Die Kunstausstellung: Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts [Reprint 2018 ed.] 9783110844757, 9783110050158

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Die Kunstausstellung: Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts [Reprint 2018 ed.]
 9783110844757, 9783110050158

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
I. ZUR BEGRIFFSBESTIMMUNG
II. VOR- UND FRÜHFORMEN DER KUNSTAUSSTELLUNG
III. DIE VERKAUFSAUSSTELLUNG DES 15. BIS 17. JAHRHUNDERTS
IV. DIE ANFÄNGE DER AUTONOMEN AUSSTELLUNGSFORMEN IN ITALIEN2
V. DIE ACADÉMIE ROYALE DE PEINTURE ET SCULPTURE UND DAS AUSSTELLUNGSLEBEN WÄHREND DES 17. UND 18. JAHRHUNDERTS IN PARIS
VI. DIE AUSBREITUNG DES AKADEMISCHEN AUSSTELLUNGWESENS WÄHREND DES 18. JAHRHUNDERTS IN EUROPA
VII. DER ÜBERGANG ZUM 19. JAHRHUNDERT
NACHWORT
LITERATURVERZEICHNIS
REGISTER
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
ABBILDUNGSNACHWEIS
Tafeln 1 — 52
ADDENDA ET CORRIGENDA

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Georg Friedrich Koch • Die Kunstausstellung

Georg Friedrich Koch

Die Kunstausstellung Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts

Walter de Gruyter & Co. Vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

Berlin 1967

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Archiv-Nr. 35 63 671

© 1967

by

Walter

de

Gruyter

Co.,

Sc

vormals

G . J . Göschen'sehe

Verlagshandlung



J . Guttcntag,

Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit Sc Comp., Berlin 30 Printed in Germany Alle

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ausdrückliche auf

photo-

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung I. Zur Begriffsbestimmung II. Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

i 5 10

1. Vorbemerkung

10

2. Kunsthandel und Verkaufsausstellung in Griechenland und R o m . . .

12

3. Schaustellungen im Rahmen sakraler Kult- und öffentlicher Repräsentationshandlungen in Griechenland und Rom

20

4. Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

30

III. Die Verkaufsausstellung des 15. bis 17. Jahrhunderts

44

1. Werkstatt, Laden- und Markthandel bis zum 16. Jahrhundert vornehmlich in Deutschland und den Niederlanden 44 a) Die Grundlagen 44 b) Der Handel mit Kleinkunst und Pretiosen, die Goldschmiede . . . 49 c) Die Kunsthandelsformen im 15. und 16. Jahrhundert J3 2. Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen im 16. und 17. Jahrhundert a) Die permanente Verkaufsausstellung b) Der Markt- und Ladenverkauf und seine Ausstellungsformen . . . c) Ausstellung und Sammlung IV. Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien 1. Vorbemerkung

62 62 72 78 87 87

2. Die Emanzipation des Künstlers und die neuen Formen der Schaustellung seiner Werke 91 a) Der Künstlerwettbewerb 91 b) Der Künstlerwettstreit 93 c) Die Atelierausstellung und die Vorführung einzelner Werke in der Öffentlichkeit 96

VI

Inhaltsverzeichnis

3. Prozessions- und Festtagsausstellungen

ioo

a) Die festlichen Gelegenheitsausstellungen

ioo

b) Die regelmäßigen Festtagsausstellungen in Rom

105

c) Die Ausstellungen der Congregazione Pontifica dei Virtuosi al Pantheon 112 4. Die Anfänge des akademischen Ausstellungswesens in Florenz und Rom 116 j. Zusammenfassung

121

V . Die Académie Royale de Peinture et Sculpture und das Ausstellungsleben während des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris 124 1. Die Gründung und Aufgabe der Akademie

124

2. Die Akademieausstellungen unter Ludwig X I V

127

a) Ihre Geschichte

127

b) Ort und Technik der ersten Akademieausstellungen

129

c) Die Bedeutung der ersten Akademieausstellungen

134

3. Die Akademieausstellungen im 18. Jahrhundert

137

a) Die Geschichte der Salons

137

b) Die Ausstellungstechnik der Salons

141

c) Die Ausstellungskataloge

149

d) Die Zusammensetzung der Akademieausstellungen

157

4. Die übrigen Ausstellungsgelegenheiten in Paris während des 18. Jahrhunderts

167

5. Zusammenfassung

171

VI. Die Ausbreitung des akademischen Ausstellungswesens während des 18. Jahrhunderts in Europa 184 1. Italien

186

2. Frankreich

196

3. Spanien

198

4. England

200

5. Deutschland

220

Inhaltsverzeichnis

VII

VII. Der Übergang zum 19. Jahrhundert

251

Nachwort

275

Literaturverzeichnis

277

Register

298

Verzeichnis der Abbildungen

318

Abbildungsnachweis

323

Tafeln 1 — 52

EINLEITUNG Die Kunstausstellung beherrscht weithin das künstlerische Leben der Gegenwart und repräsentiert als eine Konventionsform des gesellschaftlichen Bildungsvergnügens anschaulich die Intensität und Höhe der in der Kunst, ihrem Schaffen und ihrer Pflege wirkenden Kräfte. In ihren Fragestellungen, in der Art ihrer Darbietungstechnik und in der Physiognomie der ausgestellten Werke gibt sich die lebendige Vielfalt der künstlerischen Auffassungen und Richtungen und deren Wandlungen unmittelbar zu erkennen. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts stellt sich der Künstler mehr und mehr auf diese Wirkungsmacht der Kunstausstellung ein. Für ihn ist sie zu dem wichtigsten öffentlichen Forum geworden, für das er arbeitet und das seine Existenz weitgehend mitbestimmt. Aber auch das lebendige Interesse an historischer Kunst wird durch sie wesentlich gefördert. Die Kunstausstellungen demonstrieren und interpretieren heute kunstgeschichtliche Zusammenhänge und Phänomene in allgemeinen und speziellen Fragestellungen bereits in einem derartigen Maße, daß die bisher noch vorherrschende Bildungsfunktion der Museen und öffentlichen Sammlungen durch das stets aktuell empfindende und schnell reagierende Ausstellungsleben überspielt wird. Viele Museen verfügen gegenwärtig über eine buntflimmernde Außenhaut von rasch aufeinanderfolgenden Ausstellungen zeitgenössischer und historischer Kunst. Sie sind es vor allem, die das öffentliche Interesse bestimmen. An ihnen orientieren sich auch die Fachgelehrten, Kritiker und Kunstliebhaber. Ihr begrenztes Programm bietet oft weit verstreutes und vielfach in Privatbesitz verborgenes Material und erleichtert so Information und Studium und die bequeme und rasche Aneignung spezieller Bildungskomplexe. Innerhalb dieser Entwicklung zeichnen sich Gefahren ab. Die Kunststätten beginnen sich in Betriebe zu verwandeln, deren aktuelle Bedeutung und Publizität bereits vielfach an dem Grad der Ausstellungsintensität gemessen wird. Das Ausstellungsleben entwickelt sich gegenwärtig zum bedenklichen Symptom einer perfektionierten und global funktionierenden Kulturindustrie. Es stellt sich häufig in den Dienst kulturpolitischer Prestigefragen, der Propaganda, auch des Fremdenverkehrs, und vermittelt vielfach wie andere Erscheinungen des Kulturkonsums gesteuerte Kunstmoden und Kulturleitbilder an ein Publikum, das oft genug keinen anderen Kontakt mehr zum künstlerischen Leben als den über die Ausstellungen besitzt. Auch für die ausgestellten Objekte zeigen sich Gefahren. Der häufige Transport der Bildwerke von Ausstellung zu Ausstellung bedroht

2

Einleitung

ihre Lebensdauer, läßt oft seit langer Zeit bestehende Bindungsverhältnisse an Sammlungen und Museen und Funktionszusammenhänge in Kirchenschätzen und Kulträumen zum Zwecke einseitiger Demonstration und Repräsentation außer acht, um den sensationellen Schauwert, den ästhetischen Charakter oder die historische Stellung der Schaustücke als bestimmende Faktoren hervorzukehren. Die für das Kunstleben der Gegenwart charakteristische Macht und Wirkung der Kunstausstellung wäre nicht gegeben, wenn sich nicht elementare Kräfte und Bedürfnisse des menschlichen Kultur- und Bildungsbewußtseins in einer spezifischen Ausprägung in ihr verkörperten. Die Zusammenführung von Kunst und Künstler einerseits und dem Kunstinteressierten, Bildungsbeflissenen und Sensationshungrigen andererseits auf dem Forum der Ausstellung deutet darauf hin, daß beide Kräftegruppen in keinem festen und selbstverständlichen Bindungsverhältnis zueinander stehen, sondern daß sie eines Dritten, einer gemeinsamen Ebene bedürfen, einer neutralen Kontaktstelle, die die wechselseitigen Anliegen wahrzunehmen imstande ist. Das gilt im besonderen für die Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Aber auch die Demonstration älterer Kunst und die Darstellung kunsthistorischer Zusammenhänge, unter welchen Leitgedanken sie auch immer erfolgen mögen, sind Symptome dafür, daß sich ihre Werke ebenfalls weitgehend außerhalb eines lebendigen, unmittelbaren Beziehungssystems befinden, in das sie einst vielfach eingebunden waren. In dieser Erscheinung wird deutlich, daß die Kunstausstellung nicht einfach eine äußerliche und damit belanglose Organisationsform innerhalb des Kunstlebens darstellt, sondern daß sie ein wirkender Faktor des sozialen Zusammenhanges der Kunst ist, der auch auf ihre Entwicklung Einfluß ausübt. Die Kunstgeschichte hat sich bisher allerdings nur am Rande mit den Erscheinungen des Ausstellungslebens befaßt. Sie gebraucht die Ausstellungen älterer Kunst als Demonstrationsmöglichkeit historischer Tatbestände und Zusammenhänge, als Gelegenheiten zu wissenschaftlicher Diskussion und Arbeit und verwertet die der zeitgenössischen Kunst zur kritischen Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Entwicklungstendenzen und als Quellenmaterialien für eine zukünftige Geschichtsschreibung. Das Wissenschaftsinteresse richtet sich damit naturgemäß auf die ausgestellten Kunstzeugnisse und ihre Urheber und nur dort, wo Ausstellungen selbst Symptome für Entwicklungsveränderungen oder bestimmte Stilsituationen sind, auf die Unternehmen als Ganzes. Bei dieser vielfach einseitigen Auswertung der in den Kunstausstellungen dargebotenen Materialien wird übersehen, daß auch der Schauzusammenhang eine festgeprägte Gestalt besitzt, die als bedeutende Ausdrucksform des Verhältnisses der Kunst zur Gesellschaft und ihren Wertvorstellungen und ästhetischen Anschauungen über eine eigene Gesetzlichkeit und Entwicklung verfügt. Die Geschichte der Kunstausstellung ist bisher noch nicht geschrieben. Die Problematik des Ausstellungswesens ist in der vorliegenden Literatur verschiedentlich von Grenzbereichen angeschnitten worden. Besonders im späten

Einleitung

3

19. Jahrhundert wurde versucht, ausgehend von der Großform der Weltausstellung, die wirtschaftliche Natur des Ausstellungswesens allgemein zu fassen und die bei den aktuellen Erscheinungen auftretenden Fragen der Form, Organisation und Rentabilität zu lösen. Von diesen zum Teil umfangreichen Beiträgen zum Ausstellungsproblem besitzen lediglich die Untersuchungen von Alfons P A Q U E T 1 eigenen Wert. Vom Standpunkt des Wirtschaftspsychologen wird erstmalig versucht, die Grundkräfte, die das Ausstellungswesen bestimmen, als sachliche Größen im einzelnen näher zu kennzeichnen und damit die Gesamtform als einen sinnvollen Eigenorganismus spezifischer Kräfte anzusehen, die in ihrem ökonomischen Verhältnis zueinander die Ausstellung zu einer Vermitdungsform werden lassen, die in vielfältiger Zweckbindung als «niedere» und «höhere» Form bestimmten Bedürfnissen der menschlichen Gesellschaft Ausdruck verleiht. Paquet geht aber nicht auf die historische Entwicklung des Ausstellungswesens ein. Die gesonderte Betrachtung der geschichtlichen Formen nun vor allem der Kunstausstellung erfolgt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die französische Kultur- und Kunstgeschichte. Sie setzt mit dem Aufsatz eines unbekannten Autors in dem Pariser Magazin Pittoresque von 1834 ein, der eine erste kurze, im historischen Empfinden durchaus richtige, wenn auch in den Einzelheiten phantastische Gesamtüberschau von der Antike bis zum 18. Jahrhundert gibt 2 . Bezeichnend ist der Anlaß dieser noch unvollkommenen Arbeit, nämlich die Ausstellung der Pariser Kunstakademie desselben Jahres, die die Frage nach dem historischen Werden dieser Form weckt. So sind nun viele der folgenden Arbeiten seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem Interesse an der geschichtlichen Entwicklung der aktuellen und so eigenmächtigen Gestalt der Pariser Kunstausstellungen bestimmt, auf denen damals die erbitterten Kunstkämpfe ausgefochten wurden. Zu dieser Zeit wird die Geschichte der Pariser Salons geschrieben und bis in die Anfänge der Akademieausstellungen im ausgehenden 17. Jahrhundert zurückverfolgt. Allgemeinere Berührungspunkte zur Kunstausstellung ergeben sich in den Untersuchungen zur Geschichte des Kunstmarktes und des Kunsthandels, der Sammlungsgeschichte und den wenigen Arbeiten zur Soziologie der Kunst. Neue Bereiche des geschichtlichen Vorfeldes hat besonders Hanns F L O E R K E 3 erschlossen. Der erste umfassende Beitrag zur Geschichte der Kunstausstellung ist von Albert D R E S D N E R 4 geleistet worden. Er versucht die gesamte neuzeitliche Ent1 2

3

4

Alfons Paquet, Das Ausstellungsproblem in der Volkswirtschaft, Jena 1908. Notice historique sur les Expositions publiques des Ouvrages d'art, in: Le Magazin pittoresque 2. Paris 1834, S. 114. Hanns Floerke, Studien zur niederländischen Kunst- und Kulturgeschichte. Die Formen des Kunsthandels, des Ateliers und die Sammler in den Niederlanden vom 15.—18. Jahrhundert. München, Leipzig 1905. Albert Dresdner, Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang der Geschichte des europäischen Kunstlebens. Die Kunstkritik, ihre Geschichte und Theorie, Teil 1, München 1915, S. 319, Anm. 1: «Die Geschichte der Kunstausstellung ist m. W. bisher noch nicht

4

Einleitung

wicklung darzustellen. Aber auch für ihn bleiben die wenigen Seiten, die er summarisch, wenn auch mit guten Quellenhinweisen versehen, dem Werdegang der Ausstellung widmet, nur episodische Betrachtung innerhalb der Kunstkritik. Als einziger hat bisher der englische Autor Kenneth L U C K H U R S T 5 unternommen, die Geschichte der Ausstellung als selbständiges Ganzes zu schreiben. Da die Arbeit aber aus Anlaß der internationalen Säkulargedächtnisausstellung für die erste Weltausstellung in London 1851 verfaßt wurde, stehen naturgemäß die Erscheinungen des englischen Ausstellungslebens im Vordergrund. Das Interesse der Forschung an der Entwicklung des Ausstellungswesens ist, wie auch sonst innerhalb der Wissenschaftsgeschichte, eng mit der Absicht der lebendigen Entwicklung verbunden, und die in der Zeit wirksamen Erscheinungsformen und Tendenzen geben selbst den Anlaß zur wissenschaftlich-historischen Reflexion. So ist es nicht verwunderlich, daß der wachsende Konventionalismus des Ausstellungslebens in unserem Jahrhundert der Wissenschaft wenig Anreiz zur forschenden Durchdringung des geschichtlichen Phänomens bietet. Die großen, oftmals untereinander dramatisch gespannten Einzelunternehmungen, die im späten 19. Jahrhundert das Gesamtbild der Ausstellungstätigkeit bestimmt haben, sind von einem kontinuierlichen Strom ständig wechselnder, überschauender und spezialisierter, in Formen und Tendenzen sich vielfältig brechender Erscheinungen abgelöst worden. Die Frage nach dem Sinn dieses vom kunstinteressierten Publikum nicht mehr übersehbaren, geschweige denn zu bewältigenden Ausstellungslebens und die eingangs vermerkte Fragwürdigkeit der modernen Entwicklung geben den Anlaß, das Phänomen der Kunstausstellung in seiner Natur und in seinen geschichtlichen Entwicklungsphasen genauer zu untersuchen.

[ 4 ] im Zusammenhange dargestellt worden, was bei der Zerstreutheit des Materials sehr begreiflich ist.» 5 Kenneth Luckhurst, The Störy of Exhibitions, London 1 9 5 1 . Luckhurst gibt zunächst einen kursorischen Überblick über die Geschichte der Kunstausstellung offenbar ohne Kenntnis der Spezialliteratur und behandelt dann ausführlich die Entwicklung des englischen Ausstellungswesens (Kap. 1—6). Die folgenden Kap. 7 — 16 mit der Geschichte der Industrieund Weltausstellung bilden den Hauptteil der Arbeit. Bemerkenswert innerhalb der enzyklopädischen Veröffentlichungen die Art. «Esposizione», in: Enciclopedia Italiana, Bd. 14, Milano, Roma 1932, S. 361 — 367, u. «Esposizioni», in: Enciclopedia Universale dell'Arte, Bd. 5, Venezia, Roma 1958, Sp. 42 — 54 u. T a y . 21 — 28.

I

ZUR

BEGRIFFSBESTIMMUNG

Die Kunstausstellung ist ein zeitlich begrenzter und örtlich nicht gebundener Schauzusammenhang von Kunstgegenständen, der, nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt, zu einem besonderen Zweck oder aus einem gegebenen Anlaß gezeigt wird. Diese Definition enthält alle Grundeigenschaften, die den verschiedenen Erscheinungsformen der Schaustellung von Kunstgut gemeinsam sind. Die temporäre Begrenzung, die örtliche Beweglichkeit, die einmalige Auswahl, die Zweckbindung oder der gegebene Anlaß heben die Kunstausstellung zugleich von allen anderen Formen der Anhäufung von Kunstwerken und des Sammlungsund Museumswesens ab. Die Kirchenschätze, Kunstsammlungen und Museen sind örtlich gebunden. Sie verkörpern Besitzverhältnisse, die sich wohl im Laufe der Geschichte wandeln oder auflösen können, aber damit zugleich Veränderung oder Ende eines ursprünglich festen Zusammenhanges bedeuten. Das Wesen der Kunstausstellung erfüllt sich in ihrer Schaubarkeit. Darin unterscheidet sie sich von anderen Ausstellungsmöglichkeiten, die die Schaustellung von Gegenständen lediglich dazu benutzen, um diese bekannt zu machen, während sich die eigentliche Natur des Ausstellungsgutes erst im Verbrauch, in der Nutzung und praktischen Anwendung offenbart. Der «Sehens- oder Schauwert» gibt nur die Kontaktvermitdung zum Interessenten und steht neben dem sonstigen Wert und den Eigenschaften der Objekte 6 . Für die Werke der bildenden Kunst ist die variable und zeitlich begrenzte Schaustellung nur eine Möglichkeit, die neben der festen Aufstellving besteht. 6

A . Paquet 1908, S. 4. A n anderer Stelle (S. 17 f.) sieht Paquet das Wesen der Ausstellung in einem «Zur Schaustellen v o n Gegenständen zum Z w e c k e des allgemeinen Bekanntwerdens bestimmter, mittels dieser Objektivierung zutage tretender Eigenschaften am Ausstellungsgegenstande selbst, oder bestimmter nach dessen Beschaffenheit zu beurteilender Fähigkeiten seines Ausstellers.» Diese allgemein gehaltene Definition wird später (S. 21) weiter präzisiert: « . . . in wirtschaftlicher Beziehung ist . . . die Aussteilbarkeit dort am größten, w o der Gegenstand ohne Änderung seiner äußeren Form aus seinem Ausstellungszustand herausgenommen werden kann, z. B. völlige Kongruenz zwischen den Begriffen Ausstellungsgegenstand und marktgängige Ware.» Schließlich ist Paquet (S. 116) der Ansicht, daß in der „Kategorie der Spezialausstellungen» die Kunstausstellungen eine «dominierende Rolle» spielen. «In keiner Kategorie . . . finden sich die simultanen Eigenschaften spezieller O b j e k t e auffälliger vereint, zugleich Ware, Bildungsmittel und reines Schauobjekt zu sein.»

6

Z u r Begriffsbestimmung

Überall dort, wo das Kunstwerk als funktionierendes Glied in einem Ortszusammenhang, etwa im Dienste der Architektur oder Raumdekoration, oder in einer festen kultischen Bindung auftritt, ist es im allgemeinen an seinen gemäßen Standort gebunden. Ausstellbar dagegen wird das Kunstwerk dort, wo es in keinem unmittelbaren Funktionszusammenhang steht, wo es variabel in seiner Existenz und mehrdeutig in seinen Bindungsmöglichkeiten ist, wo es als autonome Selbstäußerung des Künstlers oder als Warenprodukt auftritt. Unabhängig von der geschichtlichen Entwicklung liegen in der Natur des Kunstwerkes die beiden Möglichkeiten der ortsfesten, permanenten Aufstellung und der variablen, temporären Schaustellung begründet 7 . Die temporäre Schaustellung ist im Gegensatz zur festen Aufstellung innerhalb der Lebensgeschichte des Kunstwerkes nur eine Episode, eine Zwischenlösung, die sich vielfältig wiederholen kann, aber nie zu andauernden Bindungsverhältnissen führt 8 . Die Ausstellung erweist sich als eine Vermittlungsform für bestimmte Werte und Eigenheiten, die vom Ausstellungszusammenhang am Einzelwerk angesprochen werden. Die einfachste Möglichkeit ist die der Verkaufsausstellung, die besonders häufig für zeitgenössische Kunst zutreffen kann, auch für Werke, die außerhalb fester Auftragsverhältnisse geschaffen sind oder ihre Eigentümer wechseln. Die Ausstellungsobjekte werden in einem neutralen Bereich zwischen Künstler, Mittler oder Eigentümer und dem interessierten Publikum angeboten und gewissermaßen auf ihren Warencharakter reduziert. Die Formen und die Entwicklung der Verkaufsausstellung hängen eng mit der Geschichte des Kunsthandels und der Marktwirtschaft zusammen. Die in der Verkaufsausstellung zur Schau gestellten Kunstwerke zeigen nun jedoch einen anderen Charakter als die sonst üblichen Verkaufsprodukte. Sie tragen ein eigenes geistiges Gesicht, das sich in Inhalt und Darstellung, in der Bildgestalt und ihrer Aussage darbietet und sich dem Betrachter, dem Interessenten oder dem 7

8

Grenzverwischungen ergeben sich innerhalb der Kunstausstellung bei der Schaustellung v o n Reliquien, bei Prozessionen und Festdekorationen, bei denen aus ortsfesten, permanenten Bezügen Kunstwerke zu besonderen Anlässen für eine bestimmte Zeit beweglich gemacht werden. E i n in der Erscheinung ähnlicher V o r g a n g bei Sonderausstellungen v o n Museumsgut oder Leihgaben aus öffentlichem oder privatem Besitz, auch bei der Zerstörung ortsfester, permanenter Zusammenhänge und der folgenden Schaustellung der entfremdeten Werke. D i e Lebensgeschichte vieler Gemälde und Bildwerke weist neben dem Wechsel ihrer Besitzverhältnisse häufig Ausstellungsepisoden auf. Sie sind bis zum späten 19. Jahrhundert noch verhältnismäßig selten, häufen sich dann aber, vor allem seit den letzten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts. Leider fehlen bisher statistische Untersuchungen der Ausstellungsfrequenzen einzelner Werke. Sie würden zeigen, daß historisches Kunstgut nicht gleichmäßig ausstellungswürdig erscheint, sondern daß außer Fragen der Qualität besonders der Wandel des Zeitgeschmacks in einer gemäßen Aktualisierung entsprechender Tendenzen bei der Auswahl des Ausstellungsgutes Resonanz findet. A u c h kulturpolitische Gründe und sensationelle Einfälle können die plötzlich auftretende Ausstellungsaktualität einzelner Werke oder Kunstgruppen bewirken. Diese Aktualitäts- und Geschmackswellen strapazieren häufig einzelne Schaustücke, weil sie unter der Legitimation verschiedenartigster Fragestellungen v o n Ausstellung zu Ausstellung verschickt werden.

Zur Begriffsbestimmung

7

Käufer unmittelbar als Schauwert offenbart. Die Kunstausstellung wird dadurch bereits auf dieser Ebene zu einer geistigen Potenz, die sich innerhalb des Schauzusammenhanges in vielen Einzelaussagen bricht, die ihrerseits nach Belieben in die individuelle Zwiesprache mit ihren Betrachtern treten können. Damit übt die Kunstausstellung eine ästhetische Wirkung aus, die ihr je nach der Art der Zusammensetzung der Schauobjekte bestimmte bildende, erziehende oder repräsentierende Aufgaben zuweisen kann. Diese «höheren» Wirkungsmöglichkeiten liegen bereits in der Verkaufsausstellung begründet. Sie können nach der Absicht der Veranstalter nun betont oder isoliert werden, so daß der Charakter des Kunstwerkes, besonders bei der Darbietung historischer Kunst, bei Sachzusammenhängen und Oeuvre-Ausstellungen einzelner Künstler, durch die Hervorkehrung einer bestimmten geistigen Aussage interpretiert wird. Die so gewonnene autonome Repräsentationsgestalt der Kunstausstellung braucht sich jedoch nicht aus der Verkaufsausstellung zu entwickeln. Sie kann sich unmittelbar aus anderen fest bestehenden oder kultisch bedingten Anhäufungen von Kunstgut, aus Sammlungszusammenhängen oder aus Kult- und Festformen ergeben. Bei diesen Möglichkeiten wird gewaltsam, in freiem oder kultisch begründetem Entschluß das Kunstwerk für eine bestimmte Zeit in ein Ausstellungsensemble überführt. Dieser eigene Zusammenhang kann in der Prozession, in der Reliquienausstellung oder der Festdekoration ebenso wie in der musealen Sonderausstellung eine spezifische Seite fester Bindungsverhältnisse temporär festlich herausgehoben darstellen, sich andererseits aber auch ohne weitere Bezüge in eigener Gestalt äußern. Alle diese prinzipiell bezeichneten Möglichkeiten brechen und vermengen sich innerhalb der geschichtlichen Entwicklung in vielfältiger Weise. Sie führen insgesamt weit über die herrschenden Vorstellungen von der Kunstausstellung hinaus und bestehen grundsätzlich, seitdem innerhalb der Menschheitsgeschichte von künstlerischem Schaffen gesprochen werden kann. Die zeitlich begrenzte Schaustellung liegt ebenso in der Natur des Kunstwerkes und seiner gesellschaftlichen Sinnbindung begründet wie die feste Aufstellung. Jede episodische Darbietung von Kunstgut besitzt damit Ausstellungscharakter, gleichgültig, ob es sich um die in ihrer Gestalt nur schwer faßbaren Formen primitiven Tauschoder Markthandels, ob um ausgeprägten Zeremonial- und Kultgebrauch von Kunst handelt, oder um autonome Schaustellungen, wie sie sich vornehmlich in der neuzeitlichen Kunstentwicklung herausgebildet haben. Die Kennzeichnung der Ausstellung als eine «Vermittlungsform» oder als «Zwischenlösung» für die Kunstwerke sagt lediglich etwas über die begrenzte Dauer und über die mangelnde Möglichkeit beständiger Bindungsverhältnisse aus. Für die Dauer der Veranstaltung werden die Ausstellungsobjekte jedoch in einen eigenen Schauzusammenhang überführt, der sich in seinen vielfältigen Erscheinungsformen stets als ein Eigenorganismus von durchaus selbständiger Wirksamkeit zeigt. Das Kunstwerk bietet innerhalb des Ausstellungszusammenhanges rückhaltlos seine

8

Zur Begriffsbestimmung

Gestalt und sein Wesen dar. Seine unmittelbare Wirkungskraft kann durch ungeschickte und massierte Aufstellung beeinträchtigt werden, sie kann sich später vielleicht im festen Ortsbezug als Einzelgröße oder in einem eigens gebildeten Ordnungsgefüge besonders steigern, aber dennoch wird weder die Minderung noch die Steigerung seiner Wirksamkeit zu einer Verkennung seines Eigenwertes oder zur Entdeckung völlig neuer Wesenszüge führen. Dieses bewußte Rechnen mit dem Schauwert des ausgestellten Kunstwerkes bedeutet die Hervorkehrung eines Zuges, der nicht immer der ausschließliche ist. Das Bildwerk als Sinnbild und Teil eines übergeordneten Bedeutungszusammenhanges besitzt für die Kunstausstellung verhältnismäßig geringen Wert, da es keiner Schaustellung bedarf, um diesen Wesenszug zu zeigen. Er besteht auch, ohne daß er als Erscheinung wahrgenommen werden muß 9 . Demzufolge rechnet die Kunstausstellung im allgemeinen mit der optisch sich erschließenden Wirkung des Kunstwerkes. Sie setzt schließlich einen im Ästhetischen begründeten Kunstbegriff ebenso voraus wie die Autonomie des künstlerischen Schaffens. Mit dieser sich besonders in der Neuzeit entwickelnden Ausschließlichkeit der Schauwirkung wird die Kunstausstellung zu einem Forum für die Kunstkritik, für die bewußte Auseinandersetzung mit den in ihren zur Schau gestellten Werken sichtbar vertretenen Kunstanschauungen, Handschriften und Richtungen, die sich unter dem Einfluß der Veranstalter in gelenkten Bahnen oder im Gegensinne als sezessionistische und revolutionäre Erscheinungen äußern können. In diesen Möglichkeiten liegt zugleich die Gefahr des Ausstellungskonfliktes. Durch die jurierende Auswahl der ausstellenden Organe können bestimmte Künstler und Kunstauffassungen gefördert und andere unterdrückt werden. In ähnlicher Weise kann auch das Ausstellungspublikum durch sein anerkennendes oder ablehnendes Urteil wesentlichen Einfluß auf das Tagesgesicht der Kunstentwicklung gewinnen. Alle Formen der Kunstdiskussion, der Polemik, der Kunstpolitik und der Erziehung können durch die Ausstellung besonders begünstigt werden. Sie muß deshalb in den Zeiten, in denen die Künstler durch ihre Schaffens9

Daß der Bedeutungswert für gewisse Formen kultischer Schaustellung, besonders der Prozession und Heiltumsausstellung, vor dem ästhetischen maßgebend sein kann, wird damit nicht bestritten. Hier zeigt sich der übergeordnete Bedeutungszusammenhang immer in der Einbindung in einen kultischen Rahmen an, durch den das zur Schau gestellte Objekt erst seinen eigentlichen Wert offenbart. In anderer Weise wird etwa in den ersten Ausstellungen der Académie royale de Peinture et Sculpture in Paris durch das Hineinsetzen des Thronsessels auf einem Podest unter einem Baldachin und der Ausschmückung der umgebenden Wände mit den Bildnissen der Königsfamilie und der Staatsminister ein Bedeutungsrahmen geschaffen, der die Ausstellung in den Staatskult einbezieht. J a überall, wo die Ausstellung als «Kultform» auch in säkularisierter Gestalt auftritt, wird ihr Zusammenhang in eine übergeordnete Bedeutung überführt, in der das Schaubild die sinnlich erlebbare Repräsentanz des Ereignisses darstellt. Jedoch gilt für alle neuzeitlichen Ausstellungsformen der Schauwert als der primäre, als derjenige, der unmittelbar ästhetisch erlebt wird. In den mittelalterlichen Schaustellungsformen ist dagegen der Schauwert von dem Bedeutungswert überlagert.

Zur Begriffsbestimmung

9

autonomie gezwungen sind, sich dieser Vermittlungspraxis zu bedienen, vor allem seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, zu einer eigenen Macht werden, die häufig das Schicksal von Kunstrichtungen und Künstlerexistenzen bestimmt. Nicht anders begünstigt die autonome Form der Kunstausstellung auch die fachwissenschaftliche Bildungs- und Forschungsarbeit, wenn sie weit verstreutes historisches Kunstgut unter den verschiedensten Gesichtspunkten und speziellen Problemstellungen in einem Ausstellungsunternehmen vereinigt. Diese einführenden Beobachtungen zeigen bereits, daß die Kunstausstellung nicht nur eine Organisationsform ist, die lediglich Kunstwerke unter bestimmten Voraussetzungen für eine gewisse Zeit an einem Ort zusammenträgt. Sie bedient sich vielmehr der in der Natur des Kunstwerkes liegenden optischen Erkennbarkeit, um in einem organischen Schauzusammenhang an Einzelwerken oder an einem Gesamtbild spezifische Züge in bewußter Absicht zur Geltung zu bringen. Die Gesamtordnung wird zu einer Repräsentationsform, die das Ausstellungsobjekt seines besonderen Einzelwertes bis zu einem gewissen Grade enthebt und ihm als einem Glied des Zusammenhangs für die Dauer der Ausstellung einen eigenen Wert verleiht. Dieser «Ausstellungswert» des Kunstwerkes braucht nicht notwendig mit seinem ursprünglichen, bestehenden oder zukünftigen festen Bindungswert identisch zu sein, sondern kann unter dem Leitgedanken der Ausstellung eine besondere Aufgabe besitzen. Damit ist die so flüchtige Gestalt der Kunstausstellung trotz ihres nur vermittelnden Charakters eine eigene Ausdrucksform von künstlerischen Bindungsverhältnissen, die die Fähigkeit besitzt, in ihrem Dienste dem Kunstwerk vorübergehend die Möglichkeit einer besonderen Eigenentfaltung und Sinngebung zu gewähren.

II VOR- UND F R Ü H F O R M E N DER K U N S T A U S S T E L L U N G i. Vorbemerkung Die in der Neuzeit geläufigen Formen der Kunstausstellung entwickeln sich aus verschiedenartigen Voraussetzungen und Vorstufen. Die Schaustellung von Kunstgut auf dem Markte und in den Werkstätten und später der Kunsthandel mit seinen Ausstellungsgelegenheiten bilden sich seit dem 15. Jahrhundert als notwendige Vermittlungspraktiken innerhalb des zunehmend freieren Verhältnisses von Künstler und Publikum aus. Sie haben ihre Voraussetzung in der Auflösung der festen Ordnung und Auftragsbindung des mittelalterlichen Kunstbetriebes durch die wachsende Bedeutung des städtischen Wirtschaftslebens, durch die zünftige Organisation der Kunstwerkstätten und durch den neuen Besitz- und Bildungsanspruch des sich emanzipierenden Bürgertums, das zunächst dem gegebenen Vorbild von Kirche und Adel nacheifernd seinen wachsenden Reichtum zum Teil zu frommen Stiftungen und dann auch zur künstlerischen Bereicherung der eigenen Lebenssphäre verwendet. Diesem sich vielfältig entfaltenden Privatinteresse an Kunst entspricht eine neue Vielfalt des künstlerischen Schaffens. Der Künstler beginnt allmählich im individuellen Lebensmaß unabhängiger vom Auftrag zu arbeiten und mit der neuen Fülle seiner Eigenwelt und Vorstellungskraft auf die verschiedenartigen und wechselnden Bildungsanliegen und Repräsentationsbedürfnisse seiner Mitmenschen zu reagieren. Im begrenzten Rahmen des städtischen Lebens und seiner Wirtschaftsformen wird das Kunstgut zur Ware, die zum Teil bereits im freien Angebot feilgeboten und gehandelt wird. Doch bestehen neben dem Markt und Kunsthandel noch andere Gelegenheiten zur Schaustellung von Kunst, die sich aus Kult- und Repräsentationsformen des Gemeinschaftslebens entwickeln. Sie reichen von der temporären Zeigung kultischer Gegenstände im liturgischen Zusammenhang gottesdienstlicher Handlungen und kirchlicher Feste bis zur Darbietung von Kunst im Rahmen des weltlichen Zeremonial- und Repräsentationsbrauchtums. Diese beiden Voraussetzungen der Kunstausstellung in der kommerziellen Schaustellung von Kunstware und in der Dekoration festlicher sakraler und weltlicher Ereignisse lassen sich weit in die Frühzeit der Geschichte zurück-

Vorbemerkung

II

verfolgen. Sie umfassen die Zeigung von Götterbildern und kunstvollen Gerätschaften in der Kultprozession und sakralen Handlung, die machtvolle Demonstration erbeuteter Kostbarkeiten durch den siegreichen Herrscher und die Tributprozession zu Füßen des Mächtigen ebenso wie jene anderen Möglichkeiten der Schaustellung, die zunächst im einfachen Tauschhandel Waren und Schmuckzeug dem Partner zur Besichtigung anbieten und später dann in spezialisierter Marktordnung Kunstprodukte aller Art zum Verkauf ausstellen. Wenn in den folgenden Betrachtungen nicht diese Urgründe zu erforschen gesucht werden, sondern der Einsatzpunkt weit höher in den geschichtlichen Prozeß verlegt wird, so sollen doch damit nicht die vom Ursprung an wirksamen elementaren Kräfte jeder Schaustellung, Anreiz und Lockung, Bereitung für das Auge, genießerisches Schauen, Begehren und Erwerben, Ehrfurcht vor dem vielleicht nur einmal Erblickten und Sensationslust im Trubel des kometenhaft erscheinenden Ereignisses, nicht geleugnet werden. Im Gegenteil bestimmen diese Grundkräfte, oft in komplizierter Verkleidung, bis zum heutigen Tage das Ausstellungswesen. Aber die eindeutig fixierbaren Ansätze der neuzeitlichen Entwicklung der Ausstellungsformen stellen die Frage nach den möglichen Vorformen präziser. Sie sucht ihren Ausgangspunkt vom Kunstwerk und seiner im Ästhetischen sich gründenden Macht und Wirkung. Damit wird bereits die einleitend getroffene Feststellung, daß jede episodische Darbietung von Kunstgut Ausstellungscharakter besitzt, eingeschränkt. Sie muß für den Ablauf der geschichtlichen Entwicklung aber noch weiter begrenzt werden. Von den ungezählten Möglichkeiten episodischer Schaustellung werden nur diejenigen in die Betrachtung einbezogen, in denen das ausgestellte Werk als Schauobjekt erscheint, das dem Betrachter in einer dem Gegenstand gemäßen Ausstellungstechnik mit der Aufgabe vor Augen geführt wird, das spezifische Wesen des Werkes entweder unmittelbar ästhetisch oder mittelbar als innewohnenden Bedeutungswert oder als Heilskraft zu repräsentieren. Damit werden alle diejenigen Schaustellungen aus der weiteren Betrachtung ausgeschieden, die teils als Dekorationen ad hoc geschaffen und nach Gebrauch wieder vernichtet worden sind, und die teils als Kultausstattung zu besonderen Ereignissen immer wieder im gleichen Rahmen erscheinen10. Bei diesen Möglichkeiten ist der einzelne Kunstgegenstand nur im Rahmen der Gesamtausschmückung sinnvoll und bleibt ein Mittel zur Darstellung außerkünstlerischer Wirkungsabsichten. Diese zunächst schematische Ausgrenzung läßt sich jedoch innerhalb der Geschichte der Kunstausstellung nicht streng einhalten. Jede Wandlung in der Auffassung der Kunst bewirkt eine Veränderung ihrer Funktion und ihres Gebrauchs und ihrer Sinnbindung innerhalb der Gesellschaft. Entsprechend wandelt sich im Rahmen der episodischen Schaustellung

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Das betrifft vor allem Festdekorationen, Schaugepränge, Prozessionsapparate, Fahnen- und Feldzeichen, Prunkbuffets und Tafelschmuck, Zeremonial- und Kultausstattung, liturgische Gerätschaften usw.

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auch Funktion und Auffassung von den Schaugegenständen. Auch in der Ausstellung kann das Kunstwerk nur zu der Zeit als ästhetischer Gegenstand dargeboten und bewertet werden, in der die Kunst selbst als Realisation künstlerischer Prinzipien geschaffen und verstanden wird. Solange die Kunst, wie etwa vor allem im Mittelalter, die sichtbare Verkörperung von theologischen Ordnungsprinzipien und Heilstatsachen darstellt, muß auch die Schaustellung dem einzelnen Gegenstand entsprechende Funktion und Bedeutung zuweisen. Aus den dargelegten Schwierigkeiten, die Erscheinung der Kunstausstellung innerhalb der geschichtlichen Entwicklung aus der Vielzahl der Möglichkeiten episodischer Schaustellung eindeutig auszugrenzen, wird in den folgenden Untersuchungen zwischen den Vor- und Frühformen und den autonomen Formen der Kunstausstellung unterschieden. Außerdem werden nur diejenigen näher betrachtet, in denen sich stilistische Eigenmerkmale zeigen. Eine Stilgeschichte des Ausstellungswesens ist nicht anders als eine Stilgeschichte der Kunst die Abstraktion der bestimmenden Erscheinungs- und Entwicklungsträger aus dem vielschichtigen lebendigen Wandlungsprozeß der Geschichte. Diese Stilgeschichte der Kunstausstellung beschränkt sich auf die europäischen Erscheinungen und setzt im klassischen Altertum ein.

2. Kunsthandel und Verkaufsausstellung in Griechenland und R o m 1 1

Der einfache Verkaufsstand auf dem Markt ist in seiner zeitlosen Gestalt eine der Keimzellen des Ausstellungswesens. Tonwaren, Metallgeräte und Schmuck, denen erst die spätere museale Sammlung die Bezeichnung «Kunstwerk» gegeben hat, sind seit der Entfaltung des Markthandels in den Hochkulturen des Altertums die formlos zum Verkauf ausgestellten Gegenstände. Im 10. bis 7. Jahrhundert v. Chr. vermitteln die Phöniker auf ihren Handelsmärkten ägyptische Skarabäen, kunstvoll bemalte Tonwaren und Elfenbeinschnitzereien nach Griechenland und Cypern. Mit der zunehmenden Tonwarenproduktion in Griechenland seit der Zeit des spätgeometrischen Stils entwickelt sich besonders von Korinth aus im 8. und 7. Jahrhundert ein umfangreicher Binnen- und Exporthandel mit griechischen Gefäßen, der sich bald über den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt. Ebenso werden Bronzegeräte, Luxusartikel und Schmuck 11

Abschnitt 2. u. 3. in kürzerer Form veröffentlicht: Georg Friedrich Koch, Kunstausstellungen in der Antike. Ein Beitr. z. Frühgesch. d. Ausstellungswesens. Gottfried von Lücken zum 70. Geburtstag. In: Wiss. Zeitschr. d. Universität Rostock, 3. 1954, Gesellschaftswiss.u. sprachwiss. Reihe, H. 2, S. 145—54.

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gehandelt 12 . Der Markt selbst wird nach Verkaufssparten eingeteilt 13 : Metallund Eisenmarkt, Trödlermarkt usw. Im 5 ./4. Jahrhundert v. Chr. lassen sich unter den über achtzig spezialisierten Händlerbezeichnungen «der Händler mit Bronzewaren, der Topfverkäufer, der Händler mit Goldandenken und der Bilderhändler» feststellen 14 . V o n den Töpfern sondern sich zur gleichen Zeit die Hersteller von Terrakotten, Spielsachen und Weihgeschenken aus T o n und Wachs ab 1 5 . Diese nur kursorisch angedeutete Ausweitung und Spezialisierung des Markthandels seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. beschränkt sich zumeist auf das kleine und bewegliche Kunstgut. Die monumentalen Werke der Plastik und Malerei sind im wesentlichen bis zur Zeit des Hellenismus an den Auftrag gebunden und als Stiftungen und Weihgeschenke von öffentlicher und privater Hand für feste Ortsbezüge bestimmt. Kleinkunst wird dagegen vielfach im freien Handel vertrieben, ohne deshalb Gebrauchsware zu sein. V o r allem die bildgeschmückten Tonvasen und Metallgefäße sind Kostbarkeiten, die häufig auch als Kultgeräte und Weihgeschenke Verwendung finden. Die erhaltenen Bildvasen zeigen keine Gebrauchsspuren, ihre Meister sind vielfach Künstler von hohem Rang, die nach

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Fritz M. Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums, 2 Bde., Leiden 1938, Bd. 1, S. 233, 243f., 323f.

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Nach den Perserkriegen entsteht im Piräus eigens ein festes Gebäude, Deigma genannt, in dem als einer Art Warenmesse ständig Muster und Warenproben zur Ausstellung gelangen. Deigmata sind aus Zeugnissen des 3. Jhs. in Olbia und Rhodos sicher nachzuweisen, werden sich aber vermutlich auch in anderen Handelsmetropolen befunden haben. Da diese Orte dem Großhandel dienten, werden hauptsächlich Verbrauchsgüter angeboten worden sein. Vgl. Art. Aeiyna, in: Pauly-Wissowa, Real-Encyclopädie der class. Altertumswissenschaft, Bd. 4, Stuttgart 1901, Sp. 2383 t. Walter Judeich, Topografie von Athen. Hdb. d. Altertumswiss. 3, II, Bd. 2, München 1931, S. 448 t. W. Judeich 1931, S. 358: Die Kauftische wurden xúxXoi, axr)vat, xXival, xpAirr^ai genannt. Feste Markthallen in Athen erst nach der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. Die Händler bedienen sich meist Brettergerüsten, auf denen sie ihre Ware ausstellen. Sie selbst sitzen unter einem Sonnenschirm. Curt Wachsmuth, Die Stadt Athen im Alterthum, 2. Bde. Leipzig 1874 u. 1890, Bd., 2, S. 461. Fritz M. Heichelheim, 1. 1938, S. 346. Erich Bethe, Pollucis Onomasticon (Lexicographi Graeci) Fase. Posterior, Lib. 6—10 cont., Leipzig 1931, S. 106 (VII, 197): «JtivaxojiwXei . . . ov (lóvov xoiig nlvaxag Jiutpáaxovxag áXXá xal TOU5 o {mg, 5 Q jt(io\jxtÖT)aav ijil niváxcov xepa(té(ov. xoúxoug 6*ópvi0oxaJií|Xot)g xQÍxiag xaXet.» Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, 6. Aufl. (W. Kranz), Bd. 2, Berlin 19J2, S. 399 (Kritias 70). Zu den Pinakes vgl. Andreas Rumpf, Malerei und Zeichnung. Hdb. d. Archäologie, 6. Lief. München 1953, S. 44ff., mit ausführlichen Quellenangaben. In Korinth neben Vasen auch Tonpinakes, Weihetäfelchen vor allem mit der Darstellung von Poseidon, teils mit Amphitrite. Einige aus dem 6. Jh., die Hauptmasse später. Holzpinakes bei Pitsa gefunden, größeres Format. Reihe großer Pinakes von Exekias, um Mitte 6. Jh. (43 x 37 cm), die einem Grabbau angehörten. Unter den Tonpinakes, die bei Pendeskufia gefunden wurden, befinden sich solche mit Schilderungen vom Handwerk und der Schiffahrt. In gewissem Umfang muß ein Marktvertrieb der Pinakes angenommen werden. Fritz M. Heichelheim, 1. 1938, S. 379. Die Terrakottenhersteller hießen xopojiXaatal, xoponXaftoi.

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

dem Vorbild der Monumentalmalerei arbeiten und auch ihre Werke signieren16. Ähnliches gilt für die Pinakes, die Bildtafeln aus Ton oder Holz. Markt und Werkstatt entwickeln sich gewissermaßen zu Stätten des Kunsthandels und erziehen durch die Vielfalt des Dargebotenen den Käufer zum Kenner. Dieser Wesenszug wird in der Darstellung eines Vasenkaufs deutlich, die sich auf dem Grund einer Schale des Malers Phintias in Baltimore erhalten hat 17 (Abb. i). Sie zeigt einen Jüngling, der, vom Anblick einiger schöner Gefäße, einer Kotyle und einer schlanken Spitzamphora, in die eine Schale gesetzt ist, entzückt, sich mit lebhafter Gebärde und bereits gezogenem Geldbeutel offenbar zum Kauf verlocken läßt. Wenn auch diese Anekdote die Bildhandlung bestimmt, so wird sie doch erst wirksam in der Spannung zwischen Schauobjekt und Betrachter durch das Motiv des genießenden und begehrlichen Blickens, durch die Wahrnehmung des besonderen Reizes und des eigenen Wertes der Gefäße. Das in dieser und ähnlichen Verkaufsszenen auf Vasenbildern 18 erfaßte Wechselverhältnis von Schauobjekt und Betrachter, das den Handlungsvorgang durch den Erlebniskontakt auslöst, enthält bereits in einfacher Form die Grundkräfte, die die Schaustellung bestimmen. In kompliziertere Bereiche der ästhetischen Auseinandersetzung von Betrachter und Bildwerk führen andere Formen des griechischen Kunstlebens, die sich der Schaustellung jedoch ohne kommerzielle Absicht bedienen19. Diese Beispiele, der Künstlerwettstreit und die weniger 18

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Karl Reichold, Skizzenbuch griechischer Meister. Ein Einblick in das griechische Kunststudium auf Grund der Vasenbilder. München 1919, S. 7ff. In diesem Zusammenhang bezeichnend die allegorische Darstellung auf der rotfigurigen Hydria der Slg. Torno in Mailand, auf der die Künstler einer Werkstatt für Metallgefäße von Athena und zwei Niken bekränzt werden. Vgl. darüber Beazley, Potter and Painter in Ancient Athens. From the procedings of the British Academy, vol. XXX, London 1949, S. 11 ff., dem Leningrad-Maler zugeschrieben, um 460 v. Chr. Über die Deutung vgl. Richard Green, The Caputi Hydria, in: The Journal of Hellenic Studies 81. 1961, S. 73 ff. Dort erstmalig Fotos dieses Gefäßes. Baltimore, USA, Sammlung der Johns-Hopkins-University. Über die Darstellung vgl. Wilhelm Klein, Die griechischen Vasen mit Lieblingshandschriften, 2. Aufl. Leipzig 1898, S. 89. Die Inschrift: «GINtiAS EAPA02EN XAPIA2 KALOS.» Uber die Deutung vgl. Paul Hartwig, Die griechischen Meisterschalen der Blütezeit des strengen rotfigurigen Stils, Stuttgart, Berlin 189}, S. i72f.; Gisela M. Richter, The craft of Athenian pottery, New Häven 1923, S. 82, Abb. 8j. Nach Paul Hartwig 1893, S. 173, zeigt dieses Vasenbild in Verbindung mit anderen Gefäßdarstellungen auf Vasen «eine versteckte Aufmunterung des Produzenten zum Vasenkauf». Hinweis auf weitere Darstellungen von Vasenkäufen, die allerdings nicht so ausgeprägten Charakter besitzen, bei Paul Hartwig 1893, S. 173, Anm. 2, außerdem: Pelike des Euphronios oder Werkstatt in Rom, Vatikan. Smlg. (AA 1927, S. 71 ff. Abb. 1—2) und Fragment in Florenz 72 732 (RA 1926 I, S. 290 Abb.). Über griechische Vorläufer der seit der Renaissance besonders in Italien geläufigen «Atelierausstellungen» (vgl. S. 96 ff.) haben sich Berichte erhalten. Von dem Maler Zeuxis aus Herakleia wird erzählt, daß er für die Besichtigung seines Gemäldes der Helena Eintrittsgeld verlangt habe. Heinrich Brunn, Geschichte der griechischen Künstler, 2. Aufl., Stuttgart 1889, Bd. 2, S. 55). Die von Werner Ehlich, Bild und Rahmen im Altertum, Leipzig 1954, S. 73, an diese Anekdote geknüpfte Bemerkung, daß Zeuxis damit als «der Erfinder der

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authentisch überlieferten Atelierausstellungen und die an sie gebundenen Möglichkeiten der Urteilsfindung und Kunstkritik, zeigen deutlich, daß ein gewisses ästhetisches Verhältnis zum Kunstgegenstand vorliegt, das die weiteren Reaktionen erst ermöglicht. Nicht zufällig sind es gerade diese Formen der Schaustellung, die im Augenblick, wo zu Beginn der Neuzeit die Kunst zur autonomen [ 1 9 ] Kunstausstellungen» gelte, zeigt, mit welcher naiven Oberflächlichkeit das Problem gesehen wird. Das gleiche gilt für die Äußerung Ehlichs (S. 74 t.) über die folgende Anekdote des Apelles, den er als den ersten Begründer einer Kunsthandlung anspricht. Von Apelles berichtet Plinius (n. h. X X X V . 84, Overbeck, Schriftquellen, Nr. 1844) «idem (Apelles) perfecta opera proponebat in pergula transeuntibus atque ipse post tabulam latens vitia quae notarentur auscultabat, volgum diligentiorem iudicem quem se praeferens». Wenn auch die auf die besondere öffentliche Anerkennung des Werkes und damit auf den Ruhm seines Schöpfers gemünzte Erzählung des Aelian und die auf das Kunsturteil zugespitzte Anekdote des Plinius wohl als Andichtungen zu verstehen sind, um die in hellenistisch-römischer Zeit erfolgende Zunahme der Wertschätzung des Künstlers und der Kunst im Rahmen der Künstlerlegende auch den großen Meistern der Vergangenheit zuzubilligen, so wird man doch bereits in klassischer Zeit mit ähnlichen Geschehnissen rechnen müssen. Vgl. dazu auch Erwin Panofsky, Idea. Stud. d. Bibl. Warburg, 2. Aufl. Berlin i960, S. 6, u. Ernst Kris u. Otto Kurz, Die Legende vom Künstler, Wien 1934. Ähnlich zu verstehen ist auch die Anekdote des Atelierscherzes von Polyklet (Aelian v. h. X I V . 8, Overbeck, Schriftquellen, Nr. 977). Der Künstler stellt ein Werk nach den Ansichten und Ratschlägen seiner Besucher her, ein anderes macht er für sich allein. Bei der öffentlichen Ausstellung beider wird seines bewundert, das andere bespöttelt. Polyklet erwidert darauf, daß das Werk, das ihr tadelt, ihr gemacht habt, während das andere, das ihr bewundert, ich verfertigt habe. Vgl. auch Albert Dresdner 1915, S. 36. Bereits in klassischer Zeit findet sich der Wettbewerb mehrerer Künstler untereinander. Der Wettstreit um die Amazonenstatue für das Artemision in Ephesos zwischen Polyklet, Phidias, Kresilas und Phradmon, aus dem Polyklet als Sieger hervorgeht, ist nur ein Beispiel. E s sind noch andere überliefert. So siegt Pythagoras mit seinem delphischen Pankratiasten über Myron, Phidias über seinen jüngeren Rivalen Alkamenes mit einer Statue der Athena auf hoher Säule, die er auf Untersicht berechnet haben soll (Tsetzes Chil. VIII. 353, Overbeck, Schriftquellen, Nr. 772). Nach Plinius (n. h. X X X V I . 17, Overbeck, Schriftquellen, Nr. 834) unterliegt der Phidias-Schüler Agorakritos als Ausländer in einem Wettbewerb mit Alkamenes um eine Aphroditestatue, die er dann außerhalb Athens verkauft (Statue der Nemesis im neuen Tempel von Rhamnus. Vgl. Frank Brommer, Erhaltene griechische Standbilder und ihre Erwähnungen in der antiken Literatur, in: Gymnasium 59. 1952, H. 2, S. n 8 f . ) . Vgl. zu den Wettbewerben auch Walter Otto und Reinhard Herbig im Hdb. d. Archäol. 5. Lief. München 1950, S. 125, 1 7 1 , 184, Anm. 6, S. 188. Über die Durchführung der Wettbewerbe ist wenig bekannt. Plinius (n. h. X X X I V . 53, Overbeck, Schriftquellen, Nr. 946) berichtet über den Amazonenwettbewerb: «venere autem in certamen laudatissimi quamquam diversis aetatibus geniti, quoniam fecerant Amazonas, quae cum in templo Dianae Ephesiae dicarentur, placuit eligi probatissimam ipsorum artificum qui praesentes erant iudicio, cum apparuit, eam esse quam omnes secundam a sua quisque iudicassent; haec est Polycliti, proxuma ab ea Phidiae, tertia Cresilae, quarta Cydonis (Kresilas aus Cydonia), quinta Phradmonis.» Demnach handelt es sich nicht um einen Auftragswettbewerb, sondern um die Aufgabe an die beteiligten Bildhauer, untereinander ein Kunsturteil über ihre Arbeiten zu fällen, bei dem vorausgesetzt wird, daß jeder sein Werk für das beste hält und demzufolge das nach seinem kommende bestimmen muß. Wohl der Ungewöhnlichkeit dieses Wettkampfes verdanken wir die ausführliche Überlieferung des Vorgangs. Für die anderen Wettbewerbe läßt sich nur vermuten, daß vielleicht ein neutrales Gremium von Schiedsrichtern oder die Auftraggeber die Entscheidung über die Konkurrenzarbeiten gefällt haben dürften. In diesen Fällen wäre das Kunsturteil bereits in die Hände einer «Jury» gelegt.

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Äußerung drängt, teils in bewußter Bildungsrückbeziehung, teils aus verwandter Tendenz wieder aufgegriffen werden20. In hellenistischer und vor allem in römischer Zeit verlieren die im Handel befindlichen Klein- und Gebrauchs-Kunstgegenstände zusehends an künstlerischem Wert. Die fabrikmäßige Produktion überschwemmt mit meist einfacher Ware das gesamte römische Reichsgebiet und darüber hinaus die Handelswege nach Norden und Osten. Provinzialindustrien decken den örtlichen Bedarf und sorgen für die Massenverbreitung. Erst in der Krisenzeit der Völkerwanderung bricht dieses gewaltige Handelsnetz zusammen. Die «wundervollen Marktanlagen mit nach Warengruppen eingeteilten Basarabschnitten voller Läden und Buden»21, die sich in den römischen Handelsmetropolen befinden, können nicht über den Geschmacksverfall der zum Kauf angebotenen Massenwaren hinwegtäuschen. Den künstlerischen Geschmacks wandel verdeutlicht ein Vergleich der griechischen Schalenbildszene des Phintias mit einer römischen Darstellung eines ähnlichen Vorgangs. Unter den Fresken, die einst das Forum in Pompeji schmückten, ist neben anderen Darstellungen von alltäglichen Marktszenen auch die des Ladens eines Kesselschmiedes erhalten, der metallene Töpfe und Schalen verkauft 22 (Abb. 2). Der Handwerker steht inmitten der vor der Säulenhalle aufgestellten Gefäße und bietet seine Ware an. Für den Kunden prüft er durch den Schlag mit einem Stabe den Klang des Gefäßes und damit seine Güte. Diese Darstellung unterscheidet sich in ihrer Drastik nicht von den übrigen Verkaufsszenen, dem Schuster, Tuchhändler und Lebensmittelverkäufer. Nichts von jenem stillen Entzücken, von jener Freude am schönen Gegenstand, die aus dem griechischen Schalenbilde spricht. Der Gebrauchswert der Ware gibt den Ausschlag. Der kommerzielle Vorgang, das Feilbieten und Anpreisen, das Erproben und Erwerben werden dargestellt. Innerhalb der festen Marktordnung führt die Gleichförmigkeit der Massenprodukte zu einer strafferen Organisation der zum Verkauf ausgestellten Objekte. Davon zeugen einige Grabreliefs mit der Darstellung von Verkaufsständen23. 80

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Über die Wiederaufnahme der antiken Wettbewerbspraxis in der florentinischen Kunst seit dem 14. Jahrhundert vgl. S. 91 ff. und der Apelles-Anekdote des Plinius als Bildungsspiel im 17. Jh. vgl. S. 98. Fritz M. Heichelheim, 2. 1938, S. 721. Neapel, Museo Nazionale. Abb. nach Le Pitture antiche d'Ercolano e contorni, Bd. 3, Napoli 1762, Taf.XLII, S. 221 u. Text S. ¿15ff. Vgl. G. Raskin, Handelsreclame en soortgelijker praktijken bij Grieken en Romeinen. Philologische Studien d. katholieke Universiteit te Leuven, Teksten en Verhandelingen Nr. 13 — 15, Leuven 1936, Abb. Tf. IIc u. Text S. 62 f., und Otto Jahn, Uber Darstellungen des Handwerks und des Handelsverkehrs auf antiken Wandgemälden, in: Abh. d. kgl. Sachs. Gesellsch. d. Wiss., Bd. 12, Phil. Hist. Classe Bd. j , Leipzig 1870, S. 265 ff. u. Tf. II. H. Gummerus, Darstellungen aus dem Handwerk auf römischen Grab- und Votivsteinen in Italien, in: Jb. d. Arch. Inst. 28, 1913, S. 63—126. Abb.): Laden eines Vasenhändlers, Grabrelief Rom, Vat. Mus. (Jahn, Darstellungen, 1870, Tf.XIII, 3, S. 350; Reinach, Rep. d.

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Das eine zeigt einen Vasenhändler, der seine hohen Spitzkrüge in gleichmäßiger Reihung neben seinem überdachten Verkaufsstand im Freien aufgebaut hat (Abb. 3). Der Händler sitzt hinter dem Ladentisch, die Gefäße geben den Ausweis seines Berufes. Ein anderes Beispiel, der Grabstein eines Messerschmieds, der in zwei Reliefs auf der Vorderseite den Verkauf und auf der Rückseite die Herstellung der Messer abbildet (Abb. 4). Die Verkaufsszene vollzieht sich in symmetrischer Komposition vor einem Stand, der aus einem kommodenartigen Sockel mit einer Schublade und vorkragendem Verkaufstisch und darüber einem Ohrenbord mit drei Fächern besteht, in dem in auffällig dekorativer Anordnung die Messer ausgestellt sind. In der wachsenden Bedeutung des Handels mit Kunstgut aller Art zeigt sich das andersgeartete Verhältnis des Römers zur Kunst. Voraussetzung dafür ist die seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. innerhalb der römischen Expansion in zunehmendem Maße auftretende neuartige Form der Kunstplünderungen24. Sie beginnen mit der Eroberung von Veji und führen über Praeneste (380), Volsinii (264) mit einer Beute von 2000 Statuen25, über die gewaltigen Plünderungen von Syrakus (212) und Tarent (209), über die Räubereien des L. Mummius (Korinth 146) und des C. Verres in Asien und Sizilien im 1. Jahrhundert bis über das ähnliche Treiben römischer Kaiser, ihrer Feldherren und Provinzialbeamten zu einem ungeheueren Anwachsen von Kunstgut und einer entsprechenden Begehrlichkeit und Sammelleidenschaft des vornehmen Römers. Der Kunsthandel tritt, sich verselbständigend, als der notwendige Regulator für Angebot und Nachfrage, für die Befriedigung aller Wünsche und Leidenschaften vom parvenuhaften Geltungsdrang bis hin zum bildungsgesättigten Sammeleifer in Erscheinung28. Der massenweise Import griechischer Kunstwerke seit den Plünderungen von Tarent und Syrakus und das wachsende Bedürfnis, «Meisterwerke» griechischer Kunst zu erwerben, führen sehr bald zu einer weitverbreiteten Kopisten- und Fälschertätigkeit27. Martial28 beschreibt einen Laden für «kostbare Luxusgegen[ M ] Reliefs, 3, S. 405). Abb. 4: Grabaltar des L. Cornelius Atimetus, E. 1. Jh. nach Chr., Rom, Vat. Mus. Gall. Lap. Nr. 147 (Gummerus 1913, Kat. Nr. 12). 24 Hans Jucker, Vom Verhältnis der Römer zur bildenden Kunst der Griechen, Frankfurt a.M. 1950, S. J9: Einzelne Vorbilder für den römischen Kunstraub im Hellenismus. S. 56ff.: Die erbeuteten Kunstwerke werden zunächst durch Weihung in die römischen Heiligtümer der bestehenden altrömischen Ordnung eingefügt. Doch lassen sich diese Maßnahmen nicht lange aufrechterhalten. Plutarch (M 21) berichtet, daß das Volk von Anfang an seine ungetrübte Freude an der fremden Pracht habe. 25 Olaf Vesberg, Studien zur Kunstgeschichte der römischen Republik. Diss. phil. Upsala, Lund, Leipzig 1941, S. 21, 58. Plin. n. h . X X X I V . 34. 24 Vesberg 1941, S. m , über die manischen Züge des Kunsthandels. 27 H. Jucker, 19J0, S. 68. Der Kopienbedarf wird meist aus Werkstätten außerhalb Italiens gedeckt. Die Mehrzahl der Kunstwerke wird auf dem Kunstmarkt aufgekauft oder in den Magazinen der Kopisten erworben. 28 Martial IX. 60. 16. Ludwig Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, 8. Aufl. Leipzig 1910, Bd. 3, S. 325.

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stände», in dem es außer Statuen von Polyklet auch Becher «von Mantors Hand geadelt» zu kaufen gibt. Vermutlich handelt es sich hierbei um Kopien und Fälschungen. Kunstwerke als Geschenke zu vergeben ist allgemeiner Brauch29. Zur Saturnalienzeit besteht ein entsprechender Geschenkmarkt in Rom, auf dem Plastiken aus Ton, Marmor, Bronze, Silber und Gold verkauft werden30. Für die Befriedigung des anfallenden Bedarfs sorgt eine Kunstindustrie mit zum Teil fabrikmäßiger Produktion. Um die berühmten und viel besuchten Heiligtümer und Tempelbezirke siedeln sich Künstler und Handwerker an, die nicht nur Stiftungsaufträge für Weihgeschenke und Votivbilder ausführen, sondern in verschiedenen Preislagen auch Kopien der im Tempelbezirk vorhandenen Bildwerke als Erinnerungsgaben herstellen31. Götterbilder und mit dem zunehmenden Personenkult Kaiserportraits und Ehrenstatuen werden schablonenmäßig produziert und auf Lager genommen32. Gleiches gilt auch für die Fabrikation von Grabsteinen und Sarkophagen, bei denen bestimmte Lieblingsthemen wiederholt werden, beziehungsweise die Bildmedaillons für den anfallenden Bedarf in Bosse bleiben und für die Namen der Verstorbenen Platz gelassen wird 33 . Diese Industrialisierung des Kunstmarktes, die sich noch beliebig durch Einzelzüge belegen ließe34, läßt indirekt auch auf eine Erweiterung und Spezialisierung der Ausstellungstechnik schließen, ohne daß sie jedoch durch Quellen oder gar erhaltene Darstellungen belegt werden könnte. Die Warenlager der Kunstfabrikanten und die Verkaufsstände auf den Spezialmärkten des Kunsthandels, die zum Teil, besonders in Rom, ein bedeutendes Ausmaß besessen haben müssen, sind die Orte, an denen sich in den Hauptstädten des römischen Imperiums diese Verkaufsausstellungspraxis entwickelt hat35. Die ungeheure Anhäufung von Kunstwerken in den Tempelbezirken, öffentlichen Gebäuden und auf Plätzen, an die das Auge des Römers gewöhnt war, wird sich ähnlich 29

L . Friedländer 1910 8 , Bd. 3, S. 3 29 f. 3° MartialXIV. 7 0 - 8 2 . 31 L . Friedländer 1910 8 , Bd. 3, S. 282 f. u. 310. 32 Richard Delbrueck, Spätantike Kaiserportraits. Stud. d. spätantiken Kunstgeschichte, Bd. 8, Berlin, Leipzig 1933, S. 67ff. 33 L. Friedländer 1910 8 , Bd. 3, S. 296t. 34 H. Jucker 1950, S. 35 : Uber den Import griechischer Tafelgemälde und Gemäldekopien und deren Erwerbung. L . Friedländer, 1910 8 , Bd. 3, S. 286ff. Tobias Dohm, Neues zu den Lychnouchoi, in: Festschr. Andreas Rumpf zum 60. Geb., Krefeld 1952, S. 59 — 75: Die Lampenträger, die in italischen und römischen Werkstätten hergestellt werden und oft griechische Figuralplastik verwenden, als Modeprodukt der frühen Kaiserzeit. 35 Als später Reflex die Codifizierung der Verkaufsvorschriften des Kunstmarktes in Byzanz: Theod. Cod. XIII, ces. 4: Verordnung aus dem 4. Jh. über die Steuer- und Abgabefreiheit der Maler: «Wenn sie bloß die Erzeugnisse ihrer eigenen Kunst feilhalten, Buden und Werkstätten dürfen sie an öffentlichen Plätzen frei von Abgaben halten...» cit. nach: Fr. W. Unger, Quellen der byzantinischen Kunstgeschichte, Bd. 1, Wien 1878. Eitelberger Quellenschr. Bd. 12, S. 44t.

Kunsthandel und Verkaufsausstellung in Griechenland und Rom auch auf dem Kunstmarkt gezeigt haben. Diese massierte Schaustellung v o n Kunstgut, die die W e r k e im allgemeinen nur nach sehr einfachen Gesichtspunkten (Größenordnung, Symmetrie, sensationelle Hervorhebung v o n Zeit- und Modestücken) geordnet haben dürfte, soll hier als Arsenaltechnik bezeichnet werden. Sie entspricht der vielfältig modisch und individuell gebrochenen Sinnbindung zwischen K u n s t w e r k und Mensch, die sich im weitesten Sinne in der Dekoration des menschlichen Lebensraumes vollzieht. Für den Römer w i r d der K u n s t gegenstand in einem ganz neuen Sinne Objekt, ein Mittel zur Befriedigung mannigfaltiger Bedürfnisse v o n dem äußerlichen Maß modischen Geltungs- und Besitzdranges bis zu dem im Persönlichen liegenden Bildungsbedürfnis und der Sammelleidenschaft. Die Arsenaltechnik neutralisiert gewissermaßen den Einzelwert des Ausstellungsstückes und reduziert ihn auf seine Eigenschaft als K u n s t ware, v o n der aus dann die beliebige Einbindung in den Lebensbezug des jeweiligen Käufers vollzogen werden kann 3 8 .

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Es zeigt sich hier bereits eine dem neuzeitlichen Kunstgebrauch verwandte Erscheinung. Die gewaltsame Entfernung der Kunstwerke aus ihren ursprünglichen und meist beständigen Bindungs- und Bedeutungszusammenhängen führt zum bleibenden Verlust der ehemals gültigen Funktionen. Das Kunstwerk wird «heimatlos» und neuen Zwecken nutzbar gemacht. Im Triumphzug erscheint es als Beutegut und Zeugnis des Sieges. Auf dem Kunstmarkt wird es als Warenobjekt angesehen und dem Willen des Käufers gemäß als Dekorationsstück oder als Sammlungsgut verwendet. Der einstige Zusammenhang ist nur noch für die Provenienz von Bedeutung. Der ästhetische Wert wird maßgebend als Zeugnis einer bestimmten Meisterhand oder eines Stils. Die ursprüngliche Bedeutung etwa als Abbild dieses oder jenes Gottes wird als Bildungsvorstellung oder als Element der gelehrten Spekulation weitergeführt. Die Geschichtlichkeit des Werkes tritt außerdem als besonderer Wertfaktor auf. Alle diese genannten neuen Züge des Kunstwerkes sind nicht stabil, sondern können teils durch neue Bildungserkenntnisse umgedeutet werden oder, etwa bei der Hergabe zur Festdekoration anläßlich der Spiele, auch durch Besitzerwechsel sich ändern. Das in Anm. 8 apostrophierte Ausstellungsschicksal des Kunstwerkes in der Gegenwart tritt in seinen Grundzügen bereits innerhalb des römischen Kunstlebens in einer den Praktiken der Zeit entsprechenden Weise auf. Über die Zuschreibung namenloser Kunstwerke an große Künstler siehe Statius silv. IV. 6, 22: «quis namque oculis certaverit usquam Vindicis, artificum veteres agnoscere ductus Et non inscriptis auctorem reddere signis ? Hic tibi quae docto multum vigilata Myroni Aera, laboriferi vivant quae marmora caelo Praxitelis, quod ebur Pisaeo pollice rasum, Quod Polycleteis iussum spirare caminis, Linea quae veterem longe fateatur Apellem, Monstrabit.»

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

3. Schaustellungen im Rahmen sakraler Kult- und öffentlicher Repräsentationshandlungen in Griechenland und Rom Die öffentliche Schaustellung von Kultbildern, Weihgeschenken, kostbaren Geräten, Textilien und Preziosen im Rahmen von Kultprozessionen, Festen und Spielen ist in zahlreichen griechischen und römischen Schriftquellen und auch in bildlichen Darstellungen überliefert37. Unter der Bezeichnung «nonnfi» (lateinisch pompa) werden besonders seit der klassischen Zeit periodische Prozessionen, rituell geordnete Aufzüge mit religiöser Bedeutung und größere Schaustellungen anläßlich der Feste und Spiele verstanden. Sie fußen auf mittelmeerischen Vorstufen, die griechische Pompa auf keltischen, die römische auf etruskischen. In beiden Fällen ist die klassische Pompa nach Börner38 eine Schöpfung der staatlichen Gemeinschaft, in Athen der freien Bürgerschaft, und entwickelt sich dort zur «künstlerisch schönen» Kulthandlung der gesamten Öffentlichkeit, während sie in Rom als eine Angelegenheit der herrschenden Schicht des Adels zur militärisch-politischen Repräsentation wird. Die berühmteste und bedeutendste Pompa in Griechenland wird während des Panathenäenfestes aus Anlaß des in Athen für die Athena Polias alle vier Jahre gestifteten neugewebten Peplos veranstaltet. In Form einer Kultprozession wird das prächtige, goldbestickte Kultgewand von der Stadt auf die Akropolis zum Parthenon übertragen, begleitet von einem langen Zug, in dem die Tiere und Gerätschaften für die Opferhandlung, Kostbarkeiten aus dem Schatz der Athena und die gestifteten Panathenäen-Amphoren mitgeführt werden39. Der Peplos wird mit Szenen der Gigantomachia und anderen den Mythen der Athena und der Geschichte von Athen entnommenen Motiven geschmückt, später auch mit Bild87

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Über das antike Fest- und Prozessionswesen vgl. hauptsächlich die folgenden Arbeiten: Franz Börner, Art. Pompa in: Pauly-Wissowa, Bd. 42, 1952, Sp. 1878 —1994; Martin P. Nilsson, Die Prozessionstypen im griechischen Kult. Mit einem Anhang über die Dionysischen Prozessionen in Athen, in: Jb. d. Arch. Inst. 31. 1916, S. 309—39; August Mommsen, Feste der Stadt Athen im Altertum geordnet nach dem Attischen Kalender, Leipzig 1898; August Frickenhaus, Der Schiffskarren des Dionysos in Athen, in: Jb. d. Arch. Inst. 27. 1912, S. 61—79; Gottfried Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, 2. Aufl. Bd. 1, Die textile Kunst, München 1878, S. 2j8—301; Inez Scott Ryberg, Rites of the State Religion in Roman Art, in: Memoirs of the American Academy in Rom, 22. 1955 ; Andreas Alföldi, Die Ausgestaltung des monarchischen Zeremoniells am römischen Kaiserhofe, in: Rom. Mittl. 49. 1934, S. 1 — i t 8 ; Mau, Art. Ferculum, in: PaulyWissowa, Bd. 6. 1909, Sp. 206f.; W. Ehlers, Art. Triumphus, in: Pauly-Wissowa, Bd. 13. 1939, Sp. 4 9 3 - 5 1 1 . Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Sp. 1894. A . Mommsen 1898, S. 107ft., 122ff. L. Ziehen, Art. Panathenaia, in: Pauly-Wissowa 36. 2. 1949, Sp. 45 7 ff. Aristophanes (Equ. j66): «Jtagd xoig Aftr)vatoi; xtn\05 xö fipjiEvov xfj; üavadrivaixiis veto;, f|v ol Adt)vaioi xaxaoxeud^ouoi xfj deep öxi xEX(>aEXT)(>[fio; fjc; xal xf|v jio|xmf|v &n6 xoü Kega|ieixoü noioüoi |i£xGl EX.tvawlou.»

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nissen berühmter Zeitgenossen. Nach Mommsen hatte der Rat der Stadt die Entwürfe zu prüfen und ihre Ausführung zu überwachen. Über die Art des Transportes des Peplos, dessen Schaustellung innerhalb des Zuges Teil der Kulthandlung war, aber offenbar auch besonders in nachklassischer Zeit als Ruhmesapotheose der Zeitgenossen und als Spectaculum angesehen wurde40, gibt es keine eindeutigen Belege. Ziehen 41 vermutet entgegen Mommsens Ansicht den Transport in der Art eines Segels auf einem dem Schiffskarren der Dionysosprozessionen nachgebildeten Gefährt oder auch ähnlich einer Prozessionsfahne aufgespannt. Der Panathenäenfries am Parthenontempel gibt darüber keine Auskunft. In ihm erscheinen nur die Panathenäen-Amphoren, Opfertiere und Geräte. Börner42 stellt eine lange Liste griechischer Pompae zusammen, bei denen jedoch der kultische Charakter vorherrschend ist. Wenn die gezeigten Werke und Kostbarkeiten auch eine im gewissen Sinne ästhetische Wirkung als wertvolle Gegenstände und als vollkommene und schöne Abbilder ausgelöst haben werden, so bleiben sie doch als Götterbilder, Weihgeschenke und Kultgeräte funktionsgebunden in einem größeren, nichtkünstlerischen Zusammenhang, der sich unter anderem auch des Wirkungsmittels der Schaustellung bedient, aber doch im Rahmen dieser zugewiesenen Rolle dem Kunstwerk primär den Charakter eines Kultgegenstandes verleiht. Während des Hellenismus wandelt sich der Charakter der Pompa von der Kultprozession zur prunkvollen Feierlichkeit. Seit Plautus wird die Pompa allgemein als «zum Prunk veranstaltete Schaustellung» und dann als «Prunk und Pracht» bezeichnet43. Diese im Hellenismus folgerichtige Entwicklung der Pompa zum großen Schaugepränge spielt zunehmend andere Werte außerhalb des geräthaften, kultischen Charakters der Schaustücke in den Vordergrund. Zunächst fällt die bei derartigen Gelegenheiten in den Quellen vermerkte Häufung kostbarer Gegenstände und Bildwerke, ihre Vielfalt und inhaltliche Ausdeutung zu ganzen Schauhandlungen auf. Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr.

