Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid über leitungsgebundene Versorgungsgüter und die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe zwischen 1856 und 1945: Zugleich ein Beitrag über den Ausbau der kommunalen Leistungsverwaltung in Preußen [1 ed.] 9783428515943, 9783428115945

Die Einführung der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas, Wasser und Strom hat im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert w

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Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid über leitungsgebundene Versorgungsgüter und die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe zwischen 1856 und 1945: Zugleich ein Beitrag über den Ausbau der kommunalen Leistungsverwaltung in Preußen [1 ed.]
 9783428515943, 9783428115945

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 119

Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid über leitungsgebundene Versorgungsgüter und die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe zwischen 1856 und 1945 Zugleich ein Beitrag über den Ausbau der kommunalen Leistungsverwaltung in Preußen

Von

Matthias Heider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS HEIDER

Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid über leitungsgebundene Versorgungsgüter und die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe zwischen 1856 und 1945

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 119

Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid über leitungsgebundene Versorgungsgüter und die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe zwischen 1856 und 1945 Zugleich ein Beitrag über den Ausbau der kommunalen Leistungsverwaltung in Preußen

Von

Matthias Heider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-11594-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Arbeit, die von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn im Jahr 2003 als Dissertation angenommenen wurde. Der besondere Dank des Verfassers gilt seinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Gerd Kleinheyer für die Anregung zur Bearbeitung des Themas in der Reihe der von ihm betreuten Arbeiten zur Rechts- und Stadtentwicklungsgeschichte sowie seine Erstbegutachtung. Herrn Professor Dr. Wolfgang Löwer ist für die Zweitbegutachtung zu danken. Den Mitarbeitern und Leitern der besuchten Archive, insbesondere im Stadtarchiv der Stadt Lüdenscheid unter der Leitung von Herrn Dieter Saal, schuldet der Verfasser Dank für die fachliche Unterstützung und freundliche Hilfe beim Auffinden der Archivalien. Der Verlag Duncker und Humblot hat die Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe „Schriften zur Rechtsgeschichte“ aufgenommen. Für den Druck der Arbeit hat die Geschäftsführung der Stadtwerke Lüdenscheid GmbH einen Druckkostenzuschuß zur Verfügung gestellt. Der Verfasser dankt dafür sehr herzlich. Dieses Engagement ermöglicht eine angemessene Veröffentlichung der Arbeit, die neben der exemplarischen Untersuchung der Konzessionsrechtsverhältnisse und der Einordnung der Instrumente der Leistungsverwaltung in die städtischen Agenden auch einen strukturellen Beitrag zur Verwaltungsgeschichte der Stadt Lüdenscheid im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts leistet. Danken möchte ich schließlich meiner Familie, insbesondere meiner Frau, für die motivierende Unterstützung und geduldige Begleitung meiner Forschungen in den vergangenen Jahren. Sankt Augustin, im Juli 2004

Matthias Heider

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil

I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser in den Jahren 1856, 1883 und 1887 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

22

Teil II: Die Kommunalisierung von Wasser- und Gaswerk und die Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes zwischen 1900 und 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Teil III: Die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft zwischen 1920 und 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Anlage 1: Darstellung der Entwicklungsphasen und der kommunalen Maßnahmen der Stadt Lüdenscheid in der Versorgung mit Gas, Wasser und Elektrizität 1856 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Anlage 2: Zusammenstellung von Angaben zum Personal der städtischen Verwaltung, zu den Stadtverordneten und zur Bevölkerung in Lüdenscheid zwischen 1814 und 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Schriftumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Meinen Eltern

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Teil I Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser in den Jahren 1856, 1883 und 1887

22

A. Der Aufbau der leitungsgebundenen Gasversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. Der „Contract“ von 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

1. Die Gründe für die Einführung der Gasbeleuchtung in Lüdenscheid . . . . . .

24

a) Die Industrialisierung – Anforderungen an den Fertigungsprozeß . . . . . .

24

b) Die öffentliche Sicherheit auf den Straßen Lüdenscheids . . . . . . . . . . . . . .

25

c) Bau- und Feuerpolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

d) Bevölkerung und Geschäftsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

2. Die Verhandlungen mit dem Ingenieur Wilhelm Ritter im Jahr 1856 . . . . . .

32

3. Die Bestandteile des „Contractes“ von 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

4. Die Nutzung der Ortsstraßen durch den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

a) Preußisches Wegerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Die Lüdenscheider Straßenordnungen des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . .

39

c) Anwendung allgemeiner wegerechtlicher Grundsätze für die Öffentlichkeit von Ortsstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

d) Anwendung allgemeiner wegerechtlicher Grundsätze auf die Nutzung des Straßenkörpers der Ortsstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

aa) Die historische Entwicklung des Instituts nutzbarer Rechte . . . . . . .

44

bb) Nutzungserlaubnis und Vertrag zur Wegenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

e) Rechtsnatur des „Contractes“ von 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

5. Die private Gesellschaft der Lüdenscheider Gasfabrik und die Versorgungslage der Stadt Lüdenscheid nach 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

II. Der „Neue Gasvertrag“ von 1887 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Die Vertragsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

12

Inhaltsverzeichnis 2. Der Konzessionsvertrag in Rechtsprechung und Literatur gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aus der Rechtsprechung der Zivilgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 56

bb) Aus der Rechtsprechung des Königl. Preußischen Oberverwaltungsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

b) Erkenntnisse aus Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

c) Der Konzessionsvertrag in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 65

bb) Erlaubnistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Privilegientheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Öffentlich-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66 68 69

ee) Theorie des Konzessionsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Wirtschaftskonzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 73

3. Zusammenfassung zum Streitstand des Konzessionsvertrages und zur Rechtsnatur des „Neuen Gasvertrages“ von 1887 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

III. Die Entwicklung der Gasversorgung in Lüdenscheid bis zum Ende des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

B. Der Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Die Ursachen der mangelhaften Wasserversorgung in Lüdenscheid . . . . . . . . . .

77

II. Die Aspekte der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

1. Feuerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Gesundheitsgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

3. Die Industrieabflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

III. Von der Bürgerinitiative zur Wasserkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

IV. Verhandlungen und Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

V. Das Konzessionsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

VI. Die Auswirkungen auf die Wasserversorgung in Lüdenscheid im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung in Lüdenscheid im 19. Jahrhundert vornehmlich in der Phase zwischen 1856 und 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

I. Zur Abgrenzung der Leistungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

1. Städte und Gemeinden als Träger der Leistungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . .

95

Inhaltsverzeichnis

13

2. Wurzeln der Leistungsverwaltung im Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

3. Versorgungsverwaltung, Daseinsvorsorge und Leistungsverwaltung . . . . . . .

99

II. Stadtentwicklung, städtische Verwaltung und die Anfänge der Leistungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Die Veränderung der urbanen Strukturen Lüdenscheids in der ersten und zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Stadtverfassung und Stadtverwaltung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Französische Munizipalverfassung und Revidierte Städteordnung . . . . . 105 b) Die Entwicklung der Stadtverwaltung zwischen 1814 und 1855 . . . . . . . 106 3. Die Entwicklung der Stadtverwaltung 1856 – 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Die Einführung der Westfälischen Städteordnung 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Honoratiorenverwaltung und Professionalisierung der Verwaltung . . . . . 111 c) Die „Bürokratisierung“ der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwaltungsgliederung, Geschäfts- und Aufgabenverteilung . . . . . . bb) Geschäftsablauf in der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellenplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Besondere Maßnahmen und Einrichtungen der Stadtverwaltung nach 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Exkurs – Die Behandlung der städtischen Abwässer . . . . . . . . . .

113 114 117 119 120 120 124

III. Ansätze der Leistungsverwaltung in Lüdenscheid im 19. Jahrhundert . . . . . . . . 127 Teil II Die Kommunalisierung von Wasser- und Gaswerk und die Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes zwischen 1900 und 1919

129

A. Die Übernahme des Wasserwerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Die Kommunalisierungsbestrebungen und die Sicherung der Wasserversorgung in Lüdenscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Der Kaufvertrag für das Wasserwerk vom 11. 1. 1901 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Die Abwicklung des Kaufvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Lüdenscheid, die Industrie und die Anfänge der Elektrizitätsversorgung im südlichen Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Die ersten Angebote zur Elektrizitätsversorgung und die Initiativen der Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

14

Inhaltsverzeichnis III. Der Einfluß des RWE-Angebotes auf die Vorarbeiten zur Elektrizitätsversorgung im südlichen Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Die Grundlagen der kommunalen Stromversorgung und die Beschlüsse der Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 V. Die Gründung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark Aktiengesellschaft . . 145 VI. Energieerzeugung durch Bau eines Kommunalen Elektrizitätswerkes oder Erwerb eines Verbandselektrizitätswerkes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 VII. Der Vertrag der Stadt Lüdenscheid mit der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG über die Versorgung mit elektrischer Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VIII. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitäzswerk Mark AG und das städtische Elektrizitätswerk der Stadt Lüdenscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Die Entwicklung der Gasversorgung bis 1916 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Kapazitätserweiterungen, Gasqualität und Emissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Der Einfluß der Elektrizitätsverbreitung auf die regionale Gaswirtschaft . . 157 3. Die Arbeit der Gas- und Wasserkommission zwischen 1909 und 1916 . . . . 158 II. Die Abwicklung der Übernahme des Gaswerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Das Gaswerk als städtischer Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 D. Die Stadtverwaltung und die städtischen Versorgungsbetriebe in Lüdenscheid zwischen 1900 und 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Industrialisierung und Bevölkerungsentwicklung 1900 – 1919 . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Die Lüdenscheider Stadtverwaltung nach 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Auskreisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Die Aufgaben und die Entwicklung der Verwaltung bis 1919 . . . . . . . . . . . . . 169 a) Verwaltungsgliederung, Geschäfts- und Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . 170 b) Geschäftsablauf in der Stadtverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Stellenplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Die Entwicklung der städtischen Anstalten und Betriebe bis 1919 . . . . . . . . 174 a) Öffentliche Gemeindeanstalten und gewerbliche Unternehmungen nach preußischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Der Anstaltsbegriff in den Städteordnungen des 19. Jahrhunderts 175

Inhaltsverzeichnis

15

bb) Der kommunale Anstaltsbegriff vor Erlaß der Deutschen Gemeindeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Anstaltstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 dd) Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Das städtische Wasserwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Rechtsverhältnis zum Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Leistung und Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Das städtische Gaswerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Rechtsverhältnis zum Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Leistung und Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Das städtische Elektrizitätswerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Rechtsverhältnis zum Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc) Leistung und Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Die Stellung der Versorgungsbetriebe in der städtischen Verwaltung nach der Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Teil III Die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft zwischen 1920 und 1945

197

A. Die Beteiligung der Stadt Lüdenscheid an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG und die Entwicklung eines Elektrizitätsverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Parallelverbund – Verbundbetrieb – Verbundwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Die Grundlagen der Verbundorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Folgen der Kriegswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Die Verschmelzung der Lenne-Elektrizitäts- und Industriewerke AG auf die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Die Verbundwirtschaft in der Weimarer Republik und die Interessen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Kommunaler Elektrizitäts-Verband Westfalen-Rheinland GmbH . . . . . . . . . . 204 2. Westdeutsche-Elektrizitätswirtschafts AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Die Stellung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG in der Verbundwirtschaft und ihre Bedeutung für die Stadt Lüdenscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

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Inhaltsverzeichnis

B. Wasserversorgung und Verbundwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Ordnungssysteme der Wasserwirtschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts . . . . . 208 II. Wasserbewirtschaftung durch die Ruhrverbände – Teil der leitungsgebundenen Wasserversorgung im Sinne dieser Untersuchung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 C. Der Gasverbund – Ferngas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Frühe Überlegungen zur Ferngasversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Die Entwicklung der Ortsgaswirtschaft nach 1916 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Der Aufbau der Ferngasversorgung in Südwestfalen und die Gründung der Westfälischen Ferngas AG am 24. 7. 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 D. Eingriffe in die Versorgungswirtschaft nach 1933 und ihre Auswirkungen auf die Stadt Lüdenscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Gaswirtschaft – Vertrag über den Ferngasbezug vom 8. / 19. 4. 1941 . . . . . . . . . 218 1. Die Klauseln des Gaslieferungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Monopolklausel und Wegerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Die Folgen des Vertragsschlusses auf „Weisung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Elektrizitätswirtschaft und Wasserwirtschaft nach 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 E. Die Stadtverwaltung und die Organisation der städtischen Versorgungsbetriebe in Lüdenscheid nach 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Lage zwischen 1920 und 1945 . . 225 II. Die Entwicklung der Stadtverwaltung bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Die Kommunalverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Verwaltungsgliederung, Geschäfts- und Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Wohnraumbeschaffung, Wohlfahrtswesen, Arbeitsnachweis . . . . . . . . . . . 229 b) Städtische Finanzplanung und -kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Organisationsmaßnahmen und Dienstverfügungen nach 1923 . . . . . . . . . 232 d) Geschäftsablauf in der Stadtverwaltung und Stellenplan . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Die Koordination der Versorgungsbetriebe nach 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Strukturänderung der Gemeindewirtschaft im Jahr 1938 – Die Stadtwerke Lüdenscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Das Sondervermögen der Stadtwerke Lüdenscheid . . . . . . . . . . . . . . . 241

Inhaltsverzeichnis

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bb) Geschäftsführung und Organisation der Stadtwerke Lüdenscheid 241 cc) Kassenwesen und Buchhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Veränderungen der städtischen Versorgungseinrichtungen in der Phase der Verbundwirtschaft zwischen 1920 und 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Anlage 1: Darstellung der Entwicklungsphasen und der kommunalen Maßnahmen der Stadt Lüdenscheid in der Versorgung mit Gas, Wasser und Elektrizität 1856 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Anlage 2: Zusammenstellung von Angaben zum Personal der städtischen Verwaltung, zu den Stadtverordneten und zur Bevölkerung in Lüdenscheid zwischen 1814 und 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

2 Heider

Einleitung Die Versorgungsaufgaben im 19. und 20. Jahrhundert Die Einführung der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas, Wasser und Strom hat im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert wesentlich zur Stadtentwicklung der preußischen Städte beigetragen. Technische Innovationen des 18. und 19. Jahrhunderts ermöglichten die Erzeugung von Gas und Strom und die Gewinnung von Trinkwasser sowie deren Verteilung und Bereitstellung an private und öffentliche Abnehmer in einem abgegrenzten Versorgungsgebiet durch Leitungsnetze. Die Freistellung von der individuellen Beschaffung der Versorgungsgüter Gas und Wasser sowie die Erzeugung von Strom1 einerseits und ihre Verfügbarkeit durch Zuleitung andererseits, veränderten die Anspruchshaltung und in der Folge die Lebensweise der Bürger. Die Agenden der Städte erweiterten sich damit um Versorgungsaufgaben, die über das seit alters her bekannte Tätigkeitsfeld städtischer Verwaltung hinausgingen. Da eine Bezeichnung für die neuartige Versorgungsaufgabe im 19. Jahrhundert zunächst unbekannt war, läßt sich erst aus der Entwicklung der vorausschauenden städtischen Bedarfsdeckung ein Begriff herleiten. Durchgangsstationen dieser Entwicklung, die einen neuen Typ von Verwaltungsaufgaben hervorbrachte, waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts der „Municipalsozialismus“ und Anfang des 20. Jahrhunderts das von Forsthoff abgegrenzte Feld der Daseinsvorsorge. Nach moderner Auffassung handelt es sich um einen Bereich der Leistungsverwaltung, deren Leitbild die Vorteilszuwendung an den Bürger ist. Die Wahrnehmung der Versorgungsaufgaben durch die Städte kann daher nur retroperspektiv als Ausbau der „kommunalen Leistungsverwaltung“ angesehen werden. Der Interdependenzprozeß von Urbanisierung, Industrialisierung und Bevölkerungswachstum seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist inzwischen für eine Reihe preußischer Städte untersucht worden. Soweit die Einführung der Gas-, Wasserund Elektrizitätstechnologie darin Berücksichtigung gefunden hat, lag der Schwer1 Bei der Elektrizität handelt es sich im Gegensatz zu Gas und Wasser eigentlich nicht um ein Versorgungsgut, sondern wegen der mit dem Elektronenfluß zusammenhängenden physikalischen Vorgänge um eine Versorgungsleistung. Die Sonderstellung der Elektrizitätserzeugung wird nachfolgend berücksichtigt soweit sich Unterschiede zu den anderen leitungsgebundenen Versorgungsgütern ergeben. Zur Abgrenzung vgl. etwa Sollig, Elektrizität – Ware und Markt, S. 6 ff.

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Einleitung

punkt der Darstellungen meist in der Entwicklung der einzelnen Versorgungszweige. Im Rahmen der Untersuchungen wurden politische, soziale, ökonomische, statistische und technische Aspekte erörtert. Auf diesen Feststellungen beruht die zeitliche Einteilung der errichteten Gas-, Wasser- und Elektrizitätskraftwerke mit ihren Versorgungsnetzen in die Einführungs-, Diffusions- und Stagnationsphasen. Die kommunale Umsetzung der Versorgungsaufgabe wird allgemein durch die Phasen der Versorgung durch privatwirtschaftliche Unternehmen, der anschließenden Kommunalisierung der Werke und ihre Weiterentwicklung in der Verbundwirtschaft gekennzeichnet.

Die Stadt Lüdenscheid – Eine lokale Fallstudie Die historische Entwicklung der Etablierung von kommunalen Versorgungseinrichtungen ist in Preußen im 19. und 20. Jahrhundert durchaus nicht einheitlich verlaufen. Lokale und temporale Divergenzen von der Entwicklung der Großstädte finden sich erfahrungsgemäß vor allem in den Mittelstädten, wobei die Auswertung der kommunalen Rechtsakte noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Zudem wurde auf eine rechtlich-strukturelle Analyse der kommunalen Maßnahmen meist verzichtet. Von rechtshistorischem Interesse bleibt daher die Motivation der kommunalen Entscheidungsträger, die rechtliche Qualifizierung der kommunalen Maßnahmen und die Auswirkung der vollzogenen Rechtsakte auf die Struktur der kommunalen Verwaltung als Teil des Stadtentwicklungsprozesses. Die Stadt Lüdenscheid entspricht den Merkmalen des Interdependenzprozesses für eine im 19. Jahrhundert gewachsene industrielle Mittelstadt und hat alle o. a. Entwicklungen der kommunalen Versorgung durchlaufen. Die vorliegende Arbeit fokussiert deshalb als lokale Fallstudie die Stadt Lüdenscheid im Zeitraum zwischen 1856 und 1945 mit der rechtlichen Umsetzung der Einführung leitungsgebundener Versorgungsgüter und die Entwicklung der städtischen Versorgungseinrichtungen unter Einschluß einer Darstellung ihrer verwaltungsorganisatorischen Einbindung.

Quellen, Materialauswahl und Darstellung Für die Untersuchung wurden die Bestände des Staatsarchives in Münster, des Westfälischen Wirtschaftsarchives in Dortmund, des Kreisarchives in Altena und des Stadtarchives in Lüdenscheid ausgewertet. Da die Etablierung von Versorgungseinrichtungen im eigenen Zuständigkeitsbereich der Stadt lag, konnte Archivmaterial der Archive aus Münster, Dortmund und Altena nur vereinzelt berücksichtigt werden. Die Archivalien zu den Verträgen und Beschlüssen der Stadt Lüdenscheid geben Auskunft über den Stand und die Entwicklung der Gemeindewirtschaft und die Eingliederung der kommunalen Versorgungsbetriebe in die städtische Verwaltung. Während die Verträge und Beschlüsse in Bezug auf die

Einleitung

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kommunalen Versorgungseinrichtungen vollständig erhalten sind, ergeben sich bei den Akten zu betrieblichen Vorgängen der Versorgungsbetriebe teilweise Lücken, insbesondere im Zeitraum zwischen 1920 und 1945. Die im Stadtarchiv Lüdenscheid archivierten Verträge und Beschlüsse der Stadt Lüdenscheid zur Versorgung mit Gas, Wasser und Strom bilden das Gerüst der vorliegenden Untersuchung, die in ihrem historischen Kontext mit den lokalen Ursachen für die Einführung der Innovationen auf dem Gas-, Wasser- und Stromkraftsektor dargestellt werden. Daraus ergab sich – unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in der Elektrizitätsversorgung – für die Stadt Lüdenscheid die Zuordnung der kommunalen Maßnahmen zu drei Phasen, die auch die Hauptteile der Arbeit bilden2: – die Konzessionsverträge3 für Gas und Wasser in den Jahren 1856, 1883 und 1887 (Konzessionierungsphase), – die Kommunalisierung von Wasser- und Gaswerk und die Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes zwischen 1900 und 1919 (Kommunalisierungsphase), – die Entwicklung der städtischen Betriebe in der Verbundwirtschaft zwischen 1920 und 1945 (Verbundwirtschaftsphase).

Von der sonst üblichen chronologischen Darstellung eines Versorgungszweiges wird zum Teil abgewichen, um eine stärkere Strukturierung der rechtlichen Fragen zu erreichen. Die kommunalen Maßnahmen werden daher zunächst im Hinblick auf die Dauer der Phase untersucht und rechtlich eingeordnet. Der Bezug dieser Maßnahmen zur übrigen städtischen Verwaltung und die Auswirkungen auf die kommunale Leistungsverwaltung werden danach jeweils für den ermittelten Zeitraum dargestellt. Die Entwicklung nach 1945 wurde für den Untersuchungszeitraum nicht mehr berücksichtigt. Das Land Preußen wurde mit dem Ende des zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 und der anschließenden Bildung der Besatzungszonen praktisch sowie formell durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. 2. 1947 aufgelöst. Durch das Ende der Zugehörigkeit der Stadt Lüdenscheid zum Land Preußen war ein Einschnitt der Bearbeitung erreicht.

Vgl. die Darstellung in Anlage 1. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Schlagwort des „Konzessionsvertrages“ noch nicht gebräuchlich. Wenn hier im Folgenden am Begriff des „Konzessionsvertrages“ festgehalten wird, geschieht das in Anerkennung der von Rechtsprechung und Literatur im Energierecht entwickelten Terminologie für die Vertragsbeziehung zwischen Energieversorgungsunternehmen und Kommunen. 2 3

Teil I

Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser in den Jahren 1856, 1883 und 1887 Gas und Wasser als leitungsgebundene Versorgungsgüter gehören zur modernen Stadt des 19. Jahrhunderts. Noch vor der Erfindung und Nutzung der Elektrizität haben die mit ihnen verbundenen neuen Technologien die städtischen Verwaltungen vor organisatorische, finanzielle und rechtliche Herausforderungen gestellt. Weder Gesetzgebung noch Rechtslehre oder Rechtsprechung hatten für die Einführung von leitungsgebundenen Versorgungsgütern in einer Stadt Muster oder Modelle für eine rechtliche und organsisatorische Umsetzung zur Verfügung gestellt. Auf der Grundlage der Städteordnung des Freiherrn vom Stein und der nachfolgenden Städteordnungen blieb es den Vertretern des Stadtregimentes selbst überlassen, eine rechtliche Form für die Versorgungsaufgaben zu finden. Der zu Ende gehende Polizeistaat, die Impulse der Revolution von 1848 und die Hinwendung zum preußischen Verfassungsstaat bildeten zu dieser Zeit den politischen Rahmen für eine in allen Städten Preußens einsetzende Weiterentwicklung der kommunalen Versorgungsstruktur. Der Zeitpunkt der Einführung der Gastechnologie liegt in Lüdenscheid fast genau in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

A. Der Aufbau der leitungsgebundenen Gasversorgung Die Gastechnologie war seit Beginn des 19. Jahrhunderts so weit fortgeschritten, daß die Gaserzeugung zum Betrieb von öffentlichen Beleuchtungseinrichtungen in Anlagengröße genutzt werden konnte. Die in Deutschland erwünschte Belebung in der Einrichtung von Beleuchtungsanstalten ist auf die Regsamkeit englischer Techniker und Kaufleute zurückzuführen.1 Nachdem mit der Technologie von William Murdoch in England städtische Gaswerke von beachtlichem Umfang errichtet worden waren, konnte die Imperial Continental Gas Association, gestützt auf ein persönliches Privileg des sächsischen Königshauses und einen Beleuchtungsvertrag mit dem Magistrat der Stadt vom 14. Januar 1825, Hannover mit Leuchtgas versorgen. Die Technologie faßte kurze Zeit später in weiteren großen deutschen Städten 1 Vgl. Schwartze, Die Gasbeleuchtung, in: Das Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, Bd. 1, S. 594; Körting, Geschichte der deutschen Gasindustrie, S. 104.

A. Der Aufbau der leitungsgebundenen Gasversorgung

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Fuß; so 1826 in Berlin, 1828 in Dresden und Frankfurt am Main und 1835 in Köln.2 Die Dresdner Gasbeleuchtung von Blochmann war 1828 die erste deutsche Entwicklung, die gestützt auf die Empfehlungen des Freiberger Professors Lampadius verwirklicht wurde.3 Als der Ingenieur Wilhelm Ritter 1856 dem Lüdenscheider Magistrat die Installation einer öffentlichen Gasversorgung anbot, existierten bereits zahlreiche Werke in Deutschland. Lüdenscheid fand damit in technischer Hinsicht den Anschluß an die seit 1825 voranschreitende Einrichtung von Anlagen zu öffentlichen und privaten Beleuchtungszwecken. Die an die Einführungsphase anschließende sog. Diffusionsphase dieser Entwicklung wird allgemein zwischen 1837 und 1855 angesetzt, während die Expansionsphase mit der Erschließung des Gases für Koch- und Heizzwecke um 1885 endete.4 Das Lüdenscheider Gaswerk nahm seine Arbeit zu Beginn der Expansionsphase auf und gehörte damit wahrscheinlich noch zu den ersten 100 Gaswerken in Deutschland, deren Anzahl sich bis zum Ende des Jahrhunderts noch mehr als verachtfachen sollte.5 Die Entwicklung der Gasversorgung wurde in Lüdenscheid zunächst von zwei Verträgen mit einer Laufzeit von insgesamt 60 Jahren bestimmt. Sie datieren aus den Jahren 1856 und 1887. Der zweite Vertrag über die Gasversorgung lief erst im Jahr 1916 aus.

I. Der „Contract“ von 1856 Die Bemühungen des Ingenieur Wilhelm Ritter aus Duisburg um die Erteilung einer Genehmigung zur Versorgung der Stadt Lüdenscheid mit Gas setzten in Lüdenscheid ein, als die Großstädte des Deutschen Reiches die neue Technologie bereits erfolgreich erprobt hatten. Am 15. Oktober 1856 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Lüdenscheid einen Vertrag6 über die Gaslieferung zur Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Häusern. Das Vertragswerk war schlicht mit dem Titel „Contract“ überschrieben, es war handschriftlich abgefaßt und trug die Unterschrift des Magistrates der Stadt sowie des Ingenieurs Ritter. Bevor auf die Bestandteile des „Contractes“ eingegangen werden kann, müssen zunächst die Gründe für die Einführung der Gasbeleuchtung und die Verhandlungen mit dem Ingenieur Ritter nachgezeichnet werden.

Körting, S. 116; Stadt Köln (Hrsg.), Die Stadt Cöln 1815 – 1915, Bd. 2, S. 584. Krabbe, Kommunalpolitik und Industrialisierung, S. 202. 4 Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert dargestellt am Beispiel der Gaswirtschaft in Deutschland, S. 18 ff.; Matzerath, Urbanisierung in Preußen 1815 – 1914, S. 202. 5 Nach einer Tabelle bei Stern / Püttner, Die Gemeindewirtschaft, S. 21. Angaben für die größeren Städte bei Mombert, Die Gemeindebetriebe in Deutschland, S. 32 ff. Vgl. auch Brunckhorst, S. 19. 6 STA Lüd. A 1874. 2 3

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

1. Die Gründe für die Einführung der Gasbeleuchtung in Lüdenscheid Der Vertragstext selbst sagt wenig über Ziel und Zweck der Gasbeleuchtung – oder etwas allgemeiner – der Gaslieferung und den Bedarf von Stadt, Bürgern, Handel und Gewerbe aus. Die Beleuchtung wurde aus unterschiedlichen Motiven gewünscht, von denen die wesentlichen hier vorgestellt werden sollen.

a) Die Industrialisierung – Anforderungen an den Fertigungsprozeß Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Einwohnerzahl Lüdenscheids auf rund 5.000 Einwohner mehr als verdoppelt.7 Dies ist nicht zuletzt auf die Anziehungskraft der Lüdenscheider Industrie zurückzuführen. Während 1828 im Adreßbuch von Fr. Wilhelm Phyll bereits 32 Handelsfirmen verzeichnet waren, gibt der Rendant Schumacher in seiner Chronik von 1847 ein erstes Verzeichnis mit 29 Produktionseinrichtungen an, die allein die Bezeichnung der Fabrik in ihrem Handelsnamen führten.8 Die erste Industrialisierungsphase des 19. Jahrhunderts hat, mit einem gewissen Einbruch in den vierziger Jahren, dazu beigetragen, daß sich die althergebrachte Betriebsform der über die Stadt verteilten Werkstätten langsam änderte. Die Unternehmer zogen ihre verstreut wohnenden Arbeiter, die einen Arbeitsgang meist in Hausarbeit erledigten, in Werkräumen zusammen.9 Der zeitraubende Transport der Werkmaterialien von Werkstatt zu Werkstatt konnte so vermieden und eine bessere Anleitung gewährleistet werden. Damit vollzog sich eine organisatorische Veränderung des Fertigungsprozesses vom Handwerksbetrieb zur Fabrik als zentraler Produktionseinrichtung. War es im 18. Jahrhundert hauptsächlich noch die Eisen- und Drahtindustrie, der Lüdenscheid seinen Ruf als Industriestadt verdankte, so hatte sich das im 19. Jahrhundert gänzlich geändert.10 Die 29 Fabriken lieferten aus ihrer Produktion Knöpfe und Charniere, Artikel aus Neusilber sowie Stahl-, Eisen-, Zinn- und Messingwaren als Guß- oder Kompositionsartikel. Die Unternehmen verfügten über weltweite wirtschaftliche Verbindungen. 1855 nahmen die Firmen Basse & Fischer, W. Berg, Gebr. Dicke und Kugel, Wwe. C. Ritzel, W. Torley und P.C. Turck Wwe. mit ihren Produkten an der Weltausstellung in Paris teil. Dort wurden unter anderem Gaserzeugungsanlagen für Beleuchtungszwecke ausgestellt, so daß die Vermutung nahe liegt, daß das Interesse der Lüdenscheider Unternehmer durch die Weltausstellung geweckt worden war. In Unternehmerkreisen war zudem seit ca. 1802 die Fabrikbeleuchtung von Boulton & Watt in London und von der Baumwollspinnerei Phillips & Lee in Manchester bekannt, die nach dem Prinzip der Vgl. Tabellen 1 – 3 in Anlage 2. Schumacher, Chronik der Stadt und Landgemeinde Lüdenscheid, S. 102 ff. 9 Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 63. 10 Schilderung nach Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 10. 7 8

A. Der Aufbau der leitungsgebundenen Gasversorgung

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Kohleentgasung von William Murdoch, einem Angestellten James Watts, konstruiert worden war.11 Wegen der Verbesserung der allgemeinen Bedingungen des Fertigungsprozesses durch eine gleichmäßige Beleuchtung wurde die Erfindung allseits gelobt. In Deutschland übernahm F. W. Harkort das gleiche Verfahren der sog. „Werksgasanstalten“. Dieser hatte 1819 in Wetter an der Ruhr seine mechanische Werkstätte mit dem Ziel errichtet, den Vorsprung, den England während der Zeit der napoleonischen Kriege in Konstruktion und Fertigung gewonnen hatte, durch seine Musterwerkstätten einzuholen. Für Harkort stand zwar der Bau von Dampfmaschinen im Vordergrund, aber er studierte und entwickelte auch die Textilmaschinen und lieferte nach dem Vorbild von Boulton & Watt zu den Textilfabriken auch die Gasbeleuchtungsanlagen mit. Von Harkort soll auch der mit ihm bekannte Fabrikant Dinnendahl in Essen die Anregung zur Beleuchtung seiner Fabrik mit Gas erhalten haben. Schon die Harkort nahestehende Zeitung „Hermann“ berichtete am 27. 3. 1818 enthusiastisch über den Erfolg der Beleuchtung, deren Probelauf in den ersten Tagen durch eine begeisterte Menschenmenge im Fabrikhof begleitet wurde.12 Ein entscheidender Beitrag in der Nutzung von betrieblichen Gaserzeugungsanlagen geht jedoch auch auf die Entwicklungen des Freiberger Professor Lampadius zurück, der sich als erster der wissenschaftlichen Erforschung der neuen Technik annahm.13 1816 richtete er das Gaslicht im dortigen Amalgamiewerk ein. Fabrikanten aus ganz Deutschland folgten den Beispielen und importierten zur Beleuchtung ihrer Fabriken Gaserzeugungsanlagen aus England.14 In Lüdenscheid mußte man sich noch 1856 mit Öllampen oder Ölgas behelfen. Die kleinteilige Arbeit im Metallgewerbe erforderte jedoch eine gute Beleuchtung und das flackernde Öllicht behinderte den Fertigungsprozeß. Ein zusätzlicher Arbeitsaufwand wurde zudem durch die Beschaffung von Brennmaterial und die Reinigung der Lampen verursacht. Die Anbindung an eine öffentliche Gasleitung – ohne eigene Investitionskosten – mußte den Lüdenscheider Unternehmern daher vorteilhaft erscheinen.

b) Die öffentliche Sicherheit auf den Straßen Lüdenscheids Bereits 1826 waren von der Stadt 16 Öllaternen aufgestellt worden.15 Die Stadt kam damit ihrer Pflicht nach, 11 Schwartze, Die Gasbeleuchtung, in: Das Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, Bd. 1, S. 593; Körting, S. 50. 12 Körting, S. 55. 13 Ein umfassender Überblick über die Pioniere des Gasfaches findet sich bei Körting, S. 37 ff. 14 Stuber, Energie- und Wasserversorgung als Aufgabe kommunaler Selbstverwaltung, S. 14, in: Sydow, Städtische Versorgung und Entsorgung im Wandel der Geschichte. 15 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 48.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser „. . . den Verkehr und die Umgebung dieser Straßen gegen die Gefahren, welche sich aus der räumlichen Berührung mit dem öffentlichen Verkehr ergeben, zu sichern und dem Publikum den erforderlichen Schutz gegen Nachteile und Unzulänglichkeiten zu gewähren, welche nicht sowohl (nur) aus dem Zustand der öffentlichen Straßen als vielmehr unabhängig von diesem aus dem Anbau an den Straßen und der so herbeigeführten Anhäufung von Anwohnern hervorgehen.“16

Die Beleuchtung der Ortsstraßen war kein Teil der Wegebaulast.17 Sie wurde seit jeher als polizeiliche Anstalt angesehen und unterlag insoweit auch der Anordnung der Polizeiverwaltung nach § 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten vom 5. 2. 1794 (ALR)18 zur Verhütung von Gefahren.19 Die Kommunen waren mangels eigener Polizeipflicht selbst nicht zur Einrichtung einer Beleuchtung verpflichtet. Die Beleuchtung ist von den Gemeinden zumeist jedoch durch Beschluß als kommunale „Veranstaltung“ etabliert worden, die sich auf die Unterhaltung der Beleuchtungsanlagen, sowie deren Erweiterung und Ergänzung nach Maßgabe der Bedürfnisse erstreckte.20 Infolge der fehlenden konkreten gesetzlichen Verpflichtung des Wegerechts ist auch für die frühe Lüdenscheider Ölbeleuchtung von 1826 ein gewisser „vorauseilender Polizeigehorsam“ anzunehmen, mit dem die Stadt einer möglichen Zwangsetatisierung durch die Aufsichtsbehörden zuvorkam. Lüdenscheid hatte bereits 1815 beim Besuch des für seine Inspektionsreisen bekannten Zivilgouverneurs zwischen Weser und Rhein von Vincke – dem späteren Oberpräsidenten der Provinz Westfalen – einen negativen Eindruck hinterlassen.21 Die Straßenverhältnisse innerhalb und außerhalb der Stadt unterschieden sich damals kaum voneinander.22 Es gab kein Straßenpflaster, sondern lediglich eine provisorische Befestigung des Erdreichs. Die Straßen wurden seit alters her als Ablageplatz von Arbeitsmitteln und Hausrat genutzt. Auch Bauschutt und Misthaufen lagen in den Gassen und gefährdeten den Verkehr insbesondere bei Dunkelheit.23 1820 zählte Lüdenscheid 271 Wohnhäuser24, die sich in drei Ringen um die Kirche, den Stadtkern, legten. Die Hauptstraße der Stadt verlief in Ost / West-Richtung Germershausen / Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, 4. Aufl., S. 70 f. Germershausen / Seydel, 4. Aufl., S. 70; Matthias, Die städtische Selbstverwaltung in Preußen, S. 343. 18 Publikationspatent vom 5. 2. 1794. 19 OVGE 4, 419 (421); 36, 237 (240). 20 Germershausen / Seydel, 4. Aufl., S. 72; Matthias, S. 343. 21 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 48; Spiess, Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftsbürgerlichen Villenarchitektur in Lüdenscheid von 1800 bis 1918, in: Trox, Preußen und Wir, S. 153. 22 Schilderung nach Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 7. 23 Sauerländer, Geschichte der Stadt Lüdenscheid von den Anfängen bis zum Jahr 1813, S. 301 mit Verweis auf ein „Eingesandt“ im Westfälischen Anzeiger vom 3. 6. 1808: „Verwegenheit wäre es, wenn jemand in der Nacht ohne Laterne auf den Straßen wandeln wollte. . .“ 24 STA Lüd. A 417. 16 17

A. Der Aufbau der leitungsgebundenen Gasversorgung

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und war ein Stück der alten Straße von Köln nach Arnsberg über Werdohl.25 In den zwei- bis dreistöckigen Häusern, die meist ein Giebel- oder Krüppelwalmdach besaßen, lebten zu dieser Zeit 1.927 Einwohner.26 Nach einem Bericht des Bürgermeisters Jander ernährte sich die Bevölkerung hauptsächlich noch von der Landund Viehwirtschaft. Dabei dürfte allerdings unberücksichtigt geblieben sein, daß für viele Einwohner die Landwirtschaft schon zu diesem Zeitpunkt ein familiärer Nebenerwerb zu ihrer handwerklichen Tätigkeit war. Der Nahrungsmittelbedarf wurde üblicherweise aus den Erzeugnissen von Viehzucht und Ackerbau gedeckt. Für die öffentliche Sicherheit auf den Straßen der Stadt ist festzuhalten, daß Berichten zufolge täglich 400 Stück Vieh durch die engen Straßen der Stadt in die Feldmark und zurück in die Ställe getrieben wurden.27 Der Schmutz, den die Tiere hinterließen, blieb auf den Straßen liegen und verschärfte die Verkehrsbedingungen in der Stadt. Bürgermeister Jander entschuldigte die Vorhaltungen des Regierungsrates von Ulmenstein zur Unordnung auf den Straßen Lüdenscheids 1821 mit dem Hinweis, daß der Grund für dieses Übel in der Bauart der Stadt liege.28 Die Pflasterung der Straßen kam erst 1826 in Gang. Im Zuge der Bauarbeiten auf der Wilhelmstraße – der Hauptstraße – konnten auch die 16 Öllampen installiert werden, deren Zahl erst 1845 vergrößert wurde. In der Zwischenzeit wurden auch die Ringstraße sowie die Grabenstraße mit einer Pflasterung versehen. 1856 zählte Lüdenscheid knapp 5.000 Einwohner.29 Aus der dichteren Besiedlung ergaben sich damit immer höhere Anforderungen an die öffentliche Sicherheit auf den Straßen, die für eine Ausweitung und Modernisierung der Straßenbeleuchtung durch das Gaslicht sprachen. Die Stadtverordneten ließen daraufhin im „Contract“ von 1856 eine ausreichende Anzahl Straßenlaternen vorsehen. Die Straßenbeleuchtung durch Gas wurde angesichts der weiter wachsenden Bürgerschaft als erforderlich und günstig angesehen.30 Im Beschluß der Stadtverordnetenversammlung stand nicht allein die öffentliche Sicherheit der Verkehrsverhältnisse im Vordergrund, sondern auch die Verschönerung des Stadtbildes und die Modernisierung der Stadtanlage. Vordringliches Anliegen des Magistrates der Stadt war jedoch offenbar die öffentliche Beleuchtung im Rahmen der Gefahrenabwehr.31 25 Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 153; Rahmede, Lüdenscheider Häuserbuch, S. 24; Sauerländer, Der alte Heerweg von Köln über Lüdenscheid nach Arnsberg, in: Der Reidemeister, Nr. 10 (1959), S. 1 ff. 26 Statistik bei Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 149. 27 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 7. Vgl. ders., Kerksig – Kobbe – Jander, in: Der Reidemeister, Nr. 47 (1969), S. 365 (370). 28 Stellungnahme Janders wiedergegeben nach Spiess, Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftsbürgerlichen Villenarchitektur in Lüdenscheid von 1800 bis 1918, in: Trox, Preußen und Wir, S. 153, der auf Sauerländer, Der Abruch der alten Lüdenscheider Kirchspielskirche und die Neuordnung der Gemeinden (1821 – 1823) in: Der Reidemeister, Nr. 27 (1963), S. 8 verweist. 29 Vgl. Tabelle 3 in Anlage 2. 30 Vgl. STA Lüd. A 1874, Protokoll der Stadtverordnetenversammlung vom 4. 09. 1856. 31 Vgl. auch: Simon, Arbeiterbewegung in der Provinz, S. 121.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

c) Bau- und Feuerpolizei Die Verwendung von Feuer oder „offenem Licht“ hat schon immer das Sicherheitsbedürfnis der Menschen berührt. Die Gefahren beim Umgang mit Feuer vergrößerten sich mit der Urbanisierung und der Zusammendrängung der Einwohner auf engem städtischem Raum. Gegen diese Risiken mußten auf Dauer Schutzvorkehrungen getroffen werden. Die Ersetzung des Öllichtes durch die Gasbeleuchtung lag damit auch im Interesse des Brandschutzes. Ein wesentlicher Teil der Bauvorschriften in der Stadt Lüdenscheid geht auf die Erfahrungen im Umgang mit dem Feuer zurück. Ein Einblick in diese Problematik ist daher insbesondere über die Handhabung der Baupolizei bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und die Entwicklung des lokalen Baurechts zu gewinnen. Durch die Jahrhunderte des landesfürstlichen Absolutismus war das Baurecht auf drei Rechtsquellen unterschiedlicher Qualität aufgeteilt.32 Erstens galten für einzelne Städte oder Territorien besondere Bauordnungen oder Baureglements. Zweitens wurden durch die Landesfürsten bei ihren Stadtgründungen und Stadterweiterungen verbindliche Baupläne festgesetzt. Drittens wandten die Landesfürsten ein bodenrechtliches Instrumentarium monarchischer Prägung an, das zu großen Teilen noch aus dem Mittelalter stammte und die Vergabe unbebauter Grundstücke gegen eine Baupflicht vorsah. Während die dritte Kategorie für die Stadt Lüdenscheid allenfalls bezüglich ihrer Ausdehnung in die Feldmark in Betracht kommt, finden sich für die erste und zweite Kategorie zahlreiche Belege. Da zu Beginn der Neuzeit ein klassisches Bauplanungsrecht genauso unbekannt war wie das Bauordnungsrecht, waren alle Regelungen ohne positivrechtliche Grundlage und entstammten der monarchischen Hoheitsgewalt des Landesfürsten im Staatsinneren. Diese bestand aus der allgemeinen, nicht spezialisierten Materie des monarchischen Polizeirechts.33 Die für Lüdenscheid in der Mitte des 19. Jahrhunderts geltenden Bauvorschriften beruhten zum Großteil auf den überlieferten Beobachtungen und Erfahrungen während der großen Stadtbrände in den Jahren 1530, 1578, 1589, 1681 und 1723. Die Stadt wurde dabei mehrfach bis auf die Grundmauern ein Raub der Flammen.34 32 Breuer, Zur Entstehungsgeschichte eines modernern Städtbaurechts in Deutschland, in: Die Verwaltung 86, 305 (307). 33 Breuer, S. 307; Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte / v. Unruh, Bd. I (1983), S. 369 ff. 34 Vgl. Deitenbeck, Die Geschichte des Brandschutzs in Lüdenscheid, in: FS 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Lüdenscheid, S. 14 ff.; Hostert, „Fünf Brände wüteten in Lüdenscheid“, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 22. 04. 2000; Biegel, Baugeschichte der Stadt Lüdenscheid, in: Buch der Bergstadt Lüdenscheid, S. 114: Die im Fachwerkbaustil errichteten älteren Häuser waren mit einer Holzkonstruktion ausgeführt, deren Zwischenräume mit Flechtwerk, Reisig und Lehm ausgefüllt waren. Die Dächer waren mit Stroh gedeckt, der Rauch der Feuerstelle zog durch Fenster und Türen ab. Die Siedler bauten nach Geld und technischem Belieben in der Nähe des Nachbarhauses oder sogar mit Berührung des Nachbardaches, so daß die Stadt ringförmig um die Kirche mit kleinen verwinkelten Gassen wuchs.

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1693 widmete sich die Feuerordnung des Bürgermeisters Dr. jur. Cronenberg erstmals mit wenigen Einzelvorschriften der feuersicheren Bauweise der Häuser, den gewerblichen Tätigkeiten unter Verwendung großer Feuerstellen sowie dem privaten Umgang mit Feuer.35 Im Mittelpunkt stand die Anleitung der Bürger zur Brandbekämpfung. Während bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund der geringen Siedlungsdichte Bauvorschriften weitgehend unbekannt blieben, nahm die preußische Regierung zu Cleve den letzten großen Stadtbrand von 172336 zum Anlaß, die Bauvorschriften für Lüdenscheid erstmals durch einen Spezialerlaß zu strukturieren.37 Die Regierung erließ unter dem 19. 1. 1724 das „Project einer Bauordnung bei Wiedererbauung der Stadt Lüdenscheid“, in der zum ersten Mal in 25 Einzelvorschriften umfassend die Anlage von Straßen und Bauten, die Verwendung von Baumaterialien, das Verhalten von Bauherren und Bauleuten, die Bauerlaubnispflicht sowie die Bauaufsicht durch königliche Beamte statuiert wurde.38 Der Schwerpunkt der Regelungen lag in der feuersicheren Bauweise der Häuser sowie der weitläufigen und geradlinigen Anlage der Straßen und Plätze. Die konsequente Ausführung einzelner Vorschriften wurde jedoch durch die örtlichen Gegebenheiten vereitelt. Ein Bauplan des Architekten Moser aus dem Jahr 1723 gelangte nicht zur Ausführung, da die Bürger die restlichen Grundmauern und Gewölbe zum Schutz vor der Witterung im Winter 1723 / 24 nicht einreißen wollten. Nach einer dahin gehenden Eingabe der Hof- und Steuerräte Hymmen und Esseln verzichtete der König als Soforthilfe auf die Durchführung seines Befehls, die Bürger nach außerhalb der Stadt umzusiedeln, während der Stadtkern neu angelegt wurde.39 1752 trat eine neue Feuerordnung für Lüdenscheid in Kraft, die aber nur das Löschwesen betraf. Mit der Ausweitung der polizeilichen Vorschriften durch den Erlaß des ALR wurde der klassische Grundsatz der Baufreiheit in § 65 I 8 ALR auch für das Lüdenscheider Territorium verbindlich. Jeder Eigentümer war befugt, seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder seine Gebäude zu verändern. Allerdings war als Eingriffsbefugnis der Ortspolizeibehörde § 71 I 8 ALR vorgesehen, so daß zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens oder zur Verunstaltung der öffentlichen Wege und Plätze kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden durften. Die vorhergehenden Bau- und Feuerverhütungsvorschriften blieben darüber hinaus in Kraft.40 35 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 20 f.; Hostert, Feuerordnung konnte Stadtbrand nicht verhindern, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 12. 08. 2000. 36 In der Stadt war bei starkem Ostwind um die Mittagszeit ein Brand ausgebrochen, der in einer 3 / 4 Stunde alle Gebäude innerhalb der Mauern in Schutt und Asche legte. Dabei fanden 7 Menschen den Tod, dazu über 100 Stück Vieh. 148 von 180 Häusern wurden völlig zerstört. Darunter Rathaus, Kirche, Prediger- und Schulhäuser sowie die Gerichtsregistratur. Trotz scharfer Verhöre der Bürger konnte die Brandursache nicht ermittelt werden. 37 Zitiert nach Sauerländer, Die Brandakte von 1723, S. 19 ff.: Die Brandberichte der Clevischen Kriegs- und Domänenkammer vom 27. 8. 1723 und des Hochgrafen Hymmen an den König von Preußen. 38 Sauerländer, ebenda, S. 119 ff. 39 Sauerländer, ebenda, S. 118.

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Einen Einschnitt in die Entwicklung der polizeilichen Vorschriften stellte wiederum die französische Verwaltungszeit zwischen 1807 und 1814 dar. Die Feuerordnung der großherzoglich-bergischen Regierung vom 5. 9. 180741 griff in gleicher Weise auf die Erfahrungen der Stadtbrände zurück. Der nach 1814 allgemein und stetig geführten Diskussion, ob diese Regelungen seit der Rückkehr unter die preußische Verwaltung bestehen blieben, setzte erst die Feuerpolizeiordnung für die Provinz Westfalen v. 30. 11. 184142 ein Ende. Sie war, unter ausdrücklicher Aufhebung aller in der Provinz Westfalen bisher gültigen Feuerordnungen, für die neue Organisation des Löschwesens in Westfalen mit der Einrichtung von Pflichtfeuerwehren wegweisend. Für das Gebiet, dem die Stadt Lüdenscheid angehörte, erging erst am 11. 2. 1843 die Kreis-Feuer-Polizei-Ordnung des Kreises Altena43, die für alle Gemeinden verbindlich war und neben der Feuerpolizeiordnung der Provinz Anwendung fand. In dieser Feuerordnung finden sich auch Vorschriften über den feuersicheren Bau der Häuser. Die Materien von Feuer- und Baupolizei, die sich bisher überschnitten, wurden in der Stadt Lüdenscheid erst 1858, also 2 Jahre nach Abschluß des „Contractes“ mit dem Ingenieur Ritter einer Trennung zugeführt. Die einzelnen Schritte bis zur Trennung beider Materien wurden wesentlich vom Gedanken der planmäßigen Stadterweiterung in Preußen, der Weiterentwicklung der Baukunst und der Anwendung der Instrumentarien des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 185044 beeinflußt. Die Ausführung des „Erlasses des preußischen Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten an sämmtliche Königl. Regierungen, die Aufstellung und Ausführung städtischer Bau- und Retablissements-Pläne betreffend“ vom 12. 5. 185545 und der dazugehörigen Anweisungen zur Planaufstellung der Arnsberger Regierung bedeutete für die Stadt Lüdenscheid die Verpflichtung zur Anfertigung eines Stadtbauplanes. Die als „Alignementspläne“ bekannten Regelungen nach französischem Vorbild waren ohne positiv rechtliche Grundlage und wurden ausschließlich durch eine Polizeiverordnung gem. § 5 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung nebst Bauplan erlassen.46 Eine entsprechende „Polizeiverordnung zur Durchführung des Alignements der für die Stadt Lüdenscheid neuen projektierten Straßen“ wurde am 18. 9. 1856 durch die Ortspolizeibehörde erlassen47, nachdem die Regierung in Arnsberg den Alignementsplan des Bauinspektors Heuse für 40 Baltz, Preußisches Baupolizeirecht, S. 17; Müller, Das Baurecht in den landrechtlichen Gebieten Preußens, S. 25; Ackermann, P., Der Baukonsens und die polizeiliche Beschränkung der Baufreiheit nach preußischem Recht, S. 5 f., Breuer, S. 308. 41 STAA Münster Reg. Arnsberg I Nr. 193. 42 Amtsbl. Reg. Arnsberg v. 1. 1. 1842, Beilage. 43 STA Lüd. A 1437. 44 PreußGS. S. 265. 45 Preuß. Min.Bl. 1855, S. 100 – 103. 46 Zum Verfahren der Planaufstellung vgl. Ackermann, P., Der Baukonsens und die polizeiliche Beschränkung der Baufreiheit nach preußischem Recht, S. 27. 47 STA Lüd. A 1755; Bekanntmachung im Wochenblatt für den Kreis Altena v. 20. 9. 1856.

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Lüdenscheid genehmigt hatte. Im „Straßen-Alignement“ legte die Stadtverordnetenversammlung auf Vorschlag des Magistrates Fluchtlinien fest, mit der die von jeder Bebauung freizuhaltenden Straßenflächen im Stadtbauplan ausgewiesen wurden.48 Auf der Rechtsgrundlage von § 5 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung wurde dann am 18. 2. 1858 erstmals eine „Bau-Polizei-Ordnung für die Stadt Lüdenscheid“49 in Kraft gesetzt. Sie gliederte sich in sechs Titel: – Bauerlaubnis (§§ 1 – 5), – Bauausführung (§§ 6 – 15), – Beziehungen zu den Straßen und Plätzen (§§ 16 – 26), – Besondere Pflichten der Hauseigentümer (§§ 27 – 30), – Vorkehrungen zum Schutze des Publikums während des Baues (§§ 31 – 34), – Allgemeine Bestimmungen und Strafbestimmungen (§§ 35 ff.)

Aus den besonderen Verpflichtungen der Hauseigentümer ist § 29 hervorzuheben: „Haus- und Grundeigenthümer sind verpflichtet, die Anbringung der Straßenlaternen und der zur Straßenbeleuchtung nötigen Einrichtungen zu dulden.“

Mit der baupolizeilichen Verpflichtung der Eigentümer sicherte der Magistrat als Ortspolizeibehörde die lagegerechte Verteilung der Laternen an den öffentlichen Straßen, so daß die Wegsamkeit der Straßen durch Kandelaber nicht verengt werden mußte. Der Anschluß der Privathäuser an die Gasleitung blieb ungeregelt. Es lagen noch keine besonderen Erschließungsbestimmungen vor. Durch die Verwendung der Gaslaternen hoffte der Magistrat demnach die Feuergefahr weiter zu vermindern. d) Bevölkerung und Geschäftsleben Licht gehört zur Zivilisation. Die Faszination weiter Bevölkerungskreise von der Erfindung der Gastechnologie zur Beleuchtung wurde nur noch von den Folgeentwicklungen ihrer Nutzbarkeit als Koch- und Heizgas übertroffen. Die Installation von Gaslicht in einem Haushalt war sowohl Ausdruck repräsentativen Wohlstandes und urbanen Fortschrittsbewußtseins auf der einen, wie auch ökonomischen Bewußtseins durch Reduzierung oder Ersparnis der bis dahin üblichen Leuchtmittel auf der anderen Seite. Auch weniger wohlhabende Bevölkerungsschichten konnten nach einigen Jahren den Anschluß an das Leitungsnetz beantragen. Die Geschäfte und Gastwirtschaften Lüdenscheids konnten mit Gaslicht werben und so mit dem zeitgenössischen Standard in der Provinz Schritt halten. Die Gasbeleuchtung als Werbung verlieh insbesondere den Auslagen der Geschäfte zu48 Spiess, Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftsbürgerlichen Villenarchitektur in Lüdenscheid von 1800 bis 1918, in: Trox, Preußen und Wir, S. 158. 49 STA Lüd. A 1755.

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sätzlichen Glanz, diente also im weitesten Sinne als Werbung. Die Gastwirte der Stadt Lüdenscheid waren bereits durch eine Königliche Verordnung vom 8. 3. 1852 dazu verpflichtet worden, den vor ihrem Haus belegenen Platz zu erleuchten, was der Bürgermeister am 11. 4. 1852 öffentlich bekannt machte.50 Der Grund für den Erlaß der Königlichen Verordnung lag nicht nur in einer Besserung der Lichtverhältnisse angesichts eines zunehmenden Publikumsverkehrs, sondern auch in der Erkennbarkeit der Gasthäuser für den Reisenden in der Dunkelheit und nicht zuletzt in der leichteren Überwachung der Polizeistunde. Für die Verstöße gegen die Einhaltung derselben finden sich zahlreiche Nachweise in Akten und Berichten an die Aufsichtsbehörde. Die Gasbeleuchtung stellte damit auch für die Gastwirte eine bequeme Möglichkeit zur Erfüllung ihrer Verpflichtung dar. Für die Einführung der Gasbeleuchtung und Gastechnologie ist weniger die zwingende Lösung eines Versorgungsproblems als vielmehr ihre Entdeckung als nutzbringende Erleichterung Ausschlag gebend gewesen. Während der Magistrat eher auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und auf Feuerschutzmaßnahmen zu achten hatte, konnte die Stadtverordnetenversammlung auch die anderen Interessen der Bürgerschaft berücksichtigen. Die Unternehmerschaft – die in der Stadtverordnetenversammlung stark vertreten war – interessierte sich für verbesserte Fabrikationsbedingungen. Für die Handelsbetriebe und privaten Haushalte stand die bequeme Gestaltung des täglichen Lebens im Vordergrund. So unterschiedlich die Gründe für die Einführung der Gastechnologie auch waren, das Verlangen nach einer Verbesserung der urbanen Lebensqualität tritt hinter ihnen deutlich hervor.

2. Die Verhandlungen mit dem Ingenieur Wilhelm Ritter im Jahr 1856 Für den Abschluß des „Contractes“ von 1856 sind die Vorschriften über die Willensbildung in der Stadtverordnetenversammlung und dem Magistrat maßgebend. § 35 der Westfälischen Städteordnung vom 19. 3. 185651 bestimmte, daß die Stadtverordnetenversammlung über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschließen hatte, die nicht ausschließlich dem Magistrat überwiesen waren. Die Beleuchtung war eine wichtige Angelegenheiten des Gemeindeinteresses und nicht etwa eine Sache der laufenden Verwaltung, so daß die Stadtverordnetenversammlung zuständig war. Von den Beschlüssen war neben der Entscheidung für die Versorgung auch der Einsatz des Gemeindevermögens in Form von Grundstücken, Rechten oder der Darlehensaufnahme betroffen. Dazu bedurfte die Stadtverordnetenversammlung der Zustimmung des Magistrats und ggf. der Königlichen Regierung in Arnsberg als Aufsichtsbehörde. Der Magistrat hatte gem. § 56 Westfälische Städteordnung 50 51

STA Lüd. A 49. PreußGS. S. 327.

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die Beschlüsse vorzubereiten und soweit er sich mit dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung einverstanden erklärte, zur Ausführung zu bringen. Dem Magistrat oblag auch die Vertretung der Gemeinde nach außen, so daß bei Verträgen der Bürgermeister als Magistratsmitglied im Verfahren nach § 56 Nr. 8 Westfälische Städteordnung die Gemeinde rechtlich verbindlich vertreten konnte. Die Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung bestand 1856 aus 12 Mitgliedern. Unter den Stadtverordneten waren selbständige Gewerbetreibende, Angehörige der freien Berufe und in der Mehrzahl Unternehmer und Kaufleute vertreten. Die Namen der alten Lüdenscheider Fabrikantenfamilien Ritzel, Basse, Noelle und Aßmann sind Beleg für die starke Teilnahme der Honoratioren an der kommunalen Lenkung des Gemeinwesens. Der Anstoß zum Aufbau der Gasversorgung wird dann auch dem Eigentümer einer Knopffabrik, dem Stadtverordneten Wilhelm Ritzel zugeschrieben.52 Über das erste Angebot des Wilhelm Ritter an die Stadt Lüdenscheid ist wenig bekannt. Nach seinen Plänen wurde jedoch auch das benachbarte Iserlohner Gaswerk gebaut, das Ritter von 1856 bis 1863 selbst leitete.53 Da das Gaswerk in der Stadt Iserlohn unter Ritters Führung von einer privaten „Iserlohner-Gas-Gesellschaft“ gegründet worden war, lag es für Ritter nahe, sich selbst um weitere profitable Projekte in den Nachbarstädten zu bemühen. Der Lüdenscheider Bürgermeister Plöger hatte den ihm zur Kenntnis gebrachten Plan zur Errichtung einer „Gasfabrik“ bereits befürwortet, als am 4. September 1856 die Stadtverordnetenversammlung die Sachlage beriet und beschloß, zunächst eine Kommission einzusetzen, die die Einführung einer Gasbeleuchtung in Lüdenscheid mit der Iserlohner Gesellschaft oder einem anderen Unternehmen verhandeln sollte. Das Protokoll der Stadtverordnetenversammlung vom 4. September 1856 hielt als Beratungsergebnis dazu im Wesentlichen fest54: „ . . . Man war einstimmig der Ansicht, daß für die Stadt einmal kein Schaden daraus entstehen würde, sondern daß bei dem wahrscheinlichen Wachsthum der Stadt und alsdann notwendig werdenden, weiteren Anschaffungen von Laternen und Übernahme derselben auf die Communalkasse, was um so billiger sei, als alle Bürger gleichmäßig zu den Lasten der Straßenbeleuchtung beitragen müßten, eine bedeutende Ersparniß in Aussicht stehe. Man war übrigens der Ansicht, daß an dem Contracte noch wesentliche Aussetzungen gemacht werden könnten, und man beschloß deshalb einmüthig, eine Commission aus dem Stadtverordneten-Collegio zur Prüfung des Contracts zu erwählen, und alsdann den Magistrat zu ermächtigen, in Gemeinschaft mit gedachter Commission, im Sinne des vorgelegten Contracts unter Berücksichtigung möglichster Ersparung mit der Iserlohner Gesellschaft oder einer anderen den Contract abzuschließen und dem Stadtverordneten-Collegio wieder zur Genehmigung vorzulegen. Zur Commission wurden gewählt: Wilhelm Ritzel, Carl Basse und Kanzlei-Director Bertram. . .“

Ritter war zu diesem Zeitpunkt mit seinem Vertragsentwurf der einzige Bewerber. Der Vertragsentwurf war nicht vom Magistrat der Stadt Lüdenscheid gefertigt 52 53 54

Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 10. FS der Stadtwerke Iserlohn 1956, S. 15. STA Lüd. A 1874.

3 Heider

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

worden, sondern offenbar ein im Auftrag von Ritter entwickelter Standardvertrag, der auch in anderen Städten Anwendung fand. Ein ähnlicher Vertrag findet sich gleichfalls in der schon erwähnten Nachbarstadt Iserlohn. Die den Ingenieur Ritter unterstützenden Unternehmer waren Iserlohner Kaufleute, die erst später nach Erhalt des Auftrages die Lüdenscheider Gasgesellschaft gründeten, ohne daß Lüdenscheider Unternehmer sich an dieser Gesellschaft beteiligten. Der „Contract“ wurde schließlich am 11. Oktober 1856 durch den Magistrat unterzeichnet und am 15. Oktober von der Stadtverordnetenversammlung genehmigt.55 Dieses Verfahren entsprach den §§ 35, 36, 56 Nr. 2 und 8 der Westfälischen Städteordnung.

3. Die Bestandteile des „Contractes“ von 1856 Auch wenn die Urkunde der Vereinbarung ihrer äußeren Form nach bereits auf einen Vertrag hinweist, erfordert die Untersuchung des von der Stadt Lüdenscheid verwendeten rechtlichen Instrumentariums zum Aufbau der Gasversorgung eine vorsichtige Annäherung an den Inhalt des „Contractes“ und eine eingehende Untersuchung seiner Rechtsnatur. Der „Contract“ umfaßte 31 Paragraphen, deren Anordnung eine zum Teil willkürlich erscheinende Aufzählung einzelner Regelungen darstellt. Ein erster Überblick über die Vereinbarung läßt sich nur aus einer Ordnung der Klauseln gewinnen. Sie lassen sich zu Regelungskomplexen zusammenfassen, wenngleich einige Klauseln sich in ihren Tatbeständen überschneiden. Im „Contract“ gab es – Leistungs- und Gegenleistungsklauseln (§§ 1, 2, 10, 13, 14, 19, 20, 22), – Qualitätsklauseln (Gasqualität §§ 10 und 11), – Gefahrtragungsklauseln (Verschulden §§ 3, 10, 18), – Betriebsklauseln (technische Sicherheit §§ 4 und 9), – Befristungsklauseln (Prolongation, Übernahme und Heimfall, §§ 27, 28, 29) – und eine Monopolklausel (exklusive Gestattung § 2).

Aus den „Inhaltsregelungen“ der Leistungsbeziehung zwischen den Parteien sind zwei Tatbestände hervorzuheben. Zum einen handelt es sich um die Leistung des Unternehmers gemäß § 1 des „Contractes“, der zugleich den Vertragszweck fixierte: „Der genannte Unternehmer verpflichtet sich, diejenigen Straßen und Plätze der Stadt Lüdenscheid, die durch Vereinbarung mit dem Magistrate bestimmt werden, während dreißig aufeinanderfolgender Jahre mit Gaslicht zu erleuchten, auch jedem Privaten und jeder öffentlichen oder Privatanstalt, innerhalb der Stadtteile, wo die Gasbeleuchtung eingeführt sein wird, gegen Bezahlung Gaslicht zu liefern.“ 55 Hostert, Die Energieversorgung in der wachsenden Stadt Lüdenscheid: Entwicklung begann im Jahr 1856 mit einem Vertrag über Gas, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 11. / 12. 3. 1994.

A. Der Aufbau der leitungsgebundenen Gasversorgung

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Aus dem „Contract“ ist sodann die exklusive Zusicherung der Stadt Lüdenscheid für die Leistung des Unternehmers in § 2 hervorzuheben: „Der Magistrat erteilt dem Unternehmer hiermit die Zusicherung, daß innerhalb der im vorigen § genannten 30 Jahren von der Vollziehung resp. dem Beginn des Contraktes gerechnet, die städtische Behörde weder auf Kosten der Stadt Röhren zur Fortleitung von Gas innerhalb der Straßen und Plätze der Stadt anlegen, noch einem dritten dies gestatten werde, weder zum Behuf der Straßenbeleuchtung noch um Privaten Gas zuzuführen.“

Nach § 3 des Vertrages hatte der Unternehmer ein Grundstück für den Bau einer Gasfabrik zu erwerben und die Gasröhren zu legen. Wo diese Röhren liegen sollten kann nur aus der Angabe der zu beleuchtenden Straßen in § 1 geschlossen werden. Damit waren die städtischen Straßen geradezu selbstverständlich zum Gegenstand der Nutzung durch den Unternehmer geworden. Dem Unternehmer wurde das Einlegen von Leitungen in den Straßenkörper ohne besonderes Entgelt, sei es als Miete oder als Pacht, exklusiv gestattet. Die Stadt zahlte gem. § 22 des „Contractes“ nur für das von ihr abgenommene Gas – also für die Gaslieferung – ein Entgelt. Das wirtschaftliche Gegenstück des exklusiven Rechts auf Einlegen von Röhren war der Vertragsgestaltung nach die Pflicht des Unternehmers zum Aufbau und der Unterhaltung eines Gasröhrennetzes vornehmlich zu öffentlichen bzw. privaten Beleuchtungszwecken und das Heimfallrecht der gesamten Anlage an die Stadt Lüdenscheid nach 60 Jahren. Vertragstechnisch steht die Zusicherung der exklusiven Straßennutzung zur Röhrenlegung in § 2 an der Spitze der Einzelregelungen, während die übrigen Paragraphen zum Großteil die Art und Weise der Leistungserbringung des Unternehmers regeln. Das Versprechen der unternehmerischen (Gegen-)Leistung nimmt einen vergleichsweise breiten Raum gegenüber der knapp umrissenen Verfügung der Stadt über den Tatbestand der Nutzung städtischer Straßen ein. Die Formulierung weist die exklusive Gestattung zugunsten des Unternehmers als Zusicherung aus, nach der die Stadt selbst auf eine Röhrenlegung verzichtet und auch keine derartige Genehmigung einem Dritten erteilt. Eine Angabe, worauf die dem Unternehmer verliehene Rechtsmacht beruht, fehlt im Vertrag. Für die von der Stadt Lüdenscheid erteilte Zusicherung stellt sich damit die Frage nach ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage.

4. Die Nutzung der Ortsstraßen durch den Unternehmer Die Zusicherung der Exklusivität zur Verlegung von Gasröhren in den Straßenkörper stellt sich nach den Erklärungen der Stadt und des Unternehmers als ein besonderes Recht dar. Für die Verteilung leitungsgebundener Versorgungsgüter mußten die öffentlichen Wege in Anspruch genommen werden. Ein vernetztes Versorgungsgebiet ist auch noch nach heutiger Anschauung nicht vorstellbar, ohne daß die Leitungen in den Straßenkörper verlegt werden oder die Straßen kreuzen. Als Ansatzpunkt für die Untersuchung bietet sich deshalb das für Lüdenscheid damals geltende Wegerecht an. Hierbei ist nach den wegerechtlichen Grundlagen 3*

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

für die Übertragung eines Rechtes zur Nutzung des Straßenkörpers einer Ortsstraße zu fragen. a) Preußisches Wegerecht Das Straßen- und Wegerecht des 18. und 19. Jahrhunderts hat sich in den deutschen Ländern unterschiedlich entwickelt. Trotz der Zersplitterung der Wegegesetzgebung sind Schwerpunkte in der Behandlung der Wegesachen erkennbar. Die wegerechtlichen Grundlagen wurden regelmäßig von Vorschriften über die Wegebaupflicht, die Wegepolizei und die Inanspruchnahme von Wegen gebildet. Für die Einteilung der Wege ist die historische Entwicklung des Wegerechts im jeweiligen Land und seinen Provinzen bestimmend gewesen. In Preußen wurden Chausseen, Land- und Heerstraßen, Kommunikations- und Vizinalwege56, Gemeindewege, Ortsstraßen und Privatwege voneinander unterschieden.57 Es ist zunächst davon auszugehen, daß das Allgemeine Preußische Landrecht in den nach seinem Erlaß am 5. 2. 1794 erworbenen preußischen Gebieten nur insoweit in Kraft gesetzt worden ist, als territoriale Gesetze und Gewohnheiten nicht entgegenstanden.58 Lüdenscheid gehörte seit 1609 zu Preußen. 1856 bestand für die Provinz Westfalen, die durch Beschluß vom 30. 4. 1815 gebildet worden war, keine einheitliche Wegegesetzgebung. Die in den Jahren 1834 bis 1836 eingesetzte staatliche Kommission für die Beratung einer Allgemeinen Wegeordnung hat in ihrer Verhandlung vom 29. 4. 1836 bemerkt, daß die einzelnen noch gültigen Bestimmungen der älteren Gesetze über das Wegewesen in der Provinz nicht mit Zuverlässigkeit zusammenzustellen sind.59 Die Kommission hat daher, ohne sich materiell auf deren Inhalt einzulassen, ein Verzeichnis von „Westfälischen Provinzialgesetzen über den Bau und den Gebrauch der Wege“ aufgestellt. Die dem Königlichen Staatsminister mit Bezug hierauf unter Vorlegung eines Entwurfes der Allgemeinen Wegeordnung überreichte Denkschrift des Königlichen Finanzministers v. 31. 12. 1842 enthielt zu den wegerechtlichen Grundlagen folgenden Hinweis:60 „Es sind Bedenken darüber angeregt, ob und in wie weit in der Provinz Westphalen die früheren gesetzlichen Vorschriften über den Wegebau fortbestanden haben oder inzwischen in Folge eingetretenen öfteren Wechsels der Regierung in den verschiedenen Landestheilen und den damit theilweise verbundenen Abänderungen des bestehenden Zustandes aufgehoben worden sind, über welche Frage widersprechende richterliche Entscheidungen ergangen, wie dies auch der Fall ist in Betreff der wichtigsten Bestimmungen der 56 Im Herzogtum Berg handelte es sich um Polizeiwege. Vgl. dazu Ecker, Rheinisches Wegerecht, in: PrVerwBl. 25 (1904), 829. 57 Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 361 ff.; Germershausen / Seydel, 3. Aufl., Bd. 1, S. 18 f. 58 Baumeister, Zur Geschichte und Problematik des deutschen Straßen- und Wegerechts, S. 11. 59 Rönne, Verfassung und Verwaltung des Preußischen Staates, 6. Teil, 4. Bd., 2. Abt., S. 595. 60 Rönne, S. 595.

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bestehenden Verordnungen, so daß sich in dieser Beziehung eine konstante gerichtliche Praxis nicht ausgebildet hat. Gerade in Westphalen ist die Anzahl dieser Verordnungen sehr groß und es hat sich eine Verwaltungspraxis gebildet, welche die Frage: was provinziellen Rechts ist, sehr erschwert, indem Verordnungen und einzelne Bestimmungen particularer oder allgemeiner Gesetze nach Maaßgabe ihrer anscheinenden praktischen Brauchbarkeit in Anwendung gesetzt und erhalten wurden, die unbedenklich für den entsprechenden Landestheil für nicht publicirt oder für aufgehoben zu erachten gewesen wären.“

Auch in den Motiven zu einer Wegeordnung von 187561 finden sich zunächst Hinweise dafür, daß die Bestimmungen des ALR nicht ausschließlich und auch nicht subsidiär ohne provinzialrechtliche Zusätze hinsichtlich der wegerechtlichen Institute ihre Gültigkeit hatten:62 „Tatsächlich ist, wie neuerdings von den Provinzialbehörden ausdrücklich bezeugt worden ist, nach den (allgemeinen) landrechtlichen Bestimmungen niemals verfahren, es haben sich in diesen Districten vielmehr meistenteils die Wegeordnungen der benachbarten Gebiete eingebürgert. . . . Der Code Napoléon hat die Provinzialgesetze nur insoweit aufgehoben, als er selbst Bestimmungen über die betreffende Rechtsmaterie enthält. Dies ist hinsichtlich des Wegebaus nicht der Fall, und besonders erlassene Verordnungen, auf welche der Code verweist, sind nicht ergangen oder im Mangel der in ihnen selbst vorbehaltenen Ausführung nicht in Kraft getreten. Damit ist die faktische Einwirkung der zur Zeit der Zwischenherrschaft in den vorhandenen Landesteilen gültigen Gesetze und der Wegebaupflicht berührenden anderweitigen Gesetzgebung nicht ausgeschlossen.“

Bei der preußischen Wiederinbesitznahme 1813 sind die Provinzialrechte in ihrem Bestand geblieben, wie das Preußische Obertribunal in seinem Plenarbeschluß vom 5. 6. 184863 entschied. Bis dahin ist auch seitens der Gerichte vielfach von anderen Rechtsanschauungen ausgegangen worden, wobei man die Provinzialgesetze für aufgehoben angesehen und das ALR zur Anwendung gebracht hat.64 Das in der alten Grafschaft Mark seit alters her gültige, auch in die Rheinprovinz hinübergreifende Recht gründet sich auf die bei den Herzogtümern Jülich und Berg näher in Betracht kommende Verordnung vom 10. 10. 155465, die Verordnung der Kurfürstlichen Regierung zu Cleve vom 23. 2. 167666 sowie die Edikte des Preußischen Königs vom 25. 7. 173067 und 7. 1. 176968 wegen der Wegebesserung in Cleve und Mark. Die Königlich Preußischen Regierungspublikationen und diejenigen des Königlich Preußischen Civil-Gouverneurs zwischen Weser und Abg.Haus 1875 Drucks. 24 / S. 54. Abdruck bei Germershausen / Seydel, 4. Aufl., S. 205. 63 ObTrib PräjNr. 2017, Präj.Samml. S. 211. 64 Germershausen / Seydel, 4. Aufl., S. 205, Fn. 2 m. w. N. 65 Ackermann, T., Die Wegebaulast im Geltungsbereich des Preußischen Landrechts, Erster T(h)eil, S. 66. 66 Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen für das Herzogthum Cleve und die Grafschaft Mark, Th. I, S. 546, Rr. 333. 67 Scotti, Th. II, S. 1097, Nr. 1098. 68 Scotti, Th. II, S. 1911, Nr. 2009. 61 62

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

Rhein vom 14. 9. 1814 halten jene Verordnungen mit dem zwischenzeitlich erlassenen Chausseereglement vom 31. 5. 179669, welches seinerseits die Wegeordnung vom 7. 1. 1769 bestätigt, ausdrücklich aufrecht.70 Die Rechte und Pflichten der Stadt Lüdenscheid und ihrer Bürger waren durch die genannten Wegeordnungen nur in Bezug auf die Land- und Heerstraßen, sowie zum Teil auf die Gemeinde-, Communications- und Vizinalwege als öffentliche Straßen und Wege festgelegt.71 Es bestanden jedoch keine wegerechtlichen Regelungen für die öffentlichen Straßen und Wege in den Städten Westfalens, den sog. Ortsstraßen72. Hier kommt es auf die Funktionen der drei traditionell am Wege Beteiligten, des Wegeeigentümers, des Wegebaulastträgers und der Wegepolizeibehörde im Rahmen der wegerechtlichen Institute an. Die Stadt als Korporation war im allgemeinen Eigentümerin der Ortsstraßen und damit wegebauunterhaltungspflichtig. Die Wegebaulast erstreckt sich auf die Anlegung, Unterhaltung, Verlegung und Einziehung eines Weges, wobei die Städte, in deren Grenzen die Wege lagen, als Wegebaupflichtige angesehen wurden.73 Schon das „Project einer Bauordnung bei Wiedererbauung der Stadt Lüdenscheid“ von 1724 sah in Nr. 22 die Verpflichtung des Magistrats und der Bürger vor, die Straßen mit „ . . .tüchtig harten Steinen. . .“ zu befestigen. Zur Ausführung kam die Anordnung jedoch nicht. Erst die für 1826 erwähnte Pflasterung der Wilhelmstraße ist ein Beispiel für die Wahrnehmung der Wegebaupflicht durch die Stadt Lüdenscheid.74 Über die Unterhaltung der öffentlichen Straßen findet sich allenfalls noch ein Hinweis in der Wegeordnung für die Grafschaft Mark vom 7. 1. 1769. Dort heißt es: „ . . . , daß alle Wege in der Grafschaft Mark in solchen Stande gestellt werden sollen, daß sie bei aller Jahreszeit gebrauchet, denen Reisenden die Passage erleichtert, und daß Commercium ungehindert getrieben werden könne.“

Eine Wegeunterhaltungspflicht der Städte bestand auch, wenn Eigentümer des Straßengrundstücks ein Privater war, die Straße jedoch für den öffentlichen Verkehr benutzt wurde. Dem Magistrat der Stadt Lüdenscheid kam insoweit die Funktion der Wegebaubehörde zu. Der Lüdenscheider Magistrat war gem. §§ 62 I 1), 63 der Westfälischen Städteordnung von 1856 auch die zuständige Behörde für die Wegeaufsicht innerhalb und außerhalb der Stadt. Er hatte die Wegepolizei als Rönne, S. 624. Ackermann, T., Erster T(h)eil, S. 66. 71 Ein Beispiel für die Auswirkungen der Wegebau- und Wegeunterhaltungspflicht nach der Wegeordnung v. 7. 1. 1769 und dem ALR findet sich für das Kirchspiel Lüdenscheid in der Auseinandersetzung um einen Fabrikweg zwischen den Bauerschaften Rosmart und Leifringshausen mit dem Bürgermeister Kobbe bei Krägeloh, Lüdenscheid zur Amtszeit des Bürgermeisters Johann Jakob Friedrich Kobbe, S. 104 ff. 72 Germershausen / Seydel, 4. Aufl., S. 16. 73 Matthias, S. 333. 74 Vgl. o. S. 26. Die Wilhelmstraße war als Lüdenscheider Hauptstraße Teil des alten Heerweges von Köln nach Arnsberg. 69 70

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Ortspolizeibehörde wahrzunehmen.75 Das preußische Zuständigkeitsgesetz vom 1. 8. 188376 beließ in § 55 Satz 1 die Aufsicht über die öffentlichen Wege bei den zuständigen Behörden. Hiermit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß an den Kompetenzen der Wegepolizeibehörden nichts geändert wurde. In den Städten fand für die Ortsstraßen vornehmlich das Ortsrecht Anwendung, das in den Polizeiverordnungen geregelt war. Dazu wiederum sind die Regelungen des ALR und ggf. auch der Wegeordnungen als subsidiär anzusehen. Es ist daher festzustellen, ob sämtliche Straßen und Wege innerhalb Lüdenscheids öffentliche Straßen – Ortsstraßen – im Sinne des Wegerechts waren und wie eine Nutzung dieser Straßen durch einen Unternehmer überhaupt begründet werden konnte. Dazu ist eine besondere Berücksichtigung des gesetzten Ortsrechts und der Observanzen erforderlich.

b) Die Lüdenscheider Straßenordnungen des 19. Jahrhunderts In der Stadt Lüdenscheid wurden im 19. Jahrhundert Straßenordnungen erlassen. Sie gehen auf eine Forderung der Königlichen Regierung in ihrem Schreiben vom 28. 10. 182977 zurück, die Straßenordnungen nach dem Muster der Stadt Arnsberg von den Bürgermeistern der Städte Altena und Lüdenscheid verlangte. In Lüdenscheid kann eine vollständige Straßenordnung erst ab 1839 nachgewiesen werden. Die Straßenordnung wurde am 3. 9. 183978 als Lokal-Polizeiverordnung gem. § 11 der Regierungs-Instruction v. 23. 10. 1817 auf Grund des Gesetzes wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden des Königlich Preußischen Staates79 erlassen. Die 72 Paragraphen umfassende Straßenordnung regelte in sechs Abschnitten die Reinlichkeit der Straßen und öffentlichen Plätze (Abschnitt I, §§ 1 – 17), die Wegsamkeit der Straßen (Abschnitt II, §§ 18 – 26), die Einrichtung und Erhaltung der an den Straßen befindlichen Gebäuden und Anlagen und Verhütung der Beschädigung und Verunstaltung derselben (Abschnitt III, §§ 27 – 32), die Ruhe und Sittlichkeit auf den Straßen (Abschnitt IV, §§ 33 – 38), die Sicherheit der Personen und Sachen (Abschnitt V, §§ 39 – 65) und das Verfahren bei Übertretung der Straßenordnung (Abschnitt VI, §§ 66 – 72). Innerhalb der Abschnitte finden sich Regelungen über die Verantwortlichkeit der Hauseigentümer für die Straßenreinigung (§ 1) und die Abtrittsäuberung (§ 7) genauso wie über die Beleuchtung abgestellter Karren (§ 19) und die Gebäudeerhaltung (§ 28). Die Sorge der Obrigkeit richtete sich sogar auf die möglichen „ästhetischen Emissionen“ durch ein Verbot des Wäschetrocknens auf den Kirchhofmauern. Auch der Festsetzung der Polizeistunde auf 10 Uhr abends (§ 34) und dem Verbot des Pfeiferauchens ohne 75 76 77 78 79

Germershausen / Seydel, 3. Auflage, Bd. 1, S. 584. PreußGS. S. 237. STA Lüd. A 1793, Schreiben der Königl. Regierung Arnsberg vom 28. 10. 1829. STA Lüd. A 1793. PreußGS. S. 248 (254 f.).

