wird. „Reges, Magnates, proceres in honore tumentes Ridet spe vana pasci, quasi gloria mundi Perpetuo tribuatur eis; [. . . ]“ AS, Mar. II, Dies 16, S. Eusebia, Abbatissa Hamaticensis, Marchianis in Gallo-

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Glaube, Begreifen, Gewissen, Gesetz und der Begegnung mit Gott. 388 Die Lebenskraft ist transzendiert, das gläubige Herz, das reine Gewissen der Heilsgewissheit lachen ob der Schrecken quasi mit Gott. Dies waren die letzten Eindrücke im Leben der Heiligen. In einem Textbeleg aus der Vita des Heiligen Nicolaus Tolentinas ndet sich derselbe Zusammenhang des freudvollen Lachens aufgrund der Zuversicht und lohnenden Aussicht auf Gottesnähe nach dem Tod. 389 Bei dem Heiligen Yvo spiegelt sich gemäß seiner Vita aus dem 14. Jahrhundert möglicherweise nicht nur der Ausblick auf das ewige Leben, sondern eben dieses daselbst im Anblick des Toten wider, der gleichsam zu lachen scheint. 390 Der auch emotional aufgeladene Moment des Todes ist besonders hinsichtlich der Aspekte der Jenseitserfahrung positiv mit dem Lachen verknüpft als Anzeichen dafür, dass die Heiligen eine Heilsgewissheit erlangt haben. 391 Dieses Motiv der Zuversicht ist in der dritten Vita des Heiligen Bavo aus dem 11. Jahrhundert wiederum mit dem biblischen Motiv des Weinens, welches sich in Lachen verkehrt, verknüpft. In der Stunde seines Todes erschien dem Heiligen die heilige Jungfrau Gertrudis. Bavo bat diese, Leinentücher für seine Bestattung zu schicken. Es folgt eine Mahnrede an die Reichen der Welt, deren Leichname in Seide und Edelsteine verwesen. Der Vergleich zwischen ihnen und dem demütigen Heiligen wird weiter ausgeführt und endet schließlich in dem Gegensatz des von anderen „mit Geheul erwarteten Endes“ und dem Heiligen, der aus göttlichem Trost heraus lachen kann, da

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andria: Vita ex codicibus MS. Marchianensi et Burgundico, pag. 455, col. E, 3 und pag. 456, col. E, 6. Vgl. Le Goff / Truong, S. 174. „Postea in cella ejusdem Nicolai vox lætitiæ audiebat, & ex gaudio magno ridere videbatur. Tunc ejus serviens dixit Nicolao: Quid tibi gaudii & lætitiæ Pater? Idem Nicolaus post multa rogamina respondit: Deus est & Dominus meus Jesus Christus, qui suæ Matri & meo patri Augustino inhærens, dixit mihi: Euge serve bono & delis, intra in gaudium Domini tui. Et dicens ultimo, In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum, junctis manibus ad cælum, oculis ante crucem levatis, jucundo vultu & hilari spiritum ad Dominum commendavit [. . . ]“ AS, Sep. III, Dies 10, S. Nicolaus Tolentinas, Ord. Eremitarum S. Augustini in Tolentini in Piceno, Vita altera auctore anonymo, pag. 665, col. E, 10. „& respiciens Crucem, junctis interdum manibus, & devote & frequenter se signo Crucis signans & muniens, expiravit. De cujus ore spuma aliqua, vel aliud horridum naso, auribus, atque oculis non exivit: & quasi ridens & sudans omnibus assistentibus videbatur: & pulchrior et rubicundior, quam esset dum viveret, apparebat. Obiit autem Sanctus in crepusculo [. . . ]“, AS, Maii IV, Dies 19, S. Yvo, Presbyter Trecorii, in Britannia Armorica, Processus formatus anno XXVII a morte Sancti, pag. 561, col. A, 68. „Die Heiligen lachen noch angesichts der schlimmsten Torturen über ihre Peiniger, da sie sich der Freuden des Himmels gewiß sind“, das Lachen der „Widersacher [. . . ] kann [. . . ] nur törichtes Lachen sein.“ Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 96 u. 99. Die Verknüpfung von Lachen und dem Jenseits, dem heroischen Lachen über das Gewahrwerden des eigenen Todes, ndet sich auch in weltlicher Literatur. Vgl. Bayless, Martha: Laughter in a deadly context, 2017, S. 158.

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er Gott zu seinem Beistand machte. Der Heilige werde von Gott mit Freude umgeben. Zudem würden Gott und die Menschen sich seiner in Lobpreisungen erinnern. In der Schilderung der Beerdigung geht der Verfasser nochmals auf diese Thematik ein. Die sterblichen Überreste des Heiligen wurden in die Zelle seiner Rekluse zurückgetragen: Nicht zum Fasten, sondern um mit dem Brot der Engel gesättigt zu werden, nicht um zu dürsten, sondern von der Quelle des Lebens zu trinken, nicht um zu jammern, sondern um mit „evangelischem“, die frohe Botschaft betreffendem, Lachen zu lachen. 392 In dieser Formulierung ndet sich ein deutlicher Bezug auf die Seligpreisungen und Wehrufe aus dem Lukasevangelium, das himmlische Jenseits ist somit ein Ort des Lachens. In einer anderen Vita desselben Heiligen, der im 7. Jahrhundert starb und dessen Leben von dieser Zeit bis mindestens ins 12. Jahrhundert Autoren zur Niederschrift veranlasst hat, wird das Lebensende anders ausgestaltet. Dennoch ndet ein Lachen darin seinen Platz. Aus einer Handschrift vermutlich aus dem 10. Jahrhundert – sogar von einem Heiliggesprochenen verfasst – ist zu erfahren, dass Bavo als Konfessor, als einem der standhaft sich zu seinem Glauben bekannte, nicht durch das Schwert seiner Verfolger niedergeschlagen wurde. Er musste dennoch Qualen und Opfer auf sich nehmen, aus denen scheinbar auch körperliche Schwächungen resultierten. Er empfand die Wundmale und Kreuzigung mit und lachte „ob dieser Marter“. Es wird ausdrücklich betont, dass er auch ohne Blutvergießen das Martyrium erfüllte, durch die Hoffnung auf ewiges Leben die Leiden des menschlichen Schmerzes aber nicht spürte. 393 Damit sei noch einmal kurz auf das Martyrium als möglichem, ebenfalls ambivalenten Kontext 394 für ein Lachen verwiesen, welches bereits im vorherigen Abschnitt eingehender behandelt ist. Das Lachen angesichts von Martern wäre dem392 „Vos ex prophetica comminatione propter contritionem spiritus ululatis in interitum; ille ex divina consolatione ridet & dicit: Ecce homo, qui non posuit Deum adjutorem suum: nobile vestrum paludamentum versum est in confusionem, & reverentiam pauperis sui tristem saccum scidit Deus & circumdedit lætitiam: locus vester fumigavit & non est inventus: ejus memoria apud Deum & homines est in benedictionibus.“ „Expletis igitur, quæ necessaria erant funeri, cum lampadibus & cereis & of cio sancti episcopi amandi iterum sepelitur, non jam ad jejunandum, sed pane angelorum satiandum; non ad sitiendum, sed fonte vivo potendum; non ad plorandum, sed euangelico risu ridendum; ad nullam prorsus hujus corruptionis af ictionem sustinendam, sed ad perpetuæ consolationis stolam percipiendam.“ AS, Oct. I, Dies 1, S. Bavo, alias Alloynus, Conf. Gandavi in Flandria, Vita Tertia per Theodoricum abbatem, pag. 251, col. D, 40 und pag. 251, col. D–F, 41. 393 „[. . . ] ita ut ulceribus congaudens & cruciatibus, quælibet inter tormenta rideret. Sed quanquam gladio persecutoris minime truncaretur, implevit tamen sine cruore martyrium. Quas ille pro spe æternitatis humanorum dolorum non pertulit passiones [. . . ]“ AS, Oct. I, Dies 1, S. Bavo, alias Alloynus, Conf., Gandavi in Flandria: Vita Auctore anonymo ex Ms. S. Audomari, pag. 234, col. D, 26. 394 „Man darf dies [die Leiden, Marter und den eigenen Körper zum Bild des Gekreuzigten zu machen, Anm. d. Verf.] nicht als bloße Körperfeindlichkeit verstehen, sondern vielmehr als [. . . ] Instrumentalisierung des Körpers im Streben nach dem Heil.“ Marek [u. a.], S. 12.

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nach nicht nur Zeichen von Widerstand, sondern auch der Zuversicht, im Jenseitigen in die Gemeinschaft der Heiligen einzugehen. Das Lachen im Angesicht des Todes bleibt jedoch nicht nur den Heiligen vorbehalten. Der Dominikaner Raimund von Capua überträgt diesen Kontext des Lachens in seiner Vita der im 14. Jahrhundert lebenden Catharina von Siena auf andere Angehörige des dominikanischen Tertiärordens. Auf einige ihrer Ordensschwestern hatte die Heilige Ein uss, 395 wie im zehnten Kapitel des zweiten Teils berichtet wird: Nach der Bekehrung von ihren Sünden ertrug die reuige Ginoccia ihre lange Krankheit geduldig und froh bis sie in unsagbarer Freude verschied. Eine andere Schwester namens Francisca folgte der Heiligen in allem nach und überlebte diese nur kurze Zeit: Unter Schmerzen des Körpers lachte sie und mit einem freudigen Lachen verließ sie ihren Körper. 396 Dabei ist das erste Lachen Symbol der Überwindung von Schmerzen und das zweite Zeichen der Zuversicht in Bezug auf das Jenseits. In anderer Weise ambivalent sind die Auseinandersetzungen der Heiligen mit Dämonen, da diese den Glauben anzufechten suchen, die Heiligen jedoch darin ihre Glaubensstärke beweisen können. Auch in diesem Kontext der Begegnung mit dem Bösen hat das Lachen einen besonderen Stellenwert. Dies zeigt sich in der im 15. Jahrhundert verfassten Vita der Heiligen Francisca, wobei die Dämonen als Akteure im nächsten Kapitel eingehender untersucht werden: Francisca betete nachts allein in ihrer Kammer, als plötzlich ein übles Wesen, ein Dämon in menschlicher Gestalt erschien. Ohne Vorwarnung setzte dieser die Heilige auf ein hoch gelegenes Schrankbrett. Francisca bekam es mit der Angst zu tun, denn sie wusste nicht, wie sie wieder von dort oben herunterkommen sollte. Sie wandte sich an Gott, doch der Dämon verlachte und verspottete die Heilige und wartete ab, wie sie sich verhalten würde. 397 395 Hierbei ist wohl besonders an die Leidensfähigkeit Katharinas von Siena zu denken. Zu ihrer Stigmatisation vgl. Jungmayr, Jörg: Ekstase und politische Mission. Die Stigmata der Caterina von Siena (1347–1380), 2012. 396 „Attende, lector, quod Ginoccia sæpius nominata, cum asperrima pœnitentia, orationibus & meditationibus intenta, perseveravit in Dei servitio usque ad mortem; & longam corporis inrmitatem patientissime & lætantissime ferens, cum indicibili gaudio migravit ad Dominum. In omnibus autem supra dictis Francisca soror ejus est eam secuta, quæ parvo post eam tempore supervixit: & inter dolores corporis semper ridens, cum jucundo risu migravit a corpore.“ AS, Apr. III, Dies 30, S. Catharina Senensis, tertii Ordinis S. Dominici, Vita auctore Fr. Raimundo Capuano, pag. 912, col. A, 234. 397 „Cum quodam semel ipsa Beata nocturno tempore se daret orationibus & sanctis meditationibus in sua camera, generis humani hostis inuidia motus accessit ad eam in suam cameram in forma hominis, & recepit ipsam, & posuit in vna tabula, quæ supposita erat vni armario. Et erat tabula subtilis multum, in qua existens nesciebat quomodo posset ab ea descendere, & se totam Deo remittebat: & dictus malignus spiritus coram ipsa stabat eam deridendo & deludendo. Magno itaque tempore sic illa Beata permanens, mente sursum eleuata, eam rmam in Domino habens, se inuenit in terram positam, nesciens in quo modo: sed totum attribuens diuinæ potentiæ, non modicum stetit admirata.“ AS, Mar. II, Dies 9, S. Francisca Ro-

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Ausgangssituation ist die Stille der Nacht und Einsamkeit der allein betenden Heiligen, welche sich als Kontrast zum Lachen eignet und dieses besonders bedrohlich erscheinen lässt. Gleiches gilt für das unvermittelte Auftreten und das Trugbild der anthropomorphen Gestalt. Der erste Angriff ist physischer Natur und hat mindestens das Ziel, die Heilige zu verängstigen. Der Dämon entzieht seinem Opfer den Boden unter den Füßen. Dessen Reaktion ist die erneute Hinwendung zu Gott. 398 Beharrlichkeit und Kontinuität als Reaktion der Heiligen auf die Angriffe des Dämons provozieren diesen zu einem weiteren Störversuch. Teil dieses zweiten Angriffs des Dämons sind Lachen und Spott. Die Bedrohung durch seine Gegenwart währt eine ganze Weile. Über das Ende dieses Verhaltens und sein Verschwinden wird nichts explizit gesagt. Da die Heilige sich als standhaft und letztlich nicht nur ihrem Standort nach als überlegen erweist, löst sich die Situation durch die Rückkehr der Heiligen auf festen Boden auf. Es zeigt sich hier, wie auch in einem noch zu erörternden Beispiel der Christina von Stommeln, dass das Gebet sowohl Kontext im Sinne einer Ausgangssituation als auch Reaktion der Heiligen sein kann. Auf die genauen Funktionen des dämonischen Lachens wird noch näher einzugehen sein, hier bleibt festzuhalten, dass das Lachen als Teil einer angstmachenden Praxis durchaus bekannt war und als solche im Sinne einer Einschüchterung auch verstanden werden konnte. Das Lachen erhält demnach in der ambivalenten Situation der Begegnung mit Dämonen eine negative Bewertung. Die bisher analysierten Kontexte suggerieren, dass ein Lachen notwendigerweise in ihnen vorkommt. Dem ist jedoch nicht so. Die Themen Leiden, Vision und Tod werden von den Vitenverfassern häu g mit Lachen in Verbindung gebracht beziehungsweise können aufgrund der hier zugrundeliegenden Methodik leichter als Themenkomplexe identi ziert werden. Die Verfasser der Viten haben hier Gestaltungsfreiheiten und unterliegen keinem Automatismus der Darstellung beziehungsweise sind in der Ausgestaltung nicht an ein stereotypes Muster gebunden. Anhand der weiter oben bereits behandelten Vita des Seligen Robertus aus dem 15. Jahrhundert lässt sich anschaulich zeigen, dass von seinem zeitgenössischen Vitenverfasser nicht jedes dieser Themen mit der Darstellung des Lachens verknüpft ist. 399 Robertus wird eben nicht mana vidua, Fundatrix Oblatarum Turris-speculorum Romae, Acta ex autographo Romano MS. Auctore Ioanne Mattiotti ipsius Sanctæ Confessario, pag. 153, col. A–B, 5. 398 Im Grunde wandte sie sich wieder Gott zu, denn der Dämon fand die Heilige bereits im Gebet vor. Das Tun Franciscas ist somit bereits nach dem ersten Angriff von Kontinuität gekennzeichnet. 399 „Immisit Dominus dolores multos & gravem stulam adjunxit, quibus cum ferro, igne & asperis remediis oporteret mederi, nullum visus est impatientiæ signum edidisse. Admonitus a quodam Dei servo de futura corporis dissolutione post menses quatuor, lætatus est, & magno studio præparavit se quotidiana confessione & communione frequenti [. . . ] In ultima hora satan oppugnare tentavit, objectus dubiis circa dei mysteria [. . . ] quod & alta voce recitari præcepit. Divino deinde adjutorio speciali pro igato inimico, paulisper requievit, mox

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im Kontext seiner Krankheit als lachend dargestellt. Auch die Auseinandersetzung mit dem Teufel als Widersacher verläuft, ohne dass dieser als der Gegner des Seligen lacht. Erst aufgrund der himmlischen Vision – aber nicht im Moment der gleichen –, der Vorfreude und im Augenblick seines Todes als letztes Lebenszeichen und im Übergang zum ewigen Leben äußert sich das Lachen. 400 Die menschlichen Erfahrungen der Heiligen sind demnach nicht immer von Lachen als Zeichen ihrer Geringachtung und Überwindung begleitet, sondern das Lachen kann wie im Fall von Robertus den Schlusspunkt des Lebens im Übergang zum ewigen Leben ausdrücken. 401 Wobei auch dies nicht notwendigerweise in dieser Art beschrieben wird. Die positiv und ambivalent konnotierten Kontexte des Lachens liefern den Rahmen für unterschiedliche Formen des Lachens, Lächelns und der Freude. Zum Teil markiert das Lachen die Überwindung von Leiden und dem damit verbundenen Gegenpol des Weinens. Lachen ist mit dem Gefühl der Freude verbunden und Reaktion auf ein freudiges Ereignis wie zum Beispiel das der Gesundung 402 bei den Heilungswundern. 403 Lachen ist ein Symbol der Vitalität und kann daher einen Kontrast bilden

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hilari & jucundo vultu cælum aspiciens, rerum divinarum contemplatione profunda, mente excessit. E raptu rediens: Video, inquit, cælos apertos, & protinus ridens & exultans, xis in cælum oculis, sub auroram sanctam animam reddidit Creatori in vico sancti Archangeli.“ AS, Oct. V, Dies 10, B. Robertus Malatesta Conf. tertii Ordinis S. Francisci Arimini in ditione Ponti cia, Acta, ex Legenda Ms. auctoris anonymi, pag. 147–148, col. F-A, 6. Hier ist auch die Formulierung „das Lachen als Staunen der Seele“ treffend. Vgl. Bartsch, S. 56. Anders als das Untersuchungsergebnis bezüglich der Ambiguität des Lachens „verbergen sich [hinter diesem Lachen] Realitäten“, die sowohl „durch dieses Lachen bewältigt“ als auch „in ihm aufgehoben werden können“, vgl. Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 116. Die hier behandelten Belege zeigen, dass zwischen Wundererzählungen ohne längere Vorgeschichte über die zu heilenden Personen und solchen zu unterscheiden ist, bei denen ein Vergehen als Ursache für Krankheit und Ähnliches in den Blick einer ausführlicheren Erzählung gerät. Zu beobachten ist, dass der erstere Fall eines unverschuldet Erkrankten tendenziell eher von einem Lachen als Reaktion auf die erfolgte Heilung gekennzeichnet ist. Hierzu müssten jedoch noch eingehendere Untersuchungen erfolgen. Im Vordergrund stehen an dieser Stelle die Heilungswunder, die einen recht stereotypen Ablauf haben. Im Hinblick auf alle in der vorliegenden Untersuchung analysierten Beispiele lässt sich sagen, dass das Lachen im Vorfeld eines Strafwunders und Dämonenwunders stehen kann, jedoch eher im Anschluss an ein Heilungswunder erfolgt. Analysen zu weiteren Hilfswundern wie Speisevermehrungen, Nahrungs- und Wasser ndung, Schadenabwendung, Befreiungswundern, Tierwundern aber auch von Machtwundern und Wiederherstellungswundern und der Verortung eines Lachens innerhalb dieser stehen noch aus. Im Kontext eines Falles von einem telepathischen Wunder des Hellsehens ist das Lachen Teil der Reaktion der Heiligen auf den unterzogenen Test. Vgl. zu den Arten von Wundern Lotter, S. 334 f.

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zu einem vorherigen gegenteiligen Zustand. 404 Es unterstreicht auf diese Weise die Bedeutung des Wunders: „Wundertätigkeit erstreckt sich vor allem auf Körper [. . . ] auf schwache und bedrohte Körper.“ 405 Bei den Visionen fungieren die Körper der Heiligen geradezu als Spiegel der Gotteserfahrung. In vielen Berichten wird dies in Form von Lichtsymbolik ausgedrückt, in der Beschreibung einer Aufhellung des Gesichts, claritas und gloria, des Ent ammtseins und einer Aufhellung im Sinne von Heiterkeit. 406 In demselben Zusammenhang ist auch das Lachen im Gesicht der Heiligen als Zeugnis ihrer Vision zu sehen. Wiederholt ist auf die Heiligen verwiesen worden, die im Kontext ihres Martyriums oder eines Leidens 407 als lachend in Erscheinung treten. Dabei steht das Lachen vielfach in unmittelbarem Zusammenhang mit der körperlichen Leidenserfahrung. 408 Das Lachen kann in all diesen Beispielen als „expression of [. . . ] the ghting spirit“, als Zeichen für einen „uncrushable spirit“ gleichwie bei einem Helden so auch beim Heiligen angesehen werden. 409 Weitere Situationen des Lachens von Heiligen lassen sich weniger in bestimmte Kontexte kategorisieren. 410 Vielfach trifft das Lachen auf ein gesellschaftliches Gefüge, welches ein weiteres Motiv eines Rahmens für das Lachen bildet.

3.2.3 Soziale Konstellationen des Lachens

Zunächst wäre bei den sozialen Konstellationen des Lachens zu unterscheiden zwischen gemeinsamem Lachen, Mitlachen und einander Anlachen als Zeichen der Mitfreude, des Zugetanseins und damit als positiv bewertete Handlung innerhalb einer Gruppe und einem Lachen, das Zeichen einer Gegnerschaft und damit negativ konno-

404 Merceron liefert eine Belegstelle für das Lachen von auferstandenen Säuglingen, welches Symbol des Lebens und des ewigen Lebens ist. Vgl. Merceron, S. 107. 405 Le Goff / Truong, S. 188. 406 Vgl. zu Licht- und Feuersymbolik in der Hagiographie Angenendt, Arnold: „Der Leib ist klar, klar wie Kristall“, 2002, insbesondere S. 388–390. 407 Wie bereits angedeutet können die Leiden der Heiligen verschiedene Formen annehmen, zu denen neben Verfolgung und physischer Gewalt, auch verbale Angriffe sowie körperliche Beschwerden aufgrund von Krankheiten zählen können. 408 Zu Schmerz als Zeichen der unvollkommenen Natur, als Zeichen verderbter Natur sogar und der untrennbaren Einheit von Körper und Seele siehe Toellner, insbesondere S. 138–140. Das Lachen ist demnach umso mehr Zeichen der Überwindung dieser Unvollkommenheit. 409 Vgl. Niles, S. 19 u. 32. 410 Merceron hat darauf verwiesen, dass einige Textstellen „must have required a much greater effort of interpretation on the part of the audience“, besonders dann, wenn „the relationship between laughter and the sacred operates on a system of values and an inverted logic that are less immediately obvious.“ Merceron, S. 109.

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tiertes Handeln ist. 411 Einige Beispiele für ein miteinander geteiltes Lachen 412 wurden bereits in obiger Analyse betrachtet, wie beim Wiedersehen unter Freunden, beim Spielen von Kindern oder beim Gewahrwerden eines Heilungswunders. Zur Herausarbeitung von sozialen Konstellationen und der Frage, wer dabei wen auslacht, eignet sich jedoch das Auslachen weitaus mehr, nicht zuletzt, weil auch das Ertragen des Auslachens einer Imitatio Christi gleichkommt, wie Christus ebenso von seinen Gegnern ausgelacht wurde. Dabei ergeben sich unterschiedliche gesellschaftliche Gefüge und damit auch verschiedene Motive für das Lachen. Es gibt Auslachen trotz sozialer Nähe, welches aber durch befremdliches Verhalten des Heiligen hervorgerufen wird, aber auch ein geradezu xenophobes Lachen aufgrund von Fremdheit. In einen politischen Kontext gerät das Lachen dort, wo gegnerische Parteien aufeinanderstoßen. Das Verlachen weist dann zumeist das „unheilige“ oder zumindest „unrechtmäßige“ Lager aus. In dem Beispiel des Heiligen Augustinus, der als erster Bischof von Canterbury in die Geschichte einging, erzielt das Lachen seine erzählerische Wirkung der ab dem 11. Jahrhundert orierenden Vita und Wundergeschichte im Zusammenhang von ausgesprochener Fremdenfeindlichkeit. Papst Gregor I. sandte besagten Augustinus von Rom nach Britannien. Mit 40 Kameraden reiste er durch Galliens fruchtbare Provinz bei Angers. Die Missionare stießen auf die Einheimischen und wurden „wie Wölfe und unbekannte Ungetüme“ aus dem Ort vertrieben. Besonders die Frauen, mulierculae, waren respektlos, geradezu verrückt, schrien, verliehen ihrer Verachtung Ausdruck mit spöttischen Gebärden und Lachen, subsannatione, derisione, und wurden gewalttätig gegen die „schadlosen und rechtschaffenen Fremden“. 413 Daher waren diese gezwungen, die Nacht im Freien zu verbringen. In vielen Beispielen, in denen das Verhältnis zwischen Heiligen und ihren lachenden Kontrahenten nicht näher spezi ziert ist, dürfte es sich um unbekannte oder fremde Menschen handeln. In dem vorliegenden Beispiel einer Mission wird diesem Umstand jedoch besondere Aufmerksamkeit ver411 Zu beiden Aspekten ließe sich die Thematik hinzufügen, wie das Verhältnis dazu ist, andere zum Lachen zu bringen. Dies soll nur am Rande erörtert werden, da es zum Teil die Bereiche von Humor und Witz betrifft. Als Praxis der Predigt ndet es weiter unten im Zusammenhang von Ort und Zeit Erwähnung. 412 Bayless beobachtet, dass trotz aller sozialen Aspekte von Humor Lachen im Speziellen in literarischen Texten „is disproportionately displayed by lone individuals“. Bayless: Laughter in a deadly context, S. 153. 413 „Quibus adjacenti villæ Sai ejusdem nominis conantibus succedere, incolæ hostilitatem pro hospitalitate restituere; & tot homines peregrinos, pedestri incessu & habitu humiles, quasi tot lupos & ignota monstra repulere. At vero mulierculæ simul glomeratæ, tanta non modo irreverentia, sed insania, ululatu, despectu, subsannatione, derisione in Sanctos Dei sunt debacchatæ, ut viri indemnes vel innoxii quodammodo in eadem viderentur comparatione.“ AS, Maii VI, Dies 26, S. Augustinus, Episcopus Cantuariensis in Anglia, Vita auctore Gocelino Monacho, pag. 380, col. C, 10. Später ist auch von ludibriosa importunitate, spielerischer, spöttischer Rücksichtslosigkeit, Schroffheit die Rede.

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liehen. Die Gruppe der Christen wird nicht besser behandelt als Tiere, als namenlose Ungetüme. Das Gebaren der Frauen hat kaum menschliche Züge. Nicht einmal eine Beherbergung ist in der ungastlichen Region zu erwarten. Der Fall des Augustinus hebt ab auf die Fremdenfeindlichkeit im Gegensatz zur Gastfreundschaft und mehr noch der christlichen Barmherzigkeit sowie auf die Wildheit im Kontrast zur Zivilisierung durch das Christentum. Hier kommt das „Motiv der asketischen Heimatlosigkeit“ 414 zum Tragen. Die spätere Bedrohung des Lebens des Heiligen eröffnet die Möglichkeit einer Wundererzählung. Die Lachenden werden zwar nicht zu Weinenden verkehrt, aber durch göttliche Intervention erfolgt eine Strafe, die schließlich jedoch im Sinne der christlichen Nächstenliebe noch etwas abgemildert wird, wie im nächsten Kapitel ausführlicher erörtert wird. Das Lachen markiert eine feindselige Haltung gegenüber den unbekannten Eindringlingen, die sich durch die abschreckende Art nicht willkommen fühlen dürfen. Das Auslachen der Heiligen bleibt allerdings nicht auf Fremde beschränkt, sondern kann auch aus sozialer Nähe resultieren, wobei jedoch das Gefühl von Befremden Auslöser ist. In dem Fall der Heiligen Catharina, Tochter der Heiligen Brigitta, ist das Lachen eines nahestehenden Verwandten überhaupt erst aufgrund der sozialen Nähe möglich, wie aus dem zeitgenössischen Bericht aus dem 14. Jahrhundert hervorgeht. Es ist Folge der häuslichen Einblicke, die sich aus dem Verwandtschaftsverhältnis ergeben. Ihr Bruder Carolus verschaffte sich heimlich Zutritt zu ihrem Gemach, 415 welches sie mit ihrem „ebenfalls ernst und enthaltsam lebenden“ Mann Egardus teilte. Aus den 414 Herbers, S. 201. 415 Öffentlich sichtbar und Objekt des Gelächters hingegen ist die Art ihrer Kleidung: Für alle offensichtlich kleidete sich die Heilige in schlichter, geradezu heruntergekommener Kleidung, um ihrer Demut Ausdruck zu verleihen. In diesem Zusammenhang äußert der Vitenverfasser Zeitkritik, da diese Art sich zu kleiden ein alter Brauch ihrer Heimat war, welcher bei den zeitgenössischen Adeligen in Vergessenheit geraten war. „Cœpit etiam vestes deformata ab antiqua patriæ laudabili consuetudine, in quibus modernis t¯eporibus maxime nobiles ef uere solent, paullatim deponere; nec propter detractiones & irrisiones ab humilitatis & honesta consuetudinis patriæ obseruantia desistebat. Cuius exemplo multæ nobiles, consodales eius & cognatæ, vestes pomposas & ornamentum super uum patriæ reliquerunt.“ AS, Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi & Ordinis Birgittini in cœnobio Vastenensi Monacho, pag. 506, col. E, 6. Catharina wollte die Reinheit nicht nur auf ihren Körper beschränken, sondern auch ihren Geist damit erfüllen. Ulphonis versäumt nicht zu erklären, dass wie die Sauberkeit des Fleisches das Freisein von der Verunreinigung durch Menschen bedeute, so sei entsprechend die Demut das Freisein von der Verunreinigung durch Dämonen. Diese mit der Seele vermischt verunreinigen sie durch superbia, Hochmut, Stolz, wie die Menschen den Körper verunreinigen durch luxuria, Genusssucht, Zügellosigkeit. Als Bollwerk diente ihr unter anderem das äußere Zeichen der einfachen Kleidung. Vgl. AS, Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi & Ordinis Birgittini in cœnobio Vastenensi Monacho, pag. 506, col. E, 6.

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rauen wollenen Gewändern, dem entfernten Ehebett und den getrennten Schlafplätzen auf dem bloßen Estrich, schloss Carolus, dass die Eheleute „nicht eischlichen Vergnügungen nachgingen“. 416 Er behauptete daraufhin, sie seien abergläubisch und närrisch. Mit diesem letzten Begriff wird Bezug genommen auf den Narren, der durch Worte und Taten Lachen erregt, aber auch durch sein Erscheinungsbild zum Lachen ist, wodurch betont wird, dass die Heiligen ihrer Mitwelt oftmals als Narren erscheinen. Der Verfasser Ulphonis veranschaulicht bildhaft, wie Catharina und ihr Mann gleichmütig die herab ießenden Regengüsse von Schelten, die eintreffenden Ströme von Verleumdungen und die blasenden Winde der Verlachungen, antes ventos irrisionum, ertrugen. 417 Die öffentliche Bekanntmachung ihrer Keuschheit brachte sie jedoch keinesfalls von ihrem Glauben und ihrer daraus resultierenden Lebensweise ab. Wie auch im Hinblick auf ihre Art, sich äußerst spartanisch zu kleiden, ließ die Heilige sich nicht durch Verleumdungen und das Verlachen von der Demut und der Einhaltung dieses als ehrbar bewerteten Brauchs abbringen. Das Lachen als mögliches Mittel sozialen Korrektivs hat in diesem Fall keine Wirkung gezeigt. Die gesamte literarische Komposition ist um bestimmte Aktionen und Reaktionen gruppiert, deren zentrales Element das Lachen ist. Das Bloßstellen der asketischen Praktiken soll die Heilige dem Lachen Anderer preisgeben. Stattdessen wird sie zum Vorbild für die Schwägerin, die bedingt durch eine Vision 418 ihren Lebenswandel ändert. Als ihr Mann Carolus, bis dahin ganz weltlich eingestellt, adhus totus secularis, die Veränderung in Hinblick auf Kleidung und frommer Haltung in der Ehe bemerkte, ging er wutentbrannt zu seiner Schwester Catharina, um seiner Missbilligung Ausdruck zu verleihen. Er fuhr sie an, dass sie wohl nicht zufrieden sei, sich selbst zu 416 Zum Wandel bei der Einstellung gegenüber der Ehe im Zusammenhang mit Idealen von Heiligkeit vgl. Lotter, S. 324. 417 „Qui captata opportunitate, latenter eorum cubiculum intrans, inuenit eos non vt coniuges delicias carnales sectantes, sed velut deuotos Religiosos laneis & asperis indutos tunicis, dimisso delicato lecto, in pauimento separatim dormientes. Super quo memoratus Dominus Carolus, minus eorum que sunt spiritus sapiens, Dominum Egardum & vxorem eius germanam suam tamquam superstitiosos & fatuos arguebat. Ipsi vero descendentes pluuias increpationum, venientia umina detractionum, & antes ventos irrisionum æquanimiter tolerantes, a proposito castitatis & abstinentiæ fundamento minime ceciderunt; rmati enim erant super sancte perseuerantiæ stabile fundamentum.“ AS, Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi & Ordinis Birgittini in cœnobio Vastenensi Monacho, pag. 506, col. E, 5. 418 Zusammen mit der Heiligen besuchten sie eine Kapelle. Die Schwägerin schlief ein und hatte eine Vision, wie die Heilige Jungfrau mit einem heiteren Gesicht, hilari vultu, auf Catharina blickte, aber mit nsteren Augen und mit zornigem Gesicht hingegen auf sie blickte. Von dieser Vision derart verwirrt, ng die Schwägerin an zu beten und erkannte die Notwendigkeit der Umkehr. AS, Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi & Ordinis Birgittini in cœnobio Vastenensi Monacho, pag. 506, col. E, 7.

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einer Begine gemacht zu haben, und warum sie nun auch seine Frau zu einer Begine und zum Gegenstand des Geredes der Menschen gemacht habe. Wiederum geduldig, so heißt es, ertrug die Heilige Catharina die Vorwürfe und das Verlachen um ihres Glaubens willen. 419 Die Konfrontation ist als Gegensatz von Frömmigkeit und Unfrömmigkeit angelegt. Während die Heilige dreimal dem Verlachen ausgesetzt ist, wird der Bruder dreimal als Gegenpol dazu dargestellt: Er ist in der ungewöhnlichen Enthaltsamkeit und dem geistigen Leben unerfahren, als unwissend und „nicht klug des Geistes“ charakterisiert sowie ganz weltlich. Das Motiv der sozialen Nähe des Bruders könnte von dem Verfasser genutzt worden sein im Sinne einer Imitatio Christi bezüglich der Worte: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und bei seinen Verwandten und in seinem Hause.“ 420 Aus der Sicht des Bruders kommt es einer Bestrafung für sein Gelächter gleich, dass die fromme Lebensweise nun in seiner eigenen Ehe Einzug erhält. In die sozialen Konstellationen können auch politische Aspekte mit hineinspielen. Lachen und Scherzen kommen dabei in einigen Heiligenviten Instrumenten des Kräftemessens gleich. So reagiert der Heilige Canutus, Anführer der Schleswiger in Dänemark, mit einem Scherz auf seinen weltlichen Feind, dessen militärische Bedrohung und verbalen Spott. Diese ungefähr im Jahre 1200 beschriebene Reaktion hat aber nichts mit einer spirituellen Überlegenheit zu tun, sondern bleibt auf die weltliche Ebene bezogen. 421 Sehr viel dramatischer ausgestaltet ist die Gegnerschaft im Fall des von 1073 bis 1085 amtierenden heiligen Papstes Gregor VII., der sowohl von Weltlichen als auch Geistlichen verlacht wird. Aus den eigenen Reihen, so wird betont, erfuhr er den Frevel der Feinde und ihr Verlachen, seine Gefangennahme geschah im Namen des Herrn. Er überwindet tapfer, wie ein Regularkanoniker zwischen 1120 und 1131 mitteilt, Könige, Tyrannen, Führer, Fürsten, allesamt Häscher und Verschlinger von Menschenseelen, und die Wölfe, Diener des Antichristen, Erzbischöfe, Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger. 422 Hier ist eine weltliche Gegnerschaft in ihrer 419 „Patienter itaque ferebat improperia & irrisiones pro Domino, pro virtuosis operibus commendari plurimum abhorrens, commendantes se obtestans per misericordiam Christi, ne eiusmodi de ea dicerent seu sentirent.“ AS, Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi & Ordinis Birgittini in cœnobio Vastenensi Monacho, pag. 507, col. A, 8. 420 Mk 6, 4. 421 „Ille minas sibi, quas nuper intenderat, responsi vrbanitate exprobratas intelligens, ignominiam ioco prosecutus [. . . ]“ AS, Jan. I, Dies 7, S. Canutus, Dux Sleswicensis in Dania, Vita Ex Saxone Grammatico, pag. 395, 8. Blaicher hat für die Textgattung der Romanze drei Funktionen des Lachens vor einem Kampf herausgearbeitet: „Erhöhung des Selbstbewußtseins, Einschüchterung oder Herausforderung des Gegners, Ermutigung verzagender Gefolgsleute.“ Blaicher, S. 521. 422 „Iam vero qualiter inimicorum fraudes, tentationes, pericula, detractiones, irrisiones, captiones, custodias propter nomen Domini; postremo, qualiter, Domini juvamine & sustentatione

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kirchenpolitischen Tragweite in religiöse Metaphorik gekleidet. Die Metaphern und Anspielungen auf die Apokalypse drücken mit drastischem Vokabular eine politische Situation aus. Das Verlachen ist Ausdruck der Konfrontation, sie markiert die „unheilige“ im Sinne von „gegen den Heiligen gestellte“ Partei in dem Kon ikt. Der Heilige jedoch ist derjenige, der dieses als Anfechtungen verstandene Handeln überwindet. Das Thema einer kirchenpolitischen Konfrontation wurde von Eadmer, Mönch in Canterbury bis ins 12. Jahrhundert, in der Vita des Heiligen Wilfridus, des ersten Bischofs von York im 7. Jahrhundert, ausgestaltet und in markanter Weise mit dem Motiv des Verlachens verknüpft. Die Lebensgeschichte des Heiligen ist voll von Vertreibungen aus seinen kirchlichen Ämtern, mitunter begleitet von Inhaftierung, Verurteilung und sogar Exkommunikation. „Die Gründe für die Streitigkeiten, die seine Laufbahn störten, sind nicht völlig geklärt.“ 423 Der Vita ist zu entnehmen, dass mehrere Personen in die Auseinandersetzung verwickelt waren, denen die Macht Wilfrids zu groß erschien und die daher eine Aufteilung seiner Diözese herbeiführten. Das war aber nicht ohne das Einverständnis vom Erzbischof Theodoros von Canterbury möglich. Dieser richtete schließlich in Abwesenheit Wilfrids drei Bistümer neu ein. „Mit heiterem Herzen, munterem Gesichtsausdruck und besonnenem Gang“ machte der Heilige sich auf zum König, um den Grund für diese Angelegenheit zu erfahren. König Ecgfrith drückt die Rechtmäßigkeit und die Unumstößlichkeit der Vorgänge aus. Wilfrid war keineswegs zufrieden und kündigte an, sich an den Papst zu wenden. Als er den Saal verlassen wollte, wurde er von seinen Gegnern entehrt und verhöhnt mit schallendem Gelächter, insultare cachinno. Der Heilige vergegenwärtigte ihnen ihre lange Zeit des Glücks und Wohlstands und sagte ihnen die Auflösung ihrer Freude durch ein bedrohliches Los voraus. Nicht bevor das Jahr zu Ende gegangen sein würde, würden die, die nur ein spöttisches Lachen für ihn übrighatten, super me derisiones habetis, mit bitterem Leid bezahlen. Diese Prophezeiung wurde wahr: Der in allen Provinzen beliebte Bruder des Königs kam im Alter von 18 Jahren in dem schweren Kampf zwischen Ecgfrith und Æthelred, in der Acta Sanctorum Ailred genannt, dem König der Mercier, um. Durch den Tod des Bruders wurde König Ecgfrith von großer, unerträglicher Trauer erschüttert und niedergeschlagen. Alle Fröhlichkeit, die alle bei der Vertreibung Wilfrids verspürt hatten, ist durch das gerechte Urteil Gottes in Traurigkeit gekehrt worden. 424 Apostolorumque comitante suffragio, Reges, Tyrannos, Duces, Princeps, animarumque hominum captivatores, voratores; insuper lupos, Antichristi videlicet ministros, Archiepiscopus, Episcopos, & reliquos Ecclesiasticos pervasores fortissimus athleta Dei superavit [. . . ]“ AS, Maii VI, Dies 25, S. Gregorius Septimus, Pontifex Romanus, Vita auctore Paulo Bernriedensi, Canonico Regulari, pag. 122, col. A–B, 39. 423 Rollason, D[avid] W[illiam]: Wilfrid, 2002, Sp. 124. 424 „[. . . ] hilari corde, alacri vultu, modesto gressu Regis palatium subiit, causam negotii perquisiturus. [. . . ] Ille vero talibus verbis non sibi satisfactum esse consentiens, Apostolicam Sedem appellavit: & pro eorum injustitia indignatus, re exo gressu aulam egredi voluit. Intuens au-

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Dieses Motiv folgt der Mahnung aus dem Lukasevangelium, dass sich das Lachen in ein Weinen verkehren werde. In dem vorliegenden Beispiel jedoch ist das Weinen nicht auf das Jenseits bezogen, sondern vollzieht sich bereits im Diesseits. Trotz des politischen Charakters der Ausgangssituation will der Verfasser verdeutlichen und eine Mahnung äußern, dass eine gerechte Strafe folgt, wenn Gegenspieler sich an dem Heiligen vergehen. Der Kontrast zum Verlachen wird durch die Betonung der Heiterkeit Wilfrids im Moment des Aufsuchens des Königs herausgearbeitet. Wilfrid wirkt munter, unbedarft, ohne Argwohn oder gar Arglist. Die Beteuerung der Rechtmäßigkeit durch den König legt genau das Gegenteil nahe und wird durch die Ankündigung Wilfrids, sich den Beistand des Papstes zu holen, weiter untergraben. Die Standhaftigkeit des Heiligen, sein vehementes Insistieren provoziert ein Lachen, welches das Potential hat, ihn zu demütigen, abzuschrecken und zu isolieren. Die ausgleichende Gerechtigkeit für das Auslachen wird letztlich durch den Beistand Gottes hergestellt, der das Lachen der Gegner in ihr Weinen verkehrt. Wie in anderen Fällen auch können die jeweilige Art und das jeweilige Motiv des Lachens über die Heiligen einen größeren Wirkungskreis erfassen. Dies betrifft auch das Auslachen, wenn eine Mittelsperson als Stellvertreter der Heiligen dem Lachen eines Gegners ausgesetzt ist. Die Konsequenzen des Lachens sind dieselben, als wären die Heiligen persönlich ausgelacht worden. In einer derartigen Mittlerposition befand sich eine „jungfräuliche Dienerin“, die vom Heiligen Finianus zum König geschickt wurde, wie in der im 11. Jahrhundert verfassten Vita zu lesen ist. Die Kleriker einer Kirche hatten den Heiligen gebeten, sich bei dem König für sie einzusetzen, um aufgrund der erdrückenden Ausgaben des jährlichen Gastmahls seinen Verzicht darauf zu erwirken. Als die Dienerin diese Bitte vortrug, verlachte der König sie. Ob dieser Reaktion zeigte Finianus sich seinerseits selbst ein wenig erregt, tunc ipse aliquantulum commotus. Er begab sich zur Residenz und sandte wiederum die Dienerin, dem König auszurichten, er solle den Ort schnell verlassen oder die Erde werde ihn verschlucken. Kaum waren die Worte ausgesprochen, ng die Erde an zu zittern, der König oh, el zu den Füßen des Gottesmannes und verzichtete auf das Mahl. 425 Der König lacht tem quosdam satis fœdo suis casibus insultare cachinno, Et o, inquit, lii, felici prosperitate ducatis tempora longa: sed noveritis, quantocius sors infesta resolvet hæc gaudia vestra: nec prius hunc annum transisse videbitis, quam istas quas super me derisiones habetis, acerbo mœrore luatis. Quæ prophetia veritas facta est: [. . . ] ex cujus [Elfuinus frater Regis] morte magnus & intolerabilis mœror Egfridum ac suos perculit; omnisque lætitia, quam de expulsione B. Wilfridi habuerant, justo Dei judicio in tristitiam versa est.“ AS, Apr. III, Dies 24, S. Wilfridus primus Archiepiscopus Eboracensis in Anglia, Vita Auctore Eadmero Cantuariensi monacho, pag. 301, col. C-D, 32. 425 „Qui eis compassus, misit virginem quamdam quæ ei ministrabat, mandans Regi vt debitum dimitteret. Qui eam derisit: quod illa reuersa viro Dei nuntiauit. Tunc ipse aliquantulum commotus surrexit, ad curiam perrexit [. . . ]“ AS, Mar. II, Dies 16, S. Finianus, Abbas Surdensis in Hibernia, Vita Auctore Anonymo Anglo ex nostro MS. Hiberniensi, pag. 446, col. D, 5.

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über die Anfrage der als Botin ausgesandten Frau als Zeichen der Ablehnung. Im Vordergrund dürfte jedoch weniger die Frage nach einem gender-Kontrast 426 stehen als vielmehr das Kräftemessen zwischen weltlicher und geistlicher Macht. Die sozio-politische Konstellation ist geprägt von einer Abgabep icht, die zu einem wirtschaftlichen Ruin zu führen droht. Das Lachen des einen Akteurs wirkt geradezu leichtfertig angesichts der ernsten Lage der in der P icht Stehenden. Die Anfrage, dieses ökonomische Schicksal von den Betroffenen abzuwenden, wird mit einem Lachen desjenigen, der über die Bittsteller in dem Moment verfügt, beantwortet und ist Ausdruck der Verweigerung. Diese Haltung wird durch ein Wunder ins Wanken gebracht und die Erfüllung der Bitte auf diese Weise herbeigeführt, die im Lachen deutlich werdende Unbekümmertheit abgestraft. Trotz der Mittelbarkeit des Heiligen in der Botin erfolgt mit dem Lachen eine unmittelbare Reaktion. Die sozialen Konstellationen, die zu einem Auslachen der Heiligen führen, können wie gezeigt sehr unterschiedlich sein. 427 Es kann auf Fremdheit oder Befremdung basieren, woran sich Kontraste des „Barbarischen, Unzivilisierten, Unchristlichen“ oder der Abstufung in Religiosität und Heiligkeit bei ähnlicher Sozialisation offenbaren. In allgemein politischen, spezi sch kirchenpolitischen oder ökonomischen Kon iktsituationen spielt das Moment der Macht und Ohnmacht durchaus eine Rolle. Der vermeintlich Unterlegene wird ausgelacht, die sich in Sicherheit Wähnenden werden aber zumeist durch göttliches Einwirken eines Besseren belehrt. Ein ungleiches Machtverhältnis muss für das Auslachen der Heiligen jedoch nicht unweigerlich gegeben sein: Während weltliche Machthaber oder große Personengruppen gegenüber dem Heiligen eine starke innerweltliche Position innehaben, wie zum Beispiel auch Erwachsene, sofern es sich bei den Heiligen noch um Kinder handelt, ist eine machtvolle Opposition bei einfachen Menschen oder Randgruppen, aber auch Geistlichen geringeren Ranges im Verhältnis zum Heiligen nicht gegeben. Bei dem Motiv der Überlegenheit 428 spielt die Anzahl der Kontrahenten nicht hinein. 429 426 Darauf wird im folgenden Kapitel eingegangen. 427 Ein weiterer Aspekt wären Altersunterschiede, welche jedoch im nächsten Kapitel behandelt werden. 428 Vgl. hierzu auch Classen: Laughter as an Expression of Human Nature in the Middle Ages and the Early Modern Period, S. 84. 429 In einigen Viten werden konkrete Zahlen genannt: Die auf die Wunder des Heiligen Angilbert ungläubig reagierenden Kleriker beziffern sich auf vier, wobei in einem Fall einer von vieren als agierend dargestellt wird und in einem anderen alle vier. AS, Feb. III, Dies 18, S. Angilbertus, Abbas Centulensis in Belgica II., Miracula S. Angilberti auctore Anschero, pag. 102, col. D–E, Annotata k. In Gegenwart des Heiligen Praeiectus war es eine unbestimmte Anzahl von weltlichen und adeligen Männern, die über drei fastende ebenfalls säkulare Männer lachten. AS, Jan. II=III, Dies 25, S. Praeiectus, Episcopus Arvernensis Martyr in Gallia, et al., Alia Vita Auctore Coaetaneo Anonymo, pag. 634, 8. In anderen Viten werden die Personen durch einen Begriff näher umschrieben, der im Plural stehend

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Den Vitenverfassern steht in der literarischen Gestaltung ihrer Erzählungen sowohl die Aufrechterhaltung als auch die Aufhebung von derartigen Gegensätzen zur Verfügung, so dass das Lachen nur vermeintlich zwischen sozialer Nähe und dem Fremden, zwischen sozialer Macht und Ohnmacht oszilliert. Der Singularität, Ausgrenzung und Einsamkeit der Heiligen wird dennoch durch das Auslachen Ausdruck verliehen. Während die Gruppengröße nichts darüber aussagt, wer die Lacher auf seiner Seite hat, verhält sich dies in Bezug auf die Rechtmäßigkeit anders: Die Gerechten sind dem Verlachen durch Andere ausgesetzt. Im Gegensatz zu anderen bereits behandelten Motiven lachen hier die Heiligen nicht über das ihnen zugefügt Unrecht, sondern sind die Verlachten, die jedoch Gott auf ihrer Seite haben. Durch gemeinsames Lachen können Spuren von Meinungsverschiedenheiten oder das Fehlen von Mitgefühl ausradiert werden, 430 das konfrontative Lachen hingegen erhält soziale Abgrenzungen und Gegnerschaften aufrecht. Lachen kann eine soziale Praxis sein, die eine Lösung eines Kon ikts zu den eigenen Gunsten markiert. Eine bestimmte gesellschaftliche Position erlaubt das Lachen über den Schwächeren, doch es scheint auch ein Emp nden darüber zu geben, dass einem derartigen Verhalten Grenzen gesetzt sind. Dies ist in jedem Fall dann gegeben, wenn das Handeln als Verstoß gegen Gottes Gerechtigkeit interpretierbar ist. Die hier versammelten Exempel verdeutlichen jedoch, dass ein religiöser Kontrast zwischen lachendem Subjekt und verlachtem Heiligen als Objekt stets vorhanden sein muss. So sind deshalb nicht nur Heilige das Opfer des Lachens, sondern auch das Heilige schlechthin. auf mindestens zwei Personen hinweist. Dies gilt besonders für die Nennung von Klerikern und Kanonikern in der Vita des Fredericus und die bereits mehrfach erwähnten Beispiele politischer Gegner von den Heiligen Wilfridus und Papst Gregor VII. AS, Maii VI, Dies 27, B. Fredericus, Episcopus Leodiensis & Martyr, Vita Auctore coaevo Renero Monacho Leodien S. Laurentii, pag. 726, col. C, 3. AS, Apr. III, Dies 24, S. Wilfridus primus Archiepiscopus Eboracensis in Anglia, Vita Auctore Eadmero Cantuariensi monacho, pag. 301, col. C–D, 32. AS, Maii VI, Dies 25, S. Gregorius Septimus, Pontifex Romanus, Vita auctore Paulo Bernriedensi, Canonico Regulari, pag. 122, col. A–B, 39. Konkrete Zahlen liefert der Verfasser von der Vita Christinas von Stommeln nicht, stellt der Heiligen aber alle mit ihr lebenden Beginen gegenüber. AS, Jun. IV, Dies 22, B. Christina Stumbelensis, virgo, in diocesi Coloniensi, Acta a Fr. Petro de Dacia, pag. 277, col. B, 8. In einigen Fällen handelte es sich um größere Gruppen, die aufeinandertrafen. Die Heilige Brigida war zusammen mit ihren Glaubensschwestern dem anzüglichen Lachen mehrerer junger Männer ausgesetzt, AS, Feb. I, Dies 1, S. Brigida Virgo Scota, in Hibernia, Vita III Auctore Chilieno monacho, pag. 153, col. F, 63. Der Heilige Augustinus war zusammen mit 40 Gottesmännern dem wilden Lachen der ortsansässigen Frauen ausgeliefert. Maii VI, Dies 26, S. Augustinus, Episcopus Cantuariensis in Anglia, Vita auctore Gocelino Monacho, pag. 380, col. C, 10. Beispiele von zahlenmäßiger Überlegenheit, Gleichwertigkeit oder Unterlegenheit kommen demnach alle vor und scheinen keine Auswirkung auf das Verlachen zu haben, welches in all den genannten Beispielen nicht aufgrund von geringerer Personenzahl ausbleibt. 430 Vgl. Tatlock, J[ohn] S[trong] P[erry]: Mediaeval Laughter, 1946, S. 290.

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3.2.4 Orte und Zeiten des Lachens

Weitere Ein ussfaktoren auf das Lachen können Orte und Zeiten darstellen, die unbedenklich für ein Lachen sind oder aber es ausschließen. Die Beispiele von Heilungen haben gezeigt, dass Heiligengräber per se kein Tabu für ein Lachen darstellen, sondern die Geheilten und die Zeugen mit einem Lachen unvermittelt auf das Wunder reagieren. Die Betrachtung unter anderem der Leidens- und Sterbeszenen der Heiligen hat ebenso zutage gefördert, dass es durchaus Momente gibt, in denen das Lachen sicherlich ungewöhnlich erscheint, es aber durchaus seinen festen Platz in der Darstellung hat: Für die Heiligen ist der Augenblick von Martyrium oder die Gegenwart des eigenen bevorstehenden Todes die beste Zeit, um mit einem Lachen die spirituelle Überwindung von etwas anzuzeigen, das seinen Schrecken verloren hat, und damit eine Transformation zu markieren. Es gibt demnach Orte und Zeiten an denen trotz ihrer Nähe zum Sakralen 431 das Lachen nicht fehl am Platz ist. Das Interesse gilt also im Folgenden den für ein Lachen tabuisierten oder zumindest problematischen Orten 432 und Zeiten, 433 worüber zumeist eher normative Textgattungen Auskunft geben. 434 Ein Heiligengrab ist nicht unbedingt ein unangemessener Ort für ein Lachen, wohl aber für Scherze. Davon zeugt die Vita des seliggesprochenen Abts Marianus. Der Bericht geht angeblich auf einen Zeitgenossen des Heiligen zurück, der im Jahre 1088 starb. Neben dem Grab des Heiligen, wo sich schon viele Wunderheilungen ereignet hatten, tauschten hiernach zwei Ordensbrüder spaßhafte Worte, verba iocosa, aus, mehr aus törichter Fröhlichkeit als aus dem Festhalten an der Gottesfurcht, wie der anonyme Verfasser erklärt. 435 Daraufhin habe das Heiligengrab den süßesten Duft wie 431 Es sei noch einmal kurz auf die Erfahrung der Gottesnähe im Zusammenhang mit Visionen der Heiligen erinnert. 432 Hierbei geht es unter anderem um die „Vorstellung, dass es Orte gibt, an denen man Gott näher ist und von denen eine besondere Kraft ausgeht [. . . ]“, Vocelka, S. 30. Dabei ist auch eine architektonische Organisation zu berücksichtigen, die es den Menschen ermöglicht, unterschiedlich nah an einen sakralen Ort heranzutreten. Derartige Vorstellungen der Sakralität eines begrenzten Raums nden sich im Christentum erst seit der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert. Vgl. hierzu Jäggi, Carola: Die Kirche als heiliger Raum. Zur Geschichte eines Paradoxons, 2007, S. 77 f. 433 Über die Genese der Abgrenzung, Sakralisierung von Zeiten seit dem Alten Israel bis zum Frühen Christentum am Beispiel des Sabbats vgl. Becker, Eve-Marie: Der Sabbat als sakralisierte Zeit. Wandlungsprozesse vom Alten Israel bis zum Frühen Christentum, 2007, S. 23– 41. Zum mittelalterlichen Verständnis der gegenwärtigen Zeit als dauernden Wechsel von Freude und Leiden vgl. Ehlers, S. 33. 434 Eine entsprechende Belegstelle in den Heiligenviten mittels der Stichwortsuche des Lachens ist demnach eher ein Zufallsfund. 435 Der Verfasser, ein Mönch, greift auf eine ältere Handschrift zurück. Bei der relevanten Passage gibt er an, den Bericht von einem Pater Isaac, einem Zeitzeugen erhalten zu haben. AS, Feb.

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von Blumen des Paradieses verströmt und Nasen und Ohren der zwei durchweht, die zum Sprechen nicht mehr fähig waren. Dies galt dem monastischen Autor als Zeichen, 436 dass sie es schuldeten, nur ernste und angemessene Worte, Widerhall des göttlichen Lobpreises, an jenem Ort zu wiederholen. 437 Die Strafe für das unbedachte Scherzen fällt in diesem Beispiel recht milde aus. Scherzen, möglicherweise auch ein dadurch hervorgerufenes Lachen – aber hierzu sagt diese Quelle nichts explizit – gilt als unangemessen an dem sakralen Ort der Grabstätte, 438 da die Motivation dazu profaner Natur ist. Die weiter oben beschriebenen Wunderberichte weisen wie gesagt darauf hin, dass das Lachen am Grab nach einer Wunderheilung hingegen legitim ist. Es ist wahrscheinlich, dass die Laien ein vom heutigen Verständnis unterschiedliches Verhältnis zur Sakralität des Ortes der Kirche hatten, gibt es doch vielfach Hinweise darauf, dass Kirchen Zentren alltäglichen sozialen Lebens waren. „Weder Kirchen noch Friedhöfe erscheinen den Menschen in zwingender Weise als heilige Stätten, als Räume, die dem Kult oder der Andacht vorbehalten wären.“ 439 Umso wichtiger war es demnach, zu kirchlichen Anlässen den sakralen Kontext wieder herzustellen, 440 was wohl nicht immer und überall ohne Weiteres gelang. 441

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II, Dies 9, B. Marianus Abbas, Ratisponae in Bavaria, et al., Vita auctore Scoto monacho Ratispn. Ex MS. Carthusiae Gamnicensis, pag. 367, col. B, 10. „Genauso wie bei den Heiligen, deren Leichen der ‚Geruch der Heiligkeit` entströmte, waren die Körper der Wiedergänger unverweslich. Demnach entgingen die Körper der Heiligen und der Bösartigen dem eisernen Gesetz der Natur.“ Le Goff / Truong, S. 140. „Iuxta eius sepulchrum dum quodam die verba iocosa, magis ineptæ lætitiæ attinentia quam religioni inter se Fratres alternarent, odor suauissimus quasi de oribus Paradisi de sepulchro eius exhalans, nare & aures loquentium inutilia per auit. Per quod signi catum est, quod solummodo seria ac idonea verba, resonantia Diuina laudes, ibidem iterari deberent.“ Feb. II, Dies 9, B. Marianus Abbas, Ratisponae in Bavaria, et al., Vita auctore Scoto monacho Ratispn. Ex MS. Carthusiae Gamnicensis, pag. 367, col. B–C, 10. Die Unangemessenheit ergibt sich aus der „Vorstellung, heilige Tote seien in ihrer Wirklichkeit an ihr Grab und ihre Reliquien, also die Reste ihres Körpers, gebunden, wo sie als realpräsent gedacht werden.“ Dinzelbacher: Körper und Frömmigkeit in der mittelalterlichen Mentalitätsgeschichte, S. 14. „Die Gläubigen verehren Reliquien, Körperteile (oder von Körpern berührte Gegenstände) als Medien des Heiligen und einer ideellen, präsentischen Körpertotalität.“ Marek [u. a.], S. 14. Heers, S. 62. Diese Herstellung der sakralen Sphäre schloss aber nicht unbedingt das Lachen aus, wie einige wenige Studien zeigen. Gemäß Cantiga 219 lachen die Kirchgänger über eine eigentlich weiße Marmorstatue des Teufels, die durch Wundereinwirkung der Heiligen Maria schwarz wurde. Vgl. Scarborough, S. 290. Ob Heers' Vorstellung, „daß sich das Publikum während der – wahrlich langwierigen – Gottesdienste eher undiszipliniert, wenn nicht geradezu ausgelassen verhielt, daß sein Hauptinteresse jedenfalls den Spielen und Ereignissen des Alltags galt, daß es sich zeigen und bewundern lassen wollte und daß es pausenlos redete“ dabei die damaligen Verhältnisse trifft, ist nicht so ohne Weiteres nachvollziehbar. Heers, S. 62. Eine Passage bei Hrabanus Maurus

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Zu den Zeiten eines möglichen Lachens zählt jedoch der Gottesdienst beziehungsweise sehr spezi sch der Moment der Predigt, gegen die Behauptung, dass „als Element des eigentlichen Gottesdiensts [. . . ] ja Komik und Lachen nicht denkbar“ sind. 442 Robert de Basevorn formuliert im Jahr 1322 seine Uminterpretation des Verbots von Geschichten im Decretum folgendermaßen: „Angebrachter Humor ergibt sich durch die Hinzufügung von Facetien, 443 die vermögen, die Zuhörer anzusprechen, die sich sonst langweilten, sei es etwas, das zum Lachen provoziere, eine Geschichte oder eine Anekdote. Man müsse Derartiges besonders nutzen an dem Zeitpunkt, wo sie sonst einschlafen würden.“ Insgesamt soll dieses rhetorische Mittel während der Predigt aber höchstens dreimal vorkommen. Das eigentliche Verbot des Decretum will Robert auf Geschichten heidnischen Ursprungs verstanden wissen. 444 Wie im Fall des Scherzens oder Lachens am Heiligengrab geht es hier nicht um das Verbot des Lachens, 445

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deutet jedoch in diese Richtung: „Cum autem sanctæ cruces et sanctorum reliquiæ cum litaniis a clero exportantur, ipsi non insistunt precibus, neque sequuntur vexilium sanctæ crucis cum laudibus, sed super phaleratos resiliunt equos, discurrunt per campos, ora dissolvunt rius, alterutrumque se præcurrere gestiunt, in altum clamorem cum cachinno extollunt, et non solum hæc faciendo ipsi inutiles unt, sed etiam alios ab intentione precum impediunt: postquam autem domum veniunt, convocant ad convivium non pauperes, vel cæcos aut debiles, secundum præceptum Domini (Luc. XIV), sed vicinos ac sodales suos qui sind ejusdem voti atque ejusdem studii: vacant epulis studentque calicibus epotandis; acquirunt si possunt musicorum instrumenta, tympanum, citharam, tibiam et lyram. Inter quæ nimia pocula, cantant carmina dæmonum arte confecta, sique diem totum cum nocte consumunt.“ Hrabanus Maurus, PL, 110, 38b–c. Zur Einordnung der Textpassage vgl. Andersson, Roger: Emotional imagery in anticlerical preaching, 2017, S. 265. Wehrli, Max: Christliches Lachen, christliche Komik?, 1982, S. 24. Darunter sind hier kurze Geschichten mit einer witzigen Pointe zu verstehen. „Opportuna jocatio, secundum Tullium, est, quando auditores fastidiunt, aliquid jocundum adducere quod delectet, sive de aliqua burda quae risum provocet, sive de aliqua fabula, sive de aliquo ignoto. Hoc praecipue faciendum est quando dormire incipiunt. Quod autem Decretum reprobat uti fabulis, intelligendum est de inhonestis, cujusmodi sunt fabulae de sceleribus Jovis et consimiles. Isto ornamento utendum est parce, ad plus ter in uno sermone.“ Robertus de Basevorn, S. 320. Je nachdem, wie die Reaktionen der Gemeinden, die soziale Praxis, einzuschätzen wären, ließen sich Aussagen darüber treffen, ob das Lachen von den Predigern billigend in Kauf genommen wurde, ob im zeitlichen Verlauf eine Ausweitung der Möglichkeiten, ein Lachen zu evozieren, vonstattenging, bis zur Zulassung solcher Äußerungen. Einen Hinweis darauf, dass es den Verantwortlichen weniger um das Lachen an sich ging, sondern vielmehr um die vorausgegangenen Auslöser und weitere dazugehörige Folgeerscheinungen zeigt sich in dem Werk von Robert de Basevorn. Seine Umdeutung des Decretum in Bezug auf das Verbot von Geschichten allgemein, nun lediglich angewendet auf solche heidnischen Ursprungs, eröffnet die Möglichkeit der Zulassung von anderen Geschichten. Dabei muss aber offenbleiben, ob bestimmte Geschichten seit jeher zulässig waren oder zumindest eine Weile schon in Gebrauch waren, so dass Robert hier nur eine gängige Praxis in der Formulierung präzisiert oder ob sich in seinen Worten eine tatsächliche Neuerung oder die Suche nach einem Schlupf-

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sondern bezieht sich auf den Anlass des Lachens beziehungsweise der Verwendung „unchristlichen“ Materials zur Erbauung durch die Predigt. 446 Im Bereich des Klosterlebens wurde hingegen in Ordnungen festgelegt, wann das Lachen nicht statthaft ist. So galt die Störung durch Lachen nach der Regel des Isidor von Sevilla besonders im Chor als unangemessen. Auch aus den Bestimmungen für Kleriker ist dieser Hinweis auf den Ort und indirekt den Gottesdienst als Zeitpunkt thematisch bekannt. Die lässliche Sünde des Lachens wurde mit drei Tagen „Exkommunikation“ geahndet. 447 Welche Bestrafung für das als schlimmer angesehene Lachen bei den Novizen vorgesehen war, 448 geht aus der Regel nicht hervor. Die „Regula Tarnatensis“ fordert eine Schelte für die Absicht, ein Lachen zu provozieren. 449 Die „Regula coenobialis“ von Kolumban sieht vor, dass sowohl zaghafter Gesang infolge

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loch für eine andere Praxis nden lässt. Bemerkenswert ist, dass das Problem wohl weniger im Umgang mit Humor und Lachen liegt, sondern dies eine Frage der Rhetorik ist. Absichten und Wirkungen der Predigt würden demnach höher bewertet als die Vermeidung der Möglichkeit des Lachens. Folglich wurde dies wohl im zeitlichen Rahmen des Gottesdienstes und im räumlichen der Kirche geduldet, aber auch bei Predigten außerhalb des Gotteshauses. Für den letzteren Fall stellen die Inhalte aber eine Nähe zum Sakralen her. Möglicherweise riefen die tatsächlichen Predigten alles hervor vom herzhaften Lachen bis hin zu nicht mehr als einem Lächeln. Die Belegstelle zielt auf die angemessenen Inhalte und das rechte Maß der Häu gkeit ab, mit welcher der Prediger zu solchen rhetorischen Mitteln greifen dürfe. Aus dieser und ähnlichen Bestimmungen folgt, dass bestimmte Textgattungen von der Vermittlung im sakralen Raum ausgeschlossen waren. Umgekehrt gilt ebenso, dass bestimmte literarische Werke gar nicht für den kirchlichen Rahmen vorgesehen waren: „Viele mittelalterliche Parodien sind überhaupt in der Studierstube entstanden und immer nur gelesen, nicht aufgeführt worden; die Vortragsstücke in der parodistischen Literatur verdanken beliebigen Festen, Banketten, Gelagen ihr Dasein, viele sind für die Kneipen verfaßt und höchstens ausnahmsweise und wider Recht und Sitte hier und da in die Kirchen gedrungen.“ Lehmann, S. 8 f. Untersuchungen derartiger Textsorten haben zu Recht ihre entstehungsgeschichtliche Herleitung aus dem kirchlichen Bereich hinterfragt, womit zugleich ganz allgemein Kontinuitätsvorstellungen zur Disposition stehen. „Ich lehne es ab, die mittelalterliche Parodie insgesamt und vornehmlich auf den Mimus oder andere künstlerische Vorbilder und Vertreter des Altertums zurückzuführen, trage starke Bedenken, sie in ihren Ursprüngen fest mit klerikalen Belustigungen zu verbinden.“ Lehmann, S. 9. Umgekehrt bedeutet aber eine Entwicklung humorvoller Literatur außerhalb kirchlicher Kontexte nicht, dass daraus auf ein Lachverbot in der Kirche rückzuschließen ist. Im Widerspruch zu Thesen der kirchlichen Kontrolle und Reglementierung steht die Feststellung, dass Humor und Lachen sich gut in die christliche Kultur einfügen. Horowitz/ Menache, S. 9. „Delicta autem aut gravia sunt, aut levia. Levioris culpæ reus est, qui otiosus esse dilexit; [. . . ] qui in choro horis riserit, fabulisve, vacaverit; [. . . ] qui jocaverit; qui satis riserit [. . . ] Hæc igitur et his similia triduana excommunicatione emendanda sunt.“ Isidor 〈de Sevilla〉: Regula Monachorum, 17, 1, PL 83, Sp. 885B–886A. „Graviori autem culpæ obnoxius est [. . . ] Inter hæc [. . . ] si cum parvulis jocaverit, riserit [. . . ]“ Isidor 〈de Sevilla〉: Regula Monachorum, 17, 2–3, PL 83, Sp. 886A–B. „Qui (Ephes. V) joculare aliquid vel risui aptum in conventu fratrum proferre præsumserit,

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eines Hustens zu Beginn der Psalmen als auch das Lächeln während des Gottesdienstes mit sechs Schlägen zu bestrafen ist. Schallendes Gelächter hat als Strafe ein besonderes Fasten zur Folge, es sei denn das Lachen sei verzeihlich. 450 Leider wird dieser Fall nicht weiter spezi ziert. Aber auch hier wirken die Bestimmungen nicht drastisch und auch nicht auf das Lachen an sich bezogen, sondern auf die Mischung aus Beweggründen und Haltungen hinter dem Lachen und den unangemessenen Ort und Zeitpunkt. Selbst ein Lächeln macht sich in einem solchen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang verdächtig. Von unangemessenem Verhalten ist auch die Rede in einem Predigtbeispiel, 451 wobei es weniger um das lachende Publikum eines Mysterienspiels geht, sondern vielmehr um eine unpassende Bemerkung eines Laienschaustellers als Auslöser. Mysterienspiele betreffen mindestens den zu untersuchenden Aspekt der Zeit als eine Zeitspanne, in welcher sakrale Inhalte vermittelt werden, und damit möglicherweise auch einen savel cui cum junioribus verba otiosa narrare voluerit, aut habere amicitias ætatis in rmæ, increpationi, ut dignus est, subjacebit.“ Regula Tarnatensis, cap. XIII, Sp. 982C. 450 „Interim qui tussim in exordio psalmi non bene caverit, sex percussionibus [. . . ] Et qui subridens in synaxi, id est in cursu, sex percussionibus: si in sonum risus eruperit, suppositione, nisi veniabiliter contigerit.“ Columban 〈von Luxeuil〉: Regula Coenobialis, PL 80, Sp. 217B–C. 451 Vgl. Horowitz/ Menache, S. 179. Exempelsammlungen könnten als Hilfsmittel zur Predigt gedient haben, um mehr Menschen anzusprechen und zu überzeugen. „Der Mensch, so heißt es in der Historia Calamitatum, wird oft stärker durch ‚exempla` als durch Worte angerührt.“ Ehlers, S. 36. Die darin enthaltenen Beispiele sind anschaulich und zugänglich für Laien mit rudimentären Kenntnissen. Die Frage, ob die Exempel, statt Angst vor zukünftigen Schrecken zu evozieren, Lachen oder mindestens Lächeln hervorrufen sollen oder es sich um eine Verschmelzung von ernsten und heiteren Aspekten in der Predigt mittels Angst und Lachen handelt, muss offenbleiben. Jacques de Vitry rechtfertigt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts derartige Praktik mit dem Zusammengehen von Erbauung und Erholung, wobei ein Exemplum helfen könne, das Publikum vor dem Einschlafen zu bewahren. Berlioz ergänzt das Quellenzitat um die Aussage, dass es Grobheiten, Derbes und Obszönes zu meiden gelte, weshalb eine entsprechende Wirkung unter Verwendung von Komik und Humor erzielt werden könne. Er deutet die Textstelle als eine Rechtfertigung, Komik und Humor als probates Mittel verwenden zu dürfen. Es ist aber nicht ganz eindeutig, ob Jacques de Vitry dies im Sinn hatte oder ob lediglich die Anschaulichkeit von Exempel bei den Zuhörern eine größere Aufmerksamkeit erzielte. Vgl. Berlioz, Jacques / Lecoy de la Marche, Albert: Le rire du prédicateur: récits facétieux du moyen âge, 1992, S. 7. Der Imperativ liegt bei all dem auf der Erbauung. Die Bettelorden als Predigerorden waren prädestiniert, sich die aristotelische und ciceronische Rhetoriktradition, [die eben auch Komik, Humor und Witz beinhalteten, Anm. d. Verf.] zunutze zu machen, um Aufmerksamkeit und Sympathie zu gewinnen. Horowitz/ Menache, S. 64–66 u. 68. Besonders den Dominikanern soll eine Veränderung in der Bewertung des Lachens zu verdanken sein, „scholars have identi ed this shift with the thought and practice of the Dominican Order“, wobei auch dort eine Vielstimmigkeit beobachtet werden kann. Vgl. Jones, Peter: Preaching laughter in the thirteenth century. The exempla of Arnold of Liège (d. c. 1308) and his Dominican milieu, 2015, S. 169– 171.

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kralen Ort konkret oder im übertragenen Sinne als Raum, in welchem sakrale Themen präsentiert werden. Der übergeordnete Kontext ist allemal dem Bereich des Sakralen zugeordnet. Folgende Episode wurde von dem Franziskaner Johannes Pauli in seiner Schwanksammlung zu Beginn des 16. Jahrhunderts notiert: Man spielte zum ersten Mal das Passionsmysterium, die Schausteller ließen sich martern, als ob es sich um eine wahrhaftige Handlung drehe. In dem Moment wo unser Herr am Kreuz ausrief: Ich habe Durst!, ng der Dieb zu seiner Linken, der sich einbildete, der Schausteller verlange nach einem Krug Bier, an zu rufen: Ich auch! Die gesamte Zuhörerschaft lachte. Die Tränen verwandelten sich in einen allgemeinen Ausbruch des Lachens. Aber derjenige, der nicht an sich halten konnte, büßte seinen unschicklichen Akt mit einigen Tagen Gefängnis. 452 Beachtenswert an diesem Beispiel ist, dass derjenige, der das Lachen provozierte, bestraft wird, diejenigen, die lachten, jedoch nicht. Als Predigtbeispiel lehrt es also weniger das Problem im Lachen an sich zu erkennen, sondern sich selbst hinsichtlich der Angemessenheit, ein solches zu provozieren, zu befragen, besonders im sakralen Kontext. Möglicherweise ist dieses Predigtexempel geradezu ein Fragment einer entsprechenden sozialisierenden Sensibilisierung. An dieser Stelle seien kurz die Positionen zum Provozieren von Lachen zusammengetragen, ohne jedoch dabei Scherzen, Witz und Humor zu thematisieren. Im Gottesdienst hat der Prediger auch Unterhaltungsfunktion. Mittels geeigneter Rhetorik kann ein Lachen hervorgerufen werden, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen und etwas Abwechslung zu bieten. Einige zeitgenössische Einwände indizieren, dass Prediger dabei auch durchaus über die Stränge schlagen. Sie werden zur Ordnung gerufen, um weiterhin Andacht zu ermöglichen und Würde und Ernsthaftigkeit zu wahren. Demnach durfte das Lachen im sakralen Kontext des Gottesdienstes hervorgerufen werden – mit den genannten Beschränkungen, die jedoch den Prediger als Akteur betrafen und nicht das Lachen der Rezipienten. Bezüglich des monastischen Bereichs geht es nicht mehr um die Angemessenheit und das rechte Maß, sondern in größerer Strenge um die Unterbindung der Provokation zum Lachen. Die erfolgreiche Verführung zum Lachen bricht nämlich mit dem Schweigegebot und ähnlichen, anderen Regeln des Zusammenlebens. Nicht nur der sakrale Anlass und der sakrale Ort, sondern auch die sakralen Handlungen, das Sakrale an sich, sollten in ihrer Würde gewahrt werden. Das Konzil von Konstantinopel im 9. Jahrhundert benannte den zentralen Stein des Anstoßes: Die spaßhafte Nachahmung des Patriarchen bewege zum Lachen, wodurch das Heilige beleidigt und verspottet werde. In der Frage der Kontinuität von Narrenfesten sind dieses Beispiel sowie das zuvor genannte des Konzils von Trullo als frühe Belege der Ostkirche kontrovers diskutiert worden. 453 Im vorliegenden Kontext zeigen sie sowohl die zeitliche als auch geographische Verbreitung beziehungsweise den sehr differenzierten 452 Horowitz/ Menache, S. 179. 453 Vgl. u. a. Chambers, E[dmund] K[erchever]: The Medieval Stage, 1903, S. 327–335.