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Athenäus I V . 64, berichtet, daß Demetrios, der Enkel des Demetrios Phaleraios, als Hipparch der Panathenäen dem Aristagoras zu Ehren bei den Hermen ein Gerüst baute, das höher als diese waren. Man muß sich also auch die Straßen und Plätze entlang des Festweges mit Dekorationen geschmückt vorstellen. Vgl. dazu auch G . Semper 1878 2 , Bd. 1, S. 1 7 1 . L . Ziehen in: Pauly-Wissowa 36. 2. 1949, Sp. 460ff. Darstellungen des Schiffskarrens der Dionysosprozessionen auf späten schwarzfigurigen Vasen abgebildet bei A . Frickenhaus in: Jb. d. Arch. Inst. 27. 1 9 1 2 , S. 61 ff. In Athen gibt es seit dem frühen 4. Jh. nachweisbar am Dipylontor einen größeren, um einen Säulenhof gelegenen Gebäudekomplex, das Pompeion, das zur Aufnahme der Festzugsgerätschaften diente. E s wurde bei dem Angriff Sullas 86 v. Chr. zerstört und vermutlich erst durch Hadrian als dreischiff ige Pfeilerhalle wiederaufgebaut. V g l . W . Judeich 1 9 3 1 , S. 360f. mit G r . ; Ida Thallon Hill, The ancient city of Athens, London 1 9 J 3 , S. 34t., Situationsplan S. 22, Fig. 6; Paus. I. 2 , 4 ; M. P. Nilsson in: Jb. d. Arch. Inst. 3 1 . 1 9 1 6 , S. 3 1 1 , weist auf Pompeia in anderen Orten hin, z. B. in Phigalia, w o der Tempel der Artemis Soteira als Pompeion diente (Paus. VIII. 39, 5). Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Sp. 1 9 1 3 f f . Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Sp. 1895 f. u. 1975.

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durchdringen sich westliche und östliche Formen, römische, hellenistische und geschichtlich zum Teil weit zurückreichende orientalische Elemente 44 . In der Dionysosprozession des Ptolemaios II. Philadelphos in Alexandrien 45 werden mythologische Szenen zur Schau gestellt: der Thalamos der Semele, die Nymphengrotte, Dionysos vor Hesa an den Altar der Rhea flüchtend, seine Rückkehr mit dem Thiasos von Indien, außerdem unter anderem Personifikationen von Städten, Jahreszeiten, ein automatisches Bild der Nyse, ein 10 Ellen großes Bild des spendenden Dionysos, Satyrn, Silene und Bacchanten in großer Zahl, sogar zwei große Altäre und eine Kelter werden mitgeführt. Nilsson 46 weist darauf hin, daß diese Dionysosprozession zwar noch ihre Abkunft von der Athenischen verrät, aber durch die Ausweitung szenischer und allegorischer Zutaten den alten Rahmen sprengt und nicht mehr «kultisch», sondern «mythologisch» konzipiert ist. Noch ein Beispiel anderer Art sei erwähnt: die Pompa, die Antiochos IV. Epiphanes um 167 v. Chr. in Daphne bei Antiochia anläßlich seines Sieges über die Ägypter veranstaltet47. In einer Mischung von militärischer Parade und Kultprozession folgen im Zuge auf die Infanterie, Reiterei, Streitwagen, Elefanten in Paradeausrüstung, unter anderem Götterbilder, «¿vai-liata • • • jiavTOv tcüv jiaQ &v#qcü 11015 o(xdvtov öecüv r| 6ai|x6vcüv», dann die vergoldeten, mit kostbaren Gewändern versehenen Heroen, dazu bildlich dargestellt deren uMoi, darauf die elßoXa von Nyx, Hemera, Ge, Uranos, Eos und Mesembria usw. Diese bereits von den frühen römischen Triumphzügen beeindruckte Pompa des Antiochus verbindet die Repräsentation siegreicher Macht durch die Abbilder der Götter und Dämonen und die bildlichen Personifikationen der kosmischen Erscheinungen, durch die in prächtigen Kostümen als Heroen verkleideten Personen und ihre im Bild erscheinenden Mythoi mit der mythisch-allegorischen Schaustellung des Kosmos zu einer politisch-religiösen Apotheose des Herrschers. Uber die Wirkung derartiger Schaugepränge auf das Publikum läßt sich nichts Exaktes aussagen, da die Schriftquellen sich ausschließlich auf die Beschreibung der Ereignisse beschränken. Dennoch gibt die Art und Weise der Aufzählung, die Ausführlichkeit, mit der die Einzelheiten nicht nur genannt, sondern auch 44

A l s früheres orientalisches Beispiel die biblische Beschreibung der Machtdemonstration des Artaxerxes durch die Schaustellung seines gewaltigen Reichtums anläßlich eines riesigen Volksfestes. A T , Buch Ruth I. 6. D a z u auch G . Semper 1878 2 , Bd. 1, S. 262. Seit der Zeit Alexanders d. G r . Tendenz zum Prunk nach orientalischen Vorbildern.

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Overbeck, Schriftquellen, Nr. 1990; Athenäus V . p. 196 A , 25—35 ; Franzmeyer, Kallixenos' Bericht über das Prachtzelt und den Festzug Ptolemaios II. Diss. phil. Straßburg 1904. Uber die Ausgestaltung des Prunkzeltes und die darin angehäuften Bildwerke und anderen Kunstschätze vgl. die Beschreibung bei G . Semper 1878 2 , B. 1, S. 290 ff. M . P. Nilsson in: Jb. d. Arch. Inst. 31. 1916, S. 3 1 7 f f . Eine ähnliche Entwicklung der ländlichen Dionysien v o n A t h e n v o n der pompa zum Pomp nach dem Zeugnis Plutarchs, jedoch ohne den orientalischen Prunkaufwand, vgl. Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Nr. 114. Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Nr. 197; Overbeck, Schriftquellen, Nr. 1991; Polyb. X X X . 25, i f f . ; Athenäus V . 194, C f f . ; L i v . X L V . 32, 8.

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vielfach in ihrer gegenständlichen Beschaffenheit, ihrem Material, ihrer Anzahl und in dem, was sie darstellen, beschrieben werden, gewisse Aufschlüsse über die Eigenart der Sicht und über die Erlebnismöglichkeiten. Sie rechnet bereits mit dem Schauwert der gezeigten Kunstgegenstände, wenn dieser auch stärker in ihrem dinglichen als in ihrem ästhetischen Wesen liegt. Die Kostbarkeit des Materials, das Artifizielle der Arbeit, die Größe des Werkes, seine Sachaussage, Bewegung und Ausdruck, seine Schönheit werden unmittelbar empfunden worden sein. Aber das Kunstwerk bleibt im Zusammenhang des Ereignisses ein Ding unter anderem, das noch nicht wegen seines besonderen künstlerischen Wertes zur Schau gestellt wird. Der Ausstellungscharakter derartiger Schaugepränge läßt sich ebenfalls durch gewisse äußere, organisatorische Kriterien deutlicher eingrenzen. Alle jene zahlreichen Pompae, bei denen immer wieder im gleichen Rahmen dieselben Objekte vorgeführt werden, reduzieren deren Wirkung auf ihre kultische Rolle und lassen sie zu Requisiten einer Kulthandlung oder öffentlichen Zeremonie werden48. Überall dort jedoch, wo die gezeigten Bildwerke und Gegenstände auch bei sich periodisch wiederholenden Festlichkeiten wechseln, wie etwa beim Panathenäenfestzug, oder wo es sich um einmalige Darbietungen handelt, bilden der optische Anreiz des immer wieder Neuen oder die Sensation des Ereignisses die Brücken zu einer Wirkungs- und im Gegensinne Erlebnisweise, die weniger durch die kultische Bedeutung als durch den Charakter der Erscheinung der Schaustücke ausgelöst wird. Mit der Expansion des Römisches Reiches über die italienischen Grenzen hinaus gelangt im Zuge der Durchdringung römischer Kultur mit der des hellenistischen Ostmittelmeerraumes auch die Vorliebe für die öffentlichen Schaugepränge nach Rom und verdrängt bald die bescheideneren, aus etruskischen

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Vgl. hierzu die Aufstellung bei Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Sp. 1913 f f. Der Requisitencharakter bei einem späten Beispiel einer Pompa in Ephesos. Im Jahre 104 n. Chr. stiftet der Epheser Bürger C. Vibius Salutaris seiner Vaterstadt 29 Statuetten aus Edelmetall und ein Kapital von 20 000 Denaren. Die Statuetten werden den Vertretern der städtischen und Tempelbehörden übergeben und im Pronaos des Tempels aufgestellt. Alle Statuetten sollen zu bestimmten Anlässen ins Theater gebracht, dort zu je drei auf Marmorpostamente gestellt, dann nach Schluß der Veranstaltung durch das Koressische Tor zum Heiligtum zurückgebracht werden, wo schließlich die Ubergabe und Reinigung der Figuren erfolgt. Bei den Statuetten handelt es sich um «ditEixovio|i.aTa», Nachbildungen bestimmter Statuen der Stadtgöttin Artemis, und um « E I X 6 V E ; » , mehr oder weniger freie Originalschöpfungen von Portraits (Trajan, Plotina), Personifikationen (Senat, Ritterstand, Volk von Rom, Demos, Bule, Gerusia, Ephebia von Ephesos), aber auch Götterfiguren. Bei der Aufstellung im Theater werden einem Bilde der Artemis zwei eikones zugeordnet, etwa Artemis, Demos Romaion und Gerusia; Artemis, Hippikon Tagma und Ephebia. Trotz des eindringlichen Verbots einer Veränderung der Stiftung werden sechs Jahre später weitere 20 silberne, teils vergoldete Statuetten von Göttern hergestellt, die offenbar in gleicher Weise behandelt und ausgestellt werden. Vgl. Rudolf Heberdey, Die Stiftung des C. Vibius Salutaris, in: Forschungen in Ephesos, Bd. II, Wien 1912, Anhänge I, S. 188—98. Das Dokument der Schenkung und die Verwendungsbestimmungen auf 16 Quadern des Theaters eingemeißelt (S. 127 ff.).

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Vorläufern erwachsenen Pompaformen der frühen republikanischen Zeit. Die enge Verbindung von Staat und Religion, die vom herrschenden Adel getragenen öffentlichen Feste und Zeremonien geben die Grundlagen auch für die neuen Erscheinungen repräsentativer Schaustellungen, die anläßlich der militärischen Siegesfeiern, der Triumphe, der Feste, Zirkusspiele und ihrer Pompae und anläßlich der Prozessionsformen der aus dem Osten eingeführten Götterkulte auftreten. Seit dem Beginn der planmäßigen Kunstplünderungen römischer Feldherren im 4. Jahrhundert v. Chr. werden gewaltige Massen von Kunstgut aller Art aus den griechischen Städten Unteritaliens, aus Hellas und Kleinasien, dem vorderen Orient und Ägypten nach Rom verschleppt. Wie sich dadurch der Kunstmarkt, der Kunstbesitz und die Sammelleidenschaft als neue und säkularisierte Formen des Umgangs mit Kunst entwickeln, so werden nun auch Kunstwerke und Kostbarkeiten zur öffentlichen Repräsentation staatlicher Macht und privaten Reichtums benutzt und die unmittelbare Wirkung bildlicher Darstellungen als Mittel politischer Demonstration und Agitation gebraucht49. Der triumphale Einzug des siegreichen Feldherrn in das Stadtgebiet von Rom ist ursprünglich ein sakraler Kultvorgang50. Der Durchgangsritus, die Reinigung des Heeres von dem Unsegen des Krieges und die Einlösung der Gelübde des Feldherrn für die glückliche Beendigung des Feldzuges verleihen ihm den Sinn. Doch bald entwickelt sich der Triumph zur höchsten Auszeichnung, die einem Römer vom Senat gewährt werden kann. Der triumphale Einzug des Siegers auf vorgeschriebenem Wege in die Stadt Rom wird zur machtvollen Schaustellung des Sieges. Der Triumph dehnt sich häufig auf zwei bis drei Tage aus, an denen die gesamte Kriegsbeute und vielfach in eigens zu diesem Zweck gemalten Bildern die Phasen und markanten Ereignisse des Krieges dem Volke vor Augen geführt werden. Vor der Gruppe des Triumphators werden in langen Zügen die Gefangenen, die erbeuteten Waffen, marmorne und eherne Standbilder, Gold- und Silbergerät, Prunkgefäße, gemünztes Metall und anderes Beutegut vorgeführt. Zuerst werden im Triumph des Marcellus nach der Einnahme von Syrakus 212 v. Chr. die geraubten Statuen ausgestellt51. Fulcius Nobilior führt 189 v. Chr. zum Teil aus dem Besitze des Pyrrhus 78 j Statuen aus Bronze und 230 aus Marmor mit im Triumph52. Aemilius Paullus zeigt 167 v. Chr. auf 250 Wagen Bildwerke und dazu auch Gemälde53. Dieses geschieht auch im asiatischen Triumph des Pompeius 61 v. Chr.54. So ließe sich noch eine lange Folge von Triumphen auf49

Dazu hauptsächlich L. Friedländer 1910®, O. Vesberg 1941, H. Jucker 1950 u. I. Scott Ryberg in: Memoire of the American Academy in Rome 22. 1955. 40 W. Ehlers, Art. Triumphus, in: Pauly-Wissowa 13. 1939, Sp. 4 9 3 — j i i . 51 Plut. Marceil. 21 u. 30; Liv. X X V . 40, Cic. in Verr. IV. 54. Die erbeuteten Kunstwerke werden nach dem Triumph in Tempeln aufgestellt. 52 Jucker 1950, S. 60; Vesberg 1941, S. 31. 108, L i v . X X X I X . 5, 13 — 16. 53 O. Vesberg 1941, S. 31t. 113. 114. L i v . X X X X V . 39, 5 - 6 , Plut. Aem. 32t. " O. Vesberg 1941, S. JJ. 219, Plin. n. h. X X X V I I . 1 2 - 1 4 .

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stellen. Außer den erbeuteten Bildwerken, Gemälden und Kostbarkeiten werden der schaulustigen Menge in Bildern, Transparenten und in großen Dekorationsmalereien, die teils im Zuge mitgeführt werden, teils die Straßen und Plätze schmücken, die Ereignisse, an denen das römische Volk nicht teilhaben konnte, oft in vielen Einzelszenen mit anekdotischen, rührseligen, ja karikierenden Zügen, die Bildnisse der Sieger und Besiegten, allegorische Motive, topographische Schaubilder der Feldzuggebiete, die eroberten Städte, verschiedentlich sogar als Dekorationsbauten nachgebildet, vorgeführt und durch Schrifttafeln und Interpretatoren erklärt55. Die wenigen und zum Teil fragmentarisch erhaltenen zeitgenössischen Darstellungen römischer Triumphzüge 56 geben nur in bescheidenem Maße Auskunft über die Größe und Vielfalt der tatsächlichen Ereignisse. Unter dem Formzwang der Reliefkomposition und eingebunden in den Zusammenhang der Architektur repräsentieren sie mehr die politisch-religiöse Idee des Triumphes, als daß sie ausführlich erzählend die vielfältigen Einzelheiten abbilden. Dennoch lassen sie durch die historisch exakte Wiedergabe typischer Elemente wesentliche Rückschlüsse über die Schaustellungstechnik der mitgeführten Bildwerke und Gemälde zu. Unter den Fragmenten eines Frieses aus dem Inneren des Apollotempels auf dem Forum in Rom befindet sich die Darstellung eines von lorbeerbekränzten Männern getragenen verzierten ferculum 57 , auf dem als antithetische Gruppe angeordnet, zwei gefangene Barbaren eine aus Schilden, Helm und Tunika gebildete Siegestrophäe rahmen (Abb. 5). E s handelt sich bei diesem Schaustück vermutlich um Beutegut, das als Dekorationsstück des Sieges arrangiert worden ist (auch Abb. 6). Als Schmuck von Triumphbögen treten häufiger Triumphfriese auf, die sich auf die Siege beziehen, zu deren Anlaß die Bögen errichtet sind. Der 55

Anläßlich des Triumphes des M. Valerius Maximus Messala Aufstellung des Bildes der siegreichen Schlacht über die Karthager in Sizilien an einer Wand der Curia Hostilia 264 v. Chr. (Plin. n. h . X X X V . 22, O. Vesberg 1941, S. 26. 84). Scipio Africanus führt im Triumph von 201 v. Chr. JIIJQVOI, vermutlich gemalte Kulissen, mit, auf denen die eroberten Städte dargestellt sind (App. de reb. pun. 66, O. Vesberg 1941, S. 29. 95), ebenso L.Scipio Asiagenus 188 v. Chr. ( L i v . X X X V I I . 59, 3—5, O. Vesberg 1941, S. 29. 101). E r stellt die Bilder von seinem asiatischen Sieg auf dem Kapitol aus (Plin. n. h. X X X V . 22, O. Vesberg 1941, S. 37. 145). L . Hostilius Mancinus stellt Bilder von der Eroberung Karthagos auf dem Forum aus und erklärt sie selbst dem Volk. Dadurch macht er sich so populär, daß er 141 v. Chr. zum Konsul gewählt wird (Plin. n. h . X X X V . 23, O. Vesberg 1941, S. 39. 150). Pompeius führt im asiatischen Triumph von 61 v. Chr. Bilder von den besiegten Königen und Feldherren in charakteristischen Situationen mit (App. de bell. Mithr. 1 1 6 f., O. Vesberg 1941, S. 55. 220). Ebenso Cäsar im Triumph von 46 v. Chr. (App. de bell. civ. 2 . 1 0 1 , O. Vesberg 1941, S. 56. 221). Vedutenmaler werden viel bei Triumphen beschäftigt (O. Vesberg 1941, S. 38. 148).

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Grundlegend dafür die Arbeit von J . Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. 141 ff., über die Triumphdarstellungen. J . Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. I49f., Abb. PI. L I , 78b, 34 v. Chr. entstanden. Das Fragment heute in Rom, Museo dei Conservatori, Bracc. Nuovo. Reinach, Rep. de Reliefs, Bd. 3, S. 289, Fig. 3.

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Titusbogen in Rom, der 81 nach Chr. zur Erinnerung an den jüdischen Triumph des Titus nach dessen Tode vom Volk und Senat gestiftet wurde, zeigt in den Seiten der Durchfahrt monumentale Reliefs, die den Triumphzug darstellen (Abb. 7). Auf Fercula werden die erbeuteten Geräte des Tempels von Jerusalem mitgeführt, darunter der siebenarmige Leuchter. Der unter dem Gebälk entlanglaufende kleine Fries setzt den Triumphzug in vereinfachter Darstellung fort. Dort erscheinen innerhalb des Opferzuges mit geschmückten Opfertieren und Schlächtern Tabulaträger, die sich auch auf dem großen Durchgangrelief finden, und auf einem ferculum die Statue eines liegenden Flußgottes, vermutlich des Jordan 58 . Die ausführlichste Schilderung eines Triumphes befindet sich auf dem Bogen von Benevent, der 114 nach Chr. durch den Senat und das Volk von Rom dem Kaiser Trajan gewidmet ist59. Die Gruppen der Gefangenen werden von Tabulaeträgern angeführt, die auch sonst mehrfach im Zug auftreten. Mehrere fercula sind dargestellt, das eine Tragegerüst mit geschmückter rechteckiger Plattform, auf der eine Krone in Gestalt eines Blütenkranzes liegt, auf den anderen wird offenbar Beutegut getragen, darunter auch Vasen. Die von den Römern «ferculum» genannten Tragegerüste gehören zu den uralten Requisiten der beweglichen Schaustellung60 und sind keineswegs als römische Erfindung anzusehen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, nicht nur erhebliche Lasten längere Strecken zu tragen, sondern auch das auf der Plattform aufgestellte Gut weithin sichtbar herauszuheben. Die auf Stangen getragenen «tabulae» finden sich in Triumphzügen, bei Prozessionen und Festzügen. Sie scheinen römischen Ursprungs zu sein. Auf diese Weise werden Schrifttafeln und Gemälde herumgetragen. Eine Abart stellen die «tabulae ansatae» dar, Ohrentafeln, die ihrer Größe wegen von vier Stangen gehalten werden 61 . Mit diesen beiden 88

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J. Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. 146ff.; Reinach, Rep. de Reliefs, Bd. 1, S. 274t.; Foto Alinari 5839/40. J . Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. i5off.: ausführliche Beschreibung der Reliefs, Abb. PL L I V f. fig. 82a—e. Carlo Pietrangeli, L ' A r c o di Trajano a Benevento, Novara 1947; E . Löwy, Die Anfänge des Triumphbogens, in: Jb. d. Kh. Sign. Wien N F II. 1928, S. 1 —40; Gustav Hamberg, Studies in Roman Imperial Art, Copenhagen 1945. Auch auf dem Triumphbogen des Septimius Severus, der in Leptis Magna nach dem Sieg über die afrikanischen Nomaden 203 n. Chr. errichtet wurde, Triumphdarstellung, darin fercula, auf denen Gefangene mitgeführt werden. J. Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. 160, und ausführlich bei Renato Bartoerini, L ' A r c o Quadrifonie dei Severi a Lepcis (Leptis Magna), in: Africa Italiana 4. 1 9 3 1 , S. 3 2 — 1 5 2 , Abb. S. 101, Fig. 70, u. S. 108, Fig- 77Mau, Art. ferculum, in: Pauly-Wissowa 6. 1909, Sp. 2206t.; Saglio, Diet, des Antiquités II, 2, Paris 1896, Art. ferculum (P. Paris), S. 1040 f. J. Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. i o i f . , Relief von der Nekropole Marittima zu Pompeji (Neapel Mus. Naz.), Abb. PI. X X X I I / I I I fig. 50a—c, mit Begräbnis-Pompa, in der auch ein Tabulaträger erscheint. V g l . auch S. I47f. zu den Tabulaträgern: «Which are undoubtely the tabulae representing scenes from the war, or tituli recording names of conquered peoples or other details of the victory.» Darstellung einer tabula ansata auf einem Sarkophag in Rom, San Lorenzo fuori le mura (Foto Alinari 5860), abgeb. bei J . Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, PI. L I X , fig. 95 u. Text. S. 167, Anm. 14.

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Requisiten der beweglichen Schaustellung ist natürlich der Apparat an technischen Hilfsmitteln keineswegs erschöpft. Doch haben die zum Teil mehrstöckigen Dekorationsmaschinen, die für die Inszenierung der Triumphzüge verschiedentlich benutzt werden, und ihre technischen Sensationen mit dem in derartigen Veranstaltungen liegenden Ausstellungsgedanken nur noch wenig zu tun62 ; nur insofern, als sich in ihrem Schmuck mit Bildwerken, Malereien und Teppichen, in der Art und Weise ihrer geordneten Häufung ein Ordnungsprinzip offenbart, das die einzelnen Werke in ihrer verschiedenen Sinnbindung als Beutestücke, Demonstrationsmaterial, als allegorische oder symbolische Elemente in einem Dekorationsorganismus zusammenfaßt, der unmittelbar durch seinen Schauwert wirkt. Die religiösen Prozessionen, besonders die pompae funebres, die der Cybele gewidmeten und die pompae circenses63 verwenden ebenfalls die Schaustellung von Bildwerken, Götterbildern, von Gemälden und kostbarem Kultgerät in einem Umfange, den die früheren etruskischen und griechischen Kultzüge nicht kannten. Auch diese Prozessionen zeigen, daß die mitgeführten Bildwerke zwar inhaltlich ihre kultische Bindung vielfach bewahren, daß die pompae aber zugleich als Gelegenheiten ergriffen werden, öffentlichen und privaten Reichtum und Kunstbesitz zur Schau zu stellen. Herodian64 gibt darüber nähere Auskunft: «Alljährlich bei Frühlingsanfang, an einem bestimmten Tage, bringen die Römer der Göttermutter (Cybele) einen Festzug dar, bei welchem alles, was jedermann an Zeichen des Reichtums besitzt, sowie die kaiserlichen Kostbarkeiten, mögen sie in reichen Stoffen und Prachtgeräten oder in Meisterwerken der Kunst bestehen, dem Bilde der Göttin vorausgetragen wird.» Auf einem Grabmal aus Aminternum (Abb. 8) findet sich die Darstellung einer pompa, bei der zwei fercula mit Götterstatuen, vielleicht Jupiter und Juno, mitgeführt werden65. Ein Relieffragment aus der Villa Albani in Rom (Abb. 9) 62

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G . Semper 1878 2 , Bd. 1, S. 271 ff., befaßt sich ausführlich mit diesen Dekorationselementen und ihren Prinzipien. Wenn er auch unter dem Zwang seiner Entwicklungsvorstellung und nicht ohne polemische Absicht die antiken Schriftquellen interpretiert, so bleiben doch seine Ausfuhrungen trotz mancher Übertreibungen das Beste und Anschaulichste, was bisher über diese seit der Renaissance immer wieder zum Zeitgebrauch interpretierten Festdekorationen des Altertums geschrieben wurde. Fr. Börner in: Pauly-Wissowa 42. 1952, Sp. 1985 f. J . Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. io2:«Both of the principal themes, the games and the pompa, were populär in Etruscan art, appearing in tomb paintings and in reliefs on bronze cistae, sarcophagi and cinerary urns. It has often been noted, that this tradition was passed on the Roman art through the custome of carrying painted tabulae in the procession of the triumph.» Bei den pompae circenses werden die Bilder der Götter mitgeführt und seit der Kaiserzeit die Bildnisse derjenigen Personen, denen es vom Senat zuerkannt war. Mau, Art. ferculum, Pauly-Wissowa 6. 1909, Sp. 22o6f., Suet. Caes. 76, Macrobius I. 23, 13. Herodian I. 10, 5. Ubersetzung zit. nach: Herodians Geschichte des römischen Kaiserthums seit Marc Aurel, deutsch v. Adolf Stahr, Stuttgart 1858. Chieti, Neg. 1937, 884/85 Deutsch. Arch. Inst.; J. Scott Ryberg in: Memoirs 22. 1955, S. 99t., PI. X X X I . , 48a: S. V . Vittorino in: Notizie degli Scavi di Antichità 14. 1 9 1 7 , S. 332-341.

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

zeigt eine bacchische Prozession mit einem ferculum, auf dem sich ein kunstvolles antithetisches Figurenarrangement befindet, ein großer Krater zwischen zwei sitzenden Paaren auf achteckigem Sockel 86 . Die ausführlichste Schilderung einer pompa circensis trägt ein Sarkophag aus S. Lorenzo fuori le mura in Rom (Abb. 10): Vor dem von Elefanten gezogenen Prunkwagen der Cybele, dem zwei Senatoren voranschreiten, werden zwei fercula mit der Statue einer geflügelten Victoria und einer auf dem von Löwen gezogenen Thron sitzenden Frauenfigur getragen67. Seit dem späten z. Jahrhundert v. Chr. gehört es mit zu den Aufgaben der Ädilen und Prätoren, für die Zeit der Spiele das Forum, das Comitium, die Basiliken und die Theater mit Kunstwerken, Beutegut, Kuriositäten und anderen sehenswerten Dingen zu schmücken. Livius gibt davon zuerst Nachricht. Cicero zählt die durch besonders hervorragende Spiele sich auszeichnenden Ädilitäten auf. Sie setzen kurz vor dem Jahre 100 v. Chr. mit den Spielen des P. Crassus Dives und des Q. Mucius Scaevola ein68. Z u dieser Zeit muß das Forum in größerem Umfange mit Malereien dekoriert worden sein, zum Teil mit Darstellungen, die die Besiegten karikierten69. Zur Feier derÄdilität desVarro und Murena werden Bilder, die in Sparta aus Wänden gelöst waren, mit beschnittenen Seiten in hölzerne Rahmen gesetzt und im Comitium angebracht70. Daneben spielt die Ausschmückung mit Bildwerken naturgemäß die Hauptrolle. M. Scaurus läßt während seiner Ädilszeit im Jahre 58 v. Chr. das Theater mit 3000 Statuen und vielen griechischen Gemälden dekorieren 71 . Die großen Mengen an Kunstwerken, die zur Dekoration der betreffenden örtlichkeiten benötigt wurden, werden durch Raub, Kauf oder durch Entleihung von Freunden und aus eigenem Besitz zusammengetragen. Cicero 72 berichtet, Reinach, Rep. de Reliefs, Bd. j , S. 136, Abb. 2; Giuseppe Cultrera, Due relievi della collezione Boncampagni-Ludovisi, in: Boll. d'Arte 1909, S. 6ff., weitere Ausführungen über derartige Arrangements und ihre Bedeutung. «7 Reinach, Rep. de Reliefs, Bd. 3, S. 321, Abb. 1. 48 Dieses Brauchtum im Zusammenhang mit der Dekoration der Stadt anläßlich der Triumphe und von da her zu erklären. Erstmals durch M. Valerius Messala 264 v. Chr. (vgl. Anm. 5 5). Anläßlich des Triumphes des L. Papirius Cursor über die Samniten 215 v. Ch. werden vergoldete Schilde aus der Siegesbeute an die Geldwechsler in den tabernae des Forums verteilt, um diese damit zu schmücken. Livius (IX. 40) gibt davon Kunde und schreibt: «Inde natum initium dicitur fori ornandi ab aedilibus, cum tensae duceretur.» O. Vesberg 1941, S. 39t. 152, u. S. 58 u. Anm. 1, Cicero de off. II. 57; H. Jordan, Über römische Aushängeschilder, in: Archäol. Zeit, herausg. v. E. Hübner, N F 4. 29. J872, S. 72t. 69 Plin. n. h . X X X V . 24t.; Cic. de or. II. 266; Quintilian inst. or. VI. 3, 38. 70 Plin. n. h . X X X V . 137; Vitruvius I, Ile, VIII. 9. «Item Lacedemone e quibusdam parietibus etiam picturae exisae intersectis lateribus ornatum aedilitatis Varronis et Murenae fuerunt adlatae.» Vgl. auch Werner Ehlich 1954, S. 67 f. 7 1 H. Jucker 1950, S. 61. 72 O. Vesberg 1941, S. 58 u. S. 50. 196, Cicero in Verrem II. 4. 6: «G. Claudius, cuius aedilitatem magnificentissimam scimus fuisse, usus est hoc Cupidine tarn diu, dum forum dis immortalibus populoque Romano habuit ornatum, et, quom hospes esset Heiorum, Mamertini autem populi patronus, ut illis benignis usus est ad commodandum, sie ipse dilligens fuit 68

Kult- und Repräsentationshandlungen in Griechenland und Rom

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daß Gaius Claudius Pulcher (99 v. Chr.), dessen Ädilität als besonders glänzend bekannt ist, sich von seinem mamertinischen Gastfreund Heius einen Cupido des Praxiteles ausleiht, den er nach Beendigung der Spiele dem Eigentümer wieder zurückgibt. Cicero rühmt gegenüber dem schamlosen Verhalten des Verres, der als Proprätor von Sizilien (73—70 v. Chr.) die Kunstschätze des Heius an sich bringt, das ehrenwerte Verhalten des G . Claudius. Weiter führt er aus, daß auch in jüngster Zeit die Ädilen das Forum und die Hallen nicht mit minderwertigen Beutestücken aus den Provinzen, sondern mit den geliehenen Schätzen ihrer Freunde geschmückt haben, denen sie nach vier Tagen das Entliehene wieder zurückerstatteten und nicht als Raubgut behielten. Ausstellungen von Leihgaben aus Privatbesitz würde die moderne Interpretation dieses Vorganges lauten, den Cicero mit heftiger Polemik so ausführlich beschreibt. Aber gerade durch das Herbeirufen einer gewohnten Vorstellung modernen Ausstellungsbrauches wird der Unterschied deutlich. So bedeutsam die Tatsachen sind, daß das Entleihen von Kunstwerken aus privater Hand eine durchaus übliche Erscheinung darstellt und daß ferner von den «ausstellenden» Ädilen — sicher aber nur sofern sie selbst kunstverständig sind — auch auf die Qualität der Ausstellungsstücke Wert gelegt wird, so dürfen diese Merkmale doch nicht zu dem Schluß verführen, daß diese «Ausstellungen» lediglich nur um der Darbietung der Kunstwerke willen geschehen. Auch hier ist das Kunstwerk ein Ding, dessen Erlesenheit zwar vielfältig empfunden werden kann, das aber seine Bedeutung in der Einbindung in den größeren Zusammenhang findet. In einem dem Triumph verwandten Sinne ordnet sich das Kunstwerk in den festlichen Repräsentationsrahmen der Spiele. Für die Vielfalt der Bindungsverhältnisse und Bedeutungszusammenhänge des Kunstwerkes im Rahmen der römischen Schaustellungspraktiken ist ein Gemisch verschiedener Grundkräfte bestimmend. Sie umfassen vom religiösen Kultkontakt bis zum kundigen Bildungsinteresse, von der magischen Wirkung bis zur glaubenslosen Sensation weite Schattierungen menschlicher Kontaktbereiche zur Kunst im öffentlichen wie im privaten Leben. Innerhalb derartig komplizierter und weitreichender Bezüge kann der römische Kunstmarkt mit seinem autonomen Gepräge nur einen geringen Teil der allgemeinen Begehrlichkeit an Kunst befriedigen und stellt im Grunde nur eine Gelegenheit dar, die Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen zu erfüllen. Für die Öffentlichkeit als der massierten Eigengestalt des menschlichen Zusammenlebens haben sich andere [ 72 ] ad reportandum. nuper homines nobiles eius modi, iudices-sed quid dico «nuper» ? iramo veto modo ac plane paulo ante vidimus, qui forum et basilicas non spoliis provinciarum, sed ornamentis amicorum, commodis hospitum, non furtis nocentium ornarent; qui tarnen signa atque ornamenta sua cuique reddebant, non ablata ex urbibus sociorum (atque amicorum) quadridui causa, per simulationem aedilitatis, domum deinde atque ad suas villas auferebant, haec omnia, quae dixi, signa, iudices, ab Heio e sacrario Verres abstulit; nullum, inquam, horum reliquit neque aliud ullum tarnen praeter unum pervetus ligneum, Bonam Fortunam, ut opinor; eam iste habere domi suae noluit.»



Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

Formen des Kontaktes entwickelt, sofern nicht mehr allein im Kultischen die wesentliche Bindung der Kunst gesehen wird. Nichts anderes ist so sehr dazu geeignet, die primitiven und die komplizierten Beziehungen des öffentlichen Lebens zur Kunst zu befriedigen als die bewegliche Schaustellung. Daß ihre Erscheinungsformen sich über den religiös begründeten Staatskult entwickeln, entspricht der Eigenheit des römischen Bewußtseins. Alle die im einzelnen beschriebenen Kontaktmöglichkeiten des Römers zur Kunst werden im höheren Sinne Schaustellung, ja zu einer Selbstdarstellung, in der das Kunstwerk nicht isoliert als kultischer oder ästhetischer Wert erscheint, sondern wie überall auch sonst im römischen Leben als ein Ding unter vielen, das im Höheren wie im Niederen benutzt wird, dessen Macht eingesetzt und dessen Wirkung genossen wird. Die Schaustellung von Kunstgut als einem Massenmedium festlichen Gemeinschaftslebens, das ohne Scheu sich des Erhabenen bedient, wo es sich greifen läßt, gründet sich auf ein seit dem beginnenden Mittelalter bis zur Gegenwart verlorenes Empfinden für die «heilige» Aufgabe totaler Repräsentation als ein vielfältig bildendes Einwirken auf die Menschen. Das römische Volk kann sich selbst gewissermaßen in höherer kultischer Einheit wiederfinden, die die gesamte Skala von der Sensationslust bis zum kultisch-magischen Schauer in sich trägt. Die Ausstellungsgedanken der folgenden Zeitalter abendländischer Kultur haben andere Wege beschreiten und neue Darstellungsformen finden müssen. Mit dem Sieg des christlichen Glaubens an eine Macht, die über allem Leben steht und in die einzugehen erst die Erlösung zum eigentlichen Leben bedeutet, wird eine Spaltung geschaffen, die zwischen diesseitig und jenseitig, zwischen weltlich und geistlich unterscheidet. Damit spalten sich auch Leben und Kunst in verschiedene Möglichkeiten und Aufgaben. Sie können gegeneinander stehen und können sich einander nähern und sich auch bis zu einem gewissen Grade durchdringen, sie können aber nie zu einer derartigen Einheit verschmelzen, wie sie die Antike besaß. In diesem neuen Dualismus kann auch der Ausstellungsgedanke nicht mehr umfassend sein. Da er im christlichen Kultbereich nur bedingt brauchbar ist, muß er sich im Weltlichen ausbilden, dort differenzieren und spezialisieren, bis er zu autonomen Formen gelangt, die sich aus der entsprechenden Isolation des Kunstwerkes als eines ästhetischen Gegenstandes zu gemäßen Erscheinungen entwickeln.

4. Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

Mit dem Ende der römischen Kulturwelt gehen auch die entwickelten Formen des Kunstlebens der Antike zugrunde. Die christliche Kirche und mit ihr in enger Gemeinschaft der geistliche und weltliche Adel werden die Träger einer neuen Bildkunst, deren Aufgaben sich hauptsächlich in der anschaulichen Ver-

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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mittlung der Heilsgeschichte und in der sinndeutenden Verherrlichung der Macht und Gnade christlichen Glaubens erfüllen. Auch die künstlerische Repräsentation des privaten und öffentlichen Lebens, soweit sie im weltlichen Bereich eigene Züge entwickelt, fügt sich den Ordnungs- und Wertvorstellungen des christlichen Weltbildes. Das künstlerische Schaffen vollzieht sich im wesentlichen in fester Auftragsbindung. Erst allmählich seit dem hohen Mittelalter tritt der Laie als Künstler deutlicher in Erscheinung. Seine Arbeit führt ihn vielfach von Auftrag zu Auftrag und erfüllt sich im Dienst an den gestellten Aufgaben. Mit der zunehmenden eigenständigen Entwicklung der Städte wird der kunstfertige Laie zum seßhaften Handwerker. Durch neue Formen der Werkstattproduktion und des Verkaufswesens, des zünftigen Zusammenschlusses und der städtischen Ordnung und Regulierung des Markthandels erringt das künstlerische Leben eine neue Selbständigkeit und Freiheit, die schließlich zur Überwindung der mittelalterlichen Bindungsverhältnisse führen. Bis ins späte Mittelalter sind hauptsächlich Reliquiare, Elfenbeine, kostbare Kleinkunst und Schmuck, illuminierte Handschriften, kunstvolle Lederarbeiten, Teppiche und Textilien die künstlerischen Erzeugnisse, die oft über große Entfernungen von Byzanz, dem östlichen Mittelmeerraum, Italien und Frankreich vielfach im freien Handel und seit dem 12. Jahrhundert auch über die großen Messen 73 von Burgund, der Champagne und Flandern den Weg in die Kirchen und Klöster, Paläste und Burgen finden. Die Entfaltungsmöglichkeiten dieses Handels ohne Absonderung und Spezialisierung eines Kunstmarktes sind so eingeschränkt, daß auch den Ausstellungsgelegenheiten keine größere Bedeutung zugemessen werden kann. Soweit diese überhaupt für das Mittelalter infrage kommen, müssen sie dort gesucht werden, wo sich die eigentliche Sinnbindung der Kunstwerke erfüllt, in ihrer sakralen Funktion. Kirchen und Klöster werden die Sammelpunkte liturgisch gebundenen Kunstgutes. Wachsender Reliquien- und Bilderkult, geistliche und weltliche Stiftungen häufen in zunehmendem Maße vor allem in den Zentren des kirchlichen Lebens, in Bischofsdomen und den vielbesuchten Wallfahrtsstätten große Mengen zum Teil thesaurierten Kunstgutes auf. Der materielle Wert dieser Kirchenschätze darf nicht übersehen werden. Wird doch vielfach für die Finanzierung der großen Kirchenneubauten auf diesen gegenständlichen Reichtum zurückgegriffen. Wesentlicher ist jedoch die Bedeutung, die diese Gegenstände für den Kultgebrauch besitzen. Die Dekoration von Kirchenräumen mit gestickten Vorhängen und Bildteppichen74, die Vorführung von Reliquien, Gnaden- und Heiligenbildern und 73 74

Vgl. Anm. 101. Die Ausschmückung der Kirchenräume mit Textilien wird nach dem Festkalender des Kirchenjahres vollzogen und nach bestimmten liturgischen Regeln durchgeführt. Sie kann aus den einleitend dargelegten Gründen nur erwähnt und ebenfalls in ihrem bis zur G e g e n wart reichenden Brauchtum nicht weiter verfolgt werden. V g l . dazu z. B . : Stephan Beissel,

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

die oft prächtigen Prozessionsaufzüge, die während der hohen Festtage des Kirchenjahres und zu besonderen Anlässen veranstaltet werden, sind die hauptsächlichen Gelegenheiten der öffentlichen Schaustellung von Kunstgut. Die sichtbare Erscheinung der vielfach kostbaren und reich geschmückten Schaustücke und der äußere Prunk der Ereignisse sind sicher nicht ohne sinnlich erregende Wirkung geblieben. Dennoch besitzt dieses Gefühlserlebnis durch die Anschauung nur eine dienende und vermittelnde Funktion. So dient die zu den Kirchenfesten wechselnde textile Ausschmückung nicht allein der Steigerung der hieratischen Pracht, sondern erhält ihre besondere Bedeutung dadurch, daß sie vielfach selbst Element der liturgischen Handlung darstellt 75 . Auch die Zeigung von Reliquiaren, Kruzifixen, Gnadenbildern und kultischem Gerät ist ein Mittel, um die Heiligkeit des Kultgegenstandes vor aller Augen zu demonstrieren, um auf die den Reliquienpartikeln innewohnende Heilskraft hinzuweisen, die sich erst durch die liturgische Handlung, in deren Rahmen die Schaustellung erfolgt, offenbart, oder durch die Berührung oder Weisung der heiligen Gegenstände das Eigentliche, ihre sündenerlösende Kraft den Gläubigen mitteilt. Die Bedeutung derartiger Formen kultischer Schaustellungen für das Werden der Kunstausstellung ist hauptsächlich darin zu sehen, daß, ähnlich wie in der Antike, sich über das Kult- und Festbrauchtum Möglichkeiten der temporären Zeigung von Kunstgegenständen und kultischen Gerätschaften ausbilden, die [ 7 4 ] Gestickte und gewebte Vorhänge der römischen Kirchen in der zweiten Hälfte d. VIII. u. in d. ersten Hälfte d. I X . Jhs., in: Z. f. christl. Kunst, 7. 1894, Sp. 357—374.; Betty Kurth, Die deutschen Bildteppiche des Mittelalters, Bd. i , Wien 1926, S. 16ff. Quellen Nr. 5, 18, 55Über die Wirkung derartiger Dekorationen ist die zit. Quelle Nr. j , S. 283, die von der reichen Ausstattung des Domes zu Mainz im 13. Jh. berichtet, aufschlußreich: «Erant ibi purpurarum preciosarum tantae copie, ut diebus festivis totum monasterium, cum sit tarnen longum et latum intrinsecus tegeretur et tarnen adhuc superfuerunt. Erant tapetia et dorsalia mira picture varietate distincta, que operis subtilitate et pulchritudine animos intuentium admiratione delectabant. Preter ista erant alia, que super pavimentum templi, et scamma, et coram altaribus sternebantur. Erant palle altarium auro intexte preciose. Inter quas erant precipue, quarum una estimabatur posse valere marcas centum, alia sexaginta, atque alie non minoris vel parum minoris poterant estimari.» (Aus der Chronik des Bischofs Christian II. (1249 — 51), Christiani Chronicon Moguntiacum, in: Bochmer, Fontes Rer. Germ. II, 258.) 75 Als Beispiel für die Verwendung der Teppiche innerhalb der Liturgie vgl. St. Beissel in: Z. f. christl. Kunst 7. 1894, Sp. 361: In Sa. Maria Maggiore und allen anderen Basiliken, deren Säulen unverletzt sind, an den Säulen in etwa 3 m Höhe nach dem Mittelschiff Öffnungen. Darin ehemals Haken, welche Kordeln hielten. Sie liefen vom Triumphbogen bis zum Narthex und trugen die Teppiche. Die Vorhänge waren während der Predigt und der Verlesung der Epistel und Evangelien geöffnet, damit die Laien, die das Mittelschiff nicht betreten durften, sondern auf die Seitenschiffe beschränkt waren, den Prediger und Leser sähen und verständen. Sie wurden verschlossen, wenn der Papst oder der Bischof den Kanon begann, wieder zurückgeschoben, wenn er vor dem Agnus Dei zur Kathedra zurückkehrte (Ordo Romanus I u. II). Geöffnet waren sie jedenfalls bei der Opferung und Kommunion. Die Vela des Triumphbogens entzogen die heilige Handlung auch den Blicken der im Mittelschiff stehenden Sänger; die vela der Confessio und des Ciboriums verhüllten sie sogar vor den Augen des höheren Klerus.

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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seit dem ausgehenden Mittelalter durch das allmählich einsetzende ästhetische Interesse an Kunst eigene Formen des Ausstellungslebens aus sich entlassen. Die Technik der Schaustellung während der Prozessionen entspricht im wesentlichen der der antiken Pompae. Innerhalb der Umzüge werden die Gnadenbilder, Kruzifixe, Schreine und Geräte vielfach auf Tragegerüsten mitgeführt, die sie über die Häupter der Umziehenden weithin sichtbar herausheben 76 .Von den zahlreichen bildlichen Darstellungen derartiger Prozessionszüge werden hier nur drei Beispiele angeführt. Ein Relief der Kirche Sa. Maria a Bertrade in Mailand aus dem 12. Jahrhundert (Abb. 1 1 ) zeigt eine Marienikone, die auf einem ferculum getragen wird 7 7 . Auf einem Gemälde des Giovanni di Paolo, heute im Louvre, die Prozession des hl. Gregor während der Pest vor der Engelsburg in Rom darstellend (Abb. 12), wird ein gemaltes Marienbild auf einer Stange getragen 78 . Das letzte Beispiel gibt auf einem 1477 datierten Holzschnitt eine Prozession um das Straßburger Münster wieder (Abb. 13). In der Bildmitte tritt aus der zeichenhaft dargestellten Kirche der Prozessionszug. Zwei Mönche tragen die Skulptur einer sitzenden Madonna auf einem Tragegerüst die Portalstufen hinab. V o r ihnen entfaltet sich der Z u g im Bogen um das Münster herum. Dichte Menschengruppen wechseln mit den Bildträgern, die ein großes Kruzifix in 74

77 78

Das Mitführen von Bildern in Prozessionen beginnt mit dem Aufschwung der Ikonenmalerei im byzantinischen Bereich seit dem 6. Jh. und knüpft an die Devotionsformen des römischen Kaiserkults an. Vgl. hierzu Helmut Hager, Die Anfänge des italienischen Altarbildes. Rom. Forsch, d. Bibl. Hertziana 17. 1962, S. 33 ff., und die dort zit. Lit. Uber die Mitführung kleiner Tafelkreuze (croce dipinta) und Marienbilder bei Prozessionen siehe ebenda S. 8off. Vgl. auch Stephan Beissel, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland während des Mittelalters, Freiburg i. Br. 1890 u. 1892 (Ergänzungshefte 47 u. 54 zu den Stimmen aus Maria Laach), S. 3: Der hl. Bischof Ulrich von Augsburg (t 973) zog am Palmsonntag mit geweihten Palmen, goldenen Evangelienbüchern, Kreuzen, Fahnen und dem Bilde des auf einem Esel sitzenden Heilands vor die Stadt. Ein Teil der Geistlichen und Bürgerschaft kam ihm bei der Rückkehr mit reichem Kirchengerät entgegen, und viele warfen vor die Einziehenden Zweige, ja selbst ihre Kleider auf den Weg (Acta ord. S. Benedicti V, 428). Ebenda S. 3 u. 15 ff. weitere Beispiele genannt. Die Aussetzung der Monstranz des Allerheiligsten neben Reliquien und Gnadenbildern in Prozessionszügen erfolgt erst nach der Einführung des Fronleichnamsfestes, das sich nach dem Eingreifen von Papst Johannes XXII. seit 1316 allgemein durchsetzt. Rudolf F. Burckhardt, Der Basler Münsterschatz. Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Bd. 2, Basel 1933, S. 14, bemerkt, daß der Aufbau der Basler Monstranzen erschütterungssicher erfolgte. Pfeiler und Säulchen bestehen aus einem mit der Basis fest verbundenen Kern und einer übergestülpten Hülle. Sie wurden bei Prozessionen herumgetragen: Ebenda Anm. 3 (Cer. 30b In festo Corporis Christi): «Item iuniores cappellani portare debent graviores reliquias, videlicet capita sanctorum et maiores monstrancias.» Siehe beispielsweise auch Xaver Heimerl, Das Prozessionswesen des Bistums Bamberg im Mittelalter, München 1937, u. Jakob Torsy, Verehrung der Heiligen Drei Könige durch einzelne Personen sowie durch Prozessionen und Wallfahrten, in: Achthundert Jahre Verehrung der Heiligen Drei Könige in Köln 1164—1964, Kölner Domblatt 23724. 1964, S. 18 ff. u. 61 ff. Mailand, Museo d'Arte Antica del Castello Sforcesco. Paris, Louvre, Inv. R. F. 672/Cat. 1659 A. John Pope-Henessy, Giovanni di Paolo 1403 bis 1483, London 1937, S. 129.

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

Schräglage zwischen sich halten. D i e folgende Pilgetgruppe schreitet hinter dem Priester einher, der im vollen Ornat unter einem Baldachin die Monstranz trägt. D i e Spitze des Z u g e s , die sich wieder dem Portal nähert, bilden Ministranten und Priester, die zwei große Opferkerzen und voran ein Stangenkreuz mit sich führen. D e r Holzschnitt vermittelt in einfach erzählendem Bilderbogenstil den V o r g a n g so, daß der Betrachter die Prozession gleichsam v o n oben übersehen kann und auf diese Weise alle wichtigen Einzelheiten, v o r allem die Gnadenbilder, M o n stranz, Opferkerzen und Stangenkreuz mit allen Teilnehmern miterlebt. «Diser K r ü z g a n g ist zu Strossburg geschechen» steht zur Bekräftigung der Wahrheit dieses Bildberichtes unter der Darstellung 7 9 . D u r c h die aufkommende G r a p h i k und den Buchdruck gewinnt seit der Mitte des 1 5 . Jahrhunderts die Schaustellung v o n Reliquien für das Ausstellungs- und Sammlungswesen neue Bedeutung. I m Z u g e des anwachsenden Wallfahrtskultes werden illustrierte Führer und Kataloge der Heiltümer zusammengestellt 8 0 . Sie 79 80

Aus Hans Erhard Tüsch, Burgundische Historie, Straßburg 1477,; Schlettstadt, Bibl. Ms. 432. P. Heitz, Primitive Holzschnitte, Straßburg 1 9 1 3 , Abb. 40. Zur Entwicklung der Heiltümer vgl. St. Beissel 1892, S. T2off. Dort auch die ältere Lit. zit., davon wichtig: Krebs, Zur Geschichte der Heiligthumsfahrten, Köln 1 8 8 1 ; Ruland, Über das Vorzeigen und Ausrufen der Reliquien oder über die Heilthumsfahrten der Vorzeit, Würzburg Chilianeum 1863; Franz Falk, Die Druckkunst im Dienste der Kirche zunächst in Deutschland bis zum Jahre 1520, Vereinsschr. d. Görresgesellsch. Köln 1879, 2, nennt 16 Orte, an denen gedruckte Heiltumskataloge bis 1520 erschienen sind. Uber die Geschichte der Heiligtumsfahrten und über die begriffliche Klärung neuerdings bei P. C. Boeren, Heiligdomsvaart Maastricht. Schets van de Geschiedenis der Heiligdomsvaarten en andere Jubelvaarten. Uitgevers-Maatsch. «Ernest van Aelst», Maastricht 1962. Außerdem Erich Stephany, Der Zusammenhang der großen Wallfahrtsorte an Rhein — Maas — Mosel, in: Kölner Domblatt 23-/24. 1964, S. 163 ff.; Heinrich Schiffers, Kulturgeschichte der Aachener Heiligtumsfahrt, Köln 1930. Ganz oder teilweise sind folgende Kataloge veröffentlicht: 1. Heiltumsblatt von Maastricht und Aachen, für 1468 herausgebracht. (W. L . Schreiber, Handbuch der Holz- u. Metallschnitte d. 15. Jhs., Leipzig 1927, Bd. 4, S. 9of., Nr. 1937, Abb. E). 2. Heiltumsbüchlein für Aachen u. a. Orte, vermutlich 1 5 1 7 , gedruckt bei Arndt von Aich in Köln. (E. Stephany in: Kölner Domblatt 23-/24. 1964, S. 166ff.; A . Huyskens, Ein bei der Krönung Karls V . (1520) gekauftes Aachener Heiligtumsbüchlein, in: Zeitschr. d. Aachener Geschichtsvereins 58. 1937, S. i04ff.) 3. Heiligtum zu Nürnberg 1487, gedruckt bei Peter Vischer in Nürnberg. (Albert Schramm, Der Bilderschmuck der Frühdrucke, Bd. 18, Leipzig 1935, Text S. 10, Tf. 92—93, Abb. 636—640.) 4. Heiligtum zu Bamberg «sant Kunguntentag in der fasten», am 3. März 1493, gedruckt bei Hans Mayr in Nürnberg 1495, mit 3 größeren und 136 kleineren Holzschnitten. (Schramm 1935, Bd. 18, Text S. 12, Abb. Tf. 1 1 0 —115.) 5. Heiltum zu Nürnberg 1493, gedruckt bei Peter Vischer in Nürnberg. (Schramm 1935, Bd. 18, Text S. 12, Tf. 1 1 5 , Abb. 743.) 6. Heiltum zu Würzburg 1493 (nicht 1483), gedruckt bei Peter Vischer in Nürnberg, mit 1 größeren und 47 kleineren Holzschnitten. (Schramm 1935, Bd. 18, Text S. 12, Tf. 1 1 6 — 1 1 7 , Abb. 744—751.) 7. Heiltumsblatt der Wallfahrtskirche von Andechs 1496. (W. L. Schreiber 1927, Bd. 4, S. 90, Nr. 1936m.)

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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dienen den Pilgern zur Handleite und Erinnerung und werden zugleich v o n den Liturgen als A g e n d e gebraucht, um aus ihnen in der die Schaustellung begleitenden Kulthandlung jeweils den T e x t zu den nun im Original gewiesenen Reliquien zu verlesen 8 1 . Diese Praxis hat sich hauptsächlich in Deutschland entwickelt. M i t diesen gedruckten Führern wird zum erstenmal eine V o r f o r m des illustrierten Sammlungs- und Ausstellungskataloges geschaffen, dessen eigentliche E n t w i c k lung sich allerdings erst innerhalb des profanen Kunsthandels und Sammlungswesens vollziehen sollte 8 2 . I m allgemeinen treten zwei Formen des Heiltumskataloges auf: das einzelne Flugblatt, das oft eine beträchtliche Größe besitzt, und das Heiltumsbuch, die die Reliquiare und andere Schaustücke entweder in kleineren Gruppen oder in Einzelbildern mit dem begleitenden T e x t abbilden. N a c h den erhaltenen Beispielen zu urteilen, scheint der Führer durch die Heiltumsausstellung in Maastricht und Aachen zu den ältesten Zeugnissen zu gehören 8 3 . E s handelt sich um einen ver[ 80 ] 8. Heiltumsbuch von Wien 1502. (Faksimile-Ausgabe Wien 1882; Julius v. Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance, Leipzig 1908, S. i8f. mit 2 Abb.) 9. Wittenberger Heilthumsbuch, illustriert von Lucas Cranach d. Ä., Wittenberg in Kursachsen 1509. (Liebhaber-Bibl. alter Illustratoren in Facsimile-Repr. Bd. 6, München 1884.) 10. Die Heiligtümer zu Trier 1512. (W. L. Schreiber 1927, Bd. 4, S. 91, Nr. 1938.) 1 1 . Heiltumsblatt von St. Ulrich und Afra zu Augsburg, 1520. (W. L. Schreiber 1927, Bd. 4, S. 89, Nr. 1936.) 12. Hallische Heiligthumsbuch vom Jahre 1520. (Richard Muther, Hallisches Heiligthumbuch vom Jahre 1520, München 1923.) 13. Das Hallische Heiltum. Man. Aschaffenb. 14. (Ph. M. Halm u. Rudolf Berliner, Das Hallische Heiltum Man. Aschaffenb. 14, Berlin 1931.) 81 St. Beissel 1892, S. 121 ff. Die Zeigung der Reliquien wird durch eine Predigt oder Messe eingeleitet. Dem Ausrufer folgen die Priester, die die Reliquien vorweisen. Die Weisung erfolgt in Gruppen oder «Gängen». Am Ende eines jeden Ganges werden Verhaltungsmaßregeln an die Menge gegeben, sich bei Brand oder Unglück ruhig zu verhalten und den Anweisern Folge zu leisten. Geschrei und Aufruhr werden ohne Gnade gestraft. 82 Julius von Schlosser, 1908, S. i8ff. 83 Im Besitz der Graphischen Sammlungen München, Inv. Nr. 118 308. W. Schmidt, Die älteste Holzschnittdarstellung der Heiligtümer von Maastricht, Aachen und Cornelimünster, in: Z. d. Aachener Gesch. Ver. 7. 1885, S. 125. Der Beitext lautet (nach W. L. Schreiber, Manuel de l'amateur de la Gravure sur bois et sur métal au 15. siècle, Berlin 1892, Bd. 2, S. 288. 1937): «lté mâ zougt zu Mastricht aile sibe iare eyne tag E. da zu Ache und also lange als mâ das heiltû zougt die X V tag lang und so ist do zu verdiene alle tage VIII 0 Jor ablass un also vil carenê. 2. Gang: lté dar nach so zougt mä zu ache des andern tages daz heiltü. und do ist also vil ablass zu verdiene das man des nit genemen oder erzelen kan.

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Vor- und Frühfornien der Kunstausstellung

mutlich Kölner Holztafeldruck zum Jahre 1468, der sich heute in den Graphischen Sammlungen zu München befindet (Abb. 14). Der Text lehrt, daß alle sieben Jahre die Reliquien des Heiltums den zu vielen Tausenden herbeigeeilten Pilgern gewiesen werden. Nach einem allgemein hinweisenden Text werden in drei Kolonnen jeweils der Text und die Reliquien untereinander geordnet. Die Darstellung der Reliquien selbst ist schematisch und vermerkt nur allgemein charakterisierende Züge. Die Schaustellung der Heiltümer ist in erster Linie eine liturgische Handlung, die im Hinblick auf den begehrten Sündenablaß geschieht. Allerdings zeigt sie in ihrem Ausarten zu Beginn des 16. Jahrhunderts, daß sich Repräsentationsbedürfnisse kirchenpolitischer und wirtschaftlicher Art einmischen. Dies drückt sich deutlich in dem ungeheuren mengenmäßigen Anwachsen der Reliquienbestände und dem Prunk und dem formalen Reichtum der Reliquiare, Monstranzen, Kruzifixe und Gerätschaften und der damit verbundenen Länge der Ablaßspenden aus. Die Heiltumsführer werden zu üppig ausgestatteten Katalogen und verkünden allein schon durch ihre Aufmachung, wie lohnend der Besuch der Heiltümer ist 84 . Die bildtechnische Aufteilung der Kataloge ist im wesentlichen übereinstimmend. Jede Reliquie wird in vereinfachter Gestalt wiedergegeben. Dazu gesellt sich der beschreibende und häufig mit der Ablaßdauer versehene Text, der meist neben das Objekt in eine eigene, je nach der Anordnung der Abbildungen waagerecht oder senkrecht verlaufende Rubrik gesetzt ist. Die Großanordnung geschieht nach «Gängen», die auch liturgisch zusammengehören. [ 8 3 J 3. Gang: Ite wer sich bereit myt andacht war ruwe und mit gantzer bichte der hat ane zal ablas zu sant Cornelius.» 84 St. Beissel 1892, S. 132, nennt folgende Zahlen der Reliquien, die in den Heiltumsbüchern verzeichnet werden: Magdeburg 7 1 1 8 Reliquien, Wittenberg 5005 Reliquien, Halle 8833 Partikel und 42 ganze heilige Körper. Aus dem Vorwort des Wittenberger Heiltumsbuches von 1509: «Da mit nun an lob und schuldiger ehrerbietung götlicher maiestat kain mangel noch fehl erscheine / die lieben heiligen auch das hailigthum in diser kirchen in meglicher anzal befunden zu unser furbitt und gnad zuerwerben geursacht Und alle Christglaubige menschen zu aplas und aussleschung yrer sunde Auch zuerlangung ewiger Seligkeit gereytzt und bewegt werden mögen So ist dem almechtigen Maria der lobwirdigsten unnd hochgebenedeytisten Junckfrawen und mutter gots. Allen lieben heiligen. Unnd dem gantzen hymelischen hehr / zu sonderlichem lob und ehrerbietung furgenomen alles und yedes gedachter löblichen Stifftkirchen hailigthum mit seynen zirlichen beheltnussen In diss büchlein stuckweyss verzaichen abmalen und drucken lassen. Mit anzayg der gnaden und aplas / so darzu verlyhen worden seyn / do mitt eyn yeder andechtiger mensch mit besuchung solichs wirdigs heiligthums / das Jerlich auff Montag nach dem Sontag Misericordia domini öffentlich und ehrlich geweysst und gezaigt wirt unnd verdynen solicher gnaden und aplas sich des hab zu richten . . . » .

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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Der Führer durch das Nürnberger Heiltum von 1493 zeigt auf dem ersten Blatt den Heiltumsstuhl, von dem aus die Reliquien gewiesen werden (Abb. 15a). Dieses Schaugerüst ist im Gegensatz etwa zu dem steinernen Heiltumsstuhl in Wien 8 5 (Abb. 15 b) für die Dauer der Ausstellung aus Balkenwerk zusammengefügt worden. Im Untergeschoß stehen, durch eine Barriere vom Volke getrennt, gepanzerte Soldaten als Hüter der Ordnung. Das Mittelgeschoß ist mit einem kostbaren Teppich drapiert, vor dem sieben brennende Kerzen aufgestellt sind. V o n der oberen Galerie herab zeigen die Geistlichen im Ornat, hier Äbte, die Reliquien vor. Neben ihnen stehen die Herren Älteren des Nürnberger Rates, die die ordnungsgemäße Weisung zu kontrollieren hatten, mit brennenden Kerzen. Links steht der Heiltumsschreier (vocalissimus), ein Priester, der mit dem Stab auf die Reliquien weisend, aus dem sogenannten Schreizettel die Stücke und ihren Ablaß ausruft. Gekrönt wird der Bau von einem prächtigen Zeltdach mit einem Glockentürmchen und Fahnen mit der Darstellung derLeidenswerkzeuge Christi. Z u dem kostbarsten Bestand des «hochwirdigst auch keiserüch heiligthum» zu Nürnberg gehören die Reichsinsignien. Sie enthalten neben den K r ö nungsinsignien wichtige Reliquien, wie die hl. Lanze, einen Kreuzpartikel, einen Span von der Krippe Christi, ein Stück vom Lendentuch usw. Die Kleinodien sind 1424 von Kaiser Sigismund nach Nürnberg überführt worden, mit dem Privileg, daß sie jährlich am 14. T a g nach Karfreitag, dem eigens gestifteten festum lanceae, öffentlich gezeigt werden sollen. Diese jährlichen Weisungen, die mit einem besonderen Ablaß begabt wurden, geschehen von dem beschriebenen Heiltumsstuhl herab, der auf dem Marktplatz gegenüber der Frauenkirche

85 v o r d e r Nordwestecke des Stephansdomes zu Wien stand bis 1699 ein steinerner Heiligtumsstuhl, dessen Errichtung in die Jahre 1485/86 fällt. Er stand quer über die Gasse, im Untergeschoß besaß er eine Art Schwibbogen als Durchfahrt, das Obergeschoß war als Laube nach drei Seiten mit offenen Arkaden versehen und war an den Ecken und den Längswänden mit figürlicher Plastik auf Konsolen und mit Baldachinen geschmückt. Darüber saß das Giebeldach. Vgl. hierzu H. Tietze, Geschichte und Beschreibung des St. Stephandomes in Wien, österr. Kunsttopographie Bd. 23, Wien 1931, Lageplan S. 53, Abb. 20, urkundliche Nachrichten S. 54. Abbildung des Heiltumsstuhles in der Faksimile-Ausgabe des Wiener Heiltumsbuches von 1502, Wien 1882, Tf. 10, und Jul. v. Schlosser 1908, S. 20. Dieser Darstellung zufolge waren bei der Zeigung die Brüstungen des Arkadengeschosses mit Teppichen dekoriert. Dahinter standen die Geistlichen und wiesen den unten zu beiden Längsseiten des Stuhles sitzenden Menschen die Reliquien. Abb. 15 a, Heiltumsstuhl in Nürnberg, nach dem Exemplar d. Heiltumsbuches, Nürnberg, Hans Maier 1493, 4r> Nürnberg, Germ. Nationalmus. Inv. 2268/St. 902 u. Abb. i j b , Heiltumsstuhl Wien, nach dem Exemplar des Heiltumsbuches, Wien, Johann Winterberger 1502, Bl. 3r, ebenda Inv. Postinc. St. 902d (rarissimum). In Xanten wurde 1464 zur Zeigung der Reliquien ein großes Gerüst am Markt errichtet, in Köln auf dem Domhof zu diesem Zwecke eine Tribüne erbaut. In Aachen und Cornelimünster befinden sich offene Galerien am Turme und Heiligtumkammern mit mehreren Fenstern. In Düsseldorf war vor 1394 an der Südseite der Marienkirche ein hoher Anbau mit einer für die Reliquienzeigung geeigneten Empore. Vgl. St. Beissel 1892, S. 124L Auch Aufienkanzeln werden häufig zum Zeigen der Reliquien benutzt. Vgl. G. Schoenberger, Art. Außenkanzel, in: Reallexikon z. deutschen Kunstgesch. Bd. 1, Sp. 1293ff.

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

errichtet wird. Sie erfolgen in drei Gängen. Zunächst werden die Reliquien der Jugend Jesu und der Heiligen, dann die Insignien und zuletzt die Passionsreliquien gezeigt86. Ein Vergleich der Heiltumsführer von Würzburg 1493 und Bamberg 1493 zeigt (Abb. i6a-d und iya-d), daß neben der genauen Schilderung bestimmter Reliquien oder des Heiltumsstuhles von demselben Verleger bedenkenlos die gleichen Reliquienabbildungen für beide Heiltumsbücher verwendet werden, so etwa die Kreuzreüquiare. Es verhält sich hier verwandt zu den Darstellungen aktueller Ereignisse und bestimmter Objekte in der übrigen Graphik der Zeit, in der die zeichenhafte Illustration neben der spezifischen, annähernd getreuen Wiedergabe steht. Damit lebt ohne innere Folgerichtigkeit bunt gemischt nebeneinander die alte, noch im mittelalterlichen Vorstellungsbereich verhaftete Gestaltungsweise des Sichbegnügens mit dem allgemeinen Zeichen für einen bestimmten Gegenstand unter der Hinwendung auf seinen im Text genannten überdinglichen Bedeutungswert und jene neue des bewußten Interesses an der besonderen und eigenen Form der dinglichen Erscheinung. Nur in den nach 1500 erschienenen Heiltumskatalogen wird auch in der vereinfachenden Holzschnittillustration die Portraitgestalt der Schaustücke angestrebt. Die großformatigen Abbildungen des Halleschen Heiltums im Aschaffenburger Manuskript, das im Auftrage des Kardinals Albrecht von Brandenburg entstanden ist, sind bis in die Einzelheiten exakte Darstellungen der vielfach sehr üppigen und prunkvollen Reliquiare, Kelche und Monstranzen. Sie besitzen für die kunsthistorische Bestimmung und Identifizierung der meist weit verstreuten und zum großen Teil verlorengegangenen Stücke und für die Rekonstruktion der Heiltumsbestände einen nicht zu unterschätzenden Quellenwert87.

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Hermann Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, Wien 1954, S. 29t.; Albert Bühler, Die heilige Lanze. Ein ikonographischer Beitrag zur Geschichte der deutschen Reichskleinodien, in: Das Münster 16. 1963, S. 85ff., vor allem S. 100ff., Nr. 13, 16 u. 1 7 ; Julia Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg 1 4 2 4 — 1 5 2 3 , in: Mttl. d. V . f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 51. 1962, S. 78 — 159, gibt die ausführlichste Darstellung der Weisungsfeierlichkeiten. Die Nürnberger Schaustellung folgt der vorausgehenden Weisung in Prag. 1350 hatte Kaiser Karl I V . die Reichskleinodien nach Prag überführt, wo sie zunächst in der Sakristei des Veitsdomes, dann auf Burg Karlstein untergebracht wurden. 1354 bewirkt Karl I V . von Papst Innozenz VI. die Stiftung des festum lanceae, an dem die Kleinodien, die in der päpstlichen Bulle als «sacras reliquias, quae Imperiales vulgariter nuncupantur» bezeichnet werden, zusammen mit dem Prager Domschatz auf dem Karlsplatz von einem Holzgerüst gewiesen werden. Seit 1382 geschieht dies in der eigens zu diesem Zwecke erbauten Kirche Corpus Christi, einem heute nicht mehr erhaltenen Zentralbau. Vgl. Erich Bachmann, Ein verschollener gotischer Zentralbau in Prag, in: Stifter-Jb. 3. München 1953, S. 156 — 168. In Nürnberg hat Karl I V . die Reichskleinodien bereits 1360 anläßlich eines Hoftages und 1361 zur Geburt seines Sohnes Wenzel von der Empore der gerade errichteten Frauenkirche zeigen lassen. Ph. M. Halm und Rudolf Berliner, Das Hallische Heiltum Man. Aschaffenburg 14, Berlin 1931.

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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Die Aufstellung der Heiltumsschätze, sofern sie nicht in Schränken magaziniert sind, oder bei den Weisungsfeierlichkeiten einzeln vorgezeigt werden, erfolgt nicht wahllos, sondern nach bestimmten Ordnungsprinzipien. Ein frühes, nur bedingt in diesen Zusammenhang gehöriges Beispiel ist der Reliquienschatz des Michaelisklosters in Lüneburg, der zwischen 1 4 1 0 und 1418 seine endgültige Aufstellung im Schrein eines großen Wandelaltares gefunden hat 88 . Der Reliquienschatz des Basler Münsters, der für gewöhnlich in einem Schrank im oberen Gewölbe der Sakristei verwahrt wurde, ist zu besonderen Festtagen auf dem Hochaltar ausgestellt worden. Zwei erhaltene Aufstellungspläne, die um 1500 entstanden sind 89 , lassen deutlich werden, daß die Schaustellung nicht allein nach liturgischen Gesichtspunkten erfolgt, sondern daß auch künstlerische Gedanken maßgebend sind, «bei der Schaustellung der Reliquiare zugleich auch ein erhabenes, harmonisch wirkendes Ganzes zu schaffen», wie Rudolf F. Burckhardt nach der sorgfältigen Rekonstruktion des Aufstellungsschemas für die höchste Stufe 88

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Ferdinand Stuttmann, Der Reliquienschatz der Goldenen Tafel des St. Michaelisklosters in Lüneburg, Berlin 1937, Tf. 4, 5, zeigt nach einer Inventarzeichnung des 15. Jhs. den ursprünglichen Zusammenhang des heute zerstörten Altares. Die goldene Tafel mit der Darstellung des thronenden Christus inmitten der zwölf Apostel nimmt in einem reichen Rahmen die Mitte des dreigeschossigen Schreins ein und wird von je zwei hohen Baldachinnischen zu den Seiten gerahmt, die die gleiche Höhe wie der Komplex der Mitte besitzen. Die beiden übrigen Geschosse sind in kleine Nischen geteilt. Die in den Nischen zur Schau gestellten Reliquiare, Standkreuze, Monstranzen, Kelche, Bücher und Kästchen sind, soweit möglich, in lebendiger Symmetrie angeordnet. Die beiden folgenden Schemata nach Rudolf F. Burckhardt 1933, S. 355 u. 357. Sie und die Rekonstruktionszeichnung Abb. 18 sind mit freundlicher Erlaubnis der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte und des Verlages Birkhäuser A. G. Basel aus Rudolf F. Burckhardt, Der Basler Münsterschatz. Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel — Stadt, Bd. 2, Basel 1933, entnommen. Die Pläne sind wie Entwürfe flüchtig geschrieben. Sie befinden sich im Staatsarchiv Basel, Bauakten J J 3. Über die Datierung «um 1500» siehe Burckhardt 1933, S. 353. Der Reliquienschatz wurde zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, am Kaiser-Heinrichstag, an Maria Himmelfahrt, zu Allerheiligen und bei besonders denkwürdigen Anlässen, wie 1501 am Tage des Bundesschwurs und zu seinen Erneuerungen, zur Schau gestellt. Burckhardt 1933, S. 18.

Aufstellungschemata für die höchste und einfachere Stufe der Feierlichkeit siehe umseitig.

Vor- und Frühformen der Kunstausstellung



Aufstellungschema für die höchste Stufe der Feierlichkeit. Z = Zusätze des Verfassers (Rudolf F. Burckhardt)

Superius tabula magna aurea [Z: Nr. i ] deposite ad latus [tabulae] 1 versus

In summis festiuitatibus onuntur quie super altare

E

Sacramentale [Z : nach Norden, nach links]

Crucem totam auream stantem in pede ligneo videlicet Halwiler. — Z: Nr. 39. Caput S. pantali. — Z: Nr. 9. Johannem baptistam. — Z: Nr. 24. Caput. — Z: Nr. 11 oder 12, St. Tecla- oder Ursula-Haupt, mit gleichen Postamenten, brachium S. valentini. — Z: Nr. 23.

prespiterium [Z : nach Süden, nach rechts]

Crux domini prepositi. — Z: nicht nachweisbar. Caput. — Z: Nr. 5, St. Eustachius-Haupt, als Gegenstück zum hl. Pantal-Haupt. Christoferum. — Z: Nr. 27. Caput. — Z: Nr. 11 oder 12, St. Tecla- oder Ursula-Haupt, mit gleichen Postamenten, brachium. — Z: Nr. 6, der hl. Walpertarm.

Sacramentale [Z: nach Norden, nach links]

Ein klein barillen kent[lin]. — Z: verloren, vgl. Inv. 1 5 2 5 . 32, 1 8 2 7 . J 4 . Crux bona. — Z: Nr. 2. Ein klein barillen kentlin. — Z: verloren, vgl. Inv. 1 5 2 5 . 3 2 , 1 8 2 7 . 54. Die kleiner nüw monfstranz]. — Z: wohl Nr. 40, die Münch-Monstranz. Die gross barillen[kant]. — Z: verloren, vgl. I n v . I J 2 5 . 5.

Monstrantz de apostolis. — Z: Nr. 16. pes S. innocentium. — Z: Nr. 28. Crux prima cum imaginibus bfeate] mfarie] virgfinis] et jo[hannis]. — Z: Nr. 17. Imaginem Dauit oder gamahü. — Z: Nr. 19. die grösser barillen monstrantz. — Z: vor 1511 eingeschmolzen und Nr. 43 oder 44 daraus gefertigt; Nr. 43 die Heinrichs-Monstranz, Inferius ad gewiss links. medium alta longa noua Das klein guldin monstrentzli. — Z: gewiss monstrantia Nr. 64, verschollen. [Z: Nr. 63] Crucem dominicalem. — Z: Nr. 36; über den ad latus Kreuzfuss vgl. Inv. 1525. 54. Ein klein barillen stuofly. — Z: verloren. Vgl. Inv. 1 5 2 5 . 35, 1 8 2 7 . 54. die grösser nüw monstrantz. — Z: wohl Nr. 41, die Hallwyl-Monstranz. daz kistlin. — Z: Nr. 38. Monstrantiam künegfundis]. — Z: gewiss prespitenum Nr. 15, auch als Gegenstück von Nr. 16. [Z: nach Rosam auream. — Z: Nr. 13. Süden, Ein klein silber kentflin]. — Z: verloren, vgl. nach rechts Inv. 1 5 2 5 . 34. daz barillen krützlin. — Z: gewiss Nr. 33. Ein klein silber ken[tlin]. — Z: verloren, vgl. Inv. 152j. 34. Die kleiner barillen monstr[antz]. — Z: 1511 eingeschmolzen und Nr. 43 oder 44 daraus gefertigt; Nr. 44 die Kunigunden-Monstranz, gewiss rechts, da ja z. B. auch an 1 Hier ist „tabulae" zu ergänzen, nach dem Monstranz Nr. ij die Kaiserin zur Rechten Heinrichs steht. Entwurf dieses Schemas. Vgl. S. 353, Anm. 1.

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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Aufstellungsschema für die einfachere Stufe der Feierlichkeit. Z = Zusätze des Verfassers (Rudolf F. Burckhardt)

Superius ad medium alta magna noua monstrancia [Z : Nr. 63] et versus

In summis festiuitatibus quando tabula aurea non ponitur ad altare tunc ponitur primo

Sacramentale [Z: nach Norden, nach links] ponitur primo

Crucem totam auream stantem in pede ligneo videlicet Halwiler. — Z : Nr. 39. Caput S. pantali. — Z : Nr. 9. Johannem baptistam. — Z : Nr. 24. Caput. — Z : Nr. 1 1 oder 12, St. Tecla- oder Ursulahaupt, brachium s. valentini. — Z : Nr. 23.

prespiterium [Z: nach Süden, nach rechts]

Crucem domini prepositi. — Z : Wohl das Kreuz, das dem Domprobst vorgetragen wurde. Es war vielleicht das verlorene, im Inv. 1 5 1 1 . 71 angeführte «silberin kreüzlin mit Hallwyler schilt», eine Gabe Joh. Rud. v. H., 1503 Domprobst, vgl. unter Nr. 41, S. 282, Anm. 6. Caput. — Z : Nr. 5, St. Eustachius, als Gegenstück zum hl. Pantalhaupt. Christoferum. — Z : Nr. 27. Caput. — Z : Nr. 1 1 oder 12, St. Tecla- oder Ursulahaupt, brachium. — Z : Nr. 6, der hl. Walpertarm.