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Deckel (§ 62) auf der Straße wurde polizeiliche Aufmerksamkeit geschenkt. In derselben Polizeiverordnung waren damit nach modernem verwaltungsrechtlichem Verständnis sowohl wege-, verkehrs-, gesundheits-, bau- und brandschutz- als auch gewerberechtliche Materien geregelt. Diese über die Gefahrenabwehr noch weit hinausgehende Fürsorge der Stadt bzw. des Magistrates fand ihren Abschluß in § 72 der Lüdenscheider Straßenordnung, der die Bevölkerung über die ausgeübte Polizei belehrte: „Auch hat man das Zutrauen zu jedem Einwohner, daß er zur Aufrechterhaltung und Befolgung der ertheilten Vorschriften um so eifriger und thätiger mitzuwirken sich angelegen sein lassen werde, als solche nur ihre eigene Wohlfahrt, nämlich die Beförderung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit, der guten Ordnung und Bequemlichkeit bezwecken.“80

Am 10. 8. 1858 wurde die Lüdenscheider Straßenordnung81 unter spezieller Ausweisung der schon erwähnten Bau-Polizei-Ordnung82 neu erlassen. Die Rechtsgrundlage dafür waren die §§ 5 und 6 b) des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 1850. Der Magistrat war gem. der §§ 63, 62 I Nr. 1) der Städteordnung für die Provinz Westfalen v. 19. 3. 1856 die mit der örtlichen Polizeiverwaltung beauftragte Behörde, die nach Beratung mit dem Gemeindevorstand die Straßenordnung erlassen konnte. Die Straßenordnung gliederte sich nunmehr in einen Hauptteil mit nur noch 42 Paragraphen ohne Abschnittseinteilung, die jedoch die wesentlichen Teile der ersten Straßenordnung von 1839 enthielten. In einer Veröffentlichung der neuen Straßenordnung im Jahr 1859 waren in einem Anhang die jeweiligen Verordnungen der Königlichen Regierung und die entsprechenden Strafvorschriften bezüglich der Sicherheit auf den Straßen (I), der Bequemlichkeit und Reinlichkeit der Straßen (II), der Ordnung und Ruhe auf den Straßen (III) sowie die genannte Bau-Polizei-Ordnung (IV) abgedruckt. Ein Schritt zur Spezialisierung des Polizeirechts und eine erste Einschränkung weitreichender Wohlfahrtsregelungen vollzog sich damit zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Lüdenscheid. Allerdings war der Magistrat auch mit der Straßenordnung von 1858 von einer Abkehr von wohlfahrtspolizeilichen Erwägungen – der Zeit entsprechend – noch weit entfernt. Die später erlassene Lüdenscheider Straßenordnung vom 1. 2. 188883 regelte in fünf Abschnitten mit insgesamt 80 Paragraphen die Erhaltung der Sicherheit (I.), die Erhaltung der Bequemlichkeit (II.), die Erhaltung der Reinlichkeit (III.), die Erhaltung der Ruhe (IV.) und enthielt noch weitere Schlußbestimmungen (V.). Rechtsgrundlage für die Straßenordnung von 1888 war § 5 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 1850 i. V. m. §§ 143, 144 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. 7. 188384. Der Schwerpunkt der StraßenordSTA Lüd. A 1793. STA Lüd. A 49. 82 Vgl. oben Teil I A. I. 1. c). 83 Abdruck in: Vorschriftensammlung 1911, VI. Polizeivorschriften und ähnliche Bestimmungen für die Stadt Lüdenscheid, S. 1. 84 PreußGS. S. 195. 80 81

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nung lag in den Regelungen des verkehrsgerechten Verhaltens der Einwohner auf den Straßen sowie der Vermeidung von Störungen und Unglücksfällen. Die Nutzung der Verkehrsfläche wurde in § 37 unter den Erlaubnisvorbehalt der Polizeibehörde gestellt: „Niemand darf auf öffentlichen Straßen und Plätzen ohne Genehmigung der Polizeibehörde Gegenstände aufstellen, hinlegen oder liegen lassen. Unzulässig ist das Aufstellen von Waren, Kisten, Tonnen und anderen Gegenständen vor den Häusern der Gewerbetreibenden, das Aushängen und Ausstellen von Fleisch und Fleischwaren vor den Läden oder Häusern der Fleischer.“

In allen Straßenordnungen war der Eingriff in den Straßenkörper selbst, wie es für das Einlegen von Gasröhren als dauerhafte Anlage erforderlich gewesen wäre, nicht ausdrücklich geregelt. Bei der großen Zahl polizeirechtlicher Tatbestände geht es im wesentlichen um den Verkehr auf diesen Straßen selbst, der sich im Rahmen des Gemeingebrauchs oder des gesteigerten Gemeingebrauches vollzog. Obwohl der Begriff der „Straßenordnung“ selbst einen gewissen Auslegungsspielraum für die „Öffentlichkeit“ bietet, finden sich dazu keine audrücklichen Regelungen. Es ist zwar sowohl in der Lüdenscheider Straßenordnung von 1839 als auch in den Straßenordnungen von 1858 und 1888 von öffentlichen Straßen und Plätzen die Rede, eine begriffliche Abgrenzung zu den reinen Privatwegen fehlt jedoch. Mangels weiterer Anhaltspunkte für die Öffentlichkeit der Ortsstraßen und die Nutzung des Straßenkörpers zum Einlegen von Gasröhren ist damit zunächst nur festzustellen, daß die Wegepolizeibehörde an einer „Nutzungserlaubnis“ für diesen Zweck jedenfalls mitzuwirken hatte. § 72 der Lüdenscheider Straßenordnung von 1839 stellte die Straßenordnung bereits für „Alle Beamte der ausübenden Polizei . . . zur strengsten Aufsicht über die Befolgung. . . “

Mögliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs waren vom Magistrat als Ortspolizeibehörde bei der Erlaubniserteilung zu berücksichtigen. In ihrer Eigenschaft als Wegebaubehörde war die Unterhaltung der Straße zu gewährleisten. Dies galt auch für die Inanspruchnahme des Straßenkörpers durch Einlegen von Röhren.

c) Anwendung allgemeiner wegerechtlicher Grundsätze für die Öffentlichkeit von Ortsstraßen Da aus den Polizeiverordnungen keine Aufschlüsse über die Öffentlichkeit der Ortsstraßen zu erzielen sind, kommen die allgemeinen wegerechtlichen Grundsätze zur Anwendung, wie sie zum Teil in den alten Wegeordnungen und dem ALR niedergelegt waren. Die §§ 1 – 37 Teil II Titel 17 ALR bezogen sich nur auf die Landund Heerstraßen und waren, wie auch das Reichsgericht in einem späteren Urteil85 85 RG 44, 174 (175). Vgl. auch Striethorst Archiv Bd. 29, 288 (289); 74, 17 (17); ObTrib. Bd. 19, 330 (334).

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

feststellte, nicht ohne weiteres auch auf die Gemeinde-, Vizinal- und Communicationswege anwendbar.86 Nach allgemeiner Auffassung waren Ortsstraßen in Städten und ländlichen Ortschaften öffentliche Wege, wenn sie mit dem Willen der Gemeinde für den Anbau und den durch diesen verursachten inneren Verkehr, d. h. den Verkehr von, nach und zwischen den Häusern, bestimmt waren.87 Die Eigenschaft des öffentlichen Weges wurde nicht durch die Eigentumsverhältnisse am Wegekörper begründet. Eigentümer konnte die Stadt oder ein Privater sein. Öffentliche Wege waren solche, die nach der ihnen ausdrücklich oder „stillschweigend“ von allen rechtlich Beteiligten – dem Eigentümer, der Wegepolizeibehörde und dem Wegebaupflichtigen – gegebenen Bestimmung dem allgemeinen Verkehr dienten.88 Das Preußische Oberverwaltungsgericht hat erst nach 1879 eine Widmungstheorie entwickelt, die formell auf die Erklärungen der Beteiligten zur Verkehrseröffnung auf einem Weg Bezug nahm.89 Ein Widmungsakt lag danach vor, wenn der Weg vom Wegebaupflichtigen mit Zustimmung der Wegepolizeibehörde dem öffentlichen Verkehr überlassen und gleichzeitig die Pflicht zur Unterhaltung des Weges geregelt war.90 Das Gericht erkannte jedoch auch an, daß in früheren Zeiten die Widmung eines Weges für den öffentlichen Verkehr oft durch „stillschweigende“ (konkludente) Handlungen vorgenommen worden war und daß der Beweis der Öffentlichkeit eines Weges deshalb auch hilfsweise mit der – widerlegbaren – Vermutung geführt werden konnte, eine seit langer Zeit tatsächliche und ungestörte Benutzung des Weges unter Berücksichtigung der Umstände lasse den öffentlichen Verkehr erkennen.91 Voraussetzung für eine solche gewohnheitsrechtlich anerkannte „unvordenkliche Verjährung“ als Vermutung für die Öffentlichkeit eines Weges ist, daß der Weg als öffentlicher behandelt wird und wurde und daß dieser Zustand nach der eigenen und der von den Vorfahren übernommenen Erinnerung des zum Zeitpunkt der Beurteilung lebenden Geschlechts immer bestanden hat.92 In § 3 des Ortsstatuts betreffend die Anlegung, Veränderung und Bebauung von Straßen und Plätzen in der Stadt Lüdenscheid vom 7. Mai 1898 findet sich noch folgender Hinweis in Bezug auf den Anbau von Wohngebäuden an öffentlichen Straßen:93 86 Landé / Hermes, Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten in dem seit dem 1. 1. 1900 gültigen Umfang, S. 599 zu § 1 II 17 ALR. 87 OVGE 14, 402 (403); 16, 296 (298); 24, 74 (81); Germershausen / Seydel, 4. Aufl., S. 16. 88 Germershausen / Seydel, 3. Aufl., Bd. 1, S. 4 m. w. N. 89 Schallenberg, Die Widmung, S. 22 ff.; Nedden, Rechtsformen und Voraussetzungen straßenrechtlicher Statusakte, in: FS Ein Vierteljahrhhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 63. 90 Matthias, S. 327; Germershausen / Seydel, 3. Aufl., Bd. 1, S. 7. 91 OVGE 8, 208 (213); 9, 203 (215), 10, 347 (356); Germershausen / Seydel, 3. Aufl., Bd. 1, S. 16; Schultz, S. 18 f.; Schallenberg, S. 22. 92 OVGE 3, 198 (202); Guba, Die öffentlichen Grundlagen des Wegerechts, S. 15; Lassar, Grundbegriffe des preußischen Wegerechts, S. 100. 93 STA Lüd. A 838.

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„Die Vorschriften der §§ 1 und 2 finden keine Anwendung auf diejenigen städtischen Straßen, welche beim Erlaß des Ortsstatuts vom 24. Februar 1880 – d. h. am 14. Juli 1880 – als sog. historische Straßen anzusehen waren.“

Als „historische Straßen“ kommen dem Wortlaut nach zunächst diejenigen Straßen in Betracht, die vor Erlaß des Ortsstatutes vollendet waren, also nicht neu gebaut werden mußten. Unter den „historischen Straßen“ sollten jedoch wohl in Anlehnung an die Terminologie der Rechtsprechung zu § 15 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. 7. 187594 Straßen bezeichnet werden, für deren Bau keine Beiträge mehr von den Anliegern durch Statut gefordert werden konnten.95 Ein Zusammenhang zwischen der Einteilung dieser „historischen Straßen“ und der gewohnheitsrechtlichen Herleitung der Öffentlichkeit einer Ortsstraße bestand jedoch nicht. Es ergeben sich für die Beurteilung der Öffentlichkeit einer Ortsstraße danach zwei Alternativen. Entweder waren sich Stadtverordnete und Magistrat darüber einig, daß alle Straßen innerhalb der Stadt schon immer als öffentliche Straßen anzusehen waren, oder die Einteilung wurde von einzelnen wegepolizeilichen Widmungsverfügungen abhängig gemacht. Die erste Auffassung müßte alle Ortsstraßen als konkludent gewidmete öffentliche Straßen ansehen und Privatwege verneinen. Die zweite Auffassung hat einen Widmungsakt der Behörde in der Weise zur Voraussetzung, daß eine neue Ortsstraße jeweils für den öffentlichen Verkehr durch Verfügung freigegeben wird und in Dienst gestellt wird. Die restlichen Wege waren danach als privat anzusehen. Insoweit läßt § 7 der Straßenordnung von 1858 auch den Schluß zu, daß es größere Hausgrundstücke innerhalb der Stadt gegeben haben muß, die einen privaten Weg von der Straße zum Haus – wenn auch nur in geringem Ausmaß – gehabt haben. Eine Verbindung beider Auffassungen ist insofern denkbar, als der mittelalterliche Stadtkern innerhalb der Stadtmauern sicherlich kaum nennenswerte Privatwege aufwies und so die Ortsstraßen im Stadtkern Lüdenscheids gewohnheitsrechtlich bzw. schon aus „unvordenklicher Zeit“ als öffentliche Straßen anzusehen waren.96 Im Laufe der weiteren Stadtentwicklung und Ausdehnung der Stadt ab 1850 ist der Erweiterung der Ortsstraßen und damit den für den Anbau bestimmten Flächen insoweit Rechnung zu tragen, als nach abgeschlossenem Bau und durch Verkehrseröffnung mit Einverständnis der Behörden ein Statusakt der Indienststellung anzunehmen ist. Eine Widmung kann auch hier jedoch noch konkludent ergangen sein.

PreußGS. S. 561. OVGE 24, 74 (77). 96 Vgl. die Darstellung bei Spiess, Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftsbürgerlichen Villenarchitektur in Lüdenscheid von 1800 bis 1918, in: Trox, Preußen und Wir, S. 155 ff. unter besonderer Berücksichtigung des Bau- und Situationsplanes von 1855 / 56 und der Übersichtskarte von 1881. 94 95

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

d) Anwendung allgemeiner wegerechtlicher Grundsätze auf die Nutzung des Straßenkörpers der Ortsstraßen Die zur Zeit des Vertragsabschlusses mit dem Ingenieur Ritter geltende Lüdenscheider Straßenordnung von 1839 und die 1858 in Kraft gesetzte Lüdenscheider Straßenordnung regeln zwar den Verkehr auf den Ortsstraßen, nicht aber den Umfang des Gemeingebrauches. Über die Inanspruchnahme der öffentlichen Straßen und Wege im weiteren Sinne enthalten die Lüdenscheider Straßenordnungen nur Festsetzungen durch Gebote und Verbote mit diversen materiellen Regelungen. Eine allgemeine Festlegung des Gebrauchs scheint demnach so entbehrlich gewesen zu sein, daß darauf verzichtet wurde. In Ermangelung von Regelungen in den Lüdenscheider Straßenordnungen des 19. Jahrhunderts muß also für die Nutzung des Straßenkörpers auf die entsprechenden Regelungen des ALR zurückgegriffen werden. Die §§ 2, 3 und 7 Teil II Titel 17 ALR enthalten allgemeine Rechtsgrundsätze, die analog auch auf andere öffentliche Straßen – wie die Ortsstraßen – anwendbar waren.97 Nach § 8 II 15 ALR war der freie Gebrauch der Land- und Heerstraßen einem jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet. Der Gebrauch der öffentlichen Wege stand damit der Allgemeinheit zu. Die Rechtsprechung hat dazu in späterer Zeit festgestellt, daß es die rechtliche Natur eines öffentlichen Weges sei, dem Gemeingebrauch zu dienen.98 Das Einlegen von Röhren in den Straßenkörper wurde nach zeitgenössischer Vorstellung vom Magistrat, also der städtischen Behörde, offenbar einfach gestattet und exklusiv zugesichert. Lag darin eine polizeiliche Erlaubnis? Die Formulierungen in den §§ 1 und 2 des „Contractes“ sind unpräzise. Von den Erlaubnissen dieser Art unterschied sich das Recht zum Einlegen von Gasröhren in den Straßenkörper schon dadurch, daß es sich um eine besondere Nutzung einer Sache im städtischen Eigentum handelte, zu deren Ausübung die Stadt als wegebaupflichtige Korporation auch ihre Einwilligung geben mußte. Läßt sich ein durch den Magistrat als Ortspolizeibehörde und die Stadt Lüdenscheid als Korporation vertraglich begebenes Nutzungsrecht begründen? Gibt es ein nutzbares Recht, das durch „Erlaubnis“ erteilt werden kann? aa) Die historische Entwicklung des Instituts nutzbarer Rechte Die Suche nach einem vor der Mitte des 19. Jahrhunderts liegenden Anknüpfungspunkt für das Konzessionsrecht führt zu einer intensiveren Betrachtung der rechtlichen Beziehungen zwischen Wegehoheit und Wegeeigentum, denn ein Teil der damit jeweils verbundenen öffentlichen oder privaten Rechtsmacht des Staates wurde dem Erwerber jedenfalls durch einen hoheitlichen Akt übertragen. Fleiner99 97 OVGE 10, 192 (194); Landé / Hermes, S. 599 zu § 2 II 17 ALR; Schultz, Zum Preußischen Wegerecht, S. 63 f. 98 OVGE 10, 192 (194). 99 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 274 ff.

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führte die Tätigkeit einer Stadt unter Ausschließung jeder privaten Konkurrenz auf ein faktisches Monopol der öffentlichen Verwaltung oder ein Regal zurück. Die – ursprünglich dem König als Träger der obersten Gewalt zustehenden – iura regalia bildeten insoweit die historische Wurzel aller staatlichen Ausschlußrechte, die seit dem 14. Jahrhundert zunehmend auf die Landesherren übertragen wurden. Die Konzentration einer Anzahl von iura regalia in der Hand des Landesherren legte den Boden für die Ausbildung der absoluten Staatsgewalt. Diese iura regalia sind infolgedessen in dem allgemeinen Herrschaftsrecht des modernen Staates aufgegangen und ihre Fortsetzung bildet die Kompetenz des Staates, jedem Privaten bestimmte Tätigkeiten untersagen und andererseits Sonderrechte für die Ausübung dieser Tätigkeiten verleihen zu können. Alle in Betracht kommenden Objekte oder Tätigkeiten der Landesherrschaft waren der Privatinitiative der Untertanen entzogen. Dabei gab es keinen Unterschied zwischen Staatstätigkeit im eigentlichen Sinne und vermögensrechtlichen Befugnissen des Landesherren. Gegen entsprechende Vergütung wurden einzelne Bestandteile des Herrscherrechts – wie Bodenschätze, Jagd, Fischerei, Wege, Münzprägung, Steuern – durch Privileg an Private vergeben. Die Verwendbarkeit oder Nutzbarkeit des Privilegs für das Vermögen des Erwerbers stand dabei im Vordergrund. Die Staatsrechtswissenschaft im 16. Jahrhundert war dann dazu übergegangen, als den wahren Schlüssel aller staatsrechtlichen Konstruktionen den Begriff der Majestät (summa potestas) zu betrachten und somit das eigentliche Wesen der Staatsgewalt in einer unmittelbar mit dem Dasein des Staates gegebenen, unveräußerlichen und unteilbaren höchsten Macht zu erblicken. Die staatsrechtliche Verwertung der Lehre von den Regalien durch die Publizistik des 17. und 18. Jahrhunderts führte alsbald zur Teilung der höheren von den niederen Regalien. Zur ersten Gruppe gehörten danach die dem Staate zustehenden grundsätzlich unveräußerlichen Majestätsrechte oder Hoheitsrechte, zur zweiten Gruppe die vom Staate mehr „zufällig“ erworbenen und an Privatpersonen verleihbaren nutzbaren Gerechtsame.100 Diese Unterscheidung wurde auch noch im Allgemeinen Preußischen Landrecht benutzt, wobei die Hoheitsrechte in §§ 5 – 16 II 13 ALR und die niederen Regalien in §§ 21 – 35 II 14 ALR behandelt waren. Einzelne nutzbare Regalien sind in den Titeln 15 und 16 aufgeführt. Für die „Land- und Heerstraßen“ (vgl. § 24 II 14 ALR mit §§ 1 ff. II 15 ALR) ist die Existenz eines Wegeregals nach dem Wegfall von Zöllen und Wegeabgaben als Nutzungsrechte an dieser Art des Staatseigentums nicht mehr anzunehmen, gleichwohl gilt es kraft einfachen Rechtssatzes des öffentlichen Rechts als „faktisches Monopol“101 fort. Die Straßenhoheit des Landesherren beschränkte sich zunächst auf die sogenannte Wegepolizei.102 Dieser Rechtszustand markiert das Ergebnis einer EntwickGierke, Deutsches Privatrecht Bd. 2, Sachenrecht, S. 398 Fn. 12 m. w. N. Fleiner, S. 275. 102 Nachfolgend Bartelsperger, Das Sachenrechtsverhältnis der öffentlichen Straßen, in: FS Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 44 f.; Lassar, S. 15 ff. 100 101

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lung, in deren Verlauf die umfassende und einheitliche Straßenhoheit des deutschen Königs an den überörtlichen Straßen liquidiert, vom Straßenregal der Landesherren abgelöst und so eine allgemeine Feudalisierung der öffentlichen Straßen vollzogen wurde. Die öffentlichen Straßen teilten forthin das Schicksal der landesherrlichen Regalität, in der sich Landeshoheit und Privateigentum an den der Regalität unterliegenden Sachen zu einem gemischtrechtlichen Status verbanden. Die Inkorporation des Straßenregals in die neuzeitlichen Staatsrechte hat nur beschränkt zur Errichtung einer hoheitlichen Wegepolizei geführt. Die der Regalität unterliegenden Sachen blieben dagegen Gegenstand des landesherrlichen Privateigentums bzw. des staatlichen Fiskalvermögens. Ein genauer Zeitpunkt für die Überführung der Regalien in die allgemeine Staatsgewalt läßt sich nicht abschließend festlegen. Noch mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. 1. 1900 (BGB)103 wurden die Regalien von den staatlichen Hoheitsrechten und den fiskalischen Rechten unterschieden. Art. 73 des Einführungsgesetztes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (EGBGB)104 bestätigte dazu ausdrücklich, daß die Landesgesetze in Ansehung der Regalien unberührt blieben. Gierke105 verwies auf den Begriff der Regalien als nutzbare Rechte, die nach der Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts kraft eines Satzes des öffentlichen Rechts ausschließlich dem Staat zustehen, während ihr Inhalt an sich als privatrechtliche Befugnis gilt. Sie beschränkten das Eigentum und die Freiheit, änderten aber nichts an der Zugehörigkeit der von ihnen verstaatlichten Befugnisse zum Bereich des öffentlichen Rechts und konnten daher die Quelle abgeleiteter Privatrechte von Einzelpersonen bilden. Mit der Verleihung der Stadtrechte erhielten die Städte auch die Kompetenz der Wegepolizei und der Wegebaubehörde, deren Entscheidungen – auch über die Wegenutzung – ursprünglich auf die von der Landgemeinde auszuübende „Sorge“ um Flur und Wege zurückzuführen sind.106 Entscheidend für die vorliegende Untersuchung ist, daß das Wegeregal im allgemeinen Hoheitsrecht des Staates aufgegangen war und hinsichtlich der Ortsstraßen von der städtischen Behörde als Wegepolizei auszuüben war. Geht man zu den Anfängen der öffentlichen Straßenbeleuchtung durch Gaslicht zurück, findet sich das erste Beispiel für die Übertragung der ausschließlichen Beleuchtungsrechte in Hannover. Dem Vertreter der englischen Imperial Continental Gas Association, Sir William Congreve, wurde 1824 ein persönliches Privileg des sächsischen Königshauses erteilt, die Residenzstadt Hannover 20 Jahre durch Gaslicht zu versorgen.107 Das Privileg schloß andere Privatleute von der Errichtung einer öffentlichen Gasbeleuchtung aus, stand jedoch unter der Bedingung, daß RGBl. 1896, S. 195. RGBl. S. 604. 105 Gierke, S. 399. 106 Below, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung, S. 56 f.; Steinbach, Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland, S. 37 f. 107 Körting, S. 107; Mundhenke / Walter, 125 Jahre hannoversche Gasversorgung, S. 41 ff. 103 104

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Congreve einen Beleuchtungsvertrag mit dem Magistrat der Stadt Hannover abschließen und erfüllen würde. Der Imperial Continental Gas Association wurde damit durch Privileg ein Hoheitsrecht des Staates übertragen, während die schuldrechtlichen Verpflichtungen in einem Pachtvertrag mit dem Magistrat der Stadt Hannover geregelt wurden. In Dresden und Berlin bemühte sich Congreve 1826 ebenfalls um Beleuchtungsverträge. Auch hier überwachten die Regierungen die Verhandlungen. In Berlin kam der Vertrag – über den Magistrat der Stadt hinweg – mit dem Berliner Polizeipräsidenten zustande.108 In Köln drängte die Königliche Regierung 1839 die Stadtverwaltung zur Einführung des Gases für die öffentliche Beleuchtung. Nachdem zahlreiche Vorhaltungen vergeblich waren, erteilte die Regierung zu Köln im selben Jahr gleich zwei Unternehmern die „Konzession“ zur Errichtung einer Steinkohlengasfabrik. Die Stadtverwaltung verweigerte jedoch ihrerseits erfolgreich die Benutzung der Straßen zur Rohrverlegung und schrieb die Konzession zur Beleuchtung für Straßen und Plätze in Köln öffentlich aus. Am 1. 8. 1840 erhielt schließlich die Imperial Continental Gas Assosciation den Zuschlag.109 Die Entwicklung abseits der großen Residenz- und Handelsstädte setzte sich erst in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts fort. Es ist dabei zu beobachten, daß eine besondere Erklärung der Regierungen über die Ausschließlichkeit erworbener Rechte grundsätzlich nicht üblich war. Der Grund dafür liegt vermutlich in der Handhabung der Ortspolizei. In den Großstädten bestanden zumeist Königliche Polizeibehörden, die die Ortspolizei gem. § 2 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung ausübten. Dadurch ergaben sich auf Grund Zugehörigkeit der Behörden zu verschiedenen Rechtsträgern offenbar Unterschiede bei der Konzessionserteilung, die neben sicherheitspolizeilichen Erwägungen wohl auch von landesherrschaftlichen Interessen getragen wurden. Im Laufe der Zeit wurden diese Interessen durch kommunale Initiativen zurückgedrängt. Allerdings war auch in den Städten, in denen der Magistrat gem. § 62 I S. 1 Westfälische Städteordnung üblicherweise die Ortspolizei ausübte, eine Mitteilung des Vorhabens der Gasbeleuchtung vom Magistrat an den Regierungspräsidenten vorgesehen, denn auch gewerberechtliche und bautechnische Genehmigungen waren zu beachten.110 Das Recht der Wegenutzung für die Verlegung von Röhren für Gasbeleuchtungsanlagen ist ursprünglich aus den iura regalia abzuleiten. Ein Wegeregal bestand zur Mitte des 19. Jahrhundert nicht mehr. Ein ausschließliches nutzbares Recht an einem Weg wurde nur am Anfang des 19. Jahrhunderts noch durch ein Privileg übertragen. Die wegerechtliche Verfügung über die Wegenutzung jenseits des (gesteigerten) Gemeingebrauches – wie für Beleuchtungsanlagen – ist danach im allgemeinen Herrschaftsrecht des Staates aufgegangen und wurde als Wegehoheit Brunckhorst, S. 154 f.; Körting, S. 108. Die Stadt Cöln 1815 – 1915; 2. Bd., S. 584. 110 Vgl. FS Stadtwerke Iserlohn 1956, S. 15: Der Bürgermeister leitete das Gesuch der „Iserlohner-Gas-Gesellschaft“ in der Nachbarstadt Lüdenscheids im Jahr 1856 an die Regierung in Arnsberg weiter, die das Gesuch genehmigte. Welche Qualifizierung die Genehmigung hatte, blieb offen. 108 109

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von der damit betrauten Korporation verwaltet. Gleiches gilt für die Verfügung der Wegebaubehörde hinsichtlich der Unterhaltung der Wege. bb) Nutzungserlaubnis und Vertrag zur Wegenutzung Nachdem die Anknüpfungspunkte für die Nutzung von Ortsstraßen zum Einlegen von Röhren bekannt sind, können die rechtlichen Elemente näher bestimmt werden. Die jenseits des (gesteigerten) Gemeingebrauchs liegende Inanspruchnahme von Ortsstraßen bestimmt sich in Ermangelung von speziellen Rechtssätzen nach dem ALR: § 2 II 15 ALR: Ohne besondere Erlaubnis des Staates darf sich Niemand eine Verfügung über solche Straßen anmaßen. § 8 II 15 ALR: Alle anderen Nutzungen aber, welche von den Straßen gezogen werden können, gehören nach den gemeinen Rechten zu den niederen Regalien.

Das Verlegen von Leitungen in den Straßenkörper ging über den Gemeingebrauch an Straßen und Wegen hinaus111, so daß eine besondere Erlaubnis – die Konzession – der Wegepolizeibehörde einzuholen war. Daneben bestand ein schuldrechtlicher Vertrag mit dem Fiskus, der alle vermögensrechtlichen Beziehungen in sich aufnahm. Für die staatsrechtliche Auffassung im Polizeistaat war es durchaus charakteristisch, daß sie im Rechtsinstitut der Konzession eine Teilung durchführte. Dies hing mit der im Polizeistaat zur Ausbildung gelangten sogenannten Fiskustheorie zusammen. Diese Theorie ging davon aus, das „öffentliche Vermögen“ – zu dem auch die Wegenutzung zu rechnen war – gehöre weder dem Landesherren noch dem Herrscher Staat, sondern einem von ihnen verschiedenen Rechtssubjekt, dem Fiskus, d. h. einer Person, die dem Vermögensrecht untersteht.112 Man sah den Staat damit in zwei Rechtssubjekte aufgegliedert, einerseits den eigentlichen Staat, die „Staatsgesellschaft“ als juristische Person des öffentlichen Rechts, andererseits den Fiskus, die „Erwerbsgesellschaft“ als juristische Person des Privatrechts. Im Lauf des 19. Jahrhunderts verlor infolge des vordringenden Rechts- und Verfassungsstaates der Dualismus zwischen Staat und Fiskus immer mehr an Boden. Wenn deshalb nach dem sich gerade erst entwickelnden verwaltungsrechtlichen Verständnis und rechtsstaatlichen Entwicklungsstand bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Nutzungen an öffentlichen Straßen und Wege durch die Behörde verliehen wurden – auch wenn sie noch nicht als subjektiv öffentliche Rechte ausgestaltet waren –, so blieb es für die Frage der „Ausschließlichkeit“ der besonderen Wegenutzung jenseits des Gemeingebrauches allein bei der fiskalischen Verpflichtung der Korporation, keinem anderen Privaten die gleiche Berechtigung einzuräumen. Da es in Polizeisachen keine Appellation gab, wurde die be111 OVGE 10, 192 (194); Germershausen / Seydel, 3. Aufl., 1. Bd., S. 129. Vgl. auch RG 40, 280 (285); 42, 205 (208). 112 Fleiner, S. 36; Potschter, Wesen und Recht der Konzession (Verleihung) in Deutschland und Sowjetrußland, S. 32.

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sondere Nutzung des Staatsvermögens durch einen „flankierenden“ privatrechtlichen Vertrag als Vermögensposition gesichert. e) Rechtsnatur des „Contractes“ von 1856 Das exklusive Recht des Unternehmers zur Einlegung von Gasröhren in den Straßenkörper der Ortsstraßen gründete sich in erster Linie auf die schuldrechtliche Verpflichtung der Stadt, keine weiteren Vorhaben dieser Art zu gestatten. Damit wurde dem Unternehmer das faktische Monopol der Wegenutzung zur Einlegung von Röhren zugesichert. Im Falle eines Verstoßes gegen diese Zusicherung hätte der Gasgesellschaft der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen gestanden. Eine besondere Verfügung des Magistrates als Wegepolizeibehörde über die Nutzung des Wegekörpers und als Wegebaubehörde sind als formelle Akte innerhalb und außerhalb des Vertrages nicht ersichtlich. Diese Akte müssen jedoch konkludent angenommen werden. Weder öffentlich-rechtliche Verfügungen noch privatrechtliche Vereinbarung sind nach dem Stand der allgemeinen Rechtsentwicklung um 1856 eindeutig als wesentliches Element des „Nutzungsrechtes“ im „Contract“ von 1856 zu qualifizieren. Der „Contract“ von 1856 zwischen dem Unternehmer und der Stadt Lüdenscheid, den der Magistrat als ordentlicher Vertreter der Stadt abschloß, ist deshalb ein Vertrag sui generis.113

5. Die private Gesellschaft der Lüdenscheider Gasfabrik und die Versorgungslage der Stadt Lüdenscheid nach 1856 Der Ingenieur Wilhelm Ritter gründete erst am 9. März 1857, fünf Monate nach der Unterzeichnung des Konzessionsvertrages vom 11. / 15. Oktober 1856, mit vier Iserlohner Bürgern die Gesellschaft der Lüdenscheider Gasfabrik und konnte erst dadurch das für den Bau der Anlage notwendige Kapital aufbringen. Die Gesellschaft konnte dem Magistrat nach kurzer Zeit den Plan der Anlage einreichen, so daß der Bürgermeister Nottebohm unter dem 22. 8. 1857 die Pläne gem. §§ 27 und 29 der Preußischen Gewerbeordnung vom 17. 1. 1845 öffentlich bekannt machte und zur Einsichtnahme der Pläne im Rathaus sowie zur Geltendmachung von Widersprüchen polizeilicher Natur aufforderte.114 Die Regierung zu Arnsberg erteilte dem Bauvorhaben am 28. 9. 1857 ihre Genehmigung115. Der Kreisbaumeister aus Altena konnte nach Überprüfung der Anlagen am 18. 3. 1858 die ordnungsgemäße Ausführung der baulichen und technischen Anlagen bestätigen.116 113 Diese Qualifizierung ist nicht abschließend sondern eine erste Bestandsaufnahme, die sogleich im Licht der Rechtsentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts fortgeführt wird. 114 Lüdenscheider Wochenblatt v. 22. 8. 1857. 115 Eine Konzession im klassischen Sinn lag dabei nicht vor, sondern lediglich eine Bauerlaubnis. 116 Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 11.

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Am 18. März 1858 verhinderte dann ein Vereisen der Gasleitungen den Beweis für den Einzug der Gastechnologie in Lüdenscheid, so daß erst am darauf folgenden Tag die Beleuchtung der Lüdenscheider Ortsstraßen beginnen konnte. Über den erzielten Erfolg der Beleuchtung der Straßen und Gassen mittels 54 Gasflammen fand der Bürgermeister Nottebohm noch lobende Worte117: „Wenn auch diese Beleuchtung etwa 270 Reichstaler mehr kostet als die frühere, so steht doch die Mehrausgabe in keinem Verhältnis zu den Vorteilen, welche die Gasbeleuchtung hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit und Bequemlichkeit bietet.“

Wie in weiten Teilen Deutschlands118 war auch in Lüdenscheid unumstritten, daß die Versorgung mit Gas als Monopol zu konzipieren war. Die Nachteile eines brancheninternen Wettbewerbes in der Bereitstellungsphase des Versorgungsgutes und die Doppelberohrung des Versorgungsgebiets waren als Gefährdung der öffentlichen Aufgabe zu werten. Die Entscheidung der Lüdenscheider Stadtverordneten fiel in die Zeit des wirtschaftlichen Liberalismus, den das Schlagwort des „laissez faire“ im Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft kennzeichnete. Als Leitmotiv für das wirtschaftliche Konzept der ersten Lüdenscheider Gasversorgung galt demnach, daß sich – entsprechend der herrschenden liberalistischen Auffassung – die von staatlichen Eingriffen freie Wirtschaft am besten entwickelte. Der wesentliche Einfluß auf die Entscheidung ist deshalb nicht zuletzt den Hinweisen auf die soziale Herkunft der Stadtverordneten zu entnehmen. Entscheidend für die allgemeine kommunale Entwicklung in Preußen war das Dreiklassenwahlrecht, das seit der Einführung der revidierten Städteordnung in Lüdenscheid die Grundlage für die Schlüsselstellung des Haus und Grund besitzenden Bürgertums legte.119 Das Wahlrecht forderte und förderte das Engagement der „vermögenden Bürger“, die als „Honoratioren“ der Stadt angesehen wurden.120 Die Rolle der Unternehmer- und Kaufmannsfamilien in der kommunalen Selbstverwaltung und ihre Partizipation an der Staatslenkung ist für Lüdenscheid bereits eingehend untersucht worden.121 Nach Vertragsabschluß im Jahr 1856 kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Gaslieferungen, die schließlich in einem Kampf gegen den hohen Zitiert in: Westfälische Rundschau v. 9. 2. 1951. Stuber, S. 14. 119 Dazu Croon, Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Gemeindewahlrechts in den Gemeinden und Kreisen des Rheinlandes und Westfalen im 19. Jahrhundert, S. 22 ff. 120 Matzerath, Urbanisierung in Preußen 1815 – 1914, S. 179; Krabbe, Kommunalpolitik und Industrialisierung, S. 16; Croon, Bürgertum und Verwaltung in den Städten des Ruhrgebiets im 19. Jahrhundert, in: Tradition, Bd. 9 (1964), S. 23 ff. 121 Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 128 ff.; Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 90 ff.; ders., Lüdenscheid und die Gründung des Deutschen Reiches von 1871, in: Der Reidemeister, Nr. 20 v. 14. 11. 1961, S. 1 (5); Rahmede, Verdienstvolle Lüdenscheider, in: Buch der Bergstadt Lüdenscheid, S. 207; Stremmel, „Treue preußische Herzen“? – Wirtschaftsbürgertum in Lüdenscheid und Umgebung 1830 – 1870, S. 47 ff., in: Trox, Preußen und Wir. Vgl. auch Trox, Und auf den Bergen wohnt die Freiheit, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 22. 3. 1996. 117 118

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Gaspreis, die schlechte Qualität des Gases und die Unternehmenspolitik der Gesellschaft überhaupt ausartete. Höhepunkt der Streitigkeiten war die Bildung einer Boykottgesellschaft einiger Hauptgasabnehmer im Jahr 1868122. In den Fabriken setzte sich zwar nach und nach die Beleuchtung mit Gas durch; das aus Amerika eingeführte Petroleum war jedoch immer noch eine kostengünstigere Alternative. Die Handelskammer zu Lüdenscheid kritisierte 1868 / 69 stellvertretend für die industriellen Nutzer die Höhe des Gaspreises123: „Dies kann aber die Gemeindebehörde wenig entschuldigen, welche die Gasbeleuchtung fremden Spekulanten auf 50 Jahre als Monopol überantwortet und den Bürgern keine andere Wahl gelassen hat, als das reichlichere angenehmere Gaslicht zu unverantwortlich hohen Preisen zu erkaufen oder zu verzichten. Anstatt die Konsumenten zur Steigerung ihres Bedarfes durch Preisangemessenheit zu animieren, reiten die Monopolinhaber auf ihrem Schein, bleiben selber in kranker schwindsüchtiger Geschäftslage und ärgern die Bürgerschaft, daß es schließlich nur darauf ankommt, ob die Ausbeutungssucht der Monopolisten stärker ist als der eigene Vorteil und ob die Konsumenten ehrenfest genug zusammenhalten, mit dem Petroleumlicht das Gasmonopol dennoch zu brechen.“

Während die Interessen der Gasverbraucher vornehmlich auf eine Senkung der Tarife gerichtet waren, kam es der Gasgesellschaft auf eine Behauptung ihrer Marktposition an. Bereits um 1870 suchte sie um eine Vertragsverlängerung für den im Jahr 1886 auslaufenden „Contract“ nach. Die zeitweilige Unterbrechung der Gasversorgung in den Kriegsjahren 1870 – 1871 sowie die zu errichtende Gasbeleuchtung in der neuen Zufahrtsstraße zum Bahnhof, der 1880 eröffnet wurde, führten zu neuen Auseinandersetzungen mit der Stadt. 1885 machte die Gasgesellschaft erneut ein Angebot zur Verlängerung des Vertrages.

II. Der „Neue Gasvertrag“ von 1887124 Als zweiter Vertrag über die Versorgung der Stadt Lüdenscheid mit Gas ist die Vereinbarung vom 29. 8. 1887125 zu untersuchen. Der Magistrat der Stadt Lüdenscheid war zunächst fest entschlossen, das Gaswerk zu übernehmen. Er lehnte eine von der Gesellschaft gewünschte Verlängerung des „Contractes“ von 1856 im Februar 1886 ab, verlangte ein Bilanzgutachten und den Betriebsbericht für das Jahr 1884 – 1885. Der langjährige Streit um die Gasversorgung hatte die Gasgesellschaft bewogen, die Investitionen in das Leitungsnetz gering zu halten. Das Rohrnetz war demzufolge erneuerungsbedürftig und der Buchwert der Anlage belief 122 Die Art und Weise der Interessenvertretung entsprach in Organisation und Handlungsweise durchaus der Bürgerinitiative moderner Prägung, die „ad hoc“ Probleme aufgreift und kurzfristige gemeinsame Ziele zu verwirklichen sucht. 123 WWA Dortmund 23 – 3103, Nachlaß Winkhaus, S. 1834. 124 Der Titel geht auf eine Abschrift des Vertrages zurück und ist im Original nicht vermerkt. 125 STA Lüd. A 1886.

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sich noch auf 180.000 Reichsmark. Die Funktionsfähigkeit der Anlage hätte einer weiteren Investition von wenigstens 110.000 Reichsmark bedurft. Den Stadtverordneten erschien diese Gesamtsumme zu hoch, zumal die Aussicht auf eine kostenlose Übernahme der Anlage nach weiteren 30 Jahren aus kaufmännischen Erwägungen interessant erschien. Zur Zeit der Vertragsverhandlungen im Jahr 1887 hatte die Stadt Lüdenscheid den stärksten Bevölkerungszuwachs seit Mitte des Jahrhunderts zu verzeichnen.126 Inzwischen lebten über 18.000 Bürger in der Stadt und es entstanden neue Stadtteile jenseits der alten Ringmauer, die an das Versorgungsgnetz angeschlossen werden mußten. Bereits im Jahr 1880 war es bei der Beleuchtung des damals noch außerhalb gelegenen Bahnhofs zum Streit mit der Gasgesellschaft gekommen, so daß nunmehr der Erschließung der in Bahnhofsnähe neu entstehenden Stadtteile große Aufmerksamkeit geschenkt wurde.127 Fester Vertragsbestandteil sollte daher eine von der Stadt ausgearbeitete Projektierung des Rohrnetzes im Stadtgebiet werden, die als Anlage dem Vertrag beizufügen war. Nach langen Verhandlungen konnte darüber eine Einigung erzielt werden. Die Stadt Lüdenscheid verzichtete nach diesem Verhandlungserfolg auf eine Verlängerung des alten Vertrages von 1856 und schloß vielmehr auf Grund der ausgehandelten Positionen einen neuen Gasvertrag ab.128 Dadurch war gewährleistet, daß die alten Regelungen vollständig abgelöst wurden und eine neue Geschäftsgrundlage bestand. Der Vertrag kam unter Bürgermeister Selbach zum Abschluß, der seit 1874 die Geschicke der Stadt leitete.

1. Die Vertragsklauseln Im Vergleich zum „Contract“ von 1856 ergeben sich zunächst kaum konzeptionelle Unterschiede. Die Leistungs- und Gegenleistungsklauseln waren in den §§ 10, 11, 13, 22, und 23 enthalten. Einzelne Klauseln wichen jedoch von den alten Regelungen ab, da die schlechten Erfahrungen der vergangenen drei Jahrzehnte im Vertrag berücksichtigt werden sollten. § 1 legte deshalb die planmäßige Erweiterung des Gasrohrnetzes fest. Dazu traten unterstützend die Regelungen der §§ 3, 4, 9, 14 und 17 in Bezug auf die Größe der Gasanstalt, der Gebäude, ihrer Einrichtungen und deren Erhaltung. § 6 regelte die Zulässigkeit von Arbeiten auf Privat- oder öffentlichem Eigentum: § 6: Zum Behuf der Ausführung der Arbeiten sowie der Reparaturen räumt der Magistrat dem Unternehmer in Bezug auf das Privat- oder öffentliche Eigentum dieselben Rechte ein, welche der Kommune denselben gegenüber selbst zustehen, dergestalt, daß in streitigen Fällen die ganze Sache ganz ebenso beurteilt werden soll, als ob die Ausführung Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 15. In § 1 des Neuen Gasvertrages vom 29. 8. 1887 wurde dieser Teil deshalb ausdrücklich als zu versorgendes Gebiet bezeichnet. 128 Vgl. auch §§ 27 ff. des Contractes von 1856. 126 127

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unmittelbar auf städtische Kosten und durch städtische Beamte erfolge. Entschädigungen an Privateigentum, den Staat oder die Stadt hat der Unternehmer nur dann zu leisten, wenn die Stadt selbst hierzu verpflichtet wäre.129

Erstmals wurden auch die sogenannten „Nebenprodukte“130 der Gasanstalt einer besonderen vertraglichen Abrede unterworfen: § 21: Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß die bei der Gasbereitung vorkommenden Nebenprodukte und Abfälle der Nachbarschaft der Fabrik durch Rauch, unangenehmen Geruch, Verderben des Bach- oder Brunnenwassers, weder schaden noch dieselben belästigen, er muß denselben vielmehr solche Aufbewahrungsorte geben, die alle Klagen verhüten und den polizeilichen Vorschriften genügen.

In § 19 wurden die Gebühren der Privatgasbeleuchtung einer Preisbindung unterworfen. Von den Befristungsklauseln stellte insbesondere § 24 den (unentgeltlichen) Heimfall der Anlage zum 1. 4. 1916 in das Eigentum der Stadt sicher. Die für den Steuerungsmechanismus relevante Monopolklausel erfuhr nur eine geringfügige Veränderung hinsichtlich der Geltungszeit des Vertrages und blieb sonst in ihrer ursprünglichen Fassung von 1856 erhalten: § 2: Der Magistrat erteilt dem Unternehmer hiermit die Zusicherung, daß innerhalb der im vorigen Paragraphen von der Vollziehung resp. dem Beginn des Kontraktes gerechnet, die städtische Behörde weder auf Kosten der Stadt Röhren zur Fortleitung von Gas innerhalb der Straßen und Plätze der Stadt anlegen, noch einem Dritten dies gestatten werde, weder zum Behuf der Straßenbeleuchtung noch um Privaten Gas zuzuführen.

Die zwischen der Stadt Lüdenscheid und der Gasgesellschaft vereinbarten Regelungen zur Versorgung der Stadt mit Gas enthalten auf den ersten Blick Klauseln eines privatrechtlichen Vertrages. Es ist jedoch bereits durch die Qualifizierung der Rechtsverhältnisse im „Contract“ von 1856 bekannt, daß die Zusicherung der Stadt hinsichtlich der Fortleitung von Gas in den Straßen und Plätzen sich darauf nicht beschränkte.

2. Der Konzessionsvertrag in Rechtsprechung und Literatur gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Der „Neue Gasvertrag“ aus dem Jahr 1887 war formell ein Neuabschluß eines Vertrages, so daß auf Grund der Fortschritte in der Gesetzgebung, der neuen Rechtsprechung und der weiter entwickelten Rechtslehre die im Rahmen des Vertrages abgegebenen Willenserklärungen bzw. Verfügungen in einem zweiten Schritt neu zu untersuchen und einzuordnen sind. Das moderne Staatsrecht ging gegen Ende des 19. Jahrhunderts davon aus, daß der Fiskus kein vom Staate verschiedenes 129 Eine geradezu moderne Regelung, die vor dem Hintergrund der Rechtsfigur des beliehenen Unternehmers, dem Enteignungsrecht und der Herausbildung des Rechts der öffentlichen Sachen noch zu würdigen sein wird. 130 Abfälle bzw. Emissionen nach heutigem Verständnis.

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Rechtssubjekt ist, sondern „einfach der Staat selbst, von der Seite betrachtet, daß er selbst Subjekt des Staatsvermögens ist.“131 Für den Beginn des 20. Jahrhunderts ist infolge dieser neueren Fiskustheorie mit Etablierung des Instituts der öffentlichen Sachen und der stetigen Herausbildung der Institute des Verwaltungsrechts eine weitere Präzisierung der „Konzession“ und des „Konzessionsvertrages“ möglich. Der Konzessionsbegriff hat in vielfältiger Weise Eingang in die verwaltungsrechtliche Terminologie gefunden, ohne daß sich jedoch in Wissenschaft, Justiz und Verwaltung ein einheitlicher Sprachgebrauch durchgesetzt hat. Bei der Anwendung des Begriffes, so verschieden der Konzessionsgegenstand auch gewesen sein mag, handelte es sich jedoch stets um Genehmigungen, Erlaubniserteilungen oder Ermächtigungen, die von obrigkeitlicher Stelle ausgingen.132 Die wohl bekannteste Verwendung des Begriffes geht auf die preußische Gewerbeordnung vom 17. 1. 1845133 zurück. Eine schärfere Trennung der dem Konzessionsbegriff zugeschriebenen Tatbestände erfolgte erst nach der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 1875 und mit der Herausbildung des Verwaltungsrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Vertragstext des „Neuen Gasvertrages“ von 1887 erscheint der Begriff der Konzession – im Gegensatz zu dem noch zu besprechenden Vertrag über die Wasserversorgung von 1883134 – nicht. Auch in Lüdenscheid war der Begriff der Konzession zunächst nur im Zusammenhang mit polizeilichen Erlaubniserteilungen – wie etwa der Gaststättenkonzession oder der Dampfkesselkonzession – bekannt. An den wegerechtlichen Grundlagen hatte sich bis 1887 nichts geändert. Die Inanspruchnahme der Lüdenscheider Ortsstraßen zur Verlegung von Röhren und Leitungen – im folgenden soll von Sondernutzung gesprochen werden – ist ausgehend von 1887 für die gesamte Laufzeit des Vertrages mit seinen Folgewirkungen bis in das 20. Jahrhundert hinein zu untersuchen. Für den „Neuen Gasvertrag“ von 1887 sind daher – im Anschluß an die bereits zum „Contract“ von 1856 getroffenen Feststellungen der wegerechtlichen Grundlagen135 – folgende Verfügungen und Vereinbarungen zu prüfen: – die Genehmigung des Magistrats als Wegepolizeibehörde zur Sondernutzung der Ortsstraßen – die Zustimmung der Stadt als wegebaupflichtige Korporation zur Sondernutzung der Ortsstraßen und – die vertraglichen Abreden zwischen der Stadt als Wegeeigentümerin und dem Unternehmer. Potschter, S. 33. Pasquay, Konzessionen, in: HKW, Bd. 3, S. 121; Nelken, Gewerbe, in: v. Stengel / Fleischmann, S. 239. 133 PreußGS. S. 41. 134 Siehe unten Teil I B. IV. 135 Vgl. oben Teil I A. I. 4. a) u. e). 131 132

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Festzustellen ist einerseits, welche Rechtsnatur der „Neue Gasvertrag“ von 1887 hat und welcher der vorgenannten drei Akte andererseits als eigentliches Steuerungsmittel des „Neuen Gasvertrages“ anzusehen ist.

a) Rechtsprechung Der Konzessionsvertrag hat die preußischrechtliche Jurisprudenz weniger in Hinsicht auf die leitungsgebundenen Versorgungsgüter als vielmehr in Hinsicht auf Straßenbahnen und Kleinbahnen beschäftigt. Der Grund dafür mag in den erfolgreichen Vergleichsverhandlungen, Schiedsklauseln und langen Laufzeiten der Konzessionsverträge über leitungsgebundene Versorgungsgüter gelegen haben, auf die für den vorliegenden Vertrag noch näher einzugehen ist. Das preußische Kleinbahngesetz vom 28. 7. 1892136 enthielt Verbindungen zum Wegerecht mit besonderen Bestimmungen für Schienenwegesysteme. Der für das Straßen- und Wegerecht beachtliche Unterschied liegt zunächst darin, daß Röhren bzw. Leitungen vollständig im Straßenkörper liegen und im Gegensatz zu den Bahnschienen auf der Straßenoberfläche in der Regel keine Einschränkung des Verkehrs auf den öffentlichen Straßen- und Wegflächen bedeuten. Von daher ergaben sich nicht nur weniger Konflikte mit dem öffentlichen Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, sondern auch konstruktive Unterschiede beim Erwerb des Konzessionsrechtes. Der Unternehmer hatte für die Benutzung von öffentlichen Wegen mit Kleinbahnen die Zustimmung des zur Unterhaltung des Weges Verpflichteten beizubringen. Zustimmungen dieser Art wurden zwischen dem Wegebaupflichtigen – in der Regel einer Kommune – und dem Unternehmer vertraglich vereinbart, wobei gleichzeitig alle vermögensrechtlichen Beziehungen der Parteien in den Vertrag aufgenommen wurden.137 Bei der eisenbahnrechtlichen Konzession handelte es sich jedoch um die Verleihung eines dem Staat vorbehaltenen Rechtes, auch soweit die Straßenbenutzung betroffen war. Die zu dieser Problematik und zu den vor dem Inkrafttreten des Kleinbahngesetzes abgeschlossenen Straßennutzungsverträgen entstandene Judikatur ermöglicht eine Annäherung an die Materie der Konzessionsverträge über leitungsgebundene Versorgungsgüter.

PreußGS. S. 225. Stoerk, Die rechtliche Natur und Funktion des Zustimmungsvertrages, in: Eger (Hrsg.), Eisenbahnrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen, Bd. XXIII (1907), S. 208 f. Hinsichtlich der Enteignung und der (umstrittenen) ergänzbaren Zustimmungsvereinbarung des Eigentümers vgl. Eger, Kommentar zum Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. 07. 1892, zu § 6 S. 113 und zu § 7 S. 135. 136 137

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aa) Aus der Rechtsprechung der Zivilgerichte Das Reichsgericht hat die Verträge zur Wegenutzung zwischen der Kommune als Wegeeigentümerin bzw. wegeunterhaltungspflichtigen Korporation und dem Unternehmer schon immer als privatrechtliche Verträge behandelt und dementsprechend für stempelpflichtig erklärt.138 Zu einer Entscheidung war das Reichsgericht 1915 angerufen worden, weil die Anwendbarbeit des Stempelgesetzes vom 7. 3. 1822 i. V. m. § 1 a des Gesetzes zur Abänderung der Gesetzgebung über die Stempelsteuer vom 19. 5. 1889139 in Frage stand. Das Reichsgericht hielt bei der Straßennutzung einen Mietvertrag im Sinne der §§ 229, 258 I 21 ALR bzw. nach § 535 BGB für gegeben, da der privatrechtliche Charakter des Eigentums zur Geltung kam, insoweit er nicht durch das im Vordergrund stehende Recht des Gemeingebrauchs zurückgedrängt wird. Das Eigentum werde namentlich wirksam als die städtischen Straßen ohne weiteres oder nach Herstellung gewisser Einrichtungen wirtschaftlichen Nutzen neben dem vom Gemeingebrauch beanspruchten und ihm unterliegenden Vorteilen gewährt. Nutzungen dieser Art sind nach Auffassung des Reichsgerichtes nicht von dem öffentlichen Charakter der Straße, sondern von dem an ihr bestehenden Privateigentum abzuleiten. 140 In seinem Urteil vom 12. 5. 1908 hatte das Reichsgericht diese Verträge dann trotz Stempelpflicht ihrem Wesen nach noch als öffentlich-rechtlich angesehen.141 Die Entscheidung befaßte sich jedoch mit der aus der staatlichen Genehmigung eines Bahnunternehmens geschaffenen Rechtslage im Ganzen, ohne die Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts142 zum mietvertraglichen Charakter der Überlassung öffentlicher Straßen zum Eisenbahnbetriebe aufzugeben. Für die Zustimmungsvereinbarung nach § 6 des preußischen Kleinbahngesetzes vom 28. 7. 1892 nahm das Reichsgericht 1918 an, daß es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handle.143 Der Wegeunterhaltungspflichtige erteile dem Bahnunternehmer seine Zustimmung zur Benutzung eines Weges in seiner der Öffentlichkeit dienenden Bestimmung. Die Zustimmungsvereinbarung enthalte so eine Willenserklärung „unzweifelhaft“ öffentlich-rechtlicher Art und diese drücke dem Vertrag in seiner Gesamtheit, vorbehaltlich der abweichenden rechtlichen Kennzeichnung von Einzelbestimmungen den Stempel der Wesensart auf. In dem zu Grunde liegenden Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit einer im Zustimmungsvertrag zur Wegenutzung in einer Stadt für eine Straßenbahn getroffenen Vereinbarung über die Beförderungspreise. Dabei war die Eröffnung des Rechtsweges nach § 13 Gerichts138 RGZ 10, 271 (272); 40, 280 (284); 88, 14 (16) m. w. N.; RG Urteil v. 7. 7. 1884, in: JMinBl. S. 209. 139 PreußGS. S. 57. 140 RGZ 88, 14 (16). 141 RGZ 68, 370 (373). 142 Vgl. RG Urteil v. 7. 7. 1884, in: JMinBl. S. 209; RGZ 40, 280 (282); 55, 297 (299). 143 RGZ 92, 310 (311).

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verfassungsgesetz vom 1. 10. 1879144 Anlaß zur Prüfung der Rechtsnatur des Zustimmungsvertrages. Das Reichsgericht hielt die Tarifvereinbarung zwar für einen Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Erklärung der Stadt als Wegeunterhaltungspflichtige, die diese aber im öffentlichen Verkehrsinteresse gemacht habe. Dennoch war der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Zur Begründung verwies das Reichsgericht darauf, daß in Ermangelung positiver gesetzlicher Bestimmungen zum Begriff des bürgerlichen Rechtsstreites im Sinne des § 13 Gerichtsverfassungsgesetz die Reichs- und Landesgesetze heranzuziehen und die bei Erlaß des Gerichtsverfassungsgesetzes herrschende Rechtsanschauung zu beachten sei. Die Auslegung ergebe, daß 1879 der streitige Anspruch noch als privatrechtlich begründet angesehen worden sei. Wenn die Rechtsauffassung über die Scheidung von öffentlichem und Privatrecht sich im Laufe der Jahrzehnte geändert habe, könne dies unmöglich dazu führen, daß früher privat angesehene Rechtsverhältnisse nunmehr dem ordentlichen Rechtsweg entzogen seien.145 Hervorzuheben ist noch eine Entscheidung des Kgl. Oberlandesgerichtes Hamm insoweit, als sie über Konzessionsverträge hinsichtlich leitungsgebundener Versorgungsgüter und nicht zum Kleinbahngesetz ergangen ist und einen regionalen Bezug zu Lüdenscheid hat. Das Kgl. Oberlandesgericht Hamm146 hatte 1898 über die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Dortmund zu entscheiden, mit der das ausschließliche Recht eines Unternehmers zur Beleuchtung der Straßen und Plätze der Stadt Dortmund mit Gas sowie zur Privatbeleuchtung durch die beklagte Kommune angegriffen wurde.147 In der Sache ging es um die Auslegung des „Stadtbeleuchtungsvertrages“, den die Stadt Dortmund 1857 mit dem klagenden Unternehmer – einer Aktiengesellschaft, an der sie selbst beteiligt war – geschlossen hatte. Das Landgericht hatte bereits darauf erkannt, daß wenn bei Vertragsabschluß die Erfindung der Elektrizität nicht mit einbezogen worden war, sich das Leitungsmonopolrecht des Unternehmers auf die Beleuchtung insgesamt erstreckte. Auf die Berufung des Unternehmers wurde das erstinstanzliche Urteil abgeändert, da auch auf eine Berechtigung des Unternehmers zur Benutzung der genehmigten Röhren für Gas zu Kraft- und Heizzwecken durch das Berufungsgericht erkannt wurde. Die Berufung der beklagten Kommune wurde hingegen zurückgewiesen. Berufungsgericht und Vorderrichter würdigten nicht die Konstruktion des Konzessionsvertrages, sondern legten den „Stadtbeleuchtungsvertrag“ aus dem Jahr 1857 als privatrechtliche Vereinbarung hinsichtlich des wirklichen Parteiwillens aus. Dazu stellte der Vorderrichter bereits fest, daß nach dem Vertrag die Stadtgemeinde RGBl. S. 41. RGZ 92, 310 (314). 146 Im Gerichtsbezirk des (Kgl.) Oberlandesgerichtes Hamm lag und liegt die Stadt Lüdenscheid. 147 Kgl. OLG Hamm vom 6. 6. 1898 in der Sache Dortmunder-Actien-Gesellschaft für Gasbeleuchtung . / . Stadt Dortmund zum Stadtbeleuchtungsvertrag vom 23. 12. 1857 und Kgl. LG Dortmund vom 19. 07. 1897, Abdruck beider Urteile in STA Lüd. A 1878. Vgl. auch FS. Dortmunder Stadtwerke AG (Hrsg.), 125 Jahre Dortmunder Stadtwerke AG, S. 38. 144 145

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die ihr Eigentum an öffentlichen Plätzen und Straßen beschränkende Verpflichtung übernommen habe, das Durchleiten von Gasströmen zu Beleuchtungszwecken durch das durch Straßen und Plätze gelegte Röhrennetz zu gestatten. Diese Verpflichtung war privatrechtlicher Art. Andere Judikate gehen zum Teil ebenfalls nur bei der Frage der Eröffnung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten auf die Natur des jeweiligen Konzessionsvertrages und seine Bestimmungen ein. Im übrigen werden zumeist einzelne Klauseln in allgemein schuldrechtlicher Hinsicht überprüft. Mit Ausnahme der beiden vorstehend genannten Urteile des Reichsgerichtes sind die Konzessionsverträge inhaltlich als Mietverträge – jedenfalls aber als ein Vertrag über eine Sondernutzung, die auf einem aus dem Privateigentum der Gemeinde ableitbaren Recht stammt – angesehen worden.148

bb) Aus der Rechtsprechung des Königl. Preußischen Oberverwaltungsgerichtes Das Preußische Oberverwaltungsgericht verzeichnet nach seiner Errichtung im Jahr 1875 eine umfangreiche Spruchpraxis zur Nutzung öffentlicher Straßen und Wege. Bei der Nutzung einer Ortsstraße zu besonderen Zwecken, die über den „. . .gemeinen, jedem Gliede des Publikums gleichermaßen zustehenden, Gebrauch(s) zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen. . .“149

hinausgingen, handelte es sich um ein subjektiv-öffentliches Recht. Der Vorbehalt des Staates für die Nutzung öffentlicher Straßen gem. §§ 2,3 II 15 ALR wurde nach Ansicht des Gerichtes nicht durch etwa bestehende private Vermögensrechte berührt. Jedes private Recht an einer öffentlichen Straße fand seine Grenze stets in dem unbedingt überwiegenden durch die Polizeigewalt zu bestimmenden Gebrauche des öffentlichen Weges zu Zwecken des öffentlichen Verkehrs.150 Das Preußische Obertribunal entschied bereits früher, daß die Eigenschaft eines öffentlichen Weges nicht die Möglichkeit ausschließe, durch ausdrückliche oder stillschweigende Gestattung der Gemeinde oder der zuständigen Behörde Besitz an einer Anlage des Weges zu erwerben.151 Unter Abänderung der Vorentscheidung des Bezirksausschusses Potsdam entschied das Preußische Oberverwaltungsgericht 1896, daß ohne Rücksicht auf die vertragliche Vereinbarung zwischen Kommune und Unternehmer für die Konzessionserteilung durch die Polizeibehörde nur polizeiliche Rücksichten der Gefahrenabwehr nach § 10 II 17 ALR entscheidend waren – und zwar auch dann, wenn 148 Das Reichsgericht ist dieser Linie im Wesentlichen treu geblieben, worauf auch BGHZ 15, 114 (116) verweist. 149 Pr. OVG 10, 192 (194). 150 Pr. OVG 10, 198, (200). 151 Pr. Obertribunal Striethorst Archiv 81, 331 (331).

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die Polizeibehörde sich die vertraglichen Bestandteile für ihre Genehmigung zu eigen gemacht habe.152 Die Entscheidung befaßte sich mit der Benutzung öffentlicher Straßen für das Einlegen von Wasserleitungsröhren durch einen Privatunternehmer und der Aufstellung einer ausreichenden Zahl von Hydranten. Das Gericht sah ein selbständiges Entschließungsrecht der Polizeibehörde nach allen polizeilichen Rücksichten gegeben, die für die öffentliche Straße als Verkehrsanstalt zu treffen waren. Durch das Einlegen der Röhren wurde die Substanz der Straße dauerhaft verändert, so daß eine polizeiliche Genehmigung erforderlich war. Auf das dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Rechtsverhältnis wurde nur im Tatbestand kursorisch eingegangen. Das Gericht teilte mit, daß die Versorgung der Stadt mit dem für die privaten Haushaltungen und für öffentliche Zwecke erforderlichen Wasser einer Aktiengesellschaft auf Grund von Verträgen überlassen war, wozu die Straßen benutzt werden dürfen. Darüber hinaus hielt das Preußische Oberverwaltungsgericht schon in seinem Urteil vom 31. 5. 1906153 für zweifelhaft, ob mit der Zustimmungsvereinbarung zur Wegenutzung nicht ein rein öffentliches Geschäft vorliege.

cc) Zwischenergebnis Die preußischrechtliche Jurisprudenz stellte zwei Konstruktionen zur Verfügung. Die eine rechnete damit, daß neben der öffentlich-rechtlichen Konzession durch die Behörde noch ein privatrechtlicher Vertrag zwischen Kommune und Unternehmer vorhanden sei. Dieser „Zustimmungsvertrag“ konnte damit als rein privatrechtlich und auch als öffentlich-rechtliche Bedingung der Konzession aufgefaßt werden. Für die andere Konstruktion war die (Straßenbahn) Konzession ein Verwaltungsakt, dem regelmäßig eine gleichfalls rein öffentlich-rechtliche Zustimmungsvereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Wegeunterhaltungspflichtigen inkorporiert war. Der „Zustimmungsvertrag“ war insofern öffentlichrechtlicher Natur. Das Reichsgericht hat hingegen die Zustimmungsvereinbarung zwischen Kommune und Unternehmer im Sinn der ersten Alternative als privatrechtliche Vereinbarung angesehen und im übrigen die Verfügungen der Wegepolizei und Wegebaubehörde zur Wegenutzung nicht weiter behandelt.

b) Erkenntnisse aus Schiedsverfahren Viele Konzessionsverträge kamen unter Einschluß einer Schiedsgerichtsklausel gem. §§ 1025 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zustande. Als Grund für die Aufnahme einer solchen Klausel wird das Interesse beider Parteien an einer der geübten Pr. OVG 29, 442 (444). Pr. OVG zitiert in: Eisenbahnrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen, Bd. 25 (1907), S. 177 (178). 152 153

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Vertragspraxis nahen und ökonomischen Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Die technisch komplexe und jedenfalls zur Mitte des 19. Jahrhunderts neuartige Materie wurde dadurch bei der Lösung vertraglicher Einzelprobleme der gerichtlichen Entscheidung weitestgehend entzogen. Nach § 1040 ZPO hatte der Schiedsspruch zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Der Vorteil einer solchen Schiedsabrede lag dabei weniger auf Seiten der Kommunen als vielmehr bei den großen Versorgungsgesellschaften wie der AG für Gas und Elektrizität zu Köln, die eine Präzedenzwirkung gerichtlicher Entscheidungen nach Möglichkeit vermeiden wollten. Der Vergleich von Konzessionsverträgen großer Versorgungsgesellschaften zeigt fast immer ein einheitliches vertragliches Grundmuster mit feststehenden Klauseln, die von individuell ausgehandelten Abreden ergänzt werden. Zu den wiederkehrenden Klauseln zählte auch die Monopolklausel, die mit nuancierten Abweichungen in der Formulierung den Versorgungsgesellschaften die exklusive Lieferung des Versorgungsgutes gestattete. Diese Monopolklauseln wurden meist dann Gegenstand von Schiedsgerichtsverfahren, wenn die Kommune eine weitere Versorgungsquelle in Betracht zog. Bei der Gasversorgung zeigte sich eine Beeinträchtigung der exklusiven Wegenutzung der Versorgungsgesellschaften hinsichtlich ihrer Leitungsnetze durch die eigene Versorgungstätigkeit der Kommunen, in der Zulassung Dritter zur Gasversorgung durch die Kommune oder in der Einführung und Verteilung der Elektrizität neben der Gasversorgung. Eine Häufung der diesbezüglichen Schiedsgerichtsverfahren ist zur Jahrhundertwende zu beobachten. Die vordringende Elektrizitätstechnologie bewirkte so bereits Ende der achtziger Jahres des 19. Jahrhunderts eine Ausrichtung auf die Versorgungsnetze des 20. Jahrhunderts. Die für die vorliegende Untersuchung erreichbaren Schiedsgerichtsurteile sind nur zum Teil gegen die im vorliegenden Vertrag handelnde AG für Gas und Elektrizität zu Köln oder ihre Rechtsvorgänger ergangen. Einigen Schiedsgerichturteilen ist jedoch die Auslegung der Monopolklausel gemeinsam, wie sie für die Stadt Lüdenscheid in der Auseinandersetzung mit der AG für Gas und Elektrizität zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle gespielt hat.154 Kern der Auseinandersetzungen war die jeweilige Wirkung der exklusiven Zusicherung der Verlegung von Gasröhren zu Beleuchtungszwecken in den Wegekörper. In den Schiedsgerichtsverfahren kristallisierten sich dafür drei unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Auslegung der Konzessionsverträge heraus. Nicht der Wortlaut sollte dabei in Anlehnung an Art. 278 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches vom 5. 6. 1869155 den Ausschlag geben, sondern der wirkliche Wille der Parteien war zu erforschen; eine Regelung die später auch in § 133 des BGB Aufnahme fand und durch § 157 BGB für die Vertragsauslegung ergänzt wurde.156 154 STA Lüd. A 1882, Briefwechsel der AG für Gas und Elektrizität Köln mit dem Lüdenscheider Magistrat im Jahr 1907, der zahlreiche Verweise auf Schiedsgerichtsurteile enthielt. 155 BGBl. Norddeutscher Bund S. 404. 156 Schiedsgerichtsspruch in der Sache AG für Gas und Elektrizität Köln . / . Stadtgemeinde Eschweiler / Rheinland vom 16. Juli 1906 zur Auslegung des Gasvertrages vom 31. 12. 1884

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Nach weitester Auslegung wurde bei einem Vertragsschluß über die Gaslieferung bis ca. 1885 davon ausgegangen, daß die Parteien bei der Zusicherung der exklusiven Gasröhrenverlegung einen Ausschluß jeglicher Konkurrenz gewollt haben, da die Elektrizität im allgemeinen und ihre Anwendungsmöglichkeiten unbekannt waren. Auch wurde die Überlassung der gesamten Gasversorgung darauf zurückgeführt, daß die Parteien in Kenntnis der geringen Vergütung für die öffentliche Beleuchtung die private Versorgung als Äquivalent betrachteten. 157 Nach engster Auslegung war bei der Zusicherung der exklusiven Gasröhrenverlegung nach dem Zweck der Nutzung des Gases zu differenzieren.158 Die öffentliche Gasbeleuchtung wurde dabei regelmäßig von der Zusicherung erfaßt, denn auf diese Versorgung hatte die Kommune direkten Einfluß. Die private Gas- und Strombeleuchtung der Haushalte und der Bezug zu Kraftzwecken wurde nach der Nutzbarmachung der Elektrizität von einer Zusicherung nicht mehr erfaßt. Ein solches Schiedsgerichtsverfahren drohte auch der Stadt Lüdenscheid als die Gasgesellschaft auf die kommunale Initiative bei der Einführung der Elektrizität in Lüdenscheid159 am 14. 8. 1907 reagierte. Der Generaldirektor Ritter reklamierte in einem Brief an den Lüdenscheider Magistrat die Exklusivität des Leitungsrechtes für seine Gesellschaft160: „Nach § 2 des Vertrages vom 23. / 26. 8. 1887 ist uns zwar ausdrücklich nur das ausschließliche Recht verliehen, die Straßen und Plätze von Lüdenscheid zum Zweck der Fortleitung von Gas zu benützen. Nach den übereinstimmenden Entscheidungen der verschiedensten Gerichte soll durch diese Bestimmung aber auch jede andere Konkurrenz durch Einführung irgend einer centralen Beleuchtung seitens der Stadt selbst oder seitens Dritter ausgeschlossen sein. Die Stadt Lüdenscheid ist daher während der Dauer des Vertrages nicht befugt, die städtischen Straßen und Plätze zum Zwecke der Fortleitung elektrischer Energie zu benutzen oder sie einem Dritten zu diesem Zwecke zur Verfügung zu stellen. Wir erheben deshalb gegen die Errichtung eines städtischen Elektricitätswerkes Einspruch und werden, falls die Stadt unser Recht nicht anerkennt, worüber wir um gefällige Mitteilung bitten, die Frage einem gemäß § 27 des Vertrages zu berufenden Schiedsgericht zur Entscheidung unterbreiten.“

Die Gasgesellschaft bezog sich auf eine umfangreiche Judikatur161 zum Problem der Exklusivität der Gasbeleuchtung sowie auf Schiedsgerichtserkenntnisse162 und in STA Lüd. A 1882; Der Konzessionsvertrag wurde als Handelsgeschäft gem. Art. 272, 274, 277 des Handelsgesetzbuches von 1861 angesehen. 157 Ebenda. 158 Schiedsgerichtsspruch in der Sache der Stadtgmeinde Beuthen . / . Schlesische Gasaktiengesellschaft zu Breslau vom 20. / 22. 2. 1896 zur Feststellung eines Vertragsverhältnisses bez. des Vertrages über die Beleuchtung mit Gas vom 6. 6. 1861 in STA Lüd. A 1882. 159 Vgl. unten Teil II B. III. 160 STA Lüd. A 1882, Brief des Generaldirektors Ritter vom 14. 8. 1907. 161 Vgl. oben Fn. 145 u. 147. 162 Die Schiedsgerichtsentscheidungen bezogen sich jedoch größtenteils weder auf die AG für Gas und Elektrizität Köln noch auf westdeutsche Versorgungsgebiete unter Einfluß des preußischen Wegerechts. Vom weiteren Nachweis wird deshalb abgesehen.

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Privatgutachten163 zur Untermauerung ihrer Rechtsposition. Im Kern der Auseinandersetzung ging es um die Frage, ob das Recht zur Verlegung von Gasröhren für die Beleuchtung jede nachfolgende technisch neue Beleuchtungsart ausschloß. Zur Begründung wurde auch das – hier bereits zitierte – Urteil des Kgl. OLG Hamm von der Gesellschaft herangezogen.164 Die Stadt verneinte ein derartiges ausschließliches Recht mit einem Verweis auf den Wortlaut und das Zustandekommen des zweiten Gaskonzessionsvertrages aus dem Jahr 1887. Bürgermeister Dr. Jockusch konnte seine Auslegung des Vertrages von 1887 mit dem gleichen Urteil des Kgl. OLG Hamm stützen, das auch die AG zur Begründung herangezogen hatte.165 Entscheidend dafür war, daß mit dem Neuabschluß des Gaskonzessionsvertrages für Lüdenscheid gerade die Zäsur eingetreten war, die im Sachverhalt, der dem Kgl. OLG Hamm zur Entscheidung vorlag, fehlte. Der dem Urteil zugrunde liegende Streitgegenstand bestand in der Feststellung der Wirkungen eines ununterbrochen laufenden Vertrages vom 12. Dezember 1857.166 In Lüdenscheid war 1887 sogar über die Einbeziehung der Elektrizität auf Wunsch der Gasgesellschaft verhandelt worden, so daß nach Treu und Glauben die Gasgesellschaft nicht mehr Rechte verlangen konnte, als ihr nach dem spezifizierten Vertragsgegenstand zustanden. Zu einem Schiedsgerichtsverfahren kam es in dieser Sache nicht mehr, da die AG für Gas und Elektrizität offensichtlich nur noch geringe Erfolgsaussichten sah. Schon im Jahr 1899 war die AG für Gas und Elektrizität in einem Schiedsgerichtsverfahren, das die Stadt Lüdenscheid angestrengt hatte, zum überwiegenden Teil unterlegen. Umstritten war, ob die AG für Gas und Elektrizität berechtigt war, in den auf ihren Rechnungen abgedruckten Lieferbedingungen gem. Nr. 8 einen Schadensersatz für den Fall vollkommen auszuschließen, wenn sie kein Gas liefern konnte. In der Stadtverordnetensitzung vom 18. Juli 1899 hatte sich Bürgermeister Dr. Jockusch dahingehend ausgesprochen, daß – nachdem in der Vergangenheit mehrfach öffentliche Verpflichtungen der Stadt gegenüber dem Gaswerk bis in die höchsten Instanzen nachgeprüft worden seien – nunmehr auch Klarheit in den „privaten Beziehungen“ zur AG zu schaffen sei.167 Klärungsbedürftig in den „privaten Beziehungen“ – gemeint waren wohl die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse zwischen Stadt und Unternehmer bzw. Bürgern und Unternehmer – erschien der Stadtverordnetenversammlung neben der strittigen Klausel in den Lieferbedingungen auch die Verpflichtung des Gaswerkes, Gas nicht nur zu Beleuch163 STA Lüd. A. 1882, Gutachten des Justizrats Lenzmann v. 12. Oktober 1904 und 29. August 1905, Gutachten des Rechtsanwaltes Dr. Wolf v. 8. Dezember 1895, Gutachten des Justizrats Herr v. 22. November 1895. 164 Kgl. OLG Hamm v. 6. Juni 1898 i. d. S. Dortmunder Aktiengesellschaft f. Gasbeleuchtung . / . Stadtgemeinde Dortmund; Vorinstanz Kgl. LG Dortmund v. 19. Juni 1897. 165 Lüdenscheider Generalanzeiger v. 2. Mai 1931. 166 Vgl. oben Teil I A. II. 2. a) aa). 167 Lüdenscheider Wochenblatt v. 18. 7. 1899. Die Gesellschaft versuchte erfolglos mit verschiedenen Rekursen und Eingaben beim Handelsministerium in Berlin eine Vergößerung ihrer Anlage durchzusetzen.

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tungszwecken, sondern auch zu anderen Zwecken wie Kochen und Heizen zu liefern.168 Gem. § 27 des Gaskonzessionsvertrages v. 1887 wurden der Justizrat Dr. Bitzer aus Hamm und Generaldirektor Dieckmann aus Magdeburg zu Schiedsrichtern ernannt. Das Schiedsgericht urteilte am 17. 3. 1900, daß die Gasgesellschaft in ihren Rechnungen Nr. 8 der Lieferbedingungen fortzulassen oder der Wortlaut in „ohne Verschulden der Gesellschaft“ abzuschwächen sei.169 In den Entscheidungsgründen legte das Schiedsgericht dar, daß ein Haftungsausschluß bei Verschulden der Gasgesellschaft gegen den allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Die hier in Bezug genommenen Schiedsgerichtsurteile weisen in der Regel keine Schwierigkeiten bei der Bestimmung der für den Umfang des Konzessionsrechtes relevanten Monopolklausel auf. Der Inhalt der jeweiligen Monopolklausel wird dabei durch Auslegung der privatrechtlichen Materie zugewiesen. Eine Differenzierung zwischen Zustimmungsvereinbarung und formellem Konzessions(verwaltungs)akt war für die schiedsgerichtliche Auseinandersetzung naturgemäß nicht relevant, so daß daraus nur wenig Aufschlüsse für das Steuerungsmittel zu gewinnen sind. Schiedsgerichtsverfahren hatten weniger die rechtswissenschaftliche Einordnung eines Konzessionsvertrages zu leisten als vielmehr praktische Fragen des Vertragsverhältnisses zum Streitgegenstand. Die dogmatische Eingliederung des Konzessionsvertrages stand hinter den tatsächlichen Problemen zurück, wobei meist die Grundsätze der Vertragsauslegung und die Regeln des allgemeinen Schuldrechts zur Anwendung kamen.

c) Der Konzessionsvertrag in der Literatur Da die Rechtsprechung nur wenige und die Schiedsgerichtsverfahren kaum Anhaltspunkte zur Bestimmung der Rechtsnatur des Konzessionsvertrages geben, ist noch die Literatur heranzuziehen. Eine Auseinandersetzung um Natur und Inhalt der Konzessionsverträge fand in der deutschen Literatur erst im 20. Jahrhundert statt. Soweit ersichtlich gingen Begriff und Problematik erstmals 1917 durch einen Beitrag von Crome170 und etwas später durch einen Beitrag von Thoma171 in die Literatur ein. Den ersten Hinweis auf eine derartige vertragliche Konzeption gab jedoch bereits Otto Mayer, der in seiner Theorie des französischen Verwaltungsrechts172 1886 die Existenz eines öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses für 168 Vgl. STA Lüd. A 879. Die AG bestätigte kurz darauf diese Verpflichtung, so daß dem Schiedsgerichtsverfahren dieser Streitgegestand entzogen wurde. 169 STA Lüd. A 879, Schiedsgerichtsspruch Stadt Lüdenscheid . / . AG für Gas und Elektrizitätt zu Köln v. 17. 3. 1900. 170 Crome, Der Konzessionsvertrag und seine Ausführung im Kriege, AcP Bd. 115, 1 (9). 171 Thoma, Die Gasröhrenkonzession und die Rechtslage des Röhrennetzes nach Ablauf der Konzessionsdauer, AöR Bd. 38 (1918), 307 ff. 172 Mayer, O., Theorie des französischen Verwaltungsrechts, S. 342 f.