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Umgang mit dem Lachen im sakralen Raum. Die Kritik wendet sich dabei weniger gegen das Lachen, sondern vielmehr gegen die Verunglimpfung des Heiligen. Dies gilt auch für die Handlungen während des Gottesdiensts. Das Ritual von St. Omer aus dem Jahr 1264 fordert für das Kinderbischofsfest am Nikolaustag bezüglich des Verses „Ergo laudes“, dass er zwar neunmal gesungen werden dürfe, 454 aber nicht derart maßlos, dass es Überdruss oder Spott, derisum, generiere. Bischof Grandisson von Exeter sah 1360 die Gefahr, dass der Gottesdienst selbst verlacht und falsch abgehalten werde. 455 Die Maßgaben betrafen nicht nur den Ablauf des Gottesdienstes, sondern konnten auch Ausschmückung und Beiwerk betreffen. Im Jahr 1411 musste ein Narrenfest in Autun in seiner Ausgestaltung modi ziert werden. Die Kanoniker sollten in ordentlicher Kleidung erscheinen und in der Prozession keinen Esel 456 mit sich führen, wodurch das Übermaß und der Hohn, derisiones, beschnitten werden sollten. 457 Im Jahr 1445 ordnete das Kapitel in Rouen bezüglich des Johannesfestes der capellani an, dass der Gottesdienst gut und ehrenhaft abzuhalten sei ohne Verspottung und Albernheiten, sine derisionibus et fatuitatibus, deren Unterlassung zum Beispiel im Kontext des Gesangs mehr als einmal betont wird. 458 Es zeigt sich also in diesen wenigen bisherigen Fällen, dass es sich bei den „Verboten“ weniger um Pauschalaussagen handelt, beziehungsweise diese für sehr eingegrenzte Räume und Zeiten gelten, beziehungsweise das Maß und die Motive von Bedeutung sind. Entsprechende Einschränkungen liefert Robert Grosseteste, der 1236 das „Nar-

454 Wiederholung gilt als ein zentrales Element in „classic comedy“. Vgl. Scarborough, S. 287. 455 „Ex quorum gestis, seu risibus et cachinnis derisoriis, nedum populus, more Catholico illis potissime temporibus ad Ecclesiam conveniens, a debita devocione abstrahitur, set [sic] et in risum incompositum ac oblectamenta illicita dissolvitur; Cultusque Divinus irridetur et Ofcium perperam impeditur [. . . ]“ John de Grandisson, S. 1214. Vgl. auch Chambers, S. 343. 456 Dem Esel kommt die Rolle des Reittiers Christi zu, er war aber auch Symbol für „Dummheit, Trägheit und Unverstand“ und wurde in Karikaturen verwendet, um Personen, wie zum Beispiel den Papst, zu verunglimpfen, vgl. Gottwald, Claudia: Lachen über das Andere. Eine historische Analyse komischer Repräsentationen von Behinderung, 2009, S. 98. 457 „Item deliberaverunt super festo folorum quod eri consuevit anno quolibet in festo Circumcisionis Domini, ad resecandum super uitates & derisiones quæ eri consueverunt [. . . ] Item quod amodo non adducatur asinus ad processionem dictæ diei, ut fuit solitum eri, nec dicatur cantilena quæ dici solebat circa dictum asinum, & super Of cio quod eri consuetum est dicta die in Ecclesia dicti Domini postea providebunt.“ Histoire de l'église d'Autun, S. 628. 458 „ut faciant die festi sancti euvangelistæ Johannis servicium divinum bene et honeste, sine derisionibus et fatuitatibus; et inhibitum fuit eisdem ne habeant vestes difformes, insuper quod at mensa et ponantur boni cantores, qui bene sciant cantare, omnibus derisionibus cessantibus.“ 〈Les〉 drames liturgiques, S. 46. Besonders der Kirchengesang scheint eine gute Ausgangsbasis für Verballhornungen geliefert zu haben. Die wenigen Belege lassen jedoch keine weiterführenden Aussagen über Ursachen und Formen zu.

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renfest“ in seiner Diözese verbot und dies zwei Jahre später auch schriftlich festhielt. Das Gebetshaus solle nicht zum „Spielhaus“ verkommen, die Bitterkeit der Beschneidung Jesu Christi nicht Anlass für Scherze, spöttische Gebärden und Hohn sein. 459 Ähnliches ndet sich bezüglich der Prozession und des Gottesdienstes zum Fest des Kinderbischofs zu St. Paul in London. Aufgrund von Missbräuchen wurden dort 1263 Reformen angestrengt. Die Sorge richtete sich nicht allein auf die Novizen, sondern auf den Spott, die Verhöhnung der Würde des Gotteshauses. Zügelloser Übermut und unangemessene Verwirrung stehen dem dadurch zerstreuten Frieden des üblichen Ablaufs gegenüber. 460 Als in Autun 1520 das Narrenfest wieder auflebte, wurden Einschränkungen verordnet. Übertreibungen oder Verhöhnungen, irrisiones, waren zu vermeiden, im Kirchenchor sollte es würdig und feierlich zugehen. 461 Dem geweihten Ort der Kirche war stets angemessen zu begegnen, 462 darin stimmen die Verordnungen überein, wobei sie sich auf einen speziellen Tag im Jahr beziehen, an dem ein gewisses Maß überschritten wird. Zu bestimmten Zeiten sollte das Lachen nach Möglichkeit eingeschränkt werden. Dabei gewähren einige der kirchenrechtlichen Bestimmungen Einblick in die Gründe 459 „ne de domo orationis at domus ludibrii, et acerbitas circumcisionis Domini Iesu Christi iocis et voluptatibus subsannetur.“ Roberti Grosseteste, S. 161, vgl. auch S. 118. 460 „Cum igitur quod ad laudem lactencium fuit adinventum, conversum sit in dedecus, et in derisum decoris Domus Dei, propter insolenciam effrenate multitudinis subsequentis eundem, et af uentes improborum turbo pacem Presulis exturbantis, statuendum duximus ut predicti pueri, tam in eligendo suo Ponti ce et personis dignitatum Decani, Archidiaconorum, et aliorum, necnon et Stacionariorum, antiquum suum ritum observent, tabulam suam faciant, et legant in Capitulo.“ Registrum Statutorum, Pars sexta, cap. 9. Vgl. auch Chambers, S. 355. 461 „In præsenti capitulo Domini annuerunt vicariis ut die Circumcisionis proximâ venturâ, servitium divinum facient honestè in choro ecclesiæ solemne, absque faciendo insolentias aut aliquas irrisiones, nec deferendo aliquas campanas in dictâ ecclesiâ, aut alibi, et si dicti vicarii facere voluerint aliqua convivia, erit eorum sumptibus et non sumptibus Dominorum canonicorum.“ Monnaies inconnues, S. 15 f. Die Feierlichkeiten wurden als Iocalia Papae bezeichnet, hier wurde nicht wie andernorts üblich ein Narrenbischof, sondern ein Narrenpapst gewählt. Vgl. Chambers, S. 302. 462 Die Bestimmungen sprechen für die Ernsthaftigkeit der Feierlichkeiten. Daher lässt sich die Frage wie folgt beantworten, „ob es sich somit beim Kinderbischofsfest um einen spielerischen Akt mit Ventilfunktion oder eine echte Statusumkehr handelte, so bleibt festzuhalten, dass sowohl die liturgischen Funktionen als auch die materielle Ausstattung sowie die Rolle des Kinderbischofs als Prediger eindeutig auf eine Autoritätsbeschreibung und tatsächliche Statusumkehr mit ‚wirklichkeitsverändernder Wirkung` hinweisen“. Die Ernsthaftigkeit liegt begründet in der „Anlehnung an den Festtag des Hl. Nikolaus, insbesondere jedoch im Andenken an die Unschuldigen Kinder, die Aufforderung Jesu zur kindlichen Unschuld und Reinheit (Mt 18) [. . . ] und dem Streben nach einem geistigen Kindsein [. . . ]“ Skambraks, Tanja: Im Spannungsfeld zwischen Spiel und Ernsthaftigkeit. Einige Bemerkungen zum Kinderbischofsfest in England, 2008, S. 98 f.

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der Kritik. Die Vorbehalte richten sich neben der Art des Gelächters besonders auf den zeitlichen Kontext. Zu den festlich-sakralen Anlässen zählten neben dem allgemeinen Gottesdienst und hohen kirchlichen Feiertagen auch sogenannte „verkehrte Tage“, Klerikerfeste, die zum Teil als Narrenfeste begangen wurden. Im 7. Jahrhundert verurteilte das Konzil von Trullo aber unangemessene Handlungen während des Festgottesdiensts, durch welche die Kirchgänger zum Lachen gebracht würden. 463 Erzbischof Hinkmar von Reims schrieb 852 folgendes an die Priester seiner Diözese: „Kein Priester soll sich am Jahresgedächtnis für einen Verstorbenen oder beim dreiunddreißigsten oder siebten Gedächtnistag oder bei einer sonstigen Zusammenkunft von Priestern betrinken; ebenso darf er nicht auf die Liebe der Heiligen oder für das Heil seiner eigenen Seele trinken oder andere zu trinken nötigen oder sich selbst für ein unangemessenes Gebet volllaufen lassen. Er darf auch nicht in unpassender Weise Beifall oder Gelächter hervorrufen und leichtfertige Geschichten erzählen oder singen; auch soll er nicht zulassen, daß vor ihm unanständige Vorstellungen mit Bär und Tänzerinnen aufgeführt werden; ebenso wenig gestatte er, daß Dämonenmasken getragen werden.“ 464 Die Begriffe Beifall und Gelächter, plausos et risus, sind durch die Vokabel „plump“, inconditos näher spezi ziert. Die Kritik wendet sich gegen die Trunkenheit der Priester und die Ausschweifungen an Gedächtnistagen, gegen dabei aufkommendes unziemliches Verhalten, zu welchem auch das plumpe Klatschen und Lachen als eine unter vielen Erscheinungen als Folgen des Alkoholkonsums zählen. Vielfach geriet die Außenwirkung unstatthaften Verhaltens seitens der Geistlichen in den Blick. Das Konzil von Trullo spricht dezidiert von der Landbevölkerung, die zum Lachen angestiftet würde. Es ist nicht auszumachen, ob es sich hierbei um den Topos der rustici handelt, deren Lachen weniger zivilisiert dargestellt wird und insofern auf das laute und plumpe Gelächter angespielt wird. Eustace de Mesnil, Dekan der theologischen Fakultät von Paris beschreibt 1445 in einem Brief an Bischöfe und Kapläne Frankreichs die Bräuche des Narrenfestes: Priester und Kleriker tragen Masken, tanzen, singen und begehen den Gottesdienst in unwürdiger Weise. Im Anschluss daran ziehen sie durch die Stadt und bringen ihre Mitbrüder und Zuschauer durch infame Darstellungen mittels unanständiger Gesten sowie obszöner und unsittlicher 463 Chambers, S. 328. 464 „Nullus presbiterorum, quando ad anniuersarium diem, trigesimum, aut septimum, uel tertium alicuius defuncti, aut quamcumque uocatione ad collectam presbiteri conuenerit, se inebriare ullatenus presumat; nec precatus amore sanctorum uel ipsius animae bibere, aut alios ad bibendum cogere, uel se aliena precatione ingurgitare; nec plausus et risus inconditos, et fabulas inanes ibi referre, aut cantare presumat, aut turpia ioca uel urso uel tornatricibus ante se eri patiatur; nec laruas demonum ante se ferri consentiat, quia hoc diabolicum est et a sacris canonibus prohibitum.“, Gratian: Decretum, pars prior, S. 158, sowie in ähnlichem Wortlaut und das Lachen betreffend in gleichem Wortlaut bei Hinkmar 〈von Reims〉, I., 710 capitula presbyteris data anno 852, cap. 14, PL 125, Sp. 776. Deutsch zit. nach Jacobelli, S. 32.

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Verse zum Lachen. 465 Demnach sind es nicht nur die Geistlichen untereinander, sondern die gesamte Stadt, die Zeugen der Verfehlungen im Verhalten werden konnten. Aber nicht nur die Aufrechterhaltung einer würdigen Selbstdarstellung der Geistlichkeit war gefährdet, sondern sogar die Haltung der Gläubigen und deren Frömmigkeit standen auf dem Spiel. Anfang des 15. Jahrhunderts beschreibt Johannes Hus ein Narrenfest, an welchem er zu seinem Bedauern als junger Mann in Prag teilgenommen hatte. Im Anschluss an die Schilderung des Festprozederes umreißt er das Problem, nämlich dass die Zuschauer lachen und alles für fromm und recht halten. 466 Daraus resultiert ein Grundproblem, dass die Rituale der Eingeweihten von Nichteingeweihten missverstanden werden können. Somit steht nicht nur das Ansehen der Geistlichen auf dem Spiel, sondern im Extremfall das Seelenheil der Laien, die nicht mehr zwischen richtig und falsch unterscheiden können. Als knappe Zusammenschau aller relevanten Aspekte dient das bereits erwähnte Fallbeispiel aus dem Jahr 1360, als Bischof Grandisson von Exeter sich gegen unehrenhafte Spiele wandte, welche von Jungen und Männern zur Vesper, Matin und der Christmesse an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Kapitel der Kathedrale und in drei Kollegiatskirchen veranstaltet wurden. In seinem Schreiben versammelt er die meisten der hier erörterten Bezugspunkte. Betroffen sind durch die ausschweifenden Feierlichkeiten der sakrale Raum und der sakrale Anlass. Mittels Gesten, zum Teil lauten Gelächters und des betriebenen Spotts werde das Volk von der geschuldeten Hingabe abgelenkt und selbst zum plumpen Lachen, risum incompositum, und zu unzulässiger Belustigung veranlasst. Der Gottesdienst selbst werde verlacht und falsch abgehalten. 467 Die Art des Lachens und das Sakrale als potentielles Objekt des Gelächters werden von Bischof Grandisson als reale Gefahren benannt. Spätere Belege zeigen den Übergang des Motivs der Wahrung des Heiligen in volkssprachliche Verordnungen. 468

465 „[. . . ] ac deinde per villam et theatra in curribus et vehiculis sordidis duci ad infamia spectacula, pro risu astantium et concurrentium turpes gesticulationes sui corporis faciendo, et verba impudicissima ac scurrilia proferendo?“ Epistola a venerabili Facultate theolgiæ studii Parisienis, XXI, PL 207, Sp. 1171B–C. 466 „Spectatores autem rident atque haec omnia religiosa et justa esse putant; [. . . ]“ Johannes Hus, S. 722. 467 „Ex quorum gestis, seu risibus et cachinnis derisoriis, nedum populus, more Catholico illis potissime temporibus ad Ecclesiam conveniens, a debita devocione abstrahitur, set et in risum incompositum ac oblectamenta illicita dissolvitur; Cultusque Divinus irridetur et Of cium perperam impeditur [. . . ]“, John de Grandisson, S. 1214. 468 Zum Beispiel ein königlicher Beschluss der englischen Reformationsbewegung aus dem Jahre 1541 „[. . . ] and boyes doo singe masse, and preache in the pulpitt, with suche other un ttinge and inconvenyent usages, rather to the derision than to any true glory of God, or honour of his saints; [. . . ]“, Concilia Magnae Britanniae, S. 860.

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Bisweilen ist aus den Quellen auch etwas über die Konsequenzen des Fehlverhaltens zu erfahren, die Geistliche aber auch die Gemeindemitglieder betreffen konnten. Die kirchenrechtliche Verordnung von Papst Bonifatius VIII. aus dem Jahr 1298 weist darauf hin, dass mit Sanktionen zu rechnen hatte, wer im Verlaufe eines Jahres sich übermäßig häu g wie ein Spaßmacher verhielt. Dahingehende Auffälligkeiten wurden geahndet: Ist nach der dritten Ermahnung keine Besserung zu erkennen, muss auf alle Privilegien eines Geistlichen verzichtet werden. 469 Ein Poenitenziale für Prag aus der Zeit von 1352 bis 1415 spricht gar von Exkommunikation für „alle, die (in der Kirche) weltliche, alberne und skurrile Lieder singen; Mägde, die mit Knechten oder Männer, die mit Frauen zum Lachen oder zur Zügellosigkeit Anlass geben, indem sie Unziemliches und Fabeln vortragen.“ 470 Auch wenn die folgenden Beispiele der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts strenggenommen aus dem Untersuchungszeitraum herausfallen, geben sie zusätzlich Aufschluss über den Fokus und die Motivation der Kritiker. Dabei ging es um die Wahrung der geistlichen Würde auf dem mailändischen Provinzialkonzil von 1565 471 sowie in Beschlüssen aus Lyon von 1577, aus denen sich ableiten lässt, dass die Annäherung an die weltliche Lebensweise als verwerflich galt. Diese konnte sich durch die Nähe zu als lasterhaft angesehenen Personenkreisen, durch den Zeitvertreib der Geistlichen und den Aufenthalt an dubiosen Orten ausdrücken. 472 In Mazara ging es 1584 in dem Verbot von Schauspiel, Tanz und Masken während der heiligen Handlungen in der Kirche um die Trennung von sakral und profan, 473 in Volterra 1590 um die 469 „Clerici, qui, clericalis ordinis dignitati non modicum detrahentes, se ioculatores seu goliardos faciunt aut bufones, si per annum artem illam ignominiosam exercuerint, ipso iure, si autem tempore breviori, et tertio moniti non resipuerint, careant omni privilegio clericali.“ Bonifatius VIII., col. 1019. 470 „Item cantantes canciones seculares ineptas et scuriles. Ancille cum famulis vel viri cum mulieribus risus vel cachinnos et pohadky (Mährchen) proferentes et ad luxuriam provocantes.“ Concilia Pragensia, S. XVII. 471 „Fabulis, comœdiis, & hastiludiis, aliisve profanis & inanibus spectaculis non intererunt: ne aures & oculi, sacris of ciis addicti, ludicris, impuris actionibus, sermonibusque distracti polluantur.“ Concilium Mediolanense I Provinciale, XXV, Sp. 37C. „Die Geistlichen sind gehalten, den Fabeln, den Komödien, den Stechspielen, den Turnieren oder anderen eitlen und profanen Schauspielen keinesfalls beizuwohnen, auf daß ihre Ohren und ihre Augen, die dem Gottesdienst geweiht sind, nicht beschmutzt werden durch scherzhafte oder unzüchtige Handlungen und Worte.“ Deutsch zit. nach Heers, S. 78. 472 „Fuyront toutes dances, masques, basteleries, spectacles, & comedies de basteleurs & farceurs, là ou il y a dissolution, impudicité & plaisanterie veine [. . . ]“ Statuts et ordonnances, S. 26 verso. Geistliche sollten sich „fernhalten von Tänzen, Masken, Taschenspielerei, von den Schauspielen und Komödien der Gaukler und Spaßmacher, von den Orten, wo Zersetzung, Unzucht und eitle Lustbarkeiten herrschen.“ Deutsch zit. nach Heers, S. 78. 473 1584 beschloss man in Mazara, dass „während der Feier der heiligen Handlungen [. . . ] in der Kirche weder Schauspiele, noch Tänze, noch Reigen oder Masken erlaubt“ seien. Deutsch zit.

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Störung durch Krach, 474 und auf der Synode von Neapel 1565 um die allgemeine Außenwirkung und die Andacht der Gläubigen. 475 Aus dem bisherigen Quellenmaterial 476 geht hervor, dass Lachen sich als unangemessen erweisen kann, wenn es zur falschen Zeit und am falschen Ort erfolgt. Dabei spielen jedoch die Auslöser eine weitaus größere Rolle, wie die untersuchten Beispiele nach Jacobelli, S. 42. „[. . . ] ne in Ecclesia cum divina celebrantur of cia, repraesentationes ant, nec aliquae saltationes, nec choreae, nec larvati admittantur [. . . ]“ Corrain / Zampini, S. 259. 474 Der Beschluss von Volterra aus dem Jahre 1590 zielt auf den unangemessenen Krach als Begleiterscheinung der Festlichkeiten ab, so dass „zur Matutin an den drei Kartagen [. . . ] in der Kirche Pfeifen, Hörnerlärm und unpassendes Scheppern absolut verboten“ wurde. Deutsch zit. nach Jacobelli, S. 43. „In matutinis trium dierum Hebdomadae sanctae, sibila, cornuum strepitus, & inconuenientes pulsationes, omnino prohibeant.“ Constitutiones synodales, S. 17. 475 Ganz ähnlich klingen die Klagen der Synode von Neapel desselben Jahres, welche sich an die richtet, die „schamlose Tänze in der Kirche aufführen; und nicht nur, dass sie schlechte Lieder singen, sondern sie stören auch die heiligen Handlungen, zu denen vor allem die Bewohner der Städte unserer Diözese, aber auch die Bewohner der angrenzenden Ortschaften der Andacht wegen kommen.“ Deutsch zit. nach Jacobelli, S. 42. „[. . . ] saltationibus turpibus invigilant, cantica non solum mala cantantes, sed etiam religiosorum of ciis perstrepunt, in quibus praesertim villarum nostrae dioecesis, aliisque nitimis locis in quos etiam subditi nostri devotionis occasione conveniunt.“ Corrain / Zampini, S. 148. 476 Bislang sind die aufgeführten Belege in der Forschung aus unterschiedlichen Untersuchungszusammenhängen heraus interpretiert worden, welche jedoch keine zufriedenstellenden Ergebnisse bezüglich des Lachens liefern. Die Einordnung der klerikalen „Narrenfeste“ und „verkehrten Tage“ der Kinderbischöfe in den Bereich des folk drama im Unterschied zum religious drama hat zu der Annahme geführt, es habe sich dabei um Volksbräuche paganen Ursprungs gehandelt. Chambers ließ sich zu dieser Interpretation verleiten, nicht zuletzt, weil das zeitgenössische Urteil von Eustace de Mesnil dies nahelegte. Vgl. Chambers, S. 293 f. Ganz richtig hat Chambers die Vielfalt lokaler Praktiken in diesem Kontext herausgestellt. Das Vorzeichen der „Volkskultur“ zieht jedoch einen speziellen Impetus der kirchenrechtlichen Bestimmungen nach sich. Die Konzilsmitglieder hätten sich folglich gegen heidnisches Brauchtum zur Wehr zu setzen versucht. Ähnlich ordnet Suchomski in seiner Untersuchung der kirchlichen Position gegenüber dem Scherz die Verbote und of zielle Ablehnung ein. Die frühen Beschlüsse (Anhand des frühen Belegs aus dem 5. Jahrhundert von Petrus Chrysologus zu den Neujahrsfeiern zeigt sich ebenfalls die Gefahr, die möglicherweise als Topos der heidnischen Herkunft hervorgebrachte Kritik für Kontinuitätstheorien zu instrumentalisieren. Selbst diese scharfe Formulierung lässt ein deutliches Lachverbot vermissen: „Doch es mag jemand einwenden: es soll dies keine Gotteslästerung sein, es ist nur lustige Tollerei! Es ist dies nur der Ausdruck der Freude über die neue Zeit, nicht soll es sein das Werk des alten Wahnglaubens! Es ist ja die Absicht, den Jahresanfang zu feiern, nicht eine anstößige Handlung des Heidenglaubens! Mensch du täuscht dich! Das sind keine Scherze, sondern Verbrechen!“ Das Vergehen lag weniger im Akt des Lachens begründet als vielmehr in der Ehrenhaftigkeit des Objekts von Spott.) seien als Reaktionen einer Zeit zu verstehen, in der das Christentum mit heidnischen Bräuchen konfrontiert war. Die späteren Belege muss Suchom-

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gezeigt haben. Lachen am Heiligengrab 477 ist nicht per se problematisch, sondern ist in seiner Bewertung abhängig von der Ursache. Absolut hingegen ist das Lachen im monastischen Kontext vom Chor räumlich wie zeitlich ausgenommen. 478 Allerdings können Gottesdienst und Gotteshaus Zeit und Ort von Lachen sein, wenn die Predigt daraufhin angelegt ist und wenn im besonderen Fall bestimmte festliche Anlässe entsprechend gestaltet sind. Spezielle Phasen des Gottesdienstes, vornehmlich die Predigt in rhetorischen Passagen zur Aufmunterung der Zuhörer, könnte somit von den Geistlichen als Zeit des Lachens vorgesehen worden sein, um Gefühlen der aufkommenden Langeweile und damit einhergehenden Desinteresses entgegenzuwirken. Die Fähigkeit der Adressaten, über die Angemessenheit des Lachens selbst zu urteilen, sich darin zu mäßigen oder auch sich darin zu verweigern, sollte nicht unterschätzt werden. 479 Sicherlich zeigen die Quellenbelege, dass die Beteiligten sich in diesen Fällen ski entsprechend als Vorgehen gegen das sittlich Unzulässige eines Volksbrauchs interpretieren. Vgl. Suchomski, S. 26. Die Formulierungen der Beschlüsse lassen durchaus Raum für Interpretationen, so dass es zu präzisieren galt und noch gilt, zum Beispiel bezüglich der Angaben über die Art der verurteilten Possen. Aus den Akten jedoch zu schließen, dass Geistliche sich beinahe schon berufsmäßig als Spaßmacher hervorgetan haben, wird den Quellen nicht gerecht. Vgl. Suchomski, S. 25. Richtig beobachtet hat Suchomski das Verständnis der weltlichen Unterhaltung als große Gefahr für Geistliche, in Ergänzung dazu kann man sagen für die Wahrung des Sakralen allgemein. Das Bemühen um Trennung von Sakralem und Profanem hat Heers in seiner Auseinandersetzung mit den Klerikerfesten herausarbeiten können, die nicht in der Polarität von Paganismus und Christentum oder „Volkskultur“ und Kirche stehen. Vgl. Heers, S. 47. Der Fokus auf Geistliche beziehungsweise auf bestimmte Gruppen innerhalb des Klerus als Akteure deutet vielmehr auf ein „Machtspiel“ innerhalb der Kirche hin zwischen dem „nach kanonischen Vorschriften lebenden Kollegiatklerus gegenüber allen anderen Körperschaften der Geistlichkeit“, „zwischen dem Bischof und seinem Kapitel innerhalb des Klerus“ Heers, S. 209 u. 344. Obwohl Heers sich weniger mit dem Lachen auseinandersetzt, liefert er mindestens diesen wichtigen Anhaltspunkt. Viele der Kirchenbeschlüsse jedoch wie Jacobelli als Vorgeschichte des Ostergelächters zu verstehen, ist vollkommen abwegig. Vgl. Jacobelli, S. 31–34. Sofern sie sich überhaupt bestimmten Festen im Kirchenjahr zuordnen lassen, ist den Belegen nicht zu entnehmen, dass der Fokus auf einem sexuell konnotierten Lachen liegt. 477 Dies gilt mit großer Wahrscheinlichkeit für Heiligengräber im Unterschied zu anderen Gräbern: „Nur die Grabstätten der Heiligen, die auf unterschiedliche Art hervorgehoben und zurechtgemacht waren, durften Gegenstand von Feierlichkeiten und Verehrung sein.“ Le Goff / Truong, S. 135. 478 Wobei die Untersuchung von Bousquet-Labouérie bezüglich Skulpturen an Kirchenstühlen im Chorraum von Kirchen und Klöstern Fragen aufwirft, wie strikt dies wiederum gesehen wurde. Bousquet-Labouérie, S. 504–506. 479 Keller zeigt auf, wie in Genesisepik und Passionsspielen die dargestellten Spötter zum Spott des Publikums werden, wie Figuren „ihre Teilnahme am spöttischen Spektakel versagen“, wie ein Codex mit obszönen Abbildungen „seine Betrachter zur Partizipation an der Szene einlädt bzw. damit spielt, ob sie sich von ihrem Reiz vereinnahmen lassen“, wie Texte, Abbildungen und Szenen allesamt zwischen Momenten der Verinnerlichung und der Herausforderung

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auf einem schmalen Grat bewegten, bei dem aber Auslöser und Ausmaß des Lachens, aber auch die Wirkung ein viel stärkeres Gewicht haben als Ort und Zeit. Der Wahrung der Sakralität im Allgemeinen und der Würde der Geistlichen im Speziellen galt die Sorge ebenso wie der Außenwirkung auf die Gläubigen und Wirkung auf deren Glauben. Für ein Übermaß von lachenerregenden Aktivitäten wie auch für die Lachreaktionen konnten Sanktionen ausgesprochen werden. Die Vorgaben bezüglich des Lachens bewegen sich somit in dem bisher erörterten Rahmen des rechten Maßes und der Angemessenheit. Exkurs: Ein österliches Lachritual? Als Sonderfall des zeitlich gebundenen Lachens in der Gemeinde könnte das viel zitierte risus paschalis als vermeintliches Ostergelächter gelten, welches mitunter als liturgisch oder rituell in den Gottesdienst eingebunden verstanden wird. Diese Thematik ist besonders kontrovers diskutiert worden und hat die unterschiedlichsten Interpretationen hervorgerufen. Dabei war vergleichsweise wenig Quellenmaterial Anlass für zum Teil recht ausufernde Theorien. 480 An dieser Stelle soll lediglich der Frage nachgegangen werden, ob die Hinweise bezüglich des risus paschalis etwas über den Stellenwert des Lachens in der Gemeinde aussagen können. Die Forschungsdebatte speist sich meist nur aus einem Zitat von Oecolampads Druckschrift „De risu paschali“. Der zum Baseler Humanistenkreis um Erasmus von Rotterdam zählende Theologe wandte sich in dieser Schrift nicht nur gegen das Gelächter, sondern gegen „lästerliche Predigten gespickt mit komödiantischen Geschichten und possenhaften Märlein untermalt mit schaustellerischem Gebaren und schmutzigen Ausdrücken“. 481 Ähnliche Hinweise nden sich in einer Schrift aus dem Jahr 1504 von Jakob Wimpfeling 482 und auch bei Geiler von Kaisersberg, ebenfalls zu An-

des Publikums zum Lachen changiert. „Man wäre [. . . ] sogar geneigt, in der dreckigen Schurkenkomik [beim Donaueschinger Passionsspiel] eine provokante Prüfung zu sehen, in der die zuschauenden Christen sich durch Lachresistenz beweisen sollten.“ Keller, S. 48, 53 u. 57, vgl. auch S. 55. 480 Wendland, Volker: Ostermärchen und Ostergelächter. Brauchtümliche Kanzelrhetorik und ihre kulturkritische Würdigung seit dem ausgehenden Mittelalter, 1980, S. 59. Auch wenn Jacobelli unterschiedlichste Quellen auswertet, betitelt einzig und explizit nur Oecolampad ein vermutlich sehr viel breiteres Phänomen mit dem engen Begriff des risus paschalis, des Ostergelächters. Vgl. auch hierzu ders., S. 59. 481 Vgl. ders., S. 63. 482 „Idem de laicis formidare possemus. qui si audiant in festo palmarum aut pasche (sicut nos audiuimus) cum primum eucharistie sacramento communicauerunt, religiosum de doctrina et uita famatum, carnales et lubricas obscoenasque fabulas. deque libidinoso amore ridicula et turpissima narrantem, ut inde risum atque cachinnum excitare videatur. Quid mirum si deuotio, si feruor. si affectus illorum popularium, toto anno, immo toto euo minor sit futurus.

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fang des 16. Jahrhunderts. 483 Der Begriff ist demnach Teil einer Kontroverse, um bestimmte Praktiken anzuprangern, wie dies im vorherigen Kapitel im Zusammenhang mit anderen das Lachen begleitenden Äußerungen ausführlich veranschaulicht ist. Die Bezeichnung risus paschalis wird auch in den späteren Quellen nur von den Kritikern verwendet, weshalb der Verdacht naheliegt, dass es sich dabei um nicht mehr als einen Sammelbegriff, einen Topos handelt. Dies gilt besonders für die Glaubensauseinandersetzung während der Reformationszeit. Im Kern ging es bei der Diskussion zum risus paschalis auch um die Praxis, bei der Predigt die Gläubigen zu unterhalten, die Zuhörer zu erheitern und zu diesem Zwecke mitunter auch zu einem Lachen zu provozieren. Wie obige Untersuchungen gezeigt haben, handelte es sich um eine für den Gottesdienst gängige Praxis. Es scheint durchaus vorstellbar, dass dieses Anliegen zur Aufmunterung beim Zuhören an den Hochfesten des Kirchenjahres vermehrt umgesetzt wurde, da die Feierlichkeiten sich zu diesen Zeiten oftmals über mehrere Tage erstrecken konnten. Die genannten Kritiker sehen die Predigt mit dem Osterbrauch zur Volksbelustigung verkommen, 484 wobei nicht das Lachen im Zentrum steht, sondern der Gebrauch von Märlein in der Predigt seit dem 14. Jahrhundert. 485 Diese Form österlicher Heiterkeit lehnten Humanisten und Reformatoren, darunter Oecolampad, ab. 486 Darin wäre, wenn man von diesen einzelnen Belegstellen auf weitverbreitete Haltungen schließen könnte, eine Gegenbewegung zu der Befürwortung von Geschichten zu sehen, wie sie sich bei Robert de Basevorn im 14. Jahrhundert ndet. Ein rituelles Lachen zu Ostern scheint jedoch wenig durch die Quellenbelege gestützt. Insofern ist auch eine Herleitung aus noch älteren Traditionslinien fraglich. Anhand verschiedener Forschungspositionen lässt sich vielmehr die Sehnsucht nach einem Ursprungs- und damit vielfach auch einem Fortschrittsnarrativ ablesen. 487 So leitet Bachtin das karnevaleske Lachen von antiken Traditionen her. 488 Jacobelli sieht

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cum prima die, ac ea ipsa quasi hora. qua sacrmentum [sic] sumpserunt, ad risum, ad iocum, ad cachinnum, ad leuitatem, ad dissolutionem a uiro qui alicuius authoritatis, existimatur fuerint concitati. Ille doctor est ecclesiasticus (ait Hieronymus) qui lachrymas non risum mouet.“ Wimpfeling, Bl. CIII verso, Kap. 18. Wimpfeling verweist auf Hieronymus: Epistola LII Ad Nepotianum, 8, Sp. 534, 263. „Quid est quod hoc tempore pascali inualuit corruptela: vt ad risum et leuitatem populus / per quosdam predicatores ridendos / cum excessu nimio etiam prouocatur. Plane deuotionem quam prius conceperant prorsus extinguentes. Profecto in talium labijs mors est.“ Geiler von Kaysersberg, kap. 13 XI U. Wendland, S. 68. Ders., S. 162. Wehrli, S. 23. Schon Jacob Grimm hatte laut Wehrli das Osterlachen, risus paschalis, als paganen Ursprungs gedeutet. Ders., S. 23. Bachtin, S. 43.

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in den unterschiedlichsten Quellen, auch in den weiter oben zu den Motiven des Ortes und der Zeit diskutierten Belegstellen, stets einen speziellen Hinweis auf das Ostergelächter. 489 Dabei ist für sie Absicht und Praxis des Ostergelächters unweigerlich mit Sexualität verknüpft. 490 Die Kritik an sexuellen Auswüchsen und Anspielungen, welche ebenso gut nicht viel mehr als Topoi sein könnten, bildet jedoch in den Quellen die Ausnahme. 491 Der Zusammenhang von Lachen und Sexualität geht nach Jacobelli weder auf einen heidnischen Ursprung zurück noch handelt es sich dabei um einen urchristlichen Brauch. Vielmehr bestehe eine anthropologische Verknüpfung von Lust und Lachen, von Körperlichkeit und Sakralität, weshalb mit dem Ostergelächter ein mythologisches Strukturschema vorliege. 492 Derartige Modelle, dieses Lachen mit Vitalität, Erneuerung, Fruchtbarkeit, Sexualität und Geburt in Verbindung zu bringen, ziehen geradezu Thesen der kontinuierlichen Genese nach sich, dass „ein späterer Ausläufer dieses rituellen Ansatzes“ sich „noch im mittelalterlichen Risus paschalis“ ndet, welches durch den Priester an Ostern in der Gemeinde durch Scherze evoziert worden sein soll, „um damit gewissermaßen künstlich die alte agrarische Replik auf die Auferstehung und Erlösung hervorzurufen.“ 493 Zum Teil erfolgt dann eine gegenteilige Interpretation als „Abglanz der österlichen Freude und des großen Halleluja am Ostertag“ 494 mit der Etikettierung, es handle sich dabei um etwas „ausgesprochen Christliches“ 495 und eben nicht um einen altheidnischen Kult. Der „Prediger suchte Gläubige zum Lachen zu bringen“, 496 weshalb der „Aufruf zu Weihnachtsfreude und Osterjubel“ 497 als Teil der Liturgie zu verstehen seien. Im Verlauf und Gebrauch sei 489 Mit der Auflistung von Dantes „Göttliche Komödie“, welches als literarisches Werk ein Bild von mit Fabeln zum Lachen veranlassenden Predigern zeichnet, wird eine nur schwer mit dem vorherigen Material zu vergleichende andere Textgattung herangezogen. Weitere Quellen, die von Jacobelli erörtert werden, datieren in eine spätere Zeit als der vorliegende Untersuchungszeitraum, oder betreffen überhaupt nicht das Lachen. 490 Diese Aussage kann jedoch nur aufgrund der Gleichsetzung von Quellenbegriffen wie „schamlos“ mit der Bedeutung von „sexuell“ erfolgen, wobei eigens zu untersuchen wäre, ob mit „schamlos“ auch Äußerungen gemeint sein können, die ganz allgemein sich ohne Scham zum Beispiel auch gegen das Heilige zeigen. 491 Jacobelli liefert so gesehen zunächst scheinbar brauchbare Quellen, die jedoch nach eingehender Analyse ihre Thesen nicht stützen. 492 Vgl. Macht, Siegfried: Mit Liedern tanzen. Der Liedtanz als Medium der Religionspädagogik, 2000, S. 124. Jacobellis Frage gilt einem etwaigen theologischen Fundament sexueller Lust, wobei das Ostergelächter untersucht wird als Zeichen dessen. 493 Haug, Walter: Schwarzes Lachen. Überlegungen zum Lachen an der Grenze zwischen dem Komischen und dem Makabren, 1996, S. 52. 494 Hertle, Valentin: Der Risus paschalis – das Ostergelächter, 1984, S. 114. 495 Ebd. 496 Macht, S. 121 in Übereinstimmung mit Jacobelli, S. 12 f. 497 Linke, Hansjürgen: Unstimmige Opposition. „Geistlich“ und „weltlich“ als Ordnungskategorien der mittelalterlichen Dramatik, 2001, S. 82.

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das Osterlachen, risus paschalis, einem Verfall unterlegen, 498 so das Narrativ, das somit auch die Kritik zu erklären weiß. Anhand eines in diesem Zusammenhang noch nicht diskutierten Quellenbelegs kann die Problematik von einseitigen Interpretationen aufgezeigt werden. Notker beschreibt eine Osterprozession Ludwigs zur Kirche, die mit einer Kleidergabe an die Untergebenen verbunden ist. Die Szene wird von einem Narren unterbrochen, der eine lustige Bemerkung macht. Er wiederholt sie sogar, aber Ludwig verzieht seine Miene nicht, geschweige denn, dass er lacht. Unbeirrt fährt er mit dem Prozedere fort und gibt sich schließlich inbrünstig seinen Gebeten hin, als wäre Christus persönlich anwesend. 499 Nun könnte dieses Beispiel dazu dienen, in der Anwesenheit eines Narren die Tradition eines Osterlachens bestätigt zu sehen. Es lässt sich jedoch ebenso dessen Kontinuität in Frage stellen, mehr jedoch noch das Vorhandensein eines Lachrituals, von welchem der König sich in diesem Fall ausnehmen würde. 500 Er ginge dann entweder gegen eine alte Tradition an oder gegen eine genuin christliche. In solchen Deutungen bliebe jedoch die Absicht des Verfassers außen vor. Notker entfaltet an dieser Stelle einmal mehr das Bild eines selbstbeherrschten und demütigen Herrschers. Er interpretiert die von Thegan geschilderte Ablehnung des Lachens bei Festlichkeiten durch Ludwig als Imitatio Christi. Das Lachen des Narren steht im Kontrast zu der unbeeindruckten Haltung des Herrschers. Das närrische Auftreten mag seinen Platz bei der Osterfreude haben, wird hier aber als deplatziert beurteilt. Der rituelle Staatsakt, 498 Hertle, S. 114–116. Wobei Hertle durchaus Ambivalenzen wahrnimmt und das Gelächter verstanden wissen will als ein „Grundgefühl des Staunens und Grauens, der Verwunderung und der Angst vor dem eigenen Zerbrechen angesichts des eigenen Todes und der Deformationen und des Monströsen in der Welt“, Hertle, S. 116. Hertle deutet Unmäßigkeit und Ausschreitungen im Kontext an, führt aber nicht aus, welcher Art und bleibt auf diese Weise eine Erklärung schuldig wie derartige Deformation sich mit dem Urchristlichen vereinbaren lässt. Bei Wehrli erfolgt die Einordnung als „grundsätzlich einen Ausdruck der Oster- und Weihnachtsfreude [. . . ], einen Risus paschalis über die Niederlage des Bösen, über die Erlösung, über das, was schließlich als Frohbotschaft auch in irdischen Formen irgendwie gefeiert werden will und darf.“ Wehrli, S. 25. 499 „[. . . ] iam cessare ad ecclesiam procedente, quidam de scurris ioculariter inquit: [. . . ] Cumque imperator ab eo quereret, [. . . ] quasi gaudens se imperatorem in admirationem vertisse, cum chachinno intulit: [. . . ] Quod dulcissimi gestus imperator blando vultu pro ludo et ineptiis percipiens humili devotione ecclesiam intravit, in qua ita timorate se gessit, quasi ipsum dominum Iesum Christum prae oculis corporalis habere videretur.“ Notker, II, 21. 500 Auffällig ist, dass in dem Punkt des Lachens die Vorgaben von Einhard und Thegan Berücksichtigung zu nden scheinen: Karl der Große ist in einem anderen zeitlichen Kontext als der Osterzeit nahbar und lässt sich durch eine gewitzte Bemerkung in seiner Meinung umstimmen. Ludwig hingegen ist unnahbar und lässt sich durch ein Lachen nicht aus der Fassung bringen. Beide gelten den jeweiligen Autoren aber als „ xed point of order“, Kershaw S. 193. Wenn man wiederum ungeachtet der verschiedenen Verfasserintentionen interpretieren wollte, dann könnte dieser Textvergleich zur These führen, außerhalb der Osterzeit wäre ein Lachen angemessen, während der Osterzeit jedoch nicht.

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der die Identi kation von König und Christus betonen soll, wird tölpelhaft unterbrochen. 501 Sowohl die Anwesenheit des Narren bei den Feierlichkeiten als auch Ludwigs Entscheidung, sich an Ostern nicht belustigen zu wollen, müssen den Rezipienten plausibel erscheinen. Die weiter oben angestellte Analyse bezüglich der Darstellung Ludwigs hat gezeigt, dass diese durchaus einen Kontrast nicht nur zu zeitgenössischen Äquivalenten, sondern sogar zu den hier erörterten Heiligenviten darstellt. Von einer allgemeinen Fröhlichkeit und freudigem Gelächter im Zusammenhang zur Osterzeit ist aus dem Quellenbeleg bei Notker nichts zu lesen. Die Tradition eines Osterlachens ist somit schwer nachzuvollziehen. Die Bezeichnung risus paschalis ndet sich in den Quellenbelegen erst recht spät und hat damit erst eine Ordnungskategorie für die Nachfolgezeit erschaffen. 502 Oecolampad kann dabei als eine Episode eines Erzählbrauchtums eingeordnet werden, dessen wesentliches Merkmal nicht das Lachen ist. Dies stellt eher einen „polemischen Topos“ 503 dar. Es zeigt sich in der Diskussion der Humanisten vielmehr ein neuerliches Bemühen und Ringen um Ernsthaftigkeit. 504 Ätiologische Theorien erliegen der als Topos der Kritiker vorgebrachten Behauptung und Etikettierung der heidnischen Herkunft des risus paschalis. 505 Wendland weist auf die Gefahr hin, den Topos der heidnischen Herkunft für bare Münze zu nehmen. 506 Neben der Herleitung aus heidnischer Tradition wird das Ostergelächter auch als spätmittelalterlicher Brauch verstanden 507 und somit weniger auf eine Kontinuität verwiesen. Anstatt wie Jacobelli in jeder Aussage zum Verhalten bei festlichen Anlässen einen Hinweis auf das Ostergelächter zu sehen, scheint es vielmehr angebracht, den Begriff risus paschalis als eine zeitgebundene Sonderform einer möglichen Reaktion auf eine Predigt zu verstehen. Diese ist, wie auch das allgemein angemessene Verhalten für alle festlichen Anlässe in der Kirche, in Vorgaben der Mäßigung integriert, die der Bedeutung des sakralen Gegenstands und Orts geschuldet sind. Wenn die Quellen selbst noch einmal befragt werden, weisen diese auch eher in die Richtung, es ginge den Verfassern mehr um Übertreibungen allgemeiner Art als um 501 502 503 504

Innes, S. 148–151. Wendland, S. 69. Ders., S. 59. Die Polemik des Spätmittelalters und die Kritik im Zeitalter der Reformation sind dabei nicht lokal begrenzt. Neben Oecolampad wäre noch Erasmus von Rotterdam zu nennen, dessen Gegner ihn interessanterweise zu ernst nden. Die konfessionellen Parteien ringen um das rechte Maß und gegen ein Übermaß in jedwede Richtung. Dabei scheint eben dieses Übermaß hier der Kern des Problems beziehungsweise des Topos zu sein. 505 Wendland, S. 13. 506 „Neben der Göttin Ostara, ihrem heiligen Hasen und den ihr als Opfer dargebrachten Eiern ist nun auch das Ostergelächter aus der Liste heidnisch-germanischer Relikte zu streichen.“ Wendland, S. 111. 507 Ebd.

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Lachen und etwaige sexuelle oder wie auch immer geartete Konnotationen, wie auch in der ältesten Belegstelle aus dem 4. Jahrhundert: Bischof Zeno von Verona „hatte in einer Osterpredigt die Mahnung ergehen lassen, das übliche, oftmals übermäßig fröhliche Taufmahl nach der Feier von Christi Auferstehung nicht in weltlich ausgelassener Weise zu begehen, dafür sich an der Bibel zu sättigen“. 508 Aus diesem Quellenzitat eine Kontinuität eines rituellen Ostergelächters herzuleiten, würde die Vorlage deutlich überstrapazieren. Vielmehr geht es hier um Begrenzung und Mäßigung des allgemeinen Festtreibens sowie die Wahrung des Sakralen, indem die religiöse Freude sich nicht in weltlichem Gebaren äußert. Die viel diskutierten Quellen fügen sich somit vielmehr in das bereits skizzierte Bild der Forderung nach Mäßigung an Ostern wie auch zu anderen kirchlichen Festtagen ein. Menache und Horowitz propagieren eine gebilligte Zunahme von Humor in Predigten. Mit der Einordnung des Osterlachens in den Predigtstil, soll dieser nicht nur zu Ostern eine Ermunterung bewirken. 509 So stellen die Ostermärchen nach Wendland auch keine selbständige Gattung dar 510 und haben als Ermahnung an Ostern Verwendung im Gottesdienst, besonders in Kloster und Schule für Schüler und Subdiakone gefunden. 511 Diese Feststellung untergräbt Thesen des Zusammenhangs zur Laiengemeinde. Beide Behauptungen wären demnach einer weiteren Prüfung zu unterziehen. Somit ist die eigentlich als Frage der Rhetorik 512 zu erörternde Thematik über das hinaus, was die tatsächlichen Quellengrundlagen hergeben, überinterpretiert worden. Die Gesamtheit der Quellenbelege deutet nicht auf eine Tradition des risus paschalis hin, sondern lässt sich in die vorherige Analyse einordnen, dass Predigten durchaus so angelegt sein konnten, Lachen zu erregen, dass aber ebenso bei allen kirchlichen Festen eine Übertreibung der Feierlichkeiten über ein bestimmtes Maß, welches das Lachen wie auch andere Aktivitäten betrifft, angemahnt wurde.

3.2.5 Funktionen und Bewertungen des Lachens

Die Vitenverfasser geben selten explizite Hinweise darauf, welche Funktionen dem Lachen zugeschrieben werden, weder was damit in der lebensweltlichen Kommunikation noch in textlicher Darstellung ausgedrückt werden soll. 513 Unter Funktionen soll hier in einem weiten Wortsinn Nutzen, Sinn oder Aufgabe zusammengefasst sein,

508 509 510 511 512 513

Lehmann, S. 13. Vgl. auch Wendland, S. 163. Wendland, S. 43. Ders., S. 9. Ders., S. 162 u. 164 f. Wendland, S. 14–17. Durch Erklärungen verlieren die performativen Gesten ihre Macht und würden dadurch redundant. Vgl. Michaelis, S. 131.

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aber auch Absicht, Wirkung oder Ergebnis des Lachens und seiner Unterdrückung für die Akteure im sozialen, politischen und religiösen Feld. Die verschiedenen Modi, Objekte, Kontexte und weiteren Faktoren sind sehr vielfältig. Zudem stehen sie zumeist in einer reziproken Abhängigkeit voneinander. Die Textbelege geben Hinweise auf das Verständnis von lebensweltlichen Funktionen des Lachens, die wiederum eng mit der Wirkung des Lachens verknüpft sind. Es geht dabei darum herauszustellen, welche Funktionen das Lachen in den geschilderten Situationen der Lebenswelt erfüllen könnte, beziehungsweise welche Funktionen dem Lachen in eher normativen Texten indirekt zugeschrieben zu sein scheinen. Andere Funktionen des Lachens liegen eher auf der literarischen Ebene, wie etwa die Rezipienten auf etwas hinzuweisen. Das Lachen hat dann im Text einen Zeichencharakter über lebensweltliche Plausibilität hinaus. Die Funktionen ziehen zumeist auch entsprechende Bewertungen nach sich, sind jedoch ebenfalls davon abhängig, wie die Akteure bewertet werden. Lebensweltliche Funktionen des Lachens sind historisch bedingt. Lachen kann Verwendung nden, um auf gesellschaftlicher Ebene ab- und auszugrenzen oder einzuschließen und dabei pädagogische, soziale, politische und ähnliche Folgen haben. Es kann auch die Funktion erfüllen, auf das Innere eines Gegenübers einzuwirken und einen psychischen und emotionalen Effekt zu erzielen. Diesen Bereich spricht das Beispiel der seliggesprochenen Lidwigis an, eine im 15. Jahrhundert verstorbene heilige Jungfrau. Die junge Frau trauerte um ihren verstorbenen Vater. Dämonen betrübten, contristabant, 514 Lidwigis, indem sie sagten, ihr Vater wäre zusammen mit ihnen in der ewigen Verdammnis. Daraufhin war die Heilige untröstlich und weinte. In einem zweiten Erzählstrang werden dieselben Erlebnisse mit den Dämonen wiederholt. Mittels eines Trugbildes täuschten die Dämonen die Gestalt des Vaters vor. Gemeinsam verlachten und betrübten sie, irridentes & af igentes, 515 die Heilige. Schließlich lösten sich die Dämonen in Rauch auf, nachdem die Heilige sie als Trugbilder enttarnt und durch Aussprechen dieser Wahrheit gebannt hatte. 516 Die Beschreibung 514 Im Mittelalter kursierte die Vorstellung, dass der Teufel sich „an Trübsinnige [halte]“, vgl. Ehlers, S. 51. 515 Möglicherweise wird mit dieser Wortwahl auf die Worte von Paulus in der Apostelgeschichte 21,13 angespielt. Dort antwortet er denjenigen, die sein Fortgehen nach Jerusalem bedauern: Quid facitis entes et af igentes cor meum? Wenn diese Textstelle Grundlage war, ist der Austausch des Wortes entes mit irridentes ein gekonntes Spiel mit der Thematik des Lachens und Weinens, welches Kern der Schilderung ist. In der angesprochenen Bibelstelle spielt ebenfalls der Tod eine Rolle, wenn Paulus noch in demselben Vers sagt: Ego enim non solum alligari sed et mori paratus sum propter nomen Domini Iesu. 516 „Post cujus mortem cum ipsa certi cata fuisset de salute ipsius, nihilominus demones interdum eam in tantum contristabant, dicente ejus patrem secum in damnationis suæ societate habere, ut, quasi verum fuisset quod a dæmonibus audierat, inconsolabiliter eret. Unde & domesticis ejus, causam lacrymarum sciscitantibus, respondit: Ego scio quod cum patre meo valde bene agitur, & tamen dæmones dicunt quod sit damnatus. Cum enim vice quadam ab

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der trauernden jungen Frau vermittelt Einsicht in recht differenzierte Vorstellungen über innere psychische Vorgänge. 517 Die Dämonen sind allein in der Wahrnehmung der Heiligen vorhanden und erschüttern sie. Offensichtlich konnten die Dämonen nicht den Verstand der jungen Frau mit ihrem Angriff ansprechen, in der Vita wird auf das Wissen Lidwigis um das rechte Handeln des Vaters verwiesen, sondern mussten dabei bei den Gefühlen ansetzen. Deutlich treten zwei Gegensatzpaare in dieser Schilderung zutage: Zum einen wird das Weinen, die Trauer der Heiligen mit dem Lachen der Dämonen kontrastiert und gesteigert, indem sie einen zusätzlichen Anlass zur Betrübnis liefern. Zum anderen treten die Dämonen einem Engel, dem Geleit des Vaters ins Paradies, entgegen. Dieser Kampf zwischen Gut und Böse endet mit der Fortsetzung des Wegs unter Führung des Engels, fast möchte man ergänzend sagen „schweigend“. Das Lachen ist, wie in anderen Beispielen im Aufeinandertreffen mit Dämonen, Teil einer zweiten Attacke, nach der die Auflösung der misslichen Situation erfolgt. Die Funktion des Lachens besteht im Angriff auf die Heilige, besonders auf ihre Gefühle. Absicht und Wirkung sind die Verunsicherung bezüglich der Heilsgewissheit für ihren Vater und somit eine Verstärkung ihrer Trauer. Auf der textlichen Ebene ist durch das Lachen der Widersacher ein Kontrast zur Heiligen hergestellt. Die Bewertung des Lachens ist dabei eindeutig negativ, vermutlich nicht allein aufgrund seiner Funktionen, sondern aufgrund der Zuordnung des Lachens zum Dämon als Aggressor. Derartige Angriffe auf den Gefühls- und Seelenzustand betreffen nicht nur die Heiligen. Unter den Erzählungen der posthumen Wunder der Heiligen Kinga, auch als Kunigunde von Polen bekannt, ist von einer frisch verheirateten Frau namens Thomka zu lesen, die über längere Zeit von einem Dämon geplagt wurde. Eine im Detail geschilderte Begebenheit ereignete sich nachts. Aus der Beschreibung geht nicht eindeutig hervor, ob allein Thomka oder auch der ihr beistehende Bruder den Dämon wahrnehmen konnte. Nachdem der Bruder die Schwester zu beruhigen versucht hatte, lachte der Dämon schallend, cachinno edito. Die tröstende Aussicht auf den bald anbrechenden Tag wurde von dem Dämon zerstört, indem er selbst wie ein Hahn zu krähen Angelo suo duceretur ad amœna paradisi gaudia, dæmones iter ejus obsidentes, trans guratum quemdam dæmonem in similitudinem patris ejus irridentes & af igentes, ostendebant ei dicentes [. . . ]“ AS, Apr. II, Dies 14, B. Lidwigis sive Lidwina, Virgo, Schidami in Hollandia, Prior Vita ex Teutonico M.S. Ioanni Gerlaci, Beatae Lidwigis sive Lidwina, pag. 290, col. D, 94. 517 Vgl. zu psychoanalytischen Perspektiven in der Konfrontation von Heiligen mit Dämonen Brakke, David: Demons and the Making of the Monk. Spiritual Combat in Early Christianity, 2006, S. 8 f. Nicht zuzustimmen sind Libermans Aussagen „A [. . . ] limitation of medieval narrators [. . . ] consists in their inability (or unwillingness) to depict the character's inner world“ und weiter die mittelalterlichen Verfasser hätten „lack of interest in what we call psychology“ und „The best works of medieval literature have perennial appeal, but the true depth of the psyche was closed to their authors.“ Liberman, S. 435 u. 437.

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begann. 518 In Analogie zu der Beschreibung eines früheren Angriffs ergibt sich die Bedrohlichkeit des Dämons aus der Imitation von Erlösung versprechenden Zeichen. Anders als in den vorherigen Beispielen wird hier die gesamte Auseinandersetzung mit dem Lachen eröffnet, gleichzeitig fällt die Auflösung der konkreten Situation weg. Stattdessen folgen weitere Leidensgeschichten, die erst durch das wundersame Einwirken der Heiligen Kinga ihr Ende nden. Die Funktion des Lachens ist hier ähnlich wie im vorherigen Beispiel als ein Angriff auf die innere Verfassung zu verstehen. Durch die furchtein ößende Wirkung wird das Gegenüber psychisch, emotional und letztlich im Hinblick auf Trost, Glaubensstärke und Heilsgewissheit verunsichert. Das Lachen lässt demnach nicht nur Rückschlüsse auf die innere Verfassung eines Akteurs zu, wie es besonders monastisch geprägte Texte suggerieren, sondern kann nach den in dieser und der vorherigen Textquelle vermittelten Vorstellungen auf das Innere desjenigen wirken, der das Lachen vernimmt. Das Lachen bewegt sich dabei verstärkt auf der Grenze sprachlicher Kommunikation. Hinweise auf weitere lebensweltliche Funktionen liefern auch Textquellen, die das Nicht-Lachen betreffen. Dabei verweisen sie ex negativo auf die Funktionen. Am deutlichsten lässt sich dies noch aus Klosterordnungen herauslesen. Die genannten Begründungen, warum das Lachen zu meiden sei, sind vielfältig. Die „Regula Pauli et Stephani“ 519 sieht in Witzen und unmäßigem Lachen eine häu ge Ursache für litigium, Zank. Witze und unmäßiges Lachen können Anlass zum Streit werden, wenn unter Witzen eher Belustigungen und das übermäßige Lachen als ein Verlachen zu verstehen sind. Der Zank entsteht nicht durch einen Konsens, eine Gemeinschaft von sich gegenseitig Witze Erzählenden, sondern durch den Kon ikt, wenn ein Klosterbruder zur Erheiterung eines anderen oder gar einer Gruppe von Brüdern dient. Das Lachen hat dann einerseits die Funktion, eine Gemeinschaft zu bilden, aber eben auch das Potential, eine Gegnerschaft auszudrücken. Eben diese Funktion ist vermutlich als problematisch angesehen worden, da die Klostergemeinschaft im Dienst an Gott geeint sein soll. Die Folgerung in der „Regula Pauli et Stephani“ ist, dass übermäßiges 518 „[. . . ] jamque ultra medietatem nox suum cursum peregisset, ad vexatam & af ictam a dæmone sororem Michaël ait: Noli de cetero, soror, metuere; neque dæmonis vexationem (gallorum enim jam cœpit cantus, virtutem dæmoniorum propulsurus) pertimesce. Ad hanc vocem dæmon, cachinno edito, Quid ergo? Inquit. At ego gallorum voces contemno, & in morem etiam galli cantabo. Conscensaque pertica, concrepantibus alis, voce galli cantare cœpit.“ AS, Jul. V, Dies 24, S. Kinga seu Cunegundis virgo, Polonia ducissa, Ord. S. Clarae, apud antiquam Sandecz, in palatinatu Cracoviensi, Vita Auctore Joanne Longing (vulgo Dlugos) canonico Cracoviensi, pag. 731, col. F, 300. 519 Die Regel ist grundsätzlich eine Wiederbelebung der Regel von Augustinus. Dabei ist die Thematisierung des Lachens eigenständig oder aus einem anderen Werk aufgenommen, da Augustinus in seinen Mönchsregeln keine Vorlage dafür liefert. Vgl. Balthasar, Hans Urs von: Die großen Ordensregeln, 1981, S. 202–219 und Augustinus: Regula ad servos Dei, Sp. 1377–1384.

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Lachen bestenfalls schlichtweg nicht erbaulich ist, schlimmstenfalls aber dem Bösen die Tore der Seele öffnet. 520 Das Lachen wäre hier demnach nicht Anzeichen einer bestehenden unfrommen inneren Haltung, sondern Ausgangspunkt zum Entstehen einer solchen. Es hätte folglich nicht nur eine Wirkung auf diejenigen, die das Lachen vernehmen, sondern auf den Lachenden selbst. Andernorts ndet sich das Argument, Lachen störe und lenke bei der Arbeit ab. 521 Die Funktion des Lachens wäre demnach, für Zerstreuung zu sorgen, im Sinne antiker Tradition der Entspannung zu dienen und zwar nicht nur im Bereich der Rhetorik, sondern als Teil von Muße und Kurzweil. Genau dies soll aber nicht während der Arbeitszeit geschehen. Gleiches kann auch für die Messe gelten. 522 Die Klosterregeln wenden sich damit gar nicht unbedingt allein gegen das Lachen. Der Begriff bezeichnet möglicherweise ein Gesamtphänomen wie Possenreißerei und unschickliche Reden und die vielfältigen Konsequenzen: Störung der Ruhe, der Ordnung, der Aufgaben, der Lebensweise. 523 Zudem eröffnet die zeitliche Einschränkung während der Arbeit und der Messe zu anderen Zeiten die Möglichkeit des Lachens. Die Regeln könnten somit als Reaktion auf die ambivalenten Funktionen und Wirkungen aufzufassen sein. Das Lachen des seliggesprochenen Jacobus, dessen Vita bis spätestens 1517 verfasst worden ist, verweist sowohl auf lebensweltliche als auch auf literarische Funktionen des Lachens. Jacobus soll ein heiterer Gesprächspartner gewesen sein, der durch witzige Einschübe sein zuweilen ländliches Publikum zu unterhalten und zu unterweisen wusste. 524 Dies veranschaulicht der Verfasser anhand einer Episode aus dem Leben des Heiligen: Jacobus wird von einem Bauern um Rat gebeten, da dieser zusammen 520 „Propterea cavenda est omnibus nobis joci et risus immoderata luxuria, per quam plerumque amarissima inter fratres nascuntur scandala. Nec debet ex hac re occasio discordiae provenire, per quam etsi non nasceretur litigium, cavendus tamen nobis erat ad ædi cationem sermo non pertinens. Et scientes quia et de otioso sermone ratio Domino est reddenda. Nam risum supra modum quis nesciat indisciplinationis et levitatis esse januam, per quam perniciosos cibos miseræ animæ diabolus subtiliter subministrat?“ Regula Pauli et Stephani, cap. 37, 957D–958A. 521 „Cum operantur, non inter se fabulas vel cachinnos conserant, sive luxurientur, sed operantes intra se recitent taciti.“ Sancti Fructuosi, VI, 1103C. 522 „Cum vero psalmis et hymnis vacatis Deo, id versetur in corde quod præfertur in voce, et quæ subriserit in cursu orationum, sex percussionibus; si in sonum eruperit risus, suppositionem.“ Donatus, XVII, 281B. 523 Niles hat das Lachen in seiner Untersuchung angelsächsischer Poesie identi ziert als mögliche „form of resistance to the tyranny of reason, compassion, moderation, and good sense.“ Niles, S. 32. Angesichts dieser Einschätzung wird nochmals deutlich, warum die Eingliederung des Lachens in die Klosterwelt nur sehr schwerlich in Frage kommen konnte. 524 „Fuit jucundus in conversatione, verbo et opere singularis, interponens ridicula, gaudiosa et jocosa adstantibus, ne alicui onerosus esset, gravis, agrestis [. . . ]“, AS, Aug. IV, Dies 23, B. Jacobus Mevanas, ex Ordine Praedicatorum, Mevaniae in Umbria, cap. I, V, pag. 729, col. F, 7.

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mit seiner Frau neben all seinen vielen Kindern am Feuer keinen Platz mehr ndet. Der Heilige antwortet ihm fröhlich lachend, ihm gefalle seine Bitte 525 und rät ihm, mehr Zweige aufzulegen, um das Feuer zu vergrößern. Der Kontext liefert keine weitere Begründung für das Lachen als Reaktion. Zunächst folgt das Erzählmotiv nicht dem Topos des bäuerlichen Lachens, sondern weist dies dem heiligen Protagonisten zu. Wohl aber könnte hier eine gewisse Einfältigkeit der einfachen Landbevölkerung gemeint sein, auf welche Jacobus mit einem Lachen antwortet, um anschließend mit einem ernsthaften Rat aufzuwarten. Ebenso denkbar handelt es sich um den Versuch des Verfassers, die gute Verständigung, das Talent des Heiligen zur unterhaltsamen Unterweisung mit dieser freundlichen Reaktion des Lachens zu betonen. Und schließlich könnte das bereits weiter oben erörterte Modell greifen, dass der Leser oder Hörer der Vita die Heiligkeit von Jacobus in all seinem Tun antizipiert und deshalb eine demütige Haltung in der Darstellung erwartet. Jacobus hat möglicherweise erfasst, dass der Bauer sich eventuell ein Wunder von dem Heiligen erhofft, so dass alle an dem Feuer Platz haben können. Doch diesem vielleicht als falsch oder unangemessen empfundenen Wunderglauben beziehungsweise der Einforderung eines Beweises für die Wundertätigkeit des Heiligen setzt dieser bescheiden gesunden Menschenverstand entgegen, der in dieser Angelegenheit ausreicht. Der Heilige erweist sich daher nicht nur in seiner Art der Kommunikation als lebensnah, sondern auch in seinem praktischen Rat. Das Lachen rundet diesen Eindruck der Zugänglichkeit und Umgänglichkeit, der Geselligkeit und Nahbarkeit ab. Zugleich umgeht Jacobus auf diese Weise jegliche Form der Heiligenverehrung zu seinen Lebzeiten. Diese Quelle ist Ausdruck mittelalterlichen Verständnisses von der Funktion des Lachens, zugänglich zu machen, Nähe herzustellen, Gemeinschaft zu bilden und eben nicht Abgrenzungsmittel oder gar Kon ikte zu schüren und als Waffe zu fungieren. In Bezug auf die Verehrung der eigenen Person schafft das Lachen die nötige Distanz, ohne verletzend zu sein. Eine besonders herausstechende Beschreibung für eine solche Ablehnung der eigenen Verehrung liefert ein Vitenverfasser im 12. oder 13. Jahrhundert für den Seligen Bernardus Poenitens, der aufs heftigste in ein Lachen ausbrach, in vehementissimum risum prorupit. Nachdem Bernardus von einer Krankheit am Kopf geheilt war, kam eine junge Frau zu ihm, nahm seinen Kopf in ihre Hände und begann zu beten. 526 Daraufhin ng der beschwingte Heilige vehement zu lachen an und half der Frau zum Spaß noch in ihrem Unterfangen. Bernardus scheint belustigt über ihr Benehmen zu sein. 527 525 „Tunc Frater Jacobus hilaris et affabilis alacriter ridendo ait: Placet valde, quod petis.“, AS, Aug. IV, Dies 23, B. Jacobus Mevanas, ex Ordine Praedicatorum, Mevaniae in Umbria, cap. I, V, pag. 730, col. A, 8. 526 In bildlicher Darstellung wird die Heiligkeit am Kopf durch einen Lichtkranz, Gloriole oder auch Aureole genannt, verdeutlicht. 527 „Ad hæc vir Dei, ut erat jucundissimus, in vehementissimum risum prorupit, et se medicum,

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Das Lachen des Heiligen kann hier viele Bedeutungen haben. Zunächst sagt Bernardus der Frau, dass er kein Arzt sei, wie man annehmen könnte. Daher ist sein Lachen dieser Verwechslung geschuldet, aber auch zugleich dem sich dahinter verbergenden Unglauben der Frau angesichts der wundersamen Heilung, welches ein gängiges Motiv in den Viten darstellt. Gleichermaßen könnte die eigene Freude über das Wunder, ganz allgemein Lebensfreude, darin ausgedrückt sein, da der Heilige noch vor dem Ausbruch des Lachens als jucundissimus, als vergnügt, charakterisiert wird. Ein weiteres Moment könnte Verlegenheit bezüglich der weiblichen Akteurin sein. Schließlich ist es eine junge Frau, die sich dem Heiligen nähert. Die Formulierungen geben jedoch einen Hinweis darauf, dass Bernardus der Frau in ihrem Unterfangen, auch der körperlichen Annäherung entgegenkommt. Der Verfasser macht vielmehr eine andere Art von Verlegenheit deutlich. Die eigene Verehrung, fomitem inanis gloriae, die öffentliche Gunst und Aufmerksamkeit, popularem scilicet favorem, meidet der Heilige, so gut es geht. Es ist dem Verfasser der Vita wichtig, das Verhalten des Heiligen zu erklären. 528 Die Gründe für das Lachen werden dabei wenig erhellt und können hier vielfältig sein. Entsprechendes gilt auch für die Funktionen. Möglicherweise hat der Verfasser das Lachen als Signal eingesetzt, um auf die Glaubenshaltung der beiden Hauptakteure zu verweisen, dem Unglauben der Frau einerseits und der demütigen Frömmigkeit des Heiligen andererseits. Die Ausdrucksweise der Heftigkeit des Lachausbruchs bleibt angesichts möglicher gemäßigter Formen des Lachens bemerkenswert. Noch etwas anders gelagert als dieses Schema der Abwehr der eigenen Verehrung ist das Beispiel der Heiligen Benevenuta aus dem 13. Jahrhundert, die der Verfasser als kräftig lachend, fortiter ridendo, beschreibt: 529 Die Heilige hatte einer Nonnenschwester von ihrem nächtlichen Erlebnis berichtet, wonach sie nach langen Gebeten himmlische Melodien vernommen hatte. Benevenuta hatte von sich in der dritten Person gesprochen, woraufhin die Nonne sowohl den Bericht als auch die Heilige testen wollte. Als der Test misslang und die Nonne nichts hören konnte, hielt sie Benevenuta nicht für die Person, auf die jene Erfahrung zurückgehen könnte. Die Heilige reagierte nach der Erzählung mit einem heftigen Lachen und antwortete, dass jene, die hören sollte, wohl gehört hat. Die Bestimmung dessen, worüber hier gelacht wird, ist nur näherungsweise möglich, da ohne explizite textliche Anhaltspunkte mehrere Gründe licet putaretur, non esse dixit. E contrario cum illa a precibus non desisteret, quasi per jocum puellam inter brachia arripuit, et amplexu unius brachii caput vertiginosum aliquantulum rmius astrinxit.“, AS, Apr. II, Dies 19, B. Bernardus Poenitens, Audomaropoli in Belgio, cap. II, pag. 678, col. C, 19. 528 „In qua re quid aliud notandum: quia vir iste fomitem inanis gloriæ, popularem scilicet favorem, in quantum potuit vitavit; [. . . ]“, AS, Apr. II, Dies 19, B. Bernardus Poenitens, Audomaropoli in Belgio, cap. II, pag. 678, col. D, 19. 529 „Et Benevenuta fortiter ridendo respondit: ‚Certe illa quæ debuit audire bene audivit.`“ AS, Oct. XIII, Dies 29, B. Benevenuta Bojana, Virgo ex Ordine FF. PP. Forojulii in Italia, cap. VI, pag. 164, col. E, 55.

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in Betracht kommen. Ein denkbares Motiv ist der Unglaube seitens der Nonne bezüglich des Berichts der Heiligen, welcher zugleich mit einem naiv anmutenden Eifer, diligenter auscultavi, gepaart ist. In der sorgfältigen Nachahmung der Bedingungen für das Offenbarungserlebnis schwingt zugleich eine gewisse Einfältigkeit mit, dem vermutlich sogar ein wortwörtliches Verständnis von hörbarer Musik zugrunde liegt. Als weiteres Motiv könnte mangelnde Demut fungieren. Auf diese Weise wäre das Lachen der Heiligen eine milde Rüge, dass nicht jedem diese göttliche Gnade zuteilwird. In letzterem Sinne mutet das Lachen aber eher befremdlich an, da dies wiederum fehlende Demut bei der Heiligen bedeuten würde. Dieser Widerspruch lässt sich jedoch mit dem theologischen Gedanken auflösen, dass sich der Gnadenerweis nicht mit menschlichen Maßnahmen herbeiführen lässt. Dieser Glaubensirrtum könnte durchaus von der Heiligen zur Belehrung mit einem Lachen quittiert worden sein. Die Funktion des Lachens ist auf der lebensweltlichen Ebene als Rüge oder Belehrung denkbar, die Quelle gibt hierüber wenig Aufschluss. Die Rezipienten werden durch das Lachen der Heiligen darauf verwiesen, dass wörtliches Verständnis und die Ein ussnahme des Menschen auf göttliches Wirken naive, einfältige Glaubensvorstellungen sind. Dieses Motiv ndet sich auch bei Cassian angeführt: Mönche wurden zum Objekt von Gelächter, weil sie die Aufforderung Christi, ihm nachzufolgen und sein Kreuz zu tragen, allzu wörtlich verstanden. Dadurch waren sie nicht Anlass zur Erbauung, sondern zum Gelächter, da die Mönche Mt 10,38 keineswegs metaphorisch auffassten und sich hölzerne Kreuze machten, die sie in ihrem Glaubenseifer ständig mit sich herumtrugen. 530 Die literarische Funktion deckt sich also mit der lebensweltlichen, durch Lachen auf Irrtümer aufmerksam zu machen und in einer pädagogischen Appellfunktion unter Inkaufnahme von – wenn auch nur zeitweiliger – sozialer Ab- oder Ausgrenzung zur Korrektur zu bewegen. Selbst das Sprechen über das Lachen kann bestimmte Funktionen des Lachens erfüllen. Darin drückt sich eine gewisse geistige Distanz aus, ein metaphorisches Verständnis und eine literarische Absicht, wie bei frühen Märtyrerakten, wenn zum Beispiel das Lachen mitunter verbal als Teil einer Gegenrede der Heiligen in einem Disput mit den Gegnern ausgedrückt wird. Davon zeugen die Belege des Heiligen Speusippus, der von seinem Verfolger gefragt, wo ihr Gott sei, 531 antwortet, Christus sei bei ihnen und helfe ihnen, nicht nur von den Qualen keine Schmerzen zu emp nden, sondern sogar zu lachen. Der Heilige Thyrsus reagiert auf das Lachen seines Verfolgers

530 „Quod quidam districtissimi monachorum, habentes quidem zelum Dei, sed non secundum scientiam, simpliciter intelligentes, fecerunt sibi cruces ligneas, easque jugiter humeris circumferentes, non ædi cationem, sed risum cunctis videntibus intulerunt.“ Johannes Cassianus: Collationes, Collatio VIII, PL 49. Vgl. auch Dinzelbacher: Körper und Frömmigkeit in der mittelalterlichen Mentalitätsgeschichte, S. 55. 531 Ähnlich dem neutestamentlichen Szenario des Spotts über Christus, der sich am Kreuz nicht selbst helfen kann und dem auch nicht von Gott geholfen wird. Vgl. etwa Mt 27, 41–43.

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mit der Ankündigung, er werde darauf ebenfalls mit Lachen antworten. Dieses Verhalten erzürnt den Peiniger umso mehr, als er sich in der stärkeren Position wähnt. 532 Ebenso ist bei dem Heiligen Hermylus das Lachen über die von Menschen gefertigten heidnischen Götter guren von ihm in einem Streitgespräch in Worten geäußert worden. 533 Das Lachen der Heiligen über ihnen zugefügte Qualen kann in direktem Zusammenhang mit der körperlichen Erfahrung stehen, mit einer mentalen Distanzierung einhergehen, in einem Disput lediglich verbal geäußert werden 534 oder aber auch eher metaphorisch gemeint sein. 535 Aus den vorliegenden Beispielen kann ebenso wenig auf eine Entwicklung von körperlichen Leiden hin zu deren Vergeistigung geschlossen werden, 536 wie auf eine Trennung von körperlichem und geistigem Lachen. Eine Ankündigung eines Lachens zeugt nicht nur von einer gewissen Distanz, sondern erweist sich durch das Sprechen statt des Ausagierens als noch eindrucksvolleres 532 „Thyrsus dixit: Baudus nomen est canis latr¯atis; feram te patienter quasi canem latrantem, & ridebo te sicut risi priores tuos.“ AS, Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis, pag. 822, 32. Ein gängiges Motiv in Erzählungen von Märtyrern ist die letztliche Unterlegenheit der Verfolger, die vielfach die Worte und Handlungen der Märtyrer missverstehen oder überhaupt nicht verstehen. Sie werden für die Rezipienten letztlich dadurch zu Objekten des Verlachens. Der Körper der Märtyrer ist ohne Bedeutung, er kann zerstört werden, die spirituelle Wahrheit jedoch bleibt unzerstörbar. Diese Unantastbarkeit führt oftmals dazu, dass die ausgeübte physische Gewalt eskaliert. Die Worte der Märtyrer und ihre Haltung gewinnen jedoch über das körperliche Handeln. Die Rezipienten dieser Erzählungen dürfen sich mit den Heiligen überlegen fühlen, da sie durch die Überlieferung Anteil an dem Wissen haben. Vgl. Horner, Shari: „Why do you speak so much foolishness?“ Gender, humor, and discourse in Ælfric's Lives of Saints, 2000, S. 129– 132 u. 134–136. 533 „[. . . ] quos ipse, ut qui falleris, perinde as deos colis, cum sint lapides & ligna omnino inanima, & surda opera manus humanæ, & quæ iis qui sapiunt, sunt potius ridenda, quam adoranda.“ AS, Jan. I, Dies 13, S. Hermylus Diaconus, Martyr Singidoni in Mysia, et al., Acta Ex Metaphraste, Auctore Anonymo, pag. 769, 3. Der Bericht ist von Lipomanus und Surius noch im 16. Jahrhundert ediert worden. 534 Dieses Reden über das Lachen durch die Protagonisten könnte als eine weitere Art des Lachens angesehen werden. Eingehendere Untersuchungen müssten zeigen, dass solche Reden auch in anderen Kontexten als dem vorliegenden der Verfolgung in frühchristlicher Zeit vorkommen. 535 Auffällig ist, dass das Lachen nicht als zufällig und unfreiwillig dargestellt wird. Insofern greift Seibts folgende Feststellung in Anlehnung an Plessner für das mittelalterliche Verständnis nur zum Teil: „Das Lachen ist eine körperliche Reaktion, bei der wir die Beherrschung des Körperhabens verlieren und ganz Leib werden; doch dieser Kontrollverlust ist eine durchaus sinnvolle Antwort auf eine Situation, die uns einen anderen Ausweg nicht mehr offenläßt. Der Körper übernimmt die Antwort, er führt nun; wir sind lachender Leib, und die kontrollierten Formen der Körpersprache wie Gesten, Gebärden, Mimik sind ausgeschaltet.“ Seibt, S. 761 f. 536 Es müsste eventuell ein Zusammenhang hergestellt werden zur Zunahme der Berichte von Heiligen, die nicht zu den Märtyrern zählen.