Sacramentale [Z: nach Norden, nach links]

Ein klein barillen kentlin. — Z : verloren, vgl. Inv. 1827. 54. die kleiner nüw monstrantz. — Z : wohl Nr. 40, die Münch-Monstranz, daz klein monstrentzlin. — Z : gewiss Nr. 64, verschollen, monstrantiam de apostolis. — Z : Nr. 16. die barillen kant. — Z : verloren, daz agnus dei. — Z : Nr. 31. pes innocentium. — Z : Nr. 28. Crucem cum imaginibus beate marie et johannis. — Z : Nr. 37. ymaginem David gamahü. — Z : Nr. 19. die grösser barill monstrantz. — Z : vor 1 5 1 1 eingeschmolzen und Nr. 43 oder 44 daraus gefertigt.

prespiterium [Z: nach Süden, nach rechts]

Ein klein barillen kentli. — Z : verloren, vgl. Inv. 1827. 54. die nüw grösser monstrantz. — Z : wohl Nr. 41, die Hallwyl-Monstranz. ein klein barillen stuof. — Z : verloren, vgl. Inv. 1827. 54. [monst]rantiam künegundis. — Z : Gewiss Nr. 15, auch als Gegenstück von Nr. 16. daz kistlin. — Z : Nr. 38. dorotheam. — Z : Nr. 26, die Dorotheen- oder Offenburg-Monstranz, rosam auream. — Z : Nr. 13. Ein klein silbern kentlin. — Z : verloren. daz barillen krützlin. — Z : gewiss Nr. 33. Ein klein silber kentlin. — Z : verloren, die kleiner barillen monstrantz. — Z : vor 1 5 1 1 eingeschmolzen und Nr. 43 oder 44 daraus gefertigt.

Z : vielleicht zu ergänzen : Inferius ad medium [Nr. 42, vgl. S.}53,Anm.3] versus

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Vor- und Frühformen der Kunstausstellung

der Feierlichkeit (Abb. 18) an Hand der erhaltenen, heute allerdings weit verstreuten Originale urteilt90. Die auf vier zusammengehörigen Blättern gegebene Darstellung der Schätze des Heiltums von St. Ulrich und Afra zu Augsburg (Abb. 19) kann als authentisches Zeugnis des frühen 16. Jahrhunderts den Ordnungswillen für derartige Bestände sehr verschiedenartiger Gebilde veranschaulichen 91 . Die mehr als hundert abgebildeten Stücke werden dergestalt geordnet, daß innerhalb der waagerecht übereinanderliegenden Streifen in alternierendem Rhythmus meist größere Tafel-, Schrank-, Kasten- und Sargreliquiare mit kleineren Monstranzen, Kelchen, Kruzifixen und Armreliquiaren abwechseln. Nur die unteren beiden Streifen weisen eine eigene Ordnung auf. Über einem von größeren Schriftblöcken gerahmten Ossuarium, in dem die offenen Sarkophage der Titelheiligen Ulrich, Afra und Simpertus die Hauptakzente bilden, folgt eine Reihe von Büstenreliquiaren. Die Mitte aller Streifen bis auf den unteren wird von senkrecht durchlaufenden Rahmenleisten zu den Seiten abgesondert. Sie enthält teils aufwendige Einzelstücke von Schrankreliquiaren, teils mehrere Objekte von besonderer Bedeutung. In diesen wenigen, nur aus dem deutschen Bereich entnommenen Beispielen der von der kunsthistorischen Forschung bisher noch wenig beachteten Heiltumsausstellungen begegnet zum ersten Male anschaulich belegbar innerhalb der Geschichte des Ausstellungswesens die Schaustellung als ein eigener, nach gewissen künsderischen Prinzipien geordneter Zusammenhang, der jeweils eine aus der Eigenart und Anzahl der Einzelstücke und aus dem Ort der Aufstellung gewonnene besondere Gestalt annehmen kann, in der sich sowohl die durch den Kultus bedingte Bedeutung der Objekte offenbart, als auch eine optisch wirksame 90

91

Burckhardt 1933, S. 1 6 f f . : «Über einem der in den Inventarien aufgezählten Antependien kamen auf dem Altartisch — unter Freilassung der für die liturgische Handlung notwendigen Fläche — die Schaustücke zu stehen.» Die untere Reihe stand wohl auf einem niedrigen Podest, um auch die Füße der Reliquiare sichtbar zu lassen. «Dahinter und darüber — das Alabasterretabel verdeckend (das für gewöhnlich den Altar krönte) —, auf einem oblongen Holzgestell «dem langen schemel wenn das heiltumb als hervor ist», kam die goldene Tafel (heute im Musée Cluny, Paris) zur Aufstellung.» Die kleineren Reliquiare standen auf holzgeschnitzten und vergoldeten Sockeln. Verschiedenfarbige Tücher, den Festen jeweils entsprechend, wurden über das Holzpodest gebreitet. Burckhardts Rekonstruktion macht deutlich, daß die Einzelstücke nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten geordnet waren, sondern daß sich in der Aufstellung auch eine der Bedeutung der Stücke entsprechende Kulmination zur Mitte hin zeigt, ähnlich wie sie auch bei der Goldenen Tafel in Lüneburg zu beobachten ist. Das goldene Heinrichsantependium beherrscht mit der Darstellung Christi die obere Mitte, und davor in der unteren Reihe die bedeutendsten Monstranzen und Kruzifixe aus den kleineren Reliquiaren herausragend. Der große Holztafeldruck besteht aus vier Teilen, die in der Abb. 19 zusammengesetzt wurden. Die oberen zwei Teile mit 63 Figuren und folgendem Titel: «Hier ist verzaichnet und wirt angezeigt das gros Hochwürdig und namhaftig Hailtum, so dann ist, ruen und rasten in dem wirdigen Gotzhaus Sant Ulrichs n. Sant Affren, Sant Benedicten Ordens gelegen in der Kays. Stat Augspurg.» Das Blatt zeigt den Reliquienschatz im Jahre 1494, ist aber IJ20 datiert. Vgl. M. Hartig, Das Benediktiner-Reichsstift Sankt Ulrich und Afra in Augsburg, Augsburg 1923, Tf. 86/87.

Die kultische Schaustellung während des Mittelalters

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Lösung des Zusammenhangs gefunden wird, die nach dem Prinzip rhythmischer Gliederung und formaler Steigerung zur Mitte und zur Höhe erfolgt. Alle die genannten, während des Mittelalters aus dem Brauchtum der Kirche entwickelten Möglichkeiten der Schaustellung kultisch gebundenen Kunstgutes haben, unter dem Wandel der Jahrhunderte sich zwar vielfältig verändernd, doch in ihrer Substanz gleichbleibend, sich bis zum heutigen Tage innerhalb der katholischen Kirche erhalten. Dennoch wird für die gegenwärtigen Formen der Reliquienschaustellung, der Prozessionen und der festtäglichen Ausschmückung der Kirchenräume die Verbindung zur Kunstausstellung nicht mehr gezogen werden können, selbst wenn verschiedentlich die in derartigen Zusammenhängen selten der Öffentlichkeit zugänglichen Werke heute einem vielfach aufgeklärten Interesse begegnen und in ihrem künstlerischen und historischen Wert gesehen und empfunden werden. Die Kunstausstellung, wie sie sich gegenwärtig in ihren verschiedenen autonomen Formen präsentiert, hat sich, in ihren Anfängen zurückverfolgbar bis an die Wende von Mittelalter und Neuzeit, trotz mancher Mischformen aus den Bereichen der profanen Kunstpflege heraus zu einer eigenständigen Darstellungsweise der Wechselbeziehungen von Künstler, Werk und Öffentlichkeit entwickelt. Gerade die Mischformen der Prozessions- und Kirchenausstellung92 zeigen, wie ein neues und unabhängiges künstlerisches Interesse sich der bestehenden altehrwürdigen Formen öffentlicher Repräsentation bedient, um eigene Anliegen der Mitwelt kundzutun. Umgekehrt bedienen sich heute auch die Kirchen der eigenen Wirkungsmacht der Kunstausstellung, wenn sie anläßlich von Jubiläumsfeierlichkeiten, seltenen Festen und Kirchentagen Ausstellungen veranstalten, die ihre kultur- und kunstbestimmende und fördernde Rolle innerhalb der Vergangenheit, oder das gegenwärtige sakrale Kunstschaffen demonstrieren sollen93.

92 93

Vgl. dazu S. iooff. Vgl. dazu einige Beispiele aus dem deutschen Bereich: Die Ausstellung «Franconia Sacra» in Würzburg 1952 anläßlich der 1200-Jahrfeier des Bistums und der Erhebung der Kiliansreliquien (Kat. d. Ausstellung im Mainfr. Museum Würzburg, München 1952), die fünf Ausstellungen anläßlich des 77. Deutschen Katholikentages in Köln 1956: Christus und Maria, Westdeutsche Kunstwerke der Gotik (Kat. d. Ausstellung im Wallraf-RichartzMuseum, Köln 1956), Der Kölner Dom, Bau- und Geistesgeschichte (Kat. d. Ausstellung im Histor. Museum Köln 1956), Sancta Colonia, Schriftdenkmäler aus 1 1 Jahrhunderten (Kat. d. Ausstellung im Histor. Archiv Köln 1956), Die neue Kirche, Bau und Ausstattung (Kat. d. Ausstellung im Rhein. Mus. Köln-Deutz 1956), und Kinderbildausstellung Kölner Stadtpatrone und Heilige (Kat. Köln 1956), anläßlich der Heiligtumsfahrt nach Aachen 1958 die Ausstellung «Unsere Liebe Frau» im Krönungssaal des Rathauses (Kat. Düsseldorf 1958) und die Ausstellung «Bayerische Frömmigkeit» anläßlich des Eucharistischen Weltkongresses in München i960 (Kat. Stadtmus. München i960).

III D I E V E R K A U F S A U S S T E L L U N G D E S 15. BIS 17. J A H R H U N D E R T S

1. Werkstatt, Laden- und Markthandel bis zum 16. Jahrhundert vornehmlich in Deutschland und in den Niederlanden «Sehrt. kunst. schri. und. klag. dich. ser. din. begert .jeez. niemen. mer. so.o.we.i^}!. Lucas. Moser. maler. von. Wil. meist er. dez. werx. bit.got.vir.in.» a) Die Grundlagen Im Rahmen der fortschreitenden Entwicklung der Städte wandelt sich seit dem 14. Jahrhundert die ehedem an den Werkauftrag gebundene wirtschaftliche Existenz und die Schaffensweise des Künstlers. Er wird zum seßhaften Handwerker, der sich genossenschaftlich in Zunftverbänden zusammenschließt und sich in den Zusammenhang der städtischen Handwerksbetriebe einfügt. Die Zunft (Gilde, Korporation) ermöglicht die gemeinsame Wahrung aller Interessen des Berufes und Standes. Ihre festgelegte Ordnung schafft «eine Art Gewerberecht»94, das Auftrag, Ausführung und Verkauf der Werke regelt, die Form des Werkstattbetriebes und der Berufsausbildung bestimmt und unter dem Patronat des hl. Lukas den Rahmen für die gemeinschaftliche Frömmigkeitsübung und die Aufgaben innerhalb des öffentlichen und politischen Lebens der Bürgerschaft festlegt. Durch diese soziale und wirtschaftliche Verankerung in der Civitas wird der als Handwerksmeister schaffende Künstler unabhängiger von dem Belieben seiner Auftragsgeber, auf das er bisher angewiesen war, und kann sich selbst innerhalb seiner durch die Zunftordnung gesetzten Grenzen freier entfalten95. 94 95

Hans Huth, Künstler und Werkstatt der Spätgotik, Augsburg 1925, S. 6. Hans Huth 1923, S. 87f., Anm. 7, gibt eine Ubersicht über die wichtigste Zunftliteratur. Speziell über die Malerzünfte vgl. auch Konrad Gatz, Das deutsche Malerhandwerk zur Blütezeit der Zünfte, München, Leipzig o. J .

Werkstatt, Laden- und Markthandel in Deutschland und den Niederlanden

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Hand in Hand mit diesem gesellschaftlichen Prozeß vollzieht sich die Sublimierung des künstlerischen Schaffens. Die Entwicklung der Tafelmalerei zu einer selbständigen Kunstgattung und die wachsende Vorliebe für die Holzskulptur bewirken neue Möglichkeiten künstlerischer Aufgaben und Sinnbindungen. Der Stiftungseifer der städtischen Gemeinden, Zünfte und Bruderschaften und der zu Reichtum und Ansehen gelangten Patrizierfamilien äußert sich in einer Fülle vielfältiger Aufträge. Der Flügelaltar in Verbindung von Malerei und Skulptur, oder in der Beschränkung auf eine der Techniken, das Andachtsbild als Plastik oder Malwerk, der Grabstein und das Totenschild sind neben den dekorativen Arbeiten die künstlerischen Aufgaben jenes neuen, sich im städtischen Gemeinzusammenhang regenden Strebens nach Reichtum und Selbstdarstellung, das mit der schmückenden Verherrlichung göttlicher Macht und Gnade und dem rührigen Eifer um das eigene Seelenheil auch den Anspruch auf das sichtbare Zeugnis des über das eigene Leben fortwirkenden Gedächtnisses und Ruhmes verbindet. Wie sich innerhalb der Malerei und Plastik ein neues Verhältnis zur realen Umwelt regt und gleichsam vom Unbeachteten und Nebensächlichen her in die bisher gewohnten heiligen Zusammenhänge die Erfahrung des wirklichen Lebens gestalthaft einzieht, so dringt auch profanes, reales Daseinsinteresse in den bildnerischen Schmuck der heiligen Stätten mit ein. Die Kirche wird in wachsendem Maße durch Kultmöbel zu einer Wohnstätte gläubigen Gemeinschaftslebens, die beziehungsvoll dem Besucher nicht nur bildend und deutend das Heilsgeschehen vermittelt und ihn eindringlicher durch die menschlich nähere Aussagekraft der Darstellungen zu frommer Andacht auffordert, sondern ihm zugleich von dem Kunstfleiß und der Meisterschaft der städtischen Handwerker kündet, und so ebenfalls vom Hintergrund des eigentlichen, religiösen Erlebens ein neues Interesse an der künsderischen Ausführung weckt und schließlich eine ästhetische Wirkung erzielt. In diesen sich neu anbahnenden Kontaktmöglichkeiten zwischen Kunstwerk und Mensch wird das persönliche Verhältnis beider mehr und mehr angesprochen. Diese Erscheinung ist das Symptom eines Prozesses, der das gesamte Dasein umfängt. Der Mensch entdeckt in sich die eigene Persönlichkeit mit ihrer sittlichen Stellung zur Welt und deren Erscheinungen. Das bisher als sicher geglaubte und erlittene Dasein wird zur zunehmend bewußten Eigenhaltung, die in neuer Weise den Willens- und Gedankenschluß zum Leben und Glauben benötigt. Ein neues Bewußtsein von Stolz und Handlungsfreiheit beseelt die Menschen. Sie spüren in sich die Kraft und Spanne ihres eigenen Lebens, dem sie selbst eine neue und reichere Gestalt zu geben versuchen. Der Stadtbürger erobert allmählich das fromme Stiftungsvorrecht von Bildwerken für seine Kirchen und gewinnt über den Weg der privaten Andacht die Kunst für sich und den Schmuck seines Hauses96. Nicht anders entdeckt der 98

A l s Beispiel vgl. H . Förster, Kölner Kunstsammler v o m Mittelalter bis 2um Ende des bürgerlichen Zeitalters, Berlin 1931, S. 12 f.

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Die Verkaufsausstellung des 1 5 . — 1 7 . Jahrhunderts

Künstler in sich die Stetigkeit der eigenen gestaltenden Kraft, und mit zunehmendem Bedacht auf den Eigenrhythmus seines Lebens und Schaffens gewinnt er neue Möglichkeiten, sich von der Ausschließlichkeit des Auftrags zu lösen und daneben freiere Bindungen einzugehen, in denen sich die eigene Schöpferlust mit wirtschaftlichem Unternehmungsgeist zweckdienlich verbinden kann. Der Künstler und seine Umwelt gehen den gleichen Weg und wirken beide in eigener Absicht und im anfallenden Wunsch und Bedarf auf die Weitung des künstlerischen Aufgabenkreises hin, in dem sich nun auch das profane Thema, zunächst im Bildnis, dann im Genre, als neue Aussagemöglichkeit des sich emanzipierenden Bildungsbewußtseins entwickelt. Die Kunstwerkstätte wandelt sich zum Atelier, in dem der zum selbstbewußten Künstler heranreifende Handwerker auch seinen Problemen nachgehen kann, bleibt andererseits weiter wirtschaftlich organisierter Produktionsbetrieb, in dem häufig mit Arbeitsteilung Großaufträge, aber auch Lagerprodukte ausgeführt werden. Mit der allmählichen Verselbständigung des künstlerischen Eigenwertes der Werke tritt auch ihr Warencharakter deutlicher in Erscheinung und muß sich im Vertrieb den bestehenden Handelsformen im Markt- und Ladenverkauf unterwerfen. Die neuen Freiheiten, die sich der Künstler innerhalb des städtischen Lebens und seiner sich immer stärker ausprägenden Konkurrenzwirtschaft erwirbt, bringen freilich zugleich auch Unsicherheiten und Gefährnisse mit sich, die seine Existenz bedrohen. Der anhaltende Zustrom der durch die neue Geldwirtschaft verarmenden Landbevölkerung in die Städte, der sich vor allem in die unteren Handwerkerkreise ergießt97, gefährdet trotz scharfer und ständig neu aufgelegter Handels- und Zunftverordnungen den eingesessenen Handwerkerstamm. Viele Formen wilden Gewerbes, unlauterer Konkurrenz und Betrug halten Einzug in das städtische Gemeinwesen. Die bis dahin herrschende Lebensmoral und Existenzsicherheit wird seit dem 15. Jahrhundert sichtlich gestört. Der neuzeitliche Lebenskampf beginnt mit allen Erscheinungen, auch der Anspannung der eigenen Kräfte und Kunstfertigkeiten, der wirtschaftlichen Geschicklichkeit, des sich gegenseitig Überbietens mit Neuem und Neustem und der Jagd nach Geltung und Ruhm. Diese konfliktreiche Aufspaltung des bisher gültigen Lebenseinklanges, in dem das neue Diesseitsgesicht zunächst noch als eine naive Entdeckung des Bewußtseins sich in die gegebene sittliche Weltordnung einzufügen sucht, wird gerade den Künstlern, die aus dem Lebenszusammenhang des 14. Jahrhunderts dem Neuen Bahn geschaffen hatten, als schneidende Dissonanz erschienen sein. So etwa muß als eine Stimme der Zeit der eingangs zitierte Spruch aus der Inschrift vom Tiefenbronner Altar des Lukas Moser gedeutet werden98. 97

98

Hans Huth 1 9 2 3 , S. I 2 f f . ; Heinrich Bechtel, Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, München, Leipzig 1930. Graf Johann von Waldburg-Wolfegg, Lukas Moser, Berlin 1939, S. 10. V o n Heinrich Bechtel, 1930, S. 270, zu wörtlich als Klage des Künstlers über das Mißverstehen seiner

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Diese neue Konzentrierung der künstlerischen Produktion in den Stadtgemeinden führt allgemein seit dem 14. Jahrhundert auch für den Vertrieb der Kunsterzeugnisse zu den üblichen Formen des Laden- und Marktverkaufs. Damit gewinnt, wie einst in der Antike, die merkantile Darbietung, das «Feilhalten» von Kunst an Bedeutung, und die Verkaufsausstellung tritt wieder als die gemäße Form des öffentlichen Angebotes auf den Plan.

[98j neuen Bestrebungen aufgefaßt. Diese weitverbreitete Deutung orientiert sich offenbar am Typus des von seiner Zeit mißverstandenen avantgardistischen Künstlers, wie er sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelt hat. Alfred Stange, Deutsche Malerei der Gotik, Bd. 4, München, Berlin 1951, S. 94f., weist als erster auf den Toposcharakter hin und zieht auch den weiter unten zit. Aufsatz von Walter Rehm zu Rate. Es wird hier über Alfred Stange hinaus auf die Inschrift eingegangen, weil sie zu den ganz seltenen Selbstzeugnissen der Künstler des 15. Jahrhunderts gehören, die unmittelbar über die sich neu anbahnende Stellung der Kunst eine Aussage treffen. Lukas Moser greift mit seiner kunstreichen Sentenz eine literarische Modeform auf, die sich als «Künstlerklage» schon bei spätantiken Autoren nachweisen läßt. Dieser Topos tritt durchgehend in den Dichtungen der Minnesänger seit dem 13. Jh. auf. Als Symptom der Bildungsreflexion zeigt er ein neues Eigenbewußtsein der Künstlerpersönlichkeit an, das sich zunächst in den höfischen Dichterkreisen entwickelt. Im Gegensatz dazu steht Italien, wo sich schon zu Ende des 13. Jhs. in den künstlichen Lobesfloskeln der Inschriften an den Großwerken des Giovanni Pisano die Anerkennung der Künstlerpersönlichkeit durch die Zeitgenossen äußert und die Verkündung des Künstlerruhmes frühe Ansätze eines Kunsturteils enthält. Vgl. dazu die Inschriften am Brunnen von Perugia, 1278 vollendet, an der Kanzel von St. Andrea zu Pistoja, 1301 vollendet, und an der Kanzel des Domes von Pisa, 1312 voll. (Harald Keller, Giovanni Pisano, Wien 1942, Anm. S. 64ff., Walter Paatz, Die Bedeutung des Humanismus für die toskanische Kunst des Trecento — ein Versuch. Vortrag auf d. Tagung «Ursprünge u. Anfänge der Renaissance, 18. — 20. 3. 54 im Zentralinstitut f. Kunstgesch., in: Kunstchronik 7. 1954. j , S. 114—116.) Die Künstlerinschriften an den Mal werken und Altären der niederländischen und deutschen Meister des 15. Jahrhunderts enthalten durchweg sachliche Angaben, wenn zum Teil auch in kunstreicher Form, wie zum Beispiel am Genter Altar, aber nur selten persönliche Äußerungen. Die Sonderform der Inschrift des Tiefenbronner Magdalenenaltares als einer persönlichen Klage über den künstlerischen Unverstand der Zeit läßt sich nur aus der direkten Berührung mit der Dichtung vermuten. Vgl. dazu Walter Rehm, Kulturverfall und spätmittelhochdeutsche Didaktik, Ein Beitr. z. Frage der geschichtl. Alterung, in: Z. f. deutsche Philologie 52. 1927, S. 287—330. Neben der laudatio temporis acti.die sich schon in Freidanks Spruchsammlung findet und in mannigfacher Variation etwa im Prolog zum 2. Kap. des «Alexander» von Rudolf von Ems (Victor Jung, Rudolf von Ems, Alexander. Ein höfischer Versroman d. 13. Jhs., T. 1, Leipzig 1928, S. i i 2 f f . Vers 3o86ff.), beim Teichner, Suchenwirt, Muskatblut u. a. auftritt, erscheint ebenso in verschiedener Gestalt die Künstlerklage über das Unverständnis und die Gleichgültigkeit der Umwelt gegenüber der großen Kunst, besonders bei Konrad von Würzburg in dessen Gedicht «Klage der Kunst» (Eugen Joseph, Konrad von Würzburg, Klage der Kunst, Quellen und Forsch, z. Sprach- und Culturgesch. d. germ. Völker Bd. 54, Straßburg 1885, besonders Strophe i6f.). Diese Bildungsreflexion entspringt der sich besonders heftig in der höfischen Ritterwelt äußernden Spannung zwischen «Lebensform und Lebensinhalt» (Walter Rehm, S. 308) vor allem seit dem 14. Jh. Das Bewußtsein der zerbrechenden höfischen Lebens- und Gesellschaftskonvention, ihrer ethischen Haltung und Ideale sucht seinen Ausdruck in der Reflexion, der Selbstzergliederung und der epigonalen geschichtlichen Selbsteinordnung. So etwa bei Suchenwirt: «Es geht ein ander werlt herfür» (Rehm, S. 328) oder bei Muskatblut:

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Die Entwicklung der Verkaufsausstellung vollzieht sich in den führenden europäischen Kunstgebieten Italien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland nicht gleichwertig. In Italien bewirkt die frühzeitige machtpolitische und wirtschaftliche Entfaltung der Städte ein freieres Kunstleben, das die Emanzipation des Künstlers schneller als im übrigen Europa begünstigt und schon seit dem 15. Jahrhundert eigene Formen der Schaustellung entwickelt, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für die folgenden Erscheinungen in einem eigenen Kapitel dargestellt werden. Der französische Kunstmarkt, dessen Anfänge sich bis in die Champagnermessen zurückverfolgen lassen, konzentriert sich seit dem 14. Jahrhundert auf Paris, erstarrt aber bald in strenger Reglementierung, so daß er für die weitere Entwicklung wenig beiträgt und sich bereits seit dem 1 j. Jahrhundert nur schwer gegen die niederländische Konkurrenz behaupten kann". Auch in Deutschland wird der seit dem 15. Jahrhundert zunehmende Werkstattund Marktvertrieb von Kunst schon bald nach 1500 von dem überall eindringenden niederländischen Kunsthandel überspielt. Alle wesentlichen Erscheinungen des merkantilen Kunstbetriebs konzentrieren sich bis zum 17. Jahrhundert in den niederländischen Städten und bestimmen weitgehend den mitteleuropäischen Kunstmarkt. Sie werden deshalb gesondert behandelt. Die Quellen, aus denen die frühen Formen des Kunsthandels und der Verkaufsausstellung und ihre Technik erschlossen werden können, bilden die städtischen Ratserlässe, die Zunftordnungen, sonstige Urkunden und zeitgenössische literarische Zeugnisse. Sie werden von bildlichen Darstellungen [88] «Wer pennyge hat, der hat nu ere were er dan ye gewesen ein reubere und wucherere.» (Rehm, S. 319.) Mit dieser so eigenen Stellung des Malers Lukas Moser zur späten mittelhochdeutschen Dichtung und damit zu der sterbenden höfischen Bildungswelt findet sich bestätigt, was von stilkritischer und deutender Sicht Graf Johann von Waldburg-Wolfegg in seiner Monographie über den Künstler nachgewiesen hat. Nicht nur die vielfältigen und über die Beziehungen seiner Zeitgenossen hinausgehenden Verknüpfungen besonders mit der höfischen Kunstwelt Burgunds, sondern auch der komplizierte theologische Hintergrund des Magdalenenaltares verraten einen ungewöhnlich gebildeten Künstler, dessen Bildungsbewußtsein sich nur an dem überlieferten theologischen und literarischen Gedankengut entwickeln konnte. Aber dieses scheint — und darin liegt das entscheidend Neue — nicht nur als handwerksgebundenes Wissen bei Lukas Moser aufzutreten, sondern als ein lebendiger Bildungsgrund, aus dem er eigenschöpferisch die Forderungen des Auftrags und der Tradition in eine persönliche Aussage zu fassen vermochte. In dieser Leistung zeigt sich die neue Möglichkeit der sich aus dem traditionellen Handwerksbereich emanzipierenden Künstlerpersönlichkeit. Unter diesen Gesichtspunkten mag in der Inschrift auch realiter eine Äußerung zur aktuellen Lage des Künstlers gegeben sein. Sie kann jedoch wohl nur nach der Seite verstanden werden, daß die bisherige Sicherheit, die künstlerische Existenz im Auftragsschaffen in der überlieferten Weise zu erfüllen, nicht mehr gegeben ist, und daß der Künstler gezwungen wird, eigene Wege in der Bewältigung seiner Kunst und auch in der wirtschaftlichen Sicherung seines Lebens zu suchen. 99 Jules Guiffrey, Histoire de l'Académie de Saint-Luc. Archives de l'Art français . . . Nouvelle Période, Tome I X , Paris 1915, S. 5 Anm. i : Schon in den frühesten Satzungen von 1391 findet sich ein Verkaufsverbot für Kunstgegenstände durch fremde Händler.

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ergänzt, die anschauliche Vorstellungen von der Art und Weise des Schaustellungsbetriebes vermitteln. Die ältesten und offenbar für lange Zeit auch einzigen bildlichen Quellen für die frühen Praktiken des Werkstattverkaufs und Pretiosenhandels treten in einer spanischen Handschrift vom Ende 13. Jahrhunderts auf, den Cantigas Alfons des Weisen, Königs von Leon und Kastilien (1252—1284) 100 . Dort wird innerhalb der Bildergeschichte von der Wallfahrt eines Mönchs der Verkauf eines Marienandachtsbildes dargestellt (Abb. 20). Vor dem zur Straße sich öffnenden Gewölbe einer Malerwerkstatt erfolgt die Übergabe des Bildes durch den Maler an den berittenen Pilger. Zwei weitere Madonnentafeln und eine Darstellung des Gekreuzigten sind teils an der Wand hängend, teils auf der Ladenbank stehend noch zur Schau gestellt. In dieser Handschrift befindet sich auch noch die Darstellung eines Pretiosenhändlers, der unter seinem Gewölbe Kelche, Standkreuze, Rosenkränze, Reliquienbehälter und anderes feil bietet. Die unter dem Einfluß der Pariser Miniaturmalerei stehenden Illustrationen geben in ihrer präzisen Anschaulichkeit den Beweis dafür, daß bereits seit dem 13. Jahrhundert mit dem Aufkommen des beweglichen Andachtsbildes und mit der Zunahme privaten Stiftungseifers sich Möglichkeiten des freien Verkaufs von Werken entwickeln, die im Rahmen eines von der Nachfrage bestimmten Erfahrungsraumes ohne unmittelbaren Auftrag entstehen.

b) Der Handel mit Kleinkunst und Pretiosen, die Goldschmiede Die frühesten Zeugnisse für den freien Verkauf von Kunst finden sich naturgemäß im Bereich der Schmuck- und Kleinkunstproduktion. Auch hierin läuft die Entwicklung der antiken parallel. Wie dort ist es zunächst das kleine, bewegliche Kunstwerk, die Pretiose, mit der sich der Mensch schmückt und vor anderen auszeichnet, und das kostbare Gerät, das er zu Stiftungszwecken oder zur Verschönerung und Bereicherung seines Lebensraumes erwirbt. Auf den Champagnermessen haben die Goldschmiede und Juweliere bereits im 12. Jahrhundert ihre Verkaufsbuden errichtet101. 1292 leben in Paris 116 Goldschmiede 100 E l Escorial, Bibl. del Real Monasterio, Ms. T . j. i , fol. 17 r°, Cánt. I X . Abb. des gesamten Blattes bei J . Domínguez Bordona, Spanish Illumination, Bd. 2, Firenze, Paris 1930, Taf. 85 u. Text S. 39ff. Entstehung des Ms. in Sevilla E . 13. oder Anf. 14. Jh. 101 Robert-Henri Bautier, Les foires de Champagne, in: La Foire, Recueils de la Société Jean Bodin, Bd. 5, Bruxelles 1953, S. 97ff. enthält ausführliche Angaben über die zahlreiche Literatur zu diesem Komplex. Die Messen entwickeln sich rasch seit dem 10. Jh. bis ins 13. Jh. und verfallen im 14. Jh. Sie werden in folgenden Orten abgehalten: Troyes, Provins, Bar-sur-Aube, Lagny, Châlons-sur-Marne, Bar-sur-Seine, Nogent-sur-Seine, Reims, Langres, Tonnere, Saint-Florentin, La Ferté-Gaucher, Sézanne, Ramerupt und Méry-surSeine. Martin Saint-Léon: Histoire des Corporations de métiers, 4. A . Paris 1941, S. 144, zitiert den Vers eines Dichters aus dem 12. Jh., der eine Vorstellung von dem Meßbetrieb gibt und auch die Buden der Goldschmiede erwähnt :



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gegenüber 24 Bildhauern und 3 3 Malern 102 . In Venedig konzentriert sich der Pretiosenhandel bald auf der«Fiera della Sensa», die 1177 ins Leben gerufen wird und bis ins 18. Jahrhundert der jährliche Höhepunkt der festlichen Handelsereignisse bleibt 103 . Bereits in Byzanz sind die Juweliere, Gold- und Silberarbeiter (&eyvQoitQäzai) genossenschaftlich organisiert und unterstehen einer strengen staatlichen Regelung von Produktion und Verkauf. Sie folgen darin bereits einer antiken Tradition 104 . Die bildlichen Wiedergaben von Goldschmiedewerkstätten gehören deshalb auch mit zu den frühen Darstellungen von Kunstwerkstätten. Sie finden sich zunächst unter den Bildern des hl. Eligius, des Schutzpatrons der Goldschmiede, und unter den Planetenkinderzyklen, in denen das irdische Tun unter dem Aspekt des Sternenschicksals dargestellt wird, dann aber auch in anderen Zusammenhängen in der Miniaturenmalerei und in der Graphik 105 . Ein frühes Eligiusbild aus der Werkstatt des Taddeo Gaddi 106 (Abb. 21) führt den Heiligen bereits als Goldschmied vor, wie er hinter der mosaizierten Ladenbank unter dem Gewölbe der Werkstatt inmitten seiner Gesellen steht und der Straße zu vor den Augen seiner Mitmenschen arbeitet. Vorn auf der Ladenbank stehen die fertigen Stücke zum Verkauf: ein Pokal, ein Ölfläschchen und ein Kronreif. Über einer Stange in der Arkadenöffnung zur Straße hängen zwölf prächtige Gürtel und Kettengeschmeide zur Schau. Wie in diesem Bilde, so zeigen auch andere Darstellungen des Heiligen in der Werkstatt häufig die Ausstellung der fertigen Stücke in einer ihrer jeweiligen Funktion angemessenen Weise und zugleich in einer gefälligen Gesamtdekoration. Das 1449 von Petrus Christus, vermutlich für die Korporation der Antwerpener Goldschmiede gemalte Bild (Abb. 22) führt den Betrachter unmittelbar an den [ 1 0 1 ] « A la côte du grand chemin Est la foire du parchemin Et après trouvai les pourpoints, Puis la grande pelleterie... Puis m'en revins en une plaine Là où l'on vend cuirs crus et laine... Après des joyaux d'argent Qui sont ouvrés d'orfèvrerie.» 102 Martin Saint-Léon 1941, S. 198t. 103 Gino Luzzatto, V i furono fiere a Venezia? In: La Foire, Recueils de la Société Jean Bodin, Bd. 5, Bruxelles 1953, S. 269ft. 104 Albert Stöckle, Spätrömische und byzantinische Zünfte, Klio, Beih. 9, Leipzig 1 9 1 1 , S. 20 ff. 105 Jacobus a Voragine Legenda Aurea, herausgeg. v. Th. Graesse, 3. A . Breslau 1890, S. 952, Kp. 239 (210) De sancto Eligio episcopo; Josef Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943, Sp. 204—206; Charles Baussan, Saint Eloi, Coli. l'Art et les Saints, Paris 1932; Heinrich Schwarz, The Workshop of a X V I I Century Goldsmith, in: G.d.B.A. 9 6 . 4 3 . 1954, S. 2 3 1 — 2 4 2 ; Alois Hauber, Planetenkinderbilder und Sternbilder, Straßburg 1916, Stud. z. deutsch. Kunstgesch. H. 194; Friedrich Lippmann, Die sieben Planeten, Internat. Chalkogr. Ges. 1895 ; Hans Huth 1923, S. 33. 106 Aus der Slg. Spiridon, Paris. Vgl. Pantheon 1929. 3, S. 159.

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Verkaufstisch des Juweliergeschäftes heran, hinter dem der Heilige gerade an ein im Laden stehendes junges Paar einen Perlenring zum Verkauf abwägt107. Hinter ihm auf der rechten Seite des Bildgrundes wird ein Regal sichtbar, das dem Betrachter die fertigen Werke des Goldschmieds und die von ihm angebotene Ware präsentiert. Die Fächer des Bords sind mit weißem Tuch ausgeschlagen, damit die einzelnen Gegenstände in ihrer Eigentümlichkeit und Schönheit besser zur Geltung gelangen. Im unteren Fach ein schräg gestellter Kasten mit vielerlei Ringen, die über kleine Zylinder gezogen sind, dahinter ein Ostensorium, dessen Glaskörper kunstreich eingefaßt ist, daneben zwei sauber aufgelegte dunkelfarbige Tuchstücke mit Perlenschmuck und losen Edelsteinen. Gegen die Rückwand sind ein Korallenast und zwei schlanke geschliffene Kristallkörper gestellt und, halb vom Vorhang verdeckt, ein großer Pokal. An der Rückwand des unteren Faches hängen auf dunklem Stoffgrund drei Edelsteinagraffen, daneben ein kleines Metallgehänge und von der Kante des oberen Faches herab eine Perlenkette und ein zierliches, kostbares Handtäschchen. Im oberen Fach stehen vor dunklem Grunde ein Buckelkelch mit reich getriebenem Deckel und zwei schlanke Kannen. Die etwas steife Feierlichkeit, mit der das Bildgeschehen nicht als Handlung, sondern stillebenhaft als ein bestimmter Lebenszusammenhang erfaßt wird, gehört zur Stileigentümlichkeit des Malers und findet sich auch in den wenigen anderen erhaltenen Werken wieder. Aber das besondere Prinzip des Sich-ZurSchaustellens, das jede Einzelheit des Bildes bestimmt, läßt sich nur aus dem Bildinhalt selbst deuten. Der Buckelspiegel, der vorn rechts schräg auf den Ladentisch gestellt ist, gibt die Lösung. Die Seite des Beschauers spiegelt sich im Glas: Zwei Männer sind von der Straße, deren rückwärtige Häuserzeile sichtbar ist, an den offenen Verkaufstisch herangetreten und sind die unmittelbaren Zeugen des Bildgeschehens; über sie wird der Bildbetrachter bereits mit einem erschauten Bild konfrontiert. Damit stellt das gesamte Bild in sich einen Schauzusammenhang dar, zu dem der Meister, seine Kunden, das Abwägen der Ware und die Schaustücke ebenso gehören wie die sich im Spiegel zeigenden Beobachter auf der Straße. Das Gemälde bietet einen exakten Einblick in die Ausstellungstechnik der Zeit, obgleich gewisse Erfordernisse der Bildkomposition nicht außer acht gelassen werden dürfen. Jeder ausgestellte Gegenstand wird seiner Form, seinem Material und möglichst auch seinem Gebrauch entsprechend aufgestellt: Der Ring erscheint aufgesteckt, die Agraffen, die Kette und die Handtasche hängen. Jeder Gegenstand spricht dadurch einzeln den Beschauer an und fügt sich doch einer gewissen Gesamtordnung ein. Daß es sich dabei um eine durchaus gebräuch107

Aus der Slg. Robert Lehman, New York. Die Tafel ist signiert «Petrus Christus me fecit anno 1449». Max J. Friedländer, Die altniederländische Malerei, Bd. 1, Berlin 1924, S. 146; H. Clifford Smith, The legend of St. Eloy and S. Godeberta, in: Burl. Mag. 25. 1914, S. 326 — 335. Zur Bedeutung des Spiegels vgl. G. F. Hartlaub, Zauber des Spiegels, München 1951, S. 96 ff.

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Die Verkaufsausstellung des 1 5 . - 1 7 . Jahrhunderts

liehe Ausstellungstechnik handelt, lehrt ein Stich des Wenzel von Olmütz (Abb. 23) mit der Darstellung einer Goldwägerin vor dem Schauregal eines Goldschmiedeladens108. Hier werden auch die in mehreren Exemplaren vorhandenen Schalen, Becher und Dosen in auffälliger Ordnung aufgebaut. Soweit es sich in den Werkstattbildern verfolgen läßt, scheint zuerst innerhalb der Darbietung von kunstgewerblichem Gerät und von Pretiosen eine bewußte Ausstellungskultur entwickelt zu sein. Die beiden bisher betrachteten Eligiusbilder und der Stich mit der Goldwägerin zeigen verschiedene Möglichkeiten der Ausstellungstechnik: Das erste gibt gewissermaßen eine Frühform der Schaufensterdekoration wieder, die unmittelbar in der vorderen Front des Ladens die Verkaufsware dem Betrachter präsentiert. Auf den beiden anderen Bildern steht die Ware im Inneren des Ladens in einem Regal zur Schau. Beide Techniken, verschiedentlich auch kombiniert, finden sich ebenfalls auf anderen Darstellungen. Ein demBaccio Baldino zugeschriebener Kupferstich des Merkur aus der Planetenkinderfolge 109 (Abb. 24) zeigt in dem zur Straße offenen Werkstattladen im Inneren ein Gestell mit zwei getriebenen Tellern und darüber zur Straße hinausragend eine Stange, über der Gürtel hängen. Auf dem Eligiusbild des Nikiaus Manuel Deutsch von 1515 (Abb. 25) befindet sich das Schauregal auf der inneren Schmalseite des Werkstattisches, an dem der Heilige mit seinen Gesellen arbeitet 110 . Die fertigen Stücke sind in preziöser Auffälligkeit ausgestellt. Auf späteren Darstellungen von Goldschmiedewerkstätten111 setzt sich mit der wachsenden Differenzierung des Ladenverkaufs auch das Prinzip der Schaufensterdekoration mehr und mehr durch. In einem Kupferstich des Etienne los Wenzel von Olmütz, die Goldwägerin, Stich, 85 x 70 mm, Paris, Bibl. Nat., Inv. Nr. E a 44 ris. p. 26; Max Lehrs, Geschichte und kritischer Katalog der deutschen, niederländischen und französischen Kupferstiche im 15. Jahrhundert, Bd. 6, Wien 1927, Nr. 60. 109

Henri Delaborde, La gravure en Italie avant Marc-Antoine, Paris o. J., Tf. 7 ; Arthur M. Hind, Early Italian Engraving, London 1938, Vol. 1, Kat. S. 82 Nr. 6a und b (Kopie). 110 Berner Kunstmuseum, Leihgabe der Burgergemeinde Bern. 111 E s wird darauf verzichtet, die Goldschmiedewerkstätten und ihre Schaustellungspraktiken durch das 16. Jh. an Hand der zahlreichen bildlichen Darstellungen weiter zu verfolgen, die sich vor allem in den verschiedenen graphischen Zyklen, nun auch der Berufe und Stände, immer wieder finden, wie etwa in dem Merkur-Blatt der Planetenkinderfolge des Georg Pencz von 1 5 3 1 . Vgl. Heinrich Röttinger, Die Holzschnitte des Georg Pencz, Leipzig 1914, Nr. 4 — 1 1 ; über Herkunft und Kopien der Folge vgl. Meister um Albrecht Dürer, Kat. d. Ausstell, im Germ. Nat. Mus. Nürnberg 1961, Nr. 286. In diesem Blatt stehen auf dem zur Straße aufgeschlagenen Verkaufstisch der Werkstatt drei Pokale und ein Becher zur Schau. Im Inneren ist ein Regalschrank mit zwei Krügen sichtbar. Es seien noch einige seltenere isolierte Darstellungen genannt: 1. Die Goldschmiedewerkstatt im Codex Picturatus des Balth. Behem in der Bibl. zu Krakau von 1505. (Bucher, Die Zunft- und Verkehrsordnung der Stadt Krakau (Codex Picturatus), Wien 1889). 2. Zunftzeichen der Kronstädter Goldschmiede als Schild mit Anhänger. Auf der Vorderseite Goldschmiedewerkstatt im Relief auf der Rückseite in Gravierung. Dat. 1556. Budapest, Nat. Mus.

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Delaune von 15 76, des Künstlers Werkstatt in Augsburg darstellend, werden die Verkaufsstücke, Halsketten mit Anhängern, hinter dem kleinteilig verglasten Fenster zur Straße aufgehängt. Ein Stich des Almot Guyenot von 1646 vom Inneren einer Goldschmiedewerkstatt (Abb. 26) gibt den Blick über zwei zu einem Platz offenen Arkaden wieder, in deren Fensterbänke hinter einem ausladenden Gitter die Schaustücke in schöner Vereinzelung, dem Rhythmus der Gittergliederung entsprechend, ausgestellt werden. Dieses ebenfalls noch durch den Titel des «grand sainct» Eligius motivierte volkstümliche Blatt gibt nicht nur einen exakten Einblick in die Produktion und Schaustellung, sondern durch seinen teils figürlich-szenischen, teils im modischen Blumen- und Rankenwerk gehaltenen Rahmen eine reklamemäßige Anpreisung der vielfältigen Kunstfertigkeiten des Ornamentstechers und Goldschmieds Almot Guyenot wieder.

c) Die Kunsthandelsformen im 15. und 16. Jahrhundert A n Hand der städtischen Rats- und Malerzunfterlässe seit dem 15. Jahrhundert läßt sich erkennen, wie sehr die neuen Formen des freien Handels und des «Feilhaltens» von Kunstgut aller Art in den größeren städtischen Gemeinwesen einer Ordnung bedürfen. Wie jede gesetzliche Verfügung die bewußte Fixierung bereits bestehender Gewohnheiten darstellt, so zeigt sich besonders in den häufig vorgeschriebenen Verkaufsbeschränkungen und ihren vielfach zugrunde liegenden Klagen der Malerzünfte zugleich eine eigentümliche Beharrlichkeit im Festhalten an einmal gefundenen und gemeinschaftlich beschlossenen Lebensformen. Hierbei tritt das Gesetz nicht nur als ein für die Gesellschaft notwendiges und förderndes Regulativ auf, sondern es kann mit der Zeit auch zu einem Hemmnis werden, wenn es nicht mehr im Einklang mit der sich schnell wandelnden lebendigen Entwicklung steht. So sind die Erlässe vielfach aus dem Glauben an die normative Natur einer einmal gefaßten Ordnung oder eines vor langer Zeit bestätigten Privilegs zu verstehen. Diese Einstellung wirkt zum Teil bis in das 18. Jahrhundert nach und wird nur dort durchbrochen, wo die wirtschaftliche Situation gegenüber dem Bestehenden eine Neuorientierung unumgänglich macht 112 .

[ m ] (Victor Roth u. a., Die Deutsche Kunst in Siebenbürgen, Berlin 1934, Abb. 2 1 1 f., Text S. IJ6). 3. Lucas Cranach d. Ä . Das Große Turnier von 1506, Holzschn., mit einer Goldschmiedewerkstatt mit Auslage im Hintergrund. (Johannes Jahn, Lucas Cranach als Graphiker, Leipzig 1955, Abb. 22). 4. Meister M Z , Das Turnier von 1500, Kupferstich. (Max Lehrs, Geschichte und krit. Kat. d. Deutschen, niederländ. und französ. Kupferstiche im 15. Jh., Bd. 8, Wien 1932, Tf. 250, Nr. 596). Für das Folgende vgl. Heinrich Schwarz in: G . d . B . A . 96. 1954, S. 112 So führt in Köln z. B. der § 24 «Eines Erbahren Mahler Ambts Verbesserte Ambtsordnung . . . 1701» eine Bestimmung aus dem Jahre 1449 sinngemäß weiter: «Ess soll Niemandt...

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts I m Rahmen des Zunftgewerberechts ist die Werkstatt der natürliche V e r k a u f s -

platz der verfertigten Kunsterzeugnisse. E r liegt meist im Untergeschoß der Häuser und öffnet sich mit einem über die Fensterbank heruntergeklappten L a d e n brett, auf dem die W a r e ausgestellt wird, zur Straße. Z u diesen festen Werkstattläden gesellen sich die Buden und Stände der Wochenmärkte, vielfach als Freitagsmarkt veranstaltet, und schließlich der Sondermärkte und Messen, die auf G r u n d besonderer Privilegien oder bestimmter regelmäßig wiederkehrender Feiertage und Kirchenfeste abgehalten w e r d e n 1 1 3 . D i e Verordnungen, in denen v o m Verkauf v o n K u n s t g u t die Rede ist, legen meistens die Orte fest, an denen verkauft werden darf. In dem 1 4 4 9 erschienenen E r l a ß

114

z u

Köln

w i r d angeordnet, daß niemand eine A r b e i t darf «offenbar

veil hain, noch dragen up straissen in Kirchen noch up andere geveid stede dan in iren huisern». I n Breslau wird, beruhend auf einer gleichlautenden Bestimmung aus dem Jahre 1 3 9 0 , in dem Privilegium Sigismundi, das 1 4 2 0 nach dem großen Handwerkeraufstand v o m Kaiser verliehen wurde, angeordnet: « O u c h sal nymand vorkeuffen N e w e Kasten L a d e n Tische und Almereyen of der Brucken noch v o r der Kirchen, w o man die vindet die sal man nemen an alleyne in den J o r m e r k ten . . . » 1 1 5 . N u r durch derartige V e r b o t e kann man sich v o r dem überall aufkommenden ambulanten Handel schützen, der die Wirtschaftspraxis der ansässigen Werkstätten gefährdet. Bildliche Darstellungen der Z e i t können die

[ u a ] Einiges Werck oder gemahlde Sachen von heusern zu heusern, auf Straßen, an kirchen oder sonst andersswo heimlich oder öffentlich, herumbtragen unndt feill bieten, alss nur in seiner gewohnlichen behaussung, auch dieselbe keinen Vorkeuffern, welche außerhalb der freyheit vor der kirchen feill haben, verkauften . . . » . Joh. Jacob Merlo, Die Meister der altkölnischen Malerschule . . . urkundl. Mittl., Köln 1852, S. 208. 113 Rudolf Haake, Das städtische Messe- und Ausstellungswesen, Einzelschr. d. Kommunalwiss. Inst, an d. Univ. Berlin, H. 1 1 , 2. A . Stuttgart, Berlin 1940, S. i f f . ; Hanns Floerke 1905, S. 1 2 f f . 114 Hans Huth 1923, S. 19, dort weitere Beispiele genannt. 115 Alwin Schultz, Urkundliche Geschichte d. Breslauer Malerinnung in den Jahren 1345 —1532, Breslau 1866, S. 18 ff. Für die weitreichenden Verbindungen des Handels mit Kunstgegenständen in Breslau zeugt eine in der handschriftlichen Chronik des Breslauer Sandstiftes aus dem 18. Jahrhundert mitgeteilte Quelle: «Item anno Domini 1431 circa festum Johannis Baptistae Dominus Jodocus Abbas emit a quodam mercatore de Parysiis tabulam cum crucifixo de Alabastro laboratam cum suis attinentiis sitam in Altari Sancti Augusti pro quadraginta florenis ungaricis, qui mercator affirmavit praefatam imaginem crucifixi sculptam Parysiis in montanis, sed tabulam idem mercator Wratislaviae ad eandem imaginem fieri disposuit, pro qua decem marcas exposuit, et eodem anno in die Sanctae Elisabeth idem Dominus Jodocus Abbas solvit Joanni Cromendorff aurifabro viginti marcas in auro ratione eiusdem tabulae, et laboris circa eandem, ut patet in libro annotationum eiusdem.» Mitgeteilt und interpretiert im Zusammenhang mit einer Alabastergruppe der drei klagenden Marien (Breslau, Schles. Mus.) von Ernst Scheyer, Eine Pariser Alabastergruppe um 1430, in: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift, N. F. Jb. d. Schles. Mus. f. Kunstgew. u. Altertümer 10. 1933, S. 35 ff. Vgl. dazu auch G . Schoenberger, Art. Alabaster, in: R D K 1. 1937, S. 297ff. u. Walter Paatz, Stammbaum der gotischen Alabaster-Skulptur 1 3 1 6 — 1442, in: Kunstgeschichtliche Studien für Hans Kauffmann, Berlin 1956, S. 132.

Werkstatt, Laden- und Markthandel in Deutschland und den Niederlanden

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Schaustellungspraxis der Werkstattläden veranschaulichen, die im Gegensatz etwa zu den Goldschmieden die verhältnismäßig geringe Zahl der nicht im Auftrag geschaffenen Werke als freie Kunstware meist recht wahllos und ohne bewußte Ordnung zur Schau bringen. Auf einem Tafelbild des Konrad Witz 116 , mit der Darstellung der hl. Katharina und Magdalena, noch vor der Mitte des 15. Jahrhunderts gemalt (Abb. 27), erscheint im Hintergrund als Ausblick aus dem stillen Klostergang, in dessen kapellenartiger Erweiterung die beiden heiligen Frauen sitzen, durch die Klosterpforte auf der gegenüberliegenden Seite der Straße ein dreigeschossiges Eckhaus, dessen Erdgeschoß die Werkstatt eines Malers und Bildschnitzers birgt. Auf der vorderen Auslage des Eckladens sind zwei Sitzfiguren und eine bemalte Holztafel ohne Rahmen zu erkennen. Ihre Größe ist durch den Vergleich mit den vorübergehenden Menschen auf etwa 60 bis 70 cm Höhe anzunehmen. Der andere Ladentisch um die Ecke ist leer. Dort verhandelt offenbar der Meister mit einem Manne in geistlicher Tracht. Die Größe der ausgestellten Schnitzfiguren entspricht der von kleineren Andachtsbildern. Diese sind für die Zeit auch hauptsächlich die Werke, die im Verkauf erscheinen. Gleichsam als Gegenstück zu diesem Bild, in dem Konrad Witz vielleicht seine eigene Werkstatt portraitiert hat, kann ein Bildteppich aus dem frühen 16. Jahrhundert gelten (Abb. 28), der aus einer Brüsseler Werkstatt stammt 117 . Die erbaulich erzählende Darstellung führt in das Innere der Werkstatt eines Faßmalers und Bildschnitzers. Der Meister sitzt bei der Arbeit an einer Skulptur, die er im Arm hält, hinter seinem Werktisch. Davor steht eine Kundin in geistlicher Tracht, die die Sitzstatue einer Muttergottes mit dem Kinde umfaßt, die vor ihr auf dem Tisch steht, vielleicht ein in Auftrag gegebenes Werk, das sie nun abholt. Der Hintergrund läßt den Blick aus dem Fenster frei zur Straße. Auf der Fensterbank stehen, nach außen gewandt, ein Kruzifix, daneben eine Figur an den Fensterbalken gelehnt, von der anderen Seite eine kleine Säule und ganz rechts gegen die Seitenwand ein schmales gerahmtes Tafelbild mit einem Heiligen. Die eigentliche Entwicklung des Kunstmarktes vollzieht sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in den Niederlanden. Sie gründet sich auf die wirtschaftliche Blüte der flandrischen Städte. Mit der wachsenden Bedeutung der eigenen Kunstproduktion entsteht in den neuen Kunstzentren, vor allem in Gent, Brügge, Brüssel und Tournay ein umfangreicher Kunsthandel 118 , der sich vielfach auch 114

117 118

Straßburg, Frauenhaus-Museum. Walter Uberwasser, Konrad Witz, Basel o. J., Tf. 73. Die Vermutung von Hans Huth 1923, S. 33, es handele sich um die Darstellung einer Goldschmiedewerkstatt, trifft nach den ausgestellten Gegenständen und ihrer Größe nicht zu. Bildteppich aus Brüssel, Anf. 16. Jh., Berlin, Staatl. Mus. (verbrannt) ; Hans Huth 1923, Abb. 12. Hanns Floerke 1905, S. 6ff. ; Edgar Baes, La peinture flamande et son enseignement sous la régime des confréries de St.—Luc. in: Mémoires couronnés et mémoires des savants étrangers 44. Bruxelles 1882, S. 87 ff.

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

über die eigenen Grenzen hinaus in die anderen aufblühenden Städte ergießt. Antwerpen gibt dafür ein anschauliches Beispiel. Da die Kirche zunächst noch den hauptsächlichen Nutznießer der Kunstproduktion darstellt, versucht sie auch den Handel an sich zu bringen. Die Dominikaner hatten bereits in Antwerpen dem Markt für Gold und Pretiosen an ihrer Kirche einen Platz zugewiesen und die dort aufgeschlagenen Buden vermietet. 1460 folgt das Kapitel der Liebfrauenkirche diesem Beispiel und errichtet um den offenen vierseitigen Platz vor der Kirche Verschlage zum Verkauf von Kunstgut, deren Benutzung durch gesetzliche Verordnung bei Strafe gesichert wird 119 . Alle, «die mit Malereien herumgehen, seien sie von außerhalb oder aus der Stadt selbst», müssen nun ihre Ware im «Pand» feilhalten. Die Miete für jeden Quadratfuß Budenfläche beträgt zunächst «zwei grooten vlämisch» für die Dauer des Jahrmarkts. Nach zwei Jahren wird der Mietpreis verdoppelt. 1481 schließen die beiden führenden Malergilden von Antwerpen und Brüssel einen Vertrag über den Verkauf im Liebfrauenpand. Dem weiter florierenden Straßenhandel wird mit einer mit Strafen versehenen verschärften Verordnung begegnet, «daß fortan ein jeglicher, wer er auch sei, aus dem Lande von Brabant oder von auswärts mit seinen Altartafeln, Bildern, Schnitzwerken, Lesepulten und dergleichen, bemalt und unbemalt, von Holz oder Stein, während der Antwerpener Jahrmärkte nirgends anders als im Liebfrauenpand beim Kirchhof handeln dürfe» 120 . Die Aussteller müssen, damit der Verkauf von Schundware vermieden wird, ihre Werke von den Dekanen der Lukasgilde prüfen lassen, die die Qualität der Holztafeln und der Malerei kontrollieren und die freigegebenen Bildwerke mit zwei Gütestempeln versehen 121 . In dieser seit dem antiken Kunstmarkt erstmaligen neuen Absonderung eines organisierten Kunsthandels aus dem allgemeinen Marktgefüge verschwistern sich noch die spätmittelalterlichen Zunft- und Marktgepflogenheiten mit den neuzeitlichen Bestrebungen, für die sich neu anbahnenden Sinnbindungen des Kunstwerks geeignete Vermittlungspraktiken zu schaffen. Die beginnende Autonomie des Kunstwerkes äußert sich zunächst in seinem Warencharakter. Das Verkaufsobjekt wird erst durch den Kunstinteressenten und Käufer in seinen eigentlichen Funktionszusammenhang überführt. Die allgemeine Verbindlichkeit des Verwendungszwecks ruht nur zum Teil noch in der Erscheinungsform und im Thema des Werkes. Das handliche Andachtsbild etwa kann als fromme Stiftung, als Votivbild oder zur privaten Andacht und als Zierde im Privatbereich seine Sinnbindung finden. Es kann also verschiedene Bindungen eingehen, denen jeweils eigene Anliegen zugrunde liegen. Die beginnende «Heimatlosigkeit» des Kunstwerkes schafft sich im Kunstmarkt eine gleichsam neutrale Ebene, auf der es als Warenprodukt erscheint. Diese neue Entwicklung lebt zunächst noch unter 119 120 121

Hanns Floerke 1905, S. 7 t . ; Edgar Baes in: Mémoires 1882, S. 88. Edgar Baes in: Mémoires 1882, S. 89. Hanns Floerke 1905, Anm. 1 1 .

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dem Zwang der Zunftgesetzlichkeit. Aber auch hierbei künden sich neue Tendenzen an, wie sich etwa in der Prüfung der Kunstwerke durch die Dekane der Gilde unter dem Mantel der Gütekontrolle die künftige Ausstellungsjury regt, deren Bewertungsmaßstab sich allerdings vom sachlichen Materialwert zum ästhetischen Gestaltwert und damit zum vagen Spiel mit den nur selten sachlich faßbaren Kräften entwickelt. Außerhalb dieser sehr fortschrittlichen, aber singulären Erscheinung des organisierten Kunstmarktes in Antwerpen beginnt sich der Kunsthandel allerorts auszubreiten. Bereits vor 1450 verkaufen die Maler oder derenFrauen ihre Erzeugnisse auf den Jahrmärkten. Sind es zunächst nur die eigenen Arbeiten, die angeboten werden, setzt sich doch bald auch der Handel mit fremden Kunstwerken durch. 1460 wird in Löwen ein «coopman in schildereien», Nicolas van Holland, erwähnt 122 . Als Ausstellungsgelegenheiten werden auch die Hallen der Kaufleute, Durchgänge der Rathäuser und Kirchen genannt 123 . Die verschiedenen Ausstellungsmöglichkeiten mögen zwei bildliche Darstellungen illustrieren, die zwar nicht Gemälde und Schnitzwerke, aber analog zu ihnen Pretiosen, Miniaturen und Metallgeschirr auf dem Jahrmarkt und in der Kaufhalle unter anderen Waren feilbieten. Als Titelblatt der «Conquêtes de Charlemagne»124 (Abb. 29) wird von dem Maler ein Teil des zeitgenössischen Stadtlebens im Zusammenhang mit der Devotionsszene geschildert. Im Stadtpalast überreicht der Maler, Jean Le Tavernier, Philipp dem Guten von Burgund in Gegenwart des Hofes knieend die vollendete Handschrift. Diese Szene im rechten oberen Teil des Blattes wird von dem Leben und Treiben in der Stadt umgeben. Vor dem Tor des Palastbezirkes und der Mauer, gewissermaßen unter dem Schutze des Landesherren, wird Markt abgehalten. Abgesondert von den anderen Ständen befindet sich unter dem Tordurchgang der Stand eines Pretiosenhändlers. Im Unterschied zu den anderen Ständen wird die Ware nicht wahllos dargeboten, sondern sorgfältig auf dem Tisch ausgebreitet und durch einen

122

123

124

Edgar Baes in: Mémoires 1882, S. 87, u. Hanns Floerke 1905, S. 85 f., über einen Prozeß der Malergilde zu Gent 1 5 1 4 gegen eines ihrer Mitglieder, weil es Kunstgegenstände fremden Ursprungs zum Verkauf ausgestellt hatte. Die Prozeßakte veröffentlicht bei Victor van der Haeghen, La Corporation des Peintres et des Sculpteurs de Gand, Bruxelles 1906, S. 164 ff. Über den Kunsthandel auf niederländischen Märkten, besonders in Brügge vgl. Hanns Floerke 1905, S. 14t. Hans Huth 1923, S. 20, nennt Verordnungen aus Köln und Hamburg, in denen untersagt wurde, etwas «anzufertigen für die vurkeufer, die das feilhalten bei Kirchen oder anderen Stellen». Edgar Baes in: Mémoires 1882, S. 87 u. 89: Angeblich wurde der Genter Altar des Jan van Eyck am 6. 5. 1432 öffentlich ausgestellt. 1463 stellt Willem Goestelinc aus Grammont in der Kirche St. Nicolas ein Altarbild mit der Geburt Christi aus, 1 5 1 3 Bernart van Orley aus Brüssel einen Teppichkarton in der Peterskirche zu Löwen. In Leiden wurden während der Jahrmärkte Kunstwerke im Rathaus feilgeboten. Vgl. Hanns Floerke 1905, Anm. 149. Brüssel, Bibl. Royale Ms. 9066, illuminiert von Jean L e Tavernier, um 1460. Widmungsblatt für Philipp den Guten von Burgund. V g l . Friedrich Winkler, Die flämische Buchmalerei des 15. und 16. Jhs., Leipzig 1925, S. y9f. u. Tf. 27.

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Teppich, der über die Rückwand des Standes gelegt ist, in ihrer Wirkung gesteigert. Ein ähnliches Bild bietet der Blick in das Innere einer flandrischen Kaufhalle, wie er in der Miniatur einer französischen Übersetzung der Ethik und Politik des Aristoteles erscheint125. Unter dem steinernen Gewölbe hat neben dem Schuster und Tuchhändler auch der Zinngießer seinen Stand mit dem Gebrauchsgeschirr aufgeschlagen. Die Auslage seiner Waren unterscheidet sich wesentlich von der der anderen Händler durch den Eigenwert der Ausstellung seiner Produkte. Sie sind wirkungsvoll in einem hohen Regal aufgestellt. Jeder Gegenstand gelangt in seiner Eigenart zur Geltung. Dem wachsenden Umfang der Kunstproduktion und der lebendigen Vielgestaltigkeit des Kunsthandels126 in den Niederlanden bereits während des 15. Jahrhunderts entspricht auch ein wachsender Kunstexport, der sich über die allgemeinen Handelswege vor allem nach Spanien, Frankreich und Deutschland erstreckt. Der seit der Mitte des Jahrhunderts in diesen Ländern auftretende nachhaltige Einfluß niederländischer Kunst auf das einheimische Kunstschaffen ist ein deutliches Zeugnis dafür, daß der niederländische Kunstgeschmack im mitteleuropäischen Raum führend geworden ist. Die noch heute im Bereich der Hanse im nordostdeutschen und skandinavischen Küstengebiet vorhandenen niederländischen Altarwerke zeugen davon. Die von der Kunstgeschichtsforschung noch wenig genutzten Geschäftspapiere der großen Handelshäuser und Gesellschaften bieten dazu eindrucksvolle Belege. Es sei in diesem Zusammenhang lediglich auf die gut veröffentlichten Geschäftspapiere der Ravensburger Handelsgesellschaft verwiesen, die bereits seit dem frühen 15. Jahrhundert von einem lebhaften Export niederländischer Tapisserien, gemalter Tücher und anderer Kunstwerke von den flandrischen Metropolen nach Spanien künden, den die Gesellschaft neben ihrem Handel mit Verbrauchsgütern führte 127 . 125

128

127

Rouen, Bibl. de la Ville, Ms. I 2 (927): Aristote, Ethiques, Politiques, Economiques, traduction française de Nicole Oresme, fol. 145 r°, 2. H. 15 Jh. In Brügge boten die Kaufleute auch Bilder in ihrer Halle feil. Vgl. Hanns Floerke 1905, S. 60. In Gent wurden, wie aus den Rechnungsbüchern der Stadt 1540/41 ersichtlich, während der Meßzeit in der Fleischhalle Bilder ausgestellt. Vgl. Victor van der Haeghen 1906, S. 334. Über weitere Formen des Kunsthandels in den Niederlanden vgl. Hanns Floerke 1905, S. 37ff. Dort besonders über Auktionen und Lotterien (S. 5 5 ff.). Die erste nachrichtlich überlieferte Bilderverlosung fand 1445 in Brügge unter Beteiligung der Witwe Jan van Eycks statt. V g l . auch Edgar Baes, in: Mémoires 1882, S. 89t. u. I24ff., u. G . A . Fokker, Geschiedenis der loterijen in de Nederlanden, Amsterdam 1862. Aloys Schulte, Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380 —1530. Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit, 1, 3 Bde. Stuttgart, Berlin 1923. Bei dem von Flandern nach Spanien exportierten Kunstgut handelt es sich hauptsächlich um Tapisseriewaren, gemalte Tücher, bedruckte Stoffe usw. Über die Bedeutung der «gemalten Tücher», die vielfach als Wandteppichersatz zum Zimmerschmuck dienten, vgl. Hanns Floerke 1905, S. 3 f. Rogier van der Weyden wird von Karel van Mander als Meister dieser mit Ei- oder Leimfarbe bemalten Tücher genannt. Die Behangmaler werden in den 1444 erneuerten Satzungen der Lukasgilde zu Brügge als «Cleerscrivers» oder «huusscrivers»

Werkstatt, Laden- und Markthandel in Deutschland und den Niederlanden

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Auch in Deutschland ist seit etwa 1500 eine Zunahme des Kunsthandels zu beobachten, die sich besonders in einer neuen Vielfalt der Verkaufsgelegenheiten zeigt. Nürnberg gibt dafür ein anschauliches Beispiel. Zahlreiche Ratserlässe künden von dem Bilderverkauf «under dem rathauss» 128 . Außerdem wird noch [ 1 2 7 ] bezeichnet. Ihre Werke waren in Spanien und Deutschland besonders gefragt. I n Mecheln gab es zu E n d e des 16. J h s . noch mehr als 150 Werkstätten v o n Leimfarbenmalern, die hauptsächlich für den E x p o r t tätig waren. F ü r den E x p o r t der Ravensburger Handelsgesellschaft einige Beispiele aus den v o n Aloys Schulte 1923 veröffentlichten A k t e n : Schon 1429 führen die J o s u m p i s in Barcelona einen Ballen «draps pintats» im Werte von 36 M ein (2, 109). Aus den Rechnungen des «Dret real des Alamanys e Savoyench» zu Saragossa 1430 (Bd. 3, D o k u m e n t 153, S. 504ff.) unter den E i n f u h r p o s t e n : «20 draps de pinzell = 20 Mv>. Aus den Rechnungen über das in Barcelona erhobene D r e t real 1467 — 1480 (Bd. 3, D o k . 160, S. 5 21 ff.) mehrfache Lieferungen von «draps de pinzell», dazu aus der R e c h n u n g des J o h a n n Sallent für Barcelona 1479, 28. 6. «28 ymages de pedra de alabastre» und der v o n 1480, 6. 7. «7 closques de nou (Nußschalen) pintades, dins les quals ha ymatges pintades.» Aus D o k . 8 (Bd. 3, S. 97 ff.) « G r o ß e Rekordanz aus Valencia v o n Hans Hinderofen, Hans K o n r a d Muntprat und Felix Humpis, Saragossa v o n Hans Wigermann, L y o n v o n Hans Frauenfeld, G e n f v o n Hans Lampartes dem älteren für J a c o b Rudolf (zu Ravensburg) 1479 J u n i 25 — August 10»: V o n Saragossa 14. 7. 1 4 7 9 : «Laßt in Flandern bestellen für Gabriel de St. Olaria diese Tapisserie: 2 banckalls de ras brotas (gestickte oder glatte ( ? ) Bankdecken aus Arras ( ? ) ) v o n 12 eilen, me 2 banckalls de ras figures v o n 12 eilen, me 3 tanckaporta de brotzs (gestickte Türvorhänge) de 6 allmess, me 2 tanckaporta de figuras de 6 eilen, me 1 tanckaporta de figuras de 9 eilen, me 1 tanckaporta de brotz de 9 eilen . . . Item me 1 totzatt (ein Dutzend) der taffelin, so man den hie mit pangirt und das sig nit zu gross sign. Item me 1 totzatt crutzefigs sos de pinsell, que soltan costan 6 ß de g ° la dos (ina), so der klenen poratory. Item me dos crucefigssos magores soltan costan 12 ß la dotzena und das v o n gutter hand sigen. Item m e 2 coronaciones (offenbar Darstellungen der Marienkrönung) que sian de bona mano. Item m e 2 waliamentz della crus (Kreuzabnahmen) que sian de b o n a mano. Item lyeben heren. Diss gütt machan uns bestellen von guttan maystarn und das gütt penturas sigen, so well wier ess fersüchen mit dem und andren. D a r nauch wier den dar an verstond und der gewin ist, schribt mem iuch u m b mer, den ainer dick an soptam ding wolln ain zerpfenig gewint.» 1504 werden v o n der Gesellschaft auf dem «Bamasmarkt» zu Antwerpen Tapisserien im Werte v o n 4 9 M 8 ß 2 4 gekauft (Bd. 1, S. 419). Sie sind für Saragossa bestimmt. Aus D o k . 87 (Bd. 3, S. 4 j 4 f f . ) : «Memoria für Hans K l o t e r . 1504 Mitte O k t o b e r : Ballen 49. Tapasaria für Saragosa. 2 anteport figura v o n 6 ein tut 12 ein. 3 porta verdurra (d. h. mit Laubwerk und Früchten) von 12 ein tut 36 ein. 4 porta figura v o n 16 ein tut 64 ein. 1 terli figur von 4 0 ein. Summa 10 Stück 152 eilen k 9 g = M 5 ß 14 -j - .»

128

Auch für die Frankfurter Messe wurden niederländische Erzeugnisse geliefert: Aus D o k . 74 (Bd. 3, S. 3 8 o f f . ) : «Memoria für Frankfurter Fastenmesse 1503. W a n g e n 25. Februar und Ravensburg 29. M ä r z : Was wir diese Ostermesse zu Frankfurt schuldig sind veschel und suost. Item für die v o n N y d e g g für ein alterary ( ? ) drap di fl. 6 geliuch moster geistlich unser frou Peter Paulus. Item ein kruitz mit unser frouen, sant Johans.» T h . H a m p e : Nürnberger Ratserlässe über K u n s t und Künstler im Zeitalter der Spätgotik und Renaissance, 2 B d e . , Leipzig 1904: B d . 1, N r . 905 (1512), N r . 1324 (1521), N r . 2917 (1545), Nr. 3055 (1547), N r . 3317 (1551), N r . 3338 ( 1 5 5 O . N r . 3339 ( i 5 5 i ) , N r . 3346 (1551), Nr.

3379

(1552), Nr.

3407

(1552), Nr.

3527

(1554), Nr.

Nr.

3679

(1557), Nr.

3881

(1562), Nr.

3996

(1564), Nr. 4003

3531

3599

(1556),

(1564), Nr. 4052

(1555), Nr.

(1565),

N r . 4 0 9 1 ( 1 5 6 6 ) , N r . 4135 ( 1 5 6 7 ) ; B d . 2, N r . 38 (1571), N r . 4 8 2 (1580), N r . 2 3 7 2

(1610),

M i t dem B a u des neuen Rathauses durch J . Wolff d. J . , 1616 — 1622 findet dieser Brauch ein E n d e . Ü b e r das Alte Rathaus vgl. E r n s t M u m m e n h o f f , Das Rathaus in N ü r n b e r g , N ü r n b e r g , 1891, S. 28 ff. über die Läden im Rathaus. A b b . des alten Rathauses nach D e l -

6o

D i e Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

im Predigerkloster129, «an der Schau» 130 , «auf den flaischpenken» 131 , in «Birckhaimers Hof» 1 3 2 und «unterm Portal bey Unser Frauen» 133 gehandelt, alles Orte, die geeignet sind, der feilgebotenen Ware auch einen gewissen Wetterschutz zu bieten und sie ihrer Funktion nach auszustellen. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts gewinnt auf den führenden deutschen Handelsmessen in Leipzig und Frankfurt und auf kleineren Märkten, etwa auch in Nördlingen 134 , der Kunsthandel an Bedeutung und zeigt schon ein internationales Gepräge, das hauptsächlich von niederländischen Künstlern und Händlern bestimmt wird. 1495 erscheint der Nürnberger Briefmaier Kaspar Ryß mit Gemälden auf der Leipziger Messe. Kurfürst Friedrich der Weise läßt dort Kleinodien von Nürnberger Goldschmieden und Herzog Johann von Sachsen «niederlendische gemalte TücheD> einkaufen 135 . Der sächsische Hofmaler Lukas Cranach d. Ä . kommt häufig, vielleicht sogar regelmäßig aus Wittenberg nach Leipzig zur Messe. Der Humanist von dem Busche erwähnt in einer 1504 verfaßten Elegie «Lipsica» unter den Waren, die auf der Messe feilgehalten werden, auch herrliche Marmorwerke und Gemälde, bei denen Ernst Kroker an Kruzifixe und Madonnenbilder von der Hand italienischer und niederländischer Künstler denkt 138 . Während der Kunsthandel auf der Leipziger Messe das 16. Jahrhundert hindurch in einem bescheidenen Rahmen geblieben ist, gewinnt er in Frankfurt seit der Mitte des Jahrhunderts internationale Bedeutung. Diese Entwicklung [ 1 2 8 ] senbach bei Walter T u n k , D a s Nürnberger Rathaus des J a k o b W o l f f d. J . , i n : Z . d . D t . V . f. K w . 1942, S. 53, A b b . 1. D e r Verkauf hat sich zumeist im unteren Durchgangsflur abgespielt. 1 2 9

T h . H a m p e 1 9 0 4 , B d . 1, N r . 2 5 0 7 ( 1 5 4 0 ) , N r . 2 6 8 8 ( 1 5 4 2 ) ; B d . 2 , N r . 4 8 2 ( 1 5 8 0 ) .

1 3 0

T h . H a m p e 1 9 0 4 , B d . 1, N r . 3 7 0 1 ( 1 5 8 8 ) .

131

T h . H a m p e 1904, B d . 2, N r . 507 (1580).

1 8 2

T h . H a m p e 1 9 0 4 , B d . 1, N r . 1 4 5 9 ( 1 5 2 4 ) .

133 "Th. Hampe 1904, B d . 1, N r . 3010 (1547). Bereits Veit S t o ß besaß einen Verkaufsstand an der Liebfrauenkirche. V g l . Hans H u t h 1923, S. 20. 134 v e i t S t o ß aus Nürnberg war G a s t auf der Nördlinger Messe und hat dort seine Waren feilgeboten, nachdem er aufgrund des Nürnberger Ratsbeschlusses v. 4. 6. 1504 die Erlaubnis dazu erhalten hatte. Auch Ulmer Goldschmiede werden auf der Nördlinger Messe genannt. V g l . Heinrich Steinmeyer, D i e Entstehung und E n t w i c k l u n g der N ö r d linger Pfingstmesse im Spätmittelalter mit einem Ausblick bis ins 19. J h . , Diss. phil. M ü n c h e n , Nördlingen i 9 6 0 , S. 105 u. H 2 f f . 1 3 5 E r n s t K r o k e r , Handelsgeschichte der Stadt Leipzig. Beitr. z. Stadtgeschichte B d . 8, Leipzig 1925, S. 9 9 f f . ; Cornelius Gurlitt, D i e K u n s t unter Kurfürst Friedrich dem Weisen, Archival. Forsch. H . 2, Dresden 1897, S. 56 u. 78 f . : «4 fl for 4 Niederlendische gemalte tücher hat D o l c k s m. g. H e r r n zw leibzigk am nawen J a r s markt kaufft.» (Rechnung v. 1505, B . b. 4187.) 138

E r n s t K r o k e r 1925, S. 8 6 f . und S. i o o f . über weitere Kunsthändler auf der Messe. A m 14. Januar 1600 teilen Matthäus Peugl u. Albr. B o h e m aus A u g s b u r g der H o f k a m m e r in W i e n auf den W u n s c h des Kaisers, an guten Geschmeiden zu senden, was sie bei den Goldschmieden fänden, folgendes m i t : «Anders ist dieser Zeit, dar alles auf den markt nach Leipzig gefüert worden, nichts zu b e k o m m e n gewesen.» Quellen z. G e s c h . d. Kais. Kunstslgn. u. d. Kunstbestrebungen d. Allerdurchlauchtigsten Erzhauses, i n : J b . d. Allerh. Kaiserh. Wien i j . 1894, s. X X X I I I , D o k . 11712.