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die Versorgungsaufgaben aufzeigte. Dem französischen Verwaltungsrecht entstammten zahlreiche Vorbilder des deutschen Verwaltungsrechts, denen vor allem Otto Mayer sowohl bei seiner Lehre vom Verwaltungsakt als auch bei der von ihm vertretenen Theorie des öffentlichen Eigentums Rechnung getragen hat. Der Konzessionsvertrag ist im französischen Recht ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (contract administratif). Crome173 verwies darauf, daß die vom Konzessionär übernommene Versorgung einer Gemeinde durch die par concession – im Unterschied zur Übernahme einzelner Arbeiten durch einen Verdingungsvertrag (enterprise) – außerhalb des Zivilrechtes liege, wenngleich manche Bestimmung entsprechend darauf angewendet werde. Im französischen Rechtskreis haben sich drei Konzessionstypen durchgesetzt: Die concession de travaux publics, die concession de service public und die concession d‘occupation du domaine public.174 Der älteste Konzessionstyp, der schon im Ancien Régime verwendet wurde, umfaßte als concession de travaux publics die Schaffung von Verkehrswegen oder die Errichtung öffentlicher Bauten, für die als Entgelt dem Unternehmer das Recht zur Erhebung von Abgaben eingeräumt wurde.175 Der Konzessionär erhielt in der ursprünglichen Ausprägung das Recht zur Ausübung eines sonst dem Staat vorbehaltenen wirtschaftlich nutzbaren Hoheitsrechtes im Gegenzug für die Erbringung einer der Verwaltung des Staates nützlichen Leistung. Die Gegenleistung diente gewissermaßen zur Amortisation der Kapitalinvestition des Unternehmers. Die Merkmale der Vereinbarung lagen in der Begründung eines Dauerrechtsverhältnisses zwischen Staat und Unternehmer, im synallagmatischen Charakter der diesem zugrunde liegenden Pflichten und in der Teilnahme des Unternehmers an der Verwirklichung staatlicher Zielsetzungen. Der Entwicklung der spezielleren concession de service public waren die im 19. Jahrhundert erzielten technischen Fortschritte, die industrielle Revolution und die Probleme der Massenversorgung vorausgegangen. Die Einräumung staatlicher Befugnisse an Unternehmer zur Bewältigung dieser Herausforderungen war weitgehend vom Gewinn der Unternehmung dominiert. Der damit auftretenden Gefahr einer dem Gemeinwohl widersprechenden Ausübung des Konzessionsrechtes begegnete der Staat mit der normativen Festlegung von Teilen des Konzessionsinhaltes in Form der cahier des charges types.176 Diese enthielten generell abstrakte Vorschriften über Betriebspflichten und Tarife sowie den Kontrahierungszwang. Der öffentliche Verwaltungszweck wurde zum bestimmenden Merkmal dieser Konzessionsform. Die Crome, S. 14. Über die zahlreichen Konzessionsgegenstände und die Entwicklung des französischen Rechts kann hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von Mayer, O., Theorie des französischen Verwaltungsrechts, S. 290 ff.; Laubadère, Traite theorique et pratique des contracts administratif, S. 1 ff. 175 Fischer, Die internationale Konzession, S. 18. 176 Mayer, O., Theorie des Französischen Verwaltungsrechts, S. 295.; Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., S. 412 und 418, Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 1, S. 536; Fischer, S. 21. 173 174

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übertragenen Funktionen wurden im Interesse des Gemeinwohls durch Kontrollrechte des Staates eingeschränkt. Die dritte Konzessionsform besteht in der concession d‘occupation du domaine public. Gegenstand dieses Konzessionsrechtes war die Verleihung von Sondernutzungen an öffentlichen Sachen. Im Bereich der Versorgungs- und Verkehrskonzessionen sind diese Elemente der Nutzung öffentlichen Eigentums bereits als Minus enthalten gewesen, gleichwohl war diese Konzessionsform für die Errichtung privater Anlagen bestimmt.177 Darunter fielen verschiedene Konzessionsgegenstände wie z. B. die Wegenutzung, Aufstellungsrechte von Märkten oder Plakatierungsrechte. Die Vorbildfunktion des französischen Verwaltungsrechts darf nicht herausgestellt werden, ohne ihre rechtshistorische Anknüpfung aufzuzeigen. Es ist in diesem Zusammenhang auf die bereits im römischen Recht bekannte Rechtsfigur hinzuweisen, mit welcher der Staat die Selbstbeschaffung gewisser für das öffentliche Bedürfnis notwendiger Leistungen zedierte. Tit. Dig. 39, 4 de publicaniis behandelte die Übertragung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben an Privatpersonen (publicani) gegen eine bestimmte Geldsumme, worauf diese die abgetretenen Staatsrechte für eigene Rechnung wider die Betroffenen geltend machen konnten. In der deutschen Literatur wurde erst nach Beginn des 20. Jahrhunderts der Versuch unternommen, die rechtliche Natur und das eigentliche Steuerungsmittel des Konzessionsvertrages zu bestimmen. Die wesentlichen Ansätze und Theorien sollen hier im Folgenden kurz nachgezeichnet werden. Zunächst werden im Anschluß an Potschter178 die – von der Problematik der Eisenbahnkonzession mitgeprägte – Vertrags-, Erlaubnis- und Privilegientheorie vorgestellt. Danach sind die Besonderheiten der Einflüsse der Theorie des öffentlichen Eigentums auf den Konzessionsvertrag als öffentlich-rechtlichen Vertrag zu behandeln. Schließlich werden die jüngeren Theorien des Konzessionsverhältnisses und der Wirtschaftskonzession, die für die Laufzeit des „Neuen Gasvertrages“ von 1887 von Bedeutung sind, vorgestellt. aa) Vertragstheorie Im Anschluß an die noch in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts übliche Verleihung eines privaten Rechtes durch ein Privileg waren die Vertreter der Vertragstheorie der Auffassung, daß es auf einen hoheitlichen Akt der Verleihung eines Sondernutzungsrechtes nicht ankomme.179 Der Vertrag eines Gaswerkes auf deutschem Reichsgebiet mit der Kommune hatte nach Cromes Ansicht, im Gegensatz zum französischen Recht, rein privatrechtlichen Charakter, da er nur vermögensrechtliche – fiskalische – Interessen des Staates berühre. Der Konzessionsvertrag Mayer, O., Theorie des französischen Verwaltungsrechts, S. 333 ff.; Fischer, S. 24. Potschter, S. 3. 179 Vgl. Seiler, Über die rechtliche Natur der Eisenbahnkonzession nach schweiz. Recht, S. 16 ff.; Crome, S. 9 zur Konzession eines Gasbeleuchtungsvertrages. 177 178

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deckte sich jedoch nicht mit einem der im Bürgerlichen Gesetzbuch benannten und geregelten Verträge, sondern empfing seinen Inhalt ausschließlich durch den beim Abschluß maßgebenden Parteiwillen, wofür die allgemeinen Regeln über Verträge und das allgemeine Schuldrecht maßgebend waren.180 Der Lüdenscheider Konzessionsvertrag von 1887 wäre vor allem seiner äußeren Form nach als privatrechtlicher Vertrag von den Vertretern dieser Theorie eingestuft worden. Darauf allein kann es jedoch nicht ankommen. Die Vertragstheorie knüpfte noch an die polizeistaatliche Fiskustheorie an, deren Voraussetzungen im Rechtsstaat jedoch weggefallen waren. Die wohlerworbenen Individualrechte, die dem Konzessionär gewährt wurden, konnten nicht nur durch Liquidation, §§ 74,75 Einl. ALR, oder durch Vertrag mit dem Fiskus geschützt und gewährleistet werden, sondern der modernen Rechtsauffassung nach auch als subjektiv öffentliche Rechte, die durch einseitigen Statusakt verliehen werden konnten.181 Die nach dem Wegerecht erforderliche Verleihung des Sondernutzungsrechtes durch die Wegepolizeibehörde und der zustimmende Verwaltungsakt der Wegebaubehörde fanden in der Vertragstheorie keine Berücksichtigung. Eine rein privatrechtliche Vertragsgrundlage ist aus diesem Grund auszuschließen. bb) Erlaubnistheorie Der Lüdenscheider Konzessionsvertrag von 1887 könnte auch als eine reine Erlaubnis zur Sondernutzung der städtischen Straßen und Wege durch die Wegepolizeibehörde aufzufassen sein. Für die Vertreter der Erlaubnistheorie 182 müßte der Konzessionsvertrag ein einseitiger Hoheitsakt gewesen sein, der ohne einen Bestand als wohlerworbenes subjektiv-öffentliches Recht für den Unternehmer zu haben, jederzeit von der Behörde – z. B. aus Gründen der Gefahrenabwehr – aufgehoben oder abgeändert werden konnte. Dagegen spricht einerseits schon die – nicht unbedingt Ausschlag gebende – vertragliche Form des Konzessionsvertrages; jedenfalls aber die erforderliche Mitwirkung der Stadt als Eigentümerin der zur Sondernutzung beanspruchten Wege und die vertragliche Abrede der Bedingungen der Zustimmungserklärung. Die Entwicklung zum Rechts- und Verfassungsstaat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte die Lehre vom Verwaltungsakt hervor183, den Otto Mayer in seinem Verwaltungsrechtslehrbuch definierte: „Der Verwaltungsakt ist ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Anspruch, der dem Unterthan gegenüber im Einzelfall bestimmt, was für ihn rechtens sein soll.“184 Crome, S. 29 ff. Potschter, S. 35. 182 Von Potschter, S. 36, als Begriff geprägt, aber offenbar nur zur Abgrenzung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Ansätze herangezogen. 183 Sarvey, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 15; Jellinek, Verwaltungsrecht, 1. Aufl., S. 86. 184 Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl., Bd. I, S. 95. 180 181

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Konstitutive Akte in Bezug auf öffentliche Sachen enthalten verschiedenartige rechtliche Elemente, die dem Adressaten eine unterschiedliche Rechtsmacht verleihen. Zwischen der echten Erlaubnis, die nur eine rechtlich mögliche, aber verbotene Handlung erlaubt macht, und der Verleihung eines Rechtes, das den Rechtsraum erweitert, ist deshalb zu unterscheiden. Für die Sondernutzung, um die es sich vorliegend in Hinsicht auf die ausschließliche Wegebenutzung zur Verlegung von Gasröhren handelt, wies bereits Otto Mayer wiederholt auf die unterschiedliche rechtliche Qualität des dafür angezogenen Konzessionsbegriffes hin, wobei insbesondere der Mißbrauch für die Polizeierlaubnis von ihm hervorgehoben wurde.185 Jellinek hat später befehlende, freiheitsgewährende, machtverleihende, machtentziehende und aufhebende Verwaltungsakte unterschieden.186 Zu den machtverleihenden oder „konstitutiven“ Verwaltungsakten zählte er die Anstellung im Staatsdienst, und die Volljährigkeitserklärung genau so, wie die Verleihung eines Rechts an einer öffentlichen Straße. Verleihungen waren danach solche Verwaltungsakte, die ein „Können“ gewähren, das nicht in der Ausübung natürlicher, sondern vom Staat gewährter Handlungsfreiheit besteht. Den Verleihungen stellte Jellinek dann die Erlaubnisse als diejenigen Akte gegenüber, die nur ein „Dürfen“ gewähren. Dazu zählte er Gewerbekonzessionen und Bauerlaubnis. Die Literatur hat Jellinek entgegengehalten, daß die Teilung der sogenannten „konstitutiven“ Verfügungen noch nicht ausreiche, es seien vielmehr die Verleihung von Fähigkeiten, die Verleihung von Rechten und die Erlaubnisse voneinander zu trennen.187 Das französische Verwaltungsrecht hatte in seiner Vorbildfunktion auch hier bereits den Anstoß zu einer Präzisierung durch die Unterscheidung von Konzession und Autorisation gegeben. Diese wurde in den deutschen Rechtskreis hineingetragen188, wobei zunächst das deutsche und österreichische Wasserrecht die Merkmale anerkannt haben.189 Unter der Konzession versteht man die Verleihung eines dem Staat durch Gesetz vorbehaltenen Rechts, während bei der bloßen Autorisation nur eine Wiederherstellung der natürlichen, durch besonderen Rechtssatz beschränkten Handlungsfreiheit vorliegt. Als Beispiel für letzteres ist die Gewerbekonzession der Reichsgewerbeordnung190 zu nennen191; für die echte Konzession gem. § 48 Preußisches Wassergesetz vom 7. 4. 1913192 das Anlegen von Häfen und Stichkanälen193. Mayer, O., 1. Aufl. Bd. I, S. 287; Bd. II, S. 295. Jellinek, 1. Aufl., S. 248. 187 Kormann, S. 84. Zur Kritik vgl. schon Mayer, O., Zur Lehre vom öffentlich rechtlichen Vertrag, in: AöR Bd. 3 (1888), 43 f. 188 Soweit ersichtlich erste Erwähnung bei Mayer, F.F., §§ 36 – 38; vgl. auch Fischer, S. 37 m. w. N. 189 Vgl. Schenkel, Badisches Wasserrecht, S. 48 und 339; Nieberding / Frank, S. 308. 190 RGBl. S 245. 191 Dazu schon Rehm, Die rechtliche Natur der Gewerbekonzession, S. 80 f. 192 PreußGS. S. 53. 193 Holtz / Kreutz, Das Preußische Wassergesetz, Bd. 1, Anm. 7 f. zu § 46 und Anm. 1 zu § 48. 185 186

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Die Anwendung der Erlaubnistheorie auf den Konzessionsvertrag ist daher schon deshalb abzulehnen, weil es sich bei der Sondernutzung der Straße durch Einlegen von Röhren nach zutreffender Ansicht – neben den anderen Elementen des Konzessionsvertrages – um die Verleihung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes an den Straßen handelt und nicht lediglich eine polizeiliche Erlaubnis zur Sondernutzung einer öffentlichen Sache erteilt wird.194 Die sogenannte Erlaubnistheorie führt also bei den Konzessionsverträgen über leitungsgebundene Versorgungsgüter nicht zum Ziel. cc) Privilegientheorie Eine weitere Erklärung für die Rechtsnatur und das Steuerungsmittel des Konzessionsvertrages von 1887 bietet die sogenannte Privilegientheorie195. In der Erteilung der Konzession liegt nach dieser Ansicht ein einseitiger Rechtsakt vor, der nicht nur Pflichten des Konzessionärs, sondern auch unentziehbare Rechte – hier etwa die Sondernutzung einer öffentlichen Sache im Gemeingebrauch – zu begründen vermag. Dem Konzessionär wird – anstelle eines Privilegs als Staatsakt – ein staatliches Ausnahmerecht verliehen, welches ihm nur unter den in den Gesetzen oder in der Konzessionsurkunde vorgesehenen Voraussetzungen wieder entzogen werden darf. Der Lüdenscheider Konzessionsvertrag von 1887 hätte dann auf einem dem Staat vorbehaltenen Recht beruhen müssen, das zu verleihen, ausschließlich Sache der öffentlichen Verwaltung war. Die Konzession wäre dann selbst der das Ausnahmerecht begründende Rechtsakt gewesen. Wenn die vorstehend beschriebene Qualifizierung der Privilegientheorie bei Eisenbahnkonzessionen noch auf Grund des Staatsvorbehaltes in Artikel 41 der Verfassung des Deutschen Reiches v. 16. 4. 1871196 eine gewisse Berechtigung gehabt haben mag, so versagt sie bei der nutzungsrechtlichen Konzession an öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch durch eine Gemeinde. Die Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser und Strom hat nicht zu den dem Staat vorbehaltenen Aufgaben gehört, so daß für einen „Sonderakt“ als Privileg oder um eine Stufe versetzt als Konzession kein Raum ist.197 Der Inhalt des Privilegs (der Konzession) sollte in Anlehnung an früher als privatrechtlich angesehene Rechtsakte eine Sicherung gegen die einseitige Abänderung des Konzessionsverhältnisses zum Nachteil des Konzessionärs schaffen.198 Die besondere Nutzung der öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch – der Straßen und Wege – ist aber lediglich Mittel zum Zweck und nicht Gegenstand der Konzession zur Versorgung mit Gas. Der 194 195 196 197 198

Potschter, S. 40. Potschter, S. 37 mit weiterem Nachweis. RGBL. S. 63. Fischer, S. 44. Ebenda, S. 38.

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Begriff des Privilegs führt spätestens nach Begründung der Lehre vom Verwaltungsakt durch Otto Mayer bei der Sondernutzung von Straßen und Wegen durch Konzessionsvertrag zu keinem brauchbaren Ergebnis.199 dd) Öffentlich-rechtlicher Vertrag Der Konzessionsvertrag von 1887 könnte auch als ein öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen sein. Dann müßten die im Konzessionsvertrag festgelegten Klauseln sich ganz oder zum Teil auf öffentlich-rechtliche Normen beziehen, die von der Behörde im Rahmen der gesetzlich gebundenen Verwaltung auch im Wege des Vertrages vereinbart werden können. Die Sondernutzung der Straßen und Wege bedarf der Genehmigung der Wegepolizeibehörde, so daß grundsätzlich ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Frage kommt. Der öffentlich-rechtliche Vertrag fand zwar Ende des 19. Jahrhunderts noch wenig Zustimmung in der Literatur, hat sich dann aber durchgesetzt und erst im Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. 5. 1976200 eine gesetzliche Regelung gefunden.201 Otto Mayer – 1888 einer der ersten Vertreter der Lehre des öffentlich-rechtlichen Vertrages202 – beschrieb die Verleihung besonderer Nutzungen an öffentlichen Sachen als ein Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts von „allgemeiner Bedeutung“. Es handelte sich nach seiner Auffassung um ein subjektives Recht in Form des Besitzes öffentlicher Gewalt, das dem Beliehenen hinausgegeben wurde, um es zu behaupten und darin zugleich seinen Vorteil zu finden.203 Das Rechtsverhältnis für das Gasröhrenmonopol konstruierte Mayer so, daß die Verleihung der besonderen Nutzungen ausschließlich durch die Wegepolizeibehörde erfolgte, daß aber darüber hinaus nur noch die Zustimmung des ordentlichen Vertreters des Herrn der öffentlichen Sache hinzukommen muß, damit die Verleihung gültig und wirksam sei.204 Entsprechend seiner Theorie des öffentlichen Eigentums an Straßen und Wegen205 nahm er an, daß der Wegeunterhaltungspflichtige als Behörde ordentlicher Vertreter des Herrn der öffentlichen Sache war und daher die Klauseln über Leistung und Gegenleistung insgesamt Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen Vertrages waren.206 Vgl. Fleiner, S. 186 f.; Kormann, S. 120. BGBl. I S. 1253. 201 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 14 Rn. 21 ff. m. w. N.. 202 Mayer, O., Zur Lehre vom öffentlich rechtlichen Vertrag, in: AöR Bd. 3 (1888), S. 42. 203 Mayer, O., 2. Aufl., Bd. II, S. 180. 204 Mayer, O., 1. Aufl., Bd. II, S. 150 f. 205 Otto Mayers Theorie des öffentlichen Eigentums hat sich nicht durchgesetzt. 206 Mayer, O., 2. Aufl. Bd. II, S. 191. So auch Eger, S. 114, der hinsichtlich der Eisenbahnkonzession bei der Verleihung einer besonderen Nutzung an einem Gegenstand öffentlichen Eigentums annahm, daß in Bezug auf die ausgeübte öffentliche Gewalt ein Verwaltungsakt vorlag, die daran geknüpften Bedingungen lediglich Bestandteil dieses Aktes und ebenso wie dieser im Verwaltungswege durchzuführen waren. 199 200

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Thoma207 behandelte hingegen nur den Zustimmungsvertrag zur Wegenutzung bei der (Straßenbahn-)Konzession zwischen Unternehmer und Vertreter der öffentlichen Sache als „publizistische Vereinbarung“ mit der Begründung, daß nur die Zustimmung des Wegebauunterhaltungspflichtigen als Behörde208 erforderlich und die Mitwirkung des Eigentümers bei der Nutzungsverleihung nicht erforderlich sei. Die auf dem Straßengelände liegende öffentlich-rechtliche Last der Duldung des Gemeingebrauches und der öffentlichen Verwaltung werde durch die Gesetze dahin erweitert, daß der Eigentümer alle diejenigen Eingriffe und Anstalten dulden müsse, die zwar über den Gemeingebrauch hinausgehen, aber auf einer gesetzmäßigen Nutzungsverleihung beruhen würden.209 Die Gestalt einer Vereinbarung, durch die der Wegebaupflichtige die Verteuerung seiner Unterhaltungslast auf den Nutzungsberechtigten abwälze, lasse nicht auf einen privatrechtlichen Vertrag schließen, sondern auf einen öffentlich-rechtlichen, da der Wegebaupflichtige keine privatrechtliche Verfügungsmacht über die Straße habe. Der Lüdenscheider Konzessionsvertrag von 1887 wäre danach entweder ein alles umfassender öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Wegepolizeibehörde, also dem Lüdenscheider Magistrat, und dem Unternehmer gewesen oder der Magistrat als Wegebaubehörde hätte seine Zustimmung zur Wegenutzung in diese öffentlich-rechtliche Vertragsform gekleidet. Das Verständnis des Konzessionsvertrages als öffentlich-rechtlicher Vertrag erfährt eine starke Prägung durch die Theorie des öffentlichen Eigentums und das französische Recht. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß eine öffentliche Aufgabe durch die – bereits erwähnte – concession de service public an den Unternehmer vergeben wurde. Voraussetzung war also die Nutzung öffentlichen Eigentums. Da ein öffentlich-rechtliches Eigentum an öffentlichen Sachen wie im französischen Recht im deutschen Rechtskreis nicht gegeben ist210, sondern ein modifiziertes Privateigentum anzunehmen ist, scheidet die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Lüdenscheider Magistrat und dem Unternehmer aus. Die Qualifizierung der Zustimmungsvereinbarung zwischen der Wegebaubehörde und dem Unternehmer als öffentlich-rechtlicher Vertrag stößt da an ihre Grenze, wo eine Disposition über die öffentlich-rechtliche Last des Gemeingebrauches hinaus in das Eigentum eingreift.211 Hier beginnt der vertragliche Bereich, der nur dem Privatrecht untersteht und mit den Aufgaben der Wegepolizei und der Wegeunterhaltung in keinem direkten Zusammenhang steht. Es ist deshalb auf die Zustimmung des Eigentümers abzustellen, nicht auf die der Behörde, so daß ein rein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach deutschem Recht sowohl für den Konzessionsvertrag insgesamt als auch für die Zustimmungsvereinbarung ausscheidet. Thoma, S. 317. Der Magistrat. 209 Thoma, S. 317. 210 Zu den Ausnahmen vgl. Papier, Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 5; Palandt / Heinrichs, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 903 Rn. 1. 211 Germershausen / Seydel, Wegerecht, 3. Aufl., Bd. 1, S. 130. 207 208

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ee) Theorie des Konzessionsverhältnisses Nach anderer Auffassung beruhte der Konzessionsvertrag auf zwei Verwaltungsakten und einem privatrechtlichen Vertrag. Der von Stern212 erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts geprägte Begriff des Konzessionsverhältnisses bringt zum Ausdruck, daß der Inhalt des Konzessionsvertrages sich in Bestandteile des öffentlichen und des privaten Rechts aufgliedern läßt, die eine Bestimmung seiner Rechtsform und seiner Rechtsnatur ermöglichen. Dieser Ansatz findet sich auch schon in der Literatur zu Anfang des 20. Jahrhunderts, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung. Das konstitutive Element unter den erforderlichen Akten war nach einer Ansicht von Kormann nicht die Genehmigung der Wegepolizeibehörde, sondern die privatrechtliche Zustimmung des Eigentümers des Grundstückes.213 Bei der Verleihung von Nutzungsrechten an öffentlichen Sachen handelte es sich um eine Verfügung als Ausübung des Eigentumsrechtes, die aber keineswegs Sache der laufenden Verwaltung sei und damit auch nicht in die Zuständigkeit der Wegepolizeibehörde falle. Die Wegepolizeibehörde habe nur über die öffentliche Sache als solche zu wachen und eine Gefährdung ihrer Zweckbestimmung auszuschalten. Der Eigentümer erhalte infolge der erforderlichen Zustimmung eine prävalierende Stellung.214 Fleiner215 sah in der Verleihung der Sondernutzung einen einseitigen hoheitlichen Akt der Behörde, die mit der Polizei des Gemeingebrauchs betraut war. Der Unternehmer erwarb gegen die verleihende Gemeinde ein meist befristetes subjektives öffentliches Recht auf die gesteigerte Benutzung der öffentlichen Sache, wie sie in der Konzessionsurkunde näher beschrieben war. Ein dingliches Recht an der Sache wurde hingegen nicht begründet. Die Zustimmung des privatrechtlichen Eigentümers der öffentlichen Sache und bzw. oder des Wegeunterhaltungspflichtigen war jedoch in den Fällen erforderlich, in denen die Ausübung des Sondernutzungsrechtes in die Substanz der Eigentumssache eingriff oder die Eigentümer- oder Unterhaltungspflichten eine Veränderung erfuhren, die nicht durch den Gemeingebrauch am Weg gedeckt waren.216 Wegerechtlich war eine Zustimmungserklärung des Eigentümers erforderlich, die eine Auflage des Verwaltungsaktes darstellte. Die Zustimmung des Eigentümers konnte ihrerseits an Bedingungen geknüpft werden, die in eine privatrechtliche Vereinbarung gekleidet waren. 212 Stern, Zur Problematik des energiewirtschaftlichen Konzessionsvertrages, in: AöR Bd. 84, S. 275. 213 Kormann, S. 97. 214 Didden, Konzessionsabgaben der Energie- und Wasserversorungsunter-nehmen, S. 59 f. 215 Fleiner, S. 306. Im Ergebnis auch Forsthoff, Verwaltungsrecht, 1. Aufl., S. 285 f. 216 Fleiner, S. 308; Germershausen / Seydel, 3. Aufl., 1. Bd., S. 130; Wex, Über die Rechtsverhältnisse der dem Gemeingebrauch unterliegenden Sachen im Gebiete des Allgemeinen Landrechts, in: PrVBl. 27,281 (282 f.); Kormann, S. 97 f.; Schwinge, Der Gas- und Elektrizitätsversorgungsvertrag, zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Vertrag zugunsten eines Dritten, in: Gruchots Beiträge Bd. 70, S. 155 und 157.

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Für eine gleiche Behandlung der „Erlaubnisakte“ aller drei Beteiligten – Wegepolizeibehörde, Wegeunterhaltungsbehörde und Eigentümer – sprach sich hingegen Stern217 aus. Keinem Mitwirkungsakt kam nach seiner Meinung eine Zentralstellung zu; jeder war gleichwertig und unersetzbar. Die Trias der Mitwirkungsakte sei unerläßlich, weil jeder Beteiligte eigenständige und voneinander unabhängige Funktionen im Wegerecht zu erfüllen habe. Die personelle, stets aber funktionelle Trennung von Wegeeigentümer, Wegebaulastträger und Wegepolizeibehörde bedeute, daß die Mitwirkungsakte der genannten „Rechtssubjekte“218 begrifflich und dogmatisch voneinander zu scheiden seien. Diese Feststellung schließe jedoch nicht aus, daß in der Praxis dann, wenn die drei Funktionsträger in einem Rechtssubjekt zusammenfallen, die Mitwirkungsakte in einer Urkunde ausgesprochen werden können.219 Neben die Elemente des Verwaltungsaktes stellt Stern die Elemente des Vertrages. Die Klauseln der Konzessionsverträge regeln in wechselseitiger Abhängigkeit Tatbestände, die einzelnen Vertragstypen des BGB – etwa dem Mietvertrag oder Werkvertrag – zugeordnet werden können. Es handelt sich insgesamt um einem atypischen Vertrag.220 Der Lüdenscheider Konzessionsvertrag von 1887 wäre nach dieser Theorie ein privatrechtlicher Vertrag zwischen Stadt und Unternehmer, der den Verwaltungsakt zur Verleihung der Sondernutzung an den Ortsstraßen durch den Magistrat als Wegepolizeibehörde und den zustimmenden Verwaltungsakt des Magistrats als Wegebaubehörde entweder selbst mit enthielt oder jedenfalls konkludent entstehen ließ. Eine formelle Trennung der Rechtsakte erscheint jedenfalls insoweit entbehrlich, als der Magistrat die für den Erlaß der Verwaltungsakte zuständige Behörde der Stadt war und gleichfalls im Verfahren nach § 56 Nr. 8 Westfälische Städteordnung die Stadt als Organ beim Abschluß des privatrechtlichen Vertrages über die Bedingungen der Wegenutzung zu vertreten hatte. Nur zu dem letzten Vertrag – der nicht Sache der laufenden Verwaltung war – hatten die Stadtverordneten die erforderliche Genehmigung zu erteilen. Formelle Verwaltungsakte zur Sondernutzung der Ortsstraßen sind darüber hinaus nicht ersichtlich. Es muß deshalb angenommen werden, daß die Verwaltungsakte konkludent ergangen sind. Der Anknüpfungspunkt für das eigentliche Steuerungsmittel in diesem Prozeß ist die privatrechtliche Zustimmungsvereinbarung zwischen Stadt und Unternehmer im Konzessionsvertrag, mit der die Stadt die Sondernutzung des Wegekörpers gegen Bedingungen freigab.

Stern, S. 171. Hervorhebung des Verfassers. 219 Stern, S. 171; vgl. auch Schwinge, S. 157. 220 Stern, S. 297; Quack, Die Beendigung von Stromkonzessionsverträgen, in: AöR 91. Bd. (1966), S. 357. 217 218

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ff) Wirtschaftskonzession Einen weiteren Ansatz zur Erklärung der Rechtsnatur und des Steuerungsmittels des Konzessionsvertrages lieferte eine Theorie, die dem Konzessionär zugleich eine von der öffentlichen Verwaltung übertragene wirtschaftlich-unternehmerische Funktion zuerkannte.221 Dabei werde durch die Wegehoheit der öffentlichen Verwaltung und das „Wegesondernutzungsrecht“ der Konzessionär einschneidenden Verleihungsbedingungen und einer administrativen Kontrolle unterworfen.222 Die Verleihung des Sondernutzungsrechtes führe zur Entstehung eines beliehenen Unternehmers.223 Beliehener ist ein Rechtssubjekt des Privatrechts, dem im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Wirtschaftstätigkeit bestimmte Aufgaben und Befugnisse der öffentlichen Verwaltung im Wege der Delegation zugewiesen sind.224 In der nutzungsrechtlichen Konzession war nach anderer – gleich gelagerter – Auffassung regelmäßig nur eine Maßnahme der ordnenden Eingriffsverwaltung zu sehen. Es handle sich also um eine Schutzmaßnahme für die im Rahmen der Daseinsvorsorge von der Allgemeinheit benötigten öffentlichen Sachen. Sie sei mit den „Konzessionsverträgen“ verbunden, bilde aber nicht deren wesentlichen Inhalt, sondern nur eine Nebenbefugnis, ein Mittel zum Zweck.225 Die Rechtsverleihung im Bereich gebietsgebundener Daseinsvorsorge sei eine anstaltsrechtliche Konzession.226 Durch den „Neuen Gasvertrag“ von 1887 würde nach dieser Auffassung der Konzessionär mit der öffentlichen Aufgabe der Beleuchtung und Energieversorgung beliehen. Dem Unternehmer wären insoweit Verwaltungsbefugnisse verliehen worden. Es ist anerkannt, daß Voraussetzung eines beliehenen Unternehmers ein staatlicher Verleihungsakt, entweder in Form eines Privilegs oder einer Konzession ist. Verleihung ist ein Verwaltungsakt, durch welchen für den Beliehenen das Recht des Besitzes an einem Stück öffentlicher Verwaltung zur Ausübung im eigenen Namen begründet wird.227 Wie schon bei der älteren Privilegientheorie festgestellt, fehlt es hieran jedoch.228 Beleuchtung und Energieversorgung stehen zwar im öffentlichen Interesse, sind aber keine dem Staat vorbehaltene Aufgabe. Jeder Private kann diese Leistung anbieten. Der unternehmerische Erfolg ist jedoch nur zu sichern, wenn die öffentlichen Straßen und Wege für die Verlegung von Röhren oder Leitungen genutzt werden können und die Korporation dem Unter221 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 565 ff.; Zitscher, Daseinsvorsorge in der kommunalen Selbstverwaltung und Rechtsnatur der Konzessionsverträge, S. 106. 222 Huber, S. 566 und 572. 223 Zur Erklärung Hubers äußert sich Stern, S. 155. 224 Huber, S. 533 f.; Forsthoff, 7. Aufl., S. 380. 225 Zitscher, S. 108. 226 Ebenda, S. 106. 227 So schon Mayer, O., 2. Aufl., 2. Bd. S. 181. 228 Fischer, S. 39 weist darauf hin, daß die Privilegientheorie durch Hubers Ansatz lediglich modifiziert worden sei.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

nehmer einer solchen Maßnahme die erforderlichen Sondernutzungsrechte verleiht. Es liegt demnach weder eine Delegation von Verwaltungsaufgaben auf einen beliehenen Unternehmer noch eine anstaltsrechtliche Konzession vor.

3. Zusammenfassung zum Streitstand des Konzessionsvertrages und zur Rechtsnatur des „Neuen Gasvertrages“ von 1887 Weder eine rein privatrechtliche noch eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Natur des Konzessionsvertrages war gegeben. Gegen erstere spricht die Verleihung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes, gegen letztere der Inhalt der Vereinbarung zwischen Wegeeigentümer und Unternehmer. Die Elemente des Konzessionsvertrages waren öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Natur. Der Konzessionsvertrag stellte weder ein Privileg dar noch machte er den Konzessionär zum beliehenen Unternehmer oder Inhaber einer anstaltsrechtlichen Konzession. Die Theorie des Konzessionsverhältnisses zeigte für den Zeitraum des Konzessionsvertrages in ihrer Struktur die klarste Trennung zwischen den einzelnen Elementen unter Anerkennung der neueren Fiskustheorie, der Lehre vom modifizierten Privateigentum und der Lehre vom Verwaltungsakt. Bei dieser Bewertung ist jedoch der zeitliche Abstand der Arbeit Sterns zu den Anfängen der Diskussion noch einmal hervorzuheben. Während im Polizeistaat auf der Grundlage der alten Fiskustheorie von der Konzession noch als Privileg ausgegangen wurde, setzte sich im Rechts- und Verfassungsstaat die Erkenntnis durch, daß „wohlerworbene Rechte“ – Individualrechte – die dem Unternehmer gewährt werden, nicht nur als Privatrechte im Wege des Vertrages mit dem Fiskus gewährleistet werden können, sondern der modernen Rechtsauffassung gegen Ende des 19. Jahrhunderts zufolge auch als subjektivöffentliche Rechte, die durch Verwaltungsakt verliehen wurden. Der „Neue Gasvertrag“ von 1887 enthielt als Konzessionsvertrag in einer Urkunde die (rechtsgeschäftlich) abgegebenen Willenserklärungen der Stadt und die Verfügungen ihrer Behörde. Die Verleihung des Sondernutzungsrechtes an den Lüdenscheider Ortsstraßen durch Verwaltungsakt des Lüdenscheider Magistrats als Wegepolizeibehörde an den Unternehmer und die Zustimmung durch Verwaltungsakt des Magistrats als Wegebaubehörde waren konkludent ergangen. Die Stadt als Eigentümerin der Ortsstraßen wurde vom Magistrat als zuständigem Organ bei der privatrechlichen Vereinbarung über die Nutzung privaten städtischen Eigentums an Straßen und Wegen vertreten. Diese Vereinbarung wurde durch die Stadtverordnetenversammlung genehmigt. Das Steuerungsmittel im Konzessionsrechtsverhältnis, das zutreffend auch als konstitutives Element bezeichnet wird, ist in der Zustimmungsvereinbarung zwischen Korporation und Unternehmer zu sehen. Der Raum für eine privatrechtliche Ausgestaltung dieser Leistungsbeziehungen zwischen der Stadt Lüdenscheid und dem Unternehmer bestand, weil die Stadt als Eigentümerin der städtischen Wege und Straßen ihre Zustimmung zur Verleihung des Sondernutzungsrechtes primär an Bedingungen knüpfen konnte, die der Unter-

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nehmer ihr gegenüber zu erfüllen hatte. Das Konzessionsrechtsverhältnis von 1887 ist damit ein – wesentlich vom Privatrecht geprägter – Vertrag sui generis auf der Grundlage des faktischen Monopols des Straßen- und Wegerechts. Eine Zuordnung der beschriebenen Elemente des Konzessionsverhältnisses läßt sich noch über das Ende des Untersuchungszeitraumes bis zur Neuordnung des Wegerechts durch das Bundesfernstraßengesetz vom 6. 8. 1953229 (FStrG) und das Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen (StrWG) vom 28. 11. 1961230 vertreten. In § 8 Abs. (10) FStrG – vom Gesetzgeber mit „Sondernutzungen“ überschrieben – und § 23 Abs. (1) StrWG (Überschrift: „Sonstige Benutzung“) wurde dann die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an Straßen dem bürgerlichen Recht unterworfen, sofern der Gemeingebrauch nicht beinträchtigt war. Eine Störung von nur kurzer Dauer zum Zweck der öffentlichen Versorgung blieb außer Betracht. Nach In kraft treten dieser Regelungen war eine „sonstige Nutzung“, die die öffentliche Zweckbindung der Straße nicht berührte, ausschließlich durch privatrechtlichen Vertrag einzuräumen.231 Dazu gehört das Einlegen von Leitungen in den Straßenkörper durch Energie- und Wasserversorgungsunternehmen. Der Begriff des Konzessionsvertrages trifft die Problematik in der Laufzeit des hier angesprochenen Vertrages – jedenfalls für den Zeitraum von 1886 bis 1916, aber auch darüber hinaus – nicht eindeutig – worauf in der Literatur bis heute hingewiesen wird.232 Thoma beschrieb den Konzessionsvertrag im Zusammenhang mit der Gasröhrenkonzession.233 Schwinge hielt einen Gasversorgungsvertrag für die richtige Bezeichnung.234 Stern vertrat Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts das Konzessionsverhältnis als geeignete Umschreibung.235 Entgegen allen Anfechtungen hat sich der Begriff des Konzessionsvertrages jedoch bis heute durchgesetzt.236 Der von Crome in die Literatur eingeführte Begriff des Konzessionsvertrages hat damit ex post eine gewisse Bestätigung erfahren und verdient auch zur schlagwortartigen Charakterisierung der Rechtsverhältnisse in einer Vertragsurkunde über leitungsgebundene Versorgungsgüter im hier untersuchten Zeitraum zwischen 1856 und 1945 weiter herangezogen zu werden.

BGBl. S. 903. GV.NW. S. 305. Durch § 69 des Gesetzes wurden wegerechtliche Vorschriften aus vier Jahrhunderten aufgehoben. 231 Schlosser, in: Marschall / Schroeter / Kastner, Kommentar zum FStrG, § 8 Rn. 1 u. 55; Bochalli, Wegerecht, in: HKWP Bd. 1, S. 571; Büdenbender, Energierecht, Rn. 498 m. w. N. 232 Zuletzt vgl. etwa Ronellenfitsch, Straßen und Energieversorgung im Konflikt – Ein Beitrag zur rechtlichen Problematik der Folgekosten, S. 37 und 43. 233 Thoma, S. 319. 234 Schwinge, S. 152. 235 Stern, S. 275. 236 Vgl. in neuerer Zeit etwa Ronellenfitsch, S. 42; Scholtka, Die Entwicklung des Energierechts in den Jahren 1998 und 1999, NJW 2000, 549. 229 230

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

III. Die Entwicklung der Gasversorgung in Lüdenscheid bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Der Neuabschluß des Konzessionsvertrages sicherte der Lüdenscheider Gasgesellschaft nunmehr bis 1916 die Versorgungsrechte. Schon 1888, ein Jahr nach Vertragsabschluß, wurde das Unternehmen in die Gesellschaft für Gas und Elektrizität Solingen umgebildet. 1894 wurde der Gesellschaftssitz nach Köln verlegt, wobei dies durch Übernahme in die seit 1887 bestehende Aktiengesellschaft für Gas und Elektrizität Köln geschah. Ingenieur Ritter wurde Generaldirektor der Aktiengesellschaft. Sie betrieb in eigener Verwaltung 23 Gasanstalten. Das Aktienkapital betrug 8 Mill. Mark. Die Dauer der von der Kölner Aktiengesellschaft erworbenen Konzessionen verschaffte ihr eine starke Marktposition.237 Von den 23 Konzessionen liefen je eine bis 1909, 1910 und 1916 (Lüdenscheid), je zwei bis 1918 und 1919, zwei bis 1922, eine bis 1923, drei bis 1925, eine bis 1928, drei bis 1929, je zwei bis 1930 und 1932 und schließlich je eine bis zu den Jahren 1934 und 1949.238 Nach einer statistischen Erhebung im Jahr 1878 hatten in Preußen von 170 Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern bereits 83 eine kommunale Gasanstalt.239 Die Zahl der Gemeinden, die ihr Gaswerk kommunalisierten, stieg weiter an und erreichte 1910 ihren Höhepunkt. Die Gasversorgung in Lüdenscheid blieb hinter dieser Entwicklung zunächst zurück und lag bis 1916 in der Hand eines auf Gewinnerzielung gerichteten privaten Unternehmens. Die Leistungs- und Gegenleistungsklauseln des neuen Gasvertrages wiesen immerhin Veränderungen auf, die auch neue Verwendungsmöglichkeiten der Gastechnologie für Koch- und Heizzwecke einschlossen. § 19 des Konzessionsvertrages enthielt dafür erstmalig eine Preisbindung durch Tarife für die Privatbeleuchtung von 18 Pf. / cbm, für die Beleuchtung öffentlicher Gebäude von 16 Pf. / cbm, für Gas zum Kochen, Löten und zur Kraftentwicklung (soweit diese nicht zur Erzeugung von Elektrizität dient) ebenfalls 16 Pf. / cbm, für die öffentliche Straßenbeleuchtung 2 1 / 2 Pf. pro Flamme und Brennstunde. Mit Ausnahme der öffentlichen Beleuchtung wurden bei einem Jahresverbrauch von 1000 bis 2000 Mark der Preis der Gaslieferung um 5 % und zwischen 2000 und 4000 Mark um 10 %, darüber hinaus um 15 % ermäßigt. Die Tarife zeigen bereits eine deutliche Gewichtung zu steigendem privaten und gewerblichen Konsum. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Vertragsverhältnis zwischen der Stadt Lüdenscheid und der Gesellschaft wiederholt von Streitigkeiten über die Gasqualität, die Anlagenkapazität und den Ausbau des Leitungsnetzes geprägt. Trotz der Investitionen der Gesellschaft konnte die steigende Nachfrage des Ver237 Diese wurde insbesondere auf dem Elektrizitätssektor ausgenutzt, vgl. oben Teil I A. II. 2. b). 238 Mombert, S. 35. 239 Mombert, S. 33; Herrfurth, Beiträge zur Finanzstatistik der Gemeinden in Preußen, in: Zeitschrift des Kgl. Preuß. Statist. Bureaus, Ergänzungsheft VI, Berlin 1878 II. Teil.

B. Der Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung

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sorgungsgutes nicht ausreichend befriedigt werden. Anträge auf sogenannte „Sonderlieferungen“240 mußten abgelehnt werden. Die Vorschläge der Gesellschaft zur Erweiterung der baulichen Anlagen in der Gasstraße fanden weder beim Magistrat noch bei den Stadtverordneten Rückhalt.241 Der Erweiterung standen inzwischen die Beschwerden der Anwohner am Ort der Gasfabrik entgegen. Als Ausweg bot sich nur noch der Neubau der Gasfabrik außerhalb der Stadt, um einen vertragsgemäßen Betrieb zu gewährleisten. 1901 wurde dann der Neubau des Gaswerkes an der Altenaer Straße errichtet.

B. Der Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung Wasser, von alters her ein freies Gut242, wurde im Zuge der Urbanisierung knapp. Mit der Industrialisierung wurden die bekannten Methoden der Wassergewinnung – insbesondere des Trinkwassers – in Frage gestellt. Die von der Stadt Lüdenscheid abgeschlossenen Verträge zur Gewinnung und Verteilung von Trinkwasser spiegeln einen Teil dieser Problematik wieder. Das Zustandekommen des Konzessionsvertrages vom 29. 7. 1882 / 3. 3. 1883243 gibt Aufschluß über die steigenden Ansprüche der Bürgerschaft an die von der städtischen Verwaltung zu treffenden Maßnahmen auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Wasserversorgung.244

I. Die Ursachen der mangelhaften Wasserversorgung in Lüdenscheid „Die Wasserkalamität“- Unter diesem Stichwort war Bürgern und Behörden der Versorgungszustand der Bergstadt Lüdenscheid mit Trinkwasser seit 1860 ein Begriff. Eine Verkettung mehrerer Ursachen hatte dazu geführt, daß sich die Versorgungslage mehr und mehr zuspitzte. Bereits in früheren Jahrhunderten stellte die Wasserbeschaffung ein ernstes Problem für die Bürger der Stadt dar. Die geographischen Gegebenheiten um Lüdenscheid und die Lage der Stadt wirkten sich für die Anlage von Wasserreservoirs nachteilig aus. Die Einrichtungen reichten jedoch für die wenigen hundert Belieferung neuer Gebäude mit industrieller Nutzung. Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 15. 242 Vgl. Nieberding / Frank, S. 7. 243 STA Lüd. A 380, Verw. Ber. 1881 – 1886, S. 36 ff. 244 Der Konzessionsvertrag liegt zwar chronologisch vor dem zweiten Konzessionsvertrage über die Gasversorgung, die Verschiebung der Analyse war jedoch zur Darstellung der historischen Zusammenhänge bei der Gasversorgung geboten. 240 241

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

Einwohner noch vollkommen aus. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Quellwasser der höchsten Erhebungen Loh und Staberg in offenen Gräben, den Ackeldruften, in die unterhalb gelegene Stadt geleitet. Der Graben der Hauptstraße speiste auch die Gräben in den Nebenstraßen. Im 18. Jahrhundert wurden die Ackeldruften zunächst durch Holzröhren und dann durch Gußeisenröhren ersetzt. Die öffentliche Wasserversorgung bestand im wesentlichen aus 2 Fontainen und 6 Brunnen.245 Die größte Versorgungseinrichtung war die „aufm Markt“ stehende Fontaine.246 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sind ungefähr 30 öffentliche und private Brunnen in der Stadt Lüdenscheid in Betrieb gewesen.247 Insbesondere die Bewohner der Oberstadt spürten die durch Sommerhitze und Winterfrost saisonal bestimmte Knappheit des Wassers. Im Winter froren die Brunnen oft zu, während sie im Sommer leicht austrockneten.248 1815 wurde durch die Anlage einiger Stollen am Anfang der Loher Straße und an der Ecke Staberger- / Hochstraße das Wasseraufkommen vergrößert.249 In einem Protokoll vermerkte der amtierende Bürgermeister Kobbe am 10. 6. 1816 : „ . . .so daß die gegründetste Hoffnung vorhanden ist, daß, wenn nunmehro die Leitung des gewonnenen Wassers gehörig und vorsichtig bewürket wird, die Hauptfontaine auf dem Markte für die Zukunft hinlänglich mit Wasser versehen werden kann, wodurch vorläufig der beabsichtigte Zweck erreicht wird,. . .“250

Das Wasser blieb auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein kostbares Gut, so daß als Waschplätze und Viehtränken durch Verfügung des Bürgermeisters nur noch die Teiche rings um die Stadt benutzt werden durften. Das Wasser der Brunnen in der Stadt und die Zuleitungen zu den Fontainen waren ausschließlich als Trink- und Brauchwasser vorbehalten. Als sich in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts eine erste Blüte der Lüdenscheider Industrie ankündigte und die Bevölkerungszahl sich auf 3.577 Bürger mehr als verdoppelt hatte251, unternahm der Magistrat erste Anstrengungen zur Verbesserung der Wasserversorgung. Ein Gutachten des Bochumer Bergamtes, angefertigt durch den Bergmeister Jacob, erHostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 29. Sauerländer, Geschichte der Stadt Lüdenscheid, S. 210 f.; ders., Über ein Netz von Ackeldruften wurde die Stadt mit Wasser versorgt, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 3. 3. 1962. Die Fontaine bestand aus einer hölzernen Röhrenpumpe und wurde erstmals in der Brandakte von 1723 erwähnt. Der Bau des Wasserleitungssystems wurde im Jahr 1736 im Duisburger Intelligenzblatt, dem amtlichen Bekanntmachungsorgan für Kleve und Mark, ausgelobt. 247 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 204. 248 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 204. Zum Niederschlag und den klimatischen Gegebenheiten vgl. Specht, Das Klima Lüdenscheids, in: Buch der Bergstadt Lüdenscheid, S. 17; Giedinghagen, Das Klima von Lüdenscheid, in: Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen, S. 26 f. 249 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 204. 250 Sauerländer, Unter unseren Straßen: Alte Wasserstollen als Lebensadern, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 31. 8. 1966. 251 Herbig, Wirtschaft und Bevölkerung der Stadt Lüdenscheid im 19. Jahrhundert, S. 74. 245 246

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gab 1840 eine wenig befriedigende Bestandsaufnahme.252 Die Stadt Lüdenscheid lag in ihrer damaligen Ausdehnung in einer Höhe zwischen 415 und 450 Metern. Das Stadtgebiet ist – auch in seiner heutigen Ausdehnung – stark zertalt. Die Oberflächenformen des Gebietes sind bedingt durch die Folge der Wechsellagerungen von harten und weichen Gesteinsschichten. Grauwacke-Sandstein durchzieht in mächtigen Bänken den Boden, während dazwischen leichtere Schieferschichten liegen.253 Unter Hinweis auf diese Gesteinsschichtungen unter der Bergstadt verneinte der Gutachter die Frage nach der Möglichkeit zur Abteufung eines artesischen Brunnens.254 Stattdessen empfahl er den Ausbau der vorhandenen Stollen, dem der Magistrat 1848 / 49 nachkam.255

II. Die Aspekte der Gefahrenabwehr Neben der geographisch bedingten Knappheit des Quell- und Grundwassers in der Stadt Lüdenscheid waren auch die Belange der Feuer- und Gesundheitspolizei bei der Weiterentwicklung der Wasserversorgung zu berücksichtigen.

1. Feuerschutz Die großen Stadtbrände des 16., 17. und 18. Jahrhunderts kamen bereits im Überblick über die Entwicklung des Baurechts zur Sprache.256 Im 19. Jahrhundert sind als schwere Brände die Ereignisse der Jahre 1822, 1841 und 1842 zu verzeichnen, ohne daß sie an die vorangegangenen Brandkatastrophen der Stadt Lüdenscheid in ihrem Ausmaß heranreichten. Trotzdem fielen 14 Häuser im Jahr 1822 und insgesamt 28 Häuser in den Jahren 1841 / 42 den Flammen zum Opfer. In der Bevölkerung erregte zu dieser Zeit neben den lokalen Ereignissen auch der große Hamburger Stadtbrand von 1842 Aufmerksamkeit, bei dem viele Einwohner Hamburgs zu Tode kamen. Am 11. Februar 1843257 trat die Kreis-Feuer-Polizei-Ordnung des Kreises Altena in Kraft und erweiterte die Provinzial-Feuerordnung für Westfalen vom 30. November 1841258 mit regionalen Bestimmungen. Danach Herbig, ebenda; Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 29. Schröder / Fenner, Die Landesnatur unserer Stadt, in: Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen, S. 10 ff. 254 Rowald, Wasserversorgung der Städte, in: Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, Bd. 1, S. 501: Benannt nach der altniederländischen Provinz „Artesiae comitatus“, in deren Kalkböden im 13. Jahrhundert die ersten springenden Brunnen durch Bohrungen in wasserführende undurchlässige Schichten unter Ausnutzung des Quelldrucks angelegt wurden. 255 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 204. 256 Vgl. oben Teil I A. I. 1. c). 257 STA Lüd. A 1937. 258 Ambl. Reg. Arnsberg v. 1. 1. 1842, Beiblatt. 252 253

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mußten auch für Lüdenscheid genaue Verzeichnisse der öffentlichen und privaten Brunnen und Teiche angelegt werden, damit der Löschwasserbedarf gesichert werden konnte.259 In den Folgejahren versah die Feuer-Lösch- und Rettungscompagnie als Pflichtfeuerwehr ihren Dienst. 1878 wurde die Freiwillige Feuerwehr gegründet, die auf die Turnerbewegung zurückging. Nachdem damit die organisatorischen und personellen Voraussetzungen zur Brandbekämpfung geschaffen worden waren, konnte auch die Ausrüstung langsam verbessert werden.260 Nur das Problem des knappen Löschwassers in der Bergstadt Lüdenscheid war noch nicht zufriedenstellend gelöst. Am 17. 7. 1868 standen einige Häuser der Schempergasse nach einem Blitzeinschlag in Flammen. Nur der starke Regen und der disziplinierte Feuerwehreinsatz verhinderten den Berichten nach Schlimmeres.261 In den folgenden Jahren brannte es vielfach bei Gewerbebetrieben und Fabriken, wobei ein Übergreifen des Feuers auf andere Häuser erfolgreich verhindert werden konnte.262 Im Jahr 1879 empfahl der Vorstand der Freiwilligen Feuerwehr im Rückblick auf die Ereignisse der vergangenen Jahre der Stadt die Anschaffung weiterer Wasserzubringer, da die Entfernung der Außenparzellen zu den städtischen Brunnen in der Stadtmitte für Schlauchleitungen zu groß war.263 Aus dieser Stellungnahme läßt sich der Bedarf für eine Löschwasserversorgung über Hydranten herleiten, wie sie in den Großstädten Preußens bereits üblich war. In § 5 lit. d) des 2. Vorvertrages vom 29. 7. / 8. 8. 1882 zum Wasserkonzessionsvertrag264 wurde dementsprechend die Zahl der zu errichtenden Hydranten unter die besondere Maßgabe des Magistrats gestellt. 2. Gesundheitsgefahren Die Bemühungen zur Bekämpfung der wiederkehrenden Pockenkrankheiten wurden 1858 / 59 durch die Bildung einer Sanitätskommission unter dem Bürgermeister Nottebohm verstärkt. Diese empfahl vorrangig die Impfung zur Vorbeugung gegen die Erkrankung.265 Aber bereits im Mai 1871 brach die Krankheit erneut aus. Von 183 erkrankten Personen fanden 13 den Tod. Im Dezember 1879 waren insgesamt 250 Kinder der evangelischen Elementarschule von Masern befallen, darunter waren auch Fälle von Diphtherie und Scharlach zu verzeichnen.266 Deitenbeck, 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Lüdenscheid, S. 35. Deitenbeck, ebenda: Lüdenscheid besaß 1877 neben einer großen Spritze auch eine Saugspritze, drei kleine Spritzen, eine Handspritze und einen Wasserzubringer. 261 Strodel, Chronik der Stadt Lüdenscheid, S. 167. 262 Vgl. zu den Einzelereignissen: Strodel, a. a. O, S. 165 ff. 263 Deitenbeck, 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Lüdenscheid, S. 46. 264 Vgl. unten Teil I B. IV. 265 Strodel, S. 166; Rahmede, Sanitäre Zustände im alten Lüdenscheid, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 22. 11. 1951. 266 STA Lüd. A 379, Verw.-Bericht 1847 – 1879 S. 7 f.; Strodel, S. 169; Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 30. 259 260

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1879 starben insgesamt 43 Personen und 1880 46 Personen an einer der drei Krankheiten. Im Februar 1883 wiederholte sich die Masernepidemie unter den Schulkindern der Stadt. In den Unterklassen der evangelischen Elementarschule fehlten teilweise bis zu 30 % der Kinder. Lüdenscheid hatte im Jahr 1883 13.148 Einwohner.267 Ein Vergleich der Zahlen über die Todesursachenstatistik im Deutschen Reich, dem Erhebungsgebiet der Niederrheinischen Niederung und der Stadt Lüdenscheid zeigt, daß in Lüdenscheid wesentlich mehr Todesfälle der genannten Arten zu verzeichnen waren.268 Bereits im Jahr 1862 hatte der Kreismedizinalrat Dr. Hülsmann an die Regierung in Arnsberg berichtet, daß es notwendig erscheine, der Verderbnis des Trinkwassers die Aufmerksamkeit der Medizinalpolizei zuzuwenden.269 Als Ursachen nannte Dr. Hülsmann vor allem die Kloaken, den Unrat zwischen den einzelnen Häusern und auch Industrieabflüsse: „Dieselbe betrifft die Brunnen des ältesten und hauptsächlich von der ärmeren arbeitenden Klasse bewohnten Stadtviertels. Der Boden ist hier sehr wasserreich, so daß man drei bis vier Fuß tief unter der Fläche des Steinflasters bereits Wasser antrifft. Das Erdreich ist steinicht, stellenweise felsicht, bestehend aus Grauwacketrümmern und ist sehr porös, eine wasserdichte Lehmschicht fehlt ganz. . . . Die Ursache scheint mir ganz anderswo zu liegen: Infolge der in der ganzen Grafschaft Mark geltenden Bauordnung, daß ein jeder beim Bau eineinhalb Fuß von dem Grundstück seines Nachbarn entfernt bleiben muß, befinden sich meist zwischen je zwei Häusern enge Gäßchen von knapp drei Fuß Breite. Diese Gäßchen liegen oft mehrere Fuß tiefer als das Straßenpflaster und dienen dazu den Dünger (Abtritt) aus zwei Appartements aufzunehmen, die sich von jeder Seite hineinergießen. Dort stagniert derselbe häufig noch mit der abgängigen Flüssigkeit vom Waschen und Schrubben gemischt, bis es den Besitzern zweckmäßig erscheint, denselben aufs Feld zu führen. Öfters befindet sich noch unter dem Bürgersteig eine mit Brettern verdeckte Grube, die mit dem Gäßchen kommuniziert und dazu bestimmt ist, größere Vorräte (an Mist) einstweilen aufzunehmen, wenn sich solche in dem Gäßchen zu sehr ansammeln. Daß diese Jauche aus diesen Düngerreservoirs durch den lockeren Erdboden zu dringen und die nur wenige Fuß entfernten Brunnen zu infiltrieren vermag, scheint mir zweifellos, dringt sie doch in den angrenzenden Häusern bis in den zweiten Stock empor und macht dieselHerbig, S. 74. Manet, 25 Jahre Todesursachenstatistik, S. 173 u. S. 177. Das Erhebungsgebiet der Niederrheinischen Niederung war weit über die politisch-geographischen Grenzen ausgedehnt, so daß selbst die Stadt Lüdenscheid noch dazu gerechnet wurde. Bei einem stichprobenartigen Vergleich für das Jahr 1880 sind hochgerechnet auf 100.000 Einwohner in Lüdenscheid 253,96 Scharlachtodesfälle und 163,26 Diphterietodesfälle zu verzeichnen. Im Deutschen Reich waren es nur 45,0 Scharlachtodesfälle und 94,1 Diphterietodesfälle. Die Niederrheinische Niederung verzeichnete 79,7 Scharlachtodesfälle und 84,6 Diphterietodesfälle. Auf 100.000 Einwohner gerechnet (Einwohnerzahl Lüdenscheids am 31. 12. 1880 = 11.024, Faktor 9,07) ergibt sich, daß in Lüdenscheid gegenüber beiden Erhebungsgebieten die Mortalität bedingt durch Diphterie ungefähr doppelt so hoch und bedingt durch Scharlach vier bis sechs mal so hoch gewesen sein muß. 269 Sauerländer, Schlechtes Wasser gefährdete die Stadt, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 17. 4. 1959. Zur Funktion des Kreisphysikus vgl. auch Trox, Preußen im südlichen Westfalen, S. 88 (Katalogteil). 267 268

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser ben feucht und ungesund. Für die Gesundheit der Anwohner können diese Ausdünstungen dieser Kloaken nur ungesund sein und außerdem belästigen sie die Geruchsorgane auf das empfindlichste.“

Trotz der bei den übergeordneten Behörden mit dieser drastischen Darstellung erzielten Aufmerksamkeit blieb der amtierende Bürgermeister Nottebohm sachlich und wies den Vorwurf, daß Lüdenscheid eine im ganzen unsaubere und unreinliche Stadt sei, mit Entschiedenheit zurück: „ . . .auch das beste Streben der städtischen Verwaltung, unterstützt von dem guten Willen der Bürgerschaft, (kann) derartige Mißstände nicht mit einem Mal beheben. . . Wie bekannt ist bei den alten Gebäuden in hiesiger Stadt in der Regel nicht der mindeste Hofraum vorhanden, welcher zur Anlegung von Düngergruben benutzt werden konnte. . .“

Die erste Darstellung des Kreisphysikus bezog sich nur auf einen bestimmten Stadtteil, wie eine Untersuchung seines Bezuges auf die geltende Bauordnung des Kreises Altena zeigt. Ein Großteil der Häuser stammte noch aus der Zeit vor dem Erlaß dieser Bauordnung, als durchaus Wand an Wand gebaut wurde, so daß die Verallgemeinerung des Kreisphysikus nicht voll zutreffend war. Im Erlaß des „Project(s) einer Bauordnung bei Wiedererbauung der Stadt Lüdenscheid“ im Jahr 1724 war allerdings schon folgende Bestimmung vorgesehen worden270: „21. Kein heimlich Gemach soll nach der Straße und gemeinen Plätzen ausgehen noch überhängen, sondern ein jeder solche inwendig auf seiner Miste oder Platze, dahe es einem jedem am bequemsten gelegen, und dabei dergestalt machen, verordnen und ausgehen laßen, daß der nächste Nachbar damit nicht verstänket oder vertränket, auch demselben an seinem Gebau und Mauren daraus kein Nachteil entstehe. 10. Wann auch ganz neue Plätze oder Area, so den Raum 2, 3 oder mehr Häuser begreifen, bebauet werden, sollen zwischen den Häusern keine Gaßen zugelaßen, sondern nur eine gemeinschaftliche Mauer (wodurch auch alle Unreinigkeit vermieden und allewegen eine Mauer menagirt wird) aufgerichtet, . . .“

Diese Regelung war jedoch durch 140 Jahre Bautätigkeit in der Stadt durch Bauherren und den Magistrat als Baupolizeibehörde offenbar überhaupt nicht beachtet oder jedenfalls großzügig ausgelegt worden.271 Der Kreisphysikus legte schon im April 1863 einen zweiten Bericht272 vor, in dem er im Wesentlichen seine Vorwürfe wiederholte und die Anlage einer gemauerten Kloake oder zumindest eines festen Behältnisses forderte: „Indesssen wirken auch noch andere Schädlichkeiten mit. Dazu gehören erstens die große Anzahl meist unterirdischer gar nicht oder mangelhaft gepflasterter Stallungen, deren Mistjauche ungehindert in den Boden dringt; ferner das höchst mangelhafte Kanalsystem, s. o. Fn. 36. Vgl. die Darstellung zum lokalen Baurecht oben Teil I A. I. 1. c); Spiess, Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftsbürgerlichen Villenarchitektur in Lüdenscheid von 1800 bis 1918, in: Trox, Preußen und Wir, S. 157. 272 Sauerländer, Schlechtes Wasser gefährdete die Stadt, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 17. 4. 1959. 270 271

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welches, aus alten Zeiten herstammend, großenteils gar nicht bekannt ist. Die Praxis ist in früheren Zeiten, wie verlautet, so gewesen, da jeder Privatmann auf eigene Hand sich einen Abzugskanal anlegte und solange fortarbeitete, bis er auf einen schon vorhandenen stieß, worin er dann den seinen münden ließ. Diese Kanäle sind sehr eng und können ohne Aufbrechen derselben gar nicht gereinigt werden. Die Spülung derselben wird bei der Lage der Stadt an einem steilen Abhange den Meteor (Regen-)wassern überlassen. Da diese Kanäle nicht weniger als dicht sind, so dringen auch aus denselben unzweifelhaft organische Überreste in das Erdreich. Endlich beherbergt der im Mittelpunkt der Winterseite gelegene alte Kirchhof, wie seine teilweise Abtragung bewies, eine solche Menge von noch nicht ganz verwesten Knochen, daß wohl anzunehmen ist, daß auch mit den durchsickernden Meteorwassern die Verwesungsprodukte in die Brunnen gelangen müssen.“

Ein allgemeines Nachdenken über die Folgen der Verunreinigung des Wassers setzte dann wohl erst zu Beginn des Jahres 1880 ein, als dem Wissenschaftler Robert Koch der Nachweis des Bakterienwachstums im Wasser gelungen war.273

3. Die Industrieabflüsse Die auflebenden Industrien in der Stadt Lüdenscheid hatten einen Schwerpunkt in der Metallverarbeitung und -veredlung, insbesondere im Bereich der Knopfindustrie.274 Die anfallenden Reststoffe des Verarbeitungsprozesses bestanden vor allem aus Säuren, Laugen und anderen chemischen Verbindungen. Bereits am 5. 4. 1833 hatte der Lüdenscheider Gerichtssekretär Scheffen als Anwohner eine Beschwerde an den Landesdirektor von Holtzbrinck in Altena gerichtet, in der er sich darüber beklagte, daß die Gebrüder Dicke die zum Reinigen der Knöpfe benutzte Beize von ihrem Haus ablaufen ließen und die zweite Fontaine der Stadt dadurch so verunreinigten, daß sie seit Jahr und Tag nicht mehr benutzt werden kann.275 Scheffens Anzeige im Jahr 1832 an den Bürgermeister hatte dazu geführt, daß ein Graben angelegt wurde, um die Beize abzuleiten. Die Maßnahme hatte jedoch offensichtlich keinen Erfolg. Der Landesdirektor forderte den Bürgermeister deshalb auf, den Gebrüdern Dicke die Verunreinigung der Fontaine zu untersagen. Das vom Bürgermeister erlassene Resolut, die Beize aufzufangen und wegzuschaffen, wurde von den Gebrüdern Dicke im Rekursverfahren angefochten. Der Landesdirektor bestätigte jedoch die Verfügung.276 In den folgenden Jahren kam es 273 Steuer, Die Wasserversorgung der Städte und Ortschaften, ihre wirtschaftliche Analyse und Entwicklung, S. 17 u. 21. 274 Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 38 ff.; Rahmede, Der Werdegang der Lüdenscheider Industrie, in: Buch der Bergstadt Lüdenscheid, S. 159 ff.; vgl. auch Trox, Preußen im südlichen Westfalen, S. 64 ff. (Katalogteil). 275 KRA Altena Nr. 39.9, lfd. Nr. 233. 276 Ebenda. Der Kreisphysikus Dr. Cramer erwiderte auf die (handschriftliche) Aktennotiz des Landesdirectors auf einer Seite der Akte des Rekursverfahrens zu der Frage, ob die Beize gefährlich sei, am 13.September 1833 schlicht: „Darüber kann kein Zweifel bestehen.“

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

immer wieder zu Beschwerden wegen der Verunreinigung des Wassers und weil die Knopfbeize sogar Hausmauern durchdrang. Mit einer Polizeiverordnung vom 26. 1. 1857277 versuchte der Magistrat den Zuständen schließlich zu begegnen: § 1: Es ist fortan verboten, die abgenutzten Beizeflüssigkeiten der Knopf- und ähnlichen Metallfabriken auf die Straße abzuleiten, oder fremden Grundstücken zuzuführen. Die Fabrikbesitzer sind vielmehr verpflichtet, für eine dem Publikum unschädliche Abführung Sorge zu tragen. § 2: Zu diesem Behufe hat jeder Besitzer einer solchen Fabrik bei derselben einen oder mehrere zur vorläufigen Aufnahme sämtlicher abgenutzter Säuren dienenden, wasserdichten, unbeweglichen und nur durch Ausschöpfen zu leerenden Behälter anzulegen und dessen Inhalt ohne Belästigung der Nachbarn und des Publikums fortzuschaffen. § 3: Übertretungen dieser Vorschriften werden mit Geldbuße bis zu zehn Talern oder verhältnismäßiger Geldstrafe geahndet. Die Fabrikinhaber sind für Zuwiderhandlungen ihrer Arbeiter oder ihrer Hausgenossen ebenfalls verantwortlich und strafbar.

Auch der bereits zitierte erste Bericht des Kreisphysikus enthielt einige Anmerkungen zu den Industriebeizen, die als Ursache der Trinkwasserverunreinigung in Betracht kamen278: „In hiesiger Stadt sind die Einwohner nun sehr geneigt, eine jede Verderbnis des Trinkwassers kurzweg auf Verunreinigungen durch Metallbeizen zu schieben. Dies ist aber bei einigen der in Rede stehenden Brunnen gerade zu unmöglich, da dieselben höher liegen als irgendeine Metallwarenfabrik, und auch andere deuten, obgleich ich noch keine chemische Untersuchung vorgenommen habe, auf ganz etwas anderes hin, als auf Kupfer und Zink oder freie Säuren. Auch sind die Fabrikanten viel zu klug dazu, als daß sie die Metalle und Säuren, die sie in einfacher Weise wieder nutzbar machen können, wie früher fortgießen sollten.“

Diese etwas industrieprosaische Formulierung des Kreisphysikus scheint mehr eine Aufforderung, als eine Feststellung gewesen zu sein. Tatsächlich war es Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wohl eher so, daß die Beizeabflüsse der Fabriken gem. städtischer Polizeiverordnung vom 26. 1. 1857 zum Teil zwar in Senkgruben aufgefangen wurden, dann aber doch auf Grund der mangelhaften Bauausführung ihren Weg in das Grundwasser und sodann in die Brunnen fanden. Einige Firmen an der Altenaer Straße leiteten ihre Abwässer im Gegensatz zu den neueren behördlichen Vorschriften sogar unmittelbar in den Straßengraben, so daß sie entlang der Altenaer Straße zu Tal flossen und weitere Brunnen verdarben.279 Dieser Sachverhalt war einige Jahre später im Zusammenhang mit der Ableitung der städtischen Kanalisationswässer in den Rahmedebach auch Streitgegenstand 277 STA Lüd. A 838, Verbot die Beizeflüssigkeiten auf die Straße abzuleiten oder fremden Grundstücken zuzuführen vom 26. 1. 1857. 278 Sauerländer, Schlechtes Wasser gefährdete die Stadt, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 17. 4. 1959. 279 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 204; ders. Das politische Leben in Lüdenscheid 1871 – 1890, in: Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen, S. 79.

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im Prozeß um die Geruchsemissionen der Lüdenscheider Kläranlage in der Nähe des Hauses des Fabrikanten Dahlhaus.280 Die abfließenden Industriebeizen kamen schließlich in einem Prozeß gegen die Stadt Lüdenscheid zur Sprache, den die Brüder Julius und Wilhelm Turck wegen der Vermehrung der Vorflut im Zuge des Ausbaus der Humboldstraße auf ihrem Grundstück in der Nähe der Altenaer Straße angestrengt hatten. Der Bürgermeister hatte ein Eingreifen abgelehnt, da die Sache zur Kompetenz der Polizeibehörde nicht zugehörig sei. Die Landratsbehörde und die Kgl. Regierung entschieden anders und wiesen den Bürgermeister zum Vorgehen an, weil sie annahmen, daß eine willkürliche und unberechtigte Änderung des Wasserab- und -zuflusses zum Nachteil der Herren Turck durch die Stadt vorgenommen und darum polizeilich einzuschreiten sei.281 Auf den Rekurs der Stadt verwies jedoch das preußische Innenministerium die Sache auf den Zivilrechtsweg.282 Der Tatbestand des in dieser Sache ergangenen Urteils des Kgl. Kreisgerichtes Lüdenscheid aus dem Jahr 1872 wies folgenden Klägervortrag aus283: „Vermehrt aber seien alle Übelstände noch dadurch, daß der Durchlaß in der Humboldstraße und der in denselben von der Schulstraße her mündenden Kanal aus verschiedenen Fabriken Beizeabflüsse auf das klägerische Grundstück leite, durch deren schädlichen Einflüssen klägerischen Garten alle Vegetation verdorre.“

Die Beweisaufnahme wertete das Gericht zu Gunsten der Klägerseite, so daß die Stadt Lüdenscheid den von ihr angelegten Grabenabfluß im Wege des Schadensersatzes auf das vorherige Maß zurückführen mußte.284 Die städtische Behörde sah trotz des Prozesses und der jahrelangen Beschwerden keinen Grund für weitere Maßnahmen. Sie vermerkte lediglich im Verwaltungsbericht für 1872285: „Reines, gesundes Wasser thut aber vor Allem noth und dieses kann für die Existenz der Lüdenscheider Bewohner noch weniger entbehrlich werden, als die ganze Knopf- und Metallindustrie. Darum sollen die Fabrikanten aus freiem Antriebe – ohne es immer auf Zwangsmaßregeln ankommen zu lassen – dazu übergehen, die möglichst besten Einrichtungen zu treffen, um die Schädlichkeiten der Beizeabflüsse zu verhüten, wie es auch vielfach geschehen ist. Sonst muß immer zur Neutralisation mittels Kalk das vorgeschriebene Verfahren angewandt werden (RegierungsVO vom 10. 6. 1871).“

Die Trinkwasserversorgung und auch die Kanalisation blieben damit ungelöste Probleme, die der Verwaltung der Stadt trotz erheblicher Gefahren für ihre Bürger zunächst keinen Anlaß zum Handeln gaben.

Vgl. unten Teil I C. II. 3. c) dd) bbb). Vgl. KRA Altena 33.5, lfd. Nr. 171. 282 STA Lüd. A 378, Verw.Ber. für 1872, S. 49 mit Verweis auf Kgl. Rescript v. 14. 4. 1871. 283 STA Lüd. A 1821, Urteil der 1. Abt. des Kgl. Kreisgerichtes Lüdenscheid vom 12. 11. 1872 , Az.: I 11193. 284 Ebenda. 285 STA Lüd. A 378, Verw.Ber. für 1872, S. 49. 280 281

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

III. Von der Bürgerinitiative zur Wasserkommission Noch im Jahr 1858 vermerkte Bürgermeister Nottebohm in seinem Verwaltungsbericht zu den letzten Maßnahmen der Wasserversorgung286: „Der an der Mauer des Kfm. Th. Hüttebräucker gegrabene Brunnen mit Pumpe liefert so viel Wasser, daß die ganze Oberstadt ihren Bedarf daraus wird nehmen können und wird allem Vernehmen nach auch bei der größten Wasserarmut unserer Gegend nicht versiegen.“

Der trockene Sommer des Jahres 1874 und der damit verbundene Wassermangel war der Auslöser für mehrere Volksversammlungen, aus deren Mitte einige Petitionen an den Magistrat gerichtet wurden. Der frühere Kreisrichter Lenzmann, der am 1. 8. 1874 zum Notar in Lüdenscheid bestellt worden war, trat an die Spitze derjenigen Bürger, die bereits zu diesem Zeitpunkt die ganze Tragweite der „Wasserkalamität“ und ihre Ursachen als Gefahr erkannten. Lenzmann gehörte einer aus der Mitte der Bürgerschaft gebildeten Kommission an, die auf umgehende Maßnahmen drängte.287 Weder Magistrat noch Stadtverordnete zeigten jedoch den Willen, sich der Beschaffung qualitativ hochwertigen Wassers anzunehmen. Die Stadtverordnetenversammlung sah sich als der alleinige Vertreter der Bürgerschaft und an andere Willensbildungsprozesse aus der Bevölkerung in keiner Weise gebunden. 1877 wurde lediglich ein unterirdisches Wasserreservoir angelegt, um das Wasser der Stollen am Fuße von Loh und Staberg zu regulieren. Anfang der 80er Jahre verschärfte dann die hohe Bevölkerungszunahme und der allgemeine Gesundheitszustand die Lage in der Stadt. Jetzt ging die Initiative vom Bürgermeister Selbach aus, der seit 1874 dem Magistrat vorstand und einstimmig von der Stadtverordnetenversammlung gewählt worden war.288 Notar Lenzman, der mittlerweile selbst Stadtverordneter geworden war, unterstützte ihn tatkräftig, obwohl im Stadtverordnetenkollegium seine Idee einer Wasserleitung für eine private Sache der Betroffenen gehalten wurde. Da durch die sommerliche Hitze des Jahres 1881 die Wasserversorgung jedoch streckenweise völlig zum Erliegen kam289, lenkte die Stadtverordnetenversammlung ein und machte den Weg für eine von der interessierten Bürgerschaft am 28. 7. 1881 gewählte Kommission frei, die zunächst mit Spenden die Wasserleitung projektieren und das entsprechende Angebot den städtischen Organen zur Beschlußfassung vorlegen sollte.290 Einer städtischen Kommission aus beiden Organen, wie sie der Magistrat vorgeschlagen hatte, blieb die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung wohl aus der Furcht vor einer zwingenden Beschlußlage versagt. Der „inoffiziellen“ Kommission aus der BürSTA Lüd. A 376, Verw.Ber. für 1858. Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 205; Lüdenscheider Wochenblatt v. 13. 3. 1875. 288 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 232. 289 Lüdenscheider Wochenblatt v. 23. 7. 1881. 290 STA Lüd. A 380, Verw.Ber. 1881 – 1886, S. 29. 286 287

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gerschaft gehörten dennoch Bürgermeister Selbach, Dr. Terfloth, Dr. Kauert, E. Vedder, Eduard Horn, E. v. d. Halle, Notar Lenzmann und der Straßenbaumeister Kleine an. Die Kommission begann ihre Arbeit mit einer Sitzung am 28. 7. 1881 und verschaffte sich zunächst einen Überblick über die Bürger, die bereits früher entsprechende Vorarbeiten durch freiwillige Beiträge begleitet hatten. Die so finanzierten Untersuchungen hatten ergeben, daß von 144 untersuchten Brunnen 44 gutes, 31 halb gutes und 69 ungeeignetes Wasser lieferten. Dazu berichtete Kreisphysikus Dr. Terfloth, daß jährlich noch 9.000 Zentner Beizeabflüsse in den Boden sickerten und diesen verunreinigten. Die Kommission verfaßte einen öffentlichen Aufruf für die Zahlung weiterer Beträge, so daß „. . .die unterzeichnende Commission unverzüglich unter Zuziehung bewährter Geologen und Wasserleitungstechniker die Cardinalfrage zur definitiven Entscheidung bringen (wird), ob und an welchen Punkten gesundes Trinkwasser für die Stadt Lüdenscheid in gesunder Menge vorhanden ist.“

Das Resultat der Sammlung waren 4.700 Mark. Im Laufe des Spätsommers 1881 wurden schließlich vier Projekte vorgeschlagen, die dem Geh. Rat Oberberghauptmann a.D. von Dechen in Bonn zur Begutachtung vorgelegt wurden. Als Anhaltspunkt verfolgte die Kommission dabei zunächst eine Berechnung des Ingenieurs Disselhof, dem technischen Direktor des benachbarten Iserlohner Wasserwerkes, der das Wasseraufkommen für 12.000 Einwohner auf 2.000 cbm in 24 Stunden, also 23 Liter pro Sekunde, schätzte. Das Projekt von Disselhof sah zur Wasserversorgung der Stadt die Anlage eines Pumpwerkes im wasserreichen Brenscheider Tal vor, das auf der Südseite vor Lüdenscheid lag. Ein weiteres Projekt bevorzugte den Bau einer Pumpstation talabwärts von Brenscheid an der Straße zwischen Lüdenscheid und Brügge, unweit der Elspe. Ein anderer Vorschlag bestand in der Abteufung eines Brunnens südöstlich der Stadt auf der sog. Höhe oder am Stadtwald bei Paulmannshöhe. Auch die Anlage eines Wassergewinnungsstollens am nördlichen Abhang der Homert, südlich von Lüdenscheid, wurde vom Straßenmeister Kleine vorgeschlagen. Der Geh. Rat von Dechen favorisierte das zuletzt genannte Projekt, da nach seiner Ansicht nur hier ein Wasserquantum von anfänglich 1.000 cbm / Tag als Minimum zu erwarten sei und sich diese Menge durch weitere querverlaufende Aufschlußstollen problemlos vergrößern lasse.291 Auch könne dadurch auf ein kostspieliges Pumpwerk verzichtet werden. Die Kommission gab sich mit diesem Ergebnis jedoch nicht zufrieden und teilte dem Bürgermeister mit, den Geologen und Kgl. Bergrat Emmerich aus Arnsberg mit einem Zweitgutachten beauftragt zu haben. Dieser beurteilte Anfang Dezember 1881 die allgemeinen geologischen und speziellen örtlichen Verhältnisse als äußerst günstig zur Ausbeutung der wasserführenden Schichten des Homerthanges.292 Insbesondere die Probebohrung ergab in 15 Metern Tiefe einen Zufluß von 39 cbm / Tag. 291 292

STA Lüd. A 380, Verw. Ber. 1881 – 1886, S. 32. Ebenda, S. 34.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

Auf Grund der regionalen Niederschläge und der Länge des Wassergewinnungsstollens kalkulierte Emmerich ein Wasserquantum von 2.144 cbm / Tag. Die Kommission wartete noch eine trockene Witterungsphase im Februar 1882 ab, um aus den angelegten Bohrlöchern weitere Aufschlüsse über die zu erwartende Wassermenge zu erhalten. Das Ergebnis293 war jedoch so enttäuschend, daß einige Kommissionsmitglieder sich nicht getrauten, die vorliegenden Gutachten bei der Stadtverordnetenversammlung einzureichen und den Bau der Wasserleitung zu beantragen. Die Finanzlage der Stadt war schlecht und das Risiko des Fehlschlagens des Projektes konnte nicht ausgeschlossen werden. Die Kommission suchte nunmehr einen Unternehmer, der die Wasserleitung für die Stadt Lüdenscheid auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko anlegen wollte. Die Auswahl unter mehreren Empfehlungen im Wasserfach294 fiel auf den Geh. Rat Henoch aus Gotha, der als einziger der Bewerber für das Projekt seine Offerte spezifizieren konnte. Der Vertreter der Wasserkommission, Notar Lenzmann, faßte später vor der Stadtverordnetenversammlung, die über den 2. Vorvertrag zum Wasserkonzessionsvertrag von 1883 zu entscheiden hatte, die Situation so zusammen295: „Scheitert das Projekt des Herrn Henoch, gut, so ist er auch selbst dafür verantwortlich, und es kostet sein Geld. Bei einem derartigen Risiko muß auch etwas verdient werden. Findet aber die Stadt nicht genügend Wasser, so ist dieselbe ruiniert.“

IV. Verhandlungen und Verträge Die Umsetzung des ehrgeizigen Zieles der Wassergewinnung außerhalb des Stadtgebietes in einen Vertrag zwischen der Stadt Lüdenscheid und dem Geh. Rat Henoch erfolgte nur unter langsamer Annäherung der Standpunkte. Dazu kamen zwei Vorverträge, ein Konzessionsvertrag und ein Regulativ zwischen den Parteien zum Abschluß. Eine städtische Kommission war durch eine Informationsreise nach Gotha und Jena von den projektierten Wasserleitungsanlagen Henochs überzeugt und schloß mit diesem am 8. 7. 1882 einen ersten, „provisorischen“ Vertrag.296 Der Geh. Rat Henoch sicherte in diesem ersten Vorvertrag zu, sich an sein Angebot zur Projektierung einer Wasserleitung für Lüdenscheid bis zum 31. 8. 1882 gebunden zu halten. Die Kommission hatte nunmehr ihre Aufgabe erfüllt und präsentierte Magistrat und Stadtverordneten den potentiellen Vertragspartner Henoch. Die Beratung der Stadtverordnetenversammlung vom 10. 7. 1882 ergab die Notwendigkeit eines weiteren Vorvertrages297, mit dem der Geh. Rat Henoch die „Konzession“ zur Durchführung der erforderlichen Untersuchungen für das Was293 294 295 296 297

Ebenda, S. 35. Die Wassermenge erreichte nicht einmal 3cbm / Tag. So wurde die Branche 1881 genannt. Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 31. STA Lüd. A 380, Verw. Ber. 1881 –1886, S. 36. Ebenda, S. 36 ff.