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Zeichen der Überlegenheit, was sonst dem Lachen selbst zugeschrieben sein kann. Im Reden über das Lachen könnte demnach ein Wechsel der Ebene ausgedrückt werden, der Heilige antwortet nicht auf derselben Ebene wie sein Gegner und setzt sich so von diesem ab. Auf der textlichen Ebene kann das Lachen auch mit wenig eigenständigem Gehalt versehen sein. Die Darstellung des Lachens lässt in solchen Fällen kaum Rückschlüsse auf Funktionen in der Lebenswelt zu, sondern ordnet sich in die Gesamtbewertung eines Akteurs ein. Es hat dann die literarische Funktion, den Charakter des Akteurs zu unterstreichen. In der im 13. Jahrhundert verfassten Vita des Heiligen Franz von Assisi ist von einer besessenen Frau zu lesen, die nicht mehr Herr ihrer selbst war. 537 Man könnte davon sprechen, dass ein Dämon durch sie hindurch lachte. Nachdem mehrere Personen mit der Bitte um Heilung der Besessenen bei Franziskus vorstellig geworden waren, schickte dieser einen Ordensbruder zu der Frau. Er sollte zunächst prüfen, ob es sich nicht um einen Betrug handele. Als die Frau den Mann sah, ng sie an, ihn auszulachen, deridere, da sie wusste, dass hier nicht Franziskus vor ihr stand. Umrahmt ist die Schilderung des Lachens durch andere auffällige Verhaltensweisen der Besessenen wie Zähneknirschen, eine nstere Miene und Geplapper mit jammervoller Stimme. Hierzu merkt der Verfasser an, dass dies Sitte unreiner Geister sei. Als die Besessene schließlich auf den Heiligen traf, begann sie zu toben und sich auf dem Boden zu wälzen. Letztlich wurde der Dämon durch den Befehl des Heiligen ausgetrieben. 538 Das derart in den Kontext eingebundene Lachen ist hier nicht erstes Indiz der Besessenheit, denn diese steht im Moment des Lachens bereits fest. Das Lachen ist nicht per se negativ, sondern wird es erst durch die Instrumentalisierung durch den Dämon und die Einbettung in dessen beängstigendes Verhalten. Lachen und nstere Miene sind zwei gegensätzliche Pole auf einer Skala dämonischen Verhaltens. Hier geschieht mehr, als dass eine Frau einen Mann auslacht. Die Frau ist in ihrem Verhalten von dem Dämon geprägt, der äußerlich sichtbar dominiert und mit nsterer Miene, Gejammer und Lachen einen beinahe widersinnigen Eindruck vermittelt. Der Mann bildet als Ordensbruder den heiligen Gegenpart. Selbst in dieser mittelbaren Rollenverteilung wird die Zuordnung des negativ bewerteten Lachens zum Dämon offenbar. Es ist Teil der suspekten, monströsen Erscheinungsform des Dämons und demonstriert die Bemächtigung des besessenen Körpers. Das Lachen begleitet das Wissen des Dämons um die Identität des Ordensbruders, der eben nicht der Heilige ist, als hätte man dem Dämon ein Trugbild vorführen wollen. Es handelt sich somit um das Lachen des Monströsen, Mächtigen und Wissenden und bedeutet darin Wehrhaftigkeit und An-

537 Hier ist das Thema der Selbstbeherrschung assoziierbar. 538 „Quem videns mulier illa, cœpit deridere ipsum, sciens, S. Franciscum minime fore.“ AS, Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, Bd. 2, S. 702.

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griff zugleich. 539 Das Lachen gewinnt seine Bedeutung und Bewertung hier besonders durch die Einrahmung in seinen spezi schen literarischen Kontext der Charakterisierung des Dämons und einer Art Typologie seiner Ausdrucksformen. Die Tatsache, dass das Lachen erst seine Bewertung durch die Zuordnung zu einem bestimmten Akteur erfährt, wäre ein weiteres Argument für die zunächst neutrale Bedeutung des Lachens. Es wird erst durch denjenigen, der lacht, und dasjenige, worüber er lacht, mit positiver oder negativer Wertung aufgeladen. Bei anderen in den Viten auftretenden Akteuren als den Heiligen kann das Lachen entweder positiv oder negativ bewertet werden. Dies ist stark von der Charakterisierung dieser Figuren abhängig, 540 aber auch vom Kontext. Bei eindeutig negativen Charakteren ist das Lachen lediglich eine weitere verwerfliche Eigenschaft, 541 wie etwa bei dem Stereotyp des Mimen. 542 In anderen Fällen verdeutlicht erst das Lachen, wie die Figur zu bewerten ist. In Beispielen, in denen andere den Heiligen oder seine Wundertätigkeit auslachen, zeigt sich deutlich ihr schwacher Glaube. Das Lachen ist Symbol dieser Form von Unfrömmigkeit. Gemäß der Unvorhersehbarkeit des göttlichen Gnadenerweises verfahren die Verfasser mit diesen Antagonisten unterschiedlich. Vielfach hat das Lachen Konsequenzen zur Folge, die, sofern sie zum Beispiel im Tod enden, unumkehrbar sind. Andere Erzählungen legen den Schwerpunkt auf das Thema der Reue und somit auch auf die Rückgängigmachung erlittener Strafen. 543 In der im 14. Jahrhundert entstandenen Vita der Heiligen Catharina Senensis ndet sich eine weitere Variation auf dieses Motiv. Der Frömmigkeitswandel ihrer Besucher wird in wiederkehrender Weise verbildlicht. In Anlehnung an die Lukasworte werden die Bekehrungserlebnisse gedeutet: Diejenigen, die gekommen waren, um zu lachen und zu verlachen, gingen wieder mit Tränen. 544 Das Lachen ist deutlich als Fehlverhalten markiert, wenn es eine zugrundeliegende unfromme Haltung symbolisiert, welche auf 539 Bußmann liefert Beispiele des Lachens, in denen die „Asymmetrie des Wissens“ eine zentrale Rolle spielt. Vgl. Bussmann, Astrid: Im Bann der Inszenierung – Lachen, Weinen und Schweigen in der verzögerten Anagnorisis von Mai und Bea or, 2017, S. 107. 540 Vgl. hierzu auch Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 103. 541 Auch in weltlicher Literatur werden dem Lachen abhängig von dem Charakter negative Werte zugeordnet als Ausdruck von Lüsternheit, Sündhaftigkeit, Torheit, Welthaftigkeit und Überheblichkeit. Vgl. Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 98. 542 Die detaillierte Analyse dieses Beispiels folgt später. 543 In den Erzählungen ist das Lachen beziehungsweise entsprechende Situationen nicht als Prüfung angelegt, im Nachhinein ist jedoch, wie gesagt, Reue nach dem Schuld / Strafe-Mechanismus je nach literarischem Entwurf und eine Erlösung von zeitlichen Strafen möglich. Vgl. hierzu auch Ehlers, S. 28. 544 „Vidisses frequentius, illos qui causa ridendi & deridendi ingressi fuerant, cum lachrymis egredi [. . . ]“, AS, Apr. III, Dies 30, S. Catharina Senensis, tertii Ordinis S. Dominici, Vita auctore Fr. Raimundo Capuano, pag. 855, col. A, 9.

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eine Form von Unglauben, religiöse Skepsis, Gotteslästerung und Ähnliches verweist. Durch das Lachen drückt sich eine unzulässige Überheblichkeit bei zum Teil gleichzeitiger Geringschätzung und Verachtung der heiligen Sphäre aus. Im Zentrum steht nicht die Frage, ob das Lachen per se richtig oder falsch ist, sondern vielmehr die der Freiheit, ein frommer oder unfrommer Mensch zu sein. 545 Die jeweilige individuelle Wahl zieht entsprechendes Handeln nach sich. Die negative Bewertung des Lachens ist Folge der negativen Bewertung der Unfrömmigkeit, die daraus resultiert, dass über das Heilige gelacht wird. Alle Quellen, in denen das Lachen negativ bewertet wird, beziehungsweise vielmehr in denen der Anlass des Lachens nicht adäquat ist, heranzuziehen als Beleg für eine Lachablehnung, übersieht die Vielzahl an Belegen der legitimen Anlässe des Lachens jenseits von Unfrömmigkeit. Eine literarische Funktion des Lachens ist das Sichtbarmachen dieser Unfrömmigkeit, welche bei ganz verschiedenen Akteuren zutage tritt, so bei andersgläubigen Gegnern, stigmatisierten Randgruppen wie auch bei Geistlichen. Im Fall der weltlichen Verfolger hat das Lachen nicht nur die Funktion, den Unglauben und das Unverständnis gegenüber der Nachfolge Christi auszudrücken und als Zeichen von Hochmut und Stolz zu fungieren, sondern kontrastiert besonders deutlich die vermeintliche Macht dieser Personen mit der Glaubensstärke der Heiligen. Diese können sich des ewigen Lebens sicher sein und sind deshalb der temporären irdischen Autorität nur auf leiblicher Ebene ausgeliefert. Auf vielfache Weise ndet sich daher in diesen Erzählmotiven die Vorstellung der Imitatio Christi wieder. Wie Christus litt und am Kreuz verlacht wurde, so ergeht es auch den Heiligen. Ebenso greift das Motiv der im Neuen Testament vorkommenden Konfrontation mit dem Unglauben der Mitmenschen, welche sogar noch in der Kreuzigungsszene zutage tritt. Das Lachen anderer Personen ist gleichbedeutend mit Spott, was zum Teil auch begrifflich ausgedrückt wird. Damit hat es die Funktion, die Sphäre des Heiligen anzugreifen, zu verunglimpfen, durch Lachen lächerlich zu machen. Der Kontrast zum Heiligen wird besonders dadurch herausgestellt, dass diese den Angriffen nicht mit einem Lachen entgegnen, sondern auf verschiedene Weise quasi übermenschlich reagieren, mit der eigenen Distanzierung gegenüber dem Angriff oder mit einem Wunder, jeweils auf überirdische Kraft zurückgehend. Sofern sich das Lachen auf etwas Heiliges richtet, hat es die Funktion, den Antagonisten als unfromm auszuweisen. Es bedarf jedoch bisweilen dieser Figuren, so dass die Protagonisten es im Ertragen des Auslachens Christus gleichtun können. Das Lachen der Dämonen ist per se negativ. Eine der hagiographischen Hauptfunktionen der Konfrontation mit Dämonen ist die Demonstration von Tugendhaftigkeit und Standfestigkeit der Heiligen. Grundsätzlich sind Dämonen bezwingbar, nichtsdestotrotz bedeuten sie eine reelle Gefahr der Anfechtung und Versuchung des Heiligen. 545 Die Thematik dieser Freiheit ist auch vielfach in historiographischen Werken des Mittelalters angelegt. Vgl. Ehlers, S. 28.

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Wie sang- und klanglos ein Dämon auch auftauchen mag, dieser Eindruck ändert sich spätestens mit dem Lachen. Es stört mitunter die Einsamkeit beziehungsweise das Zwiegespräch des Opfers mit Gott und die Stille, in der sich der Heilige be ndet. In jedem Fall bedeutet es eine erhebliche Irritation. Hierin zeigt sich einmal mehr, welche Wirkmächtigkeit dem Lachen in der mittelalterlichen Vorstellungswelt zugeschrieben werden konnte. Nicht nur die Tugend der Glaubensstärke soll demonstriert werden, eine Auseinandersetzung mit Dämonen entspricht einem Martyrium. 546 In der Versuchung durch böse Mächte kann der Heilige Christus nachahmen und im Kampf von Gut und Böse seinen Platz im Heilswirken einnehmen. „The enemies of the demons [are] not ‚monks`, but simply ‚Christians`, of whom the monks are the outstanding representatives. The demons attack ‚all Christians` who make progress in virtue, ‚but especially monks`.“ 547 Die Funktion des dämonischen Lachens ist Angriff, die Verunsicherung der Gläubigen sowie das Hervorrufen von Angst und ist auf keinen Fall positiv konnotiert. Das gilt ungeachtet der unterschiedlichen Rahmenerzählungen, die einen Ein uss auf die Form, Umstände, den Ort und ähnliche Aspekte des Lachens haben. Dieses Lachen ist Teil einer Auseinandersetzung zweier Kontrahenten und als ihre Steigerung, mitunter sogar als ihr Höhepunkt zu verstehen. In anderen Fällen kann ein Wunder Ausgangspunkt für das Lachen anderer Personen sein. Im Anschluss an ein Wunder, zum Beispiel bei Heilungen, hat es dann die Funktion den Erfolg zu markieren. Da häu g die Betonung der Wiederherstellung körperlicher Gebrechen zum gesunden Zustand als äußerlich sichtbares Zeichen ausreichen dürften, kann das Lachen als verstärkendes Moment interpretiert werden und dieselbe Funktion innehaben, von Krankheit auf Gesundheit zu verweisen. Daneben können aber auch weitere Deutungsvarianten Geltung haben, wie etwa Freude über den Gnadenerweis, Teilhabe an der Wunderhaftigkeit 548 und allgemeine Lebensfreude, 549 die im Zuge der vollständigen Gesundheit gleichermaßen wiedererlangt wird. In stärkerer Abstraktion ist Krankheit mit Gottesstrafe, Gottesferne und Gottverlassenheit assoziierbar. Das Lachen der Geheilten symbolisiert daher nicht nur die Rückkehr zu einer körperlichen Gesundheit, sondern eine Wiederherstellung der Gottesbeziehung und einen Wiedereintritt in das göttliche Heil. Auf diese Weise ist die 546 Deutlich wird dies an einer Terminologie, die den Arenakämpfen entlehnt ist. Vgl. Brakke, S. 11. 547 Brakke, S. 24. Entsprechendes ist durch die Beschreibung von Antonius durch Athanasius vorgezeichnet. Dazu auch Ehlers: „Wenn selbst der hochgelobte [. . . ] und der zur Heiligsprechung anstehende [. . . ] vor den Listen des Teufels nicht sicher waren, so konnten es gewöhnliche Menschen erst recht nicht sein.“ Ehlers, S. 50 f. 548 Lachen kann vielfach einen Sieg signalisieren und Gemeinschaft, sobald diese Anteil an dem Sieg hat. Vgl. Best, Debra E.: „A lowed laghtur that lady logh“. Laughter, snark, and sarcasm in Middle English romance, 2018, S. 151. 549 Zum Lachen als „Ausdruck der reinen Lebensfreude und damit auf der Ebene der Handlung als intentionsloses Lachen gedeutet“ vgl. Bartsch, S. 75.

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Funktion des Lachens nicht nur auf einer rein körperlichen Ebene zu verstehen, die dem vorherigen Leid entgegengesetzt ist, sondern ebenso geistig, spirituell oder psychisch. Das Lachen signalisiert im Gegensatz zur Versehrtheit die Ganzheit des Lebens, 550 des Menschen und der Gottesbeziehung. 551

3.2.6 Zwischenresümee und Bezüge zu Emotion und sozialer Praxis

Die Analyse der Motive des Lachens hat ein breites Spektrum an Möglichkeiten zutage gefördert. Gegenstände, Kontexte und soziale Konstellationen, aber auch Ort und Zeit geben verschiedene Rahmen für das Lachen vor. Innerhalb dieser erfüllt es wie gezeigt verschiedene, von Fall zu Fall sogar gegensätzliche Funktionen, aus denen sich entsprechende Bewertungen ergeben. Von einer Eindimensionalität, wie Fichte sie für die „Bedeutungsformen des Lachens“ in der von ihm untersuchten weltlichen Literatur, aber auch für Heiligenlegenden feststellt, kann daher wenig die Rede sein. Es ergeben sich sicherlich eindeutige Zuschreibungen in einem textlichen Kontext, auf die Fichte abzielt, jedoch gibt es neben eindeutiger Zuordenbarkeit, die sich auf die Bewertung bezieht, Ambiguitäten, komplexe Situationen und Mehrdeutigkeiten des Lachens. 552 Diese können einerseits von Seiten der Verfasser in ein klares Bezugssystem gesetzt und andererseits von den Rezipienten in einem solchen aufgefasst werden. Vielfach greifen die unterschiedlichen zu Analysezwecken konturierten Motive ineinander. Sie lassen sich nicht immer genau differenzieren, wie das Lachen am Grab eines Heiligen, je nach Bezugspunkt, positiv oder negativ sein kann oder das Provozieren des Lachens im Kontext des Gottesdienstes oder geistlichen Spiels je nach Gemeinschaft und abhängig vom Akteur, der es hervorruft, erwünscht oder unerwünscht ist. In Bezug auf die Gegenstände des Lachens hat sich gezeigt, dass Heilige über alles Weltliche lachend dargestellt werden und über damit verbundene Akte der Kleingläubigkeit oder mangelnden Glaubens seitens anderer Akteure. Das Sakrale ist vom Lachen ausgenommen, sofern es die eigene Religion betrifft. Die Götter und Vorstel550 Zum Lachen als Zeichen des Lebens allgemein wie auch der Schöpfung und der Sexualität vgl. Liberman, S. 413. „[. . . ] ethnographic studies, as well as old books show that laughter was initially a sign of life. Laughing at death and death throes [. . . ] is a fragment of the same picture: life triumphs over death rather than over danger and menace.“ „laughter was associated with procreation and sex from the start.“ Ebd. 551 In diesem Sinne kann das Lachen in Heiligenviten weit über die positiven Vorstellungen des Lachens in der weltlichen Literatur hinausgehen, wo es am Hof Zufriedenheit, Frieden und Fülle ausdrücken kann. Vgl. Niles, S. 15. 552 Vgl. Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 98 f u. 102. Classen stellt hingegen fest, dass „[i]n fact, the range of meanings implied with laughter seems almost in nite.“ Classen: Laughter as an Expression of Human Nature in the Middle Ages and the Early Modern Period, S. 30.

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lungen anderer Religionen können gefahrlos verlacht werden, da sie aus christlicher Perspektive keine Wirkmächtigkeit haben, es nicht als Verfehlung gilt und keine negativen Konsequenzen durch eine andere Gottheit daraus resultieren. Durch das Lachen sind die fremden Götter als nicht mächtig gekennzeichnet, was sich daran zeigt, dass diesem Lachen keine Strafe folgt. Die Untersuchung hat ergeben, dass neben besonderen Kontexten wie Marter, Tod und Visionen noch viele andere Situationen aus diversen Lebensbereichen Momente des Lachens von Heiligen aufweisen. In vielen Fällen ergänzt Lachen die Darstellung eines bestimmten Kontextes, die jeweilige Darstellung eines Sachverhalts erschließt sich auch ohne das Lachen eines Akteurs. Bisweilen ist es jedoch der einzige Begriff, der das Verhältnis eines Akteurs zu einem anderen oder einer Sache bezeichnet. Wenn die Heiligen über Weltliches lachen, 553 dann wird diese Einstellung mittels eines körperlichen Zeichens veranschaulicht, „jedesmal wird der materielle Leib zum ‚lesbaren` Zeichen für die Mitmenschen“. 554 Anstatt zu schreiben, dass Weltliches den Heiligen nichts oder wenig bedeutet, sie dies gering schätzen, drücken die Verfasser mitunter diesen Sachverhalt unter Verwendung des Begriffs des Lachens aus. Das Lachen ist Ausdruck für die Bedeutungslosigkeit von weltlichem Besitz und Belangen, für die Befreiung und Distanzierung der Heiligen von derartigen Nichtigkeiten. In einer Steigerung dazu wird das Lachen zum Zeichen emotionaler Distanz 555 gegenüber dem eigenen Körper und der eigenen Person zugefügten Pein: Das Lachen über das Leiden wird zum Symbol einer noch weiterführenden Überwindung des Dinglichen, des Körperlichen und des Weltlichen. Der Körper ist einmal mehr Projektions äche und bleibt hier das Mittel, durch welches die Überwindung des Körperlichen angezeigt wird. Auch hierin bedienen sich die Verfasser keiner Verbalisierung des Vorgangs, sondern verwenden das Lachen als entsprachlichtes Kommunikationsmittel. Das Lachen in den Heiligenviten tritt vielfach in Situationen auf, die ohnehin bereits auf einen körperlichen Vorgang verweisen, wie Krankheit, Heilung, Tod, und die Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit. Die Visionserlebnisse scheinen hier zunächst nicht ganz hineinzugehören, der gemeinsame Nenner mit den vorgenannten Kontexten könnte daher mehr im gemeinsamen Bezug zu starken Emotionen liegen. Das träfe dann auch auf die angstmachenden Begegnungen zwischen Heiligen und Dämonen zu, wobei die Auseinandersetzungen sowohl eine körperliche wie auch eine emotionale Dimension einer Bedrohung beinhalten können. Besonders

553 Das Lachen ist hiermit nicht Zeichen von vanitas, sondern drückt die Erhabenheit über das Weltliche aus, im Kontext der Verehrung aber auch über die Eitelkeit. Vgl. im Gegensatz hierzu Fichte: Ergebnisprotokoll der Sektion „Mittelalter“, S. 119. 554 Dinzelbacher: Körper und Frömmigkeit in der mittelalterlichen Mentalitätsgeschichte, S. 48. 555 Bayless spricht von „laughter of detachment, [. . . ] detachment from the fear of suffering and death.“ Bayless: Laughter in a deadly context, S. 160.

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diese Beispiele von Heiligen und Dämonen zeigen jedoch auch die Bedeutung der verschiedenen Akteure für Funktionen und Bewertungen des Lachens. Das Lachen im Zusammenhang mit Visionen und Begegnungen mit Dämonen kann im weitesten Sinne als metaphysische Kommunikation aufgefasst werden. In dem einen Fall lacht der Heilige und vermittelt dadurch indirekt eine Gottesbotschaft, im anderen Fall ist das Lachen des Dämons Drohgebärde. Im sozialen Kontext kann Lachen Ausdruck von Unbeirrbarkeit und Unerschrockenheit sein, von geteilter Freude, von Heilsgewissheit, aber auch von Gegnerschaft. Genauso kann es eine Antwort auf die sehr gegensätzlichen Einstellungen gegenüber den Heiligen sein: Nämlich sowohl als Entgegnung auf Anfeindung wie auch auf Verehrung, dann möglicherweise deutbar als Verlegenheitslachen, aber auch wieder als Abweisung von vorgegriffenen Heiligkeitszuschreibungen, die den Menschen nicht zukommen. Bezüglich verschiedener Kulte, seien es die Andersgläubiger, die Verehrung fremder Götter und damit verbundenen Praktiken, wie auch Personenkulte um die Heiligen zu deren Lebzeiten im Vorgriff einer Heiligsprechung nach ihrem Tod, bestehen in ihrer Gesamtheit demnach mehrdeutige Bewertungen des Lachens. Über das Heilige anderer Religionen kann ohne Strafe gelacht werden, mehr noch, es weist den jeweiligen Akteur als christlichen Glaubenstreuen aus. Das Lachen der Heiligen ist ein Versuch, die Verehrung der eigenen Person abzuwehren. Darin hat es möglicherweise tadelnde, aber auch demütige Qualität. Alle untersuchten Kontexte zusammengefasst sind entweder positiv – wie Heilungen – oder ambivalent – wie zum Beispiel Krankheit als Prüfstein des Glaubens. 556 In Bezug auf Orte und Zeiten des Lachens 557 scheinen Anlässe und Akteure für die Bewertung des Lachens sehr viel relevanter als Zeit und Raum zu sein: Wie im Fall des Heiligengrabs als Ort des Lachens gezeigt besteht ein Unterschied zu einer erfolgten Heilung als Anlass für den spezi schen Ausdruck von Freude im Gegensatz zum Ort des Heiligen als Auslöser für Lachen und Scherzen über das Heilige. Das Heilige zu verlachen, ist ein Tabu, was sich aus den Untersuchungen zu Ort und Zeit besonders gezeigt hat. Dieses Sujet ist somit deckungsgleich mit dem Befund aus den Heiligenviten, dass das Verlachen der Heiligen meist eine Strafe nach sich zieht. Die räumliche oder zeitliche Nähe zum Heiligen sind jedoch nicht per se problematisch bezüglich des Lachens, sondern vielmehr Motivation und Maß. Es ist deutlich geworden, dass sich die sozialen Funktionen des Lachens im Mittelalter nicht nur in Form von Kon ikten äußern und dabei – als Waffe benutzt – Aggressionen und Überlegenheit ausdrücken. 558 Unbestritten können einige der analysier556 Das Lachen kann unter anderem Ausdruck sein von reiner Freude, dafür, dass etwas nicht gut ist oder auch für Ignoranz gegenüber der tatsächlichen Situation. Vgl. Niles, S. 26 f. 557 Ein rituelles Lachen an Ostern, das viel zitierte risus paschalis, ist von den Quellenbelegen her so nicht nachweisbar. 558 Psychische und soziale Kontrollfunktionen sind aus den vorliegenden Quellenbelegen nur schwer herauszulesen und beruhen stärker auf nachträglicher Interpretation. Kontrollfunk-

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ten Beispiele das Lachen als konsensbildendes Zeichen von Solidarität, Freundschaft, Kommunikation, Gruppenzusammengehörigkeit belegen. Es gibt demnach nicht nur ein negatives körperliches Lachen im Diesseits. Das Lachen kann sich über Materielles und Physisches erheben, es be ügelt den Lachenden in der Auseinandersetzung mit Immateriellem und Psychischem. Deutlich tritt eine Vielschichtigkeit in der Verwendung des Begriffs zutage, so dass es entweder wörtlich oder metaphorisch verstanden werden kann, es sowohl eine explizite Äußerung eines Akteurs ist als auch eine implizite, verbalisiert in der Rede. Und schließlich betrifft das Lachen nicht nur den Bereich des Weltlichen, sondern ist aus göttlichem Trost heraus, als Zeichen für den Beistand durch Gott oder im Sinne einer Vorfreude auf Gottesnähe unmissverständlich mit der sakralen Sphäre assoziierbar: Die Heiligen können sogar von Gott mit Freude umgeben werden, welche mitunter ein Lachen zeitigt. 559 Lachen hat somit auch deutlichen Symbolcharakter, das vielfach aussagekräftiger ist als eine wörtliche Beschreibung des Bedeutungsgehalts. Lachen hat wie geschildert seinen Platz selbst in sakralen Kontexten, wozu auch mystische Ereignisse zählen. Nach mittelalterlicher De nition ist Mystik die Gotteserkenntnis durch eigene Erfahrung. Das Erleben erfolgt in einer Gottesschau oder einer Vereinigung mit Gott. Weitere mystische Formen sind unter anderem Erkenntnisse, Visionen und Auditionen, sichtbare Zeichen wie Stigmata oder besondere Emp ndungen wie die Wahrnehmung von Süße, 560 also durchaus Erfahrungen im Spektrum von Leid und Freude. Etliche der analysierten Beispiele weisen entsprechende Elemente auf. Es zeigen sich Überschneidungen zwischen Mystik und Lachen, indem beide sich auf der Schnittstelle zwischen Diesseitigem und Jenseitigem, zwischen Sagbarem und Unsagbarem, zwischen Wörtlichem und Symbolischem bewegen. Insofern liegt es nahe, in der Darstellung Lachen und mystisches Erleben miteinander zu verbinden, 561 so dass Lachen auf eine mystische Erfahrung verweisen kann. Schließlich können mystisches Erleben von Freude und Lachen ähnliche Entgrenzungen darsteltion hat das Lachen, indem es Ordnung wahrt, Gleichgewicht herstellt, Angst verringert oder ganz allgemein Spannungen entlädt. 559 Somit ist die Behauptung von Magennis widerlegt, „the only times that saints seem to laugh outright in hagiographic texts are in acts of de ance or derision. They do not laugh from delight [. . . ]“ Magennis, S. 141. 560 Vgl. Dinzelbacher, Peter: Mystik, 2002, Sp. 982. 561 Blaicher geht so weit, die „positive Herausbildung jenes sympathischen Humors“ anzusehen als „von der mittelalterlichen Mystik ausgegangen“, „der wir ja auch eine entscheidende Aufwertung des Weinens als eines natürlichen Affekts verdanken. Es ist die Mystik eines Bernhard von Clairvaux, die einerseits zu einer Aufwertung des Frohsinns und des Lachens führte, einer Entwicklung also, die der [. . . ] Verurteilung des Lachens durch die mittelalterliche Kirche auf die Dauer zuwiderlief und durch die andererseits die Sympathie zum zentralen Gefühl religiösen Erlebens erhoben wurde.“ Blaicher bringt das Lachen in Verbindung mit der Mystik, die „dem Menschen eine Befreiung von asketischer Weltentsagung [bringt].“ „Der Mystik verdanken wir aber nicht nur diese [. . . ] Aufwertung des Lachens [. . . ], sondern auch das

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len, von geradezu überwältigenden Emotionen begleitet sein und sie bedürfen gleichermaßen eines Körpers anhand dessen die Erfahrung deutlich und deutbar wird. In den Darstellungsweisen des Lachens in den Heiligenviten tritt hervor, in welcher Art und Weise, in welchen Kontexten sich Verfasser und Adressaten Akteure als lachend vorstellen konnten 562 und wo es als deplatziert galt. 563 Das herausstechendste Kriterium für die entsprechende Einordnung sind die Bereiche des Profanen und Sakralen: Dies betrifft weltliche und heilige Objekte, die fremden, die für andere Akteure sakralen Götter, die für die Heiligen profan anmuten, Menschenwerk im Unterschied zu göttlichem Wunderwerk. Dazu zählen auch die menschengemachten Drohungen und Qualen im Gegensatz zur Heilsgewissheit in Gott. Die Suche nach einem Wandel der Bewertung des Lachens, einer historischen Umwälzung, die ihre Parallele im Erscheinen der Formen von Humor in der Predigt, einer Lockerung der Haltung ndet, ist kritisch zu betrachten. Eine etwaige Wiederentdeckung des Humors in Folge der „Renaissance des 12. Jahrhunderts“ könnte sich auf eine zunehmende Verschriftlichung herunterbrechen lassen und wäre demnach nicht auf einen Mentalitätswandel zurückzuführen. Äußerst fraglich scheint insgesamt eine umfassende Steuerbarkeit der Lachpraxis zu sein und ob mit den genannten Quellenausschnitten sich ein kirchlicher Versuch der Lenkung und Kontrolle des Lachens ableiten lässt. Im selben Zuge wäre zu überlegen, ob überhaupt der Anspruch seitens kirchlicher Obrigkeiten gewesen sein könnte, für Laien ganz strenge normative Anforderungen geltend zu machen. Vielmehr dreht es sich vermutlich um Grenzziehungen, die das Sakrale betreffen, nicht zuletzt, um die Trennung zum Profanen umso deutlicher hervortreten zu lassen, auch zwischen klerikalem und laikalem Stand. Mehrfach ist das Lachen in den Quellen in einen Zusammenhang gesetzt mit Emotionen. 564 Um die Absichten besonders der Vitenverfasser besser einordnen zu entscheidende Element des neuen verstehenden Lächelns, die Sympathie.“ Die Zusammenhänge zwischen Lachen und mystischem Erleben und deren Ein uss auf die jeweilige Darstellungsweise ist sicherlich näher zu betrachten, jedoch ohne verallgemeinernde Aussagen zu Entwicklungen in der Darstellung und Bewertung von Lachen vorzunehmen, wie mittelalterliche Mystik als Quelle „verstehende[n] Humor[s] und mitleidvolle[n] Weinen[s]“ zu sehen. Blaicher, S. 527–529. Zu etwaigen Entwicklungsvorstellungen bei Blaicher vgl. S. 522 u. 525 f. 562 Seibt hat zu Recht in Übereinstimmung mit Plessner angemerkt, dass „die Anlässe des Lachens und Weinens wechseln [. . . ]; sie sind abhängig von Erziehung und Bildung des Einzelnen ebenso wie von der Kultur, in der er lebt.“ Seibt, S. 762. 563 Dabei gibt es zwei Ebenen zu unterscheiden einer Deplatziertheit des Lachens bezüglich der innertextlich thematisierten Objekte, Personen, Sachverhalte, Kontexte, sozialen Konstellationen, Orte, Zeiten, Funktionen und Bewertungen, aber auch einer literarischen Ebene, auf welcher die Darstellung des Lachens mit gängigen Erzählmotiven vereinbar ist oder mit ihnen bricht „zur Umgestaltung des Strukturschemas“. Vgl. zum Letzteren Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 108. 564 Hierin kann also nicht den generalisierenden Ansichten Bergsons gefolgt werden. Er hatte

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können, ist ein kurzer Blick auf die Traditionslinien und das sich daraus ableitende mögliche Repertoire sinnvoll. Ähnlich wie beim Umgang mit dem Lachen greifen die mittelalterlichen Verfasser auf antikes Traditionsgut zum Thema der Emotionen zurück. Dabei haben unterschiedliche christliche Traditionslinien jeweils auf verschiedene frühere Autoritäten Bezug genommen. So wurde von einigen das reiche emotionale Vokabular der Antike übernommen und von anderen abgelehnt. 565 Wie auch beim Lachen sind die antiken Verfasser vielfach gegensätzlicher Meinung, ob Emotionen als körperlicher Impuls oder als rationales Urteil aufzufassen sind. 566 Augustinus hingegen hebt auf einen anderen Aspekt von Emotionen ab, die nach ihm entweder gut oder schlecht sein können, je nachdem worauf sie sich richten. 567 Ähnliches kann auch im Anschluss an die oben ausgeführten Analysen im Hinblick auf das Lachen gesagt werden: Sowohl das Lachen als Zeichen der Verwicklung in Gefühle als auch als Ausdruck emotionalen Abstands nden sich als Varianten der Darstellung im Mittelalter. 568 Darüber hinaus kann Lachen dort Ausdruck sowohl von positiven wie auch negativen Emotionen sein.

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im Zusammenhang des Komischen gegenteilig formuliert, dass die „Gefühllosigkeit [. . . ] gewöhnlich dem Lachen zur Seite geht. Das Komische scheint seine durchschlagende Wirkung nur äußern zu können, wenn es eine völlig unbewegte, ausgeglichene Seelenober äche vor ndet. Seelische Kälte ist sein wahres Element. Das Lachen hat keinen größeren Feind als die Erregung. Ich will nicht sagen, wir könnten über einen Menschen, der uns etwa Mitleid oder gar Liebe ein ößt, nicht trotzdem lachen: allein dann muß man für einen Augenblick diese Liebe vergessen, dieses Mitleid unterdrücken. In einer Welt von reinen Verstandesmenschen würde man wahrscheinlich nicht mehr weinen, wohl aber lachen [. . . ]“, Bergson, Henri: Das Lachen, 1948, S. 8 f. Die von seiner Zeit geprägten Vorstellungen lassen Bergson auf diese Weise „Mechanisches im Lebendigen“ erkennen. Bergson, S. 42. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 32, 42 u. 57. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 32–35. Rosenwein weist darauf hin, dass selbst Galen als Arzt in Erziehung und Übungen der mentalen Selbstkontrolle das adäquate Rezept im Umgang mit Emotionen sieht denn in physikalischer, körperlicher Therapie, vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 41; vgl. allgemein auch Sorabij, Richard: Emotion and Peace of Mind. From Stoic Agitation to Christian Temptation. The Gifford Lectures, 2002, S. 6, beziehungsweise beschäftigt sich das gesamte erste Kapitel mit diesen zwei Emotionstheorien. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 50. Möglicherweise ließe sich diese Beobachtung in Beziehung setzen zu der Aussage „Ein affektneutrales Subjekt scheint damit ebenso unmöglich wie eine affektneutrale Praxis.“ Reckwitz, S. 59. Alle öffentlich gezeigten Emotionen jedoch als Code und als Teil einer Inszenierung zu verstehen und einen fehlenden „Gleichklang von emotionalen Zeichen und den wirklichen Gefühlen“ zu postulieren, entbehrt jeglicher Quellengrundlage. Vgl. Althoff, Gerd: Vom Lächeln zum Verlachen, 2005, S. 3 f. Es steht ferner im Widerspruch dazu, dass es über die Ausdrucksformen keinen Zugriff auf die Emotionen gibt. Vgl. Althoff: Tränen und Freude, S. 2. „An Texten können keine Emotionen, sondern nur sprachliche und schriftliche Zeichen für Emotionen analysiert werden.“ Deshalb richten sich emotionsgeschichtliche Ansätze auf

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Im Zuge der Christianisierung haben die Emotionsbegriffe zum Teil einen Bedeutungswandel erlebt. Noch bedeutsamer ist aber ihre zunehmende Gleichsetzung mit Untugenden, Sünden, sogar mit Todsünden, 569 wobei körperliche Begierden und mentales Verlangen nicht getrennt gedacht wurden, so dass Gefühle nunmehr mit einem moralischen Zustand verbunden waren. 570 Tugend und Ruhe, Gelassenheit der Seele galten als einander bedingend. 571 Seit der Antike gibt es Zeugnisse über Theorie und Praxis der Selbstbeherrschung, darüber, „Macht über sich selbst zu erlangen“. Antike Vorstellungen kreisen bezüglich der „Klärung des eigenen emotionalen Selbstverhältnisses“ um drei Ansätze des Umgangs mit Emotionen: Den Weg der Mäßigung, den der Überwindung und den der Einsicht. 572 Augustinus wandte sich jedoch gegen die radikale Haltung der Stoa und die Ablehnung von Emotionen 573 und dürfte somit ein wesentlicher Wegbereiter für den Vorzug der Mäßigung gewesen sein. Die obigen Untersuchungen haben gezeigt, dass das Lachen mit ganz unterschiedlichen Motiven der Mäßigung und Emotionen verknüpft war 574 und der jeweilige Verfasser sich aussuchte, welches Ideal er seinen Adressaten vermitteln wollte. 575 „Emo-

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„Konzeptualisierungen, Funktionen und Ausdrucksmuster von Emotionen in literarischen Texten.“ Eming, S. 65 u. 52. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 32, 34, 48 f. Vgl. dies., S. 48 f. Vgl dies., S. 49. Landweer, Hilge / Renz, Ursula: Zur Geschichte philosophischer Emotionstheorien. Einleitung, 2008, S. 11 f. Dies., S. 8 f. In der vorliegenden Untersuchung können hierzu nur knappe Skizzen im Zusammenhang mit Funktionen und Bewertungen vorgenommen werden, da in den Quellenbelegen wenig explizit zu den Emotionen geäußert wird und vielfach angenommen werden muss, dass der Begriff des Lachens häu g als Symbol und Code für damit zusammenhängende Emotionen verwendet wird, ohne direkte Hinweise zu geben, um welche genau es sich handelt. Gleichzeitig gibt es, wie angedeutet, Hinweise darauf, dass das Lachen gleichbedeutend ist mit einer Distanzierung auch von den eigenen Emotionen. Zudem können durch die vorliegenden Quellenbelege keine Veränderungen der Gefühle und ihrer „Interdependenz zwischen sprachlicher Artikulation, Emotion und Wertbezug“ nachgezeichnet werden. Für die Darstellung des Lachens kann nur konstatiert werden, was in Bezug auf Emotionen gilt: „Was und wie geschrieben wird, ist immer auch durch Traditionen, durch spezi sche Konventionen, aber auch durch literarische Vorbilder geprägt, im weitesten Sinne also durch das soziokulturelle Umfeld, in das der Verfasser oder die Verfasserin gestellt ist.“ Die vorliegenden Ergebnisse können daher einen Beitrag leisten, dass in Bezug auf das Mittelalter „wir ‚Gefühle` nicht isoliert untersuchen, sondern in Beziehung zu ‚Informationen` unterschiedlicher Herkunft setzen“, Trepp, Anne-Charlott: Gefühl oder kulturelle Konstruktion? Überlegungen zur Geschichte der Emotionen, 2002, S. 89–91. Eine zunehmende Emotionalisierung bzw. Leib- und Affektorientierung, wie sie für die spätmittelalterliche Frömmigkeit bescheinigt wird, kann auf die Darstellung des Lachens nicht übertragen werden. Vgl. Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kon-

Motive des Lachens

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tionen können [. . . ] relativ stabilisierte und subjektiv intelligible Affekte bezeichnen, die sich an routinisierte soziale Praktiken binden und – in diese eingebettet – spezi sche Emotionskulturen bilden.“ 576 Das heißt, durch die Viten werden sowohl plausible Affekte mit dem Lachen dokumentiert als auch Zusammenhänge von Affekten und Lachen tradiert, generiert, variiert, produziert. Ähnlich, wie die Funktionen und Bewertungen jedoch selten expressis verbis in den Quellen übermittelt werden, betrifft dies auch die Affekte und Emotionen. Unbestritten hat das Lachen aber einen Zusammenhang mit Emotionen. Es kann diese wie gezeigt ausdrücken, 577 sei es Zuneigung oder Abneigung oder ein Ausdruck der Überwindung bestimmter Emotionen – wie zum Beispiel Leiden – sein. Die Interpretation der zum Lachen zugehörigen Emotionen darf ähnlich wie das Lachen selbst nicht einer Vorstellung von einer anthropologischen Konstante unterliegen, sondern wäre ebenso historisch im jeweiligen kulturellen Kontext noch näher zu beleuchten. 578 Vor diesem Hintergrund wird nochmals sehr viel deutlicher, um was es den mittelalterlichen Autoren insbesondere bei der Darstellung der Heiligen ging, nämlich sie gemäßigt, bisweilen sogar als unbewegt darzustellen. Der Zustand der Gemütsruhe weist auf Tugendhaftigkeit hin, jegliche Aufgewühltheit muss in logischer Konsequenz auf erste Anzeichen von Untugenden hindeuten. Eine Liste der sieben Todsünden von Papst Gregor dem Großen beinhaltet sowohl Traurigkeit, tristitia, als auch laetitia, aber nicht Lachen, risus. 579 Laetitia, Fröhlichkeit, stelle nur insofern ein Problem dar, wenn es unmäßig, immoderata, ist. 580 Von Gregor dem Großen werden somit auch die Extreme verworfen. 581 Dennoch kommt das Lachen als Ausdruck auch von Emotionen in den Heiligenviten bei den Heiligen vor. Es steht nicht nur im Zusam-

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texten, S. 68. Auch die Aussage „Die Affektivität weiblicher Frömmigkeit und Spiritualität beruht auf einer neuen, durchaus positiven Einschätzung des menschlichen Körpers“ greift für das Lachen zu kurz. Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 75. Die hier untersuchten Beispiele legen eine weiter zurückreichende Leib- und Affektorientierung und positive beziehungsweise ambivalente Körperbewertung nahe. Reckwitz, S. 59. Althoff hat ganz richtig festgestellt, dass es lediglich einen Zugriff auf die Ausdrucksformen, jedoch nicht auf die Emotionen selbst gibt. Vgl. Althoff: Tränen und Freude, S. 2. „Auch hier müsste die ausgeprägte Körperorientierung der Subjektivierungs- und Habitusanalyse beide Richtungen eigentlich dazu motivieren, diese basale Affektivität nicht zu überspringen. Natürlich kann es nicht um eine Universalisierung von natürlichen Gefühlen gehen, sondern um deren Analyse als kulturell-historisch spezi sche Gebilde.“ Reckwitz, S. 59. Im Zusammenhang mit Emotionen ist vielmehr „die ‚Subtilität` und Komplexität, die Prozesshaftigkeit und Transitorik“ zu bedenken. Eming, S. 62. Vgl. Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 81. Vgl. dies., S. 82. Vgl. dies., S. 83. Somit gilt nicht, dass „Lachen und Weinen in christlicher Sichtweise zwei gänzlich unterschiedlich beurteilte Phänomene dar[stellen].“ Biessenecker: Das Lachen im Mittelalter, S. 52.

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Das Lachen im Mittelalter

menhang mit Gelassenheit, sondern auch mit Freude bis hin zur Ekstase. Der Blick auf die mit dem Lachen verbundenen Emotionen zeigt also, dass Lachen nicht nur im Rahmen der Gemütsruhe seinen Platz hat und entsprechend gemäßigt sich äußern sollte, sondern auch mit Zuständen innerer Erregung einhergehen kann, die sich im Lachen Bahn brechen können. Dabei ist auffällig, dass ein Lachen der Heiligen eher positiv motiviert ist und nicht aus Angst oder Aggression resultiert. In diesen Fällen ist das Lachen eher Zeichen der Überwindung dieser Zustände. In beängstigenden bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen ist es Zeichen der Überwindung der Furcht 582 und der Verlagerung hin zu Zuversicht auf Gottesbeistand oder das ewige Leben. In Situationen des Kon ikts wechselt der Heilige die Ebene, indem er nur über das Lachen spricht, ein Gegenangriff also nicht durch ein Lachen an der Grenze der Sprache erfolgt, sondern verbalisiert wird. Weitere Kontexte zeigen die Heiligen mit einem wohlgesinnten, milden oder demütigen Lachen als Teil einer gemeinschaftsstiftenden Kommunikation. Bisweilen kann es rügend wirken oder den Zweck verfolgen, den Personenkult um den Heiligen zu seinen Lebzeiten zu unterbinden, also in diesen Fällen als soziales Korrektiv fungieren. Dies kann bereits als kon ikthaftes Lachen aufgefasst werden, es könnte aber auch als gemeinschaftsförderndes im Sinne von pädagogischem Lachen verstanden werden. Im größeren sozialen Kontext aller Akteure, kann es Zeichen von entspannter oder gegenteilig angespannter Atmosphäre sein. Die Zulässigkeit entsprechender Emotionen und der Wirkungen des Lachens hat jeweils Ein uss auf die Bewertung des Lachens. Ist das Resultat des Lachens für den Protagonisten positiv, so ist auch das Lachen gerechtfertigt. Das Lachen ist somit höchst komplex sowohl in der lebensweltlichen sozialen Praxis als auch in der textlichen Darstellung. Es zeigt sich auch anhand der Motive, dass das Lachen per se keiner festgelegten oder gar gleichbleibend negativen Bewertung unterliegt, sondern sich erst durch den Kontext eine Einordnung vornehmen lässt. Diese Abhängigkeit des Rahmens der Darstellung und auch der Erzählabsicht ist sicherlich teilweise durch literarische Traditionen vorgegeben, die sich auch an bestimmten Textgattungen orientiert und sich deshalb darin unterschiedlich niederschlägt. Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass die Darstellung des Lachens auch durch das Wissen, den Bildungsgrad des Verfassers beein usst ist, dessen Darstellungsmöglichkeiten sich aus einem begrenzten oder umfassenden Fundus von Varianten speisen, was auch Gegenstand des folgenden Kapitels ist.

582 Bayless spricht von dem Lachen „that signals an un inching fearlessness“, zu unterscheiden von dem Lachen „that denotes an ignorant arrogance.“ Bayless: Laughter in a deadly context, S. 159.

Akteure des Lachens

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3.3 Akteure des Lachens

Die bisherigen Analysen haben vielfältige Arten und Motive des Lachens zutage gebracht. Dabei ist bereits mehrfach auf die Abhängigkeit der Darstellungsweise, -zusammenhänge und Bewertungen des Lachens und der Akteure hingewiesen worden. Es gilt im Folgenden, näher auf die Beziehungen zwischen Arten, Motiven und Bewertungen des Lachens und den jeweiligen Akteuren einzugehen: Gibt es Vorstellungen darüber, wer wie lachen sollte? Sind bestimmten Akteuren bestimmte Gründe des Lachens zugeordnet? Und in besonderem Bezug zu den Akteuren: Wer lacht über wen? Der Zusammenhang zwischen Akteur und Lachen scheint für die Beurteilung im Mittelalter ein wesentliches Kriterium zu sein. Zentral ist die Frage, ob bestimmten Akteuren bestimmte Arten des Lachens zugeordnet werden, ob und welche Akteure von spezi schen Arten des Lachens ausgenommen sind und ob das Lachen erst durch diese Zuweisungen seine Konnotation erhält. Eventuell hat die Einordnung des Akteurs als positiv, neutral oder negativ einen Ein uss auf das Lachen, die Darstellung des Lachens und dessen Bewertung, so dass ein positiv bewerteter Akteur auch ein positiv konnotiertes Lachen hervorbringt. Weiter ist dann zu fragen, ob das Lachen für bestimmte Akteure als unbedenklich gelten kann, weil sie jenseits von üblichen Wertmaßstäben stehen. Denkbar ist auch eine Vielschichtigkeit der Vorgaben je nach Akteur, um dadurch erst Raum für Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber anderen Akteuren zu eröffnen. Sollte es andererseits für keine Akteure irgendwelche Vorgaben geben, die nur für diese gelten, wäre dann das Lachen gänzlich als eine unbedenkliche Äußerung im Mittelalter zu bewerten? Insbesondere die Gegenüberstellung von Gegensatzpaaren bietet gute Ansatzpunkte für eine Überprüfung, ob im vorliegenden Material auch Distinktionsbemühungen im Sinne der Habitustheorie Bourdieus zu sehen sind. Dabei spielen nicht nur soziale Unterschiede eine Rolle, sondern im Hinblick auf das religiöse Feld auch kirchenrechtliche, religiöse und die Frömmigkeit betreffende. Damit verbunden ist auch die Frage nach einer Sozialisation des Lachens, durch welche die Art des Lachens verfeinert wird. Besonders die Gegenüberstellung von verschiedenen Altersstufen kann hier Hinweise liefern. Ebenso stellt sich die Frage, ob das Lachen eventuell auch nach gender unterschiedlich erlernt, praktiziert und erlebt wird. Bevor der Blick sich auf die Akteure in der Darstellung auf textlicher Ebene richtet, gilt er den Verfassern und Adressaten der Darstellung von Lachen, die ihrerseits unterschiedlichen Normen unterliegen und in unterschiedlichen Traditionen der Textproduktion und -rezeption stehen. In den Viten und anderen Textgattungen werden vielfach Geistliche und Laien als Gegenpole dargestellt, was letztlich nicht nur auf kirchenrechtliche Unterschiede zurückzuführen ist. Innerhalb der kirchenrechtlichen Kategorie kann noch unterschieden werden zwischen Weltgeistlichen und Ordensgeistlichen. Die Geistli-

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Das Lachen im Mittelalter

chen und Adligen als Gegensatzpaar 583 lassen sich jeweils noch feiner hierarchisch untergliedern nach ihrem Rang, so Bischöfe und Äbte gegenüber Mönchen und anderen Geistlichen sowie Könige gegenüber anderen Adeligen. Neben solchen sozialen Unterschieden lassen sich religiöse zwischen christlichen Gläubigen und sogenannten Ungläubigen ausmachen. Daneben sind Altersunterschiede, gender-Abgrenzungen und unterschiedliche Bildungsniveaus von weiterem Interesse. Alle genannten Gegensatzpaare sind sowohl übliche mittelalterliche Ordnungskategorien als auch Begrifflichkeiten, die die Quellensichtung als markante Stichworte zutage gefördert hat. Die Untersuchung mündet gegen Ende dieses Kapitels in der Erforschung von Diskrepanzen hinsichtlich der Frömmigkeit, die stände-, alters-, gender-übergreifend alle Akteure berührt.

3.3.1 Verfasser und Adressaten – Abstufungen des Gestaltungs- und Interpretationsvermögens

Verfasser und Adressaten sind Akteure außerhalb der Texte, welche diese gestalten, weiterverbreiten oder interpretieren. Das Lachen wird von diesen Akteuren in die allgemeinen Inhalte und Absichten der Viten 584 eingeordnet. Dabei sind Vorgaben und Freiheiten der Auftraggeber und Verfasser auszuloten. 585 Die Verfasser erweisen sich insofern als Lachverständige, als sie von den Topoi und darüber hinausgehenden möglichen Darstellungsformen des Lachens Kenntnis haben und die Figuren ihrer Erzäh583 Eine solche Unterscheidung stellt eher eine idealtypische Untersuchungskategorie dar, als eine historische Wirklichkeit abzubilden, aufgrund der bisweilen wechselseitigen Durchdringung von Weltlichem und Geistlichem. „Weltlich [. . . ] erhält seine inhaltliche Füllung fast ausschließlich als Gegenbegriff zu geistlich.“ „Welt heißt aus dieser Perspektive alles, was nicht auf den Geist Gottes hin orientiert ist.“ „Die Begriffe ‚geistlich` und ‚weltlich` sind also als Gegensatzpaar aneinander gekoppelt, aber nicht symmetrisch. Denn der Begriff ‚weltlich` ist aus dem Begriff ‚geistlich` ableitbar, die umgekehrte Ableitung aber ist nicht möglich [. . . ]“ Dabei gibt es innerhalb der jeweiligen Kategorien Abstufungen beziehungsweise aus der jeweiligen Perspektive unterschiedliche Zuordnungen. „Die Opposition ‚geistlich-weltlich` bezeichnet also eine Polarität, innerhalb derer verschiedene Standpunkte möglich sind.“ Wachinger, Burghart: Einleitung zu: Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters, 2000, S. 3–5. 584 Im vorliegenden Untersuchungszusammenhang konnte nicht noch weiter differenziert werden zwischen artealogisch-hagiographischem, rhetorisch-idealisierendem und prosaepitaphischem Textmaterial. Vgl. hierzu Lotter, S. 310–313. 585 In der Forschung wäre allgemeiner zu diskutieren, welcher gestalterische Anteil den Verfassern zukommt oder inwieweit in der Textproduktion lediglich eine redaktionelle Tätigkeit zu sehen ist. So für die Frühphase eher bei Lotter, S. 309.

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lung als solche mit derselben Kenntnis darstellen können oder aber als Unverständige bezüglich des Lachens. Textproduzenten teilen dieses Wissen über das Lachen ihren Adressaten direkt oder indirekt mit. Wie bereits zuvor angeklungen bewegt sich das Lachen auf mehreren Ebenen im Spannungsfeld von Differenzierungsbemühungen, die sich auch im literarischen Habitus der Verfasser niederschlagen. Die Rezipienten wiederum können mit den Protagonisten mitlachen oder die Antagonisten auslachen, sie können vom Verfasser intendiert oder unbeabsichtigt über den Text lachen und letztlich je nach Textgattung und Erzählkontext zu einem Nachdenken über das Lachen gelangen. Entsprechend können auch die Textrezipienten zu Lachverständigen werden. Es bestehen enge Verknüpfungen und Wechselwirkungen zwischen den Verfassern der Viten, 586 Verfassern anderer Textgattungen, ihren Inhalten und den jeweiligen Adressaten. Dies lässt sich besonders gut anhand von Topoi beziehungsweise klar umrissenen Erzählmotiven veranschaulichen, wie zum Beispiel anhand des Nicht-Lachens. Topoi stellen vorgeprägte und damit wenig variable Motive dar. Sie können jedoch bisweilen recht eigenständig als Varianten der Textgestaltung von den Verfassern angenommen, ausgestaltet, umgeformt oder verworfen werden. Das Motiv des Nicht-Lachens ist nicht mit einem bestimmten eingegrenzten Raum und einer speziellen Herkunft verbunden. Die Verfasser der hier analysierten Beispiele des NichtLachens in der Kindheit und als Symbol eines veränderten Lebenswandels lassen sich in Herkunftsländern aus ganz Europa wie dem heutigen Griechenland, Italien, Belgien, England – und mit Palästina sogar darüber hinaus – ansiedeln. Die frühesten hier diskutierten Belege stammen aus dem 6. Jahrhundert, weitere aus dem 8., dem 10., dem 11. und dem 13. Jahrhundert. Für die Verbreitung der Vorstellung des nicht-lachenden Christus in theologischen Lehrbüchern gilt ein ähnlicher geographischer Raum bezüglich seiner Verfasser, die, und das gilt es hier zu betonen, mit Johannes von Salisbury, Egbert von Lüttich, Bernhard von Clairvaux, Burchard von Worms und Petrus Cantor zu den gelehrtesten Köpfen ihrer Zeit gehören. Im Vergleich dazu stammen die hier untersuchten Beispiele von Heiligen, die geradezu mit einem Lachausbruch dargestellt werden, zeitlich und geographisch aus der Zeit vom 6. bis zum 13. Jahrhundert und erstrecken sich wiederum über ganz Europa bis in den Nahen Osten. Beide Darstellungsvarianten bestanden also zeitgleich. Zu den Vitenverfassern zählen namhafte und anonyme Verfasser, Magister und Mönche, Benediktiner bis Zisterzienser, die entweder eher selten von dem Topos des Nicht-Lachens mit besprochenen Einschränkungen Gebrauch machen oder eine der vielen anderen Darstellungsvarianten der Art des Lachens wählen. Hier ergeben sich anscheinend Spielräume, Wahlmöglichkeiten und ‚dichterische Freiheiten`.

586 Grundlegend Quellenkritisches und Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen liefert immer noch Lotter.

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Das Lachen im Mittelalter

Das Lachen wird wie gezeigt in seltenen Fällen mit einem veränderten Lebenswandel, im Fall der Heiligen die conversatio, thematisiert. Es steht im Zusammenhang mit verschiedensten Arten von Widrigkeiten, mit dem Tod der Heiligen und im Kontext von Tugenden – in dem Fall in der Darstellung auf Mäßigung abzielend. Wenn Bernt jedoch feststellt, dass „[m]anche Züge des Lebens und Leidens eines Heiligen [. . . ] auch deshalb herausgehoben oder modi ziert oder auch geschaffen sind, damit die Ähnlichkeit mit anderen Heiligen und vor allem die Christusähnlichkeit hervortritt“, 587 ist es umso erstaunlicher, dass sich das Nicht-Lachen Christi als direktes Vorbild der bisherigen Analyse zufolge so nicht in den Viten nden lässt. 588 Für die Verfasser als Akteure des Lachens scheint ein Faktor für die Darstellung des Lachens am bedeutendsten zu sein: Die jeweilige Textgattung hat einen entscheidenden Ein uss darauf, wie das Lachen dargestellt, mehr jedoch noch, wie es bewertet wird. 589 Der jeweilige Verfasser war weder durch strikte literarische Traditionen an bestimmte Darstellungen gebunden noch konnte er bei der Abfassung nach eigenem Gusto verfahren. Der seltene Glücksfall, mehrfache Äußerungen eines einzigen Verfassers zur Thematik des Lachens vorliegen zu haben, macht eines mehr als deutlich: Einige Textgattungen erlauben es, divergierende Bewertungen vorzunehmen, andere Arten von Texten und ihre Traditionen wiederum scheinen geradezu bestimmte Einstellungen zum Lachen zu fordern. 590 Dies lässt sich am Beispiel von unterschiedlichen Schriften Bernhards von Clairvaux aus dem 12. Jahrhundert verdeutlichen. 591 587 Bernt, S. 25. 588 Neben diesem christlichen Wertekanon greifen in die jeweilige Abfassung der Heiligenviten konkrete lebensweltliche Zwecke: „Der besondere Schutz, den der Heilige bot, war Grund genug, sein Gedächtnis zu p egen. Hochangesehene Heilige konnten aber auch der Kirche hohes Ansehen bringen, ihre Stellung stärken, den Zustrom von Pilgern und die Einkünfte vermehren.“ Bernt, S. 29. 589 Zu dieser Feststellung kommt auch Kipf: „Die Darstellung und Bewertung des Lachens erweist sich als in hohem Maß gattungsabhängig.“ Kipf, Klaus: Lachte das Mittelalter anders? Relative Alterität und kognitive Kontinuität komischer Strukturen in Schwankerzählungen des 13.–15. Jahrhunderts, 2013, S. 252. Diese Aussage bezieht sich allein auf das von ihm untersuchte Quellenkorpus von überwiegend Schwankmären und Fazetien, umso mehr muss es für weitere Textgattungen gelten. 590 „Das Lachen [. . . ] [ist] kein universelles, ahistorisches Phänomen mehr, sondern typischer Ausdruck mittelalterlicher Vorstellungen und Erwartungen, die sich an eine bestimmte Gattung knüpfen.“ Fichte: Lachen und komplexe narrative Strukturen in der mittelenglischen hö schen Romanze, S. 118. Im Unterschied dazu für die Historiographie die Feststellung, „daß ein Geschichtsbild nicht Folge des literarischen Genus sei, sondern sich umgekehrt die historiographische Gattung wähle.“ Ehlers, S. 65. Für das Thema des Lachens ist es wenig vorstellbar, dass der jeweilige Verfasser eine bestimmte Ansicht über das Lachen vertrat und sich dementsprechend die Textgattung wählte, um seine Position zu äußern. Wohl aber ist der „Schluß vom Geschichtsbildbild, das der Text vermittelt, auf die Vorstellungswelt des Verfassers [. . . ] also immer unsicher.“ Ehlers, S. 66. 591 Burde deutet eine ähnliche Sachlage an für die Behandlung des Lachens durch Aristoteles in

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So ndet sich bei Bernhard von Clairvaux die Aussage, Christus habe nie gelacht, gleich mehrfach. 592 Indirekt kommt dieser Gedanke auch in seinem Traktat „De gradibus humilitatis et superbiae“ 593 zum Tragen, worin er entsprechend zu den aufsteigenden Stufen der Demut in der Benediktsregel die absteigenden Stufen des Hochmuts behandelt. So wie der Grad der humilitas thematisch mit dem Lachen verknüpft ist, gilt dasselbe für die superbia. Die erste Stufe ist die curiositas, die Wissbegierde und Neugier, die zweite Stufe ist die levitas animi, die Leichtfertigkeit und Unbeständigkeit. Die inepta laetitia, die unschickliche, alberne Fröhlichkeit, stellt den dritten Grad des Hochmuts dar. 594 Ein Mönch, der bereits die ersten Stufen des Abstiegs genommen hat, vergisst seine Trauer über die Sünden und gibt sich mehr und mehr der Freude hin. Dann ersetzt schließlich Selbstgerechtigkeit die Demut und der falsche Trost der albernen Fröhlichkeit alle Zeichen der Traurigkeit. Signal für diesen sündigen Zustand sei die Seltenheit oder gar das Ausbleiben jeglicher Seufzer eines Mönchs, der den Anschein erwecke, seine Sünden vergessen oder getilgt zu haben. Was vormals Verachtung und Betrübnis in ihm hervorrief, will er nicht wahrhaben. Seine Gedanken widmet er allem, was ihm gefalle, unabhängig davon, ob es ihm erlaubt ist oder nicht. Für Bernhard verrät das äußere Verhalten die innere vanitas, die Eitelkeit. 595 Anzeichen von Possenreißerei, sogar Heiterkeit im Gesicht können auf ein Vordringen der Eitelkeit hindeuten. Der Eitle ist zum Scherzen aufgelegt, lacht leicht und offen und vermag nicht, das Lachen aufzuhalten und die alberne Fröhlichkeit zu verbergen. 596 Bernhard von Clairvaux zeichnet für diesen Zustand ein anschauliches Bild einer aufgeblähten

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seinen verschiedenen Werken. Vgl. Burde, Mark: The Parodia sacra Problem and Medieval Comic Studies, 2010, S. 216. „Si sanctimonialis perfecte Christum diligeret, non rideret, sed cum desiderio illius indesinenter ploraret: quia qui perfecte Christum diligit et timet, non ridet, sed amore ejus luget.“ Bernhard 〈de Clairvaux〉: Liber de modo bene vivendi, LXV, 1296A und „quem et super Lazarum et super civitatem evisse (Joan. XI, 35; Luc. VI, 12), et in orationibus pernoctasse legimus (Luc. VI, 12); risisse vero aut jocasse nusquam [. . . ]“, Bernhard 〈de Clairvaux〉: De adventu Domini, IV, 50B. Bernhard 〈de Clairvaux〉: De gradibus humilitatis et superbiae, 941–944. Vgl. dazu die zwölf Stufen der Demut in der Benediktsregel, auf die Bernhard zurückgreift. Diese vor 1124 entstandene Schrift ist eine Zusammenfassung der Lehren an die ersten Mönchen in Clairvaux. Betont wird die Notwendigkeit der Demut, humilitas, deren zwölf Grade in der Benediktsregel de niert sind. Bernhard 〈de Clairvaux〉: De gradibus humilitatis et superbiae, cap. XII, 963 f. Vgl. Suchomski, S. 18. „In signis scurrilitas, in fronte hilaritas, vanitas apparet in incessu. Pronus ad iocum, facilis ac promptus in risu [. . . ] jam risum tenere, jam ineptam laetitiam dissimulare non valet.“, Bernhard 〈de Clairvaux〉: De gradibus humilitatis et superbiae, 963D–964A. Vgl. Benedictus 〈de Nursia〉: 〈Regula monachorum〉, cap. VII: „Decimus humilitatis gradus est, si non sit facilis ac promptus in risu, quia scriptum est: Stultus in risu exaltat vocem suam.“ Bei Johannes Cassianus: De institutis coenobiorum, IV, 39 ergeht die Forderung als zehnter Grad der

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Blase für einen Mönch nach, der voller eitler, närrischer Gedanken ist. Durch einen Einstich werde der durch das Schweigegebot eingeengte Wind der Eitelkeit durch die Enge des Rachens in Form von schallendem Gelächter herausgepresst. Gegen das Lachen anzugehen, sei dann unmöglich. 597 An dieser Stelle argumentiert Bernhard mit dem Verstoß gegen die Ordensregel, den die Neigung zum Lachen und Scherzen bedeutet: Jedes Scherzen und Lachen ist ein Verstoß gegen das göttliche Gebot, in dieser Welt zu trauern. Lachen ist Unmäßigkeit und sichtbares Zeichen für den Mangel oder gar das Vergessen von christlicher Demut. Lachen steht der tristitia spirituale entgegen und ist ein Indiz für die vanitas und die laetitia saecularis. 598 Suchomski wirft die Frage auf, ob der Bruch des Schweigegebots und die Vernachlässigung der temperantia, der Mäßigung, es rechtfertigen, Lachen und Scherzen im Kontext von superbia zu behandeln und beides sogar als Tochter dieser Todsünde anzusehen. Alle Schriftstellen zum Lachen bei Bernhard wären daher eingehender in ihren Kontexten zu untersuchen, ob er diesen Zusammenhang tatsächlich in dieser Konsequenz herstellt. Diese Ausführungen kreisen in eindringlichen Worten und Bildern um die sichtbaren Zeichen einer inneren Haltung der Demut im Gegensatz zum Hochmut. Mit den Stichworten der Trauer, des Seufzens und der Sündhaftigkeit hat Bernhard eine genuin christliche Bewertung entfaltet, die auf der neutestamentlichen, patristischen, asketischen und frühmonastischen Tradition basiert. Während den Ausführungen in dem Traktat die neutestamentlichen Weisungen implizit zugrunde liegen, nimmt Bernhard in seiner Totenrede für den Mönch Humbert explizit Bezug auf die Lukasworte, die er mit antiken Parametern verbindet. Daraus ergibt sich eine im Vergleich sehr viel differenziertere und gleichsam abgeschwächte Aussage. Das Lob der asketischen Haltung bezieht sich nicht nur auf Nahrung und Kleidung. Bernhard beschreibt, wie das Lukaswort aus 6,25, die Warnung an diejenigen, die im Diesseits lachen, Humbert nicht ängstigen muss. Niemand hat nämlich Humbert lachend erlebt, auch nicht in einer Menge von Lachenden. Sein Ausdruck war wohlwollend, vielleicht sogar beschwingt, keineswegs bedrückt, aber ein volles, ungeschwächtes Lachen, risum integrum, hat er sich nicht erlaubt. 599 Durch den Bezug humilitas „non sit facilis ac promptus in risu“. Der Verstoß bedeutet die zehnte Stufe der superbia. 597 „Sic monachus, ubi vanis scurrilibusque cor suum cogitationibus impleverit, propter disciplinam silentii non inveniens ventus vanitatis qua plenius egrediatur, inter angustias faucium per cachinnos excutitur. Sæpe vultum pudibundus abscondit, claudit labia, dentes stringit ; ridet non volens, cachinnat invitus. Cumque os pugnis obstruxerit suis, per nares adhuc sternutare auditur.“, Bernhard 〈de Clairvaux〉: De gradibus humilitatis et superbiae, 964A–B. 598 Vgl. Suchomski, S. 18. Suchomski sieht das „Wort ‚risus` bei Bernhard“ lediglich in dem einen „theologischen Hintergrund“ der „beiden Arten der Freude“, vgl. S. 259. 599 „Nunquid aliquis vestrum eum ridentem, etiam inter multos ridentes, invenit? Serenabat quidem vultum suum assidentium gratia, ne eret onerosus; sed risum integrum, si bene recolitis, non admisit.“ Bernhard 〈de Clairvaux〉: In obitu Domini Humberti, 515B.

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zum Lukaswort erwartet der Zuhörer der Totenrede, dass der Verstorbene im Diesseits geweint hat. Stattdessen erfolgt aber die Aussage, dieser habe sich zeitlebens nicht bedrückt gezeigt. Hier nimmt Bernhard deutlich ein anderes Motiv auf als im Traktat „De gradibus humilitatis et superbiae“, in welchem sogar die Seltenheit oder das Ausbleiben von Seufzern sich in negativem Sinne verdächtig macht. Er vermeidet nicht nur die drastische Konsequenz der Ablehnung, sondern schwächt die Aussage ab, indem er ein integrum hinzufügt. Lediglich das maßlose Lachen ist damit ausgeschlossen. Mäßigung und Freundlichkeit, affabilitas, sind beides Themen der antiken Bewertung. Durch das Bibelzitat soll an die Ablehnung der laetitia saecularis erinnert werden. Auf diese Weise vermag Bernhard in seinem Lob sowohl die Enthaltsamkeit Humberts, als auch die gesellschaftliche Tugend der Freundlichkeit zu verbinden. 600 In zwei weiteren Schriften stehen sich die unterschiedlichen Bewertungen von Lachen einerseits und dem Scherz andererseits diametral entgegen. In der Abhandlung „De precepto et dispensatione“ 601 spricht er einerseits vom Verbot des Lachens, risum interdictum, neben dem Gebot des Schweigens und andererseits davon, dass ein Lachen kaum überhaupt als Sünde angesehen werden kann. In der Schrift geht es um Gebote und Vorschriften des monastischen Zusammenlebens, in weiterer Abstraktion aber auch um allgemein gültige Regeln, göttliche Anordnung und persönliches Gelübde. Dabei stuft Bernhard das Lachen als verzeihlich ein, in welches jemand „mehr aus unbändigem Reiz denn aus Anmaßung“ ausbricht. 602 Bernhard stellt die Übertretungen des Schweigegebots für Mönche der Tatsache gegenüber, dass andere Menschen einem solchen Gebot nicht unterliegen. Er verweist darauf, dass die Menschen am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen, bezieht dies jedoch lediglich auf „unnütze Worte“ und nicht mehr auf das Lachen. Sehr viel drastischer fällt daher Bernhards Urteil gegenüber dem Scherz in dem letzten hier zu behandelnden Traktat „De consideratione ad Eugenium papam“ aus. 603 Possen und Witze seien eines geweihten Mundes unwürdig, zur Gewohnheit geworden sogar blasphemiae. Das Verbot des Scherzens gilt insbesondere für Mönche. Außerhalb des geistlichen Bereichs ist Bernhard zu Zugeständnissen bereit und greift darin auf Gedanken von Ambrosius zurück. Zwischen Weltlichen sind Scherze nur Scherze, im Mund eines Geistlichen aber sind sie Blas-

600 Vgl. Suchomski, S. 16. 601 Eine vor 1143/44 entstandene Schrift, in welcher Bernhard gegen die althergebrachte benediktinische Auffassung von klösterlichen P ichten und Grundsätzen angeht. 602 „[. . . ] risusve per impetum magis excussus quam præsumptus contra præceptum (quod utique animi negligentis, aut dissoluti spiritus indicum est), eo facillime veniam promereatur, quo vix vel peccatum reputatur.“ Bernhard 〈de Clairvaux〉: De praecepto et dispensatione, cap. VIII, 18, pag. 871B. 603 Zwischen 1148 und 1152/1153 verfasst geht es in dieser an Papst Eugen III. gerichteten Schrift um Bernhards Vorstellungen über die Reform des Klerus und seinen Rat in Angelegenheiten der kirchlichen Leitung.

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phemie. Die Geistlichen müssen daher den Müßiggang, Mutter des Scherzens und Stiefmutter der Tugendhaftigkeit, meiden. So die Worte Bernhards. 604 Die erörterten Textpassagen zeigen Überschneidungen und verleiten dazu, eine Gesamtaussage herauszustellen. Trotz sich wiederholender Elemente, die sicherlich mit dem Kenntnisstand eines so belesenen Theologen wie Bernhard von Clairvaux zusammenhängen, zeigen die Beispiele aber sehr deutlich die Abhängigkeit der Argumentation und Aufnahme unterschiedlicher Elemente der verschiedenen Traditionen von der Absicht des Schreibers. Diese liegt vielfach bereits in der Textgattung begründet. In seinem Kommentar zur Benediktsregel „De gradibus humilitatis et superbiae“ formuliert Bernhard von Clairvaux mönchische Ideale, 605 in „Liber de modo bene vivendi“ richtet er sich an Nonnen. In diesen beiden Schriften und in der Predigt „De adventu Domini sermo“ kommt er auf das Nicht-Lachen Christi zu sprechen. In seinen zwei Totenreden für Humbert und Malachias übermittelt Bernhard hingegen ein antikes Ideal. In seiner Gelegenheitsschrift „De precepto et dispensatione “, in der es um Vorschriften und die Befreiung von diesen geht, spricht er dem Lachen die Sündhaftigkeit ab. In „De consideratione ad Eugenium papam“ wendet Bernhard sich allgemein gegen die weltlichen Machtbestrebungen der Päpste und kommt darin auf das Verhalten der Geistlichen zu sprechen, die sich nicht wie Weltliche gebärden sollen. Es sind eben diese Nuancen, die den Facettenreichtum und die Komplexität im Umgang mit dem Schreiben über das Lachen aufzeigen. Von einer stimmigen und umfassenden Theologie des Lachens oder eines anders gearteten Konsenses, auf welche alle Autoren in all ihren Schriften gleichermaßen zurückgreifen könnten, kann also kaum die Rede sein.

3.3.2 Geistliche und Laien – mehr als kirchenrechtliche Unterschiede 3.3.2.1 Laien im Allgemeinen

Das komplette Überlieferungsgut der Antike, der Bibel und der Kirchenväter sowie die Gesamtheit an normativen Texten und die Bandbreite an deskriptiven Darstellungsvarianten des Lachens dürfte kaum einem mittelalterlichen Gelehrten präsent gewesen sein. Dies gilt umso mehr für Laien. Für jede Untersuchung der breiten Bevölkerung stellt sich für das Mittelalter die Frage nach geeigneten Quellen und der darin enthaltenen Niederschrift einer sozialen Praxis. Nur ein sehr geringer Anteil der mittelalterlichen Menschen ist über das Lesen oder Abschreiben hinaus der Textproduktion mächtig. Die niederen sozialen Schichten fallen als eigenhändige Überlieferer 604 „Fugienda proinde otiositas, mater nugarum, noverca virtutum. Inter sæculares nugæ, nugæ sunt; in ore sacerdotis, blasphemiæ.“ Bernhard 〈de Clairvaux〉: De consideratione ad Eugenium papam, lib. II, cap. 13, pag. 756. 605 Eberlein, Johann Konrad: Zisterziensische Buchkunst, 2005, S. 111.

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aus. Diese lückenhafte Quellenlage sollte daher nicht dazu verleiten, von den spärlichen Hinweisen auf eine gesamte „Lachkultur des Volkes“ zu schließen. 606 Etwaige Normen dürften dem Großteil der Laien nicht direkt und mittelbar bekannt gewesen sein, sondern bedurften verschiedener Formen der Vermittlung. Grundsätzlich muss die Frage gestellt werden, in welchen Textgattungen überhaupt Aussagen über das Lachen der Laien enthalten sind, mittels derer auch Zusammenhänge zur sozialen Praxis der Laien hergestellt werden können. 607 Nicht jede in Frage kommende Quellengattung hat jedoch einen direkten Bezug zur sakralen Sphäre, 608 die es hier zu untersuchen gilt. Der Blick gilt daher an dieser Stelle den Laien als Gemeindemitglieder und Kirchgänger und Darstellungen, in denen Weltliche oder Laien deutlich als solche ausgewiesen werden und nicht als Heilige in Erscheinung treten. Es ist aufgrund des begrifflichen Vorkommens des Lachens in den Quellen stark anzunehmen, dass Laien im Mittelalter gelacht haben und es ndet sich nirgends eine Vorgabe, dass sie dies generell zu unterlassen hätten. Anweisungen allgemeiner Natur bezüglich des Lachens nden sich für das Gros der laikalen Bevölkerung wenig. Es gibt keine Zuordnung von besonderen Arten des Lachens zu den Laien. Einschränkungen bezüglich des Lachens beziehen sich – wie bereits anhand vieler Belegstellen gezeigt – auf bestimmte Festtage und Feierlichkeiten und die dabei auftretenden Ausschweifungen, die nur randständig das Lachen betreffen. Sie gelten sowohl für die Laien wie auch für die Geistlichen, wobei letztere gehalten sind, durch ihr eigenes entsprechendes Verhalten Übertreibungen zu unterbinden, beziehungsweise nicht aufkommen zu 606 Auf der Suche nach einer sogenannten mittelalterlichen „Volkskultur“ des Lachens ist neben oben skizzierten Einschränkungen der Erfassbarkeit einer sozialen Praxis in textlichen Zeugnissen daher noch eine weitere Erschwernis zu berücksichtigen: Aus den literarischen Ergüssen von Angehörigen elitärer, höherer Schichten sind Rückschlüsse auf eine Praxis des Lachens von Menschen des Mittelalters ganz allgemein schwerlich möglich. Die soziale Praxis entzieht sich nicht unbedingt ausnahmslos den Quellen, aber in den meisten Fällen dürfte es sich um eine literarische Praxis dieser Eliten handeln. Gewöhnlich handelt es sich um eine mittelbare, parteiische und tendenziöse Berichterstattung. 607 Die Rekonstruktion einer sozialen Praxis des Lachens aus den mittelalterlichen Quellen ist nicht ganz unproblematisch. Die noch vorhandenen schriftlichen Belege dürften kaum die gesamte Bandbreite der sozialen Kultur des Lachens erfasst haben. Hinsichtlich normativen Materials wäre zu ermitteln, ob darin prophylaktisch Ideale formuliert werden oder diese als nachregulierende Versuche zu verstehen sind. In beiden Fällen ist die Diskrepanz zu der tatsächlichen Praxis auszuloten: Die Ideale können sehr nah oder sehr weit von einer anzustrebenden Realität entfernt sein. Gleiches gilt für nachträgliche Reglementierungsbemühungen. Für deskriptive Überlieferungen stellt sich die Frage, ob darin eine soziale Praxis beschrieben ist oder ob es sich um eine literarische Praxis handelt, bestimmte Sachverhalte auf spezielle Weise zu versprachlichen, ohne damit im geringsten lebensweltliches Agieren zu beschreiben. 608 In Bezug auf das Lachen der Laien müssten sehr viel mehr Quellengattungen eingeschlossen werden, so hat zum Beispiel die hö sche Literatur, als bereits erlesene Gattung einer laikalen Elite, ganz eigene Ideale ausgeformt.