Werkstatt, Laden- und Markthandel in Deutschland und den Niederlanden

6l

wird vor allem durch den Zuzug niederländischer und französischer Künstler, Goldschmiede und Buchdrucker begünstigt, die meist ihres Glaubens wegen die Heimat verlassen mußten und sich in der wirtschaftlich aufblühenden und in Glaubensfragen toleranten Reichsstadt niederließen 137 . Das 1 5 7 4 von dem Gelehrten und Buchdrucker Henri Estienne veröffentlichte lateinische Lobgedicht auf die Frankfurter Messe erwähnt den vor allem von niederländischen Werken beherrschten Ausstellungsbetrieb: «Unter den sehr zahlreichen dort ausgestellten, namentlich aus Niederdeutschland hergebrachten Gemälden sind manche, die verglichen mit den vortrefflichen ebendort ausgestellten Skulpturen, den Gedanken an einen Vergleich zwischen Künstlern wie Apelles, Protogenes und Zeuxis auf der einen, Phidias, Praxiteles und Skopas auf der anderen Seite nahelegen.» Weiterhin rühmt der Verfasser, daß zur Messe aus den verschiedensten Gegenden die Künstler in Frankfurt zusammenkommen und daß die fremden Künstler das gleiche Recht genießen wie die einheimischen, so daß es nie oder nur selten zu Eifersüchteleien zwischen den Künstlern käme 138 . Die vielerorts in Deutschland zunehmend spürbare Konkurrenz der niederländischen Maler und Bilderhändler mit ihrem freien Geschäftsgebaren führt verschiedentlich zu Gegenmaßnahmen der einheimischen Malerzünfte und Stadträte. 1546 werden in Straßburg die «Rinländer» gleich den anderen Malern während der Messe zum Verkauf ihrer gemalten Tücher unter das Portal des Münsters verwiesen 139 . 1549 und 15 51 erläßt der Rat der Stadt Freiburg im Brsg. für die «Niederlender und andere frembde»Verkaufsbeschränkungen 140 . In Köln kommt

137

Alexander Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1910, S. 64 u. 79t. Julius Ziehen, Der Frankfurter Markt oder die Frankfurter Messe von Henricus Stephanus (Henri Estienne), Frankfurt a. M. 1919. Henri Estienne (Henricus Stephanus) war 1551 als protestantischer Flüchtling von Paris nach Genf übergesiedelt und in den 60er und 70er Jahren mehrfach Besucher der Frankfurter Messen. Vom Frankfurter Bürgermeister und Rat erhielt er 15 74 als Dank für die Lobschrift einen vergoldeten Silberbecher als Ehrengeschenk. Eine 1596 gedruckte Schrift «Das Marktschiff oder Marktschiffer Gespräch von der Franckfurter Mess» von Marx Manegold erwähnt nach des Stephanus' Loblied in deutschen Versen auch die Niederländer auf der Messe, vgl. Julius Ziehen 1919, S. 69. 139 Straßburg Prot. XXI, fol. 222 — 224 z u 1546: «Etlich maier begern tücher im portal am münster veil zu haben . . . Auf den 6. puncten, das etlich maier begern das portal am münster zu lehenen, gemalte tücher darunnder veil ze haben, wolten sie es dahin richten, das in der meß die Rinlender dergleichen tücher auch mögen veil haben.» Hans Rott, Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im 15. u. 16. Jh., III. Oberrheinische Quellen I (Baden, Pfalz, Elsaß), Stuttgart 1936, S. 306. 140 Freiburg/Br. (Staatsarch. Ratsprot. 13 (1548 — 50), fol. 201, z. 9. Aug. 1549): «Uff der maier furtragen und begern ist erkanndt, das hinfurder die Niderlender und andere frembde, so zu Zeiten gemalte tuecher und brief herfueren, yedesmal nit lenger dan zwen tag feyl halten und verkaufen laßen solle.» Freiburg/Br. (ib. Ratsprot. 14 (1551 — 52), fol. 83 z. 15. Juni 1551): «Dem frembden, so nyderlandische gemalte tuechlin feil hat, ist vergönt und zugelaßen, bis donnerstag ze nacht alhie feil ze haben, dweil doch die hyeigen maier solche tuechlin nit haben, auch die färben nit bekomen konden.» Hans Rott, III, I, 1936, S. 155. 138

6z

Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

es 1546 zu offenen Ausschreitungen gegen einen fremden Kunsthändler 141 . Auch in kleineren Städten wie etwa in Villingen wird 1596 beziehungsweise 1603 noch den Niederländern das Hausieren mit Malereien verboten, und sie werden auf den Messeverkauf verwiesen 142 .

2. Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen im 16. und 1 7 . Jahrhundert

a) Die permanente Verkaufsausstellung Innerhalb der seit Anfang des 16. Jahrhunderts zunehmenden Differenzierung des Kunstmarktes, die auf der freieren Produktion und Verwendung der Werke beruht, zeigt sich die Tendenz, den Handel auch außerhalb der Werkstätten an festen Plätzen zu konzentrieren, die es ermöglichen, die Kunstgegenstände vor der Witterung geschützt und zugleich ihrer späteren Verwendung und Funktion gemäß auszustellen. Das Leinwandgemälde verdrängt allmählich die schweren und festen Holztafelbilder und tritt damit aus der untergeordneten Rolle heraus, die das «gemalte Tuch» als Wandteppichersatz bisher im Innenraumdekor gespielt hatte. Mit dem Einzug des Gemäldes in den Privatraum wird es zum wertvollen Wandschmuck und schließlich zum Sammelobjekt. Auch die Formate werden handlicher und auf die Zimmerwand abgestimmt 143 . In diesen neuen Eigenschaften reagiert das Bild durch die Betonung der individuellen künstlerischen Hand141

142

143

Horst-Johs Tümmers, Zwei Altarflügel und ein Handstreich im Kreuzgang, in: Museen in Köln, Bulletin 2. 1963, H. 4, S. 174, erwähnt ein Ratsprotokoll, daß 1546 ein fremder Händler innerhalb der Mauern der Stadt Gemälde feilhielt. E s war die Zeit der Gottestracht, der allgemeinen Stadtkirmess zu Fronleichnam, während der regelmäßig eine Handelsmesse abgehalten wurde. Offensichtlich fanden seine Bilder guten Absatz. Die Kölner Maler aber erbosten sich über diese unerwünschte Konkurrenz. Sie erhoben beim Rat der Stadt Einspruch, der mit dem Hinweis auf die verbrieften Meßfreiheiten abgelehnt wurde. Angesichts des Händlers, der unter ihren Augen ungeschoren so gute Geschäfte machte, riß den Malern die Geduld. Sie drangen mit «gewaldiger handt» auf den Fremden ein und nahmen ihm seine Ware weg. Wegen dieser Gewalttat wurden die Amtsmeister der Schildergaffel vom Rat der Stadt in den Turm geworfen. Die ernüchterten Maler sandten den angesehensten unter ihnen, Meister Bartholomäus Bruyn, zum Rat. Durch seine Fürsprache kamen die Inhaftierten frei, und die Sache war beigelegt. Der Ort dieses Handstreiches war der Kreuzgang des Minoritenklosters, über dem heute das Wallraf-RichartzMuseum erbaut ist. Aus der Zunftordnung der Maler und Bildhauer von Villingen von 1603 bzw. 1596: «Zum 1 1 . und letsten setzen wir, das kaine Niderländische duechertrager oder woher die sein möchten, mit gemalten duecher hausiren, sondern im marckt gleich ändert crämer solche feil haben sollen.» Hans Rott, II. 1934, S. 329 t. Über die Bildformate und ihre Normen vgl. Hanns Floerke 1905, Anm. 153.

D e r niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen

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schrift und Auffassung und durch die Differenzierung der Darstellungsinhalte, in denen das Bildnis, die Landschaft, sittenbildliche, historische und mythologische Stoffe und allegorische Themen sich gattungsmäßig spezialisieren, nun auf das neue Repräsentations- und Bildungsbedürfnis und das erwachende ästhetische Bewußtsein eines kunstverständigen und wohlhabenden Liebhaberpublikums, das seinerseits sich nach sozialer Stellung, Bildung und Reichtum aufgliedert. Im Sinne dieser Entwicklung bestimmt das Gemälde, das zum hauptsächlichen Handelsobjekt wird, seine Ausstellungsform mit und hält auch im Rahmen der merkantilen Schaustellung seinen Einzug in den Innenraum. Dieser Vorgang ist jedoch nicht ausschließlich, sondern tritt als neue Form zu den weiter bestehenden freiräumlichen Ausstellungsgelegenheiten auf Märkten und Messen und zu der älteren des Ladenverkaufs. Wieder ist es Antwerpen, das führende Kunstzentrum der südlichen Niederlande im 16. Jahrhundert, wo diese neue Ausstellungsform zuerst erscheint. Im Jahre 1540 übernimmt die Stadt die bisher vom Kapitel der Liebfrauenkirche genutzte einträgliche Pfründe des Kunstmarktes und richtet auf der oberen Galerie der Neuen Börse den «Schilders-Pand» ein 144 . Die Börse war 15 31 «in usum negotiatorum cuiuscumque nationis ac linguae urbisque» gegründet, und ihr prächtiger Neubau war ein sichtbares Denkmal für den weitreichenden internationalen Handelsverkehr und den über die eigenen Grenzen hinausgehenden Unternehmergeist (Abb. 30). Dieser Schilders-Pand wird in einzelne Verkaufsstände aufgeteilt, in denen nun eine permanente Verkaufsausstellung veranstaltet wird, die vor allem während der Jahrmarktszeit ein internationales Gesicht zeigt. Der Maler und Kunsthändler Bartholomäus de Momper mietet 1565 den gesamten Raum, für den er jährlich 1258 fl. Pacht bezahlt. Die unsicheren Zeiten bringen auch für diese Ausstellung bald Not und Zerstörung mit sich. 1576 von den Spaniern geplündert, 1577 durch deutsche Soldaten und 1583 von den Franzosen niedergebrannt, führen diese Ereignisse nicht nur den Bankrott des Pächters herbei, sondern in den folgenden Jahren das nahezu völlige Erliegen des Unternehmens. 1595 sind nur noch acht Stände mit Bildern gefüllt. Außer Momper stellen noch drei weitere Maler aus. Die jährliche Pacht beträgt in dieser Krisenzeit nur 200 fl. 15 97 wird schließlich über die obere Galerie der Börse anderweitig verfügt. 144

Hanns Floerke 1905, S. 62 ff. Die einzigartige Bedeutung der Antwerpener Börse und auch der Bilderverkauf erwähnt bei L o d o v i c o Guicciardini, Descrittione di tutti i Paesi Bassi, altrimente detti Germania Inferiore, in Anversa 1 5 6 7 , S. 6 7 : « . . . la piubella (piazza) quella de mercatanti, che si chiama la nuova Borsa, veramente bella in tanto, che per raddotto di mercatanti, non ha pari in tutta l'europa & £ franca da carri, da caualli, & da o g n ' altro impaccio con le sue loggie bellissime, serrate intorno intorno con quattro gran-porte: sopra delle quali loggie, per il medesimo spatio, sono grandissime stanze coperte, a vso di Landroni, da ogni banda piene di botteghe, che tutte insieme si chiamano il Panto delle dipinture, percioche quiui principaelmente dipinture d'ogni sorte si vendono: fu fondata questa borsa L ' a n n o M . D . XXXI.»

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

Diese neue Form der Verkaufsausstellung als ein permanenter Bilderbazar wird aus dem großen Ausmaß der Antwerpener Kunstproduktion erklärlich. Noch heute besitzen viele Galerien umfangreiche Bestände an Werken Antwerpener Manieristen. Sie sind ein bescheidener Rest, der als Exportgut oder als Privatbesitz die Zerstörungen und Plünderungen der Freiheitskämpfe und ihrer Niederwerfung in den Südniederlanden entgangen ist. Spanien, Italien, England und die Ostseeländer gehören in jener Zeit zu dem Antwerpener Handelsgebiet. Von einer derartigen Basis aus ergibt sich auch die Herauslösung aus den engen Grenzen städtischer Zunft- und Marktordnungen. Der schnell anwachsende Bedarf von Exportgut wird durch eine regelrechte Kunstindustrie gedeckt, deren Unternehmer vielfach an italienischer Kunst geschulte und humanistisch gebildete Künstler sind. Um 1560 arbeiten nach den Angaben von Guicciardini etwa 300 Maler und Bildhauer in Antwerpen 145 . Für die neue Form der Antwerpener Verkaufsausstellung ist zunächst die merkantile Zweckbindung entscheidend. Aber es kündet sich zugleich etwas Neues an. In den ausgestellten Werken tritt eine geistig geprägte Leistung vor den Beschauer, die den sonst üblichen Marktanhäufungen von Verkaufsgut fehlt. Damit repräsentiert die Kunstausstellung anschaulich eine bestimmte Kultursituation und wirkt als ideelle Macht, die von der überragenden künstlerischen Stellung der Stadt Antwerpen kündet und durch den Zulauf und das Kaufinteresse der Besucher aus vielen Ländern sich weite Einflußbereiche schafft. Wenn sich auch keine zeitgenössische Darstellung vom Inneren des SchildersPand von Antwerpen erhalten hat, die die Art der Schaustellung der Kunstwerke illustrieren könnte, so läßt sich doch die Ausstellungstechnik der in einzelne Verkaufsstände abgeteilten Galerie der Börse durch eine verwandte Darstellung auf einem Stich des Ägidius Sadeler von 1607 und auf zwei nach ihm verfertigten Gemäldekopien belegen (Abb. 3 x a-c), die das Innere des Wladislaw-Saales im Hradschin zu Prag zeigt, in dem offensichtlich nach dem Vorbild des Antwerpener Kunstbazars eine ebenfalls über längere Zeit bestehende Verkaufsausstellung der unter Kaiser Rudolf II. am Prager Hof tätigen Künstler und der Kaufleute veranstaltet wird 146 . Vor den Wänden und Fensternischen sind Verkaufsstände mit 145

148

Hanns Floerke 1905, S. 1 5 4 ; Lodovico Guicciardini 1567, S. 1 1 5 , nennt 169 Bäcker, 78 Metzger, 91 Fischer, 1 1 0 Barbiere und Wundärzte, 594 Schuster und Schneider, 124 Goldschmiede und etwa 300 Maler und Bildhauer. Der inschriftlich von König Wladislaw II. gestiftete und von Benedikt Ried erbaute Turniersaal von 62 m Länge, 16 m Breite und 13 m Höhe im dritten Geschoß des älteren Saalbautraktes der Prager Burg war der größte, von einem einheitlichen Trichtergewölbe auf eingezogenen Strebepfeilern ruhende überwölbte Raum innerhalb der spätgotischen Profanarchitektur. Zur Zeit Kaiser Rudolfs II. diente der Saal den am Hofe beschäftigten Künstlern und Handwerkern als Verkaufsstätte ihrer Arbeiten. Zu diesem Zwecke wurden die Ladeneinbauten nach einheitlichem Prinzip durchgeführt. Der lateinische Untertitel des Stiches gibt darüber Auskunft. Zur Baugeschichte vgl. Götz Fehr, Benedikt Ried. Ein deutscher Baumeister zwischen Gotik und Renaissance in Böhmen, München 1961, S. 24ff. u. Abb. 8 ff. Über die Verkaufsausstellung auch im Text des Prospektes der Stadt Prag von

Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen

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großen, v o n Balustergalerien gekrönten Schränken eingerichtet. Diese Schränke verdecken die Ansät2e der mächtigen Gewölbepfeiler und dienen zur A u f n a h m e der Verkaufswaren. Unter den Ständen der Goldschmiede, Buchhändler und Kaufleute mit W a f f e n und Kleidung befindet sich an auffallender Stelle v o r n links am Bildrand der Stand eines Kunsthändlers, vermutlich der des Ä g i d i u s Sadeler selbst. D e r Bilderstand ist kabinettartig aufgebaut. In der Fensternische und den angrenzenden G e w ä n d e n sind die Bilder in dichter Reihung

über-

einandergehängt und außerdem auf den Fußboden gegen die W a n d gestellt. Kupferstiche hängen auf einer Leine quer über den Stand und v o r n links in langen Reihen v o r dem geöffneten Schrank herab. G r o ß e Bücher, offenbar Stichwerke, liegen in den Fächern. A u f dem Verkaufstisch werden Stiche und Schriften dargeboten. D e r Händler zeigt gerade einem K u n d e n ein Gemälde, während ein anderer in vornehmer T r a c h t vornübergebeugt die Auslagen studiert 1 4 7 .

[ 1 4 6 ] Aegidius Sadeler von 1606: «Neben der thumkirchen steht ein gewaltiger saal, . . . durch welchen man in die Landstuben, Kanzleien und etliche kaiserliche zimmer kommt, derhalben täglich, allermeist aber in währenden Landtagen und rechten etlich tausend personen ihre notdurft und lusts halben, nebens auch allerhand silberne und sonsten Köstliche waaren auf diesem saale zu finden.» Nach Heinrich Modern, Paulus van Vianen, in: Jb. d. Allerh. Kaiserh. 15. 1894, S. 68; Vgl. auch Festschr. d. Kunsthist. Mus. zur Feier d. fünfzigjährigen Bestandes, Teil 2: Alfons Lhotsky, Die Geschichte der Sammlungen, Wien 1 9 4 1 - 4 5 , S. 251 u. Abb. T f . X X I V , 36. Uber die Art der Verkaufsgüter im Schilders-Pand zu Antwerpen gibt das Nachlaßinventar des Malers Jan van Kessel von 1583, zur Zeit der größten politischen Unsicherheit, Aufschluß, in dem sich außerhalb des in seinem Hause befindlichen Kunstgutes auch folgende Posten «Op den pant van de Borsse in des aflyvigen winckel bevonden: Hondert X I X enckel doecken alrehande sorte ende sommige nyet volmaect. derthien dubbel doecken Cortrycse personagien. een oude schilderye op doeck van Jeronimus Bosch, een zeecarte op franehyn metter hant getrocken. Vier hondert seven entseventich dobbel doecken alrehande Sorten. Vyvenvyftich constbladeren. d'afbeeldinghe van de begravinge der dooden in Turcken, in 27 gedruckte bladers oft stucken, thien gedruckte figuerkens van Roux in papier. drye gedruckte beeiden van Raphael van de martelisatie Laurentij. Negenthien gedruckte bladeren zoe van Raphael, Parmense als andere. Een bundelken cleyne gedruckte figuren, een bundelken papieren afteeckeningen metter hant. Een bundel met oude printen, twee copere plaetkens.» Abgedruckt in: J . Denucd, De Antwerpsche «Konstkamers» Inventarissen van Kunstverzamelingen te Antwerpen in de i6 e en iy e eeuwen. Antwerpen 1932, S. 12. Man kann dieses Inventar geradezu als Beschreibung des Bestandes ansehen, der im Kunststand des Sadeler-Stiches zur Schau steht. 147 Das Gemälde aus der ehem. Bruckenthalschen Sammlung zu Hermannstadt heute im Museum der bildenden Künste zu Bukarest, Inv. Nr. 756. Die zweite freiere Fassung in Würzburg, Martin-von-Wagner-Museum der Universität. Fälschlich als Inneres der Börse von Amsterdam bezeichnet. Im Kat. v. 1914 von Fritz Knapp unter Nr. 413 dem Barth, van Bassen zugeschrieben. Ältere Zuschreibung an Hendrick van Steenwyck d. J . u. Jan Brueghel (Kat. v. 1879, Nr. 267). Von W. Martin, The Life of the Dutch Artist, in: Burl. Mag. 1 1 . 1907, S. 364, als Werk eines holländischen oder flämischen Meisters um 1610 im Ausschnitt abgebildet.

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Die Verkaufsausstellung des 1 5 . — 1 7 . Jahrhunderts

Die weitere Ausbreitung dieser neuen Form der städtischen Verkaufsausstellung erfolgt nun in den nördlichen Niederlanden und bringt dort wichtige Neuerungen zum Vorschein. Zunächst entspricht es der allgemeinen Kunstsituation, daß mit dem Ende der Antwerpener Produktion in den unseligen Kriegszeiten eine vorübergehende Stagnation einsetzt, die bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts währt. In keiner anderen Stadt lohnt sich zudem um 1600 ein derartiges Unternehmen. Allmählich treten jedoch die kleineren holländischen Städte im Süden des Landes in den Vordergrund. Utrecht und Den Haag versuchen zunächst, sich den Ausstellungsgedanken nutzbar zu machen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Der Kunsthändler, der ja ursprünglich ebenfalls Künstler war, schiebt sich nun allerorts als der individuelle Vermittler zwischen Künstler und Käufer, und überall gewöhnen sich die Interessenten an dieses neue Verhältnis. Daneben behalten aber in den kleineren Städten die überlieferten Zunftordnungen und Marktverfügungen lange Zeit noch ihre Gültigkeit 148 . Utrecht bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Erst 1640 trennen sich die Maler zunftmäßig von den Möbelschnitzern. In der Zunftordnung von 1 6 1 1 1 4 9 gehören die Maler noch zur «St. Lucasgild», 1644 wird eine «Ordonnance van het Schilders College» verfügt. Die Mitglieder dieses neuen Malerkollegiums sind sich ihrer besonderen Stellung bewußt geworden, wenn auch viele ihrer Zunftgewohnheiten, etwa im Hinblick auf die Verkaufs- und Einfuhrbestimmungen fremder Kunst, die alten bleiben 150 . Zur gleichen Zeit aber — der Gedanke wird 1636 zum ersten Male ausgesprochen 151 — wird der Beschluß zur Veranstaltung einer ständigen Ausstellung gefaßt. 1640 erhält das Malerkollegium vom Magistrat einen großen Saal im Agnietenkloster eingerichtet mit der Verpflichtung, ihn mit Bildern zu füllen. In der Verordnung vom 28. 2. 1644 152 wird festgelegt, daß jeder Maler 148 V g l . dazu G . J . Hoogewerff, D e Geschiedenis van de St. Lucasgilden in Nederland. Patria, Vaderlandsche Culturgeschiedenis in Monografieen, Bd. 4 1 , Amsterdam 1 9 4 7 , über V e r kaufsbeschränkungen fremder Kunst, die sich besonders gegen den Import aus Antwerpen richten, in Utrecht 1 5 4 0 (S. 102), in Amsterdam 1608 (S. 1 5 4 t . ) , in G o u d a 1609 (S. 165), in Rotterdam 1607 (S. 1 7 2 ) , in Leiden 1 6 4 2 (S. 176), in Dordrecht 1 6 4 2 (S. 187). 149

150

151 152

S. Muller, D e Utrechtsche Archieven, I. Schilders-Vereeningen te Utrecht, Utrecht 1880, S. 63 «Ordonnantie van het St. Lucasgild». G . J . Hoogewerff 1 9 4 7 , S. 103 ff. auch für das Folgende. S. Muller 1880, S. 70, A r t . V I , u. S. 7 1 , A r t . X I (1644): « V I . E n d e zal niemand, alhier vreemt zynde, ofte van buyten inkomende, eeinige schildereyen, of andere werken, daar aan behoorende, openbaarlyk of heymelyk mögen verkoopen, te koop dragen, of veyl houden, op poene, dat de stukken, ter contrarie verkoft, te koop gebracht of gesteh, ten behoeven van het voorsz. Collegie, sullen wesen verbeurt, mits dat yder stuk met ses gülden geredimeert zal mögen worden. X I . Welverstaande, dat een yder op de vrye Jaarmerkt sijne schilderyen op of omtrent de Marieplaatse (edog nergens anders) zal mögen te koop stellen ende verkoopen.» Hanns Floerke 1905, S. 65 ff. auch für das Folgende. S. Muller 1880, S. 73 A r t . X X : «Ende ten eynde de Schilder-Kamer, bij de Heeren Regeerders deser Stad aan dit Collegie vergunt, ende ten behoeven van de respective schilders, volgens belofte van wegens deselve

Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen

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binnen drei Monaten ein eigenhändiges Bild zur Ausstellung zu schicken und es dort bis zum Verkauf auszustellen hat. Der Säumige muß pro Woche seines Rückstandes 10 Stüber Strafe zahlen. 5 % des Verkaufspreises gehen im Falle des Verkaufs an die Gildenkasse. Innerhalb von sechs Monaten muß an die Stelle des verkauften Bildes ein neues geliefert werden, anderenfalls wird für jeden Monat Rückstand ein Gulden Strafe eingefordert. Unter dem von alters her gewohnten Gildenzwang wird die neue Form der Verkaufsausstellung in Utrecht eingeführt. Sicher halten sich zunächst eigenes Bekenntnis zur neu gewonnenen Selbständigkeit mit dem widerwilligen sich Fügen in eine nicht unbedingt notwendige und etwas umständliche Verkaufspraxis die Waage. 1664 wird infolge der zunehmend einreißenden Nachlässigkeiten der Maler ein Regenerationsversuch unternommen153. Alle drei Jahre soll eine Generalversteigerung aller ausgestellten Werke zur Kirmeszeit durchgeführt werden, danach aber bei Strafe des Verfalls des halben Verdienstes von den Malern wieder neu ausgestellt werden. Diese Einrichtung ist sicher im Hinblick auf die übrigbleibenden Ladenhüter getroffen worden. Zugleich wird dadurch die Möglichkeit gegeben, das permanente Ausstellungsbild von Grund auf neu zu gestalten und zu aktualisieren. Aber auch diese Maßnahme hilft nicht viel. 1674 wird über den großen Saal des Agnietenklosters anderweitig verfügt. Hundert Jahre nach dem Antwerpener Vorgang auch in Utrecht ein ähnliches Schicksal. Es läge nahe, in Utrecht von einer posthumen Form der Ausstellung zu sprechen, wenn sich nicht Züge aufweisen ließen, die in Antwerpen noch nicht so bewußt in Erscheinung getreten sind. In der Verordnung von 1644 heißt es, daß der Saal«... met het werk van de respective schilders, volgens belofte van wegens deselve gedaan, werde verciert ende in eere gehouden . . .» 154 . Diese Bestimmung deutet daraufhin, daß das Feilbieten der Bilder nicht der alleinige Zweck der Utrechter Ausstellung ist. Die ausgestellten Werke der Gildenmitglieder repräsentieren insgesamt den Kunstfleiß der städtischen Maler. Was in Antwerpen noch, ohne daß es absichtlich herausgestellt wurde, innerhalb des regen Handelsbetriebs allein durch den besonderen Charakter des zur Schau gestellten Verkaufs[152] gedaan, werde verciert ende in eere gehouden, zoo sal yder Schilder, onder dit Collegie resorteerende, gehouden zyn, binnen drie maanden naar dato deser Ordonnantie, in de voorsz. Kamer te leveren een stuk werks, b y hem gemaakt, op poene van tien stuyvers elke week, die sy daar inne naarlatig blyven, te verbeuren, ende het selve aldaar laten, tot dat het verkogt zy, by welke verkoopinge hy, ten behoeven van het voorsz. Collegie, zal betalen den twintigsten penning der kooppenningen van dien: beheltelyk, dat den selven twintigsten penning niet en excedeere de somme van vyf Carolus guldens: ende zal binnen ses maanden daar na, in plaatse van het verkogte, een ander stuk syns werks leveren; op poene van yder maand, naar het voorsz. halt jaar te verloopen, ten behoeven als vooren te verbeuren eene gulden; ende dit alles soo dikwils de respective geleverde stukken werde verkogt.» V g l . auch G . J . Hoogewerff 1 9 4 7 , S. m f . G . J . Hoogewerff 1 9 4 7 , S. 1 1 2 . " 4 S. Muller 1880, S. 7 5 , A r t . X X . 153

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

gutes an sichtbarer Repräsentation des schöpferischen Reichtums erwuchs und als lokale künstlerische Leistung sich in das internationale zeitgenössische und historische Kunsthandelsgut einfügte, zielt nun bewußt auf eine würdige Schaustellung der gegenwärtigen künstlerischen Produktion der in der städtischen Gilde zusammengeschlossenen Maler. In einer anderen Gildenbestimmung zu Utrecht vom 26. 3. 1660 wird beschlossen, daß alle Bilder «op driederley formaten» gehalten sein sollen 155 . Diese Festsetzung der Formate der auszustellenden Bilder und die in der Bestimmung von 1644 gewählte Bezeichnung, daß die Ausstellung verziert und in Ehren gehalten werden sollte, weist deutlich auf eine bewußte Ausstellungstechnik hin. Ihre Form kann aus den schriftlichen Überlieferungen nicht näher erschlossen werden, erhält aber eine anschauliche Stütze durch das überlieferte zeitgenössische Bildgut. Die in den Gemäldestilleben, den «gemalten Galerien», dargestellte geordnete Häufung der Gemälde in Gestalt von dicht behängten Bilderwänden gibt auch für die Ausstellungen das Ordnungsprinzip der Darbietung. Bereits in dem Stich des Ägidius Sadeler erscheinen die dicht behängten Bilderwände. In ähnlicher, vermutlich aber überlegterer Hängung werden sich auch die Utrechter Ausstellungen dargeboten haben. Sie tritt darüber hinaus überall dort auf, wo in einer Ausstellung oder in einer Sammlung eine größere Anzahl von Gemälden und auch andere Kunstgegenstände zur Schau gebracht werden. Diese Technik der Bilderwände läßt sich keineswegs aus der Verkaufspraxis und entsprechenden ökonomischen Erwägungen erklären. Die Bilderwand des 17. Jahrhunderts lebt von einer bestimmten ästhetischen Bewertung des Kunstwerkes. Das Bild wird im Gegensatz zum 16. Jahrhundert seiner Einzelbedeutung stärker enthoben und zu einem Dekorationselement umgedeutet, das sich dicht, Rahmen an Rahmen, über die Wände eines Raumes hin zu einem vieldeutigen Gesamtorganismus schließen kann. Dieser neue Schauzusammenhang, auf den noch an späterer Stelle ausführlicher eingegangen wird 156 , hat sich innerhalb des Sammlungswesens entwickelt. Die Ausstellungspraxis der Zeit bedient sich seiner Technik, wenn auch der schnell vergänglichen Natur entsprechend in flüchtigerer, weniger systematischer Weise. Denn sie muß als vermittelndes Glied zwischen Künstler und Sammler, zwischen Angebot und Nachfrage, die Möglichkeit und Absicht, die im Kunstwerk und seiner funktionalen Einbindung in den Lebensbereich begründet liegt, sinnfällig zum Ausdruck bringen. Die in Utrecht entwickelte Form der Gildenausstellung erfährt in den Niederlanden aus eigenem Vermögen keine wesentliche Weiterbildung und Neuorientierung. In Den Haag wird mit der Loslösung der Malerschaft aus der St. Lukasgilde und ihrem Zusammenschluß zu der Künstlergenossenschaft «Pictura» 1656 der Utrechter Ausstellungsgedanke mit in die Statuten aufgenom155

S. Muller 1880, S. 85; Hanns Floerke 1905, S. 66 u. Anm. 15?. 's« Vgl. S. 78ff.

D e r niederländische K u n s t m a r k t u n d seine A u s s t e l l u n g s f o r m e n

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men und in seiner repräsentativen Rolle für die Maler der Stadt noch weiter ausgebaut 157 . Für den Zunftsaal soll jeder Maler ein nach bestem Wissen gemaltes Bild zur Ausschmückung liefern. Die übrigen Meister, die nicht zur Künstlergenossenschaft gehören, können ein Werk ihrer Hand stiften oder ein gutes Bild wohl als Leihgabe geben. Dies steht auch den Kunstfreunden frei, die der Gilde beitreten. Nach Floerke finden sich in den Gildenprotokollen 158 von 1657 bis 1665 auch häufig geliehene Bilder, eigene Ankäufe der Gilde, wie beispielsweise das «Opfer von Lystra» von Pieter Lastman, und natürlich die Bildnisse der Gildendekane. In Den Haag scheint sich diese Ausstellungspraxis, bei der Sammlungsbestrebungen mit den üblichen Verkaufsmöglichkeiten gekoppelt sind, großer Beliebtheit erfreut zu haben, zumal auch die Kunstfreunde und Liebhaber mit an diesem künstlerischen Leben beteiligt werden. 1763 wird die Haager permanente Ausstellung noch erweitert. Nun kann auch das breite Publikum beliebig Bilder zum Verkauf ausstellen. Dienstags von 11 bis 13 Uhr ist die Ausstellung im Gildensaal für jedermann geöffnet. Der Gildendiener steht Interessenten mit einem Ausstellungskatalog zur Verfügung 1 5 9 . Diese Art der

157 V e r k a u f s a u s s t e l l u n g e n f a n d e n a u c h auf d e n G i l d e n k a m m e r n v o n H a a r l e m , A m s t e r d a m u n d D e n H a a g statt. I n H a a r l e m veranstaltete die G i l d e zweimal i m J a h r einen öffentlichen A u s v e r k a u f v o n G e m ä l d e n . V g l . G . J . H o o g e w e r f f 1 9 4 7 , S. 9 6 ; H a n n s F l o e r k e 1 9 0 5 , S. 58. 1636 erhielt die Malergilde v o n H a a r l e m ihre G i l d e n k a m m e r i m Prinsenhof zugewiesen. D o r t b e f a n d sich auch eine S a m m l u n g v o n G e m ä l d e n , die v o n d e n Meistern, die in die G i l d e eintraten, gestiftet w u r d e n so, w i e es in d e r V e r o r d n u n g v o n 1 6 3 1 festgelegt w a r : « E e n m e e s t e r s c h i l d e r sal v o o r s i j n i n k o m e n e n a a n n e e m e n v a n m e e s t e r s c h a p , a e n e n t e n profijte v a n d e n voors. Gilde geeven, een n i e u w vol afgemaeckt stuckjen schilderij v a n sijn handtwerck, h o u d e n d e tenminste de grootte van twee k e n n e m e r voeten vierkant.» V g l . H o o g e w e r f f 1 9 4 7 , S. i j 8 f . ; H a n n s F l o e r k e 1 9 0 5 , A n m . 1 4 6 u . S. 60. Ü b e r d i e G e schichte der Haager Malergilde vgl. J o h a n G r a m , D e Schildersconfririe Pictura en hare A c a d e m i e v a n B e e i d e n d e K ü n s t e n , R o t t e r d a m 1882. U b e r die G i l d e n a u s s t e l l u n g e n vgl. a u c h H a n n s F l o e r k e 1 9 0 5 , S. 6 7 f . , u . G . J . H o o g e w e r f f 1 9 4 7 , S. I 9 4 f f . V e r k a u f s a u s s t e l l u n g e n f a n d e n a b e r b e r e i t s v o r 1 6 5 6 s t a t t . A . B r e d i u s , K ü n s t l e r i n v e n t a r e , B d . 2, H a a g 1 9 1 6 , S. 4 5 7 f f . h a t d i e « R e g i s t e r d e r « V e n d u w e v a n S c h i l d e r t e n » v o n M i t g l i e d e r n d e r H a a g e r St. L u k a s g i l d e , b e g i n n e n d a m 8. 4. 1 6 4 7 » v e r ö f f e n t l i c h t . D a n a c h h a t t e n d i e G i l d e n m i t g l i e d e r d a s R e c h t , a b w e c h s e l n d B i l d e r v e r k ä u f e z u v e r a n s t a l t e n , b e i d e n e n sie n i c h t n u r d i e e i g e n e n Arbeiten, s o n d e r n auch die anderer Maler zu v e r k a u f e n trachteten. Diese Verkaufsregister w u r d e n v o n e i n e m V e r k a u f s l e i t e r ( « V e n d u m e e s t e r » ) g e f ü h r t . Sie n e n n e n d i e K ä u f e r u n d d i e erzielten Preise, jedoch die Bilder, u n t e r d e n e n sich viele K o p i e n n a c h zeitgenössischen K ü n s t l e r n befinden, meist o h n e A n g a b e des Sujets. A d r i a e n v a n de V e n n e , Tafereel v a n de B e l a c c h e n d e W e r e l t e n d e s selfs g e l u c k i g e E e u w e , G o e t R o n e l t , M e t b y - g e v o e g d e RaedselSpreucken, aen-gevvesen in de Boer-Achtige Eenvoudigheyt, o p de Haegsche Kermis. I n ' s G r a v e n - H a g e 1 6 3 5 , S. 58, e r z ä h l t v o n e i n e m j u n g e n M a n n e u n d e i n e m M ä d c h e n , d i e z u « d e m o o y e s c h i l d e r i j e n » g e h e n , d i e i m g r o ß e n S a a l auf d e m B i n n e n h o f z u m V e r k a u f a u s g e s t e l l t s i n d . A u f e i n e m S t i c h (S. 5) b i l d e t e r d i e b e i d e n v o r e i n e r B u d e auf d e m J a h r m a r k t ab, in der zwischen Metallkrügen u n d Tellern auch G e m ä l d e ausgestellt sind. Vgl. auch W . M a r t i n , Ü b e r d e n G e s c h m a c k d e s h o l l ä n d i s c h e n P u b l i k u m s i m 17. J h . m i t B e z u g auf d i e d a m a l i g e M a l e r e i , i n : M h . f . K w . 1. 1 9 0 8 , S. 7 3 5 . 158 159

H a n n s F l o e r k e 1 9 0 5 , S. 70. H a n n s F l o e r k e 1 9 0 5 , S. 7 0 ; G . J . H o o g e w e r f f 1 9 4 7 , S. 2 0 2 f . J . H . P l a n t e n g a , D e A c a d e m i e v a n ' s - G r a v e n h a g e en haar plaats in d e K u n s t v a n o n s land 1682 — 1937, s ' G r a v e n h a g e 1938.



Die Verkaufsausstellung des 15. — 17. Jahrhunderts

kommerziellen Ausstellung kann sonst nur noch für das 18. Jahrhundert in Amsterdam belegt werden 160 . Die späten Formen des niederländischen Ausstellungslebens lassen sich nur noch zum Teil aus den eigenen Quellen Antwerpen und Utrecht erklären. 1648 wird in Paris die Académie Royale de Peinture et Sculpture mit einem umfassenden künstlerischen Erziehungs- und Produktionsprogramm ins Leben gerufen. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt sich dort auch ein neuartiges akademisches Ausstellungswesen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zeigen sich allenthalben in den niederländischen Kunstzentren die ersten Einflüsse des französischen Akademiegedankens. Sie vermischen sich mit den heimischen Ausstellungsgepflogenheiten, die nicht nur in Den Haag, sondern auch in Antwerpen bereits vor der Einwirkung der Pariser Akademieausstellungen gewisse akademische Tendenzen zeigen. 1662 gründet nach Pariser Vorbild David Teniers d. J. im östlichen Flügel der Börse in Antwerpen eine Kunstakademie und läßt zugleich die alte Verkaufsausstellung wieder aufleben 161 . 1718 folgt auch Amsterdam mit der Gründung einer Zeichenakademie162. Der von der Antwerpener Verkaufsausstellung verfolgte Weg des niederländischen Ausstellungswesens führt besonders in den holländischen Beispielen des 17. Jahrhunderts zu Formen, die trotz der traditionellen Bindung an das Gilden- und Genossenschaftswesen zunehmend selbständige Züge aufweisen. Die Schaustellungen als Repräsentationsform des künstlerischen Lebens in der Öffentlichkeit, als Gelegenheiten, an denen nicht nur Kunstwerke verhandelt werden, sondern sich auch das Kunstgespräch, die kritische Auseinandersetzung mit den dargebotenen künstlerischen Handschriften und Auffassungen vollzieht und die Kenner und Liebhaber der Künste über Kunstmoden und Richtungen ihr Urteil fällen, alle diese Züge einer neuen Eigenmacht der Kunstausstellung beginnen in den Vordergrund zu treten. Zur Bekräftigung dieser neuen Entwicklung mögen zwei bildliche Darstellungen dienen, die das im Rahmen der Gilde geübte Kunsturteil zur Darstellung haben.

Hanns Floerke 1905, S. 72t.; G . J. Hoogewerff 1947, S. 153 t. 1718 wurde eine «Academie of school der teekenkunst» unabhängig v o n der Lukasgilde gegründet. Sie verfügte über ein Kunstkabinett mit einer umfangreichen graphischen Sammlung und über einen Kunstsaal, in dem «ein jeder Künstler seine Werkstükken zur Schau stellen, jedoch als die verkaufft oder wieder weggenommen sind, muß ein anders in desselben Platz gebracht werden, auch niemahls weniger, als drey Stükke zugleich . . . Diese Kammer pflegte täglich des Vormittags v o n 11 — 1 2 vor einem jeden offen zu stehen, um die dar vorhanden seyende Kunst-Stükke zu mögen beschauen.» Die Räume befanden sich im dritten Stock des Stadthauses. 1 6 1 Hanns Floerke 1905, S. 64, S. Speth-Holterhoff, Les peintres flamands de cabinets d'amateurs au 1 7 e siècle, Bruxelles 1957, S. 183ff.; vgl. auch A b b . 43 u. S. 81 f. 162 V g l . über A n m . 160 hinaus noch J. D . Fiorillo, Geschichte der zeichnenden Künste in Deutschland und den vereinigten Niederlanden, Bd. 4, Hannover 1820, S. 190 ff. Über die Akademiebestrebungen in den Niederlanden die Übersichten bei Nikolaus Pevsner, Académies of Art, past and present, Cambridge 1940, S. 126ff. u. 143.

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Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen

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Eine getuschte Federzeichnung von Arnold Houbraken 163 (Abb. 32) stellt eine Gemäldebesichtigung in einem Amtsraum der Dordrechter Lukasgilde dar. Vier Männer, offenbar Mitglieder der Gilde, begutachten in lebhafter Diskussion ein großes Figurenbild, das vor ihnen auf einer Staffelei steht. Diese in ihrem Thema einzigartige Darstellung, die wahrscheinlich die Beurteilung eines Rezeptionsstückes wiedergibt, führt mit aller Lebendigkeit ein wichtiges Kapitel des zeitgenössischen Kunstlebens vor Augen. Arnold Houbraken, der von 1678 bis 1709/10 selbst Mitglied der Dordrechter Gilde ist 164 , wird dieses Blatt aus der unmittelbaren Anschauung gezeichnet haben. In dem Verhalten der begutachtenden Maler und in der Atmosphäre, die das Blatt vermittelt, wird deutlich, wie sehr sich die Beurteilungsform von der einst üblichen Gütekontrolle und Preisfestsetzung auf das Gebiet der künstlerischen Bewertung verlagert hat. Nicht viel anders wird sich eine moderne Jury verhalten und in ähnlicher Weise im Schauen und Urteilen aus der notwendigen Raumdistanz mit lebhaftem Austausch der Meinungen ein Werk begutachten. Es ist ein ähnlich kritischer Geist der ästhetischen Auseinandersetzung, der sich auch in Houbrakens «Groote Schouburgh» von 1718 bis 1720 literarisch als bestimmtes Kunsturteil findet, das seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert von der in Rom und Paris ausgebildeten Kunsttheorie berührt wird. Die Intoleranz des modischen Kunsturteils wird in einer Zeichnung von Rembrandt aus dem Jahre 1644 mit äußerster Schärfe in der Satire angegriffen 165 (Abb. 33). Das mit «den tyt» bezeichnete Blatt führt den Betrachter vor den Sitz des Kunstrichters, der in dreister Sicherheit von einem Faß herab mit Midasohren die ihm vorgelegten Bildnisse beurteilt. Die Altmeister der Malergilde lauschen andächtig dem frechen Richterspruch, und der Dekan beugt sich vor ihm in serviler Observanz. Die Gegenseite vertritt ein junger Künstler, der in eindeutiger Gebärde seine Verachtung über diesen Vorgang kundgibt. Es scheint, als sei diese Allegorie auf die Kunstkritik durch die Kennzeichnung des Kunstrichters mit den Attributen der Verleumdung eine scharfe Reaktion Rembrandts auf die öffentliche Ablehnung seiner seit der «Nachtwache» von der herrschenden Bildnismode abweichenden Portraitkunst166. Die Entstehung der selbständigen Kunstkritik 167 als der Verlagerung der Elfried Bock u. Jakob Rosenberg, Die niederländischen Meister, Beschr. Verz. . . . Staad. Museen zu Berlin, Berlin 1935, Bd. 1, Text S. 160, Nr. 6699, Abb. Bd. 2, S. i n . 1 6 4 Thieme-Becker, Allgem. Künstlerlexikon, Bd. 17, Leipzig 1924, S. 554t. 1 6 5 HdG 303, Valentiner 619, Benesch A 35 a, «Allegorie auf die Kunstkritik», Feder u. Biester, 156 x 200 cm, ehem. Slg. Friedrich August II. v. Sachsen. Otto Benesch, The Drawings of Rembrandt, London 19j5, Bd. 4, bezeichnet nach der älteren Lesart von Kurt Freise u. a., Rembrandts Handzeichnungen Bd. 3, Staatl. Kupferstichkab. u. Slg. Friedrich August II. zu Dresden, Parchim 1925, Nr. i n , das Blatt als Schülerarbeit. Nach Katalog Rembrandt drawings in America, 1960 (Rosenberg, E. Haverkamp Begemann) zweifellos von Rembrandt, nach Werner Sumowski (Benesch-Rez. i960, 24) möglicherweise von Govaert Flinck. 166 £)ie Beischriften nur teilweise lesbar, bei Benesch zitiert. 1 6 7 Albert Dresdner 1915, geht auf diese Entwicklung mit großer Sorgfalt ein. 163

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

Bewertung des Kunstwerkes von seinem materiellen und funktionellen Wert auf seine ästhetische Gestaltung in Inhalt und Form, die in diesen Bildbeispielen anschaulich wird, ist in der Gesamtheit der europäischen Entwicklung vom 15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Reagenzprobe auf die autonomen Tendenzen innerhalb des Ausstellungswesens. Denn in dieser Vermittlungspraxis schaffen sich die Künstler unter allmählicher Lösung von den früheren handwerklichen Traditionen und Zunftbindungen jenes Forum in der Öffentlichkeit, auf dem sie mit der individuellen Differenzierung ihrer Formen- und Vorstellungswelt unmittelbar und in steter Konkurrenz der Ansichten und Bestrebungen vor die Mitmenschen treten können. Innerhalb der niederländischen Kunst findet die Kunstkritik als literarische Gattung erst spät unter der Einwirkung der Theorien der Pariser Akademie ihren Niederschlag, ist aber bereits vorher in den auf dem Gedankengut der italienischen Renaissance und auf Vasaris Vitenpublikation fußenden Lehrmeinungen und historischen Ansichten und den biographischen Sammlungen des Karel van Mander angelegt168. Für die Kunstübung der nördlichen Niederlande ist bezeichnend, daß zu der Zeit, als sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts sich aus dem Einflußbereich der italienischen Kunst löst und sich in Form und Thematik als Ausdruck einer säkularisierten Wirklichkeitserfahrung manifestiert, sich auch das Kunsturteil weniger in akademischen Lehrtheorien niederschlägt, sondern in der vielseitigen Breite einer freien Kunstproduktion sich über das lebendige Wechselverhältnis von Angebot und Nachfrage, gewissermaßen auf der Grundlage des Kunsthandels, als dem unaufhörlichen, lebendigen Gespräch zwischen Künstler und Kenner, zwischen Aussteller, Interessent und Käufer vollzieht. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als die eigene schöpferische Kraft und Vielfalt erlahmt, gewinnt über die auch vorher vorhandenen regen Bildungsbeziehungen der Kenner und Sammler zur italienischen und zunehmend zur französischen Kunst das theoretisch begründete Kunsturteil an Gewicht. Weder die Akademisierung des Kunsturteils noch die Versuche einer eigenen Kunsttheorie vermögen jedoch die holländische Kunst zu regenerieren. Auch für die Entwicklung der Kunstausstellung haben die späten niederländischen Erscheinungen keine Bedeutung mehr, sondern bleiben provinzielle Sonderlösungen innerhalb der Expansion einer neuen, von der Pariser Akademie ausgebildeten Form.

b) Der Markt- und Ladenverkauf und seine Ausstellungsformen Die bisher behandelten festen Ausstellungsgelegenheiten sind für das Werden der Kunstausstellung wichtige Erscheinungen, in denen bereits wesentliche 188

Karel van Mander, Schilderboek, Alkmaar 1604 u. Amsterdam 1618, vgl. die Charakteristik bei Julius Schlosser, Die Kunstliteratur, Wien 1924, S. j i 2 f f . u. S. 332t. und Nikolaus Pevsner 1940, S. 80 f.

Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen

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Symptome des neuzeitlichen Ausstellungslebens zutage treten. Sie nehmen jedoch im Rahmen des niederländischen Kunstbetriebs nur einen kleinen, wenn auch in der Rangfolge der öffentlichen Machtstellung einflußreichen Raum ein. In seiner vollen Breite und Lebendigkeit vollzieht sich der Kunsthandel und mit ihm die Schaustellung von Kunstgut besonders nach 1600 in den wirtschaftlich und kulturell rasch aufblühenden holländischen Provinzen überall dort, wo auch sonst Handel getrieben wird, vor allem auf den zahlreichen Jahrmärkten und Kirmessen. Hanns Floerke ist diesen Erscheinungen des holländischen Kunstmarktes mit besonderer Ausführlichkeit nachgegangen169, so daß auf seinen Untersuchungen fußend hauptsächlich die Frage nach den Ausstellungsmöglichkeiten am Beispiel einiger bildlicher Darstellungen erörtert wird. Der Kunsthandel auf Jahrmärkten und Kirmessen wurde bereits mehrfach erwähnt. Der seit dem 15. Jahrhundert überall gesetzlich geregelte Marktverkauf von Kunstgut nimmt in der Folgezeit ständig zu und gewinnt während des 17. Jahrhunderts in Holland Ausmaße, wie sie sonst nirgends in Europa anzutreffen sind. Die Ursachen hierfür liegen in der wirtschaftlichen Expansion, der freien Sozialstruktur und dem hohen allgemeinen Bildungsstand der Bevölkerung und wohl auch im Volkscharakter selbst begründet, in der Freude am Feiern und der Fähigkeit zum Handeln, beides Eigenschaften, die überall im Lande besonders den Markt- und Messeveranstaltungen mit ihren Privilegien und Freiheiten einen großen Zulauf sichern. Diese Gelegenheiten werden von dem ohnehin sehr beweglichen Kunsthandel sogleich ergriffen. Zunächst sind es die Maler und ihre Angehörigen, die ihre Werke und bald auch fremde feilhalten. Die Berufskunsthändler kommen hinzu, dann die Marktschiffer, die den Warenverkehr zwischen den Ortschaften auf den Kanälen bestreiten, und schließlich Gewerbetreibende aller Art, die sich auch das gute Nebengeschäft mit Bildern nicht entgehen lassen. Der Käuferkreis erstreckt sich keineswegs allein auf das Sammlerpublikum der Kenner und Liebhaber, auf zahlkräftige Bürger und Fremde, sondern auch, vor allem in den Provinzen Holland und Zeeland, auf die Bauern 170 . Die Bilder reagieren in ihrem Charakter und ihren Darstellungen unmittelbar auf diesen vielfältigen Interessentenkreis. Vom billigsten Schund, zu der die «Brabanter Dutzendware»171 gehört, bis zu Virtuosenstücken und Meisterwerken, vom derben Bauernstück bis zur verschlüsselten Allegorie ist alles zu haben, was zum Ausdruck des eigenen Lebens und der Umwelt, der Bildung und Erbauung und der schmückenden Repräsentation des eigenen Lebensbereichs dient. Aber das Bild ist beweglich, es wird nicht nur gesammelt und als Zimmerschmuck verwendet, es wechselt häufig genug den Besitzer. Es dient zugleich als Kapital, als Zahlungsmittel und als Handelsobjekt, mit dem nach Belieben verfahren wird. 169

170 171

Hanns Floerke 190J, S. izii. Nützlich auch für das Folgende die Ubersicht von Gisela Thieme, Der Kunsthandel in den Niederlanden im 17. Jh., Köln 1959. Hanns Floerke 1905, S. 20 ff. Hanns Floerke 1905, S. 18 u. 22.

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhundefts

Die Ausstellungspraxis auf den Märkten und Messen ist denkbar einfach. Die oft zitierte Tagebuchnotiz des englischen Diplomaten und Gelehrten John Evelyn über seinen Besuch der Kirmes von Rotterdam im Jahre 1641 gibt einen lebendigen Einblick 1 7 2 . Hanns Floerke hat zu rekonstruieren versucht, von welchen Malern damals Werke zu kaufen waren. Bilder von Adriaen van de Venne, Thomas Wijck, Frans Hals, Benjamin Cuyp, Rembrandt, Abraham Saftleven, Jan Molijn, Isaak van Ostade und vielen anderen, heute kaum bekannten Malern waren zu dieser Zeit auf der Rotterdamer Kirmes ausgestellt, Werke, die heute zum Teil kostbaren Besitz von Sammlungen und Museen darstellen. Auf niederländischen Kirmesdarstellungen treten Verkaufsstände mit Gemälden bald nach 1600 auf 1 7 3 . Ein in zahlreichen Repliken und Kopien erhaltenes 172

Hanns Floerke 1905, S. 20f. Die Tagebuchnotiz des John Evelyn lautet im Original: «13. (August 1641). We arived late at Roterdam, where was at that time their annual Mart or Faire, so furnish'd with pictures (especially Landscips, and Drolleries, as they coll those clownish representations) as I was amaz'd: some of these I bought and sent into England. The raison of this store of pictures, and their chepenesse proceede from their want of Land, to employ their Stock; so as 'tis an ordinary thing of find, a common Farmer lay out two, or 3000 pounds in this Commodity, their houses are full of them, and they vend them at their Kermas'es to very greate gaines.» Nach E. S. Beer (ed.), The Diary of John Evelyn, London 1959, S. 23 f. Vgl. auch die kurze Notiz v. N. A. Maes, Schilderijen op de Rotterdamsche Kermis, in: Oud Holland 33. 1915, S. 63. 173 Das Jahrmarkts- und Kirmesbild bringt eines der großen Wirklichkeitsthemen der niederländischen Malerei, das leider noch nicht im Zusammenhang bearbeitet ist. Eine Dissertation 1965 in Hamburg von Heilwig v. Bruchhausen begonnen. Der aus verschiedenen Einzelthemen und -motiven entwickelte Zusammenhang erfährt zuerst durch Pieter Brueghel d. Ä. seine formale Ordnung und künstlerische Gestalt. Auf ihn gehen drei Darstellungen zurück: 1. Das Gemälde «Der Bauerntanz» um 1568 (Wien, Kh. Mus.), das wegen seines ausschnitthaften Themas aus diesem Zusammenhang ausscheidet. 2. «Kirmess von Hoboken», Stich von Barth, de Mumpere exc. (Bastelaer 208. F. W. H. Hollstein, Dutch and flemish etchings, engravings and woodcuts, Amterdam o. J. Bd. 3, S. 301). 3. «Kirmess am St. Georgstag», Stich von H. Coeck excudebat (Bastelaer 207, Hollstein, Bd. 3, S. 300). Dazu gesellt sich wohl ebenfalls nach einer Vorlage Pieter Brueghels die «Flämische Kirmess von 1559» des Pieter van der Borcht (IV), von Barth, de Mumpere exc. (W 14, Le B1 446, Bastelaer et de Loo, S. 382, 1 PI. 216, F. M. L. 1118, G. Hollstein Bd. 3, S. 104). Vgl. auch Karl von Tolnai, Studien zu den Gemälden P. Brueghels d. Ä., in: Wien. Jb., N. F. 8. 1934, S. I34ff. Für die literarischen und folkloristischen Grundlagen: D. Roggen, J. Bosch: Literatuur en Folklore, in: Gentsche Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis, Deel 6. 1939/40, Antwerpen 1941, S. 107—126, und L. van Puyvelde, Schilderkunst en Tooneelvertooningen op het einde van de middeleeuwen, Gent. 1912. «Het is en Kermess» wird zum Sprichwort, das besagt, hier wird Streit und Lärm gemacht. Unter diesem Motto vollzieht sich in den angeführten Darstellungen innerhalb der Lebenskulisse des Dorfplatzes, die von dem Wirtshaus am vorderen Bildrand und der Kirche im Hintergrund bestimmt wird, die Entfesselung der menschlichen Vergnügungen und Leidenschaften, von Tanz, Spiel, Liebe, Streit, Essen und Trinken, von Handel und Geschäft, von Schauspielkunst und Gafferei. Die Kirche und die Festprozession ist in den Hintergrund gedrängt. Die «Weltwirklichkeit» selbst, mit aller Schärfe gesehen, von hohem Standpunkt aus wie durch eine Linse als satirische Entzifferung eines wimmelnden Ameisenhaufens und dessen liebevolle Auflösung in den sinnreichen, wenn auch nicht immer moralischen Zusammenhang im Kleinen, so wie er der Zeit im Volkslied und Sprichwort geläufig ist, geläufig auch in seiner hintergründig humorvollen Überhebung über das menschliche Tun. So gibt Brueghel die Welt in dem Mikrokosmos des Dorffestes, der an allen

Der niederländische Kunstmarkt und seine Ausstellungsformen

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Kirmesbild des D a v i d V i n c k b o o n s aus dem Jahre 1 6 0 2 1 7 4 , das als Ganzes nach dem Exemplar der Kunsthalle in H a m b u r g abgebildet w i r d 1 7 5 ( A b b . 34a), gibt noch den Ordnungszusammenhang

des Kirmeslebens in seinen prinzipiellen

G r ö ß e n wieder, w i e er zuerst v o n Pieter Brueghel d. Ä . bildmäßig gefaßt wurde. Eingerahmt v o n den beiden Wirtshäusern, v o n denen das rechte mit wehender Fahne des Kirchenpatrons und den W a p p e n der weltlichen Obrigkeit allen A n k o m m e n d e n die Messefreiheit verkündet, und v o r dem prächtigen Regierungspalast, gegen den die K i r c h e in den Hintergrund tritt, vollzieht sich das T u n und Treiben der Menschen. Unter den Marktbuden im Mittelgrund v o r dem Palast befindet sich an auffälliger Stelle auch der Stand des Kunsthändlers. D e r Ausschnitt aus dem Braunschweiger E x e m p l a r 1 7 8 ( A b b . 3 4 b ) läßt nun den Stand im einzelnen erkennen. I n einem recht roh zusammengeschlagenen Budenzelt, [i'3] Bildrändern durch überschnittene herein- und herauseilende, -tanzende und -torkelnde Menschen im unendlichen Weltzusammenhang lebt. Eine weitere geschlossene Gruppe von Kirmesdarstellungen schließt sich an diese Blätter Brueghels an und geht wohl ebenfalls auf eine vermutlich gemeinsame Fassung des Malers zurück, die verlorengegangen, nur in Repliken und Kopien erhalten ist: 1. Gemälde in der Landesgalerie zu Graz, das P. Brueghel signiert ist und wohl als Kopie des jüngeren Brueghel nach einem Werk seines Vaters gelten darf. Dazu noch eine Kopie im Kunsthistor. Mus. zu Wien (Wilh. Suida, Die Landesbildergalerie und die Skulpturensammlung in Graz, Wien 1923, S. 49, Nr. 1 1 0 , Abb. S. 18, und Th. v. Frimmel, Blätter f. Gemäldekunde 1905, H. 10, S. 181 f. Abb. S. 182). 2. P. Balten, Dorfkirmes, Rijksmuseum in Amsterdam, nahezu getreue, aber seitenverkehrte Wiedergabe des vorigen Bildes, ebenso das Bild des Kgl. Mus. d. Bild. Künste zu Brüssel, Inv. Nr. 6870. (D. Roggen in: Gentsche Bijdragen 6. 1939/40, S. 126 u. Abb. S. 115). Beide Werke bringen insofern eine wichtige Neuerung, als sie nicht nur die in den Stichen nach Brueghel im Hintergrund erscheinende Schauspielerbühne in die Mitte des Vordergrundes versetzen, sondern der Kirche im Mittelgrunde das Haus der weltlichen Obrigkeit gegenüberstellen und so einen unmittelbaren Sinnbezug schaffen. Dadurch erhält auch das Wirtshaus im Vordergrunde ein größeres Gewicht. Die Verkaufsbuden sind nun so zur Seite gestellt, daß der Blick auf sie und die Menge der Schaulustigen frei wird. Erst gegen 1600 wird das Kirmesbild durch David Vinckboons in eine neue Gestalt gebracht, die auch die weitere Entwicklung dieses Themas bestimmt. Natürlich mehren sich jetzt, besonders in der holländischen Malerei freiere Fassungen des Themas, die zum Teil Ausschnitte aus der Kirmeswelt geben oder das dörfliche Milieu in anekdotischer Ausschmückung betonen. 174 Das Kirmesbild des David Vinckboons muß sich einer außerordentlichen Beliebtheit erfreut haben, wie die zahlreichen Repliken und Nachstiche beweisen. Dies ist verständlich, da die Darstellung in der Weiterentwicklung des von Pieter Brueghel geprägten Bildtypus* nun aus näherer Wirklichkeitssicht das vielfältige Jahrmarktstreiben mit allen Einzelheiten auch des Handelslebens schildert. Die Brueghel'sche Weltsicht wird im Sinne der gleichzeitigen Entwicklung in der Landschaftsmalerei durch eine nähere Erdsicht ersetzt und die Bildszenerie im einzelnen stärker auf die Tatsachen des wirklichen Geschehens abgestimmt. Vgl. Hanns Floerke 1905, S. 1 7 ; K . Gooßens, David Vinckboons, Antwerpen u. s'Gravenhage 1954, S. 65 ff. Dort auch die Aufzählung der verschiedenen Repliken und Kopien. 175 Kat. 1956, 4. Aufl., Nr. 193, als nicht von der Hand Vinckboons bezeichnet, sondern Ausführung nach dem Stich von 1602 von Nicolaes de Bruyn (Hollstein Bd. 4, S. 2 1 , 171), der auf der eigenhändigen Zeichnung in Kopenhagen beruht. 176 Braunschweig, Herzog-Anton-Ulrich-Museum, Nr. 90. Das Bild ist 1608 datiert. Vgl. auch W. Martin in: Burl. Mag. 1 1 . 1907, S. 362.

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von dessen vorderen Dachrand und Seitengiebel Roben, Röcke, Mäntel, Dudelsäcke, Zinken und andere Musikinstrumente herabhängen, ist die Rückwand in doppelter Reihung mit Gemälden besetzt. Auch vor der Giebelfront stehen zwei Landschaften in Breit- und Hochformat und darüber zwei Bildnisse. Die Aufstellung ist einfach und ohne jede ästhetische Absicht, nur von dem Verlangen getragen, den Platz soweit wie möglich auszunutzen. Es handelt sich offenbar um einen Lotteriestand. Dafür sprechen die römischen Ziffern an den ausgestellten Objekten und die Gruppe der drei Personen vor dem Stand, wo ein Mann einem Paar aus der Hand Lose anbietet. Auch auf einem Bilde des Esaias van de Velde, die Kirmes zu Rijswijk von 1625 darstellend177, tritt an der Häuserzeile am rechten Bildrand ein Lotterieveranstalter auf, der eine Anzahl von Gemälden neben anderer Ware an der Hauswand ausgestellt hat. In dem Kirmesbild des Peter van Bredael aus dem späten 17. Jahrhundert178 ist an auffälliger Stelle im Vordergrunde der Stand eines Kunsthändlers gegeben, der unter einem großen Zeltdach seine Ware feilbietet. Die Aufstellung der Bilder, Gefäße, Teller und anderer kunstgewerblicher Arbeiten erfolgt in Form einer Schauwand, die die Gegenstände in gefälliger Ordnung den staunenden Zuschauern weist. Ein besonders wichtiges Bilddokument ist eine in der Art des David Vinckboons gehaltene Kirmesdarstellung179 (Abb. 35). Den Hauptraum des Bildes auf der rechten Seite nimmt ein Bilderstand ein, der riesenhaft aus dem Ameisengewimmel des Volkes herausragt. Auf ein rohes Lattengerüst, dessen Spitzen am oberen Ende des Standes sichtbar werden, sind neunzehn Gemälde in mehreren Reihen übereinander befestigt. Diese Bilderwand ist nun im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen wohlgeordnet, so daß die Gemälde im Sinne von Pendants sich symmetrisch in Größe und Sujet entsprechen. Die obere Mitte wird durch besonders große Bilder hervorgehoben. Unter den Darstellungen befinden sich in der Mehrzahl Landschaften, Marinen und Stilleben, nur ein Figurenbild läßt sich erkennen. Bei dieser Darstellung eines Bilderstandes, die sich durch seine Überdimensionierung aus dem realen Gefüge des Jahrmarktes herauslöst, scheint es sich um eine Art Portraitierung zu handeln, die auch den Kunsthändler neben einem vornehmen Kunden erfaßt. Für die Ausstellungstechnik ist dieses Beispiel besonders aufschlußreich. Denn es zeigt, daß auch in der freiräumlichen Schau177

178

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Prinz Moritz und Prinz Friedrich Heinrich von Oranien mit ihren Gästen auf der Kirmes von Rijswijk 1625, Amsterdam Slg. Six. Vgl. K . Zoege von Manteuffel, Die Künstlerfamilie van de Velde, Bielefeld, Leipzig 1927, S. 7 Abb. 5. Ehem. München Slg. Loewenfeld. V g l . Emilie von Hoerschelmann, Erläuterndes Verzeichnis der in der Gemäldeslg. W . L befindlichen Gemälde . . . , München 1897, Nr. j j , Abb. Nr. 42. Emilie von Hoerschelmann 1897, Nr. 64 u. Abb. 64, ehem. München, Slg. Loewenfeld; Abb. auch bei Hanns Floerke 1905 zu S. 16. Das Gemälde stammt aus der Slg. Suermont in Aachen. Nach Hoogewerff 1947, S. 52, handelt es sich um die Darstellung eines Maifestes mit hohem Maibaum. E r bezeichnet das Bild als «im Stil des Vinckboons» gemalt.

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Stellung auf dem Markt der Wille bestanden haben muß, das Bild ähnlich wie in den Sammlungsräumen als Teil eines größeren dekorativen Gesamtzusammenhanges darzubieten. Der Aussteller demonstriert in seinem Stand das Ordnungsprinzip der Bilderwand, das hier besonders auffällig auf einem annähernd symmetrischen Aufbau unter Verwendung von Pendants um eine Mittelachse beruht. Das bunte Nebeneinander von geordneter und willkürlicher Schaustellung findet sich ebenfalls bei den Verkaufsauslagen in den Läden und Häusern der Maler und Kunsthändler. Auch dafür lassen sich einige bildliche Belege anführen. Die Darstellung der alten Börse in Amsterdam von Job Adr. Berckheyde180 (Abb. 3 6) zeigt neben dem großen Doppelbogen des Haupteinganges an der Wand des rechts anschließenden Vorbaus den Aushang eines Bilderhändlers, drei Gemälde, die noch im Sinne der seit dem späten Mittelalter üblichen Form der Reklame als «Stück Werk» den Vorübergehenden den Laden im Inneren des Hauses weisen. Auf einem Gemälde eines unbekannten holländischen Malers 181 mit der Darstellung eines Quacksalbers (Abb. 37) erscheint an der Ecke des Stadtplatzes im Hintergrund das Haus eines Malers, wie das Wappen über den Fenstern der ersten Etage aussagt. In der Auslage des Ladengeschäftes im Erdgeschoß sind einige Bilder formlos zum Verkauf ausgestellt. Auch hier ist über dem Schaufenster ein Stück Werk als Reklamehinweis sichtbar. Eine ähnliche Bilderauslage zeigt ein anonymer holländischer Stich (Abb. 38). Die lavierte Federzeichnung des Pieter van den Berge 182 (Abb. 39) führt in das Innere einer der großen Amsterdamer Kunsthandlungen, deren Besitzer Jan Pietersz. Zoomer zu den bekannten Kunsthändlern des 17. Jahrhunderts gehört. In einem großen Raum, dessen Wände voller Gemälde hängen, bietet er rechts im Bilde dem Prinzen Eugen von Savoyen Gemälde zum Verkauf an. Der Prinz, in lebhaft eleganter Haltung eines Kunstkenners am Boden knieend, vertieft sich in ein Figurenbild, das von dem Zeichner des Blattes, Pieter van den Berge, auf einem Stuhl gehalten wird. Von links durch die Tür tragen zwei Angestellte weitere Bilder zur Besichtigung herbei. 180 Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut, Inv. Nr. 536, Leinw. 6} x 5 3 cm; Walter Bernt, Die niederländischen Maler des 17. Jhs., München 1948, Bd. 1, Nr. 75. Uber die Kunsthändler und ihre Geschäftsgebaren vgl. Hanns Floerke 1905, S. 85 ff. 181 Amsterdam, Rijksmuseum; Kat. Nr. 99, Eichenholz 69 X 9 1 c m ; W . M a r t i n in: Burl. Mag. 1 1 . 1907, S. 369. 182 Amsterdam, Rijksmuseum, Printenkab.; W. Martin in: Burl. Mag. 1 1 . 1907, S. 369 u. Abb. Tf. 5, 8. Hanns Floerke 1905, S. 1 1 3 , gibt nähere Angaben über den Kunsthändler J . P. Zoomer, dort auch Beschreibung der Zeichnung und Anm. 216 folgender Spottvers von Jan Cooeree zu einem gestochenen Bildnis des Kunsthändlers: «Dit's Jan Piet de makelaar, In de Kunst een Kakelaar, In de Kunst een Jan de Dooper; Bij den duistren nacht een looper. Die rinkinker in sijn hart, Left hier in het wit en zwart.»



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Dieser lebendigen Verkaufsszene in einer Kunsthandlung & la mode stehen zwei Zeichnungen des Salomon de Bray gegenüber (Abb. 40 a, b), die Einblicke in das Innere einer Buch- und Kunsthandlung geben 183 . In der auch heute noch üblichen Weise ist ein Teil des Raumes von den Bücherregalen besetzt, während die Bilder in dichter Folge an den freien Wänden hängen. Betrachtung und Verkauf werden in schlichter Natürlichkeit geschildert. Gerade diese letzten Bildbeispiele vermitteln noch einen Zug, der für die Beurteilung des Ausstellungslebens nicht unwichtig ist: Das Verhalten des Betrachters und Interessenten zu den ausgestellten Werken. Das bewußte SichZurschaustellen des vornehmen Kunstkenners in der Gestalt des Prinzen Eugen, die dekorative Urteilsäußerung seiner Begleiter entsprechen völlig jenem lauten, gestenreichen Betrieb, den der Kunsthändler vor seinen illustren Gästen abrollen läßt. Die gleichen Haltungen lassen sich immer wieder bei den verwandten Darstellungen der «Gemalten Galerie» beobachten. Sie entsprechen dem zeitstilgebundenen Gebaren des Kenners und Liebhabers der Künste, in dem, gleichsam auf eine sichtbare und erkennbare Formel gebracht, das Verhältnis zum Kunstgegenstand sich in einer bewußten Betrachtungshandlung äußert. Der Auftrag an den Zeichner dieses Blattes, den Vorgang mit seinen Einzelheiten und Namenszügen wie ein historisches Ereignis festzuhalten, entspringt sicher nicht zuletzt dem Reklamebedürfnis des gewiegten Händlers, dessen Charakter in der zitierten satirischen Versumschrift zu seinem Bildnis deutlich wird. Demgegenüber steht die andere Möglichkeit des stillen, sachlichen Interesses, wie es besonders in der Charakterisierung der Betrachter in den Zeichnungen des Salomon de Bray Kunde von dem inneren Kontakt mit dem Kunstwerk gibt, der sich in einem natürlichen Gegenüber äußert.

c) Ausstellung und Sammlung Die vielfältigen Gelegenheiten zur Schaustellung von Kunstgut innerhalb des niederländischen Kunstbetriebs gründen sich im wesentlichen auf den Kunsthandel. Uberall dort, wo Gemälde, Skulpturen, Graphik und Kunstgewerbe, Raritäten und Curiosa öffentlich dargeboten werden, geschieht es zum Zwecke des Verkaufs. Kunst ist Ware, ihre Ausstellungsfrequenz wird vielfach von der Marktgängigkeit bestimmt. Original und Kopie stehen fast gleichwertig nebeneinander, Nachahmung und Fälschung ist Gang und Gäbe und orientieren sich an der modischen Nachfrage. Alle anderen Erscheinungen der Schaustellung, besonders ihre autonomen Tendenzen der künstlerischen Repräsentation, der Förderung des Kunsturteils und der Diskussion, ergeben sich aus dem besonderen 183

Amsterdam, Rijksmuseum, Printenkab. Inv. Nr. A 290/A 291, je 7,6 X 7,6 cm; W. Martin in: Burl. Mag. 1 1 . 1907, S. 364, Tf. 5, Abb. 6 u. 7.

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Charakter der «Ware» und der zunehmend freien gesellschaftlichen Position der Künstler. Die Gegenseite dieses sich ständig wandelnden Schaugebotes von Kunst wird von der Kauffreudigkeit eines Publikums bestimmt, dessen Sammeleifer oft genug Züge manischer Besessenheit trägt, und bei dem sich die verschiedensten Impulse niederer und höherer Absichten erkennen lassen: Kunst als Kapitalanlage, als Spekulationsobjekt, als Zimmerschmuck und Mittel der Repräsentation, als Zeugnis von Wissen und Bildung und als faßbarer Ausdruck der eigenen Existenz und ihrer Wunschvorstellungen. Alle diese Beweggründe für das Kaufen und Sammeln basieren auf der bedingungslosen Beweglichkeit des Kunstwerkes 184 . Wenn auch der Erwerb von Kunst in den Sammlungszusammenhängen zu einer gewissen Beständigkeit des Besitzes führt, so ist ihnen doch die feste museale Aufstellung und Ordnung fremd. Da die Sammlungsbestände häufig ihr Gesicht durch Verkauf und Ankauf wandeln, bleibt auch der zur Schau gebrachte Besitz nie endgültig montiert. Die Gemälde werden nicht mehr wie im 16. Jahrhundert in einem architektonischen oder ornamentalen Rahmen gefaßt, sondern von schlicht profilierten dunklen Holzleisten gerahmt, denen weder ein dekorativer Eigenwert zukommt, noch die Möglichkeit gegeben ist, innerhalb einer Raumdekoration einen unverrückbaren Platz einzunehmen. Freilich gilt diese freie Beweglichkeit des Gemäldes nur für die holländische Kunst und schon mit Einschränkungen für die der südlichen Niederlande185. Für die Beurteilung der Ausstellungstechnik in den niederländischen Kunstsammlungen des 17. Jahrhunderts besitzt der Bildtypus der «Gemalten Galerie» einen anschaulichen Quellenwert, wenn es sich bei ihm auch nur selten um die annähernde Portraitierung tatsächlich gegebener Sammlungszusammenhänge handelt186. Das um 1600 in der flämischen Malerei entstandene «Sammlungsstilleben» weist in seinen inhaltlichen Brechungen auch mancherlei Bezüge zum Ausstellungswesen der Zeit auf, denen hier allein nachgegangen werden kann. Das Innere der Kunsthandlung des Jean Snellinck, Maler und Kunsthändler in Antwerpen, ist in einem 1621 datierten Gemälde von Hieronymus II Francken dargestellt187 (Abb. 41). In einem weiten, hohen Raum, der von der linken Fensterwand sein Licht empfängt, sind die beiden sichtbaren Wände vom Fußboden bis zum Deckenansatz mit Gemälden besetzt. Nur die Tür mit ihrer architektonischen Rahmung und plastischen Bekrönung und die aufwendige Kredenz 184

185 186

187

Helmut Seling, Die Entstehung des Kunstmuseums als Aufgabe der Architektur. Diss. phil. Freiburg/Br. 1954 (ms), S. i 8 f f . ; Kurt Bauch, Der frühe Rembrandt und seine Zeit Berlin i960, S. 88ff. Helmut Seling 1954, S. 24. Theodor von Frimmel, Gemalte Galerien, 2. Aufl. Berlin 1896; S. Speth-Holterhoff, Les peintres flamands de cabinets d'Amateurs au 1 7 e siècle, Bruxelles 1957. Brüssel, Mus. Roy. des Beaux-Arts, Nr. 656, sign. J F dat. 1 6 2 1 ; S. Speth-Holterhoff 1957, S. 63 f. u. Tf. II u. Abb. 7 ; S. Speth-Holterhoff, La Boutique d'un Marchand des tableaux anversois au 1 7 e siècle, in: Miscellanea Leo Puyvelde, Bruxelles 1948, S. 183 — 86.

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vor der Mitte der Rückwand unterbrechen die Bilderfolge und dienen der Aufstellung als Zäsur und als Ordnungsakzent. Die Bilder hängen Rahmen an Rahmen auf prächtigen Teppichen, die die großen Wandflächen in etwa 1,50 m Höhe über dem Fußboden bis zur Gesimsleiste bedecken, die ebenfalls etwa 1,50 m unterhalb der Decke rings um die Wände läuft. Ohne sichtbare Systematik einer Ordnung nach Schulen oder Themen hängen die Bilder allein nach Maßgabe einer guten Sicht und eines gefälligen dekorativen Zusammenhanges, in dem ohne Zwang Format und Form der Gemälde, ihre Größe und ihre mögliche Entsprechung im Pendant ausgenutzt werden. Außerdem befinden sich noch zwei große Tische im Raum, der eine, unter den Fenstern links stehend, ist mit graphischen Blättern, einer Mappe und einem aufgeschlagenen Skizzenbuch, dazu mit Muscheln und allerlei wissenschaftlichen Instrumenten, auch mit einem Himmelsglobus bedeckt. Ein bärtiger Gelehrter, der hinter dem Tische sitzt, demonstriert im Gespräch mit einigen vornehm gekleideten Herren offenbar ein wissenschaftliches Problem mit dem Zirkel auf einem Bogen Papier. Vom Tisch in der Mitte des Bildes wird gerade durch einen Diener eine Decke abgenommen, unter der kleine Marmorskulpturen, die zum Teil auf dunklen Sockeln montiert sind, sichtbar werden. Sie erregen die Aufmerksamkeit einiger Kenner, die seitlich am Tische stehen. Weitere Gemälde finden sich frei im Räume auf Stühlen und an Tisch und Wände gelehnt. Der Kunsthändler Jean Snellinck steht im Hintergrund vor der rechten Zimmerecke. Er ist barhäuptig und weist dem Betrachter ein Medaillon mit einem Miniaturbildnis. Die zum Verkauf ausgestellten Bilder geben hauptsächlich zeitgenössische Werke Antwerpener Meister wieder188. Der Vergleich mit einem Sammlungsbild, das von Frans II Francken, dem Bruder des Hieronymus, etwa gleichzeitig in verwandter Manier gemalt wurde 189 (Abb. 42), zeigt eine ganz ähnliche Disposition des Sammlungsgutes. Auch in diesem Bild stehen Gemälde frei im Raum. Sie werden zwei Herren in weltmännischer Kennerhaltung durch einen Diener vorgeführt. Am Tisch unter dem Fenster wird das Thema der Kunstbetrachtung und des Gesprächs fortgesetzt. Wenn auch beide Bildbeispiele nicht im wörtlichen Sinne als Wiedergaben von Sammlungs- und Ausstellungszusammenhängen angesehen werden können, nicht zuletzt deshalb, weil verschiedene Bildmotive und Darstellungselemente als Topoi dieses Bildtypus allegorische Züge hineintragen und dem Bild dadurch 188

189

S. Speth-Holterhoff 1957, S. 64, hat folgende Werke identifiziert: «Adam und Eva» von Frans Floris (heute Slg. René Vincent La Roche in Basel). «Mystische Vermählung der hl. Katharina» Beide nach «Joseph und Potiphar». H. Goltzius Landschaft in der Art des Josse de Momper. Schlachtenbild von Jean Snellinck. Muttergottes im Blumenkranz von Henri van Baien u. Jan Brueghel. Interieur mit Bildern in der Art des Hieronymus Francken. Brüssel, Slg. Gaston Kleefeld. S. Speth-Holterhoff 1957, S. 81 ff. u. Abb. 21.