B. Der Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung

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serleitungsprojekt erhalten sollte. Gleichzeitig sollte für den Fall des positiven Befundes der Vertragsrahmen für einen definitiven Vertrag abgesteckt werden. Dieser zweite Vorvertrag kam mit dem Geh. Rat Henoch bereits am 29. 7. 1882 – also rund einen Monat vor Ablauf der Frist – zu Stande und wurde am 8. 8. 1882 von der Stadtverordnetenversammlung gem. §§ 35, 56 Nr. 2 Westfälische Städteordnung genehmigt. Inhaltlich waren die Regelungen in den Gegenstand der Untersuchung und das spätere Konzessionsvertragsverhältnis gegliedert. Die §§ 1 – 3 des zweiten Vorvertrages vom 29. 7. / 8. 8. 1882 enthielten die Bestimmungen über die geologisch / technischen Untersuchungen zum Bau einer Wassergewinnungsanlage / einer Wasserleitung auf Kosten des Geh. Rates Henoch, zu denen die Stadt die Erlaubnis erteilte und ihre Hilfe bei behördlichen und eigentumsrechtlichen Problemen zusicherte. § 4 verpflichtete die Stadt Lüdenscheid zur Erteilung der städtischen Konzession für die Wasserleitung innerhalb von drei Monaten, wenn die Untersuchungen acht Monate nach Abschluß des zweiten Vorvertrages zu einem positiven Ergebnis gelangt waren. Die §§ 5 – 8 sahen bereits die wesentlichen Regelungen im Vorgriff auf den eigentlichen Konzessionsvertrag vor, die dadurch für beide Seiten als zukünftige Vertragsgrundlage verbindlich wurden. Der zweite Vorvertrag vom 29. 7. / 8. 8. 1882 wurde noch durch ein Regulativ298 gleichen Datums ergänzt, das den Unternehmer Henoch auf die gem. § 5 h) anzusetzenden Wassertarife, deren Ermäßigungen und die den privaten Abnehmern aufzuerlegenden Vertragsregelungen verpflichtete. Die Konditionen der Wasserlieferung waren dem Unternehmer damit weitgehend vorgeschrieben und bedurften lediglich noch der späteren Umsetzung durch einen privaten Wasserlieferungsvertrag zwischen Unternehmer und dem jeweiligen Wasserabnehmer, in der Regel dem Hauseigentümer. Die parallele Vereinbarung des „Regulativs“ muß in Anlehnung an die französischen „cahier des charges types“299 als zusätzliche Bedingung der Zustimmungsvereinbarung gesehen werden, die hier gleichsam Zug um Zug mit der endgültigen Konzessionierung vereinbart wurde. Die Bedingungen, zu denen in Lüdenscheid Wasser von den Bürgern bezogen werden konnte, waren durch vorherige Festlegung von Wasserzins, Wassermesserentgelt, der Dauer des Wasserbezugsvertrages, der Anbindung des Grundstückes an die Wasserleitung etc. im Regulativ sozial verträglich gesichert. Als eigentlicher Konzessionsvertrag kommt nach dem Vorstehenden die am 27. 2. 1883 in Gotha geschlossene Vereinbarung300 in Betracht. § 1 verband den zweiten Vorvertrag vom 29. 7. / 8. 8. 1882 und die genannte Vereinbarung zu einem einheitlichen Vertrag mit einer Konzessionsklausel: „Die Stadt Lüdenscheid ertheilt nunmehr dem Herrn Geheimen Rat Henoch die definitive und ausschließliche Konzession zum Betriebe des städtischen Wasserwerkes auf die Dauer von 70 (siebzig) Jahren unter den sub 5a bis o des hier sub C angehefteten Vorvertrages 298 299 300

Ebenda, S. 40 ff. Vgl. oben Teil I A. II. 2. c). STA Lüd. A 380, Verw. Ber.1881 – 1886, S. 43 f.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser vom 29. Juli und 8. August 1882 aufgeführten Bedingungen, welche für beide Theile allenthalben und insoweit nicht nachstehend ausdrücklich andere Vereinbarungen festgesetzt worden sind, gerade so maßgebend und rechtswirksam für die Kontrahenten sein sollen, als wenn sie in dieser heute vollzogenen Urkunde wörtlich aufgenommen worden wären.“

§ 2 des Konzessionsvertrages stellte – deklaratorisch – fest, daß die Bedingung der positiven Wasserwerksprojektierung aus dem zweiten Vorvertrag durch den Konzessionär Henoch eingetreten war und die vorvertraglich fixierten Rechte der Parteien termingerecht aufleben konnten. Die §§ 5 und 6 änderten den 2. Vorvertrag lediglich hinsichtlich der Kostenvoranschlagssumme ab, die für die Übernahmekosten als Berechnungsgrundlage gem. § 5 l) heranzuziehen war. § 7 enthielt eine Verfall- und Befristungsklausel, durch die der Konzessionär Henoch gezwungen war, spätestens drei Monate nach dem Erwerb der Wegerechte mit dem Anlagenbau zu beginnen und nach zwei Jahren fertigzustellen. Andernfalls konnte die Stadt ihre Konzession widerrufen.

V. Das Konzessionsverhältnis Bei der rechtlichen Einordnung der Verträge und des Regulativs fällt zunächst auf, daß – im Gegensatz zu den Gaskonzessionsverträgen – der Begriff der Konzession ausdrücklich im Vertrag verwendet wurde und auch im Verwaltungsbericht für die Jahre 1881 – 1886 erwähnt ist.301 Während der erste Vorvertrag seiner Natur nach nur zur Anbahnung weiterer Vertragsverhandlungen diente, bildet der zweite Vorvertrag mit der Vereinbarung vom 27. 2. 1883 einen Konzessionsvertrag als regeltechnische Einheit. Die „Konzessionen“ betrafen jedoch unterschiedliche Rechte. In § 2 des zweiten Vorvertrages vom 29. 7. / 8. 8. 1882 erteilte die Stadt Lüdenscheid dem Unternehmer die Erlaubnis, Untersuchungen auf dem Grund und Boden der Stadt vorzunehmen oder soweit andere Behörden betroffen waren, die Zusicherung, dort eine Erlaubnis zu vermitteln. In Frage kam ein Betretungs-, Erforschungs- oder Bohrrecht und eine Probennahme auf Straßen und Grundstücken der Stadt. Die ausgesprochene Berechtigung stellt sich sowohl als Erlaubnis der Wegepolizeibehörde als auch als privatrechtliche Genehmigung der Stadt als Eigentümerin dar, wenn Privatgrundstücke der Stadt betroffen waren. Ein Konzessionsrecht im engeren Sinn, also die Verleihung eines Rechts zur Sondernutzung am Weg, war nicht gegeben. Die Bezeichnung dieser vertraglichen Zusage als „Konzession“ ist daher noch der veralteten verwaltungsrechtlichen Terminologie zuzuschreiben. Das eigentliche „Konzessionsrecht“ zur Verlegung der Wasserrohrleitungen im Rahmen der Wasserversorgung beruht auf § 1 der Vereinbarung vom 27. 2. 1883. Der damit wirksam abgeschlossene Konzessionsvertrag über den Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung liegt ca. vier Jahre vor dem Neuabschluß des 301

STA Lüd. A 380, Verw.Ber. 1881 – 1886, Berichtstext S. 36.

B. Der Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung

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Konzessionsvertrages über die Gasversorgung. Für die Sondernutzung an den Ortsstraßen Lüdenscheids durch Einlegen von Wasserrohren in den Straßenkörper waren auch zu diesem früheren Zeitpunkt die Verleihung des Sondernutzungsrechtes durch den Magistrat als Wegepolizeibehörde und die Zustimmungserklärung des Magistrats als Wegebaubehörde durch Verwaltungsakte erforderlich.302 Dazu trat die vertragliche Vereinbarung zwischen der Stadt als Eigentümerin der Ortsstraßen und dem Unternehmer unter welchen Bedingungen die Zustimmung zur Sondernutzung erteilt wurde. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß eine andere rechtliche Konstruktionsmethode des Konzessionsverhältnisses als die vorstehend unter A. II. 3. dargelegte zutreffend ist. Der Schutz des Konzessionsrechtes – die exklusive Gestattung zur Verlegung von Röhren in den Wegekörper gegenüber dem Unternehmer – war in § 1 des Konzessionsvertrages i. V. m. § 5 f) des zweiten Vorvertrages verankert: „Die Stadtgemeinde verspricht, daß Niemandem als dem Geh. Baurath Henoch gestattet werden soll, die Straßen der Stadt oder sonstiges innerhalb der Stadt liegendes Eigenthum behufs Anlegung einer anderen Wasserleitungsanstalt zu benutzen.“

Die Frage des Erwerbs von Grundstücken stellte sich für den Unternehmer daneben noch insofern, als die projektierte Wasserleitung durch Stollen mit natürlichem Gefälle von außen an die Stadt herangeführt werden mußte und erst dann im Straßenkörper als Straßenrohrnetz weitergeführt werden konnte. § 1 des Konzessionsvertrages i. V. m. § 5 e) des 2. Vorvertrages sah über die Sondernutzung der Ortsstraßen hinaus deshalb noch besondere Regelungen für die Nutzung städtischer Grundstücke und für die Beschaffung innerhalb oder außerhalb der Stadt gelegener privater Grundstücke zur Verlegung der Wasserleitung oder für wassertechnische Bauten wie Druckbehälter etc. vor: „Die Stadtgemeinde gestattet die Einlegung der Rohrleitungen, Herstellung der Quellenfassungen, Reservoire und aller übrigen Bestandtheile des Wasserwerkes auf städtischem Grundeigenthum ohne irgendwelche Entschädigung. Sie führt, insoweit dies vom Geh. Baurath Henoch beansprucht werden sollte und gesetzlich zulässig erscheint, diejenigen Verhandlungen, welche zum Erwerbe oder zur servituarischen Benutzung von Privatgrundstücken im Wege freier Vereinbarung, oder jenem der Expropriation sich als erforderlich herausstellen sollten, während der Geh. Baurath Henoch die diesbezüglichen Erwerbskosten zu tragen hat. Die Stadtgemeinde hat die Erlaubnis der Staats- Provinzial- und Kreisbehörden zur Benutzung des von denselben verwalteten oder ihnen gehörenden Areals für die Anlage zu erwirken, wenn solches dafür in Frage kommen sollte.“

Die vertragliche Regelung wurde – wie sich später zeigte – nicht umsonst aufgenommen, da sich Widerstand bei den betroffenen Grundeigentümern in der Landgemeinde Lüdenscheid regte. Erst nachdem auf Antrag unter Einreichung eines Plans die Enteignung der betroffenen Grundstücksteile auf Grund des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. 6. 1874303 durch die Re302 303

Vgl. oben Teil I A. III. PreußGS. 221.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

gierung in Arnsberg verfügt worden war, konnte am 15. 4. 1884 mit den Stollenbauarbeiten begonnen werden. Die Wasserversorgung der Stadt Lüdenscheid war nur durch Zuleitung von außen zu gewährleisten. Damit war ein „Grund des öffentlichen Wohls“ gegeben, der gemäß § 1 des Gesetzes die Regierung zur Enteignung – gegen vollständige Entschädigung der Grundeigentümer – berechtigte. Die Stadt leistete für das öffentliche Wohl selbstverständlich ebenfalls Beiträge, da sie nicht nur die Straßen innerhalb des Stadtbezirkes für das Rohrnetz, sondern auch ihre Grundstücke außerhalb der Stadt zur Verfügung stellte. Die Verleihung des Sondernutzungsrechtes zum Einlegen von Wasserleitungen vom Magistrat an den Unternehmer, die Zustimmungserklärung der Stadt zur Verleihung des Sondernutzungsrechtes und die Vereinbarung der Bedingungen für die Zustimmung zwischen Stadt und Unternehmer bilden auch bei der Wasserversorgung die Elemente des Konzessionsvertrages. Während es sich bei der Verleihung um einen Verwaltungsakt des Magistrates als Wegepolizeibehörde handelte, war die Zustimmungserklärung ein Verwaltungsakt des Magistrats als Wegebaubehörde. Der Beschluß der Stadtverordneten gem. § 35 Westfälische Städteordnung genehmigte die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Stadt und Unternehmer. Der Konzessionsvertrag über die leitungsgebundene Wasserversorgung in Lüdenscheid im Jahr 1883 stellte sich damit als eine Urkunde der vertraglichen Vereinbarung der Stadt und der konkludenten behördlichen Verwaltungsakte durch den Magistrat über das Sondernutzungsrecht und die Zustimmung zur Sondernutzung dar. Als konstitutives Element des in der Urkunde zum Ausdruck kommenden Konzessionsrechtsverhältnisses ist die – vertraglich gegebene – wegerechtliche Zustimmungserklärung der Korporation zur Sondernutzung anzusehen. Die Steuerung des Konzessionsverhältnisses blieb damit funktionell letztlich dem Votum des für die Genehmigung von das Gemeindevermögen betreffenden Verträgen zuständigen Organs der Korporation, der Stadtverordnetenversammlung, vorbehalten.

VI. Die Auswirkungen auf die Wasserversorgung in Lüdenscheid im 19. Jahrhundert Das Prozedere bei der Vergabe des Auftrages zum Bau und Betrieb einer leitungsgebundenen Wasserversorgung durch den Abschluß von zwei Vorverträgen, einem Regulativ und einem Konzessionsvertrag zeigt, wie unter Beachtung der für möglich gehaltenen ökonomischen und rechtlichen Folgen über das faktisch bestehende Monopol verfügt wurde. Die Erfahrungen mit der Gasgesellschaft spielen dabei eine wesentliche Rolle. Der Auswahl des potentiellen Vertragspartners folgte die Ausarbeitung des Projekts durch diesen und im letzten Schritt die Konzessionserteilung, wobei die gebundene Entscheidung unter Abänderung einzelner Vertragsklauseln zustande kam. Die Einflußnahme auf die Gestaltung der Lieferungsbedingungen zwischen Bürger und Unternehmer durch ein Regulativ setzt dabei einen neuen sozialgestalterischen Anspruch der Stadt um. Als am 12. 9. 1884 das

B. Der Aufbau der leitungsgebundenen Wasserversorgung

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neu gelegte Wasserrohrnetz probeweise unter Druck gesetzt werden konnte304, hatte die Stadt Lüdenscheid das Ziel der leitungsgebundenen Wasserversorgung nach Jahrzehnten der Verzögerung erreicht. Die Anlage war vertragsgemäß jedoch erst mit der Vollendung des Stollens 1886 als fertiggestellt im Sinne der Jahresfrist nach § 7 des Konzessionsvertrages anzusehen. Die Begeisterung über die gelungene Ausführung wurde jedoch im trockenen Sommer 1885 gedämpft, als ein Teil der Stadt im Monat August nur in den Morgenstunden versorgt werden konnte. 1887 beschädigte nachrutschendes Erdreich den Stollen und behinderte den Wasserfluß. Man sah sich mit der Tatsache konfrontiert, daß der Homertstollen in den Sommermonaten nicht in der Lage war, die vertraglich festgelegte Wassermenge zu liefern. Die Stadt Lüdenscheid führte daraufhin schon Verhandlungen mit dem Ziel, die gesamte Wasserleitungsanlage zum Preis von 464.406,77 Mark zu übernehmen, als der Geh. Rat Henoch anbot, im Versetal unweit der Wasserleitung ein Pumpwerk zur Unterstützung der Wasserversorgung zu errichten. Magistrat und Stadtverordnete genehmigten das Projekt. Aus zwei Brunnen des Versetales sollte nunmehr Wasser gehoben und durch Dampfkraft in den Hochbehälter auf der Höh gepumpt werden. Die Maßnahme zur Erreichung des Vertragszweckes wurde von der Stadt Lüdenscheid gebilligt und schon nach kurzer Zeit lieferte das Pumpwerk Treckinghausen neben der Stollenanlage von außerhalb den Hauptanteil der Wasserversorgung der Stadt Lüdenscheid. Der Geh. Rat Henoch war durch den Bau des Pumpwerks zu einer Nachinvestition in seine Unternehmung gezwungen und versuchte seine finanziellen Interessen künftig besser zu schützen. Dies zeigte zum Beispiel sein Bemühen um die Beurteilung seiner Wasserwerksanlagen bei der Gemeindesteuer. Während innerhalb der Stadtgrenzen von Lüdenscheid nur das Hochreservoir, das Rohrnetz, die Abgabestellen an die Verbraucher und ein Verwaltungsgebäude lagen, standen Wasserwerk, Brunnen, Stollen und Wasserleitungen zum Großteil auf Grundstücken im Bezirk der Landgemeinde Lüdenscheid. Henoch machte geltend, daß er in der Landgemeinde Lüdenscheid keine Gemeindesteuer zu zahlen habe, weil er keine Betriebsstätte als gewerblicher Unternehmer i. S. des dort geltenden Steuerregulatives, das auf Grund des Kommunalabgabengesetzes vom 27. Juli 1885305 erlassen worden war, unterhalte. Da seiner Reklamation weder beim Kreisausschuß Altena noch beim Bezirksausschuß Arnsberg abgeholfen wurde, legte er Revision zum Preußischen Oberverwaltungsgericht gegen die Entscheidungen ein. Das Gericht entschied, daß die Betriebsstätte eines Wasserwerkes, dessen Anlagenteile in den Bezirken benachbarter Gemeinden liege, als eine einheitliche Betriebsstätte, die sich über den Bezirk beider Gemeinden erstrecke, anzusehen sei.306 Wie genau die Gemeindesteuer auf die Stadtgemeinde und die Landgemeinde Lüdenscheid danach aufgeteilt wurde, ist nicht mehr zu ermitteln.

304 305 306

Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 31. PreußGS. S. 327. OVGE 17, 249 (251 ff.).

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung in Lüdenscheid im 19. Jahrhundert vornehmlich in der Phase zwischen 1856 und 1900 Der Abschluß der Konzessionsverträge zur Versorgung der Einwohner Lüdenscheids mit Gas und Wasser stellt nur einen Teil der dringenden kommunalen Aufgaben dar, die Magistrat und Stadtverordnete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu lösen hatten. Die Einführung der leitungsgebundenen Gas- und Wasserversorgung war eine Reaktion auf konkrete Bedürfnisse der Bevölkerung und auf Gefahren des urbanen Zusammenlebens. Wie hat sich die Verwaltung im übrigen auf Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und Industrialisierung eingestellt? Welche Möglichkeiten bot die Westfälische Städteordnung? Wie entwickelte sich die städtische Verwaltung dabei organisatorisch, funktionell und personell? Ist es etwa gerechtfertigt, auf Grund der auf dem Gebiet der Versorgung getroffenen Maßnahmen von einem neuen Verwaltungstyp zu sprechen? Wie bei vielen administrativen Umwälzungen vollzog sich der Wandlungsprozeß zum Großteil ohne zeitgenössische Ordnungsziele, feste Kategorien und systematische Erfassung. Die Institute des in der Entwicklung befindlichen Verwaltungsrechts waren 1856 nur wenig ausgeprägt. Städtische Einrichtungen als solche hatten jedoch schon eine Verankerung in den Städteordnungen des 19. Jahrhunderts gefunden. Die Wurzeln der in Lüdenscheid zu untersuchenden Maßnahmen und Einrichtungen gehen auf zwei allgemeine Entwicklungen zurück – die städtische Selbstverwaltung und das Polizeiwesen. Bei der Vielzahl der Indikatoren, die auf die Etablierung von Maßnahmen und Einrichtungen eines neuen Verwaltungstyps hindeuten, ist der Struktur der Verwaltung und ihrer Entwicklung oft nur wenig Raum gewährt worden. Der Aspekt der „leistenden Verwaltung“ ist dabei nicht etwa mit der Leistungsfähigkeit der Verwaltung gleichzusetzen. Es handelt sich vielmehr um den instrumentalisierten Bereich der Verwaltungstätigkeit, für die hier bisher die Verwaltungsmaßnahmen auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Versorgungsgüter beschrieben worden sind. Ob und inwieweit sich die Verwaltung der Stadt Lüdenscheid auf diese und andere neue Aufgaben einstellte, soll unter Beachtung der Veränderungen der Stadtverfassung, anhand der Verwaltungsgliederung, der Geschäfts- und Aufgabenverteilung in der städtischen Verwaltung sowie ihrem Geschäftsablauf und dem Stellenplan untersucht werden. Als Bindeglied wird eine zusammenfassende Darstellung der lokalen Bevölkerungsentwicklung und der Industrialisierung eingeflochten.

I. Zur Abgrenzung der Leistungsverwaltung Die ersten Ansätze der Leistungsverwaltung liegen nicht offen und erschließen sich in Bezug auf die Einführung leitungsgebundener Versorgungsgüter nur über

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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eine Betrachtung der originären gemeindlichen Strukturen und der Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert.

1. Städte und Gemeinden als Träger der Leistungsverwaltung Als Ausgangspunkt einer Neuordnung der städtischen Agenden muß die Reform der Stadtverfassung durch den Freiherrn vom Stein 1808 gelten, der die im städtischen Bürgertum vorhandenen Kräfte für das Stadtregiment mobilisierte. Die gemeindliche Verfassungsentwicklung und die gemeindliche Verwaltungsentwicklung gehen dabei auf die im Mittelalter herausgebildeten genossenschaftlichen Strukturen zurück. Mit der Ansiedlung und im Wachstumsprozeß der Gemeinde konstituierte sich auf gesellschaftlicher Ebene eine autonome Raum- und Heimatgemeinschaft, deren „öffentlich-politischer“ Status sich zunächst allein aus dem raumverbindenden Gedanken der örtlichen Nachbarschaft ergab.307 Die Restriktionen der Landesherrschaft stellen sich dazu entweder als bewußt geförderter Prozeß der Ansiedlung oder als Duldung und Nutzung der freien Ansiedlung dar. Ein (verwaltungs-)rechtliches Organisationsprinzip empfing die Gemeinschaft erst durch Formierung und Legitimation aus landesherrschaftlicher – aus staatlicher – Hand. Die Gemeinde stellte sich insoweit als eine genossenschaftliche Grundform dar und wuchs erst in der Folgezeit in die staatliche Position einer abhängigen Verwaltungseinheit hinein.308 Als verfassungsbildende Grundfaktoren der Stadtkulturen des hohen und späten Mittelalters sind die gegenseitigen Beistands- und Unterstützungspflichten sowie die Nutzung der gemeinschaftsgebundenen Flächen309 anerkannt. Parallel dazu haben sich örtlich-herrschaftliche Gemeinschaftsfunktionen herausgebildet, die als Ortspolizei durch eigene Prägung oder durch verliehenes Recht Bestand fanden. Im Absolutismus hat neben der im zunehmenden Maße in die Organisation des Staates einbezogenen Gemeindeverwaltung eine – zum Teil sogar organisatorisch verselbständigte – Wirtschafts- und Realgemeinde bestanden, die ein hohes Maß an Autonomie genoß.310 Der universelle Machtanspruch des Königs trat dem genossenschaftlichen Gemeinwesen gegenüber und führte im Zusammenwirken mit der Rezeption der römisch-kanonistischen Korporationslehre zur Umgestaltung der Gemeinde vom genossenschaftlichen Bürgerverband zur juristischen-korporativen Verbandsperson.311 Die zunehmende Herausbildung des Gegensatzes zwi307 Scholz, Das Wesen und die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, S. 35; Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 70 ff. 308 Scholz, S. 36; König, Die Gemeinde im Blickfeld der Soziologie, in: HKWP I S. 18 ff. 309 Allmendenordnung. 310 Scholz, Das Wesen und die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, S. 35 ff.; Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 33. 311 Preuß, Städtisches Amtsrecht in Preußen, S. 36; Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 638 ff.; Scholz, S. 37.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

schen öffentlichem Recht und Privatrecht überwies die „öffentlich-politische“ Grundkomponente des Gemeinwesens der staatlich-öffentlich-rechtlichen Seite, indem die Gemeinde in den staatlichen Verwaltungsorganismus eingegliedert wurde. Die früheren originären Selbstverwaltungsrechte behielten nur teilweise und in Form staatlich verliehener Privilegien Bestand.312 Die genossenschaftliche und wirtschaftliche Grundkomponente der Gemeinde wurde der privatrechtlichen Materie zugeschrieben. Die städtische Selbstverwaltung des 19. Jahrhunderts auf der Grundlage der Städteordnung des Freiherrn vom Stein griff auf die früheren Strukturen zurück und gewährte der Bürgerschaft einen kommunal begrenzten Gestaltungsraum, der zum staatlichen Prinzip der Selbstverwaltung erhoben wurde. Aus den vielfältigen „Veranstaltungen“ der Stadt des Absolutismus und der städtischen Vermögensverwaltung sind die Rechte und Pflichten der Stadtverordnetenversammlung als Organ gewonnen worden, während die polizeirechtliche Kompetenz dem Magistrat als staatlichem Vertreter übertragen war. Die Organisationskompetenz der Gemeinden bei der Wahrnehmung der eigenen Aufgaben gewährte die Auswahl unter den öffentlich-rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Städteordnung und des Privatrechts. Bei den ersteren handelt es sich um die öffentlichen Einrichtungen der Stadt, bei der letzteren um die Wahrnehmung fiskalischer Interessen. Die Fortschritte der gemeindlichen Verfassungsentwicklung durch die Städteordnungen des 19. Jahrhunderts bedurften als Pendant der Ausbildung institutioneller Einrichtungsverwaltungen. Verwaltungsmaßnahmen, die der Bürgerschaft Vorteile zuwendeten, sind von da her als frühe Leistungsverwaltung anzusehen.

2. Wurzeln der Leistungsverwaltung im Polizeirecht Bereits im 15. Jahrhundert sind Tendenzen erkennbar, die den Schutz der Untertanen und Bürger mit Verhaltensregeln in den verschiedenartigsten Lebensbereichen zum Gegenstand haben. Als „gute Polizei“ wurde alle auf die Wahrung und Förderung des Zustandes guter Ordnung des Gemeinwesens gerichtete Staatstätigkeit begriffen.313 Diese Bedeutung der „Polizei“ lag später den Reichspolizeiordnungen und den Polizeiordnungen der Landesherren und Städte zugrunde.314 Mit der Ausgliederung der auswärtigen Angelegenheiten, der Finanz-, Justiz- und Preuß, S. 36 f.; Scholz, S. 38. Deutsche Verwaltungsgeschichte / v. Unruh, Bd. I (1983), S. 369 ff.; Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, S. 92 ff.; Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 3. 314 Zum weiten Gegenstandsbereich der bekanntesten Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, S. 16 f. Für die Stadt Lüdenscheid kann exemplarisch auf die Feuerpolizeiordnung des Bürgermeisters Cronenberg von 1693 verwiesen werden, vgl. auch Hostert, Feuerordnung konnte Stadtbrand nicht verhindern, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 12. 08. 2000. 312 313

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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Heeresangelegenheiten aus der allgemeinen Staatsverwaltung verblieb für die Polizei nur noch die innere Verwaltung. Inhaltlich erstreckte sich der – unter dem beherrschenden Einfluß der eudämonistischen Staatstheorien stehende – Begriff der Polizei im materiellen Sinn auf die staatliche Tätigkeit der Gewährleistung der Sicherheit im Staat und auf die Förderung der öffentlichen Wohlfahrt. Als Endzweck der Polizei in allen Bereichen des täglichen Lebens waren nach von Justi diejenigen obrigkeitlichen Maßnahmen anzusehen, die Wohlfahrt und Glückseligkeit der einzelnen Familien mit dem gemeinschaftlich Besten in Einklang brachten.315 Der Reichspublizist Johann Jakob Moser zählte 1773 zu den Aufgaben der Polizei „ . . . die Beförderung der äußeren Glückseligkeit der Untertanen.“316

Die polizeiliche Aufmerksamkeit des Landesherren orientierte sich damit nicht an den persönlichen Wünschen des Einzelnen, sondern förderte von sich aus den erwünschten Gesellschaftszustand durch detaillierte Verhaltensregelungen und Einrichtungen. Mit der Ausbreitung der Polizeiwissenschaft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erfuhr der absolutistische Polizeibegriff eine gewisse – wenn zunächst auch nur theoretische – Einschränkung durch die Staatsphilosophie der Aufklärung. Prägnanten Ausdruck gab der Lehre von der Begrenzung des Staatszwecks in Polizeiangelegenheiten – also der inneren Verwaltung – Johann Stephan Pütter, der bereits 1770 nur die Gefahrenabwehr als eigentliche Aufgabe der Polizei ansah.317 Diese von Carl Gottlieb Svarez im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 aufgenommene Begriffseinschränkung spiegelt sich zwar in der Generalklausel des § 10 II 17 ALR wider318, die Pflichten des Staatsoberhauptes gingen jedoch mit §§ 2, 3 II 13 ALR319 weit darüber hinaus. Die Teilung der Wohlfahrtsförderung von der Gefahrenabwehr war damit im ALR nur angelegt.320 315 Justi, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, § 8. 316 Moser, Neues Teutsches Staatsrecht, Bd. 16,6: Von der Landeshoheit in Polizeysachen, S. 2 ff. 317 Pütter, Institutiones Juris Publici Germanici, § 321: „Aufgabe der Polizei ist die Abwehr der bevorstehenden Gefahren; die Wohlfahrt zu fördern ist nicht eigentliche Aufgabe der Polizei.“ 318 „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.“ 319 § 2 II 13 ALR: „. . .sowohl die äußere als die innere Ruhe und Sicherheit zu erhalten, und einem Jeden bey dem Seinigen gegen Gewalt und Störungen zu schützen.“; § 3 II 13 ALR: „. . .für Anstalten zu sorgen, wodurch den Einwohnern Mittel und Gelegenheit verschafft werden, ihre Fähigkeiten und Kräfte auszubilden, und dieselben zur Beförderung ihres Wohlstandes anzuwenden.“ 320 Deutsche Verwaltungsgeschichte / v. Unruh, Bd. I, S. 423 ff.; Preu, S. 319 und 322; Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 5.

7 Heider

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

Die weitere Entwicklung bis zu dem berühmten Kreuzbergurteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes im Jahr 1882 zeigt, wie wenig der Polizeibegriff tatsächlich eingeengt war. Noch keiner der führenden Staats- und Verwaltungsrechtslehrer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertrat den sogenannten „juristischen“, von allen Elementen der Wohlfahrtspflege gereinigten Polizeibegriff.321 Der sozialgestalterische Auftrag der Polizei wird beispielsweise noch um 1809 durch Heinrich von Berg in der Weise formuliert, daß es die Aufgabe der Wohlfahrtspolizei sei, „ . . . den Nachtheile(n) des Volksmangels, der Ungesundheit, der häuslichen Unordnung, der Irreligiosität und des Aberglaubens, der Roheit und Unwissenheit, der Sittenlosigkeit, der zufälligen Unglücksfälle und der Hindernisse der Land- und Stadtwirthschaft. . .“322

vorzubeugen und zu begegnen. Dies war nach von Bergs Ansicht in dem Ziel aller Polizei, das darin bestehe, gemeinschädliche Übel zu verhindern, notwendig enthalten. Auch Robert von Mohl, der in den 1830er Jahren einen frühliberalen Rechtsstaatsbegriff vertrat, sah die Polizeitätigkeit in fördernder Weise entwickelt. Während die Justiz die Aufgabe hatte, allen von anderen Menschen ausgehenden Eingriffen in die Rechtssphäre des Einzelnen zu begegnen, soll die Polizei der „Übermacht äußerer Umstände“ entgegentreten, welche der allseitigen Entwicklung seiner Fähigkeiten – beispielsweise auf dem Gebiet der Bildung, der Gesundheit und des Vermögenserwerbs – entgegenstehen.323 Allgemeine Wohlfahrtsangelegenheiten prägten seit der Kgl. Verordnung über die Einrichtung der Provinzialbehörden in Preußen vom 26. 12. 1808324 das Bild der Polizei. Noch bei Erlaß des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 1850325 vertrat die Preußische Regierung einen wohlfahrtspolizeilich geprägten Standpunkt. In den nicht veröffentlichten, aber der Kammer mitgeteilten Erläuterungen zu dem Entwurf des Gesetzes heißt es326: „Welche Gegenstände überhaupt ortspolizeilicher Regelung fähig und bedürftig sind, läßt sich schwer bestimmen. Das Gebiet der Polizei ist überhaupt ein fast unbegrenztes. Sie ist der Rest oder das notwendige Komplement der übrigen Zweige der Staatsgewalt. Sie fängt da an, wo die Rechtspflege aufhört und umgekehrt. Was Staatsgesetze und höhere Verordnung ungeregelt gelassen haben, muß, wenn es im örtlichen Interesse ist, polizeilich geregelt werden.“

Die Entwicklung eines rechtsstaatlichen Polizeibegriffs beruhte in Preußen zu einem wesentlichen Teil auf der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwal321 Gröttrup, S. 29; Preu, S. 318; Angermann, Die Verbindung des „polizeistaatlichen“ Wohlfahrtsideals mit den Rechtsstaatsgedanken, in: Hist. Jb. 1955, S. 462 ff. 322 Berg, Handbuch des Teutschen Polizeyrechts, Bd. II, S. 8. 323 Zitiert bei Gröttrup, S. 30; Mohl, Die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechsstaates, Bd. I, S. 9 ff. 324 Zitiert bei Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 5. 325 PreußGS. S. 265. 326 Zitiert bei Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 6.

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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tungsgerichts. Die Wende vom Polizeistaat zum liberalen Rechtsstaat setzte sich nicht alleine mit den verfassungsmäßig differenzierten Rechten, sondern vor allem mit der Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 1875 durch. Die prozessuale Überprüfung administrativer Maßnahmen stand jedem Bürger offen, während die Partizipation an der Staatslenkung noch deutlich eingeschränkt war.327 Als Kontrolle der Exekutive hatte die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht nur wissenschaftliche, sondern auch verfassungspolitische Wirkungen entfaltet. Sie diente zunächst der Fortbildung des Verwaltungsrechts und der Ausbildung des individuellen Rechtsschutzes. Gleichzeitig stärkte sie jedoch auch die Stellung der Bürger mit der Verwirklichung der Verfassungsprinzipien.328 Die Einschränkung des materiellen Polizeibegriffs wird grundlegend erst durch das „Kreuzbergurteil“ des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes vom 14. 6. 1882329 vollzogen. Das Gericht schloß den Eingriff der Polizeibehörde zugunsten der Förderung des Gemeinwohls auf grund einer unwirksamen Polizeiverordnung – hier in Form der Versagung einer Bauerlaubnis – aus und entschied in Anerkennung rechtsstaatlicher Prinzipien, daß § 10 II 17 ALR als Eingriffsgrundlage nach dem landrechtlichen Verständnis nur die Gefahrenabwehr zulasse. Regelungen des (darüber hinausgehenden) Gemeinwohls unterlagen dem Gesetzesvorbehalt. Die Wahrung wohlfahrtsbezogener öffentlicher Belange blieb damit anderen Institutionen vorbehalten. Infolge des Zurückdrängens der Polizeiverwaltung und ihrer Kompetenzen entstand für die Stadtgemeinden ein Freiraum, der durch Maßnahmen der leistenden Verwaltung geschlossen werden mußte.

3. Versorgungsverwaltung, Daseinsvorsorge und Leistungsverwaltung Die Versorgungsgewährleistung der Verwaltung stellte sich in den deutschen Städten des 19. Jahrhunderts neben der klassischen Hoheits- und Vermögensverwaltung als Verwaltungsaufgabe neuen Typs dar. Dies bedeutet jedoch nicht, daß neue Instrumente nur in der „Versorgungsverwaltung“ für Gas, Wasser und Elektrizität Anwendung gefunden haben. Auch in anderen Bereichen der Verwaltung stellten sich neue Aufgaben. Köttgen, dem die Entdeckung der „Lenkungsverwaltung“ zugeschrieben wird, gliederte die vier Hauptaufgaben der Verwaltung zunächst in die Polizei, die Lenkung, die fürsorgerische Daseinsvorsorge und die Verwaltung des öffentlichen Finanzbedarfes.330 Die Daseinsvorsorge der Verwaltung 327 Zur Entwicklung des Verwaltungsrechtsschutzes in Preußen mit einem Nachweis seiner frühen Formen vgl. Rüfner, Verwaltunggsrechtsschutz in Preußen im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: FS Menger, S. 3 ff. 328 Von Unruh, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der preußischen Verwaltungsrechtspflege, in: FS Menger, S. 23; Preu, S. 327. 329 OVGE 9, 353 (353). 330 Köttgen, Deutsche Verwaltung, 3. Aufl., S. 156 ff.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

war ein von Forsthoff umrissener Bereich der neuen Verwaltungstätigkeit. Forsthoff wollte ursprünglich auf die zunehmende Bedeutung der leistenden Verwaltung aufmerksam machen.331 Ausgangspunkt war die infolge der Bevölkerungsvermehrung und Verstädterung eingetretene Trennung des Menschen von den Lebensgütern, die zunehmend eine Bedürfnisbefriedigung mit Hilfe der beherrschten Lebenswelt der Einzelnen durch eine administrative Bedürfnisbefriedigung mit Hilfe kollektiv bewirtschafteter Verteilungsapparate hervorruft.332 Zur Daseinsvorsorge zählte Forsthoff diejenigen Veranstaltungen, welche zur Befriedigung des Appropriationsverhältnisses getroffen werden. Darunter fielen die – Gewährleistung eines angemessenen Verhältnisses von Lohn und Preis, – die Lenkung des Bedarfs, der Erzeugung und des Umsatzes – und die Darbringung von Leistungen, auf welche der in die moderne massentümliche Lebensform verwiesene Mensch lebensnotwendig angewiesen ist.333

Forsthoffs Lehre ist nicht ohne Kritik geblieben. Badura hat darauf hingewiesen, daß sich die Daseinsvorsorge im Forsthoffschen Sinne zuerst als ein soziologischer Begriff dargestellt habe. Der verwaltungsrechtliche Begriff der Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck sei erst später von Forsthoff verwendet worden.334 Als Leistungsverwaltung wurde anfangs zunächst bezeichnet, was nicht mehr unter die klassische Eingriffsverwaltung fiel.335 Stimmt man Gröttrups späterer Einteilung und Definition der Leistungsverwaltung zu, so ist als wesentliches Merkmal ihre direkte Beziehung zum Leistungsempfänger, dem Bürger, hervorzuheben.336 Das Verwaltungsrecht identifiziert diese Beziehung zum Teil über die begünstigenden 331 Merk, Gemeindliche Daseinsvorsorge in neuerer Sicht, in: VKU, Beiträge zur kommunalen Versorgungswirtschaft, Heft 50, S. 10. 332 Forsthoff, Von den Aufgaben der Verwaltungsrechtswissenschaft, in Deutsches Recht, 1935, S. 398 ff.; ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 25 ff. (Neuauflage der Kapitel 1 und 4 der Schrift Forsthoffs aus dem Jahr 1938: Die Verwaltung als Leistungsträger); Badura, Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverwaltung, DÖV 66, S. 626. 333 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 26 f. 334 Badura, S. 627. 335 Vgl. Jellinek, 1. Aufl., S. 505, der bereits früher das bestimmende Merkmal darin erblickte, daß die Leistungssverwaltung dem Einzelnen einen Vorteil zuwendet, während die Eingriffsverwaltung ihm eine Last auferlegt. 336 Gröttrup, S. 68 m. w. N. und S. 87. Gröttrup gewinnt seine Definition und die damit verbundenen Einschränkungen der Bereiche der Leistungsverwaltung einer Untersuchung der verwaltungsrechtlichen Entwicklung und leitet seine Folgerungen in erster Linie aus einer Kritik an dem von Forsthoff konzipierten Rechtsbegriff der Daseinsvorsorge ab. An diesem weiten Begriff kritisiert Gröttrup die fehlende Präzision, um als Anknüpfungspukt von Rechtsfolgen dienen zu können. Auch die Abgrenzung zwischen der Daseinsvorsorge und dem rein privatrechtlichen Handeln wird seiner Auffassung nach verwischt. Hinsichtlich des Appropriationsbedürfnisses hebt er zurecht die wirtschaftlenkenden Maßnahmen und Eingriffe des nationalsozialistischen Staates hervor, S. 65, Fn. 46. Zur Kritik an der Lehre Forsthoffs in neuerer Zeit vgl. auch Scheidemann, Der Begriff der Daseinsvorsorge, S. 224 ff.

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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Verwaltungsakte, aber auch über andere Formen des Verwaltungshandelns.337 Diese Abgrenzung ist allerdings nur mit Schwierigkeiten bis vor die Lehre vom Verwaltungsakt zurückzuverfolgen, da eine Rechtsbeziehung zum Bürger in einigen kommunalen Bereichen – wie etwa beim Abschluß der vorstehend besprochenen Konzessionsverträge – jedenfalls unmittelbar nicht bestand. Vertragspartner war hier nur der private Unternehmer, der dem Bürger (und auch der Stadt) die Lieferung von Gas oder Wasser anbot. Zur Unterscheidung von den Maßnahmen der Infrastruktur und der Wirtschaftsförderung schränkt Gröttrup seine Definition der Leistungsverwaltung noch auf einen Bereich der öffentlichen Verwaltungstätigkeit ein, der nicht lediglich in der Beseitigung von Belastungen besteht und dem Bürger über die bloßen Hilfsgeschäfte der Verwaltung hinausreichende Sach-, Geld- und Dienstleistungen als Vorteil zuwendet.338 Für die älteren Formen der Leistungsverwaltung nimmt Gröttrup an, daß die Maßnahmen vom Standpunkt der Verwaltung betrachtet, in einem schlichthoheitlichen Handeln bestanden hat. Diese Art der Versorgungsverwaltung sei Leistungsverwaltung im engsten Sinn gewesen.339 Die Unterscheidung zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung ist auch in neuerer Zeit nicht stringent.340 Die Leistungsverwaltung kann sowohl materiell als Verwaltungszweck als auch instrumental auf das Leisten als Verwaltungsmittel bezogen werden. Im Gegensatzpaar Eingriffs- / Leistungsverwaltung sei nur die letztere Deutung sinnvoll. Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung können als dieselbe Maßnahme Leistung und Eingriff zugleich sein, wenn beispielsweise der Leistungsempfänger durch den Anschluß- und Benutzungszwang zur Entnahme von Wasser aus einer bestimmten Leitung verpflichtet wird. Solche Maßnahmen können auch für Dritte noch eine (belastende) Rechtswirkung haben.341 Bei der heute gebräuchlichen Kennzeichnung der Tätigkeitsarten der Verwaltung finden sich ordnende und leistende Verwaltung neben der Lenkungs-, Abgaben-, Bedarfs-, Vermögens- und wirtschaftenden Verwaltung.342 Der Bereich der leistenden Verwaltung ist in dem von Wolff begründeten Lehrbuch ausführlich beschrieben.343 Die leistende Verwaltung sorgt danach für die Lebensmöglichkeit und Lebensverbesserung der Mitglieder des Gemeinwesens, indem sie deren InteressenverPüttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 326. Gröttrup, S. 89. 339 Gröttrup, S. 87 u. 91. Die Vergabe der Versorgungsleistung durch Konzssionsverträge stellt sich für die Mitte des 19. Jahrhunderts im Anschluß an den Begriff von Jellinek am ehesten als „schlichthoheitliches Verwaltungshandeln“ dar. Auf Grund der mangelnden direkten Zuwendung dieser „noch ungerichteten“ Maßnahme gehöre die Maßnahme in den Bereich der Infrastrukturpolitik. Vgl. Jellinek, 1. Aufl., S. 21 ff. 340 Maurer, 12. Aufl., Rn 21 f. Vgl. auch Wolff / Bachhof / Stober, Verwaltungsrecht, Rn. 5; Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 47, die den Begriff der Ordnungsverwaltung verwenden. 341 Maurer, 12. Aufl. Rn. 21. 342 Maurer, 12. Aufl., Rn 15 ff.; Erichsen / Ehlers, Rn 36 ff. 343 Nachfolgend Wolff / Bachhof / Stober, Rn. 6. 337 338

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

folgung durch Gewährungen unmittelbar fördert und verteilt. Sie erweitert die Rechtsposition des Individuums auch durch die mittelbare Bereitstellung von Einrichtungen sowie Dienstleistungen und gestattet eine Kooperation und eine duale Aufgabenerledigung. Sie umfaßt die Infrastrukturverwaltung durch Bereitstellung derjenigen Einrichtungen, auf welche die Mitglieder des Gemeinwesens in ihrer Gesamtheit unter den Bedingungen der industriell-technischen Zivilisation in Form einer Grundversorgung angewiesen sind344, die Gewährleistungsverwaltung, die Sozialverwaltung, die Förderungsverwaltung und die Informationsverwaltung. Die heutigen Differenzierungsmöglichkeiten nach dem Gegenstand, der Art des Tätigwerdens, der Modalität des Handelns, der Aufgabe und dem Zweck der Verwaltung sind vielgestaltig. Kehrt man zum Ausgangspunkt dieser Betrachtungen zurück, so stellt sich die Frage, ob bestimmte Maßnahmen der Verwaltung eine Zuordnung zu einer frühen Form der „Leistungsverwaltung“ zulassen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten die Städte ihr verstärktes Engagement in der Selbstverwaltung mit wohlfahrtsbezogenen Leistungen an Bürger, mit Infrastrukturmaßnahmen und mit das Gemeinwesen fördernden Einrichtungen größtenteils aus dem durch Zurückdrängen der Polizeiverwaltung entstandenen Freiraum ableiten. Zuwendungen an den Bürger bedurften danach vermehrt aktiver „Lenkung“ durch die kommunale Verwaltung. Als Handlungsformen der Leistungsverwaltung boten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts im direkten Verhältnis zum Bürger der Verwaltungsakt, der öffentlich-rechtliche Vertrag oder privatrechtliche Verträge an. Als Einrichtungen oder Organisationsformen ist die Gemeindeanstalt neben den Gesellschaftsformen des Privatrechts zu nennen. Sonstige Maßnahmen, die eine dem Gemeinwesen nützliche Leistung zum Gegenstand hatten und nicht Dritten zuzurechnen waren, stellen sich als schlicht-hoheitliches Handeln der Verwaltung dar, sind jedoch instrumental der Leistungsverwaltung zuzurechnen.

II. Stadtentwicklung, städtische Verwaltung und die Anfänge der Leistungsverwaltung Die Untersuchungen zur „frühen Leistungsverwaltung“ während der Phase der Konzessionsverträge in Lüdenscheid von 1856 bis 1900 erfordern einen Rückblick auf die Stadtentwicklung seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Zur Überprüfung der Veränderungen in der städtischen Verwaltung Lüdenscheids soll die Verwaltungsentwicklung zunächst bis 1855 und dann bis zum Ende der Periode nachgezeichnet werden. In einem ersten Schritt werden zuvor die Interdependenzen von Industrialisierung, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgezeigt. 344 Ebenda, mit dem Hinweis auf die Liberalisierung der Märkte und den Wettbewerb, der die Daseinsvorsorge der Verwaltung verändert.

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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1. Die Veränderung der urbanen Strukturen Lüdenscheids in der ersten und zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Der Aufschwung der Lüdenscheider Industrie zu Beginn des 19. Jahrhundert setzte nur mit Verzögerungen ein.345 Sowohl das Drahtgewerbe als auch Schnallenund Knopffabrikation litten unter einer ungewöhnlich schlechten Absatzlage. Kriegskontribution und Handelsbeschränkungen erschwerten während der französischen Zwischenherrschaft von 1807 bis 1813 den Geschäftsgang. Mit der Aufhebung der Kontinentalsperre strömten dann englische Firmen mit Konkurrenzprodukten auf die Märkte. Zudem belasteten Einfuhrverbote in den Nachbarstaaten die Wirtschaftsbeziehungen nachhaltig. Das preußische Zollgesetz im Jahr 1818 war für die Lüdenscheider Fabrikanten weniger eine Schutzmaßnahme als eine Provokation neuer Handelshemmnisse außerhalb Preußens.346 Die Mißernte des Jahres 1816 beeinflußte die Versorgungslage der Bevölkerung bis zum Beginn der 20er Jahre. Etwa um 1823 konstatiert Herbig für Lüdenscheid in seiner Untersuchung über Wirtschaft und Bevölkerungsentwicklung347 den Anfang einer bis 1842 / 43 dauernden Periode mit überwiegend günstiger Konjunktur. Gelegentliche Rückschläge waren nur in den Jahren 1827 bis 1831 und 1837 / 38 zu verzeichnen. Von 1843 bis 1849 folgte dann wieder eine wirtschaftliche Flaute, die erst mit dem Ende der 1848er Revolution wieder in eine Aufschwungphase mündete. Insbesondere zwischen 1837 und 1840 ist eine außergewöhnliche Zunahme der Beschäftigungszahlen zu verzeichnen, die vor allem auch dem sog. Wanderungsgewinn der männlichen Bevölkerung zuzuschreiben ist. Neben der bereits beschriebenen Konzentration von Arbeitsplätzen in den Fabriken348 muß deshalb auch eine Ausweitung des Stellenangebotes erfolgt sein. Zwischen 1837 und 1840 stieg allein die Zahl der Gesellen der Metallknopfmacher und Zinngießer von 129 auf 575. Zwischen 1846 und 1858 verdoppelte sich die Zahl der in den Fabriken Beschäftigten annähernd und die Zahl der Fabriken nahm von 30 auf 45 zu. Die Zahl der Zuwanderungen ist im letzten Zeitraum nicht eindeutig auf ein erweitertes Stellenangebot in der Stadt zurückzuführen, da z. B. die Eisenbahnprojekte im Umkreis von 50 km zu Verzerrungen führen. Herbig kommt in seiner demographischen Untersuchung für Lüdenscheid zu dem Schluß, daß die Höhe der Zuwanderungsgewinne den Konjunkturverlauf zumeist unverzerrt widerspiegelt.349 Bei Hostert ist die Zunahme der Beschäftigtenzahl zwischen 1834 und 1840 Indiz für den Durchbruch der neuen Wirtschaftszweige, die sich seit der französischen Zwischenherrschaft stetig entwickelt und insbesondere in der Buntmetallverarbeitung 345 Zum folgenden Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie S. 52 ff.; Herbig, S. 51 ff. 346 STA Lüd. A 26, Monatsbericht an die Aufsichtsbehörde November 1819. 347 Herbig, S. 53. 348 Zum folgenden Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie S. 52 ff.; Herbig, S. 51 ff. Vgl. auch oben Teil I A. I. 1. a). 349 Herbig, S. 74 ff. und 138.

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Expansionsmöglichkeiten eröffnet haben.350 Die Bevölkerungs- und Wanderungsbewegungen trugen nach Feststellung von Herbig zum Wachstum der Lüdenscheider Bevölkerung zu etwa gleichen Teilen bei. Zwischen 1814 und 1856 nahm die Bevölkerungszahl von 1.876 auf 4.882 zu; eine Zunahme um über 260 %.351 Der Vergleich der Zuwanderer mit dem Geborenenüberschuß der Periode 1801 bis 1870 ergibt einen Überhang der Wanderungsgewinne um 16 %.352 Ein entscheidender Faktor für die Stärkung der städtischen Strukturen liegt damit in der Lüdenscheider Industrialisierung und der Anziehungskraft ihrer Produktionsstätten. Ausgehend von 1856 hat sich die Lüdenscheider Industrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stetig weiterentwickelt.353 Der Konjunkturverlauf gestaltete sich bis 1869 / 70 so positiv, daß im Handelskammerbericht für 1870 sogar Klagen über einen Arbeitskräftemangel verzeichnet sind.354 In den Gründerjahren des Deutschen Reiches schloß sich eine Schwächeperiode an, von der die modeabhängige Knopfindustrie besonders erfaßt wurde. Von 1878 bis 1886 wurde sie von einer starken Aufwärtsentwicklung für alle Gewerbearten abgelöst, die wieder eine deutliche Zunahme der Beschäftigungszahlen bewirkte. 1886 gingen 5 / 6 der Knopferzeugnisse in das Ausland. Die Knopfindustrie steuerte dann zum Ende des Jahrhunderts in eine konjunkturelle Abschwungphase, die auf die sinkende Exportnachfrage und die Bismarcksche Zollpolitik zurückzuführen war. In den anderen Bereichen setzte der Abschwung erst zu Beginn der 1890er Jahre ein, um dann 1897 wieder in eine Gegenbewegung umzuschlagen. Auch jüngere Firmen drängten inzwischen auf den Markt der Buntmetallverarbeitung und Britanniawaren. Als neue Industriezweige etablierten sich die Aluminiumwarenindustrie und die Elektroartikelindustrie. Herbig verzeichnet in seiner für 1861 erstellten Tabelle 1.742 Arbeitskräfte in 57 Betrieben.355 1886 werden 4.187 Arbeitskräfte in 69 Betrieben errechnet. Für 1892 liegt nur die Zahl der Beschäftigten mit 4.437 vor. Die Ursache für die Stagnation war die Wirtschaftsdepression zu Beginn der 1890er Jahre. In der Bevölkerungs- und Wanderungsbewegung zwischen 1871 und 1907 ergibt sich ein leichtes Übergewicht des Geborenenüberschusses über die Zuwandererzahl in Höhe von 5,5 %. Die Einwohnerzahl Lüdenscheids stieg zwischen 1856 und 1900 von 4.822 auf 25.521.356 Dies entspricht einer Steigerung um über 520 % und dokumentiert sowohl das Bevölkerungswachstum als auch die Festigung der städtischen Strukturen. Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 63 f. Die Angaben beruhen auf der Zusammenstellung zur Städtischen Verwaltung, Stadtverordneten und Bevölkerung in Lüdenscheid zwischen 1814 und 1945 in Anlage 2. 352 Herbig, S. 73. 353 Schilderung nach Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 81 ff. 354 WWA Dortmund, Handelskammerbericht 1870 (Mikrofiche). 355 Herbig, S. 33. 356 Die Bevölkerungszahl für 1856 beruht auf der Tabelle 3 in Anlage 2 sowie für 1900 auf den Angaben des Statistischen Amtes der Stadt Lüdenscheid. 350 351

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2. Stadtverfassung und Stadtverwaltung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Entwicklung der Stadt Lüdenscheid wird von politischen Veränderungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts beeinflußt. Der vierte Koalitionskrieg gegen die Vormachtstellung Napoleons war mit der Niederlage des preußisch-sächsischen Heeres in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt 1806 beendet worden. Im Frieden von Tilsit am 9. Juli 1807 verlor Preußen seine gesamten westelbischen Provinzen und Besitzungen an Frankreich. Die Grafschaft Mark war zuvor durch Truppen des Generals Loison besetzt worden, und so begann für Stadt und Kirchspiel Lüdenscheid die französische Verwaltung, die bis 1813 andauerte.

a) Französische Munizipalverfassung und Revidierte Städteordnung Die Neueinteilung der Verwaltungsräume nach französischem Vorbild im Jahre 1808 hatte die alten und neu erworbenen preußischen Landesteile im Großherzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf vereinigt. Das Großherzogtum gliederte sich in die Departements Rhein, Ruhr, Ems und Sieg. Das Ruhrdepartement gliederte sich in drei Arrondissements Hamm, Dortmund und Hagen. Stadt und Kirchspiel Lüdenscheid wurden zu einer Munizipalität zusammengefaßt, die mit drei weiteren Munizipalitäten den zum Arrondissement Hagen gehörenden Kanton Lüdenscheid bildeten.357 Die straffe und zentralistische Organisation der im Großherzogtum Berg geltenden französichen Gemeindeordnung hatte der kommunalen Autonomie jeden Raum genommen.358 Die Städte waren in den staatlichen Verwaltungsapparat eingegliedert worden. Ihr jeweiliger Repräsentant, der Maire, wurde vom Staatsoberhaupt berufen, und unterstand dem Präfekten des Departements. Der Maire führte kraft Amtes den Vorsitz im Munizipalrat dessen Mitglieder, die Munizipalräte, von der Regierung ernannt wurden.359 Bei der Rückgliederung in die preußische Verwaltung 1813 wurde in Lüdenscheid die Struktur der Bürgermeisterei – der „Mairie“ – übernommen und zunächst bis zur Einführung der revidierten Städteordnung von 1831 im Landtagsabschied von 1835 aufrechterhalten.360 Nach der dem Gesetz von 1831 vorangestellten Kabinettsorder sollte 357 Sauerländer, Geschichte der Stadt Lüdenscheid von den Anfängen bis zur Gegenwart, S. 296 unter Hinweis auf Richtering, Das Ruhrdepartement 1809, S. 67 ff.; Schumacher, S. 29; vgl. auch Hostert, Die Grafschaft Mark unter Napoleons Herrschaft, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 22. / 23. 7. 2000. 358 Junk, Zum Städtewesen im Großherzogtum Berg (1806 – 1813), in: Naunin, Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, S. 289; Preuß, Entwicklung des deutschen Städtewesens, S. 195 ff. und S. 293 f.; Steinbach, S. 119. 359 Junk, S. 289. 360 Vgl. Becker, Entwicklung der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände im Hinblick auf die Gegenwart, in: HKWP, Bd. II, S. 94.

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die Revidierte Städteordnung provinzweise in Kraft gesetzt werden.361 Durch weitere Kabinettsordre vom 13. März 1835 erhielt der Minister des Innern den Auftrag, den Oberpräsidenten mit den erforderlichen Anweisungen zu versehen, „ . . .mit der Maßgabe, daß er, wenn an einzelnen Orten Bedenken entgegenstehen von der Einführung daselbst noch Abstand nehme und weitere Instructionen deshalb nachsuche.“362

Die Gemeinderäte in Lüdenscheid beantragten daraufhin beim Oberpräsidenten für die Provinz Westfalen, die Einführung der Revidierten Städteordnung für Lüdenscheid zu verschieben. In ihrem Gemeinderatsbeschluß vom 15. Juli 1835363 führten sie als Begründung die schwierige Entflechtung von Stadt und Kirchspiel sowie die steigenden Verwaltungskosten für die Stadt an. Diese Interimsregelung wurde durch die Verordnung zum Erlaß der preußischen Landgemeindeordnung vom 31. 8. 1841364 aufgehoben. Der amtierende Bürgermeister Jander machte die nunmehrige Einführung der Revidierten Städteordnung am 14. 3. 1842 bekannt und forderte zur Einsichtnahme in die Liste der stimmfähigen Bürger, der sogenannten „Bürgerrolle“ nach § 12 der Revidierten Städteordnung auf.365 Auf Vorschlag des Gemeinderates wurden durch das Statut gem. §§ 46 ff. der Revidierten Städteordnung mit Genehmigung des Oberpräsidenten die Anzahl der zu wählenden Stadtverordneten und ihrer Stellvertreter auf jeweils 9 festgesetzt. Die erforderlichen Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung fanden im September 1842 statt. In den Magistrat wurden am 8. April 1843 der Soester Verwaltungssekretär Plöger als Bürgermeister sowie Oberlandesgerichtsassessor von Sydow und der Kaufmann Gottlieb Ritzel als Ratsherren gewählt.366 Die formelle Trennung von Stadt und Kirchspiel vollzog am 15. April 1843 der Landrat von Holzbrinck durch die Einführung des städtischen Magistrates. Bei der feierlichen Amtshandlung waren die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung und des ländlichen Gemeinderates sowie sämtliche Unterbeamten der bisherigen gemeinschaftlichen Verwaltung zugegen.367

b) Die Entwicklung der Stadtverwaltung zwischen 1814 und 1855 Während der Amtszeit des Bürgermeisters Kobbe von 1814 bis 1818 war der Bürgermeister ein Bindeglied zwischen Regierung und Gemeinderat.368 Der Bür361 Engli / Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, S. 183, Fn. 1; Treitschke, Deutsche Geschichte, Teil 4, S. 187 f. 362 Strodel, S. 14. 363 STA Lüd. A 51. 364 PreußGS S. 322. Dazu Engli / Haus, S. 257. 365 STA Lüd A 51. 366 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 77. 367 Strodel, S. 14. 368 Krägeloh, S. 154.

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germeister war als staatlich eingesetzter Beamter für alle städtischen Angelegenheiten ohne Differenzierung zuständig. Er stellte zudem die Tagesordnung für die Munizipalratssitzungen auf, leitete dessen Verhandlungen und führte die Beschlüsse aus. Unter Zustimmung des Munizipalrates verfügte er über das Gemeindevermögen. Aus dem Etat des Bürgermeisters waren alle Bürokosten und Reparaturen abzuziehen, so daß der verbleibende Rest die Besoldung darstellte; vermutlich weniger als 100 Taler jährlich.369 Der Bürgermeister besaß die Weisungsbefugnis an die sogenannte „kleine Bedienung“ aus Rendant, Sekretär und Schreiber sowie an die Unterbedienten, bestehend aus den 9 Vorstehern der Bauerschaften, den vier Rottmeistern der Stadt, Polizeidiener und Gendarm, Wald- und Flurschützen sowie den Forstleuten.370 Eine detaillierte Aufstellung über das Beamtenpersonal in der Stadt Lüdenscheid ist erst in einem Schreiben des Bürgermeisters Riegelmann an den Königl. Landesdirektor v. Holzbrinck vom 7. November 1818 wiedergegeben.371 Danach waren zwischen 1814 und 1818 neben dem Bürgermeister, der Kommunalempfänger (Rendant), ein Polizeidiener sowie drei Wald- und Flurschützen von der Stadt angestellt. Ungewiß war schon damals der Umfang der vorzulegenden Statistik, denn der Bürgermeister erkundigte sich bei seinem Vorgesetzten nach der Verzeichnispflicht für Gerichts- und Kirchenbeamte. Unerwähnt blieb die Anstellung von drei Lehrern, obwohl der Gemeindekasse Kosten in Form von Zuschüssen entstanden.372 Gemeinnützige Leistungen in der Stadt Lüdenscheid wurden zu dieser Zeit von verschiedenen Privatpersonen und Institutionen erbracht. Zuerst ist auf die Einrichtung der zahlreichen Nachbarschaften hinzuweisen. Der ursprüngliche soziale und gesellige Zweck der Nachbarschaften, das „sich aus der Not helfen“, erstreckte sich auf Einzelheiten, die das Bauwesen und das Feuerlöschwesen betrafen, ferner auf Schlichtung von Ehezwistigkeiten und schiedsrichterliche Funktionen.373 Der gegenseitige Beistand der Mitglieder war besonders bei Krankheiten und Todesfällen gefordert. Als frühes Beispiel einer sozialen – privaten – Einrichtung, in der Maire und Munizipalrat Aufsichtsrechte auszuüben hatten, ist die Unterstützungskasse für Fabrikarbeiter aus dem Jahr 1810 zu nennen, deren Vorgänger wahrscheinlich bis in das 18. Jahrhundert zurückreichen.374 In eine allgemeine Kasse Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 12; Krägeloh, S. 155. Krägeloh, S. 154. Sekretär oder Schreiber waren aus den Bürokosten zu entlohnen. Bei den Rottmeistern und Vorstehern aus den Bauerschaften handelte es sich um ehrenamtliche Tätigkeiten, die in der späteren Statistik nicht erwähnt wurden. Bei den Forstleuten dürfte es sich um einfache Hilfskräfte gehandelt haben. 371 STA Lüdenscheid A 144. 372 Deitenbeck, Kerksig – Kobbe – Jander, in: Der Reidemeister Nr. 47 (1969) S. 365 (369). 373 Strodel, S. 127; Sauerländer, Geschichte der Stadt Lüdenscheid, S. 136 ff. 374 Vgl. Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 144 unter Hinweis auf die nicht belegte Wirksamkeit der Kassensatzungen der „Lüdenscheider allgemeinen Auflage“; ders., Die Lüdenscheider Industrie am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Der Reidemeister, Nr. 9 (1959), S. 9 f.; Sauerländer, Geschichte der Stadt Lüdenscheid, S. 313 f. 369 370

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sollten Fabrikarbeiter und Handwerker Beiträge einzahlen, um bei Krankheit oder Tod Zahlungen für sich bzw. die Angehörigen zu erhalten. 1828 wurde eine Arbeiterkasse zur Unterstützung alter und kranker Arbeiter durch die Fabrikanten neu gegründet, die ab 1845 auf alle Arbeiter in der Stadt ausgedehnt wurde.375 Im Jahr 1815 wurde aus den vereinigten Konfessionsschulen in der Stadt eine Bürgerschule gebildet376 und im Hungerjahr 1817 eine „Suppenanstalt“ eröffnet. Während die Bürgerschule eine städtische Einrichtung war, wurde die „Suppenanstalt“ privat durch wohlhabende Bürger finanziert und ehrenamtlich von deren Ehefrauen geleitet. Das Armenwesen lag am Anfang des 19. Jahrhunderts in den Händen der evangelischen Kirche, die durch einen Armenvorstand die Armenkasse verwaltete. Die Armenkasse stand mit ihren Zahlungen an die Bedürftigen unter städtischer Aufsicht und bezog ihre Einkünfte aus Stiftungen, Kollekten, Kanones oder dem Zehnten aus den Gebehochzeiten sowie den Polizeistrafgeldern.377 Die Amtszeit der Bürgermeister Riegelmann (1818) und Reinhard 1818 – 1820 brachte wenige Neuerungen. Während der langen Amtszeit des Bürgermeisters Jander von 1820 bis 1843 hingegen erlangte die Stadt steigende industrielle Bedeutung bei stetig zunehmenden Bevölkerungszahlen. Die wesentlichen Punkte seiner Verwaltungstätigkeit liegen in der Verbesserung der städtischen Straßen, dem Anschluß Lüdenscheids an das überregionale Verkehrsnetz und dem Ausbau der Postverbindungen. In den Jahren 1843 bis 1856 – inzwischen war die Revidierte Städteordnung für Lüdenscheid in Kraft gesetzt worden – sorgte die Tätigkeit des Bürgermeister Plöger für eine Verstärkung der sozialen Arbeit. In privater Initiative – durch den Evangelischen Frauenverein – wurde die Gefahr der sozialen Verwahrlosung durch Einrichtung einer Handarbeitsschule für junge Mädchen und eines Suppenvereins zur Versorgung alter und kranker Bürger in der Hungersnot von 1845 / 46 gemildert. Der Evangelische Frauenverein gründete 1852 auch eine „Kleinkinder-Bewahranstalt“ in der ungenutzten Wachstube des Rathauses. Als neue städtische Einrichtung ist die Sparkasse zu nennen, deren Statuten am 15. Januar 1845 gem. Nr. 2 des Reglements die Sparkassen betreffend v. 12. 12. 1838378 vom Oberpräsidenten in Münster bestätigt wurden. Die Sparkassen sollten in Preußen zur Bekämpfung der Armut der unteren Bevölkerungsschichten beitragen. Nach einem Aufruf im Jahr 1845 an die Bürger der Stadt war die Sparkasse insbesondere ein Hilfsmittel zur Vermögensbildung der Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen, Tagelöhner, und Dienstboten.379 Die anfänglich geringe Beteiligung der Bevölkerung wurde unter anderem auf die Konkurrenz der bereits bestehenden 375 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 109; vgl. Orde, 120 Jahre Krankenversicherung in Lüdenscheid. 376 Schumacher, S. 72. 377 Zur Entwicklung des Armenwesens: Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 26 ff. und Sondermann, Das Lüdenscheider Armenwesen, in: Der Reidemeister, Nr. 103 vom 8. 12. 1987 und Nr. 104 vom 18.12. 1987. 378 PreußGS. für 1839, S. 5. 379 Deitenbeck, S. 86 unter Hinweis auf die Gründungsakten der Sparkasse.

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Fabriken-Unterstützungskasse, die allgemeine Teuerung und die mangelnde Disziplin der Bürger zurückgeführt.380 In die Dienstzeit des Bürgermeisters Plöger fiel 1849 schließlich auch die Übernahme der Armenverwaltung in die städtische Verantwortung. Die Gründe dafür lagen in den mit dem Wachstum der Einwohnerzahl verbundenen konfessionellen Verschiebungen und den inzwischen immer wieder aufgetretenen Defiziten der Armenkasse, die aus städtischen Mitteln ausgeglichen werden mußten.381 Durch Statut vom 1. Mai 1849382 wurde eine Armen-Commission eingesetzt, der die Verwaltung der Armenkasse oblag. Zur Armen-Commission gehörten ein Magistratsmitglied, zwei Stadtverordnete, zehn Bürger als Armenpfleger, die Ortsgeistlichen und ein Armenarzt. Auch die schon genannte Pflichtfeuerwehr wurde bis 1844 gebildet.383 1853 wurde auf Vorschlag des Magistratsherren Nottebohm eine Aktiengesellschaft – die Lüdenscheider Baugesellschaft – gegründet, die als private Initiative der allgemeinen Wohnungsnot durch den Bau von Arbeiterwohnhäusern Abhilfe schaffte. Im Vorstand der Gesellschaft waren Magistratsmitglieder und Stadtverordnete vertreten.384 Der vorstehende Überblick zeigt bereits, daß sich Leistungen an die Bürger in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht ausschließlich als Teil der Verwaltung vollzogen, sondern funktionell von verschiedenen Privatpersonen oder Institutionen in privater Verantwortung – wenn auch unter Aufsicht oder Patronat der Stadt – wahrgenommen wurden. Kirchen, Bürger und Unternehmer leisteten Beiträge, die eine Ergänzung der städtischen Verwaltung darstellten. Die Urbanisierung und Industrialisierung stellten Anforderungen an die Stadt, die mit der traditionellen Hoheits- und Vermögensverwaltung aus Mangel an Personal und Verwaltungsmitteln nicht zu leisten waren. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts ist daher eine Ausweitung des Verwaltungsregimes mit der Gründung der Sparkasse und der Übernahme der Armenverwaltung zu konstatieren.

3. Die Entwicklung der Stadtverwaltung 1856 – 1900 Die Einführung der Westfälischen Städteordnung am 19. März 1856 stellt einen Einschnitt in die Verwaltungsgeschichte der Stadt dar. Im gleichen Jahr lag der Abschluß des ersten Konzessionsvertrages und es begann die Amtszeit des Bürgermeisters Nottebohm, dem einzigen Bürgermeister aus den Reihen der Lüdenscheider Bürgerschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Ebenda, S. 87. Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 28; Sondermann, Das Lüdenscheider Armenwesen, in: Der Reidemeister, Nr. 103 v. 8. 12. 1987. 382 STA Lüdenscheid A 1595. 383 Vgl. oben Teil I A. I. 1. c). 384 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 109. 380 381

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a) Die Einführung der Westfälischen Städteordnung 1856 Am 19. März 1856, also im Jahr des Abschlusses des ersten Konzessionsvertrages in Lüdenscheid, wurde die Städteordnung für die Provinz Westfalen eingeführt. Sie entsprach als kollegiale Magistratsverfassung im wesentlichen der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen der preußischen Monarchie aus dem Jahr 1853. Von der Einführung der Westfälischen Städteordnung ist zunächst die Ablehnung des Titels VIII. durch die Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung hervorzuheben. Der Landrat berichtete am 17. Juli und 8. August 1856 an den Regierungspräsidenten zu Arnsberg, daß man sich in Lüdenscheid gegen die Einführung der Bürgermeisterverfassung ausgesprochen habe und der Titel VIII. § 72 Westfälische Städteordnung als nicht angenommen betrachtet werden müsse.385 Auch die vom Regierungspräsidenten geäußerte Erwartung, drei besoldete Magistratsmitglieder zu berufen, fand keine Zustimmung. Lüdenscheid hatte danach eine kollegiale Magistratsverfassung, die gem. § 29 Westfälische Städteordnung den Bürgermeister, einen Beigeordneten als Stellvertreter sowie zwei weitere unbesoldete Ratsherren – die Schöffen – als Mitglieder des Magistrats erforderte. Dem Magistrat oblag gem. § 56 Westfälische Städteordnung als Ortsobrigkeit und Gemeindeverwaltungsbehörde die Führung der städtischen Geschäfte. Dazu gehörten im Bereich der Selbstverwaltung insbesondere – die Vorbereitung der Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung und deren Ausführung, soweit ihnen zuzustimmen war, – die Verwaltung der städtischen Gemeindeanstalten und die Beaufsichtigung derjenigen, für die eine besondere Verwaltung eingesetzt war, – die Verwaltung des Eigentums und der Einkünfte der Stadt sowie die Anweisung der Ausgaben und die Überwachung des Kassen- und Rechnungswesens und – die Anstellung und Beaufsichtigung der Gemeindebeamten nach Zustimmung der Stadtverordneten.

Darüber hinaus hat der Magistrat gem. § 56 Nr. 1 Westfälische Städteordnung die Gesetze und Verordnungen sowie Verfügungen übergeordneter Behörden auszuführen. Der Bürgermeister leitet und beaufsichtigt nach § 58 Westfälische Städteordnung den Geschäftsgang der städtischen Verwaltung. Nach § 62 Abs. (1) Nr. 1 – 3 Westfälische Städteordnung ist dem Bürgermeister die Handhabung der Ortspolizei, die Verrichtungen eines Polizeianwalts und Hilfsbeamten der Gerichtspolizei übertragen sowie nach § 62 Abs. (2) Westfälische Städteordnung die örtlichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und allgemeinen Staatsverwaltung unter Einschluß der Führung der Personenstandsregister. Die Stadtverordnetenversammlung hatte dagegen gem. § 35 Westfälische Städteordnung über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschließen, soweit diese nicht ausschließlich dem Magistrat zugewiesen waren. 385

STAA Münster, Reg. Arnsberg Nr. 17676.

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b) Honoratiorenverwaltung und Professionalisierung der Verwaltung Nach § 59 Westfälische Städteordnung stand zur dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftszweige sowie zur Erledigung vorübergehender Aufträge die Möglichkeit der Bildung von Deputationen und Kommissionen386 offen, die sowohl ausschließlich aus Magistratsmitgliedern als auch aus Magistratsmitgliedern und Stadtverordneten und anderen stimmfähigen Bürgern bestehen konnten. Die Stadtverordneten und stimmfähigen Bürger der (gemischten) Deputationen wurden von der Stadtverordnetenversammlung gewählt, die Magistratsmitglieder hingegen vom Magistrat ernannt. Die Deputationen / Kommissionen waren in allen Beziehungen dem Magistrat untergeordnet und es war statutarischer Anordnung überlassen, besondere Bestimmungen über die Zusammensetzung der „bleibenden Verwaltungsdeputationen“ zu treffen. Die übertragenen Verwaltungsgeschäfte waren unter der Aufsicht des Magistrats nach seiner Anordnung zu führen, so daß die Verwaltungsdeputationen nicht mit den Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung gemäß § 37 der Westfälischen Städteordnung gleichzusetzen waren, deren Aufgabe in der Kontrolle der Verwaltung bestand.387 Die Deputationen waren vielmehr ohne direkte Geschäftsverbindung zur Stadtverordnetenversammlung, wie schon § 26 der Instruktion für Preußische Stadtmagistrate vom 25. 5. 1835 feststellte, und Teil der städtischen Verwaltungsbehörde. 1856 bestanden in Lüdenscheid als Deputationen bzw. Kommissionen – der zweite Begriff war zunächst der geläufigere – die Armen-Commission, die Sparkassen-Commission, die Wegebesichtigungs-Commission und die Bau-Commission. Später kamen die Sanitäts-Commission (1858), die Schlachthaus-Commission (1883) und die Schuldentilgungs-Commission hinzu.388 Durch Ortsstatut vom 11. Dezember 1893 betreffend die Bildung von Deputationen zur Mitwirkung bei der Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftszweige der Gemeindeangelegenheiten der Stadt Lüdenscheid389 waren folgende Deputationen unter detaillierter Regelung ihrer Geschäftstätigkeit gebildet worden: – die Bau-Deputation, – die Finanz-Deputation, 386 Dazu Jebens, Die Instruktion für die Stadt-Magisträte vom 25. Mai 1835 nach neuestem Recht, in: Pr.Verw.Bl. 1901, 233 (246), der schon darauf hinweist, daß der Begriff der Deputationen ohne einheitliche Verwendung und Bedeutung hinsichtlich ihrer Zusammensetzung war. Kappelmann, Die Verfassung und Verwaltungsorganisation der preußischen Städte nach der Städteordnung vom 30. 05. 1853, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, 117. Bd. (1906), S. 71. 387 Kapellmann, S. 69. 388 Rahmede, „Wohl dem der seiner Väter gern gedenkt, Lüdenscheid vor 75 Jahren – Städtische Behörden, Kirchen- und Schulwesen im Jahre 1889“, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 8. 1. 1964. 389 Abdruck in Vorschriftensammlung 1911, I. Allgemeine Verwaltung und Beamtenverhältnisse der Stadt Lüdenscheid, S. 1 ff.

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– die Forst-Deputation, – die Deputation für die öffentliche Gesundheitspflege, – die Sparkassen-Deputation, – die Krankenhaus-Deputation, – die Schlachthaus-Deputation, – die Waisenhaus-Deputation und – die Wegebau-Deputation.

Den Verwaltungsdeputationen kam eine große praktische Rolle bei der Vorbearbeitung wirtschaftlicher, technischer und sozialer Sachverhalte zu. Sie waren als Einrichtung aktiv in die Verwaltungsarbeit eingebunden. Der von 1856 bis 1869 amtierende Bürgermeister Heinrich Nottebohm verkörperte weit über die Stadtgrenzen von Lüdenscheid hinaus den Typus des eigentlich „ehrenamtlich“ tätigen Bürgers, dem das Wohl des Gemeinwesens und die Entwicklung seiner Vaterstadt eine Verpflichtung war.390 Er wurde 1812 als achtes Kind des Fabrikanten Friedrich Nottebohm geboren, dem Begründer der Firma für Kompositionsschnallen Nottebohm & Co. 1842 wurde er als Teilhaber in die väterliche Fabrik aufgenommen. Wie sein Vater besaß Nottebohm ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl für seine Arbeiter und erwarb sich im Laufe der Jahre hohe Achtung und Verehrung für seinen sozial geprägten Führungsstil. Bereits 1847 wurde er als Stadtverordneter zum Ratsherren gewählt und wenig später in dieser Eigenschaft von der Regierung zum Beigeordneten ernannt. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister zeigte sich seine Amtsauffassung vom Dienst an der Stadt und ihren Bewohnern darin, daß er auf sein Gehalt als Bürgermeister verzichtete und die ihm daraufhin gewährte Dienstkostenentschädigung für städtische Belange einsetzte. Um 4 Uhr nachmittags war Nottebohm täglich für jedermann zu sprechen. Eine spezielle Verwaltungsausbildung oder wissenschaftliche Vorbildung besaß er nicht. Schon sein Nachfolger Rudolf Wiesmann konnte 1869 bereits auf eine 18 jährige Dienstzeit als Verwaltungsbeamter in verschiedenen Städten zurückblicken. Auch August Selbach – ein gelernter Landmesser – setzte von 1874 bis 1896 die Folge der hauptberuflichen Verwaltungsbeamten als Bürgermeister fort. Er hatte bereits Erfahrung als Bürgermeister in Neustadt im Kreis Gummersbach und in Trarbach an der Mosel gesammelt. In seine Amtszeit fiel der Abschluß der Konzessionsverträge in den Jahren 1883 und 1887. 1896 trat schließlich Dr. phil. Wilhelm Jockusch in den Dienst der Stadt Lüdenscheid und blieb – bis weit in den dritten Entwicklungsabschnitt der in dieser Untersuchung vorgenommenen Einteilung – bis 1930 ihr Bürgermeister. Jockusch hatte Rechtswissenschaften in Kiel und Leipzig studiert und im Februar 1894 das Assessorexamen bestanden. Mit einer Arbeit „Über Lassalles ehernes Lohngesetz“ promovierte er während seiner Zeit als 390 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 134; Zuncke, „Die Lüdenscheider Stadtobrigkeit seit 1843“, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 8. 10. 1954.

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Gerichts- und Verwaltungsassessor zum Dr. phil.391 Die voranschreitende Professionalisierung in der Leitung der Gemeindeangelegenheiten beruhte wohl zum einen auf der Erkenntnis der Stadtverordneten, daß eine „ehrenamtliche“ Tätigkeit, wie sie Nottebohm verkörpert hatte, nur von Bürgern mit außergewöhnlicher Persönlichkeit, persönlichem Freiraum und finanzieller Unabhängigkeit wahrgenommen werden konnte. Andererseits nahm die Verwaltungstätigkeit selbst einen Umfang und Schwierigkeitsgrad an, der geschulte und spezielle Kenntnisse erforderte. Kennzeichnend ist in diesem Zusammenhang die Vermehrung der Auftragsangelegenheiten, die die Stadt durch Gesetz für höhere Behörden durchzuführen hatte. Beispiele sind die Sozialversicherung, das Paß- und Meldewesen oder das Bauwesen. Auch das Gehalt der Bürgermeister ist im Laufe der Jahre – nicht nur bedingt durch die Teuerungsrate – angehoben worden. Während es sich Nottebohm 1856 noch leisten konnte, auf sein jährliches Gehalt von anfänglich 800 Talern zu verzichten, gewährte die Stadt seinem Nachfolger Wiesmann 1869 das Jahresgehalt von 1000 Talern nebst 500 Talern Dienstkostenentschädigung. Bürgermeister Selbach erhielt 1881 erst durch seine Intervention bei der Regierung eine Erhöhung seines Gehaltes von der Stadt Lüdenscheid auf 3.000 Mark mit 600 Mark Zulage und 2.400 Mark Bürokostenentschädigung.392 Dr. Jockusch wurde 1896 schließlich mit 5.400 Mark und 500 Mark Repräsentationsbudget bei freiem Logis in der Dienstwohnung des Rathauses alimentiert.

c) Die „Bürokratisierung“ der Verwaltung Die Differenzierung des Verwaltungskörpers ist für jede Gebiets- oder Personalkörperschaft ein signifikantes Merkmal des Wandels. Zum Teil wird dies auch mit der „Bürokratisierung“ gleichgesetzt. Kommunale Verwaltungsstruktur und Verwaltungsführung lassen in dieser Richtung verschiedene Untersuchungen zu. Dem Begriff der „Bürokratisierung“ kommt unterschiedliche Bedeutung zu, je nachdem ob sie sich ausschließlich auf den Verwaltungskörper selbst oder die Leitung der Verwaltung und das Verwaltungshandeln bezieht.393 Im folgenden soll zunächst die Verwaltungsorganisation und die Geschäftsverteilung untersucht werden. Danach folgen Geschäftsablauf und Stellenplan. 391 Dr. Jockusch verkörperte den Typ des wirtschaftlich-planenden Verwaltungsbeamten. Als Beispiel dafür kann neben seiner Promotion auf seine Leistungen bei der Errichtung der kommunalen Elektrizitätsversorgung und der Kommunales Energiewerk Mark Aktiengesellschaft verwiesen werden, deren Vorstandsvorsitzender er nach Beendigung seiner Amtszeit als Bürgermeister in Lüdenscheid wurde. Hinzuweisen ist auch auf seinen Beitrag zu Fragen der kommunalen Finanzierung einer angemessenen Schulbildung, den Volksschülerzahlen und den Lehrerstellen nach dem ersten Weltkrieg in: PrVerwBl. 22, S. 292 ff. 392 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 134; Zuncke, „Die Lüdenscheider Stadtobrigkeit seit 1843“, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 8. 10. 1954. 393 Matzerath, Urbanisierung in Preußen, S. 99 f.