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lassen. Hingegen kann durch die Predigt – zum Beispiel angeregt durch Exempel – sogar der Gottesdienst Zeit und Ort des Lachens werden, wobei die Kleriker sich selbst auch zum Objekt des Lachens machen. Lachen als Mittel der Belehrung der Laien galt durchaus als probat, 609 davon zeugen Argumente hervorgebracht von zum Beispiel

609 Auf der Suche nach einer sehr umfassenden „christlichen Lachgemeinschaft“, die sich aus Laien zusammensetzt, könnte die Kirchengemeinde im engen Verständnis für die Erforschung in Betracht kommen. Mit dieser Setzung rückt das Lachen nicht nur räumlich ins Zentrum des Sakralen. Mittels anderer Textgattungen als den Viten ist über ein derartiges Lachen der Laien mehr zu erfahren: Die Predigt hat in diesem Zusammenhang als Untersuchungsgegenstand besonders in der französischen Forschung eine prominente Stellung eingenommen. Eine erste Fragestellung hierzu wäre, inwieweit das durch Predigten hervorgerufene Lachen in der Gemeinde eine spezielle Funktion innehat und es daher sowohl vorgesehen als auch absichtlich hervorgerufen wurde bis hin zu der Absicht, eine regelrechte „Lachgemeinschaft“ zu konstituieren. Für die vorliegende Herangehensweise liefern die entsprechenden Forschungsansätze wenig brauchbares Material, da deren Problemstellungen sich auf den in den Predigten enthaltenen Humor beziehen. Die den Untersuchungen zugrunde gelegten Exempelsammlungen erweitern die Befunde der Humorforschung in der profanen Literatur um den kirchlichen Bereich. Menache und Horowitz verdeutlichen selbst die Problematik der Humorde nition und begehen im Zuge ihrer Untersuchungen selbst den Fehler, in den Begrifflichkeiten ungenau zu sein. So führen sie Alan de Lille, einen der berühmten mittelalterlichen Pariser Magister, an, der Schritte zu untersagen sucht, durch Predigten Lachen zu verursachen. Vgl. hierzu Horowitz/ Menache, S. 59. Alanus ab Insulis: De arte prædicatoria, col. 111 bzw. 112 f: „Prædicatio enim in se, non debet habere verba scurrilia, vel puerilia, vel rhythmorum melodias et consonantis metrorum, quæ potius unt ad aures demulcendas, quam ad animum instruendum, quæ prædicatio theatralis est et mimica, et ideo omnifarie contemnenda, de tali prædicatione dicitur a propheta: Caupones vestri miscent aquam vino (Isa. 1). In illa prædicatione est aqua vino mista, in qua puerilia et scurrilia verba, et animos quodammodo effeminantia ponuntur: prædicatio enim non debet splendere phaleris verborum, purpuramentis colorum, nec nimis exsanguibus verbis dolet esse dejecta, sed Medium tenuere beati. Quia, si nimis esset pieturata, videretur nimio studio excogitata, et potius elaborata ad favorem hominum quam ad utilitatem proximorum, et ita minus moveret animos auditorum. Qui sic prædicant Pharisæis comparantur, qui ampliabant mbrias, et dilatabant phylacteria sua (Math. XXXIII).“ Der Begriff des Lachens ist aber weder in der französischen Übersetzung noch im lateinischen Original explizit genannt. Es zeigt sich die Komplexität und Menge der Theorien, denen der Fokus auf ein soziales Phänomen gemein ist. Für die vorliegende Fragestellung lassen sich einige relevante Erkenntnisse der Humorforschung dennoch in Übereinstimmung bringen. Der wiederholte Hinweis von Menache und Horowitz, dass die Prediger durchaus auch Angst evozieren wollten, untergräbt letztlich die Vorstellung des Lachens als Reaktion der Zuhörer nicht unwesentlich: Wenn den Zuhörern Angst gemacht werden soll und diese ahnen, dass anhand der Beispiele auch ihre eigene Sündhaftigkeit vor Augen geführt wird, ihre eigene Schuldhaftigkeit und der entsprechende Strafkatalog, bleibt zu fragen, ob einem derartigen Publikum nach Lachen zumute ist. Beide Hypothesen des Operierens mit Lachreizen und der Angsterzeugung wären zu belegen und ihre potentielle Widersprüchlichkeit aufzulösen. Die Möglichkeit der sozialen Praxis des

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Jacques de Vitry 610 und Caesarius von Heisterbach. 611 Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kommt Kritik auf gegen entsprechende Übertreibungen bei der Predigtpraxis. 612 Lächelns oder Schmunzelns wird hier geradezu stereotypisch wenig in Betracht gezogen. Horowitz / Menache, 178–186. 610 Jacques de Vitry rechtfertigt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts derartige Praktiken als Teil der Predigt mit dem Zusammengehen von Erbauung und Erholung, wobei ein Exemplum helfen könne, das Publikum vor dem Einschlafen zu bewahren. Berlioz ergänzt das Quellenzitat um die Aussage, dass es Grobheiten, Derbes und Obszönes zu meiden gelte, weshalb eine entsprechende Wirkung unter Verwendung von Komik und Humor erzielt werden könne. Er deutet die Textstelle als eine Rechtfertigung, Komik und Humor als probates Mittel verwenden zu dürfen. Es ist aber nicht ganz eindeutig, ob Jacques de Vitry dies im Sinn hatte oder ob lediglich die Anschaulichkeit von Exempel bei den Zuhörern eine größere Aufmerksamkeit erzielte. Vgl. Berlioz / Lecoy de la Marche, S. 7. Der Imperativ des Predigtstils liegt auf der Erbauung. Die Bettelorden als Predigerorden waren prädestiniert, sich die aristotelische und ciceronische Rhetoriktradition zunutze zu machen, um Aufmerksamkeit und Sympathie zu gewinnen. Horowitz/ Menache, S. 64–68. Merceron sieht daher eine neue Phase des Umgangs mit dem Lachen und des „Lachen machen“ im 12. Jahrhundert durch Geistliche, besonders Dominikaner und Franziskaner. Vgl. Merceron, S. 104. 611 In diese Richtung scheinen auch die Ausführungen von Caesarius von Heisterbach in seinem Werk „Dialogus miraculorum“ zu weisen, mit denen er eine Rechtfertigung dafür sucht, durch das Mokieren über das Volk selbiges zu bessern. Dies gelte ebenso für die Geistlichen, die sich auf diese Weise zum Objekt der Belustigung und zugleich der Belehrung machten. Niemand ist frei von Fehlern (in der Beichtpraxis erteilten Geistliche Ratschläge, „durch welche Lebensweise man sich von den Sünden fernhalten konnte“. Freimuth, S. 176.), daher kann über alle Akteure beziehungsweise über das moralisch Verwerfliche gelacht werden. Die Frommen und vielmehr noch das Heilige sind für jeglichen Spott tabuisiert. Dies wurde auch in einem vorher behandelten Predigtbeispiel deutlich, wo ein Laienschausteller in der Kreuzigungsszene nach den Worten des Christusdarstellers „Ich habe Durst!“ „Ich auch!“ ausrief. Das Publikum wird nicht bestraft, wohl aber der Laienschauspieler. Dieses Exemplum weist die Laien auf das rechte und fromme Verhalten beim Lachen hin. Horowitz/ Menache, S. 179. 612 So wird Kritik bei Jean Clérée laut: Er beschuldigt die Vertreter der zum Lachen erregenden Predigtweise weniger wie sündhafte Gläubige aufzutreten, sondern vielmehr wie Spaßmacher und nette Gefährten, die angenehme Dinge sagen und sich auf der Kanzel mehr wie Schausteller und Jongleure verhalten. „He corda indurata, dum modo habeatis praedicatorem iocundum, ac bonum socium, placentia loquentem, qui stet cathedra, ac si esset histrio, vel ioculator, qui en mensa velit vobis esse consocius, facere bonum vultum in prandio, et in coena, ac si nullum esset ieiunium: tunc esset talis praedicator vobis acceptus et bonus praedicator: quia non facit viam paradisi, tam arctam sicut alli.“ Martin, S. 211. Ähnlichen Anstoß nimmt das Konzil von Sens im Jahre 1528, welches lachhafte Erzählungen, Geschichtchen über bonne femme, aniles fabulae und alles, was zum Ziel und als Ergebnis die Provokation des Lachens hat, verbietet und unter die Strafe der Exkommunikation stellt. „Quod si secus fecerint, aut si populum more scurrarum vilissimorum, dum ridiculas & aniles fabulas recitant, ad risus cachinnationesque excitaverint: aut, quod deterius est, si prælatis ecclesiæ, principibus, sacerdotibusque detraxerint, ac tandem populum ab obedientia superiorum retraxerint;

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Doch dies betrifft die Geistlichen, die kirchenrechtlich anders gestellt sind als die Laien. Laien lachen, aber Laien werden auch zum Objekt von Gelächter. Die folgenden Ereignisse wurden von einem Zeitgenossen des Heiligen Praeiectus, Bischof in Gallien, im 7. Jahrhundert festgehalten: Zu Osterfestlichkeiten waren weltliche und adelige Männer geladen, unter ihnen auch drei, die sich des Fleischs enthielten. Sie wurden von den anderen anwesenden weltlichen Männern ausgelacht, cum eos seculares viri irriderent und regelrecht mit Lachern und Beschimpfungen beworfen, risus atque opprobria iactitarent. Praeiectus wies sie zurecht, dass sie die Verlachten eigentlich zu ehren schuldig seien und sie nicht ihr Lachen ertönen lassen sollten, irridendo non increparent. Doch als die weltlichen Männer sich davon ganz unbeeindruckt zeigten, stürzte der Estrich der Terrasse mit den Verlachenden, cum irrisoribus, ein. Praeiectus blieb mit den Bußfertigen am Tisch sitzend zurück. 613 Die Verlachten sind fastende Laien, für die der Heilige gegenüber den respektlosen Spöttern eintritt. Die Konfrontation besteht demnach nicht zwischen Heiligem und Laien, sondern zwischen Personen mit verschieden zu bewertendem Verhalten. Möglicherweise werden die fastenden Laien in gewisser Weise durch diese Askesepraxis dem Sakralen zugerechnet, weshalb ein Gegensatz durch den Begriff seculares erst herausgestellt werden kann. Der Heilige wird als Verteidiger der Frömmigkeit gegenüber den unfrommen teils adeligen Weltlichen hervorgehoben. Durch das Erdulden des Lachens können Laien aber Christus ähnlich werden. eumdemque absolutione decimarum ac aliorum, ad quæ jure divino & positivo sunt omnes obstricti, abalienaverint: nos volumus tales tam ineptos & perniciosos concionatores ab of cio prædicationis suspendi, & a suis superioribus pro modo & mensura excessus acriter puniri. Per præsens tamen statutum non intendimus derogare Clementinæ, Dudum.“ Concilium Senonense, col. 1190. Menache und Horowitz sehen dies im Kontext einer Sensibilisierung gegenüber derartigen Missbräuchen und als anstößig empfundenen Praktiken Ende des 14. und im gesamten 15. Jahrhundert. Horowitz/ Menache, S. 75. Erinnert sei an dieser Stelle nochmals an Robert de Basevorn, der 1322 in einer Umdeutung des Decretums für die Verwendung von zum Lachen provozierenden Geschichten oder Anekdoten eingetreten war, sofern sie nicht heidnischen Ursprungs seien. Robertus de Basevorn, S. 320. Konträr zu den meisten Belegen ist jedoch die Behauptung, dass „erst durch die völlige Ablösung des geistlichen Spiels von Liturgie, lateinischer Sprache und Gesang und durch den Übergang zur Volkssprache [. . . ] der Weg zu einer komischen Ausgestaltung frei“ ist. Die Komik (!) im geistlichen Spiel ordnet Wehrli ein zwischen „mittelalterlicher Stillosigkeit, Naivität, volkstümliche Entartung, buntes episches Theater“, S. 25. Wobei Wehrli auch weiter anmerkt: „Es scheint nun wichtig, in diesem Prozeß des Hinaustretens vor die Kirche und unter das Volk und dessen Sprache nicht zum vornherein eine Degeneration oder auch nur Säkularisation zu sehen, also eine Verlust geistlicher Verbindlichkeit und religiösen Ernsts zugunsten von bloßer Unterhaltung oder reinem Unfug.“, Wehrli, S. 24. 613 AS, Jan. II=III, Dies 25, Praeiectus, Episcopus Arvernensis Martyr in Gallia, et al., Alia Vita Auctore Coaetano Anonymo, cap. 1, pag. 634, 8.

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Die Bedeutung der Frömmigkeit im Zusammenhang mit dem Lachen wird in eindringlichen Bildern vermittelt, wie in der Vita von Robert von Molesme, Abt und Gründer des Zisterzienserordens. In einem Schreiben an Papst Honorius III., das zur Kanonisation des Heiligen Robert 1222 beitragen sollte, wird von einem Zeugen, einem Magister Simon Presbyter, ausgesagt, dass ein Laie, quidam laicus, den ehrwürdigen Vater verhöhnte und dessen Wunder verlachte, et ejus miracula irridens. Den folgenden Tag ist er von zwei Soldaten getötet worden. 614 Dies ist aber nicht als eine weltliche Strafe zu interpretieren, sondern vielmehr als eine göttliche. 615 Unfromme Taten wie das Lachen über Wunder können ohne Reue und Umkehr den Tod zur Folge haben. 616 Der Status der Laien wird jeweils expressis verbis betont, 617 jedoch um zu zeigen, dass allein die fromme Haltung einen Unterschied macht. Die Laien haben demnach Verfügungsmacht über ihr Lachen und dessen Konsequenzen. Bezüglich des Lachens der Laien gibt es keine Vorbehalte aufgrund ihres Status als Laien, sondern lediglich wie weiter oben gezeigt hinsichtlich der Kontexte, in denen ein Lachen unangemessen ist, der sakralen Objekte, Orte und Zeiten, aber vor allem spielt die innere Haltung gegenüber dem Sakralen eine Rolle.

614 Apr. III, Dies 29, S. Robertus, Abbas Molismensis et Fundator Ordinis Cisterciensis, Processus Canonizationis, pag. 677, col. E, 28. 615 Ähnliches ndet sich auch andernorts, so hat Shippey für einige Beispiele angelsächsischen Humors herausgefunden, dass „[l]aughing in Old English poetry is in fact a dangerous business, and the only characters who seem to get away with it are those who have some form of divine sanction“, so dass es eine Unterscheidung gibt zwischen „justi ed laughter and (more common and more prominent) foolish laughter“ und dass sich daraus eine weitere soziale Distinktionsmöglichkeit ergibt, nämlich „[l]aughing at people who are not able to tell the difference between the two situations [right / realistic, wrong / mistaken] – and this means most people, or most people outside the privileged audience who know the answer“ und „a characteristic part of Anglo-Saxon humor is grim amusement from the wise at the expense of those who cannot understand words and not share their vision of reality“, Shippey, S. 38 u. 48. 616 Die Eindringlichkeit wird weiter noch herbeigeführt dadurch, dass der Fall noch von einem weiteren Zeugen namens Jakobus bestätigt wird. 617 In den hier hauptsächlich untersuchten Viten ist nur sehr punktuell expressis verbis von Laien beziehungsweise säkularen Akteuren die Rede, viel häu ger sind laikale Akteure nicht in besonderem Maße als solche hervorgehoben, sondern sind als Personen der lebensweltlichen Mitwelt der Heiligen vielfach nicht näher umschrieben. Sie begegnen den Heiligen als Personen des Alltags. So haben die bisherigen Beispiele der vorherigen Kapitel, Männer, Frauen und Kinder, die nicht dem geistlichen Stand angehören, als lachend oder verlachend dargestellt und je nach Art, Motiv und Kontext das Lachen positiv, neutral oder negativ bewertet.

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3.3.2.2 Geistliche im Allgemeinen

Die Geistlichen sind in Bezug auf das Lachen Akteure, die über das Lachen schreiben, Normen vor- und weitergeben und zudem einen lebensweltlichen Bezug zum Lachen haben. Sie sind dabei keinesfalls eine homogene Gruppe. An dieser Stelle sollen die Geistlichen als Theologen betrachtet werden, als Akteure, die sich selbst Regeln auferlegen und auch in weiteren Quellengattungen als Geistliche andere Geistliche adressieren. Im vorliegenden Kontext ist zu konstatieren, dass der erreichte Bildungsgrad im dia- und synchronen Vergleich recht unterschiedlich ausfällt. Theologische Grundlagen im Umgang mit dem Lachen müssen nicht notwendigerweise in ihrer ganzen Bandbreite als gemeinsame Wissensgrundlage gelten. Ähnliches gilt für die Möglichkeiten des Rückgriffs auf das bestehende Traditionsgut, besonders der Antike. In der Zusammenschau des Quellenmaterials zeigt sich, dass die Zuordnung zu einer Textgattung für die Darstellung und Bewertung des Lachens relevanter ist als ihre zeitliche Verortung oder gar Einbettung in einen vermeintlichen Gesamtentwurf des Lachens. Die Geistlichen tun sich als Exegeten, Kommentatoren und Kompilatoren hervor. Als Akteure geben sie ihr Wissen in Form von kurzen Sentenzen bis hin zu komplexen scholastischen Erörterungen wieder. Distinktionstendenzen werden sowohl in theoretischen Schriften als auch in kirchenrechtlichen Verordnungen re ektiert. In Briefen von und für Geistliche nden die theoretischen Überlegungen zum Teil spielerische Anwendung. Je nach Textgattung sind die Geistlichen an Autoritäten und Textkonventionen unterschiedlich stark gebunden. Vielfach lässt sich ein Ausloten der jeweiligen Möglichkeiten durch die Akteure erkennen, wodurch sie auch übliche Konventionen zu überschreiben suchen und neue erzeugen. Als Akteure in der Auseinandersetzung mit der biblischen Tradition orientieren sich die Bibelexegeten und -kommentatoren meist streng an der Vorlage, insofern sie die vorgegebenen Bewertungen übernehmen und nicht Material aus anderen Traditionslinien aufnehmen. Aufgrund des umfangreichen Materials der Bibel als Ausgangspunkt gibt es eine größere Anzahl an alttestamentlichen als neutestamentlichen Exegesen. In Ergänzung zu den im zweiten Kapitel erörterten Bibelkommentaren seien hier exemplarisch zwei andere Beispiele genannt. Alkuin versucht in einem Kommentar eine Ätiologie des Namens von Isaak, wobei seine Überlegungen ihn zu der Annahme zweier unterschiedlicher Qualitäten des Lachens führen. Er stellt die Arten in einen eindeutigen Zusammenhang mit der hinter dem Lachen liegenden Haltung von Frömmigkeit und Unglauben. 618 Rupert von Deutz nutzt eine andere Bibelstelle, um das 618 Der von Karl dem Großen 781 an den Hof berufene Gelehrte Alkuin bringt in seinem Kommentar der Erzählung von Abraham und Sara das Argument der unterschiedlichen Qualität des Lachens: Abrahams Lachen erhält ein Lob, Saras Lachen wird in der biblischen Vorlage verurteilt. Die Bibelstelle wirft die Frage auf, warum das Lachen unterschiedlich aufgefasst wird, warum es verschiedene Konsequenzen nach sich zieht. Die Erklärung dafür liege in dem Unterschied der bedingungslosen Verehrung Gottes bei Abraham und dessen Lachen

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Lachen der Feinde Israels in ein Lachen des Teufels umzudeuten. 619 Wie bereits in Auseinandersetzung mit der biblischen Überlieferung gezeigt, sind die alt- wie auch neutestamentlichen Bewertungen des Lachens zugespitzt auf die Frage nach dem lachenden Akteur. Dabei ist der Nichtlachende oder Verlachte eher auf der sicheren Seite der Frommen und Gerechten. Es ist jedoch äußerste Vorsicht geboten, mittels der Bibelkommentare eine allgemeine Position der Kirche zum Lachen herauszuarbeiten, da die Bibelstellen wie gezeigt den Exegeten und Kommentatoren einen bestimmten Rahmen der Interpretation vorgeben. Bisweilen fallen sie auch derart knapp aus, dass sich daraus keine lebensweltlichen Handlungsanweisungen ableiten lassen. Gleiches gilt für die Bewertung, wie hier die ältere Quelle positives und negatives Lachen unterscheidet, die jüngere eine radikale Ablehnung des Lachens im Diesseits vornimmt. Anhand der Bibelauslegung lässt sich kaum eine Entwicklung nachzeichnen, da sich die Autoren wie gezeigt sehr stark am Ausgangsmaterial orientieren. als Ausdruck seiner frommen Freude und den Zweifeln an der Allmacht Gottes und dem Mangel an Vertrauen bei Sara. „Quare [autem] Sarram ridentem redarguit Dominus, (cum Abraham riserit et illum non redarguit)? [Quia] risus Abrahae admirationis et laetitiae fuit, Sarrae autem dubitationis et dif dentiae, quod ab illo dijudicari potuit, qui cordia hominum novit.“ Alcuin: Interrogationes et responsiones in Genesim, 540A. Daher käme für die Namensgebung Isaaks („Er lacht“) nur das Lachen Abrahams in Frage. „Ideo prae gaudio ridentis Abrahæ lius dicebatur Isaac. [Nam] risus iste in bono accipi debet, ut in Evangelio: Beati qui lugent nunc, quoniam ipsi ridebunt (Matth. V)“ Alcuin: Interrogationes et responsiones in Genesim, 539D–540A. Die Annahme einer positiven Bewertung wird problematischerweise mit der Seligpreisung aus Matthäus verknüpft. Möglicherweise liegt hier ein Zirkelschluss vor: Das diesseitige Lachen ist schlecht, selig sind, die nun trauern, also kann es so in der Stelle aus Exodus nicht gemeint sein. Der Name Isaaks muss positiv zu verstehen sein, daher kann es sich nur auf die Verheißung beziehen, dass die nun Trauernden, lachen werden. Dies entspricht der Gesamtaussage der Erzählung um Abraham und Isaak von Gottes Verheißung und Erfüllung. Die Grundlage für den Versuch einer Ätiologie sind die biblischen Spekulationen zu dem Namen von Isaak. Alkuin versucht hier also Informationslücken zu schließen, die sich bei der Bibellektüre dieser Textpassagen ergeben, warum Lachen einmal positiv und einmal negativ bewertet werden kann. 619 Die Textpassage aus dem Buch Habakuk lässt keine positive Deutung des Lachens zu, da es den Feinden, den heidnischen Chaldäern zugeordnet ist. Abt Rupert von Deutz kommentiert im 11./12. Jahrhundert entsprechend dem Schema, überträgt es und erklärt den Teufel zum einzigen, der jetzt lache, wenn er erfolgreich die Gläubigen hintergangen habe. Diese Verknüpfung zum Teufel als dem gottlosen Widerpart steht im Einklang mit der stark christozentrischen Geschichtstheologie. Dem nicht-lachenden Christus ist der lachende Teufel gegenübergestellt. Der Benediktiner aus Lüttich, der zum Gregorianer und Anhänger der spätcluniazensischen Reform wurde, ist sicherlich als ein Glaubenseiferer zu verstehen. Wegen seiner kritischen Rezeption der Vätertheologie geriet er in Kon ikt mit Gelehrten seiner Zeit. Im vorliegenden Fall liefert Rupert aber keinesfalls eine ungewöhnliche Exegese. „[. . . ] et manifestum est quia diabolus ibi habuit unde rideret.“ „Quanto putas risu diabolus risit in talibus, et si in cæteris quoque gentibus habuit unde rideret [. . . ]“ Rupert 〈von Deutz〉: In Habacuc prophetam commentaria, I, 600.

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Für die geistlichen Akteure gab es jedoch einen Bedarf nach einer Zusammenstellung aller relevanten Bibelstellen zum Lachen, welchem Defensor von Ligugé nachgekommen ist. Als Mönch des Martinsklosters von Ligugé bei Poitiers erstellte er in seinem moralischen Florileg, dem „Liber scintillarum“, eine der umfassendsten Zitatsammlungen zum Thema. Die zwölf aufgeführten Bibelzitate 620 werden durch Worte der Kirchenväter ergänzt. Besonders häu g zitiert sind in dem eigens dem Lachen und Weinen gewidmeten Kapitel 54 „De risu et etu“ neben Augustinus, Hieronymus, Mönchspapst Gregor der Große in einem ungleich längeren Abschnitt Basilius. 621 Die Schrift kursierte, häu g ohne Prolog und daher mit Zuschreibung zu anderen Verfassern, während des gesamten Mittelalters und wurde abgeschrieben, umgearbeitet und exzerpiert. 622 Defensor legte mit seiner Sammlung den Grundstein für einen regelrechten Quellenfundus zum Thema des Lachens. 623 Er listet wie Basilius die gefundenen Zitate, die die Freude und implizit das Lachen bejahen, neben solchen, die häu g ganz explizit das Lachen strengstens verurteilten. 624 Das Interesse an diesem Kompendium kam hauptsächlich aus Ordenskreisen. Auffällig ist, dass die unterschiedlichen Begriffe des Lachens und der Freude durch Zitate zu Spott und Scherzen komplementiert sind. 625 Weiter werden das unangemessene Lachen und der unangemessene Witz abgelehnt. Jedoch deutet eben diese begriffliche Vermengung wiederum auf ein umfassenderes Problem hin als die bloße Äußerung des Lachens. 626 Anhand von Sentenzen wird deutlich, dass antikes Traditionsgut nicht durch die Jahrhunderte hindurch zunächst unberücksichtigt blieb und erst spät seine Würdigung fand. Kurze Sentenzen entsprangen nicht nur dem Bibelstudium, sondern auch der Beschäftigung mit anderen Schriften. Abaelards Glossen zu Porphyrios, um das Jahr 1120 verfasst, weisen auf die Selbstverständlichkeit der verbreiteten Schullehre der risibilitas als einer den Menschen de nierenden Eigenschaft hin. Wie bereits erwähnt 620 Spr 10,23; 14,6; 14,13; 15,13; 15,30; 17,22; 19,29; Sir 21,23; Mt 5,4; Lk 6,25; 2 Kor 13,11; Jak 4,9. 621 Defensor: Scintillarum Liber, 685 f. 622 Insbesondere die Kenntnis von Isidor zusammen mit dem Beginn der handschriftlichen Verbreitung des Werks lässt eine Datierung für das 7., spätestens für die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts zu. 623 So verbreiteten sich die unter anderem bei ihm aufgeführten Bibelstellen Jakobus 4,9 sowie Sprüche 14,13 und 10,23 stark in der Debatte über das Lachen. Vgl. dazu Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 101. 624 Vgl. Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 62. 625 (Sub-)ridere / risus, gaudere / gaudium, læti care / lætitia, hilaritas, felicitas, deridere / derisor / derisus, jocari / jocus. 626 Man darf nicht vergessen, dass Defensor von Ligugé sein Werk zu einer Zeit abfasste, in der die Vorstellung des irdischen Tränentals äußerst präsent war. Das Beispiel von Defensor zeigt die Kontinuität zwischen der Zeit der Kirchenväter und der der mittelalterlichen Gelehrten und bietet eine grundsätzlich von unterschiedlichen theologischen Strömungen verwertbare Grundlage.

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fand sich die Aussage zur risibilitas nicht erst in späteren fast formelhaft verwendeten De nitionen sowohl der Dialektik als auch der Rhetorik, sondern bereits bei Egbert von Lüttich, der dies um das Jahr 1023 mit dem Topos des nicht-lachenden Christus und der Weisheit verbunden hatte. Neben diesen knappen Äußerungen gab es auch umfassendere Werke, die ebenso für die Lehre an Schulen und Universitäten gedacht waren. In den entsprechenden Schriften von Petrus Cantor, Alanus ab Insulis, Giraldus Cambrensis 627 und Thomas von Aquin wird das Thema des Lachens in seiner Breite entfaltet und das gelehrte Wissen unterschiedlicher Provenienz gebündelt präsentiert. 628 Es ist kein Zufall, dass diese Schriften aus der Zeit des ausgehenden 12. Jahrhunderts bis zum 13. Jahrhundert stammen, der Zeit der Scholastik, des Rationalitätsschubes und der verstärkten Aristoteles-Rezeption. Die umfassenden Auseinandersetzungen spiegeln einen fortwährenden Klärungsbedarf der Geistlichen wider und zeigen, dass das Thema des Lachens für sie nicht an Relevanz verloren hat. Die gelehrtesten Köpfe arbeiteten sich daran in dem speziellen sozialen Feld von Schule und Universität auf theoretischer Ebene ab. Petrus Cantor brachte einen neuen Aspekt in die Diskussion über Christus und das Lachen ein. Er fragte sich, ob Christus lachen konnte. Das Sujet der risibilitas aus der antiken Überlieferung verwendet Petrus wie selbstverständlich. 629 Die Frage, ob man nun la627 Wenig Neues liefert Giraldus Cambrensis Ende des 12. Jahrhunderts. Er ist dennoch kurz zu erwähnen, da er bekannte Aussagen weitertradiert und für deren Verbreitung auch im geographischen Sinne sorgt. Giraldus war unter anderem Student von Petrus Cantor in Paris, bevor er in seiner englischen Heimat im kirchlich-adligen Rahmen schriftstellerisch tätig wurde. Wie sein Lehrer Petrus Cantor vor ihm ging Giraldus auch auf eine Schrift von Bernhard von Clairvaux ein. In seinem Werk „Gemma ecclesiastica“ zitierte er fast wörtlich aus „De consideratione“ und stellte sich in die auf Ivo von Chartres zurückreichende Tradition der strikten Trennung von geistlichem und weltlichem Bereich in Bezug auf das Scherzen. Mit der Aussage, Scherze im Munde eines Geistlichen seien Blasphemie, steht er sicherlich auch den Überlegungen seines Lehrers Petrus Cantor nahe, schöpft aber weder die Ausführungen seines Lehrers noch die von Bernhard von Clairvaux aus. Giraldus Cambrensis ist also ein gutes Beispiel, wie die Lehrsätze und Ideen der Distinktion in Bezug auf das Scherzen beinahe formelhaft weitergegeben werden. 628 Johannes de Garlandia widmete sich im 13. Jahrhundert, wenngleich auch nur knapp, der Behandlung komischen Stoffes in seinem Werk „Poetria“. Der Ein uss der „Artes dictandi“, lateinischer didaktischer Texte über Stilregeln mit entsprechenden Mustertexten, ist in dieser umfassenden Stil- und Dichtungslehre zu erkennen. 629 Die gesamte Erörterung des Lachens umfasst die Hälfte des Kapitels über das Maßhalten in seinem an Kleriker gerichteten moralischen Ratgeber „Verbum abbreviatum“ von circa 1187. Die anfängliche Zusammenstellung von Bibelzitaten zielt auf das Gegensatzpaar des Narren und des Weisen ab. Dabei ergänzt Petrus die Stelle aus Spr 15,13 um das Wort sanctorum „Cor ‚sanctorum` gaudens exhilarat faciem.“ Petrus Cantor: Verbum abbreviatum, cap. 67, 203.), das sich freuende Herz heitert das Gesicht „der Heiligen“ auf, um eine Gleichsetzung von Weisen und Heiligen zu erzielen. Verwendete Textpassagen aus Schriften Bernhards de Clairvaux führen diesen Gedanken weiter: Das Beispiel des Heiligen Malachias hebt auf das

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chen dürfe oder es besser unterlässt, beantwortet Petrus unter Zuhilfenahme mehrerer Schriftzitate, die sich assoziativ in die Argumentation einfügen. 630 Die vorgenommenen Differenzierungen beziehen sich auf die Heiligkeit des Subjekts, indem sogar ein sanctorum in eine Bibelstelle eingeschoben wird. Neben dieses Schema treten weitere, nämlich das der Unterscheidung der Art von Lachen und Lächeln, das von Maßhalten und Vermeidung der Extreme, auch des Weinens. Letztere ist erstaunlich, da die neutestamentliche Warnung zitiert ist, welche darauf verweist, dass ein diesseitiges Weinen ein jenseitiges Lachen beschert und umgekehrt. Das Lachen des Geistes, die innere Haltung sowie die Häu gkeit des Lachens sind weitere Beobachtungsgegenstände. Petrus Cantor liefert mit seiner Erörterung weniger eine klare Empfehlung ab als vielmehr ein Instrumentarium für eine scholastische Auseinandersetzung. Dabei eröffnen die scholastischen Methoden zugleich Wege, durch Ergänzungen zu Schriftzitaten Bedeutungsverschiebungen zu erreichen und dadurch dem Lachen selbst durch Bibelstellen zu noch mehr Legitimität zu verhelfen. Ähnlich geht Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert vor, als er in seinem umfassenden Werk „Summa theologica“ das Verhältnis von risibilitas 631 und Tugendhaftigkeit in dialektischer Weise zu ergründen sucht. Der natürlichen Gabe des Menschen, der Körperbewegung des Lachens, steht die erworbene moralische Tugend gegenüber. Diese dient der verstandesmäßigen Regelung der mangelhaften körperlichen Anlagen, diszipliniert und verbessert mittels ordinatio das Verhalten, bis es den Umständen angemessen ist. Die Beurteilung eines Menschen erfolgt anhand seines Verhaltens, welches Anzeichen für die Zügelung der Leidenschaften und auch für die seelische

Maßhalten ab, das aus der Totenrede führt mit den Wehrufen aus Lukas hin zu der Kernfrage der risibilitas Christi. Dies bejaht Petrus aufgrund des Menschseins Christi, der auf diese Weise alle menschlichen Mängel angenommen habe und daher auch die Fähigkeit zu lachen besaß. Christus konnte es, aber es ist nirgends davon zu lesen, dass er davon Gebrauch machte. „Et Dominus ter evisse legitur, sed nunquam risisse, qui ait: ‚Vae vobis, qui hic ridetis, quoniam lugebitis`.“ „Quomodo ergo eo [gemeint ist: risibilitas, Anm. d. Verf.] uti non potuit? Forte potuit, sed non legitur eo usus fuisse“, Petrus Cantor: Verbum abbreviatum, LXVII, 203C–D. 630 Ein Lachen, welches andauernd erfolgt, macht sich verdächtig, nicht ein Zeichen von Jubel zu sein, sondern von verborgenen, hinterhältigen Absichten, von Blendung und Übel. „Risus autem moderatus, si continuus fuerit, suspectus tibi habeatur.“ Petrus Cantor: Verbum abbreviatum, cap. 67, 203D. Die aufgeworfene Frage nach Christi Fähigkeit zu lachen ist insofern bedeutsam, als die Beherrschung des Lachens durch Christus und die Heiligen nur als Tugend anerkannt werden, wenn sie überhaupt zu lachen fähig waren. Petrus Cantor braucht dabei risus capax Christi nicht zu beweisen, denn es ist Voraussetzung der Inkarnationslehre. Vgl. Resnick, S. 99. 631 Thomas 〈von Aquin〉: Summa theologica, Iª q. 44 a. 1 ad 1; Iª – Iiae q.2 a 6 co.; Iª – Iiae q. 51 a 1 co. In den Abschnitten IIIª q. 24 art. 2 ad 2 und IIIª q. 16 art. 5. kommt Thomas indirekt auf die risibilitas Christi zu sprechen.

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Verfassung ist. 632 Soweit enthalten die Ausführungen bei Thomas von Aquin noch keine Besonderheiten. Doch der Umfang der Erörterung und vor allem die Interpretationsfreiheiten verdienen Aufmerksamkeit. Im Zusammenhang mit dem Argument der Entspannung werden zehn antiken Belegen sieben christliche gegenübergestellt, wobei nur zwei der christlichen Zitate positiv gegenüber dem Aspekt der Entspannung eingestellt sind. Die scheinbar ablehnende Haltung von Ambrosius, Chrysostomus und Aristoteles tut der Bejahung keinen Abbruch. Die Gegenargumente sucht Thomas durch Widerlegung und Uminterpretation zu entkräften. So zitiert er aus dem Werk „De of ciis ministrorum“ von Ambrosius einen Einwand gegen seine eigene These, Tugendhaftigkeit könne sich im Spiel äußern. Der Widerspruch wird mit der Behauptung aufgelöst, Ambrosius habe den Scherz nicht generell aus dem menschlichen Leben, sondern nur aus der doctrina sacra, aus der kirchlichen Lehre, ausgeschlossen. 633 Mit diesen Worten ersetzt Thomas die Formulierung regula ecclesiastica bei Ambrosius. Derart will Thomas den Ausschluss nicht von der geistlichen Lebensweise, sondern lediglich aus der heiligen Lehre, also aus Theologie und Predigt verstanden wissen. Aus der Einschränkung des Verbots ergibt sich eine Ausweitung des Geltungsbereichs von Witzen. 634 Thomas von Aquin trifft eine für seine Beurteilung 632 Von diesen Ansichten ausgehend behandelt Thomas Spiel, Scherz sowie die histriones und ihre Darbietungen, wobei er die Rechtfertigung von Spiel und Scherz als Mittel der Entspannung von Augustinus übernimmt. „Volo tandem tibi parcas [. . . ] nam sapienter, remittere interdum aciem rebus agendis decenter intentam.“ Augustinus: De musica, II, 14, pag. 1116. Dem körperlichen Schlaf müsse eine quies animae, eine Ruhe des Geistes, entsprechen, der nicht wie ein Bogen ständig gespannt sein könne. Daher seien auch weise und tugendhafte Männer zu nden, die in ihren Worten und Handlungen ludicra, Spielereien, und iocosa, Scherzhaftem, Ausdruck verleihen. Thomas 〈von Aquin〉: Summa theologica, IIª – II ae q. 168 a. 2 s. c. sowie 168 a. 2 co. Indem Entspannung für den Menschen eine Notwendigkeit darstellt, ist es durch die Vernunft geboten, dem nachzugehen. In einer knappen Zusammenfassung aller antiken Gesetze rechtfertigt Thomas die Kurzweil im Rahmen des rechten Maßes und mit den üblichen Einschränkungen bezüglich der Angemessenheit. Thomas 〈von Aquin〉: Summa theologica, IIª – II ae q. 168 a. 2 co. Hauptsächlich bezieht er sich dabei auf Ciceros „De of ciis“. Die Bogen-Metapher ndet sich auch bei Johannes von Voragine, Johannes Chrysostomus sowie Cassian und geht letztlich auf Herodot zurück. Vgl. Ferm, Olle: Laughter and the Medieval Church, 2017, S. 170. 633 „Unde Ambrosius non excludit universaliter iocum ad conversatione humana, sed a doctrina sacra.“ Thomas 〈von Aquin〉: Summa theologica, IIª – II ae q. 168 a. 2 ad 1. 634 Ähnlich verfährt Thomas bei der Auslegung von Chrysostomus. Die scharfe Verurteilung von Scherz und spectacula, Schauspiel, entspricht durch die Korrektur, der Kirchenvater habe sich auf die Regellosigkeit bezogen und keine allgemeine Aussage getroffen, nicht mehr dem Original. Auch Augustinus' Ablehnung der Unterstützung von Schauspielern als Sünde wird durch Thomas von Aquin entfremdet. Aber nicht nur die christlichen Vorlagen werden in dieser Weise bearbeitet. Mit der Übersetzung von Eutrapelie als iocunditas, auf Deutsch Annehmlichkeit, Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit oder Fröhlichkeit, trifft Thomas nicht die aristotelische Aussage, der damit eine ehrenhafte Tugend meint, die den feinsinnigen und ge-

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von Spiel, Scherz und Witz geeignete Auswahl der Belege und interpretiert sie meist um zur Entkräftung aller gegen seine Position gerichteten Einwände. Bisweilen sehr ungenau vorgenommene Interpretationen helfen ihm dabei. Thomas als Akteur der Scholastik folgt nicht den vorgegebenen Richtlinien, sondern sucht eine Abmilderung der bestehenden Einschätzungen von Unterhaltung und Scherz zu erreichen. So erstaunlich die mutigen Uminterpretationen sein mögen, die Konsequenzen, die Thomas von Aquin daraus zieht, sind es umso mehr. Spiel und Scherz erfahren eine deutliche Zustimmung im Rahmen von vernunftgemäßer Tugend. Die Frage, ob ein Übermaß eine Sünde sein könne, wird bejaht, denn es bedeute ein Überschreiten der von der Vernunft abgesteckten Grenzen in Richtung des Zuviels. Die Frage, ob ein Zuwenig, ein Fehlen von Spiel irgendeine Sünde enthalte, bejaht Thomas aber ebenso. Da das Spiel der Entspannung diene, sei es vernünftig und keineswegs fehlerhaft. Nicht zur allgemeinen Freude beizutragen und die Kurzweil anderer zu stören, sei mit Aristoteles Worten griesgrämig und bäurisch. 635 Bei Thomas von Aquin werden also beide Abweichungen von der tugendhaften Mitte als fehlerhaft angesehen, das Übermaß gilt jedoch als tadelnswerter. 636 Thomas von Aquin geht über seine theologischen Vorgänger hinaus, indem er expressis verbis die geregelte Scherzhaftigkeit als Tugend und damit als Anstrengung des Einzelnen nicht nur als tolerierbar beurteilt, sondern sie auch für unerlässlich erklärt. Von einer festen Integration der aristotelischen Ethik als Bestandteil der christlichen Ethik durch Thomas von Aquin zu sprechen, trifft nicht so sehr auf die inhaltliche Ebene zu. 637 Vielmehr wird die Aufhebung des frappanten Widerspruchs auf dem Wege der Methode, der Interpretation von Lehrmeinungen bildeten Witz eines exiblen und gewandten Geistes umfasst. Eutrapelie ist für Thomas die Fähigkeit, Worte und Geschehnisse in Trost und Linderung zu verwandeln. „Et dicitur aliquis eutrapelus a bona versione, quia scilicet bene convertit aliqua dicta vel facta in solatium.“ Thomas 〈von Aquin〉: Summa theologica, IIª – II ae q. 168 a. 2 co. 635 Die weiteren Untersuchungen im Abschnitt zu Bildungsunterschieden scheinen darauf hinzudeuten, dass die Vorstellung von einem spezi sch bäurischen Lachen nicht mehr als die Übernahme eines Topos ist und bislang Belege für eine ausgefeiltere Lehrmeinung im Mittelalter hierzu fehlen. 636 Die Eutrapelie wird daher von Thomas als Tugend zwischen dem Zuviel und Zuwenig verstanden. Entspannung und Unterhaltung sollen keinem Selbstzweck dienen. Bezüglich der Menge wird die Salzmetapher bemüht, wie bei Speisen ein wenig Salz zum Würzen ausreichend ist. Beiläu g erfolgt eine Differenzierung der herkömmlichen strengen Einordnung des Witzes unter die verba otiosa, müßige, über üssige und nutzlose Worte. Dabei sind scherzhafte Worte eine lässliche Sünde, wenn sie ohne Nutzen gesagt werden. Wenn sie aber aus einem vernünftigen Grund hervorgebracht werden, dann sind sie weder Müßiggang noch Sünde. Gleiches gilt für das Spiel der unterhaltenden Berufe, welches von Thomas als nützlich befunden wird. Alles was nützlich ist, wird von erlaubten Berufen ausgeübt. Daher ist der Berufsstand der histriones, die Trost bringen, erlaubt und keineswegs sündig, wenn die Darbietungen maßvoll sind. 637 Bei Thomas von Aquin verbinden sich nicht verschiedene antike und christliche Positionen.

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erreicht. Im Unterschied zu Bibelkommentaren und kürzeren Sentenzen nimmt der Diskurs in den scholastischen Lehrwerken die Vielfalt des Traditionsmaterials in sich auf. In dem Bemühen von Thomas von Aquin stellt sich jedoch auch deutlich heraus, dass das eigentliche Lachen nicht im Zentrum der Debatte steht, welches es zu verteidigen gilt, für welches eine Erlaubnis einzuräumen wäre. Der Schauplatz der Erörterung bewegt sich wie selbstverständlich auf anderen Gebieten. Die scholastische Auseinandersetzung befasst sich nicht mit dem Lachen. Die Probleme scheinen in anderen Bereichen zu liegen. Vielmehr besteht ein Bedürfnis, die Bibelstellen neu bewerten zu können in Bezug auf Spiel, Scherz und Schauspiel. In diesem Bereich wird ein stärkerer Rückhalt durch die christlichen Autoritäten gesucht. Da ihre Bedeutung nicht gemindert ist, muss der Aussagegehalt einer Veränderung unterlaufen, um neuen Auffassungen zu entsprechen. Der Unvereinbarkeit mit antiken Idealen ist dabei nur auf dem Wege der Methode beizukommen. Die Textgattung der mittelalterlichen Bibelkommentare vermag im Gegensatz dazu die Verknüpfung zu antiken Positionen nicht zu leisten. Die Sentenzen tradieren sowohl die christliche Vorstellung vom Nicht-Lachen Christi und die antike der menschlichen risibilitas, in einem Fall nachweislich sogar verknüpft. Im Kontext der Scholastik entstand der geeignete Rahmen für eine breite und vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lachen, mit der Möglichkeit und auch dem Anspruch, das bekannte Wissen beider Traditionen zu vermitteln, zu verbinden und zu harmonisieren. Insgesamt ist die gelehrte Auseinandersetzung mit dem Lachen wesentlich vom christlichen Ideal geprägt. Insbesondere bei den biblischen Kommentaren ist es den Verfassern nicht möglich, sich in der Wertung stark von der Vorlage zu entfernen. Von den Textsorten des mittelalterlichen Lehrbetriebs auf eine allgemeine Haltung gegenüber dem Lachen zu schließen ist ebenso misslich, wie sie als Ausgangspunkt der Interpretation anderer Quellen zu verwenden. Sehr viel aufschlussreicher hingegen sind Werke, in denen geistliche Akteure von gängigen Vorstellungen abweichen und sich dadurch Differenzierungen und Neubewertungen ergeben. Alanus ab Insulis zeigt sich im Umgang mit der Thematik innovativ. Sein Werk „Anticlaudian“ schrieb er um 1182 mit dem Anspruch, dass es für Leser von unterschiedlichem Bildungsniveau von Nutzen sein könnte. 638 In mythologischen Bildern beschreibt Alanus den Plan der Natura, einen vollkommenen Menschen zu Die Lösung des Problems erfolgt bereits bei der Prämisse, die Vernunft als christliche Tugend in das Gedankengebäude einzu echten. 638 Das Geschriebene wortwörtlich verstanden, dem litteralis sensus nach, sollte man sich den Inhalten nähern können. Auf der nächsten Ebene gilt es, die moralische Unterweisung, die moralis instructio, zu verstehen und schließlich die allegoriæ subtilitas, die raf nierten Sinnbilder. Das Werk verwehre aber dem Leser den Zugang, die nur bei dem Eindruck der Bilder verharrten, ohne die Wahrheit mit dem Verstand zu begreifen: qui solam sensualitatis assequentes imaginem, rationis non appetunt veritatem. Alanus ab Insulis: Anticlaudianus, 487C.

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erschaffen. Da dieses Vorhaben über ihre eigene Kraft hinausgeht, holt sie ihre Schwestern zu einem Ratschluss zusammen. Dabei tritt auch risus nostre proscribens nubila mentis auf, das Lachen, welches im siebten Buch des Werks eingehender behandelt wird. Nachdem Prudentia, die Klugheit, mit der von Gott geschaffenen Seele auf die Erde zurückkehrt, übergibt sie das Himmelsgeschenk an die Natura. Diese formt aus den vier Elementen einen Körper vollkommener Schönheit. Concordia, Eintracht, p anzt die Seele in dauerhafter und harmonischer Art in den Körper ein, dass dieser sich nicht gegen den Geist wehrt und der Geist seinerseits nicht vom Körper angewidert ist, sondern sich der Herberge erfreut. Der neue Mensch wird von Copia, Favor, Iuventus und Risus beschenkt, also mit Vermögen, Gunst, Jugend und Lachen. Das Lachen ist jedoch kein Lachen des Spotts, des Neids, falscher Gefälligkeit oder Ausgelassenheit. Es ist ein Lachen der Würde und des bescheidenen Antlitzes, welches nicht durch schallendes Gelächter, durch den Missbrauch des Lachens entstellt ist. Das Werk zeigt deutlich nicht nur in Aufbau und Rahmenhandlung Kenntnis antiker Vorlagen, sondern auch in puncto naturgegebener risibilitas und Angemessenheit des Lachens. Auf diese Weise werden die antiken rhetorischen Vorstellungen mit den anthropologischen vereint. Herausragend an der Darstellung von Alanus ist nicht nur die positive Herausarbeitung der Körperlichkeit und des Lachens als von Natur gegeben, 639 sondern vor allem die Vorstellung der Vollkommenheit des Menschen, die hier nicht ohne das Lachen gedacht wird, zugleich aber auch nicht durch selbiges entstellt werden soll. Dieser Gedankengang spiegelt sich auch in Regeln wider, die die Geistlichkeit sich auferlegt mit dem Distinktionsbemühen, sich von den Laien zu unterscheiden. Dieses Distinktionsverhalten ndet in einem sozialen, politischen und religiösen Feld statt. Kirchenrechtliche Verordnungen haben von den hier analysierten Textgattungen den größten Wirkungsbereich und richten sich an Geistliche, um deren Verhalten zu regeln und ihre Würde als lachende Akteure zu wahren. Auf dem Pariser Konzil im Jahr 829 wurde festgehalten, dass es sich für Priester mehr schicke, zu trauern, als durch Possenreißerei, Albernheiten, Unschickliches und Nutzloses in schallendes Gelächter zu verfallen. In dieser Formulierung spiegelt sich die Vorstellung vom irdischen Tränental der Väterzeit wider. Der Gruppe der geweihten Männer ist diejenige der histriones und joculatores, der Schausteller und Spaßmacher, gegenübergestellt, von denen die Gefahr der vanitas und des weltlichen Frohsinns, der laetitia saecularis ausgeht. 640 Durch die Nennung von verschiedenen Akteuren wird die Distinktionsabsicht hier besonders deutlich. Der überwiegende Teil der Verordnungen beschäftigt sich jedoch weniger mit dem Lachen als vielmehr mit dem Scherz und weltlicher Unterhaltung. Die um 710 zu 639 In dem Kommentar von Smaragd von St-Mihiel zur Benediktsregel wird das Lachen als Teil der Natur des Menschen verstanden. Smaragd, S. 134, 20–23 und S. 188, 26–29. 640 „[. . . ] magis convenit lugere, quam ad scurrilitates & stultiloquia, & histrionum obscœnas jocationes, & ceteras vanitates [. . . ] in cachinnos ora dissolvere.“ Concilium Parisiense, 562.

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datierende Canones-Sammlung „Hibernensis“ 641 formuliert knapp, dass der Kleriker durch possenhafte und unsittliche scherzhafte Worte herabgestuft wird. 642 Derartiges Verhalten steht den Geistlichen nicht an und ist ihrer unwürdig. 643 Ähnliches ndet sich um 906 bei Abt Regino von Prüm, der sich für ein Verbot der Possenreißerei und der zum Lachen bewegenden Spaßmacherei für Kleriker und Mönche ausspricht. 644 Er unterschied dabei zwischen den für Laien geltenden antiken Idealen, die Vorbildcharakter für die Adeligen haben sollten, und christlichen Vorstellungen als den alleinigen Vorgaben für Geistliche. Daher verwarf Regino für Geistliche, nicht nur selbst Verursacher von Späßen zu sein, sondern auch den Spaßmachern zuzuhören, was die Geistlichen von ihren P ichten ablenke. Derartiges Verhalten ist demnach nicht nur des Amtes unwürdig, sondern auch hinderlich. 645 Die Abgrenzung der Geistlichkeit vom weltlichen Bereich ist demnach auch in den kirchenrechtlichen Bestimmungen eines der zentralen Anliegen. Für die Geistlichen gelten daher eigene Verhaltensnormen. 646 Die Geistlichen sind insgesamt sich selbst regulierende Akteure nicht nur in

641 Die Sammlung beruht auf den „Statuta ecclesiae antique“. 642 „Clericus scurrilis et verbis turpibus jocularis degradetur.“ Wasserschleben, Liber X, S. 34. Die Textstelle bezieht sich auf die Art der eigenen Rede, die eventuell auch Lachen hervorrufen kann. Im Zentrum der Ablehnung steht das Possenhafte und Unsittliche. 643 Als Übernahme der Formulierung aus den „Statuta ecclesiae antiqua“ stellt dieser Satz kein besonderes Kennzeichen des irischen Mönchtums dar, dessen Eigenheiten durchaus an anderer Stelle in dem auch im restlichen Westeuropa verbreiteten Werk zutage treten. Hinkmar von Reims geht in seinem Werk „Capitula ad presbyteros parochiae suae“ von 852 so weit, für ein Verbot der Anwesenheit Geistlicher bei weltlicher Unterhaltung zu werben. 644 „Si quis clericus aut monachus verba scurrilia, ioculatoria risumque moventia loquitur, acerrime corripiatur.“ „Clericos scurriles et verbis turpibus joculatores ab of cio detrahendos.“ Regino 〈von Prüm〉: Libellus de ecclesiasticis disciplinis, 220, CLI, CLII. Er griff in seinem Werk „De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis“ auf den ältesten kirchenrechtlichen Kodex des Abendlandes, die „Statuta ecclesiae antiqua“, eine anonyme Kompilation aus Gallien des 6. Jahrhunderts, fälschlicherweise mit Nordafrika als Entstehungsort assoziiert, zurück und versuchte, „den amorphen Stoff der Beschlußtexte durch Systematisierung und Kürzung praktikabler [zu] machen.“ Regino wollte das menschliche Handeln „mit dem Maßstab einer von antiken Elementen durchsetzten christlichen Adelsethik [. . . ] messen.“ Laudage, J[ohannes]: Regino, 2002, Sp. 579. 645 An denselben Adressatenkreis richtet sich Burchard von Worms mit seinem 1010 verfassten „Decretum“, in welchem er die Aussagen von Regino wörtlich ohne eigenständige Ergänzungen übernimmt. Burchard von Worms: Decretum, lib. II, 171/172, 654. Ivo von Chartres ver cht relativ knapp in seinem „Decretum“ aus dem Jahr 1094/95 das Verbot weltlicher Unterhaltung für Geistliche. Er zitiert dabei Ambrosius wörtlich, der seine Missbilligung des Scherzes im geistlichen Bereich geäußert hatte. „Nam licet interdum honesta joca ac suavia sint, tamen ab ecclesiastica abhorrent regula“ Ambrosius: De of ciis Ministorum, lib. I, cap. 23, 53 f; Ivo von Chartres: Decretum, XI, 80, 773. 646 Trotz vieler Reformen des Klerus, die auf dessen geistliche Aufgaben, aber auch auf den Lebenswandel und sittliches Verhalten abzielten (Vgl. Freimuth, S. 173 f.), ist es mitunter

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Bezug auf das Lachen, sondern wie bereits weiter oben gezeigt in Bezug auf ein weites Feld der Wahrung der Würde Geistlicher. Deren selbst auferlegte Anordnungen in Bezug auf das Lachen folgen jedoch keiner erkennbaren, linearen Entwicklung von Verboten zu Lockerung, von diffusen Vorgaben bis hin zu einer ausgereiften Kasuistik des Lachens. Das Lachen als Mittel der Distinktion kommt nicht nur in den theoretischen Schriften von Geistlichen zum Tragen. Als Teil eines verinnerlichten Habitus ndet sich das Lachen zum Beispiel auch in Brie iteratur. Briefe von und für Geistliche stellen dabei bezüglich des Lachens eine weitere Quellengruppe mit spezi schen Merkmalen dar. Konzeptionelle Entwürfe, rhetorische Gestaltung, Vervielfältigung und Sammlung rücken diese Textsorte in die Nähe von literarischen Werken. Damit einhergehend ist nicht notwendigerweise von einer Einzelperson als Adressaten beziehungsweise Rezipienten auszugehen, 647 jedoch ist bei der Brie iteratur von den hier behandelten Textgattungen der geringste Wirkkreis anzunehmen. Häu g betreffen die Inhalte mehr den Bereich des Humors, wenn zum Beispiel Petrus Venerabilis, Abt von Cluny im 12. Jahrhundert, in seinem Brief an einen Mönch in Toulouse formuliert, es zieme sich mittlerweile zwischen ihnen, ernste Dinge mit einem Spiel, einem Spaß anzufachen. 648 Auf diese Weise versuchte Petrus Venerabilis den seichteren, dennoch nicht ungebildeten Schreibstil zu rechtfertigen. Darin eine theoretische Billigung des Scherzes zu sehen, 649 strapaziert die Auslegung dieses Quellentyps über. Eher ist von einer „topisch anmutenden Argumentation“ auszugehen. 650 Hierin ndet sich das klassische Motiv, Ernstes vergnüglich zu präsentieren. Dieser antike Topos ndet sich auch in anderen Einleitungen, wobei im Folgenden gezeigt werden soll, dass die Gelehrten diesem mitunter weit mehr Bedeutung als einem Topos beimessen. Petrus Cellensis, Abt von Montiers-la-Celle, kommt im 12. Jahrhundert in zwei Briefen an seinen Freund Johannes auf das Thema des Lachens zu sprechen. Die Heiterkeit im Stil ndet ihre Entsprechung im erbaulichen Inhalt. Ein Schreiben leitet Petrus mit einem Lob über die Worte in dem vorausgegangenen

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denkbar, dass Geistliche mit weltlichen Aufgaben, Funktionen und Kontakten wie die Weltgeistlichen allgemein, darunter besonders die Bischöfe und Hofgeistlichen, aber auch Äbte, sich an einem lockereren Wertekanon orientieren konnten bzw. in manchen Situationen sogar mussten als zum Beispiel Mönche mit einer strengeren Ordensregel und Observanz derselben, wobei auch hier Unterscheidungen zu machen wären zu Bettelpredigern oder Mönchen mit Niederlassungen in Städten zu unterschiedlichen Zwecken. Vgl. Schmale, [F]ranz-J[osef ]: Brief, Brie iteratur, Briefsammlungen, 2002, Sp. 654. Suchomski spricht davon „wie selbstverständlich [. . . ] hier vom Scherz des Mönches gesprochen [wird], der im Wechselspiel mit dem Ernst die nötige Würde bewahrt und sich dadurch auszeichnet.“ Suchomski, S. 44. Vgl. Suchomski, S. 44. Ebd.

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Brief von Johannes ein, indem er sie als Milch und Honig bezeichnet. 651 Der folgende Satz ist in Anlehnung an Hiob 8,21 verfasst, wo in der Rede Bildads die Verheißung an den Frommen ergeht, Gott verwerfe diesen nicht, bis er dessen Mund voll des Lachens und die Lippen voll des Jauchzens gemacht habe. Sobald Petrus also das Schreiben von Johannes sehe, jauchze sein Herz, sein Gesicht sei voll des Lachens. Als Grund nennt er die Vermischung von ernsten Dingen mit Scherzen, die maßvoll und ohne Einbuße an Würde, Ehrfurcht und Zurückhaltung seien. Johannes' Witz sei ohne Spitzen, seine Scherze seien ohne Verachtung. 652 Die Deutung dieser Einleitung wirft durchaus Fragen auf. Der biblische Sprachstil der Einleitung erinnert an den Stil von Johannes von Salisbury, wobei es nicht unbedingt um eine literarische Spielerei mit Bibelkenntnissen geht. Die Bibelstelle in Hiob befasst sich mit gaudium spirituale, doch wird Petrus seine geistige Freude sicherlich nicht von der Wirkung eines scherzhaften Briefs abhängig gemacht haben. Die eigentliche Mitteilung sei vielmehr: „über deinen Brief mußte ich lachen [. . . ], weil du ihn so witzig verfasst hast [. . . ]“, im Sinne von geistreich und spritzig. Gleichzeitig ist Petrus sich aber auch bewusst, dass sowohl „das Witzeln als auch die Freude darüber ungeistliche, weltliche und banale Dinge sind.“ 653 Diese Interpretation rückt die Einleitung jedoch tatsächlich eher in den Bereich der kunstfertigen Verwendung von Bibelstellen: Petrus kann nicht nur zwei passende Textstellen zum Lachen aus dem Alten Testament anführen, sondern weiß auch aus dem Werk von Martin von Bracara zu zitieren. Aufgrund des Briefinhalts der christlichen Armut und des tröstenden Wissens um den Schutz Gottes ist eine andere Deutung ebenso denkbar. Theologische Themen werden geradezu in seelsorgerischer Manier zwischen den Korrespondenten ausgetauscht. Petrus freute sich vermutlich nicht nur über die Scherze und Witze von Johannes, sondern im Sinne der Ernst-Heiterkeit transportierte der rhetorisch vergnügliche Stil würdige Themen, die die Grundlage für spirituelle Freude lieferten. 654 Über eine Praxis des Lachens, ob Petrus beim Empfang des Briefes von Johannes wirklich lachen musste, kann aus seiner Antwort nicht geschlossen werden. 651 Die Formulierung favus distillans labia [. . . ] mel et lac sub lingua tua ist aus dem Hohelied Salomos 4,11 unter Auslassung von tua sponsa übernommen. 652 Die letzten beiden Sätze hat er der „Formula vitae honestae“ von Martin von Bracara fast wortgetreu entnommen. 653 Die Anspielung auf die Bibelstelle in Hiob habe laut Suchomski daher die Funktion, die Banalität seiner Briefeinleitung wenigstens formal zu überhöhen. Das biblische Vokabular dient dabei der Idealisierung des weltlichen Charakters des Scherzens und Lachens. In diesem Spiritualisierungsversuch offenbare sich der Skrupel des offenen Bekenntnisses zur Tugend der geistreichen Witzigkeit. Suchomski, S. 45. 654 In seiner Antwort tut Petrus es Johannes gleich, indem seine Einleitung die Heiterkeit aufnimmt, um dann auf das ernste Thema der christlichen Armut zu kommen. Die tröstende Zuversicht auf den Schutz Gottes löst die Schwere der Askese in der geistigen Ebene der Freude auf. Hierin ndet sich nicht nur die Ernst-Heiterkeit-Vorstellung der Person, der rhetorischen Rede, sondern wird zu einer zutiefst religiösen Haltung.

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In einem weiteren Brief von Petrus an Johannes ist eine entsprechende Komposition eines seichten Einstiegs für ein ernsthafteres Thema zu beobachten. Die rhetorischen Mittel folgen dem inhaltlichen Gehalt. Zunächst erinnert Petrus sich an die Scherze während des Zusammenlebens mit seinen zwei Freunden Johannes von Salisbury und Thomas Beckett, über dessen Gewand Petrus sich in ihren gemeinsamen jungen Jahren scherzhaft geäußert hatte. Die nachträgliche Interpretation dieser Begebenheit des Lachens als von Gott veranlasst, als dessen Wirken, weist auf die Folgezeit. Petrus verbindet das Erlebnis der Vergangenheit mit der Tatsache, dass Menschen von nah und fern zum Grab des inzwischen als Heiligen verehrten Thomas Beckett pilgern wie zu einem fröhlichen Festmahl. 655 Auch an diesem Beispiel kann man über die formale Interpretation hinausgehen. Dem rhetorischen Übergang von einer seichten Einleitung zum ernsthaften Anlass des Schreibens entspricht inhaltlich die lustige Begebenheit aus der Jugend, das Gelächter über ein Gewand, einen äußeren Anlass. In der Verehrung der Person Becketts als Heiliger zeigt sich eine daraus resultierende Wirklichkeit mit großer Tragweite. Die Vorsehung Gottes hat dazu geführt, dass eine geistige Freude erwachsen kann, welche im Festcharakter der Pilgerströme sichtbar wird. Rhetorisch wie inhaltlich könnte man in dem Brief eine Bewegung erkennen, das Erlernen einer „Praxis“, indem der Wandel von einem unbedachten Lachen junger Geistlicher zu einem gereiften Verständnis des gaudium spirituale nachvollzogen wird. Das Thema des Lachens ist demnach von großer Bedeutung für die Akteure, die sich selbst in ihrer Brie iteratur damit tiefsinnig auseinandersetzen und so dem Lachen einen Platz im Leben der Geistlichen zuordnen. Sie kommunizieren nicht nur wie in den Regeln ein Distinktionsverhalten nach außen, sondern konstituieren auch untereinander eine Gemeinschaft der Gebildeten, die ihr eigenes Lachen spirituell zu überhöhen vermögen. Welches Bildungsniveau die Geistlichen in den unterschiedlichen Phasen des Mittelalters auch erreichten, eine Theologie des Lachens im Sinne eines Lehrkanons hat es nicht gegeben. Es lassen sich vereinzelte Bibelkommentare zu entsprechenden Textpassagen nden, Auflistungen von Schriftzitaten, kürzere Sentenzen oder längere thematische Erörterungen. Daher ist von mehreren theologischen Lehrsätzen zu sprechen, die unabhängig voneinander Gültigkeit hatten. Die biblischen Vorlagen lassen weniger Raum für unterschiedliche Arten des Lachens. Sie wirken für die Lebenspraxis etwas rigide. Bedeutender jedoch ist, dass erst eine Praxis der Selbstbefragung Klarheit 655 Suchomski wirft die Frage auf, ob es sich bei der Einleitung des Briefes lediglich um eine Erinnerung an eine fröhliche Stunde handle, um einen geschickten Übergang zu Thomas Beckett, dem Inhalt des Briefs. Oder ndet sich hierin ein privates Zeugnis ihrer Freundschaft, welches nicht kunstvoll komponiert, „sondern assoziativ von freudiger Erinnerung zu wehmütiger Betrachtung der Gegenwart übergeht“? Das Schriftstück veranschauliche, „wie Petrus dem alltäglichen Witz eine tiefere, ja sogar gottgewollte Bedeutung beilegt. Der ernste Gehalt und die geistliche Überlagerung geben somit dem Scherz wiederum die nötige Legalität.“ Suchomski, S. 46.

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über die innere Haltung bringt, jedoch nach außen entsprechende, deutliche Signale einer frommen Haltung vermittelt werden müssen. Die antiken Ideale bieten mehr Möglichkeiten der unterschiedlichen Bewertung des Lachens und Abstufungen im Hinblick auf die Akteure, weshalb die Geistlichen sich mit diesen Traditionen auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung mit dem Material der Antike ist Zeichen von Distinktionsverhalten im Sinne von erreichtem Bildungsgrad und liefert zugleich in Bezug auf das Lachen inhaltlich Unterscheidungsmöglichkeiten. Die antiken Entwürfe galt es daher für die Geistlichen mit den christlichen in Einklang zu bringen, sofern sie für die Geistlichen gelten sollten. Die Geistlichen ringen wie gezeigt um ein Zusammengehen von christlichen Vorgaben, die sich streng an der Zuordnung von Akteuren und der daraus resultierenden Bewertung des Lachens orientieren, und antiken Bezugspunkten, die vor eher sozialem als religiösem Hintergrund weitere Abstufungen erlauben. Nur wenige der aufgeführten Textstellen nennen das Lachen explizit. Das kann dahingehend interpretiert werden, dass das Lachen weniger ein Problem ist als zum Beispiel das Scherzen, aber auch hier wurden unterschiedliche Bewertungen vorgenommen, wie sich anhand von Thomas von Aquin zeigen lässt.

3.3.2.3 Ordensgeistliche im Speziellen

Die Ordensgeistlichen unterscheiden sich vom Säkularklerus in den Auflagen für die Lebensweise, aber auch in dem Grad der Interaktion mit dem säkularen Bereich. Beides hat Auswirkungen auf das Lachen. Für Kleriker und Mönche existieren daher diverse und voneinander gesonderte Maßgaben in Form von Ordnungen und Beschlüssen, die als präventive und nachregulierende Normierungsversuche zu verstehen sind. Die bereits weiter oben untersuchten monastischen Regeln 656 zielten in unterschiedlicher Strenge auf die Bestrafung des Lachens und der Possenreißerei ab sowie auf die Vermeidung des Lachens zugunsten von Weinen, auf das Maßhalten beim Lachen und dessen Bezug zur Rede generell, aber auch auf das Schweigegebot als genuin monastische Anordnung. Die Klosterregeln fußen in Bezug auf das Lachen auf strengen Traditionen, seien es die biblischen Assoziationen zur närrischen Rede, das Vorbild des nicht-lachenden Christus oder die Vorstellung aus der Väterzeit des irdischen Tränentals, welche aus dem frühen Koinobitentum in das weiterentwickelte Mönchtum übergegangen sind. Die in den Regeln aufgeführten Gründe, die das Lachen stets in 656 Hier sind die Vier-Väter-Regel, die „Regula Pauli et Stephani“, die Magisterregel, „Regula ad monachos“ von Ferreolus und auch die Empfehlungen für Nonnen von Leander von Sevilla gemeint, sofern letztgenannte allgemeine Gültigkeit haben sollten. Viele Formulierungen aus den Kloster- und Ordensregeln sind bereits mit in die Analyse eingegangen, da aufgrund der Tatsache, dass die Vitenverfasser solchen Regeln unterlagen, ein direkter Vergleich angestrengt werden sollte.

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den größeren Kontext der Sünde stellen, welcher mit einer inneren Haltung der Ernsthaftigkeit, mit Schweigen und der Beherrschung des Körpers begegnet werden muss, legen den Schluss eines Lachverbots nahe. Die Benennungen von Orten, Anlässen und dem Personenkreis der Novizen oder Kinder eröffnen einen weiteren Einblick in die Problematik der Unangemessenheit. Die Einwände gegen ein Lachen im Kloster sind äußerst plausibel, ein striktes Verbot wäre demnach nachvollziehbar. Dennoch gibt es wie gezeigt Differenzierungen in den Formulierungen, die ein negatives Pauschalurteil relativieren. 657 Insgesamt sehen die Regeln ganz unterschiedliche Lösungen des Problems vor, in den wenigsten Fällen ist die gezogene Schlussfolgerung die strikte Vermeidung des Lachens. Dies wird durch die Regelverfasser kaum für möglich gehalten. Daher wird die Empfehlung ausgesprochen, das Übermaß zu vermeiden, sich, soweit es geht, des Lachens zu enthalten. Die Bestrafung spiegelt ebenso ein breites Spektrum der Möglichkeiten, mit Härte oder Milde zu reagieren. Sie reichen von verbaler Zurechtweisung über körperliche Züchtigung bis hin zu religiösen Konsequenzen. Die Vorgaben der Regeln sind also keinesfalls als einheitlich zu bezeichnen. Dabei waren die Regeln, die eine höhere Disziplin in Bezug auf das Lachen abverlangten, die am wenigsten verbreiteten. Eine große Verbreitung hingegen erfuhr die Benediktsregel, die in der späteren Form Benedikts von Aniane im „Codex regularum“ fast alle vorherigen Regeln in sich aufnahm. 658 Sie weist gegenüber anderen Bestimmungen für Geistliche zunächst keine Besonderheiten auf: Die Behandlung des Lachens steht vor allem im Zusammenhang mit der Rede. Benedikt von Nursia wendet sich im vierten Kapitel zu christlichen Grundregeln, also in einem sehr allgemeinen Zugang, gegen anstößige Worte, verdorbene Reden und übermäßiges Geschwätz. Das viele Reden solle man nicht lieben, leere und zum Lachen reizende Worte meiden. Das Sprechen der Mönche unterliegt einem qualitativen und quantitativen Maß. Schließlich wird geboten, es nicht zu lieben, dauernd oder schallend zu lachen. 659 Im Zentrum der Ausführungen steht zunächst also das rechte Wort. Das Lachen erscheint geradezu als Indikator für belangloses Gerede. Die Konsequenz ist die Enthaltsamkeit gegenüber allen Worten, die geeignet sind, ein Lachen zu provozieren. In Analogie zum Sprechen gibt es Grenzen in Bezug auf die 657 So kommt Wilhelmy als einer der wenigen zu der These, „sofern das Lachen gemäßigt ausfällt, und es sich um keinen risus immoderatus, also ein ungezügeltes oder hemmungsloses Lachen, mithin kein laut schallendes Gelächter handelt, das im Mittelalter mit dem Begriff cachinnum umschrieben wird, ist das Lachen auch in den abendländischen Klöstern erlaubt. Es ist, wie alle Dinge des monastischen Lebens, dem Diktat des rechten Maßes zu unterwerfen und stets mit temperantia, also in Mäßigung auszuüben.“ Wilhelmy, S. 42. 658 Die Benediktsregel aus dem 6. Jahrhundert basiert auf alten Mönchsüberlieferungen, unter anderem ist sie von der Magisterregel beein usst. 659 „Os suum a malo vel pravo eloquio custodire. Multum loqui non amare. Verba vana aut risui apta non loqui. Risum multum aut excussum non amare.“ Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 4, 51–54.

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Art – nicht schallend – und den Umfang des Lachens – nicht viel. Der Verurteilung des zu häu gen und exzessiven Lachens folgt die Empfehlung des täglichen Gebets verbunden mit Weinen und Stöhnen. 660 Durch diesen Gegenpol und den weiteren Textzusammenhang des Jüngsten Gerichts 661 klingen indirekt die Seligpreisungen – derer, die jetzt weinen – und die Mahnworte des Lukasevangeliums – an diejenigen, die jetzt lachen – an. Die Passage steht in der Tradition des Neuen Testaments und der Väterzeit. Ein Lachverbot 662 ndet sich in den Formulierungen dennoch nicht. An späterer Stelle kommt Benedikt wieder auf das Lachen in zwei spezi sch monastischen Kontexten zu sprechen: Im sechsten Kapitel über die taciturnitas, das Schweigen, werden Scherze und müßige, zum Lachen verleitende Worte allerorts verdammt. Es ist dem Mönch nicht erlaubt, den Mund für derartige Reden zu öffnen. 663 Das Lachen wird in der Benediktsregel noch ein weiteres Mal in dem Kapitel über die Demut, zu welcher man in Stufen aufsteigt, thematisiert. Der zehnte Grad der Demut ist dann erreicht, wenn der Mönch nicht leicht und offenkundig lacht, beziehungsweise nicht leicht und über alles. 664 Begründet wird dies mit einer Bibelpassage, 665 die das Lachen mit dem Narren assoziiert. Neben Qualität und Quantität ist dieser Textabschnitt wiederum im Zusammenhang der Rede zu sehen, welche in der vorherigen und nachfolgenden Demutsstufe behandelt wird. 666 Auf der elften Stufe schließlich, in der Entwicklung also bereits recht fortgeschritten, soll der Mönch sanft und ohne Lachen 660 „Mala sua praeterita cum lacrimis vel gemitu cotidie in oratione Deo con teri.“ Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 4, 57. 661 Die Klosterregel entstand unter dem Eindruck des untergehenden Römerreichs. Man erwartete daher das nahe Weltende und die Parusie des Herrn, so dass sich jeder Christ stets in Bereitschaft halten sollte. Vgl. hierzu Steidle: Beiträge zum alten Mönchstum und zur Benediktusregel, S. 38. 662 Dieses wird von Horner behauptet: „the Benedictine prohibition against laughter“, Horner, S. 128. 663 „Scurrilitates vero vel verba otiosa et risum moventia aeterna clausura in omnibus locis damnamus et ad talia eloquia discipulum aperire os non permittimus.“ Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 6, 8. Vgl. Regula Magistri, IX, 51. 664 „Decimus humilitatis gradus est, si non sit facilis ac promptus in risu, quia scriptum est: Stultus in risu exaltat vocem suam.“ Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 7, 59. Die Quelle für den 10. Grad der Demut („decimo si non sit facilis ac promptus in risu“) ist Johannes Cassianus: De institutis coenobiorum, IV, 39. Vgl. Schmitz: . . . quod rident homines, plorandum est, S. 10. 665 Sir 21,23. 666 „Auf der neunten Stufe der Demut hält der Mönch seine Zunge vom Reden zurück; er kann schweigen und spricht nicht, bevor er gefragt wird. Die Schrift zeigt das mit den Worten an: Bei vielem Reden bleibt die Sünde nicht aus. Und: Der Schwätzer soll nicht bestehen im Land.“ „Nonus humilitatis gradus est, si linguam ad loquendum prohibeat monachus et, taciturnitatem habens, usque ad interrogationem non loquatur, monstrante Scriptura quia in multiloquio non effugitur peccatum, et quia vir linguosus non dirigitur super terram.“ Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 7, 56–58.