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einen übergeordneten Sinn verleihen190, so können sie doch anschaulich das enge Wechselverhältnis von Sammlung und Ausstellung innerhalb des Lebensbezuges der Kunst vermitteln. Die Sammlung selbst zeigt sich als ein Bestandteil des alltäglichen Lebens. Sie ist, wie vor allem die frei im Raum herumstehenden Bilder verdeutlichen, in ständiger Verwandlung begriffen. Gegründet auf die freie Beweglichkeit des Bildes und auf seinen Warencharakter ist sie zugleich auch eine Stätte für den Verkauf und die Erwerbung und unterscheidet sich dadurch nur graduell von der merkantilen Schaustellung, wie sie etwa in dem Stich des Ägidius Sadeler, dem Bilderstand auf dem Kirmesbild und in der Zeichnung des Pieter van den Berge sich dargestellt finden. Hanns Floerke nennt eine Reihe von Beispielen, in denen Sammler und Kunsthändler in einer Person auftreten und entsprechend die Sammlung auch Stätte des Kunsthandels ist 191 . Aber nicht nur der kommerzielle Zusammenhang von Schaustellung und Sammlung wird in den Darstellungskomplex der «Gemalten Galerie» aufgenommen, es finden sich auch andere wichtige Faktoren des Kunstlebens der Zeit. Aus Antwerpen sind zwei Gemälde erhalten, die gewissermaßen den Charakter des geschichtlichen Ereignisbildes auf die «Gemalte Galerie» übertragen und im Bilde zwei wichtige Geschehnisse aus dem Leben der Lukasgilde bewahren. Das eine Gemälde, 1666 von Charles-Emanuel Biset und anderen Künstlern gemalt (Abb. 43), stellt in idealer Sicht das Innere der neuen Gildenkammer dar 192 , die bei der 1662 erfolgten Etablierung der von David Teniers d. J. ins Leben gerufenen Akademie vom Magistrat in der neuen Handelsbörse zur Verfügung gestellt wird. Die neue, nach dem Pariser Vorbild erfolgende akademische Reorganisation der Lukasgilde, der 1661 bereits der Zusammenschluß mit der Rethorikkammer l'Olivier vorausgegangen war, sollte die bereits erschütterte Vorrangstellung der Antwerpener Kunst zurückzugewinnen helfen und aller Welt ihre noch immer ungebrochene künstlerische Kraft und Größe vor Augen stellen. Zu diesem Zwecke werden die neuen Räume mit aller Pracht ausgestaltet193. Das Gemälde, das von S. Speth-Holterhoff in seiner historischen 190 V g l . auch für das F o l g e n d e : Matthias W i n n e r , D i e Quellen der Pictura-Allegorien in gemalten Bildergalerien des 1 7 . Jahrhunderts zu A n t w e r p e n . Phil. Diss. K ö l n 1 9 J 7 u. ders., Gemalte Kunsttheorie. Z u Courbets „ A l l é g o r i e réelle u n d der Tradition, in: J b . d. Berliner Museen N . F . 4. 1 9 6 2 , S . 1 5 4 ff. 191

Hanns Floerke 1 9 0 5 , S. 1 0 3 f f . V g l . auch die entsprechenden Bilderverzeichnisse und Inventare bei J . D e n u c é , E x p o r t a t i o n d ' o e u v r e s d'art au 1 7 e siècle à A n v e r s . L a F i r m e Forchaudt, s ' G r a v e n h a g e 1 9 3 1 , J . Denucé, D e A n t w e r p s c h e «Konstkamers» . . . 1 9 3 2 u. A . Bredius, Künstlerinventare, H a a g 1 9 1 5 ff. 192 M ü n c h e n , Staatsgemäldeslg. Schloß Schleißheim, Galerie, I n v . 896, L w . 1 4 1 x 2 3 6 cm. V g l . S. Speth-Holterhoff 1 9 5 7 , S. 1 8 3 ff. u. A b b . 7 1 f. 193 Darüber S. Speth-Holterhoff 1 9 5 7 , S. 1 8 4 : «Peintres et rhétoriciens s'unirent p o u r décorer leur nouvelle demeure avec toute la somptuosité qui leur était chère. L e s tableaux précieux, offerts depuis plus d ' u n siècle à la confrérie par les plus illustres de ses membres, les trophées d ' o r et d'argent de la Chambre de Réthorique, les chaises de cuir aux armes de l'association, les portraits des doyens, les précieuses pièces d'archives furent mis en vedette dans la

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Bedeutung erkannt und eingehend analysiert wurde, ist eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer Gildenmitglieder, deren Signaturen zum Teil auf den einzelnen Bildern zu finden sind194. Zusätzlich reproduziert die Decke acht von Rubens 1620 für die Jesuitenkirche in Antwerpen gemalte Bilder, die 1718 verbrannt sind. Unter den Personen, die den Raum bevölkern, lassen sich die drei hinter dem Tisch stehenden Männer identifizieren. Es handelt sich um den Dekan der Malergilde Gonzales Coques, den Bürgermeister Henri van Halmale und den Bildhauer Pieter Verbruggen. Diesen drei Repräsentanten steht am vorderen rechten Bildrand vor dem Gemälde des Jakob Jordaens «Kandaules zeigt dem Gyges die unverhüllte Schönheit seines Weibes» eine Gruppe allegorischer Gestalten gegenüber : Apollo inspiriert Zeichnung und Malerei und dazu Merkur, der von rechts in das Bild eintritt. So wird durch die göttliche Inspiration von Kunst und Handel in allegorisch-mythologischer Verkleidung Sinn und Zweck der neuen künstlerischen Repräsentation der 1665 feierlich eröffneten Akademie zum Ausdruck gebracht. Im übertragenen Sinne dient das dekorative Gefüge dieser Gemäldesammlung der Schaustellung der von der Gilde repräsentierten andauernden schöpferischen Kraft und Größe der Antwerpener Kunst. In einem viel engeren historischen Bezug zur Antwerpener Malergilde ist das zweite Bild gehalten195 (Abb. 44). Als nach einem langjährigen Prozeß, den die vereinigte Malergilde und Rethorikkammer gegen andere Gilden der Stadt führt, die finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Rechtsbeistand, dem Rechtsanwalt Jean van Bavegen, Rat von Brabant, nicht mehr erfüllt werden können, wird auf Veranlassung des Dekans der Malergilde, Gonzales Coques, gleichsam als Bezahlung ein Galeriebild mit zwanzig kleinen Bildern von verschiedenen Mitgliedern der Gilde gemalt, die Architektur von Wilhelm Schubert van Ehrenberg, die Figuren von Gonzales Coques. Im Bilde links stehen der Advokat, neben ihm um den Tisch vier Vertreter der Gilde. In der Tür rechts erscheint vermutlich die Familie des Rechtsanwaltes. Viele der kleinen Bilder [193] nouvelle «Chambre des Peintres». Des membres généreux décorèrent les plafonds: Jordaens brossa trois grandes compositions: «Pégase», «Le Commerce et l'industrie protégeant les Beaux-Arts», «La Loi humaine basée sur le Loi divine» (Anvers, Musée Royal). Théodore Boeyermans créa une «Anvers mère nourricière des peintres» (Anvers, Musée Royal). Deux bustes dorés, «Pictura» et «Poesis», symbolisaient l'union des peintres et des rhétoriciens. E n reconnaissance envers la Couronne d'Espagne, les armes de Philippe I V et le buste en marbre du Gouverneur des Pays-Bas, le marquis de Lacarana, furent exposés en place d'honneur.» Auch andere Maler stiften Bilder, das Register der Lukasgilde nennt 1666 zahlreiche Werke. Im 18. Jahrhundert verfielen die Räume, und die Bilder wurden zugunsten der Gilde verkauft. 194

S. Speth-Holterhoff 1957, S. i86ff. Die Raumarchitektur ist von W . Schubert van Ehrenberg gemalt.

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Schloß Windsor, Royal Coli. Lionel Cust u. F. Jos. van den Branden, Notes on pictures in the Royal Collection, 32, on a painting of a picture Gallery by Gonzales Coques, in: Burl. Mag. 27. 191 j, S. 1 5 0 — 1 5 8 u. S. Speth-Holterhoff 1957, S. 181 f., u. Abb. 69t.

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sind deutlich erkennbar signiert, das große Mittelbild, von Erasmus Quelünus gemalt und 1683 datiert, stellt das Urteil Salomos dar und deutet auf das Prozeßurteil. Wie dieses Mittelbild so sind auch die anderen Gemälde freie Erfindungen für diesen Zusammenhang. Gerade dadurch erscheint diese gemalte Dankadresse in doppeltem Sinne als Sammlung in effigie und zugleich als ideale Gildenausstellung. Der umfassende Schauzusammenhang, den die Bilder in der Kunstsammlung nicht anders als in der Ausstellung bieten, ist die verbindliche Form der Darbietungstechnik von Kunstgut. Die Möglichkeit, zu einer solchen Gestalt zu kommen, läßt sich nicht allein aus dem gesteigerten sammlerischen Interesse der Zeit erklären und aus der Notwendigkeit, in den gegebenen Räumen eine über den Zimmerschmuck hinausgehende Menge von Sammelgut unterzubringen. Sie muß vor allem im Kunstgegenstand selbst, besonders im Gemälde als dem hauptsächlichen Sammelobjekt, vorgeprägt sein. Das Bild muß aus seiner Natur eine derartige Anordnung ermöglichen. Für das ausgehende Mittelalter war das Bild noch fest lokalisierbar. Sinn und Funktion lagen in Inhalt und Gestalt begründet. Das private Andachtsbild und das Bildnis haben diesen Ortsbezug lediglich erweitert. Erst mit der allmählich einsetzenden Erkenntnis, daß mit den neuen Mitteln der Malerei alles darstellbar und im Kunstwerk gestaltmöglich ist, was sich der Anschauung und der Vorstellung erschließt, setzt nicht nur die Aufspaltung in eine Fülle neuartiger Darstellungsstoffe und Themen ein, sondern das Bild erhält zugleich einen neuen sachlichen Aussagewert. In gleicher Weise wird auch im Auftraggeber und im Kunden das Bedürfnis nach dem Besitz dieser neuen Fülle der im Bilde gestalteten erschauten Dinge und gewonnenen Erkenntnisse wach, und es müssen zwangsläufig gegenüber den ehemals bestimmenden sakralen Bindungen neue Ersatzbeziehungen auftreten, die ihrerseits dem Kunstwerk im Lebenszusammenhang einen sinnvollen Platz anweisen können. Diese neuen Bindungen entstehen aus dem sich emanzipierenden Bildungsbewußtsein und aus der erstrebten Realisation eigener Wunschvorstellungen mit Hilfe der wachsenden Macht von Reichtum und Besitz. Zugleich beginnen sich beide Triebkräfte in anderen verwandten zu brechen: in der beziehungsvollen Ausschmückung des eigenen Lebensbereiches und in der repräsentativen Zurschaustellung des individuellen sozialen und geistigen Standortes. Sie haben in ihrem steten Zusammenwirken nun jenen neuen Zusammenhang geschaffen, von dem die Rede ist. Ebenso wie sich von dem menschenfernen, transzendenten Sinnbezug der imago im Mittelalter das Bild in eine neue und lebensnahe sachliche Verallgemeinerung entwickelt, wird es möglich, daß das einzelne Bild aus seiner Rangfolge innerhalb eines übergeordneten Bedeutungszusammenhanges heraustritt, von seiner ihm innewohnenden Aussagekraft nach den Seiten abgibt und so ein neues Duldungsverhältnis seinem gleichwertigen Nachbarn gegenüber schafft. Diese so ermöglichte Schaugemeinschaft der Bild-

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werke wird nicht mehr von einem religiösen Zusammenhang bestimmt, sondern von den Kräften einer säkularisierten Bildung getragen, die belehrendes und erziehendes Sachinteresse ebenso aus sich erweckt, wie ästhetisches Vergnügen und Kennerschaft, Gesellschaftston und Unterhaltung. Die von der sinnlichen Wirkung aus erfolgende Organisation einer derartigen Schaugemeinschaft erfolgt nicht zufällig im 17. Jahrhundert, zu der Zeit, als sich aus einer enzyklopädischen Gesamtschau der Welt in ihren Realien und ihren Vorstellungen auch in der Kunst überall der Zusammenschluß der Einzelelemente zu einer höheren, im Sinnlichen faßbaren Einheit vollzieht. In verwandter Weise bietet sich auch innerhalb der Sammlung das Einzelwerk nur als spezifischer Organismus, als Teil eines größeren Ganzen an, eines Sinnzusammenhanges, der sich insgesamt als anschaulicher Bildungskosmos präsentiert. Die in der «Gemalten Galerie» erfaßte Sammlungsfunktion als Bildungskosmos, gemaltes Wunschbild teils wirklicher, teils erdachter Zusammenhänge, verschiedentlich auch unter allegorisch oder mythologisch verbrämter Verallgemeinerung als Allegorie des Gesichts, der Künste oder der Malerei oder als Atelier des Apelles, verleiht dem vorgestellten Ideal, aus dem Sammlung und Schaustellung gleichermaßen leben, den deutlichsten Ausdruck. Auch im Künstler selbst wirkt dieses Bildungsideal, das allerdings nur einer, Peter Paul Rubens, vollkommen im Leben und in der Kunst verkörpert hat. Es ist bezeichnend, daß sich aus dieser Sicht unter den «Gemalten Galerien» auch eine Anzahl von Atelierdarstellungen findet 196 . Von Willem van Haecht stammt das Gemälde «Atelier des Apelles»197 als Allegorie der Malerei (Abb. 45). Dem antiken Heros dient eine Sammlung als Atelier, die mit einer kaum übersehbaren Zahl von Meisterwerken der Skulptur und Malerei gespickt ist. Der mächtige, hohe Hauptraum ist an seinen Wänden vom Fußboden bis zur Decke mit Gemälden behängt, lediglich die Fensterwand ist frei. Durch ein Säulenportal öffnet sich der Blick in weitere Räume, die ebenso wie der Saal im Vordergrund mit Bilderwänden geschmückt sind. Auf Tischen, Podesten und Schränken stehen zahlreiche Skulpturen, vielfach Antiken. Auch 196

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Das Atelierbild in der neueren Malerei ist bisher nicht im Zusammenhang bearbeitet, was bei der Verschiedenartigkeit der Darstellungen begreiflich ist. Die Atelierdarstellungen innerhalb der «Gemalten Galerie» bilden formal eine verhältnismäßig geschlossene Gruppe, die durch den Bildtypus gegeben ist, jedoch inhaltlich v o m «Wirklichkeitsbild» bis zur Allegorie reicht. S. Speth-Holterhoff 1 9 5 7 gibt die Beispiele der flämischen Malerei des 1 7 . Jahrhunderts. D a der holländischen Malerei die «Gemalte Galerie» fremd bleibt, wandelt sich auch dort das Atelierbild zum Interieur, das in unterschiedlichen Deutungen die Milieuwelt des arbeitenden Künstlers wiedergibt. Das «Atelier des Apelles» auch ohne den Zusammenhang der «Gemalten Galerie», V g l . die Aufzählung bei A . Pigler, Barockthemen, Budapest, Berlin 1956, B d . 2, S. 3 5 1 ff. In V e r bindung mit der «Gemalten Galerie» nennt S. Speth-Holterhoff 1 9 5 7 eine Fassung v o n Frans II Francken (S. 95) und mehrere des Willem van Haecht (S. i 0 4 f f . , A b b . 38 u. T f . I V ) . D e n Haag, Mauritshuis, Kat. 1 9 3 5 , N r . 266, dort auch die detaillierte Analyse der dargestellten Bilder.

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das große Portal schmückt Plastik. Auf dem Fußboden des Saales sind mehrere Bilder zu Gruppen zusammengestellt. Im rückwärtigen Raum wird gerade ein mächtiges Gemälde hereingetragen. Zwischen dieser verwirrenden Fülle von Kunstwerken aller Art bewegen sich viele Menschen in antiken Kostümen, die einzelne Bilder betrachten, während in der linken Ecke des Saales einige Gelehrte über einen großen Globus gebeugt miteinander diskutieren. Vorn sitzt Apelles vor der Staffelei und malt mit großer Geste vor Alexander und seinen Begleitern ein Bildnis in der Art Raffaels. Ebenso wie Apelles nicht ein beliebiges Bild nach dem Modell der Campaspe malt, sondern ein klassisches Werk schafft, so lassen sich auch viele der anderen Sammlungsstücke als berühmte Meisterwerke, gewissermaßen in der Zeit beliebte Zitate der Kunst, identifizieren. Ein Teil von ihnen gehört tatsächlich in die Sammlung des Cornelis van der Geest von Antwerpen, die von Haecht betreut wird. Rubens beherrscht mit manch bedeutendem Werk als Zeitgenosse und Freund des Malers die Wände. Daneben finden sich Gemälde von Reni, Dominichino, Tizian, Correggio, Albani, van Dyck, Elsheimer, Raffael, Quentin Massys und vielen anderen. Natürlich auch berühmte Antiken wie etwa der Apoll von Belvedere, der als Idealfigur antiker Skulptur über dem Portal besonders herausgehoben wird. Beliebte Werke des Kunstgeschmacks der Zeit werden in diesem Bild über den realen Sammlungszusammenhang hinaus vereinigt und im allegorischen Sinne als dem ingenium des Apelles entsprungen gedeutet. So wie der Künstlerruhm des antiken Malers zeitlos ist, sind auch die gezeigten Werke nicht an die Gegenwart gebunden, sondern entsprechen in ihrem bunten Beieinander jenem historischen Empfinden der Zeit, das von der eigenen Position ausgehend die Schöpfungen der Vergangenheit nicht systematisch als geschichtliche Phänomene beachtet, sondern das auswählt, was als Vorstufe oder als Ideal der eigenen Kunstauffassung gelten kann. Unter dem allegorischen Vorwand verschwistern sich Sammlung und Ausstellung innerhalb der «Gemalten Galerie» und bieten eine Gesamtschau der schöpferischen Aussagen der Kunst, in der zugleich das eigentliche Sammlungsideal der Zeit zum Ausdruck gelangt. Eine andere Form der allegorischen Deutung des Atelierbildes gibt Frans II Francken198. Der Maler, begleitet von den Personifikationen des Ruhmes und der Malerei ist inmitten eines Sammlungszusammenhanges gegeben. Die Malerei sitzt vor der Staffelei und malt ein Blumenstilleben nach der Natur, wie es sich in der gleichzeitigen Antwerpener Malerei häufig findet. Malutensilien, mit denen ein Äffchen als Karikatur des Menschen sinnlos spielt, liegen auf dem Fußboden umher. Gemälde stehen frei im Raum, darunter auf der Staffelei ein großes Figurenbild, das noch unfertig auf den Keilrahmen gespannt ist. Die Rückwände des Hauptraumes sind dicht mit Bildern besetzt, die teils vom Rahmen überschnitten werden und so den Eindruck einer unendlichen Fülle erwecken. Auch Wien, Slg. Harrach. S. Soeth-Holterhoff 1957, S. 86f.

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Die Verkaufsausstellung des 15. —17. Jahrhunderts

Skulpturen finden sich. Auf der rechten Seite öffnet sich der Raum in eine Galerie. Dort sitzen zwei Maler hintereinander vor ihrer Staffelei und portraitieren beide dasselbe Modell einer sitzenden Frau. Ein dritter Maler sitzt auf hohem Gerüst vor der Rückwand und malt an einem Wandbild. Unter den Gemälden, die durchweg zeitgenössische Werke darstellen, finden sich auch einige nach Rubens, die sich teilweise im Besitz des Malers nachweisen lassen. Diese Darstellung des Atelierbetriebs und die verschiedenen Stadien der Werke unter dem Leitstern von Ruhm und Malerei im Angesicht der bereits vollendeten und in den Sammlungsbezug eingefügten Werke verkörpert gewissermaßen den gesamten Kreislauf, in den der Künsder mit seiner Arbeit eingebunden ist und in dem er mit seiner Leistung sich zugleich in die Konkurrenz der übrigen Werke des Sammlungszusammenhangs begibt. Die Schaustellung der Gemälde als Repräsentanz der eigenen schöpferischen Leistung, als «Gesicht» des Künsders, findet sich verschiedentlich dargestellt. So etwa in einer lavierten Federzeichnung des Frans II Francken199, die vor einer reichen Bilderwand, in der die Gemälde von der Hand des Malers den größten Raum einnehmen, den Künstler bei der Arbeit an einem großen Figurenbild vor der Staffelei zeigt und neben ihm den Schüler, der ein vor ihm stehendes Bild kopiert. Deutlicher faßbar als in dieser flüchtigen Zeichnung ist in einem Atelierbild des David Teniers d. J., das in einer geringfügig veränderten Kopie des Ferdinand van Apshoven II abgebildet wird, das Atelier als der geistige Existenzraum mit der Schaustellung seiner eigenen Werke und zugleich aber auch seines Kunstbesitzes dargestellt200 (Abb. 46). Auch hier hängen die Bilder in dichter Folge an den Wänden und wird der Raum von Gemälden verstellt. Außer dem Maler, der am Bildrand links im Vordergrund mit Palette, Pinseln und Schabemesser in den Händen sich von der Staffelei dem Betrachter zuwendet, werden einige Besucher geschildert, wie sie in stiller Betrachtung der Bilder versunken sind. Diese enge Verbindung von künstlerischem Schaffen, Schaustellung und Sammlung, die in den Atelierbildern die zugrunde liegenden Vorstellungsbereiche weitreichender und tiefer zum Ausdruck bringt, als sie von dem hektischen Marktbetrieb des Kunsthandels als der Wurzel des niederländischen Ausstellungslebens aus erscheint, findet sich überall im europäischen Kunstbetrieb als Grundtendenz. Sie wird in den folgenden Kapiteln noch mehrfach angesprochen. Ihre Folgen jedoch auf das Ausstellungsleben und seine Formen und die Darbietungstechnik der Werke lassen sich nur in den Niederlanden so komplex nachweisen und auch in bildlichen Darstellungen der Zeit anschaulich machen. 109 New York, Slg. Julius Held. S. Speth-Holterhoff 1957, S. 94. 2 0 0 Somerley, Ringwood, Coli. Count of Normanton. S. Speth-Holterhoff 1957, S. 131 f. Die in Abb. 46 abgebildete Kopie des Ferdinand van Apshoven II in Dresden, Staatl. Kunstslgn., Gemäldegalerie.

IV D I E A N F Ä N G E D E R AUTONOMEN AUSSTELLUNGSFORMEN IN ITALIEN201

i. Vorbemerkung Der Beitrag Italiens für die Ausbildung der autonomen Ausstellungsformen der Neuzeit ist nicht weniger bedeutend als derjenige für die neuzeitliche Kunstentwicklung überhaupt. Ähnlich wie in den Niederlanden bilden sich auch in Italien seit dem 15. Jahrhundert Praktiken der zeitlich begrenzten öffentlichen Schaustellung von Kunstwerken aus, die in den zeitstilgebundenen Formen bereits jene Grundzüge aufweisen, die bis zum heutigen Tage die Kunstausstellung bestimmen. In den Niederlanden treten zuerst die organisierten Formen der Verkaufsausstellung auf, die über den Rahmen des einfachen Werkstatt- und Marktbetriebs hinausgehen. Sie liegen ebenfalls noch den differenzierteren Erscheinungen der Gildenausstellungen des 17. Jahrhunderts zugrunde. Im italienischen Kunstleben spielt die Verkaufsausstellung nicht die führende Rolle, wenngleich sie zunächst, wahrscheinlich sogar bedeutend früher als in den Niederlanden, im Bereich der Werkstattproduktion vorkommt und schon bald im 15. Jahrhundert dem in Florenz, Venedig und Rom entstehenden und seit dem 16. Jahrhundert zunehmend internationalen Kunsthandel dient. Wesentlicher werden andere Möglichkeiten der Schaustellung, die sich aus den traditionellen Aufgaben der Festdekoration entwickeln und in der Folge der früher als in den anderen europäischen Kunstgebieten errungenen Eigenständigkeit des Künstlers und seines Schaffens, sowie seiner und der Kunst neuartigen Wirksamkeit in der Öffentlichkeit entstehen. In ihnen zeigen sich zuerst autonome Züge, die der Ausstellung einen gewissen Selbstwert verleihen und sie bereits als Ausdrucksform eines freien Kunstlebens erscheinen lassen. Diese neuen Ausstellungsformen beruhen auf folgenden drei Voraussetzungen, 1. auf der Selbstäußerung der emanzipierten Künstlerpersönlichkeit und auf ihrer Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, 201

Dieses Kapitel erscheint unter dem Titel «Italien und die Anfänge der neuzeitlichen Kunstausstellung» in Kurzfassung als Referat in den Akten des 21. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte in Bonn 1964.

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

2. auf den zum Teil geschichtlich weit zurückreichenden Formen des Kult- und Festbrauchtums und 3. auf dem neuartigen künstlerischen Erziehungsentwurf des Akademiewesens. Die Anfänge des italienischen Ausstellungswesens sind in ihrem vollen Ausmaß schwer zu fassen. Man wird sie innerhalb des Werkstattschaffens suchen müssen, das sich bereits während des Trecento nicht nur im engen Kreislauf zwischen Künstler und Auftraggeber vollzieht. Für den Pretiosenhandel ließ sich schon aus dem Eligius-Bild des Taddeo Gaddi eine bewußte Darbietungstechnik der Verkaufsware erkennen 202 . Die frühzeitige Entwicklung des beweglichen Tafelbildes, vor allem in der Gestalt des Andachtsbildes, auf der Grundlage der byzantinischen Ikonenmalerei hat bald eine Spezialisierung der Werkstattproduktion zur Folge, in der die Werke nicht nur im Auftragsverhältnis, sondern in gewissem Umfang auch zum freien Verkauf auf Lager gearbeitet werden. Die Darstellung der Malerwerkstatt mit den zur Schau gestellten Andachtsbildern aus der Handschrift der Cäntigas Alfons des Weisen belegt den freien Ladenverkauf bereits für das ausgehende 13. Jahrhundert (Abb. 20). Ähnlich muß man ihn sich vor allem in Siena und Florenz vorstellen. In einer Novelle des Francesco Sacchetti über den Sieneser Maler Mino 2 0 3 , der Kruzifixe herstellt, werden in dessen Werkstatt mehrere Stücke beschrieben, die zum Teil noch unfertig sind. Zur gleichen Zeit wie in den nordalpinen Ländern entwickeln sich auch die Zünfte als die städtischen Organe zur Regelung und Ordnung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens und als Bruderschaften zur Pflege frommen Gemeinschaftsdienstes204. Dennoch fördert diese Bindung an die Zünfte kein selbständig 202

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Siehe hierzu S. jo u. Anm. 106, S. 52 u. Anm. 109, Abb. 21 u. 24. Eine ähnlich bewußte Technik der Schaustellung bei Plattnerwerkstätten. Die Rüstungen werden über Stangen zum Verkauf ausgehängt. Darstellungen in Ms. Lat. 209, Bibl. Reale Estense in Modena, «De Sphaera», Ende 15. Jh., A. Hauber 1916, Tf. 32, Abb. 46, und im Fresko des Ercole de'Roberti «Trionfo della Lussuria» im Palazzo di Schifanoia zu Ferrara, Ende 15. Jh., Sergio Ortolani, Cosmè Tura, Francesco del Cossa, Ercole de'Roberti, Milano 1941, Abb. 127 f. Francesco Sacchetti, Opere, Firenze 1860, Bd. 1, Novella 84, S. 333 ff. Vgl. auch das Reliefmedaillon der «Malerei» am Campanile des Domes zu Florenz. Der Maler sitzt vor einem kleinen Bild auf der Staffelei bei der Arbeit. Im Hintergrund sind zwei Altartriptychen verschiedener Größe dargestellt. Zur Bestimmung dieser Darstellung, die Elemente des Beschäftigungsbildes mit der Personifikation verbindet, vgl. Herbert von Einem, Bemerkungen zur Bildhauerdarstellung des Nanni di Banco, in: Festschrift für Hans Sedlmayr, München 1962, S. 68ff.; Ilaria Toesca, Andrea e Nino Pisani, Firenze 1950, Abb. 79; Raimond van Marie, Iconographie de l'art profane au Moyenage et à la Renaissance, Le Haye, Bd. 1, S. 260 u. Abb. 277. Rekonstruktion der Großwerkstätte des Neri di Bicci in Florenz nach dem libro di Ricordi 1452—75 bei Vasari (Milanesi) Bd. 2, S. 85f. commentario. Alfred Dören, Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, das Florentiner Zunftwesen vom 14. —16. Jahrhundert, Stuttgart, Berlin 1908, S. 722ff.: «Nach der materiellen wie nach der formalen Seite unterscheiden sich die gewerbepolizeilichen Ordnungen der Zünfte nur in wenigen unbedeutenden Punkten von denen, die wir aus den vielfach publizierten englischen, deutschen, französischen, niederländischen Zunft- und Gewerbe-

Vorbemerkung

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organisiertes merkantiles Ausstellungsleben. Z u den bezeichnenden Unterschieden gegenüber den Zunftbestimmungen in den nördlichen Ländern gehört das Fehlen von speziellen Paragraphen, die den Verkauf von Werkstattarbeiten und die Absicherung gegen fremde Konkurrenz betreffen. Fremde Künsder dürfen nach Entrichtung eines besonderen Malgeldes an die Zunft eine eigene Werkstatt halten oder in einer ansässigen arbeiten 205 . Der Kunsthandel beschränkt sich auf den Werkstatt- und Marktverkauf von beweglichem Kunstgut aller Art. Der Berufskunsthändler tritt offenbar gleichzeitig wie in den Niederlanden in der Mitte des 15. Jahrhunderts zuerst in Florenz auf 2 0 6 . Daß sich anläßlich besonderer Ereignisse trotz der einfachen Form der Verkaufsdarbietung eine prächtige Schaustellung entfalten kann, zeigt die «mostra» anläßlich des Johannisfestes in Florenz am 23. und 24. Juni. Alle Läden und Buden werden festlich geschmückt. Auf ihren Schautischen zur Straße und über Stangen im Werkstattgewölbe hängend breiten die Goldschmiede, Tuchhändler, Seidenhändler, Gürtler, Trödler, Möbelschnitzer und Waffenschmiede ihre Erzeugnisse aus, und die Maler und Bildhauer stellen ihre Werke zur Schau 207 . Diejenigen Maler, die mangels öffentlicher Aufträge und Protektion gezwungen sind, ihre Werke in eigenen oder fremden Werkstätten und Läden zum Verkauf anzubieten und ihren Lebensunterhalt mit Andachtsbildern und Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten, werden gering geachtet. So ist etwa nach Vasaris Meinung Andrea de'Ceri, bei dem der junge Perino del Vaga arbeitet, «non molto kennen.» Zunft Veröffentlichungen, die auch die Maler betreffen: Luigi Manzoni, Statuti e Matricole dell'arte dei Pittori della città di Firenze, Perugia, Siena nei testi originali del secolo XIV., Roma 1904; Raffaele Ciasca, L'Arte dei Medici e Speziali nella Storia e nel Commercio Fiorentino del secolo X I I al X V , Bibl. Storica Toscana, Bd. 4, Firenze 1927; Carlo Fiorilli, I dipintori a Firenze nell'Arte dei Medici speziali e mereiai. Archivio Stor. Ital. 78, Firenze 1920. Zum italienischen Kunstmarkt siehe: Martin Wackernagel, Der Lebensraum des Künstlers in der florentinischen Renaissance, Leipzig 1938; Hanna Lerner-Lehmkuhl, Zur Struktur und Geschichte des Florentiner Kunstmarktes. Lebensräume der Kunst, Bd. 3, Wattenscheid 1936, und die Bemerkungen bei A. Dresdner 1915, S. 149t. 805 In der Breve dell'Arte dei Pittori della Città di Siena v. 1356, Cap. 52L (Manzoni 1904, S. 120); M. Wackernagel 1938, S. 309f. 206 Gino Corti and Frederick Hartt, New documents concerning Donatello, Luca and Andrea della Robbia, Desiderio, Mino, Uccello, Poliamolo, Filippo Lippi, Baldovinetti and others, in: The Art Bull. 44. 1. 1962, S. 156. Giovanni Battista della Pella in Florenz der erste Berufskunsthändler internationalen Stiles, siehe M. Wackernagel 1938, S. 289 ff. Bereits im Trecento reger Kunsthandel durch Kaufleute. Der Kaufmann Francesco di Marco Datini aus Prato, der sich in den 70er Jahren bis 1383 in Avignon aufhält, vertreibt auch Bilder. Renato Piattoli, Un mercante del Trecento e gli artisti del tempo suo, in: Riv. d'Arte 1 1 . 1929, S. 221—253, S. 396—437, S. 537—579, 12. 1930, S. 97 —150; Iris Origo, The merchant of Prato, Francesco di Marco Datini, London 1957; Rudolf und Margot Wittkower, Künstler, Außenseiter der Gesellschaft, deutsch von Georg Kauffmann, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1965, S. 19 f. 207 Vgl. die Tagebuchnotiz bei Luca Landucci, Ein florentinisches Tagebuch 1450—1516, deutsch von Marie Herzfeld, Jena 1913, Bd. 2, S. 273 f., und Antonio Pucci, La proprietà di Mercato Vecchio, in S. Luigi, Delizie, Firenze 1772—75, Bd. 4, S. 267ff. [ 2 0 4 ] Statuten

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

buon pittore, anzi ordinario, e di questi che stanno a bottega aperta pubblicamente a lavorare ogni cosa meccanica.» Häufiger schließen sich mehrere Maler in einer Werkstatt zu einer compagnia zusammen, deren Geschäftsverkehr durch die Statuten der Medici e Speziali geregelt wird. «Abbiamo in bottega tanta mercatanzia, cioè tavole di Donna e altre cose», meldet Giuliano di Jacopo im Januar 1431 über seine Werkstatt am Corso degli Adimari zu Florenz. Nur ein Großbetrieb wie die Bottega des Ridolfo Ghirlandajo, in der viele junge Künstler beschäftigt sind, erlangt durch seinen Kunstexport nach England, Deutschland und Spanien eine besondere Bedeutung208. Für die weitere Geschichte des Ausstellungswesens sind die Praktiken der Schaustellung innerhalb des seit dem 16. Jahrhundert aufblühenden italienischen Kunsthandels ohne größeres Interesse, da sie gegenüber den bereits beschriebenen niederländischen Erscheinungen weder ausstellungstechnisch noch ihrer Struktur nach neue Züge aufweisen. Die wohlgeordnete Häufung der Auslagen in den Läden der Goldschmiede, Juweliere, Bijouteriewarenhändler an der Merceria und am Markusplatz in Venedig, insbesondere während der Fiera della Sensa, wie sie auf den Veduten von Canaletto dargestellt sind, finden sich auch in Mailand, Florenz und Rom. Auf einem Stich des Giovanni Battista Piranesi von der Piazza Navona, dem römischen Zentrum des Kunst- und Antiquitätenmarktes, ist die Auslage eines Kunsthändlers wiedergegeben. Auf einem Bord vor den Fenstern zur Straße sind Gemälde wohlgeordnet ausgestellt und durch ein Sonnendach geschützt209. Der fliegende Händler mit Stichen, Heiligenbildchen und Rosen208 Vasari (Milanesi) Bd. 5, S. 589 (Vita des Perino del Vaga); U. Procacci, Di Jacopo di Antonio e delle compagnie di pittori del Corso degli Adimari nel XV secolo, in : Rivista d'Arte 35. 3. 10. 1960, S. 12I. u. S. 39f£. ; Zahlreiche Nachrichten aus dem 15. und 16. Jahrhundert, z. B. Vasari (Milanesi) Bd. 5, S. 209 über die Werkstatt des Andrea di Cosimo Feltrini; bei Carlo Ridolfi, Le Maraviglie dell'Arte ovvero le vite degli illustri pittori veneti e dello stato. Nach der Originalausgabe v. 1648 herausgeg. v. Detlev Frhn. v. Hadeln, Berlin 1914, Bd. 1, S. 222 über die Tizianschüler Nadalino da Murano und (S. 226) Polidoro Venetiano. Zu Andrea Schiavone, Ridolfi (v. Hadeln) Bd. 1. 1914, S. 252ff. und R. u. M. Wittkower (G. Kauffmann) 1965, S. 244L ; zu Francesco Bassano, Ridolfi (v. Hadeln) Bd. 1. 1914, S. 408, zu Girolamo Gambarato, Bd. 2. 1924, S. 205; über die Werkstatt des Ridolfo Ghirlandajo, Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 462 ; vgl. Jb. d. Pr. Ks. 30.1909, Beih. S. 136. 209 Siehe Tagebuchnotiz d. John Evelyn v. 1645, E. S. de Beer (ed.), The Diary of John Evelyn, London 1959, S. 189; G. B. Piranesi, Veduta di Piazza Navona sopra le rovine del Circo Agonale 1751. Für den venezianischen Kunsthandel am Rialto im 18. Jh. das Gemälde «Rialto» von Canaletto, zw. 1756 u. 1763 entstanden. Abb. mit Detailaufnahmen bei Heinrich Zimmermann, Uber einige Bilder der Sammlung Streit im Grauen Kloster zu Berlin, in: Z. f. Kw. 8. 1954, 3/4, Abb. 9 — 13 u. Text S. 208ff. Die Gemälde stehen zwischen Möbeln und Hausrat zum Verkauf an Säulen oder größere Gegenstände angelehnt. Dagegen sind die Läden der Goldschmiede unter den Arkaden in betonter Ordnung der Dekoration gegeben. Marcantonio Raimondi kauft die von den Vlamen auf dem Markusplatz in Venedig feilgebotenen Stiche und Holzschnitte Albrecht Dürers. Vasari (Milanesi) Bd. 5, S. 405. Der Maler Antonio Vassilacchi, gen. Aliense, verkauft in jungen Jahren seine Zeichnungen in einem Laden am Markusplatz. Später führt der Ruhm seiner graphischen Arbeiten Fürsten, Gesandte und Künstler in sein Atelier. Ridolfi (v. Hadeln) Bd. 2. 1924, S. 208 u. 2i8f. Über

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kränzen gehört ebenso zum allgemeinen Handelsleben wie der Trödler, der unter allerlei Gerümpel und Hausrat auch Kunstgegenstände formlos zum Verkauf anbietet 210 . Für den jungen und noch unbekannten und den mittellosen Künstler bleibt oft genug nur die Möglichkeit, das Glück mit seinen Werken auf der Straße zu suchen, oder für eines der großen Kunsthandelsunternehmen zu arbeiten und im Stücklohn Kopisten- oder gar Fälscherarbeit zu leisten 211 . Trotz seiner besonders seit dem 17. Jahrhundert das italienische Kunstleben beherrschenden Rolle hat der Kunsthandel keine eigenen Ausstellungsformen hervorbringen können. Es hatten sich bereits andere Möglichkeiten der Schaustellung entwickelt, in denen sich merkantile Tendenzen nur mittelbar zu äußern vermochten.

2. Die Emanzipation des Künstlers und die neuen Formen der Schaustellung seiner Werke

a) Der Künstlerwettbewerb Als Vorstufe der Kunstausstellung ist der Künstlerwettbewerb ein wichtiges Symptom für den frühzeitig in Italien einsetzenden Emanzipationsprozeß des Künsders und für die Verlagerung des Werturteils über das Kunstwerk von den Fragen nach der materiellen Qualität und handwerklichen Vollkommenheit zu dem im Ästhetischen sich gründenden Kunsturteil. Für die Kunstausstellung kann der Wettbewerb freilich nur wegen seiner symptomatischen Bedeutung in Anspruch genommen werden. E r ist nicht selbst eine Form der Schaustellung, wenn er auch mit der öffentlichen Vorführung der Konkurrenzstücke arbeitet. [209] den römischen Kupferstichhandel des 16. Jahrhunderts siehe Maria Antonietta Bonaventura, L'industria e il commercio delle incisioni nella Roma del '500, in: Studi Romani 8. i960, S. 430ff. Die Firma Lafréry legt 1572 einen Katalog von ca. 500 Arbeiten vor. 810 Jacques Callot, Titelblatt zur Folge «Varie figure die Jacopo Callot» (730 II) zeigt den Künstler an einem offenen Verkaufstisch beim Vertrieb seiner Graphiken. Unter den Kaufrufen von Bologna nach Annibale Carracci von Gius. Maria Mitelli gest. ein fliegender Händler mit Stichen und Rosenkränzen, siehe Caroline Karpinski, Prints for sale, in: The Metrop. Mus. of Art Bull. 1964, 2, Abb. S. 211 u. 213. 211 Jacopo Tintoretto stellt wie die anderen jungen und noch unbekannten Künstler seine Bilder auf dem Rialto und der Merceria, den Mittelpunkten des Kunsthandels in Venedig aus. Carlo Ridolfi, (v. Hadeln) Bd. 2, 1924, S. 16. Nach Giov. Batt. Passeri, Vite de'Pittori, Scultori ed Architetti . . . , Roma 1772, S. 4i7f., stellt Salvator Rosa anfangs seine Bilder in Neapel bei den Bilderhändlern («ai Bottega« rivenditori dell'altrui pitture») für geringe Preise zum Verkauf aus. 1634 wird Lanfranco auf diese Weise auf sein Gemälde «Hagar und der Engel» aufmerksam. Das Bild heute in New York, Coli. Walter P. Chrysler. Luigi Salerno, Salvator Rosa, Firenze 1963, S. 91 ; vgl. auch Lione Pascoli, Vite de'pittori, scultori, ed architetti moderni, Roma 1730, Bd. 1, S. 64. Über die geschäftlichen Beziehungen des Luca Giordano zu dem neapolitanischen Kunsthändler Gasparo Romer siehe Giov. Pietro

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

Nach dem Vorspiel um das Domprojekt in Florenz, dessen Konkurrenzen 1366 einsetzen und in der von 1 4 1 8 um die Kuppel gipfeln, kommt es vermutlich auch unter der Rückbeziehung auf die überlieferten antiken Vorläufer nach 1400 zu zahlreichen Wettbewerben um öffentliche Aufträge 2 1 2 . Die 1401 von der Calimala-Zunft in Florenz unter den toskanischen Künstlern ausgeschriebene Konkurrenz um die zweite Bronzetür des Baptisteriums führt zu einer engeren Wahl von sechs Künstlern, unter denen sich Jacopo della Quercia, Brunellesco und Ghiberti befinden. Sie erhalten ein Jahr Zeit für die von den Auftraggebern vorgeschriebene Aufgabe, ein Relief mit der Opferung Isaaks in Bronze auszuführen. Die Zunft trägt die Kosten für die Probestücke und den Lebensunterhalt der Teilnehmer des Wettbewerbs. Die von der Jury aus Vertretern der Auftraggeber und 34 toskanischen Künstlern getroffene Entscheidung für das Werk Ghibertis, die durch die erhaltenen Probestücke von Brunellesco und Ghiberti in gewisser Weise nachprüfbar ist, wird noch im traditionellen Sinne von der technischen Perfektion der Ausführung bestimmt worden sein 213 . Nicht immer werden Juryentscheidungen so eindeutig getroffen wie in diesem Beispiel. Bei der Konkurrenz um das Reiterstandbild des Niccolo d'Este in Ferrara von 1443 zwischen Niccolo Baroncelli und Antonio da Firenze siegt der letztere mit knapper Mehrheit, und beide Künstler erhalten den Auftrag, Baroncelli für das Pferd und Antonio für den Reiter 214 . In Pistoja wendet sich die von [an] Bellori, Le Vite de'Pittori, Scultori, ed Architetti moderni . . . , sec. Ed., Roma 1728, S. 311 f., u. Gius. Ceci, Un mercante mecenate del secoloXVII: Gaspare Roomer, in: Napoli Nobilissima 1920, S. ióoff. In Rom besteht bis gegen 1700 eine «Malergalerie», das Bildermagazin eines Kunsthändlers, der junge und mittellose niederländische Künstler anwirbt, die in Tages- oder Stücklohn Kopistenarbeit leisten. Die Bilder werden besonders nach Spanien und Portugal exportiert. Paul Drey, Die wirtschaftlichen Grundlagen der Malkunst, Stuttgart, Berlin 1910, S. 93. In der Satire über die Malerei von Salvator Rosa wird das Fälscherunwesen angeprangert. Leandro Ozzola, Vite e opere di Salvator Rosa. Z. Kg. d. Auslands H. 60, Straßburg 1908, S. 74, Vers 634ff. 1741 führen die Mönche von S. Bartolomeo all'Isola in Rom im Refektorium ein Theaterstück auf, in dem die Betrügereien römischer Kunsthändler verspottet werden. Das Stück hat ungeheuren Erfolg, so daß ganz Rom zu den Aufführungen läuft. Casimir von Chledowski, Das Italien des Rokoko, übers, v. Rosa Schapire, München 1915, S. 321. 812 Siehe zu den antiken Wettbewerben S. 14t. u. Anm. 19. Ob es sich hierbei um ein bewußtes Anknüpfen an die antiken Wettbewerbsformen handelt, wie etwa die Wiederaufnahme der aber auch im Mittelalter nie völlig verschwundenen Praxis der trionfi, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Zunächst hat sich die Wettbewerbspraxis wohl selbständig aus dem eigenen Zusammenhang des Florentiner Kunstlebens entwickelt, und erst allmählich wird sie im Bewußtsein der antiken Vorform ausgeübt worden sein. Zu den Konkurrenzen um den Florentiner Dom siehe Cesare Guasti, Sa. Maria del Fiore, Firenze 1887; W. u. E. Paatz, Die Kirchen von Florenz, Bd. 3 M. Frankfurt 1952; Piero Sanpaolesi, Il concorso del 1418—20 per la Cupola di Sa. Maria del Fiore, in: Riv. d'Arte 18. 1936, S. 3 2 1 - 3 4 4 . 213 Julius von Schlosser, Leben und Meinungen des Florentiner Bildhauers Lorenzo Ghiberti, München 1941, S. 31 f., 92t., 2 1 1 ; Richard Krautheimer, Lorenzo Ghiberti, Princeton N. J. 1956, S. 34ff. «i* Vasari (Milanesi) Bd. 2, S. 386 n. 1.

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der Stadtbehörde eingesetzte Jury, die in dem Wettbewerb von 1477/78 um den Entwurf für das Grabmal des Kardinals Forteguerri sich aus fünf eingereichten Arbeiten für die des Verrocchio entscheidet, jedoch einen nachträglich vorgelegten Entwurf des Piero Pollajuolo in Erwägung zieht, aus Unsicherheit an die höchste Instanz, an Lorenzo de'Medici, der sich ebenfalls für den Entwurf Verrocchios ausspricht215. Im Gegensatz zu den antiken Wettbewerben sind nun von denen seit dem 15. Jahrhundert Veranstalter und Jury eindeutig zu fassen. Die Konkurrenzen werden bei großen und wichtigen Aufträgen ausgeschrieben. Die jurierenden Organe bilden meist angesehene Künstler als Fachvertreter und die Auftraggeber oder gewichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Diese Zusammensetzung der Jury weist bereits auf die der späteren Auswahlorgane bei Wettbewerben und Ausstellungen hin, in denen sich der jeweiligen Aufgabe entsprechend die Art der Gruppierung aus Fachleuten und Repräsentanten der Öffentlichkeit ergibt. Die angeführten und ähnliche Wettbewerbe216 seit der Renaissance zeigen in Ansätzen bereits jene schillernden Züge späterer Juryentscheidungen, in denen die Tagesströmungen der Kunst und die Meinungen von Interessengruppen als richtende Mächte gegenüber dem Künsder und seinem Werk auftreten können. Als soziologisches Phänomen ist der Wettbewerb um einen öffentlichen Auftrag eine Mischung von sachlicher Berechnung der besten Lösung aus mehreren Möglichkeiten und einem tiefer wurzelnden Anliegen der repräsentativen Schaustellung eines bedeutenden Auftrages durch eine Zeremonie, die um seinetwillen die schöpferischen Fähigkeiten der beteiligten Künstler vor die Schranken der Öffentlichkeit fordert, die durch Fachleute als Beurteiler der künstlerischen Ausführung und durch Repräsentanten des Auftraggebers als Wahrer seiner Interessen vertreten ist.

b) Der Künstlerwettstreit Gegenüber diesen im öffentlichen Interesse der Auftraggeber durchgeführten Wettbewerben bedeuten die Konkurrenzen zwischen einzelnen Künstlern häufig vor den Augen des Publikums ausgetragene Kämpfe von Rivalen um dieVorrangstellung ihres Schaffens. Die in den Lebensbeschreibungen des Giorgio Vasari häufig berichteten Rivalitäten der Künstler untereinander, die teils vor der Öffentlichkeit, teils auch in der persönlichen Auseinandersetzung, wie etwa zwischen Donatello und Brunellesco, ausgetragen werden, gehören zum Teil als 215 218

H. Lerner-Lehmkuhl 1936, S. 1 3 ; Vasari (Milanesi) Bd. 3, S. 369 n. 1. Die Wettbewerbe seit der Renaissance bisher noch nicht bearbeitet. Einiges bei A . Dresdner 1 9 1 5 , S. 149f.; M. Wackernagel 1938, S. 33, 39; H. Lerner-Lehmkuhl 1936, S. u f f .

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Topoi dem biographischen Anekdotenschatz an 217 . Sie behalten jedoch als generelle Erscheinungen im Künstlerleben seit der Renaissance soviel an Wahrheitsgehalt, daß sie als ein charakteristisches Symptom der zunehmenden Persönlichkeitsbildung gelten können. Im Künstlerwettstreit wird die individuelle schöpferische Leistung und das artistische Können des Einen gegen die des Anderen mit der Absicht ausgespielt, den gebührenden Rang der künstlerischen Begabung und Fähigkeit zu dokumentieren. Selbst die Wettbewerbe um öffentliche Aufträge nehmen seit dem 16. Jahrhundert verschiedentlich einen besonderen Charakter an. Für die Konkurrenz um das Deckenovalbild im Albergo der Scuola di San Rocco in Venedig von 1564 werden von den Vorstehern der Scuola Jacopo Tintoretto, Paolo Veronese, Andrea Schiavone, Guiseppe Salviati und Federico Zuccaro nominiert, die eine Entwurfszeichnung vorzulegen haben. Tintoretto liefert zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die anderen Maler ihre Entwürfe vorweisen, ein fertiges Leinewandgemälde «S. Rocco in der Glorie», das er der Scuola als Geschenk übereignet. Durch diesen Husarenritt hat der virtuose Schnellmaler, über dessen eigenwillige Manier die Urteile geteilt sind, sehr zum Ärger der Fratres den Sieg an sich gerissen218. Diese wenig seriöse Form des Wettkampfes ist eine Ausnahme geblieben, wenn sich auch zunehmend die rivalisierenden Künstler mit allen Mitteln zu übertrumpfen trachten. Ansätze zu dieser Tendenz zeigt bereits der hintergründige Wettstreit zwischen Raffael und Sebastiano del Piombo von 1519, der zur vergleichenden Ausstellung der beiden für den Kardinal Giulio de'Medici bestimmten Gemälde der «Transfiguration» und der «Auferweckung Lazari» im vatikanischen Konsistorium führt 219 . Aus den erbitterten Streitigkeiten zwischen Baccio Bandinelli und Benvenuto Cellini vor Cosimo de'Medici erwächst der Auftrag des Herzogs, beide Künstler sollten eine lebensgroße Portraitstatue bis zum Gürtel für den Bronzeguß modellieren, «acciö che chi facesse meglio avesse l'onore.» Ehre, Ruhm und fürstliche Gunst, die sich häufig in barer Münze auszahlt, sind für die Künstler die erstrebten Ziele des Wettstreits. Seine Formen sind vielfältig. Häufig meint die Bezeichnung

217

218 219

Vasari (Milanesi) Bd. 2, S. 3 3 3 f . , 3 9 8 ; Ernst Kris und Otto Kurz, Die Legende v o m Künstler, Wien 1 9 3 4 , S. 1 i 8 f . ; für die Grundfrage: Rudolf Wittkower, Individualism in A r t and Artists: a renaissance problem, in: Journal of the History of Ideas 22. 1 9 6 1 . 3, S. 291 ff. Ridolfi (v. Hadeln) B d . 2. 1 9 2 4 , S. 27 u. Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 593 f. Vasari (Milanesi) B d . 5, S. 5 7 0 : «Dopo, facendo Raffaello per lo cardinale de'Medici, per mandarla in Francia, quella tavola, che dopo la morte sua fu posta all'altare principale di San Pietro in Montorio, dentrovi la Transfigurazione di Christo ; Sebastiano in quel medesimo tempo fece anch'egli in un altra tavola della medesima grandezza, quasi a concorrenza di Raffaello, un Lazzaro quatriduano, e la sua resurrezione ; la quale fu contraffatta e dipinta con diligenza grandissima, sotto ordine e disegno in alcune parti di Michelangnolo. L e quale tavole finite, furono amendue publicamente in concistorio poste in paragone, e l'una e l'altra lodata infinitamente; e benché le cose di Raffaello per l'estrema grazia e belezza loro non avessero pari, furono nondimeno anche le fatiche di Sebastiano universalmente lodate da ognuno.»

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«concorrenza» nur ein wetteiferndes Nebeneinanderarbeiten verschiedener Künstler 220 . Der Auftragskonkurrenz müssen sich auch Künstler höchsten Ansehens fügen, wie Tizian, der um das Bild des Petrus Martyr für SS. Giovanni e Paolo in Venedig mit Pordenone und Palma Vecchio im Wettbewerb steht. Palma, Mitglied der Scuola di S. Pietro Martire in SS. Giovanni e Paolo, hatte i j 2 j ein Schreiben an den Rat der Zehn mit unterzeichnet, das die Übertragung des Altarbildes an einen tüchtigen Maler fordert. So scheint der Wettbewerb nicht ohne eine betonte Selbsteinschätzung des Palma zustande gekommen zu sein 221 . Die Konkurrenzentscheidungen des Cosimo de'Medici schwanken zwischen sachlicher Einschätzung und fürstlichem Gunstbeweis. Daß der ehrgeizige Baccio Bandinelli den aus dem Wettbewerb zwischen Tribulo und Raffaele da Montelupo um das Grabmal des Giovanni de'Medici an den ersteren erteilten Auftrag erhält, verdankt er seinem geschickten Vorgehen bei Hofe. Dagegen ist das Urteil in dem sich über Jahre hinziehenden Wettkampf um den Giganten aus dem großen Marmorblock trotz seiner wechselhaften Entwicklung von sachlichen Erwägungen bestimmt. Der Herzog besichtigt schließlich mit Vasari die Modelle der beiden Hauptkonkurrenten Bartolomeo Ammanati und Benvenuto Cellini, die in den zu getrennten Werkstätten verbauten Arkaden der Loggia dei Lanzi verfertigt sind, «si risolvè che 1'Ammannato avesse il marmor e facesse il gigante, perchè era più giovane di Benvenuto e più pratico ne'marmi di lui 222 .» 220

Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 184; Beispiele wetteifernden Arbeitens: Ridolfi (v. Hadeln) Bd. 1. 1914, S. 41, S. 251 u. 305 ; Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 57, 191 ; Die Form einer sportlichen Wette um Geld und nationale Ehre besitzt nach Vasari ((Milanesi) Bd. 5, S. 282f.) die Konkurrenz des Giovanni Francesco Caroto in Mailand mit einem Vlamen, dessen Jünglingsbildnis in ö l er mit dem Bild eines alten Edelmannes, der einen Falken auf der Hand trägt, übertrumpfen will. Caroto unterliegt, aber der Vlame verzichtet auf die vereinbarten 25 scudi, die der Unterlegene dem Sieger zahlen soll. Uber die konfliktreiche Konkurrenz des Giovanni Baglione und Orazio Gentileschi 1603 in Rom vgl. Valentino Martinelli, L'Amor divino «tutto ignudo» di Giovanni Baglione e la cronologia dell'intermezzo caravaggesco, in: Arte antica e moderna j . 1959, S. 82ff., S. 95 Anm. 24 allgemeine Bemerkungen über «concorrenza»; Roberto Longhi, Giovanni Baglione e il quadro del processo, in: Paragone 14. 163. 1963, S. 23 ff. ; Über spätere Konkurrenzen siehe A. Dresdner i 9 i j , S. 150; L. Pascoli 1730, S. 187.

221

Ridolfi (v. Hadeln) 1. 1914, S. 164 u. ebenda Anm. 3. Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 85 (Vita des Tribolo) u. S. 168 (Vita des Baccio Bandinelli); der Gigantenwettbewerb ebenda S. 186ff., S. 192. Weitere Konkurrenzen: Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 372f.; Lodovico David schlägt in einem Brief an die Vorsteher der Misericordia maggiore zu Bergamo v. 23. 2. 1693 eine Konkurrenz für das Vorhaben, drei Bilder von den besten römischen Malern ausführen zu lassen, vor, die, unter Berufung auf eine Äußerung Baldinuccis von der Überzeugung bestimmt wird, daß niemand anders als erfahrene Meister über ein Bild zu urteilen vermögen. Unter finanzieller Absicherung aller drei Konkurrenten um den Preis des höchsten Honorars sollen die Bilder nach ihrer Vollendung in Rom öffentlich zur Beurteilung ausgestellt werden und darauf an die Akademien von Florenz, Bologna und Venedig zur Begutachtung gesandt werden, um den Preisträger zu ermitteln. Ernst Guhl und Adolf Rosenberg, Künstlerbriefe, Berlin 1872, Nr. 117, S. 299ff.; Il Settecento a Roma, Kat. d. Ausstellung, Roma 1959, S. 35 u. 263. Seitdem die Akademien das Kunstleben beeinflussen, werden auch die öffentlichen Konkurrenzen mehr und mehr von dem Urteil dieser Fachinstanzen abhängig.

222

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

Seit Beginn des 16. Jahrhunderts wird der Künstlerwettstreit, sei es in der Bindung an einen öffentlichen Auftrag, sei es in privater Konkurrenz, in zunehmendem Maße von subjektiven Faktoren bestimmt. Das Wegfallen der jurierenden Gruppenorgane zu Gunsten der Einzelentscheidung mächtiger Auftraggeber und Initiatoren läßt die Wandlung erkennen. Der Künstler selbst reagiert aus der Überzeugung von seinem individuellen Schöpfertum schärfer auf den Konkurrenten und sucht sich auch unter dem Einsatz aller Mittel zu behaupten und durchzusetzen. Ehrgeiz und Ruhmsucht auf dem schwankenden Boden des Publikumsurteils und der Gunst hochgestellter Patrone und Mäzene treten im Künstlerwettstreit offen zutage. Er wird zum Symptom einer Zeit, die den Künstler aus den Sicherungen eindeutiger gesellschaftlicher Einordnung entläßt. Auf dem Weg zur öffentlichen Geltung und Anerkennung reagiert der einzelne empfindlicher und schärfer auf seinesgleichen und ist mehr und mehr dem Maß der öffentlichen Bewertung seiner Fähigkeiten ausgeliefert. c) Die Atelierausstellung und die Vorführung einzelner Werke in der Öffentlichkeit Das Streben nach der Darstellung der individuellen schöpferischen Fähigkeiten führt zu neuen Formen der Selbstäußerung des Künstlers, die sich der öffentlichen Schaustellung als einer gemäßen Art der Darbietung seiner Werke bedient. Die natürliche Form ist die der Ausstellung im Atelier, in dem Bereich, in dem die Arbeiten entstehen und der durch den Besuch von Auftraggebern, Künstlern und Fremden, und bei der aufkommenden Lagerproduktion auch durch Interessenten und Käufer eine gewisse Öffentlichkeitsfunktion besitzt223. Jedoch die nun auftretende Absicht des Künstlers, durch die öffentliche Schaustellung seiner Werke das Urteil des Publikums, das erwünschte Lob, aber auch die Kritik hervorzulocken und entgegenzunehmen, setzt das Bewußtsein von der eigenen Leistung und ihrer unverwechselbaren Physiognomie ebenso voraus wie das Interesse am Laienurteil, das seit der Renaissance als neuer Faktor dem Publikum Stimme und Macht einzuräumen beginnt und auf das der Künstler sich auch in seinem Schaffen einstellen muß 224 . Sie schließt endlich ein lokalpatriotisches Bemühen ein, die Anerkennung und den Stolz der Mitbürger zu 223

224

Außer den bisher abgebildeten und zit. Werkstattbeispielen noch die Charakterisierung v. A . Warburg, Bildniskunst und Florentiner Bürgertum, Leipzig 1901, S. 23. Rätselhaft ist die Nachricht über eine Werkbesichtigung in Spoleto: Bericht des Juristen Odofredo (um 1250): «Et vidi apud Spoteum (Spoleto), ubi mult sunt pictores, qui unam tabulam pictam tenebant in loco secreto, et non permittebant videri nisi daretur unus denarius.» Tammasia, Atti e Mem. della Deputazione di Storia Patria per la Provincia di Romagna, Ser. I V , voi. 12, S. 379. Vorstellbar wäre eine «heidnische» antike Götterdarstellung oder ein mythologisches Bild als eine Art von Fremdenattraktion. A . Dresdner 1915, S. 84t. Seit dem 16. Jahrhundert werden die Ateliers der berühmten Maler Sehenswürdigkeiten der Städte. Vasari (Milanesi) Bd. 5, S. 350 u. Bd. 7, S. 569.

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erwecken, und das besonders dann, w e n n das vollendete W e r k den W e g nach außerhalb zu einem fremden A u f t r a g g e b e r antreten soll. Natürlich bleiben derartige Künstlerausstellungen nicht auf den Atelierraum beschränkt,

sondern

werden auch in Kirchen und an anderen geeigneten öffentlichen Orten v e r anstaltet. S o werden etwa v o n den drei Bildern Tizians für den großen Ratssaal in Brescia zunächst zwei bereits fertige auf einige Z e i t in der K i r c h e S. Bartolomeo all'ora di Rialto in V e n e d i g ausgestellt 2 2 5 . Leonardo da V i n c i stellt i j o i

den K a r t o n der « A n n a Selbdritt» in einem

nicht näher bezeichneten Räume aus, und nach Vasaris Bericht sah man zwei T a g e lang Männer und Frauen, jung und alt w i e zu einem glänzenden Fest nach dem Z i m m e r wallfahren, um das W u n d e r w e r k Leonardos zu sehen 2 2 8 . Baccio Bandinelli hat Vasari zufolge ein Gemälde «Johannes in der Wüste» in der W e r k statt seines Vaters und eines mit einer «Kreuzabnahme» in der eines anderen Goldschmiedes ausgestellt, u m die M e i n u n g des Publikums, besonders aber das Urteil Michelangelos zu hören 2 2 7 . A u s dem 1 7 . Jahrhundert häufen sich die Berichte v o n derartigen Ereignissen v o r allem aus Bologna, R o m und N e a p e l 2 2 8 . S o stellt G u i d o Reni 1 6 3 1 das vollendete Gemälde v o m «Raub der Helena» in [224] Kunst wird Mode und zu einem Bestandteil der Bildung, das Publikum wird kunstverständig. Vgl. Leon Battista Alberti, Della Pittura (ed. crit. Luigi Mallè), Firenze 1950, S. 52: «L'opera del pittore cerca essere grata a tutta la moltitudine quando ancora sia licito satisfare a loro oppinione. Diemo che Apelles nascoso drieto alla tavola, adcio'che ciascuno potesse più libero biasimarlo et lui più honesto udirlo, udiva quanto ciascuno biasimava o lodava. Cosi io voglio i nostri pittori apertamente domandino et odano ciascuno quello che giudichi et gioveralli questo ad acquistare gratia. Niuno si truova il quale non estimi honore porre sua sententia nella fatica altrui. Et ancora poco mi pare da dubitare che li invidi et detrattori nuo cano alle lode del pictore ; sempre fu al pittore ogni sua lode palese et sono alle sue lode testimoni cose quale bene arà dipinte.» Für den Fall, daß das Kunsturteil wegen der Neuartigkeit der Manier und der Auffassung Kritik befürchten läßt, empfiehlt Jacopo Tintoretto : «Che dovendosi esporre le opere in publico si dovesse star per molti giorni, senza andar à vederle, sino che le saette erano del tutto avventate, e che gli huomini si fossero accomodati à quella veduta.» Ridolfi (v. Hadeln) Bd. 2. 1924, S. 68; Robert Klein, «Giudizio» et «Gusto» dans la Theorie de l'Art au cinquecento, in: Rinascimento. Riv. dell' Ist. Naz.di. Studi sul Rinascimento, Ser. 2. 1, Firenze 1961, S. 105 ff. 228 G . B. Cadorin, Dei tre Quadroni dipinti da Tiziano per la sala del pubblico palazzo di 228

227 228

Brescia, Venezia 1879. Die Bilder sind 1575 durch Brand vernichtet. Vasari (Milanesi) Bd. 4, S. 38; «Finalmente fece un cartone dentrovi una Nostra Dama ed una Sant'Anna con un Cristo, la quale non pure fece maravigliare tutti gli artefici, ma finita ch'ella fu, nella stanza durarono due giorni d'andare a vederla gli uomini e le donne, i giovani ed i vecchi, come si va alle feste solenni ; per veder le maraviglie di Lionardo, che fecero stupire tutto quel popolo; . . . » Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 147 f. und 151 f. J . A . F. Orbaan, Documenti sul Barocco in Roma. Miscellanea della R. Società Romana di Storia Patria, Roma 1920, S. 182; Bottari-Ticozzi, Raccolta di lettere, Milano 1822, Bd. 1 , S. 437, Brief des Salvator Rosa aus Rom 1652; Luigi Crespi, Vite de'Pittori Bolognesi . . . Roma 1709, S. 80 (G. B. Bolognini), S. 133 (Lorenzo Pasinelli), S. 147 (Aureliano Milani), S. 174 (Ben. Gennari Jun.), S. 207 (Gius. Maria Crespi), S. 276 (Ercole Graziani). Antonello Riccio stellt in Messina ein Selbstbildnis öffentlich aus. Francesco Susinno, Le vite de'pittori Messinesi (ed. Valentino Martinelli), Publicazioni dell'Istituto di Storia dell'Arte medioevale e moderna, Fac. di lettere e fil. Univ. da Messina, Firenze i960, S. 77.

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

seinem Atelier in Bologna unter gewaltigem Zulauf des Publikums aus229, Guercino 1624 sein für den englischen König gemaltes Bild «Semiramis», 1631 für drei Tage mit großem Erfolg den «Tod Didos»und 1639 die für den Kardinal Onofrio bestimmte «Königin Esther vor Ahasver»230. In allen Berichten über derartige Ereignisse wird die große Anteilnahme und der Beifall des Publikums vermerkt. Der Drang zur Selbstdarstellung der künstlerischen Fähigkeiten wird allenthalben durch die Tendenz des Publikums, bereitwillig Lob und Anerkennung für besondere virtuose und in ihrer Auffassung ergreifende Leistungen zu spenden, gefördert. Mit welcher Bewußtheit dieses wechselseitige gesellschaftliche «Spiel» getrieben werden kann, verdeutlicht noch eine weitere Atelierausstellung des Guido Reni 231 . Als er in Bologna die 1616 für S. Ambrogio in Genua bestellte «Assunta» ausstellt, verbirgt er sich entsprechend der von Plinius erzählten Anekdote über Apelles hinter dem Bilde, beziehungsweise in einem Nebenraum, um so ungesehen das wahre Urteil über sein Werk vernehmen zu können, das natürlich allseitig nur bewundert wird, auch von seinem Konkurrenten Lodovico Carracci, zu dem unter den Künstlern auch Guercino und Domenichino wallfahren und über das sein alter Lehrmeister Denis Calvaert unter Rührung in die Worte ausbricht: «Oh Guido mio, mio Guido, benedette mani!» Was Guido Reni in diesem Bildungsspiel mit der Öffentlichkeit als Hauptakteur in Szene setzt, geht über die seit der Renaissance geläufigen literarischen Gleichsetzungen der großen Maler mit Apelles, Parrhasios und mit Zeuxis hinaus, von dem Aelian übrigens zuerst die Besichtigung seiner «Helena» im Atelier sogar gegen Eintrittsgeld berichtet232. Reni beansprucht für sich selbst die mythische Größe antiken Künstlertums. Paris, Louvre. «Le originale finito poi, ed esposto sulla stanza a pubblica vista, e impossibile il ridire il concorso e l'applauso, con che si vide poco meno che non dissi adorato, concorrendovi truppe intere sino dalle città circonvicine e confinanti della Lombardia e della Romagna, e tale vi fu, che non traslasciò di visitarla per tutto quel tempo due volte il giorno, crescendo, ogni volta più che si mirava, il desiderio di rivederla a'professori dell'arte ed agl'intelligenti.» Nach Malvasia-Zanotti, Felsina Pittrice, Bologna 1841, Bd. 2, S. 29; Cavalli-Gnudi, Mostra di Guido Reni, Cat. Bologna 1954, Nr. 36; vgl. auch Anm. 248. 230 Malvasia-Zanotti 1841, Bd. 2, S. 260: « . . . fece (1624) al Sig. Daniele Ricci una Semiramide, che fu esposta in Bologna a maraviglia dell'arte.» S. 262 : «(il Guercino 1631) fece un quadro della morta Regina Didone per la Maestà della Regina di Francia, il qual quadro stette per tre giorni esposto in Bologna alla vista del Popolo nella Strada del Baracano, nella quale fu sempre concorso, come se vi si fosse corso il pallio.» Auch F. Baldinucci, Notizie dei Professori del disegno . . . (ed. F. Raflalli), Firenze 1846, Bd. 4, S. 653 ; über die Ausstellung der «Königin Esther» in Bologna, 1639 für Kardinal Onofrio, den Bruder Urbans Vili, gemalt, vgl. Malvasia-Zanotti 1841, Bd. 2, S. 264; J. A. Calvi, Notizie della Vita, e delle opere del Cavaliere Giovan Francesco Barbieri . . . , Bologna 1808, S. 21 u. 25 ; für den «Tod Didos» auch Anm. 248. 2 3 1 Malvasia-Zanotti 1841, Bd. 2, S. 2 i f . ; Cavalli-Gnudi, Mostra di Guido Reni 1954, Nr. 13; Max von Boehn, Guido Reni, Bielefeld, Leipzig 1925 2. A., S. 3g£. ; Plinius nat. hist. 35. 84: «Item perfecta opera proponebat in pergula transeuntibus, atque ipse post tabulam latens vitia quae notarentur auscultabat volgum diligentiorum iudicem quam se praeferens.» 2 3 2 Aelian v. h. 12. 229

Die Emanzipation des Künstlers und die Schaustellung seiner Werke

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Das Atelier ist im 17. Jahrhundert freilich nicht nur in Italien die private Schaubühne des renommierten Malers und Bildhauers, der Treffpunkt und Diskussionsort der Kenner, Sammler und Künstler und eine Sehenswürdigkeit für Schaulustige und Fremde. Die besondere Öffentlichkeitsfunktion, die dieser Ort jedoch durch die beabsichtigte Schaustellung bestimmter Werke erhält, findet sich offenbar ausschließlich im italienischen Kunstleben. Auch im späten 18. Jahrhundert, als Rom zur europäischen Metropole der neuen klassischen Kunst wird, wählen dort nun ebenfalls die fremden Künstler verschiedentlich die Form der Atelierausstellung, um vor die Öffentlichkeit zu treten233. So stellt Jacques Louis David 1785 das gerade vollendete Gemälde «Schwur der Horatier» zunächst in seinem römischen Atelier aus. «Wenn je ein Bild Aufsehen gemacht hat, so war es dies», berichtet der mit David befreundete Maler Wilhelm Tischbein in seinen Lebenserinnerungen234. «Es war viele Tage hindurch wie eine Prozession! Fürsten und Fürstinnen fuhren hin, um es zu sehen; Kardinäle und Prälaten, Monsignori und Pfaffen, Bürger und Arbeitsleute, alle eilten hin.» 1795 veranstaltet Jakob Asmus Carstens im Bemühen um die öffentliche Anerkennung eine Ausstellung seiner Werke in dem von ihm gemieteten Atelier des Pompeo Batoni, wo sich noch vor kurzem die elegante römische Kunstwelt vor den sentimentalen Mythologien des gefeierten Akademikers versammelt hatte, und die «Taufe der neuen deutschen Kunst» wird, wenn auch mit geteiltem Erfolg, an dem traditionellen Ausstellungsort vollzogen 235 . Der Erfolg der Ausstellung des «Schwurs der Horatier» wird von dem deutschen Maler als Augenzeugenbericht in ähnlicher Weise beschrieben, in der seit Vasaris Schilderung der Ausstellung von Leonardos «Anna Selbdritt» über derartige Ereignisse berichtet wird. Dieser auch in der öffentlichen Reaktion noch 233

234

235

Unter den römischen Einzelausstellungen verdienen noch die des Malerdichters Friedrich Müller Erwähnung. 1781 zeigt er mit Erfolg in einem Saal der Villa Medici das Gemälde «Kampf um die Leiche des Moses»; 1783 folgen an demselben Ort weitere Bilder zur Mosesgeschichte. Diese und ähnliche Ausstellungen werden in den römischen Zeitschriften besprochen. Friedrich Noack, Das Deutschtum in Rom, Berlin u. Leipzig 1927, Bd. 1, S. 355. Lothar Brieger, Aus meinem Leben von Wilhelm Tischbein, Berlin 1922, S. 2 1 2 ; Louis Hautecoeur, Louis David, Paris 1954, S. 73 ff. Alfred Kamphausen, Asmus Jakob Carstens, Neumünster 1941, S. i88ff.; Friedrich Noack 1927, Bd. 1, S. 349t. Die ausgestellten Werke: Sokrates im Korbe — Überfahrt des Megapenthes (Tempera) — Die Parzen — Raum und Zeit (Tempera) — Gastmahl des Plato — Der Parnaß — Die Helden im Zelt des Achill (Tempera) — Zeichnung der Argonauten 2. Fassung — Achill und Priamos — Die Geburt des Lichtes — Ganymed. Carstens verfaßt zu den Arbeiten einen Katalog mit ausführlichen Beschreibungen und literarischen Quellenangaben unter dem Vorspruch: «Nachstehende Kunstwerke sind im Hause des verstorbenen Pompeo Battoni zur öffentlichen Beurtheilung ausgestellt». Diese nüchtern sachliche Vorbemerkung wird von Carl Ludwig Fernow für die italienische Fassung des Kataloges bezeichnenderweise dem Publikum mit folgenden Worten angeboten; «Aviso al Publico. Si fa sapere a questo rispettabilissimo Publico qualmente nella Casa del celebre defonto Sig. Pompeo Battoni al seconde piano trovansi esposte al comun Giudizio le qui indicate Opere».

IOO

Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

deutliche Zusammenhang mit den traditionellen Atelierausstellungen scheint dagegen in der von Carstens veranstalteten nicht mehr vorzuliegen. Für David, dessen künsderische Laufbahn bereits zu Beginn als Romstipendiat der Pariser Akademie von öffentlicher Anerkennung bestimmt wird, bedeutet die Ausstellung seines neuen Bildes, das den Durchbruch zur monumentalen klassischen Formulierung und heroischen Deutung des antiken Stoffes findet, kein Risiko, weil es unmittelbar aus der geistigen Diskussion und der kunsttheoretischen Forderung der Zeit die lapidare Form gewinnt. Auch die früheren Atelierausstellungen tragen trotz vermerkter Kritik, wie etwa im Falle des Baccio Bandinelli, nicht den Charakter des persönlichen Wagnisses gegenüber der Öffentlichkeit, der bei der Ausstellung von Carstens, als einem der ersten Künsder, der sich von seiner Umwelt isoliert, so augenscheinlich ist 236 . Die aus der alleinigen Verpflichtung gegenüber der Menschheit gewählte Einsamkeit des inneren Ringens um die Realisation der vorgestellten Idee sondert Carstens aus dem bisher selbstverständlichen gesellschaftlichen Zusammenhang des Künstlers und seines Schaffens und führt schließlich aus der eigenen Eingrenzung zur Flucht in die Öffentlichkeit, die ihm dann für die eigene Existenz zu spät Achtung und Erfolg verschafft. Dieser in Carstens zuerst deutliche Konflikt eines absoluten Künstlertums zwischen der Unbedingtheit seines Schaffens und der unausweichlichen gesellschaftlichen Existenz, der seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem generellen Problem des Künstlers wird, wandelt auch das Atelier und schränkt seine Öffentlichkeitsfunktion ein. Die Atelierausstellung verliert, ungeachtet ihrer bleibenden modischen Rolle als künsderische Schaustellerei, gegenüber den vielen neuen Ausstellungsgelegenheiten an Aktualität, wenn sie auch als eine Möglichkeit der Selbstdarstellung des Künsders fortbesteht.