8 Heider

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aa) Verwaltungsgliederung, Geschäfts- und Aufgabenverteilung § 58 Westfälische Städteordnung wies dem Bürgermeister mit der Leitung der Verwaltung die Organisationskompetenz zu. Er stand dem Magistratskollegium als „Dirigent“ vor. Die Ausgestaltung des Pflichtenkreises des Magistrats geht auf § 1 der Instruktion für Stadtmagisträte vom 25. Mai 1835394 in den Provinzen Brandenburg, Pommern, Preußen, Schlesien, Posen und Sachsen zurück. Obwohl die gesetzlichen Grundlagen der Kommunalverfassung sich zwischenzeitlich geändert hatten, erteilte der Minister des Inneren am 20. Juni 1853395 die Anweisung, die alte Instruktion für Stadtmagisträte beizubehalten, soweit die gegenwärtigen Gesetze (Städteordnungen) keine entgegenstehenden ausdrücklichen Bestimmungen enthielten.396 Auch auf die später erlassene Westfälische Städteordnung von 1856 fand die Instruktion über Stadtmagisträte vom 25. Mai 1835 damit Anwendung – soweit die Westfälische Städteordnung nicht eigene Regelungen enthielt. Wie schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bot sich dem Bürgermeister Nottebohm bei seiner Amtsübernahme 1856 ein Verwaltungsapparat von geringem Umfang. Die meisten Funktionen erfüllte der private Sekretär des Bürgermeisters, den dieser persönlich – also von seiner Dienstkostenentschädigung – zu entlohnen hatte. Ihm oblag auf Anweisung des Bürgermeisters in der Regel die Fertigung von Verfügungen, Rescripten, Berichten, Bekanntmachungen, der Postverkehr, die Führung des Journals und die Registratur der Akten. Die Klage eines Amtsvorgängers über die starke Belastung durch das Abfassen der Schriftstücke zeigt, daß nicht immer ein Sekretär finanziert werden konnte. Der Rendant bzw. Kommunalempfänger verwaltete die Stadtkasse und die sonstigen ihm übertragenen Zahlungsgeschäfte. Dazu gehörte beispielsweise die Sparkasse und die Armenkasse der Stadt.397 In den schriftlichen Berichten über den Stand der Gemeindeangelegenheiten ab 1873 wurde die Tätigkeit auf den einzelnen Verwaltungsgebieten als Polizeiwesen, Armenwesen, Bauwesen etc. bezeichnet. 1879 wurde dem Magistrat durch das Königl. Landratsamt die Weisung erteilt, die Anstellung eines hauptamtlichen Stadtsekretärs zu prüfen398: „Bei dem Wachsen der Bevölkerungszahl und dem hohen Aufschwunge, den Lüdenscheid im Lauf der Jahre genommen, seien mit dem vermehrten Verkehrsleben auch die zeitraubenden kleineren Amtsgeschäfte des Bürgermeisters ganz erheblich gewachsen, derart, daß demselben zur Fürsorge und Bearbeitung größerer und wichtigerer Angelegenheiten der Stadt nicht die gehörige Zeit verbleibe. Die Wahrnehmungen könne man auf dem Bürgermeister-Büreau selbst, wie auch aus den bei dem Landraths-Amte eingehenden und durchlaufenden Geschäftsresultaten machen und müsse man dabei die Überzeugung geAnnalen XIX, S. 733. PrMBl. S. 135. 396 Vgl. dazu Jebens, Die Instruktion für die Stadt-Magisträte vom 25. 3. 1835 nach neuestem Recht, Pr.Verw.Bl. 1901, 233 ff. 397 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 87. 398 STA Lüd. A 380, Verw.Ber. von 1881 – 1886. 394 395

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winnen, daß das allgemeine Interesse der Stadtgemeinde nothwendig leiden müsse, wenn nicht Abhülfe geschaffen werde.“

Die Stadtverordnetenversammlung beschloß jedoch nach Verhandlungen mit der Regierung statt der Berufung eines Stadtsekretärs die Anstellung eines Polizeikommissars für die „äußere und ausführende Polizeiverwaltung“ sowie die Erledigung der dem Bürgermeister als Amtsanwalt obliegenden Tätigkeiten nebst den anfallenden Büroarbeiten. 1882 trat der Polizeikommissar Grell seine Stelle an. Übersichten über den Aufbau der Verwaltung wurden erst mit ihrer zunehmenden Differenzierung erstellt. Bis dahin lassen sich städtische Verwaltungszweige entweder nur durch eine entsprechende Stellenbesetzung oder durch Überweisung der Angelegenheiten an Kommissionen oder Deputationen dokumentieren.399 Die älteste vollständig erhaltene Aufzeichnung, die für die Verwaltungsgliederung ausgewertet werden kann, ist die „Dienstinstruction“ des Bürgermeisters Selbach vom 11. 11. 1891.400 Rechtsgrundlage der Dienstinstruction ist die Organisationskompetenz des Magistrates für die städtische Verwaltung, die – gewöhnlich nach Beschluß des Magistratskollegiums – vom Bürgermeister gem. §§ 56 Nr. 3, 58 Westfälische Städteordnung (unter Bezug auf §§ 3e, 5, 20 Nr. 1 bis 4 der Instruction für Stadtmagisträte vom 25. Mai 1835) verfügt wurde. Materiell waren das Ortsstatut und die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften für die Verwaltungsgliederung in Lüdenscheid zu beachten. Die Dienstinstruction vom 11. 11. 1891 gibt anhand der Besetzung der Büroräume Aufschluß über die Geschäfts- und Aufgabenverteilung im Lüdenscheider Rathaus : „Büro Nr. 1:

Polizeisekretär (Meldewesen, Ausstellung der Arbeitsbücher und Karten)

Büro Nr. 2:

Polizeikommissar als Amtsanwalt (Aufgaben gemäß dem Dienstvertrag), Schreibkraft

Büro Nr. 3:

Kanzlist (Schreibarbeiten)

Büro Nr. 4:

Stadtkassenrendant (Aufgaben gemäß dem Dienstvertrag)

399 Vgl. oben Teil I C. II. 3. b) und das Ortsstatut vom 11. 12. 1893 betreffend die Bildung von Deputationen zur Mitwirkung bei der Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftszweige der Gemeindeangelegenheiten der Stadt Lüdenscheid, abgedruckt in: Vorschriftensammlung 1911, I. Allgemeine Verwaltung und Beamtenverhältnisse der Stadt Lüdenscheid, S. 1. Vgl. Rahmede, „Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt – Lüdenscheid vor 75 Jahren – Städtische Behörden, Kirchen- und Schulwesen im Jahre 1889“, in: Lüdenscheider Nachrichten v. 8. 1. 1964. Im Jahr 1889 bestanden die Wegebesichtigungs-Commission, die Bau-Commission, die Schlachthaus-Commission, die Sanitäts-Commission die Armen-Commission und die Schuldentilgungs-Commission. Die Verwaltung der städtischen Sparkasse war gem. § 59 Westfälischen Städteordnung i. V. m. § 3 des Sparkassenstatutes vom 26. 1. 1897 einer gemischten Deputation aus drei Verwaltungsmitgliedern, von denen eines Mitglied der Stadtverordnetenversammlung sein mußte, übertragen. Das Krankenhaus wurde durch die Krankenhaus-Deputation verwaltet. 400 STA Lüd. A 113.

8*

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Büro Nr. 5:

Hausdiener (Aufgaben gemäß dem Dienstvertrag)

Büro Nr. 6:

Stadtsekretär (alle vom Bürgermeister übertragenen Aufgaben, Arbeiten nach dem Kranken-, Unfall-, Invaliditätsgesetz), Schreibkraft, Gerichtsschreiber des Kreisgewerbegerichts

Büro Nr. 7:

Standesbeamten-Stellvertreter (Standesfälle, Steuer- und Militärsachen, Unterstützung des Vorsitzenden der Krankenund Waisenkommission), Schreibkraft (Korrespondenzjournal und Expedition)

Büro Nrn. 12 u. 13: Stadtbaumeister, Bauamtsassistent, Wegeaufseher, Bauamtsvolontäre (Baukommission, Baupolizei, Bauwesen) Aus dieser Büroübersicht läßt sich eine Verwaltungsgliederung ableiten, die im Kern vermutlich folgendermaßen ausgesehen hat: – Allgemeine Verwaltung – Polizeiverwaltung und Meldewesen – Stadtkasse – Versicherungsverwaltung – Bauverwaltung – Steuerverwaltung

Seit 1891 war auch die Stelle eines Stadtsekretärs besetzt. 1896 wurde der frühere Stadtsekretär Frank von der Stadtverordnetenversammlung zum besoldeten Beigeordneten gewählt. Er übergab sein Amt 1899 an den zweiten Bürgermeister Sieper, der als Nachfolger gewählt worden war. Die Verwaltungsgliederung der städtischen Verwaltung wurde dann erst zur Jahrhundertwende einer durchgreifenden Veränderung unterzogen. Nachdem vom zweiten Bürgermeister Sieper und Stadtsekretär Lüling 1899 dazu Vorschläge erarbeitet worden waren, verfügte Bürgermeister Dr. Jockusch am 22. 12. 1899 die Neuordnung der Amtsgeschäfte auf der Grundlage des Entwurfes des Stadtsekretärs Lüling.401 Erstmals war nun eine Ämterorganisation verzeichnet, die sich im Laufe der Jahre aus den einzelnen Geschäftszweigen innerhalb der Verwaltung herauskristallisiert hatte. Als Ämter wurden das Polizeiamt, das Meldeamt, das Standesamt und das Stadtbauamt bezeichnet. Es bestand nunmehr folgende Verwaltungsgliederung und Aufgabenverteilung: Stadtsekretariat: Allgemeine Verwaltung, Versicherungsangelegenheiten, Verwaltungsregistratur Polizeiamt:

401

(bestehend aus Innendienst und Wache), Amtsanwaltschaft, Polizeisachen,

STA Lüd. A 113.

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Vereinssachen, Sanitätspolizei, Arbeits- und Gesindebücher als Zweig der Gesinde- und Gewerbepolizei, Polizeistrafliste, Eichwesen, Freiwillige Feuerwehr, Polizeiregistratur, Journal und Terminkalender Meldeamt:

Einwohnersachen, Ausländersachen, An- und Abmeldung der Militärpersonen, Impfwesen, Steuersachen

Standesamt:

Standesfälle

Stadtbauamt:

Bausachen

Stadtkasse:

Beschaffungs- und Berichtswesen

Als Amt ist die verwaltungsorganisatorisch zuständige und mit Verwaltungsmitteln ausgestattete Stelle für das Verwaltungswesen in einem bestimmten sachlich abgegrenzten Bereich zu verstehen.402 Wenn auch die Ämterbezeichnung nicht einheitlich durchgehalten wurde, so stellt dennoch die Zusammenfassung der Verwaltungstätigkeiten in einer bestimmten Verwaltungsstelle den Schritt von der alten stellenbezogenen und büromäßigen Abgrenzung der Verwaltung zu einer sachbezogenen Verwaltungsgliederung und Ämterorganisation dar.

bb) Geschäftsablauf in der Verwaltung Preußische Genauigkeit und Disziplin bestimmten auch in Lüdenscheid den täglichen Geschäftsablauf und die Aktenhaltung, die damals in den Anweisungen zum „Geschäftsgang“ zusammengefaßt waren. § 58 Satz 1 Westfälische Städteordnung räumte dem Bürgermeister eine umfassende Leitung und Beaufsichtigung des „ganzen Geschäftsganges“ ein. Nach der Instruktion für Stadtmagisträte von 1835 regelte allgemein nur noch der Runderlaß des Ministers des Innern und des Finanzministers vom 12. August 1897 betreffend die Vereinfachung des Geschäftsganges und die Verminderung des Schreibwerks403 den behördlichen Geschäftsablauf und den Schriftverkehr. 1856 wurde noch jede einzelne Verfügung vom Bürgermeister und seinem Sekretär bearbeitet. Der Bürgermeister war – mit Ausnahme der Steuersachen – für alles zuständig. § 13 der Dienstinstruction von 1891404 sah den Geschäftsablauf schon formell in der Weise vor, daß dem Bürgermeister die eingehende Post zur Sichtung vorgelegt und sodann vom Journalführer abgeholt und mit Eingangs- und Journalnummer versehen wurde. Bei der anschließenden Wiedervorlage beim Bürgermeister zeichnete dieser den Vorgang mit dem Anfangsbuchstaben des Büro402 Giere, Die Aufgaben der Allgemeinen Verwaltung, in: HKWP, Bd. II, S. 7 f.; Steffen, Amt oder Abteilung, in : Die Selbstverwaltung 1957, S. 268. 403 PrMBl. 1897, S. 144. 404 STA Lüdenscheid A 113.

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vorstehers aus, der für die Erledigung zuständig war. Bürovorsteher waren vermutlich der Polizeikommissar, der Stadtbaumeister und der Stadtsekretär. War ein Vorgang oder eine Verfügung abzusenden, so versah der Bürovorsteher ihn mit seiner Paraphe und der Journalführer legte ihn dem Bürgermeister um 5 Uhr nachmittags zur Unterschrift vor. Danach wurde die Journalnummer gestrichen und das Vollziehungsdatum in Journal und Konzept vermerkt. Das Journal diente insofern als zentrales Erfassungs- und Kontrollinstrument. Die Akten waren in Generalia- und Specialacten eingeteilt; einzelne Vorgänge – Piecen genannt – waren rechts unten mit einem Datum versehen und chronologisch geheftet. Das Aktenverzeichnis – Repertorium – gliederte sich in currente (laufende) und reponierte (weggelegte) Aktenstücke, die das Buchungszeichen aus dem Journal erhielten. Eine 1899 ergangene Dienstanweisung405 änderte den Geschäftsgang nicht wesentlich ab. Die Polizeiregistratur und die Bauregistratur waren jedoch nun mit einem neuen Aktenschlüssel von der Registratur der (übrigen) Stadtverwaltung getrennt. Es wurden auch ein neuer Terminkalender und ein neues Repertorium angelegt. Unfrankierte Amtspostsachen wurden direkt vom Polizeiamt abgesandt, der verbleibende Rest wurde aus Kostengründen zentral abgefertigt. Aus der Dienstinstruction von 1891406 und der Dienstanweisung aus dem Jahr 1899407 ist zu erkennen, daß sich die Verwaltung nur langsam auf die steigende Zahl der Vorgänge und die Vermehrung ihrer Aufgaben einstellen konnte. Der „Geschäftsgang“ stellt sich damit zum Ende des Jahrhunderts noch als schwerfällig dar. Die Geschäftssachen liefen über die Verwaltungsleitung – also über den ersten und zweiten Bürgermeister – ein und wurden danach in der klassischen Dreiteilung des Bürobetriebes weiterbearbeitet. Registratur, Expedition und Kanzlei waren seit der preußischen Instruktion für Stadtmagisträte von 1835 fester Bestandteil des Bürowesens.408 Vom dort vorgesehenen Geschäftsgang bei den Stadtverwaltungen wurde allerdings gegen Ende des Jahrhunderts schon vielfach abgewichen, da sich mit der Leitungsbefugnis des Bürgermeisters gem. § 58 Westfälische Städteordnung ein stärkeres – von der Selbstverwaltung geprägtes – Instrument zur Behördenführung herausgebildet hatte. Während 1856 der Verwaltungsumfang in Lüdenscheid noch dergestalt war, daß durch einzelne – wahrscheinlich größtenteils nur mündliche – Anweisungen der Geschäftsablauf geregelt wurde, steht mit den schriftlichen Dienstanweisungen gegen Ende des Jahrhunderts ein bürokratisiertes System zur Verfügung, das – bei aller Schwerfälligkeit – eine Erledigung der einzelnen Vorgänge bei größtmöglicher Kontrolle durch den Bürgermeister im Rahmen einer Geschäftsablauforganisation gewährleistete. Die Stadtverwaltung erreichte damit das Stadium eines formalisierten Geschäftsablaufes auf der Grundlage schriftlicher Dienst- und Organisationsanweisungen. 405 406 407 408

STA Lüdenscheid A 113. Ebenda. Ebenda. Wendland, in: HWK, S. 270; Kappelmann, S. 74.

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Zum Verhältnis von Verwaltungsleitung und Bürgern speziell in der Auseinandersetzung um die Wasserversorgung ist noch eine Stellungnahme zur Handlungsweise der Verwaltung erhalten. Notar Lenzmann würdigte bei der Eröffnung der Wasserleitung in seiner Laudatio die Verdienste der Bürgerbewegung, aus deren Anstößen 1874 die Forderung nach einer verbesserten Wassergewinnung stammte. Bürgermeister und Verwaltung attestierte er – trotz aller Widerstände zu Beginn des Projekts – immerhin die Probleme erkannt zu haben, wobei „ . . . das energische Arbeiten an der Lösung derselben und das Abweichen von der Schablone bürokratischer Geschäftserledigung bei Dingen, die sich nicht sowohl mit dem Verwaltungsapparate als nur unter Zuhülfenahme freiwilliger Kräfte aus der Mitte der Bürgerschaft zu einem gedeihlichen Ziel führen ließ.“409

Ein durchaus verhaltenes Lob, wenn man bedenkt, daß die leitungsgebundene Wasserversorgung nur durch die Initiative der Bürgerschaft zustande kam. cc) Stellenplan Ein Blick auf die Entwicklung der Stellenbesetzung bei der städtischen Verwaltung ergibt in der Periode von 1814 bis 1856 keine Veränderungen.410 Die Summe des besoldeten Personals hat konstant 6 betragen. Der Bürgermeister ist nach der Aufgabenzuweisung als einziger höherer Beamter einzustufen, während Rendant und Gendarm als mittlere bzw. untere Beamte der Verwaltung angehörten. In das Angestelltenverhältnis sind danach die Feld-, Wald- und Fluraufseher einzuordnen. Ab dem Jahr 1856 wird die Zahl der Angestellten mit vier angegeben. In einem direkten städtischen Anstellungsverhältnis waren zu dieser Zeit drei Nachtwächter und ein Förster. 1869 trat ein Sparkassenrendant und 1874 ein Armenarzt in den Dienst der Stadt. 1886 waren bereits 12 Beamte und Angestellte im Dienst der Stadt. Ihre Zahl verdreifachte sich bis 1896. Der starke Zuwachs auf 38 Beamte und Angestellte zum Ende des Jahrhunderts ist ein weiterer Beleg für die „Bürokratisierung“ der städtischen Verwaltung. Die damit zusammenhängende, aus den neuen Aufgaben und der Vermehrung der zu bearbeitenden Geschäftsvorfälle abzuleitende Aufgabendifferenzierung und Spezialisierung innerhalb der Verwaltung spiegelten die infolge der Urbanisierung gestiegenen Anforderungen an die Verwaltung wider. Neben der Vermehrung der Bürotätigkeiten in der Eingriffsverwaltung (Polizei- und Meldewesen) auf Grund der steigenden Einwohnerzahl entstanden funktionell eigene Verwaltungszweige, die sich der Leistungsverwaltung im engeren Sinne widmeten. Dies betrifft insbesondere die kulturellen Leistungen im Schulwesen und die sozialen Leistungen durch Krankenhaus und andere Wohlfahrtseinrichtungen. Die mit den Konzessionsverträgen geschaffenen Einrichtungen für Gas und Wasser in der Hand von privaten Unternehmern berührten neben der rechtlichen Prüfung durch den Bürgermeister 409 410

Nach Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 32. Vgl. zum folgenden die Tabelle in Anlage 2.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

als höheren Beamten dagegen allenfalls die Bauverwaltung, also den Aufgabenbereich des Stadtbaumeisters. Unter den 38 Beamten und Angestellten findet sich schließlich auch ein zweiter höherer Beamter, der als Beigeordneter den Bürgermeister in seiner Funktion als Leiter der Stadtverwaltung gemäß der Geschäftsverteilung zu entlasten hatte und dem Magistrat angehörte. Während sich die Zahl des städtischen Personals auf der Basis des Jahres 1856 bis zum Jahr 1886 mit einem Zuwachs von 71,4 %411 schon stark vergrößert hatte, ereignete sich zwischen 1886 und 1896 eine geradezu stürmische Entwicklung. Innerhalb dieser 10 Jahre nahm die Zahl des städtischen Personals gegenüber 1886 um 216,7 %412 zu. Der gestiegene Personalbestand in der Stadt Lüdenscheid gegen Ende des 19. Jahrhunderts muß als eine Reaktion auf Urbanisierung, Bevölkerungsentwicklung und Industrialisierung gesehen werden.

dd) Besondere Maßnahmen und Einrichtungen der Stadtverwaltung nach 1856 Wenn für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts besondere Anstrengungen für die Bedürfnisse und Interessen der Bürger zu verzeichnen waren, beruhte das Tätigwerden der Verwaltung formell entweder auf einem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung oder auf einer bereits bestehenden gesetzlichen Pflicht. Sogenannte „Maßnahmen der laufenden Verwaltung“ hatte der Magistrat als Gemeindeverwaltungsbehörde zu erledigen. Ohne den Ausführungen zu den Grundzügen des Anstaltsbegriffes bei der Kommunalisierung der Versorgungsbetriebe im zweiten Teil der Untersuchung vorzugreifen, muß an dieser Stelle der Untersuchung die Ausweitung der städtischen Verwaltungstätigkeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kurz dargestellt werden. Über die Vielzahl der städtischen „Veranstaltungen“ kann hier nur ein Überblick gegeben werden. Hervorzuheben ist dagegen die Behandlung der Abwässer in Lüdenscheid, das sogenannte „Kanalisierungsproject“, gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Korrelat zur Wasserversorgung. (1) Überblick Seit 1856 besaß die Stadt Lüdenscheid bereits eine Volksbibliothek, ihrer Art nach eine der ältesten in Westfalen. Die Gründung war eine private Initiative und wurde lange Zeit auf der Grundlage eines Vereins geführt. Die Organe waren Vorstand und Ausschuß. Da die private Bibliothek allen Bürgern offen stand, leistete die Stadt Beiträge und wirkte durch den Magistrat satzungsgemäß im Vorstand mit, bis sie 1920 den gesamten Bestand übernahm und als öffentliche Einrichtung der Stadt weiterführte.413 Die Beiträge der Stadt wurden aus dem städtischen Haushalt finanziert. 411 412

Das entspricht einem durchschnittlichen Jahreswachstum von 2,4 %. Das durchschnittliche Jahreswachstum liegt hier bei 21,7 %.

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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Die steigenden Kosten des Schulbetriebes in der alten Rektoratsschule der evangelischen Kirchengemeinde führten 1857 / 58 zur Übernahme der Schule in die Trägerschaft der Stadt. Die Anfänge der Rektoratsschule gehen zurück bis in die Zeit um 1450, als die Lüdenscheider Vicarie St. Marien eine Lateinschule mit Rechten und Grundbesitz – unter anderem 1478 mit dem Rektoratsgut Köllmannshorst bei Werdohl – ausstattete.414 Die Schule hatte seit Jahrhunderten zuletzt unter Verwaltung eines Kuratoriums bestanden, in dem der Bürgermeister der Stadt Lüdenscheid, Vertreter der Landgemeinde Lüdenscheid und Vertreter der evangelischen Kirchengemeinde saßen.415 Ab 1. 4. 1858 wurde die Schule als unselbständige städtische Schulanstalt mit evangelisch-kirchlichem Charakter weitergeführt. Dazu wurden der Stadt Lüdenscheid die Rechte aus dem sog. Rektoratsfonds von der Landgemeinde und der evangelischen Kirchengemeinde abgetreten. Die Höhere Bürgerschule der Stadt Lüdenscheid – wie die Schule fortan hieß – war 1866 die einzige Schule in der Provinz Westfalen unter 27 höheren Bürgerschulen in Preußen, die zur Ausstellung eines Zeugnisses für den einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt war.416 Mit einer Stiftung der Frau Luise Kerksig – Witwe des Justizrates Kerksig – im Wert von 15.000 Talern wurde 1858 der finanzielle Grundstock für ein Krankenhaus der Stadt Lüdenscheid gelegt. Es handelte sich um eine Zweckschenkung an die Stadt, die aus Grundstücken und Geldmitteln bestand und mit der Bedingung versehen war, davon ein Krankenhaus einzurichten. Die nächsten Krankenhäuser befanden sich in Altena, Hagen und Schwelm.417 Mit dem Vermögen der „Louisenstiftung“ wurde von der städtischen Behörde ein Krankenhausbau als städtische Anstalt finanziert.418 Die Statuten wurden am 2. 12. 1859 von der Stadtverordnetenversammlung genehmigt. Am 17. 12. 1859 konnte die neue städtische Anstalt ihrem Zweck übergeben werden. Angestellt wurden ein Krankenhausarzt und zwei 413 Strodel, S. 88; Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 122; Bührmann, Die Stadtbücherei Lüdenscheid, in: Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen, S. 105 ff. 414 Sauerländer, Die Lateinschule – Rektoratschule, in: FS 500 Jahre Höhere Schule in Lüdenscheid 1958 / 59, S. 17 und 21; Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 124. 415 Zu den Einzelheiten der Verwaltung der Schule unter Beteiligung von Stadt und Landgemeinde und der evangelischen Kirchengemeinde muß hier auf Deitenbeck, Die Rektoratsschule zwischen kirchlicher und politischer Gemeinde 1810 – 1858, in: FS 500 Jahre Höhere Schule in Lüdenscheid 1958 / 59, S. 155, verwiesen werden. Aufschlußreich ist das Zitat aus dem Protokoll des Schulvorstandes hinsichtlich der Organisation der Rektoratsschule vom 11. 10. 1839: „Die Rectoratschule in Lüdenscheid ist eine für sich bestehende Schule der vereinigten evangelischen Gesamtgemeinde. . .“. 416 Schmidt, Die höhere Knabenschule 1858 – 1929, in: FS 500 Jahre Höhere Schule in Lüdenscheid 1958 / 59, S. 73. 417 Budde, in: FS 100 Jahre Städtisches Krankenhaus Lüdenscheid 1861, S. 24 f. 418 Budde, Soziale Einrichtungen, in: Hostert, Lüdenscheid, Industriestadt auf den Bergen, S. 61 ff. Vgl. auch Nr. 2 der weiteren Bestimmungen Louise Kerksigs zur Schenkung vom 10. 11. 1858.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

Schwestern der Diakonie Kaiserswerth. Schon 1862 konnte sich das Krankenhaus aus Spenden und Krankengeldern selbst finanzieren und 1869 wechselte die Einrichtung in ein größeres Gebäude.419 30 Jahre später stand ein moderner Krankenhausneubau zur Verfügung. Es handelte sich um eine öffentliche Gemeindeanstalt, die durch die Krankenhausdeputation auf Grund des Ortsstatuts vom 11. 12. 1893420 unter der Aufsicht des Magistrates verwaltet wurde. Die Kassenverwaltung erfolgte durch den Magistrat. Das Statut über Armenwesen in Lüdenscheid löste 1873 das Statut über die Armen-Commission aus dem Jahr 1849 ab. Der Magistrat gliederte dann das Armenwesen durch Statut vom 28. 3. 1892421 vollständig in die städtische Verwaltung ein. Für den inneren Dienst waren die Gemeindebeamten des städtischen Armenbüros zuständig. Der äußere Dienst oblag Armenpflegern als unbesoldeten Gemeindebeamten, die in Bezirksrat und Hauptversammlung organisiert waren. Die Organe hatten den Rang einer Verwaltungsdeputation. Die Hauptversammlung wurde als „Städtische Armenverwaltung zu Lüdenscheid“ bezeichnet und konnte vertreten durch ihren Vorsitzenden und zwei Mitglieder in ihrem Geschäftskreis Verträge zur Erfüllung ihrer Aufgaben abschließen und den Armenfonds gerichtlich vertreten. Die öffentliche Unterstützung wurde den Bedürftigen als ärztliche Behandlung und Medizin, durch Beschaffung einer Wohnung, durch Ausgabe von Mittagessen, Feuerungsmaterial, Kleidung und Bettwerk, durch Darlehen oder durch Leihe von Sachmitteln gewährt. Die Einrichtungen standen unter der Leitung und Aufsicht des Magistrates. Die Leistungen wurden aus städtischen und zum Teil privaten Mitteln finanziert und ehrenamtlich verwaltet. Die Waisenpflege war bereits 1870 aus der städtischen Armenpflege funktionell ausgegliedert worden. Die städtische Verwaltung richtete statt dessen eine Waisenanstalt am Krankenhaus ein. 1887 konnte ein neues Waisenhaus gebaut werden, das bis 1910 benutzt wurde. Schenkungen, Vermächtnisse und die Karolinenstiftung trugen zum Unterhalt der Anstalt bei. Die Karolinenstiftung war eine Geldschenkung der Witwe des Fabrikanten Wilhelm Ritzel an die Stadt mit der Bedingung, von den Zinsen sog. „Legaten“ an förderungswürdige Mädchen und Jungen auszuzahlen.422 Zahlreiche Stiftungen vermögender Privatpersonen unterstützten die Stadt darüber hinaus in der Kranken- und Waisenfürsorge.423 419 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 112; Budde, Soziale Einrichtungen, in: Hostert, Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen: S. 61 ff. 420 Ortsstatut vom 11. 12. 1893 betreffend die Bildung von Deputationen zur Mitwirkung bei der Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftszweige der Gemeindeangelegenheiten der Stadt Lüdenscheid, abgedruckt in: Vorschriftensammlung 1911, I. Allgemeine Verwaltung und Beamtenverhältnisse der Stadt Lüdenscheid, S. 3 ff. 421 Ortsstatut vom 28. 3. 1892 abgedruckt in: Vorschriftensammlung 1911, III. Armenwesen und Wohlfahrtspflege für die Stadt Lüdenscheid, S. 1 ff. 422 Strodel, S. 134. 423 Vgl. als Überblick den Abdruck der Schenkunganordnungen in: Vorschriftensammlung 1911, III. Armenwesen und Wohlfahrtspflege für die Stadt Lüdenscheid, S. 7 ff.

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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Die städtische Feuerlöschkompagnie als Pflichtfeuerwehr wurde 1878 durch die Freiwillige Feuerwehr, einem Verein, ergänzt. Das Nebeneinander beider Wehren und die ungeklärten Zuständigkeiten führten 1881 zum Erlaß einer neuen Feuerordnung.424 Die Wehren hatten danach gleichermaßen die Aufgabe der Brandbekämpfung unter Leitung des Bürgermeisters als „Löschdirigenten“ wahrzunehmen. Zur Pflichtfeuerwehr gehörte jeder körperlich taugliche männliche, der freiwilligen Feuerwehr nicht angehörige, Einwohner vom 18. bis zum 55. Lebensjahr mit Ausnahme der Staatsbeamten, Geistlichen, Lehrer, Ärzte und Soldaten. Zum Einsatz kam jedoch aus Gründen des höheren Organisationsgrades nur die Freiwillige Feuerwehr, die dadurch an Bedeutung weiter zunahm.425 Der Erprobung einer örtlich und zeitlich festgesetzten Verkaufsmöglichkeit für Obst- und Gemüsehändler im Jahre 1881426 folgte die feste Einrichtung eines Wochenmarktes durch Polizeiverordnung vom 10. 12. 1883427 auf Grund §§ 5, 6c) des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 1850. Die Marktordnung bestimmte unter anderem einen festen Veranstaltungsplatz, die Marktzeiten und das Warenangebot.428 Es handelte sich damit um eine polizeiliche Gemeindeanstalt. 1878 setzte sich Bürgermeister Selbach erstmals für eine obligatorische Fleischbeschau in einem städtischen Schlachthaus ein.429 Zunächst wurde mit einem Unternehmer ein Vertrag über die Errichtung und Benutzung eines Schlachthauses geschlossen. Die Regierung versagte jedoch dem privaten Vorhaben ihre Zustimmung und die Stadt übernahm das Bauprojekt 1880 in eigene Regie. Als Grund für die Versagung der Genehmigung muß vermutet werden, daß die Regierung die private Finanzierung von Bau und Betrieb einer polizeilichen Gemeindeanstalt für unverträglich hielt. Am 1. September 1883 wurde der städtische Schlachthof eröffnet. Rechtsgrundlage war das Gesetz betreffend die Einrichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser vom 9. 3. 1881.430 Der Benutzungszwang beruhte auf der Polizeiverordnung vom 1. Juni 1885.431 Vom Eishaus432 STA Lüd. A 379. Deitenbeck, 100 Jahre Freiw. Feuerwehr Lüdenscheid, S. 41. 426 Lüdenscheider Wochenblatt v. 31. 8. 1881. 427 Polizeiverordnung über den Wochenmarktverkehr der Stadt Lüdenscheid vom 10. 12. 1883. Diese wurde durch die Polizeiverordnung vom 26. 11. 1894 – abgedruckt in: Vorschriftensammlung 1911, VI. Polizeivorschriften und ähnliche Bestimmungen der Stadt Lüdenscheid, S. 34 f. – ersetzt. 428 Heider, L., Der Lüdenscheider Wochenmarkt, in: 125 Jahre Lüdenscheider Nachrichten – Sonderausgabe 1979. 429 Strodel, S. 122 ff. 430 PreußGS. S. 273. 431 Abgedruckt in: Vorschriftensammlung 1911, II. Die Betriebe und Anstalten der Stadt Lüdenscheid, S. 1 f. 432 STA Lüd. A 394, Verw.Ber. v. 01. 04. 1900 bis 31. 03. 1901, S. 21; vgl. auch Geschäftsbedingungen für die Eislieferung, abgedruckt in: Vorschriftensammlung 1911, II. Betriebe und Anstalten der Stadt Lüdenscheid, S. 12; Strodel, S. 122 u. 124. 424 425

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

bzw. dem städtischen Eiswerk ist nur so viel bekannt, daß es dem Schlachthof angegliedert war und jedermann im monatlichen Abonnement den Bezug von „Kunsteis“ ermöglichte. Das Eishaus wurde gegen Ende des Jahrhunderts an die Brauerei Mark vermietet. Auch die städtische Waage433 war eine Einrichtung der Stadt. (2) Exkurs – Die Behandlung der städtischen Abwässer Die Abwässer Lüdenscheids wurden in früherer Zeit nach dem oben beschriebenen Verfahren auf den umliegenden Feldern der Stadt verrieselt.434 Zum Teil waren bereits Kanäle unter den Straßen vorhanden, die jedoch lediglich vom Haus weg in den Boden führten. Zum Teil wurden mehrere dieser Kanäle zusammengeführt und in der Nähe eines Baches verrieselt. Neben dem verdorbenen Grundwasser verdeutlichte die Notwendigkeit einer Kanalisation auch die Verschlammung der Bachläufe. Da die städtischen Abwässer in Folge der topographischen Gegebenheiten nicht in eine zentrale Kläranlage geleitet werden konnten, floß die Vorflut ungeklärt in drei Täler ab. Am 13. 6. 1889 erörterte die Stadtverordnetenversammlung eine Beschwerde der Landgemeinde Lüdenscheid über die Abführung von Abwässer in den Rahmedebach. Das Ausmaß der Verschmutzung der Bachläufe war so groß, daß ein Projekt zur Kanalisierung Lüdenscheids in Angriff genommen werden mußte. In der Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung und im Magistrat war umstritten, ob eine Kläranlage mit Kanalisation wirklich erforderlich war. Erhebliche finanzielle Aufwendungen der Stadt zeichneten sich ab. Während der Magistrat Kanäle und Kläranlage bauen wollte, lehnte die Stadtverordnetenversammlung dies unter Hinweis auf wichtigere städtische Bedürfnisse ab.435 Die Angelegenheit wurde zunächst einer Kanalisations-Kommission übertragen. Die Kommunalbehörden hatten gemäß den Erlassen vom 1. September 1877436 und 8. September 1886437 in Fragen der Kanalisierung auf dem Dienstweg über den Regierungspräsidenten und den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen an die preußische Regierung in Berlin über das Projekt zu berichten.438 Wegen der großen Bedeutung, die das Kanalisationswesen in gesundheitlicher, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht für die Gemeinden hatte, war den Aufsichtsbehörden ein weitgehender Einfluß vorbehalten. Die Kanalisationsprojekte durften erst dann ausgeführt werden, wenn die Kostenvoranschläge für Bau und Betrieb (Reinigung) der Anlagen durch die Regierung genehmigt worden waren. Die Erlasse hatten den Zweck, die Verunreinigung der Wasserläufe durch städtische Abwässer nach Mög433 434 435 436 437 438

Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 3. Vgl. oben Teil I B. II. 2.. Strodel, S. 274; Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 232. PrMBl. 158 und 257. PrMBl. 223. STAA Münster Oberpräsidium Westfalen Nr. 2523.

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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lichkeit zu verhindern oder zu vermindern. Dazu sollte in ganz Preußen nach einheitlichen Grundsätzen verfahren werden und verschiedenen öffentlichen Belangen Rechnung getragen werden.439 Mit Schreiben vom 21. 7. 1891440 wurde der Regierungspräsident in Arnsberg von der preußischen Regierung darüber unterrichtet, daß keine Kläranlagen für die Stadtteile Lüdenscheids erforderlich waren, die in den Elspe- und Schlittenbach entwässern, „. . .wenn zukünftighin die Reinigung der Kanalwässer auf den angrenzenden Wiesenflächen nicht nur wie bisher zeitweise und ohne bestimmten Plan, sondern systematisch erfolgt.“

Vor der Einleitung der Abwässer in den Rahmedebach sollten diese jedoch gereinigt werden. Der chemischen Reinigung durch Automaten seien dabei Rieselfelder vorzuziehen. Die Preußische Regierung441 beauftragte den Regierungspräsidenten in Arnsberg im gleichen Schreiben, die Verschmutzung des Rahmedebachs und der Lenne zu unterbinden. Der Regierungspräsident schrieb am 19. 3. 1892 zurück: „Die Verbindung der Spülaborte mit den städtischen Kanälen ohne genügende Kläranlagen wird keinesfalls länger geduldet werden können.“

Am 14. 5. 1892 fand dann eine Beratung des Regierungspräsidenten mit mehreren Ministerialbeamten über die Kanalisierung in Lüdenscheid statt. Auch der Landrat des Kreises Altena nahm daran teil. Den Lüdenscheider Stadtverordneten erschienen die Kosten für eine städtische Kläranlage nach wie vor zu hoch. Am 17. 6. 1892 legte der Minister des Innern fest, daß in der Stadt Lüdenscheid selbst auf eine Reinigungsanlage chemischer Art verzichtet werden könne, eine mechanische Reinigung aber erforderlich sei. Dafür sollte im Rahmedetal ein Stauteich mit einem Sinkbecken hergerichtet werden, das die Abwässer aufnahm442: „ . . . , auch wird dafür Sorge zu tragen sein, daß die Berieselungsanlagen im Elspe- und Schlittenbachtale sowie der Klärbeckenanlage dauernd in ordnungsmäßigen Betriebe gehalten und daß in der letzten verbliebene Rückstände so oft als nötig durch Abfuhr entfernt werden.“

Der Regierungspräsident wurde ermächtigt, die landespolizeiliche Genehmigung für das Kanalisationsprojekt zu erteilen. Die planmäßige Ausführung des Projekts war zu überwachen. Am 8. 7. 1892 erging dann eine Genehmigung für die Klärung der Abwässer in der Schafsbrücke durch einen Sickerteich unter der Bedingung, daß die Schlämme jährlich zu beseitigen seien. Durch Polizeiverordnung Stier-Somlo / Buck, Das Recht der Gemeindeanstalten, 2. Bd., S. 153. STAA Münster Oberpräsidium Westfalen Nr. 2523, Schreiben vom 21. 7. 1891. 441 Beteiligt waren der Minister des Inneren, der Minister für Handel und Gewerbe, sowie die Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. 442 STAA Münster Oberpräsidium Nr. 2523, Schreiben vom 17. 6. 1892 an den Regierungspräsidenten zu Arnsberg. 439 440

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

des Magistrates vom 18. 6. 1892443 gem. §§ 5 und 6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 1850 i. V. m. dem Gesetze betreffend die Anlage und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. 7. 1875 wurde zusätzlich der Anschlußzwang für die städtische Kanalisation festgesetzt. Danach war von der Stadt Lüdenscheid eine Entwässerungsanlage einzurichten, die gem. § 28 der Polizeiverordnung aus einem Kanal unter einer jeden Straße bestand, welchem durch Schlammfänge das Straßen- und „sonstige Wasser“ zugeführt wurde.444 Die Hauseigentümer hatten das „sonstige Wasser“ aus dem Inneren der Häuser den Kanälen – sofern vorhanden – zuzuleiten, wozu § 26 auf die §§ 25 und 68 der Baupolizeiverordnung vom 22. 1. 1890 / 20. 5. 1891445 verwies: § 68 Entwässerung der Grundstücke: Jeder Grundbesitzer ist verpflichtet, für die Entwässerung seines Grundstückes und der auf demselben befindlichen oder zu errichtenden Gebäude Sorge zu tragen. Die Abwässer auf den Straßenkörper laufen zu lassen, ist nicht gestattet. Ist die Straße mit Seitengerinnen versehen, so soll bis zur Einrichtung einer öffentlichen Entwässerungsanlage (Kanal) die Zuleitung des Dach- und Hauswassers unter den in § 25 angegebenen Bedingungen gestattet werden; ist die Straße aber mit einem Kanal versehen, so ist die Polizeiverwaltung berechtigt, den Anschluß des Grundstückes an den Kanal zu verlangen und dürfen von diesem Zeitpunkt ab von dem Grundstücke keinerlei Flüssigkeiten nach der Straße abfließen.

Die Kanalisation und ihre Ausführung in den Jahren nach 1892 war damit eine polizeiliche Gemeindeanstalt der Stadt Lüdenscheid, deren Zeichen der Anschlußund Benutzungszwang war. Die provisorische Kläranlage der Sinkteiche im Rahmedebach blieb noch bis nach 1910 bestehen, da neu projektierten Kläranlagen entweder die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung oder der Regierung fehlte.446 Der Kanalbau in der Stadt schritt nur langsam voran. Der Amtmann der Landgemeinde Lüdenscheid erließ schon am 25. 4. 1894 gem. § 132 Landesverwaltungsgesetz i. V. m. § 10 II 17 ALR eine Verfügung gegen die Stadt, binnen Frist den verschlammten Stauteich reinigen zu lassen, wie es die Genehmigung des Regierungspräsidenten vom 8. 7. 1892 angeordnet hatte. Dagegen erhob die Stadt Lüdenscheid Klage vor dem Kgl. Oberverwaltungsgericht, die jedoch mit der Begründung abgewiesen wurde, daß die Stadt Lüdenscheid den gesundheitsschädlichen Zustand des Teiches in überwiegendem Maß herbeigeführt habe.447 Auch in einem Zivilprozeß vor dem Kgl. Landgericht Hagen war die Kläranlage um 1910 der Streitgegenstand. Die Stadt Lüdenscheid wurde auf Unterlassung und Beseitigung der von dem Schlammaushub des Teiches ausgehenden Gerüche in Anspruch genommen. Das Wohnhaus des Klägers lag in der Nähe des Teiches, der als Abwassersickerbecken 1892 angelegt worden war. Das Gericht wies jedoch die Klage STA Lüd. A 838. Die Stadt war zwar nicht polizeipflichtig, ihr konnte jedoch die Zwangsetatisierung für die Kanalanlagen auferlegt werden. 445 STA Lüd. A 49. 446 Strodel, S. 275 f. 447 Pr.OVG v. 8.April 1895. 443 444

C. Die Entwicklung der Stadtverwaltung im 19. Jahrhundert

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durch Urteil vom 6. 6. 1910 mit der Begründung ab, daß nach § 906 BGB die Gerüche unerheblich und damit zu dulden seien.448

III. Ansätze der Leistungsverwaltung in Lüdenscheid im 19. Jahrhundert Öffentliche Aufgaben der Gemeinde, die durch Gesetz, freiwillig oder auf Initiative der Bürgerschaft zu erfüllen waren, wurden in der Stadt Lüdenscheid nach 1856 durch vielfältige Verwaltungsmaßnahmen und -einrichtungen wahrgenommen. Dies geschah durch unselbständige städtische Anstalten, gewerbliche Tätigkeit, finanzielle Beteiligung an einer Unternehmung, durch „verlorene“ Zuschüsse der Stadt an private Einrichtungen oder durch Auftragsvergabe an die private Wirtschaft. Kennzeichnend für die Abgrenzung des neuen Typs der Leistungsverwaltung ist nach moderner Auffassung der instrumentale Charakter der Maßnahme. Festgestellt werden kann, daß die wichtigsten Ansätze der Leistungsverwaltung in der Stadt Lüdenscheid im 19. Jahrhundert zuerst auf sozialem, dann auf gemeindewirtschaftlichem und zuletzt auf kulturellem Gebiet gelegen haben. Die Einrichtung der Sparkasse 1845 und die Übernahme der Armenverwaltung 1849 gingen dem Abschluß des ersten Konzessionsvertrages im Jahr 1856 voraus. Die Übernahme der Rektoratsschule als Höhere Bürgerschule 1857 in die städtische Verwaltung und die Einrichtung des städtischen Krankenhauses liegen wiederum vor den Konzessionsverträgen der Jahre 1883 und 1887. Die Konzessionsverträge sind Maßnahmen der schlicht-hoheitlichen Verwaltung gewesen und hatten in ihrer wirtschaftlichen Wirkung einen bedeutenden Anteil an den der Leistungsverwaltung neuen Typs zuzurechnenden Maßnahmen. Sie unterschieden sich dabei von den früheren ebenfalls schlicht hoheitlichen Maßnahmen der Stadtverwaltung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – so etwa dem Ankauf von Öl für die öffentliche Beleuchtung oder der Durchführung von Baumaßnahmen an Ackeldruften oder Fontainen – durch den Auftrag zum Aufbau und zur Unterhaltung eines Versorgungssystems für die Stadt und ihre Einwohner. Die einer Leistungsverwaltung zuzurechnenden Maßnahmen waren – ähnlich dem weiten Zuordnungsbereich des Anstaltsbegriffes – nicht (nur) durch bauliche Einrichtungen erkennbar, sondern auch institutionelle Verwaltungsmaßnahmen. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts trat in der Stadt Lüdenscheid infolge der Übernahme von Wohlfahrts- und Bildungsanstalten in die städtische Verwaltung gewissermaßen eine Friktion zu dem von alters her vorherrschenden privaten Engagement in diesen Bereichen durch Leistungen von Bürgern und kirchlichen oder gewerblichen Institutionen ein. Der Konzessionsvertrag über die Versorgung mit Gas 1856 führt diese Friktion auf gemeindewirtschaftlichem Gebiet fort. Die gemeindliche Versorgungswirtschaft war 1856 in Lüdenscheid als Leistungsverwaltung eigener 448

Urteil des Kgl. Landgericht Hagen v. 6. Juni 1910, Az 0. 256 – 07.

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Teil I: Die Konzessionsverträge für Gas und Wasser

Art jedoch noch nicht ausgeprägt. Der Abschluß der Konzessionsverträge war ein wichtiger Schritt bei der Verlagerung von Maßnahmen aus der klassischen Hoheits- und Vermögensverwaltung zur Schaffung leistungs- und absatzorientierter privater Einrichtungen im Rahmen der Daseinsvorsorge. Die Konzessionsverträge gaben damit Impulse für einen neuen Typ von Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Gemeindewirtschaft, auch wenn sich die Verwaltung zur Erfüllung der Versorgungsaufgabe noch privater Unternehmer bediente. Diese Art der Leistungsverwaltung war zwar materiell nicht direkt eine Leistung an den Bürger. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, eine Leistungsverwaltung hätte im 19. Jahrhundert in Lüdenscheid überhaupt nicht bestanden. Sie vollzog sich nur nicht als eigener abgegrenzter Verwaltungstyp, sondern umfaßte Einrichtungen auf sozialem und kulturellem sowie die Konzessionsverträge auf gemeindewirtschaftlichem Gebiet.

Teil II

Die Kommunalisierung von Wasser- und Gaswerk und die Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes zwischen 1900 und 1919 Neben der Übertragung der Versorgungsaufgaben auf private Unternehmer durch Konzessionsverträge wurde in Deutschland bereits in der Einführungsphase der neuen Technologien vereinzelt städtische Anstalten oder Betriebe zur Gas- und Wasserversorgung eingerichtet. Das gemeindewirtschaftliche Engagement der Städte setzte sich in Preußen nur langsam durch. Ein Großteil der konzessionierten Betriebe konnte auf Grund der bestehenden Verpflichtungen der Konzessionsverträge erst nach Ablauf einer Mindestvertragsdauer von 20 bis 30 Jahren in eine städtische Betriebsform überführt werden.1 Eine Konzentration der Kommunalisierungsentscheidungen ist in Preußen vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beobachten.2 Die in der Stadt Lüdenscheid auf allen Gebieten der leitungsgebundenen Versorgung einsetzende Veränderung und der Übergang in eine verstärkt von gemeindewirtschaftlichen Interessen dominierte Phase lassen sich für Wasser und Gas anhand der Beendigung der Konzessionsverträge und für die Elektrizität durch den Zeitpunkt der kommunalen Etablierung feststellen. Aus der Darstellung in Anlage 1 ist ein zeitlicher Abschnitt erkennbar, der noch vor der Übernahme des Wasserwerkes im Jahre 1901 beginnt und erst nach dem Heimfall des Gaswerkes im Jahr 1916 endet. Der in der Forschung zur Stadtentwicklung allgemein – und auch in der vorliegenden Untersuchung – als Kommunalisierungsphase zu bezeichnende Abschnitt überspannt dabei die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes im Jahr 1907. Für die Festlegung des Beginns der eigentlichen Kommunalisierungsphase in Lüdenscheid ist zu berücksichtigen, daß die erforderlichen Entscheidungen durch die Stadtverordnetenversammlung und den Magistrat mit einem zeitlichen Vorlauf herbeigeführt wurden. Der Beginn der Kommunalisierungsphase ist schon im Jahr 1900 anzusetzen, da die Entscheidung der Stadtverordnetenver1 Matzerath, Urbanisierung in Preußen 1815 – 1914, S. 204; Deutsche Verwaltungsgeschichte / Hofmann, Bd. 3, S. 587. 2 Die zur Kommunalisierung heranziehbaren Statistiken bei Silbergleit, S. 239 ff.; Mombert, S. 94 ff. und Stern / Püttner, S. 24 liefern zum Teil abweichende Zahlen, da die Daten der Städte auf unterschiedlicher Grundlage erhoben wurden.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

sammlung, die Wasserversorgungsanlage zu erwerben, der Ausgangspunkt für die Kommunalisierung war. Zum Ende der Phase ist ein kurzer Zeitraum der Eingliederung des Gaswerkes nach 1916 bis ca. 1919 noch in die Kommunalisierungsmaßnahmen mit einzubeziehen. Wie die Kommunalisierung sich bei den einzelnen Versorgungsgütern vollzogen hat, soll zuerst in rechtlicher Hinsicht für Wasser, Elektrizität und Gas untersucht werden. Der Schwerpunkt liegt dabei zunächst auf einer Darstellung der Motive der Kommunalisierung und der rechtlichen Gestaltung des Kommunalisierungsprozesses. Die systematische Erfassung und rechtliche Einstufung der mit der Kommunalisierung der Versorgungsbetriebe entstandenen Verwaltungsgebilde wird danach im Zusammenhang mit der Funktionsbeschreibung der städtischen Verwaltung geleistet.

A. Die Übernahme des Wasserwerkes Von den 1.640 größeren und mittleren Städten in Deutschland besaßen im Jahr 1900 52 % ein Wasserwerk. Bei den 150 größeren Städten waren es sogar 100 %, während die 1.490 kleineren Städte nur zu 47 % über ein Wasserwerk verfügten. Rund 94 % der Wasserwerke wurden zu diesem Zeitpunkt in städtischer Regie betrieben.3 Für 1907, dem Zeitpunkt der Stadtkreisbildung für die Stadt Lüdenscheid4, verzeichnet Mombert5 in der für Lüdenscheid zutreffenden Größenklasse von 20.000 bis 50.000 Einwohnern 134 Städte, von denen 130 ein Wasserwerk besaßen. Nur in sieben Städten wurde das Wasser noch privat bezogen. Nach dem Neubau des Pumpwerks im Versetal war die Wasserversorgungsanlage mit dem Wasserwerk vom Unternehmer zunächst 1887 an die Aktiengesellschaft Lüdenscheider Wasserwerke zu Gotha und von dieser 1899 an die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft in Berlin verkauft worden. Die Investitionen beider Unternehmen in die einst vom Geh. Rat Henoch gebaute Anlage waren äußerst zurückhaltend. Da die Stadt Lüdenscheid die weitere Sicherung der Wasserversorgung anstrebte, suchte sie auf der Grundlage der bestehenden Versorgung durch Verhandlungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Wasserwerk und die Leitungsanlagen zu erwerben.

Krabbe, Kommunalpolitik und Industrialisierung, S. 26. Durch Überschreiten der Grenze von 30.000 Einwohnern. Dazu Reekers, S. 48. 5 Mombert, Die Gemeindebetriebe in Deutschland, S. 9 ff. Momberts Darstellungen beruhen auf den Angaben im Adreßbuch der Städte-Verwaltungen Deutschlands im Jahr 1907. Erst ab der Größenklasse von 5.000 Einwohnern läßt sich die Darstellung mit der Einteilung auf Grund der Volkszählung von 1905 vergleichen. 3 4

A. Die Übernahme des Wasserwerkes

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I. Die Kommunalisierungsbestrebungen und die Sicherung der Wasserversorgung in Lüdenscheid Der Verwaltungsbericht für das Jahr 1900 hält die Motive von Magistrat und Stadtverordneten folgendermaßen fest:6 „Daß bei der Verwaltung und dem Betriebe die Interessen der Allgemeinheit nicht in dem Maße gewahrt wurden, wie es bei der Wichtigkeit der Sache für die Bürgerschaft geboten erschien, ist selbstverständlich. Die Besitzerin des Wasserwerkes hatte das Monopol der Wasserversorgung in Lüdenscheid, die städtischen Vertretungen waren ohne Einfluß auf den notwendigen Ausbau des Werkes und auf die wünschenswerten Änderungen und Erweiterungen. Es war in keiner Weise Gewähr geboten, daß die Gesellschaft dauernd den wachsenden Anforderungen der Abnehmer gerecht werden und auch in wasserarmen Zeiten und bei schnellerer Entwicklung der Stadt genügend Wasser liefern konnte. Berechtigten Wünschen wurde seitens der Verwaltung oft nicht entsprochen, Klagen und Beschwerden blieben häufig unberücksichtigt. Es erschien daher den städtischen Vertretungen als ein erstrebenswertes Ziel, durch den Erwerb des Wasserwerkes der Stadt die Freiheit des Handelns zu erkaufen und den Betrieb so zu führen, wie es die Interessen der Allgemeinheit geboten erscheinen ließen, vor allem der Stadt Wasser in hinreichender Menge und guter Beschaffenheit zu sichern.“

Anlaß zur Sorge um die zukünftige Entwicklung bestand zunächst angesichts der steigenden Einwohnerzahlen in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. In den Jahren 1892 und 1893 waren die Sommer – wie schon in den 70er Jahren – sehr trocken.7 Bewegung in das Verhalten der Stadt brachten die nach und nach projektierten und genehmigten Talsperren im Sauerland. Im Oktober 1893 wurde nördlich von Lüdenscheid mit dem Bau der Fuelbecker Talsperre nach Plänen des Rektors der Aachener Technischen Hochschule, Geh. Regierungsrat Intze, begonnen. Der Träger des Bauwerkes, die Talsperrengenossenschaft Fuelbecke, war die erste öffentliche Genossenschaft, die auf Grund des Gesetzes vom 19. 5. 18918 zur Abänderung des Gesetzes betreffend die Bildung von Talsperrengenossenschaften für das Gebiet der Wupper und ihrer Nebenflüsse vom 1. 4. 18799 und der Kgl. Verordnung betreffend die Talsperrengenossenschaften im Bereich der Lenne vom 30. 12. 189110 zustande kam. Bereits im Mai 1897 konnte die Talsperre in Betrieb genommen werden. Es folgten 1899 die Glörtalund Jubachtalsperrengenossenschaften unter dem Einfluß des Ruhrtalsperrenvereins.11 STA Lüd A 394, Verw.Ber. v. 1. 4. 1900 – 31. 3. 1901. Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 203; Giedinghagen, Das Klima von Lüdenscheid, in: Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen, S. 32. 8 PreußGS. S. 97. 9 PreußGS. S. 297. 10 PreußGS. (1892) S. 5. 11 Zum Bau der Talsperren Kebbe, Die geschichtliche Entwicklung der westdeutschen Talsperren und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 11 ff. 6 7

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Für die Stadt Lüdenscheid wurde der ebenfalls für 1893 geplante Bau der Versetalsperre12 südlich der Stadt interessant, da diese im Einzugsgebiet für Gebirgswasser liegen sollte.13 Von den Gewerbetreibenden im Treckinghauser Tal wurden immer wieder Beschwerden wegen Betriebsstörungen der mit Wasserkraft des Versebaches betriebenen Fallhämmer vorgebracht. Es bestand die Vermutung, daß die von der Wasserwerksgesellschaft angelegten Brunnen des Treckinghauser Pumpwerkes mehr vom Versebach als vom Grundwasser gespeist wurden. Die Interessenten der Versegenossenschaft, der sich die Gewerbetreibenden angeschlossen hatten, forderten auf Grund dieser Vermutung einen jährlichen Beitrag von Stadt und Wasserwerksgesellschaft in Höhe von jeweils 4.000 – 5.000 Mark. Einen Vergleichsvorschlag, die Wasserwerksgesellschaft solle sich allein mit einem Beitrag von 7.500 Mark an den jährlichen Kosten der Versetalsperre beteiligen, lehnte diese ab. Die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft machte ihren Standpunkt im April 1895 in einem Brief an den Vorsitzenden des Komitees zur Erbauung der Versetalsperre, Commerzienrat Gustav Selve aus Altena, deutlich:14 „Zudem befinden wir uns über unser Hilfswerk Treckinghausen noch keineswegs in Übereinstimmung mit der städtischen Vertretung; denn während wir das Recht geltend machen, daß bei dem nach Ablauf der Concessionsdauer stattfindenden unentgeltlichen Übergange des Wasserwerkes in das Eigenthum der Stadt das Hilfswerk Treckinghausen hiervon ausgeschlossen bleibt, vielmehr extra von uns erkauft werden muß, scheint die städtische Vertretung hierüber entgegengesetzter Meinung zu sein, denn auf unseren Antrag, eine unserer Ansicht beipflichtende Erklärung abzugeben, ist ablehnende Antwort zu Theil geworden. Nun würde aber unsere Betheiligung an der Thalsperre außer dem jährlichen Beitrage zu den Unterhaltungskosten ganz enorme Anlagekosten erfordern, und es würde ganz sicher der Anspruch erhoben werden, daß auch eine solche Neuanlage nach Ablauf der Concessionsdauer ohne weitere Entschädigung in das Eigenthum der Stadt übergehen müsse. . . . Auch ist noch nicht annähernd der Beweis erbracht, daß das Wasser der Thalsperre einerseits für uns nothwendig, andererseits brauchbar und ausreichend sein wird. Das wir mit auf die Wassergewinnung im Versethale angewiesen sind, liegt ja klar, die Bedenken, daß durch irgend welche Ursachen eine Verschlechterung der Qualität des Wassers unserer Sammelbrunnen entstehen könnte, machen uns nicht gruselich.“

Erst am 21. 8. 1899 fand in Treckinghausen nahe Lüdenscheid – dem Standort des Wasserwerkes – ein Lokaltermin statt, bei dem durch Inaugenscheinnahme festgestellt werde konnte, daß die Speisung der Brunnen aus dem Versebach erfolgte, was bisher von der Gesellschaft bestritten worden war. Die Vertreter der Stadt Lüdenscheid überraschte diese Tatsache nicht, da schon ein 1898 eingeholtes Gutachten des Stuttgarter Professors Luger die Wasserqualität dadurch gemindert sah, daß nicht filtriertes Grundwasser sondern Bachwasser als Trinkwasser gefördert wurde. Bereits im Jahr 1887 hatten erste Zweifel an der Wasserqualität bestan12 Es handelte sich um die heutige Fürwiggetalsperre. Vgl. „Denkmalschutz für Anlagen der Fürwigge“, Westfälische Rundschau vom 24. 3. 2000. 13 Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 34. 14 STA Lüd. A 1920.

A. Die Übernahme des Wasserwerkes

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den, die durch ein Gutachten des Dortmunder Chemikers Dr. Kahler begründet wurden.15 Für die Stadt war die Lieferung bakteriologisch bedenklichen Wassers ein schwerwiegendes Argument, um auf den Abschluß des Übernahmevertrages für das Wasserwerk zu drängen. Eine Qualitätsklausel zur Sollbeschaffenheit des Wassers enthielt der 2. Vorvertrag über die Wasserversorgung vom 29. 7. / 8. 8. 188216 jedoch nicht. Es war weder Grundwasser, Quellwasser, Wasser „reinster Qualität“ noch eine Wasserlieferung nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik vorgesehen. § 1 sah lediglich die Erstellung eines Wasserwerkes für die Stadt Lüdenscheid vor, „. . .aus welchem dieselbe mit zum Trink- und Hausgebrauch geeigneten Wasser versorgt werden kann.“

Die Folgen der Lieferung ungeeigneten Wassers oder minderer Qualität ließ der Vertrag offen. § 8 lit. m) des Vertrages griff nur ein, wenn eine Unterbrechung der Wasserlieferung vorlag. Die Stadt war in diesem Fall berechtigt, die Wasserversorgung selbst zu übernehmen und auf eigene Rechnung und Gefahr bis zur Beseitigung der Unterbrechung fortzuführen. Weitere von der Stadt eingeholte Gutachten über Tiefbohrversuche zur alternativen Wassergewinnung in der Gemarkung Elspe brachten 1899 negative Ergebnisse, empfahlen sogar die Oberflächenwassergewinnung durch eine Sperre.17 Daraufhin intensivierte die Stadt ihrerseits die Verhandlungen mit der Versetalgenossenschaft über die Entnahme von täglich 2.500 cbm Wasser gegen eine jährliche Zahlung von 7.500 Mark. Am 5. 11. 1900 wurde der Vertrag18 von der städtischen Gas- Wasserkommission zum Abschluß gebracht. Der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung stimmten am 19. und 27. 11. 1900 zu. Hervorzuheben ist, daß es sich bei dem Vertrag nicht um einen Wasserlieferungsvertrag handelte, sondern um den Kauf eines Entnahmerechts der Stadt. Dies bedeutete, daß die Stadt sich um die Ableitung des Wassers aus der Talsperre und ggf. um eine Aufbereitung im Wasserwerk der Deutschen Wasserwerks AG selbst zu kümmern hatte. § 10 des Vertrages enthielt dann auch eine ausdrückliche Kennzeichnung des gekauften Rechts: „Das Recht der Wasserentnahme wird als ein dingliches dem ganzen Stadtgebiet gegenüber dem Grundbesitz der Genossenschaft zustehendes Recht konstituiert. Die Stadtgemeinde kann die Eintragung dieses Rechts auf ihre Kosten im Grundbuch verlangen.“

Bei dem dinglichen Recht handelte es sich um eine Grunddienstbarkeit gem. § 1018 BGB, die eine fortgesetzte Benutzung der als Stauraum dienenden Grundstücke der Genossenschaft durch Ableitung von Wasser auf die herrschenden Grundstücke der Stadt sicherte. Lüdenscheider Wochenblatt vom 18. 8. 1887. STA Lüd A 380, Verw.Ber. 1881 – 1886, S. 40. 17 Prof. Holzapfel von der Technischen Hochschule Aachen und der Direktor der Remscheider Gas- und Wasserwerke Borchardt erstellten die Gutachten. 18 STA Lüd A 394, Verw.Ber. v. 1. 4. 1900 – 31. 3.1901, S. 26. 15 16

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Neben dem Bevölkerungsanstieg und der steigenden Nachfrage nach Wasser in den neuen Stadtteilen Lüdenscheids waren die wiederkehrende Trockenheit in den Sommermonaten Ende des 19. Jahrhunderts, das bakteriologisch nicht einwandfreie Wasser aus dem Wasserwerk Treckinghausen und der beginnende Talsperrenbau im südlichen Westfalen die Motive für das Handeln der städtischen Vertretungen.

II. Der Kaufvertrag für das Wasserwerk vom 11. 1. 1901 Die von der Stadt parallel zum Wasserentnahmerecht aus der Versetalsperre vorangetriebenen Verhandlungen zum Erwerb der Wasserversorgungsanlage waren seit Ende 1897 immer wieder an der Vorlage eines konkreten Angebotes mit dem entsprechenden Zahlenmaterial durch den Eigentümer gescheitert. Die Möglichkeit des Erwerbs hatte sich die Stadt Lüdenscheid bereits in § 5 des Konzessionsvertrages vom 27. 02. 1883 i. V. m. § 5 lit l) Nr. 4 des zweiten Vorvertrag vom 29. 07. / 08. 08. 1882 vorbehalten. Auch die Ermittlung des Kaufpreises war von den Parteien festgelegt worden: „Die Stadtgemeinde Lüdenscheid soll berechtigt sein, die Wasserleitungsanstalt mit allen Rechten und Zubehörungen nach Maßgabe der folgenden Bedingungen zu erwerben: . . . 4. innerhalb des 10. bis 20. Betriebsjahres zur Voranschlagssumme inkl. 30% Aufschlag. . . Für Erweiterungen des Werkes, welche vom Tage der Betriebseröffnung bis zum Tage der Übernahme vorgenommen sind, werden deren Kosten auf Grund der im Voranschlag eingesetzten Preise besonders in Anschlag gebracht.“

In § 5 Abs. I. bis III. des Konzessionsvertrages vom 27. 02. 1883 war die Voranschlagssumme auf 232.000 Mark zuzüglich der Kosten der Stollenanlage sowie weiterer Investitionen festgesetzt worden. Die Diskussion über den Kaufpreis des Wasserwerkes entzündete sich insbesondere an der als Erweiterungsbau gesondert ausgewiesenen Bilanzposition des Wasserwerkes Treckinghausen.19 Dem 1896 neu gewählten Lüdenscheider Bürgermeister Dr. Jockusch gelang es schließlich 1899, die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft zu Berlin zum Verkauf zu bewegen. Die Nachgiebigkeit der Gesellschaft in Bezug auf das Wasserversorgungsmonopol gründete sich dabei wohl auf ihre sich stetig verschlechternde Verhandlungsposition. Obwohl die Konzession vom 15. 4. 1884 an für den Zeitraum von 70 Jahren lief, war die Beschaffung geeigneten Wassers letztlich die Vertragspflicht der Gesellschaft und unter den gegebenen Voraussetzungen zum Ende des Jahrhunderts nicht ohne Risiko. Die Stadt Lüdenscheid hatte sich mit dem Recht zur Wasserentnahme aus der alten Versetalsperre darüber hinaus eine Schlüsselposition verschafft. 19 STA Lüd. A 394, Verw.Ber. v. 1. 4. 1900 – 31. 3. 1901; Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 34. Vgl. auch den Bericht im Lüdenscheider Wochenblatt 18. 8. 1887, der erste Überlegungen zum Erwerb der Wasserleitungsanlage wiedergibt.

A. Die Übernahme des Wasserwerkes

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Nach Prüfung der von der Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft vorgelegten Akten über das Rohrnetz und das Treckinghauser Wasserwerk durch Stadtbauamt und Wasserkommission ergaben sich Zweifel an der Richtigkeit des Kostenansatzes der Aktiengesellschaft, die 800.000 Mark für die gesamte Wasserversorgungsanlage angesetzt hatte. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Bürgermeister Dr. Jockusch lenkte bei den in Berlin geführten Verhandlungen im Punkt des Kostenansatzes beim Wasserwerk als Erweiterungsbau i. S. von § 5 l) des Konzessionsvertrages vom 27. 2. 1883 schließlich ein. Am 28. 11. 1900 schloß er mit dem Verhandlungsführer der Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft Berlin, Ingenieur Hopp, einen Vorvertrag, bei dem das Wasserwerk mit 85.000 Mark in Ansatz gebracht wurde und die gesamte Wasserversorgungsanlage zum Preis von 765.000 Mark in bar oder zu 790.000 Mark in Stadtobligationen zuzüglich der noch zu ermittelnden Kosten für Erweiterungsbauten, Vorräte sowie ausstehenden Forderungen an die Stadt fallen sollte. Die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft gab zu notarieller Urkunde des Vorvertrages, daß sie sich bis zum 31. Dezember des Jahres an die ausgehandelten Bedingungen als Offerte binden wollte.20 Der Vorvertrag erhielt Anfang Dezember 1900 die Zustimmung von Wasserkommission, Stadtverordnetenversammlung und Magistrat.21 In der Stadtverordnetensitzung vom 8. 1. 1901 konnte nach Feststellung der offenen Positionen der Kauf beschlossen werden, dem auch der Magistrat zustimmte. Am 11. 1. 1901 wurde der Kaufvertrag in Berlin notariell beurkundet.22 Die Übertragungs- und Auflassungsklausel in § 3 enthielt folgenden Wortlaut: „Das vorgenannte Wasserwerk, nebst den Betriebsstätten, den Parzellen und allen darauf befindlichen Baulichkeiten jeder Art mit allen ihren Substanztheilen und gesetzlichen Zubehörungen, allen auf diesen Grundstücken befindlichen maschinellen und sonstigen Anlagen und Vorrichtungen, alle dem Betrieb des Wasserwerkes und der Wasserversorgung der Stadt und ihren Wohnungen dienenden, wenngleich außerhalb der bezeichneten Grundstücke befindlichen Anlagen und Vorkehrungen jeder Art, sämtliche auf den Grundstücken und außerhalb derselben vorhandenen, für den Betrieb des Wasserwerkes und die Wasserversorgung bestimmten, der Actien Gesellschaft eigenthümlich gehörigen Utensilien, Werkzeuge, Zubehörungen und Vorräte, übriges aber, wie es steht und liegt, werden seitens der Deutschen Wasserwerks Actien Gesellschaft der Stadt Lüdenscheid käuflich überlassen und zwar für den Kaufpreis, der nach den Grundsätzen dieses Vertrages ermittelt wird. Die Auflassung und Übergabe erfolgt am 1. April 1904, vorausgesetzt, daß an diesem Tage der Kaufpreis seitens der Stadt Lüdenscheid berichtigt wird. . .“

Der Kaufpreis der gesamten Versorgungsanlage setzte sich nunmehr aus den einzeln bewerteten Positionen für Vorräte, Installationsmaterial, Einrichtungsgegenstände sowie offenen Forderungen gegen Kunden und Lieferanten gemäß den §§ 5 und 6 des Kaufvertrages zusammen und betrug zusammen mit dem 30 %-igen Aufschlag auf die ursprüngliche „Voranschlagssumme“ gemäß § 5 des Konzessions20 21 22

STA Lüd. A 1931. STA Lüd. A 394, Verw.Ber. v. 1. 4. 1900 – 31. 3. 1901, S. 22. Abdruck in STA Lüd. A 394, Verw.Ber. v. 1. 4. 1900 – 31. 3. 1901.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

vertrages vom 27. 02. 1883 und den anzusetzenden „Erweiterungsbauten“ gemäß § 5 l des Vorvertrages vom 29. 7. / 08. 08. 1882 die Summe von 870.060,76 Mark. Zur Finanzierung mußte die Stadt ein Darlehen in Höhe von 950.000 Mark zu 4 % beim Bankhaus Delbrück Leo & Co. in Berlin aufnehmen.23 Die Aufnahme eines solchen Darlehens war durch die Aufsichtsbehörde gem. § 49 Abs. (3) Westfälische Städteordnung zu genehmigen. In diesem Zusammenhang gibt es keine Aufschlüsse darüber, daß seitens der Regierung eine sachliche Lenkung der Entscheidung der Kommunalisierung durch Kauf des Wasserwerkes erfolgte. Am 9. 2. 1901 wurde durch den Bezirksausschuß in Arnsberg die Darlehensaufnahme genehmigt. Die Auflassung der entsprechenden Grundstücke konnte vereinbarungsgemäß am 1. 4. 1901 erfolgen, so daß an diesem Tag das Wasserwerk in die städtische Verwaltung überging. Bei der Übernahme des Wasserwerkes handelte es sich um den Kauf einer Sachgesamtheit gem. § 433 BGB, da sowohl Mobilien als auch Immobilien Gegenstand des Kaufvertrages waren. Das ausschließliche Recht der Wasserversorgung – das der Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft als Rechtsnachfolgerin des Erbauers Henoch zustand – wurde nicht ausdrücklich an die Stadt Lüdenscheid rückübertragen. Die Generalklausel in § 12 des Kaufvertrages vom 11. 01. 1901 stellte jedoch fest, daß die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft als Verkäuferin mit erfolgter Auflassung aus allen Verpflichtungen gegenüber der Stadt entlassen sei. Die bestehenden Verpflichtungen schlossen unter anderem die Versorgungspflicht gegenüber den Einwohnern der Stadt ein. Damit war als actus contrarius zu der im Konzessionsvertrag getroffenen Vereinbarung das ausschließliche Versorgungsrecht erloschen, da die Stadt durch den Kauf selbst in die Versorgung eintrat. § 5 lit. l) des zweiten Vorvertrages vom 29. 7. / 8. 8. 1882 regelt insofern ausdrücklich den Erwerb aller Rechte durch die Stadt.

III. Die Abwicklung des Kaufvertrages Die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft wurde nach Abschluß des Kaufvertrages zur Entrichtung der Stempelsteuer für den Kaufvertrag nach Stempelsteuergesetz vom 30. 6. 190024 durch den Preußischen Fiskus herangezogen, da die Stadt Lüdenscheid die Stempelsteuer – entgegen der von ihr vertraglich übernommenen Pflicht – nur teilweise entrichtet hatte. Dies gab Anlaß zur Frage nach dem Berechnungsumfang der Stempelsteuer für den vorliegenden Übernahmevertrag der Wasserversorgungsanstalt. Die rechtliche Erörterung des anzusetzenden Vertragswertes bezog sich dabei auf das Wasserwerk, seine sonstigen Bestandteile und Forderungen. Die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft vertrat die Auffassung, daß der Hochbehälter des Wasserwerkes und das Rohrnetz als bewegliche 23 24

STA Lüd. A 1931. PreußGS S. 413.

A. Die Übernahme des Wasserwerkes

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Sachen anzusehen seien, und demzufolge der Stempelsteuer entzogen seien. Der Preußische Fiskus sah hingegen die einzelnen Anlagenelemente als feste Bestandteile einer Sache an und brachte – da im Vertrag selbst keine Aufteilung vorgenommen worden war – jeweils den vollen Betrag für die Auflassung der Grundstücke, die Übergabe der Mobilien und Abtretung der Forderungen in Ansatz. Die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft klagte daraufhin vor dem Kgl. Landgericht Berlin I gegen den Preußischen Fiskus, vertreten durch den Provinzialsteuerdirektor zu Berlin, auf Rückerstattung der nach ihrer Ansicht überzahlten Steuerbeträge. Vorsorglich verkündete die Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft der Stadt Lüdenscheid gem. § 73 ZPO den Streit; diese trat dem Verfahren jedoch nicht bei. Das Gericht teilte die Rechtsauffassung der Klägerin und verurteilte den beklagten Fiskus zur Erstattung von insgesamt 4.993 Mark Stempelsteuer.25 Auf die Berufung des Preußischen Fiskus änderte dann das Kgl. Kammergericht Berlin das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Klage rechtskräftig ab.26 In den Urteilsgründen führte das Gericht eine Entscheidungen des Reichsgerichtes an, nach der Hochbehälter und Rohrnetz als fester Bestandteil einer Sache i. S. des Stempelsteuergesetzes anzusehen waren.27 Der Wert des Monopolrechtes war hingegen nicht Gegenstand der Taxierung nach dem Stempelsteuergesetz. Im Folgeprozeß der Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft (Klägerin) gegen die Stadt Lüdenscheid (Beklagte) wegen Erstattung der verauslagten Stempelsteuer und der diesbezüglichen Kosten des Vorprozesses sowie dem Abgleich weiterer Außenstände28, wurde die Stadt durch das Kgl. Landgericht Hagen zur Zahlung verurteilt.29 Auch die Berufung der Stadt gegen das erstinstanzliche Urteil wurde vom Kgl. Oberlandesgericht Hamm zurückgewiesen.30 Nachdem die Stadt bereits einen Teil des mit der Berufung angegriffenen Streitgegenstandes für erledigt erklärt hatte, mithin also Rechtskraft eingetreten war, entschied das Berufungsgericht nur noch über den restlichen Streitgegenstand. In der Begründung stützte das Oberlandesgericht die Urteilsgründe direkt auf die Stempelklausel in § 10 des Übernahmevertrages. Die von der Stadt als Verteidigung vorgebrachten Einreden der Aufrechnung mit uneinbringlichen Forderungen gegen säumige Schuldner des Wasserwerkes waren nach Auffassung des Gerichts unerheblich, so daß die Klage begründet und die Berufung demzufolge zurückzuweisen war. Die Abwicklung des Übernahmevertrages brachte der Stadt weitere Auseinandersetzungen mit der Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft um offene Rech25 STA Lüd. A 1937, Urteil der 15. Zivilkammer des Kgl. Landgerichts Berlin I Az. 32.04.04. 26 STA Lüd. A 1937, Urteil des 2. Zivilsenat des Kgl. Kammergerichts Berlin Az. 2. UG 2431.04. 27 RG 39, 204 (207); 48, 267 (268). 28 Besprengung des Kaiser-Wilhelm-Platzes durch Hydranten auf Kosten der Stadt als zedierte Forderung gem. § 10 Übernahmevertrag. 29 STA Lüd. A 1937, Urteil der 4. Zivilkammer des Kgl. Landgerichts Hagen. 30 STA Lüd. A 1937, Urteil des 5. Zivilsenats des Kgl. Oberlandesgerichts Hamm.

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nungen von Lieferanten, Forderungen gegen Schuldner und Ersatz von Schäden an den Rohrleitungen, die aber nach einiger Zeit ausgeglichen wurden.31 Damit war das Kapitel der Konzessionierung eines privaten Unternehmens zur Wasserversorgung abgeschlossen und der erste Schritt der Kommunalisierung vollzogen. Das Wasserwerk konnte ab 1901 als städtischer Betrieb geführt werden.

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes Die Meilensteine der klassischen Elektrizitätslehre gehen bis weit in das 18. Jahrhundert zurück.32 Die praktische Anwendung der Elektrizität für Industrie, Gewerbe und privaten Verbrauch in Deutschland erfolgte erst mit der Erfindung der verbesserten Kohlefadenlampe33 und der Dynamomaschine34, die den Weg zur Stromgeneratorentechnik ermöglichte. Die Vorteile der Elektrizität lagen gegenüber der Beleuchtung durch andere Brennstoffe in der einfachen Handhabung des elektrischen Lichts durch die Entwicklung der Schaltertechnik und die selbst das Gaslicht übertreffende Helligkeit. Im Bereich der Antriebserzeugung konnten Klein- und Mittelbetriebe eine vergleichsweise günstige Kraftquelle nutzen. Dampfmaschinen waren nur in Betrieben mit großem Kraftbedarf rentabel, denn ihre Anschaffungsund Betriebskosten waren gemessen am tatsächlichen Bedarf enorm. Die Primärenergie für den Generator- und Turbinenbetrieb in den seit 1885 projektierten Kraftwerken wurde in erster Linie aus Stein- und Braunkohlevorkommen der deutschen Kohlenreviere sowie in geringem Umfang auch durch Ausnutzung der Wasserkraft gewonnen. Für Südwestfalen lieferte das angrenzende Ruhrgebiet die erforderliche Kohlemenge. Die Elektrizitätstechnologie hat sich im Vergleich zur Gas- und Wassertechnologie relativ spät entwickelt. Die Folge war, daß bei der Entscheidung über die Einführung und Verwendung der Elektrizitätstechnologie im kommunalen Bereich bereits die Erfahrungswerte aus der Einführung der anderen Versorgungstechnologien vorlagen. Den wirtschaftlichen Interessen potentieller privater Konzessionäre wurde bei der Gründung und Entwicklung der kommunalen Elektrizitätswirtschaft in Südwestfalen deshalb große Aufmerksamkeit geschenkt. Als Blütezeit für das Aufkommen der Stadt- bzw. Ortszentralen für die Elektrizitätserzeugung wird allgemein der Zeitraum von 1890 bis 1908 angesehen.35 Nach den STA Lüd. A 1937. Vgl. nachfolgend: van Heys, Die Deutsche Elektrizitätswirtschaft, S. 27 ff.; Bohn / Marschall, Die technische Entwicklung der Stromversorgung, in Fischer: Die Geschichte der Stromversorgung, S. 39 ff.; Dauskardt, Der Weg ins Licht, Zur Elektrifizierung des Märkischen Sauerlandes, S. 17 ff.; Lindner, Strom, Erzeugung, Verteilung und Anwendung der Elektrizität, S. 121 ff. 33 Thomas Alva Edison (1847 – 1931) stellte sie 1881 auf der Pariser Weltausstellung vor. 34 Werner von Siemens (1816 – 1892). 35 Matzerath, Urbanisierung in Preußen 1815 – 1914, S. 337. 31 32

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

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Angaben von Mombert36 waren von den 134 Städten des Deutschen Reiches in der Größenklasse von 20.000 bis 50.000 Einwohnern im Jahr 1907 85 Städte mit einer Elektrizitätsversorgung ausgestattet. 62 Versorgungseinrichtungen waren davon im städtischen Besitz.37

I. Lüdenscheid, die Industrie und die Anfänge der Elektrizitätsversorgung im südlichen Westfalen Bereits in der 80er Jahren des 19. Jahrhundert ergab sich in der Stadt Lüdenscheid eine erste Nachfrage für die Verwendung von Elektrizität. Die Firma P.C. Turck Wwe. legte im Jahr 1886 eine elektrische Beleuchtungsanlage in ihren Fabrikationsräumen an und konnte so die Arbeitsbedingungen durch gleichmäßige Beleuchtung der Werkshallen und Arbeitstische erheblich verbessern. Auch die Büroräume des Lüdenscheider Wochenblattes wurden kurze Zeit später mit 26 Glühlampen versehen.38 Mit der Belebung auf dem Gebiet der Elektrotechnik eröffnete sich einigen Lüdenscheider Firmen eine neue Fabrikationssparte. Schalter, Fassungen, Sicherungen, Steckdosen, Glühlampensockel und andere Artikel gehörten ab Mitte der 80er Jahre zur Produktpalette.39 Die elektrotechnische Zulieferindustrie konnte mit geringen Einbrüchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf eine steigende Auftragslage blicken.40 Die sog. Einzel- oder Blockzentralenversorgung wurde anfangs von vielen Firmen als nützlich und ausreichend empfunden, da ein Generator zur Stromerzeugung an die bereits vorhandenen Dampfmaschinen und deren Riemenantrieb angeschlossen werden konnte. In Unternehmerkreisen wurde die Elektrizität deshalb allgemein begrüßt und als Innovation zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und -möglichkeiten im Fertigungsprozeß eingestuft. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Generation der sog. „Überlandkraftwerke“ begann, war es möglich, Leitungen über große Distanzen zu verlegen und mehrere Städte von einer zentralen Stromerzeugungseinheit aus zu versorgen.41 Damit erübrigte sich der Bau von Mombert, S. 56. Vgl. auch Windel, Deutsche Elektrizitätswirtschaft, S. 30, der für die Größenklasse der Städte des Deutschen Reiches mit mehr als 30.000 Einwohnern im Jahr 1900 76 Städte mit einer Elektriztätsversorgung verzeichnet, von denen 36 Anlagen privaten Unternehmen gehörten. Dazu ebenfalls Silbergleit, S. 239 ff. und 364 ff., der aus einer Befragung der Mitgliedsstädte des Preußischen Städtetages zwischen 1871 und 1908 76 Gründungen städtischer Elektrizitätswerke nachweist. 38 Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 41. 39 Ebenda, S. 46: Die Firma Friedrich Jäger entwickelte sich nach der Fusion mit der Firma Busch zum Branchenführer auf dem europäischen Kontinent. 40 Cornelius, Die Anfänge der elektrotechnischen Industrie im märkischen Sauerland, in: Dauskardt, Der Weg ins Licht, S. 84. 41 Bohm / Marschall, S. 50 ff.; Böth, Vom Kraftwerk zur Steckdose- Stromleitungen und Transformatorenhäuser, in: Dauskardt, Der Weg ins Licht, S. 53. 36 37

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lokalen bzw. betrieblichen Stromerzeugungsanlagen. Die Blockanlagen erwiesen sich gegen die Großanlagen als unwirtschaftlich. Die Vertreter der kleineren und mittleren Betriebe erhofften sich von der Fernversorgung mit Elektrizität einen rentablen Ersatz ihrer Benzin- und Petroleummotoren. Nur die Großunternehmer befürchteten, daß ihre Investitionen in Dampfkraftanlagen vergebens gewesen seien. Der Vorsitzende des Vereins der Märkischen Kleineisenindustrie, Wilhelm Funke, faßte die Bedenken gegen die Elektrizität im märkischen Sauerland auf einer Versammlung im Februar 1906 in Hagen zusammen:42 „Seit ungefähr 60 Jahren ist die Dampfkraft neben die Wasserkraft getreten, erst schwer ringend gegen die billige Konkurrentin, dann aber sie wohl um das 10-fache überflügelnd. Unsere Industrie hier in den Bergen hat nicht wie ihre Schwester an der unteren Ruhr mit großen Massen zu tun. Im Gewicht ihrer Produktion sehr weit hinter jener zurückbleibend, und in Bezug auf die Rohmaterialien ihr tributpflichtig, hat sie im Laufe der Jahre häufig als ihre Stiefschwester neben derselben gestanden. Unsere Industrie ist in ihrer Entwicklung auch weit mehr von der Betriebskraft abhängig gewesen und namentlich haben die Kosten der Betriebskraft, die einen großen Teil der Anlagekosten, oft sogar den größten Teil bilden, schwere Opfer, wenn nicht peinliche Sorgen verursacht. Die Elektrizität, die jetzt das Feld zu erobern sucht, droht diese Opfer zu vollständig vergeblichen zu machen, indem sie die vorhandenen Wasserräder, Turbinen und Dampfmaschinen ablösen will.“

Die Entwicklung in der Industrie im märkischen Sauerland war jedoch nicht aufzuhalten. Schon im Jahr 1914 veröffentlichte die Kommunales Elektrizitätswerk Mark Aktiengesellschaft, daß 3 / 4 der an das Stromnetz angeschlossenen Fabriken ihre Dampfmaschinen, Dampfturbinen, Gas-, Sauggas- und Dieselmotoren abgeschafft hatten, um den Elektromotor als Antriebsmaschine einzuführen.43

II. Die ersten Angebote zur Elektrizitätsversorgung und die Initiativen der Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung Bereits bei den Verhandlungen um einen neuen Gaskonzessionsvertrag im Jahr 1886 hatte die Lüdenscheider Gasgesellschaft erstmalig ihr Interesse an der Übernahme der Elektrizitätsversorgung bekundet. Die Gesellschaft war inzwischen in der am 5. 4. 1887 mit Sitz in Solingen errichteten Actiengesellschaft für Gas und Electricität aufgegangen.44 Der Sitz der Gesellschaft wurde am 1. 10. 1888 nach Köln verlegt.45 Die Aktienmehrheit besaß der Unternehmer Hugo Stinnes, der sich mit der Übernahme von Gesellschaften mit Gaskonzessionsrechten eine günstige Ausgangslage für die Elektrizitätserzeugung und -verteilung schaffen wollte. Die 42 Zitiert nach Cornelius, Licht und Kraft für Handwerk und Gewerbe, in: Dauskardt, Der Weg ins Licht, S. 107. 43 Mitteilungen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG 1914, S. 14. 44 Handelsregistereintrag Kgl. AG Solingen vom 22. 7. 1887. 45 Handelsregistereintrag Kgl. AG Köln vom 29. 11. 1888.