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sprechen. Die Art des Sprechens soll demütig sein, von Ernst erfüllt und sich durch wenige und vernünftige Worte auszeichnen, ohne dass der Sprecher dabei laut wird. 667 Die von Benedikt angeführten für die gesamte Thematik gängigen Bibelzitate zeigen deutlich, dass das Interesse vornehmlich der für Mönche angemessenen Rede gilt. Die Einschätzung von Le Goff, „alle drei Zitate beurteilen das Lachen abfällig“, 668 ist so gesehen nicht ganz richtig. Nur eines der drei Schriftzitate spricht explizit vom Lachen, welches mit dem Dummen assoziiert wird. 669 Die anderen betreffen die Geschwätzigkeit, der kein Glück verheißen wird, 670 sowie die Verbindung von Wortreichtum und Sünde. 671 Die Regel des Heiligen Benedikt verurteilt vornehmlich die Quelle des Lachens: jede nichtige, eitle Rede. Für Possenreißerei, nutzlose und lachenerregende Worte den Mund zu öffnen, ist dem Mönch nicht erlaubt. 672 Gegenüber dem Themenkomplex der neutestamentlichen Praktiken der Parusie, 673 der Erwartung des Jüngsten Gerichts und des von Weinen begleiteten Gebets tritt die spirituelle Praxis von Ernst, Schweigen und Demut in den Vordergrund der benediktinischen Klosterregel. Innerhalb dieses Ensembles nimmt die Rede eine Schlüsselrolle ein. 674 Mit dieser Schwerpunktsetzung vollzieht sich eine Akzentverschiebung von strikter Ablehnung des Lachens, die eigentlich die Konsequenz aus der vom endzeitlichen Standpunkt her vorgenommenen Unterscheidung im Lachen sein müsste, hin zu einer Beherrschung der eigenen Äußerungen von Reden und Schweigen, von Ernst und Lachen. 675

667 „Undecimus humilitatis gradus est, si, cum loquitur monachus, leniter et sine risu, humiliter cum gravitate vel pauca verba et rationabilia loquatur, et non sit clamosus in voce“, Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 7, 60. 668 Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 61. 669 Sir 21,20. Der zweite Teil – das kaum vernehmbare Lächeln des Klugen betreffend – ist in der Benediktsregel unterschlagen worden. 670 Ps 139,12 bzw. nach Luther 140,12. 671 Spr 10,19. 672 „Scurrilitates vero vel verba otiosa et risum moventia [. . . ] talia eloquia.“ Benedictus 〈de Nursia〉: Die Benediktsregel, 6, 8. Bemerkenswert ist jedoch, dass an späterer Stelle in Kapitel 49 im Zusammenhang mit der Fastenzeit lediglich von Einschränkungen die Rede ist: „subtrahat corpori suo de cibo, de potu, de somno, de loquacitate, de scurrilitate“. Demnach wird scurrilitas als eine lachenerregende Handlung und damit auch das Lachen grundsätzlich zulässig, welches in der Zeit besonderer Askese zu verringern ist. Vgl. Ferm, S. 167. 673 Unter Parusie wird die Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi verstanden. 674 Vgl. hierzu die Ausführungen zur Bedeutung des Schweigens in den philosophischen Selbstpraktiken bei Foucault: Hermeneutik des Subjekts, S. 416–418. 675 Vor dem Hintergrund der Untersuchungen von Uffmann stellt sich jedoch die Frage, ob Klöster tatsächlich als Institutionen der Körperdisziplinierung verstanden werden können, wie Foucault es idealtypisch in seinen Strukturen erkannte. Vgl. Uffmann, S. 193. Röcke und Velten ergänzen die Dichotomie von Lachen und Weinen um „eine zweite Dichotomie, Lachen und Schweigen [. . . ] Aus dieser Perspektive wird das Lachen nicht allein als Grenzphänomen menschlicher Erfahrung bestimmbar, sondern im Zusammenhang mit dem

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Über eine etwaige Praxis des Lachens von Ordensgeistlichen kursieren mitunter konkrete Vorstellungen: Wie kaum ein anderer werden Franz von Assisi und sein Orden mit Fröhlichkeit verbunden. 676 Diese Zuschreibung könnte in Bezug auf das Lachen, insbesondere auf die Berichte über den Franziskusorden in Oxford, zurückzuführen zu sein. 677 Der Franziskaner Thomas von Eccleston schreibt in seiner zur Mitte des 13. Jahrhunderts abgeschlossenen Schrift „Tractatus de adventu fratrum minorum in Angliam“ über die Frühgeschichte der englischen Ordensprovinz. Im vierten Kapitel behandelt er frühe Regeln und Statuten, besonders aber Frömmigkeit, Schweigsamkeit und Gebet der ersten Kongregationen. Trotz einfacher Frömmigkeit und strenger Lebensweise seien die Brüder unter sich zu allen Zeiten heiter und freudig. 678 Der auf diese Aussage folgende Nebensatz birgt Schwierigkeiten bei der Übersetzung, weshalb hier keine Einigkeit herrscht. Entweder konnten die Ordensbrüder, „wenn sie einander erblickten, sich kaum des Lachens erwehren“, 679 oder ihr Antlitz schien zu lachen. 680 Im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Beschreibung der Frömmigkeit und der vorsichtigen Umschreibung ist die Aussage wohl sinngemäß: Die Ordensbrüder sind heiter und froh trotz Einfachheit und Strenge der Lebensweise, aber auch wenn es so aussieht, sie lachen nicht, sondern halten ihr Schweigen ein. Wenn die Berichte Ecclestons keine Grundlage für die Verknüpfung von Fröhlichkeit mit den Franziskanern darstellen, müssten andere Texte diese liefern: Die Vorstellung der fröhlichen Franziskaner kann nicht von ihrer Ordensregel herrühren, da diese das Lachen oder die Freude nicht thematisiert. 681 Ursprung dieser Verknüpfung könnten mehrere Schriften sein. Zu diesen zählt das Diktat „De vera et perfecta laetitia“ von Franziskus, welches eine Absage an die Erfolgsgeschichte des Ordens, die Anerkennung und das Prestige ist und in Geduld und Gemütsruhe die wahre Freude, wahre Tugend und das Heil der Seele sieht. Bemerkenswert hieran ist die Verwendung des Begriffs laetitia statt gaudium für die spirituelle Dimension. Die zweite

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Schweigen auch als ‚Begrenzungsweise` menschlicher Kommunikation.“ Röcke, Werner / Velten, Hans Rudolf: Einleitung, 2017, S. 2 f. Feld, Helmut: Die Franziskaner, 2008, S. 46; Le Goff, Jacques: Franz von Assisi, 2006, S. 207 f; sinngemäß auch bei Little, Andrew G[eorge]: The Grey Friars in Oxford, 1892, S. 6. Le Goff: Jésus a-t-il ri?, S. 74. „Fuerunt tamen fratres omni tempore inter se ita jocundi et læti, ut vix in aspectu mutus se temperaret a risu.“, Thomas de Eccleston, S. 20. Le Goff: Franz von Assisi, S. 207. Noch ungenauer ist die Übersetzung „[. . . ] that a mute could hardly refrain from laughter at the sight.“ von Little, S. 6. „[. . . ] their countenances seemed to laugh.“, Hess, Laurence Anthony: The friars and how the came to England being a translation of Thomas of Eccleston's „De adventu F.F. Minorum in Angliam“ done into English with an introductory essay on the spirit and genius of the Franciscian Friars / by Father Cuthbert. – London, 1903, S. 156. Jedoch dürften die vergleichsweise lockeren Speisevorschriften zur Geselligkeit beigetragen haben.

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Vita seines Schülers Thomas von Celano beschreibt Franziskus mit den Worten des maßvollen Lachens risus modestus. 682 In weiteren Berichten wird er als heiter hilaris oder von heiterem Aussehen hilari vultu charakterisiert. 683 Diese Formulierungen sind nicht ungewöhnlich für eine Heiligendarstellung. Der ebenfalls bei Thomas von Celano zu ndende Leitspruch des Franziskus „Armut mit Fröhlichkeit“, paupertas cum laetitia, wird besonders wirkmächtig beim Erbetteln von Speisen. Zu diesem Themenkomplex liefert auch Eccleston mehrere Berichte von Ordensbrüdern, zum Beispiel wie diese mit großer Freude eine dicke Suppe aus Bierhefe tranken, et sic cum gaudio biberent, oder in einem anderen Fall mit viel Vergnügen und Fröhlichkeit, cum tanta jocunditate et laetitia eine Hefesuppe zu sich nahmen. 684 Indem die Mönche freudig auf die ihnen vorgesetzten Speisen reagieren, zeigen sie nicht nur ihre Dankbarkeit, sondern vor allem auch ihre Demut, dass sie willens sind, jedes Essen anzunehmen, ohne dabei wählerisch zu sein. Hierauf deutet eine Anekdote über Albert von Pisa hin, selbst stets heiter und fröhlich, der Bruder Eustace de Merc zwang, gegen die Gewohnheit Fisch zu essen, da der Orden viele gute Personen durch entsprechende Taktlosigkeit der Brüder verlöre. 685 Eine ähnliche Verordnung erging von Grosseteste an einen melancholischen Mönch, Wein zur Buße zu trinken für ein besseres Gewissen. Die Zuordnung einer besonderen Fröhlichkeit zum Franziskanerorden wird sicherlich verstärkt durch die Zuschreibung eines Ausspruchs zu Grosseteste, Gesundheit bedürfe des Essens, des Schlafens und des iocus. 686 Da die franziskanischen Schriften auffälligerweise wenig in der Verwendung der hier relevanten Begrifflichkeiten differenzieren – der Franziskaner Bonaventura spricht zum Beispiel von spiritualis laetitiae – sind die Texte mit Vorsicht zu interpretieren. Wie ein roter Faden scheint sich in dieser Thematik eine religiöse Grundhaltung der positiven Einstellung abzuzeichnen. Ähnliches könnte daher für die Bezeichnung einiger der ersten Gefährten 682 „Casti amplexus, suaves affectus, osculum sanctum, dulce colloquium, risus modestus, animus simplex, lingua placabilis, responsio mollis, idem propositum, promptum obsequium & indefessa manus.“ Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, cap. 5, XV, pag. 694C, 38. 683 Vgl. Le Goff: Franz von Assisi, S. 207 ohne Quellenangabe. Möglicherweise bezieht Le Goff sich hier auf Bartholomaeus 〈de Rinonico〉 , S. 64 verso oder Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, cap. V, XV, 694A, 37 oder cap. 10, XXIX, pag. 706B, 83. 684 „et sicut testatus est qui hujus sinceræ simplicitatis fuit, et sanctæ paupertatis socius et particeps esse promeruit, tam spissus aliquando fuit potus eorum, ut eum dixi cale eri deberent, infuderunt aquam, et sic cum gaudio biberunt. Simile quoque accidit frequenter apud Sarum, ubi cum tanta jocunditate et lætitia biberunt [. . . ]“ Thomas de Eccleston, S. 8. 685 Little, S. 6. 686 „Tria sunt necessaria ad salutem temporalem, cibus, somnus, et jocus.“ Thomas de Eccleston, S. 64. Wobei hier nicht unbedingt Scherz und Spaß im eigentlichen Sinne gemeint sein müssen, sondern Zeitvertreib und Kurzweil beziehungsweise noch wahrscheinlicher die positive Grundstimmung als Voraussetzung der besonderen Askeseform des Bettelns.

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als Spaßmacher ioculator gelten. 687 Inwieweit „Fröhlichkeit“ zu den „unterscheidenden Merkmale[n] franziskanischer Religiosität“ 688 im Sinne einer tatsächlichen Praxis zählt, ist schwerlich zu bestimmen. 689 Aufgrund der Unterscheidung von verschiedenen Arten der Freude, trotz ungenauerer Distinktion zwischen gaudium und laetitia, erfolgt eine qualitative Wertung, die dem körperlichen Lachen die üblichen monastischen Begrenzungen auferlegt. Bei den Franziskanern lässt sich dennoch am ehesten eine rudimentäre Ausformung einer Theologie der Freude ausmachen, indem eine bestimmte Art der diesseitigen Freude aus einer religiösen Haltung heraus, einer Bejahung der Schöpfung und des eigenen Schicksals als Gnadenerweis, eine Befürwortung erfährt.

3.3.3 Machthaber und Unterlegene – politische und soziale Unterschiede

Das Lachen hat eine politische Dimension, wo die Überlegenheit von Akteuren eine Absolutheit annimmt, indem sie sich auf Leben und Tod bezieht. Für ein derartiges Lachen von Machthabern lassen sich in den Heiligenviten Belege nden, wie bei dem Märtyrer Tryphon, dessen Lebenszeit ungewiss ist. Es gibt lateinische Versionen seiner Vita aus dem 11. Jahrhundert, Belege einer Reliquienverehrung stammen aus dem 14. Jahrhundert sowie vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Nachdem er einen Präfekten namens Lucius bereits zum christlichen Glauben bekehrt und einige Wunder gewirkt hatte, wurde er verfolgt und zu einem Präfekten namens Aquilinus gebracht. Von diesem über seinen Glauben befragt, beantwortete der Heilige alle seine Fragen, rückte jedoch nicht von seinem christlichen Glaubensbekenntnis ab. Als er deswegen ausgepeitscht wurde, war von ihm kein Laut des Schmerzes zu hören. Vielmehr erklang ein „Gloria, Christi, tibi“, „Ehre, Christus, dir“. Hierfür verlacht der Präfekt den Heiligen. 690 In diesem Lachen kommt Unverständnis, Unglaube und Überlegenheit 691 zum Ausdruck. Während diese vermeintliche Überlegenheit umgehend in vielen Darstellungen enttarnt wird, verweilen einige Verfasser zunächst bei dem Unfassbaren der Gewaltausübung. Über den im 9. Jahrhundert ermordeten Heiligen Bischof Fredericus von Utrecht stammen neben der vermutlich im 11. Jahrhundert verfassten Vita noch weitere Berichte aus dem 14., 16. und 17. Jahrhundert. Von seinen Häschern

687 Feld, Helmut: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, 1996, S. 134. 688 Holzapfel, Heribert: Handbuch der Geschichte des Franziskanerordens, 1909, S. 14. 689 Über viele weitere Orden wie die Kartäuser, die Dominikaner oder die Zisterzienser gibt es bislang kaum Untersuchungen in Bezug auf das Lachen. 690 „Ad haec irridens praefectus Dei athletam [. . . ]“ Nov. IV, Dies 10, S. Tryphon matyr Romae cultus, et al., VI. Vita et Passio S. Tryphonis Martyris, pag. 362D-E, 18. 691 Die Überlegenheitstheorie wurde von Hobbes, Bergson, Morreall, Monboddo, Morris, Gruner und anderen vertreten. Vgl. Attardo, S. 50 und Hügli, Sp. 4.

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wurde er nach einem Gottesdienst mit Messerstichen umgebracht und dabei verlacht mit den Worten, dies sei die Rache der Königin Judith, 692 deren Heirat mit Ludwig dem Frommen Fredericus abgelehnt hatte. Das Lachen erlebt der Heilige zwar nicht mehr, es lässt aber zusammen mit dem sakralen Kontext der Heiligen Messe die Ermordung 693 besonders grausig erscheinen. Die als Söhne Belials, hier gleichbedeutend mit dem Teufel, bezeichneten Mörder rufen einander dabei das Täterbekenntnis unverblümt gegenseitig zu. Das Lachen drückt hier Grausamkeit, Triumph und Dreistigkeit und in all dem Überlegenheit aus. Dabei werden in den Darstellungen die angenommenen Machtverhältnisse und deren Umkehrungen vielfach durch ein Lachen markiert und die Antagonisten mit ihren aus der Perspektive des Heiligen irrigen Vorstellungen eines Besseren belehrt. Viele Heilige kontern auf die eine oder andere Weise, auch die Verfolgten lachen über ihre Verfolger: Der Heilige Thyrsus reagiert wie bereits weiter oben erwähnt auf das Lachen seines Verfolgers mit der Ankündigung, er werde ebenfalls mit Lachen antworten. Dieses Verhalten erzürnt den Peiniger umso mehr, als er sich in der stärkeren Position wähnte. Die Position der Überlegenheit ist damit deutlich angegriffen und untergraben und wird durch den Mächtigen wiederherzustellen gesucht. 694 Der Machthaber erweist sich jedoch letztlich nicht als der Mächtige, geschweige denn als allmächtig. Die Anfänge der Geschichte der Heiligen sind geradezu geprägt von dem Gegensatz zwischen Märtyrern und Machthabern, deren Kon ikt sich nicht nur im religiösen Bereich vollzieht, sondern sich auch auf politischer und sozialer Ebene zeigt. Dem ursprünglichen Modell eines Heiligen entspricht der Märtyrer, der für seinen Glauben verfolgt und getötet wird. Zu einer größeren Gruppe zusammengefasst könnte man dazu auch die Confessores, Missionare und Asketen zählen, die trotz Anfeindungen oder körperlicher Qualen im Glauben standhaft bleiben. 695 Diese „Märtyrerheiligen“ lachen über die Anfechtungen, das Leid und in letzter Konsequenz über den Tod. Eine solche Stärke kann unterschiedlich umfangreich ausgestaltet sein. Recht kurz erfolgt dies in dem Beispiel der Drillingsbrüder aus Kappadozien, die im Jahre 167 als Mär692 „Illo exeunte, lios Belial vidit titubantes, & ait ad eos: Vestram, sicut vobis præceptum est, implete legationem, & ne terreamini ; priusquam huc venissetis, scivi. Hoc ut audierunt illi cernentes, quod ultro festinaret ad mortem, extractis duobus longis de manicis cultellis, percusserunt eum in extis & irridentes dixerunt alternando: Nostra de te ulta est regina.“ Jul. IV, Dies 18, S. Fredericus episcopus martyr, Ultrajecto in Belgio, Acta forsan Auctore Oetberto ex Ms. Ultrajectino sancti Salvatoris, cap. VI, pag. 468E–F, 42. 693 Zur Umdeutung von politischem Mord zum Martyrium vgl. Lotter, S. 317. 694 „Thyrsus dixit: Baudus nomen est canis latr¯atis; feram te patienter quasi canem latrantem, & ridebo te sicut risi priores tuos. Tunc iratus Baudus iussit eum resticulis cannabinis ligari per manus atque pedes“ AS, Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis, pag. 822, 32. 695 In der historischen Weiterentwicklung der Heiligsprechung war der damit verbundene Tod kein notwendiges Kriterium mehr.

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tyrer starben, 696 deren Vita unter anderem eine Bearbeitung durch Warnaharius 697 um das Jahr 630 sowie durch Notker an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert erfuhr. Von ihrem Verfolger Quadratus gefragt, wo ihr Gott sei, 698 antwortet der Heilige Speusippus, Christus sei bei ihnen und helfe ihnen, nicht nur von den Qualen keine Schmerzen zu emp nden, sondern sogar zu lachen. 699 Dabei geht es für die Heiligen um die absolute Überlegenheit im Hinblick auf ihr Seelenheil. Und darin sind die Heiligen nicht allein. Der Heilige Thyrsus sieht sich daher durch die Qualen nicht selbst geschädigt, sondern eher seine Verfolger, sowohl körperlich als auch seelisch. Durch Anrufung Christi werde ein Lachen in seinem Geist über all diese entfacht. Der Heilige beschwört das Bild eines Athleten, der von seinem Ausbilder für den Ringkampf eingesalbt wird, und derart belebt und bestärkt den Sieg und die Krone als Preis erringen wird. Mittels der unsichtbaren Salbe ist er bereits Sieger und lacht über seinen teuflischen Peiniger. 700 Obwohl Thyrsus letztlich verschnürt in einem Sack kopfüber ins Meer geworfen wird, bleibt der Heilige durch die

696 Im 8. Jahrhundert sollen ihre Überreste in das neugegründete Kloster Ellwangen überführt worden sein. 697 Die Bearbeitung ist eine Zusammenstellung aus drei alten Handschriften. 698 Ähnlich dem neutestamentlichen Szenario des Spotts über Christus, der sich am Kreuz nicht selbst helfen kann und dem auch nicht von Gott geholfen wird. Vgl. Mt 27, 41–43. 699 „Quadratus dixit: Vbi est Deus vester? Speusippus dixit: Hic est, & ipse adiuuat nos, vt de pœnis vestris non solum doleamus, sed etiam rideamus.“ AS, Jan. II, Dies 17, S. Speusippus, tergeminus frater Matyr, et al., Acta Ex Veterei MS. M. Velseri, cap. IV, pag. 75, 14. 700 „Thyrsus ait: Stultissime & sine intellectu, & non habens oculos nec sensuales nec intellectuales, non enim attendis, quia tortores tui defecti sunt; & tormenta quæ mihi putantur inferri, ad te redeunt; dum animo dissecaris, & dum isti vires suas in meam perniciem consumpserunt; tamen ego inuocato Christi nomine & de te & de istis risum mentis exerceo.“ „Habeo enim vnctorem inuisibilem, qui me verum athletam sibi fecit; ex quo me tecum luctantem aspexit, quousque vincam te & coronam accipiam, su me inuisibili vnctione viui cat & confortat. Ecce iam & de te rideo, & de magistro tuo.“ AS, Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis, cap. II, pag. 818, 7. Weitere Erzählmotive dieser Art folgen: In Kapitel 3 weist Thyrsus auf seine Bekehrung hin, die in ihm ein Lachen verursachte über seinen Gegner, über dessen Vater, den Teufel, über seine unfrommen Könige und seine unglückseligen Diener, die durch das Ausführen der Martern selbst ins Vergehen stürzen. „[. . . ] iusto enim iudicio & torquendus sum & puniendus, quia ante non credidi, & per tot annos vitæ meæ, vitam meam Christum esse nescui: quem, licet vt seruus refuga vel tarde, mox vt inchoaui con teri, talem de te risum mihi exhibet, vt & de te rideam, & de patre tuo diabolo, & de Regibus tuis impiissimis, & de ministris tuis miserrimis, qui nihil amplius possunt“ AS, Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis, cap. III, pag. 819, 13. In Kapitel 6 erzürnt Thyrsus seinen Verfolger Baudus mit der Ankündigung seines Lachens als Antwort auf das vorherige Lachen seines Peinigers. AS, Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis, pag. 822, 32.

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Erlangung des ewigen Lebens der triumphierende Sieger. 701 Das Vokabular spricht hier mit seinen Symbolen der Macht eine deutliche Sprache. Wenn die Heiligen angesichts vermeintlicher Überlegenheit lachen, geschieht dies nicht um ihrer selbst willen, sondern auch für das Seelenheil anderer. Anhand des Berichts aus dem 14. Jahrhundert über den Heiligen Papulus wird auch ersichtlich, dass die Erzähltradition der lachenden Märtyrer fortgeschrieben wurde. Als junger Mann predigte er über den Glauben und das Heil, erlitt dafür von den Ungläubigen Leid, ließ sich jedoch nicht von seiner Predigttätigkeit abbringen, sondern verlachte die Qualen und verachtete die ihm zugefügte Pein. 702 Das Lachen der Märtyrer kann als Überlegenheit gedeutet werden, jedoch auch mit Standhaftigkeit im Glauben in Verbindung gebracht werden. Die Machtverhältnisse und Kon iktlinien, die ein Lachen evozieren, können auch vielschichtiger sein und in der Dependenz von Adligen und Geistlichen in politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kirchlichen Bereichen begründet liegen. Ein Kon ikt zwischen säkularen und sakralen Vertretern tritt in dem Beispiel eines posthumen Wunders 703 des Heiligen Hubertus, Bischof von Lüttich im 8. Jahrhundert zutage. 704 Die Quelle berichtet von dem Jahr 841 als dem Jahr der Übernahme der Regentschaft von Ludwig I. durch seinen Sohn Karl II., dessen Vasall Odo für sein Seelenheil dem Kloster unter Abt Sevoldus Güter überließ. Begleitet wurde er von seinen Neffen Harcharius, Beremundus und Goderannus. Letzterer, „von per dem Geist“, argwöhnte ob dieser Güterübergabe, entschloss sich dennoch teilzunehmen. Als ihm Brote gereicht wurden, warf er die kaum gekosteten Brote herunter und mit Unwillen und Überheblichkeit, cum indignatione et superbia, befahl er seinen Hunden, die bellten, sich auf den Boden zu werfen. Die Diener, hier sind wahrscheinlich die Mönche als Mund-

701 Ähnliches Vokabular des Kampfes ndet sich in der von dem Heiligen Eulogius zusammengeschriebenen Leidensgeschichte des im 8. Jahrhundert gestorbenen Rudericus aus Cordoba. Als dessen Körper einem Kadaver gleicht, lacht dieser kaum noch geistesgegenwärtige Märtyrer vielmehr, als die Qualen zu spüren. Auch hier landen die gemarterten Überreste im Jahre 757 im Wasser auf dem Grund eines Flusses. „qui potius irrideret, quam sentiret tormenta“, AS, Mar. II, Dies 13. S. Rudericus Presbyter, Martyr Cordubae in Hispania, et al.: Passio Ex Apologetico Sanctorum Martyrum ab S. Eulogio conscripto, cap. III, pag. 330, col. D, 12. 702 „[. . . ] et licet multas ab in delibus toleraret injurias et tribulationes, nullatenus tamen vacabat, sed magis insistebat prædicationi verbi Dei, tormenta deridens despiciensque illata sibi supplicia: sciens quod Non sunt condignæ passiones hujus temporis ad futuram gloriam quæ revelabitur in nobis.“, AS, Nov. I, Dies 3, S. Papulus, martyr in pago Laureacensi, in Occitania, Vita Sancti Papuli Auctore Bernardo Guidonis, pag. 599 f, col F f, 2. 703 Diese wurden in mehreren Bänden im 9. und 10. Jahrhundert gesammelt und scheinbar Ende des 11. Jahrhunderts zusammengeschrieben. 704 Dessen Gebeine wurden im 9. Jahrhundert in das Benediktinerkloster Andagium in die Ardennen gebracht, welches durch Schenkungen unter anderem von Ludwig I. dem Frommen, Sohn Karls des Großen, ökonomisch abgesichert war. Weitere Schenkungen durch andere Adelige folgten daraufhin.

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schenke und zugleich Gottesdiener gemeint, verboten den Hunden zu gehorchen. 705 Die Anwesenden wundern sich über ein derartiges Schauspiel, Goderannus jedoch betrachtete dies Wunder als nichts und ging mit Spott und Lachen weg. Den Fortgehenden sollte die göttliche Strafe begleiten. 706 Die Linie der gegnerischen Parteien wird nicht unbedingt offensiv entlang der Stände gezogen. Odo als der eigentliche Stifter fällt nicht negativ auf. Sein Neffe hingegen scheint die Güterüberschreibung zu missbilligen. Politische und soziale Macht kann von ihm nicht ausgeübt werden, ihm bleibt ob dieser Ohnmacht nur seine ablehnende Haltung in hochmütigem Verhalten zu verdeutlichen. Dies fordert ein Wunderzeichen heraus. Da daraufhin keine Reue oder Bekehrung erfolgt, sondern vielmehr Spott, beschwört der Lachende den Zorn Gottes herauf. Unfrömmigkeit beziehungsweise auch Unglaube angesichts des Wunders ist hierbei Thema. Die Darstellungen werden genutzt, um sowohl Differenzierungen hervorzuheben als auch herauszustellen, dass „Unglaube“ vor keiner Schicht, keinem Akteur, keiner Macht haltmacht und die jeweilige im Lachen ausgedrückte Überlegenheit sich als üchtig und vorübergehend erweist. Eher eine soziale Dimension hat das Lachen im Zusammenhang mit geselligen Anlässen wie Mahlzeiten und Unterhaltung mittels Scherzen. Lachen als Zeichen von Kon ikten bezieht vielfach sein Potential auch aus sozialer und politischer Nähe der Akteure bei gleichzeitigen Distanzierungstendenzen. Dieser Sachverhalt ist im Aufeinandertreffen von Geistlichen und adligen Weltlichen gegeben. Bei der Darstellung der Tischgenossenschaften 707 von diesen Gruppen von Akteuren geben die Textgattung und der literarische Kontext die Struktur des Umgangs mit dem Lachen vor: Im Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Setzungen können die Lachenden entweder einer Separation Ausdruck verleihen oder aber das Eingehen in einen anderen Zusammenhang, so dass der Geistliche dem Sakralen enthoben ist oder der Laie sich im Rahmen der Sakralität angemessen zu verhalten hat. In der Darstellung wird entweder auf die Trennung im Verhalten zu Tisch von Geistlichen und Weltlichen abgehoben oder auf eine Anpassung auf das jeweilige Umfeld erfolgt. Das Lachen kann dabei gemeinschaftsstiftend oder konfrontativ sein, im Zusammenhang von Differenzierungsabsichten Gemeinschaften und Akteure voneinander abgrenzen, aber auch Spannungen zwischen Akteuren anzeigen, die eigentlich als Gemeinschaft geeint sein sollten. Für das Funktionieren des jeweiligen Systems, seine gemeinschaftsfördernden

705 Um diese Wundererzählung zu verstehen, muss man wissen, dass der Heilige Hubertus ein Schutzpatron der Tiere und der Natur ist. Die Hunde gehorchen demnach nicht ihrem Herrn, sondern in diesem Fall denen, die dem Wirkkreis des Heiligen zugehörig waren. 706 „Mirantibus ceteris hujusmodi spectaculum, Goderannus pro nihilo duxit miraculum; et inde cum irrisione digressus, ibat quo disposuerat eundum. Abeuntem ultio divina prosequitur.“ Nov. I, Dies 3, S. Hubertus, episcopus Leodiensis, Miraculorum S. Huberti Post Mortem Liber Secundus, cap. I, lib. II, pag. 824C–D, 8. 707 Zu „the dining table“ als „focus of humour“, vgl. Kershaw, S. 194.

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und -stärkenden Aspekte ist eine entsprechende Anpassung der Individuen nötig und wird zum Teil durch einen integrativen Akt von Akteuren als Mittler erreicht. Im anderen Fall muss das System die Abgrenzungsversuche zwischen Adel und Klerus kompensieren können. Dies gelingt am einfachsten dort, wo die Akteure getrennt in Erscheinung treten und die Identitätsausbildung sich im Binnenvollzug ereignet oder aber sich aus dem jeweiligen Feld, in welchem sie agieren, bestimmte Anforderungen durch spezi sche Rahmenvorgaben ergeben. In Bezug auf Abgrenzungstendenzen wäre ein Bestehen eines generellen Lachverbots für Laien nicht zuletzt deshalb verwunderlich, wenn zum Beispiel Quellenbelege zum convivium suggerieren, dass eine unterschiedliche Handhabung je nach Anlass sogar für Geistliche möglich ist. Die Hinwendung zu Geistlichen und adligen Weltlichen als gemeinsamen Adressatenkreis zeigt sich auch bei Scherzen, die ein Lachen erregen können. Außerhalb der Textgattung der Heiligenviten liefert unter anderem Hildebert von Lavardin an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert ein Beispiel, wie Empfehlungen für Geistliche auch für Adlige gelten sollen, aber auch solche für Adlige, die bemerkenswerterweise auf Geistliche ausgeweitet werden. Es ergibt sich ein gemeinsamer Wertehorizont. Hildebert wendet sich der Geistlichkeit nur unter anderem zu, wenn er seinen Argwohn gegenüber der Berufsgruppe der Schausteller zum Ausdruck bringt. In seiner Schrift „Libellus de quattuor virtutibus vitae honestae“ bekräftigt er die Inhalte des Traktats „Formula vitae honestae“ 708 von Martin von Bracara aus dem 6. Jahrhundert und ergänzt diese in geringem Umfang. Dem Scherzen steht Hildebert weniger kritisch gegenüber, wobei die Unvereinbarkeit der antiken Anleitung zum rechten Scherzen mit dem Evangelium für ihn unproblematisch ist. 709 Die Fortschrittlichkeit wird nicht nur in der Annäherung an den antiken Umgang mit dem Scherzen deutlich, sondern auch in der Hinwendung an Geistliche als einem zusätzlichen Adressatenkreis. 710 Hildebert verbleibt aber nicht auf der Ebene theoretischer Überlegungen. Er setzt sein Interesse an antiken Schriften 711 und die theoretische Zustimmung des Scherzes durch

708 Die Vorlage von Martin von Bracara wurde fälschlicherweise Seneca zugeschriebenen, auf welchen Martin sich stützt. 709 Hildebert gibt die antiken Gedanken in äußerst reiner Form wieder, wie sie sich auch in seiner Vorlage nden. Beim Gebrauch antiker Vorlagen trifft er eine ihm genehme Auswahl an Argumenten und versieht sie mit einer christlichen Interpretation. Dennoch ist der eigentümliche Versuch zu beobachten, das Altertum für sich gelten zu lassen. So wird die natürliche Moral Senecas ohne christliches Gepräge und ohne starke Trennung von der Moral des Evangeliums übernommen und etwaige Unterschiede verwischt. Vgl. Suchomski, S. 43. 710 Vgl. Suchomski, S. 42 f. 711 „Aufgrund des sicheren Bestands [in Bezug auf die Echtheit, Anm. d. Verf.] bleibt vor allem wichtig: Hildeberts Bedeutung für den stilistischen Klassizismus und ethischen Stoizismus in der sogenannten ‚Renaissance des 12. Jahrhunderts`, seine für die ‚humanistische` und hö sche Kultur wegbereitende Höherbewertung rein menschlicher Perfektion (wie er sie z. B. in

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Nachdichtung und satirische Scherzgedichte auf praktischer Ebene um. Diese Ausrichtung ndet ihre Entsprechung und ihren Niederschlag in seinem gesamten rhetorischen Stil. Das Beispiel Hildeberts, selbst Bischof und Seelsorger, verdeutlicht, „daß die antike Tugend des geistreichen und geschmackvollen Scherzens am ehesten dort durchdringen und auf Verständnis stoßen konnte, wo Bildung mit gesellschaftlich hervorragender Stellung gepaart war.“ 712 An Hildebert zeigt sich die Durchdringung von antiken und christlichen Idealen, die geistlichen wie weltlichen Gebildeten als Vorgabe dienen sollen, um sich gemeinsam vor allen anderen hervorzutun.

3.3.3.1 Akteure der Kirchenhierarchie

Die Geistlichen werden in den Heiligenviten als lachend dargestellt. Die jeweiligen Unterschiede zwischen Weltgeistlichen und Ordensgeistlichen bestehen dabei wie gezeigt aus kirchenrechtlichen Gründen. Die Frage ist, ob in den Heiligenviten eine Binnendifferenzierung innerhalb dieser Akteursgruppen besteht zwischen den Bischöfen, 713 von denen viele der frühen Bischofheiligen auch zu den Confessores zählen, und den Priestern sowie Regularkanonikern, zwischen Äbten und Mönchen, zwischen Kirchenlehrern und Eremiten. Die Bischöfe Athanasius und Baudinus 714 lachten, wenn auch nur schwerlich. 715 Bischof Cuthbert hatte sich in seiner Jugend den Spielen und Späßen hingegeben, 716

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zwei Gedichten auf Rom an der heidnischen Antike bewunderte) [. . . ]“ Moos, P[eter] von: Hildebert von Lavardin, 2002, Sp. 11. Suchomski, S. 42. Bischofsviten sind an dieser Stelle nicht berücksichtigt, weil sie zum einen in der Forschung in Bezug auf das Lachen nicht diskutiert werden und zum anderen Bischöfe per se nicht zu den Heiligentypen, auch in den mittelalterlichen Katalogen, zählen. Sofern sie als solche erachtet werden, dann aufgrund der Tatsache, dass sie entweder als Märtyrer oder als Bekenner eine Heiligsprechung erfahren haben. Vgl. Lotter, S. 315 f. „non facilis erat ad risum“, AS, Nov. III, Dies 7, S. Baudinus seu Baldus episcopus Turonensis, pag. 389, col. B, 2. „[. . . ] in oratione continuus, in Of ciis ecclesiasticis promptus, in risu dif cilis, [. . . ]“, AS, Jul. IV, Dies 15, S. Athanasius episcopus, Neapoli in Campania Italiae, cap. II, pag. 80F, 12. „[. . . ] solis parvulorum ludis et lasciviæ mentem dare notaverat: ita ut illud B. Samuelis tunc de ipso posset testimonium dici: Porro Cuthbertus necdum sciebat Dominum neque revelatus fuerat ei sermo Domini. [. . . ] Oblectabatur ergo, ut diximus, jocis et vagitibus, et juxta quod ætatis ordo poscebat, parvulorum conventiculis interesse cupiebat, ludentibus colludere desiderabat.“, AS, Mar. III, Dies 20, S. Cuthbertus Episcopus Lindisfarnensis in Anglia, pag. 99, col A, 4.

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ebenso war Bischof Laurentius in seiner Kindheit zu Scherzen aufgelegt. 717 Das Lachen der Bischöfe Vladimir 718 und Domnius 719 steht im Kontext äußerer Anfechtungen wie bei den Märtyrern. Bischof Hugo wurde auf seinem Totenbett über die Ankunft eines Freundes von Freude und Fröhlichkeit erfüllt. Diesen vielen Belegstellen stehen aufgrund der geringeren Anzahl entsprechender Viten sehr viel weniger Nachweise für Priester und Regularkanoniker gegenüber: Der Vita des Presbyters Yvo ist zu entnehmen, dass der Heilige nicht nur zu seinen Lebzeiten gelacht hat, sondern auch als Toter lachend aussah. 720 Die Bischofsheiligen weisen demnach ein breites Spektrum an unterschiedlichem Lachen auf, die Darstellung des Lachens eines niedriger stehenden Heiligen scheint keinen Gegensatz zu bilden. Ohne Unterschied zu diesen Beschreibungen lesen sich diejenigen von Klostervorstehern. Abt Winwaloeus reagierte auf einen Zank mit frohem und lachendem Gesicht. 721 Abt Galterius lachte nicht leicht, ließ sich aber ebenso wenig von Traurigkeit bedrücken. 722 Ähnlich klingt der Bericht über die Äbtissin Lioba, die stets ein fröhliches Gesicht an den Tag gelegt, aber diese große Heiterkeit sich niemals in La-

717 „Cui subridens Laurentius veluti per jocum [. . . ]“, „[. . . ] quamquam per liberalem jocum dicere solebat [. . . ]“, AS, Jan. I, Dies 8, B. Laurentius Iustinianus, Patriarcha Venetus, cap. I, pag. 552, 7 und cap. V, pag. 556, 24. 718 „[. . . ] ad libertatem perennis gloriæ gaudens transiit [. . . ] Episcopus iste in cœlesti securitate pausans, minas viri impii deridet, [. . . ]“, AS, Sep. II, Dissertatio de Conversione et Fide Russorum, pag. Xi, col. D, 43. 719 „[. . . ] Christum Dei lium & colo & prædico: Deos autem tuos contemno, minas irrideo. [. . . ]“, AS, Apr. II, Dies 11, S. Domnius, seu Domnio, Episcopus salonitanus, et al., Vita S. Domnii Episcopi Ab Adamo Parisiensi seculo XI illustrata, & ex Breviario Spalatensi a Ioanne Lucio communicata, pag. 8, col. A, 4. 720 „[. . . ] & quasi ridens & sudans omnibus assistentibus videbatur: & pulchrior & rubicundior, quam esset dum viveret, apparebat. Obiit autem Sanctus in crepusculo [. . . ]“, AS, Maii IV, Dies 19, S. Yvo, Presbyter Trecorii, in Britannia Armorica, cap. IX, pag. 561A, 68. Einen ähnlichen Bericht gibt es über Franz von Assisi, welcher nach seinem Tod sehr schön, mit einer rosigen Blässe und fröhlich aussehend beschrieben wird: „Non erat in eo aspectus, sed despectus vultus eius [. . . ] sed post mortem ejus pulcherrimus aspectus est, miro candore rutilans læti cans videntes“, Thomas 〈von Celano〉: Vita secunda S. Francisci, siehe auch AS, Oct. II, Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Commentarius Praevius, XXVIII, pag. 669B, 651. 721 „[. . . ] cui Guingaloëus læto ac ridente vultu pro conuicio illato respondit“, AS, Mar. I, Dies 3, S. Winwaloeus, Abbas Landeueneci in Britannia Armorica, Tertia Vita Auctore Gurdestino monacho Ex MS. Armorico, Lib. I, pag. 257B, 11. 722 „[. . . ] non facilis in risu, non tristitia gravis; non lætus in prosperis, non tristis in adversis; [. . . ]“, AS, Apr. I, Dies 8, S. Galterius, Abbas S. Martini, Ordinis S. Benedicti, juxta Pontisaram in Gallia, cap. I, pag. 758, col. E, 5.

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chen aufgelöst habe. 723 Die Äbtissinnen Herlindis 724 und Elisabeth 725 üben bezüglich des Lachens Zurückhaltung. Dem gegenüber stehen wiederum weniger Quellenbelege für einfache Nonnen und Mönche: Die Mönche Girardus 726 und Gobertus 727 lachen über ihnen zugefügtes Unrecht beziehungsweise über widrige Umstände. Der Mönch Jacobus antwortet einem ratsuchenden Bauern fröhlich lachend. 728 Auch aus diesen wenigen Textstellen lässt sich kein großer Unterschied zwischen Klostervorstehern und einfachen Klosterbewohnern herausarbeiten. Und schließlich wird Johannes Chrysostomus als Kirchenlehrer und Bischof so dargestellt, dass in dessen Gesicht laut des Vitenverfassers ein mildes Lachen zu nden war. 729 Einen Gegensatz zu dessen weltzugewandter Position bilden Eremiten in ihrer abgeschiedenen Lebensweise: Ein Lachen wird von der Inkluse Alpais berichtet. 730 Über den Eremiten Abramius wird gesagt, seine Lippen haben sich nicht leicht zu einem Lachen verzogen. 731 Und als der Augustinereremit Nicolaus Tolentinas im Sterben lag, wurde aus seinem Zimmer eine fröhliche Stimme vernommen, und aus großer Freude heraus schien er zu lachen. Es zeigen sich also keine besonderen Auffälligkeiten bei den Akteuren unabhängig von ihrer Position innerhalb der kirchlichen Hierarchie, ihr Lachen wird auf ähnliche Weise in den Heiligenviten dargestellt. Anhand all dieser zusammengefassten Textbelege zeigt sich, dass kein grundsätzlicher Unterschied bezüglich der Beschreibung des Lachens vorgenommen wird zwischen hochgestellten 723 „Et cum lætam semper faciem præferret, nunquam hilaritate nimia resoluta est in risum.“ AS, Sep. VII, Dies 28, S. Lioba seu Leobgytha, alias Truthgeba, virgo abbatissa, in Germania, pag. 764, col. E, 14. 724 „[. . . ] in sobrietate paratior, in corpore honestior, in corde sincerior, in risu rarior, in compunctione cordis feruentior.“ AS, Mar. III, Dies 22, S. Herlindis, Virgo, Abbatissa Masaci in Belgio, pag. 387, col. A, 4. 725 „[. . . ] Virgo constringuere ut sit verecunda ad loquendum, ad audiendum, ad ridendum, ad faciendum omne quod impudicum est [. . . ]“, AS, Jun. V, Dies 18, S. Elisabeth Virgo, Ord. S. Benedicti Schonaugiae in dioecesi Trevirensi, pag. 632, col. F, 101. 726 „Omni vilitate vel extremitate contentus, tantae fuit patientiae ut frequenter acceptis iniuriis rideret“, AS, Nov. II, Pars I, Dies 4, S. Girardus, monachus Andegavensis, Vita S. Girardi Confessoris, pag. 494, col. E, 3. 727 „[. . . ] Non lasciviebat in prosperitate, sed ridebat in adversitate [. . . ]“, AS, Aug. IV, Dies 20, B. Gobertus, Ordinis Cisterc., in abbatia Villariensi in Brabantia, pag. 386, col. A, 44. 728 „Tunc Frater Jacobus hilaris et affabilis alacriter ridendo ait: Placet valde, quod petis.“, AS, Aug. IV, Dies 23, B. Jacobus Mevanas, ex Ordine Praedicatorum, Mevaniae in Umbria, cap. I, V, pag. 730, col. A, 8. 729 „Mores quidem ipsius erant gratiosi, & risus in vultu placidus, non in dissolutum effusus cachinnum.“, AS, Sep. IV, Dies 14, S. Joannes Chrysostomus, episcopus Constantinopolitanus & doctor Ecclesiae, cap. II, pag. 706, col. B, 13. 730 „Cui ipsa ridendo respondit [. . . ]“, AS, Nov. II, Pars i, Dies 3, B. Alpais virgo, Cudoti in territorio Senonensi, lib. IV, cap. II, VIII, pag. 202, col. A, 8. 731 „Non facile sua labia in risum solvebat: sed ne subridebat quidem.“, AS, Mar. II., Dies 16, S. Abramius Eremita in Hellesponto, cap. III, pag. 440, col. B, 24.

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Geistlichen und niederem Klerus, zwischen weltoffenen Kirchenmännern und weltüchtigen Asketen. Die verschiedenen Arten des Lachens nden sich bei allen Akteuren aufgrund der bereits diskutierten unterschiedlichen Funktionen, die die Darstellungen erfüllen sollen, in den meisten Fällen als weiterer Ausweis ihrer Tugendhaftigkeit in Form eines gemäßigten Lachens oder es markiert bestimmte bereits weiter oben diskutierte Kontexte. Das Nicht-Lachen als Sujet der Kindheit ndet sich bei oben genanntem Bischof Cuthbert. Ein anderer Quellentext belegt, dass das Lachen beziehungsweise das NichtLachen als Verhalten sogar zu einem entsprechenden Beinamen führen konnte: Durch die Vita des Heiligen Bernhard von Clairvaux aus dem 11. beziehungsweise 12. Jahrhundert ist ein Erzdiakon namens Arnaldus bekannt, der den Beinamen Qui-non-ridet, also „Der-nicht-lacht“ trug. 732 Dabei werden der Beiname und dessen Bewertung nicht erhellt. Es muss an dieser Stelle offenbleiben, ob sich hierin eine positive Bewertung eines Klerikers ndet und dessen Orientierung an dem Ideal, nicht zu lachen. Es wäre demnach ein Ideal, welches auch Klerikern erstrebenswert gewesen zu sein scheint. Möglich ist auch, dass es sich um einen Beinamen handelt, der seine Verwendung dem übertriebenen Ernst des klerikalen Akteurs verdankt. Es könnte demnach als Lob verstanden werden oder aber ganz im Gegenteil als Spottname. Da der Verfasser den Beinamen unkommentiert lässt, könnte er auch ohne jede Wertung verstanden worden sein, als eine Tatsache, die weder ungewöhnlich noch bemerkenswert ist. Das Lachen von Klerikern und Mönchen erhält aber auch durchaus eine negative Bewertung in den Heiligenviten, obwohl diese Akteure demselben Stand angehören wie die Verfasser. Weniger aufgrund von gegenseitiger Abhängigkeit wie zwischen Geistlichkeit und Adel, sondern möglicherweise aufgrund von Kon ikten oder subtileren Distinktionstendenzen kommen Erzählungen zustande, die Kleriker in einem schlechten Licht erscheinen lassen. 733 Drei verschiedene Versionen des 10. bis 12. Jahrhunderts der Vita des heiligen Abts Angilbertus aus dem 9. Jahrhundert thematisieren den Unglauben eines Klerikers bezüglich der Wunder des Heiligen. In Folge dessen bekam der Kleriker einen Anfall, in zwei der drei Quellen als Besessenheit vom Teufel interpretiert. Auf Anrufung des Heiligen hin vollzieht sich die Heilung beziehungsweise Befreiung. Diese Darstellung variiert in den verschiedenen Berichten leicht: Johannes 732 „Paulo aliter Gaufridus de eo agit, cui synodum Viterbiensem in eadem causa habitam præmittit. Gilberti ad Ponti cem delatorem unum memorat archidiaconum Arnaldum, cui cognomen tribuit Qui-non-ridet. In conventu Parisiensi unum Gilberto adversarium opponit Bernardum ‚cui omne negotium Christi, ubicumque eum contigisset adesse, tamquam omnino proprium, protinus incumbebat`.“, AS, Aug. IV, Dies 20, S. Bernardus, primus abbas Claravallensis, in territorio Lingonensi Campaniae in Gallia, XLI, pag. 197D, 434. Zur Darstellung des Lachens von Bernhard von Clairvaux in zwei Versionen seiner Vita vgl. die Diskussion bei Verbaal, S. 193 f. 733 Ebenso könnte die Erzählabsicht aber auch die Veranschaulichung sein, dass unfromme Handlungen von jedem begangen werden und sich davon auch Kleriker nicht ausnehmen.

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Capella mildert sie ab, indem einer von vier Klerikern die Wunder nicht glaubte, sondern sie belächelte, sed subridebat. Seine Besessenheit verstand der Kleriker selbst als göttliche Strafe. Der Bericht von Malbrancus handelt auch von den vier Klerikern, die jedoch nicht den Heiligen und dessen Wunder, sondern die Bewohner auslachten, irridendi, weil diese zu sehr an die Wunder glaubten. 734 Ähnlichen Unglauben von Klerikern und Kanonikern berichtet der Mönch Renerus aus Lüttich, ein Zeitgenosse des seligen Bischofs von Lüttich und Märtyrers Fredericus, gestorben 1121. Als die Eltern die Heilung ihres von Geburt an blinden Jungen erlebten, lobten sie Gott zusammen mit all ihren Verwandten und Freunden. Kleriker und Kanoniker hingegen waren starrsinnig, wollten das Geschehene keineswegs glauben, wenn sie es nicht mit eigenen Augen sehen würden. Mit großem Spott, cum magna irrisione, wünschten sie, eine Heilung zu sehen. Es folgt der Vergleich zur Verspottung Christi am Kreuz durch die Juden, 735 quae Cruci xo Domino illudebat: Wenn er der Sohn Gottes sei, solle er vom Kreuz steigen, und sie würden ihm glauben. Mit der Feststellung, der Diener Christi, Fredericus, habe dem Spott der Feinde nicht nachgegeben, endet der Bericht. 736 In den genannten Fällen schreiben Mönche beziehungsweise ein Abt über das negativ zu bewertende Lachen der Kleriker und Kanoniker. Möglicherweise geht es um eine Pro lierung der monastischen Lebensweise gegenüber den Weltgeistlichen, die hier als wenig in ihrem Glauben, besonders an Wunder der Heiligen, gefestigt erscheinen. Et734 „Ita id narratur in Chronico Ioannis Capellæ: Quatuor Clerici iuuene de Normannia peregrinantes, vnus illorum inquirebat de miraculis superiter, & non credebat, sed subridebat: subito possessus est a diabolo. Alij tres deuote vi & violentia eum adduxerunt: & liberatus est, & declarauit hoc fuisse est a diabolo. Malbrancus quatuor illos Clericos Centulam venisse ait, vt de miraculis S. Angilberti inquirerent, sed vnum male ciis ea tribuisse, ideoq; mox dæmone arreptum, sed aliis S. Anglibertum inclamantibus liberatum.“ AS, Feb. III, Dies 18, S. Angilbertus, Abbas Centulensis in Belgica II., Miracula S. Angilberti auctore Anschero, pag. 102, col. D – E, Annotata k zu „Clericus miracula Sancti non credens“. 735 Keller zeigt, wie die Juden ihrerseits zu verspotteten Spöttern werden im Donaueschinger Passionsspiel: „Mit zur intendierten Wirkung dürfte [. . . ] die Verspottung der Juden gehört haben.“ „Das Lachen des christlichen Publikums rückt somit in die Nähe des ideologischen Triumphs über den [. . . ] paganen Verspotter von christlichen Märtyrern und wäre folglich eine Art von Metalachen.“ Keller, S. 58. 736 „Parentes, af nes & amici, & omnes qui aderant, magno clamore in laudem Dei sanctique Ponti cis ecclesiam repleverunt super illuminationem adolescentis præfati: Clerici tamen & Canonici pertinaci animo resistentes, nequaquam se credituros esse dicebant, nisi eos quos domi stipe sua pascebant in rmos sanari viderent. Dominicus tunc erat dies; instantes ergo cum magna irrisione [videre] cupiunt, operientes eventum rei, si quis eorum sanaretur; instar Judaicæ per diæ, quæ Cruci xo Domino illudebat, dicens: Si lius Dei est descendat de cruce, & credimus ei. Scilicet neque tunc Redemptor noster de cruce descendit, qui tertia die postmodum resurrexit; neque modo Christi servus Fredericus hostium irrisioni paruit.“ AS, Maii VI, Dies 27, B. Fredericus, Episcopus Leodiensis & Martyr, Vita Auctore coaevo Renero Monacho Leodien S. Laurentii, pag. 726C–D, 3.

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waige Kritik wird hier laut ungeachtet der Tatsache, dass in dem einen Fall der Heilige als Bischof ebenfalls der Weltgeistlichkeit zuzuordnen ist. Der Bischof wäre demnach eine Ausnahme, ein umso leuchtenderes Vorbild inmitten kleingläubiger Kleriker und Kanoniker. Aber nicht nur Kleriker als Akteure, die die Heiligen auslachen, geraten in den Blick der Vitenverfasser: So berichtet der Selige Petrus Damianus im 11. Jahrhundert von dem im Jahre 1027 verstorbenen heiligen Abt Romualdus, dem gegenüber sich ausgerechnet Mönche missgünstig zeigten. Sie wurden von Petrus Damianus als Gegenspieler des Heiligen voll ausgestaltet. Er stellt sie als untugendhaft dar: Zwischen ihre Lobpreisungen mischte sich stets ihr Groll gegen den Heiligen und sie verloren sich in unmäßigem Spiel und Gelächter, während die Fröhlichkeit lockte und in niederer Weise schmeichelte, in immoderatum ludum atque cachinnum se, laetitia lenocinante, resolvunt. Weiter werden die Mönche und ihre Lasterhaftigkeit mit den Worten Freude, gaudii, und Fröhlichkeit, iucundissimam, negativ charakterisiert, da diese Ausdrücke zusammen mit den Begriffen für verschwenderische Vergnügungen, sumptuosas deliciarum copias, und das Gelage, convivium stehen. Mitten im Winter verlangte die ungehörige Schar nach Honig und einer bedrängte den Heiligen deswegen besonders stark. Zur Strafe stürzte jener von einer Brücke und kam in den Fluten des Flusses ums Leben. Die anderen wurden schwer verletzt durch den Einsturz eines Gebäudes, welches die Schneemassen des Winters nicht mehr tragen konnte. 737 Auffällig an diesem Beispiel ist jedoch, dass die Mönche den Heiligen nicht direkt verlachen, sondern durch die Ausgestaltung ihrer Untugenden als Kontrast dienen. In dem vorliegenden Fall lässt sich also nicht so ohne Weiteres ein Abgrenzungsversuch herauslesen, zumal Petrus Damianus als einstiger Benediktinermönch und späterer Bischof zuerst der Ordens- und später der Weltgeistlichkeit angehörte. Es gibt in den vorliegenden Fällen wenig Hinweise auf einen allgemeinen Antiklerikalismus, 738 sondern vielmehr wird auch bei den Geistlichen und Mönchen deutlich gemacht, dass 737 „Monachi autem compotes diu desideratæ vltionis effecti, & quasi proiecto graui onere leuigati, hoc quod in Dei famulum egerant, multis inter se laudibus efferunt, & in immoderatum ludum atque cachinnum se, lætitia lenocinante, resoluunt: deinde etiam, vt tanti gaudij solennitatem quodammodo iucundissimam faciant, sumptuosas deliciarum copias sibi ad conuiuium parant.“ AS, Feb. II, Dies 7, S. Romualdus Abbas, Ordinis Camalducensis Fundator, Fabriani in Piceno, Vita Auctore B. Petro Damian, cap. V, pag. 110C–D, 28. 738 Es ist jedoch unbestritten, dass sich auch in Heiligenviten eine Spannung herauslesen lässt, eine „tiefgreifende Spannung zwischen Amtskirche und dem Streben nach Vollkommenheit im Sinne der asketisch-monastischen Forderungen“, so dass bei einigen Viten zu fragen ist, „ob hier nicht entweder asketisch-monastische Kreise dem Episkopat das Muster vorbildlicher Lebensführung im Sinne ihrer Ideale vor Augen halten [. . . ], oder ob andererseits dem Episkopat nahestehende Autoren einzelne Vertreter der geistlichen Hierarchie durch die Darstellung eines musterhaften Lebenswandels gegen die Kritik monastischer oder streng kirchlicher Bewegungen und Gruppen in Schutz zu nehmen versuchen“, Lotter, S. 316 f, vgl. auch S. 349.

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auch diese nicht vor Hochmut, Fehlern und Ungläubigkeit geschützt sind. Die negativ konnotierten Akteure lachen über die Wunder, die Heiligen und damit über das Heilige schlechthin. Die Funktionen solcher Darstellungen sind das Voraugenführen der Verfehlungen und damit der Fehlerhaftigkeit aller Menschen, wovon eben Kleriker und Mönche nicht ausgenommen sind, aber auch das Aufzeigen von Gegnerschaften zwischen Akteuren. 739 In Bezug auf die Darstellung des Lachens von Heiligen werden keine Differenzierungen bei den Akteuren in Abhängigkeit ihrer Position innerhalb der Kirchenhierarchie vorgenommen. Gleiches gilt für die weiter oben analysierten Textgattungen wie zum Beispiel die Regeln für Geistliche. Auch darin werden keine Unterschiede in Form von Einschränkungen oder Auflockerung von Regeln vorgenommen im Hinblick auf die Wahrnehmung bestimmter religiöser oder gesellschaftlicher Aufgaben und Funktionen. Die Regeln richten sich an Bischöfe und Priester sowie Äbte und Mönche gleichermaßen. Alle haben gleichermaßen auf bestimmte Aspekte beim Lachen zu achten und können sich innerhalb bestimmter Grenzen ein Lachen erlauben. Nichtsdestotrotz eignen sich das Lachen und das Wissen um die Spielräume zur Distinktion.

3.3.3.2 Akteure der Adelshierarchie

In Bezug auf Akteure des Adels ist es weniger möglich anhand der Heiligenviten und weiteren Textmaterials eine Binnendifferenzierung von Über- und Unterordnungsverhältnissen vorzunehmen wie bei den Geistlichen. In den Heiligenviten kann unterschieden werden zwischen Königen, Königinnen, Nonnen königlicher Abstammung 740 und weiteren Akteuren adeliger Herkunft. Diesen werden alle unterschiedlichen Arten des Lachens zugeschrieben: Der Heilige Stephan, König von Ungarn, habe kaum jemals seine Lippen zu einem Lachen verzogen. 741 Ähnliche Mäßigung legte die seliggesprochene Königin Mathilde an den Tag, die niemand über das Maß albern sein oder lachen sah. 742 Die Freude der Königin Margarita ging nicht in schal739 Kirchenpolitische Spannungen können hierfür in einigen Fällen den Hintergrund für derartige Darstellungen liefern. Dies wird besonders deutlich in den Fällen, wo ausdrücklich auch hohe geistliche Amtsträger als Gegner der Heiligen konturiert werden wie im weiter oben erörterten Fall des Heiligen Papst Gregor VII. oder des Heiligen Wilfried. 740 Forschungsskizzen und Literaturangaben zu Herrschersakralität vgl. zusammenfassend Erkens. Grundlegend zum sakralem Herrschaftsverständnis und Sakralisierung des Reichs bei Anton, H[ans] H[ubert]: Sakralität (sakrales Herrschertum), 2002, Sp. 1263–1266. 741 „Vix unquam ad risum labia movit [. . . ]“, AS, Sep. I, Dies 2, S. Stephanus primus Hungariae rex, Albae regalis in Hungaria, cap. IV, pag. 571, col. C, 28. 742 „Raro videbatur irata, vel etiam commota: nemo illam vidit ultra modum mœrentem aut ridentem: miro caritas splendore effulsit: modestiæ mirabilis amatrix, & humilitatis placida

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lendes Gelächter über. 743 Bei einigen Heiligen, die sich dem Ordensleben verschrieben haben, wird die königliche Herkunft betont: Über die aus königlichem Hause stammende Heilige Elisabeth wird eine Episode berichtet, die von ihrem Lachen zeugt. 744 Die Heilige Margarita Hungarica lächelte hingegen, statt in lautes Lachen auszubrechen. 745 Für die königliche Heilige Ethelreda, jungfräuliche Äbtissin in Ely, nimmt ihr Vitenverfasser an, als Märtyrerin sei sie froh über Verwundungen gewesen und habe sich freuend über die Folterwerkzeuge unter Martern gelacht. 746 Auch für weitere Akteure von anderem Rang nden sich Textbelege, die mit dem Lachen, aber auch mit Scherzen zu tun haben: Canutus, Anführer der Schleswiger in Dänemark reagierte auf seinen weltlichen Feind, dessen militärische Bedrohung und verbalen Spott mit einem Scherz. 747 Der letzte Graf von Cappenberg, Godefridus, lachte über die irdischen Freuden. 748 Bei den Heiligen adeliger Herkunft zeigt sich demnach in der Darstellung das ganze Spektrum an Arten des Lachens, welches sich auch bei anderen Heiligen zeigt. Es bestehen dabei keine Unterschiede zwischen Königen, Königinnen, Nonnen königlicher Abstammung und anderen Adeligen. 749

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sectatrix [. . . ]“, AS, Mar. II, Dies 14, B. Mathildis Regina, coniux Henrici Aucupis Regis Germaniae, cap. III, pag. 363, col. B, 13. „Numquam hilaritate nimia in cachinnum soluta, numquam irascendo fuerat in furorem effusa.“, AS, Jun. II, Dies 10, S. Margarita, Regina Scotiae, Edimburgi, cap. I, pag. 329, col. E, 8. „Ridebat illa, totumque pro nihilo habebat, atque istuc ipsum insipientiæ attribuebat.“, AS, Aug. VI, Dies 31, B. Elisabetha seu Isabella virgo regia, prope Fanum S. Clodoaldi in Agro Parisiensi, cap. I, pag. 799, col. B, 4. „Erat paucis contenta verbis, ideoque laudabilem taciturnitatem mire amabat: subridere quidem aliquando, sed in cachinnum numquam laxari visa est. Laudari se permoleste patiebatur, jactantiæ vel minimum verbum ex ejus ore nemo unquam audivit.“, AS, Jan. III, Dies 28, B. Margarita Hungarica, Virgo Ordinis Praedicat, cap. II, pag. 707, 7. „Jam vero adversum omnes pœnas atque supplicia, quibus plerumque cessit humana in rmitas, ita a confessione Domini non recedens, immobilis obstitisset; ut leta ulceribus, gaudens cruciatibus quelibet inter tormenta risisset.“, AS, Jun. IV, Dies 23, S. Ethelreda regina, virgo abbatissa Elyensis in Anglia, Acta prolixiora autore Thoma monacho Elyensi, pag. 507, col. A, 40. „Ille minas sibi, quas nuper intenderat, responsi vrbanitate exprobatas intelligens, ingominiam ioco prosecutus [. . . ]“ AS, Jan. I, Dies 7, S. Canutus, Dux Sleswicensis in Dania, Vita Ex Saxone Grammatico, pag. 395, 8. „In Domino dens mundanaque gaudia ridens.“, AS, Jan. I, Dies 13, B. Godefridus, Comes Capenbergensis, post religiosus ord. Praemonstratensis in Westphalia, Alia Vita Metrica Auctore anonymo, pag. 860, §. I. Ebenso können Adelige jeden Rangs den negativen Gegenpart einnehmen und die Heiligen verlachen wie in weiter oben behandelten Fällen der Heiligen Papst Gregor, Wilfrid, Finianus und Hubertus. In der Vita des Heiligen Stanislaus, der in einem Rechtsstreit das Wunder einer Wiedererweckung eines Zeugen bewirken will, sind die Gruppe der Lachenden Zuschauer und Angehörige eines königlichen Tribunals: „Stupentibus cunctis, & stupore ingenti

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Einige Fälle gehen jedoch über diese üblichen Beschreibungen hinaus. Die Mäßigung nimmt dabei strengere Züge an: König Ludwig IX. von Frankreich enthielt sich des Lachens an Freitagen. Wenn er jemals unachtsam zu lachen an ng, hörte er sogleich wieder auf. 750 In Gedenken an die Kreuzigung Christi erlegt sich der König jeweils für einen Wochentag die Regel auf, überhaupt nicht zu lachen. Diese Aussage wird ergänzt um eine weitere Aussage, die sich in all den oben diskutierten Belegstellen so nicht nden lässt. Betont wird die Seltenheit des Lachens mit den Worten „wenn er jemals zu lachen an ng“. Als Erklärung für den Fall, dass ein Lachen doch vorgekommen sein soll, wird Unachtsamkeit genannt, auf welche der Herrscher mit Selbstbeherrschung reagiert und seinem eigenen Lachen ein Ende setzt. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Darstellung von Eduard, König von England durch den Zisterzienser Aelred von Rievaulx im 12. Jahrhundert. In der Vita ndet sich eine Episode über eine göttliche Eingebung des Königs, dem auf diese Weise der Tod seiner durchaus weltlichen Feinde mitgeteilt wurde. Dennoch betonte Aelred von Rievaulx, der König habe nur maßvoll gelacht, wie selbst dies nicht seine Gewohnheit gewesen sei. 751 Hier wird das Lachen zur Ausnahme erklärt. Wenn sich ein solches doch ereignet, wie in dem besonderen Fall einer Art von Vision, dann unterliegt es dennoch der Mäßigung. Auch dem Redakteur der Vita 752 des Heiligen Stephan ist die Erwähnung wichtig, dieser habe kaum jemals seine Lippen zu einem Lachen verzogen. 753 Eine längere Erklärung wird hierfür

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attonitis mentibus, & admirantibus tam audacis animi, vel (ut verius loquar) tam perfectæ dei virtutem, impossibilitate denique obligationis discussa, res fere apud universos in risum versa est, nec ulla facti hujus deferebatur des; existimantibus illis, ut erat, Episcopum Stanislaum parum possibilem rem & dif cillimam, pro certa & comperta, spopondisse: pluribusq; cacchinnationibus & occifactionibus Episcopum, non secus quam delirum, & mente ac cerebro parum sanum, incessere.“ Aufgeschrieben wurde diese Vita Mitte des 15. Jahrhunderts. AS, Maii II, Dies 7, S. Stanislaus, Episcopus Cracoviensis & Martyr, in Polonia, Vita Auctore Ioanne Longino seu Dlugosso, cap. VI, pag. 217D, 65. „Adhæc beatus Rex, quantum poterat, a risu abstinebat diebus Veneris; si quandoque inadvertenter ridere cœpisset, mox ridere desinebat [. . . ]“, AS, Aug. V, Dies 25, S. Ludovicus Francorum rex, prope Tunetum in Africa, cap. XII, XIV, pag. 606, col. B, 130. „Quadam namque die Pentecostes, cum Rex divinis interesset mysteriis, hora elevationis Corporis Christi subito Rex vultu hilarior, et erectior oculis, in risum modicum, servata tamen regia gravitate, dissolvitur. Mirari, qui aderant, cœperunt; nec sine caussa, cum præter consuetudinem id ei accidisse sciebant.“ AS, Jan. I., Dies 5, S. Eduardus, Angliae Rex Confessor, cap. III, 11. Die im 16. Jahrhundert edierte Vita des Heiligen lässt sich nicht genau zurückdatieren. Sie wurde vermutlich bereits im 11. Jahrhundert begonnen, spätestens aber im 12. Jahrhundert, wobei Ergänzungen bis ins 14. Jahrhundert erfolgt sein dürften. Ob es sich bei der relevanten Passage um eine ältere oder jüngere Textstelle handelt, ist nicht gewiss. „Vix unquam ad risum labia movit, recolens scriptum, Risus dolore miscetur, et extrema gaudii luctus occupat; semper sic apparens, acsi ante Christi tribunal staret, interioris [. . . ] oculis ejus præsentiam vultu sereno conspiciens, Christum in ore, Christum in corde, Christum in cunctis actibus se gestare demonstravit. Diem ultimum semper ante oculos cordis statu-

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abgegeben: Der König lebt im Einklang mit einem alttestamentlichen Ausspruch bezüglich des Lachens, wonach Schmerz auf Lachen folgt und Trauer auf Freude. Durch eine umgekehrte Haltung erscheint der König in der Darstellung, dass er auf diese Weise Unglück abwenden wolle. Ferner vergegenwärtigt er sich das Leiden Christi und das Jüngste Gericht. In all den genannten Fällen erfolgt eine Überhöhung der Herrscher durch eine radikalisierte Maßgabe, 754 eine strengere Orientierung an christlichbiblischen Idealen, die zu einer Sakralisierung dieser Akteure führt. Dadurch sind sicherlich religiöse wie auch politische Funktionen in den Blick genommen. In diesem Sinne der unterschiedlichen Aufgabenfelder kann die Darstellung des Heiligen ihren Schwerpunkt auf die Frömmigkeit der sakralen Sphäre legen oder auf säkulare Aspekte der Herrschaftsrepräsentation. Zeugnis hiervon liefern die genannten Beispiele der heiligen Könige Stephan von Ungarn und Ludwig IX. von Frankreich. Hingegen das Beispiel von dem Heiligen Canutus zeigt sein Lachen im Kontext seiner weltlichen Funktion als Anführer der Schleswiger in Dänemark. 755 Die Königsheiligen werden demnach zum Teil mit anderen Maßstäben gemessen. Darauf weisen auch weitere Texte wie die Biographien der Karolingerkönige hin. Ihre Autoren Einhard, Thegan und Notker von St. Gallen sind Geistliche, der eine klösterlich geprägter Hofmann, der andere Chorbischof, später Propst und der dritte Mönch. Einhard und Notker schreiben über Karl den Großen, 756 der 1165 heiliggesprochen wurde. Dabei stehen die entsprechenden Werke weniger in der Tradition von Heiligenviten als vielmehr in Abhängigkeiten von anderen Vorbildern, wobei auch hier antike und christliche Ideale der Herrscherdarstellung miteinander konkurrieren und die drei Verfasser auf einander Bezug nehmen. Einhard, der älteste unter ihnen, trifft keine Aussagen über das Lachen, sondern lediglich über den Witz. Als fränkischer Geschichtsschreiber und Biograph Karls des Großen entwirft er im 9. Jahrhundert ein Bild eines äußerst gebildeten Herrschers, der sich durch seine Ausdrucksfähigkeit, seine Sprachkenntnisse und seine Beschäftigung mit Grammatik, Rhetorik und Diaens [. . . ]“, AS, Sep. I, Dies 2, S. Stephanus primus Hungariae rex, Albae regalis in Hungaria, cap. IV, pag. 571, col. C, 28. 754 Die sich jedoch auch bei anderen Heiligen ndet wie zum Beispiel bei Abramius, der sich selbst als Eremit noch vor seinem Eintritt in ein Kloster eine Regel selbst auferlegt: „Non facile sua labia in risum solvebat: sed ne subridebat quidem.“, AS, Mar. II., Dies 16, S. Abramius Eremita in Hellesponto, pag. 440, col. B, 24. 755 Auf seinen politischen Feind, dessen militärische Bedrohung und verbalen Spott reagiert der Heilige mit einem Scherz. Diese ungefähr im Jahre 1200 beschriebene Reaktion hat aber nichts mit einer spirituellen Überlegenheit zu tun, sondern bleibt auf der weltlichen Ebene. Niles zeigt, wie das Lachen enigmatisch ist, einen Akteur hervorhebt, im Sinne von „selfmarking“ jemanden indiziert, mit dem man rechnen muss. Es ist damit Zeichen und Symbol für Dominanz, eine Geste, die jemanden als Anführer identi ziert. Vgl. Niles, S. 24. 756 Dabei hat Einhard seinen Text möglicherweise als Schultext verfasst und Notker als Lehrer diesen als solchen als Vorlage verwendet, auch wenn sein Werk für einen kleineren Adressatenkreis angelegt war. Vgl. Kershaw, S. 195.

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lektik auszeichnet. Seine weitreichende Wortgewandtheit befähigte Karl zu witzigen Bemerkungen. 757 Dabei galt für Einhard nur der Witz als rhetorisches Kunstmittel zulässig, der einem gebildeten und wortgewandten Mann angemessen ist. Nicht nur im Hinblick auf die antike Bewertung des lachenerregenden Witzes werden die Anleihen aus altertümlichen Werken spürbar. Einhards Beschreibung des Herrschers Karl I. gleicht einem klassischen Helden und ist weltlichen Charakters. 758 Karl dem Großen werden äußerst menschliche Züge verliehen, die nicht der stereotypen Beschreibung eines Königs entsprechen. Festlichkeiten dürfen in der Erzählung dennoch nicht fehlen. Das maßvolle Essen und Trinken sowie die Missbilligung von Trunkenheit stimmen mit christlichen Idealen überein. Der Hinweis auf Karls Abneigung gegenüber dem Fasten, insbesondere dem auf ärztlichen Rat hin, verleiht der Beschreibung äußerst menschliche Züge. 759 In dieses Bild gehört auch Karls Vorliebe für die Geschichten der Taten antiker Heroen, obwohl er Augustinus' Werk „De civitate Dei“ favorisiert. So schwankt die Beschreibung zwischen antiken und christlichen Idealen. Der freudige Ausdruck, vultu laeti et hilari, bei festlichen Anlässen ndet seine Parallelen bei Sidonius' Theoderich und bei Sulpicius' St. Martin. Notker von St. Gallen kombiniert in seiner Darstellung von Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen die Elemente von Scherz und Lachen und bringt sie deutlich in einen sakralen Zusammenhang. Sein in den Jahren 885 und 886 entstandenes Werk basiert auf den Vorlagen sowohl von Einhard als auch von Thegan. Notker bearbeitet das ihm vorliegende Material wiederum auf seine ganz eigene Weise, indem er zum Beispiel Humor einen positiven Wert zugesteht und selbst davon für seine moralischen Botschaften Gebrauch macht. 760 Die Hochschätzung des Humors bei Notker überschreitet aber nicht die Trennlinie von geistlichem und weltlichem Bereich. Dies wird an zwei Episoden deutlich: Notker berichtet von einem Geistlichen, der sich sowohl in der Liturgie als auch bei weltlichen Gedichten als eloquent erwies. Sein Stolz und die Unangemessenheit der Anwendung seiner Fähigkeit auf Lieder mit weltlichem Inhalt führten zum Untergang des Geistlichen, der seine Sprachbegabung nicht als fromm zu verwendende Gottesgabe sah und sie nicht in diesem Sinne einsetzte. 761 An an757 „Adeo quidem facundus erat, ut etiam dicaculus appareret.“ Einhard: Vita Karoli Magni, 25, S. 30. Suchomski sieht in dieser Formulierung Einhards ein wenn auch leicht eingeschränktes Lob Karls, Suchomski, S. 63. 758 Die Kenntnisse Einhards schließen auch frühmittelalterliche Darstellungen von Königen wie die Schrift von Sidonius Apollinaris über Theoderich II. ein. Doch zitiert er daraus nur einmal und entlehnt seine Passagen lieber Suetons Werk über das Leben der Cäsaren. Vgl. Innes, S. 138. 759 Vgl. Innes, S. 138 f. 760 Notker belebt die auf Aristoteles, Boethius und Martianus Capella zurückgehende Tradition des Lachens als eine de nierende Eigenschaft des Menschen wieder. Vgl. Innes, S. 151 sowie Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 93. 761 Notker, I, 33. Vgl. auch Innes, S. 151.

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derer Stelle ist von einem Narren die Rede, der in dem weltlichen Kontext der Jagd einen politischen Witz macht und damit durchaus die Aufmerksamkeit Karls auf sich ziehen kann. Der Witz gelingt und Karl ändert seine Meinung. Im sakralen Kontext aber hat Lachen keinen Platz. Dies zeigt Notker an einem weiteren Beispiel, was bereits unter dem Aspekt des Ortes und der Zeit weiter oben diskutiert wurde und hier nur knapp nochmals zusammengefasst werden soll. Anlass war eine Osterprozession mit anschließender Kleidergabe an die Untergebenen. Die Szene von einem Narren zweimal unterbrochen führt nicht dazu, dass Ludwig seine Miene verzieht, schon gar nicht zu einem Lachen. Unbeirrt fährt er fort, als wäre Christus persönlich zugegen. 762 Das Bild eines selbstbeherrschten und demütigen Herrschers wird evoziert. 763 Notker interpretiert die von Thegan geschilderte Ablehnung des Lachens bei Festlichkeiten durch Ludwig als Imitatio Christi. Das Lachen des Narren ist Gegensatz zu der unbeeindruckten Haltung des Herrschers. Das in den Heiligenviten und Königsbiographien sichtbare Distinktionsbemühen wird auch bei anderen Akteuren der Adelshierarchie deutlich. Es äußert sich in dem Bedürfnis nach Anleitung des rechten Verhaltens, welches auch das Lachen und das weitere Feld des Scherzens miteinschließt. In weiterem Quellenmaterial lassen sich Empfehlungen von Geistlichen an adelige Laien bezüglich des Lachens nden. Derartige Bestrebungen sind sowohl vom Klerus motiviert, der den Adel bereitwillig mit Tugendkatalogen versorgt, wie auch von Seiten der weltlichen Herrscher, die sich an derartigen Vorgaben zu orientieren und sich mittels eines entsprechenden Lebenswandels abzuheben suchen. 764 In diesem Sinne haben die Ideale etwas Exklusivistisches und die Geistlichen haben hierbei eine gewisse Autorität inne, die Ideale zu kennen, zu formulieren und zu differenzieren. Adelige sollen und wollen eine Verhaltensnorm erfüllen in Übereinstimmung mit einer in höchstem Maße christlichen Lebensweise, die sich derjenigen der Geistlichen angleicht. Unterschiede bestehen in der Orientierung

762 Notker, II, 21. 763 Dabei besteht durchaus im Mittelalter eine Tradition, den König als rex facetus, als witzig und scherzhaft darzustellen. Allgemein wurden Herrschende in der Darstellung mit bestimmten Tugenden ausgestattet, die ihre Fähigkeit und ihrer Ausgeglichenheit demonstrieren sollen. Vgl. Tatlock, S. 289. 764 „In körperlichen Verhaltensweisen wurde der soziale Rang eines Individuums zur Anschauung gebracht. Dem Adeligen, der soziale Herkunft und gesellschaftliche Zugehörigkeit durch standesgemäßes Auftreten auszudrücken vermag, ist sein Adel förmlich in den Körper eingeschrieben. Adels- und Fürstenspiegler [sic] des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit betonten die grundlegende Bedeutung standesspezi scher Bewegungs- und Verhaltensformen, um gesellschaftliche Selbsteinschätzung, soziale Zugehörigkeit und standesgemäße Ehre miteinander in Einklang zu bringen. Herrschaftsträger sollten sich eines gemessenen Ganges be eißigen und sich beim Gehen nicht umdrehen. In Gesprächen mit anderen sollten sie sich weder an den Ohren kneifen noch in schallendes, undiszipliniertes Gelächter ausbrechen.“ Schreiner / Schnitzler, S. 11.