3. Prozessions- und Festtagsausstellungen a) Die festlichen Gelegenheitsausstellungen Reichere und umfassendere Formen des Ausstellungslebens entwickeln sich im Rahmen der kirchlichen und weltlichen Feste, wie sei seit der Renaissance in erhöhtem Maße das öffentliche Gemeinschaftsleben bestimmen. Den Künstlern bieten sich anläßlich der hohen kirchlichen Feiertage, der weltlichen Feste und öffentlichen Repräsentationsveranstaltungen mit ihren Prozessionen, Umzügen 236 Uber Carstens scharfe Angriffe gegen das Akademiewesen und seine Trennung von der Berliner Akademie, bei Kamphausen 1941, S. 178 ff., u. Albrecht-Friedrich Heine, Asmus Jakob Carstens und die Entwicklung des Figurenbildes. Studien z. deutschen Kunstgesch. H. 264, Straßburg 1928, S. 109 ff.

Prozessions- und Festtagsausstellungen

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und ihrem Schaugepränge zahllose Gelegenheiten, im öffentlichen Auftrag bei der Festdekoration mitzuwirken und ihre Kunstfertigkeit und Virtuosität unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus geben derartige Ereignisse den Künsdern auch die Möglichkeit, durch die Schaustellung ihrer neuesten Werke die Aufmerksamkeit des Publikums zu erwecken und das Interesse von Mäzenen und Sammlern auf sich zu lenken. Wenn hierbei auch vielfach die Anliegen des Verkausgeschäftes und des Kunsthandels hineinspielen, sind doch die wirtschaftlichen Beweggründe nicht die entscheidenden. Vielmehr verbinden die Künstler das unmittelbare Eigeninteresse mit der überkommenden Sitte der festlichen Ausschmückung und des von der Bürgerschaft, ihren Korporationen und Bruderschaften geförderten Dekorationsauftrages. Jakob Burckhardts treffende Charakterisierung, daß das italienische Festwesen in seiner höheren Form der wahre Übergang vom Leben in die Kunst sei237, bestätigt sich nicht nur in jenem Bedürfnis nach künstlerischer Ausschmückung der feierlichen Gelegenheiten, sondern vor allem seit dem 17. Jahrhundert durch das Bestreben, das festlich gesteigerte Leben mit Hilfe des schönen Scheines der Künste in einen mythisch-allegorischen Zusammenhang zu verwandeln. Überall im gesellschaftlichen Leben der italienischen Metropolen zeigen sich in bunter Vieldeutigkeit jene Züge eines allgemeinen Schaugepränges und das Streben nach glanzvoller Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Geistliches und weltliches Repräsentationsbedürfnis sind, besonders deutlich in Rom, Neapel und Venedig, zu einer vielfältigen Einheit verwachsen. Öffentliche Feste, Jagden, Theaterspiele, Schauumzüge und das Karnevalstreiben sind in ihrem äußeren Gepränge, weltlichen Lärm und genußreichen Abwechslungen kaum von den geistlichen Schaustellungen unterschieden, die mit der gleichen Pracht, denselben Menschen und nicht geringerer Lustbarkeit und Verschwendung sich darbieten. Das festliche Leben wird in einer Art gewaltiger Allegorie der Sinne mit ständig wechselnden Kultszenen gedeutet. Innerhalb dieses umfassenden Gesellschaftskultes, dessen prunkvolle Schauseite sich gern und reichlich der Künste bedient, entwickelt sich ein reges Ausstellungsleben als vieldeutig dienender Bestandteil, in dem der Existenzkampf der Künstler, das rivalisierende Ringen um Anerkennung und Ruhm, aber auch das bildungsgesättigte Interesse der Kenner und Sammler als treibende Kräfte auftreten. Nur aus dieser mehrfachen Funktion der festlichen Gelegenheitsausstellungen erklärt sich auch die allein in Italien nachweisbare Sitte, Werke der älteren Kunst aus Privatbesitz, ja ganze Sammlungen zur Schau zu bringen. Festdekoration und Schaustellung lassen sich häufig im übergeordneten und sinngebenden Rahmen der festlichen Schaugepränge nicht streng voneinander scheiden. Die vielen ad hoc geschaffenen Gelegenheitsarbeiten, die oft von bedeutenden Künstlern verfertigt werden, müssen allerdings aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden. Dennoch fällt auf, daß auch diesen vielfach 237

Jakob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance. Ges. Werke Bd. 3, Darmstadt 1962, S. 273.

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

aus vergänglichem Material geschaffenen Dekorationsmalereien, Papier-, Gipsund Tonplastiken, den kunstvollen Arrangements der carri und macchine im Gegensatz zu ihren häufig sehr ähnlichen antiken Vorläufern, den Dekorationsapparaten anläßlich der Pompae, Triumphe und Spiele, in den Schriftquellen seit Vasari eine Würdigung zukommt, die von der anderer, beständigerer Kunstwerke sich kaum unterscheidet (Abb. 47 u. 80). Die Ernsthaftigkeit, mit der nicht immer nur die Virtuosität und das Frappierende der Dekoration gerühmt wird, sondern häufig auch ihre Güte und Schönheit, die diese Werke zu bleibender Aufstellung würdig machten238, deutet daraufhin, daß derartige Arbeiten kaum wesentlich anders als die beständigen Werke der Künstler nicht nur mit sensationellem Interesse, sondern mit jenem ästhetischen Bewußtsein wahrgenommen werden, das der künstlerischen Leistung, seiner Individualität und virtuosen Meisterschaft gleichermaßen gilt. In ähnlich neuer, die besondere künstlerische Eigenart und Leistung beurteilender Betrachtungsweise werden auch die oft ehrwürdigen Kultbilder, Reliquiare und Prozessionsfahnen, die anläßlich der Feierlichkeiten mitgeführt oder aufgestellt werden, oder auch die zu derartigem Zweck neu in Auftrag gegebenen oder geschaffenen Werke gewertet239. Durch dieses, seit der Renaissance neu erwachende Interesse am historischen oder künstlerischen Charakter der Schaustücke und ihre ästhetische Beurteilung durch das Publikum scheint es möglich, daß der Künstler selbst die festliche Gelegenheit zur Vorführung seiner Kunst benutzt und daß der Sammler seine Schätze zur Schaustellung gibt, weil beide nicht nur einer stumpf staunenden Menge Sensationen bieten, sondern der gemäßen Resonanz eines verständigen Publikums sicher sind, das ihnen und ihren ausgestellten Werken kennerhaftes Interesse und Urteil entgegenbringt und die erwünschte Anerkennung und Ehre nicht versagt. So werden in Rom während der Feierlichkeiten anläßlich der Possessio Leos X . im Jahre 1513 am Hause des Evangelista Rossi eine große Zahl antiker Statuen ausgestellt, die sich Jacob Burckhardt als Dekoration einer Nischenwand denkt. Der Goldschmied Antonio da San Marino, ein Freund Raffaels, zeigt zu 238

239

Leon Battista Alberti beurteilt in seinem Traktat über die Malerei im Kapitel von der Wertschätzung der Malerei in der Geschichte die Ausstellung der erbeuteten Kunstwerke im antiken Rom anläßlich der Spiele und Feste von der Seite des Kunstgeschmacks: «Fu certo grande numero di sculptori in que tempi ei di pictori, quando i principi et plebei et i dotti l'indotti si dilettavano di pictura et quando fra le prime prede delle Provincie si estendevano ne theatri tavole dipinte et immagini.» Leon Battista Alberti, Della Pittura libri tre, 2. Buch, f. 126 v., zit. nach ed. crit. Luigi Mallè, Firenze 1950, S. 80. Siehe dazu einige Beispiele der Berichterstattung und Beurteilung nach Vasari (Milanesi) Bd. 4, S. 544f., Bd. 5, S. 24t., Bd. 6, S. 67ff., S. 2 5 1 , S. 255 t. Bd. 8, S. j i9f£. : Descrizione dell'Apparato . . . per le Nozze . . . di Francesco de'Medici 1565. Ridolfi (v. Hadeln) Bd. 1, 1914, S. 220 u. Bd. 2, 1924, S. 285. Als ein späteres Beispiel Bellori 1728, S. 321 f., S. 377, über die Festdekorationen des Luca Giordano in Neapel. Als Beispiel für die Festapparate zum Karneval in Rom Abb. 47, Abraham Hondius, nächtliche Karnevalsszene in Rom, 1660, L w . 62,5 x 79 cm, Schwerin, Staatl. Museum, Inv. 3 1 1 3 . Einige Beispiele nach Vasari (Milanesi) Bd. 2, S. 276ff., Bd. 3, S. 323, S. 298, Bd. 5, S. 48, S. i 2 j f . , Bd. 6, S. 559.

Prozessions- und Festtagsausstellungen

dieser Gelegenheit eine antike Venusfigur vor seiner Bottega. Die Mode, Festdekorationen im antiken Geschmack zu halten, findet sich bereits 1473 beim Ein2ug der Eleonora von Aragon in Rom 240 . Vasari sieht am Mariä-HimmelfahrtFest in Venedig ein von Giorgione gemaltes Bildnis des Dogen Leonardo Loredan ausgestellt241. Im 17. Jahrhundert häufen sich die Nachrichten über die Ausstellung von Gemälden und Skulpturen anläßlich besonderer Festtage. So stellt Guercino in Bologna bei Gelegenheit einer Bittprozession einen «hl. Matthäus» aus, den die Maler für ein Werk Carraccis halten242. Carlo Antonio Casalini zeigt 1689 in Bologna am Feste der Sacra Spina ein Gemälde mit vielen Heiligen in S. Domenico. Ähnliche Ereignisse berichtet Crespi auch von anderen Bologneser Künstlern 243 . In Neapel herrscht zur gleichen Zeit ein reger Ausstellungsbetrieb während der Festtage. In den Festapparaten zum Tage des S. Giovanni Battista und des S. Francesco di Paola zwischen 1613 und 1627 finden sich nach C. G. Capaccio viele Gemälde, besonders Bildnisse, die auf den Triumphbögen und den Stoffbehängen ausgestellt werden. 1624 sieht er ein von Giovanni del Calco gemaltes Bildnis des Vizekönigs Don Pedro di Toledo ausgestellt244. Die Festtagsausstellungen liegen in den Händen eines Festordners. Dominici erwähnt in der Vita des Luca Giordano eine Ausstellung von 14 Gemälden, meist Stilleben, darunter auch welche von Abraham Brueghel. 1689 stellt Francesco di Maria einen «Gigantensturz» von 10 palmi Höhe und 8 palmi Breite (ca. 2,60 x 2 m) aus. «Più curioso» bezeichnet Bellori eine Ausstellungskonkurrenz zu diesem Tage in Neapel : Als Giordano sieht, daß Francesco di Maria einen «Tod des Seneca» am Vortage des Festes zur Ausstellung bringt, malt er in aller Eile ein gleiches Bild und stellt es dann neben dem anderen aus, dessen Maler vor Schmerz vergeht, wie er die größere Meisterschaft des Rivalen erkennt. Das Opfer einer ähnlichen Rivalität wird Claude Lorrain in Rom, als 1633 oder 1634 der Maler Sebastian Bourdon nach einem von ihm gezeigten halbfertigen Landschaftsgemälde in acht Tagen eine Gedächtniskopie ausführt, die auf einer Festtagsausstellung als 240

Jacob Burckhardt, Die Baukunst der Renaissance in Italien. Ges. Werke, Berlin o. J., Bd. 2, S. 294; Eugen Müntz, Les Arts à la Cour des Papes pendant le 1 5 e et le i 6 e siècle, Paris 1882, Bd. 3, S. 5of. u. 27off. ; Eugen Müntz, Raphael Archéologue et Historien d'Art, in G.d.B.A. 22. 1880, 2, S. 310. 241 Vasari (Milanesi) Bd. 4, S. 95, Bd. 6, S. 89f.: Anläßlich der Taufe des Stammhalters am 2 j . 3. 1541 läßt Herzog Cosimo die Taufkirche S. Giovanni in Florenz durch Tribolo und Tasso prächtig ausschmücken. Auf ein verziertes Podest in der Mitte des achteckigen hölzernen Taufbeckens setzt Tribolo die Marmorstatue Johannes des Täufers von Donatello, die im Hause des Gismondo Martelli verblieben war. 242 Malvasia-Zanotti 1841, Bd. 2, S. 258: « . . . e l'anno 1615 con l'occasione di una processione della Rogazioni (in Bologna), fece esporre una pittura di un San Matteo, le quale da molti pittori fu creduta opera de'famosissimi Carracci, e molto piaque una faragine di disegni, che parimente il medesimo padre espose alla pubblica vista». F. Baldinucci (Ranalli) 1846, Bd. 4, S. 6 5 1 ; L . Crespi 1769, S. 155. 243 L . Crespi 1769, S. 76 (Vincenza Fabbri), S. 109 (Innocenzo Monti), S. 191 f. (Candido Vitali), S. 208 (Gius. Maria Crespi), S. 236 (Antonio Gionima). 244 Ottavio Morisani, Letteratura artistica a Napoli tra il '400 ed il '6oo, Napoli 1958, S. 102 f.

Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien besonders schönes Werk des Claude gerühmt wird 2 4 5 . In Rom verzögert sich die Absendung des 1607 für den Herzog von Mantua erworbenen «Marientodes» von Caravaggio, weil dieses Bild im Rahmen einer größeren Ausstellung während der Osterwoche «per soddisfare all' università delli pittori» noch gezeigt werden soll 246 . 1612 werden anläßlich einer Prozession in Rom aus dem Besitz des Kardinals Borghese eine Folge von Bildteppichen mit Szenen der Samsongeschichte und sechs neue, in Florenz hergestellte Teppiche mit der Fabel von Phaeton «disegno d'eccellente artefice et di ricchissima materia», die dem Kardinal Montalto gehören, ausgestellt247. 1631 werden während der Festtagsprozession von Sa. 245

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Giov. Pietro Bellori, 1728, S. 387, über die Ausstellung der 14 Bilder: «Ma sopra tutto prevale in dipingere animali, tirato dal genio, che avea a questo genere, dappoiché vidde quelli fatti da Luca Giordano, e che si esposero in una festa dell'ottava del Corpus Domini, tra l'numero di 14. pezzi di gran quadri, dipinti da varj valentuomini, e tutti accordati da Luca, e che furono ordinati dal Marchese del Carpio, Viceré in quel tempo ; essendo i pesci, e le chose dolci, con i fiori, dipinti dal Cavalier Recco, le frutta, ed i fiori da Abram Brughel, e da Giov. Battista Ruoppoli con altri di rame dell'istesso ; il verdume ed i frutti di mare da Francesco della Cuosta, ed altri generi di varj autori eccellenti in quelli.» Nolfo di Carpegna, I Recco. Note e contributi, in: Boll. d'Arte 46. 1961, S. 132, Anm. 46; Fr. Susinno (Martinelli) i960, S. 4 1 ; Bellori 1 7 2 8 , S. 3 7 1 f.: «Più curioso però è quel, che avvenne a Francesco di Maria, il quale avendo dipinto un quadro per esporlo alla festa dell'ottava del Corpus Domini (in Neapel), detta volgarmente de' 4 Altari; lo portò nel dopo pranzo del giorno avanti in una bottega della strada di S. Giacomo, per esporlo a buon'ora la mattina vegnente; dove Luca vedutolo di nascosto, portatosi a casa, in quel rimanente del giorno e della notte, che sussegui, ne fece uno del medesimo pensiero, in una tela pari, in grandezza a quella del Maria, e l'istoria era: la morte di Seneca svenato: quindi la mattina compiutolo, un poco più tardi l'espose vicino a quello del Maria, che n'ebbe a morir di dolore, perchè abbattuto si vidde dal felicissimo componimento, e della magia di colore del suo contrario.» Bellori 1728, S. 386, Urteil des Giordano über die ausgestellte Statue eines toten Christus. Vgl. auch Bernardo de Dominici, Vite dei Pittori, Scultori ed Architetti Napolitani, Napoli 1844/46, Bd. 3, S. 558, $ 6 1 , Bd. 4, S. 1 8 4 t . , I99f. Uber die Ausstellung der von Sebastian Bourdon nach einem noch unvollendeten Landschaftsbild des Claude Lorrain in aller Eile angefertigten Gedächtniskopie: « . . . et en huit jours de temp contrefit si bien ce paysage que l'ayant fait exposer à une fête, tout le mond s'écria que l'étoit la plus belle chose qu'on eut encore vue de la main du seigneur Claude. Celui-ci demeura surpris de ce bruit, et apprit des curieux qui se rendirent chez lui que cet ouvrage paroissoit absolument être la même que celui qu'ils virent encore sur le chevalet. Le seigneur Claude ne se put empêcher de l'aller voir, et revint avec une colère extrême, qui l'auroit porté à de grandes violences, si son imitateur n'eût pris soin de l'éviter.» Quellenabdr. bei Eckhart Knab, Die Anfänge des Claude Lorrain, in: Jb. d. Kunstlgn. in Wien 56. 1960, S. 160. Ch. Ruelens, Correspondance de Rubens, Anvers 1887, Bd. 1, S. 366: «Giov. Magno au Consre. Chieppo: . . . Mi è stato necessario per soddisfare all'università delli Pittori lasciar vedere per tutta questa settimana, il quadro comparato, essendovi concorsi molti et delli più famosi con molta curiosità, attesoché era in molto grido essa tavola, ma quasi a nessuno si concedeva, il vederla, et certo che m'è stato di soddisfatione il lasciarla goder a satietà, perchè è stata commendata di singoiar arte, et la prossima settimana si inviarà. Di Roma, il 7 Aprile 1607.» Daß diese Ausstellung in der Osterwoche stattgefunden hat, läßt sich aus dem angeführten Datum errechnen. J. A. F. Orbaan, Documenti sul Barocco in Roma. Mise, della Soc. Rom. di Storia Patria, Roma 1920, S. 203 f. Andere Beispiele von Ausstellungen während der anni santi von 1650 und 1675 bei Francis Haskell, Art exhibitions in seventeenth Century Rome, in: Studi Secenteschi 1. 1960, S. 118 n. 48.

Prozessions- und Festtagsausstellungen

Maria di Costantinopoli 12 große Gemälde ausgestellt, darunter von Reni der «Raub der Helena» und von Guercino der «Tod Didos». Kurze Zeit zuvor waren beide Bilder nach ihrer Vollendung von den Malern unter großem Beifall in Bologna öffentlich gezeigt worden248. Über das in allen größeren Städten geübte Brauchtum der festlichen Gelegenheitsausstellung haben sich entsprechend der bunten Zufälligkeit der Schaustellungspraxis oft nur beiläufige Nachrichten meist in den Künstlerviten erhalten. Sie treten dort verschiedentlich in der literarisch zugespitzten Form der Anekdote auf, in der der Künstler je nach seiner Eigenart als Akteur erscheint, besonders deutlich in der Gestalt des Luca Giordano, um seine Überlegenheit und Schlagfertigkeit vor dem Publikum unter Beweis zu stellen. Mögen sich in derartigen Berichten auch Legende und Wirklichkeit vermischen, so bleibt doch der symptomatische Wert erhalten, der erkennen läßt, was durch die ernsthaften Nachrichten aus urkundlichen Quellen nur Bestätigung findet, daß innerhalb des zunehmend freizügigen Kunstlebens das Fest als eine willkommene Gelegenheit ergriffen wird, durch die Hergabe von eigenen Werken oder von Kunstbesitz nicht nur den glanzvollen Rahmen zu erhöhen, sondern vor allem, um dem allgemeinen Kunstgespräch in der Öffentlichkeit frische Nahrung zu geben. Außerdem besteht bei solchen Anlässen auch für den noch unbekannten Maler und für den fremden Künstler, der das gelobte Land der Kunst aufsucht, die Möglichkeit, ohne Protektion und Vermittlung zur Geltung zu gelangen und des begehrten Beifalls des Publikums teilhaftig zu werden.

b) Die regelmäßigen Festtagssausstellungen in Rom Seit Anfang des 17. Jahrhunderts entstehen in Rom, später auch in Venedig, aus der allgemein verbreiteten Sitte der Schaustellung anläßlich der Feiertage 248

Rekonstruktion der Ausstellung vom 10. 6. 1631 und ihrer Hintergründe ausführlich bei Jane Costcllo, The twelve pictures «ordered by Velasquez» and the trial of Valguarnera, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 13. 1950, S. 237£f. Dort die Richtigstellung der in Joachim von Sandrarts Beschreibung (A. R. Peltzer, Joachim von Sandrarts Academie der Bau-Bild- und Mahlerey-Künste von 1675, München 1925, S. 28ff.) der Ausstellung irrtümliche Behauptung, es handele sich bei den 12 Bildern um einen Auftrag für den König von Spanien, der einer Andichtung des 18. Jhs. zufolge von Velasquez vermittelt worden sei; so noch bei Carl Justi, Diego Velasquez und sein Jahrhundert, Bonn 1922, Bd. i , S. 304ff. Außer den genannten beiden Werken von Reni «Raub der Helena» und Guercino «Tod Didos» waren drei Kopien nach Domenichino «Jagd der Diana», nach Andrea Sacchi's Fresko im Pal. Barberini «die göttliche Weisheit» und nach Cortona «Raub der Sabinerinnen» ausgestellt und von Joachim von Sandrart «Tod des Seneca» von Poussin «Pest von Asdod», von Valentin de Boulogne «die Fünfsinne», von Lanfranco «Diana, Callisto und Actäon». Sandrart nennt noch je ein Bild von Stanzoni und Cavaliere d'Arpino, die zur Ausstellung noch nicht fertig waren, und eines von Orazio Gentileschi, das nicht rechtzeitig aus England gesandt wurde. V g l . auch Anm. 229 u. 230.

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

planmäßig organisierte Ausstellungen die alljährlich an den Namenstagen ein2elner Kirchenpatrone veranstaltet werden 249 . Sie finden am 24. August in San Bartolomeo dei Bergamaschi statt 250 , vereinzelt auch in San Bartolomeo all'Isola, seit 1650 nachweisbar, wenn auch selten erwähnt, am 29. August im Kloster San Giovanni Decollato 2 5 1 (Abb. 48), seit etwa 1620 bis ins 18. Jahrhundert häufiger erwähnt, am 10. Dezember in San Salvatore in Lauro 2 5 2 249

Über die römischen Ausstellungen ist verschiedentlich gearbeitet worden. Sie sind zuletzt in einer gründlichen Studie von Francis Haskeil behandelt, die mit eigenen Ergänzungen den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt ist. Francis Haskell, Art exhibitions in Seventeenth Century Rome, in: Studi Secenteschi, T. i960, S. 107 — 121; Francis Haskell u. M. Levey, Art exhibitions in i8th Century Venice, in: Arte Veneta 1958, S. 179 — 185; Francis Haskell, Patrons and Painters, London 1963, S. 125ff., 350f.; Leandro Ozzola, Antiche esposizioni d'Arte a Roma, in: Roma 1. 1923, S- 273-75250 F. Haskell in: Studi Secenteschi 1.1960, S. io8f. ; Bottari-Ticozzi 1841, Bd. 2, S. 75 f., Brief des Malers Benedetto Luti von 1692: « . . . Il quadro (Kain, der den Abel erschlagen hat) molto tempo è che lo potevo aver mandato, ma per sodisfare alla volontà di alcuni che avevan caro di vederlo esposto a questo apparato di quadri che è solito farsi per S. Bartolomeo, ho prolungato fino a questo tempo. E, ringraziato il Signore Iddio, ne ho ricavato maggior onore di quello che meritava l'opera . . . » Ubers, bei Guhl-Rosenberg 1879, Bd. 2, S. 298. 251 F. Haskell in: Studi Secenteschi 1.1960, S. 113ff.; Vittorio Moschini, S. Giovanni Decollato (le Chiese di Roma Illustrata Nr. 26), Roma o. J. ; Leandro Ozzola, Nota dei Quadri che stettero in mostra nel cortile di San Giovanni Decollato a Roma nel 1736, in: Archivio della R. Soc. Rom. di Storia Patria 37. 1914, S. 637ff. Über die Geschichte der Kirche außerdem Mariano Armellini, Le chiese di Roma dal secolo IV al XIX, Roma 1942, Bd. 2, S. 779 f. Die Kirche wurde 1588 vollendet und unter Julius II. ein Hospital, S. Giovanni della Misericordia, erbaut. Das Kloster ließ Clemens VIII. errichten. Es wurde anläßlich des Anno Santo 1600 der Bruderschaft (Archiconfraternità della Misericordia, die die zum Tode Verurteilten betreute und jährlich für einen Deliquenten die Freiheit erringen konnte) übergeben. Die Kirche gehört zur «Nazione Fiorentina» und ist von Florentiner Künstlern ausgestattet. Auch Michelangelo war Mitglied der Bruderschaft. In den Statuten von 1518, 1581 und 1712 sind die Ausstellungen weder erwähnt noch verankert. Siehe Privilegie et Gratie concesse da diversi Romani pontefici alla venerabile Compagnia de S. Giovanni Decollato, detta della Misericordia della natione Fiorentina di Roma, in Roma 1560 und Ordini coi quali deve esser governata da venerabile Archiconfraternità di San Giovanni Decollato detta della Misericordia della nazione Fiorentina in Roma, Roma 1883. Die Ausstellungen standen unter dem Patronat einer römischen Patrizierfamilie. Ihre früheste Erwähnung von Gaspare Celio in seinem 1620 verfaßten, aber erst 1638 in Neapel gedr. Romführer S. 38: S. Giovanne (sic) Decollato della Natione Fiorentino presso il foro Boario . . . il giorno della sua festa si suole adornare con pitture di variati artefici.» Pompilio Totti, Ritratto di Roma moderna, Roma 1638, S. 161 : «E nella lor festa fanno nobilissima mostra d'esquisitissimi quadri.» Federico Franzini, Roma antica e moderna . . . , in Roma 1668, S. 317, übernimmt denselben Wortlaut. Vgl. auch J. A. F. Orbaan 1920, S. 229 n. Nachrichten über die Ausstellungen laufend von 1651 bis 1736. 252 F. Haskell in: Studi Secenteschi 1. i960, S. n 6 f f . S. Salvatore in Lauro der Nazione delle Marche angehörend, deren Familien auch die hauptsächlichen Leihgeber für die ausschließlich aus Privatbesitz zur Ausstellung gelieferten Gemälde sind. Der 10. Dezember ist das Fest der Casa Santa in Loreto, das mit den Ausstellungen und mit Konzerten umrahmt wurde. Die Ausstellung war zwei Tage geöffnet, Soldaten bewachten sie Tag und Nacht. Bemerkenswert ist nach den bei Haskell wiedergegebenen avvisi, daß Giuseppe Ghezzi, der 1686 der guardaroba der Ausstellung ist, nicht nur ausstellungs-

Prozessions- und Festtagsausstellungen

(Abb. 49), zuerst 1675 genannt, und am 15. August in San Rocco anläßlich der festa di Ripetta 253 , offenbar jedoch erst seit der Erneuerung des Festes durch Clemens X I . 1736. Die meist auf Gemälde beschränkten Ausstellungen sind Bestandteile der häufig umfangreichen Festdekorationen, von denen sie sich allein durch die große Anzahl und durch die geschlossene Hängung der Bilder absondern. Sie werden von den Bruderschaften dieser Kirchen, vielfach unter dem Patronat einzelner Mitglieder, Angehöriger einflußreicher Familien, die zu den Nationen gehören, v o n denen diese Kirchen getragen werden, veranstaltet. In San Bartolomeo dei Bergamaschi werden während des Anno Santo 1675 zum Festtage die Fassade der Kirche und die Fronten der umliegenden Häuser mit Teppichen geschmückt, während die Gemäldeausstellung im Hofinneren gezeigt wird. In San Giovanni Decollato werden 1668 unter dem Patronat des Bruders des Papstes, Camillo Rospigliosi, die Kirchenfassade, der Friedhof, der Platz und die anschließenden Straßen mit seltenen und kostbaren Teppichen drapiert, silberne Geräte und viele Gemälde ausgestellt, erlesene Stücke alter Kunst aus den besten römischen Privatsammlungen und aus dem Besitz der Königin Christine von Schweden, zu deren Ehrung dieses flüchtige Pantheon römischen Sammlungsbesitzes errichtet wird. Im Anno Santo 1675 werden die Front dieser Kirche und der Vorplatz mit Teppichen und Damast in ein überdachtes Proszenium verwandelt und im Kreuzgang und im Inneren des Klosters über zoo Gemälde, zum Teil aus dem Besitz der Medici, gezeigt. Auf diese Weise verwandeln sich, wenn auch nicht jährlich, so doch zu besonderen Anlässen und vor allem in den Anni Santi unter der verschwenderischen Pracht der Dekorationen die festlichen Stätten in Schaugepränge, die den Rahmen für die teils kultisch gebundenen Handlungen, die Gottesdienste, Prozessionen, Empfänge, Konzerte und Vorführungen darstellen und in dem die «mostra dei bellissimi quadri», zwar dem übergeordneten Zusammenhang dienend, jedoch ihrer Stellung nach gesondert als ein außerordentliches Ereignis im römischen Kunstleben erscheint. V o n der Bewußtheit, mit der diese Gemäldeausstellungen zum Teil geordnet und gehängt werden, zeugen einige Nachrichten. Als Giuseppe Ghezzi, Sekretär der Accademia di San Luca, 1686 in San Salvatore in Lauro die Ausstellung organisiert, legt er Wert auf die rechte Beleuchtung der Stücke und empfiehlt als günstige Zahl der Ausstellungsobjekte für den Arkadenhof fünf bis sechs größere Gemälde als Blickfänger und etwa 200 kleinere

[252j technische Fragen bedenkt, sondern auch die vor den Bildern geäußerte Kritik vermerkt. Uber die Kirche siehe: E . Fano, S. Salvatore in Lauro del pio sodalizio dei Piceni. L a Chiese di Roma illustrate, Nr. 52, Roma o. J., dort S. 31 über die Festlichkeiten. 253 D i e Ausstellungen v o n S. R o c c o nicht bei Haskeil erwähnt. Friedrich N o a c k 1927, Bd. 1, S. 124; Francesco Cancellieri, Il Mercato il L a g o dell'Acqua Vergine ed il Palazzo Panfiliano nel Circo Agonale detto volgarmente Piazza N a v o n a , Roma 1811, S. 65 : Berichte aus dem Diario del Cracas über Ausstellungen v o n 1746, 1755, 1757, 1775.

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

Bilder. Bei der festa di San Rocco a Ripetta wird den Berichten des Diario del Cracas zufolge zwischen 1746 und 1775 nicht nur die gute Hängung «con molta simetria» an den Wänden des Hofes vermerkt, sondern auch dessen Ausschmückung mit Teppichen und Überdachung mit Zeltbahnen «in modo che restava formata una ben' intesa Galleria254.» Über die Zusammensetzung der Ausstellungen gibt es wenig verläßliche Nachrichten. Weder der genaue Umfang, noch der Anteil von zeitgenössischen Arbeiten und Stücken aus Sammlungsbesitz lassen sich aus den spärlichen Zeugnissen der Zeit ermitteln. Man wird sich bei jährlich wechselndem Umfang der Ausstellungen, der vermutlich nur zu den Jubeljahren oder anläßlich besonderer Ereignisse mehr als 200 Objekte umfaßt hat 255 , recht gemischte Ensembles vorstellen müssen. Die in Rom lebenden Künstler, auch die Fremden, besonders die zahlreichen Niederländer und alle diejenigen, die ohne festere Bindungen an Gönner und Auftraggeber vom öffentlichen Verkauf ihrer Arbeiten leben, werden jede dieser Gelegenheiten ergriffen haben, um auszustellen, Beachtung zu suchen und Verkäufe abzuschließen258. Einen unmittelbaren Einblick in das römische Ausstellungsleben gewähren die Briefe des Salvator Rosa 257 . Dieser geistvolle und eigenwillige Maler, der seine Freiheit mehr schätzte als die gewisse Geborgenheit in der Bindung an einflußreiche Gönner und Mäzene, ist einer der ersten, aus seinen Selbstzeugnissen nachweisbaren Vertreter jenes modernen Künstlertyps, der sich mit seinem Schaffen über die Ausstellung direkt an das Publikum 254

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Diario del Cracas Nr. 6258, 20. Aug. 1 7 5 7 : «In quest'Anno fu rifatta la Mostra di nobilissimi Quadri, distributi con molta simetria nelle Mure, Cortile, addobato di bellissimi Arazzi, e coperto di Tende, in modo che restava formata una ben'intesa Galleria». Cancellieri 1 8 1 1 , S. 65. Folgende Ausstellungsziffern lassen sich ermitteln: S. Giovanni Decollato: 1675 über 200 Werke (wohl Gemälde) 1736 2 1 2 Gemälde S. Salvatore in Lauro: 1686 200 kleinere und 5 —6 große Gemälde 1708 2 1 7 Gemälde Pantheon: 1750 225 Gemälde Inwieweit die genannten Zahlen immer die gesamten Ausstellungsstücke umfassen, läßt sich nicht feststellen. Nur über die Ausstellungen der Florentiner Akademie seit 1680 liegen genauere Zahlen vor. Vgl. darüber S. 191 ff. Ausstellung von 1680 196 Gemälde 168} 600 Gemälde 1706 245 Gemälde u. 34 Skulpturen 1715 197 Gemälde 1724 390 Gemälde 1729 488 Gemälde u. 43 Skulpturen 1 7 3 7 709 Gemälde 1767 820 Gemälde u. antike Skulpturen F. Haskeil in: Studi Secenteschi 1. 1960, S. 107t. Aldo de Rinaldis, Lettere inedite di Salvator Rosa a G . B. Ricciardi, Roma 1939; G . A . Cesareo, Poesie e lettere edite e inedite di Salvator Rosa, Napoli 1892, 2 Bde.; De Rinaldis bezeichnet die Angaben Cesáreos oft als falsch. Limentani, Poesie e lettere inedite di Salvator Rosa, Firenze 1950.

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wendet. «Ai pittori della mia condizione e genio stravagante è forza dalla misura in poi lasciare il resto in libertà», schreibt Rosa über sich selbst 258 . V o n 1638 bis 1668 ist er oft mit mehreren Werken ständiger Gast der Ausstellungen, für die er nach eigenem Zeugnis viele seiner Bilder eigens gemalt hat 259 . Aber neben den Werken der zeitgenössischen Künstler muß der Anteil von Leihgaben vielfach älterer Kunst aus Privatbesitz häufig sehr groß gewesen sein, so daß ganze Gemäldesammlungen teils auf Wunsch ihrer Besitzer, teils durch die Beziehungen der Veranstalter gezeigt werden. Vermutlich bilden derartige Leihgaben vielfach sogar den beständigen Grundstock der Ausstellungen, und es mag darin, durch neue und eigene Absichten verdeckt, das alte Anliegen des Festtagsschmuckes nachwirken, die schönsten und kostbarsten Dinge zur Zierde des Festes herzugeben. In San Giovanni Decollato findet 1662 nach dem Briefzeugnis des Salvator Rosa unter dem Patronat der Herren Sacchetti und der Leitung von Pietro da Cortona ein «gran concorso di pitture antiche avendo questi Signori per fine di sfiorare le più celebri gallerie di Roma» statt, ähnlich auch 1675, als die Medici der Kirche ihrer Nation zum Festtage eigenen Kunstbesitz zur Ausstellung geben 260 . Die bereits genannte, zu Ehren der Königin Christine von Schweden 1668 besonders prächtig ausgestattete Ausstellung zeigt ausschließlich Leihgaben aus römischen Sammlungen zusammen mit den besten Stücken der Königin selbst. Als Salvator Rosa, «um sich», wie er schreibt, «im Wettkampf mit den großen Toten zu messen», dieser Ausstellung mit Werken von Tizian, Correggio, Veronese, Parmigianino, Carracci, Domenichino und Reni, den gefeierten Heroen der Zeit, zwei eigene Gemälde unterschiebt, wird dies als

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De Rinaldis 1939, S. 165. 259 Di e v o n f . Haskell in: Studi Secenteschi 1. i960, S. 1 1 2 u. 114, zusammengestellte Liste der von Rosa auf römischen Ausstellungen gezeigten Werke ist unvollständig. Vgl. Jakob Hess, Die Künstlermonografien von Giovanni Passeri, Leipzig u. Wien 1934, Rom. Forsch, d. Bibl. Hertziana Bd. 1 1 , S. 388, Ausstellung des «Tizio lacerato» 1638, u. A. de Rinaldis 1939, S. 17, Ausstellung eines Gemäldes 1651. Die vollständigste Nennung der ausgestellten Bilder von Rosa bei L. Salerno 1963, S. 92ff. Uber die Ausstellungstätigkeit von Rosa siehe auch F. Baldinucci (Ranalli) 1846, Bd. 5, S. 443. Rosa schreibt am 29. 7. 1662 aus Pisa an G. B. Ricciardi : «Queste due opere (die er zuvor beschrieben hat, Szenen aus dem Leben des Pythagoras, L. Salerno 1963, S. 97) l'ho fatto per esporle, alla fine di quest'altro mese, alla festa di San Giovanni Decollato.» 260 Brief des Salvator Rosa an G. B. Ricciardi v. 16. 9. 1662: « . . . la festa di S. Giovanni Decollato riuscì solennissima per più rispetti. L'obbligo di farla de'Signori Sacchetti, e per conseguenza il peso della distribuzione di Pietro da Cortona, come quelli che depende et è tutto di casa. Vi fu gran concorso di pitture antiche avendo questi Signori per fine di sfiorare le più celebri gallerie di Roma. Vi esposi, oltre a i due quadri accennativi de'fatti di Pittagora, una tela più grande rappresentante il fatto di Jeremia, quando per ordine dei principi di Juda, è calato in una fossa per profettizzar la rovina di Jerusalem, ma a preghiera dell'eunnuco Ebedmelec n'è cavato fuori. Il numero delle figure erano tredici, e la misura d'esso quanto il vivo. Ve ne furono due altre pezzi ...», A. de Rinaldis 1939, Nr. n o bis, S. 144 nach Bottari-Ticozzi 1841, Bd. 1, Nr. 192, S. 454L; Cesareo 1892, Bd. 2, Nr. CXIII; über die Bilder L. Salerno 1963, S. 97 u. Abb. 68, 69.

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peinliche Störung empfunden und führt zu einem Skandal 281 . In S. Salvatore in Lauro werden hauptsächlich Leihgaben ausgestellt, häufig Jahr für Jahr dieselben Bilder, darunter auch zahlreiche Werke der niederländischen und römischen Bamboccianisten282. Auch Schwierigkeiten mit den Leihgebern bleiben nicht aus, 261

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Rosa stellte die Gemälde «Saul bei der Hexe von Endor» (Paris, Louvre) und «St. Georg, den Drachen tötend» (Rom, Coli. Giovanelli) aus. Dieses Ereignis, das Rosa in einem Brief beschreibt (Rinaldis 1939, S. 209), häufig erwähnt, so bei Giov. Baglione, Le vite . . . , Napoli 1733, S. 295 f., u. Passeri (Hess 1934), S. 392. Vgl. auch L. Salerno 1963, S. 99 u. T f . X X I V . Rosa schreibt am 15. 9. 1668 aus Pisa: «Vi scrivo di ritorno della Valle di Giosafatt, cioè della festa di San Giovanni Decollato, la quale tale è stata per me in quest'anno. Un fratello d'un Papa assieme con quattro suoi figlioli entrati novizi in quella Compagnia per togliere la speranza a quanti siano mai per tentar simil festa per l'avenire, hanno voluto sfiorare Roma delle sue più superbe pitture, et imparticolare i più famosi quadri della Reggina di Svezia, quali soli (senz'altra compagnia) erano bastani a spaventare il medesimo Inferno. Il primo motivo di questi Signori fu di non servirsi di nessuna opera di pitture vivente: risoluzione che più mi invogliò a procurarne il concorso, e con non ordinaria fatica ottenni, io solo fra i vivi, cimentarmi fra tanti morti. V i giuro, amico, che mai mi son trovo in impegno maggiore. Ma perchè occasione più bella non era per sortir mai più, per non tradirla, ho questa volta arrischato, il tutto per confirmarmi nel credito della fama. Mi do ad intendere che siate per rallegrarvene, havendo saputo mostrar la fronte con tanti Achilli dell'arte della Pittura. Ma perchè so che bramate sapere quali siano stati i soggetti delle mie Pitture: uno è stato il fatto di Saul, quando dalla Pitonessa ottenne di favellare all'anima del Profeta Samuele, quadro di misura di palmi 12 d'altezza e 9 di larghezza. L'altro, d'altezza di palmi 9 e lungo j , rappresentante San Giorgio in atto di trionfare dell'estinto Dragone. E quest'è quanto, amico, devo dirvi per iscusa di non haveni potuto sodisfar con mie lettere.» In der Beschreibung von Baglione hat sich die offizielle Meinung über Rosas Tun deutlich niedergeschlagen: «In progresso di tempo ingranditosi d'istoria, di favole, e di capricci, gli esponeva alla festa di S. Giov. Decollato, dove si spartivano i suoi settarj affettati, e gli facevano con le iperboli più danno, che beneficio, e perchè è solito in quel giorno esporre opere di Pittori di più famosi, dicevano e tutti questi tali avere visto Tiziano, il Correggio, Paolo Veronese, il Parmigianino, Carracci, Domenichino, Guido, e il Signor Salvatore ? in fatti, il Signor Salvatore non ha paura di Tiziano, di Guido, del Guercino, e di nessun'altro. Davano con tanta energia in quel Sign. Salvatore, con dire, che egli era entrato nel numero di tutti, e che le sue cose andavano nel prezzo al pari d'ogni altro, che stomacavano gli uomini onorati, accendevano per questo qualche odio verso di lui, come procurasse questo è l'utile, che apportano questi faccendosi ad un povero galantuomo : ma tutte queste acclamazioni sono a fine di mettere in sua qualche opera, che si trovano nelle mani, avuta dal proprio Pittore per un tozzo di pane, e per fare un infame mercantanzia delle fatiche degli altri.» F. Haskell in: Studi Secenteschi 1. i960, S. 1 1 7 t . ; Erwähnung von zwei 1697 ausgestellten Papstbildnissen von Ant. Barbalonga und Carlo Maratta bei Francesco Susinno (ed. Martinelli) i960, S. 148. Nennung von ausgestellten Leihgaben aus den Jahren 1686 bis 1 7 1 7 nach einem Manuskript des Giuseppe Ghezzi, in Paesisti e Vedutisti a Roma nel '600 nel '700, Cat. d. Ausstellung im Pal. Barberini, Roma 1956, S. 4off. Daraus Beispiele: 1687 — Del Sig. Abbate Braccese: Bambocciata di Gio. Miele. 1691 — Del Sig. Contestabile: Uno da 4 palmi rappresentante lo spoglio dei morti in guerra di Michelangelo delle Battaglie.

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III

wenn einzelne eine ihrem Rang entsprechende besondere Bevorzugung gegenüber anderen Leihgebern von der Ausstellungsleitung fordern. So möchte 1697 der Principe Pio seine Sammlung allein ausstellen. Schließlich einigt man sich, seine Sammlung im Untergeschoß und die Werke der anderen Leihgeber im Obergeschoß des Arkadenhofes zu zeigen. Ähnliches ereignet sich auch 1708, als der Marchese Ruspoli, der 194 Gemälde leiht, dem Monsignore Olivieri nach Intervention der Ausstellungsleitung gestattet, noch 23 Bilder aus seiner Sammlung auszustellen. 1704 müssen sogar politische Gesichtspunkte berücksichtigt werden, als Clemens X I . zur Popularisierung der Türkensiege des Polenkönigs Johann Sobieski veranlaßt, daß dessen Witwe Portraits und Schlachtenbilder zur Ausstellung gibt, die der Papst dann auch durch seinen Besuch ehrt 263 . Daß ganze Sammlungen unter der Absicht, sie zu verkaufen, ausgestellt werden, wird aus S. Giovanni Decollato bezeugt. Dort werden 1736 2 1 2 Gemälde aus einer Hand [262]

283

u n paese grande bislungo da imp. re fu coperta di cembalo di Gaspare Pusino assai bello. — Del Sig. Card. Imperiale: Quattro paesi da Imperatore di Angeluccio con le figure di M. Anglo. Due prospettive di Viviano con figure di Filippo Lauri, da 4 palmi. 1692 — Quadri del s. Card. Chigi: Due quadri di M. Angelo delle Battaglie. Due battaglie di M. Angelo delle Battaglie. Un altro del medesimo. Due paesi di Angeluccio. Un quadretto di M. Angelo delle Battaglie. — Quadri del S. Abbate Campioni: Prospettiva di Viviano, e quadro di Sai. Rosa. — Del S. Maffeo Capponi: Prospettiva di Viviano. 1694 — Del S. Alessandro Rondanini: Ritratto di Paolo Brillo di se medesimo. 1698 — Di Möns. Sinibaldi: Due prospettive da Imp.re, una di Viviano con le figure del Brandi e l'altra del Cavalier Saluzzi con le figure di Michelangelo. Una prospettiva di tre palmi di Viviano. Quadretto di Paese di Botto. Bambocciaretta di Gi. Miele. 1708 — Dell'Ill.mo S. Marchese Ruspoli: Veduta di Castel S. Angelo di Michelangelo. Due paesi da 3 pai. prima maniera di Pusino. Due paesi simili d'Angeluccio con le figure di Michelangelo. Due paesi da testa d'Angeluccio con le figure di Monsù Stendardo. Paese grande di Nicolò Pusino con le figure di Stendardo. Bambocciata da Testa di Michelang.o. Paese con Bambocciata di Michelang.o. Paese da testa d'Angeluccio, figure di Gio. Miele. Paese grande da 8 e 12 rappresenta un temporale con fulmine, di Nicolò Pusino. Due paesi da 4 palmi d'Angeluccio con le figure di Michelangelo Cerquozzi detto delle Battaglie. Due Paesi grandi di Paolo Brillo. F. Haskell in: Studi Secenteschi 1. i960, S. 117t.

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

gezeigt, Teil einer Sammlung von 450 Bildern, die mit einem Preiskatalog versehen, der Kurie, allerdings ohne Erfolg, angeboten werden 264 .

c) Die Ausstellungen der Congregazione Pontificia dei Virtuosi al Pantheon Den Höhepunkt der Jahr für Jahr von neuem sich in Rom entfaltenden Ausstellungsereignisse stellen die Ausstellungen am 19. März, dem St. Josephs-Tag, in Sa. Maria Rotonda dar (Abb. 50), die von der Congregazione Pontificia dei Virtuosi al Pantheon veranstaltet werden 265 . Der 1542 aus dem Geiste der Gegenreformation gestifteten Bruderschaft gehören anerkannte römische und in Rom lebende fremde Künstler an. Der Stifter dieser Bruderschaft, der «Piombatore delle Bolle Apostoliche» Desiderio d'Adintoro, Kanonikus am Pantheon, weist ihr als ständigen Sitz die zweite Kapelle links vom Eingang, die dem hl. Joseph geweiht ist, zu. Unter dem Wahlspruch «Florent in Domino» arbeiten die Mitglieder, beseelt von dem neuen Geiste des Tridentiner Konzils, mit dem ausdrücklichen Zweck der Vermehrung der Ehre Gottes und der Erhöhung der katholischen Kirche. Ihre Ausstellungen werden in dem mächtigen Säulenportikus des Pantheon veranstaltet und zeigen hauptsächlich vorbildliche Werke der Sakralkunst aus den Reihen der Virtuosi, aber auch von anderen Malern 266 . Eine Jury aus Mitgliedern sorgt für die Auswahl und für die Hängung. Die Vorhalle wird mit Teppichen ausgestattet, und regelmäßig wird ein großes Gemälde «Der Traum Josephs» gezeigt. Die für die Ausstellung ausgewählten Bilder sind vielleicht 2M

Leandro Ozzola, Nota dei Quadri che stettero in mostra nel Cortile di S. Giovanni Decollato a Roma nel 1736, in: Archivio della R. Soc. Romana di Storia Patria, vol. X X X V I I , Roma 1912, S. 637ff. Ozzola hält es für möglich, daß die Sammlung der 450 Bilder aus dem Besitz der Corsini stammt, da sich das Katalogmanuskript in der Biblioteca Corsini (cod. 1051 ; 33, A—77, carta 190e seguenti) befindet. Nur 12 der verzeichneten Bilder hat Ozzola nachweisen können. Unter den ausgestellten Gemälden befinden sich viele von römischen Künstlern, allein 20 Maratta, 10 Viviano, 18 Filippo Lauri; es erscheinen alle großen Namen: 1 Raffael, 2 Veronese, 2 Parmigianino, 3 Reni, 3 Guerrino, Carracci, Domenichino, Cortona, Caravaggio, Lanfranco, die Bamboccianisten, auch Niederländer, Franzosen und Deutsche: 17 Michelangelo Cerquozzi, 6 Giovanni Miel, 8 Th. Helmbreker, 14 Borgognone, 3 Fr. van Bioemen, 4 Poussin, 4 Claude Lorrain, Velasquez, van Dyck, Dürer (Maria Himmelfahrt) u. a. m. Darunter befinden sich sicher viele Kopien. 844 F. Haskeil in : Studi Secenteschi 1.1960, S. 11 o ff. ; Carlo Ludovico Visconti, Sulla Istituzione della insigne artistica congregazione Pontificia dei Virtuosi al Pantheon, Roma 1869; J. A. F. Orbaan, Virtuosi al Pantheon, Archivalische Beiträge zur römischen Kunstgeschichte, in: Rep. f. Kw. 37. 1915, S. 17ff.; Saverio Kambo, La pontificia insigne Accademia dei Virtuosi al Pantheon e le sue Vicende di fede e d'Arte, in: Atti del primo Congr. Naz. di Studi Romani, Roma 1929, Bd. 1. 266 Visconti 1869, S. 2 j f f . ; B. de Dominici 1844, Bd. 3, S. 586 erwähnt anläßlich der Ausstellung eines Bildnisses des neapolitanischen Kaufmannes Matteo Palummo, das von Francesco di Maria gemalt ist, auch Bildnisse von P. P. Rubens und A. van Dyck, Arbeiten von N. Poussin, P. da Cortona, A. Sacchi, L. Bernini und S. Rosa.

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über die zwischen den Säulen aufgespannten Teppiche gehängt worden 267 . Die früheste Erwähnung einer Ausstellung erfolgt 1650, als Velasquez, Mitglied der Virtuosi und der Accademia di San Luca, das Bildnis seines Dieners Pareja zeigt. Doch scheint diese Nennung zufällig zu sein. Denn es läßt sich kaum vorstellen, daß die Virtuosi als ausgesprochene Künsderbruderschaft sich erst zu einem derartig späten Zeitpunkt zur Veranstaltung von Ausstellungen entschlossen haben sollten, die an anderen Orten in Rom bereits Gang und Gäbe waren und die das geeignete Mittel darstellten, ihre kulturpolitische Mission zu demonstrieren. Unter den von Orbaan veröffentlichten Künstlernachrichten aus den «libri di Congregazioni», den Protokollbüchern der Bruderschaft, wird erst 1681 «la festa dei quadri» erwähnt 268 . Visconti gibt zwar eine etwas ausführlichere Beschreibung der Festlichkeiten, nennt aber keine Daten. Auch seine beiläufige Erwähnung von gedruckten Katalogen, von denen einer sich noch im Archiv befände, scheint zweifelhaft 269 . Salvator Rosa ist seit 1651 regelmäßig mit seinen Bildern auf der Rotonda-Ausstellung zu finden, die er ebenso wie die von S. Giovanni Decollato zur Bühne für seine gegen die herrschende Kunstpolitik der Akademiker gerichtete Satire macht 270 . Baglione und Passeri berichten, daß Niccolo Simonetti das für ihn von Rosa gemalte Bild des «Tizio lacerato» bereits 1638 im Pantheon ausgestellt habe. Doch wird diese Angabe von Hess mit guten Gründen angezwei267

268 269 270

Darüber keine genauen Angaben. Orbaan in: Rep. f. Kw. 37. 1915, S. 49f.:«i7oo Marzo 25, Al 19 Marzo passato fu solennemente celebrata la festa del nostro patriarcha San Giuseppe con straordinario apparato: nella chiesa musica e nel portico l'apparato con mostra de quadri di qualità riguardevoli, con la diligenza de novitii, che furono li signori Giovan Antonio Barigioni, Pietro Tusini e Francesco Maratti et assistenza solennizorno detto apparato non solo nelle prime, ma anche nelle seconde loggie, con applauso universale e visita di molti Eminentissimi porporati, personaggi di qualità, affluenza grande di popolo e di forastieri in occasione dell'Anno Santo.» Ob über die von Orbaan veröffentlichten Auszüge hinaus noch weitere Anweisungen zum Festschmuck oder Beschreibungen von Ausstellungen im Archiv der Virtuosi vorliegen, ist unbekannt, da weder Haskell noch ich Zutritt zum Archiv erlangen konnten. Viscontis Ausführungen sind teilweise detailliert, jedoch ohne Quellenangaben. Er schreibt (Visconti 1869, S. 26): «II maestoso portico del Pantheon, totto messo a festa con arazzi e tappeti, accoglieva numerosi dipinti d'argomento sacro, acconciamente disposti.» Vorstellbar ist, daß die Bilder auf teppichgeschmückten Scherwänden oder von Querstangen zwischen den Säulen herab über Teppichen hingen. Nur auf solche Weise ließe sich der hohe Raum der Vorhalle für eine Gemäldeausstellung verwenden. Daß Bilder auf Teppiche oder Stoffbespannungen gehängt werden, läßt sich mehrfach für die Aufstellung von Sammlungen und von Ausstellungen (z. B. in Paris) seit dem 17. Jahrhundert belegen. Orbaan in: Rep. f. Kw. 37. 191 j , S. 45. Visconti 1869, S. 26: «Dei quadri esposti si pubblicavano e dispensavensi dei cataloghi a stampa; taluno dei quali esiste tuttavia nell'archivio.» Salvator Rosa stellt 1651 den «Democritos» aus (A. de Rinaldis 1939, S. i8f., L. Salerno 1963, S. 93, Abb. Taf.XIII), 1652 den «Diogenes» (A. de Rinaldis 1939, S. 31, L. Salerno 1963, S. 9j, Abb. 31; beide Bilder als Gegenstücke an den venetianischen Gesandten Nicolo Sagredo für 300 scudi verkauft), 1653 das Gemälde «Il Sasso» (A. de Rinaldis 1939, S. j8 und Rosas Anspielung in seiner Satire «L'invidia» ebenda S.XLVII, L. Salerno 1963, S. 95) und 1659 das Gemälde «La Fortuna», ein polemisches Bild gegen die Neider (A. de Rinaldis 1939, S. 101 u. S.XLVIII, L. Salerno 1963, S. 96, Abb. 36).

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feit 2 7 1 . Trotz der besonderen Mission der Virtuosi werden auch Bilder mit profanen Themen ausgestellt 272 . 1680 werden zwei Gemälde wegen ihrer Indezenz entfernt. 1703 wird das Bild des römischen Malers Marco Benefial «S. Filippo Neri in der Glorie» infolge von Intrigen der Akademiker, mit denen der Künstler in Streit lag, refüsiert, worauf der Maler das Bild vor einer dem Pantheon gegenüberliegenden Bottega zum Protest ausstellt 273 . Die Ausstellung des Jubeljahres 1700 wird in den Protokollbüchern als besonders glänzendes Unternehmen beschrieben, ebenso die von 1706 2 7 4 . Im folgenden Jahre besichtigt die Königin von England während ihres Rombesuches die Rotonda-Ausstellung. 174 5 wird nach offenbaren Nachlässigkeiten im Auswahlverfahren verfügt, daß nicht mehr als 20 Bilder «di bona mano e bon professore» von der Jury ausgewählt werden sollen 275 . Im Anno Santo 1750 wird wieder eine große Ausstellung von «225 quadri sceltissimi» veranstaltet, eine sehr hohe Zahl für den beschränkten Raum des Portikus 276 . Die Ausstellungen im Pantheon unterscheiden sich von den übrigen genannten hauptsächlich dadurch, daß sie aus der gegenreformatorischen Mission der Virtuosi als Repräsentationsorgan kulturpolitischer Absichten fungieren, die durch die Kunstverordnungen von Clemens V I I . von 1603 und ihre verschärfte Erneuerung unter Urban V I I I . 1627 besondere Aktualität erhalten. Dennoch haben die Virtuosi im Gegensatz zur Accademia di San Luca keine kunstdiktatorische Machtposition entwickelt 277 . Aber es tritt hier zum ersten Male innerhalb der 271

Baglione 1733, 2 9 2 > J a c ° b Hess, Die Künstlerbiografien von Giovanni Passeri, Leipzig, Wien 1934, Rom. Forsch, d. Biblioteca Herziana Bd. 11, S. 388 u. n. 4. 272 Vgl. Anm. 266 u. 270; F. Haskeil in: Studi Secenteschi 1. i960, S. m f f . 273 Thieme-Becker Bd. 3, 1909, S. 321; F. Haskeil in: Studi Secenteschi 1. i960, S. 113 u. 119; Il Settecento a Roma, Kat. d. Ausstellung, Roma 1959, S. 60. 274 Zit. Anm. 267 u. Visconti 1869, S. 37 n. 5 : Papst Clemens XI und fünf Kardinäle nehmen 1706 an den Feierlichkeiten teil. 275 Orbaan in: Rep. f. Kw. 37. 1915, S. 51 :«i745 Marzo 7, Essendosi osservato, che negli anni passati fusse fatto decreto, nel quale si proibiva, che in avvenire non si dovessero esporre quadri di sorte alcuna, se non si facesse mostra generale et perchè alla presente congregazione e parso, che meritasse qualche sorte di limitazione, perciò si è risoluto de confermar questo in tutto e per tutto e solo di aggiunga, che, volendosi esporre un numero almeno di venti pezzi di quadri, si debba intender mostra e sia lecita alli signori novizii o altri destinati per la festa di poterli esporre, con la legge però, che mai siano meno del numero di venti et procurino, che siano di bona mano e bon professore, per maggior decoro della nostro Congregatione e della professione, colla dichiarazione, che la fava e negra include et la fava bianca esclude, et essendosine corso il partito, furono trovate palle negre favorevoli sedeci et una bianca contraria.» 278 Visconti 1869, S. 37; Silvio Angelo Mercati, Sulla mostra di pittura nel portico al Pantheon nell'Anno Santo 1750, in: Strenna dei Romanisti, Roma 1950, S. 19ff.; Friedrich Noack, Deutschtum in Rom 1700 —1900, Stuttgart, Berlin 1907, S. 55. 277 In der Bestätigungsurkunde von Papst Paul III. von 1542 (Visconti 1869, S. 16) ist die Aufgabe der Virtuosi formuliert, zur Vermehrung der Ehre Gottes und der Erhöhung der katholischen Kirche zu wirken. Uber die päpstlichen Edikte vgl. Orbaan in: Rep. f. Kw. 37. 1915, S. 34f. Er charakterisiert auf S. 20 die Virtuosi als «stille ruhige Leute, die sich ebenso fern von der Öffentlichkeit der Accademia di San Luca hielten wie von der tyrannischen Aufsicht über die Künstlertätigkeit.»

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Ausstellungsgeschichte eine Juryauswahl auf, deren Entscheidung im Falle des Malers Benefial bereits zum sezessionistischen Protest geführt hat. Alle die bisher beschriebenen Ausstellungserscheinungen des italienischen Kunsdebens verdanken ihre Entstehung und Ausformung den teils regelmäßig im Rhythmus des Festkalenders veranstalteten Feierlichkeiten, teils den vielfältigen privaten und öffentlichen Gelegenheiten, die sich den Künstlern, Kunsthändlern und Sammlern bieten, das, was sie an neuen Werken geschaffen haben, was sie verkaufen wollen und was sie besitzen, zur Schau zu stellen. Es sind in den meisten Fällen Gelegenheitsausstellungen, die je nach Anlaß und Absicht verschieden, doch immer jenen Zug zum Momentanen, Zufälligen, den Charakter des sensationellen Augenblicks besitzen. Allein schon in der Kürze der Veranstaltungen wird dies deutlich und in der Tatsache, daß bis auf die Atelierausstellungen, die Werke teils freiräumlich innerhalb des Festschmucks, teils in den halboffenen Räumlichkeiten der Klosterhöfe stattfinden. Gerade in diesen Eigenschaften liegen auch die Erfolge der Ausstellungen begründet. Für einen oder wenige Tage konzentriert sich das künstlerische Interesse der Öffentlichkeit auf einzelne Werke oder auf eine Ausstellung an allgemein zugängigen Orten, und jedermann, besonders aber die Künstler nutzen diese Gelegenheiten. Die Repräsentation übergeordneter Zusammenhänge, bestimmter Bildungskomplexe, oder ideeller und inhaltlicher Zuordnungen, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert häufig allein schon in der Thematik der Ausstellungen kundtun, sind ihnen fremd, beziehungsweise nur soweit gegeben, als der höhere Gedanke in der Ausschmückung des Kirchenfestes liegt oder im engeren Sinn in der öffentlichen Zeigung geschlossener Sammlungskomplexe, die für das Publikum sonst nicht zugängig sind278. Eine zumindest in der Absicht begründete Ausnahme stellen

278

Ausnahmen sind möglich, wie etwa das zit. Beispiel der Werke aus dem Besitz der W i t w e des K ö n i g s Johann Sobieski v o n Polen in S. Salvatore in Lauro, bei dem die Ausstellung zur Demonstration eines politischen Sachverhaltes diente, den die Kurie propagandistisch auswertete. E i n anderes Beispiel ist aus Mailand bekannt. Anläßlich der 1450 v o n Francesco Sforza gestifteten festa del «Perdono», deren Einkünfte zur Finanzierung des Baues v o m Ospedale Maggiore dienten, werden seit dem 18. Jahrhundert die Bildnisse der Wohltäter und Stifter, die laufend gemalt wurden, ausgestellt. V g l . G . Castelli, L'Ospedale Maggiore di Milano e la Storia del Perdono, Milano 1939. Z w e i Sonderfälle im ausgehenden 18. Jahrhundert, in denen sich bereits ein neues kunstwissenschaftliches Interesse ankündigt: 1 7 8 8 werden für 8 T a g e im Palast des Russischen Konsuls, Herrn Santini, in R o m Gemälde in eingebrannter Wachsmalerei, die die russische Kaiserin unter der Aufsicht des Hofrates Reiffenstein zur Verzierung eines Spiegelzimmers anfertigen ließ, ausgestellt. V g l . J . G . Meusels Museum für Künstler und Kunstliebhaber, Stück 6, Mannheim 1 7 8 8 , S. 94. D e r K ö n i g v o n Neapel läßt vier Gemälde aus der Galerie v o n Capo di Monte («Danae» von Tizian, «Pietà» v o n A n n . Carracci, «hl. Familie» v o n Schidone, «Madonna del Gatto» von Giulio Romano) und ein übermaltes Altarbild («Kreuzabnahme» v o n Ribera), die v o n Philipp Hackert und dem Restaurator Andres vorzüglich restauriert waren, für einige Zeit in seinem Vorzimmer im Schloß von Neapel ausstellen, bevor sie wieder an den ursprünglichen Ort geschafft werden. V g l . Johann W o l f g a n g von Goethe, Sämtl. Werke, Jubiläumsausgabe Stuttgart, Berlin, o. J . B d . 34, S. 260 f.

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in Rom die Ausstellungen im Pantheon dar, in denen die Repräsentation vorbildlicher Werke der Sakralkunst, zugleich aber auch die Auswahl durch eine Jury erfordert. Wie wenig gerade bei den Ausstellungen während der Kirchenfeste im allgemeinen der höhere Zusammenhang, dem sie durch Ort und Zeitpunkt als Bestandteile der Festdekoration dienen, verpflichtend ist, zeigt allein die Tatsache, daß Gemälde aller Art und jeglichen Genres, nicht nur religiösen Inhaltes, ausgestellt werden. In dieser Tendenz deuten sich charakteristische Züge eines freien Kunstlebens an. Ohne Rücksicht auf frühere, bestehende oder zukünftige Sinnbindungen und Funktionszusammenhänge erscheint das Bild als individuelles künstlerisches Zeugnis, als Sammlungsgut oder als Warenprodukt, gewissermaßen neutralisiert auf der Ebene der Festveranstaltung. Der ästhetische Wert wird als Zeugnis einer Meisterhand, eines Stils, bestimmter Auffassungen, Manieren und Gattungen maßgebend. Bei historischem Kunstgut lebt die ursprüngliche Bedeutung vielfach nur noch als Bildungsvorstellung oder als Element gelehrter Spekulation. Auch die Geschichtlichkeit der Werke kann als besonderer Wertfaktor auftreten. Die freie Beweglichkeit des Bildes, formal, inhaltlich und funktionell, setzt sich auch innerhalb der Festtagsausstellungen durch. Dennoch bleiben einzelne Werke, meist die Titelbilder der Festtage, ausgestellte oder in den Prozessionen mitgeführte Gnadenbilder, aufgebaute Altäre mit ihrem künstlerischen Schmuck, unmittelbar in den Festtagszusammenhang und sein liturgisches Programm eingebunden, so sehr sie auch in ihrem künstlerischen Charakter wahrgenommen werden. Sie gehören als funktionierende Elemente zur Kultausstattung und dokumentieren im Gesamtzusammenhang der festlichen Veranstaltung, zu dem außer der Schaudekoration ebenso die Gottesdienste, Aufzüge, Konzerte und Belustigungen aller Art gehören, ihren komplexen, vielschichtigen Charakter.

4. Die Anfänge des akademischen Ausstellungswesens in Florenz und Rom

Der akademische Kunstbetrieb tritt zuerst in Italien während des 16. Jahrhunderts als institutionelle Einrichtung auf. Die Entwicklung dieses völlig neuartigen künstlerischen Erziehungsentwurfes aus den privaten Künstlerzirkeln der Renaissance zu einer staatlichen Institution vollzieht sich zuerst in Florenz, wo durch die Bemühungen Giorgio Vasaris 1562 die Accademia del Disegno gegründet wird. Mit ihr werden die Grundlagen für das neuzeitliche Akademiewesen gelegt, das über drei Jahrhunderte Macht und Maß der künstlerischen Repräsen-

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tation in Theorie, Lehre und Gestalt bestimmen sollte279. Die Kunstakademie bedient sich in ihrer Doppelfunktion als Unterrichts- und Ausbildungsanstalt und als offizielles Organ einer umfassend gültigen, theoretisch begründeten Kunstlehre von ihren Anfängen an der in der Ausstellung liegenden Möglichkeit der künstlerischen Demonstration und Repräsentation vor der Öffentlichkeit. Bereits in den ersten Statuten der Florentiner Akademie, die 1563 von Herzog Cosimo I. bestätigt werden und die in 47 Kapiteln die Organisation, Ordnung und Aufgaben der neuen Einrichtung festlegen, wird die von der alten Compagnia di San Luca übernommene Bruderschaftsfürsorge für die Ausstattung ihrer Kirche zu den Festtagen geregelt. Außerdem wird im Anschluß an die viermal im Jahre erfolgende Kontrolle der Schülerarbeiten durch die consoli bestimmt, daß die besseren am Lukastage und zum Fest der Quattro Santi den ganzen Tag über ausgestellt werden280. Ähnliche Erscheinungen zeigen sich auch in Rom in der 15 77 gegründeten und 1J93 feierlich eröffneten Accademia di San Luca281. In den frühesten Bestimmungen des Statuto del de Vecchi von 15 96 wird jeder Akademiker verpflichtet, ein Werk seiner Hand «a perpetua memoria» zu stiften. Diese Forderung wird Nikolaus Pevsner, Academies of Art, Past and Present, Cambridge 1940, S. 42ff.: «Vasari's Accademia del Disegno stands at the beginning of the evolution of modern academies of art.» 8 8 0 Wolfgang Kailab, Vasari-Studien, Quellenschr. N. F. 1$, Wien, Leipzig 1918, S. i04f.; Vasari (Milanesi) Bd. 6, S. 6540.; P. Fanfani, Spigolatura Michelangiolesca, Pistoja 1876, S. 193 ff. ; C. J. Cavallucci, Notizie storiche intorne alla Reale Accademia delle Arti del Disegno in Firenze, Firenze 1873 » Amando Nocentini, Mostra documentaria e iconografica dell'Accademia delle Arti del Disegno, Catalogo, Firenze 1963 ; Capitoli et Ordine dell'accademia et Compagnia dell'Arte del Disegno . . . (1563) nach N. Pevsner 1940, S. 296 ff., daraus Fürsorge für die Festausschmückung Cap. IX u. X, über die Schülerarbeiten und ihre Ausstellung während der Festtage Cap. XXXIIII; P. Fanfani 1876, S. 296ff.; Cap. XXXIIII (N. Pevsner 1940, S.302f.):«Appress0 vogliono che tutti coloro i quali si portano bene, cosi architetti, scoltori, pittori giovani veduto le opere loro crescere di perfezzione, che dieno imborsati negl'uffici del corpo della compagnia; et à cagione che meglio si vegghino gl'effetti loro, deliberarono, che quattro volte l'anno, alla prima tornata di gennaio et quella di marzo et cosi di giugno et di settembre, sieno obligati ciascun* di loro portare un disegno per un fatto di lor mano ; et gli scoltori qualche cosa di rilievo, cosi quelli che attendono all'architettura et prospettiva, et mostrarli a consoli, accio sieno tirati inanzi, et quelli che si portano meglio, sia dato loro commessione, che l'anno per S.to Luca et de i quattro Santi portino o disegni o cartoni o pitture fatte da loro, cosi i giovani ch'attendono alla scultura cose di rilievo, et quelle stieno a mostra tutto quel' giorno; et quelli che si porton meglio, habbino quell'anno ad essere imborsati ne i detti uffici, et tanto si faccia nella festa de i quattro Santi.» 4 8 1 N. Pevsner 1940, S. 5 5 ££. ; Romano Alberti, Federico Zuccaro, Origine e Progresso dell' Accademia del Dissegno de Pittori, Scultori, et Architetti di Roma, Pavia 1604, Neuabdruck in: Detlef Heikamp, Scritti d'Arte di Federico Zuccaro (Fonti per lo Studio della storia dell'arte inedite o rara, 1), Firenze 1961 ; Melchior Missirini, Memorie per servire alla storia della Romana Accademia di S. Luca fino al morte di Antonio Canova, Roma 1823; Jean Arnaud, L'Académie de Saint-Lue a Rome, Roma 1886; Vincenzo Golzio, L'Accademia di S. Luca come centro culturale e artistico nel settecento, in: Atti del 1° Congr. Naz. di Studi Romani, Roma 1929, Bd. 1, S. 749 ff. Denis Mahon, Studies in Seicento Art and Theory (Studies of the Warburg Institute, vol. 16), London 1946, Part. III, S. 155 ff. 279

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auch in den späteren Statuten beibehalten. So hat sich im Laufe der Zeit in der Akademie ein großer Bestand teilweise hervorragender Werke angesammelt, der die Räume des Akademiegebäudes schmückt und sichtbar Tradition und Fortschritt innerhalb der Entwicklung der Anstalt repräsentiert. Eine weitere Bestimmung der Statuten von 1596 untersagt den Mitgliedern bei Ausschluß aus der Akademie, ihre Werke in Läden oder auf der Straße feikubieten 282 . Diese Verordnung, die für die Florentiner Akademiker nicht besteht, läßt indirekt bereits für das späte 16. Jahrhundert auf die verbreitete Praxis des Kunsthandels und der Gelegenheitsausstellung schließen. In den Statuti sanzionati dal Fedeli von 1607 wird die Öffnung der Akademie am Lukastage für jedermann verfügt und in den Nuove Leggi von 1621 angeordnet, daß die Maler und Bildhauer, die die Schule leiten, ihre neuen Arbeiten, «che facciano fede de dell'avanzamento delle Arti», zum Lukasfest ausstellen sollen 283 . Neuartig sind in der Accademia di San Luca auch die zur Steigerung der Leistungen der Schüler eingeführten Preiskonkurrenzen. Sie werden bereits in der Gründungsbulle von Gregor X I I I . festgesetzt und auch, wie aus den ersten Akademieprotokollen ersichtlich ist, verwirklicht 284 , doch offenbar nicht regel282

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In den Statuti del'Vecchi v. 1596, §6: «Ogni Accademico presente od absente debbe mandare all'Accademia in dono un opera sua a perpetua memoria»; § i4:«Niun Accedemico invilisca tanto l'arte sua da tener bottega, ed opere per istrada sotto pena die espulsione»; Arnaud 1886, S. 15 ; Missirini 1823, S. 70. In den Statuti sanzionati dal Fedeli v. 23. 8. 1607 (Missirini 1823 S. 83; Arnaud 1886, S. 20), § 17:«Nel giorno di S. Luca l'Academia sarà di pubblico diritto, ed aperta chiunque»; § 18 : «Niuno degli Accademici possa far operar Quadri per rivenderli sotto pena di scudi dieci.» In den Ordini dell'Accademia de Pittori et scultori di Roma, In Roma, a presso di stampatori Carnevali 1609, S. 36 t. : «Ordiniamo, che il giorno di S. Luca, et la sua vigilia, si tenga aperta la Accademia, et che il populo posta entrate à vederla à fine d'inanimare altri ad aiutarla, et favorirla, vedendole cosi ben ornata, ed ad allettare i forastieri al desiderio di esser aggregati, et per aquistar maggior reputatione. Facendo starui huomini di rispetto, che la guardino in quei due giorni, et anco due Tedeschi per più sicurezza, non lasciando toccar cosa alcuna.» Die erste Bestimmung für den Publikumsverkehr, die in ähnlicher Form später von der Pariser Akademie übernommen wird. In den Nuove Leggi von 1621 (Missirini 1823, S. 90) § 29: «Li Pittori, e Scultori che diriggono le scuole diano opera, che per la festa di S. Luca sia aperta l'esposizione di nuovi Lavori, che facciano fede de dell'avanzamento delle Arti.» Missirini 1823, S. 2of. Die Prämierung als Ansporn zu höheren Leistungen bereits in einem Reformvorschlag von Federico Zuccaro für die Florentiner Akademie genannt, der zwischen 1575 u. 78 verfaßt wurde. Vgl. N. Pevsner 1940, S. 51 f., n. 2 § 1 1 ; D. Heikamp, Vicende di Federigo Zuccaro, in: Rivista d'Arte 32, Ser. 3. 7. 1957, S. 218. Die Verteilung der Prämien erfolgt zu Beginn der Akademiesitzungen. Vgl. Romano Alberti u. F. Zuccaro 1604, in: Heikamp 1961, S. 27, Protokoll d. «Quarta Accademia, ad 2. di Gennaro 1594». Beschreibungen der alljährl. concorsi bei Bottari-Ticozzi 1841, Bd. 2, S. 74 f. im Brief des Malers Benedetto Luti, Rom 26. 1. 1691 und in dem vom 2. 9. 1691, bei Guhl-Rosenberg, Künstlerbriefe, 2. Aufl., Berlin 1879, Bd. 2, S. 299; Lione Pascoli 1730, Bd. 1, Vita di Carlo Cignani, S. 155f.; Missirini 1823, S. 159; Passeri (J. Hess) 1934, S. 81 f.; Bellori 1738, S. 172. Über die Konkurrenzen seit 1672 vgl. R. Ojetti, Antichi concorsi dell'Accademia, in : Annuario della R. Accademia di S. Luca 1909—11, Roma 191 r, S. 3 f f. ; Vincenzo Golzio, Le Terrecotte della R. Accademia di S. Luca, Roma 1933, zitiert die Preisschriften zu den concorsi von 1713, 1716, 1725, 1739, 17J0, 1758, 1762, 1766, 1771, 1773, 1777, 1779, 1783,

Die Anfänge des akademischen Ausstellungswesens in Florenz und Rom

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mäßig alljährlich zum Lukasfest veranstaltet. Unter dem Protektorat des Kardinals Francesco Barberini, dem Bruder Urbans VIII., werden die concorsi «con gran pompa» begangen. Unter dem Direktorat des Carlo Maratta werden sie seit 1702 auf das Kapitol verlegt und bilden seitdem die Höhepunkte im Leben der Akademie. 1 7 1 6 wird angeordnet, daß die zur Konkurrenz eingereichten Zeichnungen und Terrakotten nicht nur am Tage des Wettbewerbs, sondern noch weitere acht Tage ausgestellt bleiben 285 . Ein Ereignis besonderer Art ist die festa secolare, die 1695 auf dem Kapitol unter programmatischem Bezug auf den genius loci als allegorischer Triumph der Schönen Künste gefeiert wird, und zu dem die Akademie ihren Kunstbesitz, die Bildnisse der Stifter und Protektoren, von Päpsten und Kardinälen, die prämierten Werke der Akademiker und auch Antiken ausstellt 286 . Diese Anfänge des akademischen Ausstellungswesens in Florenz und Rom sind zunächst bescheiden und entwickeln sich wie die Gelegenheitsausstellungen aus dem traditionellen Bedürfnis der festlichen Ausschmückung der Feiertage. Für Rom läßt sich als ein verbindendes Glied der Brauch, Bilder am St. Lukastage vor der Lukaskirche auszustellen, durch zwei zufällige Quellenzeugnisse belegen. Federico Zuccaro stellt 1580 vor der alten Kirche S. Luca presso Sa. Maria Maggiore ein satirisch-allegorisches Gemälde «Porta Virtutis» aus, mit dem er auf die scharfe ablehnende Kritik der Bologneser Künstlerschaft antwortet, die er auf ein Gemälde für den päpstlichen Küchenmeister Paolo Ghiselli erhalten hatte. Der gemalte Affront Zuccaros gegen die Bologneser, die unter Gregor X I I I . in besonderer Gunst stehen, führt 1 5 8 1 zum Prozeß gegen den Maler, der dessen Verbannung aus Rom zur Folge hat 287 . Auch an der 1588 der neuen Akademie [284] 1786, 1789, 1792 u. 1795. Vgl. auch II Settecento a Roma, Kat. d. Ausstell. Roma 1959, S. 33 u. S. 363 ff. 285 Arnaud 1886, S. 66; Ordini e Statuti dell'Accademia del Disegno de' Pittori, Scultori e Architetti di Roma, sotto il titolo e Padrocinio di S. Luca, corretti, accresciuti, e confermati sotto gli Auspicij del Santissimo Padre Clemente X I P. O. M., in Palestrina 1716, über die Concorsi S. 44ff., Cap.XXXVII, über die Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten S. 46: «Detti disegni, e bassirilievi saranno esposti per il giorno del concorso, e per altri otto giorni seguenti, peri restaranno in consegna al custude.» Statuti dell'insigne Accademia dell'disegno di Roma detta di San Luca Evangelista, in Roma 1796, §§ 116 — 129 (S. 34 — 39) : Dei Concorsi ai Premj, davon § 128 (S. 38): «Dopo la Funzione restino esposte al pubblico per tre giorni, o per altro tempo a piacere della Congregazione, le opere, e prove tanto dei Premiati, che dei non Premiati, ma senza il nome di questi ultimi, ai quali in fino verrano restituire le loro Opere: restando in proprietà dell'Accademia quelle sole dei Premiati, e le prove anche degli Esclusi in giustificazione del suo retto giudicato.» Erst 1802 erhält die Akademie unter Canova einen festen Saal für Kunstausstellungen im Locale del Convertite al Corso (Missirini 1823, S. 338 ff.). 286 Giuseppe Ghezzi, Il Centesimo dell'Anno MDCXCV celebrato in Roma dell'Accademia del Disegno — essendo principe il Signor Cavalier Carlo Fontana architetto, Roma, nella Stamparla di Gio. Francesco Buagris 1696, S. 1—22 ausführliche Beschreibung der festa secolare; Missirini 1823, S. 153; N. Pevsner 1940, S. i l i . 287 Das kritisierte Gemälde des Federico Zuccaro «Vision des Hl. Gregor vor der Engelsburg» war für die Familienkapelle des Küchenmeisters von Gregor XIII. Paolo Ghiselli in Ma-

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

und der Congregazione di San Luca übereigneten Kirche S. Martina muß dieser Brauch bestanden haben. Mancini bezeugt die Ausstellung eines Bildes von Paul Bril, «un grandissimo paesaggio di un porto» 288 . Die concorsi knüpfen ebenfalls an die seit der Renaissance geläufige Wettbewerbstradition an, die sie jedoch nun in einer gänzlich neuen Weise als Prüfungsaufgabe pädagogisch der künstlerischen Ausbildung nutzbar machen. Der exklusive Charakter dieser Ereignisse, die als öffentliche Veranstaltungen einer staatlichen Lehranstalt ausschließlich vom Kreis der an ihr beteiligten Künstler, Lehrer und Schüler getragen und von der Absicht der Demonstration akademischer Kunsttheorie, ihres pädagogischen Auftrages und des in ihm begründeten Fortschritts der Künste bestimmt werden, führt ein neues Element in das italienische Kunstleben ein. Die akademischen Schaustellungen dienen ihrer Idee nach der Repräsentation der von der neuen Institution beanspruchten höchsten Rangstufe der Kunst. In Wirklichkeit haben sie freilich weder in Florenz noch in Rom eine nachhaltige Bedeutung erlangt. Die Akademie in Rom, die erste Lehranstalt ihrer Art, steht als Vertreterin der offiziellen Kunsttheorie und durch die soziale Vorrangstellung ihrer Mitglieder an führender Stelle im römischen Kunstleben; aber ihre eingeschränkten Ausstellungen treten an Glanz hinter denen der Virtuosi im Pantheon, wo auch die Akademiker zu finden sind, und an spektakulärer Bedeutung hinter den übrigen Festtagsausstellungen zurück. Als Lehrinstitution wird sie jedoch das Muster für manche Neugründungen, [287] donna del Baraccano in Bologna bestimmt. Der Auftraggeber ließ das gleiche Thema daraufhin von dem Bologneser Maler Cesar Aretusi von neuem malen. D. Heikamp in: Riv. d'Arte 32 Ser. 3, 1957, 7. S. 185 ff. Uber den Prozeß siehe Vincenzo Lanciarmi, Dei Pittori Taddeo e Federico Zuccari, in: Nuova Rivista Misena 6. 1893. 6/7, S. 103 ff. Dort S. 118 aus dem Protokoll über die Befragung von Federico Zuccaro vom 12. November 1581: «Int: an dictum quadrum fuit pubblice in aliquo alio loco positum in quo loco et qualiter. R. : Questo quadro non è stato in luogo publico se non che questi giorni passati, il giorno di S. Luca nella chiesa di S. Luca al monte S. Maria Maggiore, dove si fa la festa de noi altri pittori, fu portato questo quadro, et là da me fu interpretato come ho detto di sopra da gente che me ne dimandava tanto della professione quanto altra, massime che è costume fra noi altri pittori che li nostri giovani in tal solennità sogliono mostrare qualche cosa de novo et corno se incaminano nella professione.» Vgl. auch R. u. M. Wittkower (G. Kauffmann) 1965, S. 238ff. 288 In den Statuti dell'Università dei pittori von 1578 wird der Festschmuck für den Tag der Himmelfahrt Mariä und des Patrons St. Lukas angeordnet. (Missirini 1823, S. 42). Auch in den ersten Statuten von 1478 sind die üblichen Bestimmungen für die Festfürsorge getroffen; abgedruckt bei Eugen Müntz, Les Arts à la Cour des Papes . . . , 1882, Bd. 3, S. i o i f f . Die Kirche S. Luca presso Sa. Maria Maggiore wurde 1478 der Compagnia di S. Luca überwiesen. 1588 wurde ihr und der neu gegründeten Akademie die Kirche S. Martina übergeben. Vgl. Chr. Huelsen, Le Chiese di Roma nel medioevo, Firenze 1927, S. 299t. u. Armellini, Le Chiese di Roma, Roma 1942, Bd. 1, S. 239t. Mancini schreibt: «Et ultimamente nella chiesa dei Pittori, per la festa, si vedde un grandissimo paesaggio di un porto (von Paul Bril).» Nach Giulio Mancini, Considerazioni sulla pittura, ed. crit. di Adriana Marucchi, Accad. naz. dei Lincei, fonti e documenti inediti per la storia dell'Arte 1 , Roma 1956/57, voi. 1, S. 260, voi. 2, n. 1200.