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

141

Gasgesellschaft versuchte 1907 ihr Monopol zu schützen und intervenierte gegen die Einführung der Elektrizitätsversorgung beim Magistrat, jedoch ohne Erfolg.46 Auch ein Angebot der Deutsche Edison Gesellschaft zur Stromerzeugung in der Stadt hatte dem Lüdenscheider Magistrat in den 80er Jahren vorgelegen. Es wurde jedoch mangels aktuellen Bedarfs verworfen. Der erneute Anstoß zu einer öffentlichen Stromversorgung in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wird dem Stadtverordneten Brune zugeschrieben. Der Verwaltungsbericht für 1907 / 1908 vermerkt jedoch die Mitteilung des Bürgermeisters in der Stadtverordnetensitzung vom 28. 7. 190547: „ . . . daß auch der Magistrat dieser Angelegenheit schon näher getreten sei und erfreut (ist), daß heute vom Stadtverordnetenkollegium aus durch Herrn Brune die Anlage einer elektrischen Zentrale befürwortet wurde.“

Die Stadtverordnetenversammlung faßte nach dem Votum Brunes einstimmig folgende Beschlüsse48: „. . . 1. Die Anlegung eines Elektrizitätswerkes grundsätzlich zu bewilligen. 2. Die Mittel zu bewilligen, zur Anstellung eines Ingenieurs für die Vorarbeiten / zur Bearbeitung der ganzen Sache. 3. Eine Kommission von 7 Mitgliedern und zwar 2 vom Magistrat und 5 vom Stadtverordnetenkollegium; die Herren Brune, Gerhardi, Liemke, Schulte und W. Noelle, zu wählen.“

Die ausgeschriebene Ingenieurstelle wurde dem Ingenieur Gruber aus Hagen übertragen, und bereits im Oktober 1905 konnten die ersten Vorarbeiten in die Wege geleitet werden. Die Bürgerschaft wurde aufgefordert, ihr Interesse zum Anschluß an das Stromnetz anzumelden. Die Kapazität einer zu projektierenden eigenen Stromerzeugungsanlage hing letztlich vom Bedarf der privaten Haushalte und der Industrie ab. Bei den Vorarbeiten wurden daraufhin verschiedene Aggregate zur Stromerzeugung in Betracht gezogen, darunter Gasmotoren, Lokomobile, Dampfmaschinen und Dampfturbinen unter Ausnutzung der Wasserkraft.49 Die Lüdenscheider Elektrizitätskommission beobachtete die Entwicklung im südlichen Westfalen und erkannte schnell, daß umliegende Kommunen – wie z. B. Hagen50 und Iserlohn51 – gleiche Interessen hatten.

Vgl. oben Teil I A. II. 2. b). STA Lüd. A 401, Verw.Ber. 1907 / 1908, S. 33. 48 Ebenda. 49 Ebenda. 50 FS der Stadtwerke Hagen 1987, S. 12; vgl. auch Döring / Horstmann, „Das elektrische Licht hat auf seinem Siegeszug durch die Welt endlich auch Lüdenscheid erreicht. . .“, in: Dauskardt, Der Weg ins Licht, S. 38 ff. 51 FS Stadtwerke Iserlohn 1956, S. 55 f. 46 47

142

Teil II: Die Kommunalisierungsphase

III. Der Einfluß des RWE-Angebotes auf die Vorarbeiten zur Elektrizitätsversorgung im südlichen Westfalen Der Stadt Lüdenscheid wurde 1905 der Aufbau einer Elektrizitätsversorgung auch durch die Rheinisch-Westfälische-Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft („das RWE“) offeriert. Die Hauptaktionäre des RWE, Stinnes und Thyssen, hatten den Entschluß gefaßt, das gesamte Industriegebiet, den Rhein-Ruhr-Bezirk und seine Peripherie, mit einem dichtmaschigen einheitlichen Elektrizitätsnetz zu überziehen, das auf die wirtschaftlichste und billigste Weise gespeist werden und Strom an alle Betriebe und Behörden liefern sollte.52 Zahlreiche Gemeinden, Bergwerke und andere Industrieunternehmen, insbesondere im östlichen Teil des Rhein-Ruhr-Bezirkes, folgten den preisgünstigen Angeboten des RWE, wobei sich der Schwerpunkt der Anschlußbewegung zunehmend von der Versorgung der Kleinkraft und Lichtabnahme zum Bedarf der industriellen Fabrikation verlagerte. In der Stadt Lüdenscheid erkannte die einheimische Industrie den vorteilhaften Preis des RWEStroms für die Antriebserzeugung in der Fabrikation. Auf Grund der Lüdenscheider Kalkulation für eine eigene Stromerzeugungszentrale bestand zudem die Vermutung, daß die Kosten einer lokalen Stromerzeugungszentrale weitaus höher ausfallen mußten als bei einer Versorgung durch ein RWE-Kraftwerk. Die erkannten Kostenvorteile führten auf Drängen der Industrie zu einer stärkeren Beachtung einer regionalen Versorgung. Das RWE forderte in seinem Angebot zur Stromversorgung die Verleihung des Versorgungsmonopols auf vertraglicher Grundlage für den Zeitraum von 30 Jahren. Die Kommissionsmitglieder der Lüdenscheider Elektrizitätskommission kannten auf Grund der Ereignisse im Gas- und Wasserbereich die Gefahren einer solchen zeitlichen Bindung und sahen zudem die Bedürfnisse der kommunalen Verwaltung in den Hintergrund gedrängt. Als kommunale und damit öffentliche Interessen mußten die Versorgungssicherheit, die Einflußnahme auf die Tarifpolitik, die allgemeine Stadtentwicklung sowie die Wahrung des Einflusses der politischen Gremien auf Fragen der Energieerzeugung und -verteilung angesehen werden.53 Angesichts der wachsenden Versorgungsgebiete des RWE, dessen Ausdehnungspolitik auf „ . . . gemeinschaftlicher Grundlage unter Ausschaltung aller kleineren Werke. . .“ und der „ . . . Lieferung größtmöglicher Mengen zu den denkbar billigsten Preisen. . .“54

beruhte, mehrte sich das Mißtrauen in die auf Massenverbrauch ausgerichteten, industriefreundlichen Angebote. Der als gering eingestufte Verbrauch der privaten Bürger, Das Kommunale Elektrizitätswerk Mark, S. 11 m. w. N. Vgl. dazu auch van Heys, S. 458 ff.; Umbach, Die gemischtwirtschaftliche Unternehmung und die Grundlagen ihrer Organisation, S. 9; Wolff, Aufgaben und Organisationsformen der öffentlichen Unternehmung im Gebiete der Elektrizitätswirtschaft, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, 176. Bd., Teil 1, S. 84. 54 Mombert, S. 35 ff.; Bürger, S. 11 f. 52 53

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

143

Haushalte spielte in der industriellen Kalkulation des RWE kaum noch eine Rolle. Das Streben nach einer gebietsweiten Monopolstellung des RWE zeigte sich offen beim Kaufversuch des Elektrizitätswerkes Dortmund.55 In Lüdenscheid wie in den umliegenden Städten und Kreisen des märkischen Sauerlandes beeinflußte der Konflikt von öffentlichen und industriellen Belangen die Diskussion der Versorgungsfrage stark. Auch eine Bürgermeisterkonferenz beschäftigte sich am 21. 10. 1905 mit der Thematik – jedoch ohne Erfolg. Erst auf Einladung des Regierungspräsidenten in Arnsberg, Freiherr v. Coels, kam am 30. 11. 1905 eine Sitzung der Kommunen im Hagener Rathaus zustande, auf der die Interessen und Perspektiven der Stromversorgung im märkischen Sauerland grundlegend erörtert werden konnten. Industrielle und kommunale Interessen waren Gegenstand einer ausführlichen Debatte, in der den kommunalen Belangen schließlich der Vorrang eingeräumt wurde. Sämtliche Vertreter der anwesenden Städte und Kreise erklärten sich zur Errichtung eines „interkommunalen“ Elektrizitätswerkes bereit.56 Großen Anteil an der Entwicklung der kommunalen Position hatten dabei der Hagener Bürgermeister Cuno und der Lüdenscheider Bürgermeister Dr. Jockusch.

IV. Die Grundlagen der kommunalen Stromversorgung und die Beschlüsse der Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung Der kommunale Konsens führte zum Vorschlag des Baus einer Elektrizitätserzeugungszentrale, die von einer Aktiengesellschaft errichtet werden sollte. Zur Umsetzung des Vorhabens sollten die Städte Lüdenscheid, Iserlohn und Hagen sowie die Akkumulatorenfabrik Aktiengesellschaft Hagen (AfA) als private Gesellschaft das notwendige Aktienkapital zeichnen, um eine sofortige Gründung zu ermöglichen. Die AfA fand über die vertragliche Bindung zur Stadt Hagen Berücksichtigung, da ihr die lokale Stromversorgung im Stadtgebiet Hagen übertragen worden war und der Stromlieferungsvertrag aus dem Jahr 1903 erfüllt werden mußte.57 Am 26. 1. 1906 fand eine erneute Versammlung in Hagen statt, auf der die AfA zwei Projekte einer Energieerzeugungszentrale sowie den dazu ausgearbeiteten Gesellschaftsvertrag samt Bauvertrag, deren Ausarbeitung sie übernommen hatte, vorlegte. Das Konzept sah vor, eine Energieerzeugungszentrale zu bauen und den Kommunen die Verteilung und die Endversorgung der Abnehmer – mit Ausnahme der industriellen Großabnehmer – zu überlassen. Einer technischen Kommission wurde es übertragen, die einzelnen Projekte und Kostenvoranschläge zu prüfen. Das Ergebnis wurde in einem Kommissionsbericht festgehalten58: Bürger, S. 12. FS 25 Jahre Mark, S. 11; FS Stadtwerke Hagen 1987, S. 12; Bürger, S. 18. 57 FS Stadtwerke Hagen 1987, S. 12. Ausführlich zur Rolle der AfA: Bürger, S. 19 ff. 58 Kommissionsbericht zitiert nach STA Lüd. A 401, Verw.Ber. 1907 / 08, S. 34. Die technischen Einzelheiten des Projekts sind dort dargelegt. 55 56

144

Teil II: Die Kommunalisierungsphase

„Die Gesamtkosten des Projekts beliefen sich auf 4,5 Millionen Mark. Die Gesamtleistung des Werkes beträgt 9000 KW, wobei 3000 KW als Reserve zu betrachten sind; die jährliche Stromabgabe beträgt 10 Millionen KWST, welche man im 4. Betriebsjahr zu erreichen hoffte.“

Die ermittelten Kosten waren im Kostenvoranschlag auf die sich beteiligenden Städte, Gemeinden, Kreise und die Privatgesellschaft nach ihrem geschätzten Strombedarf verteilt worden. Der Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung ging das Votum ihrer Elektrizitätskommission als eilige Beschlußvorlage am 23. 2. 1906 zu59: „Die Versammlung erklärt sich grundsätzlich mit der Beteiligung an einem kommunalen Elektrizitätswerk einverstanden. Sie billigt die Vorarbeiten und die Übernahme von 450.000 Mark Aktien, wovon 20.000 Mark in nächster Zeit an andere Interessenten abgegeben werden können. Sie hält aber die Grundsätze für die Tarife für unannehmbar und erwartet vom Magistrat, daß in dieser Hinsicht die Rechte der Gemeinden voll gewahrt werden. Falls es für das Zustandekommen eines völlig selbständigen kommunalen Elektrizitätswerkes, ohne jede Abhängigkeit von der Privatindustrie nötig sein sollte, erklärt sich die Versammlung mit einer weitergehenden Beteiligung der Stadt einverstanden.“

Die Entscheidung zu Gunsten der Vorlage erfolgte in der Stadtverordnetenversammlung einstimmig. Die Elektrizitätskommission empfahl in ihrem folgenden Beschluß vom 26. 3. 1906 weiterhin60: „Die Beteiligung soll stattfinden und zwar ist Lüdenscheid mit einer stärkeren Beteiligung – wie sie auch von Iserlohn vorgeschlagen wird – einverstanden. Die Vorzugsbedingungen der Akkumulatorenfabrik Aktiengesellschaft sind zu bekämpfen. Wegen Übernahme der Iserlohner Verträge soll mit Hagen ein Einverständnis erstrebt werden, die Übernahme der Akkumulatoren erscheint zu weitgehend.“

Am 27. 3. 1906 konnte der Meinungsbildungsprozeß zwischen Elektrizitätskommission, Stadtverordnetenversammlung und Magistrat mit folgender Resolution zum Abschluß gebracht werden61: „Kollegium beschloß auf Antrag der Herren Brune und Noelle einstimmig, sich mit der Beteiligung am kommunalen Elektrizitätswerk auf Grund der bisherigen Verhandlungen einverstanden zu erklären; es billigt eine Beteiligung bis zu 1 / 7 des Gesamtaktienkapitals für eigene Rechnung und bevollmächtigt den Magistrat zum Abschluß der erforderlichen Verträge, soweit als tunlich nach vorheriger Einholung der Zustimmung der Kommission für das Elektrizitätswerk.“

Mit den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung stellte Lüdenscheid die Weichen zur Einführung der Elektrizität im Stadtgebiet. Der Bau einer zentralen Energieerzeugungsanlage mit Beteiligung anderer Kommunen und einer Minderheit von privaten Unternehmen senkte das Investitionsrisiko. Die Verteilung der 59 60 61

STA Lüd. A 401, Verw.Ber. 1907 / 08, S. 35. Ebenda. Ebenda.

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

145

Elektrizität und die Tarifpolitik konnten hingegen in der Hand der Stadt gehalten werden, wobei öffentlichen und industriellen Interessen durch kommunale Steuerung Rechnung getragen werden konnte.

V. Die Gründung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark Aktiengesellschaft Das von den Beteiligten ausgehandelte Vertragswerk bestand aus Gesellschaftsvertrag, Statut und Nebenvertrag der zu gründenden Aktiengesellschaft sowie den Stromlieferungsverträgen zwischen der Gesellschaft und den Aktionären. Das Unternehmen erhielt den Namen Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG. Der Notar Justizrat Dr. Schulz in Hagen, beurkundete am 2. 5. 1906 den Gesellschaftsvertrag, Statut und Nebenvertrag.62 Für die Stadt Lüdenscheid unterzeichneten gem. § 56 Nr. 8 Westfälische Städteordnung Bürgermeister Dr. Jockusch und Ratsherr Carl Steinweg. Am Grundkapital der Aktiengesellschaft beteiligten sich die Gründer der Gesellschaft in einem durch Gesellschaftsvertrag festgelegten Anteil. Es entfielen auf die Stadt Hagen

1700 Aktien oder 1.700 000 Mark,

die Stadt Lüdenscheid

500 Aktien oder 500.000 Mark,

die Stadt Iserlohn

500 Aktien oder 500.000 Mark,

die Stadt Hohenlimburg

250 Aktien oder 250.000 Mark,

die Stadt Haspe

250 Aktien oder 250.000 Mark,

die Stadt Altena

200 Aktien oder 200.000 Mark,

das Amt Lüdenscheid

200 Aktien oder 200.000 Mark,

die Stadt Schwerte

150 Aktien oder 150.000 Mark,

den Kreis Altena

200 Aktien oder 200.000 Mark,

die AfA

500 Aktien oder 500.000 Mark, 63

die DCGG

200 Aktien oder 200.000 Mark.

Die beiden letztgenannten privaten Aktionäre hielten somit 700 von 4.800 Namensaktien.

Verträge und Statut in STA Lüd. A 1864. Die DCGG – Deutsche Continetal-Gas-Gesellschaft zu Dessau – hatte Gaslieferungsverträge mit mehreren alten Vororten der Stadt Hagen geschlossen. Hagen hatte sich verpflichtet, im Fall des Baus einer Elektrizitätserzeugungszentrale keinen Strom in die betreffenden Gemeinden zu liefern. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits trat Hagen für die Aufnahme der DCGG in die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG ein. Dazu näher FS 25 Jahre Mark, S. 13; Bürger, S. 28 ff. 62 63

10 Heider

146

Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Das gem. § 23 Aktiengesetz zu Protokoll gegebene Statut enthielt die erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG und ihrer Organe. Es gliederte sich in 5 Abschnitte mit 41 Paragraphen: I §§ 1 – 3:

Allgemeine Bestimmungen, Firma, Sitz

II §§ 4 – 13: Grundkapital, Aktien, Obligationen, Gerichtsstand III §§ 14 – 35: Verfassung und Geschäftsführung IV §§ 36 – 39: Rechnungslegung, Ermittlung und Verwendung der Jahreserträgnisse V §§ 40 – 41: Übergangsbestimmungen Zweck der Gesellschaft war gemäß § 2 Nr. 1 des Statuts die gewerbsmäßige Ausnutzung der Elektrizität, insbesondere durch die Errichtung einer Überlandzentrale und die Lieferung des erzeugten Stroms.64 Aus den typischen aktienrechtlichen Bestimmungen ist hinsichtlich der Beteiligung der privaten Aktionäre und den zum Teil gegensätzlichen Interessen der Kommunen und der Industrie die Regelung über die mehrheitliche Beschlußfassung in der Generalversammlung hervorzuheben. Für normale Beschlüsse genügte gem. § 33 des Statuts die einfache Mehrheit der vertretenen Stimmen. Für den Beschluß über die Liquidation der Gesellschaft, die Abänderung des Gegenstandes des Unternehmens und die Fusion mit einer anderen Gesellschaft war eine Mehrheit von 3 / 4 des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich. Eine Abänderung des Statuts selbst durfte nur mit einer Mehrheit von 2 / 3 erfolgen. Die privaten Aktionäre AfA und DCGG hielten 700 Aktien und konnten so keine gesellschaftsrechtliche Sperrminorität gegen die kommunalen Aktionäre bilden. Die unternehmerische Weiterentwicklung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG konnte sich danach im wesentlichen unbeeinflußt vom privaten Aktienkapital vollziehen. Der Gesellschaftszweck und die aktienrechtlichen Bestimmungen waren allein noch keine rechtliche Sicherung der in der Diskussion eingenommenen interkommunalen Position. Das projektierte Vorhaben der gemeinsamen Erzeugung der Elektrizität und der eigenständigen kommunalen Belieferung der Endabnehmer bedurfte eines Lenkungsmechanismus. Mit der Gründung der Aktiengesellschaft kam deshalb gleichzeitig eine Vereinbarung über die aus der gemeinsamen Stromerzeugung herrührenden Rechte und Pflichten der Aktionäre – Nebenvertrag genannt – zustande. In den Nebenvertrag wurden insbesondere aufgenommen das Verbot der Veräußerung des Aktienbesitzes der privaten Aktionäre während der Aufbauphase von 10 Jahren (§ 1), die Grundsätze der Strompreisbildung und deren Geltung in den abzuschließenden Stromlieferungsverträgen zwischen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG und ihren Aktionären (§ 2), die Exklusivitätsklausel zu Gunsten der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG bez. der 64 § 2 Nr. 1, 2. Alt. der Satzung sieht ausdrücklich eine Regelung für den „Betrieb des elektrischen Stroms“ vor.

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

147

Versorgung industrieller Abnehmer mit einem Kraftverbrauch von mehr als 10 KW gegen eine 5 %-ige Abgabe an die Kommune (§ 3), die Revision der Tarifbestimmungen auf Basis einer 2 / 3 Mehrheit und die Einsetzung einer Schiedskommission durch den Regierungspräsidenten, wenn mit 15 % der Stimmanteile der Aktionäre eine Schädigung der Interessen durch neue Stromlieferungsbedingungen vorgetragen wurde (§ 4), der Verlust der vertraglichen Vorrechte des Aktionärs, wenn mehr als die Hälfte der gehaltenen Aktien verkauft wurde (§ 5), eine zehnjährige Garantie für die AfA, daß die Aktionäre die erforderlichen Akkumulatoren bei ihr zu erwerben haben (§ 6), die Monopolklausel (§ 7), die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 8), eine Verpflichtungsklausel zum Abschluß von Stromlieferungsverträgen über längstens 30 Jahre (§ 9), die Verkaufsregelung für die Übertragung von Aktien an Kommunen, soweit diese als Aktionäre zugelassen wurden65 (§ 10) und eine Schiedsklausel (§ 11). Aus den Bestimmungen des Nebenvertrages ist für die weitere Untersuchung die Monopolklausel in § 7 hervorzuheben: A. Die Vertragschließenden verpflichten sich, den von ihnen im Gebiet des Kommunalen Elektrizitätswerkes benötigten Strom nur von dem Kommunalen Elektrizitätswerk zu entnehmen. Im übrigen ist der Verbrauch selbsterzeugten Stroms nur zulässig bei vorhandenen eigenen Anlagen in kommunalen Betrieben. B. Die Accumulatorenfabrik nimmt davon den Bedarf aus, den. . . C. Die Vertragschließenden verpflichten sich, einem Dritten eine Stromlieferung in ihrem Gebiete ohne Zustimmung des Kommunalen Elektrizitätswerkes nicht zu gestatten. Sofern das Kommunale Elektrizitätswerk jedoch ablehnt, einzelnen Gemeinden oder Ortschaften innerhalb des Gebietes der als Aktionäre beteiligten Ämter und Kreise Strom innerhalb angemessener Zeit zu liefern, sollen die betreffenden Beteiligten berechtigt sein, sich anderweitig mit Strom zu versorgen. D. Bereits vorhandene Anlagen sind ausgenommen, doch ist auf Beseitigung der Anlagen hinzuwirken.

§ 7 regelte damit grundsätzlich die Bindung der Aktionäre an die Stromerzeugung der Gesellschaft und stellte die Rahmenbedingungen für den Bezug auf. Unter lit. A. wurden dabei zunächst die Gebiete der Kommunen und die von den privaten Aktionären versorgten Gebietsteile zu einem Versorgungsgebiet der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG verbunden. Gleichzeitig verpflichten sich die Aktionäre, den Strom zur Absatzsicherung nur aus dem Netz der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG zu beziehen. Dritten war gemäß lit. C. die Stromlieferung in das Gebiet eines Aktionärs nur mit Zustimmung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG zu gestatten. Mit dieser den Gesellschaftsvertrag begleitenden Vereinbarung war nicht nur das Elektrizitätserzeugungs- und Liefermonopol der Gesellschaft errichtet, sondern – wie die übrigen Klauseln zeigen – vor allem eine grundlegende Sicherung der kommunalen Interessen in geschäftspolitischen Fragen vorgenommen worden. Hinsichtlich der aktienrechtlichen Bestimmungen wäre 65

10*

Am 22. 8. 1906 wurden 200 Aktien auf den Landkreis Hagen übertragen.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

auch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw. im Statut für die Bindung des Aktienbesitzes in § 1 und die Übertragung von Aktien an Kommunen in § 10 (wegen § 68 Abs. 2 Aktiengesetz), für die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder in § 8 (wegen § 30 Abs. 1 Aktiengesetz) und für Teile der Schiedsklausel in § 11 des Nebenvertrages ausreichend gewesen. Die Bildung und Revision der Versorgungstarife, die Direktversorgung der Großabnehmer durch die Gesellschaft, die Verpflichtung zum Abschluß der Stromlieferungsverträge und das Versorgungsmonopol waren den mehrheitlich kommunalen Gründern jedoch außerordentlich wichtig. Die Kommunen überließen als Aktionäre diese essentiellen Punkte nicht etwa dem Vorstand oder der Beschlußfassung der ersten Generalversammlung der Gesellschaft, sondern vereinbarten dies gleichsam programmatisch im Gründungszeitpunkt. Es bestand offenbar die Sorge, eine erneute Diskussion über die Entwicklung auf dem Elektrizitätssektor hätte das Gebietsmonopol und den Abschluß der Stromlieferungsverträge mit den Aktionären stören können.

VI. Energieerzeugung durch Bau eines Kommunalen Elektrizitätswerkes oder Erwerb eines Verbandselektrizitätswerkes? Die befürchtete Auseinandersetzung stellte sich dann auch in der Diskussion um die Stromerzeugung und der Entscheidung über den Bau des Elektrizitätswerkes ein. Dabei brachen alte Konflikte wieder auf und die Berücksichtigung öffentlicher und industrieller Belange stand vor einer neuen Belastungsprobe. Der Bochumer Landrat Gerstein warf erneut die Frage auf, ob die Energieerzeugung durch ein Zentralkraftwerk für die Städte Bochum und Dortmund sowie das Versorgungsgebiet der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG nicht wirtschaftlicher sein könne. Auch den Monopolisierungsbestrebungen des Essener RWE-Werkes könne dadurch entgegen gewirkt werden. Das RWE hatte bereits auf der regional günstig gelegenen Zeche Wiendahlsbank / Kruckel ein Elektrizitätswerk im Bau, so daß der Regierungspräsident Freiherr von Coels die Bemühungen einiger kommunaler Repräsentanten unterstützte, mit dem RWE über den Erwerb dieses Werkes zu verhandeln. Die Regierung favorisierte für die Stromerzeugung sogar eine Interessengemeinschaft „Verbandswerk“ in Form einer GmbH, an der das RWE, die Aktiengesellschaft „Westphalen“ in Bochum, das Städtische Elektrizitätswerk Dortmund und die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG beteiligt sein sollten. Der Vorteil dieser Lösung lag nach Auffassung der Regierung darin, daß sich die vier Gebiete durch Demarkationslinien abgrenzten und ein weitergehender Konkurrenzkampf vermieden werden konnte.66 Für Stinnes, den Hauptaktionär des RWE, war mit dem Verkauf dieses Elektrizitätswerkes der Verzicht auf seine im Ausbau befindliche Vormachtstellung im öst66

STA Lüd. A 401, Verw.Ber. 1907 / 08, S. 36.

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

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lichen Teil des Industriebezirkes verbunden.67 Ein Verkauf kam für Stinnes nur in Betracht, wenn er Anteilseigner des Werkes blieb. Darüber hinaus forderte er die Übernahme des Kabelnetzes in den Kreisen Hörde, Dortmund und Teilen von Hagen mit den entsprechenden Lieferverträgen, die Übernahme der Elektrizitätszentralen in Wetter und Volmarstein, die Übernahme der Aktien der BochumGelsenkirchener Kleinbahnen sowie die Übernahme der Aktien der Kölner Gesellschaft für Gas und Elektrizität einschließlich der von dieser erworbenen Elektrifizierungsrechte durch die neue Gesellschaft.68 Zu der Kölner Aktiengesellschaft gehörte auch die in Lüdenscheid betriebene Gasversorgung, weshalb das Angebot von Stinnes dort mit besonderer Vorsicht geprüft wurde. Die soziale und wirtschaftliche Struktur von Bevölkerung und Gewerbe im Versorgungsgebiet der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG verlangte die besondere Aufmerksamkeit der Kommunen. Die Vielzahl der Mittel- und Kleinabnehmer der Elektrizität in den Kommunen bildete nach damaliger Einschätzung eine breitere Grundlage für ein Versorgungsunternehmen als einzelne industrielle Großbetriebe, so daß die Initiative von den Kommunen als Exponenten des Kleinverbrauches ausging.69 Am 28. 1. 1907 faßte die Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung den einstimmigen Beschluß:70 „Es ist dahin zu streben, eine eigene Zentrale zu bauen und sich nicht an das Verbandswerk anzuschließen. Die Vertreter der Stadt werden beauftragt in diesem Sinne zu wirken und abzustimmen, auch keine abweichenden Beschlüsse zu genehmigen, ohne die Sache vorher nochmals vorzulegen. Gegen jeden Beschluß, durch den das eigene Krafterzeugungswerk fortfällt, ist zu Protokoll des Notars Widerspruch zu erheben.“

Auf einer am 14. 2. 1907 in Hagen abgehaltenen Versammlung votierte der Erste Bürgermeister Cuno aus Hagen für das Verbandswerk. Er befürchtete neben wirtschaftlichen Gründen einen zu großen Konkurrenzkampf, wenn dem RWE der Einbruch in das Versorgungsgebiet der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG über die Nutzung der Eisenbahntrassen gelänge. Eine wegerechtliche Konzession durch die kommunalen Wegebehörden wäre dazu nicht erforderlich gewesen, denn der Gleiskörper entzog sich der Verfügungsbefugnis der kommunalen Wegebehörden. Die Kommunen hatten nach Cunos Ansicht keinen Einfluß auf eine Entwicklung, die zumindest über die Bahnhöfe als primäre Abnehmer weitere Vorstöße in das Versorgungsgebiet ermöglichte.71 Der Lüdenscheider Bürgermeister Dr. Jockusch hielt hingegen die Gefahren der Konkurrenz über die Schienenwege für gering und sah die zur wirtschaftlichen Betriebsführung einer Näher dazu Bürger, S. 34. Hagener Zeitung v. 8. 2. 1907. 69 Bürger, S. 38 f.; Koepchen, Das RWE in der deutschen Elektrizitätswirtschaft, S. 5. 70 STA Lüd. A 401, Verw.Ber. 1907 / 08, S. 36. 71 Hagener Zeitung vom 8. 2. 1907; Passow, Die gemischt privaten und öffentlichen Unternehmungen auf dem Gebiete der Elektrizitäts- und Gasversorgung und des Straßenbahnwesens, S. 54. 67 68

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

eigenen Energieerzeugung notwendige Anlagenauslastung bereits nach zwei bis drei Jahren erreicht.72 Die Kommunen stellten sich mehrheitlich hinter das Lüdenscheider Votum und stimmten in der Aufsichtsratssitzung vom 29. 1. 1907 mit 19 gegen 7 Stimmen für den sofortigen Bau eines eigenen kommunalen Elektrizitätswerkes. Eine außerordentliche Generalversammlung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG am 26. 2. 1907 faßte ebenfalls den Beschluss zum Bau mit 2.520 gegen 2.280 Aktienstimmen. Mit dieser Entscheidung wurde nicht nur dem Regierungskonzept eine Absage erteilt. Auch ein weiterer Versuch des RWE-Hauptaktionärs Stinnes zum Ausbau seiner Schlüsselposition in der Stromerzeugung und -verteilung in Südwestfalen und im östlichen Teil des Ruhrgebietes wurde damit abgewehrt.

VII. Der Vertrag der Stadt Lüdenscheid mit der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG über die Versorgung mit elektrischer Energie Nachdem die Stromerzeugungsfrage endgültig entschieden war, stand für die Stadt Lüdenscheid als Aktionärin der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung73 Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG die Projektierung und Ausführung eines eigenen städtischen Stromverteilungsnetzes an. Nach Vorschlägen des Ingenieurs Gruber sprach sich die Elektrizitätskommission für ein durch die Stadt betriebenes geteiltes Stromversorgungsnetz mit 110 Volt und 220 Volt aus. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß am 11. 6. 190774: „Das Projekt sieht eine gemischte Versorgung der Stadt vor. Die Kosten mit Einschluß der Aktiven (460.000 Mark Aktienkapital) und die Mittelspannungskabel werden sich auf 1.110.000 Mark belaufen. Kollegium beschloß auf Antrag des Herrn Liemke unter Betonung des Grundsatzes, daß die kommunale Selbständigkeit des Werkes auf jeden Fall aufrecht zu erhalten sei, die Elektrizitätskommission zu ermächtigen, sämtliche Bestellungen nach dem heute vorliegenden Projekt zu machen.“

Nach den §§ 2, 3, 7 und 9 des Nebenvertrages war für eine Stromlieferung an die Kommunen als Aktionäre ein entsprechender Vertrag mit der Kommunales STA Lüd. A 401, Verw.Ber 1907 / 08, S. 37; Kölnische Zeitung v. 13. 3. 1907. Bei der Verwendung des Begriffes „Mischbetrieb“ oder der „gemischten Versorgung“ ist auf die unterschiedliche Verwendung im Schrifttum hinzuweisen. Für die vorliegende Untersuchung führt der Begriff in Bezug auf die Beteiligung Privater an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG, die gesplittete Verteilung von Strom durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG und durch das Städtische Elektrizitätswerk im Lüdenscheider Versorgungsgebiet und die unterschiedlichen Netzspannungen in dem vom Städtischen Elektrizitätswerk betriebenen Versorgungsnetz zu Verwechslungen. Um diese zu vermeiden, wird der Begriff Mischbetrieb nur für die rechtliche Würdigung des kommunalen und privaten Betriebes in der Form der Aktiengesellschaft verwendet. 74 STA Lüd. A 401, Verw.Ber 1907 / 08, S. 38. 72 73

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

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Elektrizitätswerk Mark AG als Lieferant abzuschließen. Am 16. / 24. 8. 1907 wurde von den Parteien der „Vertrag betreffend die Versorgung der Gebiete der Aktionäre mit elektrischer Energie durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG“ unterzeichnet.75 Der für alle Aktionäre standardisierte Vertrag wurde an den vorgesehenen Stellen den individuellen Vertragsverhältnissen handschriftlich angepaßt. Er enthielt 12 Paragraphen und die in Anlage 1 aufgelisteten Tarife. Geregelt waren unter Bezugnahme auf die Monopolklausel des Nebenvertrages (§ 1), die Verpflichtung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG zur Stromlieferung und technische Bestimmungen (§ 2), die Nutzungsrechte an Wegen und Anlagen (§ 3), die gemeinsame Nutzung von Gräben zur Verlegung von Erdkabeln und die Abwicklung von Entschädigungsansprüchen (§ 4), die – ggf. auch teilweise – Direktversorgung des Gebietes des Aktionärs nach individueller Abrede (§ 5), die Tarife (§§ 6 und 7), die Sicherung der Qualität und der Ausschluß von Schadensersatzleistungen bzw. Stromlieferungen bei Eintritt höherer Gewalt und sonstigen Betriebsstörungen (§ 8), die Aktionärsvorrechte (§ 9), die Laufzeit des „Stromlieferungsvertrages“ über 30 Jahre, dessen Verlängerung und die Möglichkeit zur Übernahme des Netzes (§ 10) eine Schiedsabrede (§ 11) und die Teilung der Vertragskosten (§ 12). Von den genannten Klauseln sind die folgenden besonders hervorzuheben: §1 Nach § 7 des Nebenvertrages vom 2. Mai 1906 hat sich Aktionär verpflichtet, die in seinem Gebiet benötigte elektrische Energie nur von der Mark zu entnehmen. Der Verbrauch selbsterzeugter elektrischer Energie ist nur zulässig bei bereits vorhandenen eigenen Anlagen im Besitz des Aktionärs. Aktionär hat sich ferner verpflichtet, Dritten die Lieferung elektrischer Energie in seinem Gebiete ohne Zustimmung der Mark nicht zu gestatten. Bereits vorhandene Anlagen dieser Art sind ausgenommen, doch ist auf Beseitigung derselben vom Aktionär hinzuwirken. Auf Verlangen der Mark hat der Aktionär von dem ihm zustehenden Recht der Kündigung Gebrauch zu machen. Sofern Mark es ablehnt, einzelnen Gemeinden oder Ortschaften im Gebiete des Aktionärs innerhalb angemessener Zeit elektrische Energie zu liefern, so soll der Aktionär berechtigt sein, die betreffenden Gebietsteile anderweitig mit elektrischer Energie zu versorgen oder versorgen zu lassen. §2 Demgegenüber verpflichtet sich Mark, dem Aktionär elektrische Energie entsprechend den im Nebenvertrag festgelegten Grundsätzen und zu folgenden Bedingungen zu liefern: ... §3 Demgegenüber räumt Aktionär der Mark das Recht ein, alle öffentlichen Straßen, Wege, Brücken, Plätze, soweit Aktionär ein Verfügungsrecht über diese Anlagen hat, zur Führung und Verlegung von unterirdischen und oberirdischen Leitungsnetzen, einschließlich der Herstellung der erforderlichen Einrichtungen für die Bedienung der Anlagen, Umschaltung und Transformation der elektrischen Energie als Schaltstellen und Transfor75

STA Lüd. A 1864.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

matorenstationen (Häuschen und Säulen), ferner Maste, Gestänge, Kabelbrunnen etc. zu benutzen. Dieses Recht ist ein ausschließliches mit Ausnahme der Fälle, wo Aktionär selbst Verteilungsnetze ausbaut, bzw. wo der letzte Satz des § 1 dieses Vertrages in Betracht kommt. Außerdem räumt der Aktionär der Mark das dauernde Recht ein, die öffentlichen Straßen für Legung von Durchgangskabeln zur Fortleitung elektrischer Energie zu anderen Gebieten benutzen zu dürfen. Für die Folge hat Aktionär nur mit Einverständnis der Mark das Recht, Eingesessenen zu gestatten, selbsterzeugte elektrische Energie für ihren eigenen Gebrauch zu ihren anderen Grundstücken in eigenem Besitz zu führen. Auf Beseitigung bestehender Anlagen dieser Art ist vom Aktionär hinzuwirken, soweit der Aufsichtsrat Ausnahmen nicht zuläßt. Aktionär hat aber der Mark von solchen Verträgen und Abmachungen Kenntnis zu geben. Soweit für die Verlegung von Leitungsnetzen im Gebiete des Aktionärs Staats-, Provinzial-, Kreis- und Kommunalstraßen in Betracht kommen, erklärt sich Aktionär bereit, auf Ansuchen der Mark letztere bei ihren Gesuchen an die zuständigen Behörden wegen Benutzung dieser Straßen und Wege, soweit es in den Kräften des Aktionärs steht, zu unterstützen, ferner auch falls in irgend einem Falle die Benutzung privaten Besitzes erforderlich sein sollte, im Interesse der Mark von seinem ihm zustehenden Enteignungsrecht auf Antrag und auf Kosten der Mark Gebrauch zu machen. Wo Kreise und Ämter als Aktionäre den Vertrag schließen, reicht die Verpflichtung der Mark nur so weit, als die den Kreisen und Ämtern untergeordneten Gemeinden wegen ihrer Straßen und sonstigem Grundeigentum dieselben Verpflichtungen übernehmen wie die Aktionäre. §5 Aktionär räumt der Mark unter den in 1, 3 und 4 genannten Rechten, Verpflichtungen und Bedingungen das ausschließliche Recht ein, die nachstehend bezeichneten Gebietsteile mit elektrischer Energie für alle Zwecke und jede Leistung direkt zu versorgen. (Handschriftlicher Zusatz) Für die Stadt Lüdenscheid kommen die vorstehenden Bestimmungen nicht in Frage; sie tritt keinen Teil ihres Gebietes zur direkten Versorgung ab.

§ 1 des Vertrages betreffend die Versorgung der Gebiete der Aktionäre mit elektrischer Energeie durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG weist nochmals die Verpflichtungen des Aktionärs aus dem Nebenvertrag zur Gründung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG am 2. 5. 1906 aus. An der Spitze steht die Verpflichtung ausschließlich elektrische Energie bei der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG abzunehmen und Dritten die Lieferung in das Gebiet des Aktionärs nicht zu gestatten. Das Monopol der Elekrizitätserzeugung und -lieferung war damit allgemein festgelegt. Weitere Vereinbarungen wurden zur Verteilung der Elektrizität auf dem Gebiet des Aktionärs getroffen. Dabei wurden drei Möglichkeiten der Belieferung mit Elektrizität und deren Durchleitung vorgesehen, die alternativ – zum Teil auch kumulativ – bestanden: – die Belieferung des Gebietes des Aktionärs durch Anschluß seines Netzes, – der Aufbau eines Netzes zur direkten Belieferung der Endverbraucher im Gebiet oder in Teilen des Gebietes des Aktionärs,

B. Die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes

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– die direkte Belieferung von industriellen Großabnehmern im Gebiet des Aktionärs und – die Durchleitung von Elektrizität in die Gebiete anderer Aktionäre.

Zur Verteilung der Elektrizität bis zum und auf dem Gebiet des Aktionärs war ein unter- und oberirdisches Leitungsnetz zu errichten, wozu die Benutzung der Straßen und der Grundstücke des Aktionärs erforderlich war. § 3 des Vertrages betreffend die Versorgung der Gebiete der Aktionäre mit elektrischer Energie durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG verpflichtete den Aktionär, dafür ein ausschließliches Benutzungsrecht aller öffentlichen Straßen, Wege, Brücken und Plätze einzuräumen. Der Vertrag erhielt dadurch eine Konzessionsvertragsklausel, da jedenfalls für die Nutzung der öffentlichen Straßen eine Sondernutzung durch die Wegepolizeibehörde zu verleihen war, die Wegebaubehörde zuzustimmen hatte und der Aktionär seine Zustimmung im vorliegenden Vertrag privatrechtlich an Bedingungen knüpfte. Die das Konzessionsverhältniss betreffenden Regelungen konnten jedenfalls nicht in den Statuten der Gesellschaft vereinbart werden. Durch § 5 i. V. m. § 2 des vorgenannten Vertrages ist die Konzession zur Wegenutzung jedoch dahingehend beschränkt worden, daß Lüdenscheid als Aktionär der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG nur die Versorgung der Großabnehmer mit mehr als 10 KW konzessionierte und ansonsten die Belieferung der Endabnehmer selbst durchführte. Das damit verbundene ausschließliche Sondernutzungsrecht an den öffentlichen Straßen und Wegen erstreckte sich darüber hinaus allerdings auch auf das Einlegen der Durchgangskabel, die der Zuleitung elektrischer Energie in andere Teile des Versorgungsgebietes diente. Entsprechend der Darstellung der Theorie des Konzessionsverhältnisses in Teil I76 muß angenommen werden, daß die Verwaltungsakte der Wegepolizeibehörde und der Wegebaubehörde – in beiden Fällen der Magistrat von Lüdenscheid – konkludent bzw. mit dem Nebenvertrag ergangen sind. Da der Magistrat auch das für die Vertretung der Stadt zuständige Organ für die Vereinbarung der Nutzung des städtischen Wegeeigentums war, fanden trotz der funktionellen Trennung auch die Verwaltungsakte in der Vertragsurkunde ihre Grundlage. Der standardisierte Vertrag betreffend die Versorgung der Gebiete der Aktionäre mit elektrischer Energie durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG sah vertragstechnisch grundsätzlich eine umfassende Versorgung – Lieferung und Verteilung der erzeugten Elektrizität – durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG vor. Das in § 5 durch handschriftlichen Zusatz der Stadt Lüdenscheid ausgeübte Wahlrecht des Aktionärs schränkte die Lieferung der Elektrizität auf das Netz des Aktionärs ein, ohne daß dies an der Nutzungsberechtigung für die übrigen Belieferungstatbestände zugunsten der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG etwas geändert hätte. Das Konzessionsverhältnis war auf Grund des zu errichtenden Netzes, der festgesetzten Verteilungsarten der Elektrizität und der gemischtwirtschaftlichen Unternehmensform der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG 76

Vgl. oben Teil I A. II. 2. c) ee) u. 3.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

differenzierter als die einfache Konzessionierung eines lokalen Leitungsnetzes, wie sie 1856 und 1887 für die Gasversorgung und 1883 für die Wasserversorgung vorgenommen wurde. Das der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG erteilte ausschließliche Sondernutzungsrecht war eingeschränkt und als Minus zur vollen Sondernutzung der öffentlichen Straßen und Wege zu betrachten. Zutreffend ist hier die Bezeichnung als Teilkonzession. Im Gegensatz zu den im 19. Jahrhundert von der Stadt Lüdenscheid abgeschlossenen Konzessionsverträgen lagen mit dem Vertragmuster zur Versorgung des Gebietes eines Aktionärs differenzierte Regelungen über die Sondernutzung von Straßen und Wegen einerseits und des Monopols für die Energieerzeugung und -lieferung andererseits vor. Der Grund dafür lag in der standardisierten Vertragsnorm, die den unterschiedlichen Interessen aller kommunalen Aktionäre gerecht werden mußte.

VIII. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitäzswerk Mark AG und das städtische Elektrizitätswerk der Stadt Lüdenscheid Die Elektrizitätsversorgung der Stadt Lüdenscheid wurde im Ergebnis durch zwei Maßnahmen gesichert: Durch die Beteiligung an einer überwiegend von kommunalen Aktionären getragenen Energieerzeugungsanlage und durch Verteilung der Elektrizität in einem eigenen Leitungsnetz unter städtischer Regie. Der Vertrag betreffend die Versorgung der Gebiete der Aktionäre mit elektrischer Energie durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG setzte in seiner durch die Stadt Lüdenscheid angenommenen Alternative die Bestimmungen des Nebenvertrages zur Gründung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG vom 2. 5. 1906 in der von den Aktionären vorgesehenen Weise um. Es entstanden somit: 1. der Schutz des Versorgungsgebietes der Aktionäre der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG, 2. das Monopol für die Elektrizitätserzeugung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG gegenüber den Aktionären, 3. das Monopol für die Versorgung der Großabnehmer im Gebiet der Aktionäre und 4. das Sondernutzungsrecht an städtischen Wegen als Teilkonzession zugunsten der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG. Nur für die Versorgung der Großabnehmer in der Stadt Lüdenscheid und den Tatbestand der Durchleitung entstand das klassische wegerechtliche Konzessionsverhältnis für die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG. Die Kommunales Elektrizitätswerk Mark Aktiengesellschaft war eine gemischt-wirtschaftliche Unternehmung77, an der die Stadt Lüdenscheid mit 9,58 % des Aktienkapitals betei77

Passow, S. 51; Bürger, S. 95.

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes

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ligt und im Aufsichtsrat vertreten war. Das städtische Elektrizitätswerk aus dem Jahr 1907 wurde unter der Leitung eines Beamten geführt. Deutlicher noch als bei der Kommunalisierung des Wasserwerkes tritt die Erwartung eines Überschusses aus den Verhandlungen der Stadtverordnetenversammlung hervor.

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes Am 1. 4. 1916 lief der Konzessionsvertrag aus dem Jahr 1887 zwischen der Stadt Lüdenscheid und dem Rechtsnachfolger der Lüdenscheider Gasgesellschaft aus. Nach dem Kauf des Wasserwerkes nebst Leitungsnetz im Jahr 1901 und der von Anfang an kommunal betriebenen Elektrizitätsversorgung stand mit dem Ende des Gaskonzessionsvertrages nach 30 Jahren Dauer der letzte Schritt zur Kommunalisierung der Versorgungseinrichtungen bevor. Die Stadt Lüdenscheid hatte im Vertrag von 1887 auch hierfür bereits Vorsorge getroffen.

I. Die Entwicklung der Gasversorgung bis 1916 Nach dem Abschluß des zweiten Gaskonzessionsvertrages im Jahr 1887 hatten sich die Unstimmigkeiten mit der Gaswerksleitung zunächst nahtlos fortgesetzt.78 Die Ursache der Auseinandersetzungen lag wiederholt in der Geschäftspolitik der Kölner Gesellschaft.

1. Kapazitätserweiterungen, Gasqualität und Emissionen Schon kurz vor der Jahrhundertwende wurde die schlechte Brennqualität des Gases von den Abnehmern in Lüdenscheid kritisiert. Als die Kapazität des Gaswerkes für die Nachfrage in der stetig wachsenden Stadt nicht mehr ausreichte, sah sich die Gaswerksgesellschaft zu Erweiterungen der Retortenöfen genötigt. Die Stadt wollte jedoch Werkserweiterungen am alten Standort des Gaswerkes, der heutigen Gasstraße, mit Rücksicht auf die Anwohner nicht mehr zulassen. Die Bebauung lag inzwischen so dicht um das Gaswerk herum, daß die Belästigungen insbesondere durch Gasgeruch und austretende Rußpartikel nicht mehr hinnehmbar waren. Die Stadt erteilte keine Baugenehmigung für den Umbau des Gaswerkes und wies auch die Anträge zur Genehmigung weiterer Retortenöfen zurück. 1898 beantragte die Gasgesellschaft schließlich die nachträgliche Genehmigung eines Retortenofens und gestand so den unerlaubten Betrieb eines Anlagenteils seit 1896 in der Gasstraße ein. Als auch dieser Antrag von der Stadt abgelehnt wurde, legte 78

Schilderung nach Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 15 ff.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

die Gasgesellschaft gegen die Entscheidung Rekurs ein, der jedoch schließlich vom Handelsministerium in Berlin zurückgewiesen wurde.79 Die Stadt stellte daraufhin Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft des Kgl. Landgerichts Hagen gegen den Generaldirektor der Gasgesellschaft wegen eines Verstoßes gegen § 16 der Reichsgewerbeordnung vom 21. 06. 186980. Das Verfahren wurde vor dem Kgl. Schöffengericht Lüdenscheid eröffnet, und im Laufe der Verhandlung stellte sich heraus, daß die Gasgesellschaft 1887 bis 1888 drei größere Öfen mit 16 statt 15 Retorten in Betrieb genommen hatte. Das Gericht sah es auch als erwiesen an, daß der vierte Ofen 1896 „ohne Konzession“ in Betrieb genommen worden war. Dennoch konnte das Gericht im Gegensatz zum Vertreter der Staatsanwaltschaft im ersten Fall keine wesentliche Veränderung der Anlage feststellen, während es im zweiten Fall den Angeklagten eines Vergehens schuldig befand. Der Generaldirektor der Gasgesellschaft Ritter wurde so am 18. 5. 1899 gemäß § 147 Nr. 2 der Reichsgewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 100 Mark ersatzweise zehn Tagen Haft verurteilt.81 Die weiteren Vorschläge der Gasgesellschaft zur Verbesserung der Versorgungslage fanden bei der Stadt keine Zustimmung. Auch das Angebot eines Neubaus außerhalb der Stadt im Zusammenhang mit einer Verlängerung des Gaskonzessionsvertrages und dem Bau eines Elektrizitätswerkes konnte die Stadtverordnetenversammlung, in der sich insbesondere der Rechtsanwalt Pels Leusden gegen die Gasgesellschaft engagierte, nicht überzeugen. Nachdem der Magistrat im April 1899 lediglich der Errichtung einer Anlage zur vorübergehenden Herstellung von Wassergas auf dem alten Werksgelände zugestimmt hatte, um den allgemeinen Versorgungsengpaß für ein Jahr zu beseitigen, erklärte sich die Gasgesellschaft schließlich zum Neubau eines Gaswerkes außerhalb der Stadt zwischen Lenneund Altenaer Straße ohne Bedingungen bereit.82 Angesichts des im Jahr 1916 auslaufenden Gaskonzessionsvertrages war die Stadt Lüdenscheid frühzeitig bemüht, sich in eine günstige Ausgangsposition zu bringen und verhandelte über einen Erwerb des Neubaus zu 10 % des Taxpreises nach Ablauf des Konzessionsvertrages. Die Vertragsverhandlungen scheiterten jedoch nach kurzer Zeit. Im Jahr 1900 wurde durch Urteil eines Schiedsgerichtes die Frage der Lieferverpflichtung der Gasgesellschaft gegenüber den privaten Abnehmern entschieden. Eine Entscheidung, die für die Stadt positiv ausging und die Spannungen zwischen den Vertragsparteien noch erheblich verstärkte.83 Das neue Gaswerk außerhalb der Stadt, das erst 1901 fertiggestellt wurde, benötigte schon 1902 einen vierten Retortenofen, um mit der steigenden Nachfrage Schritt halten zu können; im August 1907 mußte sogar ein fünfter Retortenofen genehmigt werden. Die Expansion des Gaswerkes an 79 80 81 82 83

STA Lüd. A 879. RGBl. S. 245. Lüdenscheider Zeitung v. 20. 5. 1899. STA Lüd. A 1882. Vgl. oben Teil I A. II. 2. b).

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes

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seinem neuen Standort hinterließ in der unmittelbaren Umgebung ihre Spuren. In einem Schreiben für die Anlieger des Gaswerkes an die Gasgesellschaft, ausgelöst durch eine Beschwerde des Herrn Noelle über den Rußniedergang auf den umliegenden Berghängen, forderte Rechtsanwalt Pels Leusden am 15. 7. 1906 die Errichtung höherer Schlote, um den Schadstoffausstoß von der unmittelbaren Umgebung fern zu halten.84

2. Der Einfluß der Elektrizitätsverbreitung auf die regionale Gaswirtschaft Bewegung in die verhärteten Positionen von Stadt und Verbrauchern auf der einen und der Gasgesellschaft auf der anderen Seite brachte im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts die Verbreitung der Elektrizität. Auch die Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung beschäftigte sich mit entsprechenden Vorschlägen.85 Die Entwicklung auf dem Elektrizitätssektor bewog die Stadt 1904 umfangreiche Erkundigungen bei den Gaswerken in Hagen, Bochum, Köln und Bielefeld einzuziehen, wobei insbesondere der Rückgang des Gasverbrauches gegenüber der steigenden Nachfrage in der Elektrizitätsversorgung von Industrie und privaten Haushalten eine Rolle spielte.86 Das Interesse der Stadt gründete sich vor allem auf die Ausnutzung einer vorteilhaften Wettbewerbssituation durch ein städtisches Elektrizitätswerk, das die Gasgesellschaft zu weiterem Entgegenkommen bewegen konnte. Die Gasgesellschaft offerierte der Stadt 1904 dann auch den Kauf des Gaswerkes zum Preis von 1.250.000 Mark; ein Preis der den städtischen Vertretungen zu hoch erschien. Ein bei dem Düsseldorfer Ingenieur Delbruck 1905 in Auftrag gegebenes Gutachten wies nach Besichtigung der Anlagen und Einsichtnahme in die Betriebsbücher dann auch nur einen Gegenstandswert von rund 815.000 Mark aus, den die Stadt als Verhandlungsangebot auf 750.000 DM zurückschraubte. Da eine Einigung nicht zu erzielen war und das Projekt einer kommunalen Elektrizitätsversorgung reifte, vertagten Kommission und Magistrat die Entscheidung auf unbestimmte Zeit. Eine Reaktion der Gasgesellschaft auf die Entwicklung im Elektrizitätsbereich erfolgte dann erst 1907 und führte zu den bereits beschriebenen Auseinandersetzungen.87

STA Lüd. A 1882. s. oben Teil II B. IV. 86 STA Lüd. A 1882. 87 STA Lüd A 1882. Vgl. hierzu auch den Brief des Generaldirektors Ritter an den Lüdenscheider Magistrat vom 14. 08. 1907, oben Teil I A. II. 2. b). 84 85

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

3. Die Arbeit der Gas- und Wasserkommission zwischen 1909 und 1916 Von den zwischen 1907 und 1909 ausgetragenen Auseinandersetzungen ließen sich die städtischen Vertretungen in der Folgezeit wenig beeindrucken. Als die Gasqualität wiederholt Mängel zeigte, führte der Direktor des städtischen Wasserwerkes Ingenieur Rolfs eigene Untersuchungen am Gaswerk durch. In seinem Bericht hielt er fest88: „Ein Blick auf den Rohrnetzplan zeigt, daß von dem 30 km langen Hauptrohrnetz nur 5 km einen Durchschnitt haben, der größer als 80 mm ist. Lediglich in zu engen Rohrdurchschnitten haben die Beschwerden der entfernter vom Gaswerk gelegenen Verbraucher ihren Grund, im Winter liegen die Verhältnisse derart, daß die Kocher wegen des niedrigen Gasdruckes zurückschlagen, und die Straßenlaternen in den kritischen Bezirken eben noch so spärlich brennen, daß sie nicht verlöschen. Es ist anzunehmen, daß auch unter § 3 des Konzessionsvertrages, wonach die A.G. (Gasgesellschaft) auf ihre Kosten und Gefahr für entsprechende Gebäude und Einrichtungen zu sorgen hat, auch die Vergrößerung der Rohrleitungen zu verstehen ist. Es ist jedoch kein Fall bekannt, das die A.G. Straßenleitungen, trotz der sich von Jahr zu Jahr steigenden Gasabgabe, ausgewechselt und vergrößert hat.“

Das negative Ergebnis bewog die Stadtverordnetenversammlung am 26. 11. 1909 zu dem einstimmigen Beschluß89: „Antrag des Herrn Dicke: Magistrat zu ersuchen, die Prüfung des Gases fortzusetzen, um festzustellen, ob Luft in unzulässigen Mengen zugeführt ist, und Verstöße der Bürgerschaft bekannt zu geben.“

Da nur noch wenige Jahre bis zum Ende des Gaskonzessionsvertrages von 1887 bevorstanden, übertrug die Stadtverordnetenversammlung die Bearbeitung der Angelegenheiten am 23. 5. 1910 der Wasserkommission und erhöhte am 7. 6. 1910 die Zahl der Kommissionsmitglieder um ein weiteres. Am 26. 6. 1915 berichtete Ingenieur Rolfs erneut über Gasdruckschwankungen, die in verschiedenen Straßen bei den Verbrauchern gemessen worden waren, mit dem Hinweis90: „U. E. entspricht der Zustand der Gasanstalt nicht den §§ 3, 9 und 24 des Vertrages, es empfiehlt sich schon jetzt die Gas-A.G. hierauf hinzuweisen und zukünftig und besonders im nächsten Winter bei stärkster Belastung die gerügten Mängel weiter zu untersuchen und festzustellen.“

Das Werk besaß zu diesem Zeitpunkt fünf Öfen mit 45 Retorten und zwei Gasbehälter, die ein Fassungsvermögen von insgesamt 5000 cbm hatten.91 Die Länge des Rohrnetzes wurde mit 40 km angegeben. Für die öffentliche Beleuchtung waren ca. 500 Laternen aufgestellt worden. An das Rohrnetz waren 2.100 Gas88 89 90 91

STA Lüd. A 1884. Ebenda. Ebenda. Schilderung nach Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 16 f.

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes

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abnehmer angeschlossen und die Leistungsfähigkeit des Werkes hatte ihre Grenze mit einer täglichen Produktion von ca. 9.000 cbm Gas erreicht. Der Stadtverordnete Nolte, Mitglied der Wasserkommission, begrüßte dann auch in seinem Bericht für die Haushaltsplanberatung 1916 / 1917 in der Stadtverordnetensitzung vom 26. 2. 1916 die bevorstehende Übernahme des Gaswerkes92: „Die Überschüsse welche seit Jahrzehnten nach außen flossen und die in 60 Vertragsjahren mehrere Millionen betragen haben dürften, kommen nun der Stadtkasse und der Bürgerschaft zu Gute. Daß dieser Zeitpunkt gerade jetzt eintritt, ist aus zweifachem Grund mit besonderer Freude und Genugtuung zu begrüßen. Erstens dürfte der Rückschlag, der naturgemäß durch die Einführung des elektrischen Lichts eintrat, allmählich überwunden sein, und sich der Gasverbrauch wieder entsprechend gehoben haben, so daß die Stadt diesen Ausfall nicht tragen brauchte. Zweitens dürften durch den Reingewinn des Gaswerkes manche anderen Ausfälle, die die Kriegsjahre veranlaßten, gedeckt werden können, so daß dadurch das Gleichgewicht unseres Etats auch im Kriege wesentlich erleichtert wird. Die eigentliche Übernahme erfolgt nun am 1. April und wir wollen hoffen, daß sie ohne Schwierigkeiten vonstatten geht. Jedenfalls ist die Kommission mit der Stadtverwaltung einig, daß die Übernahmebedingungen erfüllt werden müssen, wir aber keinesfalls wieder ein Werk in einer Verfassung übernehmen, in der seinerzeit das Wasserwerk war, daß wir nach Übernahme durch die Stadt mit Aufwendungen von Hunderttausenden allmählich erst wirklich betriebsfähig machen mußten, um einen regelrechten ordnungsgemäßen Betrieb gewährleisten zu können.“

Die Kölner AG für Gas und Elektrizität reichte auf die Veröffentlichung der Rede Noltes im Generalanzeiger vom 29. 2. 1916 einen scharfen Protest beim Magistrat mit der Forderung ein, die Äußerungen Noltes zu korrigieren. Der Protest war erfolglos. Der Zeitungsartikel gelangte auch zu dem Stadtverordneten Rechtsanwalt Pels Leusden, der als Reserveoffizier an der Kriegsfront in Nordfrankreich Dienst leistete.93 Dieser hatte sich bereits in früheren Jahren mit der Gasgesellschaft auseinander gesetzt. In einem Brief94 an den Stadtverordneten Nolte erinnerte Pels Leusden an die für die Stadt abträgliche Geschäftspolitik der Gasgesellschaft und warnte vor übereilten Schritten bei den erforderlichen Rechtshandlungen: „Auch jetzt wird man alles tun, uns bei der Übernahme über das Ohr zu hauen. Alles ist von langer Hand darauf angelegt, uns in Bezug auf die Übernahme des Gaswerkes im Dummen zu halten. . . . Als Jurist möchte ich aber darauf hinweisen, daß . . . zwei Dinge sehr wichtig sind: 1. Übernahme unter Vorbehalt, damit nicht aus einer Übernahme ohne Vorbehalt ein Verzicht oder eine Anerkennung geschlossen werden kann. Vermutlich ist für einen etwaigen Streit ein Schiedsgericht maßgebend. Bei einem solchen muß man aber auf alles gefaßt sein.

92 93 94

STA Lüd. A 1884, Lüdenscheider Generalanzeiger v. 29. 2. 1916. Beim Landsturm Inf. Batl. Heppenheim – II. Komp. 2. Etappeninspektion. STA Lüd. A 1884.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

2. Genaue Feststellung des Zustandes des Gaswerkes im Augenblick der Übernahme am besten richterlich im Wege der Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnis unter Zuziehung eines Sachverständigen. Andernfalls wird nachher alles bestritten und wir werden mit den merkwürdigsten Zeugnissen zu tun bekommen.“

Die Warnungen des Stadtverordneten hinterließen Eindruck. Bürgermeister Dr. Jockusch nahm den Brief sogar zur Akte und hielt sich bei der Abwicklung der Übernahme an die ausgesprochenen Empfehlungen.

II. Die Abwicklung der Übernahme des Gaswerkes Das Auslaufen des Gaskonzessionsvertrages vom 29. 8. 1887 hatte zur Folge, daß die Stadt Lüdenscheid gem. § 24 des Vertrages berechtigt war, das Gaswerk zu übernehmen. Die Klausel lautete wie folgt: § 24 Falls nicht inzwischen ein anderer Vertrag vereinbart werden sollte, geht die Gasbeleuchtungsanstalt unter alleinigem Ausschluß der ausstehenden Forderungen und der vorhandenen Rohmaterialien am 1. April 1916 unentgeltlich in das volle Eigentum der Stadt über. Der Gesellschaft (Unternehmer) liegt die Verpflichtung ob, die Gasfabrik in allen ihren Teilen bis zum Tag der Übergabe an die Stadt in betriebsfähigen Zustande zu erhalten und zu übergeben.

Klauseln dieser Art sind allgemein als sog. „Heimfallklauseln“ bezeichnet worden. Die Stadt Lüdenscheid sollte, ohne einen Kaufpreis zu zahlen, als Gegenleistung für die in der Vergangenheit gewährte Konzession die Anlage übertragen erhalten. Die Art und Weise der Übergabe der Anlage war nicht ausdrücklich geregelt worden, so daß nach den allgemeinen Rechtsvorschriften zu verfahren war. Für die Gasgesellschaft bestand danach die schuldrechtliche Verpflichtung, die für den Eigentumsübergang erforderlichen Erklärungen abzugeben und die Übergabe zu vollziehen. Am 1. 4. 1916 nahmen Bürgermeister Dr. Jockusch, der zweite Bürgermeister Sieper, Stadtverordneter Nolte sowie die Direktoren des Städtischen Wasserwerkes Rolfs und Spanjer für die Stadt Lüdenscheid und für die Gasgesellschaft Generaldirektor Meyer, Dr. Witzeck und Direktor Lehder auf dem Gelände der Gasfabrik die Übergabehandlungen vor. Der Vollzug der sogenannten Heimfallklausel bestand dabei in der Übergabe der beweglichen Gegenstände gem. § 929 S. 1 und 2 BGB, soweit es sich nicht schon um Zubehör der Grundstücke des Gaswerkes handelte. Die Auflassung der Grundstücke gem. §§ 873, 925 BGB war bereits zuvor notariell beurkundet worden. Die Arbeiter der Gasgesellschaft wurden in städtische Dienste übernommen. Über den Vorgang selbst wurde, entsprechend dem Vorschlag des Stadtverordneten Pels Leusden, nach einem Rundgang durch die Betriebsräume ein Protokoll aufgenommen, zu dem beide Seiten ihre Erklärungen abgaben95: 95

STA Lüd. A 1884, Protokoll vom 1. 4. 1916.

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes

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„Die Beschaffenheit des Grundstücks und der Gebäude wurden als vertragsmäßig anerkannt, desgleichen die Beschaffenheit der Öfen, sowie der Betriebsapparate, soweit dies durch äußere Besichtigung festzustellen ist. Nachdem die Höchsttagesabgabe für 1913 mit 7.200 cbm, für 1914 mit 8.500 cbm angegeben war, wurden sämtliche Apparate einschließlich der Gasbehälter als vertragsmäßig angesehen. Die Stadt macht darauf aufmerksam, daß die erforderlichen Verwaltungsräume fehlen, die Vertreter der Aktiengesellschaft behalten sich diesbezügliche Erklärungen vor, wegen des Rohrnetzes behält sich die Stadt die Prüfung und die Geltendmachung ihrer Ansprüche vor, die Vertreter der Akt. Ges. erklären, daß das Rohrnetz tadellos sei. Über die unentgeltliche Übergabe der Gasmesser und Automaten bestehen Meinungsverschiedenheiten, jedoch sollen sie in das Eigentum der Stadt übergehen, vorbehaltlich der Entscheidung über den Anspruch der Akt. Ges. auf Zahlung des angesetzten Preises. Bezüglich der Übernahme der Vorräte und Rohmaterialien wurde ein besonderes Protokoll aufgenommen. . . Beanstandungen wegen der Betriebsanlage müssen spätestens in 4 Wochen angezeigt sein. Beanstandungen bezüglich des Rohrnetzes binnen 6 Monaten.“

Eine umfassendere Inspektion des Gaswerkes brachte dann eine gewisse Ernüchterung auf der städtischen Seite und die Erkenntnis, daß die Befürchtungen der Stadtverordneten Pels Leusden und Nolte sowie des Direktors Rolfs ihre Berechtigung hatten. Bürgermeister Dr. Jockusch teilte der Gasgesellschaft in zwei Briefen96 zur Übernahme unter Vorbehalt mit, daß ein ordnungsgemäßer Betrieb des Gaswerkes i. S. des § 24 des Gaskonzessionsvertrages von 1887 nicht möglich sei. Die Betriebsapparate seien durch Teer- und Naphtalinprodukte verstopft, die Wasserschiffe der Öfen ausgebrannt und unbrauchbar, ihre Tauchrohre undicht, die Manometerleitungen verstopft oder abgebrochen, der Dampfkessel für den Betrieb zu klein und die Gasmesser bei den Verbrauchern defekt. Die Stadt kündigte der Gasgesellschaft zunächst Schadensersatzansprüche in noch unbezifferter Höhe an. Am 29. 4. 1916 fand eine gemeinschaftliche Besichtigung der geöffneten Anlagenteile und der Reinigungsarbeiten statt, wobei über die Ursachen unterschiedliche Ansichten bestanden.97 Ein genaues Schadensbild der Anlage lieferte erst im August 1916 der umfangreiche Bericht des Direktors Rolfs, der unter Bezug auf Zeugenaussagen der Arbeiter des Gaswerkes feststellte, daß in den vergangenen Jahren regelmäßig durch Manipulationen der Dampfeinblasstopfen an den Ofenkühlern dem Gas künstlich Luft zugesetzt wurde. Dadurch wurde nicht nur ein höherer Gasverbrauch von schlechterer Qualität erzielt, sondern auch die Betriebssicherheit erheblich gefährdet. Im Oktober bezifferte Direktor Rolfs die Kosten der Stadt – für die betriebsfähige Herstellung der Gasanstalt auf 18.268,71 Mark, – für die Auswechslung der Gasrohre auf 56.000 Mark und STA Lüd. A 1884, Briefe vom 20. 4. und 26. 4. 1916. Die Gasgesellschaft trug vor, daß der verschmutzte Zustand erst seit kurzer Zeit bestehen könne, wahrscheinlich deshalb, weil die Stadt eine andere Kohlensorte verfeuere. Das Argument wurde von der Stadt mit dem Hinweis auf die vermutlich seit Jahren bestehende Verschmutzung zurückgewiesen. 96 97

11 Heider

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

– für die Anschaffung der fehlenden Verwaltungsräume und verschiedener Installationen an den Anlagenteile sowie die Übernahme der Hälfte der Stempelkosten auf 5.731,29 Mark.

Die Ansprüche der Stadt erreichten somit 80.000 Mark, während die Gasgesellschaft für die den Verbrauchern mietweise überlassenen Gasmesser und Automaten rund 35.000 Mark und 8.000 Mark für Kohle, Teer und andere Installationsmaterialien forderte. Die Verhandlungen über die streitigen Punkte zogen sich bis in den Mai 1917 hin. Insbesondere der Eigentumsübergang der Gasmesser war Gegenstand mehrerer Briefwechsel und Besprechungen zwischen dem Generaldirektor der Gasgesellschaft Meyer und Bürgermeister Dr. Jockusch. Von der Stadt Lüdenscheid wurde der Standpunkt vertreten98, daß es sich bei den Gasmessern um wesentliche Bestandteile einer Sachgesamtheit handele, wenigstens aber um Zubehör des Grundstückes bzw. der Gasanstalt selbst. Der Gaskonzessionsvertrag sei 1887 noch unter der Herrschaft des ALR abgeschlossen worden, so daß primär dessen Vorschriften für die Übernahme der Gasanstalt heranzuziehen seien. Nach § 4, I 2 ALR waren mehrere besondere Sachen, die mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnet wurden, ein „Inbegriff von Sachen“ und wurden zusammen als ein „einzelnes Ganzes“ betrachtet. Nach §§ 42, 44 I 2 ALR waren Zubehörteile Sachen, die einem anderen Ganzen durch Handlung oder Bestimmung eines Menschen zugeschlagen worden waren. Zur Beantwortung der Frage, was danach Bestandteile oder Zubehör einer Gasanstalt ist, sei der Vertrag auszulegen, argumentierte die Stadt. Nach allgemeiner Verkehrsauffassung umfasse die „Gasbeleuchtungsanstalt“ die gesamten Anlagen, die für diesen Zweck errichtet worden sind. Die Gasmesser seien mit dem Rohrnetz fest verbunden und dienen dauernd dem Zweck der Anstalt. Auch sehe § 19 des Gaskonzessionsvertrages von 1887 ausschließlich die Gaslieferung durch Gasmesser vor. Die Gasmesser seien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in allen Werken als zur Gasanstalt gehörig angesehen und noch nie bei der Übernahme von der Anstalt getrennt behandelt worden. Die Gasgesellschaft war der Auffassung99, daß gem. Art. 181 EGBGB seit dem 1. 1. 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch für die Beurteilung der Vertragsklausel maßgebend sei. Für Gasmesser müsse in Bezug auf das Grundstück des Gaswerkes und in Ansehung der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichtes etwas anderes gelten, als für die Rohrleitungen. Bei Rohrleitungen handle es sich nicht um wesentliche Bestandteile eines Grundstückes gem. § 94 BGB100, sondern allenfalls 98 STA Lüd. A 1884, Brief des Bürgermeisters Dr. Jockusch an die Gasgesellschaft vom 27. 11. 1916. 99 STA Lüd. A 1884, Gutachten der Kölner Rechtsanwälte Schniewind und Adenauer vom 26. 1. 1917, das die Gasgesellschaft zur strittigen Frage vorlegte. 100 RG 83, 67 (70); 87, 43 (50). Für die frühere Ansicht, es handle sich bei Rohrleitungen im gesamten Stadtgebiet um wesentliche Bestandteile eines Grundstückes noch RG 39, 204 (207); 48, 267 (268).

C. Der „Heimfall“ des Gaswerkes

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um Zubehör gem. § 97 BGB. Ein Gasmesser sei aber als Gegenstand allenfalls als Zubehör des Konsumentengrundstückes anzusehen und nicht als Zubehör des Grundstückes der Gasanstalt. Dafür spreche auch die Vermietung der Gasmesser an die Konsumenten und ihr Kaufrecht an dieser Einrichtung gem. § 20 des Gaskonzessionsvertrages von 1887. Da es sich nicht um gesetzliches Zubehör einer Sache gem. § 97 BGB handle, komme es bei einer Gasanstalt nur auf die Auslegung gem. § 157 BGB an. Eine Verkehrsauffassung, wonach Gasmesser regelmäßig als zu einer Beleuchtungsanstalt zugehörig angesehen werden, existiere nicht, da es an einer ständigen praktischen Bestätigung dieser Auffassung fehle. Der Entscheid eines Schiedsgerichtes über den Kostenansatz der Gasmesser erübrigte sich jedoch, da Bürgermeister Dr. Jockusch am 1. Mai 1917 nach zähen Verhandlungen einen außergerichtlichen Vergleich herbeiführen konnte: „1. Zwischen dem Generaldirektor Meyer zu Köln als Vertreter der Aktien-Gesellschaft für Gas und Elektrizität in Köln und dem Oberbürgermeister Dr. Jockusch zu Lüdenscheid als Vertreter der Stadtgemeinde Lüdenscheid ist heute über die noch schwebenden Ansprüche verhandelt (worden), welche sich aus dem Übergang des Gaswerks Lüdenscheid an die Stadt ergeben. 2. Die Aktien-Gesellschaft beansprucht die Zahlung der Gasmesser und Automaten in Gesamthöhe von 35.000 Mark und vertritt eine Forderung aus der Übergabe von Installationsgegenständen, Kohlen, Teer und dergleichen von rund 8.000 Mark. 3. Die Stadt Lüdenscheid hat diese Ansprüche zum Teil bestritten und aus der Beschaffenheit des übergebenen Werkes Schadensersatzforderungen erhoben, ferner Erstattung von Stempelsteuer und Umsatzsteuer beansprucht und zwar mit insgesamt 80.000 Mark. 4. Die Beteiligten schließen zur Erledigung sämtlicher Forderungen folgenden Vergleich: Die Aktien-Gesellschaft zahlt an die Stadt Lüdenscheid den Betrag von 25.000 Mark. Hiermit sind alle gegenseitigen Ansprüche jeder Art ausgeglichen. 5. Die Genehmigung des Aufsichtsrates und der städtischen Vertretungen bleibt vorbehalten und soll alsbald beschafft werden.“

Die Stadt Lüdenscheid konnte damit von ihren Forderungen gegen die Gasgesellschaft insgesamt 68.000 Mark durchsetzen. Der Betrag errechnet sich aus der Saldierung der Beträge bei dem Verzicht der Gasgesellschaft auf die Bezahlung der Automaten in Höhe von 35.000 Mark und der Rohprodukte in Höhe von 8.000 Mark sowie der Schadensersatzleistung von 25.000 Mark. Der außergerichtliche Vergleich sicherte der Stadt zwar 85 % ihrer Forderungen, demgegenüber standen jedoch die notwendigen Investitionen in die schadhafte Anlage.

III. Das Gaswerk als städtischer Betrieb Rund 60 Jahre nach dem Abschluß des ersten Konzessionsvertrages über ein leitungsgebundenes Versorgungsgut – dem „Contract“ von 1856 – waren mit dem Heimfall des Gaswerkes alle Versorgungseinrichtungen in städtischer Hand. Die 11*

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Verwaltung des kommunalisierten Gaswerkes wurde vom Leiter des städtischen Wasserwerkes mit übernommen. Dessen Direktor Rolfs hatte schon bei der Übernahme die Vorarbeiten geleistet. Der erste Betriebsbericht des städtischen Gaswerkes im Jahr 1917 ergab eine durchaus schwierige Lage des Betriebes, wobei dies zum Teil auf den Krieg zurückzuführen war.101 23 Angestellte und Arbeiter des übernommenen Personals leisteten Wehrdienst. Die Preissteigerungen der Kohle und die Lohnsteigerungen verschlechterten ebenfalls kriegsbedingt das Betriebsergebnis. Es mußte sowohl in das Stadtrohrnetz als auch in die Gasmesser investiert werden. Für die Folgejahre zeichneten sich weitere Investitionen ab, für die eine Anhebung der Gaspreise in Aussicht genommen wurde. Die mit den Abnehmern geschlossenen Verträge blieben zunächst bestehen. Mit der Eingliederung des Gaswerkes in die städtischen Betriebe war die Kommunalisierung abgeschlossen. Am 6. 6. 1919 entschied die Stadtverordnetenversammlung einen gemischten Gas-Wasser-Elektrizitätsausschuß einzurichten.102 Dem Ausschuß wurden alle laufenden Angelegenheiten der städtischen Betriebe übertragen, so daß die Stadtverordnetenversammlung nur noch über die Haushalte der einzelnen Werke und über besondere Maßnahmen zu entscheiden hatte. Die gemeindewirtschaftlichen Belange sollten in diesem Gremium zentral gesteuert und kontrolliert werden.

D. Die Stadtverwaltung und die städtischen Versorgungsbetriebe in Lüdenscheid zwischen 1900 und 1919 Der Betrieb von Versorgungseinrichtungen in städtischer Verantwortung war bei der Einführung der Gas- und Wassertechnologie im 19. Jahrhundert in Deutschland eher die Ausnahme als die Regel. Der Einsatz industrieller Produktionsverfahren mit eigenen Technikern und Arbeitern war den Städten zunächst weitgehend fremd. Technisches und betriebswirtschaftliches Wissen mußte auf dem Versorgungssektor von den städtischen Verwaltungen erst erworben werden. Nur wenige Städte waren in der Lage, die Anforderungen an die Betriebsführung von Anfang an selbst umzusetzen. Nicht zuletzt fehlte es auch am Kapital. Bereits nach Auslaufen der ersten Verträge mit privaten Unternehmern im 19. Jahrhundert begannen die Städte jedoch damit, die Versorgungsaufgabe aus dem privatwirtschaftlichen Bereich an sich zu ziehen. Gegen Ende des 19. Jahrhundert wird aufgrund der Konzentration von Entscheidungen zu einer kommunalen Betriebsführung von einer Kommunalisierungswelle gesprochen. Für Lüdenscheid ist der zeitliche Abstand zur Kommunalisierungswelle in Preußen und Deutschland auffallend. Zu den Versorgungsgütern Gas und Wasser wurde bereits festgestellt, daß ein Großteil der deutschen Städte schon in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts ihren Einwoh101 102

Zitiert nach Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 17. STA Lüd. A 1847.