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an verschiedenen Traditionslinien und damit auch in dem zu praktizierenden Ausmaß. Mitunter verschwimmen aber diese in der Theorie schlicht zu formulierenden Grenzziehungen zwischen strengeren und umgänglicheren Idealen, zwischen den laikalen und klerikalen Anforderungen durch gemeinsame beziehungsweise eingefasste Adressatenkreise und die Vermengung von unterschiedlichem Überlieferungsgut und den darin enthaltenen Idealen. Empfehlungen bezüglich des Lachens nden sich in der Brie iteratur bei Alkuin und seinem Schüler Paulinus von Aquileia. Alkuin hatte sich nicht nur in einer Bibelexegese mit dem Lachen auseinandergesetzt, sondern auch in einem Schreiben den Präfekten der Bretonischen Mark, Wido, vor zotigem, un ätigem Humor gewarnt. Bei Karl dem Großen pries Alkuin Wido als vollkommenen Mann und unbestechlichen Richter. Das ihm gewidmete Werk „Liber de virtutibus et vitiis“ richtet sich demnach an einen Mann, der bereits als tugendhaft angesehen wurde. Die darin enthaltene Behandlung der acht Hauptlaster stellt das Lachen in den Kontext von Hochmut, superbia, 765 die unangemessene Fröhlichkeit in den Zusammenhang von Völlerei, gula, 766 und Scherze in Bezug zu Unzucht, fornicatio. 767 Alkuin tadelte vieler seiner Adressaten für ihr Vergnügen an weltlichen Vorführungen durch Mimen, welche ihm aber für die Angehörigen religiöser Gemeinschaften als besonders unangemessener Zeitvertreib galten. 768 Auch Paulinus von Aquileia, wie zuvor sein Lehrer Alkuin, erteilt einem gewissen Heiric 769 den Rat, die Gefahren des unwürdigen und exzessiven Lachens zu

765 „Initium omnis peccati superbia. [. . . ] Ex ipsa vero nascitur omnis inobedientia, et omnis præsumptio, et omnis pertinacia, contentiones, hæreses, arrogantia. [In loquela clamor, in taciturnitate amaritudo, excelsus et effusus in lætitia risus, irrationabilis in serenitate tristitia, in responsione rancor, falsitas in sermone] [eckige Klammer nach Vorlage, Anm. d. Verf.] [. . . ]“ Alcuin: Liber de virtutibus et vitiis, col. 633A–B. 766 „De qua gula nascitur inepta lætitia, scurrilitas, levitas, vaniloquium, immunditia corporis, instabilitas mentis, ebrietas, libido [. . . ]“ Alcuin: Liber de virtutibus et vitiis, col. 633C. 767 „De qua [fornicatione] nascitur cæcitas mentis, inconstantia oculorum vel totius corporis amor immoderatus; sæpe periculum vitæ, lascivia, joca, petulantia, et omnis incontinentia; [. . . ]“ Alcuin: Liber de virtutibus et vitiis, col. 634A. 768 Ferner lehnte er die klassischen heidnischen Texte als Ablenkung von der Kontemplation der christlichen Weisheit ab. Mit denselben Worten verurteilte er die Vorführungen weltlicher Epen. „Hac autem insignitum virtute Albinum mira cum pietate veneremur, qui noluit absintium saecularis litteraturae nosse, Domini quatenus intraret in potentiam.“ Vita Alcuini, S. 188, 6. „Legerat isdem vir Domini libros iuvenis antiquorum philosophorum Virgiliique mendatia, quae nolebat iam ipse nex audire neque discipulos suos legere: ‚Suf ciunt`, inquiens, ‚divini poetae vobis, nec egetis luxuriosa sermonis Virgilii vos pollui facundia.` [. . . ]“ Vita Alcuini, S. 193, 16. „Verba Die legantur in sacerdotali convivio. Ibi decet lectorem audiri, non citharistam; sermones patrum, non carmina gentilium. Quid Hinieldus cum Christo?“ Alcuin: Epistolae, 124, S. 183. Vgl. Innes, S. 146. 769 Heiric, oder auch Eric(h), von Friaul stand in enger Beziehung zu Alkuin und Paulinus, des-

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vermeiden. In der diesem Markgrafen gewidmeten Schrift „Liber exhortationis“ wird das Lachen in Verbindung gesehen mit den Worten der jämmerlichen Schausteller, den weltlichen Freuden und der Bosheit von Spöttern. Damit sind Lachen und Scherzen in diesem speziellen Kontext deutlich verurteilt. 770 Normativen Charakters besonders für adelige Akteure sind auch Aussagen zum Lachen in umfangreicheren Tugendkatalogen. Das „Moralium dogma philosophorum“ befasst sich nur sehr punktuell mit dem Thema des Scherzens, aber beachtenswerterweise überhaupt nicht mit dem Lachen. Es gibt unterschiedliche Zuschreibungen, was die Verfasserschaft des Werks anbelangt, 771 welches dem jungen Heinrich von AnjouPlantagenet, später Heinrich II. von England, gewidmet ist. Es ist stark an den Vorstellungen der Antike orientiert durch die Übernahme von Passagen besonders aus den Schriften von Cicero, 772 Seneca und Horaz. Nachrangig und zumeist unverbunden sind die Aussagen christlicher Verfasser. Von Cicero wird eine Stelle wortwörtlich ohne weitere Erklärung übernommen, die bei Ambrosius zum Ausschluss des Scherzes aus dem geistlichen Bereich geführt hatte. 773 Wie der junge Thronanwärter mit diesem scheinbar in den Ansprüchen gemäßigten Ideal der Antike des anständigen Scherzens im weltlichen Bereich umging, ist schwerlich einzuschätzen. Die Trennung des Geistlichen und Weltlichen erwies sich jedoch für spätere Leser als „ungenügendes Kriterium zur Beurteilung des Lächerlichen“. 774 Deshalb kam es in späteren Fassungen 775 zu Streichungen in den Bereichen, wo die Diskrepanzen zwischen antiken und christlichen Idealen deutlich zutage traten und sich keine eindeutige Handlungsan-

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sen „bewegtes Klagegedicht“ die „freundschaftliche Verbundenheit“ bezeugt. Schmidinger, H[einrich]: Erich, Markgraf von Friaul, 2002, Sp. 2145. „[. . . ] non histrionum miserabilium verba in risum excitant, [. . . ] non gaudia hujus sæculi delectant, [. . . ] non risorem malignitas, [. . . ]“, „ridet et jocatur turpiter inter quos vult et quando vult.“ Paulinus von Aquileia: Liber exhortationes ad Henricum Forojul, cap. XVI, pag. 209C und cap. XVII, pag. 210B. Es wird zumeist Guillaume de Conches zugeschrieben, aber auch Walter de Châtillon kommt in Betracht, Alan de Lille hingegen eher weniger. Das Werk folgt in seinem Aufbau dem Werk „De of ciis“. „Atque etiam cum relaxare animos et dare uoluptati uolent, caueant intemperantiam, meminerint uerecundie; quod erit facilius, si ludo suo maiores natu uelint interesse.“ (= Cicero: De of ciis, I, 34, 122), „Ludo enim et ioco uti licet, sed sicut somno et quietibus ceteris, tum scilicet, cum seriis rebus satis fecerimus. Neque enim facti sumus a natura ad ludum sed ad seueritatem.“ (= Cicero: De of ciis, I, 29, 103), Es folgt noch eine Stelle aus Horaz und eine aus Juvenal. Moralium dogma philosophorum, S. 46. Vgl. Suchomski, S. 40. Suchomski, S. 41. Die Abschriften und Umarbeitungen bezeugen den Anklang, den das Werk trotz der inhaltlichen Spannungen gefunden hatte.

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weisung für die Laien ergab. 776 Dies galt auch für die besagte Passage zum Witz. Eine Anleitung, wie mit dem Lachen umzugehen sei, enthält das Werk wie gesagt nicht. Distinktionsabsichten werden mitunter auch expressis verbis deutlich. Als Fürstenspiegel richtet sich das 1159 verfasste Werk „Policraticus“ von Johannes von Salisbury an einen hö schen Adressatenkreis. Darin wird – für ein Werk, das sich an Laien wendet, recht ungewöhnlich – die Position bestärkt, Christus habe nie gelacht. Argumente liefern die Worte Jesu, das Bibelzeugnis, dass er geweint habe, und der fehlende Beleg dafür, dass er gelacht habe: Schließlich sei es schwer zu glauben, er wäre zu lautem Gelächter, cachinnum, geneigt gewesen, wenn er selbst von dem Doppelsinn des Lachens spricht. 777 Bemerkenswert ist die Wortwahl: Johannes von Salisbury spricht davon, dass er sich Christus nicht laut lachend vorstellen kann und verwendet daher den Begriff cachinnus und eben nicht risus. Die Verwendung des Begriffs cachinnum mildert die strenge Ablehnung beziehungsweise verknüpft sie allein mit dem schallenden Gelächter. Im Verlauf seines Werks ist jedoch wenig von diesem scheinbar strikten Urteil und der alleinigen Orientierung an der neutestamentlichen Vorgabe zu spüren. Drei Bereiche interessieren Johannes besonders: Es sind dies das rechte Verhalten bei Tisch, die rechte Art des Witzes und schließlich das rechte Verhältnis zum Schauspiel und dessen Darstellern. Das Gastmahl wird in drei Arten der geselligen Gemeinschaft unterscheiden: convivia plebeia, convivia civilia und convivia philosophica. In dieser Aufteilung werden die Differenzierungsabsichten auf sozio-kultureller Ebene deutlich sichtbar. Bei der niederen Gesellschaft mangle es in jeder Hinsicht an Mäßigung. 778 Bei zivilisierteren Gesellschaften orientierten sich die Anwesenden schon 776 Zu den späteren Bearbeitungen und der Bedeutung von dem „Nebeneinander von christlicher Lehre und antiker Bildung“ als Wegbereiter für die Einbeziehung antiker Gedanken und ihrer Akzeptanz für eine Laienmoral zur Toleranz aus theologischer Sicht und somit zur Einbeziehung ins christliche Denken vgl. Suchomski, S. 41 f. „Die wachsende Verbreitung von moralphilos[ophischen] Texten der klass[ischen] Antike im 12. J[ahrhundert], zum Teil durch Florilegien, wie etwa die ‚Moralia dogma philosophorum`, prägte die Vorstellung von T[ugend] in Schriften wie ‚De virtutibus et vitiis et de donis spiritus sancti` des Alanus ab Insulis.“ Tracey, M[artin] J[oseph]: Tugenden und Laster, Tugend- und Lasterkataloge, 2002, Sp.1087. 777 „[. . . ] et Saluator euit, qui utique risisse non legitur. Nec enim facile crediderim pronum esse ad cachinnum qui sub tanta ambiguitate de risu loquitur ut etsi riserit non credatur.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. I, lib. V, cap. VI, S. 305. Angespielt wird hier unter anderem auf die Bergpredigt, in welcher das Lachen in diesseitig und jenseitig unterschieden wird. 778 Als negative Folgen und Begleiterscheinungen werden schließlich auch langsame Auffassungsgabe, schnelle Rede, Zorn und Wollust aufgelistet: „Immoderatio cibi et potus dispensatricem omnium of ciorum temperantiam abigit. Ea impellente t homo ad audiendum tardus, uelox ad loquendum et uelox ad iram; t ad libidinem pronus et ad quaeuis agitia praeceps.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. VI, S. 257, 19– 23.

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eher an Tugendlehren und versuchten einen Mittelweg in Bezug auf Speis und Trank zu nden. 779 Eine zurückhaltende Heiterkeit sei für einen solchen Anlass angemessen. „Alles, was zur allgemeinen Fröhlichkeit beiträgt, ohne zur Ausgelassenheit zu verleiten, hat daher beim convivum civile seine Berechtigung.“ 780 Ein unfreundliches, trübes oder besorgtes Gesicht wäre bei einem Gastmahl dieser Art deplatziert und könnte die allgemeine Heiterkeit beeinträchtigen. 781 Viel strenger in Hinblick auf Mäßigung sollte es bei einem Zusammentreffen von Weisen zugehen, dennoch ginge dieses mit einer vergnüglichen Stimmung einher, jeglicher Trübsinn wäre ebenso deplatziert. Als ideal galt ganz in antiker Manier eine Ernst-Heiterkeit. 782 Dieses klassische Bild wird von Johannes christlich überhöht durch den Verweis auf biblische Darstellungen von Gastmählern, aus denen weitere Ideale und Benimmregeln abgeleitet werden, so natürlich auch von dem Vorbild Christi. 783 Dieser wird dabei ganz im Sinne der philosophi als Tugendlehrer stilisiert, wobei er in Steigerung zu ihnen die Vervollkommnung verkörpere. Durch diese Durchdringung der Ideale sind Fröhlichkeit ohne Unzucht und Vergnüglichkeit ohne Zügellosigkeit sogar bei den gehobensten Gesellschaften erlaubt. 784 In dem darauffolgenden Kapitel behandelt Johannes von Salisbury den Witz im Zusammenhang mit Tischgesprächen. Dabei gelten die üblichen antiken Parameter der Angemessenheit in puncto Ort, Zeitpunkt und Person, so dass die Stimmung nicht verdorben werde. Scherze sollen nicht durch Gehässigkeit verletzen, sondern zur Fröh-

779 „[. . . ] siquidem conuiuiorum ciuilium ratio media est, ut etiam sobrietatem exhilaret et in satietate opulentia crapulam uitet.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. VI, S. 254, 2 f. 780 Suchomski, S. 47. „Ciuilia tamen sunt [. . . ] non quidem dissoluta sed liberioris licentiae et opulenta magis et quae ad communem letitiam (salua tamen modestia) magis quam ad philosophicum rigorem accedunt. Ab his ergo Nasidienitae arcentur et quicumque supercilii grauitate et inameno uultu admissorum hilaritatem offendit. Quicquid enim in olla feruerat aut in culina paretur aut congestum sit in promptuario aut in mensa resplendeat, insipidum est et insulsum, si non hilaris uultus indicio saporem ingerat caritatis. [. . . ] Est ergo ciuiliter conuiuari hilari uultu, larga manu, diligenti of cio amenare conuiuium, et quod in usum suppetit, habita ratione personarum loci et temporis, singulis dispensare, non quidem ex tristitia uel ex necessitate, cum hilarem datorem et Deus diligat.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. VIII, S. 273 f. 781 „Hic nec tristitiam ne uultum nubilum contingit in bonis ducere, nec Crassum illum, quem Cicero auctore Lucilio semel in uita risisse scribit, magnopere admirari.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. VIII, S. 274 f. 782 „Adest grauitas, sed quae letitiam non excludat.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. VIII, S. 275, 2 f. 783 Besonders im neunten Kapitel des achten Buches. 784 „iocunditas sine lascivia“ und „sine culpa letentur“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. IX, S. 281, 5 und S. 282, 6.

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lichkeit beitragen. 785 Johannes subsumiert seine Darstellung des rhetorischen Witzes mit der abschließenden Ablehnung des beißenden Spotts und beurteilt den gefälligen Scherz, das feine Lachen und die sittsame Mäßigung beim Stiften von Heiterkeit als angenehm. 786 Die Ausführungen zielen somit auf das gemeinsame Lachen ab 787 und nicht auf ein Verlachen. Das gute Lachen ist demnach das gemeinschaftsbildende Lachen, welches nur auf Tugendhaftigkeit basieren kann. 788 Die Beurteilung der unterhaltenden Berufe liefert zusätzliche Hinweise zur Bewertung des Lachens. Den histriones, mimi und praestigiatores 789 im Bereich der nugae curialium, dem scherzhaftem Zeitvertreib, wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Das Verständnis von Entspannung durch Spiel wendet Johannes auch auf die unterhalten-

785 Dabei ist die höchste Form eines Witzes die, durch welche der Weise einen Fehler derart tadelt, dass der Getadelte selbst dadurch erheitert wird. „Quid mirum si feriat sapiens, ut dico, non sentientes, cum interdum sic reprehendat ut reprehensus hilaretur, nec tantum fabulis suis sed interrogationibus quoque uim philosophiae nichil ineptum loquentis ostendet?“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. X, S. 287, 8–12. In der Darstellung der unterschiedlichen Wirkung von Witzen wird zudem der Wirklichkeit Rechnung getragen, dass auch einem weisen Mann in verärgerter Erregung ein feindseliger Witz entfahren könne. Vgl. Suchomski, S. 47. „[. . . ] et importuna urbanitas maledicacem luce priuauit. Nec negauerim philosophos quoque incurrisse per indignationem hoc genus scomatis. Nam cum regis libertus ad nouas diuitias nuper erectus philosophos as conuiuium congresset et irrideno eorum minutulas quaestiones [. . . ] Commendat scoma et conditio dicentis si in eadem causa sit, ut si alium de paupertate pauper irrideat, si obscure natum natus obscure.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. X, S. 289, 20–30. 786 „At id quod hilaritatem conciliat modestiae consciam undique conquirendum. Iocus enim comis et uenustus conuiuiantium risus omnibus parenteticis iocundior est; siquidem eleganter, licet in persona derisoris, ethicus ait: Sed conuiuatoris, uti ducis, ingenium res aduersae nudare solent, celare secundae.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. X, S. 291, 7–13. 787 Missstimmung solle auf jeden Fall vermieden werden. „Verum, quia letitiae in conuiuiis frequenter insidiatur ira, ab huiusmodi dictis temperandum est et quaestiones conuiuales in omnes proponendae sunt aut soluendae.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. X, S. 290, 20–23. 788 Im sechsten Kapitel des fünften Buchs verwendet Johannes Hiob zur Verdeutlichung von Herrschertugenden wie Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Das Lachen in Hiob 29,24 interpretiert er als Indiz für Leichtsinn: je offener, desto unverschämter und tadelnswerter: „Risus leuitatis indicium; et quo patentior, eo impudentior et reprehensibilior est.“ Die Stelle in Sirach 21,20 mit dem lachenden Toren ergänzt diese Auslegung. Ein Gerechter lacht eventuell, aber keine irdische Nichtigkeit kann Anlass dafür sein: „Risit forte uir iustus, sed eum in hilaritate temporalis ineptia nulla resoluit, et quicquid terrenum erat in moribus, uultum uerebatur austerum.“ Diese Zitate umrahmen die weiter oben bereits aufgeführte Belegstelle zum Lachen Christi. Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. I, lib. V, cap. VI, S. 305, 5–14. 789 Damit sind Schauspieler, Spielmänner, Possenreißer, Mimen und Gaukler gemeint.

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Das Lachen im Mittelalter

den Berufe an. 790 Die aktive Ausübung wird mit Begriffen wie Leichtfertigkeit und Unsittlichkeit belegt, für die Zuschauer können die Darbietungen jedoch Vergnügen, Müßiggang und Entspannung bedeuten, aber natürlich nur sofern es mit Mäßigung einhergeht. 791 Sofern sich bei Johannes mildere Urteile für die Ausübenden nden lassen, beziehen diese sich auf die Antike. Mit der zeitgenössischen Berufsgruppe rechnet er hingegen hart ab: Erst wenn ein in Urin getauchter Gaukler verschwindet, sei ein Anlass zum Lachen gegeben. 792 Dennoch ist eine ehrenhafte Ausbildung möglich, 793 wie Johannes mit dem Vergleich zur Antike zeigt. Die Möglichkeit zu einer positiven Bewertung für die Berufsgruppe der Schausteller zeichnet sich hier also in Ansätzen ab. Durch die Widmung der Schrift an Thomas Beckett, den Kanzler des Königs, einen Weltgeistlichen, scheinen zudem weitere Zugeständnisse für Unterhaltung bei Tisch, Witz und Schauspiel für den geistlichen Bereich zu erfolgen. Ganz deutlich tritt bei Johannes zutage, 794 dass Bildung und Erziehung, die Sozialisation, einen Ein uss auf die Tugend der Mäßigung haben. Daher eignet sich ein entsprechendes tugendhaftes Verhalten zur Distinktion. Es zeigt sich also, dass nicht nur Adelige unterschiedlichen Rangs in den Heiligenviten die Tugend der Selbstbeherrschung annehmen, sondern auch andere Textgattungen darauf hinweisen, dass ein derartiges Ideal durchaus in einem weiteren Rahmen 790 Zeitweilige Muße sei durchaus eines weisen Mannes würdig, wenn das Streben nach Tugendhaftigkeit nicht geschwächt wird, sondern neuen Antrieb erfährt. „Nam et otiari interdum sapienti familiare est, non tamen ut uirtutis exercitium euanescat, sed quo magis uigeat et quodammodo recreetur.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. XII, S. 315, 23–25. 791 „In summa histrioniam saltatoriam et huiusmodi lenocinia exercere leuitatis aut turpitudinis est. Sed delectari in eis nunc ad otia, nunc ad agitia accedit. Si enim modeste at ad recreationem, sub otiandi licentia excusatur; si ad lasciuientis animi uoluptatem, cadit in crimen.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. II, lib. VIII, cap. XIII, S. 316, 11–16. 792 „Numquid tibi uidetur sapiens, qui oculos uel aures istis expandit? Quis tamen libenter non uideat et rideat, cum praestigiatoris lotio perfusi ars deletur, et oculis, quos malitia sua praestrinxerat, uidendi facultas reparatur? Iocundum quidem est et ab honesto non recedit uirum probum quandoque modesta hilaritate mulceri, sed ignominiosum est praestrinxerat grauitatem huiuscemodi lasciuia frequenter resolui.“ Johannes von Salisbury: Policraticus, tom. I, lib. I, cap. X, S. 48, 7–14. 793 Durch die fehlende pauschale Verurteilung wird ein Weg zur Legalität der darstellenden Berufsgruppen aufgetan. Dies fußt sicherlich auf den lebensweltlichen Erfahrungen von Johannes und ist „ein Zugeständnis an die Wirklichkeit“. Unterscheidungskriterien ergeben sich aus der „Vielfalt der [. . . ] Berufe“ und der „Qualität der Darbietung“. Seine Ansichten können als „Frucht seiner Stellung als Weltgeistlicher in gehobener Position und von außergewöhnlicher Bildung“ gelten. Suchomski, S. 52 f. 794 Suchomski bewertet Johannes hier nicht „als Dogmatiker, sondern als weltoffener, gebildeter Kleriker“. Johannes von Salisbury, nach Huizinga selbst „ein ritterlicher Geistlicher“ und „Edelmann-Kleriker“ verkörpert in seiner Person die anständige, gebildete Ernst-Heiterkeit, wie von seinem Zeitgenossen Petrus Cellensis zu erfahren ist. Suchomski, S. 50 und 53.

Akteure des Lachens

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Orientierungspunkt adeliger Akteure war. Dabei werden jedoch nicht immer Aussagen über das Lachen getroffen, sondern vielfach auch oder nur über den Umgang mit Witz und Schaustellerei. Insbesondere bei der Darstellung der weltlichen Rollen sind verschiedene Motive möglich, nämlich dass die Akteure adeliger Herkunft sich im Lachen mäßigen und dass es zu einem Instrument der Herrschaft werden kann. In unterschiedlichen Texten tritt wie gezeigt die Disziplinierung des Lachens als Abgrenzungsmerkmal hervor. Derartige Differenzierung ist nicht möglich, wenn die normative Setzung und deren Umsetzung für alle sozialen und politischen Akteure gleichermaßen Gültigkeit beabsichtigen und erlangen. Es bestünde demnach bei den herrschenden Akteuren überhaupt kein Interesse daran, niederstehenden Akteuren die Tugend, sich des Lachens zu enthalten, aufzuerlegen, wenn eben dies geistliche und weltliche Eliten von den gewöhnlichen Laien abhebt. Dennoch befassen sich viele der Traktate für Adlige mit dem antiken Topos des Scherzens, welches es zu beherrschen gilt, aber überhaupt nicht mit dem Lachen, zu welchem bezeichnenderweise wenige Vorgaben gemacht werden. Die Empfehlungen in den Briefen von Geistlichen an Adlige, die Charakterisierung von idealtypischen Königen durch ihre meist geistlichen Biographen, die moralischen Entwürfe in den Tugendbüchern mit ihrer Vermischung von antiken und christlichen Vorgaben und die Thematisierung weiterer Kontexte des Lachens verdeutlichen einerseits die Vielfalt der Auseinandersetzungsmöglichkeiten und andererseits das Vorhandensein der reziproken Bedürfnisse in diesem Diskurs: Einige der Tugendkataloge sind „offenkundig in Hinblick auf die Bedürfnisse von Predigern und Beichtvätern entworfen“ worden, sowie „die wachsende Produktion von Tugend- und Laster-Katalogen [. . . ] auf die zunehmende Wichtigkeit der religiösen Unterweisung der Laien hin[deutet].“ 795 Die demonstrative Darstellung der sozialen Stellung im Bereich von Macht, Reichtum und Gesinnung erfolgt im Kontext von Selbstvergewisserung, Emotionalität und „expliziter funktionaler Exteriorisierung“, welche auf Verkörperungen beruhen. 796 Die weltlichen und geistlichen Eliten bilden in diesem Diskurs Gruppen von Akteuren mit Abgrenzungstendenzen sowohl untereinander als auch gegenüber der Allgemeinheit.

3.3.4 Volk und Eliten, Ungebildete und Gebildete – Stand und Bildung als soziokulturelle Unterschiede

Wie bereits anhand der Heiligenviten gezeigt treten ganz unterschiedliche Akteure des Lachens auf, die sich – wie das im vorherigen Kapitel behandelte Werk „Policraticus“ zeigt – auch in der zeitgenössischen Vorstellung in unterschiedliche Gruppen 795 Tracey, Sp. 1087. 796 Freimuth, S. 184. Althoff, Gerd: Empörung, Tränen, Zerknirschung. „Emotionen“ in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, 1996, 61–63.

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Das Lachen im Mittelalter

einteilen ließen. An dieser Stelle ist daher die einfache Bevölkerung, sowohl die Landals auch die Stadtbevölkerung, in den Blick zu nehmen. Grundsätzlich stellen Heilige von geringem gesellschaftlichem Rang eher eine Ausnahme dar angesichts der 60 % an Heiligen adeliger Herkunft und den vielen weiteren mit klerikalem Hintergrund. Zu den niederen Schichten sollen hier auch die Angehörigen von Tertiärorden 797 sowie Beginen und Begarden zählen. Es gilt zu überprüfen, ob sich antike Überlieferungen von bäuerlichen Witzen und dem derberen Lachen der Landbevölkerung fortgeschrieben haben. Wenn es sich beim Lachen um eine Verhaltensweise handelt, die sich im bourdieuschen Sinne zur sozialen Differenzierung eignet, dürften sich entsprechende Darstellungen auch in den Heiligenviten nden lassen. Die Beschreibungen des Lachens der so de nierten Gruppe von Akteuren geringeren Stands umfassen die unterschiedlichen Arten des Lachens: Die Bauerntochter Christina von Stommeln lacht aufgrund von durch Dämonen verursachten Qualen. 798 Bei der Seligen Maria, einer der ersten Beginen, ist ihre zeitweilige Entrückung von Lachen begleitet. 799 Der Selige Robertus, der dem Tertiärorden der Franziskaner beigetreten war, lacht auf seinem Totenbett. 800 Das Lachen der Heiligen Lidwigis, Tochter eines Nachtwächters, geschah nie aus Leichtfertigkeit. Zudem hat niemand sie je laut lachen sehen. 801 Die Bauerntochter Christina von St-Trond entbrannte in heiligem Gedanken an Gott und war deshalb aufgelöst in süßestes Lachen. 802 Die Heiligen ein797 „Bezeichnung für Laien, die sich der geistl[ichen] Leitung eines Bettelordens [. . . ] anvertrauen und häu g dessen Disziplin und Lebensform übernehmen, jedoch weiterhin in der Welt leben.“ Barone, G[iulia]: Tertiarier, München, 2002, Sp. 556. 798 AS, Jun. IV, Dies 22, B. Christina Stumbelensis, virgo, in diocesi Coloniensi, Acta a Fr. Petro de Dacia, pag. 368C, 76; pag. 374B, 96; pag. 395C, 152. Daneben gibt es weitere Belegstellen, in denen die Heilige verbalisiert, dass sie über den Dämon und seine Versuchungen lacht: pag. 352D, 23; pag. 353D, 27; pag. 366D, 71; pag. 367D, 74; pag. 381C, 114; pag. 383B, 119. 799 „Cumque quasi ridendo ab ea quæreremus, quid illic si pervenisset faceret; [. . . ] Cumque diu in tanto permansisset gaudio, cantando, ridendo, & manibus aliquando plaudendo; [. . . ]“, AS, Jun. IV = V, Dies 23, B. Maria Oigniacensis in Belgio, Vita per Jacobum de Vitriaco tunc, pag. 665, col. C, 107. 800 „Divino deinde adjutorio speciali pro igato inimico, paulisper requievit, mox hilari & jucundo vultu cælum aspiciens, rerum divinarum contemplatione profunda, mente excessit. E raptu rediens: Video, inquit, cælos apertos, & protinus ridens & exultans, xis in cælum oculis, sub auroram sanctam animam reddidit Creatori in vico sancti Archangeli.“ AS, Oct. V, Dies 10, B. Robertus Malatesta Conf. tertii Ordinis S. Francisci Arimini in ditione Ponti cia, Acta, ex Legenda Ms. auctoris anonymi, pag. 147–148, col. F-A, 6. 801 „Nemo cachinnantem eam vidit, ridere vix umquam ex levitate percepit.“, AS, Apr. II, Dies 14, B. Lidwigis sive Lidwina, Virgo, Schidami in Hollandia, cap. I, pag. 320, col. F, 73. 802 „Haec dicens suspirabat, & anhelabat & ebat. Nec mora; quiescens paululum cum silentio, & cogitatione sancta in Deum sincerius incalescens, in risum dulcissimum resolvebatur, & tollens ambabus manibus pedes suos, cum maximo affectu deosculabatur plantas ejus, [. . . ]“, AS, Jul. V, Dies 24, S. Christina virgo, cognomento Mirabilis, Trudonopoli in Belgio,

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facher Herkunft werden in Bezug auf das Lachen demnach nicht grundsätzlich anders dargestellt. Die soeben aufgeführten Beispiele scheinen in der Zusammenstellung jedoch weniger von der Mäßigung wie bei anderen Heiligen zu zeugen. Demgegenüber ergibt sich jedoch eine andere Besonderheit: Auffällig an den drei weiter oben im Detail beschriebenen Beispielen der nicht-lachenden jungen Heiligen Luca Iunior Thaumaturgus, Placidus und Guido ist die übereinstimmende Herkunft der Heiligen aus dem ländlichen Milieu. 803 Die Ernsthaftigkeit der Heiligen in ihrer Kindheit ist nicht nur denen Gleichaltriger gegenübergestellt, sondern auch in gewissem Sinne mit der bäuerlichen Herkunft kontrastiert. Lucas wurde von Angehörigen verlacht bei seiner Rückkehr, nachdem er um Mönch zu werden, von zuhause fortgerannt war und deswegen unterwegs viel Leid erfahren hatte. In dem Lachen als Zeichen des Unverständnisses deutet sich möglicherweise auch der Unterschied zwischen der bäuerlichen Lebensrealität und dem religiösen Idealismus an. Dieser Kontrast muss jedoch nicht immer vom Verfasser so gesetzt sein: In der Vita von Placidus ist zwar deutlich der Unterschied im Hinblick auf die Bildung und Erziehung zwischen Eltern und Heiligem herausgearbeitet, beiden wird aber gleichermaßen Frömmigkeit zugeschrieben. 804 Besonders aber die niedere Herkunft von Heiligen scheint sich geradezu für einen Kontrast eines strengeren Maßes des Nicht-Lachens in ihrer Kindheit anzubieten. Neben dieser Besonderheit stehen jedoch die Fälle, in denen die Herkunft und Bildung betont werden, ohne dass es zu einem unterscheidbaren Verhalten im Lachen führt. In den eher normativen Texten der Geistlichen wird die Bildung im Hinblick auf das Lachen und seine etwaige Beherrschung nicht thematisiert. Kirchenrechtliche Bestimmungen und monastische Regeln nehmen zwar die Rede und die zum Lachen erregende Rede in den Blick, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass dies im Kontext von Gelehrsamkeit steht, dass Gelehrte weniger zu Lachen erregender Rede neigten oder sich darin besser zurücknehmen könnten. Warnungen ergehen an Geistliche, die sich nicht gebärden sollten wie Schausteller und Spaßmacher, das heißt, sie sollten sich von Angehörigen unterster Schichten und Randgruppen unterscheiden. In Vita. Auctore Thoma Cantipratano Ordinis Prædicatorum, cap. V, XXVI, pag. 658, col. E, 48. 803 Weitere Parallelen zwischen den drei Viten bestehen in der grundlegenden Bildung, die Luca und Placidus angediehen war, zudem sind Placidus und Guido umfassend als Pilger dargestellt. Im Unterschied zu den anderen wurde Guido kein Geistlicher, sondern füllte lediglich das Amt eines Küsters aus. Diese wenigen Übereinstimmungen erwecken den Verdacht literarischer Abhängigkeit der Viten untereinander oder von einer gemeinsamen Vorlage. Hier wäre eine nähere Prüfung weiterer Textpassagen vorzunehmen. 804 So kann ein Lachen auch aus Naivität erfolgen, welche jedoch kein Hindernis im Glauben darstellt. So werden in den Seligpreisungen in Mt 5,3 diejenigen adressiert, „die da geistlich arm sind“ und diesen das Himmelreich zugesichert. Vielfach ist dies verstanden worden als an Einfältige, Naive, Ungebildete, geistig Behinderte und ähnliche Akteure gerichtet.

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dem Zusammenhang ist aber nicht die Rede von Bauern oder Ungebildeten, rustici et illiterati. Weltlicher Zeitvertreib soll nicht deshalb vermieden werden, weil die Inhalte als ungebildet gelten, sondern als unfromm. Sicherlich versuchen die Geistlichen, sich gelehrt zu geben, was insbesondere an der weiter oben untersuchten Brie iteratur deutlich wird. Scherze und Witzigkeit gehören zur Gelehrsamkeit und wenn Thomas von Aquin die Verknüpfung des Aristoteles mit Griesgrämigkeit und bäurischem Benimm wie einen Topos 805 in seine Überlegungen mit aufnimmt, dann wird wohl kaum behauptet werden können, dass Gebildete zwar Humor äußern durften, aber sich eines Lachens enthalten mussten. Beides hat seinen Platz im Leben, auch der Geistlichen und Gelehrten, es ist nur aus einigen wenigen Bereichen herauszuhalten. Besonders das Beispiel von Alanus ab Insulis, der sich an ein Publikum von unterschiedlicher Bildung wendet, macht deutlich, dass die grundlegende Botschaft, dass das Lachen von Natur gegeben ist, sich an alle Akteure richtet. In monastischen Regeln, in denen die Kindheit beziehungsweise das Noviziat als problematische Zeit bezüglich des Lachens erscheint, ist jedoch keine Rede von einer Abhängigkeit von sozialer Herkunft oder Bildungsstand. Eine Sozialisation im Hinblick auf das Lachen wurde nicht in Abhängigkeit von Herkunft und Bildungsstand gestellt. Interessanterweise assoziiert die Benediktsregel das Lachen gemäß einer Bibelstelle mit Dummheit, unterschlägt jedoch die zweite Hälfte der Verbindung von Klugheit mit dem kaum vernehmbaren Lächeln. Durch das Weglassen des Halbsatzes wird die Möglichkeit eröffnet, dass auch der Kluge nicht nur lächeln, sondern sogar lachen darf. Dem Klugen wird demnach Raum für das Lachen gelassen. In vielen Textstellen der Heiligenviten scheint es so etwas wie das Lob der einfachen Menschen zu geben, die unbedarfter, unschuldiger oder von reinerem Herzen sind. Eine kursorische Abgleichung, ob als rustici oder illiterati bezeichnete Akteure mit einem bestimmten Lachen verknüpft wurden, hat keinen entsprechenden Befund ergeben. Hier wären eingehendere Untersuchungen anzustellen, die aber möglicherweise nicht sehr ergiebig sein werden: Das Hauptmerkmal, an dem sich alle Akteure messen sollen, ist die Frömmigkeit und nicht die Bildung im engeren Sinne der Gelehrtheit. 806 Im Zusammenhang mit den Ständen steht Bachtins Entwurf einer Lachkultur des Volks. Das gesamte hier vorliegende Quellenmaterial ist zunächst wenig geeignet, Aussagen über das Lachen der einfachen Bevölkerung, der niederen Stände, des unbelese805 Dem Sujet der joculatores Dei, Narren Gottes wie Einfältige auch bezeichnet werden können, wäre eigens nachzugehen. Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum, VI, 8, S. 1190. Vgl. Horowitz/ Menache, S. 132. 806 In diesem Kontext ist die Aussage zu sehen, dass „[z]u ‚Gesinnungsreligiosität` [. . . ], behauptete Jean Gerson (1363–1429), sei jede einfache Frau (muliercula) und jeder ungebildete Laie (idiota) fähig.“ Schreiner: Frommsein in kirchlichen und lebensweltlichen Kontexten, S. 95 u. Hamm, Berndt: Frömmigkeitstheologie am Anfang des 16. Jahrhunderts. Studien zu Johannes von Paltz und seinem Umkreis, 1982, S. 141 u. Oberman, Heiko Augustinus: Der Herbst der mittelalterlichen Theologie, 1965, S. 313.

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nen Volks zu machen. Nur indirekt und aus dem Blickwinkel von Eliten, Angehörigen höherer Stände, belesenen Gelehrten wird Zeugnis abgelegt. Das Lachen von Kirchgängern, Zuschauern, Akteuren aus allen lebensweltlichen Bereichen wird dargestellt und dabei selten die sozio-kulturelle Herkunft der Betreffenden als beein ussender Faktor für das Lachen herangezogen. Zudem werden unterschiedliche Gemeinschaften von Lachenden geschildert, die sich als heterogen bezüglich des kirchenrechtlichen, politischen oder sozialen Status erweisen und tendenziell homogen bezüglich religiöser Differenzen. Das jeweilige Lachen ereignet sich in unterschiedlichen Herrschaftsräumen, wobei die Maßstäbe von Macht und Stärke im sakralen Kontext nicht den profanen entsprechen. Anhand der Ausführungen von Bachtin zu Literatur und Lachen 807 werden diese Schwierigkeiten auf der theoretischen Ebene deutlich sichtbar. In seiner Karnevalstheorie vermag er weder diese Probleme zu lösen noch sie zu erfassen. 808 Das Lachen wird in den Ausführungen selbst zu einer Metapher aufgrund der Interpretation des festtäglichen Treibens 809 als Umkehrung der Verhältnisse, als voll von Tabubrüchen mit Ventilfunktion, einer Metapher von Freiheit und Wahrheit, wodurch das Lachen zur Waffe des Volkes hochstilisiert wird. 810 Die soziale Praxis wird dabei reduziert auf eine „Lachkultur des Mittelalters, die sich vor allem im Medium des Festtäglichen vollzog“. 811 Andere Kontexte des Lachens werden damit von vorneherein ausgeschlossen durch die unrichtige Schlussfolgerung, dass die „mittelalterliche Lachkultur des Vol-

807 In seiner literaturwissenschaftlichen Dissertation „Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur“, die später in den Sammelband „Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur“ eingehen sollte, entwickelt Bachtin eine Karnevals- und eine damit verbundene Lachtheorie. Seine Gedanken dazu erscheinen sehr umfassend: „Nach dem Angriff auf das monologische Denken (nicht nur im Roman) wendet sich Bachtin gegen eine seiner Folgeerscheinungen: die Lachfeindlichkeit. Er schreibt eine Geschichte, Theorie und Apotheose des Lachens.“ Kaempfe, Alexander: Die Funktion der sowjetischen Literaturtheorie, 1985, S. 139. 808 Schümer skizziert sehr gelungen die fatale Wirkung, welche Bachtins missverständliche Verallgemeinerungen im Zuge seines Beweisantritts erzielten. Schümer, Dirk: Lachen mit Bachtin – ein geisteshistorisches Trauerspiel, 2002, besonders S. 848–850. 809 Vgl. Bachtin, S. 32. 810 Bachtin operiert mit dem Begriff der Lachkultur, die als „Volkskultur“ eine Gegenkultur darstellt. Damit verbunden ist die Vorstellung von einer Kontinuität dieser Lachkultur. „Kurz gefaßt, machte der Literaturforscher [Bachtin, Anm. d. Verf.] in mittelalterlichen Mysterienspielen, Schwänken und Parodien, humanistischen Gelehrtenfehden und Satiren auf die Obrigkeit, allzumal bei seinem verehrten Rabelais die permanente Subversion aus, die sich aus einer karnevalistischen Weltsicht speiste: ‚Im Gegensatz zum of ziellen Feiertag zelebrierte der Karneval die zeitweise Befreiung von der herrschenden Wahrheit und der bestehenden Gesellschaftsordnung, die zeitweise Aufhebung der hierarchischen Verhältnisse, aller Privilegien, Normen und Tabus.`“, Schümer, S. 847 f. 811 Bachtin, S. 32.

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kes [. . . ] also im großen ganzen auf die Inseln der Festtage und der Rekreationen der Scholaren beschränkt“ war. 812 Eher gilt, dass die Quellenrelikte bei grobem Hinsehen darauf begrenzt scheinen. 813 Zudem verkennt Bachtin auf diese Weise etwaige soziale Praktiken der sogenannten Herrschenden und die Einbettung der untersuchten Lachkultur in den kirchlichen Bereich. Ungeklärt bleibt auf diese Weise, wie Bachtin mit der obrigkeitlichen Duldung umgehen möchte und der mangelnden Etablierung einer Gegenkultur des Lachens jenseits von kirchlichen Institutionen. 814 In einem derartigen Entwurf der Verknüpfung des Lachens mit Festtagen und dem Volk, welches sich im Lachen gegen die Herrschenden wendet, ist kein Raum für die etwaige Bildung einer gemeinsamen „Lachgemeinschaft“ oder einer eigenständigen Lachkultur der Herrschenden – hierzu sagt Bachtin nichts. Nicht nur Bachtins Umgang mit dem Begriff des Volks, sondern auch der mit den Quellen ist etwas fragwürdig. In ganz unterschiedliche Textgattungen liest er stets dieselbe Absicht des Volkes hinein, nämlich im Lachen eine Gegenkultur auszuformen, versteckte Kritik am Gesellschaftssystem, an Herrschaft und Ordnung zu äußern. 815 Bachtin deutet nicht nur in alle Textquellen karnevalistische Motive hinein, sondern unterstellt auch jedem kirchlichen (!) Fest karnevalistische Motivation. 816 Am Beispiel der Illuminationen von Handschriften wird Bachtins Umgang mit Widersprüchen deutlich. Er fragt dabei nicht nach der Funktion der komisch anmutenden Bildchen. 817 Das Nebeneinander von Illuminationen mit entweder ernstem oder kar-

812 Ders., S. 42. Insbesondere mit der Aufzählung der Scholaren verwischt sich der Begriff des Volks bei Bachtin nur noch mehr. Als Insel der Etablierung einer Gegenlachkultur nennt er die Scholaren, zieht hieraus aber keine weiteren Schlüsse. Hier wäre mindestens zu fragen, ob Scholaren demnach gleichzusetzen sind mit dem Volk, was jedoch eine mehr als fragliche Herangehensweise wäre. 813 Bachtin „sammelte Travestien von kirchlichen Liturgien und Satiren auf Ärzte, Philosophen, Geistliche, an denen das späte Mittelalter so verdächtig reich ist, daß man davon beinahe auf die Konformität solcher Ansichten hätte schließen können.“ Schümer, S. 848 f. 814 Schümer wirft hier zurecht die Frage auf, „wieso [. . . ] denn all die unzähligen Karnevalsrituale, die Umzüge, Maskeraden und Besäufnisse niemals zu einer Revolution [führten], wenn sie sich denn vierkant gegen die Obrigkeit stellten?“, Schümer, S. 848. 815 Das Synonym Bachtins für diesen Vorgang ist die Karnevalisierung der Literatur, wobei neben Darstellungen parodistischer Art in Satiren, Epen, Mirakel- und Mysterienspielen, der parodia sacra, in literarischen Formen der moralité, sotie, farce, auch Brauchtum, Illuminationen und Kirchenskulpturen und Narrengesellschaften bei Bachtin in den Blick geraten. Zur Problematik des Begriffs parodia sacra vgl. Burde, S. 221–224, 240. 816 „Im Mittelalter hatte praktisch jeder kirchliche Feiertag seine karnevalistische Komponente.“ Bachtin, S. 57. 817 Inwiefern hier von karnevalistischen Äußerungen des Volkes zu sprechen ist, bleibt mehr als fraglich. Im Zusammenhang seiner Betrachtung von Illuminationen von „Handschriften des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts, zum Beispiel der Legendarien, das heißt: der handschriftlichen Sammlungen von Heiligenviten“ beobachtet Bachtin das Nebeneinander

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nevalistischem Sinn weiß Bachtin nicht anders als mit der Worthülse der Ambivalenz zu etikettieren. 818 Diese Aussagen implizieren, dass fratzenhafte, parodistische Darstellungen in Handschriften sich sowohl aus einer „Volkskultur“ herleiten, was wenig belegbar ist, als auch eine Rebellion gegen Obrigkeiten bedeuten. 819 Wie wenig erhellend die Herangehensweise einer Unterscheidung zwischen Volk und Herrschenden für die Untersuchung von Heiligenviten ist, konnte mehrfach begründet werden. Egalitäre Ansätze, die auf dem Maßstab von Frömmigkeit basieren, hat Bachtin für das Mittelalter völlig verkannt.

3.3.8 Heilige und Unselige – graduelle und ontologische Unterschiede

Die religiösen Unterschiede können wie gezeigt grundsätzlicher Natur sein – wie bei andersgläubigen Akteuren – oder aber auch von qualitativer Natur – wie bei Akteuren, die die Wundertätigkeit eines Heiligen nicht glauben. Ähnliches lässt sich bei der Frömmigkeit feststellen: Das Verlachen von etwas Heiligem kann sich punktuell ereignen, meist legen die Darstellungen dann einen Schwerpunkt auf die reuige Umkehr des irrenden Akteurs. Daneben treten jedoch Akteure, denen die Abweichung vom Gottgefälligen inhärent zugeschrieben wird, welche ontologisch – dem Wesen nach – einen Gegenpart zum Heiligen bilden. Wie bereits mehrfach verdeutlicht, ist der entscheidende Faktor, wie das Lachen der Akteure zu verstehen und zu bewerten ist, die religiöse Haltung, frommes Verhalten und rechter Glaube. Entsprechende Unterschiede lassen sich besonders prägnant

von Heiligen- und Teufelsdarstellungen und deutet dies in den Kategorien der Dualität von of ziellem Leben und Karnevalsleben, als Koexistenz von Lachen und Ernst. Deutung und Absicht der Darstellungen werden nicht weiter hinterfragt: „Auf einer einzigen Seite nden sich hier fromme und strenge Illustrationen zu den Vitentexten neben freien, nicht mit dem Text verbundenen Darstellungen von Chimären [. . . ], komischen Teufeln, Gauklern mit ihren akrobatischen Tricks, maskierten Figuren, parodistischen Szenen, das heißt: neben rein karnevalistischen grotesken Gestalten.“ Bachtin, S. 41. Dabei wäre hier zu fragen, ob die Teufel tatsächlich komisch gemeint sind und ob die vermeintlich parodistischen Szenen nicht eine moralische Funktion haben könnten, also keine Gegenkultur darstellen oder zumindest bewusst mit dieser spielen. Aus dem Nebeneinander von Lachen und Ernst unter Berücksichtigung der Quellengattung werden keine Konsequenzen für den theoretischen Entwurf gezogen. 818 Vgl. Bachtin, S. 57. 819 Dies wäre eventuell bei einer einzigen bildlichen Darstellung pro Kodex noch vorstellbar, aber nicht bei einer Aneinanderreihung solcher Bilder über ein viele teure Seiten umfassendes Gesamtwerk. Und unterstellte man ein Einverständnis durch kirchliche oder weltliche Auftraggeber, dann bleibt zu fragen, wie Volk und Herrschende dann noch zu de nieren sind und welche Opposition sich überhaupt noch herausbilden kann.

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an den unfrommen Gegnern, den Widersachern der Heiligen konturieren. 820 Das konkrete Beispiel von dem Heiligen Amandus zeigt die Ausgestaltung eines stereotypen Gegners. Der Heilige kann für sich die Bekehrung vieler Menschen von ihren falschen Göttern verbuchen. Einer als „unnütz, leichtfertig, schlüpfrig, hochmütig, liederlich und unreine närrische Schmähungen zischelnd“ charakterisiert erwies sich als besonders hartnäckig. Vom Volk mit dem Beinamen Mimus versehen gebärdete sich dieser bacchantisch mit lautem Gelächter, stolido bacchante cachinno. Doch bald wurde er von einem unheilvollen Dämon besessen. 821 Der zuvor voller Stolz war und über den jungen Christen lachte, cum vitae risit alumnum, zerschlug nun mit seinen eigenen Händen seine Glieder. Auch sein folgendes Verhalten, auf welches hier nicht näher eingegangen werden soll, gibt weiteren Aufschluss über die nstere Unterwelt als der Herkunft des Dämons. Hier nimmt die Geschichte keinen glücklichen Ausgang: Der Mime, der „ein Verführer zur Unzucht“ gewesen war, wurde zum „Folterknecht im Höllenfeuer“ gemacht. 822 In diesem Beispiel eines von einem Dämon besessenen Mimus hallt Verachtung für den Berufsstand der Schausteller wider. Der Verfasser fügt an, dass er von dem traurigen Ereignis mit seiner Schreibfeder zu Angenehmerem übergehen will. Auch wenn dies nur eine geschickte Überleitung zur nächsten Erzählung ist, gestaltet der Autor sie mit der grundlegenden Thematik des Gegensatzes von Fröhlichkeit, laetus, und Traurigkeit, tristis, aus. 823 Auf diese Weise wird auf die Lukasworte angespielt: Der lachende Mimen-Dämon ist in die traurige Hölle verbannt, die gläubige Zuhörerschaft kann diese Traurigkeit im doppelten Sinne hinter sich lassen. Zum einen folgt eine angenehmere, dulcia, Geschichte, zum anderen wird ihr Glaube sie 820 Die angestellten Überlegungen müssen in Hinblick darauf eingeordnet werden, dass „das Böse [. . . ] für den Schriftsteller als Sujet ergiebiger, für das Publikum interessanter [ist]“, vgl. Ehlers, S. 65. 821 Ein ähnlicher Fall von Besessenheit durch einen Dämon wurde bereits weiter oben anhand der Vita des Heiligen Franz von Assisi diskutiert. Die besessene Frau wurde jedoch von dem Heiligen geheilt. AS, Oct. II., Dies 4, S. Franciscus confes., fundator Ordinis Minorum, Assisii in Umbria, Vita prima inedita, auctore Thomas de Celano, Bd. 2, S. 702. 822 „Vnus iners, facilis, male lubricus, atque superbus, Turpis & impurus scurrilia probra susurrans, Quem merito vulgus vocitat cognomine mimum, Obstitit infelix stolido bacchante cachinno. Sed mox arreptus mise atro dæmone, plenus Quo fuerat pridem, cum vitæ risit alumnum, Ipse suis manibus male sano membra furore discerpit, [. . . ] Qui fuit incentor culpæ, t tortor in igne.“ AS, Feb. I, Dies 6, S. Amandus, Ep. Traiectensis, Elnone in Belgio, Alia Vita Metrica auctore Milone monacho, lib. IV, cap. I, pag. 885B–C, 2. 823 „Et quia sunt non læta satis quæ scribimus, hinc iam Tristibus omissis ad dulcia pergat arundo.“ AS, Feb. I, Dies 6, S. Amandus, Ep. Traiectensis, Elnone in Belgio, Alia Vita Metrica auctore Milone monacho, lib. IV, cap. I, pag. 885C, 2. Eine ähnliche Formulierung ndet sich bei Gregor dem Großen in seinen Dialogen, wo er von einem traurigen Thema zu einem fröhlicheren übergehen möchte: „Sed interim hoc triste seponentes, ad ea quæ narrare cœperamus læta redeamus“, Gregor der Grosse: Dialogus libri IV, de vita et miraculis patrum italicorum, et de æternitate animarum, lib. IV, cap. XVIII, pag. 349D.

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letztlich zur ewigen Freude führen. In der Figur dieses Mimen kommen zwei Typen von Gegnern zusammen: Zunächst ist der Widersacher des Heiligen mit allen Attributen eines Unfrommen charakterisiert, einerseits untugendhaft und zudem hartnäckig in seinem Unglauben. Zudem spielt in Analogie zu einem der vorherigen Beispiele Stolz als Motiv des Unglaubens in das Szenario hinein. In einer reziproken Brandmarkung wird dieses Stereotyp mit einem Mimen, mit einem Bacchanten assoziiert: Die vorliegende Figur soll negativ verstanden werden, so dass der Begriff des Mimen fällt. Indem diese Bezeichnung ihren Eingang in der Erzählung ndet, sind die Mimen einmal mehr verurteilt. Die Beschreibung des lauten Gelächters rundet das Gesamtbild ab. Als wäre dies als Negativum noch nicht schlimm genug, ist die Besessenheit als Steigerung oder gar als Konsequenz zu verstehen. Aufgrund dieser doppelten Verderbtheit ist keine Rettung möglich. Die Gegner der Heiligen schlechthin sind Dämonen. 824 Ihr Lachen ist häu g gesteigert zu schallendem Lachen, aber auch die Begriffe des Auslachens häufen sich. In der zu Beginn des 14. Jahrhundert verfassten Vita der Seligen Christina von Stommeln werden die Dämonen zudem sehr bildhaft beschrieben: Einmal fand Christina Würmer in ihrem Bett vor und schloss schließlich darauf, dies sei von einem Dämon verursacht worden. Seine Gestalt wird beschrieben als die eines „schwärzesten Menschen“, sein Körper bestand aus vielen Fetzen, die er schüttelte. Sein Erscheinungsbild ist demnach düster und zersetzt. Unter Lachen, ridendo, zog er sich zurück. 825 Im Gegensatz zu vielen weiter oben diskutierten Fällen markiert das Lachen nicht den Auftakt oder Höhepunkt, sondern zunächst das Ende der Begegnung. 826 Jedoch folgen noch viele weitere Konfrontationen der Heiligen mit Dämonen. Das Lachen wirkt somit einerseits ähnlich einem letzten Wort in einer Auseinandersetzung, aber auch wie ein unheilvolles Zeichen für die Zukunft. So schlugen ein anderes Mal zwei 824 Zu dieser Gruppe zusammengefasst sind alle Gegenspieler, die in den Acta Sanctorum mit den lateinischen Bezeichnungen daemon, diabolus, satan und ähnlich bezeichnet werden. In den hier besprochenen Beispielen handelt es sich überwiegend um den daemon als Kontrahenten, weshalb die deutsche Entsprechung stellvertretend für die anderen verwendet wird. 825 „[. . . ] accederet ad suum lectum, & de ea erent tales vermes. Tandem, quasi impatiens facta, requisivit [ab una earum]: Quare sic accedis ad lectum, & facis mihi tot vermes? Negavit illa omnino: unde conjecit, quod dæmon fuit. Quando illa ascendit ad orationem, ille ascendit lectum, quasi nigerrimus hominum; habensque panniculos plures in corpore quassavit illos, & ridendo recessit. Illa de mane invisens [lectum], invenit innumerabiles vermes in suis linteaminibus.“ Jun. IV, Dies 22, B. Christina Stumbelensis, virgo, in diocesi Coloniensi, Acta a Fr. Petro de Dacia, prologus, pag. 278A, 10. 826 Interessant wäre, die im Hinblick auf das Nibelungenlied aufgestellte Hypothese von Michaelis anhand weiterer mittelalterlicher Quellen zu überprüfen, „dass das Lächeln in der Regel zu Beginn einer Handlungssequenz angetroffen werden kann [. . . ] Lachen dagegen am Ende einer Handlungssequenz [steht], wenn Sieger und Verlierer feststehen.“ Die Rede ist hierbei auch von der „Herstellung einer neuen Machtordnung.“ Michaelis, S. 134 u. 137. Ähnlich dazu auch Best: „laughter signals [. . . ] happy ending.“ Best, S. 150.

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Dämonen mit ihren Hufen und Krallen den Körper der jungen Frau, ein weiterer verstümmelte ihren Rücken. Christina reagiert mit einem Gebet, durch welches bestärkt sie den Dämonen entgegenbringt: „O ihr üblen Geister, eure Drohungen verlache ich, minas vestras derideo, und vor euren Qualen erschrecke ich nicht: Mein Leben bist du Herr Jesus Christus.“ 827 Beachtenswert ist, dass das Lachen des Dämons sich tatsächlich ereignet, Christina in ihrer Rede gegen die dämonischen Erscheinungen lediglich darüber spricht, dass sie über die Drohungen lache. Auf diese Weise drückt sich distanzierte Überlegung und Überlegenheit aus. Die Dämonen wenden sich aufgrund ihrer ätherischen Natur und der Durchdringung alles Stofflichen 828 in einer Vielzahl von Erscheinungsformen gegen die Heiligen. 829 Die verbalen Angriffe der Dämonen beinhalten Drohungen, Schmeicheleien der Verführung, Lug und Trug, Spott und akustisch beängstigenden Lärm. Die Eroberung der physischen und psychischen Dimension spiegelt sich neben dem Versuch, den Geist der Heiligen zu vereinnahmen, in dem üblen Geruch der Dämonen, ihrem Schwefelgestank. Auf diese Weise erfüllen sie den Raum und nutzen ihre physische Macht als Gewalt über und gegen den Heiligen. Auf allen Ebenen wird das durch die Dämonen verkörperte Böse veranschaulicht. Da das Treiben der Dämonen immer als bösartig zu verstehen ist, wird ihr Lachen dementsprechend negativ bewertet. Besonders eindeutig ist dies bei der Wortwahl. Das onomatopoetische Verb cachinnare, 830 welches lautes, schallendes Gelächter bezeichnet, wird auffällig häu g für die Widersacher der Heiligen verwendet. Das Wort muss geradezu als Signal auf die Adressaten der Heiligenviten gewirkt haben, als Indikator für etwas Unheilvolles und Böses. Daneben sind den Dämonen Begriffe des Verlachens wie deridere oder irridere zugeordnet, aber 827 „Duo siquidem ex ipsis dæmonibus corpus Virginis in xis ungulis extendebant; tertius vero dæmon, ejus dorsum ungula lacerans, a summo usque deorsum dicto citius dividebat; intestina tamen non ejiciebant. Jacens autem Virgo in tanta corporis simul & cordis desolatione, orationem prædictam direxit ad Dominum: in qua nimirum oratione a Domino confortata, alloquitur dæmones, sic dicens: O vos maligni spiritus, minas vestras derideo, & tormenta vestra non pavesco: vita mea es Dominus Iesus Christus.“ Jun. IV, Dies 22, B. Christina Stumbelensis, virgo, in diocesi Coloniensi, Acta a Fr. Petro de Dacia, cap. III, pag. 352B– D, 23. 828 Hödl, Ludwig: Dämonen, Dämonologie. B. Lateinisches Mittelalter. III. Scholastische Dämonologie, 2002, Sp. 479. 829 Bereits ihr Äußeres ist unansehnlich, wenn sie als Ungeziefer, monströse Mischwesen, schwarze, ge ügelte Teufel in anthropomorpher Gestalt auftreten. Vgl. Kocks, Dirk: Dämonen, Dämonologie. G. Ikonographie. I. Westen, 2002, Sp. 485. Ebenso bedrohlich ist ihre etwaige Unsichtbarkeit oder ihr Auftreten in mitunter positiv besetzten Trugbildern, wie im obigen Fall von Lidwina geschehen. 830 Liberman stellt eine sprachwissenschaftliche Verbindung her zwischen bestimmten skandinavischen Bezeichnungen für „Lachen“ und „Lärm machen“ und verweist auf einen Vergleich von einer bestimmten Bezeichnung für „erschreckende Geräusche machen“ und einer Bezeichnung für „Teufel“. Vgl. Liberman, S. 412.

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auch die Verwendung von ridere ohne Prä xe ist möglich. Seine negative Konnotation erhält das zunächst neutrale ridere meist durch das Beifügen eines weiteren Begriffs: Dämonen verlachen und verspotten, treiben ihr Spiel, deridere et deludere, 831 sie lachen und verlachen, ridere et irridere. 832 Derartige Hendiadyoin verstärken das ohnehin bösartige Bild. Durch diese Begrifflichkeiten kommen mehrere Dimensionen zum Tragen. Es bleibt nicht nur bei einem akustischen Eindruck, sondern Mimik und Gestik werden vorstellbar, möglicherweise sogar verbale Äußerungen, die in den Begriffen des Verlachens und des Spotts mit inbegriffen sind und nicht explizit formuliert werden. Das Lachen der Dämonen fügt sich auf diese Weise in die Gesamtdarstellung. Es entspricht ihnen und stellt eine weitere Variante des üblen Erscheinungsbilds und des Angriffs dar. Ihr Lachen ist menschlich und monströs zugleich, es ist bedrohlich, gewaltsam und Teil ihres Getöses, mit welchem sie klanglich den Raum okkupieren. Aufgrund dieser Raumbesetzung wird man einen Dämon wohl kaum lächelnd, 833 sondern immer eher mit einem lauten, schallenden Lachen in den Heiligenviten vor nden. Die negativ konnotierten Begriffe des Lachens sind den Widersachern vorbehalten. Zu diesen klaren Zuweisungen kann es keine Ausnahme geben. Alle auch weiter oben aufgeführten Beispiele zeigen unterschiedliche Aspekte und Funktionen des Lachens der Dämonen. Indem Dämonen und Menschen die risibilitas, 834 die Fähigkeit zu lachen, teilen, erscheinen die Widersacher des Heiligen so ungeheuerlich. Beachtenswert ist eine Loslösung des Lachens von der Körperlichkeit: Unabhängig von der Erscheinung des Dämons in sichtbarer oder unsichtbarer Form, in der Vorstellungswelt oder in der Realität physischer Körper zeigt sich dieser lachend. Dennoch fügt sich das Lachen in die Beschreibung des äußeren Erscheinungsbilds und des furchterregenden Auftretens ein. Das Lachen ist eine Form der dämonischen Präsenz. Die negative Bewertung erfolgt, wie gezeigt, durch die Wortwahl, durch Verstärkung mittels Begriffspaaren und durch den jeweiligen weiteren Kontext. Im Sinne einer Dämonologie, eines Apparats zum Erkennen von Dämonen, könnte das Lachen als Hinweis fungieren, die jeweilige Erscheinung als böse zu enttarnen. Das Lachen, speziell das schallende Gelächter, ist zu einem Aspekt des Bösen geworden. 835 Die 831 AS, Mar. II, Dies 9, S. Francisca Romana vidua, Fundatrix Oblatarum Turris-speculorum Romae, Acta ex autographo Romano MS. Auctore Ioanne Mattiotti ipsius Sanctæ Confessario, pag. 153, col. A–B, 5. 832 AS, AS, Jun. V, Dies 30, B. Arnulfus, conversus ord. Cist. Villarii in Belgio, Vita auctore Goswino, Cantore Villariensi, coævo ac familiari, lib. II, cap. III, cap. VIII, pag. 621F, 24. 833 Blaicher sieht dies für die Gattung der Romanzen anders, wenn „wissendes und verstehendes Lachen [. . . ] aber eigentlich die Domäne von Frauen, alten Männern und gelegentlich dem Teufel [ist], und in allen diesen Fällen [. . . ] es meist zum Lächeln gedämpft [ist].“ Blaicher liefert hierfür jedoch keinen Beleg. Blaicher, S. 523. 834 Diese risibilitas der Dämonen wurde im Mittelalter nicht unbedingt als solche benannt. 835 Schmitt hat hinsichtlich von Emotionen eine Zuordnung anhand seines Quellenmaterials vorgenommen zu den moralischen Kategorien von Gut und Böse, physischen oder psycho-

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Funktion des Lachens entspricht der des Dämons in Heiligenviten allgemein. Das Lachen ist eine weitere Waffe im Kampf um den Menschen, die einschüchtert und Angst bereitet, die Macht über den vermeintlich Schwächeren signalisiert. Es ist eine Angriffswaffe, mit welcher die Standfestigkeit des Heiligen herausgefordert wird. Somit wird das Lachen der Dämonen Teil eines Tests der Tugend. Gleichzeitig wird es zur Kontrastierung genutzt und dient als Negativfolie. Einem Dämon wird im Gegensatz zum Heiligen neben den Formen des Aus- und Verlachens das laute, schallende Gelächter zugeordnet. Das Objekt dieses Lachens ist der Heilige, der Fromme als Opfer. Am Dämon zeigt sich erst der Mönch. „[. . . ] the Christian monk was formed in part through imagining him in con ict with the demon, which in turn gained its identity through its relation to its monastic opponent.“ 836 Funktion und Bewertung des Lachens, des lauten Gelächters, formen einen Gegenpart zum Heiligen: So lässt sich vermutlich keine Belegstelle in den Acta Sanctorum nden für ein schallendes, mit cachinnare bezeichnetes Gelächter eines Heiligen.

3.3.5 Junge und Alte – Altersunterschiede

Akteure unterschiedlichen Alters werden in den Heiligenviten lachend dargestellt, Kinder ebenso wie Erwachsene. Zudem kann ein Lachen sich zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb des Lebens ereignen: Die Heiligen stehen mitten in ihrem Leben oder sie haben, unabhängig von ihrem Alter, ihr Lebensende erreicht. Eine Besonderheit stellt die Darstellung der Kindheit 837 von Heiligen dar, wenn diese sich vor anderen Altersgenossen in vielfältiger Weise, unter anderem durch ihr Nicht-Lachen, auszeichnen. Die Darstellung von Kindheit und Jugend in Heiligenviten ist sehr stark topisch angelegt, 838 das Nicht-Lachen kann aufgrund obiger Untersuchung zu den gängigen Topoi gezählt werden. Die Heiligen werden als Ausnahmeerscheinung porträtiert, indem sie kein „kindliches Gebaren“ zeigen und keinen kindlichen Aktivitäten nachgehen. Sie widmen sich eher dem Gebet und dem Studium. 839 Eine derartige Ernsthaftigkeit wird bisweilen verbunden mit der Herausstellung, dass sie nicht spielen, scherzen und lachen wie ihre Altersgenossen. Hingegen fungiert bei Wundererzählungen besonders das Lachen von Kindern als Anzeige für eine erfolgte Heilung.

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logischen Qualitäten sowie Reaktionen von Körper und Geist: Dabei sind die Begriffe risus, ridere, exhylare dem positiven Bereich zugeordnet und cachinnus, cachinnatio dem negativen. Vgl. Schmitt: Demons and the emotions, S. 58 f. Brakke, S. 5. Zu Kindheit im Mittelalter siehe Kapitel 3.1.1. Vgl. Lotter, S. 322. Zu dieser Feststellung ist auch Langer in Bezug auf sein Untersuchungsbeispiel der Maria von Oignies gekommen. Vgl. Langer, S. 451.

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Eine solche Darstellung erlaubt diesen Akteuren, im sakralen Kontext eines Wunders sowie an einem sakralen Ort eines Heiligengrabes zu lachen. Bei der Sichtung allen oben analysierten Textmaterials ergibt sich das Kloster als spezi scher Ort der Sozialisation hinsichtlich des Lachens. Altersdifferenzen und damit auch verschiedener Reifegrad und Verhaltensunterschiede werden vermehrt in monastischer Literatur, insbesondere in den Klosterregeln, thematisiert und dabei vielfach auf die Novizen Bezug genommen. So geht trotz der Allgemeingültigkeit, die die oben beschriebene Magisterregel mit dem verwendeten eindringlichen Bild der Zähne als dem Riegel für die Äußerungen des Mundes vermittelt, die Regel stärker auf die Ausbildungszeit ein. Die prägende, formative Eigenschaft der Kindheit wurde im Mittelalter durchaus erkannt. 840 Die Gefahren des Lachens und der lachenerregenden Worte stellen sich besonders für die Schüler, welche erst erlernen, ihre Äußerungen zu zügeln. Jedoch sollten die monastischen Regeln nicht durchweg als strenge Maßnahmen gegenüber Kindern verstanden werden, da sich ebenso Nachsicht in ihnen nden lässt. 841 So schreibt die „Règle orientale“ an der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert dem Mönch in Kapitel 17 vor, sich nicht ablenken zu lassen von dem Lachen der Dummköpfe und der Possenreißerei. Wird ein Bruder beim Lachen oder beim bereitwilligen Spielen mit Kindern erwischt, 842 wird er dreimal ermahnt, wenn er nicht aufhört, wird er mit einer schwereren Strafe korrigiert. Hier wird das Lachen im Zusammenhang mit Spielen als Form des Müßiggangs angesprochen, welcher ein Problem für die monastische Lebensweise darstellt. Auffällig ist, dass eher der erwachsene Mönch angesprochen ist, der darauf achten soll, kindliches Verhalten abzulegen. 843 Die Ausführungen lenken dann zumeist den Blick auf die für alle klösterlichen Bewohner geltende Regel des untersagten Lachens bei Tisch. Wenn jemand während des Essens redet oder lacht,

840 Vgl. Garver, S. 72. 841 Garver bringt das Beispiel, dass es nach einigen monastischen Regeln Kindern, aber auch alten Mönchen erlaubt sein sollte, mit dem Essen vor den anderen Mönchen beginnen zu dürfen, die Tatsache anerkennend, dass ihnen bisweilen das Warten schwerfällt. Vgl. Garver, S. 73. 842 „Non resolvatur risu stultorum ac joco.“ Regula Orientalis, cap. XVII, pag. 479C. „Non rideat inter pueros“, cap. XVII, pag. 479D. „Si deprehensus fuerit aliquis e fratribus libenter cum pueris ridere et ludere, et habere amicitias ætatis in rmæ, tertio commoneatur, ut recedat ab eorum necessitudine, et memor sit honestatis, et timoris Dei: si non cessaverit, corripiatur, ut dignus est correptione severissima.“, cap. XVIII, pag. 480A. Le Goff sieht diese Anordnung in Übereinstimmung mit der biblischen Tradition, der Neigung zum Lachen von Frauen und Kindern, die als schwach und untergeordnet gelten, Einhalt zu gebieten. Der Quellenbeleg gibt eine derartige Warnung vor der „Lachlust der Frauen“ jedoch nicht her. Vgl. Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, S. 54 f. 843 Auch in anderen Textgattungen ndet sich die Erwartungshaltung, dass die Impulsivität von Kindern als Erwachsener überwunden sein sollte. Vgl. Garver, S. 82.

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soll er getadelt werden und Buße leisten. 844 Diese Beobachtungen decken sich mit den Ausführungen bei Isidor von Sevilla, die später auch bei Benedikt von Aniane zu nden sind, wenn er das Lachen eines Mönchs zusammen mit den jungen Neulingen im Kloster als ernstere Sünde ansieht als die lässlichere Sünde, levior culpa, des Lachens im Chor. 845 Wie die Beherrschung des Lachens als Reifungsprozess verstanden wird, zeigt die bereits kurz erwähnte Episode bei Eccleston über die ersten Franziskanergemeinschaften in England. Der Satz, dass die Ordensbrüder heiter und froh sind, aber auch wenn es so aussieht, sie nicht lachen, sondern ihr Schweigen einhalten, 846 ist für Eccleston Anlass, sich dieser Thematik näher zu widmen. In Oxford erhielt einer der jungen Ordensbrüder von denen, die allzu häu g lachten, eine Disziplinarmaßnahme. Als diese eines Tages ausblieb, konnte er sein Lachen abermals nicht unterdrücken. Erst ein erschütternder Traum, den er den anderen mitteilte, ließ ihn und die anderen Brüder ernsthafter werden. Der junge Mann träumte, wie der gesamte Konvent nach gewohnter Sitte im Chorraum stand und die Brüder versucht waren, wie üblich zu lachen. Plötzlich wandte sich ein Kreuz zu ihnen und sagte: „Söhne Korahs sind diejenigen, die in der Stunde des Singens lachen und schlafen.“ 847 Das Kreuz scheint sich sogar entfernen zu wollen. Die Brüder ziehen aus dieser Vision ihre Lehre und ihre dadurch gewonnene Reife wird deutlich, indem sie sich nun ohne merkliches Lachen geben. 848 Die Beschreibung des Thomas von Eccleston enthält Nuancen, die interpretationsbedürftig sind. 849 Er kommt vom Allgemeinen zum Spezi schen: Die Franziskaner scheinen zu lachen, brechen ihr Schweigen jedoch nicht. Der Fall in Oxford zeigt, dass dieses Verhalten erlernt wird: Hier sind es die jungen Ordensbrüder, eventuell sogar Novizen, die allzu häu g lachen. Sie werden diszipliniert, doch sobald die Maßnahmen 844 „Quod si aliquis locutus fuerit, vel riserit in vescendo, increpetur, et agat pœnitentiam.“ Regula Orientalis, cap. XXXVI, pag. 482D. 845 Isidor 〈de Sevilla〉: Regula Monachorum cap. XVII, 3, pag. 886B. 846 „Fuerunt tamen fratres omni tempore inter se ita jocundi et læti, ut vix in aspectu mutus se temperaret a risu.“, Thomas de Eccleston, S. 20. 847 Die Anspielung auf Korah bzw. seine Söhne lässt zweierlei Interpretationen zu: Die biblische Gestalt Korah selbst ndet ein schreckliches Ende (4 Mose 16), seine Söhne oder zumindest einige von ihnen überleben das Strafgericht Gottes aber. Ihnen werden etliche Psalmen und die Funktion von Tempelsängern zugeschrieben. Da die franziskanischen Ordensbrüder jedoch von dieser Vision erschrocken sind, liegt sehr wahrscheinlich die Assoziation zur drastischen Bestrafung zugrunde. 848 „Unde cum fratres juvenes Oxonienses nimis frequenter riderent, injunctum fuit cuidam ut quoties rideret toties reciperet disciplinas. [. . . ] nec tamen posset se a risu continere [. . . ] et temptabant fratres ridere moro solito [. . . ] Hac igitur visione publicata territi fratres maturius, sine risu notabiliore [se] gerebant.“, Thomas de Eccleston, S. 20. 849 Dies scheint allgemein nötig zu sein: „Die Darstellung, vielfach mit marginalen Ergänzungen, wirkt in der Stoffbehandlung wirr, in der sprachlichen Gestaltung unbeholfen und trägt den Charakter einer Rohfassung.“ Berg, D[ieter]: Thomas von Eccleston, 2002, Sp. 717.

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ausbleiben, fällt die Einhaltung wieder schwer. Auf die hohe Bedeutung, die der Vermeidung des Lachens zukommt, deutet auch der kommunizierte Traum hin. Aufgrund der Begriffe juvenes und maturius, welche die Aussage der Versuchung des Lachens umschließen, liegt der Schluss nahe, es handle sich hierbei nicht um ein allgemein übliches Verhalten, sondern speziell um das der jungen Ordensmitglieder. Das eventuell nur innerlich gemeinte und verstandene Lachen beherrschten die jungen Ordensbrüder nicht, sondern sie mussten tatsächlich lachen. 850 Dies war unangemessen, umso mehr in Anbetracht des Zeitpunkts während des Gottesdiensts und des Chorraums als heiliger Ort. Damit fallen auch bei Eccleston die aus Ordensregeln und anderen Quellen bekannten Stichworte der Angemessenheit von Ort und Zeit des Lachens. Der Traum versinnbildlicht zudem die Erinnerung an das Leiden Christi, angesichts dessen ein Lachen verfehlt ist. Die richtige Art des Lachens eines Ordensbruders, nämlich ohne merkliches Lachen oder Ort und Zeit angemessen, musste regelrecht erlernt werden. Mitunter wurde dies anscheinend mit reglementierenden Mitteln erreicht. Insgesamt ist aufgrund dieses Quellentextes nicht von einer allgemeinen Praxis des Lachens bei den Franziskanern zu sprechen. Ganz im Gegenteil scheint dies Thomas von Eccleston nicht in das positive Bild der Frühphase des Ordens in England zu passen. Die Schrift zielt vielmehr auf den Vorbildcharakter der ersten Gemeinschaften ab. Die verherrlichte Lebensweise ist für jüngere Generationen geradezu unerreichbar. 851 Allgemein zeigt sich Thomas von Eccleston „[. . . ] stets voller Sympathie über die zelatores ordinis, d. h. die Eiferer für die alte strenge Ordensdisziplin.“ 852 Die hier erörterte Textpassage nennt nicht nur das Lachen, sondern auch den Schlaf im Chorraum als verwerflich. Im Anschluss werden Wahrheitsliebe, die Vermeidung von Übertreibungen in der Rede – ein gängiger Themenkomplex der monastischen Lebensweise – und das freimütige Bekennen eigener Vergehen behandelt. Das gesamte Kapitel schließt in seiner Komposition mit dem Gegenpol des Lachens auf ebenso episodischer Ebene, nämlich mit der empfundenen Traurigkeit im Falle der Abordnung von Ordensbrüdern an einen anderen Ort. Die kurze Textpassage von Thomas von Eccleston changiert auf diese Weise zwischen den zwei zu vereinenden Gegensätzen von franziskanischer Freude und alltäglicher Vergegenwärtigung des Leidens Christi in all seinen Abstufungen von allgemeinen Aussagen bis zum konkreten alltäglichen Erleben. Die Belegstelle als Beweis für das Lachen bei den Franziskanern zu sehen, erfasst nicht den vollen Sinn des Gesamtzusammenhangs und der Erzählabsicht bei Thomas von Eccleston. 850 Le Goff spricht hier von verrückten Lachanfällen und Lachepidemien. Vgl. Le Goff: Franz von Assisi, S. 208. Das ist jedoch übertrieben und trifft nicht die Aussage des Texts. Eher ist der Vergleich zu Ordensregeln aufzustellen, die das Problem des Lachens bei Novizen in ähnlicher Weise thematisieren. 851 Vgl. Berg, Sp. 717. 852 Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, S. 47.