Zusammenfassung

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unter denen die von 1648 in Paris, die Académie Royale de peinture et sculpture, infolge ihrer Monopolstellung als höchste Lehranstalt und Kunstinstanz des Staates und durch den systematischen Ausbau der Concours und der Ausstellungen bald den europäischen Primat übernimmt289. Ihr Einfluß wirkt auch in Italien auf die Accademia di San Luca zurück. Noch bevor 1677 die formelle Vereinigung beider Akademien beschlossen wird, ohne daß sich dadurch jedoch der Charakter der römischen grundlegend ändert, werden 1658 Poussin und 1672 Errard zu ihrem Principe gewählt. Die 1666 erfolgte Gründung der Académie de France greift erst seit 1778 durch die im Palazzo Mancini veranstalteten Ausstellungen mit Arbeiten der von der Pariser Akademie nach Rom gesandten Stipendiaten in das bestehende römische Ausstellungsleben ein290. Bemerkenswert ist, daß erst seit Ende des 17. Jahrhunderts und besonders seit 1702 wohl unter dem Eindruck der Pariser Concours die Preiskonkurrenzen in Rom sich stärker auszuprägen beginnen. Die weitere Ausbreitung des Akademiewesens in Italien bringt keine wesentlich neuen Impulse für das Ausstellungsleben. Die zahlreichen Neugründungen und Reorganisationen älterer Einrichtungen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits aus dem Geiste der Aufklärung auch in den kleineren Städten erfolgen, sind ein Teil jener großen Expansionsbewegung des Akademiewesens, die von Paris ausgehend sich über ganz Europa ausbreitet. Sie werden deshalb auch in diesem Zusammenhang behandelt291. Daß sich innerhalb dieses großen europäischen Rahmens in Florenz und Venedig während des 18. Jahrhunderts noch eine späte Blüte des italienischen Ausstellungslebens entfaltet, die sich in eigenen, auf der langen Tradition fußenden, gewissermaßen posthumen Formen darzustellen vermag, die andererorts nicht ihresgleichen haben, beleuchtet die allgemeine Situation der italienischen Kunst in dieser Zeit.

5. Zusammenfassung Das italienische Ausstellungsleben, das in diesem Kapitel in seinen wesentlichen Zügen zu rekonstruieren versucht wurde, erlebt seine eigentliche Ausformung und zugleich seinen Höhepunkt im 17. Jahrhundert. In seinen ver289

Kap. V , S. i 2 4 f f . ; A Dresdner 1915, S. 149ff.; N . Pevsner 1940, S. i o i f f . Henry Lapauze, Histoire de l'Académie de France à Rome, Paris 1924, Bd. 1, S. 365f.; N . Pevsner 1940, S. n o f f . ; Arnaud 1886, S. 40ff. Die Ausstellungen der Académie de France scheinen auch im internationalen Kunstleben besonders beachtet worden zu sein. Vgl. die kritischen Beschreibungen der Ausstellung von 1788 in: Monatsschr. d. Akademie d. Künste u. Mechanischen Wissenschaften zu Berlin 1788, Bd. 2, S. 2 3 7 f f . u. Museum f. Künstler u. Kunstliebhaber, Stück 6, Mannheim 1788, S. 95. « « Kap. V I , S. 184 ff. 290

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Die Anfänge der autonomen Ausstellungsformen in Italien

schiedenen Möglichkeiten und Abstufungen ist es ein Teil des barocken Gesellschaftskultes, der alle Kräfte der Bildung und der Repräsentation in ihrer autonomen Gestalt zur Dekoration der eigenen Lebenssphäre und zur Steigerung des Daseins in eine ideale Größe benutzt und für das ständig wechselnde Schaubild dieser umfassenden gesellschaftlichen Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit auch die Kunstausstellung als eine gemäße Ausdrucksform entwickelt. In dieser gesellschaftlichen Funktion wurzelt auch das Phänomen der Leihgabenausstellung historischer Kunst aus Privatbesitz, ein Brauch, der sich nirgendwo sonst in Europa in einem derartigen Ausmaß nachweisen läßt und nur in den altrömischen Pompae und Festspieldekorationen gewisse Parallelen zeigt 292 . Damit wird zum ersten Male unter dem Sammlungsaspekt der Kenner und Liebhaber und noch im natürlichen Verband mit dem zeitgenössischen Schaffen der Gedanke der Ausstellung alter Kunst aufgeworfen. Er entspringt noch nicht einem autonomen wissenschaftlichen Bedürfnis, historische Phänomene und Probleme anschaulich darzulegen, sondern er fungiert aus einer enzyklopädischen Weltsicht als spezifischer Bestandteil umfassender Bildungsvorstellungen. Von hier aus läßt sich auch die Ausstellungstechnik charakterisieren. Nicht viel anders als in den zeitgenössischen Sammlungen, Bilderkabinetten und Festräumen tritt ebenfalls in den Ausstellungen, nur lockerer und beweglicher, der flüchtigen Schauform entsprechend, das Bildwerk nicht isoliert in Erscheinung, sondern im Zusammenschluß der Einzelelemente zu einer höheren, im Sinnlichen faßbaren Einheit. Die ästhetischen Prinzipien des Schauzusammenhanges der großen italienischen Kunstausstellungen sind die gleichen, die für die niederländischen Gildenausstellungen festgestellt wurden. Sie unterscheiden sich nur insofern, als die engere Bindung an das Sammlungswesen und die Formen des Kunsthandels einen anderen, hauptsächlich vom Innenraum bestimmten Bezug entwickeln und damit auf begrenzterem Platz eine festere, gleichsam beständigere Ordnung widerspiegeln, während die italienischen teils freiräumlich, teils in halboffenen Räumen veranstalteten Ausstellungen im bunten Rahmen der festlichen Schaugepränge über eine breite Skala der Möglichkeiten vom Zufälligen, im Augenblick Angehäuften bis zur vollkommenen Illusion eines erwünschten Sammlungszusammenhanges verfügen. In einem viel umfassenderen Maße als in den Niederlanden wird in Italien zuerst «die Kunstausstellung als Organ des freien künstlerischen Wettbewerbs»293 und der anschaulichen Repräsentation von Bildungsvorstellungen entwickelt, die besonders in Rom durch die Vielfalt der Ereignisse bereits ein bestimmendes Element des Kunstlebens darstellt. Gegründet auf die freie Beweglichkeit des Bildwerkes und seinen autonomen ästhetischen Charakter gewinnt die Ausstellung

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S. 24 ff* A . Dresdner 1915, S. 149.

Zusammenfassung

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einen gewissen Selbstwert als Ausdrucksform des Verhältnisses der Gesellschaft mit ihren Wertvorstellungen und ästhetischen Anschauungen zur Kunst. Die in Italien und den Niederlanden aus den verschiedenartigen Wurzeln von Fest und Markt entstandenen Formen der Kunstausstellung erfüllen sich im 17. Jahrhundert. In der Folgezeit treten sie mehr und mehr hinter den neuen Möglichkeiten zurück, die sich im Rahmen des Akademiewesens ausbilden. Die neue Entwicklung der Akademieausstellung wird seit dem späten 17. Jahrhundert von Paris bestimmt und dehnt sich bald im Zuge der allgemeinen Verbreitung des kunstakademischen Erziehungsprogramms über Europa aus. Mit ihr verlagert sich zunächst das Schwergewicht aus den bisher führenden Kunstlandschaften in einen Bereich, der erst seit Anfang des 17. Jahrhunderts unter der nachhaltigen Einwirkung italienischer und auch niederländischer Kunst wieder zu einer eigenständigen künstlerischen Bedeutung gelangt. Auch für die neuen Ausstellungsformen gelten sowohl die italienischen wie die niederländischen als notwendige Voraussetzungen. Das römische Ausstellungsleben mit seinen autonomen und repräsentativen Zügen, die Akademie mit ihrer kulturpolitischen Mission und ihrem Erziehungsprogramm werden in neuer Weise ebenso in Paris aufgegriffen, wie die zuerst in den Niederlanden entwickelte Ausstellungstechnik der an den Innenraum gebundenen Darbietung der Kunstwerke. Das neue Kunstleben in Frankreich erhält durch seine Konzentration auf Paris, durch seine institutionelle Organisation und ideologische Ausrichtung als Faktor des absolutistischen Staatsprogramms eine so gänzlich neuartige Machtstellung, daß auch seine Ausstellungsformen in einem bisher noch nicht aufgetretenen Totalitätsanspruch die Öffentlichkeitswirkung der Kunst repräsentieren.

V DIE ACADÉMIE ROYALE DE PEINTURE ET SCULPTURE UND DAS A U S S T E L L U N G S L E B E N W Ä H R E N D D E S 17. U N D 18. J A H R H U N D E R T S I N P A R I S

i. Die Gründung und Aufgabe der Akademie Am 1. Februar 1648 wird in Paris die Gründung der Académie Royale de Peinture et Sculpture vollzogen. Die Statuten der neuen Institution lehnen sich eng an die Organisationsformen der zwei Generationen zuvor errichteten Akademien in Florenz und Rom an. Die neuen Statuten von 1655 werden mit den Worten eingeleitet: «A l'exemple de l'Académie de Peinture et Sculpture, dite de St. Luc florissante et célèbre à Rome294.» Dieser von einer kleinen Gruppe fortschrittlicher Künsder unter Führung des Malers Charles Le Brun ausgelöste Schritt zu einer Neuordnung des künsderischen Lebens in Paris führt einen scharfen Bruch mit der herrschenden Tradition herbei. Auch in Paris waren die Künstler zunftmäßig organisiert und in der Confrérie des maîtres peintres, sculpteurs, doreurs et vitriers zusammengeschlossen. Ohne an der in den benachbarten Niederlanden sich vollziehenden Entwicklung zu größerer künsderischer Freiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit teilzuhaben, bleibt die Pariser Künsderschaft bei nur geringfügiger Anpassung an die veränderten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in die überlieferten Organisationsformen eingebunden. Lediglich die für den König tätigen Künsder nehmen eine Sonderstellung ein. Die seit dem 16. Jahrhundert wachsende Bedeutung der von der Zunft unabhängigen und zum Teil dem königlichen Haushalt angehörenden «Royal Valets de Chambre» und «Brevitaires» mit ihrer durch Privilegien gesicherten Sonderstellung hat schließlich scharfe Auseinandersetzungen mit den Zunftmeistern zur Folge, die nun durch die von der fortschrittlichen Opposition gegen die Zunft erreichte Gründung einer königlichen Kunstakademie nach römischem Vorbild auf eine neue Ebene verlagert werden295. S»4 N . Pevsner 1940, S. 86. 295

Jules Guiffrey, Histoire de l'Académie de Saint-Luc. Archives de l'Art français, nouvelle Période, Tome I X , Paris 1 9 1 $ ; A . Dresdner 1 9 1 5 , S. n 6 f f . ; N . Pevsner 1940, S. 82ff.

Die Gründung und Aufgabe der Akademie Charles L e Brun, der 1646 aus Rom zurückkehrt und die dortigen Akademieverhältnisse aus eigener Anschauung eingehend kennt, wird für die neue Pariser Institution der eigentliche Schöpfer ihres künstlerischen Erziehungsprogramms. Bereits am 1. 2. 1648 beginnt L e Brun nach der feierlichen Konstituierung den akademischen Unterricht. Trotz dieses sichtbaren Erfolges der fortschrittlichen Künstlerschaft ist die Stellung der Akademie zunächst sehr unsicher. Geldmangel und Streitigkeiten der Künstler untereinander lähmen ihre Entfaltung ebenso wie die keineswegs günstigere soziale Position der Akademiker gegenüber den Meistern der Zunft. Diese Zeit der anfänglichen Schwäche benutzt die Confrérie zur Gründung einer eigenen Konkurrenzakademie unter dem Namen «Académie de Saint-Luc», die zunächst von dem renommierten Maler Simon Vouet geleitet wird und ihren Unterricht sogar kostenlos erteilt 296 . Erst die durchgreifende Reorganisation der königlichen Akademie, die 1664 durch den Surintendant des bâtiments Colbert abgeschlossen wird, gewährt ihr nun innerhalb des Pariser Kunstlebens das entscheidende Schwergewicht als höchste Instanz für alle Fragen der künstlerischen Gestaltung und Erziehung, der Kunsttheorie und Kunstkritik und der künstlerischen Repräsentation des Königshofes und damit zugleich des Staates 297 . Durch einen Parlamentsbeschluß wird am 14. 5. 1664 untersagt «à toutes personnes de quelque qualité et condition qu'elles soient d'établir des

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Simon Vouet erhält nach seiner Rückkehr aus Rom 1627 den Titel «Premier Peintre du Roi». Zwischen 1630 und 1640 ist sein Atelier im Louvre das Hauptzentrum der offiziellen Kunstschulung. Unter seinen Schülern befinden sich Eustache Le Sueur, Charles Le Brun, Pierre Mignard, Michel Corneille und André Le Nôtre. Welche Rolle Vouet bei der Gründung der Akademie gespielt hat, ist unklar; jedenfalls gehört er nicht zu den zwölf «Alten», die die Gründung vollzogen haben. Dagegen wird Vouet im Frühjahr 1649 zum «Prince» der Académie de Saint-Luc gewählt. Er war bereits 1624 in Rom Principe der Accademia di San Luca gewesen. Der Maler stirbt noch im Herbst 1649. William R. Crelly, The Painting of Simon Vouet, New Häven, London 1962, S. loff. Über die Geschichte der Akademie siehe N. Pevsner 1940, S. 82 ff. Sie ist in der einschlägigen Literatur oft behandelt, so daß auf eine in Einzelheiten gehende Darstellung verzichtet werden kann. Im vorliegenden Zusammenhang wird vor allem auf die Literatur und edierten Quellen zurückgegriffen, die für die Ausstellungen wesentlich sind. Für die allgemeine Geschichte der Akademie: Anatole de Montaiglon, Mémoires pour servir à l'histoire de l'Académie de peinture et de sculpture, 2 Bde. Paris 1853; Vitet, L'Académie royale de peinture et sculpture, Paris 1861. — Zur Entwicklung der Kunsttheorie in Frankreich siehe André Fontaine, Les Doctrines d'art en France de Poussin à Diderot, Paris 1909 und René Bray, La formation de la doctrine classique en France, Paris 1927. Für das 17. Jh.: H. Lemmonier, L'art français au temps de Richelieu et Mazarin, 2 e Ed. Paris 1913 ; von demselben Verfasser, L'art français au temps de Louis XIV, Paris 1 9 1 1 ; Werner Weisbach, Französische Malerei des 17. Jhs. im Rahmen von Kultur und Gesellschaft, Berlin 1932. — Als Quellenveröffentlichungen zu den Konferenzprotokollen der Akademie: H. Juin, Conférences de l'Académie royale de-peinture et sculpture, Paris 1883 und als Ergänzung dazu A. Fontaine, Conférences inédites de l'Académie royale de peinture et sculpture, Paris 1906. — Die Entwicklung der Kunstkritik in Frankreich im 17. u. 18. Jh. ist in der lebendigen Darstellung von A. Dresdner 1915 besonders in Kp. III «Die Pariser Kunstakademie und der Kampf um das Laienurteil» (S. 103 ff.) und für das 18. Jh. in Kp. IV «Die Begründung der modernen Kunstkritik» (S. 149 ff.), abgehandelt.

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Die Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

exercises publics dudit art de peinture et sculpture, de troubler ny inquieter ceux de ladite Académie royale dans leur établissement. 298 Damit ist die Konkurrenz vernichtet, und die Akademie besitzt das künstlerische Erziehungsmonopol. Die neue Stellung der Akademie gelangt in den Satzungen von 1663 bereits deutlich zum Ausdruck. Charles Le Brun wird als «Premier Peintre du Roi» auf Lebenszeit zum Kanzler der Akademie eingesetzt299. Die Mitglieder werden im Sinne einer Hochschulrangordnung gestaffelt, die zugleich alle notwendigen Verantwortungen für die repräsentativen Funktionen, für die Verwaltung und die Lehre festlegt. An der Spitze stehen der protecteur und viceprotecteur als staatliche Aufsichtsfunktionäre, dazu ein chancelier, 6 conseillers, ein secrétaire, der zugleich Protokollführer und Historiograph der Akademie ist, und ein trésorier. Leitung und Lehrfunktionen werden vom directeur, den 4 recteurs mit z adjoints und den 12 professeurs mit 8 adjoints ausgeübt. Es folgen die Mitglieder der Akademie, die Académiciens, und als unterste Klasse die agréés. Diese Rangordnung wird bis zur Revolution 1789 peinlich eingehalten und findet ihren sichtbaren Niederschlag in der Anordnung der Kataloge der Akademieausstellungen. Bei einer so bedeutenden Anzahl von Mitgliedern, die etwa um 100 schwankt, fällt es verhältnismäßig leicht, der Confrérie de Saint-Luc durch geschickte Auswahl alle bedeutenden Talente zu entziehen und sie auch auf diese Weise außer Konkurrenz zu setzen. Zudem hatte Colbert 1663 verfügt, daß alle Hofkünsder in die neue Akademie eintreten müßten, wenn sie nicht ihre Privilegien verlieren wollten300. Durch diese Maßnahmen erreicht Colbert, daß die Akademie, nach dem Vorbilde anderer staatlicher Institutionen in ihren Funktionen streng geregelt und in ihrem Aufbau zentralisiert, als «ein geschlossener Kunststaat der reinen Lehre» 301 die allein gültige Auffassung der Kunst zu vertreten imstande ist. Sie entwickelt die verbindliche Theorie, die als akademische Doktrin die maßgebende Grundlage der Lehre wird. Durch sie wird die Kunst als funktionierendes Element der absolutistischen Staatsmaschinerie eingegliedert und im Rahmen des merkantilistischen Wirtschaftsprogrammes in neuer Weise ökonomisch nutzbar gemacht. Dieser von der Pariser Akademie erhobene Anspruch auf die ausschließliche Repräsentanz der Kunst im Staate findet sich in den Instituten von Florenz und Rom noch nicht. Auf ihn gründet sich aber auch die gänzlich neue Bedeutving, die die Ausstellungen der Akademie für das Kunstleben gewinnen.

2 9 8 J. Guiffrey, Saint-Luc 1915, S. 13. 299 D i e s e U nd spätere Satzungen, ihre Zusätze und Redaktionen, sowie alle Akademieprotokolle in den Procès-verbaux de séances de l'Académie royale de peinture et sculpture, publ. par A. de Montaiglon, 10 Bde. Paris 1875 ff. zusammengefaßt. G. van der Kemp u. a., Charles Le Brun 1619 — 1690, Katalog der Ausstellung, Château de Versailles 196}, S. LVII. 300 n . Pevsner 1940, S. 86 ff. 3 0 1 A. Dresdner 191J, S. iioff.

Die Akademieausstellungen unter Ludwig XIV

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2. Die Akademieausstellungen unter Ludwig X I V a) Ihre Geschichte In den Statuten von 1663 wird erstmalig die Veranstaltung von Ausstellungen verfügt. A m Tage der Generalversammlung der Akademiker, an dem auch die Neuwahlen der Würdenträger stattfinden, am ersten Sonnabend im Juli, soll jedes Mitglied ein Werk seiner Hand für einige Tage zur Dekoration des Akademiesaales zur Verfügung stellen und es nach Beendigung der Feierlichkeiten wieder zurücknehmen302. Die Verwirklichung des Artikels 25 der Statuten stößt zunächst auf Schwierigkeiten. Die Künstler schieben einsichtige Gründe vor, kein Werk für den Tag der Generalversammlung vorzeigen zu können, so daß 1664 noch keine Ausstellung zustande kommt. Der tiefere Grund dieses Mißerfolges administrativer Planung ist wohl in der für die französischen Künstler ungewohnten Form der von der römischen Akademie entliehenen Neuerung zu sehen303. Dieses vorgefaßte Mißtrauen gegen derartige als Festdekoration begründete Ausstellungen läßt sich noch einige Zeit feststellen. Es zeigt deutlich, daß die Künstler keineswegs erpicht sind, ihre Werke in einem solchen Rahmen der Kollegenkritik auszusetzen, zumal sie aus dem rein repräsentativen Unternehmen keinen wirtschaftlichen Nutzen ziehen können. Erst mit der Hinzunahme der Öffentlichkeit zu den Ausstellungen und deren wachsendem Interesse an derartigen Veranstaltungen gewinnen auch die Künstler Zutrauen zu der neuen Demonstrationsform. 1665 kommt schließlich verspätet im September die erste Ausstellung zustande. A m 28. 9. wird der trésorier Beaubrun beauftragt, Wand-

Artikel 25 : «Il sera tous les ans fait une assemblée générale dans l'Académie, au premier samedy de Juillet, où chacun des officiers et académiciens seront obligez d'apporter quelque morceau de leur ouvrage, pour servir à décorer le lieu de l'Académie quelques jours seulement et après les remporter si bon leur semble, auquel jour se fera le changement et élection des dits officiers, si aucuns sont à élire dont seront exclus ceux qui ne présenteront point de leurs ouvrages et seront conviez les Protecteurs et Directeurs d'y vouloir assister.» Vitet, L'Académie royale de peinture et sculpture, Paris 1861, S. 270; Pierre Marcel, Notes sur le six Expositions du règne de LouisXIV., in: Chron. des Arts et de la Curiosité, 2. 1904, S. 11; André Fontaine, L'origine des Salons, in: Revue bleue, 1910, S. 625. Neben dieser Veranstaltung besteht schon seit den Statuten von 1655 der sog. concours, der am 17. Oktober alljährlich am Abend des St. Lukastages stattfindet und an dem von den Arbeiten der gestellten Preisaufgabe, «un sujet général sur les actions heroiques du Roi», die die Akademieschüler in Form einer Zeichnung zu liefern haben, die beste ausgewählt wird. Der auserwählte Student hat binnen drei Monaten nach seiner Zeichnung ein Gemälde anzufertigen, das dann entsprechend seiner Güte mit einem prix d'honneur ausgezeichnet wird. Aus diesem Schülerfest entwickelt sich 1665 der «Concours pour la pension de Rome», die wesentliche Grundlage für die Académie de France in Rom. Guiffrey, Saint-Luc, 1915,8. 11. 303 Vgl. S. 116 ff. Lorenzo Bernini gibt der Akademie anläßlich seines Aufenthaltes in Paris 1665 viele Ratschläge. Er empfiehlt auch ihre Unterbringung im Louvre und die Einrichtung eines ständigen Ausstellungssaales für die Arbeiten hervorragend tüchtiger und preisgekrönter Schüler. Siehe Tagebuch des Herrn von Chantelou über die Reise des Cavaliere Bernini nach Frankreich, deutsch v. Hans Rose, München 1919, S. 162ff. u. 197. 302

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Die Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

teppiche zur Ausschmückung des Saales zu besorgen. Danach kommen die Künstler Bourdon, van Opstal, Champaigne, Mignard, Legendre, de Marsy und de Sève d. Ä. zusammen, um die Hängeordnung der Bilder, ein vermutlich schon damals heikles Geschäft, festzulegen304. Nach den bisherigen Erfahrungen verfügt Colbert am 19. 1. 1666, daß alle zwei Jahre eine Ausstellung in der Akademie veranstaltet werden soll. 1667 findet die nächste Ausstellung statt, der Beschreibung nach ein glanzvolles Unternehmen, das am 9. April durch Colbert eröffnet und einer eingehenden Besichtigung unterzogen wird 305 . Vermutlich hat zu dieser Ausstellung bereits die Öffentlichkeit, zunächst wohl nur die Hofgesellschaft, Zutritt erlangt. Die Ausstellung dauert bis zum 23. April. Die folgenden Ausstellungen finden 1669, 1671, 167} und wohl auch 1675 statt. Das Interesse der Akademiemitglieder ist gering, und sie entledigen sich im wesentlichen nur einer Statutenpflicht. Colbert mahnt 1669, daß alle Künstler sich gemäß der Statuten beteiligen sollen. 1673 erfolgen Verschiebungen der Termine von Ostern auf Pfingsten, schließlich wird die Ausstellung im Juni eröffnet, obwohl 45 Künstler keine Werke eingeliefert haben306. Zwischen 1677 und 1699 scheinen keine Ausstellungen stattgefunden zu haben. Streitigkeiten unter den Akademikern sind der Gründung eines Schlichtungsausschusses 1681 zufolge die Ursachen. Am 30. 8. 1681 ist die Beteiligung an der Ausstellung, die im Hofe des Hôtel Brion aufgebaut wird, so dürftig, daß auf Colberts Anordnung der traurige Anblick wieder entfernt wird. Die katastrophale Finanzlage der folgenden Jahre unterbindet weitere Vorhaben. Louvois, der nach dem Tode Colberts 1683 die Akademie betreut, gibt sich damit zufrieden, den Schülern kostenlosen Unterricht zu gewähren. 1683 findet lediglich eine Preisverteilung statt. Erst unter dem neuen Protecteur Jules Hardouin-Mansart werden die alten Zustände wieder hergestellt, und 1699 wird eine glanzvolle Ausstellung veranstaltet, die zum ersten Male die Räume des 304

A . Fontaine in: Revue bleue 1910, S. 626. Die Bilder bleiben bis Ende April 1666 hängen. Siehe die Beschreibung S. 129. Nach P. Marcel in: Chronique des arts et de la curiosité, 1904. 2, S. 1 1 , hat auf Grund einer Bemerkung in den Procès-verbaux I, S. 319, die Öffentlichkeit zu dieser Ausstellung bereits Zutritt. 3«8 Über die Ausstellungen der Ära Ludwigs X I V . siehe die zusammenfassenden Arbeiten von Pierre Marcel, Notes sur le six Expositions du règne de Louis X I V . , in: Chronique des arts et de la curiosité, 1904. 2, S. 1 0 — 1 3 , u - 3> S. 19—20; André Fontaine, L'origine des Salons, in: Revue bleue, 1910, S. 623—630; La première exposition de Peinture au Louvre, en 1699, i f l : Le Magasin Pittoresque, 18. 1850. 39, S. 305—307; Gosselin, Histoire anecdotique des Salons depuis 1673, P 3 " 5 1 8 8 1 ; Jules Guiffrey, Collection des Livrets des anciennes expositions depuis 1673 jusqu'en 1800, Bd. 1 — 5 , Paris 1869—72; ders., Notes et documents inédites sur les expositions du i 8 m e siècle, Paris 1 8 7 3 ; vgl. auch A . Dresdner, 1 9 1 5 , S. 1 5 1 u. S. 32of. Anm. 5.; Jean Seznec u. Jean Adhémar, Diderot Salons, Vol. I, 1 7 5 9 , 1 7 6 1 , 1 7 6 3 , Oxford 1957, S. i f f . , einführende Übersicht über die Ausstellungen. Die Schwankung zwischen 6 (Marcel) und höchstens 10 (Fontaine u. Guiffrey) Ausstellungen erklärt sich daraus, daß ein Teil der Veranstaltungen lediglich in den Akademieprotokollen erwähnt wird, sonst aber keinen Niederschlag findet. Diese Tatsache beleuchtet hinreichend, wie wenig populär diese Unternehmungen waren. 305

Die Akademieausstellungen unter Ludwig X I V

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Louvre bezieht und in der Grande Galerie aufgebaut wird. Sie dauert vom 20. 8. bis zum 16. 9. Die nächste Ausstellung wird erst 1704 wieder veranstaltet. 1706 öffnet die Akademie anläßlich der «Fête du Roi» am 25.8. ihre Räume und zeigt das Vorhandene. Der Tod Ludwigs XIV. und die wachsenden politischen Schwierigkeiten der Regentschaftsperiode des Herzogs von Orléans unterbrechen den Ausstellungsbetrieb vollends, und erst nach dem siegreichen Abschluß des polnischen Erbfolgekrieges wird er von neuem aufgenommen.

b) Ort und Technik der ersten Akademieausstellungen Die ersten Ausstellungen werden bis in die 90er Jahre ausschließlich im Hôtel Brion veranstaltet, das als Teil des Palais Royal von Colbert 1660 der Akademie überlassen wird, und das mit seiner Galerie über den geeigneten Raum für die Versammlung der Akademiker und auch für die Ausstellung verfügt 307 (Abb. 51). 1671 reichen offenbar die Räume der Akademie nicht mehr aus, die Ausstellung wird auf den Hof des Palais Royal verlegt, der eigens vom König für diesen Zweck freigegeben wird. Freilich wird im «Mercure» darüber geklagt, daß die Ungunst des Aprilwetters dieser Freiraumausstellung schade308. Wohl aus diesem Grunde wird die Ausstellung von 1673 auf den Juni verschoben. Erst seit 1699 bezieht die Ausstellung wieder den Innenraum, jetzt den Louvre, den sie auch für die folgenden hundert Jahre nicht wieder verläßt. Die Unterbringung der Ausstellungsstücke im Innenraum stößt zunächst im 17. Jahrhundert auf gewisse Schwierigkeiten, die sich besonders deutlich dort zeigen müssen, wo bestehende Wohn- und Repräsentationsbauten, wie etwa das Palais Royal, in ihren Räumen infolge der reichen Innendekoration der durch Pilasteranordnungen, plastischen Schmuck, Stuckierung und Wandbilder, durch Kamine und Spiegel gegliederten Wände keine beliebige Hinzufügung von Gemälden und Skulpturen duldet. In diesem Falle ist es wohl nur mit Hilfe umfangreicher Teppichverkleidungen möglich, den Grund für eine so dichte Hängung der Gemälde zu schaffen, wie sie aus der Beschreibung der Ausstellung von 1667 ersichtlich wird: « . . . un grand Salon rempli magnifiquement du plus excellents tableaux entourés de riches bordures dorées qui brillaient d'un merveilleux éclat. Tout le lambris du Salon et la corniche étaient remplis des plus beaux tableaux des réceptions jusqu'au parterre, où étaient posées sur des chevalets

307 308

Pierre d'Espezel, L e Palais-Royal, Paris 1936, S. 78. P. Marcel in: Chronique des arts . . . 1904. 2, S. 1 1 . A n gleicher Stelle wird eine Notiz aus dem Mercure zitiert, die sich deutlich über die Ungunst des neuen Ausstellungsortes ausläßt: « . . . mais comme ils estaient dans une cour où ils avaient à craindre les injures des temps (April I) qui obligaient souvent à les retirer, l'usage de cette feste avoit esté insensiblement aboly.»

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Die Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

plusieurs de ces considérables pièces, pour être mieux en leur jour. L'entrée de ce Salon remplissait à l'abord l'esprit de vénération et de respect309.» Einer derartig kostspieligen und mühevollen Umgestaltung der Innenräume konnte man bis zu einem gewissen Grade durch die Verlegung der Ausstellung ins Freie aus dem Wege gehen. Denn hier bietet die Architektur auch bei reicherer Gliederung einen neutraleren Rahmen, vor dem die ausgestellten Bilder und Skulpturen sich besser behaupten können. Daß diese freiräumliche Aufstellung, die ja hinreichend aus Rom bekannt war, für den klimatisch ungünstigeren Norden nur eine Zwischenlösung bedeuten kann, wird aus der Zeitungsklage deutlich. Der Louvre gewährt dagegen mit der Grande Galerie die willkommene Möglichkeit, auch größere Bestände auszustellen. Für die Ausstellung von 1699 wird von der Galerie mit einer Gesamtlänge von 442 m der wesdiche, den Tuilerien zugewandte Teil von etwa 185 m Länge durch Scherwände abgetrennt. Da nur die Deckenwölbung Stuck und Malereien trägt und die Wände über einem Holzsockel lediglich mit Teppichen geschmückt sind, stößt die Hängung auch größerer Bildermengen auf keine sonderlichen Schwierigkeiten310. Über die Anordnung der Ausstellungen im einzelnen gibt zunächst die Beschreibung des Henri Testelin von 1667 Auskunft. In der schon bekannten Art des Bilderteppichs werden die Wände dicht behängt. Die Gemälde sind mit prächtigen Goldrahmen versehen. Besonders hervorragende Werke werden auf Staffeleien frei in den Raum gestellt. Diese hier zum ersten Male feststellbare Heraushebung von «Ausstellungsschlagern» beherrscht seitdem die Ausstellungstechnik und tritt besonders im späten 19. Jahrhundert häufig in ähnlicher Weise auf. Die Aufstellung auf dem Hof des Palais Royal wird in ihrem dekorativen Zusammenhang naturgemäß lockerer gewesen sein. Sie läßt sich indirekt aus der Reihenfolge der Werke in dem frühesten gedruckten Ausstellungskatalog von 1673 erschließen311.

Aus dem V o r w o r t der Sentiments des plus habiles peintres du temps sur la practique de la peinture, Paris 1680, des Henri Testelin, der auf Befehl der Akademie in der Ausstellung ein Bildnis L u d w i g s X I V . zeigt, zitiert nach A . Fontaine in: Revue bleue 1 9 1 0 , S. 626. 3 1 0 Christiane Aulanier, La Grande Galerie au Bord de L'Eau. Histoire du Palais et du Musée du Louvre, Paris o. J., S. 6, 1608 ist der Galeriebau vollendet. Über die Ausstattung S. 8f. Zu den 93 Wandteppichen, die ursprünglich die Wände der Galerie schmückten, siehe Madelaine Jarry, Tapis Louis X I V du mobilier national commandés à la «Savonnerie» pour la Grande Galerie du Louvre, in: G . d. B. A . 104. 1962, S. 65ff. 311 V g l Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 1, Nr. 1, S. 31 — 36. Der Reihenfolge des Kataloges nach werden die Werke w o h l im Sinne eines Rundganges aufgestellt sein. Eine feste Ordnung im einzelnen läßt sich nicht feststellen. V g l . A . de Montaiglon, Le livret de l'exposition faite en 1673 dans la cour du Palais-Royal, reimprimé avec notes par . . . , Paris 1852. Dieser Veröffentlichung ist eine Studie über den Ausstellungsort beigegeben. Die Abhandlung v o n Montaiglon ebenfalls in der Revue universelle des Arts, 9. 1859, S. 229ff. abgedruckt. Dazu auch Eudore Soulié, L'exposition de la cour du Palais-Royal en 1673, in: L'Artiste, 5. 1 8 5 0 . 1 3 , S. 1 9 3 ff. 309

Die Akademieausstellungen unter Ludwig X I V

Die Anordnung der Ausstellung von 1699 in der Grande Galerie des Louvre kann bis in Einzelheiten aus dem Vorwort und der Abfolge der Werkbeschreibungen im Katalog rekonstruiert werden. Außerdem gibt es erstmalig von dieser Ausstellung Stichansichten, die das Gesamtbild anschaulich vervollständigen können 312 . Die lange, schmale Galerie von etwa 185 m Länge schreibt durch die rhythmische Abfolge von schmalen Wandflächen und Fenster- beziehungsweise Türnischen eine feste Ordnung vor. Die Wände, im Katalog als «trumeaux» bezeichnet, werden mit Wandteppichen aus der Gobelinmanufaktur gleichmäßig überzogen, ebenso die abschließenden Scherwände. An der einen Scherwand links vom Eingang ist ein großer Thronbaldachin von grünem Samt mit reichen goldenen und silbernen Tressen und Fransen über einem erhöhten, teppichbelegten Podest angebracht. An der Rückwand unter dem Baldachin hängen die Bildnisse Ludwigs XIV. und des Dauphin. Zu beiden Seiten der Galerie folgen die Apostelteppiche nach den Kartons von Raffael. Vor ihnen wird lediglich Plastik aufgestellt, um die berühmten Gobelins sichtbar zu lassen. Auf den folgenden trumeaux werden die Bilder in mindestens drei Reihen übereinander auf die Teppiche gehängt. Jeder trumeau wird in sich möglichst symmetrisch gegliedert und bildet einen wohlgefügten Dekorationsorganismus. In den Fenster- und Türnischen werden Plastiken aufgestellt. In der Mitte der Galerie steht eine kleine Reiterstatue Ludwigs XIV. von Girardon, ihr gegenüber am anderen Ende der Galerie eine plastische Gruppe, Adam und Eva, von Renaudin. An der dem Thronbaldachin gegenüberliegenden Scherwand hängt das Bildnis des Protecteur der Akademie, des Architekten Mansart. Zu beiden Seiten folgen an den ersten trumeaux zwei Gobelins mit Darstellungen aus der Geschichte Scipios nach Entwürfen von Giulio Romano. Sie werden entsprechend den Raffael-Teppichen sichtbar gelassen, «à cause de son extrême beauté», wie der Katalog vermerkt, zugleich aber auch als programmatische Dokumentation der akademischen Kunstlehre. Die Wände der Fensternischen sind zum Teil mit Graphiken geschmückt. Die Arbeiten der einzelnen Künstler hängen meistens zusammen, so daß der Katalog in der Art eines Rundganges vom Thronbaldachin beginnend zunächst die 21 trumeaux nach der Seite der Place du Carrousel abschreitend jeweils unter der Überschrift des Künstlernamens und der Bezeichnung des trumeau die Werke aufzählt. Unter den bildlichen Darstellungen gibt der Stich in einem Almanach von Langlois aus dem Jahre 1700 in Gestalt einer ornamentalen Vignette unter dem Titel einen Blick in die Galerie, ohne in der Wiedergabe der Einzelheiten des Raumes oder der Ausstellung getreu zu sein (Abb. 52b). Lediglich die Reiter312

Liste des Tableaux et des ouvrages de sculpture exposez . . . en la présente année 1699, in: Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 1, Nr. 2, S. n f . Dort auch S. j f . bibliographische Bemerkungen zu den bildlichen Darstellungen. Abbildungen bei Chr. Aulanier, La Grande Galerie . . . S. 10 u. Abb. 10 u. 1 1 .

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Die Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

statue von Girardon scheint in der Mitte der Galerie zu stehen. Trotz der schematischen Auffassung läßt sich doch die in sich geschlossene Hängung der einzelnen trumeaux erkennen 313 . Die zweite Ansicht der Ausstellung von 1699 besitzt für die Schilderung des Ortes eine größere Glaubwürdigkeit (Abb. 52a). Der Thronbaldachin, nur mit einem Ovalbildnis und einem Sessel darunter gegeben, schließt die Galerie ab. Die unter den in dekorativer Ordnung gehängten Bildern befindliche Gobelindekoration ist überall sichtbar und wird am vorderen Bildrand besonders deutlich gezeigt. Dort sind einige Männer damit beschäftigt, ein großes Gemälde über einen Bildteppich zu hängen. In den Fensternischen stehen Portraitbüsten auf hohen Sockeln. Für die auf gute Sicht berechnete Ausstellungstechnik ist besonders bezeichnend, daß die oberen Bilderreihen entsprechend ihrer Größe und Höhe abgewinkelt werden. Die Ausstellung von 1704 bietet ein ganz ähnliches Bild der Anordnung. Die trumeaux werden zur leichteren Benutzung des Kataloges mit römischen Ziffern versehen. Unter dem Thronbaldachin hängen in dieser Ausstellung die Bildnisse des Königs, des Dauphin, des Duc de Bourgogne und des Duc de Bretagne. Zu beiden Seiten des Thronsessels stehen zwei Fackelstühle «à l'antique», auf ihnen Bronzevasen, Modelle für die Marmorausführungen für Versailles mit der Darstellung des Triumphes der Thetis. Es folgen zu beiden Seiten je drei Bildnisbüsten hervorragender Staatsbeamter von Coysevox. In der Mitte der Galerie stehen eine Bronzegruppe, der Raub der Proserpina von Girardon, und eine kleine Bronzekopie des Reiterstandbildes von Ludwig XIV., das bis 1792 auf der Place Vendôme stand. Die Bezifferung der trumeaux geschieht nicht im Sinne eines Rundganges, sondern die sich gegenüberliegenden Wände erhalten dieselbe Nummer und werden im Katalog nur nach der Lage der Galerie unter313 D i e beiden abgebildeten Darstellungen der Ausstellung von 1699 stellen ebenso wie eine dritte, die dem Verfasser unbekannt geblieben ist, (nach Guiffrey Coll. des. Livrets 1. 2, S. 5—6) Illustrationen dar, die 1700 in Pariser Almanachen erschienen sind. Guiffrey zählt sie mit den dazugehörigen Titeln auf: Abb. 52 a aus einem Almanach von 1700 herausgegeben von Langlois und Trou vain mit dem Titel: «Exposition des Ouvrages de peinture et de sculpture par Messieurs de l'Académie, dans la galerie du Louvre en Septembre.» Abb. 52b aus einem Almanach von 1700 herausgegeben von Langlois. Hier der Titel im Rahmen der Vignettenbildform : «Exposition des Tableaux des Peintres de l'Académie dans la grande Galerie du Louvre depuis le 2 jusquau 22 Septembre 1699.» Die dritte bei Guiffrey zit. Darstellung aus einem Almanach von 1700 herausgegeben von G . und F. Laudry mit folgendem Titel: «La grande gallerie du Louvre ornée de tableaux des plus fameux paintre (siel) modernes pour la feste ST.-Louis par l'ordre de M . Mansart surintendant des bâtiments du Roi, de 2 e jusqu'au 22 septembre 1699.» Aus dieser genauen Bezeichnung der Darstellungen wird deutlich, wie unmittelbar der Ereignisbericht trotz unverkennbarer Stilisierung beabsichtigt ist. Guiffrey bezeichnet die Abb. 52a als «C'est la plus exacte, ou plutôt c'est la seule exacte». Um so verwunderlicher berührt die Bedenkenlosigkeit von Francis, Henry Taylor, The Taste of Angels, Boston 1948, der den Stich Abb. 52a unter dem Titel: «The Vernissage of the Cabinet du Roy (1669 or 1681 ?)» usw. veröffentlicht (Abb. zu S. 385).

Die Akademieausstellungen unter Ludwig X I V

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schieden, z u m Beispiel « T r u m e a u I I I sur la c o u r , . . . sur l'eau». Wieder beschließt ein Bildnis des Protecteur, diesmal eine Bronzebüste v o n Mansart, die Galerie. I m H o f am F u ß e der T r e p p e werden noch vier gewaltige Gemälde v o n J o u v e n e t und Corneille, jedes v o n 20 F u ß (über 6 m) L ä n g e , ausgestellt, die sich in der Galerie nicht unterbringen lassen 3 1 4 . D i e wenigen Ausstellungen v o n 1 6 6 7 bis 1 7 0 4 zeigen eine deutliche E n t wicklung der Ausstellungstechnik. Zunächst ist das Gesamtbild als dicht gehängter Bildersaal nur gering v o n einem Sammlungsraum der Z e i t unterschieden. D i e Veranstaltungen im H o f des Palais R o y a l bilden als Freiraumausstellungen einen Sonderfall; sie werden in der gewissen Lockerheit der Z u s a m m e n o r d n u n g den römischen Festtagsausstellungen geähnelt haben. E r s t mit dem E i n z u g in die G r a n d e Galerie des L o u v r e ändert sich das Gesamtbild der Ausstellung. Sie w i r d nun in ihrem A u f b a u v o n dem P r o g r a m m , das dieAkademie in ihr demonstriert, bestimmt. D u r c h Königsfamilie i m

die hervorgehobene

Zusammenhang

mit

dem

Plazierung

der Bildnisse

Thronbaldachin

und

des

der Pro-

tektors der A k a d e m i e sowie durch die besondere Herausstellung der Portraits hoher

Staatsbeamter w i r d ein

Bedeutungsrahmen

geschaffen, der die

Aus-

stellung als Staatsakt betont. A u c h die auffällige Position der Teppiche nach 314

Liste des Tableaux et des ouvrages des sculpture exposez . . . en la présente année 1704, in: Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 1, Nr. 3. Aus der Beschreibung der Ausstellung im Vorwort des Kataloges (S. 4 ff.): «La partie de la Gallerie employée à la décoration, est de 1 1 0 . toises de long, & a de chaque costé entre les croisées 17. trumeaux ornez de tapisseries, & numérotez sous la corniche en chiffres Romains, où sont rangez les Ouvrages de Peinture, Se au milieu de la Gallerie, devant les Trumeaux & dans les embrasures des croisées, les Ouvrages de Sculpture. A l'un des bouts vers la Tuilleries, sous un riche dais de velours vert, & au dessus d'une estrade couverte d'un tapis, est le Portrait du R O Y en pied, ayant à sa droite le portrait de Monseigneur le D A U P H I N , & à sa gauche, celuy de Monseigneur le Duc de B O U R G O G N E . Sur le fauteüil de l'estrade est le portrait de Monseigneur le Duc de B R E T A G N E . Ce fauteüil est accompagné de deux grandes torcheres à l'antique, sur lesquelles sont deux vases de bronze de Monsieur Girardon. Ces trois premiers Tableaux sont peints par Monsieur Rigaud, & le dernier par Monsieur Gobert. Dans les embrasures des trois premieres croisées de chaque costé sont placez, six Bustes montez sur leurs scabellons, qui sont les portraits de feu Monseigneur le Prince de Condé: & de Monsieur le Maréchal de Turenne: de Monsieur le Maréchal de Vauban, & de Monsieur le Chevalier de la Valliere: de Monsieur de Cotte Cotrolleur des Bâtiments & de Madame de la Ravois, faits par Monsieur C O Y S E V O X , Directeur & l'un des quatre Recteurs de l'Académie. Dans le milieu de la Gallerie entre les secondes croisées, il y a un grand grouppe de bronze de trois figures représentant Pluton qui enleve Proserpine sur un pied d'estal qui a servi de modele à celuy que Monsieur Girardon a fait de marbre en grand à la colonade de Versailles : E t plus bas entre les troisièmes croisées, est la Statue Equestre du Roy en bronze, qui est une copie en petit de celle qui est à la place de Vendôme, elle est montée sur un pied d'estal & est accompagnée de deux vases de bronze sur leur scabellons. Ces Ouvrages sont de Monsieur G I R A R D O N Chancelier & l'un des quatre Recteurs de l'Académie. Les Vases sont modeles de ceux qu'il a faits de marbre en grand pour Versailles sur lesquels est representé le Triomphe de Thetys.» E s folgt nun nach der Reihenfolge der trumeaux die Aufzählung der ausgestellten Werke.

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Die Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

den Kartons von Raffael und den Entwürfen Giulio Romanos kehrt nun von der künstlerischen Seite ein Prinzip der akademischen Kunstauffassung besonders hervor. Uber diese offensichtliche Repräsentanz der Akademie als staatliche Institution und ihrer Kunstdoktrin hinaus wird auch mit der verschwenderischen Ausstattung der Wände durch Gobelins ein eigener Zweck verfolgt. An sich ist die Verwendung von Teppichen als Untergrund für Gemälde nicht neu und vermutlich bereits aus den Ausstellungen der Virtuosi im Pantheon zu Rom und aus den Festdekorationen geläufig. Auch in der ersten Akademieausstellung von 1667 wird mit der Teppichdekoration gearbeitet. Nun aber in den Ausstellungen von 1699 und 1704 findet die Verwendung von Gobelins eine eingehende Erwähnung in den Katalogen; besonders wichtige Stücke werden gezeigt. Mit dieser Darbietung des Teppichdekors wird ein wesentliches Gebiet der französischen Kunstindustrie mit in die Ausstellungen einbezogen. 1667 wird die Manufacture Royale des meubles de la couronne im Hause der Gobelins gegründet. Colbert ist auch hier der große Organisator und Charles Le Brun anfangs ihr künstlerischer Leiter. Durch diese enge Verbindung von Akademie und Manufaktur wird der so scheinbar überflüssige Aufwand genügend begründet, zumal die Erzeugnisse der Gobelinmanufaktur sehr bald den europäischen Markt in Konkurrenz zu den flämischen Werkstätten erobern 315 . Die beiden Ausstellungen von 1699 und 1704 können durchaus in der dekorativen Einheit und der inneren Konsequenz ihres Aufbaues als ein künstlerisches Ganzes aufgefaßt werden, nicht anders als die großen Festdekorationen der Zeit. Dieser Wille zur einheitlichen künstlerischen Dekorationsgestalt der Ausstellungen findet auch organisatorisch seinen Niederschlag in der Wahl eines tüchtigen Akademikers, dem nach römischen Vorbild die Dekoration und Anordnung der Ausstellung obliegt. Meistens wird sein Name am Ende des Kataloges vermerkt 818 . c) Die Bedeutung der ersten Akademieausstellungen Die Ausstellungen werden nach Vorschrift der Satzungen von dem Surintendant des Bâtiments angeordnet und ihre Eröffnung auf den 25. August, den Tag der Fête du Roi, festgelegt. Die anfangs erfolgte Ausstellungseröffnung am Tage 315

318

H. Havard u. M. Vachon, Les Manufactures nationales: Les Gobelins, La Savonnerie, Sèvres, Beauvais. Paris 1889; J.-J. Guiffrey, Les manufactures nationales des Gobelins et de Beauvais, Paris 1907; Maurice Fenaille, Etat général des tapisseries de la manufacture des Gobelins depuis son origine jusqu' à nos jours. Période Louis XIV 1662—1699, Paris 1903. Die Kataloge von 1699 und 1704 schließen: «Le tout décoré par le soins de Monsieur Hérault (Conseiller de l'Académie).» Siehe auch Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 5, Anhang: Table Générale . . . précédé de notes sur les anciennes expositions, S.XVIIff., «Local des expositions», u. S.XXVIIIff. «Tapissiers et décorateurs des expositions.» Allerdings dort nur kurze Behandlung der ersten Ausstellungen. Uber die Aufgaben des Tapissier siehe auch J. Seznec u. J. Adhémar, Diderot Salons I, I9J7, S. 2f.

Die Akademieausstellungen unter Ludwig X I V

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der Generalversammlung der Akademie Anfang Juli, wie es in den Satzungen von 1663 festgesetzt wurde, entspringt vermutlich der Anlehnung an die Bräuche der Akademie in Rom. Aber seit 1673 wird die Ausstellung in den August verlegt. Ihr Anfangstermin ist oftmals schwankend, teils vor dem Saint-Louis, verschiedentlich erst im September wie etwa 1704. Seit 1746 findet dann bis 1791 die Eröffnung der Ausstellung regelmäßig am 25.August, demSaint-Louis-Tage, statt. Mit der Festlegung des Eröffnungstermins um die Zeit des königlichen Namenstages und mit der Anordnung der Ausstellung durch den Kultusminister werden diese Veranstaltungen zu einem Staatsakt, der in den beiden großen Ausstellungen von 1699 und 1704 noch dadurch eine besondere Bedeutung erhält, daß er Bestandteil größerer Hoffestlichkeiten ist, die 1699 anläßlich der Errichtung des Reiterstandbildes Ludwigs XIV. auf der Place de Vendôme und 1704 anläßlich der Geburt des Duc de Bretagne veranstaltet werden. Diesem feierlichen Rahmen entspricht auch die Verfügung des Königs, die Ausstellungen in der Grande Galerie des Louvre abzuhalten. Der Akademie waren bereits 1692 durch königliche Order im Louvre Räume zugewiesen worden 317 . Dieser offiziellen Rolle gemäß werden nun die Ausstellungen in die festlichen Dekorationselemente des Thronbaldachins, der Bildnisse des Königs und der Mitglieder seiner Familie, des Protektors und der Staatsminister eingebunden. Die Ausstellung als Staatsakt und Teil offizieller Hoffeierlichkeiten, als Demonstration einer an die Staatsraison gebundenen Kunstauffassung, als Repräsentation des königlichen Willens zur Pflege und Nutzung der Künste, alle diese Wesenszüge verleihen ihr einen gänzlich neuen zweckgerichteten Sinn, den die gleichzeitigen Formen der Kunstausstellung in Italien als Äußerungen eines freieren Kunstlebens nicht besitzen. Diesem einzigartigen Charakter als ein Instrument staatlicher Kulturpolitik verdankt die Akademieausstellung auch ihre beherrschende Stellung, die sie in der Ära Ludwigs XIV. zunächst als neugeschaffenes Faktum, als Repräsentationsäußerung der durch die Akademie vertretenen offiziellen Auffassung vom gegenwärtigen Kunstschaffen gewissermaßen a natura besitzt. Ihre volle Wirkung entfaltet sie freilich erst zu dem Zeitpunkt, als sie diesen Anspruch auf die allein maßgebliche Formulierung der 317

In den Procès-verbaux de l'Académie Royale de Peinture, 15. mars 1692: «Ce jourd'hui quinzième de mars 1692, l'Academie s'étant assemblée pour la première fois dans l'appartement qui luy a été concédé par le Roy pour son logement au lieu de celuy qu'elle avait cydevant dans le Palais Brion qui est des dépendances du Palais Royal, Monsieur de SaintGeorges y a lu un discours qu'il a fait et adressant à la Compagnie sur le nouvel établissement dans le Louvre dont Sa Majesté l'a honorée.» Zit. nach Christiane Aulanier, L e Salon Carré, Paris o. J., S. 14. Uber die Zuweisung der Grande Galerie für die Ausstellung von 1699: A m 20. August ließ der König der Akademie folgenden Bescheid erteilen: «Le roy m'ordonne de vous écrire que Sa Majesté trouve bon que l'Académie de Peinture expose ses tableaux dans la Galerie du Louvre depuis la porte du petit escalier jusques aux Tuileries, en observant qu'a cette occasion il ne soit fait aucun désordre dans le Louvre.» Zit. nach Chr. Aulanier, L a Grande Galerie . . . , S. 10.

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D i e Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

zeitgenössischen Kunst gegenüber der doktrinär ungebundenen Kritik und dem Geschmacksurteil der Öffentlichkeit behaupten muß. Wie wenig zunächst gerade gegenüber den italienischen Ausstellungserscheinungen in Paris mit der Öffentlichkeit als dem tragenden Faktor des künstlerischen Lebens gerechnet wird, zeigt sich in den ersten Ausstellungen allein in dem hohen Anteil von Werken, die im Auftrage des Königs und des Hofes geschaffen sind und deren Auftragsbindung auch ausdrücklich im Katalog erwähnt wird. Dadurch erhält die schöpferische Produktivität der Akademie einen ähnlichen Charakter, wie er innerhalb des staatlichen Manufakturbetriebes sichtbar wird. Auch dessen Produkte werden verschiedentlich zur Besichtigung durch den Hof auch im Rahmen größerer Festlichkeiten ausgestellt318. Zur Verdeutlichung dieses Faktums können noch zwei bildliche Darstellungen dienen, die die Besichtigung der Hofmanufaktur durch Ludwig X I V . und Colbert zum Gegenstand haben 319 . In einem Gobelinbild, das nach einem Entwurf des Charles Le Brun gearbeitet ist (Abb. 53), erscheint der König mit kleinem Gefolge leicht erhöht in einem hohen, vom Bildrand überschnittenen Raum stehend und etwas unter ihm Le Brun als Leiter der Manufaktur, der auf das geschäftige Treiben in dem mit Gobelins reich dekorierten Räume weist. Dort schleppen in unterwürfiger Geschäftigkeit die Angestellten der Manufaktur ihre Arbeiten herbei, um sie dem König vorzuführen. Neben den Wandteppichen erscheinen viele Arten kunsthandwerklicher Produkte, die ihre Existenz insgesamt der Intention des Königs verdanken, und die zunächst auch nur für seinen und des Hofes Bedarf bestimmt sind. Wappen und Untertitel im üppigen Rahmen vollenden diese Herrscherallegorie. Ein Stich des Sebastien Ledere (Abb. 54) gibt eine große Gesellschaftsszene in der Galerie des Palais Royal, wo Colbert die Gobelins mit den Taten Alexanders des Großen nach Entwürfen von Le Brun besichtigt. Im Vordergrunde, im Blickfeld des Ministers, wird ein Teppich mit äußerstem Kraftaufwand an der Wand emporgezogen. Der besichtigende Colbert läßt gerade durch diese Szene seine Bedeutung als Initiator der Gobelins deutlich erkennen. Diese ausschließliche Repräsentation des königlichen Willens, wie sie in beiden Darstellungen erfaßt ist, kann sich innerhalb des Manufakturbetriebes im Sinne 318

319

1677 werden in Versailles Gobelins ausgestellt. Darüber berichtet der Mercure galant v . Juli 1677. G . van der K e m p , Charles L e Brun 1619—1690, Exposition, Château de Versailles 1963, Kat. S. 422. 1667 besichtigt L u d w i g X I V . begleitet v o n Colbert und geführt v o n L e Brun die Gobelinmanufaktur. V o n dieser feierlichen Besichtigung fertigt L e Brun eine Zeichnung an, nach der der abgebildete Gobelin gewebt wird. D i e Zeichnung im Louvre (Inv. 27. 655). Charles L e Brun E x p o s . 1963, Kat. Nr. 145 u. A b b . Der Gobelin aus der Serie «L'Histoire du Roi» befindet sich im Schloß v o n Versailles. J. Niclausse u. a., Charles L e Brun, premier directeur de la Manufacture royale des Gobelins, Kat. d. Ausstellung Paris 1962, Musée des Gobelins, N r . 15.

Die Akademieausstellungen im 18. Jahrhundert

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eines wirtschaftlichen Großunternehmens tragfähig erweisen, muß jedoch für den Kunstbetrieb der Akademie gerade in den Ausstellungsveranstaltungen ad absurdum führen. Denn die Organisation und der Aufbau der Ausstellungen kosten große Summen, die für die Akademie und ihren ständig wankenden Etat als vergeudet gelten müssen, solange nicht die Ausstellung selbst auch einen wirtschaftlichen Anreiz für die Akademie oder zumindest für die ausstellenden Künstler gewährt. So wird die Öffnung der Ausstellung für eine interessierte, zunächst ständisch hervorgehobene Öffentlichkeit die notwendige Folge. Der ursprüngliche Gedanke einer reinen Repräsentationsveranstaltung im Rahmen des Hofkultes wird sehr bald von einer gewissen Rücksichtnahme auf ein Publikum überlagert, das in den Ausstellungen mit dem gedruckten Katalog in der Hand Rechenschaft über die Arbeit der Akademie und ihrer Mitglieder verlangt. Schon in den Vorworten der Livrets von 1699 und 1704 wird nach der offiziellen Huldigung an den König auch vor der Öffentlichkeit eine Reverenz erwiesen und das Publikum mit in die Berechnungen der Veranstalter einbezogen320. Dadurch wird eine Entwicklung eingeleitet, die im Laufe des 18. Jahrhunderts den Rahmen der höfischen Repräsentationsbindung zusehends in den Hintergrund schiebt und alle jene Züge hervorkehrt, die dann im wachsenden Maß den öffentlichen Erfolg der Ausstellungen sichern.

3. Die Akademieausstellungen im 18. Jahrhundert a) Die Geschichte der Salons Die glanzvolle Ausstellung von 1704 in der Grande Galerie des Louvre und das bescheidene Nachspiel der Öffnung der Akademieräume am Saint-Louis von 1706 sind die letzten Veranstaltungen der Akademie in der Ära Ludwigs XIV. In den folgenden Jahren finden lediglich alljährlich die Preiskonkurrenzen der Schüler statt, die sich aber ausschließlich als interne akademische Schulfeiern darbieten. Seit den 20er Jahren scheinen Wiederbelebungsversuche des Artikels 25 der Statuten von 1663 einzusetzen, am Tage der Generalversammlung wenigstens einige Werke der Bewerber um die Akademieämter auszustellen. 1725 gibt der 320 D i e Unkosten der Ausstellung von 1699 belaufen sich auf 826 Livres, die der Ausstellung von 1704 auf 1526 Livres, nach Angaben von Jean Seznec u. Jean Adhémar, Diderot Salons, Vol. 1, Oxford 1957, S. 2. Uber die Unkostendeckung durch den Verkaufseinnahmen der gedruckten Kataloge siehe S. 150. Im Katalog von 1699 (Guiffrey, Coli, des Livrets, Bd. 1. 2, S. 1 1 ) heißt es: « . . . renouveller l'ancienne coûtume d'exposer leurs Ouvrages au Public pour en avoir son jugement et pour entretenir entre eux cette louable émulation si nécessaire à l'avancement des beaux Arts, . . . Dieser deutliche Anruf an das Urteil des

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Die Akademie und das Ausstellungsleben des 17. und 18. Jahrhunderts in Paris

Mercure einen kurzen Bericht über eine Ausstellung, die die Akademie anläßlich der Hochzeit des «Louis le Bien-Aimé» nun erstmalig im «Sallon Quarré» veranstaltet 321 . Im Mai 1 7 2 7 findet unter dem Protecteur, dem Herzog von Antin, ein Concours der Akademie statt, zu dem der König 5000 Livres als Preis für die zwei besten Gemälde auswirft. Zwölf Akademiker beteiligen sich an diesem Wettbewerb, dessen Konkurrenzstücke in der Galerie d'Apollon im Louvre ausgestellt werden und zu dem sogar ein gedruckter Katalog von vier Seiten erscheint. Die Preisverteilung findet am jo. Juni in einer feierlichen Versammlung statt. Der Herzog von Antin verteilt je 2500 Livres an die Maler de Troy d. J . und Lemoine. Für den König wird das Gemälde von Charles Ant. Coypel erworben. Obgleich das Thema freigestellt ist und nur das Format der Bilder ( 6 X 4 V 2 Fuß) vorgeschrieben wird, wählen alle außer einem der Teilnehmer antike Stoffe. Ein beredtes Beispiel akademischer Gesinnung 3 2 2 .

[320] Publikums als die den Fortschritt fördernde Macht wird im Vorwort des Katalogs von 1704 noch besonders auf die Auftragsvermittlungsrolle der Ausstellung abgestimmt. Guiffrey, B. 1. 3, S. 9: «Elle (die Akademie) sçait que quoique la plûpart de leurs Ouvrages soient faits pour contribuer à la Majesté du Temples et à la magnificence des palais, il ne laisse pas d'y en avoir un grand nombre d'autres qui ne sont pas plutost placez dans les Cabinets où ils sont destinez, qu'ils sont souvent derobez aux yeux du public, et qu'ainsi le progrès que l'Académie fait dans ces Arts pourroit estre ignoré, si elle n'avoit soin de luy fournir de quoy reveiller son attention.»

321 322

Dresdner 1915, S. 152, vermerkt eine Äußerung Pierre Marcels, der zufolge beide Ausstellungen bei der katastrophalen Finanzlage der Akademie lediglich im Hinblick auf das Publikum zustande gekommen seien. Dennoch ist die gedruckte Ausstellungskritik in der Öffentlichkeit zunächst nur zögernd in Erscheinung getreten und in den wenigen Äußerungen kaum über allgemeine Lobeserhebungen der herrschenden Künstlerschicht hinausgelangt. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelt sich dann allerdings sehr rasch die Kunstkritik zur beliebtesten Tagesbeschäftigung aller gebildeten Pariser. Vgl. A. Dresdner, 1915.Kp.IV. Chr. Aulanier, Le Salon Carré, S. 19 t. ; Le Salon de 1725 . . . publié . . . par Georges Wildenstein, Paris 1924. Abdruck des Kataloges bei J. Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 5, Table Générale . . . S. LVI—LIX. Folgende Bilder wurden ausgestellt: I. Un Retour de Chasse de Diane von de Troy fils, preisgekrönt 2. La Naissance de Venus von Cazes von Ch. Ant. Coypel neveu, v. König }• Andromède attachée à un rocher angekauft von de Favanne 4- L'Amour filial d'Hérode von Lemoine, preisgekrönt 5- La Continance de Scipion von Restout 6. L'Adieu d'Hector et d'Andromaque von Collin 7- La Maladie d'Antiochus 8. L'Enlèvement d'Europe von Coypel l'oncle (Noël-Nicolas) von Massé 9- La Jalousie de Junon 10. Syrinx changée en roseau von Courtin 1 1 . Le combat d'Horacius Codés von Dieu 12. Hyppoméne et Attalante von Galoche Das Zurücktreten der heroischen Themen zugunsten der «Poesien» mag als bezeichnendes Eingehen auf die höfischen Interessen gelten, die wohl auch bei der Preisverteilung in der Wahl der Sujets mit deutlich werden.

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1734 beschließt die Akademie, daß alle Amtsbewerber zum Tage der Generalversammlung die während des betreffenden Jahres geschaffenen Werke ausstellen sollen. 1735 wird nochmals an diesen Beschluß erinnert. 1736 findet eine entsprechende Ausstellung statt, ebenso im Juli 1737 3 2 3 . Nach diesen Vorspielen entschließt sich 1737 endlich die Akademie, wieder mit einer großen Ausstellung vor die Öffentlichkeit zu treten. Vom 18. August bis zum 1. September öffnen sich wie früher die Pforten des Louvre dem Pariser Publikum, das die ausgestellten Werke nun nicht mehr in der Grande Galerie, sondern in dem benachbarten Salon Carré besichtigen kann. Diesen neuen Ort und verschiedentlich die anschließende Galerie d'Apollon verläßt die Akademieausstellung bis zum Jahre 1848 nicht wieder, er hat ihr für alle Zeiten den Namen gegeben: der Salon. Mit dieser Wiederbelebung der akademischen Ausstellungen, die zunächst im Sinne der früheren als kultisch-programmatische Repräsentation der höchsten Kunstinstanz beabsichtigt ist, wird nun jedoch eine Entwicklung eingeleitet, die zunächst nicht unmittelbar in der Absicht der Akademie liegen konnte. Nicht um der kritischen Diskussion willen präsentieren die Akademiker ihre Werke, denn dafür vertreten sie als ausgewählte Exponenten die allein richtige Kunstauffassung, sondern um die Huldigung der Öffentlichkeit entgegenzunehmen, und um zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz auch außerhalb des Hofes Verkäufe zu tätigen und Aufträge zu erhalten324. Im Vorwort des Livret von 1737 heißt es nach der Adresse an den Hof: «Le Public aussi éclairé qu'équitable, en prenant part à la célébrité de la Fête, reverra avec plaisir les travaux des Exellens hommes qui ont déjà mérité ses suffrages, et connaîtra par les progrès successifs de leurs talens, qu'ils ont formé ceux dont les Ouvrages paroissent pour la première fois dans ce lieu consacré aux Muses.» Dieses so außerordentliche Entgegenkommen der Öffentlichkeit gegenüber spiegelt deutlich die neue Einschätzung des Publikums wider, läßt aber in der Wahl der Worte zugleich die ehrfurchtgebietende Höhe des akademischen Kunstschaffens durchscheinen. Die Pariser Gesellschaft gebraucht jedoch die Wiedereröffnung des Louvre in ihrem Sinne. Die seit Ende des 17. Jahrhunderts zusehends erfolgende Bildungsemanzipation auch der außerhalb des höfischen Adels und des Klerus lebenden Gesellschaft entfaltet sich während der Régence-Periode ungehindert 323

324

A. Dresdner 1915, S. 321, Anm. 9 u. S. 154; Georges Duplessis, Catalogue de la Collection des Pièces sur les Beaux-Arts . . . (Coll. P. J. Mariette, Ch. Nicolas -Cochin, M. Deloynes), Paris 1881, verzeichnet auf S. i2of. folgende Schriften: 1193 Prix de peinture donné par le Roi Juillet 1727, 14 pag. Ms., 1198 Description abrégée des Tableaux exposés à l'Académie de peinture et de sculpture, 2. Juillet 1735, 7 pag. Ms., 1199 Distribution de prix faite à l'Académie royale de peinture et de sculpture 1735, 27 août, 1 pag. Ms., 1200 Exposition de l'Académie royale de peinture et de sculpture 1736, 2 pag. Ms. J . Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 1. 4, S. u f .

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zu einem bunten, vergnügungsreichen Leben, das nun durch die Salons der Akademie wieder um ein sensationelles Ereignis bereichert wird. Die zahllosen privaten Zirkel der Stadt, in denen sich zwar ständisch gebunden, aber einheitlich in den Interessen das gesellschaftliche Leben vollzieht, bemächtigen sich sogleich der neuen Veranstaltung und autorisieren sich selbst zum «obersten Schiedsrichter» über die ausgestellten Werke. Die Öffentlichkeit tritt, nur wenig die geforderte Ehrfurcht der Akademie gegenüber achtend, als die berufene Instanz der Kunstkritik auf den Plan 325 . Damit ist der Erfolg der Akademieausstellungen, wenn auch in anderer Weise als die Akademie es zunächst beabsichtigte, gesichert, und es ist verständlich, daß diese günstige Aufnahme der Salons die Leitung der Akademie bestimmt, die Ausstellung jährlich abzuhalten. «Le Succès qu'a eu la dernière Exposition ayant déterminé le Roy à en ordonner une pareille cette année, ...», lautet die stereotype Formel der Einleitung der folgenden Ausstellungskataloge326. Von 1737 bis 1751 finden bis auf zwei Ausfälle 1744 und 1749 327 jährlich die Salons statt, die gewöhnlich drei Wochen zur allgemeinen Besichtigung geöffnet werden. Im Laufe dieser Jahre entwickelt sich über die Ausstellungen eine so scharfe Diskussion, daß gegen sie besonders von Seiten der Akademiker die Fragen nach der Berechtigung und der Form der ihnen so unbequemen Kunstkritik gestellt werden. Der Kampf der Meinungen wird mit aller Leidenschaft geführt. Schließlich ist es der jährlichen Wiederholung der Ausstellungen zuzuschreiben, daß ihr Niveau nicht besser wird, und eine Überzahl mittelmäßiger Virtuosenstücke das allgemeine Bild bestimmt. 1747 ist der Siedepunkt erreicht. Um den folgenden Salon nicht wegen der heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Künstlern und der Kritik ausfallen lassen zu müssen, ordnet der derzeitige Directeur des Bâtiments und Protecteur der Akademie, Lenormand de Tornehem, die Bildung einer Jury an, die die acht Tage vor Beginn der Ausstellung einzureichenden Werke begutachten soll328. Trotz dieser Maßnahme fällt die Salon325

326 327 328

Siehe hierzu die lebendige Schilderung von A . Dresdner 1915, S. 154ff. Die Entwicklung der literarischen Salonkritik kann in diesem Rahmen nicht weiter verfolgt werden. Sie ist ausführlich von A . Dresdner 1 9 1 5 , Kap. 4—6 behandelt. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Politica Bd. 4, Neuwied, Berlin 1965 2 , S. 51 ff. Außerdem die mit vorbildlicher Gründlichkeit nach den rekonstruierten Ausstellungen veröffentlichten Abhandlungen von Diderot : Jean Seznec u. Jean Adhémar, Diderot Salons, Vol. 1, 1759. 1761. 1765, Oxford 1957, Vol. II, 1765, Oxford i960, Vol. III, 1767, Oxford 1963. Über die im Zusammenhang mit der Salonkritik entstandenen satirischen Darstellungen siehe Thomas Arnauldet, Estampes Satiriques relatives à l'art et aux artistes français pendant les X V I I e et X V I I I e siècles, in: G . d. B. A . з. 1859, S. 342ff., u. 4. 1859, S. I07ff.; Prosper Dorbec, La peinture française de 1750 a 1820, jugée par le factum, la chanson et la caricature, in: G . d. B. A . 56. 1914. 1, S. 69ff. и. S. i 3 6 f f . J . Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 1. j , S. 1 1 , 6., S. 1 1 usw. Chr. Aulanier, L e Salon Carré, S. 23 u. 25. Chr. Aulanier, Le Salon Carré, S. 24 t.; J . Guiffrey, Notes et documents inédits sur les expositions du X V I I I e siècle, Paris 1873, S . X I I I f f . ; A . Dresdner 1 9 1 5 , S. 178. Die Jury

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kritik von 1748 so verheerend aus, daß der Protecteur für das folgende Jahr die Ausstellung untersagt. Diesen wachsenden Schwierigkeiten durch die Kritik ist es hauptsächlich zuzuschreiben, daß seit 1 7 5 1 der Salon nur noch alle zwei Jahre veranstaltet wird 3 2 9 . Durch diese Maßnahme wird der Erfolg der Ausstellungen auch für die Zukunft gesichert. Nun hat Paris bis in die Zeit der Revolution im zweijährigen Rhythmus sein großes künstlerisches Ereignis, das neben den gleichzeitigen Konkurrenzunternehmungen der Exposition de la Jeunesse und denen der wiedererstandenen Académie de Saint-Luc 3 3 0 stets die repräsentative Größe und den festlichen Glans: der Kunst des ancien régime verkörpert und zugleich als Hauptforum der Kunstdiskussion die zeitgenössische Literatur in den kritischen und ästhetischen Schriften von Charles-Nicolas Cochin, von Diderot und des Barons Grimm zu bleibenden Leistungen anregt 3 3 1 .

b) Die Ausstellungstechnik der Salons Das neue Ausstellungslokal der Akademie, der Salon Carré des Louvre, ist der zweigeschossige Hauptraum des die Grande Galerie nach Osten abschließenden Pavillons (Abb. 5 5 a). E r verläuft in der gleichen Richtung wie die Galerie und weist mit seiner Längsfront, die durch fünf hohe zweistöckige Fensterachsen gegliedert wird, zur Seine auf den Jardin de l'Infante. A n seine östliche Schmalseite schließt sich die Galerie d'Apollon an, ein einstöckiger Saalbau, der in nörd[328] setzt s i c h a u s folgenden Akademikern zusammen: dem Directeur, 2 Recteurs, 2 Adjoints à Recteur und 12 weiteren Mitgliedern, die aus den Professeurs und Conseillers gewählt werden. Die Wahl der Werke für die Ausstellung geschieht durch Mehrheitsbeschluß. In diesem aus einer akuten Notlage gebildeten Richterforum verbindet sich zum ersten Male eine Jury unmittelbar mit der Kunstausstellung. Mit der Demokratisierung des Salons nach der Revolution wird sie von neuem notwendig. 1791 wird eine Kommission von 6 Officiers gebildet, die die Auswahl vornimmt. Siehe J. Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 1, S. 15. 329 Diese durch die Krise des Salon hervorgerufene Vergrößerung des zeitlichen Abstandes der Ausstellungen wird um so verständlicher, wenn man bedenkt, wie gering die Fluktuation der ausstellenden Künstler ist. Der größte Teil der Akademiemitglieder ist Jahr für Jahr häufig mit einer größeren Zahl von Werken im Salon vertreten. Dieses im großen sich gleichbleibende und dem Publikum nur allzu vertraute Bild der Ausstellungen sorgt allein schon für eine Verschärfung der kritischen Beurteilung jeder Qualitätsschwankung und Entwicklungsnuance. Dieses in den Pariser Salons erstmalig mit aller Deutlichkeit auftretende Phänomen findet sich bis zum heutigen Tage überall dort, wo in kurzen Abständen immer wieder die gleichen Künstlerkreise ausstellen. 330 Darüber S. iÖ7ff. 331 Oeuvres complètes de Diderot^ revues sur les éditions originales (Assézat u. Tourneux), 20 Bde. Paris 1875—77, Bd.X—XIII Beaux-Arts, XVIII—XX Correspondance; Maurice Tourneux, Correspondance littéraire, philosophique et critique par Grimm, Diderot, Raynal, Meister etc Paris 1877—1882, 16 Bde. Jean Seznec u. Jean Adhémar, Diderot Salons, 3 Bde., Oxford 1957 — 1963.