D. Stadtverwaltung und Versorgungsbetriebe zwischen 1900 und 1919

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nern die Versorgungseinrichtungen selbst zur Verfügung stellte. Viele Gaswerke und Wasserwerke wurden schon seit mehr als zwanzig Jahren durch die Kommunen betrieben, als das Lüdenscheider Wasserwerk 1901 und das Gaswerk 1916 in das Eigentum der Stadt übergingen. Lüdenscheid lag bei den Gas- und Wasserwerken einige Jahrzehnte hinter der allgemeinen Kommunalisierungswelle zurück. Bei der Einführung der Elektrizität war die Stadt im südlichen Westfalen vorbildlich, wie die Initiative von Magistrat und Stadtverordneten zeigt. Die Einflüsse der Kommunalisierung auf die Verwaltung in Lüdenscheid sollen nachfolgend noch näher untersucht werden. Die Kommunalisierung von Betrieben auf dem Versorgungssektor bedeutete für die Städte die Übernahme einer gesellschaftlich-wirtschaftlichen Rolle. Diese Entwicklung wurde damals oft – auch von bürgerlichen Kommunalpolitikern – mit dem Schlagwort des „Municipalsozialismus“ bezeichnet.103 Es ist indes zweifelhaft, ob insbesondere die gemeindewirtschaftlichen Belange und das über das städtische Straßen- und Wegerecht ausgeübte – faktische – Monopol der Versorgung der Städte mit den Wurzeln des Begriffs des „Municipalsozialismus“ völlig in Einklang stehen. Dieser wurde zuerst 1883 von der Fabian Society in London verwandt104. Der in Deutschland – soweit ersichtlich – durch Lindemann Ende des 19. Jahrhunderts eingeführte Begriff bildete einen Teil des sozialdemokratischen Kommunalprogramms von 1904 und stand in Verbindung mit verfassungsrechtlichen Forderungen der Arbeiterschaft. Demgegenüber entstand in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts das Konzept der „sozialen Aufgaben der Gemeinden“ aus der Gedankenwelt des 1872 gegründeten Vereins für Socialpolitik.105 Dabei wurde u. a. Bezug genommen auf die genossenschaftlichen Grundlagen der älteren Stadtgemeinden und die besondere Verpflichtung der Stadt, zum Wohle ihrer Bürger zu wirken.106 103 Deutsche Verwaltungsgeschichte / Hofmann, Bd. 3, S. 586; Krabbe, Munizipalsozialismus und Interventionsstaat, in: GWU 5 (1979), S. 265 ff.; Scholz, Das Wesen und die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, S. 66. Vgl. zu Lüdenscheid auch Simon, S. 122. 104 Das Programm des Municipalsozialismus zielte darauf ab, den Sozialismus auf demokratische und friedliche Weise statt durch revolutionären Klassenkampf einzuführen. Ansatzpunkte dazu sollten die Gemeinden sein, die ihren Bürgern durch öffentliche Versorgung mit Gas und Wasser zu annehmbaren Preisen, Gewährleistung der Hygiene, Durchsetzung von Mindestlöhnen im Bereich der nicht kommunalisierten / verstaatlichten Wirtschaftsbetriebe und angemessener Entlohnung im öffentlichen Bereich, Bereitstellung von Bildungseinrichtungen sowie Versorgung in sozialen Notsituationen eine umfassende Absicherung der Existenz bieten sollten. Vgl. Deutsche Verwaltungsgschichte / Hofmann, Bd. 3, S. 586. 105 Es war die kommunale Interpretation der „Socialpolitik“, einer auf die Integration der Arbeiterschaft in die bestehende Gesellschaftsordnung gerichteten bürgerlichen und staatlichen Reformpolitik. Dabei wurde den öffentlichen Institutionen eine aktive Rolle zuerkannt, die mit den streng privatwirtschaftlichen Grundsätzen des Manchester-Liberalismus nicht zu vereinbaren waren. Deutsche Verwaltungsgschichte / Hofmann, Bd. 3, S. 586 unter Verweis auf Krabbe, Municipalsozialismus und Interventionsstaat, in: GWU 5 (1979), S. 265 – 283. 106 Bücher, Die wirtschaftlichen Aufgaben der modernen Stadtgemeinde, in: ders., Die Entstehung der Volkswirtschaft, S. 401 ff.; Adickes / Beutler, Vortrag 1903: Die sozialen Auf-

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Den Untersuchungen zur Leistungsverwaltung anhand des städtischen Verwaltungsapparates ist zunächst – wie im Teil I – ein Überblick über die fortschreitende Industrialisierung und die Bevölkerungsentwicklung in Lüdenscheid vorangestellt. Im Rahmen einer eingehenderen Untersuchung ist dann zu klären, in welcher organisatorischen Beziehung die Versorgungsbetriebe zur städtischen Verwaltung standen und welche Vorschriften innerhalb der städtischen Verwaltung anzuwenden waren.

I. Industrialisierung und Bevölkerungsentwicklung 1900 – 1919 Die zu betrachtende Phase beginnt in der Mitte der Hochindustrialisierung und schließt mit dem Ende des ersten Weltkrieges. Lüdenscheid zählte im Jahr 1900 bereits 25.521 Einwohner.107 Gegen Ende der Phase wurden 33.391 Einwohner verzeichnet.108 Die Zunahme von rund 31 % innerhalb von 19 Jahren läßt zwar immer noch auf ein dynamisches Wachstum schließen, bedingt durch den Beginn des ersten Weltkrieges im Jahr 1914 ergaben sich jedoch zwischenzeitlich starke Schwankungen. Am Anfang des Jahrhunderts109 lag der durchschnittliche, jährliche Geburtenüberschuß noch bei rund 480 Geburten und damit über der Sterberate. In der Wanderungsbewegung war ein durchschnittlicher Zuwachs von rund 345 Einwohnern gegenüber den Abwanderern zu verzeichnen, wobei allein in den Jahren 1905 bis 1907 die durchschnittlichen jährlichen Zuwanderungsgewinne fast doppelt so hoch ausfielen wie im jeweiligen Vorjahr.110 Von der im Jahr 1913 bereits erreichten Einwohnerzahl von 34.352111 ist ein Rückgang auf 31.391 im Jahr 1919 festzustellen. Als Ursache dieser Entwicklung ist die sinkende Geburtenziffer nach 1914 und die Abwanderungsbewegung aus der ländlichen Region anzusehen. Der Geburtenüberschuß ging von 287 im Jahr 1914 bis auf –55 im Jahr 1919 zurück, während die Migration sich mit einem Abwanderungsüberhang von 380 im Jahr 1914 bis zu 912 im Jahr 1919 vergrößerte.112 Der Einschnitt in die Bevölkerungsentwicklung durch den Krieg ist deutlich abzulesen. Von den 6.000 einberufenen Bürgern der Stadt fielen 910 als Soldaten während der Kampfhandlungen gaben der deutschen Städte. Zu den Leistungsaufgaben sozialer und wirtschaftlicher Art auch Becker, Entwicklung der deutschen Gemeinden und Gemeindeverbände im Hinblick auf die Gegenwart, in: HKWP Bd. 1 (1956), S. 91 f. und S. 111. 107 Statistisches Amt der Stadt Lüdenscheid, Angaben zur Bevölkerungsbewegung und zum Bevölkerungsstand für 1900. 108 Ebenda, Einwohnerzahl für 1919. 109 Eigene Berechnung des Durchschnitts auf der Basis der Jahre 1900 – 1907 nach den Angaben des Statistischen Amtes der Stadt Lüdenscheid zur Bevölkerungsbewegung und zum Bevölkerungsstand. Vgl. auch Herbig, Tab. 16, S. 75. 110 Ebenda. 111 Ebenda, Einwohnerzahl für 1914: 34.259. 112 Ebenda. Vgl. auch Simon, S. 248 f.

D. Stadtverwaltung und Versorgungsbetriebe zwischen 1900 und 1919

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des ersten Weltkrieges, weitere 29 starben in Gefangenschaft, 54 erlagen ihren Verletzungen nach Rückkehr in die Heimat und 32 einberufene Bürger galten als vermißt.113 1.025 Bürger der Stadt waren damit als Kriegsopfer zu beklagen. Ein Blick auf die Entwicklung der Industrie und die gewerbliche Betriebsstatistik für 1907114 weist die Existenz von 1.156 Kleinbetrieben mit bis zu fünf Beschäftigten, 239 Mittelbetrieben mit sechs bis 100 Beschäftigten und 25 Großbetrieben mit über 100 Beschäftigten aus, in denen insgesamt 11.728 Personen tätig waren. Metallwaren – insbesondere Metallknöpfe –, Zinn- und Messingwaren sowie elektrotechnische Artikel bildeten den Schwerpunkt der Lüdenscheider Industrie. Der Konjunkturverlauf im Beobachtungszeitraum ist uneinheitlich.115 Während gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine leichte Erholung von den Krisen der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts einsetzte, kam es kurz nach der Jahrhundertwende zu einem erneuten Einbruch mit Betriebseinschränkungen und Entlassungen, die auf die Überproduktion der vergangenen Jahre zurückgeführt wurde. 1904 wurde die Entwicklung von einem allgemein guten Geschäftsgang abgelöst, der bis ca. 1907 anhielt. Die von der Regierung Bülow abgeschlossenen Handelsverträge erschwerten den Absatz der exportorientierten Lüdenscheider Eisen- und Metallkurzwarenindustrie. Die Zollerhöhungen in einigen Ländern signalisierten den Fabrikanten sinkende Margen und erforderten eine Umstellung auf günstigere Produkte, die im Inland abgesetzt werden konnten. Die schnelle Erholung von diesem rezessiven Verlauf kam 1914 mit dem Kriegsausbruch zum Stehen. Die Kriegswirtschaft stellte die Lüdenscheider Industrie vor zahlreiche Probleme die – wie auch in anderen Städten des Deutschen Reiches – vor allem im Mangel an Arbeitskräften, ausbleibenden Rohmaterialien, minderwertigen Ersatzmaterialien und Unterbrechungen der Strom und Gaszufuhr lagen. Die Lebensmittelversorgung war zeitweise stark eingeschränkt. Die Ausrichtung auf die Rüstungsproduktion führte nach 1914 zu einer starken Zunahme der Frauenbeschäftigung. Im Bauhandwerk zeigte sich vergleichsweise wenig Tätigkeit, was ebenfalls auf den Mangel an Arbeitskräften und Rohmaterialien zurückzuführen ist.

II. Die Lüdenscheider Stadtverwaltung nach 1900 Mit Beginn des 20. Jahrhunderts tritt die Entwicklung der Lüdenscheider Stadtverwaltung in eine neue Phase ein. Der Darstellung in Anlage 1 ist zu entnehmen, daß die Beendigung der Konzessionsverträge und die Errichtung eines kommunalen Elektrizitätswerkes zu einer Konzentration von Entscheidungen bzw. BeschlüsStrodel, S. 26. Meister, Die Grafschaft Mark, Bd. II, S. 409, zitiert bei Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 86. 115 WWA Dortmund, IHK Lüdenscheid, Handelskammerbericht 1906 / 07. Vgl. Strodel, S. 27 ff.; Hostert, Entwicklung der Lüdenscheider Industrie, S. 84; Herbig, S. 59 ff.; Rahmede, Werdegang der Lüdenscheider Industrie, in: Buch der Bergstadt Lüdenscheid, S. 162 ff. 113 114

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

sen der Gemeindeorgane auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Versorgungsgüter führte. Die städtische Unabhängigkeit, die Sicherstellung der Versorgung, die bürgerfreundliche Tarifgestaltung und die Erzielung von Überschüssen spielen in den Verhandlungen der Stadtverordnetenversammlung eine starke Rolle. Es ist zu vermuten, daß diese gemeindewirtschaftliche Neuorientierung weitere Impulse für die Entfaltung der städtischen Verwaltung gegeben hat. Das kommunalisierte Wasser- und Gaswerk und das kommunal gegründete Elektrizitätswerk waren in die städtische Verwaltung zu integrieren. Die Eingliederung der städtischen Werke und die Auswirkungen auf die Struktur und Organisation der Stadtverwaltung werden im folgenden eingehender untersucht.

1. Auskreisung Eine durchgreifende Veränderung der Städteordnung trat bis zum Ende der Kommunalisierungsphase 1919 nicht ein. Mit dem Überschreiten der Einwohnermarke von 30.000 hatte die Stadt Lüdenscheid gemäß § 4 der Kreisordnung für die Provinz Westfalen vom 31. 07. 1886116 jedoch das Recht, einen eigenen Stadtkreis als Gebietsköperschaft zu bilden. Dem Antrag auf Bildung eines eigenen Stadtkreises wurde gem. § 4 Abs. (1) Kreisordnung entsprochen.117 Am 1. 4. 1907 schied die Stadt Lüdenscheid aus dem Kreisverband Altena aus. Am 19. 4. 1907 genehmigte der Minister des Inneren den Vertrag zwischen Lüdenscheid und dem Kreis Altena zur Umsetzung der Auskreisung. Mit der Stadtkreisbildung erfuhr Lüdenscheid eine Stärkung seiner Selbstverwaltungsinteressen. Darüber hinaus ergaben sich jedoch neue Aufgaben für die Stadtverwaltung und auch finanzielle Belastungen. Der 26. Westfälische Städtetag fand im Juli 1903 in Lüdenscheid statt und war regional ein bedeutendes Ereignis. Die Veranstaltung unterstrich schon damals die Bedeutung der wachsenden Stadt, die die benachbarte Kreisstadt Altena bereits 1871 an Einwohnern überholt hatte und 1910 mehr als doppelt soviel Einwohner aufwies. Auch im Vergleich zum benachbarten Iserlohn – das 1871 noch mehr Einwohner zählte als Altena und Lüdenscheid zusammen und das im Jahr 1907 gleichfalls aus dem Kreisverband Altena ausgekreist wurde – war Lüdenscheid der Bevölkerung nach größer.118

PreußGS S. 217. „Protokollbuch der Beschlüsse des Kreistages zu Altena pro 1885, geschlossen 1907“, zitiert bei Biroth, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Märkischen Kreises, S. 22; Strodel, S. 18; vgl. auch Reekers, S. 47. 118 Hostert, Die Entwicklung der Lüdenscheider Industrie vornehmlich im 19. Jahrhundert, S. 158. 116 117

D. Stadtverwaltung und Versorgungsbetriebe zwischen 1900 und 1919

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2. Die Aufgaben und die Entwicklung der Verwaltung bis 1919 Die schnelle Bevölkerungszunahme, die Kreisfreiheit und das damit verbundene Anwachsen der Verwaltungsgeschäfte machten eine Neuordnung der städtischen Verwaltung unumgänglich. Das neue Bild der Verwaltung entstand dabei nicht nur durch die Eingliederung der Versorgungsbetriebe in die städtische Verwaltung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind vielfach Reformen des Bürobetriebes in den Stadtverwaltungen durchgeführt worden, zum Teil deshalb, weil die viel diskutierte – aber seit Jahren ausstehende – allgemeine Verwaltungsreform ausblieb.119 Für die Verwaltungsorganisation war immer noch die Regierungsinstruktion für Preußische Stadtmagistrate vom 25. Mai 1835 mit der Anweisung des Ministers des Inneren vom 20. Juni 1853 wirksam.120 Dazu war 1897 lediglich eine Instruktion zur Vereinfachung des Geschäftsganges und die Verringerung des Schreibverkehrs erlassen worden. Die Büroreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte eine Vereinfachung, Verbilligung und Beschleunigung des Geschäftsverkehrs zum Ziel. Voraussetzung war eine sachliche Gliederung aller Verwaltungsteile auf verwaltungswissenschaftlicher Grundlage. Der Gliederung sollten Registratur- und Aktenhaltung, Archiv und Bücherei, Ortsrechtsammlung sowie Haushaltsplan und Verwaltungsbericht angepaßt werden. Auch die Verteilung der Dezernate der Magistratsmitglieder und die Geschäfte der Deputationen und Kommissionen sollten zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten damit übereinstimmen. Am 15. 1. 1913 führte der Erste Bürgermeister Dr. Jockusch durch Dienstanweisung121 gem. § 58 Westfälische Städteordnung eine Neuordnung der Verwaltungsgeschäfte durch. Die seit der Dienstinstruction von 1899 ergangenen Einzelregelungen wurden zusammengefaßt und der Verwaltungsgliederung mit einer Straffung eine moderne Prägung gegeben. Geregelt waren zum einen die Rechte und Pflichten der Angestellten, zu denen der erste Bürgermeister in der Dienstanweisung ausdrücklich auch die mittleren und unteren Beamten rechnete.122 Zum anderen waren die Diensteinteilung, der Geschäftsgang und die Bearbeitung der Sachen sowie das Anschaffungswesen detailliert geregelt. In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 wurden der Stadtverwaltung erhebliche Anstrengungen abverlangt, um das zivile Leben aufrechtzuerhalten und die Maßnahmen der Kriegswirtschaft durchzuführen. Dazu gehörten auch Sammlungen jeder Art von Gebrauchsgegenständen und Konsumgütern, die von der Stadt organisiert und von privaten Organi119 Wendland, Bürowesen, in: HKW, S. 271; vgl. Hausmann, Die Bureaureform als Teil der Verwaltungsreform, S. 1 ff. 120 Vgl. oben Teil I C. II. 3. c) aa). 121 STA Lüd. A 112. 122 Eine durchaus moderne Qualifikation, wenngleich dies wohl nur aus Vereinfachungsgründen geschah und die Dienstanweisung sich so besser verfassen ließ. Immerhin verbot die Dienstanweisung aber auch die innerdienstliche Verwendung der Bezeichnungen „mittlere Beamten“ und „Unterbeamte“.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

sationen, Vereinen oder einzelnen Bürgern ehrenamtlich durchgeführt wurden. Einer besonderen Kontrolle wurde die Lebensmittelversorgung durch Lebensmittelkarten unterzogen. Es wurden Vermittlungsstellen für Arbeitskräfte und Fuhrwerke eingerichtet. In einigen Bereichen erhöhte die Stadt die gesetzlich vorgesehenen Leistungen für die Familien der Wehrdienstleistenden, indem sie selbst ein Darlehen aufnahm. Familienhilfe, Mietbeihilfen und Zuschüsse zu Volksküchen wurden ebenfalls aus dem Darlehen bedient. Die Verwaltungskräfte wurden damit durch Kriegswirtschaft und Kriegshilfe erheblich gebunden, so daß eine weitere Entfaltung nach 1914 mit Ausnahme der Versorgungseinrichtungen nicht möglich war.

a) Verwaltungsgliederung, Geschäfts- und Aufgabenverteilung Die Dienstanweisung vom 15. 1. 1913 stellte erstmalig eine vollständige Abteilungsorganisation in der Stadtverwaltung auf, die auf der Grundlage der früheren Büro- und Ämtereinteilung sowie auf der Spezialisierung bestimmter Verwaltungstätigkeiten – die als Verwaltungswesen bezeichnet wurden – gewachsen war. Die Verwaltung gliedert sich nunmehr in 5 Abteilungen mit den entsprechenden Unterabteilungen: Abt. I

Allgemeine Verwaltung (Hauptbüro, Versandstelle) Rechnungs- und Vermögensverwaltung, Personalabteilung, Schulverwaltung, Kaufmannsund Gewerbegericht, Stadtausschuß, Soziale Einrichtungen – soweit sie nicht auf der RVO und dem AVG beruhen –, Stiftungen, Städtische Anstalten und Betriebe, Standesamt

Abt. II

Stadtbauamt

Abt. III Polizeiverwaltung, Amtsanwaltschaft Abt. IV Militärwesen, Armen- und Wohltätigkeitswesen, Versicherungswesen, Fürsorgeerziehung Abt. V

Steuerwesen

Über die Geschäftsverteilung zwischen besoldeten und unbesoldeten Magistratsmitgliedern lassen sich keine sicheren Feststellungen für das Jahr 1913 treffen. Für die Verwaltungsgeschäfte waren die besoldeten Magistratsmitglieder in der Regel geschäftsführend zuständig, während die unbesoldeten Magistratsmitglieder einzelne Geschäftsbereiche überwachten. Die besoldeten Magistratsmitglieder wurden in der Verwaltung allgemein als Dezernenten bezeichnet. Bis 1919 wurden vier unbesoldete Magistratsmitglieder gewählt, denen wahrscheinlich die Abteilungen II bis V zugeordnet waren. Der wichtigsten Abteilung I stand der zweite Bürgermeister persönlich vor. Gegen Ende der Phase wurde durch Ortsstatut vom 22. 4. 1919 die Zahl der besoldeten Magistratsmitglieder auf drei erhöht. Ein Stadtbaurat war gemäß § 29 Westfälische Städteordnung nunmehr für das Bauwesen, insbesondere die Hoch- und Tiefbauarbeiten in der Stadt verantwortlich. Er über-

D. Stadtverwaltung und Versorgungsbetriebe zwischen 1900 und 1919

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nahm mit dem Stadtbauamt ein Dezernat, das bereits seit drei Jahrzehnten in die Stadtverwaltung integriert war und durch das Wachstum der Stadt vor immer größere Planungs- und Überwachungsaufgaben gestellt wurde. Mit der Besetzung dieser Stelle wurde den steigenden technischen Anforderungen und der zunehmenden Bebauung Rechnung getragen.123 Darin liegt ein weiterer Schritt in der Professionalisierung der Verwaltungsspitze der Stadtverwaltung. Bisher war das Dezernat von einem unbesoldeten Magistratsmitglied betreut worden. Die Zahl der unbesoldeten Magistratsmitglieder wurde 1919 durch Ortsstatut auf 9 festgesetzt. Als mögliche Gründe können dafür die durch den Krieg vermehrten Verwaltungstätigkeiten und der politische Umschwung im Jahr 1919 gesehen werden. Bereits durch Ortsstatut vom 11. 12. 1893 waren gemäß § 59 Westfälische Städteordnung acht Deputationen gebildet worden.124 Eine Bestandsaufnahme im Jahr 1911 weist noch weitere Gremien aus125: – (Gas-)Wasserkommission – Elektrizitätskommission – Badeanstaltskommisssion – Steinbruchkommission – Hinterlegungskommission – Schuldentilgungskommission – Überwachungsabordnung der städtischen Sparkasse – Verwaltung des Fonds für II. Hypotheken – Vorstand der Witwe Heinrich Noelle-Stiftung – Verwaltungsrat der Karolinen-Stiftung – Vorstand der Leonhard Ritzel Stiftung – Kuratorium der Kleinkinderschule – Verkehrsausschuß – Ausschuß zur Auswahl der Schöffen und Geschworenen – Fürsorgeausschuß126

Damit wurden weitere Verwaltungstätigkeiten den Deputationen und Kommissionen übertragen. Diese hatten unter der Aufsicht des Magistrates ihre Geschäfte nach seinen Anordnungen zu führen. Die Kommissionen und die ähnlich auf123 § 29 der Westfälischen Städtordnung sieht einen Stadtbaurat ausdrücklich nur da vor, wo ein entsprechendes Bedürfnis besteht. 124 Vgl. oben Teil I C. II. 3. b). 125 Vorschriftensammlung 1911, I. Allgemeine Verwaltung und Beamtenverhältnisse der Stadt Lüdenscheid, S. 1 ff. 126 Vorschriftensammlung 1911, III. Armenwesen und Wohlfahrtspflege, S. 10.

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gebauten Gremien wie Vorstände und Verwaltungsräte waren durch die Satzungen und Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung organisatorisch und sachlich in ihren Aufgaben festgelegt. Eine umfassende sachliche Zuständigkeitsbeschreibung oder Geschäftsordnung wie sie bei den älteren Deputationen bestand, die jeweils einen Verwaltungszweig zu beaufsichtigen hatten, läßt sich nicht immer nachweisen. Für Wasser-, und Elektrizitätswerk waren zunächst zwei Kommissionen zuständig, wobei die Zuständigkeit der Wasserkommission zwischenzeitlich um die Belange des Gaswerkes erweitert worden war. Die Wasserkommission bestand aus zwei Magistratsmitgliedern, vier Stadtverordneten, dem Wasserwerksdirektor und dem Stadtbaumeister. Zur Elektrizitätskommission gehörten drei Magistratsmitglieder, vier Stadtverordnete und der Direktor des Elektrizitätswerkes. Erst 1919 wurde eine Kommission für alle städtischen Werke gebildet.127

b) Geschäftsablauf in der Stadtverwaltung Nahezu 50 % der Regelungen in der Dienstanweisung von 1913 betrafen den Geschäftsgang und die Bearbeitung der Sachen. Die besondere Aufmerksamkeit des Bürgermeisters als Behördenleiter galt einer effizienteren Abwicklung des Dienstgeschäftes. Die Posteingänge waren den geschäftsführenden Magistratsmitgliedern zur Durchsicht vorzulegen. Ausgenommen von dieser Anweisung waren Schriftwechsel in Steuer- und Polizeisachen sowie Rechnungen, Strafmitteilungen, Impfüberweisungen, Aufgebote und andere umfangreiche, aber einfache Verwaltungsvorgänge. Die Eingänge wurden sodann vom Oberstadtsekretär in einen Aktenständer verteilt, und waren von den Abteilungsboten mehrmals täglich abzuholen und dem jeweiligen Bürovorsteher zur Bearbeitung zu übergeben. Der leitende Büroangestellte einer selbständigen Haupt- oder Unterabteilung wurde zum Bürovorsteher bestellt. Er war für die Verteilung der Bearbeitungen, ihre fristgerechte Erledigung und die Büroordnung verantwortlich. Die Bürovorsteher und ihre Stellvertreter konnten zur Beschleunigung und Vereinfachung des Geschäftsverkehrs Schriftstücke unterschriftlich selbst vollziehen, soweit keine selbständige obrigkeitliche oder privatrechtliche Entscheidung namens der Behörde getroffen wurde.128 Hiervon waren nur Schriftstücke von untergeordneter Bedeutung erfaßt, mit denen keine Verpflichtung seitens der Stadt eingegangen wurde. Die Aktenhaltung geht im wesentlichen auf die Verfügung von 1899 zurück. Vorgeschrieben waren jedoch nun nach Sachgebieten gegliederte Ablageverzeichnisse in den jeweiligen Abteilungen anstelle des alten Repertoriums. Sachgebiete waren z. B. die Vermögensverwaltung, Hoheitssachen, Soziale Einrichtungen etc. Mit der Bildung von Sachgebieten sollte offenbar das Anwachsen der Vorgänge und die weitere Spezialisierung der Verwaltungsmaterie aufgefangen werden. Die Verfügung, mit der eine Sache zu den Akten geschrieben wurde, mußte das Akten127 128

Vgl. oben Teil II C. III. STA Lüd. A 112, Dienstanweisung von 1913, S. 8.

D. Stadtverwaltung und Versorgungsbetriebe zwischen 1900 und 1919

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zeichen enthalten, so daß beides im Tagebuch vermerkt werden konnte. Es kann vermutet werden, daß das Tagebuch nunmehr auf Abteilungs- bzw. Büroebene geführt wurde. Die zentrale Kontrollmöglichkeit des früheren Journals erwies sich im Zusammenhang mit der Registratur als zu schwerfällig. Während man schon 1899 aus Zeitgründen drei Registraturen eingerichtet hatte, wurden nun Registratur und Expedition auf Abteilungsebene bei gleichzeitigem Wegfall des (zentralen) Journals zusammengefaßt. Der Bürobetrieb wurde seit Anfang des Jahrhunderts durch den Einsatz von Schreibmaschinen und einer Vervielfältigungsmaschine erleichtert. Damit war auch die Kanzlei im wesentlichen entlastet. Darüber hinaus wurden für wiederkehrende Verfügungen vermehrt Formulare und Stempel eingesetzt. Eine Telefonanlage sorgte für eine schnelle Kommunikation auch mit anderen Behörden.129 Die effiziente Organisation des Bürobetriebes unter Ausschaltung der Registratur während der Bearbeitung entspricht in vollem Umfang den Erkenntnissen der Büroreform zu Beginn des Jahrhunderts.130 Bedenkt man, daß die Stadt Lüdenscheid zwar ein starkes Wachstum zu verzeichnen hatte, aber keinesfalls als Großstadt anzusehen war, konnte die Verwaltungsführung durchaus eine moderne Ausrichtung nachweisen. Wie die Zeit nach 1914 zeigt, war die Verwaltung auch dann noch voll einsatzfähig, als zahlreiche Beamte und Angestellte zum Wehrdienst einberufen wurden und das Lebensmittelamt, das Wehramt und das Versicherungsamt mit anderen Abteilungen vorübergehend zusammengelegt werden mußten.131

c) Stellenplan Die Zahl der städtischen Beamten und Angestellten hat sich während der Kommunalisierungsphase von ca. 54 im Jahr 1900132 auf 125 im Jahr 1920 erhöht. Innerhalb von 20 Jahren hat der Personalbedarf der Stadt damit um 131 % zugenommen. 1909 wurde die dynamische Entwicklung im Personalwesen bereits mit einer Besoldungsreform unterstützt, deren Ergebnisse die Stadtverordnetenversammlung genehmigte. Auch die Auskreisung blieb nicht ohne finanzielle Folgen für die Stadt. Im Hinblick auf die Stellenplanentwicklung ist hervorzuheben, daß die Beamtenzahl der örtlichen Polizeibehörde durch die Stadtkreisbildung um fast 50 % erhöht werden mußte.133 129 Zu den Änderungen des Ersten Bürgermeisters Dr. Jockusch in der Stadtverwaltung auch Zuncke, Die Lüdenscheider Stadtobrigkeit seit 1843, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 8. 10. 1954. 130 Wendland, Bürowesen, in: HKW, S. 270. 131 Strodel, S. 35. 132 Die Angabe beruht auf einem Durchschnittszuwachs von 4 Beamten / Angestellten pro Jahr, der aus der Differenz zwischen den Jahren 1896 und 1907 errechnet wurde. 133 Deitenbeck, Geschichte der Stadt Lüdenscheid 1813 – 1914, S. 233; Strodel, S. 18. Lüdenscheid hatte einen Schutzmann für je 1.200 Einwohner zu stellen.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

3. Die Entwicklung der städtischen Anstalten und Betriebe bis 1919 Als „städtische Anstalten und Einrichtungen gemeinnütziger Art“ sind im letzten Verwaltungsbericht der Kommunalisierungsphase134 ausdrücklich nur das städtische Krankenhaus, die Badeanstalt, der Schlachthof und das Untersuchungsamt aufgeführt. Über die „Betriebe“ der Stadt – bestehend aus Wasserwerk, Gaswerk, Elektrizitätswerk, Ziegelei135 und der Sparkasse als ältester Einrichtung aus dem Jahr 1845136 – wird in einem Kapitel des Verwaltungsberichtes gesondert berichtet. Wäre bei der Erstellung des Verwaltungsberichtes ein weiter Begriff der städtischen Anstalten zugrunde gelegt worden, hätten auch andere städtische „Veranstaltungen“ – wie etwa die frühere Feuerlösch- und Rettungscompagnie, die Straßenbeleuchtung137, die Naturalverpflegungsstation, Volksbücherei und Lesehalle sowie Altersheim oder das Unterstützungswesen – als Anstalt erfasst werden können. In der Lüdenscheider Stadtverwaltung hatte sich in dieser Phase jedoch eine Berichterstattung über die Verwaltungszweige unter Hinweis auf das jeweilig zuständige Amt – also z. B. die Wohlfahrtsverwaltung mit dem Unterstützungsamt – durchgesetzt. In Bezug auf die Versorgungsbetriebe wurde mit der Kommunalisierung der Begriff der „städtischen Betriebe“ eingeführt. Es steht zu vermuten, daß es sich dabei um eine Bezeichnung handelt, die einerseits aus den verschiedenen für Gemeindebetriebe heranzuziehenden Gesetzen138 und andererseits aus der Kategorisierung des „Regiebetriebes“ in der damaligen gemeindewirtschaftlichen Literatur stammte.139 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in Preußen beispielsweise für die Versorgung mit Gas umgangssprachlich auch einfach der Begriff der „Gasanstalt“ eingeschliffen, ohne daß auf die tatsächlichen Benutzungsund Eigentumsverhältnisse oder die rechtliche Qualifizierung der Einrichtung140 bzw. des Betriebes geachtet worden war. In Lüdenscheid läßt sich die Bezeichnung „private Gasanstalt“ für die Gasversorgung durch einen Unternehmer ebenfalls nachweisen.141 Der uneinheitliche Sprachgebrauch für die Formen des gemeindlichen Anstaltswesens und das Fehlen fester Abgrenzungskriterien der dem geSTA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 47 – 51. Die Ziegelei wurde erst 1923 von der Stadt erworben, der Verwaltungsbericht umfaßt jedoch den Zeitraum bis 1925. 136 Vgl. oben Teil I C. II. 2. b). 137 Bei diesen erstgenannten Gemeindeanstalten alter Prägung tritt ihr polizeilicher Charakter in den Vordergrund, worauf noch einzugehen ist. 138 Insbesondere dem Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893, PreußGS. S. 152 und der Gewerbeordnung vom 26. 7. 1900, RGBl. S. 871. 139 Rückblickend Brügelmann, Der Weg vom Regiebetrieb zum modernen Eigenbetrieb, in: Seraphim, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, S. 17; Winckelmann, Die wirtschaftliche Ausrichtung von öffentlichen Einrichtungen und Anstalten, ebd., S. 29. 140 Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist erst in der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 eingeführt worden. 141 Vgl. § 24 des Gasvertrages von 1887. 134 135

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meindlichen Anstaltsbegriff zugeschriebenen Tatbestände in den Gemeindeordnungen sowie ihre unterschiedliche Kennzeichnung in Literatur und Rechtsprechung im 19. und 20. Jahrhundert erfordern an dieser Stelle deshalb zunächst eine eingehendere Beschäftigung mit den Grundlagen der gemeindlichen „Anstalten und Betriebe“.

a) Öffentliche Gemeindeanstalten und gewerbliche Unternehmungen nach preußischem Recht Schon § 10 II 17 ALR sprach anstelle der einzelnen polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Polizeipflichtigen von polizeilichen „Anstalten“. Zum Teil wird bereits daraus die starke polizeiliche Prägung des gemeindlichen Anstaltswesens bis tief in das 18. Jahrhundert hinein hergeleitet.142 Das Preußische Oberverwaltungsgericht vertrat die Auffassung, daß der Begriff der Anstalten nach dem landrechtlichen Sprachgebrauch neben ständigen Einrichtungen auch einmalige Anordnungen umfaßt.143 Die kommunale Verwaltungsentwicklung im 19. Jahrhundert basierte auf der Ausbildung anstaltsrechtlicher Verwaltungsformen und dem traditionellen Wirtschaftsengagement der Gemeinden. Dies wurde für Lüdenscheid bereits bei der Betrachtung der frühen Leistungsverwaltung nachgewiesen.144 Dabei ließ sich eine Funktionsgliederung nach Anstaltstypen festlegen: Es waren Anstalten mit polizeilicher Zweckrichtung, wie Feuerlöscheinrichtungen und Nachtwachen, Anstalten mit sozialer Zweckrichtung, wie Sparkasse, Kranken- und Waisenhaus, und Anstalten mit wirtschaftlicher Zweckrichtung, wie das Eishaus, zu verzeichnen. Definitionsschwierigkeiten bei der Verwendung des Begriffes der Gemeindeanstalt bestanden bereits seit Einführung der Gemeindeordnungen im 19. Jahrhundert, wobei das genossenschaftlich geprägte Verständnis des weiten gemeindlichen „Veranstaltungs“begriffes nach und nach zurückgedrängt wurde.145 aa) Der Anstaltsbegriff in den Städteordnungen des 19. Jahrhunderts Den Anstalten und Stiftungen war in § 55 der Städteordnung von 1808146 ein eigener Absatz gewidmet. Die zu gemeinsamen oder öffentlichen Zwecken bestimmten, der Stadt zugehörigen Anstalten und Stiftungen standen mit ihrem Vermögen unter der Aufsicht der Stadtgemeinde. §§ 167 und 168 der Städteordnung von 1808 legte der Stadt auch alle Kosten der Polizeibehörde auf, die diese für die So z. B. Scholz, S. 67. PrOVGE 27, 62 (66); 52, 84 (87 ff.). 144 Vgl. oben Teil I C. II. 2. b) u. 3. c) dd) (1). 145 Hurst, Gemeindeeinrichtungen, in: HKWP, Bd. 2 (1957), S. 833; Scholz, S. 68; jeweils mit weiterem Nachweis. 146 Abgedruckt bei Krebsbach, Die Preußische Städteordnung von 1808. 142 143

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Anstalten als erforderlich angesehen hatte. Daraus ist eine an allgemein öffentliche – auch wirtschaftliche – Zwecke der Stadtgemeinde knüpfende, aber auch eine im polizeilichen Anstaltswesen beheimatete Bindung zu erkennen. Über den Inhalt der Anstalten, ihre Aufgaben und Ziele ist nichts bestimmt worden. § 44 der Städteordnung von 1808 verpflichtete lediglich noch die Schutzverwandten zu den öffentlichen Anstalten beizutragen. Die Revidierte Städteordnung von 1831 hat wie die Städteordnung von 1808 verhältnismäßig wenig direkte Bezüge zu den städtischen Anstalten.147 Die Anstalten sind lediglich in den §§ 40, 97 und 112 erwähnt. Nicht jede städtische Anstalt erforderte als „Inhalt“ der Verwaltungsorganisation ein Statut. § 104 der Revidierten Städteordnung bestimmte: In seiner Eigenschaft als Verwalter der städtischen Angelegenheiten (§ 84) führt der Magistrat die gesamte Verwaltung derselben, und es sind ihm in dieser Hinsicht untergeben und zum Gehoram verpflichtet: sowohl alle einzelnen Mitglieder der Gemeine, als auch alle zu öffentlichen Zwecken am Orte bestehende städtischen Behörden, imgleichen städtische Korporationen und Stiftungen, mit den durch ihre Statuten etwa begründeten Modifikationen.

Die Westfälische Städteordnung von 1856 berechtigte nach dem Vorbild der Städteordnung für die östlichen Provinzen die Einwohner gem. § 4 unmittelbar zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeindeanstalten. Gemäß § 11 Abs. (2) Westfälische Städteordnung konnte über diese „Einrichtungen“ mit Bestätigung der Regierung statutarische Anordnungen getroffen werden. Gem. § 56 Abs. (3) Westfälische Städteordnung sind die städtischen Gemeindeanstalten und diejenigen, für welche besondere Verwaltungen eingesetzt sind, vom Magistrat zu verwalten und zu beaufsichtigen. Die Westfälische Städteordnung unterschied insoweit öffentliche Gemeindeanstalten, für die ein Mitbenutzungsrecht der Einwohner bestand, und sonstige Gemeindeanstalten, die dieses Merkmal nicht aufwiesen. Die Unterscheidung ist relevant für die Beantwortung der Frage, ob eine Anstalt in der ausdrücklich oder konkludent geäußerten Absicht begründet und fortdauernd unterhalten worden ist, den Einwohnern ein klagbares subjektiv-öffentliches Recht auf Benutzung zu eröffnen oder lediglich eine Mitbenutzung oder eine Gelegenheit zur Anknüpfung privatrechtlicher Beziehungen zu ermöglichen.148 Eine kommunalverfassungsrechtliche Bestimmung der Organisations- oder Betriebsform für gemeindliche Versorgungseinrichtungen hat es im Zeitraum bis 1919 nicht gegeben. Bezug nehmend auf den unbeschränkten städtischen Wirkungskreis und die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinde hatte das Preußische Oberverwaltungsgericht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits dargelegt:149 „Das preußische Recht gibt keine Definition des Begriffs der Gemeinde und ihrer Aufgaben. Dasselbe läßt es in dieser Beziehung bei den gemeinen Rechten bewenden. Nach 147 148 149

Engli / Haus, S. 181; Treitschke, 4. Teil, S. 187 f. Jebens, Polizeiliche Gemeindeanstalten, in: PrVerwBl. 1901, S. 330. OVGE 12, 155 (158).

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gemeinem deutschen Recht verfolgt die Gemeinde aber nicht einen mehr oder weniger vereinzelten Zweck, sondern hat die Bestimmung, alle Beziehungen des öffentlichen Lebens in sich aufzunehmen. Die Gemeinde kann hiernach alles in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen, was die Wohlfahrt des Ganzen, die materiellen Interessen und die geistige Entwicklung des Einzelnen fördert.“

Die Versuche in anderen Gemeindeordnungen Deutschlands, Begriff und Inhalt der Gemeindeanstalt zu umreißen, fanden erst in der Deutschen Gemeindeordnung, die nur noch von öffentlichen Einrichtungen sprach, ihr Ende.

bb) Der kommunale Anstaltsbegriff vor Erlaß der Deutschen Gemeindeordnung Die ersten Anmerkungen zur „anstaltlichen Verwaltung“ als Gegenstand juristischer Erfassung werden in der Literatur Friedrich Franz Meyer im Jahr 1862 zugeschrieben. Das Anstaltsrecht war begrifflich und der Sache nach Teil des noch nicht abgegrenzten öffentlichen Sachenrechts.150 Etwas später faßte Otto Mayer in seiner klassischen Definition zusammen, daß es sich bei öffentlichen Anstalten um einen verselbständigten Bestand von sächlichen und persönlichen Verwaltungsmitteln handle, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind.151 Diese Definition bezog sich auf Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit. Soweit es sich bei einer Anstalt einer Gemeinde grundsätzlich nur um die Teileinrichtung einer Gebietskörperschaft handelt, ist der in der Definition angesprochene Bestand wegen der fehlenden eigenen Rechtspersönlichkeit zunächst auf den unselbständigen organisatorischen Charakter der Einrichtung innerhalb der Gemeindeverwaltung einzuschränken. Die Definition Otto Mayers war zudem sachlich und funktionell unbegrenzt, so daß selbst staatliche Einrichtungen wie Heer oder Gerichte darunter zu fassen waren. Mayer setzte sich später auch mit dem Nutzungsverhältnis der „den vielen Einzelnen und jedem für sich Vorteile gewährenden und Dienste leistenden“152 Anstalten auseinander und hat die Akzente bei öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nutzung anders gesetzt. Er widmete der öffentlichen Anstalt besondere Kapitel in seinem Lehrbuch, wobei er die Gewährung der Anstaltsnutzung als die Erfüllung der eigentlichen Aufgabe der öffentlichen Anstalt bezeichnete.153 Die für die Verwaltung geborene Rechtsordnung (die folgerichtigere Form) sei das öffentliche Recht; bürgerliches Recht ist die Ausnahme, die vorzüglich dort anzutreffen sei, wo der Staat in seine Leistungsverwaltung Aktivitäten übernehme, die pionierhaft zunächst Private ausgeübt hatten – also im Daseinsvor150 Löwer, Die öffentliche Anstalt, DVBl. 1985, 928 (928) unter Hinweis auf Friedrich Franz Meyer, Grundsätze des Verwaltungsrechts, Tübingen 1862. 151 Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Auflage, S. 268. 152 Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., S. 469. 153 Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., S. 268 f.

12 Heider

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sorgebereich (Verkehr, Gas, Wasser).154 Dem klassischen Anstaltsbegriff hat die Literatur das Kriterium der Nutzbarkeit der Anstalt hinzugefügt, wobei unterschiedliche Ansichten über die Reichweite bestanden.155 Öffentliche Anstalten sind danach die durch den gleichen besonderen öffentlichen Zweck zu einer Einheit verschmolzenen Personen- und Sachgesamtheiten, die der Allgemeinheit oder bestimmten Teilen der Bevölkerung zur Benutzung zur Verfügung gestellt werden.156 cc) Anstaltstypen In den späteren Kommentaren zur Deutschen Gemeindeordnung ist für den neu eingeführten Begriff der „öffentlichen Einrichtungen“ eine Abgrenzung zu den nutzbaren öffentlichen Anstalten im engeren Sinne versucht worden. Öffentliche Anstalt der Gemeinde war danach derjenige zusammengefaßte Bestand sachlicher und persönlicher Mittel der Gemeinde, der von dieser in Erfüllung ihrer Aufgaben als Zelle des Gemeinschaftsstaates der örtlichen Gemeinschaft der Bürger, Einwohner oder der durch Grundeigentum oder Gewerbebetrieb mit der Gemeinde sachlich verbundenen Personen gewidmet war.157 Öffentliche Gemeindeanstalten waren Einrichtungen und (Ver-)Anstalt(-ung)-en der Gemeinde, die im öffentlichen Interesse unterhalten wurden.158 Sie erschöpfen sich dabei nach älterer Auffassung nicht in Anstalten, die als bauliche Anlage in Erscheinung treten, vielmehr zählte man zu ihnen auch solche Einrichtungen, die einen in sich abgeschlossenen Zweig der Verwaltung bildeten. Es war nicht notwendig, daß die Anstalten auf Grund eines gesetzlichen Zwanges errichtet wurden, ihre Gründung und Gestaltung konnte, ausgehend von der „Allzuständigkeit“ der Gemeinde auf kommunaler Ebene, auch auf freiem Entschluß der Gemeinde beruhen. Formell bedurfte es einer öffentlich-rechtlichen Indienststellung der Anstalt, an die das Preußische Oberverwaltungsgericht vor Erlaß des Kommunalabgabengesetzes vom 14. 7. 1893 noch recht wenige Anforderungen stellte. Das allgemeine Benutzungsrecht, welches das Wesen der Öffentlichkeit ausmachte, konnte auf einem Ortsstatut, auf besonderem Beschluß der städtischen Organe oder auch nur auf einer stillschweigenden, etwa durch die gegebene Zweckbestimmung sich äußernden Willenserklärung 154 Löwer, Die öffentliche Anstalt, in: DVBl. 85, 928 (931) unter Hinweis auf die Veränderungen in der ersten bis dritten Auflage von Otto Mayers Verwaltungsrechtslehrbuch. 155 Vgl. Fleiner, 2. Aufl., §§ 18 und 19; Jellinek, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl, S. 513; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 301; Hurst, S. 844; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 3. Aufl., S. 389 ff.; Stern / Püttner, S. 34 f. 156 Hurst, S. 844. 157 Vgl. den Überblick bei Surén / Loschelder, Die Deutsche Gemeindeordnung, § 17 Erl. 2, S. 284 f. 158 Zum folgenden: Stier-Somlo / Buck, Das Recht der Gemeindeanstalten, Bd. 2, S. 125 ff.; Matthias, S. 297 f.; Scholz, S. 62; Lohmann, Die Morphologie der Organisationsformen der öffentlichen Unternehmung, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, 176. Bd., Teil 1, S. 93 ff.

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dieser Organe beruhen.159 Nach Erlaß des Kommunalabgabengesetzes war die im Gesetz angelegte Unterscheidung von gewerblichen Unternehmen mit Gewinnerzielung und den im öffentlichen Interesse unterhaltenen Veranstaltungen mit Gebührenregelung Ausgangspunkt der Rechtsprechung.160 Artikel 3 Ziff. 1 Absatz 2 der Ausführungsanweisung vom 10. 5. 1894 zum Kommunalabgabengesetz 161 definierte die Gemeindeanstalten im Anschluß an die alte Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes als . . .solche Veranstaltungen, die im öffentlichen Interesse geschaffen und unterhalten werden müssen ohne Rücksicht auf Gewinn und Verlust; öffentliche Gemeindeanstalten sind aber auch solche Anstalten, deren freier Gebrauch gemäß freiem Entschluß der Gemeinden allen Einwohnern oder gewissen Klassen derselben entweder ausdrücklich (Ortsstatut, Beschluß) oder stillschweigend als Recht eingeräumt wird. Gewerbliche Unternehmungen (private Anstalten) sind dagegen diejenigen Unternehmungen, deren Betrieb als solcher auf die Erzielung von Gewinn gerichtet ist und den Gemeindemitgliedern keine Nötigung zu ihrer Benutzung auferlegt.

Als besondere öffentliche Gemeindeanstalten, die auch im polizeilichen Interesse stehen, sind danach diejenigen Anstalten anzusehen, deren Benutzung durch den Bürger auf einer durch Polizeiverordnung geschaffenen Verpflichtung beruht.162 Das Institut der „polizeilichen Gemeindeanstalt“ entwickelte sich bereits vor dem Erlaß des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 als Mittel zur Umsetzung (wohlfahrts-)polizeilich gebotener Aufgaben im Anstaltsbereich. Ihre Anlagen und Unterhaltung konnten den Gemeinden von Staats wegen zwar nicht unmittelbar zur Pflicht gemacht werden, sie konnten aber zur Tragung der Kosten verpflichtet werden.163 Gegenüber den Einwohnern konnte der Anschluß- und Benutzungszwang an städtischen Anstalten vom Magistrat durch Polizeiverfügung gem. § 5 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 in Verbindung mit einem Statut gem. § 11 Westfälische Städteordnung festgesetzt werden.164 Voraussetzung war, daß ein polizeiliches Interesse zur Benutzung der Anstalt vorlag, wie z. B. die Gesundheit und Sicherheit der Bürger. Darüber hinaus mußte jeder Gemeindeangehörige tatsächlich die Möglichkeit haben, die Anstalt zu benutzen.165 Das Preußische Oberverwaltungsgericht hat vor der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 in den Fällen, wo ein poliOVGE 20, 22 (23). OVGE 52, 28 (30). 161 Ausführungsanweisung zum Kommunalabgabengesetz vom 10. 05. 1894 zitiert bei Stier-Somko / Buck, Das Recht der Gemeindeanstalten, Bd. 2, S. 127 f. 162 Zur treffenden Begriffserklärung vgl. Matthias, S. 298. 163 OVGE 36, 440 (445); Matthias, S. 298 unter Hinweis auf die Zwangsetatisierung; Kappelmann, S. 76.; Scholz, S. 63; Jebens, Polizeiliche Gemeindeanstalten, in: PrVerwBl. 22, 329 ff. 164 OVG PrVerwBl. 22,454 (455); Stier-Somlo / Buck, Das Recht der Gemeindeanstalten, 2. Bd., S. 149 f. 165 OVGE 54, 440 (440). 159 160

12*

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zeilicher Zwang bestand, nur die öffentlich-rechtliche Regelung des Benutzungsverhältnisses zugelassen.166 Entgegen dieser in der älteren Literatur ebenfalls vertretenen Auffassung ist heute jedoch auch ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis bei einem Anschluß- und Benutzungszwang zulässig.167 Nach moderner Auffassung ist auch noch zu unterscheiden zwischen der Regelung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung und dem Benutzungsverhältnis.168 Die Gemeindeanstalten konnten neben den gewerblichen Zwecken auch öffentliche Zwecke verfolgen, allerdings ohne ein subjektiv-öffentliches Recht der Einwohner zur Benutzung des Gewerbebetriebes. Gewerbliche Unternehmungen, die in erster Linie auf einen Gewinn abzielten, waren nach dem Kommunalabgabengesetz keine öffentlichen Gemeindeanstalten im engeren Sinne, sondern „Privatanstalten“ der Gemeinde, die diese als juristische Person betrieb. Diese gewerblichen Unternehmungen beurteilen sich nicht nach öffentlichem Recht, sondern nach dem Zivilrecht. Das Benutzungsverhältnis allein gibt allerdings noch keinen Aufschluß über die Öffentlichkeit einer Anstalt im engeren Sinne. Die Nutzung der öffentlichen Gemeindeanstalt kann – jedenfalls nach heutiger Auffassung – öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich erfolgen. Ob eine Einrichtung eine öffentliche Gemeindeanstalt oder ein rein gewerbliches Unternehmen gewesen ist, kann zunächst daraus abgeleitet werden, ob ein Zwang zur Benutzung der Einrichtung besteht. War dies der Fall, konnte sie nach Auffassung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes als eine „Privatanstalt“ bzw. gewerbliche Unternehmung nicht mehr angesehen werden. Es kam jedoch auch vor, daß gewerbliche Unternehmungen infolge der Bedingungen unter denen die Gemeinde arbeitete, zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich benutzt werden mußten. Entscheidend war letztlich die Art des Aufbaus des Unternehmens und seine Geschäftstätigkeit.169 War die Benutzung als Gebühr auf Grund öffentlichen Rechts festgesetzt, so wurde darin der Wille des Gemeindeorgans vermutet, die Anstalt in erster Linie öffentlichen Interessen dienen zu lassen. Anders lag es, wenn Tarife festgesetzt werden, über deren Anwendung die Gemeinde und der Benutzer einen ausdrücklichen oder konkludenten privatrechtlichen Vertrag geschlossen hatten. Gemischt-wirtschaftliche Unternehmungen sind in Abgrenzung zu den öffentlichen und privaten Gemeindeanstalten solche Unternehmungen, bei denen das Unternehmenskapital teils von Privaten, teils von öffentlichen Körperschaften nach Abschluß eines Gesellschaftsvertrages aufgebracht wird. Die Leitung des Betriebes erfolgt nach Einsetzung einer Geschäftsführung auf Grund Gesellschafterbeschlusses. Private und öffentliche Körperschaften sind Anteilseigner, die auf die GeOVGE 62, 242 (243); 87, 459 (460). Hurst, S. 839; Erichsen / Papier, § 41, Rn. 34; Maurer, 12. Aufl., § 3, Rn. 26. 168 Maurer, 5. Aufl., S. 36. 169 Als „Privatanstalt“ bzw. gewerbliche Unternehmung ist nur die privatrechtlich selbständige Gesellschaft, deren Geschäftsanteile in vollem Umfang von der Stadt gehalten werden, auf den ersten Blick zu erkennen. 166 167

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schäftspolitik einer Unternehmung – in der Regel durch die gesellschaftsrechtlich zuständigen Organe – Einfluß nehmen.170 Als Beteiligungsformen kommen regelmäßig die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Aktiengesellschaft in Betracht. Es wurde die Ansicht vertreten, daß es sich auch bei diesen Unternehmen noch um eine öffentliche Gemeindeanstalt handeln kann.171 Dies ist im Einzelfall anhand der Sicherung des Einflusses der Kommunen zur Durchsetzung des öffentlichen Zwecks zu untersuchen.

dd) Abgrenzungskriterien Dem öffentlichen gemeindlichen Anstaltswesen gehörte nach der vorstehenden Differenzierung im Zeitraum der Untersuchung eine Versorgungseinrichtung an, wenn es sich um einen Bestand sächlicher und persönlicher Verwaltungsmittel handelte, das Werk oder die Anstalt einen abgeschlossenen Zweig der Verwaltung bildete, einem öffentlichen Zweck diente und die Einwohner ein subjektiv-öffentliches Recht zur Benutzung der Gemeindeanstalt hatten. Dazu war eine öffentlichrechtliche Indienststellung der Anstalt durch Ortsstatut oder sonstige förmliche Entschließung der städtischen Organe erforderlich. Die Festsetzungen durften dem tatsächlichen Charakter der Anstalt nicht widersprechen, wenn das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich durch Ortsstatut, Verwaltungsakt, Gebühr und Anwendung des Verwaltungsvollstreckungsrechts ausgestaltet war. An eine daneben auch denkbare stillschweigende Widmung einer Anstalt sind hohe Anforderungen zu stellen. Nahm die Stadt mit der Errichtung und dem Betrieb eines Werkes als rein gewerblich ausgerichteter Unternehmung eine handelsrechtliche Sonderstellung als Korporation ein, wobei nicht notwendigerweise eine gesellschaftsrechtliche Ausgliederung aus der städtischen Verwaltung erfolgen mußte, handelte es sich um eine gewerbliche Unternehmung („Privatanstalt“) der Gemeinde, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet war. Auch ein gewerbliches Unternehmen konnte einem öffentlichen Zweck dienen, gewährte den Einwohnern jedoch kein Benutzungsrecht. Damit wird der in der Westfälischen Städteordnung angelegten Unterscheidung von öffentlichen Gemeindeanstalten, die von jedem Einwohner benutzt werden konnten, und den sonstigen Gemeindeanstalten Rechnung getragen. Für die öffentliche Gemeindeanstalt und die unausgegliederte „Privatanstalt“ erscheint gleichermaßen der auch in der Literatur verwendete Begriff des gemeindlichen Regiebetriebes zulässig. Als Abgrenzungskriterien zwischen öffentlicher Anstalt und gewerblicher Unternehmung sind daher in der weiteren Untersuchung insbesondere folgende Merkmale zu berücksichtigen: – die Art der Leitung der Anstalt auf besonderer Rechtsgrundlage oder allgemeinen Kommunalverfassungs- bzw. Verwaltungsvorschriften, 170 Zur Abgrenzung vgl. Passow, Die gemischt privaten und öffentlichen Unternehmungen, S. 1; Lohmann, S. 135 f. 171 Hurst, S. 844; Lindemann, in: HWK, S. 199 zu den Gemeindeanstalten.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

– die Ausgliederung des Betriebes aus der Gemeindeverwaltung und die Betriebsautonomie, – der Bestand sächlicher und persönlicher Mittel für den Anstaltsbetrieb, – das öffentliche Interesse am Anstaltsbetrieb, – der Anschluß- und Benutzungszwang an das Leitungsnetz, – die Strukturierung des rechtlichen Verhältnisses zum Verbraucher und – die Haftung für die Anstalt.

Nach Vorstellung der Abgrenzungskriterien kann die Bedeutung der Organisationsform der städtischen Betriebe für die Leistungsverwaltung näher untersucht werden. Eine Abgrenzung der öffentlichen Anstalt zur gewerblichen Unternehmung ist nur über eine Gesamtbetrachtung des betreffenden Werkes zu erzielen. Ob und um welche leistenden Verwaltungseinheiten oder Unternehmungen es sich tatsächlich handelte, ist anhand der im vorstehenden Absatz genannten Kriterien unter Hinzuziehung der Betriebsmerkmale zu entscheiden. Zu den Betriebsmerkmalen gehören in erster Linie der Personalbestand sowie Umsatz- und Absatzkennzahlen und die Art der Erfassung der Geschäftsvorfälle.

b) Das städtische Wasserwerk Die oben angesprochenen Abgrenzungskriterien zur Beurteilung der Organisationsform in der städtischen Verwaltung lassen sich bei den städtischen Betrieben zu drei Komplexen verdichten. Neben der Rechtsgrundlage für die Eingliederung des Betriebes in die städtische Verwaltung ist nach dem Rechtsverhältnis zum Abnehmer sowie nach Leistung und Rechnungslegung zu fragen. aa) Rechtsgrundlage Als Rechtsgrundlage für die Führung des Wasserwerkes als städtischer Betrieb kommt zum einen die Übernahme der Sachgesamtheit der Anlagenteile in das städtische Vermögen auf der Grundlage des Ratsbeschlusses vom 8. 1. 1901 und zum anderen die Eingliederung des Wasserwerkes in die städtische Verwaltung unter Einsetzung eines Beamten als Leiter des Werkes in Betracht.172 Für eine besondere rechtliche Strukturierung des Wasserwerkes findet sich in den Quellen kein Hinweis. Naheliegend wäre zunächst eine Qualifizierung als städtische Anstalt zur Fremd-173 und Eigenbedarfsdeckung174, weil es sich um die „reine“ Form der dem 172 STA Lüd. A 311, Anstellungsurkunde vom 18. 4. 1905. Die Anstellung erfolgte unter Festsetzung des pensionsfähigen Dienstalters gem. § 56 Abs. 6 Westfälische Städteordnung i.V. m. § 8 des Kommunalbeamtengesetzes v. 30. Juli 1899 (PreußGS. S. 141). 173 Private und gewerbliche Wasserabnehmer. 174 Städtische Gebäude, Badeanstalt, Hydranten.

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Kommunalisierungsgedanken unterstellten Absicht handelt. Besondere organisatorische Maßnahmen oder gar eine gesellschaftsrechtliche Ausgliederung liegen nicht vor. Die Stadt haftete vollständig für die Schulden des Betriebes; eine Aussonderung des Teilvermögens fand nicht statt. Es wurde kein besonderes Statut für den Betrieb des Wasserwerkes erlassen. Kennzeichen der formal abhängigen Unternehmung – des Regiebetriebes – ist seine Führung als unausgegliedertes Verwaltungsdezernat der Kommune.175 Alle städtischen Betriebe waren organisatorisch als Unterabteilung der Abteilung I in die städtische Verwaltung eingegliedert. Diese stand unter der Leitung des zweiten Bürgermeisters Sieper. Das bestehende Regulativ zum Betrieb des Wasserwerks wurde von der Stadt übernommen.176 Technische Bestimmungen kamen im Laufe der Zeit hinzu.177 Weder dem Regulativ noch den technischen Bestimmungen ist zu entnehmen, daß das Wasserwerk eine öffentliche Gemeindeanstalt sein sollte. Wenn konkludent eine öffentliche Gemeindeanstalt hätte gewidmet werden sollen, durfte das Rechtsverhältnis zum Abnehmer keine entgegenstehenden Regelungen enthalten.178 Im verwaltungsinternen Bereich kamen die allgemeinen Verwaltungsvorschriften – insbesondere die bestehenden Dienstanweisungen der Stadtverwaltung – zur Anwendung. Die Willensbildung erfolgte durch die Organe der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wie bei anderen Gemeindeanstalten auch und unterlag damit der Verwaltungsaufsicht des Staates. Der von den Organen, Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, gefaßte Beschluß wurde von den verantwortlichen Magistratsmitgliedern umgesetzt und von der Betriebsleitung zur Ausführung gebracht. Die Wasserkommission war mit der Beaufsichtigung der Betriebsleitung beauftragt und wirkte bei den laufenden Angelegenheiten und Geschäften mit. Zu den der Wasserwerksverwaltung im Verwaltungsgebrauch zugeordneten Vermögensteilen gehörten ausweislich der Bilanz für das erste Betriebsjahr 1901 / 02 Grundstücke, Gebäude, Maschinen bzw. Apparate, das Rohrnetz sowie Installationsmaterial. 179 1914 hatte das Wasserwerk, das nach dem Heimfall des Gaswerkes 1916 unter der Leitung eines Direktors als einheitlicher Betrieb geführt wurde, als Personal einen Beamten und vier Dauerangestellte. Bis 1920 erhöhte sich die Zahl der Dauerangestellten auf acht. Dazu kamen sieben Hilfsangestellte. Der Bestand sächlicher und personeller Mittel war damit abgrenzbar. Hiermit lag eine Mindestvoraussetzung des Kennzeichens einer öffentlichen Anstalt vor.

175 Lohmann, S. 96; Hoffmann, Die Organisationsform der reinen Verwaltungsunternehmung, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, 176. Bd., Teil 1, S. 189 ff.; Brügelmann, Der Weg vom Regiebetrieb zum modernen Eigenbetrieb, in: Seraphim, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, S. 21. 176 Regulativ des Wasserwerkes abgedruckt mit Übernahmevermerk in: Vorschriftensammlung 1911, II. Die Betriebe und Anstalten der Stadt Lüdenscheid, S. 13. 177 Ebenda, S. 14. 178 Dazu sogleich bb). 179 STA Lüdenscheid A 395, Verw.Ber. v. 01. 04. 1901 – 31. 03. 1902, S. 21.

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bb) Rechtsverhältnis zum Abnehmer Ein Anschluß- und Benutzungszwang für das städtische Wasserleitungsnetz – Kennzeichen einer polizeilichen Gemeindeanstalt und Indiz für einen besonderen öffentlichen Zweck – ist allein im Zusammenhang mit der Übernahme des Wasserwerkes nicht festzustellen. Eine Polizeiverordnung gem. § 5 PVG ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Übernahme nicht ergangen. Ein „Zwang“ zum Anschluß und der Benutzung der städtischen Wasserleitung findet sich jedoch noch in § 67 der Bau-Polizei-Verordnung vom 22. 1. 1890 / 20. 5. 1891180: § 67 Wasserversorgung Zur Anlegung von Brunnen, besonders für solche, welche Trinkwasser liefern sollen, bedarf es jedesmal einer baupolizeilichen Genehmigung. Jedes Grundstück, auf welchem ein zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmtes Gebäude errichtet ist, . . . der Benutzung entweder an die städtische Wasserleitung angeschlossen sein, oder einen Brunnen von mindestens einem Meter Weite und genügender Tiefe erhalten, welcher zu jeder Zeit genügend gutes Trinkwasser liefert. Derselbe muß von. . .Abort- und Senkgruben mindestens 10 Meter entfernt. . . , die oberen Theile wasserdicht ausgemauert und sicher überdacht sein. Die Anlegung eines gemeinschaftlichen Brunnens ist zulässig, wenn derselbe entsprechend . . . geführt wird.

Fraglich ist schon, ob der Inhalt dieser Festsetzung den Anforderungen eines Anschluß- und Benutzungszwanges überhaupt genügt hat. Das Preußische Oberverwaltungsgericht hat einen Anschlußzwang aller bebauten Grundstücke für zulässig erklärt, wenn der mit der Einrichtung der Wasserleitung beabsichtigte polizeiliche Zweck tatsächlich vollständig und sicher nur bei allgemeiner Benutzung der Wasserleitung erreicht werden kann.181 Dies war z. B. der Fall, wenn die Brunnen der Gemeinde seuchengefährdet waren oder der Brandgefahr nur durch allgemeinen Anschluß der Häuser an die Wasserleitung vorgebeugt werden konnte. Ausnahmen würden dem mit einer Polizeiverordnung angestrebten Zweck zuwider laufen. Ob die Wasserleitung der Gemeinde selbst oder einer anderen Gemeinde oder einer Privatgesellschaft gehörte, war nach Auffassung von Buck für die Frage der Zulässigkeit des polizeilichen Anschlußzwanges gleichgültig.182 Voraussetzung war allerdings, daß die Wasserversorgung grundsätzlich zur Gemeindeangelegenheit gemacht wurde. Wasserwerke der Gemeinden waren nach Auffassung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes gewerbliche Unternehmungen nur dann, wenn kein Zwang zu ihrer Benutzung bestand, die Benutzung vielmehr dem Willen des Einzelnen überlassen war.183 Die Möglichkeit, auch Trinkwasser aus (privaten) Brunnen beziehen zu können wurde durch § 67 der Bau-Polizei-Ver180 181 182 183

STA Lüd. A 49. OVGE 28, 354 (356). Stier-Somlo / Buck, Das Recht der Gemeindeanstalten, Bd. 2, S. 149. OVGE 20, 22 (23); 52, 28 (31); OVG PrVerwBl. 24, 618 (619).

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ordnung unter den Erlaubnisvorbehalt der Baupolizeibehörde gestellt. Damit bestand grundsätzlich die Pflicht, ein Grundstück an die Wasserleitung anzuschließen. Die Umgehungsmöglichkeit des Anschlußzwanges durch Genehmigung der Behörde läuft jedoch dem Zweck der Polizeiverordnung zuwider und wäre vermutlich eine rechtswidrige Ausnahmebestimmung gewesen. Es ist ungewiß, ob Ausnahmegenehmigungen zur Trinkwassergewinnung aus Brunnen nach 1892 in Lüdenscheid tatsächlich erteilt worden sind. Die schlechte Qualität des Brunnenwassers in Lüdenscheid wird vermutlich zu keinerlei Nachfrage um Genehmigungen geführt haben. Gegen § 67 der Polizeiverordnung oder einer darauf beruhenden Versagung der Ausnahmegenehmigung wurde – soweit ersichtlich – von den Bürgern nicht vorgegangen. Es bestand damit immerhin auch die Möglichkeit, daß der Anschlußzwang an die Wasserleitung als Bestimmung der Polizeiverordnung rechtswidrig, aber mangels Anfechtung gleichwohl für einen kurzen Zeitraum in Kraft war. Nach alledem muß davon ausgegangen werden, daß ein Anschlußzwang an die (städtische) Wasserleitung vor 1901 wenigstens zeitweilig bestand. Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage jedoch dahin stehen, da die Baupolizeiverordnung vom 22. 1. 1890 / 20. 5. 1891 aufgehoben worden ist.184 Weitere Hinweise auf einen durch Polizeiverordnung und Satzung neu festgesetzten Anschluß- und Benutzungszwang sind den Quellen danach nicht mehr zu entnehmen. Ein besonderer öffentlicher Zweck, der das Wasserwerk zu einer polizeilichen Gemeindeanstalt gemacht hätte, ist daher zu verneinen. Ob es sich bei dem städtischen Wasserwerk um eine „einfache“ öffentliche Gemeindeanstalt handelte, kann nur noch aus den in der Stadtverordnetenversammlung geäußerten Interessen geschlossen werden. Aus den Verhandlungen der Stadtverordnetenversammlung geht hervor, daß nicht eine ausschließliche Gewinnerzielungsabsicht bestand, sondern eine ausreichende Deckung des Bedarfs der Einwohner mit Trinkwasser im Mittelpunkt stand. Darin liegt ein zum Wohle der Allgemeinheit bestehendes öffentliches Interesse an der Wasserversorgung. Dies würde ebenfalls noch für eine Einstufung des Wasserwerkes als öffentliche Anstalt sprechen, dem allerdings das Rechtsverhältnis zum Abnehmer nicht widersprechen durfte. Die öffentliche Anstalt unterschied sich nach früherer Ansicht von der gewerblichen Unternehmung jedoch dadurch, daß sie nicht ausschließlich mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde, nicht der Gewerbesteuerpflicht unterlag und Gebühren statt Tarife erhoben wurden. In der Regel kam der Anschluß eines Grundstückes an die Wasserleitung durch einen Antrag des Grundstückeigentümers bei der Wasserwerksverwaltung zustande. Nach § 6 der Technischen Bestimmungen über die Ausführung von Wasserleitungen im Innern der Häuser vom 1. 6. 1904185 waren vor der Inbetriebnahme neuer Hausanschlüsse und -leitungen 184 Vorschriftensammlung 1911, I. Allgemeine Verwaltung und Beamtenverhältnisse der Stadt Lüdenscheid 1911, S. 6. 185 Ebenda, S. 15.

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diese von der Wasserwerksverwaltung abzunehmen, nachdem sie von privaten Installateuren errichtet worden waren. Es kam für die Wasserlieferung zwischen der Stadt Lüdenscheid / Wasserwerksverwaltung mit dem Grundstückeigentümer also zunächst auf technische Voraussetzungen an, die vom Grundstückseigentümer zu schaffen waren. Die Wasserwerksverwaltung der Stadt übernahm die von der Stadt dem privaten Unternehmer der Wasserversorgungsanlage am 29. Juli 1882 gestellten Bedingungen des Regulativs zur Versorgung der Abnehmer des Wassers in der Stadt Lüdenscheid mit geringen Abänderungen.186 In den §§ 1 und 7 des Regulativs war die Zahlung eines Wasserzinses für die Wasserlieferung „auf Grund besonderen Vertrages“ mit dem Grundstückseigentümer vorgesehen. Für die überlassenen Wassermesser war gemäß § 5 des Regulativs ein Mietentgelt vom Grundstückseigentümer zu zahlen. Der Vertrag über die Wasserlieferung ist als privater Vertrag zu kennzeichnen, dem die Bestimmungen des Regulativs als besondere inhaltliche Regelungen – etwa entsprechend den heutigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder den allgemein verbindlichen Versorgungsbedingungen – des Städtischen Wasserwerks zugrunde lagen. Da Wasser eine verbrauchbare Sache ist, fand auf die Verträge über Wasserlieferung das Kaufrecht gem. § 433 ff. BGB Anwendung.187 Aufgrund der privatrechtlichen Wasserlieferungsverträge mit den Abnehmern beim städtischen Wasserwerk ist letztlich eher von einer gewerblichen Unternehmung auszugehen. cc) Leistung und Rechnungslegung Die Fördermenge des städtischen Wasserwerkes hat im Jahr 1901 359.801 cbm Wasser betragen. Bis 1919 erfolgte eine Steigerung auf 704.920 cbm. Es lag also ziemlich genau eine Verdopplung der Leistung der Wasserwerksanlagen vor.188 Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Anschlüsse kontinuierlich von 1.304 auf 2.129.189 Die Rechnungslegung für das Wasserwerk lief weitgehend über eine kaufmännische Buchführung, worauf nachstehend unter lit. c) cc) noch eingegangen wird. Eine erste Bilanz wurde für das Betriebsjahr 1901 / 02 zum 31. 3. 1902 vorgelegt.190 Nach einer Anlaufphase wurden die erwirtschafteten Überschüsse an die Stadtkasse abgeführt. 1914 betrug dieser Überschuß noch bescheidene 7.509 Mark, im Jahr 1918 jedoch immerhin – unter Berücksichtigung der Inflation – schon 186 Regulativ des Wasserwerkes abgedruckt mit Übernahmevermerk in: Vorschriftensammlung 1911, II. Die Betriebe und Anstalten der Stadt Lüdenscheid, S. 13. 187 Staudinger / Kober, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Einführungsgesetze, 7. / 8. Aufl. (1912), II. Bd., Teil 1, S. 560 und 568 zu § 433 BGB. 188 STA Lüdenscheid A 395, Verw.Ber. v. 1. 4. 1901 bis 31. 3. 1902, S. 18 für den Zeitraum 1901 / 02. Ein Überblick über die Fördermengen der einzelnen Jahre von 1901 bis 1957 ist bei Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 38 f., verzeichnet. 189 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. v. 1. 4. 1914 bis 31. 3. 1925, S. 49. 190 STA Lüdenscheid A 395, Verw.Ber. v. 1. 4. 1901 bis 31. 3. 1902, S. 18.

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64.039 Mark.191 Der Preis für die Wasserlieferung ist mit 25 Pfennig / cbm von 1901 bis 1916 stabil geblieben.192 Zu den erwirtschafteten Überschüssen kann festgestellt werden, daß sie nicht auf Preiserhöhungen des städtischen Wasserwerkes, sondern auf der Steigerung der Wasserabgabe, dem Ausbau des Leitungsnetzes und der höheren Effizienz der Wasserwerksanlagen beruhten. Die Überschüsse waren ein erwünschter Nebeneffekt der Gewährleistung einer sicheren Versorgungslage durch einen städtischen Betrieb. Eine Gewerbesteuerabführung des Wasserwerkes ist aus den Haushaltsplänen bis 1919 nicht zu belegen, da die Kommunen gem. § 3 Nr. 4 b) des Gewerbesteuergesetzes vom 24. 6. 1891193 von der Zahlung von Gewerbesteuern für Wasserwerke als gewerbliche Unternehmen befreit waren.194 Das städtische Wasserwerk als Betrieb der Stadt Lüdenscheid ist daher insgesamt nach seiner Übernahme durch Kauf nicht als öffentliche Anstalt, sondern als eine aus der Verwaltung unausgegliederte gewerbliche Unternehmung – auch Regiebetrieb genannt – geführt worden.195

c) Das städtische Gaswerk Das Gaswerk fiel im Jahr 1916 an die Stadt Lüdenscheid, nachdem der „Neue Gasvertrag“ aus dem Jahr 1887 als Konzessionsvertrag abgelaufen war. Die Organisationsform wird wie beim Wasserwerk anhand der Abgrenzungskriterien ermittelt. aa) Rechtsgrundlage Da bereits im Konzessionsvertrag von 1887 der Heimfall der Anlage an die Stadt und damit in das städtische Vermögen vorgesehen war, mußte ein besonderer Ratsbeschluß nicht herbeigeführt werden. Die Stadtverordnetenversammlung hatte seinerzeit dem Vertrag seinem ganzen Inhalt nach zugestimmt. Dazu gehörte auch der Betrieb des Gaswerkes durch die Stadt infolge der Übernahme. Ein neuer Beschluß war also insofern nicht erforderlich, als diese Absicht nach wie vor bestand. Auch Investitionsentscheidungen etc. brauchten für den Heimfall selbst noch nicht getroffen zu werden. Der Abschluß der für die Übernahme erforderlichen Rechtsgeschäfte war daher zunächst Sache der laufenden Verwaltung, die vom Magistrat STA Lüd. A 408, Verw.Ber. v. 1. 4. 1914 bis 31. 3. 1925, S. 49. STA Lüdenscheid A 395, Verw.Ber. v. 1. 4. 1901 bis 31. 3. 1902, S. 21; STA Lüdenscheid Sammlung Dokumente zur Stadtgeschichte, Stadtwerke Lüdenscheid, Rechnung des Städtischen Wasserwerkes erstes Quartal 1916 für das Grundstück der Kath. Kirchengemeinde Gartenstr. 52. 193 PreußGS. S. 205. 194 STA Lüd. A 438. 195 Für die Leistung des städtischen Werkes muß auf die Darstellung im Schrifttum verwiesen werden. Vgl. Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 35 ff. 191 192

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und der zuständigen Kommission zu erledigen war. Seit Mai 1910 nahm die Wasserkommission auch die Beaufsichtigung der das Gaswerk betreffenden Angelegenheiten wahr. Die Gas- und Wasserkommission hatte allerdings einen eigenen Haushaltsplan für das städtische Gaswerk im Jahr 1916 aufgestellt, der der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlußfassung vorgelegt wurde.196 Eine besondere Rechtsgrundlage für die Organisationsform des Gaswerkes ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Das Gaswerk wurde mit dem Heimfall in die städtische Verwaltung eingegliedert. Der Direktor des Wasserwerkes hatte dazu die Vorarbeiten geleistet und ihm wurde als Beamten auch die Leitung des Gaswerkes anvertraut. Die von der Kölner Gesellschaft für Gas und Elektrizität übernommene Anlage bestand aus dem Gaswerk, dem Rohrnetz, dem Zubehör und den Vorräten. Zum Gaswerk gehörten die Gaserzeugungsanlage mit zwei Gasbehältern und das Fabrik- / Verwaltungsgebäude im Rahmedetal / Lennestraße. Als Zubehör standen die Straßenlaternen und Gaszähler zu Buche. Die Vorräte bestanden aus Kohle und anderen Betriebsmitteln. Das Rohrnetz hatte eine Länge von ca. 40 Kilometern.197 Das Personal des Gaswerkes wurde in den städtischen Dienst übernommen. Bei der Organisationsform bestand eine Parallele zum Betrieb des Wasserwerkes. Das Gaswerk wurde gemeinschaftlich mit dem Wasserwerk als städtischer Betrieb geführt. Es unterstand als Unterabteilung der Abteilung I des Magistrates. Auch hier kamen im verwaltungsinternen Bereich die allgemeinen Verwaltungsvorschriften – insbesondere die bestehenden Dienstanweisungen der Stadtverwaltung – zur Anwendung. Die Willensbildung erfolgte ebenfalls durch die städtischen Organe, soweit im Einzelfall keine Delegation an den Direktor vorlag. Der von den Organen, Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, gefaßte Beschluß wurde von den verantwortlichen Magistratsmitgliedern umgesetzt und von der Betriebsleitung zur Ausführung gebracht. Die Gas- und Wasserkommission war auch mit der Beaufsichtigung des Gaswerkes beauftragt und wirkte bei den laufenden Angelegenheiten und Geschäften mit. bb) Rechtsverhältnis zum Abnehmer Ein Anschluß- und Benutzungszwang an die Gasleitung bestand nicht. Eine besondere -polizeiliche- Gemeindeanstalt lag damit nicht vor. Den bereits zitierten Ausführungen des Stadtverordneten Nolte in der Haushaltsplanberatung 1916 / 1917 der Stadtverordnetensitzung vom 26. 2. 1916 zur bevorstehenden Übernahme des Gaswerkes ist zu entnehmen, daß ein hohes Interesse an den zu erwartenden Überschüssen des Gaswerkes bestand.198 In der Rede vor der Stadtverordnetenversammlung kam auch das Wohl der Stadt durch die bevorstehende Übernahme 196 Lüdenscheider Generalanzeiger vom 29. 2. 1916, der einen Bericht des Ratsherrn Nolte zum vorgelegten Haushaltsplan enthielt. 197 Ebenda. 198 Ebenda.

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zum Ausdruck. Das Interesse an einer bequemen und gewinnversprechenden Energieversorgung durch einen im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Betrieb allein stellt jedoch noch keinen öffentlichen Zweck im Sinne der Abgrenzungskriterien des Anstaltsbegriffes dar. Es muß auch bezweifelt werden, daß die Stadt jedem Einwohner Gas liefern wollte und dazu technisch und wirtschaftlich in der Lage war. Bei einer öffentlichen Gemeindeanstalt hätte jedoch jeder Einwohner einen Rechtsanspruch auf den Anschluß geltend machen können. Ein öffentliches Interesse an der Gasversorgung besteht danach wohl nur für die öffentliche Beleuchtung der Straßen, die 1916 mit ca. 500 Laternen angegeben wurde.199 Die Verträge über die Gaslieferung an die Abnehmer wurden soweit ersichtlich von der Stadt übernommen und auf Basis der letzten Lieferbedingungen fortgesetzt. Die Gas- und Wasserkommission hatte nach dem Bericht des Stadtverordneten Nolte beschlossen, die Verträge der Gasabnehmer bis zum 1. 10. 1916 zu verlängern, wenn diese ihre Verträge der Gas- und Wasserwerksverwaltung zur Registrierung einreichten.200 Damit sollte einerseits für Kontinuität während des Heimfalls gesorgt werden, andererseits sollte die Gas- und Wasserwerksverwaltung einen genauen Überblick über die Verträge mit den Abnehmern – insbesondere über die vereinbarten Lieferungsentgelte – erhalten. Die Verträge sollten anschließend vereinheitlicht und neue Tarife festgesetzt werden. Von der AG für Gas und Elektrizität zu Köln waren der Stadt keine Vertragsakten zur Verfügung gestellt worden. Diese pflegte seinerzeit die Lieferbedingungen für Gas auf der Rückseite ihrer Rechnungen abzudrucken.201 Neben einer Zahl technischer Regelungen war das Ablesen des Verbrauches, die Art und Weise der Zahlung des Entgelts für den Gasverbrauch und ein Haftungsausschluß für Versorgungsunterbrechungen vereinbart. Für die Gasmesser in den Gebäuden wurde eine monatliche Miete erhoben. Der Liefervertrag über Gas war privatrechtlicher Natur. Ebenso wie bei der Wasserlieferung handelte es sich nach zeitgenössischer Ansicht um eine verbrauchbare Sache, auf die das Kaufrecht gem. §§ 433 ff. BGB anzuwenden war.202 Daran hat sich im wesentlichen bis heute nichts geändert, wenngleich ein Teil der Literatur unter Hinweis auf die Pflicht des Energieversorgungsunternehmens zur ständigen Leistungsbereithaltung und den damit verbundenen technischen Dienstleistungen ein Dauerschuldverhältnis eigener Art annimmt.203 Die Rechtsprechung hat den Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 17. Lüdenscheider Generalanzeiger vom 29. 2. 1916, der einen Bericht des Ratsherrn Nolte zum vorgelegten Haushaltsplan enthielt. 201 STA Lüdenscheid Sammlung Dokumente zur Stadtgeschichte, Stadtwerke Lüdenscheid, Rechnung des Gaswerkes für die Katholische Kirchengemeinde an der Sauerfelder Str. vom 1. 10. 1913. 202 Staudinger / Kober, 7. / 8. Aufl., II. Bd., 1. Teil, S. 560; RGRK / Kiehl, 1. Aufl., 1. Bd., Nr. 2 zu § 433, S. 342. 203 Büdenbender, Rn. 848; Evers, Das Recht der Energieversorgung, 1. Aufl. (1974), S. 118; Brügelmann / Ludwig, Kommunale Versorgungswirtschaft, in: HkWP, Bd. 3 (1959), S. 697. 199 200

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Energieversorgungsvertrag bereits früh als Kaufvertrag oder jedenfalls kaufähnlichen Vertrag angesehen.204

cc) Leistung und Rechnungslegung Im Jahr 1916 wurden 1.385.830 cbm Gas mit den Öfen des Gaswerkes erzeugt. 1919 waren es nur 1.312.440 cbm Gas. Der Kohlenmangel der Kriegsjahre machte sich also deutlich bemerkbar, obwohl die Zahl der Gasanschlüsse von 2.253 im Jahr 1916 auf 2.713 im Jahr 1919 stieg. Die Gaslieferung an die Abnehmer erfolgte 1916 zum Preis von 16 Pf. / cbm und blieb damit unverändert. An Überschüssen wurden im Jahr 1916 6.900 Mark und zuletzt im Jahr 1918 131.605 Mark an die Stadtkasse abgeführt. Die Buchhaltung des Gaswerkes wurde mit der des Wasserwerkes zusammen geführt.205 Die Gehälter wurden zum Beispiel zunächst beim Wasserwerk verbucht und nachher zu 1 / 3 dem Wasserwerk angerechnet. Die Zinsen und Tilgungsraten für Investitionsdarlehen wurden direkt von der Stadtkasse gezahlt. Die Buchhaltung der Werke entnahm die Zahlen lediglich dem städtischen Haushaltsplan. Für die der Stadt vorab übergebenen Gelder wurden ihr nach summarischer Berechnung Zinsen aufgerechnet. Zum Jahresschluss wurden die Beträge an Hand eines Kontroll- und Ablieferungsbuches mit der Stadtkasse abgestimmt. Der Direktor des Gas- und Wasserwerkes stellte am Jahresschluss eine kaufmännische Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung an Hand der Ein- und Ausgaberechnung auf.206 Das städtische Gaswerk wurde 1916 durch Heimfall direkt in die städtische Verwaltung eingegliedert und als städtischer Betrieb weitergeführt. Es handelte sich um ein gewerbliches Unternehmen der Stadt, das als „Regiebetrieb“ Versorgungsleistungen für die Einwohner erbrachte.

d) Das städtische Elektrizitätswerk Zuletzt ist die Abgrenzung beim städtischen Elektrizitätswerk vorzunehmen, wobei im Unterschied zum Gas- und Wasserwerk keine privatwirtschaftlichen Vorgesellschaften bestanden haben. Eine Betriebsstruktur mußte also von der Stadt erst entwickelt werden. Dabei war von Bedeutung, daß der Stromlieferant ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen war, an dem die Stadt selbst beteiligt war.