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Dieser Textbeleg zeigt jedoch ebenso wie die oben behandelten Klosterregeln, dass auch bei monastischer Sozialisation kein drastisches Ideal verfolgt wird. Den Novizen ein gänzliches Unterdrücken des Lachens abzuverlangen, stünde im Widerspruch zu den ansonsten eher moderaten Aussagen: Es gilt das Lachen in bestimmten Zusammenhängen zu beherrschen. Erwachsene sollten sich im Umgang mit den Jungen in Spiel und Lachen zurückhalten. Möglicherweise sollte dies Fehlverhalten Vorschub leisten, da besonders Novizen den Unterschied zwischen den verschiedenen Arten des Lachens und den weiteren Modalitäten noch nicht kennen konnten. Eventuell gerieten sie daher in den Fokus als diejenigen im Kloster, die am häu gsten sich verfehlten und in deren Gegenwart die Vorgaben vielleicht etwas strenger waren, um sie besser vor den aus der Unwissenheit resultierenden Gefahren zu schützen. Die Klosterregeln geben zu der sozialen Praxis und der Sozialisation 853 jedoch keine eindeutigen Informationen preis, wie sie insgesamt keine Zusammenhänge und keine umfassenden Erklärungen liefern. Ähnlich wie bei einigen kirchenrechtlichen Statuten könnte es sich hier auch wiederum um ein Generationsproblem 854 handeln. Die Af nität von Kindern zu beson853 Hier sei angemerkt, dass allgemein „das Vermitteln religiöser Inhalte, die religiöse Sozialisation der Menschen im Mittelalter [. . . ] leider wenig erforscht [ist], was sicherlich mit der schwierigen Quellenlage zusammenhängt.“ Vocelka, S. 21. 854 Die jüngsten Veröffentlichungen (Brandt sowie De Rentiis) zu diesem Thema bringen wenig Übergreifendes und sind in ihren Einzeluntersuchungen zu spezi sch, um sie mit den vorliegenden Analysen zu vergleichen. Monastische Generationenkon ikte sind nicht allzu häu g in den Quellen thematisiert. „Von Kon ikten innerhalb der Klostergemeinschaft ist nämlich [. . . ] erstaunlich selten die Rede. Was natürlich nicht besagt es habe keine gegeben [. . . ]“ Hinweise liefern „in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Reformfrage[n]“, die jedoch nicht notwendigerweise einen Kon ikt zwischen Generationen darstellten. Signori, Gabriela: Generationenkon ikte im Kloster? Gedanken zum Mit- und Nebeneinander von Jung und Alt in spätmittelalterlichen Frauenkonventen, 2008, S. 137, 139. Die „vita religiosa als eine Form des Zusammenlebens verschiedener Generationen“ mit den „hiermit verbundene[n] Rollenverständnis verschiedener Altersstufen“ birgt „Momente des Kon iktes und der Spannung“. Dabei werden den Kindern sowohl positive wie auch negative Eigenschaften zugesprochen. Zu den problematischen im klösterlichen Bereich zählen unter anderem „Wankelmütigkeit und Mangel an Verstand“, Skambraks, S. 75 u. 95. Nitschke gibt Einblick auf weitere Hintergründe von Generationsproblemen, die in Bewegungsdrang, Spieltrieb und dem Ausloten von Grenzen durch „Missetaten“ und Streiche der Kinder ebenso begründet liegen, wie in der Orientierung an nicht dem eigenen Stand entsprechenden Vorbildern beziehungsweise dem Wechsel von familiären zu monastischen Bezugspersonen. Vgl. Nitschke, August: Junge Rebellen. Mittelalter, Neuzeit, Gegenwart: Kinder verändern die Welt, 1985, S. 40–42, 63–68 u. 83. Feilzer verweist jedoch auch darauf, dass im Kloster „eine besondere Wertung und Hochschätzung des jungen Menschen sichtbar wird.“ Allgemein stellt Feilzer fest, dass „[j]ugendliche Gesellungen in Ausnahmesituationen vorübergehend eigene Interessen [verfolgen]. Insgesamt aber bleiben sie in die übergeordnete ständische Gesamtkorporation eingebunden, stehen unter deren Kontrolle und in deren Dienst.“ Feil-

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ders lebhaftem Treiben zeigt sich bei Kinderbischofsfesten. Reformen, die zum Beispiel 1263 bezüglich der Missbräuche bei einem solchen Fest zu St. Paul in London angestrengt wurden, galten auch der Sorge um die Novizen. Man wandte sich gegen Spott, die Verhöhnung der Würde des Gotteshauses, den zügellosen Übermut und die unangemessene Verwirrung, die sicherlich auch zu einem guten Teil von den Novizen herrührte. Der Frieden des gängigen Ablaufs war dadurch zerstört. 855 Dennoch werden auch hier wiederum allgemein gültige Vorgaben angesprochen. Laut Uffmann „ nden sich lange Traditionen der ‚angemessenen Körperhaltungen` für Mönche in monastischen Orden und Vorstellungen darüber, wie sie ihnen anerzogen werden sollen.“ 856 Die hier aufgeführten Belegstellen zum Lachen scheinen ebenfalls in diese Richtung zu weisen, dass „Gesten und Mimik [. . . ] an das Ausdrucksverhalten innerhalb eines kulturspezi schen Symbolinventars [gebunden] [sind], dessen Gebrauch und Interpretation erlernt werden mußte.“ 857 Die Beispiele in den Heiligenviten zu dem Lachen und Nicht-Lachen von Kindern und Heiligen im Kindesalter weisen implizit daraufhin, dass es für Kinder allgemein keine Sozialisation hin zu einer Mäßigung des Lachens gibt. Kinder lässt man spielen, scherzen und lachen, im Zusammenhang mit Wundern erfolgt das kindliche Lachen sogar im sakralen Kontext, an sakralem Ort. Die monastischen Quellenbelege verweisen darauf, dass das Noviziat eine Phase der Sozialisation darstellt, in welcher das Verhalten der Neulinge an die Gemeinschaft angepasst wird. Mit Bourdieu gesprochen gehe es in einem solchen Prozess darum, „soziale Klassi zierungen [. . . ] einzuprägen, sie in Form von in den Körpern, in der körperlichen hexis, in den wie unauslöschlichen Tätowierungen eingebrannten Dispositionen in Naturgegebenheiten zu verwandeln [. . . ]“ 858 Die klösterlichen wie auch kirchenrechtlichen Bestimmungen verweisen auch auf Widerständigkeit gegenüber den Praktiken. Anhand von Tugendkatalogen und Fürstenspiegeln für ein breites Publikum wird zweierlei deutlich: Rat hinsichtlich Selbstdisziplinierung wird gewünscht und in Jugend, Adoleszenz, aber durchaus auch noch im Erwachsenenalter kann es zu einer Umorientierung im Hinblick auf verfeinerte Verhaltensweisen kommen, sowohl durch selbstauferlegte Regeln wie auch auf Anraten von geistlichen Rat-

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zer, Heinrich: Jugend in der mittelalterlichen Ständegesellschaft. Ein Beitrag zum Problem der Generationen, 1971, S. 224 u. 272. „Cum igitur quod ad laudem lactencium fuit adinventum, conversum sit in dedecus, et in derisum decoris Domus Dei, propter insolenciam effrenate multitudinis subsequentis eundem, et af uentes improborum turbo pacem Presulis exturbantis, statuendum duximus ut predicti pueri, tam in eligendo suo Ponti ce et personis dignitatum Decani, Archidiaconorum, et aliorum, necnon et Stacionariorum, antiquum suum ritum observent, tabulam suam faciant, et legant in Capitulo.“ Registrum Statutorum, Pars sexta, cap. 9. Vgl. auch Chambers, S. 355. Uffmann, S. 203. Vgl. Schmitt: Die Logik der Gesten, S. 137, 139–146. Uffmann, S. 204. Vgl. Schmitt: Die Logik der Gesten, S. 22 Bourdieu: Meditationen zur Kritik der scholastischen Vernunft, S. 181.

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gebern. Die Sozialisation hinsichtlich der Beherrschung des Lachens wurde demnach im Mittelalter verstanden als eine Disziplinierung, die in jedem Lebensalter erfolgen konnte. Darauf verweisen wie gesagt die Tugendkataloge und Ratschläge in der Briefliteratur an erwachsene Akteure. Inwieweit dieses Um- und Erlernen einen schweren und sogar leidvollen Weg darstellt, ist schwer zu ermitteln. Die monastischen Regeln lassen punktuell erkennen, dass dieser Prozess Mittel der Bestrafung kannte, die zum Erreichen der Maßgaben eingesetzt werden konnten. „In der täglichen pädagogischen Praxis (‚halt dich gerade`, ‚nimm dein Messer in die rechte Hand`) ebenso wie in Einsetzungsriten wird dieses psychosomatische Handeln oft durch Emotion und psychisches oder sogar körperliches Leiden eingeübt.“ 859 Sicherlich ist hinsichtlich Habitus und Subjektivierung Reckwitz zuzustimmen, dass „[i]nnerhalb der Felder [. . . ] man dann jedoch eine spezialisierte Weiterentwicklung des jeweiligen basalen Habitus [ ndet].“ 860 Dies würde bedeuten, dass eine grundlegende Sozialisation die Mimik und die Äußerung des Lachens betreffend zu einem späteren Zeitpunkt im Leben weiter ausgebildet werden konnte. Striktere Mönchsregeln könnten Hinweis auf eine bereits stärkere Reglementierung in hohem Adel und Klerus geben, die nur mit einem noch strengeren Ideal zu verfeinern waren. Nur durch ein derartiges Übertreffen konnten etwaige Differenzierungsabsichten verfolgt werden, um sich als besondere Elite gegenüber den Weltlichen oder aber auch noch stärker von Weltgeistlichen abzusetzen.

3.3.6 Frauen und Männer – gender-Unterschiede

Anhand der Heiligenviten zeigt sich, dass Heilige von unterschiedlichem gender auf alle möglichen Arten lachen: Sie mäßigen sich im Lachen oder es erfasst ihren ganzen Körper, sie unterscheiden sich nicht im Umgang mit dem Weinen, sie werden gleichermaßen ausgelacht und die Beschreibung des Nicht-Lachens in der Kindheit betrifft Jungen wie Mädchen. Im Folgenden geht es um die Frage, ob Frauen und Männer gleichermaßen über die Heiligen lachen und ob dabei der gender-Aspekt der Heiligen von Bedeutung ist. Zudem gibt es Belegstellen, die das Lachen zwischen Ehepartnern in den Heiligenviten darstellen. Schließlich lassen sich auch vereinzelt gender-spezi sche Aussagen bezüglich des Lachens nden, die es in ein Verhältnis zu den Darstellungen des jeweiligen Lachens gender-spezi scher Akteure zu stellen gilt. Bereits weiter oben wurde der Fall des Heiligen Augustinus geschildert, der zusammen mit seinen Begleitern auf seiner Missionsreise durch Gallien in der Nähe von Angers von etlichen Frauen mit höhnischen Gebärden, Gelächter und feindlichem Benehmen bedacht wurde. Der vierzig Mann starken Gruppe schlug ein aggressives Verhalten der Einheimischen entgegen, wobei besonders die Frauen ihrer Verachtung Aus859 Bourdieu: Meditationen zur Kritik der scholastischen Vernunft, S. 181. 860 Reckwitz, S. 48.

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druck verliehen mit spöttischen Gebärden und Lachen, subsannatione, derisione. 861 An Schlaf war für die Gottesmänner auch im Freien nicht zu denken. Die unverschämteste Frau ging auf Augustinus los und bedrohte sein Leben. Der Heilige griff instinktiv selbst zum Knüppel, wie um sich vor einem wilden Tier zu schützen. Aber der Stock schoss ihm aus der Hand wie ein Pfeil von einem Bogen und blieb in der Entfernung von drei Stadien im Boden stecken. An dieser Stelle brachte Augustinus eine Quelle hervor. Schließlich wurde die Stelle, an der die Missionare ihr Nachtlager hatten, von einem übernatürlichen Licht erleuchtet. Die Einwohner hielten die Fremden aufgrund dieser Wunder für Gottheiten und bauten später eine Kirche zu Ehren Augustinus'. Zu dieser hatten Frauen aufgrund „übernatürlichen Einwirkens“ jedoch keinen Zutritt. Der Verfasser Gocelinus betont, dass ja alle Welt wisse, wie viel dieses Geschlecht Gott beleidigt habe in den Ungerechtigkeiten an seinen Dienern. Die erste Frau, die versuchte das Gebäude zu betreten, stürzte auf der Türschwelle in die aufbrechende Erde und starb. Danach schreckten alle Frauen zurück, den Eingang zu berühren. Aus göttlichem Mitgefühl wurde ihnen ein Zu uchtsort gebaut, wo sie zum Gebet zusammenkommen, Opfer darbringen und am Abendmahl teilnehmen konnten. 862 Dieser Textbeleg klingt nach einem Generalurteil über das Gelächter von Frauen und eine kritische Position des Verfassers gegenüber Frauen ist nicht auszuschließen. Der Hinweis auf die Beleidigungen an den Gottesdienern könnte aber auch als Begründung gelesen werden, warum den Frauen der Zutritt zu der Kirche verwehrt wurde. Der Satz bezieht sich dann auf dieselben Frauen, die einst so feindselig gegen den Heiligen waren. Zu der Kirche zu Canterbury, wo die Gebeine des Heiligen ruhen, ist Frauen der Zutritt nämlich durchaus gewährt. Das unsoziale Verhalten der Frauen bezüglich der Regeln der Gastfreundschaft wird quittiert mit einem Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft an der Stätte des Wundergeschehens. 863 Gocelinus liefert in einem späteren Abschnitt über Wundererzählungen einen weiteren Fall von einer Frau, die über das Bildnis des Heiligen lachte. 864 Der Verstorbene tadelt sie persönlich, um 861 Später ist auch von ludibriosa importunitate, spielerischer, spöttischer Rücksichtslosigkeit, Schroffheit, die Rede. AS, Maii VI, Dies 26, S. Augustinus, Episcopus Cantuariensis in Anglia, Vita auctore Gocelino Monacho, cap. I, pag. 380C, 10. 862 „Unam vero ceteris impudentius Sancti vestigiis incumbentem, dum ipse elato baculo, velut ad bestiam & rapidam lupam pugnans, conaretur abigere; subito baculus, novo Dei gratiæ signo, de manu ejus velut ab arcu excussa sagitta evolavit [. . . ]“ „ubi illud perpetuum, ut præmonstravimus, durat miraculum, quod ipsam ecclesiam intrare aut de fonte aquam haurire nulla unquam potest feminarum: ut nimirum sciat mundus, quantum hoc genus offenderit Deum injuria servorum suorum.“ AS, Maii VI, Dies 26, S. Augustinus, Episcopus Cantuariensis in Anglia, Vita auctore Gocelino Monacho, cap. I, pag. 380C,10-380F,12. 863 Im theologischen Kontext handelt es sich um einen Tun-Ergehen-Zusammenhang, das jeweilige Handeln zieht eine entsprechende Folge nach sich zumeist durch göttliches Einwirken. 864 Die entsprechende Passage kreist um Begriffe des Lachens und der Freude. Zunächst ist negativ konnotiert die Rede von insultans, eludia, risu satiasti. Die Strafe für dieses Verhalten

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sich dann mit ihr zu versöhnen. An dieser Stelle folgt auf den Tadel keine Strafe, sondern Versöhnung. Aber anders als in der ersten Textpassage zu den Frauen in Gallien ist auch der Kontrast kaum herausgearbeitet, der in der großen Anzahl der Frauen, in den drastischen Mitteln im Versuch, die Fremden zu vertreiben, und im besonders negativen Charakterzug einer Einzelperson besteht. Während die erste Episode den Schwerpunkt auf Unglauben und Bestrafung legt, geht es in der anderen um den Vorgang der Bekehrung, der Wiederherstellung zum Glauben. 865 Es ndet sich also in der Vita des Augustinus keine absolute Verurteilung von Frauen. Auch deren Lachen wird unterschiedlich eingestuft, dem üblichen Muster folgend, dass eine unfromme Haltung zu einem negativ konnotierten Lachen über das Heilige führt, jedoch Reue und Umkehr endgültige negative Folgen abwenden können. In Analogie zu dem Fall bei Augustinus von mehreren Frauen, 866 die den Gottesmännern mit einem feindseligen Lachen begegnen, zeugt die dritte, vermutlich aus der Mitte des 8. Jahrhunderts stammende Vita der Heiligen Brigida von einem entsprechenden Gelächter von Männern. Als sich die Heilige mit ihren Glaubensschwestern in der Nähe des Benediktinerkonvents Kildare beim Fluss Shannon in Irland aufhielt, gerieten einige der Frauen in die Strömung des wirbelnden Flusses, der ohne Kahn gänzlich unpassierbar war. Junge Männer wollten mit ihren Booten zu Hilfe eilen, forderten jedoch, dass die Frauen ihre Umhänge, ihre Obergewänder ablegten. Die Männer lachten, derisere, über sie von ihren Booten aus „mit ungehörigen Worten“ und ängstigen sie, sie ohne Hilfe zurückzulassen. Die Heilige rief ihren Glaubensfolgt und die Frau verliert ihr Augenlicht. Der Heilige lenkt geduldig die Aufmerksamkeit vom Lachen auf das Seufzen, refert patiens pro risu gemitum, pro cachinno luctum, pro ludibrio ululatum. Doch auf Trauer und Geheul folgen wieder laetitia und gaudium, die Frau, die zuvor ungläubig lachte, ehrt nun das Bildnis, antea irrisam, nunc veneratam. Das Vokabular der positiven Freude, die mit der Wiederherstellung des Sehvermögens und dem wiedergefundenen Glauben einhergeht, ist reichhaltig: oculis ridendo und sospes, hilaris, jucundus, quasi de funere redivivus, quasi de tumulo resuscitatus, das Verlachen, derisa ist wiedergutgemacht. AS, Maii VI, Dies 26, S. Augustinus, Episcopus Cantuariensis in Anglia, Vita auctore Gocelino Monacho, cap. XXIX, pag.410E,58-411A,59. 865 Zwei noch näher zu erörternde Beispiele fügen sich in diese Schemata ein. Im Fall des Heiligen Vincentius war es eine Frau, die beim Anblick seiner Reliquien lachte und ihn für einen Mauren hielt. Strafe und Restitution werden gleichwertig geschildert. Die lachende Gegnerschaft einer Frau in der Vita des Heiligen Franziskus kam durch ihre Dämonenbesessenheit zustande und gestaltet sich auch in Bezug auf das Objekt, einen Ordensbruder des Heiligen, indirekt in den Mittler guren. 866 Aber auch das Lachen eines einzelnen Mannes über eine Heilige lässt sich in den Viten nden, so zum Beispiel in der Vita der heiligen Jungfrau Withburga. Darin wird die üble Gesinnung eines Mannes beschrieben, der die Wunder der Heiligen gering achtete oder sie verspottete, irridere. Die Vita ist der von Goscelinus ungefähr im Jahre 1100 verfassten Chronik des Klosters Ely entnommen. AS, Mar. II, Dies 17, S. Withburga Virgo in Anglia, Vitae Compendium, Ex MS. Chronico monasterij Eliensis, pag. 606B, 2.

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schwestern zu, fest auf Christus zu vertrauen, „der den Völkern ein Hafen und ein Führer in den Fluten war“. Ein Wunder geschah und der Fluss konnte schadlos überquert werden. 867 Das Lachen der Männer begleitet ihre sexuelle Anspielung. 868 Frauen wie Männer lachen in gleichem Maße über die Heiligen. Aus diesen Fallbeispielen wird aber auch ersichtlich, dass der Kontrast weniger im Bereich gender gesehen wird, 869 sondern vielmehr in der Kategorie fromm – unfromm beziehungsweise gläubig – ungläubig. Daher treten neben diese Fälle des cross-gender Lachens solche von inner-gender. Die Vita des Heiligen Thyrsus belegt das Lachen des Verfolgers Baudus, 870 der Präfekt Aquilinus verlacht Tryphon. 871 Der Heilige Wilfridus erträgt das schallende Gelächter seiner Gegner, darunter kein geringerer als der angelsächsische König. 872 Entsprechendes gilt für Papst Gregor VII., der von weltlichen und kirchlichen Machthabern – und hier ist anzunehmen, dass es sich durchweg um Männer handelt – verlacht wird. 873 Über den Heiligen Gualdericus spottet ein nicht 867 „Casu tunc multis transibat nauis onusta, Currebant iuuenes, saltabant, atque puellis Hæc dixere simul: Vos nos audite Sorores, Tollite nunc vestras, nobis commitite pallas, Vt nos in nostris portemus nauibus omnes. Derisere satis iuuenes de puppe puellas; Verbis inlicitis pulsant, & littore inquunt.“ AS, Feb. I, Dies 1, S. Brigida Virgo Scota, in Hibernia, Vita III Auctore Chilieno monacho, cap. IX, pag. 153F, 63. 868 Hier fällt die Verbindung zur Sexualität ungleich stärker ins Gewicht als noch in dem weiter oben behandelten Fall der Heiligen Catharina, deren Bruder Einblick in die eheliche Privatsphäre genommen hatte. Der Aspekt, dass auch dort ein Mann über eine Heilige lacht, tritt jedoch nicht so prägnant in Erscheinung. 869 In Bezug auf gender haben sich Topoi gender-spezi schen Lachens von Frauen und Männern herausgestellt, aber auch unterschiedslose Darstellungen von weiblichen und männlichen Heiligen. Distinktionsabsichten zwischen den gender müssten in verschiedenen Textgattungen weiter eruiert werden. Hilfreiche Ansätze liefert unter anderem Bartsch, S. 69–71. 870 „Thyrsus dixit: Baudus nomen est canis latr¯atis; feram te patienter quasi canem latrantem, & ridebo te sicut risi priores tuos.“ AS, Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis, pag. 822, 32. 871 „Ad haec irridens praefectus Dei athletam [. . . ]“ Nov. IV, Dies 10, S. Tryphon matyr Romae cultus, et al., VI. Vita et Passio S. Tryphonis Martyris, pag. 362D–E, 18. 872 „[. . . ] Intuens autem quosdam satis fœdo suis casibus insultare cachinno, Et o, inquit, lii, felici prosperitate ducatis tempora longa: sed noveritis, quantocius sors infesta resolvet hæc gaudia vestra: nec prius hunc annum transisse videbitis, quam istas quas super me derisiones habetis, acerbo mœrore luatis.“ AS, Apr. III, Dies 24, S. Wilfridus primus Archiepiscopus Eboracensis in Anglia, Vita Auctore Eadmero Cantuariensi monacho, pag. 301, col. C – D, 32. 873 „Iam vero qualiter inimicorum fraudes, tentationes, pericula, detractiones, irrisiones, captiones, custodias propter nomen Domini; postremo, qualiter, Domini juvamine & sustentatione Apostolorumque comitante suffragio, Reges, Tyrannos, Duces, Princeps, animarumque hominum captivatores, voratores; insuper lupos, Antichristi videlicet ministros, Archiepiscopus, Episcopos, & reliquos Ecclesiasticos pervasores fortissimus athleta Dei superavit [. . . ]“ AS, Maii VI, Dies 25, S. Gregorius Septimus, Pontifex Romanus, Vita auctore Paulo Bernriedensi, Canonico Regulari, pag. 122, col. A-B, 39.

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näher beschriebener Mann, 874 über den Heiligen Winwaloeus ein Geistlicher, 875 über den Heiligen Hubertus posthum ein Adeliger. 876 Bei den Heiligen Angilbertus 877 und Fredericus 878 sind es Kleriker, die im Unglauben über die Wunderberichte lachen, beim Heiligen Antonius ein Ritter. 879 Die Kontraste innerhalb dieser Beispiele bestehen zwischen Machthabern und vermeintlich ohnmächtigen Heiligen. Stärker wiegt jedoch wieder der Kontrast zwischen Unglauben der zumeist auch in ihrem sozialen Stand näher bezeichneten Personen und Glauben, Standfestigkeit oder Wundermacht der Heiligen. Auch Frauen lachen über weibliche Heilige. Im Fall der Seligen Christina könnten die Kontrastkategorien von gender und Macht dabei jedoch nicht stärker aufgehoben sein. Bereits im Prolog der Anfang des 14. Jahrhunderts entstandenen Vita lernt der Leser von der Jugendzeit Christinas, in welcher ihre Eltern ihr das Leben schwermachten und ausgerechnet alle Beginen, bei denen sie vier Jahre lang lebte, ihre Werke verlachten, deridebant: Was auch immer sie betete, welche Vergebung auch im-

874 „[. . . ] evenit quod suæ ecclesiæ sacrista, in sancti viri contemptum et irrisionem aliquando signum hujusmodi dedit, eo tempore, quo vir Dei rivuli, ad oppidum decurrentis, æquor nudis pedibus pertransibat.“ „Sed Deus qui hominis sancti devotionem agnoverat, continuo æquoris undas continuit, et arenam siccam in medio gurgitis exposuit, qua genu ecteret Galdericus, et morem orationis expleret, ut fecit et devote continuavit. Ex cimbalario eventum spectabat sacrista derisor; [. . . ]“ AS, Oct. VII, Dies 16. S. Gualdericus agricola in Occitania, Acta S. Gauderici, Agricolae Confessoris conscripta a Tamayo ex Domenec, Poc et aliis scriptoribus, pag. 1119D-E, 3. 875 „[. . . ] cui Guingaloëus læto ac ridente vultu pro conuicio illato respondit“, AS, Mar. I, Dies 3, S. Winwaloeus, Abbas Landeueneci in Britannia Armorica, Tertia Vita Auctore Gurdestino monach Ex MS. Armorico, Lib. I, pag. 257B, 11. 876 „Mirantibus ceteris hujusmodi spectaculum, Goderannus pro nihilo duxit miraculum; et inde cum irrisione digressus, ibat quo disposuerat eundum. Abeuntem ultio divina prosequitur“, AS, Nov. I, Dies 3, S. Hubertus, episcopus Leodiensis, Miraculorum S. Huberti Post Mortem Liber Secundus, cap. I, lib. II, pag. 824C–D, 8. 877 „Ita id narratur in Chronico Ioannis Capellæ: Quatuor Clerici iuuene de Normannia peregrinantes, vnus illorum inquirebat de miraculis superiter, & non credebat, sed subridebat: [. . . ]“ AS, Feb. III, Dies 18, S. Angilbertus, Abbas Centulensis in Belgica II., Miracula S. Angilberti auctore Anschero, pag. 102, col. D-E, Annotata k zu „Clericus miracula Sancti non credens“. 878 „[. . . ] instantes ergo cum magna irrisione [videre] cupiunt, operientes eventum rei, si quis eorum sanaretur; instar Judaicæ per diæ, quæ Cruci xo Domino illudebat, dicens: [. . . ] neque modo Christi servus Fredericus hostium irrisioni paruit.“ AS, Maii VI, Dies 27, B. Fredericus, Episcopus Leodiensis & Martyr, Vita Auctore coaevo Renero Monacho Leodien S. Laurentii, pag. 726C–D, 3. 879 „Cui dormienti B. Antonius apparuit dicens: Surge velociter, quia curatus es a lepra: & vade ad illum Militem, qui miracula mea deridebat, & defer Illi scandellas, quia lepra tua ipse putrescit.“ AS, Jun. II, Dies 13, S. Antonius, Ordinis Minorum, Patavii in ditione Veneta, Legenda Alia, seu Liber Miraculorum, cap. V, pag. 733F, 45.

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mer sie suchte, alles schätzten die anderen gering. 880 Frauen derselben Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe lachen über die Heilige. 881 Die Viten enthalten aber auch Belege von gegenseitigem Verlachen von Mann und Frau, von denen keiner der Protagonist des Heiligenlebens ist. Zwei Beispiele seien hier exemplarisch genannt. In der Vita des Seligen Johannes Bonus aus dem 13. Jahrhundert lachte ein als Wunderzeuge aufgeführter Mann zunächst eine Frau aus, die sich Heilung für ihr Kind erhoffte. Nachdem er das Wunder aber selbst gesehen hatte, ng er mit großer Freude an, den Namen des Herrn Jesu Christi und den Bruder Johannes Bonus zu loben. 882 Ähnlicher Unglaube ndet sich in den Kanonisationsakten des 880 „[. . . ] & omnes Beginæ deridebant omnia opera ejus. Quidquid orabat, quidquid de veniis quæsivit, omnia vilipendebant.“ AS, Jun. IV, Dies 22, B. Christina Stumbelensis, virgo, in diocesi Coloniensi, Acta a Fr. Petro de Dacia. 881 Die Beginen werden von dem Verfasser Petrus de Dacia als spirituelle Gegner Christinas modelliert, die ihre Entrückungszustände, die zum Teil mit Ohnmacht einhergehen, als Epilepsie deuten. „Im Fall der Beurteilung von Christinas extremer und möglicherweise für einen Konvent belastenden Leidensfrömmigkeit durch die eher praktisch und nüchtern eingestellten Beginen muß man aber mit dem Einsatz literarischer Strategien in der Jugendgeschichte rechnen: es liegt nicht im Sinn der Verehrung, für Christinas Zustände eine so einfache Erklärung wie Epilepsie allzu oft zu wiederholen und damit plausibel zu machen. Mit ihrer Haltung haben sich die Kölner Beginen darum für den Verfasser der Jugendgeschichte selbst diskreditiert, sie werden ohne Unterscheidung neben den Eltern und den Dörflern zu Christinas Feinden gezählt [. . . ]“ Ruhrberg, Christine: Der literarische Körper der Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242–1312), 1995, S. 57. Der Verfasser beurteilt „das Beginentum selbst [. . . ] ohne Überschwang sehr zurückhaltend“, ist aber zugleich auch weit davon entfernt „dogmatische Beginenkritik“ zu äußern. Der Verfasser steht in einem ambivalenten Bezugsfeld vom dominikanischen Auftrag der antihäretischen Laienunterweisung und einer „zwiespältige[n] Haltung zur Frauenseelsorge“. Vgl. Ruhrberg, S. 60, 62 u. 82. Gänzlich gelöst werden kann die Frage jedoch nicht, warum Christina sowohl als eine Begine dargestellt wird, jedoch gleichzeitig die anderen Beginen kritisch gesehen werden bis hin zur Darstellung als Gegner, die die Heilige wieder zu ihren Eltern zurückschicken wollten. Einen Hinweis auf eine mögliche Erklärung liefert Ruhrberg: „Frauenseelsorge, insbesondere die leichtere Form der Beginenbetreuung, in der die P ichten begrenzt, die Möglichkeiten beim Auf nden einer Begabung zur Heiligkeit aber groß waren, könnte ein Karriereschlüssel für die Dominikaner als professionelle Öffentlichkeitsarbeiter gewesen sein“ und „das Kanonisierungsverfahren – ganz wesentlich von Petrus [de Dacia, Anm. d. Verf.] abhing“. Ruhrberg, S. 66 f. Aus diesen Überlegungen lässt sich eventuell ableiten, dass der Verfasser Petrus de Dacia die Beginen als unfähig darstellen will, die Heiligkeit von Christina von Stommeln zu erkennen, was ihm selbst jedoch gelang. Er betont damit seine eigene Bedeutung in diesem speziellen Fall und die allgemeine der Dominikaner im Bereich der Betreuung der Beginen. 882 „[. . . ] vidisset dictus testis gambam dicti Amadorini, quæ erat ita curata, ut dictum est, miratus est valde, et cum primo derisisset dictus testis dictam matrem, quando volebat ire et parabat se ad eundum ad dictum fratrem Joannem Bonum, dif dens et desperans de liberatione dicti Amadorini, tunc tali miraculo viso, cœpit cum magno gaudio laudare nomen Domini Nostri Jesu Christi, et fratrem Joannem Bonum.“ AS, Oct. IX, Dies 22, B. Joannes Bonus,

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Seligen Petrus von Luxemburg aus dem 14./15. Jahrhundert. Nachdem eine Frau das Grab des Kardinals besucht hatte, berichtete sie ihrem Mann, wie Gott dort Wunder wirke. Ihr Mann lachte sie aus und hielt ihre Geschichten für dummes Zeug. Sie solle schweigen und ihm doch angenehm bleiben. Für seinen Unglauben erhält der Mann eine Strafe, von welcher er letztlich aber auch wieder befreit wird. 883 In diesen Fällen lacht jeweils ein Mann über die Wundergläubigkeit einer Frau. 884 Punktuell lassen sich gender-spezi sche Vorstellungen bezüglich der Arten des Lachens ausmachen. Wie bereits erwähnt beschrieb Clemens von Alexandria als Zeichen des frechen Übermuts das unstatthafte Gelächter der Männer und das Gekicher als das Lachen der Dirnen. Dabei sind verschiedene gender betroffen: Die Frau müsse vermeiden, zu lachen wie eine Prostituierte, der Mann wie ein Zuhälter. Hier kommen die Gefahren des Lachens zur Sprache, die unabhängig von gender Assoziationen zu Ausschweifung, Obszönität und Trunksucht beinhalten. 885 Dasselbe Motiv von gender-spezi schem Lachen ndet sich in der Vita des Heiligen Guido, in dessen Gesicht ein Lachen weder bubenhaft noch weibisch hervorbrach. 886 In der zuvor erörterten Tugendlehre von Martin von Bracara 887 ergeht eine Absage an jegliches kindische, weibische und laute Gelächter. Im Verhältnis zu den insgesamt hier untersuchten Heiligenviten und anderen Textgattungen ist dies jedoch eine recht geringe Anzahl von Textbelegen, die eine Unterscheidung in verschiedene Arten des Lachens von Frauen und Männern liefert. Das Lachen der gender ndet sich wie gezeigt generell in den

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eremita ordinis S. Augustini, Mantuae in Italia, Processus Apostolici, Auctoritate Innocentii papae IV, Pars tertia, cap. VI, pag. 826E–F, 219. „Item quod uxor Joannis Stephani de Castro Raynaudo [. . . ] narravit dicto Joanni ejus viro, quomodo Deus in dicto Domino Cardinali operabatur miraculose; cui dictus ejus maritus respondit deridendo, & reputando nugas, quæ per dictam ejus uxorem narrabantur; Tace, tace. Sta suavis.“ AS, Jul. I, Dies 2, B. Petrus de Luxemburgo S. R. E. Cardinalis, Episcopus Metensis, Avenione in Gallia, Processus [de Vita & Miraculis B. Petri de Luxemburgo], cap. VI, pag. 581F, CCXXV. Nähere Untersuchungen müssten zeigen, ob das Verhältnis zu Belegstellen mit Frauen, die über die Wundergläubigkeit eines Mannes lachen, gegenüber den umgekehrten, hier vorliegenden Fällen ausgewogen ist. Falls die Quellen diesbezüglich ein ausgewogenes Bild ergeben, zeigt sich eine Gleichbehandlung der gender in diesem Punkt. Falls der vorliegende Befund von einer Überzahl an verlachten Frauen bestätigt wird, wären die Gründe näher zu untersuchen. Möglicherweise wird Frauen eher eine Leichtgläubigkeit zugeschrieben. Im Kontext der Viten ist dies jedoch keine negative Eigenschaft, da die Frauen sich in ihrem Glauben stark und damit auch als fromm erweisen. Frömmigkeit wird demnach als in der individuellen Verantwortung liegend verstanden. Le Goff: Le rire dans les règles monastiques, S. 94. „Nunquam in ore ejus risus aut pueriliter effusus, aut muliebriter fractus. Peccata quotidiana [. . . ] tanto lacrymarum fonte abluere [. . . ]“ AS, Sep. IV, Dies 12, S. Guido conf., Anderlaci prope Bruxellas in Brabantia, Vita ex Manuscripto Anderlechtenis, Auctore anonymo, pag. 42, col. B, 5. Das Werk entstand zwischen den Jahren 570 und 579 in Galizien.

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Viten auch unabhängig von dem Zusammenhang mit den Heiligen. 888 Auf der Ebene der charakterlichen und situativen Darstellung der Heiligen haben die behandelten Beispiele keine gender-spezi schen Aussagen zutage gefördert: 889 Die analysierten verschiedenen Arten des Lachens von Heiligen nden sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern, die unterschiedlichen erörterten Motive weisen ebenfalls keine auffälligen Unterscheidungen auf. Nur wenige topische Motive von dem typischen Lachen von Jungen, Frauen und Männern nden sich in den Heiligenviten, die sich ebenso äußerst punktuell in den anderen untersuchten Textgattungen nden lassen.

3.3.7 Gläubige und Ungläubige – inner- und außerchristliche Unterschiede

Gläubige jeden politischen und sozialen Rangs lachen unabhängig von gender und Alter. Die Bewertung des Akteurs und dessen Lachen stehen in einer reziproken Abhängigkeit zueinander. Gläubigkeit, Religiosität und Tugendhaftigkeit ziehen ein bestimmtes Verhalten nach sich und sind für die Bewertung des Lachens von zentraler Bedeutung. Das Unterscheidungskriterium ist dabei ein innerliches, am Lachen allein lässt sich die Haltung eines Akteurs nicht ablesen. Das Lachen der Ungläubigen ist negativ eingefärbt, weil es das Lachen des Unglaubens ist. Viele der bereits erörterten Beispiele aus Heiligenviten lassen als Gegenspieler zu dem Heiligen, besonders zum Märtyrer, Andersgläubige und Nichtgläubige auftreten, aus damaliger christlicher Sicht also Ungläubige. Neben weltlichen Verfolgern mit politischen und religiösen Motiven wären noch weitere Andersgläubige zu nennen, die keine Herrschaftsgewalt innehaben. In vielen Fällen wird das Motiv des verlachten Christen ausgestaltet. Eine extreme Variante davon ndet sich bei John Capgrave gleich in zwei Darstellungen von verschiedenen Jungen, die durch die Hand von Juden den Märtyrertod gestorben sind. Im Fall von Willielmus aus Norwich erfährt der Rezipient nicht im Zusammenhang der Beschreibung der Todesumstände, sondern eines posthumen Wunders davon, dass dieser Heilige verlacht wurde. Ein Kranker hat eine Vision des jungen Märtyrers, der 888 Wenn zum Beispiel Männer und Frauen über die Wundergläubigkeit des anderen lachen. Tritt dies bei Ehepaaren auf, zeigt dies, wie die Trennlinie der Frömmigkeit auf ganz individueller Ebene gezogen wird und es darin keine Vergemeinschaftung geben muss. 889 Keine der Belegstellen hat das Lachen der Frauen und Männer in den Zusammenhang der unterschiedlichen Qualität des Lachens der biblischen Vorlage von Abraham und Sara gebracht, obwohl das markante Kriterium exakt das von frommem Gottvertrauen und unfrommem Zweifel ist. Treten Männer als lachende Gegner in Erscheinung spielt das Thema Macht versus scheinbare Ohnmacht häu g in die Motivlage mit hinein. In diesem Sinne könnte das Auslachen der Wundergläubigkeit von Frauen dem Motiv der verlachten Heiligen folgen, die vielfach die vermeintlich schwächere Position haben. Jedoch ihr Ertragen des Auslachens macht sie Christus ähnlich.

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ihm zu Füßen Christi sitzend erscheint. Von Engeln erfährt er, dass dem Jungen Ehre gebührt, weil er unter Verlachen an den heiligen Tagen des Herrn, gemeint ist hier Ostern, unter Qual und Schimpf von den Juden Norwichs getötet worden sei. 890 Aus derselben Feder stammt der Bericht eines ähnlich gelagerten Falls, der jedoch ungleich stärker ausgeschmückt ist. Die Juden von Lincoln hätten im Jahre 1255 den achtjährigen Hugo entführt und ihn bei Essen und Trinken am Leben erhalten, um ihn als Beleidigung Christi zu opfern. Eigens aus anderen Städten angereist hätten sich viele Juden versammelt, einen der ihren zum Richter wie Pilatus bestimmt und eine Kreuzigung veranstaltet. Blutig geschlagen, mit Dornen gekrönt, griffen sie ihn an laut Capgrave spuckend und mit lautem Gelächter, cachinnis, stachen ihn mit Messern, verlachten ihn, derisus, mit Schimpf und Blasphemien. Nachdem sie ihr Spiel mit ihm getrieben hätten, illuserant, kreuzigten sie ihn dem Bericht nach und stachen eine Lanze in sein Herz. 891 Die Häufung der Begriffe um das Themenfeld des Lachens ist hier auffällig. Das Lachen ist in diesen Beispielen Teil der Beleidigung, der Qual und Grausamkeit der Verfolger. Dieses vermutlich aus anderen folkloristischen Quellen entwickelte Motiv der Kindstötung ndet sich seit der Verschriftlichung der Begebenheiten um William von Norwich überall in Europa auf Juden bezogen. 892 Die Ausgestaltung zu einem Ritualmord zielte darauf ab, es den Juden anzuhängen, „deliberately designed to mock and debase the most sacred Christian symbol: the cruci xion.“ 893 Es kann für John Capgraves Darstellungen durchaus ein Zusammenhang hergestellt werden zur gesellschaftlichen Erschütterung der angelsächsischen Bevölkerung im Zuge der Normannischen Eroberung: „Thus, under these circumstances, children come to symbolize both cultural insecurity, fear, and vulnerability and a kind of promise of triumph in the life to come.“ 894 Das Lachen der als Günstlinge der Nor890 „Quibus visis Angelo ait: [. . . ] Hic est cui honor debetur perpetuus, quem in derisum Dominicæ passionis & opprobrium his sacris diebus Iudæi Norwicenses peremerunt; [. . . ]“ AS, Mar. III, Dies 25, S. Willielmus puer, Martyr Norwici in Anglia, Acta Ex Ioanne Capgravio, col. 590F–591A, 9. 891 „Et cum ipsum in quodam conclavi secretissimo lacte & aliis puerilibus alimentis nutrirent, miserunt ad omnes fere Angliæ civitates, in quibus Judæi degebant, & convocarunt de unaquaque civitate aliquos Judæorum ut, in contumeliam & opprobrium Jesu Christi, interessent sacri cio suo Lincolniæ. Habebant enim, ut dicebant, quemdam puerum absconditum ad cruci gendum. Et congregatis multis Lincolniæ, constituerunt unum Judæum pro judice, tamquam pro Pilato, cujus judicio & omnium favore affectus est puer diversis tormentis. Verberatus est usque ad cruorem & livorem, spinis coronatus, sputis & cachinnis lacessitus, & a singulis punctus cultellis, potatus felle, derisus opprobriis & blasphemiis; & crebro ab eisdem frendentibus suis dentibus Christus pseudopropheta vocatus. Et postquam diversimode illuserant ei; cruci xerunt, & lancea ad cor pupugerunt.“ AS, Jul. VI, Dies 27, S. Hugo puer martyr, a Judaeis excarni catus, Lincolniae in Anglia, Acta Martyrii ex Capgravio, col. 494F. 892 Vgl. Auslander, S. 105, 108 u. 113. 893 Auslander, S. 105. 894 Dies., S. 118.

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mannen verstandenen Juden wird somit zum Symbol des Lachens der herrschenden neuen Eliten über die Unterlegenen im Kolonisationsprozess. 895 Andere Ungläubige werden als „Häretiker“ bezeichnet, so in der Vita des Heiligen Antonius. Diese lachten über die Wunderzeichen, aliqui haeretici ejus prodigia deridentes, und täuschten eine Erblindung vor. Sie wollten es öffentlich machen, dass alles erdichtet sei. Der blind Spielende wurde mit tatsächlicher Blindheit gestraft und die Ungläubigen wurden so verspottet, wie sie gespottet hatten, sicque delusi sunt qui erant delusores. Die Reue wird für alle mit dem „Licht des Glaubens“ und für den einen zusätzlich mit dem Augenlicht belohnt. Im selben Kapitel wird von einem ketzerischen Ritter berichtet, cuidam Militi haeretico, der die Wunder verleugnete und einen Aussätzigen nach dessen Reiseziel fragte. Dieser hatte von den Wundern des Antonius gehört und wollte sich nun zu dessen Grab begeben, um für eine Heilung zu beten. Der Ritter entgegnet diesem großmundig, dessen Aussatz solle über ihn selbst kommen, wenn Antonius ihn davon befreien könne. Der Heilige erschien dem Aussätzigen im Traum und befahl ihm, geheilt aufzustehen und zu dem Ritter zu gehen, der seine Wunder verlacht hatte, qui miracula mea deridebat, um ihm seine Klapper zu geben. Schließlich bekehrt wird auch der Ritter von dem Aussatz geheilt. 896 In einem vorherigen Abschnitt ndet sich ein ähnlicher Bericht 897 von ungläubigen Spöttern, die jedoch nicht als Häretiker bezeichnet werden. Nach dem erfahrenen Wunder verwandelten sich die Verspottungen in Lobpreisungen, de irrisionibus facti sunt laudatores. Der Begriff Häretiker meint hier also vermutlich weniger Andersgläubige oder von der Orthodoxie abweichende Ketzer, sondern eher die Ungläubigen bezüglich der Wunderzeichen und in diesem Sinne vom Glauben Abgefallene. Das Lachen kennzeichnet 895 Vgl. Auslander, S. 114–118. Die Übertragung der Aggression auf die Juden hat aber ebenso einenden Charakter für die Gemeinschaft der Christen. Zwei weitere Entwicklungen gehen in diese Darstellung ein: Zum einen die zunehmende Betonung der Menschlichkeit Christi, die sich auch im Bild des Jesuskinds Bahn bricht, und zum anderen die Tradition getöteter junger Adliger in Gegenüberstellung eines Bauernjungen, die als Sprachrohr für untere Gesellschaftsschichten fungiert. „From the late eleventh century, the church began to highlight the sacri ce by emphasizing Christ's suffering and humanity. The most effective way to do this was through the emotionally appealing image of Christ as a small child.“ Auslander, S. 119. Auslander verweist auf die Parallelen zum Fest der Unschuldigen, welches der Tötung der Neugeborenen durch Herodes gedenkt. Vgl. dies., S. 121. 896 AS, Jun. II, Dies 13, S. Antonius, Ordinis Minorum, Patavii in ditione Veneta, Legenda Alia, seu Liber Miraculorum, cap. V, pag. 733E,44-733F,45 und 733D,42. 897 Der Bericht beginnt mit einem Austausch über Wundererzählungen. So hatte jemand von dem Wunderzeichen des Seligen Antonius an einem Glas gehört, welches auf Steine geworfen nicht zersplitterte. Ein anderer mag dies nicht glauben und nahm unter spöttischem Lachen, quasi derisorie, den Kristallbecher, dazu eine trockene Weinrebe und verlangte nun ein Wunder zu sehen, dass er auch das vorige glauben könnte. Die Weinrebe ergrünte, trug Frucht und gab genug Wein ab, um den Becher zu füllen. AS, Jun. II, Dies 13, S. Antonius, Ordinis Minorum, Patavii in ditione Veneta, Legenda Alia, seu Liber Miraculorum, cap. V, 733D, 42.

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die unfromme Haltung, den Akteuren wird ein entsprechend negativer Begriff zugeordnet. Einen sehr ungewöhnlichen Fall liefert der Bericht über eine Frau, die anlässlich der Translation des Heiligen Vincentius voller Hochmut lachte, da sie ihn eher für einen Mauren hielt, also implizit für einen Ungläubigen, als für einen Märtyrer. 898 Ihr eigener Unglaube führte dazu, dass sie den Gläubigen für einen Ungläubigen hielt. Das Lachen hat demnach in der religiösen Auseinandersetzung einen besonders heiklen und prägnanten Stellenwert. Christen lachen über die Heiligen, deren Wunder und damit über das Heilige schlechthin. Dies geschieht aus einer anderen Art Unglauben, weniger nämlich aus einer theologischen Abweichung als vielmehr aus einer religiösen Skepsis oder aus mittelalterlicher Sicht einer unfrommen oder hochmütigen Haltung. 899 Mitunter werden diese Personen dann als Häretiker bezeichnet, wenn es sich um Akteure der christlichen Gemeinschaft handelt. Das Lachen erfolgt demnach sowohl von Akteuren fremden als auch desselben Glaubens.

898 „Tunc risisse fuit, mulier, cui talia fastus, Et sancti corpus Leuitæ credere nolens; Esse magis Maurum contendens forte putentem [. . . ]“ AS, Jan. II, Dies 22, S. Vincentius Archidiaconus Caesaraugustanus, Martyr Valentiae in Hispania, Eadem Historia Carmine Descripta Auctore Eodem Aimoino, lib. II, pag. 406, 2. 899 Für Lachen und Spott als Zeichen des Abfalls vom Glauben gibt es weitere Belege neben dem bereits erörterten Beleg aus der Vita des Heiligen Vincentius. Der bäuerliche heilige Confessor Gualdericus aus Okzitanien wurde, als er inmitten von Fluten betete, von einem Spötter beobachtet. Nachdem der Spötter das Wunder der Errettung durch eine Sandbank gesehen hatte, stieg er von seinem Ausguck auf einem Turm herab, pries das Wunder, el zu den Füßen des heiligen Mannes um seine Gunst und Gnade bittend und berichtete allen von den Geschehnissen. „[. . . ] evenit quod suæ ecclesiæ sacrista, in sancti viri contemptum et irrisionem aliquando signum hujusmodi dedit, eo tempore, quo vir Dei rivuli, ad oppidum decurrentis, æquor nudis pedibus pertransibat.“ „Sed Deus qui hominis sancti devotionem agnoverat, continuo æquoris undas continuit, et arenam siccam in medio gurgitis exposuit, qua genu ecteret Galdericus, et morem orationis expleret, ut fecit et devote continuavit. Ex cimbalario eventum spectabat sacrista derisor; [. . . ]“ AS, Oct. VII, Dies 16. S. Gualdericus agricola in Occitania, Acta S. Gauderici, Agricolae Confessoris conscripta a Tamayo ex Domenec, Poc et aliis scriptoribus, pag. 1119D–E, 3. Derartiger Unglaube konnte jedoch auch zum Tode des Gegners führen. Das literarische Schema besteht aus ungläubigem Lachen über den Heiligen oder sein Wunderwirken, welches als Zeichen der Unfrömmigkeit abgestraft wird. In einigen Fällen überkommt den Spötter eine Krankheit, so dass an dem Zweifler selbst sich ein Wunder vollziehen kann. Das Lachen ist in diesen Fällen einem Bekehrungserlebnis vorausgegangen und hat in gewissem Sinne als deutliches äußeres Zeichen des Zweifels dieses überhaupt erst hervorgerufen. Die Personengruppe der Ungläubigen ist vergleichsweise recht heterogen, denn zu ihnen zählen Frauen wie Männer, Personen unterschiedlichen Stands. Der im Lachen geäußerte Unglaube wird in einem Fall erhellt durch die nähere Bestimmung von Hochmut.

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3.3.9 Zwischenresümee und Bezüge zu Subjektivierung und gender

Aufgeschlüsselt nach verschiedenen Typen ergibt sich ein ausgewogenes Bild der möglichen Darstellungen des Lachens von Heiligen. Märtyrer sind häu g Opfer des Gelächters ihrer Gegner. Sie selbst mäßigen ihr Lachen, in bestimmten Situationen richtet sich ihr Lachen uneingeschränkt gegen die heidnische Götterwelt und dazugehörige Formen der Verehrung oder steht in Bezug zu ihnen angedrohten Strafen oder zugefügten Qualen. Die Häu gkeit der unterschiedlichen Darstellungsweisen korreliert mit der Anzahl entsprechender Erzählzusammenhänge. Gleiches gilt für die Bischofsheiligen: Bei den hier untersuchten Beispielen überwiegen die Darstellungen des Lachens im Zusammenhang mit den Charaktereigenschaften der Heiligen. Demnach nden sich vermehrt Belege für die Mäßigung des Lachens beziehungsweise des Maßhaltens im Allgemeinen. Sofern die jeweiligen Bischöfe mit Gegnern konfrontiert sind, dient auch hier ein Lachen der Abwehr und dem Signalisieren der Überlegenheit des Heiligen. Die Gruppe von Mönchsheiligen, zu welcher hier Äbte, Klostergründer und Ordensmitglieder zu zählen sind, weist vor allem das Merkmal der Mäßigung auf. Aber auch hier kann Lachen die Reaktion auf Zank oder weitgehendere Kon ikte und Gegnerschaft sein. Bischofsheilige wie Mönchsheilige können Opfer von Gelächter sein, vielfach dienen entsprechende Darstellungen dazu, die Unangemessenheit des Lachens in Bezug auf Wunder oder an heiligen Stätten zu verdeutlichen. Die Darstellung des Lachens von Königen und Königinnen sowie weiterer Adeliger erfolgt vor allem im Zusammenhang ihrer Erscheinung und Tugenden. Aber auch hier können Gegner Objekte des Lachens der Heiligen werden. Die Adelsheiligen scheinen jedoch weit weniger Opfer von Gelächter zu sein. Die Typologie der Heiligen fördert demnach keine allzu großen Unterschiede in der Darstellung des Lachens zutage. Eingehendere Untersuchungen könnten hier noch mehr Licht ins Dunkel bringen, besonders bezüglich der hier nur in geringem Umfang untersuchten confessores, Asketen, Eremiten, Kinder und Laienheiligen. Die Analyse der Heiligenviten und anderer Textgattungen hat gezeigt, dass alle Akteure als lachend dargestellt werden können, ohne dass dies zwangsläu g negativ bewertet wird. Lachen bietet jedoch die Möglichkeit der Distinktion: Wer sich ab- und vor Anderen hervorheben will, beachtet bestimmte Maßgaben für das Lachen, die sich seit der Antike in die Berücksichtigung des Ortes, der Zeit und des Gegenstands fassen lassen. Distinktionsbemühungen können nur dort greifen, wo eine Unterscheidung möglich ist. Mit den geringsten Auflagen bezüglich des Lachens dürften sich daher ganz allgemein die Laien im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung konfrontiert gesehen haben. Das untersuchte Quellenmaterial hat keine Auffälligkeiten bezüglich der laikalen Akteure, sofern sie ohne besondere Stellung und Bezug zum Sakralen sind, zutage gefördert, weder dass diese in besonderer Weise mit einem bestimmten Lachen in Verbindung gebracht werden, noch dass ein allgemeines Lachverbot an die Laien adressiert wurde. Ein Lachverbot für die Allgemeinheit verhindert Distinktionsver-

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halten in diesem Bereich. Die Distinktionsabsichten gingen aber auch nicht so weit, dass Akteuren niederen sozialen Rangs eine bestimmte Art des Lachens durch etwaige Eliten zugeschrieben wurde. In Bezug auf die Differenzierungsbemühungen zwischen oratores und bellatores hat es auf kirchenrechtlicher Ebene wiederholt Versuche gegeben, den Geistlichen ein von den adligen Weltlichen unterschiedenes Verhalten nahezulegen. Innerhalb des Klerus hat dies jedoch nicht Humor, Scherze und Lachen unterbunden, 900 wovon nicht zuletzt die Brie iteratur von Klerikern zeugt. Beziehen sich Geistliche in Exegesen und Kommentaren direkt auf die Bibel, stellt der daraus gewonnene Aussagengehalt zu allem übrigen Material eine Ausnahme dar. Die Vorstellungen von und für monastische Akteure sind deutlich milder und positiver als man zunächst besonders mit Blick auf die biblischen Vorlagen vermuten mag und ähneln in ihrer Vielfalt den Darstellungen der Heiligen. Im Gegenzug muss die Assoziation von einer verbreiteten Praxis des Lachens speziell mit den Franziskanern revidiert werden, da sie mit den vorliegenden Quellen soweit nicht sonderlich nachvollziehbar ist und eventuell eher in späterer Rezeption begründet liegt – ein Bezug zu Freude und Fröhlichkeit ist jedoch gegeben. Anders als die kirchenrechtlichen Bestimmungen zeugen die Heiligenviten von einem vielschichtigen Verhältnis zwischen Geistlichkeit und Adel, die Dimension der Frömmigkeit spielt eine sehr viel herausgehobenere Rolle als der soziale Stand. Eingehender zu untersuchen wäre, ob adlige Akteure – und hier besonders Könige – je nach Kontext sogar versuchen, strengere Ideale zu verkörpern als alle anderen Akteure. 901 Adlige und Geistliche sind jedoch nicht als konstante, konfrontative Gegenpole zu verstehen, denn vielfach haben die Texte diese als gemeinsamen Adressatenkreis. Vertreten werden sowohl antike Ideale der Geselligkeit, zu welchem das Lachen förderlich ist, als auch die des Anstands, bei welchem mehrere Maßgaben auch für das Lachen zu berücksichtigen sind. In den Königsbiographien lassen sich entsprechende christliche Verkörperungen beider Ideale bei den royalen Akteuren nden. Auf diese Weise werden sie absichtsvoll zu Identi kations guren und Idealtypen sowohl für die oratores wie auch für die bellatores. Wie die oratores und bellatores – zusammen oder jeweils als Stand für sich – geeint sind oder sich voneinander und untereinander absondern, so bewegen sich alle Akteure in Bezug auf das Lachen zwischen Kollektivem und Individuellem. 902 Bestimmte Akteure sind per se negativ oder positiv konnotiert. Der Akteur ist entweder durch 900 Im Hinblick auf einen „parodistische[n] Bezug auf geistliche Texte“ stellt Wachinger fest: „nur in der Welt der clerici scheint man sich den Spielraum für derartig freien Umgang mit dem Heiligen verschafft zu haben.“ Wachinger, S. 8. 901 Hier wäre zu untersuchen, ob die im 12. Jahrhundert „fühlbare Tendenz, den sakralen Charakter der Königsherrschaft durch eine neue Welle von Heiligungen früherer Herrscher zu beglaubigen“, sich in einer Art Überbietung in der Strenge der Heiligkeitsideale niederschlägt und sich dies auch auf die Darstellung des Lachens auswirkt. Lotter, S. 351. 902 Lachen als Ausdruck von Individualität lässt sich auch für hö sche Epik nachweisen. „Hö -

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charakteristische Begriffe bezeichnet wie Dämon, Gegner, Verfolger, Häretiker beziehungsweise mit abwertenden Adjektiven umrissen oder im Kontrast dazu ein Heiliger, ein Gefährte, ein Schüler, ein Glaubender beziehungsweise mit aufwertenden Adjektiven gekennzeichnet. Ihr Lachen ist entsprechend negativ oder positiv zu bewerten. Ist durch den Akteur die Konnotation vorgegeben, so kann das Lachen der Heiligen nie negativ gemeint 903 und das Lachen der Gegner nie positiv zu verstehen sein. Die Bewertung allen Verhaltens ist damit diesen spezi schen Akteuren quasi intrinsisch, sie können nicht anders, als die zu sein, die sie sind. Die Momente des Kollektiven und die der Differenzierung existieren zeitgleich. Neben den Gegenpolen von Akteuren mit kollektiven Merkmalen treten individualisierte Akteure, die nicht durch entsprechende eindeutige Bezeichnungen klassi ziert sind. Ihr Lachen ist zunächst uneindeutig. Sie unterscheiden sich jedoch in den Heiligenviten durch ihren Grad an Frömmigkeit. Den „unchristlichen“ Akteuren dürfte die geringste Frömmigkeit zugeschrieben worden sein. Bei diesen Akteuren wird das Lachen zu einem üblen Lachen der Übeltäter, einem Lachen aus Unglauben. Einige der als unfromm angesehenen Akteure sind durchaus innerhalb der christlichen Gesellschaft anzusiedeln. Die Darstellung von Schaustellern in Analogie zum Lachen scheint eher negativ konnotiert, bei genauerem Hinsehen ist es jedoch ebenso ambivalent und vielschichtig. Auch dort werden deutliche Differenzierungen vorgenommen. Bei unbedarften, demütigen, aufrichtigen, frommen, entrückten, geheilten und geheiligten Akteuren fügt sich das jeweilige Lachen in die positive Konnotation. Nicht mehr die Einordnung des Akteurs a priori gibt vor, wie das Lachen einzuschätzen ist, sondern Art und Motiv – im weiten Wortsinn – des Lachens lässt auf die Konnotation des Akteurs rückschließen. Die Verwendung eines Begriffs aus dem Wortfeld cachinnare oder der weitere Kontext, in welchem unangemessen in Bezug auf Zeit, Ort oder Gegenstand gelacht wird, gibt den Rezipienten Hinweise darauf, den Akteur als negativ beurteilt einzuordnen. Die Bezeichnungen aus dem Wortfeld ridere erhellen hingegen den Charakter des Akteurs nicht, es bedarf eines weiteren Kontextes, um das Lachen als angemessen und positiv bewerten zu können, um daraus Rückschlüsse auf den Aksches Lachen dient der Konstituierung von Gesellschaft und der Verortung des Individuums in eben dieser Gesellschaft.“ Bartsch, S. 75. 903 Mit Bourdieu wäre danach zu fragen, ob lachende Heilige Objekte kollektiver Verkennung sind: Die Tatsache wird verschleiert oder verdrängt, dass bestimmte Maximen nur für Heilige gelten bei gleichzeitiger Vorbildfunktion der Heiligen für alle Gläubigen. Dies bedeutet, dass es den Lesern und Zuhörern einer Vita zugemutet wird, selbst zu unterscheiden, welches Verhalten nachgeahmt werden darf und welches nicht, weil dies den Heiligen vorbehalten ist. Diese Hypothese, dass also das Lachen noch von den Adressaten decodiert werden muss in Bezug auf die Nachahmung, erscheint doch recht unrealistisch beziehungsweise müsste noch nachgewiesen werden, dass die Unterscheidungsfähigkeit „sozial in den Dispositionen und in den Glaubensvorstellungen angelegt“ ist. Bourdieu, Pierre: Kunst und Kultur. Zur Ökonomie symbolischer Güter, 2011, S. 190 f.

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teur zu ziehen. Dadurch propagieren die Heiligenviten weder eine kollektive Norm noch eine Prädestination: Für die Rezipienten ergibt sich daher die Botschaft der Konditionierbarkeit des Lachens als körperlichen Impuls. Aus Frömmigkeit folgt rechtes Verhalten und rechtes Verhalten wirkt sich auf das Innere aus. Gemeinschaftliche Regeln bezüglich des Lachens erlegen sich klösterliche Gemeinschaften auf. In diesem Sinne gibt es durchaus so etwas wie „Lachgemeinschaften“. Gegenüber solchen kollektiven Maßgaben tritt die individualisierte Verantwortung für das eigene Verhalten in den Vordergrund. Auch wenn die risibilitas allen gemein ist, nicht nur allen Menschen, sondern sogar den Dämonen, kann der Einzelne diese Fähigkeit zum Lachen ausgestalten. Die strengsten Ideale werden Heiligen in ihrer Kindheit und den royalen Heiligen zugeordnet: Bei Kindern kann ein Kontrast zwischen Nicht-Lachen der jungen Heiligen und dem ausgelassenen Lachen und Spielen ihrer gleichaltrigen Gefährten besonders gut herausgestellt werden. Das Nicht-Lachen ist dabei nicht Resultat einer von außen veranlassten Disziplinierung, sondern die Folge einer innerlichen Disposition zur Heiligkeit. Bei den Biographien und Viten von Königen wird vielmehr Überlegtheit und Selbstbeherrschung in den Vordergrund gestellt. Als übergreifende Analyseaspekte sind hier Alter, gender und Sozialisation zu verstehen. 904 Kindheitsdarstellungen legen offen, dass Kindheit mit Spiel und damit als eine ihrer Begleiterscheinungen auch Lachen assoziiert und als Teil dieser Lebensphase interpretiert sowie akzeptiert wird. Besondere Arten des Lachens existieren in der Zuschreibung zum jeweiligen gender, deren Lachen auf die Spitze getrieben konnotiert ist mit dem von Prostituierten und Zuhältern. Um noch einmal auf die Verfasser als Akteure zurückzukommen, kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich auch bei den anonymen wie bei den namentlich genannten Akteuren um erwachsene, männliche Verfasser handelt. Diese verwenden die stereotypen Topoi des zu meidenden bubenhaften oder weibischen Lachens, aber – wie erwähnt – nehmen sie zugleich keine Differenzierungen bei den in der vorliegenden Untersuchung herausgearbeiteten Kategorien von dargestellten Arten und Kontexten des Lachens bezüglich dem gender der Akteure vor. 905 Im Zusammenhang mit der Textproduktion als „künstlerisches Programm“, welches „seinem Wesen nach sowohl dem Bewußtsein des Künstlers als auch dem Bewußtsein all derer entgeht, die der gleichen Kultur verhaftet 904 Was in Bezug auf Emotionen gelten kann, lässt sich in Teilen auch auf das Lachen übertragen, dass Art, Funktion und Bewertung „Indiz [. . . ] für [. . . ] Stand, [. . . ] Alter, [. . . ] Geschlecht oder für [das] Verhältnis zur Gemeinschaft“ sein kann. Eming, S. 5. 905 Diese Aussage bezieht sich auf das hier untersuchte Textmaterial. Im Hinblick auf hö sche Tugendempfehlungen für Frauen gibt es durchaus Abweichungen, aber auch „non-gendered laughter“. Wiederum spezi sche Formen nimmt das Lachen in der Liebeslyrik an, sowie in der Ikonographie von Tugend und Untugend. Vgl. Trokhimenko, Olga V.: Constructing Virtue and Vice. Femininity and Laughter in Courtly Society (ca. 1150–1300), 2014, S. 102– 105, 15 f u. 21–23.

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sind“, 906 sind eher die Gemeinsamkeiten der Heiligen von unterschiedlichem gender in der Darstellung des Lachens betont worden als Trennlinien einzurichten oder gar zu manifestieren. Die Verfasser geben demnach sowohl explizit als auch implizit Orientierung in Bezug auf das Lachen. 907 Dies wird wie gesagt hinsichtlich gender besonders deutlich, wo punktuell explizit eine Einordnung des Lachens in Kategorien wie bubenhaft und weibisch erfolgt. Diese Unterscheidung hebt auf die gender- beziehungsweise reifebezogene Ebene ab. Implizit veranschaulicht der Großteil der Darstellungen jedoch, dass die Arten des Lachens den gender gemein ist und dass ihre Bewertung in Bezug auf Ort, Zeit und Gegenstand identisch ist. Ein Internalisierungs- und gezielter Anpassungsprozess hinsichtlich des Lachens scheint insbesondere nach den hier analysierten Quellen bei einer klösterlichen Laufbahn aufzutreten, kann jedoch, wie Empfehlungen an Adelige zeigen, sowohl andere Akteure betreffen wie auch zu einem späteren Zeitpunkt im Leben umgesetzt werden. Damit geht die Vorstellung einher, dass es nie zu spät ist, sich einem tugendhaften, einem frommen Leben zuzuwenden. Der Umgang mit dem Lachen steht im Mittelalter im Zusammenhang mit anderen Selbsttechniken, wie die Untersuchungsergebnisse deutlich zeigen. Wie bei anderen Körperäußerungen auch dient der eigene Körper im „Bereich der sozialen Selbstgestaltung des Subjekts“ 908 einer umfangreichen Selbstbildungspraxis und ist Teil eines Instrumentariums der Selbstbeobachtung. 909 Am eigenen Lachen und an dem anderer können unter anderem soziale, politische und religiöse Positionen und Haltungen abgelesen werden. Dies gilt besonders für die mittelalterliche Vorstellungswelt, in welcher sich aus dem Äußeren das Innere herleiten lassen sollte. Die Bedeutung von Mäßigung in unterschiedlichen Lebensbereichen wird dadurch in ihrer Relevanz nachvollziehbar. Das Lachen ist dabei in Praktiken der Selbstbeherrschung eingebunden, die genauso 906 Bourdieu: Zur Soziologie der symbolischen Formen, S. 132. 907 Zudem gibt es neben einer bewussten Absicht der Verfasser auch unabsichtliche Mitteilungen: Erst die ganze Reihe ergibt den Sinn. Bourdieu: Zur Soziologie der symbolischen Formen, S. 18. In den Worten Reckwitzs gibt es eine homologe kulturelle Logik. Reckwitz, S. 29. Rosenwein hat zudem festgestellt, dass Gefühle und die damit häu g zusammenhängende Justierung von Beziehungen als Teil eines Narrativs zu begreifen sind. Rosenwein: Problems and Methods in the History of Emotions, S. 20. In Bezug auf das Lachen bedeutet dies, dass dessen Darstellung den antik-mäßigenden Gesellschaftsidealen oder den christlichbiblischen Frömmigkeitsidealen folgt, die implizit in jedem neuen Text weitertradiert werden als „eine Folie des von allen Gewußten.“ Kerscher, S. 15. Die Darstellung des Lachens der Heiligen ist als inkorporiertes Schema im Denken der Verfasser vorhanden. 908 Marchand, Suzanne: Foucault, die moderne Individualität und die Geschichte der humanistischen Bildung, 1997, S. 343. 909 Im Zusammenhang mit dem Sakralen und Heiligkeit von Personen haben besonders Mystiker „mehr oder weniger subtile Techniken möglichst zuverlässiger Selbstbeobachtung“ entwickelt und vielfach ging es dabei um eine „Stufung vom ‚anfangenden` zum ‚vollkommenen` Status“, vgl. Köbele, S. 153 u. S. 163. Das Thema des Lachens ist geeignet zu zeigen, dass eine derartige Selbstbeobachtung von weitaus größeren Kreisen praktiziert worden ist.

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zum Beispiel das Essen, Trinken und Sprechen betreffen. Es ist aber auch Teil von Praktiken der Geselligkeit, wenn es anderen Akteuren Kommunikationsbereitschaft und Gastfreundlichkeit signalisiert. Die Akteure, die sich dem entziehen, gelten entweder als griesgrämig oder haben es ganz im Gegenteil geschafft, sich vor den Anderen positiv auszuzeichnen. Das Lachen allein ist für die Bewertung einmal mehr kein hinreichendes Kriterium der Einschätzung und Beurteilung. In Praktiken der Unterhaltung ist das Lachen eingebunden, als es eine mögliche Reaktion auf Gesagtes, aber auch auf Gezeigtes, Gesehenes, Geschriebenes, auf im Grunde alle Formen von Darbietungen sein kann. Wer als Akteur sich in einer solchen Reaktion mäßigt oder eines Lachens enthält, nimmt mit seiner Praxis Ein uss auf die Kommunikation. 910 Das subjektivierte Lachen ist somit Instrument einer ausgesuchten und ausgezeichneten Lebensführung, Hierarchisierungsmedium und Ausweis von Selbstbildung zugleich. Aber das Lachen innerhalb der lebensweltlichen sowie der literarischen Subjektivierung hat nicht nur Differenzierungen zum Ergebnis, es hat ebenso das Potential, mitunter angestrebte und entstandene Unterschiede aufzuheben. Lachen kann wie in vielen der analysierten Beispiele gezeigt Teil von Praktiken des Miteinanders oder Gegeneinanders sein. Die Akteure sind in ihrem Lachen demnach in andere Praktiken integriert, orientieren sich an Anderen, an Regeln, übernehmen Praktiken, wenn der Kontext bestimmte Praktiken vorgibt. Eine Vielzahl der Belegstellen hat aber auch gezeigt, dass Akteure sich selbst Regeln auferlegen können, die im Widerspruch zu ihrer Mitwelt stehen. Subjektivierung erfolgt sowohl in der Übernahme wie auch der Ablehnung von vorherrschenden Praktiken. Frömmigkeit und Selbstbeherrschung stellen eine besondere Verbindung her, denn jede Unbeherrschtheit im Bereich der Frömmigkeit, steht in Gefahr, sich am Heiligen zu vergehen. Insofern unterliegt das Lachen, aber potentiell auch jede andere Äußerung oder Handlung, in Gegenwart des Heiligen der Selbstregulierung. Insbesondere das Credo der Mäßigung hatte seinen Anteil darin, „das Selbstverständnis der gebildeten Elite zu formen.“ 911 Bereits seit der Antike ist tugendhaftes Verhalten sowohl ein soziales als auch ein religiöses Kriterium der Unterscheidung: Es wurde in dieser Zeit expliziter und konkreter formuliert, als Differenzierungsmittel etabliert und durch Einführung des Christentums noch stärker verankert. „In der Praxis des Unterscheidens konstituiert sich das Subjekt, und diese Praxis ist in Diskurse eingelassen, die darüber bestimmen wie und was über eine solche Unterscheidung je-

910 Röcke und Velten haben darauf verwiesen, dass „gerade kommunikative Akte wie das Lachen bzw. Lächeln [. . . ], also Formen der nonverbalen Kommunikation [. . . ] das Gelingen von Sprechakten erlauben, aber auch stören, verzögern oder vereiteln, bzw. ihre verborgenen Bedingungen des Gelingens und Scheiterns enthüllen können.“ Röcke / Velten: Einleitung, S. 4. 911 Marchand, S. 339.

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weils gesagt werden kann.“ 912 In den erörterten Quellen gibt es Darstellungen von Akteuren, die sich bezüglich des Lachens selbst beherrschen können, die sich aufgrund ihres Standes als Geistliche darin üben sollen, sich von den Laien abzuheben, und die sich aufgrund ihrer Frömmigkeit unabhängig von Standeszugehörigkeit im Umgang mit dem Lachen hervortun. Zugleich zeugen die Belege von Heiligen, die ohne jegliche Selbstregulation lachen, und von Weltlichen, die, ohne den Regeln der Geistlichkeit unterworfen zu sein, sich strenger geben als es von Mönchen verlangt wird, von der Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten. Die Einbindung in verschiedene Praktiken und Subjektbildungen hat gleichsam verhindert, dass eine Disziplinierung der Körperregulation für alle Akteure gleichermaßen in allen Bereichen verfolgt wurde oder sich herausgebildet hat. 913

3.4 Am Anfang stand ein Widerspruch „Häu g lachte er so stark, dass sein ganzer Körper davon dermaßen erschüttert und ermüdet wurde, als ob seine Innereien zerfetzt würden.“ 914

An dieser Stelle soll das Eingangszitat aufgegriffen und der Blick auf dessen Kontext gelenkt werden. Daran lassen sich die unterschiedlichsten, in der Analyse beleuchteten Aspekte der Arten, Motive und Akteure entfalten. Am deutlichsten zeigt sich hier jedoch die Praxis des Unterscheidens. Auf das Ideal der Mäßigung wird gänzlich verzichtet, wodurch der Verfasser überhaupt erst Distinktionsabsichten zu formulieren vermag. Goswins Darstellung des Heiligen Arnulf behandelt das Sujet des Lachens ausführlich und verdichtet es zu einem komplexen Gedankengebäude. Den Rahmen bildet eine Wundererzählung. In den einleitenden Sätzen ist davon die Rede, dass Arnulf zunächst nur leicht lachend, leniter ridentem, gesehen wurde, sich dies zu einem Lachen steigerte, cœpit risus [. . . ] in ipso augeri, und dann zu lachen an ng, wo er sich 912 Baberowski, Jörg: Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault, 2005, S. 198. 913 Vermittels aber auch jenseits dieser Bemühungen um Unterscheidung eignen sich die Akteure ihre Selbsttechniken an. Daher ist der Ort der Macht „[. . . ] alle Praktiken, in denen Menschen sich und andere abrichten, zurichten oder in denen sie gegen Konventionen rebellieren. Der eigentliche Ort der Macht wäre nicht das Gesetz, sondern die Sprache, die symbolischen Ordnungen, in denen Menschen einander begegnen, die Disziplinierungstechniken und die Körper, auf die diese Techniken der Selbstwerdung angewandt werden.“ Baberowski, S. 200. 914 „Sæpius etiam, ex vehementia risus, in tantum concussus corporaliter fatigabatur, ut viscera ejus interius dissecari sibi viderentur.“ AS, Jun. V, Dies 30, B. Arnulfus, conversus ord. Cist. Villarii in Belgio, Vita auctore Goswino, Cantore Villariensi, coævo ac familiari, lib. II, cap. III, cap. VII, pag. 621C, 22. Vgl. hierzu auch Goswin 〈von Bossut〉, S. 167.

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Das Lachen im Mittelalter

zuvor entweder gar nicht oder maßvoll lachend zeigte, zeigen konnte, cum antea vel nullum vel modicum risus [. . . ] deprehendi potuisset. Der Verfasser führt somit drei Arten des Lachens vor Augen und zugleich die Genese vom Nichtvorhandensein zum Ausbruch des Lachens. Explizit fällt der Begriff der conversatio, in diesem Fall als wundersam bezeichnete Sinnesänderung gleich einer conversio, Umkehr oder Bekehrung, die in anderen Quellentexten im Zusammenhang mit der Abkehr vom Lachen steht. Dieser ungewöhnlichen Hinführung lässt der Verfasser Goswin das gängige Motiv des Kontrasts zwischen Lachen und körperlichem Leiden folgen. Die Freude des Herzens, gaudium cordis, die innerlich genährt und erhalten wird, bricht sich nach außen im Lachen Bahn, quod per risum oris exterius apparebat, interius nutrire & conservare potuit. Die Motive der Geringachtung und Überwindung der Schmerzen kommen hier zum Tragen. Das Lachen ist dabei weniger Mittel, die Qual zu erdulden, als vielmehr Zeichen und Resultat einer Transformation. Der Körper des Heiligen wird somit nicht nur zur Projektions äche der Emotionen von Leid und Freude, sondern von spirituellem Erleben und religiöser Erfahrung. Doch dabei belässt Goswin es nicht mit seiner Erzählabsicht. Die Selbstgeißelungen von Arnulf führen Visionen herbei, die seine innere Freude weiter nähren. 915 Folge davon sind die oben beschriebenen Lachausbrüche, die den Körper erschüttern und ermüden. Mit dem Bild der beinahe durch das Lachen zerfetzten Innereien wird abermals eine Verbindung zum Schmerz hergestellt. Seine Lachanfälle führen dazu, dass er sogar das Ordenskapitel verlässt. Darin vermittelt Goswin das Motiv der Angemessenheit des Lachens hinsichtlich Zeit und Ort, um im gleichen Zuge den Protagonisten an den unerwarteten Ort des Kirchenraums zu versetzen, so dass sein Lachausbruch dort abebben kann. Zu dieser überwiegend religiösen Dimension des Lachens fügt der Verfasser schließlich noch die soziale. Unter den Brüdern auf den Grangien und draußen unter religiosas personas kann er sich auch dem heftigen Lachen nicht enthalten, nec tunc etiam poterat se a risu vehementi sustinere. Goswin skizziert das Lachen als dem Willen des Heiligen entgegenstehend, contra voluntatem suam tam mirabiliter ridens. Obwohl der Verfasser das Lachen mehrfach als Wunder bezeichnet, ist es sehr zum Verdruss von Arnulf. Mit der Begründung für diesen Verdruss hebt Goswin zu seinem letzten Kernpunkt an: Der Missverständlichkeit des Lachens von Arnulf, besonders unter Weltlichen, die „die Bedeutung seines Lachens nicht kannten“. Ihre spirituelle Unkenntnis führte dazu, das Lachen des Heiligen „in einem schlechten Licht zu interpretieren“. Hieran lässt Goswin das Motiv der neutestamentlichen Weh-

915 Die Visionen führen zum Mitfühlen und -leiden angesichts der Passion Christi, der Sünden, der Vergänglichkeit, der Höllenqualen, aber auch der Verinnerlichung des Hohelieds, des Jubels des Herzens, der Vision der Trinität, der Glorie der Heiligen, der Vorstellung von Cherubim und Seraphim.