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licher Richtung bis zu dem schmalen Verbindungstrakt zum alten Louvre um den Cour Carré zurückspringt. Die rückwärtige Längsfront des Salon Carré zum Cour de la Reine besitzt nur drei Fensterachsen, da sich unmittelbar an die Galerie d'Apollon eine Flucht kleinerer Räume anschließt, in deren südlichen, sich zum Salon und zur Galerie öffnenden Raum 1780 nach den Plänen des Architekten Maximilien Brébion das große Treppenhaus eingebaut wird, das heute noch, wenn auch in veränderter Gestalt, den Zugang zum Salon Carré bildet (Abb. 5 5 b). Ursprünglich verfügte der Salon über ein eigenes kleines Treppenhaus, das von der rückwärtigen Seite des Pavillons in die nordwestliche Ecke des Raumes hineinführte. Der 25,3 5 m lange und 14,82 m breite Raum öffnet sich in die Höhe von zwei Geschossen und ist durch eine an den Seiten gewölbte, aber dann zur Mitte flache Decke geschlossen. Auch seine Innendekoration ist ähnlich wie die der Grande Galerie unvollendet geblieben. Durch seine Kahlheit eignet sich der riesige Raum besonders gut für die Ausstellungen332. Freilich verlangen die hohen, kahlen Wände eine andere Ausstellungstechnik als bisher. Die Galerie war nicht nur niedriger, sondern gestattete durch den gleichbleibenden Rhythmus schmaler Wand- und Fensterachsen kleine Ensembles in übersichtlicher Ordnung. Nun werden in den Ausstellungen von 1737 und 1739 die hohen Wände des Saales bis auf die große Fensterfront dicht Rahmen an Rahmen mit Bildern in mehreren Reihen übereinander besetzt, die zum Teil sogar die Fenster nach der Hofseite überdecken333. Da hauptsächlich nach Formaten gehängt wird, folgen die Werke der einzelnen Künstler in bunter Reihung, und der Katalog kann nur durch eine genaue Ortsbezeichnung wie etwa«dans l'encoigneure sur l'Escalier», oder «seconde fenestre, sur la comiche», oder «Trumeau du milieu entre les deux portes» den Betrachter annähernd auf die Bilder einweisen. Seit 1740 wird eine bereits 1738 versuchte Verbesserung der Ordnung dadurch erreicht, daß jedes Ausstellungsstück eine Nummer erhält und damit im Katalog leicht aufzufinden ist. Dieses System der Durchnumerierung wird nun beibehalten und ist bis zum heutigen Tage nicht wieder aus der Ausstellungsorganisation verschwunden334. Als die wichtigsten Dokumente über die Salons und ihre Ausstellungstechnik müssen außer den Katalogen eine größere Zahl bildlicher Darstellungen gelten, in denen sich authentische Ansichten mehrerer Ausstellungen erhalten haben. Sie lassen das nun seit 1740 durch das System der Durchnumerierung aus den Katalogen kaum mehr rekonstruierbare Gesamtbild für einzelne Salons wieder lebendig werden. Die Ansichten der Salons von 1753, 1757, 1761, 1765, 1767 und 1769 stammen von der Hand des Pariser Zeichners Gabriel de Saint-Aubin335. 332

Chr. Aulanier, L e Salon Carré, S. 18, über den Einbau der Treppenanlage im Salon, S. 9ff., über die Baugeschichte. Der Raum ist in den Plänen als «Sallon non fini» bezeichnet. 333 Y g i d a z u die Salonansichten des Gabriel de Saint-Aubin, Abb. 56ff. 334 J . Guiffrey, Coll. des Livrets, 1869 ff. 335 Das grundlegende Werk über den Künstler mit Abb. der meisten Ausstellungsbilder : Emile Dacier, Gabriel de Saint-Aubin, 2 Bde. Paris 1929 u. 1 9 3 1 , dort Bd. 2, S. 141 ff.,

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Diese teils mit farbiger Kreide und Feder gezeichneten, teils aquarellierten Blätter halten den Ausstellungsbetrieb in Gesamtansichten und skizzenhaften Ausschnitten mit weitgehend exakten Detailschilderungen fest und erfassen in vielfach anekdotischer Pointierung und geistvoll sarkastischen Einzelbeobachtungen das Verhalten des Publikums. In allen diesen Darstellungen fällt zuerst die bunte Vielfalt der Gesamtkomposition der Ausstellungsensembles auf. Die in den früheren Ausstellungen von 1699 und 1704 trotz ihres schweren, malerischen Reichtums strengere Ordnung weicht nun einer Anlage, die sich an der für das 18. Jahrhundert bereits geläufigen Form des Bilderkabinetts orientiert, in dem vielfach ohne eine Behinderung durch stärker gliedernde Innendekoration die schlichten, kahlen oder lediglich bespannten Wände mit den Bildern tapeziert werden. Daß auch bei einer solchen dichten Hängung der Bilderwände der für die Ausstellung verantwortliche Dekorateur der Akademie sich bemüht, ein übersichtlich geordnetes und ästhetisch befriedigendes Gesamtbild zu erzeugen, wird bereits von der Salonkritik 1746 lobend erwähnt. La Font de Saint-Yenne schreibt dazu336 : «Le grand nombre des tableaux qui sont exposés dans un très bel ordre et avec une symétrie agréable et difficile parmi tant des formes différentes. La tapisserie verte dont M. de Tournehem, Directeur général des Arts et Bâtiments de Sa Majesté, a fait revêtir les murs du Sallon avant d'y attacher les tableaux, leur est extrêmement avantageuse et cette attention de sa part, également favorable aux peintres et aux spectateurs, a été remarquée du Public avec plaisir et a eu ses éloges et sa reconnaissance337.» Die Ansicht des Salons von 1753 von Gabriel de Saint-Aubin338 (Abb. 56) führt vom Treppenhaus gesehen drei Seiten des Ausstellungssaales vor Augen. Die Wände sind mit fünf bis sieben Reihen von Gemälden übereinander bis zu etwa zwei Drittel Höhe besetzt. Gleichformatige Stücke fügen sich zusammen, große Bilder werden als Gliederungsakzente verwendet und ihrer größeren Sichtbarkeit wegen nach oben gebracht. Pendants hängen zusammen, wie aus dem Katalog ersichtlich wird. Die Bilder der oberen Reihen werden nach bereits bekannter Art aus Sichtgründen abgewinkelt. Die ungewöhnliche Ansicht des Blattes mit der breiten Schilderung des Treppenhauses und der emporsteigenden Besucher läßt die Einzelheiten der Bilderwände in den Hintergrund treten. Sie werden gewissermaßen als lebendiger Wandschmuck von dem Gesamteindruck bestimmt, der sich den Ankommenden bietet. [335] Nr. 793 — 802, S. 149, Nr. 829, S. 209, Nr. 1072, beschr. u. krit. Verzeichnis der Ausstellungsbilder; Chr. Aulanier, L e Salon Carré, Abb. 3, 5 — 12, Text S. 26ff. 338 Chr. Aulanier, L e Salon Carré, S. 23 f. 337

338

La Font de Saint-Yenne, Réflexions sur quelques causes de l'état présent de la peinture en France, La Haye 1746, S. 7 1 . Lavierte Federzeichnung aus der Coll. Veil-Picart Paris, danach die Radierung, in zwei Zuständen erhalten, siehe Emile Dacier, Un premier état inédit du «Salon du Louvre» par Gabriel de Saint-Aubin (Collection de M. Henri Thomas), in: Byblis 1923, S. I7ff.

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Exaktere Einzelheiten weisen zwei Ansichten aus dem Salon von 1 7 5 7 auf 3 3 9 . In einer lavierten Federzeichnung (Abb. 57) wird ein Winkel des Salons gezeigt, in dem vor der Bilderwand eine Marmorskulptur von Pierre-Philippe Mignot, die auf einem Polsterlager schlafende Venus, aufgestellt ist. Trotz der anekdotischen Schilderung der Bewunderer, die dieses reizvolle Modewerk, das Rezeptionsstück des Bildhauers, mit seiner veristischen Aufstellung anzieht, und der flüchtig malerischen Auffassung des Blattes lassen sich auch die beiden daneben stehenden Skulpturen nach dem Katalog identifizieren 340 . Dadurch erhält auch die mit deutlicher Berechnung auf das Publikum herausgehobene Auf Stellung der Venus als «Salonschlager» größere Glaubwürdigkeit. In der zweiten Ansicht, die vermutlich denselben Salon schildert, werden zwei Gemälde auf Staffeleien besonders in den Blickpunkt gerückt 3 4 1 . Neben diesen episodischen Darstellungen und skizzenhaften Details 342 hat Gabriel de Saint-Aubin Gesamtansichten der Ausstellungen von 1765 und 1767 geschaffen. Die aquarellierte Federzeichnung mit der Ansicht des Salons von 1765 (Abb. 58) gibt die Hauptwände des Raumes wieder 3 4 3 . Sie sind dicht übereinander mit Bildern besetzt, von denen sich die meisten nach dem Katalog 339

Chr. Aulanier, Le Salon Carré, Abb. 5 u. 8, Text S. 26 f. Die lav. Federz. der Venus von Mignot aus der Coli. Georges Dormeuil, Paris; E. Dacier 1931, Bd. 2, Kat. Nr. 829. Die Skulptur wird im Katalog von 1757 folgendermaßen beschrieben: «Par M. Mignot, Agréé. 150. Venus qui dort. Cette figure est la même proportion que l'Hermaphrodite Antique, et doit faire son pendant.» (Explication . . . 1757, J. Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 2. 19, S. 31). Die Bewunderung, die dieser Salonschlager findet, veranlaßt Mignot in den folgenden Salons von 1759 und 1761 sehr ähnliche Figuren auszustellen. Im Katalog 1759 bezeichnet als «137. Une petite Figure de deux pieds de hauteur, représentant une Diane, se reposant au retour de sa Chasse» und im Katalog 1761 als «143. Une petite Figure de marbre représentant une femme qui dort.» Zit. nach dem Katalogabdruck bei J. Seznec u. J. Adhémar, Diderot Salons, Bd. 1, Oxford 1957, S. 58 u. 104. Die Figur von 1761 heute in Oxford, Ashmolean Mus.; Abb. bei J. Seznec u. J. Adhémar 1. 1957, Abb. 62. Thieme-Becker, Bd. 24, S. 549, erwähnt ein zweites Exemplar in der Sammlung Cronstedt in Fullerö in Schweden. 340 J. Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 2. 19, S. 31: «148. Une Figure représentant un Fleuve. 149. Le Portrait de Mademoiselle Ardinghelli.» Beide Plastiken von Caffieri. 341 Das Blatt nach einer Zeichnung von Gabriel de Saint-Aubin von Gaucherei gestochen in der Coll. Jérôme Pichon, Paris. Das von einer Balustrade umstellte Staffeleibildnis der Madame Pompadour, ein Pastell von Quentin de la Tour, ist 1755 ausgestellt, ein ähnliches Gemälde von Boucher 1757. Chr. Aulanier, Le Salon Carré, S. 26 f. hält einen Irrtum des Zeichners für möglich, da das Blatt nachträglich angefertigt wurde. 342 Teilansicht der Hauptwand des Salon von 1761, aquarellierte Zeichnung, Chicago, The Art Institute, siehe Victor Carlson, A View of the 1761 Salon by Gabriel de Saint-Aubin, in: G. d. B. A. 105. 1963, S. 5ff.; Teilansicht des Salon von 1765, Zeichnung, Cab. des Dessins du Musée de Louvre, Paris; Chr. Aulanier, Le Salon Carré, Abb. 7; J. Seznec u. J. Adhémar, Diderot Salons, Bd. 2 , i 9 6 0 , Abb. 3 u. 3 bis, dort weitere Teilansichten Abb. 4 — 7 , 7 6 , 7 7 , sämtl. aus dem «Livre de croquis» fol. 19, 32, 34, 35, 36, 40, 86, Teilansicht des Salon von 1769, Lav. Federzeichnung, Coli. Marquis de Ganay; Chr. Aulanier, Le Salon Carré, Abb. 12, Text S. 32; E. Dacier Bd. 2, 1931, Kat. Nr. 798. Uber die von Gabriel de SaintAubin illustrierten Ausstellungskataloge siehe S. 174 f. 343 Chr. Aulanier, Le Salon Carré, Abb. 9, Text S. 28f.; E. Dacier, Bd. 2, 1931, Kat. Nr. 796; Aquarellierte Federzeichnung, nicht vollendet, Cab. des Dessins, Louvre, Paris, 24 X 47 cm.

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und nach anderen Detailzeichnungen des Künstlers identifizieren lassen344. Inmitten des Saales stehen fünf lange, mit grünem Stoff bespannte Tische, auf denen die kleineren plastischen Werke und Portraitbüsten aufgestellt sind. Wenn auch auf eine genaue Wiedergabe der örtlichen Verhältnisse und der architektonischen Einzelheiten des Salon Carré verzichtet wird, so ist doch das Ausstellungsbild mit bewunderungswürdiger Exaktheit erfaßt. Die Anordnung der Ausstellung, die Komposition des Salons, ist ein Bestandteil des besonderen Gesichtes des jeweiligen Unternehmens. Seit 1763 ist JeanBaptiste-Siméon Chardin als Dekorateur der Ausstellungen tätig. In der Ansicht von 1765 sind seine kleinformatigen Werke neben den größeren Figurenbildern an der linken Seite der Stirnwand zu einer symmetrischen Gruppe gefügt und bilden einen Teilorganismus innerhalb der Gesamtordnung der Wand, die zur Höhe von den wachsenden Formaten und im Zusammenhang durch das labile Gleichgewicht von rhythmischer Reihung und symmetrischer Akzentuierung bestimmt wird. Auch die linke Seitenwand läßt eine ähnliche Anordnung erkennen. Ein derartiges Zusammenfügen der einzelnen Ausstellungsobjekte zu einem einheitlichen Ganzen setzt eine Betrachtungsweise voraus, die gänzlich von der modernen Kunstanschauung unterschieden ist. Sie gründet sich auf die Fähigkeit, die Gesamtordnung und das Einzelwerk zugleich als organisch zusammengehörig anzusehen und nicht das einzelne Objekt in ausschließender Isolation zu erleben. Die dichte und wohlgeordnete Häufung der Gemälde und Plastiken, die ohne übertriebene ästhetische Raffinesse, aber mit sicherem Empfinden für den rhythmischen Zusammenhang erfolgt, erwächst aus dem Charakter der Werke selbst. Ihre formale Bildung, die rhythmisch schwingende Bewegtheit der Komposition und ihr malerischer Vortrag werden von den benachbarten aufgegriffen und variierend weitergegeben. Dadurch erhalten die Werke trotz der ständigen Konzentration auf eine jeweils individuell und thematisch verschiedene Bildgestalt eine Kommunikationsfähigkeit, die eine gegenseitige Weiterführung in einen allgemeineren organischen Zusammenhang ermöglicht, der intensiver zwar durch die Eigenart der Einzelelemente der Gesamtdekoration, aber doch wesensverwandt eine ähnliche sprühend bewegte Einheit bildet, wie sie sich in der gleichzeitigen ornamentalen Vereinheitlichung der Innendekorationen des Rokoko findet. Der auf eine lebendige Organik hin komponierte Ausstellungszusammenhang wird besonders in der Ansicht des Salons von 1767 des Gabriel de Saint-Aubin deutlich345 (Abb. 59). Sie ist in ihrer stärkeren bildmäßigen Fixierung zugleich

344

345

J . Seznec u. J . Adhémar, Diderot Salons, Bd. 2, i960, Abb. 1, 1 bis, 2, 2 bis, gibt soweit möglich eine genaue Identifizierung der einzelnen Ausstellungsstücke. Chr. Aulanier, L e Salon Carré, Abb. 10, 1 1 u. Text S. 29f.; E . Darier, Bd. 2, 1 9 3 1 , Kat. Nr. 797; E . Dacier, A propos de l'Exposition des Saint-Aubin: «Le Salon de 1767» par Gabriel de Saint Aubin, in: Revue de l'art ancien et moderne 1925. 1, S. 268ff. ; J. Seznec

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eine Apotheose der Künste. Apollo und die Musen brechen auf strahlenden Wolken von oben in den Raum ein. Das fest datierte Ereignis, aus dem Chronos als Nachtgestalt fliehen muß. In dieser allegorischen Interpretation der Ausstellung, gewissermaßen eine «hommage à l'exposition», wird der gesellschaftskultische Hintergrund des Salons angesprochen und in der Spannung zwischen Aktualitätsform und ihrer allegorisch-mythischen Verallgemeinerung zum Ausdruck gebracht, in der sich zugleich auch der akademische Anspruch deutlich zur Schau stellt. In den späten Ansichten der Salons des Louis-Seize (Abb. 60, 61), die von dem oberitalienischen Stecher Pietro Antonio Martini von den Ausstellungen der Jahre 1785 und 1787 nun als portraithafte Ereignisstiche angefertigt werden, erscheint der Salon Carré nach dem Umbau mit der dem neuen Treppenhaus zugewandten Seite in der Bildmitte so, daß die drei geschlossenen Wände des Saales den Kastenraum der Darstellung bestimmen346. Die bisher beobachtete natürliche Sicherheit in der lebendigen Einheit der Bilderwände weicht nun einer nüchterneren Anordnung der Werke, hinter der zwar noch der alte Gedanke des Gesamtzusammenhanges steht, ohne daß er aber in befriedigender Weise gelöst wird. Die glatte Rahmung der Bilder und das vorherrschende Rechteckformat geben eine verhärtete Gestalt, die durch den strengeren Bildaufbau auch von den Werken selbst noch betont, eine zunehmende Isolation des Einzelwerkes bewirkt. Das neue klassizistische Ordnungsempfinden von Ebenmaß und Symmetrie muß vor einer derartigen Aufgabe des dekorativen Zusammenschlusses heterogener Einzelwerke zurückschrecken. Dennoch wird versucht, die Bilderwände im Sinne der neuen strengeren Ordnungsvorstellungen zu gliedern. Die Hauptwand des Salons von 1785 zeigt in der Mittelachse das Bildnis der Königin Marie-Antoinette und darüber den «Schwur der Horatier» von Jacques-Louis David in einer Reihe von großen Figurenbildern in strengem rhythmischen Wechsel347. Auch zu beiden Seiten der mittleren Zone wird durch große Bilder ein klarer Akzent gesetzt. Diesem entschiedenen Gerüst rhythmischer Symmetrie fügen sich die kleineren Bilder, vielfach lockerer im Gefüge, so daß die Wand in den Zwischenräumen [ 3 4 5 ] u. J. Adhémar, Diderot Salons, Bd. 3, 1963, Abb. 1, 2, 2 bis, 3, 3 bis, 4, 4 bis, mit weitgehender Identifizierung der Stücke. Aquarellierte Federzeichnung, Coll. A . Veil-Picard, Paris. 346 Die beiden Stichansichten von 1785 und 1787 tragen im Sinne von Ereignisbildern ausführliche Titel : «Coup-d'oeil exact de l'arrangement des peintures du salon du Louvre en 1785, gravé de mémoire et terminé durant le temps de l'Exposition. A Paris, chez Bornet, peintre en miniature, rue Guénégand, no. 24.», und «Lauda conatum, Exposition au Salon du Louvre en 1787. P. A . Martini Parms. faciebat. A Paris, chez Bornet, peintre, rue Guénégand, no. 24, et à Londres, no. 7, St. Georges Row, Hyde Park.» Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 4. 35, S. 8; Chr. Aulanier, L e Salon Carré, Abb. 14, 15 u. Text S. 37. 347 Chr. Aulanier, Le Salon Carré, S. 36f., beschreibt die Schwierigkeiten bei dem technischen Aufbau des Salon von 1 7 8 J , durch die das Gesamtbild sehr beeinträchtigt wurde. Trotz der exakten Wiedergabe der Ausstellungsstücke zeigt Martini in seinem Stich eine idealisierte Ansicht.

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sichtbar wird. Auch in den Seitenfronten werden die Bilder in ähnlicher Weise ausgehend von der Grundvorstellung einer dreiteiligen, achsial bezogenen Symmetrie angeordnet. Nach diesem Schema wird ebenfalls der Salon von 1787 gehängt 348 (Abb. 61). Die Notwendigkeit, eine stetig zunehmende Anzahl von Werken bei gleichzeitig wachsenden Formaten in den Akademieausstellungen unterbringen zu müssen, führt 1789 nach mehreren Projekten zu einem Umbau des Salon Carré 349 . Nach den Plänen des Architekten Charles-Axel Guillaumot werden sämtliche Fenster verblendet, so daß nun bis auf die Türen und Portale alle Seiten des Raumes für die Bilder zur Verfügung stehen. Die Belichtung erfolgt durch eine 348

349

Nach Explication . . . 1787, Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. 4. 34, S. u f f . obere Reihe von links: 137. Le courage de femmes de Sparte v. Le Barbiir l'ainé (für den König bestimmt) 116. L'Amiral de Coligny en impose à ses assassins von Suvée (für den König bestimmt) 1 1 . Priam demandant à Achille le corps d'Hector von Doyen (für den König bestimmt) 120. La reconnoissance d'Oreste et d'Iphigénie, dans la Tauride von Regnault (für den König bestimmt) 13. Ulysse arrivant dans le Palais de Circé von La Grenée le jeune (für den König bestimmt) — unbestimmt — 153. Curius refusant les présens des Samnites von Peyron (Receptionsstück) 83. L'Automne, ou les Fêtes de Bacchus . . . von Callet (für den König bestimmt) Zweite Reibe von links: 317. Tullie faisant passer son Char sur le corps de son Pere Zeichnung im Bes. d. Mme. des Entelles, gestochen von Moreau le jeune (Receptionsstück) 109. Madame Elisabeth, peinte jusqu'aux genoux, appuyée sur une table garnie de plusieurs attributs de Sciences von Guyard 110. Madame Adelaide, mit Medaillon, darauf der König, die Königin und d. Dauphin von Guyard 97. La Reine tenant Monseigneur le Duc de Normandie sur les genoux; accompagné de Möns, le Dauphin et de Mad., Fille du Roi von Mme. Le Brun über der Tür: 98. Mde. la Marquise de Pézé et Mde. la Marquise de Rouget avec ses deux Enfants von Mme. Le Brun 1. Les adieux d'Hector et Andromaque von Vien (für den König bestimmt) unterste Reihe, zwei große Bilder von links: 22. Renaud et Armide von Vincent 119. Socrate au moment de prendre la eigne von David Die Werke werden nicht nach der Katalogreihenfolge gehängt, sondern nach Größe und Bedeutung. In der Thematik hat sich die neue Geschmacksrichtung des Frühklassizismus durchgesetzt. Das heroische Thema, die großen Tugenden der Antike werden am Vorabend der Revolution als die neue Richtung begeistert begrüßt, ihre bedeutendsten Schöpfungen erhalten die Ehrenplätze, sie vertreten zugleich besonders deutlich die akademische Doktrin. Chr. Aulanier, Le Salon Carré, S. 3 7 ff.

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Laterne, in die sich die Mitte der Decke öffnet. Diese erstmalige Verwendung des Oberlichtes für einen Ausstellungssaal im Louvre ist aus der Diskussion um eine entsprechende Belichtung der Grande Galerie entstanden, jedoch bereits vorher im Ausstellungssaal der Royal Academy zu London im Somerset House praktiziert worden 350 , wie es die Ansichten von 1784 und 1787 zeigen 351 . Die Ausstellungstechnik der großen Monstreunternehmungen der Revolutionszeit und des Direktorats nach der Öffnung des Salons für alle Künstler läßt sich aus einer Reihe von Stichansichten der Ausstellungen von 1800 (l'an VIII) und 1801 (l'an IX) nach Antoine Maxime Monsaldy von Devisme ablesen352 (Abb. 62a, b, 63 a-d). Der in den letzten Ausstellungen des ancien régime immer noch gewahrte große Zusammenklang geht zusehends verloren. Die Absicht zu einer symmetrischen Gruppierung ist wohl zu spüren, wird aber durch eine gewisse Formlosigkeit des Gesamtzusammenhanges in Frage gestellt, die besonders aus den vier Wandansichten der Ausstellung von 1801 abgelesen werden kann. Es kündet sich in dieser neuen Unsicherheit des Aufbaues eine für das weitere 19. Jahrhundert bezeichnende Erscheinung an, die gewisse Vermassung des Ausstellungsgutes, die bei der zunehmenden Aufblähung der Veranstaltungen und dem gleichzeitigen Wegfall eines übergreifenden Bedeutungszusammenhanges nur durch eine «Arsenaltechnik» bewältigt werden kann. An die Stelle des von einer sicheren dekorativen Gesamtvorstellung geleiteten organischen Schauzusammenhanges tritt eine lediglich vom Organisatorischen bewältigte Massenhängung, die nur für einzelne Ausstellungsschlager eine effektvolle Plazierung findet. Mit dieser Auflösungstendenz der Salonkompositionen fällt auch die im Ausstellungszusammenhang sichtbare Bedeutungsordnung fort, die einst das Gesicht der Ausstellungen von 1699 und 1704 unmittelbar bestimmt hat. Der Salon von 1747 zeigt an auffallender Stelle, nämlich in der Galerie d'Apollon, einen Sonderauftrag des Königs als Wettbewerb unter den hervorragendsten Mitgliedern der Akademie : 11 große Gemälde, deren Darstellungsstoffe nicht anders als bei dem Concours von 1727 hauptsächlich antike Stoffe (6 große Historien und 3 Poesien), 350 Der Gebrauch des Deckenseitenlichtes zuerst in einer Darstellung der Ausstellung der Royal Academy aus dem Jahre 1 7 7 1 (Abb. 87), die (seit 1768) in einem früheren Auktionssaal in Pali Mall veranstaltet wird. Nach Einzug in das von William Chambers neu erbaute Somerset House werden die Ausstellungen seit 1780 in einem Oberlichtsaal abgehalten, den die Ansichten von J . H. Ramberg zeigen (Abb. 88ff.). 351 352

Über die Ausstellungsansichten von Johann Heinrich Ramberg siehe S. 2 1 } ff. Chr. Aulanier, Le Salon Carré, Abb. 19 — 24, Text S. 44 t. Die zweiteilige Wiedergabe der Ausstellung von 1800 gibt jeweils in leichter Schrägsicht und flacher Perspektive eine Längs- und eine Schmalseite des Saales wieder. Die erste Ansicht trägt folgenden Titel: «Vue des Ouvrages de Peinture des Artistes vivants Exposez au Museum Central des Arts en l'An V I I I de la Republique françoise, Deposée à la Bibliothèque Nationale. Dessiné et gravé par Monsaldy et Devisme.» Die vier Ansichten der Ausstellung von 1801 zeigen jeweils eine Wand des Saales. Das erste Blatt trägt einen entsprechenden Titel. Siehe auch J . Guiffrey, Coll. des Livrets, Bd. j. 42, S. 6.

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eine alttestamentarische Historie und ein literarisches Thema behandeln353. Der Salon von 1751 stellt ein Bildnis Ludwigs X V . von Carle van Loo unter einem Baldachin aus. 1755 wird ein großes Pastell der Madame Pompadour von Quentin de La Tour auf einer Staffelei herausgestellt und von einer Balustrade umgeben. In dieser oder ähnlicher Art werden die Bildnisse der königlichen Familie vor den übrigen Ausstellungsobjekten ausgezeichnet354. Freilich wird dieAusstellung selbst nicht mehr, wie zu Zeiten Ludwigs XIV., der Repräsentation des königlichen Willens völlig untergeordnet. Die geringe Hervorhebung der Bildnisse der königlichen Familie in den Stichansichten der Salons von 1785 und 1787 läßt diese Bedeutungswandlung offenbar werden. Der Salon wird zum Forum für die Demonstration der akademischen Kunst im Rahmen eines umfassenden Gesellschaftskultes, in dem der Hof lediglich eine bevorzugte Rolle spielt. Dieses innere Ordnungsgefüge des Salons wird seit der Revolution unter dem Ruf der égalité durch die Öffnung der Ausstellung für alle Künstler zerstört.

c) Ausstellungskataloge Die große Neuerung der Akademieausstellungen in Paris gegenüber allen früheren und gleichzeitigen Unternehmungen ist der Druck von Verzeichnissen der ausgestellten Werke, die dem Publikum zu den einzelnen Objekten den Namen und Rang des Künstlers, Titel und Inhalt der Darstellung, Format und Technik der Auführung nennen. Mit ihnen wird der Ausstellungskatalog geschaffen, der bald zu dem wichtigsten unmittelbaren Vermittler zwischen Publikum und Ausstellung werden sollte. Vorformen des Katalogwesens lassen sich bis zu den gedruckten Heiltumsverzeichnissen des späten 1 j. Jahrhunderts zurückverfolgen. Näherliegende Vorstufen stellen vermutlich die seit dem 16. Jahrhundert in Mode kommenden Sammlungsinventare und vor allem die Verzeichnisse und Ankündigungen von Versteigerungen und Lotterien im niederländischen Kunsthandel dar. Jedoch ist die neue Form des Ausstellungskataloges, ungeachtet einzelner späterer Versuche, in seiner Disposition zu äußerster Zweckmäßigkeit zu gelangen, von Anfang an so eigen auf die neueAufgabe abgestimmt, daß in ihrer Schöpfung die entscheidende Leistung und zugleich auch der eigentliche Beginn des Katalogwesens zu sehen sind. Die Redaktion der Kataloge liegt in der Hand des Concierge der Akademie, der zugleich auch die Funktion des Trésorier innehat. Der Secrétaire überprüft die Arbeit und legt sie zur Druckgenehmigung dem Directeur des Bâtiments vor. 1738 wird erstmalig am Ende des Kataloges unter dem verantwortlichen 383 j . Guiffrey, Coli, des Livrets, Bd. 2. 13, S. i^tl. 354 Derartige Beispiele bei J . Guiffrey, Coli, des Livrets, Bd. 5, S . X X X V I I I f f .

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Dekorateur auch der Redakteur genannt355. Die Auflagen der Kataloge sind recht hoch, sie beziffern sich zum Beispiel 1755 auf 8000 und 1783 auf 20 000 Exemplare. Pro Mille wird durchschnittlich mit höchstens 70 Livres Druckkosten gerechnet. Die Kostenaufstellung der 20 000 Exemplare der Ausstellung von 1783 lautet folgendermaßen : Verkaufsgewinn: 12 000 Livres = 20 000 mal 12 Sous Verkaufspreis pro Katalog Druckkosten : Reingewinn:

2 000 Livres = 20 000 mal 2 Sous pro Katalog 10 000 Livres = 20 000 mal 10 Sous pro Katalog.

Von dem Reingewinn von 10 Sous pro Katalog erhält der Concierge, der zugleich den Verkauf der Kataloge leitet, 2 Sous, weitere 2 Sous erhalten seine Hilfskräfte, die restlichen 6 Sous pro Katalog dienen zur Deckung der Unkosten, die der Salon der Akademie verursacht. Der Besuch der Salons war kostenlos. Am Eingang werden die Kataloge vertrieben. Da die Werke innerhalb der Ausstellungen nur durch Nummern gekennzeichnet sind, geben allein die Kataloge nähere Aufschlüsse über die gezeigten Stücke. Damit ist auch der Vertrieb der Kataloge gesichert. Die Titel der Kataloge sind zunächst nicht einheitlich (Abb. Ö4a-d, 65 a-d). In den Jahren 1673, 1699 und 1704 werden sie als «Liste des Tableaux et ouvrages (oder pièces) de Sculpture exposez dans la Grande Galerie du Louvre, par Messieurs les Peintres, et Sculpteurs de l'Académie Royale . . . » bezeichnet, ab 1737 durchgehend als «Explication des Peintures, sculptures et autres Ouvrages (oder et Gravures) ...». Lediglich die Kataloge von 1791 und 1793 versuchen neue Titel : «Ouvrages de . . . exposées . . . » und «Description des Ouvrages ...». Die Vorworte und Einführungen weisen verschiedene Formen auf. Die Kataloge von 1699 und 1704 beginnen mit einer Ergebenheitsadresse, dann folgt die beschreibende Einführung in die Örtlichkeit und anschließend der Ubergang in die Werkfolge. Seit 1737 wird zunächst ein in kursiv vorgestellter «Avertissiment» mit dem Hinweis auf den Ort, der Nennung des Dekorateurs, verschiedentlich auch des Redakteurs und einer freundlichen Gebrauchsanweisung des Kataloges gegeben. Dann folgt am Anfang der Werkaufzählung die Ergebenheitsadresse unter besonderer Berücksichtigung des Publikums. Diese Bestandteile von Vorwort und Einleitung bleiben mit nur geringen Varianten als Formeln bis 175 5 gültig, dann fällt auch von 1757 bis 1789 die Einleitung fort. Die Kataloge der Zeit des Direktorates von 1791 bis 1799 bringen außer der Benutzungsanweisung teilweise sehr lange Vorreden mit den neuesten Erlässen, mit programmatischen Ausführungen und Manifesten des Innenministers an die Künstlerschaft. Der Katalog von 1791 veröffentlicht das Gesetz vom 21. 8. 1791, das den Louvre 355

Uber die Redaktion, die Unkosten und den Vertrieb der Kataloge siehe J . Guiffrey, Coli, des Livrets, Bd. 5, S. X V I I I ff.

Die Akademieausstellungen im 18. Jahrhundert

für alle Künstler öffnet 356 . 1798 wird noch ein Avis hinzugefügt, in dem unter anderem für die Ausstellungsbesucher die Abgabe von Stöcken, Degen, Mänteln und Regenschirmen an der Garderobe angeordnet wird. Die Disposition der Kataloge versucht aus verschiedenen Ordnungsprinzipien eine allen nur möglichen Anforderungen entsprechende Übersichtlichkeit zu gewinnen. Der Katalog von 167} hält nur das Prinzip der Reihenfolge nach der Aufstellung und im Großen eine Rangtrennung der Künstler nach Officiers und Académiciens ein, die sonst aber in bunter Werkreihenfolge aufgeführt werden. Die Kataloge von 1699 und 1704 verzichten auf die Rangordnung der Künstler und geben die Werke in der Aufstellungsreihenfolge mit genauer Ortsangabe. Der Katalog von 1704 ordnet die Werke eines Künstlers zusammen und setzt außerdem den Titel zu dem Namen. Der Katalog von iyjy ist nach dem gleichen Prinzip wie der von 1699 nur unter der Hinzufügung der Titel der Akademiker geordnet. Der Katalog von 1738 versucht zum ersten Male die Durchnumerierung in der Ausstellungsfolge. Die Titelnennung wird von nun an beibehalten. Der Katalog von ij}• c o pQPC-si-l^c^Hcoi

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Giorgione, 103, 193, 408 Giovanni di Paolo di Grazia, 33, Abb. 12 Girardon, François, 131 ff., 314, 164 Girodet, Ann-Louis, 164 Giuliano di Jacopo, 90 Glume, Johann Gottlieb, 234 Gnadenbild, 31-34, 76, 116, Abb. 1 1 - 1 3 Gobelin, siehe auch Teppich Gobelinausstellung, 104, 136, 318, Abb. 54 Gobelinmanufaktur, 134, 136, 319, Abb. 53 Gobert, Pierre, 314 Görlitz, 227 Goestelinc, Willem, 123 Goethe, Johann Wolfgang von, 340 Götterbild, 1 1 , 18, 2if., 27, 63, Abb. 8, 10 Goldschmied, 49-51, 55, 6of., 65, 89f., 209, 97, 102, 201 Werkstatt, 50, 103, 52L, 111, Abb. 21-26 Goltzius, Hendrick, 188 Gouda, 148 Goyen, Jan van, 410 Grabmal, 16, 23, 18, 45, 93, Abb. 3t., 8, 10 Graetsch, J., / / / Graff, Anton, 227f., 488, 236^, 239t., 313 Graz, Landesgalerie, 173 Graziani, Ercole, 228 Gregor XIII., Papst, 118 f., 287 Greuze, Jean-Baptiste, 337, 164, 166, 363, ¡70, 215 Griechenland, 12-16, 2of., 24, 201 Grimm, Friedrich Melchior Baron von, 141, 175. 373 Groff, Guillelmus de (Wilhelm), 242 Gros, Antoine-Jean, 164 Guardi, Francesco, 189, 39S, Abb. 81 f. Guercino, Giovanni Francesco Barbieri, gen., 98, 2)0, 103, 105, 248, 264, 408, 199, 333 Gütekontrolle, 56t. Guibal, Nicolas, 243 Guicciardini, Lodovico, 144, 64, 1 4 ; Guillaumot, Charles-Axel, 147 Guyard, Jean-Baptiste, 348 Guyenot, Almot, 53, Abb. 26 Haan, Ignacio, 419 Haarlem, 137 Hackert, Philipp, 278, 362 Hadrian, Kaiser, 41 Haecht, Willem II van, 84f., 196, Abb. 45 Händler, 13, 17, siehe auch Kunsthändler fliegender, 90, 210

Hängekommission, 128, 232, 237 Hagedorn, Christian Ludwig von, 224, 481, 226, 483, 228, 488, 231, 249, ¡47 Hagenauer, Johann Baptist, 224 Hagenbund, 362 Hainchelin, Frl., Dilettantin, 235 Halberstadt, Kunstverein, 360 Halle, Heiltum, 80, 84, 38 Kunstschule, 246f., 332 Kunst verein, 360 Halmale, Henri van, 82 Hamburg, 122, 246 Kunsthalle, 75, Abb. 34a, 61 Kunstschule, 245, 249 Kunst verein, 360 Patriotischer Verein, 245 Hamilton, William, 215 ff., 463 Johann Georg de, 410 Hals, Frans, 74 Hanau, Zeichenakademie, 242, 322 Handelsgesellschaft, Ravensburger, 58f., 127 Handelsverkehr, internationaler, 63 Handwerk, 22/., 246, 330/., 249, 251 Handwerker, 16, 18, 31, 44ff., 221, 243 Hannover, Kunst verein, 360 Hanse, 58 Hardouin-Mansart, Jules, 128, 131, 133 Hearne, Thomas, 215 Heidelberg, 265 Heiligenbild, 31, 90 Heiligtum, siehe Heiltum Heiltum, 9, 34, 80, 35-42 Kataloge, siehe Kataloge Heiltumsstuhl, 37t., 83/., Abb. 15 a, b Heinecken, Carl Heinrich Baron von, 379 Heinitz, Anton Freiherr von, 231 ff., 249 Heius, 29, 72 Helena, 19 Hellenismus, 13, 24, 21 Helmbreker, Dirk, 264 Hérault, Charles-Antoine, 316 Hermannstadt, Bruckenthalsche Slg., 147, Abb. 3 1 b Herodian, 27, ¿4 Hess, Heinrich Maria von, 336 Heyne, Christian Gottlieb, 431 Historienbild, 63, 148, 155, 159, 412, 202, 431, 214-17, 236, 238, 313, 257, 259 Hoffmann, Georg Andreas, 238 Hofkünstler, 124, 126, 221, 251 Hofkult, 137 Hofkultur, 220, 251 Hogarth, William, 201, 204, 212 f. Holbein, Hans, d. J., 194, 267, 338 Holland, 73 Nicolas van, 57

306

Register

Holzskulptur, 45, A b b . 27 f. Hondius, Abraham, 238, A b b . 47 Hone, Nathaniel, 215 Hoppner, John, 216 Hornemann, Ottilie Pauline, 239 Hostilius Mancinus, L., / / Houbraken, Arnold, 71, 409, A b b . 32 Houdon, Jean-Antoine, 164, 166 Hübner, Julius, j j i Huilliot, Pierre-Nicolas, 156 Hume, David, 217 Huquier, Gabriel, 379 Hutin, Charles, 379, A b b . 78 Ikonenmalerei, 76, 88 Ikonographie, 50-53, 17)f.,

74-86, 142-48,

Ï59-63. I74f-. 177-83» 4*2, 212-18 Impressionisten, 271, ¡62 Indezenz, 114, 370 Indifferenz d. Publikums, 466, 253, 258 t., 268, 270, 272 Industrieausstellung, 202, 427, 246 Ingres, Jean Auguste Dominique, 273 Innenraumausstellung, 129 Innozenz V I . , Papst, 86 Institution, 1 1 6 , 1 2 0 , 1 5 8 , 1 8 8 , 196, 244, 247t., 2 49. 251, 274, 269 Institutionalisierung, 184, 253, 256 Interessengruppen, 93, 219, 270 Intoleranz, 71, 253, 273 Isabey, Jean-Baptiste, 164 Italien, 19, 31, 48, 64, 87-123, 135, 169, 186-96, 2oi, 206, 44s, 494, 247f., 253, 263

Jagdbild, 229 Jahrmarkt, 5 6 f., 12} bildliche Darstellungen, 73-76, 172-7}, 81, A b b . 34f. Jena, 263 Johann, Herzog v o n Sachsen, 60 G e o r g II., Kurfürst v o n Sachsen, 220 Johannes X X I I . , Papst, 76 Johnson, Samuel, 432 Jordaens, Jacob, 82, 19} Jouvenet, Jean, 133, 164 Julie, Prinzessin v o n Hessen-Philippsthal, 494, 230 Julius II., Papst, 2/1 Jullienne, Jean de, 374 Juno, 27, A b b . 8 Jupiter, 27, A b b . 8 Jury, 8, 19, 57, 71, 92f., 96, 112, 114-16, 140, 328, 210, 448, 481, 232, 244, 269 Juwelier, siehe auch Goldschmied Kaiserkult, 76

Kaiserportrait, 18 Kallixenos, 43 Karikatur, 85, 180, 382, 384, 212, 215, 237, 240 Karl I., K ö n i g v o n England, 200 III., K ö n i g v o n Spanien, 199 I V . , Kaiser, 86 V I . , Kaiser, 222 August, Großherzog v o n Weimar, 241 Theodor, Kurfürst v o n Bayern, 242 Karlsruhe, Kunstverein, 360 Karlstein, Burg, 86 Karneval, 101, 238, A b b . 47 Karthago, / / Kassel, Akademie, 228-32, 255 f. Akademie, Statuten, 228, 490, 493, 496 Collegium Carolinum, 228 Kunst verein, j6o Staatl. Gemäldegalerie, 493 Katalog, Ausstellung, allgemein, 257 t. Auflage, 150 Benutzungsanweisung, 150 Bewertung, 257, ¡43 Bildbeschreibung, 152-57 Disposition, 151 f., 257 Kosten, 150, 33/, 203, 232 Redaktion, 149, 232 Titel, 150 Verkauf, 150, 33;, 204, 432, 440 Berlin, Akademie, 232-35, 247 Dresden, Akademie, 481 Florenz, Akademie, 191 f., 406f., 193-96, A b b . 86a-d Frankreich, 197 f., 417 D e n Haag, 69 Kassel, Akademie, 494 Liverpool, 215, 437 London, Akademie, 44}, 210, 219 London, 203-05, 428, 432t., 216, 463 München, 267, j}6, 338 Paris, Akademie, 126, 130-32, 137-40, 142, 144, 149-65, 182, A b b . 64f. Paris, iÖ7f., 361/., 368 Rom, Pantheon, 113, 269 Spanien, 198 f., 418-20 Wien, Akademie, 223 illustrierte, v o n Gabriel de Saint-Aubin, 174-76, A b b . 69-73, 74b, c Katalog, Heiltum, 34-38,42,149, A b b . 14-17, 19 Preiskatalog, 112 Sammlung, 149 Versteigerung, 374, 179, 379 Katharina, Heilige, 5 5 Katharina II., Kaiserin v o n Rußland, 252 Kauffmann, Angelika, 2 1 5 - 1 7 , 463

Register Kaufhalle, 57t., 12 f Kauf ruf, 210 Kaunitz, Wenzel Anton Dominik, Fürst von, " 3 . 479, 231. 249» Sii Kehrer, Karl Christian, 237 Kelch, 38, 88, 42, 49, 51 Kenner, 14, 70, 72, 77t., 80, 99, 101, 122, 156, !77, 179» I9 1 . J95» 2 ° 6 . 44f, 2 2 0 . 2 3 J > 2 5°> 253> 2 5 8 . 2 6 ° . und Liebhaber, siehe auch Dilettant Kennerschaft, 206, 241, 269 Kessel, Jan van, 146 Kirchenschatz, 2, 5, 31, j6 Kirmes, siehe Jahrmarkt Klassizismus, 146, 166, 474, 22Öf., 240, 248f., 263, 272

Klein, Johann Adam, f f S Kleinasien, 24, 201 Kleinkunst, 31, 49 Klengel, Johann Christian, 227 Klenze, Leo von, JJ6 Kneller, Gottfried (Godfrey), 201 Kobell, Ferdinand, 362 Kobold, Werner, 229 Koch, Joseph Anton, ¡¡6 Köln, 76, 36, 54, 122, 6t, 141, 265 Königsberg, Kunstverein, / i o Königgrätz, 480 Konkurrenz, wirtschaftliche, 46, 48, 89, 245 Konrad von Würzburg, 98 K o n v e n t i o n , 4, 1 6 6 , 1 7 6 , i 8 o f . , 183 t., 246, 262

Konzil, Tridentiner, 1 1 2 Kopenhagen, Akademie 252 Kopie, 17t., 27, 34, 74, 78, 91, 211, 103, 24/, .2^ 9°, 49. 55»

204t., 432/., 238, 268, 2 7 1 , 274

Künstlerlegende, 19, siehe auch Anekdote Künstlerpersönlichkeit, 47L, 98, 87, 91, 94, 184

Künstlerproletariat, 91, 176 Künstlerruhm, 19, 98, 85, 94, 96 Künstlerverband, 200f., 207, 210, 27of., ;6i,

219,

273

Künstlerwettstreit, 14, 19, 72, 83, 94-96, 220, 222, 98, 103, 109, 1 3 8 , 1 7 3 , 2 1 5 , 261

Kulissen, / / Kultausstattung, 11, 1 1 6 Kultbild, 20, 102 Kultgebrauch von Kunst, 7, 10, 31 f. Kultgerät, 13, 2of., 23, 27, 32f., 76, 35 f., 189 Kultur, nationale, 221, 248 f., 251t. Kulturpolitik, n j f . , 123, 135, 185, 251 Kunst, Berliner, 234 deutsche, 220, 250, 265-67, / / i , j;8 englische, 432, 2 1 1 , 264 flämische, 263-65, JJ2, f f 8 französische, 174, 190, 196, 242, 264 holländische, 79, 264 f., }j2, J¡8 italienische, 64, 123, 174, 264, f f 8 klassische, 248 nationale, 249 niederländische, 48, 58, 61, 123, 296, f f 8 offizielle, 176, 185, 219, 258 d. Nahen Osten, 201 römische, 196 schwedische, ff7 spanische, 264, f f 8 venezianische, 190, 196 Wiener, 267 zeitgenössische, 2, 109, 1 1 2 , 120, 122, 135, 158, 194f., 262, 268, 272

12

7,

Künstler, deutsche auf Pariser Ausstellungen, 362

in Italien, 99 t., 233-36 französische in Frankfurt, 61 Freiheit d., 100, 363, 183, 207, 466, 268 niederländische in Deutschland, 60 f., 139f. refüsierter, 114, 370, 3S4, 210, 215, 269, ,62

Künstlerinschrift, $8 Künstlerklage, f 8 Künstlerkonflikt, 61 f., 141, 100, 128, 201,

Kunstakademie, siehe Akademie Kunstanschauung, 8, 145, 176, 240 Kunstauffassung, i, 134, 139, 172, 184t.,

60, 88

Rivalität d., 93 f., 103 verkannter, 98, 269 Künstlergesellschaft, 68, 266, / / / Künstlergruppe, 432, 201, 270 f.

3°7

2 5 1 , 254t., 259t., 262, 269, 2 7 l f f .

Kunstausstellung, siehe Ausstellung Kunstbesitz, 5, 28, 86, 105, 119, 263, siehe auch Sammlung Kunstbetrachtung, 14, 77 f., 80, 86, 102, 1 7 1 , 175 f., 178-82, 260, 263

Kunstbetrieb, 1, 78, 86, 116, 219, 253f., 272 Kunstdespotismus, 197 Kunstdiktatur, 1 1 4 , 269 Kunstdiskussion, 2, 70, 72, 78, 105, 140t., 158, 172, 177, 179, 185, 222, 226f., 250, 260

Kunstdoktrin, 126, 134, 348, 158, 168, 173, 187, 195-97, 4'J, 2 °7» 2 i 9 . *$». 253> 2 55

3O8

Register

Kunstexport, 5 8 f., 127, 64, 90, 211 Kunstfälschung, i j L , 78, 91, 211 Kunstfreunde, 69, 201, 270, siehe auch Dilettanten Kunstgenossenschaft, deutsche, / / 6 Kunstgeschmack, siehe Geschmack Kunsthändler, 57, 60, 136, 62, 141 f . , 65f., 73, 75-78, 180, 182, 80f., 89-92, 206, 211, 21/, 168-71, 368, 2i6f., 254 Kunsthandel, 3, 6, 10, 12, 14, 1 6 - 1 8 , 26, 35. 48, 53. 55-6o, 72f., 78, 81, 86f., 89, 206, 90L, 209, 211, i n , 1 1 8 , 282, 122, I 39> x49> I 7 ° . 176» 206f., 218, 228, 230, 254, 261, 173 Kunsthandlung, 19, 78 f., 177 f., Abb. 36-41, 75 Kunstindustrie, 18, 64, 134 Kunstinstanz, 139, 167, 172, 200, 258 Kunstkampf, 3, 172, 268f., 274 Kunstkenner, siehe Kenner Kunstkrise, 466 Kunstkritik, 4, 4, 8, 15, 7 1 , 16;, 72, 224, 2}2, 1 1 9 , 125, 297, }20, 140, )2J, 1 4 1 , 143. i / 7 . 166, 170, 172-74, ¿70, 176, 180, ¿ i / , 186, 205, ¿¿r, 2 1 1 , ¿ r / , 215, 474, 226-29, 231, 235-40, / / i , 247, 25of., 255. 268f., 271, Abb. 33, 79 Kunstlehre, 1 1 7 , 1 3 1 , 184t., 200, 247-49 Kunstmarkt, 3, 27, i8f., 3;/., 24, 29, 31, 48, 55f., 62f., 73, 204, 169 Kunstmode, 1, 8, 70, I72f., 370 Kunstmonopol, 1 2 1 , 126 Kunstpflege, 1, 195, 241, 245, 247-49, 251 Kunstpolitik, 8, 1 1 3 , 190f., 270 Kunstprogrammatik, 120, 1 3 1 , 172, 184 f., 248 f. Kunstraub, 17, 24, 24, 263 Kunstrichtung, 1 , 8 f., 70, 269, 271 Kunstsammler, siehe Sammler Kunstsammlung, siehe Sammlung Kunstschulen, 196-201, 22of., 225, 241, 243, 245. 247. 249 Kunstskandal, 1 1 0 , 261, 1 1 9 Kunsttheorie, 7 1 t . , 100, 120, 125, 297, 126, 174, 195. 221, 259, 262 Kunsturteil, IJ, 19, 98, 57, 70-72, 78, 91t., 95-97, 102, 136, i 7 2 f . , 370, 4J1, 240, 250, 252, 255f., 260, 273 Kunstverein, 201, 244, 270, ¡So, 273 Kunstverhältnisse, 212, 222, 226, 25of., 269, 274 Kunstverordnung, 1 1 4 Kunstverständnis, 224, 243, 258 Kunstwissenschaft, 2, 4, 9, 261, 263 t., 267 f., 272 Kunstzeitschrift, 222, 474, 227, 4S4, ¡32

Ladenschild, 178 f., ¡7j, 433, Abb. 75 Ladenverkauf, 46f., 51 f., 63, 77, 88 La-Ferté-Gaucher, 101 La Font de St.-Yenne, 143 Lafréry, Antonio, 209 Lagny, 101 La Grenée le Jeune, Jean-Jacques, 348, 156 Laienausbildung, 253 Laienelement, 191 Laienpublikum, 252 Laienurteil, 96, 224, 173 Lampi, Johann Baptist, 224 Lamy, Charles, 153 Lancret, Nicolas, 164, 170 Landschaftsbild, 63, 76, 103, 24J, 262, 163, 412, 197, 2 1 1 , 4Ji, 237f., /// Landucci, Luca, 206 Lanfranco, Giovanni, 211, 248, 264, 408 Langlois, Jean, 1 3 1 , } i ) , Abb. 52a, b Langres, 101 Largillière, Nicolas, 164 Lastman, Pieter, 69 La Tour, Maurice Quentin de, 341, 149, 164, 370 Lauri, Filippo, 262, 264 Lavater, Johann Kaspar, / / / Le Barbier l'aîné, Jean-Jacques François, 348 Lebas, Jacques-Philippe, 180, 381, Abb. 79 Le Brun, Charles, 124-26, 296, 134, 136, 319, 168, 363, 368, 173, Abb. 53 Ledere, Sebastien I, 136, Abb. 54 Legendre, Nicolas, 128 Lehre, siehe Kunstlehre Leiden, 123, 148, ;40 Leihgabe, 29, 69, iogf., 262, 193, 261, 264, 266, 268 Leihgeber, 2/2, 192, 195 Leipzig, 228, 488 Akademie, 224-28, 249 Künstlerverein, ¡ 6 1 Kunstverein, j6o Messe, 60, 13 j f . Pleißenburg, 225 Lemoyne, François, 138, 322 Jean-Baptiste I, 170 Lenfant, Pierre, } / / Leningrad-Maler, 16 Le Nôtre, André, 29 S Leo X . , Papst, 102 Leonardo da Vinci, 97, 226, 99, 193 t., 409 Leopold I., Kaiser, 220 Leopold Wilhelm vom Österreich, 178 Le Prince, Jean-Baptiste, 155, 164, 166 Leptis Magna, /9 Lespinasse, Louis-Nicolas, 164

Register Le Sueur, Blaise-Nicolas, 234 Eustache, 296, 238 Le Tavernier, Jean, 57, 124, Abb. 29 Licinius Murena, L. ( 28, 70 Liebhaber der Künste, siehe Dilettant Liebhaberkunst, 253 Liebhaberpublikum, 63 Ligozzi, Giacomo, 40 S Lille, Akademie, 197, 25 6 f. Liotard, Jean-Etienne 410 Lippi, Fra Filippo, 194 Liverpool, 215, 257 Livius, T., j i - f j , f f , 28, 6 S Löwen, 57, 123 London, 4, ¡74, 215 f., 231, 265 Adelphi Buildings, 203, 205 Akademie, 148, ) j o , 182, 200, 205-10, 212, 215 f., 219, 226, 230, 232, 241, 244, 246, 255-57. S47> 264 Ausstellungen 19. Jh., 269 The British Institution, 264, / J 2 The British Museum, 4J)f., 46}, Abb. 88 f. Buckingham House, 216 Christie, Auktionshaus, 20 j Dichtergalerie, 2 1 6 - 1 8 Foundling Hospital, Bloomsbury, 201, 42; Kunstschulen, private, 200 f. Lyceum, 206 Langford's Room, Covent Garden, 4)2 Maiden Lane, 205 St. Martin's Lane, 201, 205, 2 i j The National Gallery, 39 S, f f 2, Abb. 83 Nonsense Club, 4}) Painter's Hall, 206, 43S Pall Mall, }jo, 205 t., 208, 210, 212, 215, Abb. 87 Christie, 218 Philip's Room, Picadilly, 206 Somerset House, 3)0, 182, 208f., 213, /42, Abb. 88-90 Society of Artists, 201, 203 f., 432, 440, 218, 257 Society of Artists of Great Britain, 205 A Free Society of Artists, 205 f. The Incorporated Society of Artists of Great Britain, 20; f. Society of Dilettanti, 201 Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce, 201-07, 245 Spring Gardens, 216 Weltausstellung 1 8 5 1 , 4, /, 245 Loo, Amédée van, 154, 175 Carle van, 149, 164, 37J Lorangère, Quentin de, 379

309

Loredan, Leonardo, Doge von Venedig, 103 Lorrain, Claude, 103 t., 24J, 264, 409 f . Lotterie, 126, 76, 149, 201, 463, / / / , Abb. 34a, b Loutherbourg, Philipp Jakob, d. Ä., 217 Louvois, François-Michel Le Tellier, Marquis de, 128 Lucca, Akademie, 188 Ludwig I., König von Bayern, 265 X I V . , König von Frankreich, 127-30, 309, ï j i f - . 1 3 5 - 3 7 . 149. 163, 166 f., 172, 1 9 1 , 196, Abb. 53 X V . , König von Frankreich, 149 X V I . , König von Frankreich, 4;i Lüneburg, Michaeliskloster, Reliquienschatz, 39, SS, 90 Lütke, Peter Ludwig, 238, / / / Lüttich, Akademie, J40 Lukas, Heiliger, 44 Lukasbund, 270 Lukasfest, 1 1 7 - 1 9 , 2!3, 2S7, 302, i88f., 191 f., 40 f , 194, 254, 261 Luti, Benedetto, 2/0, 2S4 Lychnouchoi, 34 Lyon, 127, 197 Akademie, 41/, 2j6 Maastricht, Heiltum, So, S3, Abb. 14 Maccarucci, Bernardino, 189, 396 Macklin, Thomas, 217 Macrobius, Ambrosius Theodosius, 63 Madrid, Akademie, 198-200, 41S, 247 Mäzen, 1 0 1 , 108, 27S Mäzenatentum, 96, 1 9 1 , 270 Magdalena, Heilige, 5 5 Magdeburg, Heiltum, S4 Kunstverein, j6o Magno, Giovanni, 246 Mailand, 90, 220 Akademie, 188 Festa del Perdono, 27S Museo Castello Sforcesco, 77, Abb. 1 1 Ospedale Maggiore, 27S Sa. Maria a Bertrade, 33, Abb. 1 1 Slg. Toro, ig Mainz, Dom, 74 Malerei, flämische, 79, 196, f f 2 , f f S holländische, 196, f f 2 , jjS niederländische, 254 Zürcher, 266 Malerwerkstatt, siehe Werkstatt Manchester, f f S Mancini, Giulio, 120, 2SS Mander, Karel van, 127, 72, itS Manegold, Marx, 13S Manet, Edouard, 271

Register Manier, 224, 116, 166, 244, 260 Mansart, siehe Hardouin-Mansart Mantua, Akademie, 188, ¡ 9 2 Manufaktur, 136, 41 j, 199, 481, 249 Maratta, Carlo, 262, 264, 119, 408, /// Francesco, 267 Marc Aurel, Kaiser, 64, 237 Marcellus, Marcus Claudius, 24 Maria, Francesco di, 103, 24/, 266 Maria Theresia, Kaiserin, 188, J41 Marie-Antoinette, Königin von Frankreich, 146 Marienbild, 33, 76, 49, 55, 60, 90, 237, Abb. 1 1 - 1 3 , 20, 28 Marieschi, Michele, 190, 298, Abb. 8j Mariette, Pierre-Jean, 190 Markt, 10, 13, iß, 16, 54, 73!., 77, 87, 89, 123, i84f., siehe auch Jahrmarkt Marktgängigkeit, 78 Markthandel, 7, i2f., 31, 44, 46-48 Marktordnung, 16, ßf Marktschiffer, 1)8, 73 Marktverkauf, 63, 72f. Marktwirtschaft, 6 Marseille, Akademie, 197, 226, 256 Marsy, Gaspard II, 128 Martelli, Gismondo, 241 Martial, 17, ßo Martini, Pietro Antonio, 146, ¡46f., 1 7 7 , 1 8 1 f., 213t., 4JJ, Abb. 6of., 90 Masaccio, 194 Massé, Jean-Baptiste, )22 Samuel, 170 Massenerlebnis, 182, Abb. 62 a, b Massys, Quentin, 85 Maulbertsch, Franz Anton, 236 Maximilian, Erzherzog von Österreich, J40 Mecheln, 127 Medici, 107, 109 Cosimo I. de', 94f., 241, 1 1 7 Cosimo III. de', 190-93, 404, 407 Ferdinando de', 192t., 407, 196 Francesco I. de', 2)8 Francesco Maria de', 191 f., 404, 407 Giovanni de', Grabmal, 95 Giulio de', Kardinal, 94 Lorenzo de', 93 Meil, Johann Wilhelm, 239 Meister M. Z., in Melancholie, 180, Abb. 79 Meißen, 224 ff., 249 Meisterwerk, 27, 73, 84f., ¡04, 262t. Mengs, Anton Raphael, 198 f., 418, 420, 227, 243 Merck, Johann Heinrich, 227 Merkantilismus, 126, 203

Merkur, 52, in, 82 Mersili, Conte, 187 Méry-sur-Seine, 1 0 1 Messe, 31, 54, 60, 63, 73f., Abb. 3 i a - c , 82, siehe auch unter Orten Champagne, 48 f. Messina, 228 Metallgerät, 12f., 16, 16, 51, 57f., Abb. 2 Meunier, 1 7 1 , Abb. 67 Meyer, F. J. L., 246 Michelangelo Buonarroti, 219, 97, 2/1, 409, 240, JI6 Miel, Jan, 262, 2S4 Mignard, Pierre, 296, 128, 410 Mignot, Pierre-Philippe, 144, ßß$, Abb. 57 Milani, Aureliano, 228 Milton, John, 466, J44 Minnesänger, $8 Mino (Maler), 88 Mitelli, Giuseppe Maria, 210 Mitgliedschaft, 196, 210, 446, 270 Mittelalter, 12, 30-43 Mittelmäßigkeit, 166, 270 Modell, 85f., )6o, 44!, 235, 246 Modellstudio, 201 Modena, 202, 188 Molijn, Jan, 74 Momper, Bartholomäus de, 63, 17) Josse de, 188 Monopol, 167, 219, 251-53 Monsaldy, Antoine Maxime, 148, ) ¡ 2 , 177, 180-82, Abb. 62 f. Monstranz, 76, 34, 36, 38, 88, 40-42, 90 Monsü, Stendardo, 262 Montagna, Bartolomeo, 408 Montelupo, Raffaele da, 95 Monti, Innocenzo Cristofero, 24} Montpellier, 197 Moreau le jeune, Jean-Michel, ß48, 155 Moser, Lukas, 44, 46-48, 98 Georg Michael, 201 Mucius, Scaevola, Q., 28 Müller, Friedrich, 2ßß P. G „ / / / München, Akademie, 241 f., 266 Ausstellung 19. Jh., 267 Bayer. Staatsgemäldeslgn., 192, Abb. 43 Graphische Sammlungen, 8}, 36, Abb. 14 Künstlerverein, / 6 1 Kunst verein, jio Sezession, /62 Slg. Loewenfeld, 178f., Abb. 35 Münster, Kunstverein, j6o Mummius Achaicus, L., 17 Murillo, Bartolomé Esteban, 199 Museum, i f . , j , 7, 166, 201, 267f.

Register Muskatblut, 98 Myron, 19, 36 Mythologie, 63, 152, 4fi, 479, 237-40, 257, 259

Nabis, ¡62 Nachahmung, 78, 479, Jfo, 262 Nahl, Johann August, 229 f. Napoleon Bonaparte, 496, 263 Natalino (Nadalino) da Murano, 208 Natoire, Charles-Joseph, 164, 170 Nattier, Jean-Marc, 156, 164 Neapel, 211, 97, 101-04, 238, 24/

Akademie, 188 Capo di Monte, 278 Museo Naz., 22, 61 Vizekönig Don Pedro di Toledo, 103 Neeffs (Neef), Peeter, 410 New York, Slg. Walter P. Chrysler, 211 Slg. Julius Held, 199 Slg. Robert Lehman, 107, Abb. 22 Nicolai, Friedrich, 474 Niederlande, 3, 44, 48, 55, 58, 126, 72, 78, 87, 89, 122ff., 158, 248, 2J3, 261 Akademien, 162, 25 3 f., ¡ 4 0 f . Niedlich, Johann Gottfried, 238 Nilson, Johann Esaias, 243 Nördlingen, Messe, 60, 134 Nogent-sur-Seine, 101 Nonotte, Donat, 155 Nürnberg, 80, 86, J9f., 128, f f 4 , Abb. 15 a, 17e

Akademie, 221 Frauenkirche, 37f. Kunst verein, fio Rathaus, 128 Nußschalen, bemalte, 127 O b e r l i c h t , 148, }fo,

2o8f., 44}, 2 i 2 f . , 46)

Odofredo, Jurist, 22) Öffentlichkeit, Rücksicht auf, 137, 320 Öffentlichkeitsfunktion, 96, 173 Öffentlichkeitswirkung, 199, 201, 253 Oeser, Adam Friedrich, 225, 228, 488 Friedrich Ludwig, 227 Oeuvreausstellung, 264, 270 Olbia, 12 Olivier, Ferdinand, f f 6 Olivieri, Monsignore, m Opie, John, 2i6f., 463 Opstal, Gérard van, 128 Oranien, Prinzen Moritz u. Friedrich Heinrich von, 177 Oresme, Nicole, I2f Orient, 24, 201 Orléans, Philipp, Herzog von, 129

311

Orley, Bernart van, 123 Ossuarium, 42 Ostade, Isaac van, 74 Ostensorium, 51 Ostseeländer, Kunstexport in d., 64 Oudry, Jean-Baptiste, 154, 156, 164, 166, 170, 370

Overbeck, Friedrich, f f i Oxford, Ashmolean-Mus., 339 Pädagogik, 120, 241, 253, 258 Pajou, Augustin, 164 Palma, Jacopo, gen. Palma Vecchio, 95, 408 Palmesel, 76 Panathenäenfest, 20, 39, 40, 23 Pandolfo, 410 Pannini, Giovanni Paolo, 409 Papirius Cursor, L., 68 Paris, 11 f , 7 1 , 267, 123 f., 172, 374, 184t., 187, 190, 194, 200, 205 f., 4 4 f , 2 1 2 , 2 1 5 , 226-28, 488, 2 3 1 , 2 5 1 , 253, 264, 271

Académie Royale, 3, 9, 70, 72, 81, 100, 283, 1 2 1 , 1 2 4 - 2 6 , I 2 8 f . , 167, 169-74, 186, 188, 1 9 1 f . , 407,

194-97. 4 ' 4 ' ! ,

2 0 3 f-.

432,

207, 2 1 3 f., 4f6, 2 1 9 , 2 2 1 - 3 0 , 474, 476, 47*, 490, f04, 2 4 1 , 244, 246-49, 252, 2 5 5 f - , S4*>

J47

i 6 7 f . , 361,

176,

Académie de S.Luc, 125, 296, 141, 158, 257

Arsenal, 167 Ausstellungen 19. Jh., 269, 273 Confrérie des maîtres peintres, 124-26 Bibliothèque Nationale, 108, 171, Abb. 23, 51 i-, 54. 56, 60, 6 2 f . , 6 7 - 7 0 , 7 2 - 7 4 , 76-79

Colisée, 168 Exposition de la Jeunesse, 141, i j 8 f . , j f 8 , 1 7 1 , 368, 176, A b b . 66-68

Gobelinmanufaktur, 131 Hôtel d'Aligre, 167 Hôtel Brion (Pal. Royal), 129, Abb. 51 Hôtel Jabach, 167 Louvre, 33, 78, 229, 261, 303, 319, 167, 37/, 396, 263, Abb. 1 2 , 81 Cab. des Dessins, 342f., Abb. 58 Galerie d'Apollon, 138, 148 Grande Galerie, 129-31, 310, 132-35, I37-J9. I4if-. 150. Abb. 52a, b, 55a, b Salon Carré, 139-49, 263 f. Marsfeld, 263 Musée Carnevalet, 171, Abb. 66 Musée Central des Arts, 263, Abb. 62 f. Musée Cluny, 90 Palais Royal, 128-30,133, 317, 136, Abb. 51 Place Dauphine, 169t., 176, Abb. 66, 68 Place du Palais, 169, Abb. 67 Pont Neuf, 169

312

Register

Saint-Barthélemy, 169, 364/., 171, Abb. 67 Salles des Augustins, 167 Slg. Georges Dormeuil, 339 Slg. Marquis de Ganay, 342, Abb. 74a Slg. Gulbenkian, 396 Slg. Jérôme Pichon, 341 Slg. Spiridon, 106, Abb. 21 Slg. Baron du Teil, 372, Abb. 71 a, b Slg. Henri Thomas, 338 Slg. Veil-Picart, 33S, Abb. 59 Sezessionismus, 362 Tribunal du Commerce, 169 Weltausstellung, 271 Parma, Akademie, 187, 390 Parmigianino, Francesco Mazzola, gen., 14Ì, 109 f., 261, 264 Parrhasios, 98 Pascoli, Lione, 211, 220, 284 Pasinelli, Lorenzo, 228 Passeri, Giovanni Battista, 211, 261, 113 f., 271,

284

Passignano, Domenico, 409 Patronat, 231, 107, 109, 207 Paul III., Papst, 277 Pausanias, 41 Pella, Giovanni Battista della, 206 Pencz, Georg, in Pendant, 77, 80, 143 Pendeskufia, 14 Perino del Vaga, Pietro Buonaccorsi, gen., 89f., 208

Personifikation, 22, 48, 8j, 203, 180 Perugia, 98 Perugino, Pietro, 193 f., 408 Pesne, Antoine, 234 Peter Leopold, Erzherzog von Österreich, 194, 196

Peters, Rev. Matthew William, 217, 4Ì3 Peugl, Matthäus, 136 Peyron, Jean François Pierre, 348 Pforr, Johann Georg, 229 Phidias, 19, 61 Phigalia, 41 Philipp I., König von Spanien, 187 IV., König von Spanien, 193 der Gute, Herzog von Burgund, 57, 124 Phintias, 14, 17, 16, Abb. 1 Phöniker, 12 Photographie, 262 Phradmon, 19 Pierre, Jean-Baptiste Marie, 337 Pinakes, 13 f., 14 Pindar, Peter, Pseud. von John Wolcott, 431 Pine, Robert Edge, 216 Pio, Principe, m Piombo, Sebastiano del, 94, 219

Piranesi, Giovanni Battista, 90, 209 Pisa, 98, 261 Pisano, Giovanni, 98 Pistoja, 98, 92 Pitsa, 14 Planetenkinder, 50, 103, j2, in, Abb. 24 Plattnerwerkstatt, 202 Plinius, 19, 20, 23, 34 f., 69/., 98, 231 Plutarch, 24, 46, 31, 33 Poesie, 193, 322, 148 Poitiers, 197 Pokal, siehe Kelch Pola, 201 Polidoro da Lanciano, 208 Pollajuolo, Piero, 93 Polyklet, 19, 18 f., 36 Pompa, 20-24, à't O» 33» I02 > I 2 2 » Abb. 8 - 1 0 Pompadour, Jeanne Antoinette Poisson, Marquise de, 341, 149 Pompeji, 16, i l , Abb. 2 Pompeius Magnus, Cn., 24f., 33 Porcellis, Jan, 409 Pordenone, Giovanni Antonio, 95 Portugal, 2ii Poseidon, 14 Poussin, Gaspard Dughet, gen., 262 Nicolas, 248, 262, 264, 266, 121, 193 f., 4»9f-

Prämiierung, siehe Preisverteilung Praeneste, 17 Präraffaeliten, 270 Prag, 86, 246 Hradschin, Wladislaw-Saal, 64, 146, Abb. 3ia-c Kunstverein, 3(0 Prange, Christian Friedrich, 246 f., 332 Prato, 206 Praxiteles, 36, 29, 61 Preisarbeiten, 428, 222, 333 P r e i s a u f g a b e , 302, 394, 1 9 1 , 221 f., 473f., 304,

323,

49Ì,

S4°

Preiskonkurrenz, 1 1 8 - 2 1 ,

284/., 302, 137t., 186-89, 388, 391, 196, 198-200, 202, 473, 238, 243, 252f., 340, 254, 256t.

Preisträger, 222 Preisverteilung, 128, 138,

322,

390,

I98f.,

418f., 421, 202, 2 2 1 - 2 4 , 47h 47*, 479, 228-30, 490, 493, 496, 499, 310, 2 4 1 - 4 5 , 322/.,

32if.,

252-J5,

336/.,

340,

344,

Abb. 91 f. Preisschriften, 284, siehe auch Akademie, Festschriften Presse, 233 Pretiosen, 20, 49, 57, 136 Handel mit, 49 t., 56, 88, Abb. 29

Register Preußen, 247 Privatbesitz von Kunst, 1, 29, 232, 107, 109, 1 2 2 , 1 9 5 , 2 4 6 , 2 6 1 f., 2 6 4 , ;;8, 2 7 0 Probestück, 92 Propaganda, 278 Protektion, 89, 105 Protest, H4f., 176, 215, 259 Protogenes, 61 Provins, 101 Prozeß, i i 9 f . , 287 Prozession, 7 , 7 , 9, 11, 2 0 - 2 2 , 37, 41, 2 4 , 2 6 - 2 8 , 63, 3 2 - 3 4 , 76, 4 3 , 9 9 f . , 1 0 3 f . , 242, 1 0 7 , 1 1 6 , i 6 9 f . , 3Ì4, 1 8 9 f . , 3 9 6 , A b b . 1 1 - 1 3 , 80F., 83

Prozessionsapparat, 10, 22, siehe auch Fest Prozessionsausstellung, 43, Abb. 83 Prudhon, Pierre-Paul, 164, 37j Prunkbuffet, 10 Ptolemaios II. Philadelphos, 22, 4/ Publikumsreaktion, 1 4 , 219, 9 6 - 1 0 0 , 1 1 0 , 261, 320,

1 3 9 - 4 1 , 1 7 2 * - . 4*°> 44!, 2 1 2 - I J , 2 2 9 , 494, 2 3 6 , 2 3 9 , 264F.

224

Publikumsverkehr, 283, 128, 320, 203, 431 Pucci, Antonio, 206 Puhlmann, Johann Gottlieb, 236-39 Pyrrhus, 24 Pythagoras, 19, 44} Quaglio, Domenico, j j i Qualität, 140, 329, 234, 240f., 250, 255, 260, 273 Quellinus, Jan Erasmus, 83 Quercia, Jacopo della, 92 Quintilian, M. Fabius, 69 Quittung für eingelieferte Ausstellungsstücke, 232T.

Raffael, 146, 85, 94, 219, 102, 264, 131, 134, 1 9 3 f., 408, 1 9 9 , 2 3 7 , 265 t., S 3 4 Raimondi, Marcantonio, 209 Ramberg, Johann Heinrich, i/o/., 182, 213 f., Abb. 88 f. Ramerupt, 101 Ramos y Albertos, Francisco Javier, 419 Rangordnung, akademische, 126, 173, 257 Rationalismus, 241 Rauch, Christian Daniel, j J 4 Raumdekoration, 6, 31, 62, 79, 129, 142 f., 42!>

f42

Read, Catherine, 428 Recco, Giuseppe, 24; Reclam, Frédéric, 234 Regentschaft des Herzogs Philipp von Orléans, 129, 139

Regnault, Jean-Baptiste, 348 Reichsinsignien, 37 f., 86

3*3

Reiffenstein, Johann Friedrich, 278 Reims, 707, 41 j Reinhart, Johann Christian, j;6 Reklame, 77f., Abb. 24, 36f. Reliquiar, 3 1 - 3 3 , 35f., 38-42,