Am Anfang stand ein Widerspruch

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rufe 916 anschließen: Diejenigen, die den Lachenden verlachten 917 und seine Unschuld verachteten, sollten so viele Tränen in ihrem Herzen haben wie der selige Arnulf trotz seiner schrecklichen körperlichen Leiden geistiges Lachen in sich hatte. 918 Das Lachen wird kontrastiert mit großen körperlichen Schmerzen und zugleich in zum Teil drastischen Bildern des Leiblichen umrissen. Das Lachen erfolgt sowohl aus tiefer religiöser Freude wie auch gegen den Willen des Heiligen als göttlicher Gnadenerweis. Die These einer alleinigen positiven Bewertung des geistigen Lachens, welches sich nicht körperlich äußert, kann somit nicht aufrechterhalten werden. Doch ist mit dieser Textpassage ein deutlicher Hinweis darauf gegeben, dass das Lachen für die Zeitgenossen nicht eindeutig als geistiges Lachen decodierbar war. Möglicherweise stand das Lachen in einer kritischen Spannung zu divergierenden Heiligkeitsidealen. Somit bedurfte die vermeintliche Transgression einer expliziten Herstellung von Kohärenz. Die Erklärungen Goswins mögen zunächst defensiv wirken, da er das heftige Lachen des Heiligen zu erklären sucht, welches im Widerspruch zu monastischen Regeln steht. Doch Goswin versucht keineswegs seine Darstellungen durch gemäßigte Formen des Lachens abzumildern. Dies ist anscheinend auch gar nicht nötig, denn der Heilige als Akteur und die heilige Ursache des Lachens sind über jeden Zweifel erhaben. Das Lachen wird zum Wunder erklärt. So offensiv Goswin mit den Motiven des Lachens umgeht, so nutzt er die Gelegenheit, nicht nur das Lachen zum Distinktionsmittel zu erklären, sondern sogar die Interpretation des Lachens.

916 „Weh euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen.“ Lk 6,25. 917 Hier geht Goswin über die neutestamentliche Vorlage hinaus und steigert das Motiv zum Lachen über den Lachenden. 918 AS, Jun. V, Dies 30, B. Arnulfus, conversus ord. Cist. Villarii in Belgio, Vita auctore Goswino, Cantore Villariensi, coævo ac familiari, lib. II, cap. III, cap. VII, pag. 621B, 21–621E, 23.

4. Schlussbemerkungen „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“

Die vorliegende Untersuchung hat ihren Ausgangspunkt bei der Frage genommen, wie ein Verbot des Lachens im Mittelalter beziehungsweise eine strenge Reglementierung seitens „der Kirche“ vereinbar ist mit der gleichzeitigen Darstellung von lachenden Heiligen in den Heiligenviten als nachzuahmende Vorbilder für die Gläubigen. Abschließend sollen die aus der früheren Forschung resultierenden Fragen nach Verbot beziehungsweise Reglementierung des Lachens, nach den Machttechniken zur Durchsetzung und der Übertragbarkeit von Aussagen auf die Gesamtgesellschaft in den Blick genommen werden. Durch eine Zusammenführung der Untersuchungsaspekte im diachronen Vergleich lassen sich Fragen nach historischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten klären. Anhand der Kristallisationspunkte von Kontextualisierung, Distinktion, Akzeptanz und Gleichzeitigkeit lassen sich die erzielten Ergebnisse fokussiert bündeln und an größere Kontexte rückbinden. Die Benennung weiterhin bestehender Leerstellen und die Rückbindung an größere Kontexte weist mögliche weiterführende Analyseansätze aus.

4.1 Abschied von alten Paradigmen

Hartnäckig halten sich Vorstellungen von Verboten, Reglementierungen und Ablehnung des Lachens im Mittelalter. Beim Quellenstudium sind jedoch vielfach Aussagen aus ihrem Kontext genommen worden. Das Ideal des Nicht-Lachens ndet sich punktuell in Heiligenviten zur Verdeutlichung eines Bekehrungserlebnisses, überwiegend im Zusammenhang mit Erzählungen zur Kindheit der Heiligen. Strikte Vorgaben existieren in zwei monastisch geprägten Schriften, 1 die sich jeweils an einen kleinen Kreis von Akteuren richten und zudem in ihrer Rezeption als vergleichsweise lokal und zeitlich begrenzt angesehen werden dürfen. Für eine rigorose Position gegen das Lachen lassen sich nur sehr wenige Belege nden, die eine These einer umfassenden Unterdrückung des Lachens nur schwer zu untermauern vermögen. 2 Das Quellenmaterial zeigt in seiner Gesamtheit, dass das Lachen in ein komplexes Bezugssystem eingebettet 1 Die Rede ist hier von der Vier-Väter-Regel und einer Schrift von Leander von Sevilla, bei der nicht sicher ist, ob sie sich überhaupt an einen großen Adressatenkreis richtete. 2 In unterschiedlichen Quellengattungen steht das Lachen zudem häu g im Zusammenhang mit Reden, Scherzen, Spiel und Spott, aber auch mit Hören und Tun sowie Tugenden allgemein. Nun wird auch niemand behaupten wollen, dass es ein Rede-, Hör- und Handlungsverbot im Mittelalter gegeben habe. Umgekehrt wäre ein Postulat der uneingeschränkten Bejahung von Lachen, Spott, (Schau-)Spiel und Scherz ebenso unzutreffend, die im Übrigen immer wieder in verschiedensten Kulturen gewissen Tabuisierungen unterworfen wurden und werden. Durch die vorgenommenen Analysen deutet sich an, dass die Bereiche von Scherz,

Abschied von alten Paradigmen

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ist. Neben stereotypen Zuordnungen von Arten, Motiven und Akteuren des Lachens, die vielfach dichotomisch aufgebaut sind, bestehen vielschichtige, ambivalente und reziproke Ver echtungen von Bedeutungen und Bewertungen des Lachens. Mitunter wird das Lachen zum Distinktionsmittel zwischen Akteuren. Das vielfach vertretene Erklärungsmodell einer von oben reglementierten und von unten demontierenden Lachpraxis 3 ist zu einseitig und vereinfachend. Es sollte mindestens um differenziertere Dynamiken ergänzt werden, da sich die Beherrschung des Lachens zur Differenzierung eignet. Ein für alle Akteure gleichlautender Appell im Umgang mit dem Lachen würde solche Abgrenzungstendenzen unterminieren. Die hier untersuchten Regelwerke und Bestimmungen, die vielfach Ausgangspunkt von Vorstellungen der Reglementierung des Lachens im Mittelalter sind, richten sich nicht an alle Akteure der Gesellschaft. Über Anordnungen zu lebensweltlichen Praktiken des Großteils der Gesellschaft enthalten die hier untersuchten Quellen keine Hinweise. Eine Übertragung der Aussagen zum Lachen aus monastischen, kirchenrechtlichen und theologischen Schriften 4 auf die Gesamtgesellschaft lässt außer Acht, dass diese Texte sich an spezi sche Adressaten richten, in besondere Kontexte eingebettet sind und sich daher ganz eigene Nuancen des Lachens zeigen, die auch Intentionen von Distinktion ausdrücken können. Neben der Vorstellung der Existenz eines Lachverbots im Mittelalter wendet sich diese Arbeit ebenso gegen eine Einteilung in Phasen des Umgangs mit und der Bewertung von Lachen im Mittelalter. Im Folgenden sollen daher in einer chronologischen Zusammenschau 5 jeweils vier Jahrhunderte zusammengefasst für sich betrachtet werden hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Darstellung und Bewertung von Lachen. 6 Bereits vom 4. bis zum 7. Jahrhundert wird das Thema des Lachens in unterschiedlichen Textgattungen behandelt und hier auch verschieden bewertet. Zunächst lässt sich für patristische, theologische, aber auch monastische Schriften ein deutlicher Zusammenhang mit dem theologischen Ideal des irdischen Tränentals konstatieren. Das Lachen wird in strikten Bildern negativ gezeichnet. 7 Dabei stellen einige monastisch geprägte Schriften das diesseitige Lachen in Verbindung mit negativen

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Spott, Humor und Schauspiel möglicherweise im Anschluss an das differenzierte Bild des Lachens ebenfalls einer komplexen Bedeutung und Bewertung unterliegen. Trotz der an Bachtins Thesen einer karnevalistischen Lachkultur des Volkes im Mittelalter lautgewordenen Kritik orientieren sich viele Untersuchungen, wenn nicht direkt, so doch indirekt, weiterhin an derartigen Entwürfen. Le Goff hat sich verleiten lassen, aus diesen Quellen eine soziale Praxis der Unterdrückung des Lachens mittels kirchlicher Machttechniken abzuleiten. Dabei bleiben das 2. und 3. Jahrhundert unberücksichtigt, weil jeweils nur ein Beispiel aus ihnen Eingang in die Untersuchung gefunden hat. Dadurch wird der Untersuchungszeitraum wertfrei in gleichlange Abschnitte unterteilt und eine Periodisierung in verschiedene Phasen des Mittelalters bewusst vernachlässigt. So tritt zum Beispiel bei Ephräm und Gregor von Nyssa im 4. Jahrhundert ein negatives Bild

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Schlussbemerkungen

Begrifflichkeiten, 8 zu denen sich das Lachen geradezu wie ein Synonym verhält. Koinobitische Bestimmungen legen nicht zuletzt im Hinblick auf das weitere im Zusammenhang mit dem Lachen stehende Themenfeld strengere Normen fest. 9 Es besteht in diesem speziellen Textkorpus ein eindeutiger Vorrang des Weinens gegenüber dem Lachen. 10 Neben derartigen Pauschalaussagen treten recht differenzierten Aussagen, die entweder nur bestimmte Arten des Lachens für unangemessen erachten, also das Lachen nicht per se verurteilen, oder schlichtweg verschiedene Arten des Lachens konstatieren und deren Qualitäten herausarbeiten. 11 Dasselbe Phänomen vollzieht sich in Klosterregeln, 12 die Maßgaben für das Lachverhalten mit aufnehmen und das Lachen in ganz besondere zu meidende Zusammenhänge stellen. Motive und Anlässe für das Lachen liefern unter anderem die schriftlich xierten sogenannten ioca seit dem 4. Jahrhundert bis in die folgenden Jahrhunderte. 13 Gleichfalls weisen die Belege von kirchlicher Seite bezüglich der Bemühungen, die Sakralität von religiösen Feiern, Handlungen und Orten zu wahren, eine Kontinuität auf. 14 Dies betrifft die weiter

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in Erscheinung, jedoch in entsprechenden Textgattungen, einer Homilie und in einer patristischen Schrift über eben diesen Ephräm. Im 5. Jahrhundert verdichten sich entsprechende Belege bei Salvian, Fulgentius und Theodoret sowie in den Vätersprüchen. Hier wären die „Regula Magistri“ und die „Regel“ des Leander von Sevilla zu nennen. So im 6. Jahrhundert bei Caesarius von Arles, Fulgentius, Olympiodorus und in den Vätersprüchen, welche in besagtem Jahrhundert ins Lateinische übersetzt wurden. Derartige Ausführungen existieren für das 4. Jahrhundert bei Basilius, Hieronymus, Augustinus und Cassian. Isidor von Sevilla – von Hieronymus übernommen – und Gregor der Große nehmen im 6. Jahrhundert Unterscheidungen sowohl des diesseitigen und jenseitigen wie auch des körperlichen und geistigen Lachens vor. Dies gilt für die Vier-Väter-Regel und die Règle orientale aus dem 5. Jahrhundert. Die meisten Ordensregeln des 6. Jahrhunderts versuchen das Lachen in einem gewissen Rahmen zu halten, indem das übermäßige, häu ge oder schallende Lachen besonders bei den Neulingen vermieden werden soll. In dieser Arbeit wurde Bezug genommen auf die Regeln von Isidor von Sevilla, von Ferreolus, von Kolumban und von Benedikt von Nursia, die Regula Pauli et Stephani sowie die Regula Tarnatensis. Im 7. Jahrhundert liefern die monastischen Bestimmungen von Fructuosus und Donatus Gründe für die Beschränkung des Lachens. Den Zusammenhang von Lachen und Leichtfertigkeit beziehungsweise der Reinheit des Herzens stellt der Kommentar des Smaragd von St. Mihiel her. Frühestes Material liefert Symphosius im 4. Jahrhundert, im 5. Jahrhundert entstehen die „Cena Cypriani“, im 6. Jahrhundert das Werk „Altercatio Hadriani Augusti et Epicteti philosophi“ und im 7. Jahrhundert die „Aenigmata Tullii“ (Berner Rätsel), die ioca monachorum in Südgallien und lateinische Rätsel von Adhelm und Bonifatius. Bischof Zeno mahnt im 4. Jahrhundert, die Feierlichkeiten der Auferstehung nicht übermäßig fröhlich zu begehen und nicht in Weltliches abgleiten zu lassen. Petrus Chrysologus gibt im 5. Jahrhundert Zeugnis von der Übertreibung bei Neujahrsfeiern zu lustigen Tollereien, welche die Toleranzgrenze überschreiten. Das Konzil von Trullo im 7. Jahrhundert wendet sich gegen Handlungen, durch welche die Kirchgänger zum Lachen gebracht werden.

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oben als Motive untersuchten Aspekte des Lachens. Wie die Sakralität von heiligen Gegenständen, Orten und Zeiten gewahrt bleiben soll, so auch die von gottgeweihten Akteuren. So stehen Geistliche als spezi sche Personengruppe im Zentrum des Interesses einiger Quellen, für die Einschränkungen bezüglich des Lachens, aber auch des Scherzens gelten sollen. 15 Die Heiligenviten geben ebenso ein recht breites Spektrum an unterschiedlichen Bewertungen und Darstellungsweisen wieder und greifen darin alle denkbaren Varianten auf: Die Heiligen lachen nicht leicht, nur milde oder brechen regelrecht in Lachen aus. 16 Ihr Lachen richtet sich gegen fremde Götter und ihre Verfolger. Als Akteure heben die Heiligen sich besonders als Kinder ab, wenn sie als Zeichen der Wunderhaftigkeit gar nicht lachen, oder im Zuge ihres veränderten Lebenswandels das Scherzen ablegen. All diese Zeugnisse des akzeptablen Lachens in Bezug auf Kontext und Personen nden sich demnach in der Phase der grundsätzlichen Dominanz der Weltdeutung als Tränental und der strengeren Normen. Die Darstellungsweisen werden dabei durchaus auch gattungsübergreifend verwendet. Die nächsten vier Jahrhunderte, also die Zeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert einschließlich, spiegeln ein ähnliches heterogenes Bild wider. Die rigoroseste Position stellt das in einigen Sentenzen belegte Vorbild Christi dar, der nicht lachte. 17 Diese Feststellung bleibt jedoch recht isoliert und ndet in direkter Weise keinen Eingang in andere Textgattungen und auch in indirekter Weise kaum, indem entsprechende Konsequenzen daraus abgeleitet würden. Die unterschiedlichen Qualitäten beziehungsweise Arten des Lachens werden nicht nur anhand von Bibelkommentaren aufgezeigt, 18 sondern in anderen Textgattungen im Zusammenhang mit dem Lachen in Verbindung stehenden Äußerungen weiter ausgeformt. Bei kirchlichen Feierlichkeiten sind weiterhin bestimmte Begleiterscheinungen als problematisch betrachtet worden. 19 In der Zitatensammlung aus dem 8. Jahrhundert von Defensor zum Lachen wird dieses als grundsätzlich zulässig gewertet, jeglicher Spott hingegen abge-

15 Bei Ambrosius ndet sich im 4. Jahrhundert die Ablehnung des Scherzes für den geistlichen Bereich und eine Erlaubnis von angenehmen und ehrenvollen Späßen im säkularen Bereich und auch Johannes Chrysostomus' Ablehnung des Lachens bezieht sich auf den eingeschränkten Personenkreis der Mönche. Das Werk von Martin von Bracara, der sich im 6. Jahrhundert mit antiken Lachnormen hingegen an ein Laienpublikum wendet, rät diesem von kindischem, weibischem und lautem Lachen ab. 16 Zusätzlich zu den Viten werden im 5. Jahrhundert sowohl bei Theodoret als auch in den Vätersprüchen religiöse Vorbilder als lachend und lächelnd dargestellt. 17 Im 11. Jahrhundert nden sich derartige Sentenzen bei Burchard von Worms und Egbert von Lüttich, bei letzterem verknüpft mit der Vorstellung der risibilitas und einem Weisheitsideal. 18 Für das 8. Jahrhundert wäre Alkuin zu nennen. Weitere Bibelkommentare wären noch auszuwerten. 19 Bei Hinkmar von Reims ndet sich im 9. Jahrhundert die Problematik von Beifall und plumpem Gelächter an Gedächtnistagen, das Konzil von Konstantinopel spricht sich gegen die zum Lachen bewegende Nachahmung des Patriarchen bei Feierlichkeiten aus.

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Schlussbemerkungen

lehnt. Dennoch hat dieser Zeitabschnitt weitere sogenannte ioca hervorgebracht. 20 Wie Arten und Motive des Lachens ineinandergreifen, so auch die Arten, Motive und Akteure. Benedikt von Aniane bestärkt im 9. Jahrhundert die Klosterregel, dass ein Lachen bei den Neulingen ernster zu ahnden sei als das im Chor, allgemein solle man sich des Lachens möglichst enthalten. Kirchliche Statuten und ähnliche Textzeugnisse wenden sich gegen possenhafte, scherzhafte Worte für Kleriker, die Teilnahme von Geistlichen an weltlicher Unterhaltung und die Verwendung von lachenerregender Possenreißerei. 21 Einige dieser Schriften wenden sich sowohl an Geistliche wie auch an Weltliche. 22 Daneben warnen Geistliche zielgerichtet Adelige vor Entgleisungen bezüglich Humor, Fröhlichkeit, Scherzen, Lachen und weltlichem Schauspiel und raten zur Besonnenheit. 23 Die karolingische Herrscherdarstellung changiert zwischen antikem Ideal von Witz und ernster Enthaltsamkeit je nach der grundlegenden Erzählabsicht. In den Heiligenviten gibt es zu allen thematisierten Bewertungen eine Entsprechung von Erzählkontexten, die das Lachen der Heiligen zulassen, es gemäßigt sehen wollen und Situationen, die es Akteuren erlauben zu lachen. Im letzteren Fall erfährt das Lachen ganz dem Stellenwert der Person als Verfolger oder von dem Heiligen Geheilter entsprechende entgegengesetzte Wertungen, nämlich negativ bei Gegnern der Heiligen beziehungsweise positiv bei Begünstigten. Die letzten vier Jahrhunderte des Hauptuntersuchungszeitraums, die Zeit vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, liefern dieselbe Vielfalt an Zeugnissen und wirken besonders in einer Synopse disparat. Ende des 13. Jahrhundert oder Anfang des 14. Jahrhunderts entsteht der Lentulusbrief, ein ngierter Bericht, der als vermeintlich frühchristliches 20 Dazu zählen für das 8. Jahrhundert ioca in der „Disputatio Pippini“ von Alkuin, lateinische Rätsel des Angelsachsen Tatwine und eines gewissen Abts Eusebius, letztere fallen vermutlich in das 8. Jahrhundert, sowie weiteres ioca-Material bei Pseudo-Bedas „Collectana“. In einer Lorscher Sammlung aus dem 9. Jahrhundert nden sich ioca, die „Cena Cypriani“ werden von Johannes Diaconus umgedichtet und mit der Hoffnung, ein Lachen des Herrschers zu evozieren, diesem und dem Papst gewidmet. In der Zeit des 10. Jahrhunderts wurde weiteres ioca-Material hervorgebracht, so die „Altercatio“ einer St. Gallener Handschrift, im 11. Jahrhundert kursieren weitere zur groben Gattung der ioca gehörenden Rätsel: In der Forschung erwähnt sind hier die Leidener Rätsel, das lateinische Rätsel „Æthelwold's bowl“, Rätselverse im Exeter-Buch und in der Cambridger Liedersammlung. 21 Für das 8. Jahrhundert die Statuten „Hibernensis“, Hinkmar von Reims und Regino von Prüm im 9. Jahrhundert sowie auch das Konzil von Paris, Burchard von Worms und Ivo von Chartres zielen im 11. Jahrhundert ebenso darauf ab, dass Geistliche sich nicht wie Spaßmacher aufführen oder ihnen auch nur zuhören sollen beziehungsweise sich weltlicher Unterhaltung entsagen sollen. 22 Hildebert von Lavardin wendet sich in seinem Werk an Weltliche und Geistliche, wenn er die Schaustellerei insgesamt verwirft und das Scherzen antiken Idealen unterwirft. 23 Alkuin widmet im 8. Jahrhundert ein entsprechendes Schreiben dem Adeligen Wido, Paulinus von Aquileia rät dem Adeligen Heiric von unwürdigem und exzessivem Lachen ab und verweist auch auf die Problematik von weltlichem Schauspiel.

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Zeugnis explizit belegen soll, dass Christus nie gelacht habe. Dies spricht für ein fortdauerndes Interesse daran, Christus nicht mit Lachen assoziiert zu sehen. In vielen Schriften steht aber die Tugend des Nicht-Lachens gar nicht zur Disposition, sondern die Aufmerksamkeit richtet sich eher auf die zulässigen Arten des Lachens. Einwände gibt es gegen das laute und plumpe Lachen, 24 häu g wird jedoch wiederum weniger etwas über das Lachen gesagt, sondern vielmehr etwas über das Scherzen 25 oder weltliches Schauspiel. 26 Adressiert sind mit diesen Appellen entweder Geistliche 27 oder Weltliche oder beide gemeinsam. Monastisches Schrifttum besteht weiterhin auf dem Ideal für Mönche, sich des Lachens möglichst zu enthalten. Für die laikalen Kirchgänger scheint dies jedoch nicht zu gelten. Im 13. Jahrhundert propagiert Jakob von Vitry die Fröhlichkeit als Privileg der Christen und sieht die Nützlichkeit von Exempel in der Predigt für Erbauung und Erholung. Caesarius von Heisterbach geht in demselben Jahrhundert sogar soweit, dass selbst Geistliche Objekt der Belustigung sein können, wenn es der Belehrung dient. Anders als diese Zeitgenossen hat Thomas von Aquin den nützlichen Zweck in einem anderen Kontext als der Predigt thematisiert und die risibilitas als den Menschen kennzeichnende Fähigkeit damit nicht nur eingeräumt, sondern auch befürwortet. Er folgt darin viel deutlicher der antiken Tradition und deutet christliche Zitate sogar in diese Richtung aus. In den folgenden Jahrhunderten bleibt die Verknüpfung des Themenfeldes von Lachen und Predigt bestehen. 28 Mehrere Belege bezeugen die fortwährende Existenz von kirchlichen Narren- und Kinderbischofsfesten, deren Ausuferung man im Bereich des Scherzens und Spottes 24 Speziell das Thema des Lachens behandeln im 12. Jahrhundert Johannes von Salisbury, Gratian, Rupert von Deutz, Hugo von St. Victor, Bernhard von Clairvaux, Petrus Cantor, Abaelard, Alanus ab Insulis und Petrus Cellensis. 25 So für das 12. Jahrhundert Wilhelm von Conches in seiner Schrift für Heinrich II., Johannes von Salisbury, Giraldus Cambrensis, Petrus Venerabilis, Petrus Cellensis und Bernhard von Clairvaux. 26 Hierzu ist bei Johannes von Salisbury, Peter von Blois und Gervais von Tilbury etwas im 12. Jahrhundert zu lesen. 27 Kirchenrechtliche Verordnungen des 13. Jahrhunderts versuchen das Verhalten von Geistlichen als Spaßmacher zu unterbinden sowie weltlichen Zeitvertreib für diesen Personenkreis zu verbannen. 28 Für das 14. Jahrhundert liefert das untersuchte Material mehrere Belege für die Begrenzung von lautem, plumpem Gelächter im Zusammenhang mit dem Gottesdienst – wofür die Textbelege von Bischof Grandisson aus Exeter einstehen – und der Predigt, wobei besondere Aufmerksamkeit auch der Art von in diesem Zusammenhang verwendeten Fabeln gilt. Robert de Basevorn tritt für ein Verbot heidnischer Geschichten ein, eine Poenitenziale aus Prag belegt die Verwendung von lachenerregenden Fabeln mit der Exkommunikation. In diesem Zusammenhang wird mitunter Dante aufgeführt, der in seinem literarischen Werk von zum Lachen veranlassenden Predigern mittels Fabeln spricht. Jean Clerée äußert im 15. Jahrhundert Kritik an jeder Predigtweise, die den Schwerpunkt auf den Unterhaltungswert anstatt auf den religiösen Inhalten setzt.

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Schlussbemerkungen

einzugrenzen versucht. 29 Um die Wahrung des Sakralen, welches nicht der Lächerlichkeit und der Verspottung preisgegeben werden soll, ist man von kirchlicher Seite her demnach weiterhin bemüht. 30 Bei den Franziskanern zeigt sich im 13. Jahrhundert ein recht differenziertes Verhältnis zum Lachen und zur Fröhlichkeit. Ersteres wird besonders bei den jungen Franziskanern ganz in Übereinstimmung mit anderen monastischen Maßgaben einer Mäßigung unterworfen. Der Begriff der laetitia – und eben nicht von gaudium – ndet sowohl bei Franz von Assisi als auch bei Thomas von Celano und Bonaventura in positivem Sinne Verwendung als spirituelle Qualität. Die Viten zeugen vom Motiv des Maßhaltens in allen denkbaren Varianten. Sie zeigen die Heiligen in diversen Kontexten wie dem eigenen Tod, erlittenem Unrecht oder Marter, angesichts irdischer Umstände und spiritueller Visionen und Entrückung, aber auch aufgrund der Verehrung der eigenen Person durch andere und im Kontext vom Unglauben anderer als lachende Protagonisten. Ebenso sind die Heiligen Objekt des Lachens ihrer Gegenspieler, seien dies weltliche oder geistliche Personen. Das Verlachen der eigenen Person kann dann als Imitatio Christi verstanden werden. Die mit der Er ndung des Lentulusbriefs vorgezeichnete Imitatio des nicht-lachenden Christus ndet sich so in den Heiligenviten nicht, so dass auch dieser Zeitabschnitt in seinen Aussagen bezüglich des Lachens voller Widersprüche zu sein scheint. Das 16. Jahrhundert, als nicht in seiner Vielfalt und Vielzahl von Quellen berücksichtigter Untersuchungszeitraum, versammelt durchaus diverse Aspekte all der vorherigen Jahrhunderte auch. Wenige Äußerungen wenden sich gegen das Lachen an sich, 31 eher schon gegen lautes Gelächter, 32 häu g ist das Lachen nicht das eigent29 Das Stichwort des Lachens fällt in diesem Bereich für das 13. Jahrhundert jedoch nicht. Die Knabenbischofswahl sollte gemäß einem Graduale aus Moosburg aus dem 14. Jahrhundert mit weniger lautem Gelächter vonstattengehen. Johannes Hus gibt im 15. Jahrhundert Zeugnis davon, dass die Zuschauer von Narrenfesten lachen – wovon auch Eustace de Mesnil mit Skepsis berichtet – und alles Treiben für gottesfürchtig und rechtgläubig halten. Im Zusammenhang von Narrenfesten in Autun beziehungsweise Johannesfesten in Rouen wird der Unmut über das Verlachen laut. 30 Zwei Konzilien des 15. Jahrhunderts sind mit dieser Frage befasst, das Baseler Konzil verbietet ganz allgemein Maskeraden, Possen und Ähnliches, was zu lautem Gelächter führt. Das Konzil von Toledo will weltlichen Zeitvertreib im sakralen Kontext verbannt sehen. 31 Johannes Pauli bietet in seiner Schwanksammlung das Beispiel eines Lachens bei einem Mysterienspiel, das als dermaßen unangemessen angesehen wurde, dass der Verursacher eine Freiheitsstrafe verbüßen musste. Wie ernsthaft dieser Fall eine tatsächliche Begebenheit wiedergibt, wäre zu hinterfragen. Ernsthafter wendet sich Oecolampad gegen Gelächter und lästerliche Predigten, wie auch Jakob Wimpfeling sich dagegen ausspricht, mit Lächerlichem zu Lachen und schallendem Gelächter zu verführen. In diesen Kreis gehört auch Geiler von Kaisersberg, der im Lachen einen Ausdruck von Leichtfertigkeit sieht, die mit der Sphäre des Sakralen nicht vereinbar ist. 32 Gegen das schallende, laute Gelächter wendet sich neben Jakob Wimpfeling auch die Synode von Patti, die derartiges durch albernes Zeug hervorgerufen verurteilt.

Neue Erkenntnisse

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liche Problem und wird daher auch nicht begrifflich ins Feld geführt. 33 Besonderes Augenmerk galt in der Diskussion den Belegen, die auf die Verhinderung der Lächerlichmachung religiöser Angelegenheiten abzielen. 34 Die wenigen hier untersuchten Heiligenviten vermögen zwar kein umfassendes Bild zu liefern, deuten aber auf eine anhaltende Tradierung der üblichen Motive hin. Insgesamt zeigt dieser chronologische Abriss, dass gewisse Kontinuitäten bezüglich der strengen Bewertung des Lachens in theologischen Schriften mit biblischen Bezügen sowie in der Unterscheidung der Arten und Akteure bestehen. Häu g spielen jedoch Themen wie Spott, Scherz, Humor, weltliche Unterhaltung und Schauspiel eine viel bedeutendere Rolle als das eigentliche Lachen.

4.2 Neue Erkenntnisse

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass es ein breites Spektrum an möglichen Darstellungen des Lachens im Mittelalter gibt, was mit einem Lachverbot beziehungsweise einer ablehnenden Haltung nicht in Einklang zu bringen ist. Dabei haben die Erzählzusammenhänge einen Ein uss auf die Darstellung des Lachens. Ferner geben Texttraditionen und Textgattungen zum Teil dem Verfasser die Darstellungsweise vor. All die vorgenommenen Unterscheidungen des Lachens und die Kenntnisse dieser bieten Akteuren Möglichkeiten zur Distinktion. Insgesamt lassen sich die vielseitigen Arten der Darstellungen des Lachens nicht in Phasen einteilen, vielmehr besteht eine große Kontinuität. Diese Ergebnisse der Untersuchung sollen im Folgenden zusammengefasst werden. Die große Vielfalt, in der das Lachen in Heiligenviten dargestellt wird, spricht gegen ein grundsätzliches Lachverbot. Die Darstellungen reichen von Enthaltsamkeit gegenüber dem Lachen, gemäßigtem Lachen 35 bis hin zu regelrechten Lachausbrüchen. Es kann unterschiedliches Maß annehmen vom Lächeln bis zum schallenden Gelächter, sich auf das Gesicht beschränken, den ganzen Körper erfassen oder ein Lachen des 33 Ein Kölner Bischof verurteilt Komödiantenvorstellungen, bei denen die religiösen Inhalte ungehört bleiben. Das Provinzialkonzil von Mailand ist um die Wahrung der geistlichen Würde bemüht. Die Lyoner Beschlüsse bemängeln die Annäherung der geistlichen an die weltliche Lebensweise. In Mazara werden Schauspiel, Tanz und Maskerade während der heiligen Handlungen im Kirchenraum negativ bewertet, wie auch in Voltera Störungen durch Krach. In Neapel ist man besorgt um die Außenwirkung und die Andacht. 34 So etwa lachhafte Erzählungen, die durch das Konzil von Sens unter die Strafe der Exkommunikation gestellt sind. In Autun steht wiederholt der Spott, irrisiones, bei Narrenfesten in der Kritik. 35 Die Formen der Mäßigung des Lachens sind bislang in ihrem reglementierenden Eingriff als Verneinung des Phänomens begriffen worden, ein sehr differenziertes Bild mit bestimmten Freiräumen des Lachens trifft eher den Aussagegehalt der Viten.

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Schlussbemerkungen

Geistes sein. Das Lachen lässt sich nicht auf zwei Arten des positiv bewerteten geistigen und des negativ konnotierten körperlichen Lachens reduzieren, sowie Weinen nicht uneingeschränkt einen erstrebenswerten Gegenpol zum Lachen darstellt. Vielfach geht es um die Vermeidung von Extremen als Grenzüberschreitung des Zulässigen, was aber auch andere Äußerungen als das Lachen betrifft. Auch die Einteilung von Mitlachen 36 als dem guten Lachen und das Auslachen als dem schlechten Lachen ist für das Mittelalter nicht haltbar. Das Vorbild des nicht-lachenden Christus hat kaum Nachahmung gefunden und entgegen der neutestamentlichen Vorlage der verlachten Christen, die selbst nicht zu entsprechendem Mittel greifen, können Heilige ihre Gegner verlachen, ohne eine negative Wertung zu erfahren. Problematisch wird das Lachen nur in den Fällen, wo es andere als bedeutsam erachtete Tätigkeiten unterbricht beziehungsweise verhindert. Im monastischen Bereich sind dies das Gebet, der Gesang und das Schweigen. In der Darstellung des Lachens in den Heiligenviten wird der jeweilige Symbolcharakter des Lachens augenscheinlich höher bewertet als bestimmte Formen der Selbstbeherrschung und die Wahrung der Gemütsruhe, beziehungsweise kann das Lachen selbst zum Zeichen für beides werden. Die Zeichenhaftigkeit des Lachens hat zur Folge, dass die Darstellung des Lachens eines Gegenübers bedarf, die Akteure lachen in den mittelalterlichen Darstellungen nicht für sich. Der Körper und damit auch das Lachen dienen als Projektions äche, um innere Vorgänge sichtbar zu machen. Lachen ist dabei Teil von Selbstbildungsprozessen, Selbsttechniken und Habitus. Die Vielfalt der Arten des Lachens zeigt die Komplexität des Zeichensystems. 37 Die Erzählzusammenhänge haben einen Ein uss auf die Darstellung des Lachens. Das Lachen bedarf eines Kontextes, dies gilt für textliche wie für lebensweltliche Zusammenhänge. Es steht in seiner Konnotation in Wechselbeziehung zu den Arten, den Motiven und den Akteuren des Lachens. Das Nicht-Lachen markiert in Heiligenviten entweder einen Kontrast im Verhalten der Heiligen in ihrer Kindheit zu dem von Gleichaltrigen oder ein Bekehrungserlebnis, welches ein verändertes Verhal36 Inwiefern das Lachen über sich selbst im Mittelalter eine mögliche Darstellungsweise ist, bedürfte einer eigenständigen Untersuchung. Nicht alle Facetten des begrifflichen Feldes konnten in der vorliegenden Analyse berücksichtigt werden und weitere Differenzierungen und Verhältnisse zwischen verschiedenen Arten des Lachens könnten lohnende Ansätze darstellen. Auch müsste die in der Forschung vorgenommene Unterscheidung zwischen gaudium und laetitia überprüft werden. Besonders die Begriffsverwendung von laetitia statt gaudium in franziskanischen Schriften scheint darauf hinzudeuten, dass dieses Begriffspaar nicht durchgängig dichotomisch verwendet wurde. Auch in den Heiligenviten wird weit weniger zwischen gaudium und laetitia differenziert als die theoretischen Schriften dies vermuten lassen. Selbst im Kontext von der Darstellung von Dämonen kann der Begriff gaudium anstelle von laetitia diesen zugeordnet werden: „gaudium [. . . ] can also mean the joy that the demons themselves feel when the monk is stricken by tristicia“. Schmitt: Demons and the emotions, S. 52. 37 Die von Elias behauptete Schlichtheit und Unkontrolliertheit des mittelalterlichen Lachens ist demnach nicht haltbar.

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ten nach sich zieht. Geraten hingegen generell die Eigenschaften der Heiligen in den Blick, so rückt allgemein das Motiv der Mäßigung in den Vordergrund, welches sich auch auf das Lachen beziehen kann. Die Mäßigung scheint vielfach der gangbarere Weg als die Überwindung eines bestimmten Verhaltens. In anderen eher episodischen Erzählzusammenhängen unterliegt das Lachen keiner Einschränkung. Aus religiöser Perspektive ist die Welt für Heilige Anlass zum Lachen, nicht weniger als sie Anlass zum Weinen ist. Das Lachen hat seinen Platz im Aufeinandertreffen von Gegnern, in der Geringschätzung von weltlichem Besitz, Ansehen und der Verehrung der eigenen Person zu Lebzeiten der Heiligen sowie im Zusammenhang von Visionen und Wundern. Das Lachen kann dabei Angriff oder beste Verteidigung sein, einem sozialen Fauxpas gleichkommen oder im Gegenteil als soziales Korrektiv fungieren, es kann die Abkehr von Weltlichem signalisieren, die Überwindung von Schmerzen oder das Eingehen in jenseitige Sphären. Lachen ist Ausdruck von positiven wie negativen Emotionen, es steht für die Emotionen selbst oder signalisiert die Überwindung von Emotionen. Das Lachen als Verhalten ist somit zunächst uneindeutig – bestenfalls ambivalent – und bedarf einer Einordnung hinsichtlich Bedeutung und Bewertung aufgrund der Vielfältigkeit und vielfach auch der Widersprüchlichkeit, 38 was mit einer vielschichtigen Bewertung von Körper und Emotionen im Mittelalter korrespondiert. Neben den vielen Kontexten, die Raum für ein Lachen bieten, gibt es unbestritten auch Situationen, in denen das Lachen als unangemessen dargestellt wird. Heiliges – im weiten Sinne von Gegenständen, Personen, Orten, Zeiten und Inhalten verstanden – ist hinsichtlich des Lachens weitestgehend tabuisiert, wobei auch hier Arten, Motive und Akteure einen stärkeren Ausschlag für die Zulässigkeit eines Lachens geben, wie zum Beispiel das Lachen eines Geheilten an einem Heiligengrab. Es bestehen also durchaus Zusammenhänge zwischen dem Lachen und dem Sakralen. In einigen Fällen wird deutlich, wie das Lachen Folge von gottgegebenen Gaben ist, bisweilen sogar selbst eine solche Gabe ist. Das Lachen der Heiligen vermag zwischen Mensch und Gott zu vermitteln, indem es von Gottes Präsenz zeugt und diese offenbart, von seinem Fortwirken in Form von Wundern, und dazu verhilft, weltliche Widrig- und Nichtigkeiten zu überwinden und sich vollkommen auf Gott auszurichten. Unabhängig davon, ob das Lachen eher randständig für eine Situation ist oder geradezu ein Schlüsselbegriff, der die gesamte Darstellung erhellt, 39 ob wörtlich oder metaphorisch gemeint, es muss 38 Diese Vielgestaltigkeit lässt sich sicherlich neu in Bezug setzen zur weltlichen Literatur, zugleich auch mit Entsprechungen in den Volkssprachen. Welche Bedeutung die erzielten Ergebnisse jedoch für die Darstellung in der Kunst haben, müsste eingehender untersucht werden. Die These, dass das Auftreten von Skulpturen mit lachender Mimik erst möglich wurde mit einer positiveren Bewertung des Lachens ist angesichts einer fehlenden Entwicklungslinie diesbezüglich fraglich. Möglicherweise liegt die Antwort in einer gestalterischen Erweiterung, welche die Darstellung unterschiedlichster menschlicher Ausdrücke ermöglichte. 39 Hier könnte ein Abgleich mit Textstellen zu ähnlichen Situationen, in denen aber kein Lachen thematisiert wird, weitere erhellende Erkenntnisse liefern. Hierfür würden sich auch die

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für Rezipienten plausibel und decodierbar sein. 40 Diese müssen Rückbezüge zu lebensweltlichen Situationen herstellen können oder rhetorische Mittel erkennen, die auf bekannte Erzählmotive rekurrieren. Die Verfasser bewegen sich dabei in ihren Ausgestaltungsmöglichkeiten zwischen den möglichen Darstellungsvarianten, die wiederum eng mit Textgattungen und Adressatenkreisen zusammenhängen. Es besteht also auch auf der außertextlichen Ebene eine Verzahnung von Arten, Motiven und Akteuren. Verfasser und Rezipienten müssen sich dabei als lachverständig erweisen, um Lachverhalten zu gestalten und zu deuten. 41 Neben gängigen Erzählmotiven haben auch Texttraditionen und Textgattungen einen Ein uss auf Darstellungen des Lachens. Die mittelalterlichen Verfasser greifen auf unterschiedliches Material zurück. Sie bedienen sich des alttestamentlichen Schemas des Zusammenhangs zwischen Akteur, dessen Frömmigkeit und der daraus folgenden Bewertung des Lachens. Das Lachen der Frommen ist immer ein gerechtfertigtes Lachen. Im Neuen Testament wird diese Formel radikalisiert und umgekehrt, so dass die Frommen jeweils Opfer von Gelächter sind und selbst nicht als Lachende in Erscheinung treten. Darin, sich geduldig auslachen zu lassen, besteht eher die Imitatio Christi als im Nicht-Lachen. Frühchristliche Texte haben das Sujet des lachenden Märtyrers eingeführt. So gesehen kann die Vorstellung einer Lachfeindlichkeit auch nicht in die Antike, in das Frühchristentum vorverlegt werden. Die christlichen, zumeist religiösen Motive wurden um solche der antiken nicht-christlichen Um- und Mitwelt ergänzt, die sowohl auf ontologische und besonders auf gesellschaftliche Dimensionen abzielen. Zentral ist der Aspekt der Mäßigung, in Bezug auf das Lachen besonders die Angemessenheit im Hinblick auf Gegenstand oder Person, Zeitpunkt und Ort. Diese Traditionslinien nden sich in unterschiedlichen Textgattungen in verschiedenem Maße ausgeprägt. In Bibelkommentaren erfolgt eine starke Orientierung an den häu g rigiden Vorlagen. Die Exegesen haben jedoch nicht unbedingt einen Appellcharakter und dürfen nicht als normativ angesehen werden. Dies wird zum Beispiel anhand von Klosterregeln deutlich, in denen durchaus Bibelzitate enthalten sind, aus denen jedoch keine strikten Konsequenzen gezogen werden. So wird das Lachen in ihnen gemäß alttestamentlichen Zeugnissen dem Narren zugeordnet, dem Mönch ist es dennoch nicht verboten, sondern er soll lediglich nicht oft und schallend lachen. Die Beschreibungen von Bekehrungserlebnissen anbieten, die ohne das auffällige Zeichen des Unterlassens von Lachen auskommen. 40 Moulinier hat zurecht darauf hingewiesen, dass ein hagiographischer Text Gefahr laufen kann, nicht Bewunderung hervorzurufen, sondern Unglaubwürdigkeit zu erzeugen und Ansatzpunkt für Kritik zu eröffnen. Vgl. Moulinier, Laurence: Quand le malin fait de l'esprit. Le rire au Moyen Age vu depuis l'hagiographie, 1997, S. 468. 41 Die hier vorgelegten Analyseperspektiven, der Fokus auf Arten, Motive und Akteure ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit mittelalterlichen Herangehensweisen an die Thematik, die auch von unbeabsichtigten oder sich dem Bewusstsein entziehenden Aussagen geprägt sein können, noch weitere Aspekte berücksichtigen oder andere Bezüge herstellen.

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bisherige Forschung ist dahingehend zu korrigieren, dass die Klosterregeln nicht als generelles Lachverbot zu verstehen sind, sondern sich gegen kollidierende Praktiken wenden, insbesondere das Lachen im Widerspruch zum Schweigen, zu Gebet oder Gesang im Gottesdienst. Tugendkataloge speisen ihre Empfehlungen eher aus antiken, nicht-christlichen Idealen. In Verbindung mit christlichen Maximen können sich Schwierigkeiten der Rezeption ergeben, so dass es zu Streichungen, Ergänzungen und Uminterpretationen kommt. Bereits die genannten Beispiele zeigen, dass die Quellen stets in einen Kontext zu setzen sind in Bezug auf Verfasser, Schreibanlässe und Rezipienten. Bernhard von Clairvaux ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Darstellungen des Lachens sowohl von dem Wissen des Verfassers abhängig waren als auch von dem Rahmen der Textgattungen. So modelliert er in zwei Totenreden die Verstorbenen nach dem antiken Ideal der Ernst-Heiterkeit. In seinem theoretischen Traktat über Demut und Hochmut fällt sein Urteil über das Lachen richtiggehend drastisch aus: Lachen und Scherzen sind deutliche Anzeichen für die Todsünde des Hochmuts. In einer seiner Schriften zur Praxis des monastischen Zusammenlebens ist diese Aussage deutlich relativiert, das Lachen kann unter gewissen Umständen verzeihlich sein. Bestimmte Unterschiede in Bezug auf die Bewertung des Lachens sind demnach auch auf spezi sche Textgattungen zurückzuführen. Aufgrund des Wissens um diese Zusammenhänge und Zuordnungen bestand kein Widerspruch für mittelalterliche Zeitgenossen beziehungsweise für die Lachverständigen. Wenn Arten und Motive des Lachens bestimmten Akteuren und einer entsprechenden Bewertung zugeordnet werden, dann ergibt sich die Frage nach dem Sinn solcher Differenzierungen. Mit dem Lachen wie auch mit anderen Verhaltensweisen sind gesellschaftliche Distinktionen möglich. Das zugrundeliegende Muster stellt keine strikte Kasuistik dar, weil es keiner generellen Rechtfertigung für das Lachen bedarf. Vielmehr geht es um von den Akteuren gewußte Vorstellungen von Praktiken und Wirkweisen des Lachens. Die Lachverständigen sind diejenigen, die in Bezug auf das Lachen über den legitimen Geschmack verfügen und die Parameter dieser Selbsttechnik kennen, sie sind die Experten, die sich verständig mit dem Lachen auseinandersetzen. Dies gilt für die Verfasser der Darstellungen sowie für die dargestellten und rezipierenden Akteure, die sich vor anderen Akteuren durch Stand und Bildung auszeichnen können. Die Rezipienten werden sich weder mit den absoluten Antagonisten identi zieren wollen noch dasselbe mit den absoluten Protagonisten können. Identi kation kann dort möglich werden, wo sich Gestaltungsräume für die Nachahmung eröffnen. Mittel dazu sind Selbsttechniken, die angenommen oder abgelehnt werden können und unabhängig davon sich einem Kollektiv angleichen oder einen individuellen Kontrapunkt setzen. „Lachgemeinschaften“ von Lachenden scheinen eher üchtige Zusammenschlüsse zu sein, „Lachgemeinschaften“ im Sinne von Akteuren mit einem ähnlichen Habitus bezüglich des Lachens, mit gemeinsamen Distinktionsabsichten beziehungsweise kollektiven Verhaltensnormen nden sich hingegen schon

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Schlussbemerkungen

eher verstetigte Praktiken der eigentlich üchtigen Äußerung des Lachens. Ein gemeinsames Ideal der Praxis des Lachens scheint aus überwiegend praktischen Gründen im monastischen Feld angestrebt worden zu sein. Je elitärer eine Gruppe in ihrem Differenzierungsversuch in Erscheinung tritt, desto strenger werden die ethischen Vorgaben ausgeprägt beziehungsweise ausgestaltet und begründet. 42 Was bereits für einige antike Darstellungen galt, lässt sich in anderer Form punktuell in Königsbiographien wieder nden, die jedoch als Ausnahmeerscheinungen gelten können – wie bei Ludwig dem Frommen, Eduard dem Konfessor und Ludwig dem Heiligen. Diese Herrscher üben sich wie keine Anderen in Selbstbeherrschung, die christlich überhöht wird. Die Folie, vor welcher die Differenzierungen des Lachens Sinn ergeben, ist die der Distinktion und in letzter Konsequenz im Zusammenhang mit Herrschaft zu sehen. Das Lachen der Heiligen stellt dabei keine Ausnahme dar. Explizit wird dies im Fall des Heiligen Arnulf, der „häu g so stark lachte, dass sein ganzer Körper davon dermaßen erschüttert und ermüdet wurde, als ob seine Innereien zerfetzt würden.“ Der Verfasser betont, dass „die Weltlichen, die die Bedeutung seines Lachens nicht kannten“ das Lachen des Heiligen „in einem schlechten Licht interpretierten.“ Es zeigt sich, dass die Verfasser über den „legitimen Geschmack“ verfügen, wenn sie die möglichen Darstellungsvarianten beherrschen, wenn sie in deskriptiven Texten die Regulierung des Lachens als mögliche Selbsttechnik ausweisen und wenn sie in deskriptiven sowie normativen Texten zulässige und unzulässige Praktiken des Lachens aufzeigen, beziehungsweise Demarkationslinien von Deutungshoheiten ziehen. Im Lachen ist nicht nur ein soziales Distinktionsmittel zu sehen, sondern die damit verbundenen Selbsttechniken setzen zugleich die individuellen Akteure frei, sich ihrer im religiösen Kontext zu bedienen. Dadurch können sie sich jenseits der Ordnung der Ständegesellschaft in einem mitunter diametral dazu stehenden System der Frömmigkeit unabhängig vom eigenen Stand bewegen und selbst verbessern. Die Heiligenviten eröffnen durch die aufgezeigten Selbsttechniken der Selbstbeherrschung Wege, die jenseits von sozialen Positionen eingeschlagen werden können. Die religiöse Dimension der Frömmigkeit, die über Unterschiede zwischen Geistlichen und Laien hinausgeht, vermag den Einzelnen zu befreien, indem Vorstellungen von Prädestination von Geburt her darin aufgelöst sind. Durch Selbstverfeinerung kann individualisiert ein Heilsweg eingeschlagen werden. In Bezug auf das Lachen besteht im Mittelalter eine Vielstimmigkeit. Ein Lachverbot lässt sich nicht nachweisen, sondern es zeigen sich in den Quellenbelegen Vielfalt und Gleichzeitigkeit, die sich auch in verschiedenen Gattungstraditionen niederschlagen. Das Lachen kann gesamtgesellschaftlich als akzeptiert gelten. Es konnte instru42 Wie in der Untersuchung angeklungen, können sich die abgrenzenden Praktiken als eine Abschließungstendenz nach unten ausformen, mehr jedoch können sie gelesen werden als Versuche, sich gegenüber sozial nahestehenden Gruppen abzuheben, die besonders in Konkurrenz stehen.

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mentalisiert werden, um bestimmte Wirkungen zu erzielen, aber auch reglementiert oder sogar tabuisiert werden. Diese punktuellen Versuche der Regelung sind Indiz dafür, dass dem Lachen nicht umfassend Einhalt geboten wurde. Einzelne Verordnungen und Bestimmungen, Beschreibungen von Einschränkungen wären vor einem solchen Hintergrund nicht nötig. Distinktionsabsichten provozieren noch einmal mehr, dass vielfältige Umgangsmöglichkeiten mit dem Lachen nebeneinander existieren. Wissenschaftliche Positionen zum Lachen im Mittelalter offenbaren vielfach implizite Modelle und Vorstellungen vom Mittelalter: Da das Thema des Lachens im Kontext differenzierter Untersuchungen zu anderen Bereichen häu g nur gestreift wird, zeigen sich hier zum Teil recht unverblümt wenig re ektierte Aussagen. Unbewusst werden dabei zugrundeliegende Geschichtsentwürfe von Polaritäten der Rückständigkeit und des Fortschritts, der Rohheit und Verfeinerung, der Ignoranz und Aufklärung mittransportiert. Dabei seien die diesbezüglich dem Mittelalter zugeschriebenen De zite vor allem auf die rigiden Reglementierungsversuche seitens der Kirche zurückzuführen. Die jeweiligen Interessen ganz unterschiedlicher Akteure werden dadurch vielfach unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sind vor allem für die geschichtsund literaturwissenschaftliche Mediävistik relevant, in der weithin davon ausgegangen worden ist, dass das Lachen im Mittelalter negativ konnotiert war und deshalb seine Reglementierung zu erreichen gesucht wurde. Die Frage nach Distinktionsabsichten mittels des Lachens könnte auch an die Quellen der weltlichen Literatur herangetragen werden. Bezüglich des Themenfelds Humor ist auch das Verhalten, Lachen zu erregen, anders einzuordnen, wenn das Lachen vielschichtige Bedeutungen und Bewertungen erfährt. Die Feststellung, dass das Lachen des Körpers nicht durchweg negativ zu sehen ist, sondern der Körper vielmehr auch Projektions äche von Heilsgeschehen sowie Gottesschau und damit verbundenem Lachen ist, muss notwendigerweise das zumeist negative Körperbild des Mittelalters revidieren. Mit den erzielten Ergebnissen lassen sich speziellere Untersuchungen anstrengen, Detailanalysen zu einzelnen inhaltlichen Aspekten, aber auch zu bestimmten zeitlichen Abschnitten. Hier wäre besonders die Spezi k der verschiedenen Textgattungen noch genauer ins Auge zu fassen und jede auch für sich gesondert zu analysieren. Auf diese Weise ließe sich der Ein uss der skizzierten Zeitströmungen auf einzelne Textsorten besonders ausmachen. Dadurch könnten Fragen noch eingehender beantwortet werden, ob zum Beispiel die Bibelexegese stärker von der scholastischen Auseinandersetzung mit dem Lachen beein usst ist als andere Textgattungen wie kirchliche Verordnungen und Heiligenviten. Auch hat das bisherige Material noch nicht erschöpfend die gender-Frage ausloten können. Hier wäre die Überprüfung meiner These anzustrengen, dass es zwar durchaus Unterscheidungen nach gender auf der expliziten Ebene gibt, die Darstellungen von Heiligen jedoch gleichförmig erfolgen. Möglicherweise schlägt die gender-Frage sich stärker in Tugendkatalogen für junge Männer und Frauen nieder. Derartiges ist durch einige Forschungsergebnisse bereits angedeutet worden, auch für die hö sche Literatur. Auf

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der Ebene von anderen Verhaltensweisen und Selbsttechniken ist danach zu fragen, bei welchen von ihnen sich wie beim Lachen Distinktionsabsichten ausdrücken. Interessant ist dabei die Frage, ob und wann die Arten und Motive des Lachens aufhörten, Distinktionsmittel für Akteure darzustellen. Ebenso lohnenswert scheinen zukünftige Untersuchungen hinsichtlich des Lachens an der Grenze der Sprache und die Verortung des Lachens im Übergang zwischen Körper und Geist sowie dem Wechselspiel von Außen und Innen. Die wesentlichen Inhalte meiner Untersuchung folgen aus der systematischen Auffächerung der Darstellungsweisen des Lachens in schriftlichen Quellen, die sich in die Aspekte der Arten, Motive und Akteure gliedern lassen. Auf diese Weise kann gezeigt werden, dass Interdependenzen zwischen diesen Faktoren bestehen und sie einen Ein uss auf die Bewertung des Lachens haben. Es hat sich dabei herausgestellt, dass die Diskrepanz widersprüchlicher Aussagen zum Lachen im Mittelalter zum Teil in der Forschungsrezeption begründet liegt, genauer gesagt in ungenauen Analysen und Nichtberücksichtigung von Kontexten. Zudem weist das Mittelalter eine Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Positionen auf, unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Textgattungen mit ihren divergierenden Absichten und Adressaten. Die Fortschreibung unterschiedlicher Traditionslinien ist als simultan und kontinuierlich einzuordnen und weist mehr Kontinuitäten als Diskontinuitäten auf ohne sich deutlich abzeichnende Phasen. Die Auseinandersetzung mit dem Lachen im Mittelalter ist nicht statisch. Wandlungen zeigen sich in Form von Einfärbungen aufgrund von zeitlichen Strömungen, durch Synthesenbildungen unterschiedlichen Traditionsguts und das Herausarbeiten von feinen Nuancierungen. Die hier ans Licht beförderte Vielstimmigkeit in der mittelalterlichen Auseinandersetzung mit dem Lachen lässt den Blick in den fernen Spiegel nicht trübe wirken, sondern im Gegenteil schillernd.

Dank

Auch wenn die Promotionszeit aufgrund von Widrigkeiten und Widerständen nicht immer zum Lachen war, überwiegt am Ende die Dankbarkeit gegenüber denjenigen, die einen wesentlichen Teil zum Gelingen beigetragen haben. Als erstes gilt mein tiefster Dank meiner Familie, meinem Vater H. R. Darby (†), meiner Mutter K. Darby und meiner Schwester R. Darby, die alle auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in ihren ganz eigenen Weisen mich ungemein unterstützt haben, dass es nicht in Worte zu fassen ist. Ich danke meinem Erstgutachter R. Holbach für seine Geduld und meiner Zweitgutachterin T. Scheer für ihre praktischen Anregungen, A. Taeger für die Grundsteinlegung einer kritischen und dekonstruktivistischen geschichtswissenschaftlichen Perspektive und H. Mayr-Harting für den Feinschliff im historischen Denken und Schreiben. Zu meiner akademischen Reife haben auch Kollegen, die zu Freunden, und Freunde, die zu anregenden Gesprächspartnern wurden, beigetragen, darunter H. Bruns, M. Geiger, N. Göbel, D. Kuchenbuch, M. und S. Lindner, T. Luks, S. Neumann, B. Sanders und A. Schlimm. Ohne Rat in allen Lebenslagen und offenes Ohr von E. (†) und R. Wartenberg, A. Wassenberg-Harms, J. Elsner und U. McNab hätte ich mich selbst nicht gut durch diese wichtige Lebensphase navigieren können. Sehr viele Menschen haben mich, vermutlich vielfach ohne es zu wissen, oft mit nur einem einzigen für mich bedeutungsvollen Satz motiviert. Dazu zählen H. Bathke, P. Dinzelbacher, T. Etzemüller, G. Müller-Harms (†), Y. Robel und S. Siebert. Für die intensive, spontane und unkomplizierte Unterstützung in der Endphase bin ich H. R. Darby, K. Dombrowski, A. Köller, T. Luks und I. Oltmanns dankbar. Nicht zuletzt danke ich L. Fuhse, F. Braade, V. Eilers und insbesondere G. Barnes, dass sie ein Stück des Weges mit mir gegangen sind.

Quellen- und Literaturverzeichnis Primärquellen AS – Acta Sanctorum Jan. I, Dies 3, S. Genouefa, Virgo Parisiis in Gallia, Alia Vita Ex Veteribus Mss. Jan. I, Dies 5, S. Eduardus, Angliae Rex Confessor, Vita Auctore Sancto Ealredo. Jan. I, Dies 6, S. Erminoldus, Abbas Prufeningensis in Germania, Vita. Jan. I, Dies 7, S. Canutus, Dux Sleswicensis in Dania, Vita Ex Saxone Grammatico. Jan. I, Dies 7, S. Tillo sive Hillonius, cognomento Paulus, Solemniaci in Gallia, Vita Ex MS. Claromarescano. Jan. I, Dies 8, B. Laurentius Iustinianus, Patriarcha Venetus, Vita Auctore Bernardo Iustiniano. Jan. I, Dies 12, S. Victorianus, Abbas in Hispania, Vita A Franc. Didaco De Aynsa-Y-Yriarte. Jan. I, Dies 13, B. Godefridus, Comes Capenbergensis, post religiosus ord. Praemonstratensis in Westphalia, Alia Vita Metrica Auctore anonymo. Jan. I, Dies 13, S. Hermylus Diaconus, Martyr Singidoni in Mysia, et al., Acta Ex Metaphraste, Auctore Anonymo. Jan. II, Dies 17, S. Speusippus, tergeminus frater Matyr, et al., Acta Ex Veterei MS. M. Velseri. Jan. II, Dies 22, S. Vincentius Archidiaconus Caesaraugustanus, Martyr Valentiae in Hispania, Eadem Historia Carmine Descripta Auctore Eodem Aimoino. Jan. II=III, Dies 25, Praeiectus, Episcopus Arvernensis Martyr in Gallia, et al., Alia Vita Auctore Coaetano Anonymo. Jan. II, Dies 27, S. Deuota, Virgo Martyr in Corsica, Acta Ex Chronol. Lerinen. Vinc. Barralis. Jan. III, Dies 28, B. Margarita Hungarica, Virgo Ordinis Praedicat, Alia Vita ex Petri Ranzanii Epitomerer. Hung. Jan. III, Dies 28, S. Ioannes, Abbas Reomaensis in Gallia, Vita E Veterib. Mss. Auctore monacho Reomaensi coaetano. Jan. II, Dies 28, S. Thyrsus, Martyr in Asia, et al., Alia Acta ex Mss. S. Mariae de Ripatorio et aliis. Feb. I, Dies 1, S. Brigida Virgo Scota, in Hibernia, Vita III Auctore Chilieno monacho. Feb. I, Dies 6, S. Amandus, Episcopus Traiectensis, Elnone in Belgio, Alia Vita Metrica auctore Milone monacho. Feb. II, Dies 7, S. Lucas iunor Thaumaturgus, Soterii in Graecia, Vita Auctore monacho anonymo, eius discipulo. Feb. II, Dies 7, S. Romualdus Abbas, Ordinis Camalducensis Fundator, Fabriani in Piceno, Vita Auctore B. Petro Damian.

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Feb. II, Dies 9, B. Marianus Abbas, Ratisponae in Bavaria, et al., Vita auctore Scoto monacho Ratispn. Ex MS. Carthusiae Gamnicensis. Feb. II, Dies 9, S. Raynaldus Ep. Nucerinus in Umbria, Vita ab auctore antiquo Latine scripta, hic ex Italico restituta. Feb. III, Dies 18, S. Angilbertus, Abbas Centulensis in Belgica II., Miracula S. Angilberti auctore Anschero. Feb. III, Dies 22, B. Margarita Poenitens, tertii Ordinis S. Francisci, Cortonae in Etruria, Vita Ex MSS. auctore F. Iuncta Beuagnate ejus confessario. Mar. I, Dies 3, B. Petrus Hieremias, Ordinis Praedicatorum Panormi in Sicilia, Vita. Mar. I, Dies 3, S. Winwaloeus, Abbas Landeueneci in Britannia Armorica, Tertia Vita Auctore Gurdestino monach Ex MS. Armorico. Mar. I, Dies 6, B. Coletta Reformatrix Ordinis S. Clarae Gandaui in Belgio, Svmmarivm Virtvtvm Et Miracvlorvm. Mar. II, Dies 9, S. Francisca Romana vidua, Fundatrix Oblatarum Turris-speculorum Romae, Acta ex autographo Romano MS. Auctore Ioanne Mattiotti ipsius Sanctæ Confessario. Mar. II, Dies 13. S. Rudericus Presbyter, Martyr Cordubae in Hispania, et al., Passio Ex Apologetico Sanctorum Martyrum ab S. Eulogio conscripto. Mar. II, Dies 14, B. Mathildis Regina, coniux Henrici Aucupis Regis Germaniae, vita iussu S. Henrici Imperatoris scripta, ex MS. Coloniensi S. Pantaleonis. Mar. II., Dies 16, S. Abramius Eremita in Hellesponto, Acta Auctore Ephremo Synchrono. Mar. II, Dies 16, S. Eusebia, Abbatissa Hamaticensis, Marchianis in Gallo- andria: Vita ex codicibus MS. Marchianensi et Burgundico. Mar. II, Dies 16, S. Finianus, Abbas Surdensis in Hibernia, Vita Auctore Anonymo Anglo ex nostro MS. Hiberniensi. Mar. II, Dies 17, S. Withburga Virgo in Anglia, Vitae Compendium, Ex MS. Chronico monasterij Eliensis. Mar. III, Dies 20, S. Cuthbertus Episcopus Lindisfarnensis in Anglia, Vita Auctore Venerabili Beda. Mar. III, Dies 22, S. Herlindis, Virgo, Abbatissa Masaci in Belgio, Vita ex tribus codicibus MSS. Mar. III, Dies 24, S. Catharina Suedica, lia S. Brigittae, Vastenae in Suecia, Vita Auctore Ulphone supparis aevi & Ordinis Birgittini in cœnobio Vastenensi Monacho. Mar. III, Dies 25, S. Willielmus puer, Martyr Norwici in Anglia, Acta Ex Ioanne Capgravio. Mar. III, Dies 26, S. Ludgerus Mimegardeuorsensis Episcopus in Westphalia, Saxonum Apostolus, Vita Auctore Altfrido Episcopo ex tribus codicibus MSS. Apr. I, Dies 1, S. Hugo Episcopus Gratianopolitanus, in Gallia, Vita Auctore Guigone, Priore Carthusiensi, coævo. Apr. I, Dies 2, S. Maria Aegyptia poenitens, in Palaestina, Paraphrasis Metrica, Auctore Hildeberto Episc. Cenomanensi.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Weitere Primärquellen

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Nov. I, Dies 3, S. Hubertus, episcopus Leodiensis, Miraculorum S. Huberti Post Mortem Liber Secundus. Nov. I, Dies 3, S. Papulus, martyr in pago Laureacensi, in Occitania, Vita Sancti Papuli Auctore Bernardo Guidonis. Nov. II, Pars I, Dies 3, B. Alpais virgo, Cudoti in territorio Senonensi, Vita B. Alpaidis. Nov. II, Pars I, Dies 3, S. Malachias, episcopus Connerthensis in Hibernia, Vita S. Malachiae. Nov. II, Pars I, Dies 4, S. Girardus, monachus Andegavensis, Vita S. Girardi Confessoris. Nov. II, Pars I, Dies 4, S. Gregorius, abbas Porcetensis prope Auqasgrani, Additamentum Vita S. Gregorii abbatis posterior. Nov. III, Dies 7, S. Baudinus seu Baldus episcopus Turonensis, Vita S. Baudini, Ex codice Rotomagensi Montbret. Nov. IV, Dies 10, S. Tryphon matyr Romae cultus, et al., VI. Vita et Passio S. Tryphonis Martyris.

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Register

Abaelard 53, 269, 352 Abraham 77–79, 91, 95, 267, 334 Abramius, Heiliger 130, 191, 294, 301 Achilles 104 Aelred von Rievaulx 129, 300 Agnes de Harcourt 190 Ajax 104 Alanus ab Insulis 174, 263, 270, 274, 306, 313, 352 Albert von Pisa 285 Alkuin 169, 267, 304, 350, 351 Alpais, Selige 143, 198, 294 Amandus, Heiliger 317 Ambrosius 38, 100, 123, 260, 272, 276, 305, 350 Anacharsis 68 Anaxagoras 68 Angilbertus, Heiliger 295, 331 Anthropologische Konstante 13, 31, 32, 252 Anticlaudian 274 Antonius, Heiliger 331, 336 Aristoteles 9, 11, 20, 55, 57, 59–61, 63, 66, 103, 170, 179, 257, 270, 272, 273, 302, 313 Arnulf, Heiliger 9, 344, 359 Athanasius, Heiliger 292 Athenaeus 57 Augustinus 91, 96, 100, 235, 251, 269, 272, 302, 349 Augustinus, Heiliger 206, 327, 329 Bachtin, Michail 16, 17, 22, 53, 228, 313–316 Basilius 92, 269, 349 Baudinus, Heiliger 131, 292 Bavo, Heiliger 149–151, 187, 200, 201 Beda Venerabilis 118, 185 Benedikt von Aniane 139, 281, 323, 351 Benedikt von Nursia 281 Benediktsregel 122, 135–137, 158, 258, 261, 275, 281–283, 313

Benevenuta, Heilige 143, 238 Bernard von Guy 186, 289 Bernardus Poenitens, Seliger 143, 190, 237 Bernhard von Clairvaux 120, 139, 146, 157, 256, 258–261, 270, 295, 352, 358 Birgitta, Heilige 161 Boethius 58, 59, 302 Bonaventura 285, 353 Bonifatius VIII. 224 Bourdieu, Pierre 29, 66, 67, 172, 254, 326, 340 Brigida, Heilige 329 Burchard von Worms 120, 256, 276, 350, 351 Caesar 70, 374 Caesarius von Arles 93, 100, 349 Caesarius von Heisterbach 264, 313, 352 Canutus, Heiliger 209, 299, 301 Cassian 92, 122, 239, 272, 349 Cassiodor 59 Catharina Senensis, Heilige 202, 242 Catharina von Schweden, Heilige 161, 207, 209 Cato der Jüngere 73 Cena Cypriani 169–171, 349, 351 Christina von Stommeln, Selige 203, 311, 318, 331 Christina von St-Trond, Heilige 152, 156, 311 Cicero 11, 68, 69, 71, 72, 91, 103, 145, 305, 307 Claudius Aelianus 68 Clemens von Alexandria 103, 333 Codex regularum 281 Conus, Heiliger 185 convivium 216, 291, 297, siehe auch Tischmanieren Curtius, Ernst Robert 15, 21 Cuthbert, Heiliger 118, 292, 295

Register

De adventu Domini sermo 261 De consideratione ad Eugenium papam 260, 261 De gradibus humilitatis et superbiae 258, 260, 261 De of ciis ministrorum 272 De precepto et dispensatione 260, 261 De risu paschali 227 De vera et perfecta laetitia 284 Defensor von Ligugé 269 Demetrios Poliorketes 56 Demokrit 72 Devota, Heilige 183 Diogenes Laertios 56 Dionysos 56, 57 Disputatio Pippini 169 Dissertatio de Conversione et Fide Russorum 192, 293 Domnius, Heiliger 184, 293 Ecclesiastes siehe Kohelet Ecclesiasticus siehe Jesus Sirach Eco, Umberto 10 Eduard, Heiliger 129, 130, 198, 300 Egbert von Lüttich 120, 256, 270, 350 Einhard 123, 124, 301, 302 Elias, Norbert 11–13, 66, 355 Elisabeth von Frankreich, Heilige 143, 190, 299 Elisabeth von Schönau, Heilige 131, 163 Ephräm 95, 98, 145, 348 Epiktet 68 Epochisierung siehe Phasenmodell Erasmus von Rotterdam 227 Erminoldus, Heiliger 195 Ernst-Heiterkeit 68, 82, 157, 278, 307, 309, 358 Ethelreda, Heilige 186, 188, 299 Eusebia, Heilige 199 Eustace de Merc 285 Eustace de Mesnil 164, 222, 225, 353 Eutitius, Heiliger 184 Exeter-Buch 169, 171, 351

399 Ferreolus 134, 139, 280, 349 Finianus, Heiliger 211, 299 Formula vitae honestae 100, 278, 291 Foucault, Michel 133 Francisca, Heilige 202, 320 Franz von Assisi, Heiliger 132, 241, 284, 285, 293, 317, 353 Fredericus, Heiliger 286, 287, 296, 331 Fulgentius 95, 349 Galterius, Heiliger 156, 293 gaudium 21, 68, 81, 91, 93, 95, 105, 145, 151, 153, 155, 157, 162, 193, 200, 269, 278, 279, 284, 286, 329, 345, 353, 355 Geiler von Kaysersberg 227, 353 Genouefa, Heilige 195 Gervais von Tilbury 167, 352 Giraldus Cambrensis 270, 352 Girardus, Heiliger 189, 294 Gobertus, Seliger 189, 294 Godefridus, Seliger 187, 188, 299 Godeleva, Heilige 131 Goswin von Bossut 9, 344 Gott 75, 76 Grandisson von Exeter 140, 164, 220, 223 Gratian 139, 141, 222, 352 Gregor I. der Große 92, 117, 252, 269 Gregor VII., Heiliger 209, 330 Gregor von Nyssa 98, 104, 348 Gregorius, Heiliger 194 Gualdericus, Heiliger 330 Guido, Heiliger 117, 312, 333 Heiterkeit 15, 16, 95, 121, 128, 145–149, 160, 170, 174, 205, 211, 228, 258, 277, 278, 293, 307, 308, siehe auch Ernst-Heiterkeit Herlindis, Heilige 128, 129, 148, 294 Hermylus, Heiliger 184, 189, 240 Hibernensis 276 Hieronymus 66, 68, 91, 100, 228, 269, 349 Hildebert von Lavardin 291, 351 Hildegard, Selige 193 Hildemar von Corbie 137 Hildulfus, Heiliger 162, 188 Hillonius, Heiliger siehe Tillo, Heiliger Hiltrud, Heilige 118

400 Hinkmar von Reims 139, 166, 222, 276 Hiob 76, 80–82, 278, 308 Homer 61, 62 Honorius III. 266 Horaz 72, 305 Hubertus, Heiliger 289, 299, 331 Hugo von Grenoble, Heiliger 154 Hugo von St. Victor 155, 352 Hugo von Trimberg 126 Hugo, Heiliger 335 Ioannes, Heiliger 119 Isaak 78, 79, 91, 95, 267 Isidor von Sevilla 91, 145, 186, 217, 323, 349 Jacobus, Seliger 236, 237, 294 Jacques de Vitry 218, 264 Jakob Wimpfeling 227, 353 Jesus Sirach 84, 85 Johannes Bonus, Seliger 332 Johannes Capella 296 Johannes Chrysostomus 101–104, 127, 147, 272, 294, 350 Johannes Diaconus 170, 351 Johannes Hus 165, 223, 353 Johannes Pauli 219, 353 Johannes von Salisbury 256, 278, 279, 306 John Capgrave 334 Juetta, Heilige 162 Julius Pollux 58

Register

laetitia 21, 68, 81, 91, 105, 145, 146, 153–155, 252, 258, 260, 275, 284, 285, 297, 329, 353, 355 Laurentius, Seliger 293 Le Goff, Jacques 16–23, 53, 122, 136, 145, 170, 177, 283, 348 Leander von Sevilla 122, 123, 158, 280, 347, 349 Lentulusbrief 120, 351, 353 Libellus de quattuor virtutibus vitae honestae 291 Liber de modo bene vivendi 120, 139, 258, 261 Liber de virtutibus et vitiis 304 Liber exhortationis 305 Liber scintillarum 269 Lidwigis, Selige 144, 233, 311, 319 Lioba, Heilige 128, 145, 148, 293 Lucas Iunior Thaumaturgus, Heiliger 114, 312 Lucianus von Samosata 58 Ludgerus, Heiliger 146 Ludwig der Fromme 123, 127, 129, 130, 132, 230, 287, 302 Ludwig IX. 300 Lykurg 63

Karl der Große 124, 301, 302 Kinga, Heilige 234, 235 Kleomenes 63 Kohelet 84, 85, 155 kolax 65 Kolumban 217, 349 Konzil 139, 140, 165, 167, 219, 222, 224, 264, 275, 349–351, 353, 354 Kremer, Karl Richard 15, 123, 125, 127 Kunigunde, Heilige siehe Kinga, Heilige

Magisterregel siehe Regula Magistri Malachias, Heiliger 146, 157, 261, 270 Malbrancus 296 Margarita Poenitens, Selige 160 Margarita von Schottland, Heilige 143 Margarita von Ungarn, Selige 143, 299 Maria Aegyptia, Heilige 118, 144 Maria von Oignies, Selige 196, 311 Marianus, Seliger 214 Martianus Capella 58, 302 Martin von Bracara 100, 278, 291, 333, 350 Mathildis, Selige 156, 298 Moralium dogma philosophorum 72, 305 Musa, Heilige 117, 118

Lachgemeinschaften 22, 183, 341, 358 Lachverbot 10, 17, 18, 56, 62, 68, 122, 170, 173, 216, 260, 282, 338, 347

Nicolaus Tolentinas, Heiliger Nicolaus von Lyra 79 Notker 230, 288, 301, 302

150, 200, 294

401

Register

Oecolampad 227, 228, 231, 353 Olympiodorus Alexandrinus 93, 95 Origenes 93, 95 Otia imperialia 167 Pachomius 99 Pambo 99, 102 Paphnutius, Heiliger 187 Papulus, Heiliger 186, 289 Paulinus von Aquileia 141, 304, 351 Paulus de Celano 116 Pelagius, Heiliger 130 Peter von Blois 167, 352 Petrus Cantor 120, 139, 256, 270, 352 Petrus Cellensis 277, 309, 352 Petrus Damianus 297 Petrus Venerabilis 277 Petrus von Luxemburg, Seliger 333 Phasenmodell 17–19, 41, 53, 172, 178, 348, 354 Philippos 65 Placidus, Heiliger 116, 312 Platon 11, 55, 56, 60–62, 64, 65, 103, 104 Plautus 72 Plutarch 63, 73 Policraticus 306, 310 Porphyrios 58, 269 Praeiectus, Heiliger 192, 265 Ptolemaios IV. 57 Pythagoräer 60, 63 Pythagoras 56, 62, 64 Quintilian

58, 69–71, 73

Raynaldus, Heiliger 157 Regino von Prüm 276 Règle orientale 322, 349 Regula ad monachos 134, 280 Regula coenobialis 217 Regula Magistri 135, 282, 322, 349 Regula Pauli et Stephani 134, 235, 280, 349 Regula Ss. Patrum Serapionis, Macharii, Pafnutii et alterius Macharii siehe Vier-Väter-Regel Regula Tarnatensis 217, 349 Renerus aus Lüttich 296 rex facetus 20, 303

risibilitas 58, 59, 68, 120, 138, 175, 269–271, 274, 275, 320, 341, 350, 352 Robert de Basevorn 216, 228, 265, 352 Robert Grosseteste 220 Robert von Molesme, Heiliger 266 Robertus, Seliger 151, 203, 311 Rolandslied 126 Romualdus, Heiliger 297 Rosenwein, Barbara H. 26, 27 Rudericus, Heiliger 149, 150, 289 Rupert von Deutz 267, 352 Salvian 94, 349 Sara 77–79, 91, 95, 102, 267, 334 Schweigen 135, 136, 172, 193, 197, 281–284, 323, 343, 355 Seligpreisung 87, 89, 268 Seneca 69, 100, 291, 305 Sidonius 302 Simeon, Heiliger 143, 189 Smaragd 136, 138, 158, 275, 349 Sokrates 62, 65–67 Sosibios 63 Spartaner 60, 63, 64 Speusippus, Heiliger 186, 239, 288 Stephan, Heiliger 133, 298, 300 Suchomski, Joachim 16, 21, 22, 53, 145, 153, 259 Sulpicius 302 Summa theologica 271 Symposion 57, 60, 61, 63, 65–67, siehe auch Tischmanieren Synode 165, 167, 225, 353 taciturnitas siehe Schweigen Thegan 123, 124, 230, 301, 302 Theodericus, Seliger 128, 129, 146, 147, 156, 157 Theodoret von Cyrus 98 Thomas Beckett 279, 309 Thomas von Aquin 53, 66, 80–82, 105, 145, 179, 270–273, 280, 313, 352 Thomas von Cantilupe, Heiliger 194 Thomas von Cantimpré 152 Thomas von Celano 132, 285, 353 Thomas von Eccleston 284, 323, 324

402

Register

Thyrsus, Heiliger 239, 287, 288, 330 Tillo, Heiliger 128, 148 Tischmanieren 70, 105, 290, 306, 307, 309, 322 Tractatus de adventu fratrum minorum in Angliam 284 Tränental 94, 96, 102, 159, 275, 350 Tryphon, Heiliger 286, 330

Walahfrid Strabo 79–81 Warnaharius 288 Wilfridus, Heiliger 210, 211, 330 Willielmus, Heiliger 334 Winwaloeus, Heiliger 293, 331

Valerius Maximus 58 Vätersprüche 98, 99 Vergil 72 Victorianus, Heiliger 127 Vier-Väter-Regel 122, 280, 347, 349

Yvette von Huy, Heilige siehe Juetta, Heilige Yvo, Heiliger 200, 293

Xenophon

60, 61, 63, 65

Zeno von Verona

232