RGZ 56, 403 (410); 67, 229 (233). STA Lüd. A 1847, Gutachten der Deutschen Revision Treuhand AG vom 9. 9. 1922: Vereinfachung (Zusammenlegung) der städtischen Betriebe. 206 Zur Kritik an der eingerichteten Buchhaltung vgl. ebenda, Gutachten der Deutschen Revision Treuhand AG vom 9. 9. 1922, S. 13 und 18. 204 205

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aa) Rechtsgrundlage Als Rechtsgrundlage für das städtische Elektrizitätswerk sind die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung über die grundsätzliche Anlegung eines Elektrizitätswerkes vom 28. 7. 1905, die Ausführung der erforderlichen Bestellungen für das städtische Elektrizitätswerk vom 11. 06. 1907 und die Bedingungen der Lieferungen von elektrischem Strom aus dem Leitungsnetz der Stadt Lüdenscheid vom 16. 6. 1908207 anzusehen. Eine Satzung wurde für das städtische Werk und die Benutzung der Elektrizität darüber hinaus nicht erlassen. Eine ausdrückliche Widmung des Elektrizitätswerkes erfolgte nicht. Für die öffentliche Beleuchtung ist auf die Feststellungen zur Gasbeleuchtung hinzuweisen.208 Zum Vermögensbestand des Elektrizitätswerkes gehörte das Verwaltungsgebäude, in dem später auch die Wasserwerksverwaltung untergebracht war. Da die Elektrizitätserzeugungszentrale außerhalb der Stadt lag, kamen als Anlagenteile nur das Umspannwerk am Verwaltungsgebäude und die Transformatorensäulen in der Stadt in Betracht. Bis 1919 wurden 10,8 Kilometer Hochspannungskabel und 31,2 Kilometer Niederspannungskabel in der Stadt verlegt. Das Elektrizitätswerk hatte einen Beamten als Direktor und neun Dauerangestellte, deren Zahl sich bis 1920 auf 8 verringerte. Im Elektrizitätswerk wurden jedoch zusätzlich sieben Hilfsangestellte beschäftigt.209 bb) Rechtsverhältnis zum Abnehmer Ein Anschluß- und Benutzungszwang an das Stromnetz bestand nicht. Der Elektrizitätswerksverwaltung war gemäß § 2 lit. a) der Lieferungsbedingungen für Strom210 in jedem Einzelfall ausdrücklich die Entscheidung vorbehalten, ob mit Rücksicht auf die Ausdehnung des Kabelnetzes der Anschluß eines Neukunden erfolgen sollte.211 Dazu ist festzustellen, daß es keinen selbständigen Anspruch der Einwohner auf Benutzung und Anschluß an das städtische Leitungsnetz gab. Der Bezug elektrischer Energie konnte gemäß § 2 der Lieferbedingungen nur nach schriftlicher Anmeldung auf einem vorgedruckten Fragebogen des Elektrizitätswerkes erfolgen.212 Die Interessenten wurden bereits in einer Bekanntmachung am 31. 8. 1907 über die zum Jahresanfang 1908 beabsichtigte – aber erst im Juni 1908 tatsächlich aufgenommene – Stromversorgung und die Versorgungsentgelte informiert.213 Soweit die Anmeldungen bis zum 15. 9. 1907 vorlagen, übernahm das 207 STA Lüd. A 1858, Beschluß über die Lieferbedingungen des städtischen Elt-Werkes vom 16. 6. 1908, in Kraft getreten am 18. 6. 1908. 208 Vgl. oben Teil II D. II. 3) c) bb). 209 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 19. 210 STA Lüd. A 1858, Lieferbedingungen des städtischen Elt-Werkes vom 18. 6. 1908. 211 Ebenda. 212 STA Lüd. A 1856. 213 STA Lüd. A 1856, Bekanntmachung der Stadt Lüdenscheid vom 31. 8. 1907.

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

städtische Elektrizitätswerk alle Anschlußkosten. Die Lieferbedingungen vom 18. 6. 1908 sahen in § 6 die Lieferung „elektrischen Stroms“ gegen die Zahlung eines Preises für jede Kilowattstunde der Benutzung und in § 7 ein Mietentgelt für den installierten Elektrizitätszähler vor. Die Lieferbedingungen waren besondere inhaltliche Regelungen des Stromlieferungsvertrages und in ihrem Regelungsgehalt den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Unternehmen bzw. den späteren Allgemein verbindlichen Bedingungen der Elektrizitätsversorgung vergleichbar. Nach früherer Ansicht wurde auf Grund der Natur der Elektrizität ein Werkvertrag angenommen.214 Auch heute noch wird von einem Teil der Literatur ein Dauerschuldverhältnis oder Vertrag eigener Art angenommen, da es sich bei Strom nicht um eine bewegliche Sache i. S. des § 433 BGB handle, sondern wegen der mit dem Elektronenfluß zusammenhängenden physikalischen Vorgänge eine technische Dienstleistung vom Energieversorger zu erbringen sei.215 Auf den Stromlieferungsvertrag wird nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung216 und Literatur217 jedoch Kaufvertragsrecht gem. § 433 ff. BGB direkt oder entsprechend angewendet. Festgehalten werden kann, daß zwischen der Stadt Lüdenscheid und den Abnehmern ein Stromlieferungsvertrag mit dem wesentlichen Inhalt der Lieferbedingungen vom 18. 06. 1908 als privatrechtlicher Vertrag zustande kam.

cc) Leistung und Rechnungslegung Das Interesse der Einwohner übertraf die Erwartungen der Stadtverordneten. Bereits im ersten Betriebsjahr waren die installierten 6.000 Kilowatt besetzt und schon im Herbst 1908 mußte ein zusätzliches Aggregat für 5.000 Kilowatt nach einem Bericht des Stadtverordneten Nolte in Auftrag gegeben werden.218 Im Jahr 1908 waren 697 Verbraucher mit Zählern angeschlossen, deren Zahl sich bis 1914 auf rund 6.000 erhöhte und bis 1919 trotz der Kriegswirtschaft weiter anstieg.219 Im gesamten Versorgungsgebiet der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG wurden 1914 rund 11.200 Anschlüsse verzeichnet, von denen auf die benachbarten Städte Hagen (über 100.000 Einwohner) 2.800 Anschlüsse und Iserlohn (ca. 35.000 Einwohner, wie Lüdenscheid auch) 2.400 Anschlüsse entfielen.220 Die Zahl 214 Staudinger / Kober, 7. / 8. Aufl., II. Bd., 1. Teil, S. 1157, Fischerhoff, Zur Rechtsnatur des Stromlieferungsvertrages, in: NJW 1954, S. 1874 (1875). 215 Büdenbender, Rn 844; Evers, 1. Auflage, S. 118; Fischerhoff, S. 1874. Dagegen Sollig, S. 6 ff. 216 RGZ 56, 403 (410); 67, 229 (233). 217 RGRK / Mezger, 12. Aufl., Rn. 10 vor § 433; Staudinger / Köhler, 13. Aufl., II. Buch, Rn. 40 zu § 433; Palandt / Putzo, 56. Aufl., Rn. 4 zu § 433; Brügelmann / Ludwig, Kommunale Versorgungswirtschaft, in: HkWP, 3. Bd., S. 679. 218 Vgl. nachfolgend: Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S 46. 219 Zahl für 1914 aus: STA Lüd. A 1847, Vereinfachung (Zusammenlegung) der städtischen Betriebe. 220 Ebenda.

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der abgegebenen Kilowattstunden stieg von ca. 20.000 im Jahr 1908 auf 1.996.762 im Jahr 1919.221 Die in § 6 der Stromlieferungsbedingungen vom 18. 6. 1908 festgesetzten Tarife blieben bis 1914 konstant. Das Elektrizitätswerk verfügte über eine eigene, im wesentlichen nach dem System der doppelten Buchführung arbeitende Buchhaltung.222 Außerdem waren Einrichtungen – weitere (Neben-)Buchhaltungen nach kameralistischer Methode – vorgesehen, die eine Gruppierung des Stoffes zur Abstimmung mit der städtischen Buchhaltung ermöglichten. Die Buchführungen wurden offenbar bei der Elektrizitätsverwaltung parallel geführt, was zu nicht unerheblichen Buchungsrückständen führte. Der Geldverkehr wurde für Rechnung und im Auftrag der Stadtkasse durchgeführt. Es wurde eine dem Geschäftsjahr – 01. 4. bis 31. 3. des Folgejahres – entsprechender Betriebsbericht angefertigt, der zusammen mit der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und der Kassenabrechnung der Elektrizitätskommission vorgelegt wurde. Diese prüfte die Rechnung und leitete ihr Votum Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zu, die über die Abnahme der Jahresrechnung entschieden.223 Im Geschäftsjahr 1918 / 1919 wurden der Stadtkasse 188.413,09 Mark zugeführt. In der Zeit vor 1917 ist davon auszugehen, daß der Reingewinn reinvestiert wurde. Der Stadtkasse wurden zusätzlich die Dividenden der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG zugeführt, die 1909 zuerst nur 3 %, danach zwischen 6 und 8 % betragen haben.224 Im Jahr 1919 wurde der Stadtkasse eine Dividende von 6 % entsprechend 27.600 Mark überwiesen. Das städtische Elektrizitätswerk ist auf Grund der vorstehend beschriebenen Merkmale ebenfalls als eine unausgegliederte gewerbliche Unternehmung von der Stadt geführt worden.

III. Die Stellung der Versorgungsbetriebe in der städtischen Verwaltung nach der Kommunalisierung Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk besaßen in der städtischen Verwaltung bis 1919 keine verwaltungsrechtlich oder wirtschaftlich relevante Autonomie. Einzig das Rechnungswesen der städtischen Betriebe war an der moderneren kaufmännischen Buchführung orientiert. Es bestand – jedenfalls im Bereich des städtischen Elektrizitätswerkes – eine weitgehend kaufmännische Buchführung, obwohl darin eigentlich nur eine Parallelnotierung für die städtische kameralistische Buchhaltung zu sehen war. Die städtischen Werke verfügten über keine eigenen Kassen, sondern erledigten den Geldverkehr für ihre Zwecke im Auftrag und für Rechnung 221 222

Zahl für 1919 aus: STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 51. STA Lüd. A 1847, Gutachten der Deutschen Treuhand Revision AG vom 9. 9. 1922,

S. 19. 223 224

STA Lüd. A 1856, Jahresrechnungen des Elt-Werkes. FS 25 Jahre Mark, S. 28.

13 Heider

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

der Stadtkasse. Die Geld- und Buchungsoperationen fanden deshalb endgültig erst in der Stadtrechnung ihren Niederschlag.225 Im verwaltungsinternen Ablauf bestanden darüber hinaus keine Regelungen, die eine besondere verwaltungsrechtlich geprägte Strukturierung der Betriebe mit dem Willen des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung darstellten.226 Die Werksverwaltungen wurden durch die jeweilige Kommission beaufsichtigt. Der Vorteil lag in der genaueren Bearbeitung der wirtschaftlichen und technischen Fragestellungen. Für die städtischen Werke wurden jeweils besondere Haushaltspläne für den Zeitraum April bis März des Folgejahres aufgestellt, die der Stadtverordnetenversammlung über die jeweilige Kommission zur Beratung zugingen. Diese Vorbereitung der Entscheidungen ermöglichte eine zügige Behandlung aller Werksangelegenheiten. Auch die Jahresrechnungen wurden durch die Kommissionen beraten, während die Abnahme Magistrat und Stadtverordnetenversammlung oblag. Das Rechtsverhältnis zu den Abnehmern war bei allen städtischen Betrieben privatrechtlich organisiert. Gegen Ende der Kommunalisierungsphase waren von 125 fest angestellten städtischen Beamten / Angestellten 14,4 % im Bereich der Versorgungseinrichtungen tätig. Auf die übrigen städtischen Anstalten und Betriebe entfielen insgesamt 18,4 % des Personals. Die Leistung des Gas- und Wasserwerkes konnte nach der Kommunalisierung gesteigert werden. Besonders gute Ergebnisse erzielte jedoch das städtische Elektrizitätswerk, das von Anfang an kommunal betrieben worden war. Hier zeigt sich deutlich, daß aus den Erfahrungen der Vergangenheit auf dem Gas- und Wassersektor, der frühen interkommunalen Zusammenarbeit und den Effekten einer gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung eine erfolgreiche kommunale Versorgung etabliert werden konnte. Während bei Gas- und Wasserwerk umfangreiche Nachinvestitionen zur, insbesondere qualitativen Leistungssteigerung erforderlich waren, konnte das Elektrizitätswerk das gesetzte Ziel ohne weiteres erfüllen. Die große Nachfrage führte sogar zu einem Ausbau der Kapazität. Die in der Stadt Lüdenscheid im Verwaltungsbericht für 1914 bis 1925227 vorgenommene Unterscheidung von gemeinnützigen Anstalten und Betrieben wird vom Ergebnis der vorstehenden Abgrenzung weitgehend getragen. Die verzeichneten städtischen Betriebe – mit Ausnahme der Sparkasse – waren gewerbliche Unternehmungen. Die Sparkasse unterschied sich von den übrigen Betrieben durch ihr Statut. Sie war gem. § 2 Abs. (1) des Ortsstatuts über die Sparkasse vom 14. 3. 1903228 eine öffentliche Gemeindeanstalt unter Gewährleistung der Stadt Lüdenscheid und wurde gem § 6 Abs. (1) und (3) von einem Städtischen Gemein225 Vgl. dazu das Gutachten der Deutschen Treuhand Revision AG vom 9. 9. 1922 in: STA Lüd. A 1847, S. 19. Zu den Anforderungen an eine formal unabhängige öffentliche Unternehmung Lohmann, S. 114. 226 Ein ausdrücklicher Beschluß der Stadtverordnetenversammlung oder des Magistrats dazu konnte den Quellen nicht entnommen werden. 227 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. für die Zeit v. 1. 4. 1914 bis 31. 3. 1925. 228 Vorschriftensammlung 1911, Die Betriebe und Anstalten der Stadt Lüdenscheid, S. 36 ff.

D. Stadtverwaltung und Versorgungsbetriebe zwischen 1900 und 1919

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debeamten – dem Rendanten – unter Leitung der Sparkassendeputation geführt. In Hinblick auf die im Verwaltungsbericht ebenfalls unter „Städtische Betriebe“ erwähnte Ziegelei ist noch hervorzuheben, daß im Gegensatz zu Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk bei der Ziegelei – ehemals Ziegelwerk Gustav Hahn – die Geschäftsführung privatwirtschaftlich erfolgte. Betriebsleiter war ein angestellter Geschäftsführer und nicht wie bei den Versorgungsbetrieben ein Beamter. Sicherlich ist es nicht zuletzt der Kontinuität in der Amtsführung des Ersten Bürgermeister Dr. Jockusch, dem 1916 die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister verliehen wurde, zu verdanken, daß die mit der Kommunalisierung des Wasserund des Gaswerkes und der Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes zu bestehende unternehmerische Herausforderung für die Stadt durch Eingliederung von Gewerbebetrieben in die städtische Verwaltung verwaltungsorganisatorisch erfolgreich umgesetzt wurde. Die Konzentration der Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrates zwischen 1900 und 1919 weist den Zeitraum als gemeindewirtschaftliche Umstrukturierungsphase aus. Die gesamte leitungsgebundene Versorgung der Einwohner mit Gas, Wasser und Strom wurde in die städtische Verantwortung überführt. Für diese Kommunalisierungsphase ist in rechtlicher Hinsicht hervorzuheben, daß für jedes Versorgungsgut eine andere Art der kommunalen Etablierung zu verzeichnen ist. Das Wasserwerk wurde durch Kaufvertrag erworben, das Gaswerk fiel durch die im Konzessionsvertrag von 1887 angelegte Heimfallklausel an die Stadt und das Elektrizitätswerk war eine kommunale Gründung im Anschluß an die Beteiligung der Stadt Lüdenscheid an einer gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung der Elektrizitätserzeugung und -verteilung. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch beobachtete Zurückhaltung der städtischen Organe gegenüber einer wirtschaftlichen Betätigung der Stadt ist damit einem konsequenten und konzentrierten Auf- und Ausbau der kommunalen Versorgung gewichen. Liberale Ansätze der Honoratiorenverwaltung des 19. Jahrhunderts, die dem Staat wirtschaftlich eine Enthaltsamkeit auferlegten, wurden mit der Erkenntnis verworfen, daß die Interessen der Stadt keine mangelhafte Erfüllung der durch Konzessionsverträge übertragenen Versorgungsaufgaben erlaubten. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, die Hebung der Qualität der Versorgungsgüter Gas und Wasser, das sozial verträgliche Entgelt für alle Versorgungsleistungen und die Erwirtschaftung von Überschüssen waren die Interessen der Stadt bei der Übernahme der Versorgung. Die Erfahrungen mit Gas- und Wasserwerk in privater Hand führten unmittelbar dazu, das Elektrizitätswerk als gewerbliche Unternehmung in städtischer Regie zu gründen. Die anderen Betriebe wurden mit hohen Investitionen erworben bzw. betriebsbereit gemacht und in die Stadtverwaltung als gewerbliche Unternehmung eingegliedert. Lediglich für die öffentliche Beleuchtung durch Gas- und Elektrizität ist noch darauf hinzuweisen, daß es sich bei diesen Teilleistungen der Betriebe um eine öffentliche Anstalt der Stadt handelte. Die gewerblichen Unternehmungen der Stadt – oder in Verwendung der Bezeichnung des Lüdenscheider Verwaltungsberichtes, die städtischen 13*

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Teil II: Die Kommunalisierungsphase

Betriebe – stellten eine direkte Beziehung zwischen der Behörde als leistender Verwaltungseinheit der Korporation und den Bürgern als Leistungsempfängern her. Dieses Element wird als besonderes Kennzeichen der Leistungsverwaltung angesehen, das in der Konzessionierungsphase nicht zur Ausbildung gelangt war. Die Kommunalisierung des Wasser- und Gaswerkes und die Gründung des kommunalen Elektrizitätswerkes hat der Leistungsverwaltung in der Stadt Lüdenscheid damit zu einer entscheidenden Prägung verholfen.

Teil III

Die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft zwischen 1920 und 1945 Zur Abgrenzung des auf die Kommunalisierung in Lüdenscheid folgenden Zeitabschnitts bieten sich die Ausweitung der kommunalen Aktivitäten auf dem regionalen und überregionalen Versorgungssektor und die staatlichen Maßnahmen in der Versorgungswirtschaft an. Die in Betracht kommenden Entwicklungen mit Einfluß auf die Versorgungseinrichtungen der Stadt Lüdenscheid nach 1920 können der Phase der Verbundwirtschaft zugerechnet werden. Allgemein ist damit zunächst ein System bezeichnet worden, das eine Vielzahl von Abnehmern mit einer – zentralen – oder mehreren Erzeugungseinheiten im Interesse der wirtschaftlichen Betriebsführung über ein Leitungsnetz verbindet. Diese Beschreibung wird jedoch weder der technischen Entwicklung und wirtschaftlichen Ausnutzung der Versorgungsgüter, noch der für die Organisation verwendeten vertraglichen Instrumente gerecht. Es hängt wesentlich von den der Verbundwirtschaft zugedachten Aufgaben und Funktionen selbst ab, wann eine Verbundwirtschaft besteht und zeitlich als solche einzuordnen ist. Die historisch begründete Abgrenzung der lokalen, regionalen und überregionalen Versorgungsebene ist allgemein anerkannt. Sie weist für Elektrizität, Gas und Wasser unterschiedliche Ordnungs-, Vertrags- und Beteiligungssysteme auf. Darüber hinaus ist heute die Energiewirtschaft in Deutschland seit Ínkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts am 29. 4. 19981 wettbewerblich organisiert.2 Um historisch einen bestimmten Zeitpunkt der Aktivitäten als Eintritt in eine Verbundwirtschaftsphase für die Stadt Lüdenscheid zu kennzeichnen, ist daher zunächst eine Eingrenzung erforderlich. Kennzeichen des Verbundes ist nicht allein die Entfernung vom Ort der Erzeugung zum Verbraucher. In den Zeiten der frühen „Fernversorgung“ – etwa geprägt durch den alten Begriff der Überlandzentrale – hatte dies abstrakt noch eine gewisse Berechtigung, da die Versorgungsgüter am Verbrauchsort nicht erzeugt bzw. Wassermengen nicht gewonnen werden konnten oder dies unwirtschaftlich war. BGBl. I 1998, 730. Vgl. dazu etwa Cronenberg, Das neue Energiewirtschaftsrecht, RdE 1998, S. 85 ff.; Baur, Die Rolle der kommunalen Energieversorger, in: Materialien zur Raumentwicklung, H. 68, S. 31 ff., Herrmann / Dick, Die Kundenbündelung und ihre Bedeutung für das Energieund Konzessionsabgabenrecht, BB 2000, S. 885 ff. 1 2

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

Die Untersuchung der einzelnen Versorgungsgüter in der Stadt Lüdenscheid bedarf daher der Differenzierung nach Größe und Typ des Verbundsystems. Die juristische Erfassung eines Verbundsystems ist dann in erster Linie von den technisch / wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt. Die Erzeugung und die Verteilung der Versorgungsgüter in technischer Hinsicht sowie ihr Bezug und ihre Lieferung in eigene – oder auch fremde – Versorgungsgebiete sind in wirtschaftlicher Hinsicht weitere Abgrenzungskriterien. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Teilen der Untersuchung steht die Verbundwirtschaft als Begriff nicht ausschließlich für eine Änderung der Rechts- und Organisationsform auf lokaler Ebene, sondern charakterisiert einen Zeitabschnitt, der die überregionale Bewirtschaftung der Versorgungsgüter – die Versorgungspolitik – betrifft. Um einen Bezug zur kommunalen Leistungsverwaltung der Stadt Lüdenscheid herzustellen, sind die vornehmlich in der Provinz Westfalen und Westdeutschland politisch oder wirtschaftlich relevanten Maßnahmen auf dem Gebiet der Versorgungswirtschaft bis 1945 zu untersuchen. Die stetig zunehmende Vervollkommnung der Technik und der wachsende Bedarf der Versorgungsgüter förderte die sich schon vor dem ersten Weltkrieg zeigende Notwendigkeit der interkommunalen Zusammenarbeit. Der Erfolg der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft war ein erstes Beispiel dafür. Das Ende des Krieges und der Kriegswirtschaft schaffte dabei für die Energieversorgungsunternehmen den Raum für eine Weiterentwicklung der Versorgungswirtschaft. Die Kriegsauswirkungen auf die Volkswirtschaft hatten sich allgemein durch die Roh- und Brennstoffknappheit bemerkbar gemacht. Die Ansprüche der Rüstungsindustrie und die Nahrungsmittelversorgung standen während der Kriege vorrangig im staatlichen Interesse. Die Ruhrbesetzung von 1923 und die zu leistenden Reparationen stellten Staat und Versorgungsunternehmen zu Beginn der Phase vor neue Engpässe und damit vor eine neue Herausforderung. Die Phase der Verbundwirtschaft muß aus Sicht der Stadt Lüdenscheid im Jahr 1920 angesetzt werden. Nachdem die Lüdenscheider Stadtverordnetenversammlung am 5. 6. 1919 die Einrichtung eines gemischten Gas-, Wasser- und Elektrizitätsausschusses beschlossen hatte, war der Kommunalisierungsprozeß selbst beendet, so daß zum einen schon in der Neustrukturierung der alten Ausschüsse eine Zäsur liegt. Die Gründung des Kommunalen Elektrizitäts-Verbandes Westfalen-Rheinland am 8. 10. 1920 unter Beteiligung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG ist dann als der erste Versuch der Etablierung einer überregionalen elektrizitätswirtschaftlichen Dachorganisation anzusehen, den die Stadt Lüdenscheid als Aktionärin der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG mitgetragen hat. In einem ersten Schritt wird die Entwicklung der Verbundwirtschaft in den Bereichen Elektrizität (A.), Wasser (B.) und Gas (C.) während der Weimarer Republik nachgezeichnet und auf Auswirkungen auf die städtische Verwaltung untersucht. Der Einschnitt der nationalsozialistischen Machtergreifung und die Gleichschaltung der Wirtschaft brachte für alle Versorgungsbereiche Veränderungen, deren Auswirkungen in einem besonderen Abschnitt für den Zeitraum von 1933 – 1945 (D.) zu schildern sind.

A. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG

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A. Die Beteiligung der Stadt Lüdenscheid an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG und die Entwicklung eines Elektrizitätsverbundes Zur vorstehenden Annahme des Eintrittszeitpunkts in die Verbundwirtschaftsphase im Jahr 1920 gelangt man nur, wenn unter der Verbundwirtschaft ein Großraumverbund mit Stromlieferungs- und Stromaustauschverträgen sowie der Demarkation der Versorgungsgebiete mehrerer Verbundpartner verstanden wird. Hierzu bedarf der Begriff der Verbundwirtschaft weiterer Präzisierung.

I. Parallelverbund – Verbundbetrieb – Verbundwirtschaft Ursprünglich bedeutete der Verbund die gegenseitige Aushilfe von Elektrizitätskraftwerken bei Störfällen.3 Erst danach wurde der Begriff für die Austauschbeziehungen größerer und in ihren Strukturen verschiedener Versorgungsgebiete zur bestmöglichen Auslastung der Kraftwerkskapazitäten verwendet. Der eigentliche Verbundbetrieb war dabei in technischer Hinsicht gegeben, wenn zwei oder mehr Stromquellen mit verschiedenen Eigenschaften miteinander verbunden waren, so daß eine anstelle der anderen oder zu deren Ergänzung eingesetzt werden konnte.4 Ob der Verbund schon beim Einsatz zweier Stromquellen in einem Kraftwerk besteht, ist zweifelhaft. Die Abgrenzung wird präziser, wenn es sich um die Stromquellen zweier Kraftwerke handelt oder sogar um die verbundenen Netze verschiedener Unternehmen mit ihren Kraftwerken, so daß ein Verbundbetrieb geführt werden kann. Der Grad, in dem die Möglichkeiten verschiedener Stromquellen wirtschaftlich ausgenutzt werden, führt zur Einstufung in den Parallelbetrieb, den Verbundbetrieb oder die Verbundwirtschaft.5 Der Parallelbetrieb erfordert Vereinbarungen über das Ausmaß der Stromlieferungen und die betriebliche Handhabung der Zusammenarbeit. Die zweite Stufe – der Verbundbetrieb – bezweckt einen weitgehenden Ausgleich der verschiedenartigen Verbrauchsanforderungen in den Netzen, so daß die gemeinsame Belastungsspitze mit dem geringstmöglichen Aufwand abgedeckt werden kann. Die Verbundwirtschaft als dritte Stufe sieht gemeinsame Planung und Investitionen auf einer festen Organisationsgrundlage vor, wobei Vereinbarungen über den gemeinschaftlichen Bau und Betrieb von Kraftwerken und Leitungsnetzen vorliegen. Die Maßnahmen der Verbundwirtschaft werden über Verbundverträge der Energieversorgungsunternehmen koordiniert. Dabei han3 Herzig, Wirtschaftsgeschichtliche Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung 1880 bis 1990, in: Die Geschichte der deutschen Stromversorgung, S. 130. 4 Boll, Entstehung und Entwicklung des Verbundbetriebes in der deutschen Elektrizitätswirtschaft bis zum europäischen Verbund, S. 14. 5 Boll, S. 14; Fleischer, Die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Entwicklung vom Parallelbetrieb über den Verbundbetrieb zur Verbundwirtschaft, in: BrennstoffWärme-Kraft 9 / 1958, S. 420; Stuber, S. 22.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

delt es sich um Vereinbarungen über die gegenseitige Belieferung in Spitzenzeiten und über Reservestellungen für Störfälle oder Reparaturzeiten.6 Besonderer Berücksichtigung bedarf daneben noch die sogenannte „interkommunale Zusammenarbeit“. Darunter ist ein abgestimmtes Verhalten der Städte und Gemeinden zu verstehen, das der überörtlichen Bedarfsdeckung und Aufgabenbewältigung dient. Die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG ist auf der Grundlage gemeinsamer kommunaler Interessen gegründet worden und führte zunächst zur zentralen Stromerzeugung in einem Kraftwerk. Die interkommunale Zusammenarbeit bestand in der Gründung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG, während die Führung des Unternehmens in einer Verbundwirtschaft eine Facette ihrer Geschäftspolitik ist. Bei der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG handelt es sich zwar um ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen. Die Aktienmehrheit der kommunalen Aktionäre öffnet die Aktivitäten des Unternehmens jedoch zugleich auch der interkommunalen Zusammenarbeit.

II. Die Grundlagen der Verbundorientierung Lüdenscheid war seit Gründung des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens mit Aktien in Höhe von 500.000 Mark einer der größten Aktionäre der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG. Die Inflation der Nachkriegsjahre sowie die Ausgaben für die Erweiterung der Leitungsanlagen veranlaßten die Generalversammlung mehrfach zu einer Erhöhung des Aktienkapitals. Das Kapitalvolumen wurde so von 4,8 Millionen Mark im Jahr 1920 auf 228,8 Millionen Mark im Jahr 1923 gesteigert. In der Goldmark-Eröffnungsbilanz wurde das Aktienkapital im Verhältnis von 20 : 1 auf 11,44 Millionen Reichsmark umgestellt.7 1925 erhöhte die Generalversammlung das Aktienkapital auf 12 Millionen Reichsmark. Unter Berücksichtigung der infolge des Umgemeindungsgesetzes vom 29. 7. 1929 eingetretenen territorialen Veränderungen entfielen auf die Stadt Lüdenscheid nunmehr Aktien in Höhe von 1.012.000 Reichsmark. Nach der Stadt Hagen – dem mit 4.344.000 Reichsmark größten Aktionär – gehörte die Stadt Lüdenscheid mit Iserlohn und der privaten Akkumulatorenfabrik AG Hagen / Berlin zu den vier größten der insgesamt 25 Aktionäre, die zusammen 61,5 % des Aktienkapitals der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG hielten. Der Ratsherr Carl Steinweg vertrat neben dem Oberbürgermeister bis 1914 die Stadt Lüdenscheid im Aufsichtsrat der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG. Nach seinem Ausscheiden wählte der Magistrat der Stadt Lüdenscheid den Stadtverordneten Georg Nolte als Nachfolger, der sich schon bei der Übernahme des Gaswerkes einen Namen gemacht hatte.8 6 7 8

Brügelmann / Ludwig, Kommunale Versorgungswirtschaft, in: HKWP, Bd. 3, S. 664. Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG-Geschäftsbericht 1924, S. 13. Strodel, S. 289.

A. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG

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Bei der Suche nach Ansatzpunkten einer gemeindewirtschaftlichen Weiterentwicklung im Bereich der Elektrizitätswirtschaft stellen sich im wesentlichen drei Fragen. War der erreichte Stand der Versorgung in der Stadt Lüdenscheid ausreichend? Welche Interessen hatte die Stadt Lüdenscheid an der Einbindung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG in ein Verbundnetz? Welchen wirtschaftlichen Risiken sollte dadurch begegnet werden? Der Versuch einer Antwort auf diese Fragen geht von einer Betrachtung der Kriegsfolgen des ersten Weltkrieges und der Entwicklung der Elektrizitätswirtschaft aus.

1. Folgen der Kriegswirtschaft Im ersten Kriegsmonat ging die Stromabnahme schlagartig zurück, da die Mobilmachung das Verkehrswesen lähmte und die einheimischen Fabriken nur die notwendigsten Arbeiten ausführten.9 Die Nachfrage für die Elektrizität als Beleuchtung hielt jedoch weiter an, da großer Mangel an Petroleum und Kerzen bestand. Die Kriegsproduktion der Industrie beanspruchte die Elektrizitätserzeugung und -lieferung dann stark. Die Elektrizitätserzeugung war dabei durch eine qualitativ und quantitativ mangelhafte Kohleversorgung behindert.10 Darüber hinaus bestand Mangel an qualifizierten Arbeitskräften durch die Mobilmachung sowie durch staatliche Eingriffe in die Materialwirtschaft. Die Knappheit an Personal und Mitteln bewirkte den Aufschub wichtiger Arbeiten am Leitungsnetz. Zur Drosselung des allgemeinen Stromkonsums wurde die Bevölkerung aufgefordert, eine Mindesteinschränkung von 20 % vorzunehmen. Da der Aufforderung keine Folge geleistet wurde, war die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG wiederholt genötigt, die Stromzufuhr stundenweise zu beschränken oder an einigen Tagen sogar ganz zu unterbrechen.11 Auch nach Kriegsschluß mußten weitere Einsparungen vorgenommen werden. Im April 1919 wurde der Stromverbrauch der gewerblichen Abnehmer auf eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden reduziert. Im Oktober desselben Jahres schrieb den Betrieben ein Notbetriebsplan des Elektrizitätswerkes die genauen Stromentnahmezeiten vor. Der Kohlenmangel der Nachkriegsjahre wurde in erster Linie durch Reparationsleistungen verursacht und gipfelte in der Ruhrbesetzung 1923. Die Kraftwerke mußten deswegen vorübergehend still gelegt werden. Das Elektrizitätswerk Herdecke lag im besetzten Gebiet und durfte keine Stromversorgung für das nicht besetzte Gebiet leisten. Auch wenn teure Importkohle beschafft werden konnte, gab es große Transportprobleme, weil Lastkraftwagen die Eisenbahn ersetzen mußten.12 Trotz der starken Einschränkungen konnte die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG immer noch auf eine insgesamt günstige Entwicklung zurückblicken: FS 50 Jahre Elektromark, S. 59. STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 50; FS 50 Jahre Elektromark, S. 61. 11 Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 47. 12 Vgl. Bürger, S. 60. 9

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

„Mit dem Stand vom 1. 4. 1914 verglichen war während der Kriegs- und Nachkriegsjahre eine wesentliche Steigerung in den Anforderungen an das Elektrizitätswerk eingetreten, die von 1914 bis 1920 im Anschlußwert 63 %, im Strombezug 62 %, in der Stromabgabe 66 % und in der maximal auftretenden Belastung 58 % betrug.“13

Die Steigerungen waren möglich, weil zu Beginn des Krieges noch entsprechende Reserven vorgehalten wurden, die aus dem 1912 neu gebauten Kraftwerk in Elverlingsen und dem Dampf- / Wasserkraftwerk Siesel der Lenne-Elektrizitätsund Industriewerke AG, mit denen ein Stromlieferungsvertrag bestand, resultierten. Die Stromerzeugung hatte im Krisenjahr 1919 zwar ihren stärksten Einbruch mit einem Rückgang von 106.561.300 kWh auf 87.374.820 kWh erreicht, stieg dann aber 1920 wieder sprungartig an, um 1923 im Jahr der Ruhrbesetzung wieder zeitweilig abzusinken.14 Die dann folgende Aufwärtsbewegung wurde erst wieder von der Weltwirtschaftskrise der Jahre 1930 – 1932 unterbrochen. Nach dem Krieg wurde die Arbeitskraft noch mehr als zuvor durch Maschinenkraft unter Verwendung des elektrischen Antriebes ersetzt; und weitere ländliche Bezirke waren in der Zwischenzeit mit dem Wunsch an die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG herangetreten, die Stromversorgung auszubauen.15

2. Die Verschmelzung der Lenne-Elektrizitäts- und Industriewerke AG auf die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG Die Lenne- Elektrizitäts- und Industriewerke AG versorgte neben der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG den restlichen Teil des Kreises Altena mit Elektrizität. Die insgesamt als ungünstig beurteilten finanziellen und technischen Betriebsverhältnisse ließen die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG die eingehenden Übernahmeofferten zunächst ablehnen, und es kam im Jahr 1910 zunächst nur ein Stromlieferungsvertrag sowie ein Demarkationsvertrag zustande. Bereits im Mai 1912 konnte die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG jedoch von den Eigentümern der Lennewerke die Aktienmehrheit übernehmen. Damit suchte man eine im Interesse höchster Wirtschaftlichkeit erstrebenswerte Abrundung des Versorgungsgebietes zu erreichen. Nachdem die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG entscheidenden Einfluß auf die Lennewerke gewonnen hatte, konnte dieses Unternehmen im Geschäftsjahr 1916 / 1917 erstmals nach acht Jahren wieder eine Dividende in Höhe von 4 % zahlen. In einem von den Generalversammlungen beider Unternehmen genehmigten Verschmelzungsvertrag wurde schließlich die Fusion von den Aufsichtsräten beider Werke dahingehend beschlossen, daß mit Wirkung vom 31. 12. 1921 das Gesellschaftsvermögen der Lennewerke mit allen Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG-Geschäftsbericht 1920, S. 10. Bürger, Tabelle S. 63. Vgl. dazu auch die Grafik zur Gesamtstrombeschaffung in: FS 50 Jahre Elektromark, S. 65 und S. 71. 15 Fischer, 10 Nachkriegsjahre westdeutsche Elektrizitäzswirtschaft, S. 36; Horstmann, Der Strom geht in die Region, in: FS 100 Jahre technischer Fortschritt, S. 100 ff. 13 14

A. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG

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Mobilien und Immobilien, Rechten und Pflichten, Schulden und Forderungen auf die Mark überging.16 Die Übernahme der Aktienmehrheit der Lennewerke bildete 1912 damit den Ausgangspunkt für eine Vernetzung im südöstlichen Versorgungsgebiet der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG in den folgenden Jahrzehnten.17 Die Fusion der Unternehmen bedeutete noch keine Verbundwirtschaft, da es an der überregionalen Ausweitung fehlte. Die Arrondierung des Versorgungsgebietes der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG muß jedoch als Grundlage für die Weiterentwicklung angesehen werden.

III. Die Verbundwirtschaft in der Weimarer Republik und die Interessen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG Die Reichsregierung unter Scheidemann hatte in ihrem Aufruf an die Bevölkerung im Zusammenhang mit den rätedemokratischen Nachkriegsbestrebungen angekündigt, „ . . . die Fabrik auf demokratischer Grundlage. . .“ schaffen zu wollen in Verbindung mit der „. . .Sozialisierung der Wirtschaftszweige, die sich, wie vor allem Bergwerke und Erzeugung von Energie, zur Übernahme in öffentliche und gemischtwirtschaftliche Bewirtschaftung eignen oder der öffentlichen Kontrolle unterstellt werden könnten.“18

Die normativen Grundlagen für eine sozialisierte Energiewirtschaft wurden dann unter dem starken Eindruck des staatlichen Umbruches schon im März 1919 durch das Mantelgesetz zum Reichsenergiegesetz19 gelegt. Diesem folgte das Gesetz betreffend die Sozialisierung der Elektrizitätswirtschaft vom 31. Dezember 191920. Ziel des Gesetzes war eine einheitliche Elektrizitätswirtschaft, nicht jedoch ein allgemeines Elektrizitätsmonopol des Reiches. Lediglich ein Höchstspannungsleitungsmonopol mit der Maßgabe der Verbundwirtschaft zwischen Wasserkraft und Dampfkraft zur sparsamen Bewirtschaftung der Kohle war geplant. Daneben sollte das Reich das Recht haben, private Beteiligungen an größeren Elektrizitätserzeugungsanlagen gegen Entschädigung in Reichsbesitz zu überführen, um damit große gemischt-wirtschaftliche Unternehmen in die alleinige Verfügungsbefugnis der öffentlichen Hand zu bringen. Spätestens mit der Veröffentlichung dieses Gesetzentwurfes in der Frankfurter Zeitung vom 23. 7. 1919 wurde das Thema der Verbundwirtschaft in WestdeutschKommunales Elektrizitätswerk Mark AG-Geschäftsbericht 1920, S. 5; Heys, S. 492. Döring / Horstmann, „Das elektrische Licht . . .“ in: Dauskardt, Der Weg ins Licht, S. 50. 18 Zitiert bei Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung von 1880 bis 1990, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 183. 19 RGBl. (1919), S. 341. 20 RGBl. (1920), S. 19. 16 17

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

land lebhaft diskutiert. Der Hagener Oberbürgermeister Cuno legte darauf in einer Stellungnahme für die Nationalversammlung in Weimar dar, daß die Sozialisierung keinerlei Vorteile für das Reich und insbesondere für die Kommunen bedeute.21 Die Kommunalisierung selbst sei bereits eine eigene Art der Sozialisierung. Der Gesetzesentwurf wurde auch von der Elektrizitätswirtschaft stark kritisiert und fand nur bedingt parlamentarische Zustimmung. Letztlich wurde in dem Gesetz die planerische Intention des Reiches für die Elektrizitätswirtschaft beibehalten und die Enteignung zugunsten des Reichsfiskus gestrichen. Die erforderlichen Ausführungsbestimmungen, die für die Neuordnung in einem auf Bezirke beschränkten öffentlich-rechtlichen Leitungsverbund notwendig gewesen wären, sind nie ergangen, so daß dem Gesetz keine Bedeutung zukam. Entscheidend war aber, daß die Sozialisierungsversuche zum Vorteil aller Kommunen als Aktionäre gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen im Sande verliefen und die wirtschaftliche Handlungsfreiheit für das Zustandekommen eines freien Verbundes erhalten blieb.

1. Kommunaler Elektrizitäts-Verband Westfalen-Rheinland GmbH Im Jahr 1919 wurde ein Vorschlag des Hagener Oberbürgermeisters Cuno bekannt, der einen freien Verbund der Elektrizitätswerke als interkommunalen Zusammenschluß favorisierte. Zur gleichen Zeit strebte die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG die Fusion mit der Lenne-Elektrizitäts- und Industriewerken AG an.22 Im Kommunalen Elektrizitäts-Verband Westfalen-Rheinland GmbH (K.E.V.) schlossen sich am 8. 10. 1920 eine Reihe – überwiegend kommunaler – westfälischer Elektrizitätswerke mit einzelnen Elektrizitätswerken aus dem benachbarten rheinischen Gebiet zusammen. Die als Dachorganisation konzipierte Gesellschaft sollte die Aufgabe haben, die kommunale Stromversorgung und -verteilung einheitlich zu bewirtschaften, um der vordringenden Betätigung der Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft des rheinisch-westfälischen Industriegebietes entgegenzuarbeiten. Gleichzeitig bestand die Aufgabe der K.E.V. darin, die Elektrizitätserzeugungsanlagen ihrer Gesellschafter auf den technisch / wirtschaftlich höchsten Stand zu bringen. Der Verbund bezweckte den technischen Zusammenschluß der bestehenden Elektrizitätserzeugungsanlagen, den gemeinsamen Bau von Wasser- und Dampfkraftwerken auf Basis billigster Brennstoffe sowie der erforderlichen Zuleitungen und die Beschaffung von Betriebsstoffen zu fördern. Als Motiv für den Zusammenschluß muß neben der bereits beschriebenen Brennstoffknappheit der Nachkriegszeit die Unabhängigkeit und damit auch der Gegensatz zum größten Elektrizitätsversorgungsunternehmen – dem RWE – gesehen werden. 21 Unveröffentlichtes Schreiben an die Nationalversammlung zu Weimar vom 30. Juli 1919, zitiert bei Bürger, S. 56. 22 Nachfolgend: FS 25 Jahre Mark, S. 20; Bürger, S. 69 f.

A. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG

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In einem Schreiben an den Regierungspräsidenten in Arnsberg machte der Hagener Oberbürgermeister Cuno deutlich, daß vom RWE infolge der gemäß dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz eingeleiteten Verhandlungen die Bildung eines rheinisch-westfälischen Elektrizitätswirtschaftsverbandes angestrebt werde.23 Dies diene nur dem Ziel des RWE, den aus der rheinischen Braunkohle gewonnenen Strom im Bezirk der westfälischen Steinkohle abzusetzen. Die Diskussion über die Neuordnung der Elektrizitätswirtschaft erhielt durch die Provinz Westfalen eine Wende. Die reparationsbedingte Steinkohlenknappheit im Ruhrgebiet wurde als vorübergehend angesehen und so gelang es den kommunalen Vertretern, dem RWE bei der Verbandsgründung zuvorzukommen. Am 16. 3. 1921 beschloß der Provinziallandtag von Westfalen, sich mit einer Einlage in Höhe von 10.000 RM an dem Verband zu beteiligen. Der Beitritt wurde als Akt kommunaler Solidarität der Provinz gewertet. Die Provinz Westfalen signalisierte damit, daß Westfalen mit einem geschlossenen und leistungsfähigen elektrischen Versorgungsnetz ausgestattet und der Absatz der heimischen Steinkohle als Primärenergieträger gesichert werden sollte.24 Bei der Durchsetzung dieser Politik spielte es eine nicht unerhebliche Rolle, daß die Provinz über die Wegehoheit der Durchgangsstraßen verfügte. Sie besaß damit ein wichtiges (politisches) Instrument, mit dem sie die Führung und Legung von Strom- und Rohrleitungen beeinflussen konnte und das sie in Konfliktfällen in der Regel zugunsten regionaler Versorgungsunternehmen einsetzte.25 Da die Bindung der in der K.E.V. vereinigten Gesellschaften sich jedoch als zu locker erwies, konnten die Aufgaben, die sich der Verband bei seiner Gründung gestellt hatte, nicht restlos erledigt werden. Schon in der zweiten Hälfte der 20er Jahre war der Steinkohlenmangel beseitigt, so daß sich eine weitere gemeinsame Beschaffung von Brennstoffen erübrigte. Auch das abgedeckte Gebiet erschien für einen lohnenden Stromaustausch nicht groß genug. Die Sozialisierung der Elektrizitätswirtschaft blieb zudem aus, so daß der Lenkungsmechanismus der Elektrizitätswirtschaft selbst überlassen blieb. Ein letzter Versuch, die Kooperation zu stärken, indem die freie Veräußerung von Werken oder Anteilen vertraglich beschränkt wurde, schlug fehl. Die Gesellschafter kamen schließlich 1931 zu dem Ergebnis, daß eine Zusammenarbeit mit dem gewählten Aufgabenspektrum zu keinem Fortschritt mehr führen werde und lösten die K.E.V. auf.26

23 Unveröffentlichtes Schreiben an den Regierungspräsidenten in Arnsberg vom 25. 4. 1922, zitiert bei Bürger, S. 70. 24 Teppe, Die kommunale Energiewirtschaft der Provinzen Rheinland und Westfalen 1900 – 1945, in: Rheinland-Westfalen im Industriezeitalter, S. 448. 25 Teppe, S. 448 f. 26 FS 25 Jahre Mark, S. 23.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

2. Westdeutsche-Elektrizitätswirtschafts AG Noch während des Bestehens der K.E.V. verfolgte das RWE den Plan, eine größere Anzahl von Unternehmen zu einem Verbund zusammenzuschließen. Im Februar 1929 wurde die Westdeutsche-Elektrizitätswirtschafts AG gegründet, an der sich auch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG mit einem Anteil von 100.000 RM beteiligte. Eine neue Qualität der Geschäftsbeziehungen zwischen Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG und RWE bereitete dieser Entwicklung den Boden. Dazu zählte nicht nur der seit etwa 1924 bestehende Stromlieferungsvertrag mit dem RWE, auch die seit 1920 von kommunalen Aktionären gehaltene Aktienmehrheit im Unternehmen27 sorgte für eine kommunalfreundliche Geschäftspolitik des vormaligen Gegners.28 Der Gesellschaftszweck der Westdeutsche Elektrizitätswerke AG war die Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen den Energiewirtschaftsgebieten der Aktionäre durch Ausgleich elektrischer Arbeit, die Angleichung der Verteilungs- und Leitungssysteme im Rahmen der Vereinheitlichung der westdeutschen Elektrizitätswirtschaft und die Beteiligung an einem größeren Verbundsystem.29 1928 war bereits die AG für Deutsche Elektrizitätswirtschaft gegründet worden, deren Gesellschaftszweck als Vorbild für die Initiative des RWE in Westdeutschland diente: „Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den deutschen Energiewirtschaftsgebieten. . . , insbesondere der Ausgleich elektrischer Arbeit und Errichtung der hierzu erforderlichen Anlagen, die Angleichung der Leitungs- und Verteilungssysteme bei den beteiligten Unternehmungen, der Bau und Betrieb gemeinschaftlicher Stromerzeugungsanlagen, die Durchführung aller Maßnahmen, welche die technische und wirtschaftliche Vereinheitlichung und Rationalisierung der deutschen Elektrizitätswirtschaft zu fördern geeignet sind.“30

Die Großerzeuger und Gründungsmitglieder Reichselektrowerke, Bayernwerk und Preußische Elektrizitäts AG31 wehrten damit den abermaligen Versuch der Reichsregierung ab, eine Neuordnung der deutschen Elektrizitätswirtschaft durch ein Reichselektrogesetz zu bewerkstelligen. Dem Reichsgesetzgeber wurde die Entbehrlichkeit seiner Initiative vor Augen geführt, da die reichsweite Verbundebene schon durch eine selbst koordinierte gemischt-wirtschaftliche Unternehmung verwirklicht war.32 Durch den früheren Beitritt des RWE zur AG für Deut27 Vgl. VkA, Erfolg durch Partnerschaft, S. 9. Auf Grund des Währungsgesetzes im Jahr 1924 ging die kommunale Aktienmehrheit vorübergehend verloren. 28 Heys, S. 522. 29 Boll, S. 44 und 65; Bürger, S. 72; Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 185 f. 30 Zitiert bei Siegel, Die Elektrizitätsgesetzgebung der Kulturländer der Erde, S. 83 f. 31 Später firmierend als PreußenElektra AG. Nach der Fusion der Konzerne Viag und Veba im Jahr 2000 fusionierten PreußenElektra AG und Bayernwerk AG zur E.ON Energie AG. 32 Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 188.

A. Die Beteiligung an der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG

207

sche Elektrizitätswirtschaft repräsentierte diese nunmehr zusammen mit VEW und Badenwerk die Interessen der Westdeutschen-Elektrizitätswirtschaft AG. Auf Grund einer besonderen Vereinbarung wurde ein Aufsichtsratsmandat der VEW auf einen Vertreter der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG übertragen.33 Der Einfluß der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG auf die Reichsverbundebene war zwar nicht besonders stark ausgeprägt, erfüllte jedoch den gesetzten Zweck einer Vertretung auch kommunaler Interessen ihres Versorgungsgebietes bei der Vernetzung im Reichsgebiet. Daneben bestanden zahlreiche Stromlieferungs-, Stromabnahme- und Verbundverträge mit industriellen Energieerzeugern und benachbarten Energieversorgungsunternehmen, so mit VEW und RWE.34

IV. Die Stellung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG in der Verbundwirtschaft und ihre Bedeutung für die Stadt Lüdenscheid Die Verbundwirtschaft auf dem Elektrizitätssektor der Jahre 1919 – 1933 beruhte in Deutschland auf Verbund-, Stromlieferungs- und Demarkationsverträgen der Versorgungsunternehmen.35 Von einer wirklichen Verbundwirtschaft kann dabei nur da ausgegangen werden, wo ein netzübergreifender Austausch von Strom stattgefunden hat. Der Verbund muß deshalb zwei oder mehrere Versorgungsgebiete erfassen, die im Regelfall durch Demarkationsverträge voneinander abgegrenzt waren. Die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG war durch die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den Energieversorgungsunternehmen und der Westdeutschen Elektrizitätswirtschafts AG in die Verbundwirtschaft eingebunden. Bei der Entwicklung der Verbundwirtschaft bis zur Gründung der Westdeutsche-Elektrizitätswirtschafts AG zielte die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG dabei auf eine Absicherung ihres eigenen Netzes gegen Ausfälle ihrer Elektrizitätserzeugungsanlagen, die Verringerung der sich aus der Konkurrenz ergebenden Gefahren und eine Verbilligung der Stromerzeugung und -lieferung.36 Die Stadt Lüdenscheid profitierte von den Erfolgen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG als Aktionärin und konnte gleichzeitig die kommunalen Interessen in die Geschäftspolitik des Unternehmens einbringen. Diese Interessen bestanden neben der Versorgungssicherheit für die Stadt und der Zahlung einer angemessenen Dividende zur Hebung der städtischen Finanzen in der Absicherung ihres kommunalen Betriebes Bürger, S. 72. Eine Darstellung der in diesem Zusammenhang geschlossenen Stromlieferungs- und Stromaustauschverträge findet sich bei Heys, S. 494. Zum weiteren Nachweis wird auf den Geschäftsbericht der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG von 1931, S. 7 und auf Bürger, S. 72 verwiesen. 35 Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 189. 36 FS 25 Jahre Mark, S. 65 f. 33 34

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

– des städtischen Elektrizitätswerkes – und ihres städtischen Versorgungsgebietes gegen äußere Eingriffe. Über die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG konnte sie zudem auf die Geschicke der AG für Deutsche Elektrizitätswirtschaft Einfluß nehmen. Im April 1930 trat der frühere Oberbürgermeister der Stadt Lüdenscheid Dr. Jockusch als Generaldirektor in den Vorstand der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG ein, deren stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender er als Oberbürgermeister seit ihrer Gründung bis 1927 und deren Aufsichtsratsvorsitzender er bis 1930 gewesen war. 1933 wurde Dr. Jockusch auf Veranlassung der Nationalsozialisten entlassen. Er galt während seines gesamten Wirkens in den Organen der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG als Wegbereiter der Kommunalinteressen und Verfechter einer umsichtigen Finanzpolitik.

B. Wasserversorgung und Verbundwirtschaft Seit Abschluß des Wasserlieferungsvertrages mit der Talsperrengenossenschaft Verse und der Fertigstellung des Bauwerkes 1904 bezog die Stadt Lüdenscheid täglich 2.500 – 3.500 cbm Rohwasser nach Maßgabe des Vertrages vom 5. 11. 1900.37 Allein dieser Umstand wird den Eintritt in eine Verbundwirtschaft nicht begründen können. Gab es danach Maßnahmen, die einer Verbundwirtschaft in der Wasserversorgung zugerechnet werden können? Zur Beantwortung dieser Frage muß die Entwicklung der Wasserversorgung im südlichen Westfalen nachgezeichnet werden.

I. Ordnungssysteme der Wasserwirtschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts Am 28. 1. 1902 war die Stadt Lüdenscheid dem Ruhrtalsperrenverein beigetreten, der für die alte Versetalsperre einen jährlichen Zuschuß von 12.000 Mark bewilligt hatte. Im Ruhrtalsperrenverein hatten sich 1899 die Besitzer der Ruhrwasserwerke und Triebwerke auf freiwilliger Basis zu einem privatrechtlichen Verein zusammengeschlossen, um die Wasserführung der Ruhr bei niedrigen Wasserständen durch die Förderung fremder oder Errichtung eigener Talsperren zu verbessern. Die durch den Verein geförderten Talsperrenprojekte reichten jedoch nicht aus, um die steigenden Entnahmemengen aus der Ruhr zu decken. Andererseits zeigte der steigende industrielle Bedarf sowie die Belastung des Flusses durch häusliche und gewerbliche Abwässer, daß die Ruhr als Trinkwasserquelle die erforderliche Qualität nicht halten konnte. Die Ruhr durchfließt den gesamten Wirtschaftsraum des Ruhrgebietes von Brilon im Hochsauerland bis Duisburg, wo sie in den Rhein mündet. Die Abwässer gelangten direkt oder durch die Nebenflüsse – zu denen auch die Flüsse Lenne und Volme gehören – in die Ruhr.38 37

Vgl. oben Teil II A. I.

B. Wasserversorgung und Verbundwirtschaft

209

Die Regelungen des Wasserrechts im Preußischen Allgemeinen Landrecht waren für die Bewirtschaftung des Wasseraufkommens in der Region unzureichend. Daran hatten auch das Gesetz betreffend die Bildung von Talsperrengenossenschaften für das Gebiet der Wupper und ihrer Nebenflüsse vom 1. 4. 1879 und seine Erweiterungen nichts geändert. Die Durchsetzung einer planmäßigen Vorgehensweise zur Abwehr von Gefahren, die aus der fehlenden Wasserbewirtschaftung entstanden, blieb offen. Hygienischen, sozialen und wirtschaftlichen Notständen konnte nur durch einzelne Anordnungen begegnet werden. Das Preußische Wassergesetz vom 4. 4. 191339 sah zwar polizeiliche Verbote und Eingriffsmöglichkeiten gegen einzelne Gewässerverschmutzer vor40; ein Instrumentarium zur speziellen Bewirtschaftung des Wassers, zur Hebung der Wasserqualität oder zur Beseitigung von Abwässern war jedoch nicht vorgesehen. Die Handelskammer Lüdenscheid war seit 1909 Mitglied im Wasserwirtschaftlichen Verband der Westdeutschen Industrie, der die Industrieinteressen in den westlichen Provinzen des preußischen Staates in allen Fragen des Wasserrechts und der Wasserwirtschaft wahrnahm. In einer Resolution zum Entwurf eines preußischen Wassergesetzes bezog der Verband gegen die für die Wasserbewirtschaftung in Betracht gezogene Bildung von Zwangsgenossenschaften wie folgt Stellung: „Trotz der sehr erheblichen Bedenken, die gegen die Einrichtung von Zwangsgenossenschaften schon mit Rücksicht auf die vielfach weitergehenden Eingriffe in die Privatrechte der Beteiligten bestehen, würden wir uns im Interesse einer gesunden Weiterentwicklung der Wasserwirtschaft mit der Einführung solcher Zwangsgenossenschaften notgedrungen abfinden, wenn die unbedingt erforderliche Rechtskontrolle bei Feststellung der Satzung und des Verteilungsmaßstabes der Lasten, welche der vorliegende Entwurf ganz vermissen läßt, vorgesehen wird.“41

Die anhaltende Diskussion um die Novellierung des preußischen Wasserrechts wurde dann im Jahr 1913 dahingehend entschieden, daß die Frage der Wasserbewirtschaftung im Einzugsgebiet der Ruhr einer durch Gesetz geschaffenen Selbstverwaltungskörperschaft übertragen werden sollte.42 Durch das Ruhrreinhaltungsgesetz vom 5. Juni 191343 wurden die Eigentümer der im Genossenschaftsgebiet liegenden gewerblichen Unternehmen sowie die Gemeinden, die Ruhr und Nebenflüssen Abwässer zuführten, und durch das Ruhrtalsperrengesetz vom gleichen Tage44 die Wasserentnehmer und Triebwerksbesitzer in Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengefaßt. Beide Gesetze bestimmten, daß Ruhr38 Zur Abwässerbelastung vgl. FS 75 Jahre Ruhrverband / Ruhrtalsperrenverein, S. 74 f. und S. 158 ff. Zu den Abwässern der Stadt Lüdenscheid vgl. oben Teil I C. II. 3. c) dd) (2). 39 PreußGS S. 53. 40 Überblick bei Bochalli; Wasserrecht und Wasserwirtschaft, in: HKWP, Bd. 2 (1957), S. 781 f. 41 WWA Dortmund, IHK Dortmund K 2 Nr. 440, S. 406. 42 FS 75 Jahre Ruhrverband / Ruhrtalsperrenverein, S 38. 43 PreußGS S. 305. 44 PreußGS S. 317.

14 Heider

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

verband und Ruhrtalsperrenverein Genossenschaften mit Zwangsmitgliedschaft waren, denen das Recht zur Selbstverwaltung gewährt wurde und die damit nur der Rechtsaufsicht des Staates unterlagen. Mit der Schaffung der Ruhrverbände als öffentlich-rechtliche Körperschaften verlieh der Staat den Verbänden zur Durchführung ihrer technisch und wirtschaftlich komplexen Aufgaben das Privileg der öffentlichen Gewalt.45 Die Befugnis, auf diesem Gebiet mit hoheitlicher Gewalt zu handeln, kompensierte die bis dahin vorherrschende staatliche Hilflosigkeit durch Dekonzentration der erforderlichen Verwaltungskräfte in die mittelbare Staatsverwaltung unter Anerkennung der hohen technischen und wirtschaftlichen Spezialisierung des Wasserrechts. Die Wasserbewirtschaftung erfolgte durch die Verwendung der durch Veranlagungsbescheide erhobenen Beiträge der Genossen. Die Genossenschaftsbeiträge konnten durch Zwangsmittel beigetrieben werden. Den Körperschaften stand die Satzungsautonomie und das Enteignungsrecht zu.46

II. Wasserbewirtschaftung durch die Ruhrverbände – Teil der leitungsgebundenen Wasserversorgung im Sinne dieser Untersuchung? Es stellt sich die Frage, ob Ruhrverband und Ruhrtalsperrenverein als Systeme der Verbundwirtschaft im Sinne der vorliegenden Untersuchung anzusehen sind. Der Beginn der Verbundwirtschaft wäre dann bereits im Jahr 1913 anzusetzen, da die Stadt Lüdenscheid in das Einzugsgebiet der Ruhr entwässerte bzw. Wasser aus einem Ruhrzulauf entnahm. Eine Einbeziehung des Ruhrverbandes scheidet jedoch schon deshalb aus, da es sich bei Abwässern nicht um „leitungsgebundene Versorgungsgüter“ im Sinne der vorliegenden Untersuchung handelt. Beim Ruhrtalsperrenverein steht die Ersetzung des den Flüssen schädlich entzogenen Wassers im Vordergrund. Gemäß § 2 Ruhrtalsperrengesetz hat der Ruhrtalsperrenverein primär die Aufgabe: „. . . das der Ruhr schädlich entzogene Wasser zu ersetzen und eine bessere Ausnutzung der Triebkraft der Ruhr und ihrer Nebenflüsse herbeizuführen.“

Als schädlich entzogen wurde diejenige Wassermenge definiert, die in Zeiten, in denen die Ruhr weniger als 4,5 l Wasser / s für 1 qkm Niederschlagsgebiet führte, entnommen und beim Gebrauch oder durch Überpumpen über die Wasserscheide hinweg verloren ging. Aufgabe des Ruhrtalsperrenvereins war daher nicht die örtliche Beschaffung von Trinkwasser und die unmittelbare Versorgung der Verbraucher, sondern die Sicherung der Wasserversorgung aus der Ruhr durch Ersatz 45 46

den.

FS 75 Jahre Ruhrverband / Ruhrtalsperrenverein, S. 38. Dem Ruhrtalsperrenverein kann das Enteigungsrecht nur im Einzelfall verliehen wer-

B. Wasserversorgung und Verbundwirtschaft

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des entzogenen Wassers.47 Eine Verbundwirtschaft in der Wasserbeschaffung wird da angenommen, wo der örtliche Mangel zu einer Fernversorgung führt und das Versorgungsgut einer Vielzahl von Kommunen über Leitungsnetze zur Verfügung gestellt wird, die ihrerseits die Verbraucher beliefern. Die Entnahme von Wasser aus einem regulierten Wasserlauf stellt allein noch keine Versorgung dar. Die Zuleitung des Versorgungsgutes war ebenfalls nicht gegeben. In Lüdenscheid erfolgte die Einspeisung von Trinkwasser in das städtische Leitungsnetz erst im Wasserwerk Treckinghausen nach der Entnahme und Aufbereitung aus dem Klamebach, der wiederum durch Talsperrenwasser der alten Verse reguliert wurde. Die alte Versetalsperre stand nicht im Eigentum des Ruhrtalsperrenvereins; dieser leistete nur einen Beitrag zur Unterhaltung der Sperre. In späterer Zeit – nach Ende des Untersuchungszeitraumes – kam es noch zu einer direkten Wasserlieferung des Ruhrtalsperrenvereins an die Stadt Lüdenscheid. Im Jahr 1929 plante der Ruhrtalsperrenverein ein neues Talsperrenprojekt im südlichen Sauerland. Eine „neue“ Versetalsperre sollte durch Bau eines Dammes oberhalb des Lüdenscheider Wasserwerkes in Treckinghausen das Wasser des Versetales stauen. Mit einer Austauschschenkung „Land gegen Wasserlieferung“ sicherte sich die Stadt Lüdenscheid die unbegrenzte Belieferung mit Talsperrenwasser durch den Ruhrtalsperrenverein. Die „neue Versetalsperre“ – die alte Versetalsperre wurde in Fürwiggetalsperre umbenannt – wurde erst nach Kriegsende in Betrieb genommen und lieferte Rohwasser an das Lüdenscheider Wasserwerk.48 Auch bei dem Wasser der alten Versetalsperre handelte es sich um Rohwasser, also noch nicht um ein leitungsgebundenes Versorgungsgut im Sinne dieser Untersuchung. Die Aufbereitung des bewirtschafteten Wassers zum Versorgungsgut Trinkwasser war nicht Gegenstand der Geschäfte des Ruhrtalsperrenvereins, sondern Aufgabe der Betreiberin des Wasserwerkes, der Stadt Lüdenscheid. Eine weitere Betrachtung des Ruhrtalsperrenvereins scheidet hier deshalb aus, weil im Sinne der Versorgungswirtschaft und der hier vorliegenden Untersuchung Trinkwasser zur Belieferung der Einwohner benötigt wurde. Die Wasserbewirtschaftung durch die Ruhrverbände war lediglich ein Element der Verbundwirtschaft. Zu einer echten Verbundwirtschaft – als deren Kriterium hier nochmals die netzübergreifende Versorgung und der Austausch der Versorgungsgüter zu nennen ist – kam es in der Lüdenscheider Region erst weit nach Ende des Untersuchungszeitraums in den 1970er Jahren, als durch eine Ringleitung für mehrere Kommunen das Versorgungsgut Wasser aus unterschiedlichen Bezugsquellen verfügbar gemacht wurde. Die Zwangsmitgliedschaft der Stadt Lüdenscheid in den Ruhrverbänden beruhte bis zum Bau der neuen Versetalsperre auf der Pflicht zur gemeinsamen Bewirtschaftung der Wasservorkommen und der Abwässer in der Region. Eine Fernversorgung mehrerer Kommunen mit Trinkwasser über ein Leitungsnetz bestand bis 47 Imhoff, Aufgaben und Arbeiten der Ruhrverbände, in FS 75 Jahre Ruhrverband / Ruhrtalsperrenverein, S. 21. 48 Lüdenscheider Nachrichten vom 20. / 21. 4. 1991: „Vom ersten Spatenstich bis zur Einstauung vergingen 20 Jahre“.

14*

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

1945 nicht. Ruhrverband und Ruhrtalsperrenverein sind nach ihrem gesetzlichen Auftrag zweifellos Unternehmen einer Verbundwirtschaft im weiteren Sinne. Sie erfüllen jedoch die engen Kriterien der vorliegenden Untersuchung an eine leitungsgebundene Versorgung nicht und werden nicht weiter berücksichtigt.

C. Der Gasverbund – Ferngas Nachdem die Stadt Lüdenscheid das Gaswerk der Kölner Gesellschaft für Gas und Elektrizität im Jahr 1916 übernommen hatte, begann mitten im 1. Weltkrieg eine schwierige Phase der technischen Überholung der vernachlässigten Anlagen. Schon in den Vorkriegsjahren wurden in Lüdenscheid die Aktivitäten zum Absatz des Zechengases aus dem Ruhrgebiet und die Großraumversorgung mit Gas in Westfalen aufmerksam beobachtet. Im Zeitraum zwischen 1908 und 1910 gingen erste Voranfragen von Zechenbesitzern beim Regierungspräsidenten in Arnsberg ein, die auf eine Nutzung der Provinzialstraßen zur Verlegung von Gasleitungen zielten.49 Daran schloß sich eine eingehende Untersuchung der Auswirkungen von Gaslieferungen großer Erzeuger auf bestehende Elektrizitätswerke an.

I. Frühe Überlegungen zur Ferngasversorgung Die Lieferung von Gas über weite Strecken von einem zentralen Erzeuger zu mehreren kommunalen Abnehmern war schon während der ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts eine viel diskutierte Frage. In einem Bericht an den Magistrat vom 6. 1. 1914 über eine Ferngasversorgung der Stadt Lüdenscheid durch ein Hagener Gaswerk notierte der Direktor des Wasserwerkes Rolfs:50 „Die Gasfernversorgung hat im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet in den letzten Jahren einen großen Aufschwung genommen, seitdem von den Zechen und Kokereien die Koksofenabgase, die früher nutzlos ins Freie gingen, zu Beleuchtungs-, Heiz- und Kraftzwecken verwendet werden. Es werden im Industriegebiet gegenwärtig ca. 38 Städte mit Koksofengas versorgt: . . . Die Stadt Hagen hat sich s. Zt. dem Bezuge von Koksofengas ablehnend verhalten, weil sie das Gas billiger herstellen als von den Zechen beziehen zu können glaubte, und ist dazu übergegangen, ein neues Gaswerk zu erbauen, was allerdings weit über das Bedürfnis der Stadt Hagen hinaus ausgeführt ist . . . Auf den ersten Blick hatte es s. Zt. etwas Bestechendes, als von den Hüttenleuten die Öffentlichkeit für den Gedanken interessiert wurde, daß es eine volkswirtschaftliche Pflicht sei, die überflüssigen Koksofengase in den Städten nutzbar zu verwenden. Die Ferngasversorgung hat jedoch für die einzelnen Städte den Nachteil, daß die gasliefernden Zechen oder Steinkohlenwerke nicht nur das Gasmonopol sondern auch das Koksmonopol an sich ziehen. Die Gaskokserzeugung der einzelnen Städte würde bei der Fernversorgung vollständig aufhören, . . .“ 49 50

STAA Münster, Reg. Arnsberg Nr. 1292. STA Lüd. A 1884, Verhandlungen wegen Übernahme des Gaswerkes.

C. Der Gasverbund – Ferngas

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Ein vorläufige Wirtschaftlichkeitsrechnung in dem Bericht des Wasserwerksdirektors ergab, daß der Betrieb eines eigenen Gaswerkes um ca. 35.000 Mark günstiger liegen würde, als der Ferngasbezug aus Hagen. Dieser war der Stadt Lüdenscheid zu 5,3 Pf. / cbm angeboten worden. Selbst unter erheblichen Investitionen in das Lüdenscheider Gaswerk ergab sich ein Preis von 3,4 Pf. / cbm für das selbst erzeugte Gas. Neben Problemen der Leitungs- und Verteilungstechnik sprach der Bericht schließlich die Frage der Abhängigkeit von der Stadt Hagen und die Konzentration weiterer Wirtschaftskraft in der Nachbarstadt an. Im Ergebnis ergaben sich keinerlei Vorteile für den Ferngasbezug aus Hagen. Der Magistrat nahm den Bericht zur Kenntnis und sah keinerlei kommunalen Handlungsbedarf.

II. Die Entwicklung der Ortsgaswirtschaft nach 1916 Das Gasrohrnetz wurde nach der Übernahme des Gaswerkes 1916 zunächst um 185 Meter verlängert.51 Es konnten trotzdem 200 Gasversorgungsanträge im Jahre 1916 nicht mehr berücksichtigt werden. Erst in den Folgejahren wurde die Zahl der Gasanschlüsse von 2.253 auf 2.817 im Jahr 1924 gesteigert. Die in diesem Zeitraum nur leicht gestiegene Gaserzeugungsmenge von 1,38 auf 1,45 Mio / cbm verdeutlicht bereits die verbesserte Ausnutzung der technischen Möglichkeiten. 1921 wurde das Maschinenhaus der Gasanstalt umgebaut und vergrößert, wobei Kühler, Teerscheider und Amoniakwäscher erneuert wurden. Im Februar 1923 wurde eine Benzolanlage in Betrieb genommen, die jedoch schon im darauf folgenden Jahr wieder still gelegt wurde. Die prognostizierte Absatzsteigerung für die 20er Jahre sowie die notwendige Generalüberholung des Werkes ließen die Stadtverordnetenversammlung im Mai 1922 den Neubau einer modernen Schrägkammerofenanlage beschließen, deren wirtschaftliche Vorteile in einem elektrischen Aufzugssystem zur Beschickung der Brennkammern52, einem günstigeren Kohleverbrauch und einer größeren Gasausbeute lagen. Die von der Berlin-Anhaltischen-Maschinen-Fabrik gelieferte Anlage konnte am 26. 10. 1923 in Betrieb genommen werden. Im April 1924 beschloß die Stadtverordnetenversammlung die Reorganisation des städtischen Beleuchtungswesens.53 Das Gasrohrnetz wurde ausgebaut, und in den Hauptstraßen wurden elektrische Leuchtkörper installiert. Die Gaslaternen wurden mit moderneren Cluster-Mehrfachbrennern54 versehen. Das auch als Hängesystem bezeichnete Gaslicht, das eine bessere Leuchtkraft bewirkte, war bis 1928 in allen Nebenstraßen eingeführt. Darüber hinaus wurde die Fernzündung und Fernlöschung des Gaslichts zentral vom Gaswerk ausgeführt. Das städtische 51 52 53 54

Zum Folgenden: STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 50. Die anstrengende Handarbeit entfiel somit, ebenso die Nachtarbeit. Strodel, S. 264. Näheres im Journal für Gasbeleuchtung Nr. 68 (Jg. 1925), S. 458.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

Gaswerk hatte wie die Elektrizitätskraftwerke der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG erst unter den kriegs- und dann unter der reparationsbedingten Kohleverknappung zu leiden. Trotz der Besetzung des Ruhrgebietes gelang es, die zur Gaserzeugung notwendige Kohle aus englischen und oberschlesischen Zechen sowie aus anderen nicht besetzten deutschen Gebieten zu beschaffen. Der Betrieb des Gaswerkes konnte zwar voll aufrecht erhalten werden, es mußten jedoch durch die teilweise ungeeignete Kohle qualitative Einbußen mit der Folge hingenommen werden, daß im Jahr 1923 Beschwerden der Abnehmer eingingen.55 Schon 1924 griffen jedoch alle technischen Neuerungen, so daß seit dem Ende der Inflation und der allgemeinen Rohstoffknappheit die Versorgung bis zur großen Wirtschaftsdepression Anfang der 30er Jahre sichergestellt war.56

III. Der Aufbau der Ferngasversorgung in Südwestfalen und die Gründung der Westfälischen Ferngas AG am 24. 7. 1928 Das Ende der Ruhrbesetzung leitete zu einer wirtschaftlichen Erholungsphase über, in der neue Pläne zum Absatz der Kohle und der Zechenprodukte gefaßt wurden. Seit Mitte 1926 hatten führende Männer des Ruhrbergbaus und der Kohleveredlungswirtschaft den Plan einer großräumigen Ferngasversorgung entwickelt.57 Die Vorarbeiten wurden von der Aktiengesellschaft zur Kohleverwertung, der späteren Ruhrgas AG in Essen, durchgeführt. Das Bekanntwerden der Pläne mündete in einen Konflikt der Befürworter einer wirtschaftlichen Ferngaserzeugung mit den Vertretern der Ortsgaswirtschaft. Für einen zentralen Erzeugungsort sprachen sich naturgemäß die Eigentümer der Zechenanlagen aus, während eine lokale Erzeugung von den Städten und Gemeinden favorisiert wurde, die meist durch Kommunalisierung ein Gaswerk erworben hatten. 1926 hatte sich die Lage im Vergleich zu 1914 nicht wesentlich geändert. Die Vertreter der öffentlichen Hand argumentierten in den neuerlichen Diskussionen vor allem mit der Erhaltung der Selbständigkeit der kommunalen Gaswerke in ihren Dispositionen über den Ausbau, in der Eigenerzeugung und dem kommunalen Belieferungsrecht der Endverbraucher.58 Die Befürworter der Planung einer Ferngasversorgung stellten die wirtschaftliche Notlage des Bergbaus, den Bedarf der Industrie an veredelter Energie Vgl. Strodel, S. 263; Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 19. STA Lüd. A 412, Verw.Ber. 1928 – 1931, Tabelle S. 49. Die Steigerung in der Leistungsfähigkeit des städtischen Gaswerkes geht insbesondere aus einem Vergleich von Tagesabgabe und Kohlenverbrauch im Verhältnis zu den Nebenprodukten Koks und Teer hervor. Die Gaserzeugung selbst konnte bis 1930 auf der Basis des Jahres 1926 um 50 % gesteigert werden. 57 Körting, S. 495; FS 25 Jahre Westfälische Ferngas AG, S. 11; Schmidt, Rechtsformen und Eigentumsverhältnisse in der westdeutschen Ortsgaswirtschaft, in: Archiv für öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 5, S. 27. 58 FS 25 Jahre Westfälische Ferngas AG, S. 11. 55 56

C. Der Gasverbund – Ferngas

215

und die Vermeidung einer Zersplitterung der Versorgungsgebiete – wie schon in der Diskussion über die Elektrizitätsversorgung – in den Mittelpunkt. Der Bedarf der Industrie und des Gewerbes an veredelter Energie in Südwestfalen wurde von den Landräten aus Altena, Iserlohn und Siegen als kommunalwirtschaftlich bedeutsam angesehen, da auch in ihren Landkreisen zahlreiche Industrie- und Gewerbebetriebe lagen. Sie traten zu grundsätzlichen Verhandlungen zusammen und gewannen den Landeshauptmann der Provinz Westfalen, Dr. Dieckmann, für ihre Sache. Dieser übernahm später die Führung des Zusammenschlusses der westfälischen Kommunalverbände in der Westfälischen Ferngas AG und wirkte entscheidend an der Formulierung sowohl des kommunalpolitischen als auch des wirtschaftlichen Arbeitsauftrages des zu gründenden Versorgungsunternehmens mit. Es wurde zunächst eine Studiengesellschaft gebildet, deren Aufgabe in der Begutachtung des Gesamtprojekts sowie den Vorverhandlungen mit der AG für Kohleverwertung lag.59 Der Stadtkreis Lüdenscheid hielt als Treuhänder der Stadtkreise der Provinz 15.000 RM des Stammkapitals, das insgesamt 100.000 RM betrug. Die im August 1927 gegründete Ferngasversorgung Westfalen GmbH beauftragte Richard Starke, einen Pionier des Gasfaches, mit einem Gutachten über die Gasfernversorgung in Süd- und Ostwestfalen und im Land Lippe. Im Ergebnis wurden die wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen als günstig beurteilt. Auf Empfehlung des Provinzialausschusses wurde daraufhin am 24. Juli 1928 in Münster die Westfälische Ferngas AG von 3 Amtsgemeinden, 9 Städten, 15 Kreisen, dem Provinzialverband Westfalen und dem Freistaat Lippe gegründet. Die Stadt Lüdenscheid beteiligte sich am Aktienkapital, das 4 Mio. RM ausmachte, unter Vorbehalt mit 35.000 RM. Oberbürgermeister Dr. Jockusch wurde einer der Aufsichtsräte der Gesellschaft. Die Vorbehalte in der Stadtverordnetenversammlung Lüdenscheids waren dennoch nicht ausgeräumt. Die eingeschlagene Linie kam in einer Stellungnahme zum Ausdruck, die im Verwaltungsbericht abgedruckt wurde60: „Für die Stadt Lüdenscheid und die übrigen gaserzeugenden Städte Südwestfalens entstand mit dem Aufkommen der Ferngasversorgungspläne, insbesondere der Gründung der Westferngas, die Frage ob und in welcher Form sie sich anschließen sollten. Es galt in der Hauptsache zu prüfen, ob die Städte ihre Werke vollständig an die Gesellschaft abtreten oder ob sie der Gesellschaft nur die Versorgung der Industrie (Werke mit einem Bedarf von 125.000 cbm jährlich und mehr) überlassen und Ferngas unter Stillegung ihres Betriebes beziehen oder aber, ob sie die Industrieversorgung der Gesellschaft überlassen und wie bisher für die kleineren und mittleren Abnehmer selbst Gas erzeugen sollten. . . . Um aber die Begründung der Westferngas unter Beteiligung dieser Städte wenigstens formell durchführen zu können, wurde noch ein weiteres kurzes Provisorium dergestalt eingerichtet, daß die Städte vorläufig auf Grund eines Magistratsbeschlusses Aktien übernehmen konnten, ohne sonstige Bindungen einzugehen und unter dem Vorbehalt, daß die Provinz die Aktien übernimmt, wenn die Stadtverordnetenversammlung ihre endgültige Zustimmung versagen sollte.“ 59 60

STA Lüd. A 412, Verw.Ber. 1928 – 1931, S. 6. STA Lüd. A 412, Verw.Ber. 1928 – 1931, S. 50.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

Gegen Ende der dreijährigen Bedenkzeit mußte eine Entscheidung über die Gasfernversorgung des Stadtgebietes Lüdenscheid getroffen werden. Die Stadtverordnetenversammlung kam nach Prüfung zu dem Ergebnis, daß die Kosten der eigenen Ortsgaserzeugung mit 4,4 bis 4,8 Pf. / cbm durchaus wettbewerbsfähig waren. Die Westfälische Ferngas AG verlangte demgegenüber 4,62 Pf. / cbm. Bei der Fernversorgung hätte die Stadt zudem auf den Verkauf des Koks – ein Nebenprodukt der Gaserzeugung – aus dem eigenen städtischen Gaswerk verzichten müssen.61 Weitere Nachteile waren die Abhängigkeit von der Gesellschaft, die ungünstigen Lieferbedingungen – attraktive Großabnehmer wurden von ihr direkt versorgt – und der Wegfall von Arbeitsplätzen in Lüdenscheid. Die Diskussion war auch in den Tageszeitungen mit Nachdruck geführt worden, wobei insbesondere die Wirtschaftlichkeitsrechnung zwischen Ferngas und Ortsgas auf eine harte Probe gestellt wurde.62 Die günstige eigene Versorgung bewog die Stadt Lüdenscheid am 2. Juli 1931 aus der Westfälischen Ferngas AG auszutreten und keinen Liefervertrag mit der Gesellschaft abzuschließen. Die Stadt Lüdenscheid behielt zunächst die Ortsgaserzeugung bei und schloß sich der Ferngasversorgung als System der Verbundwirtschaft nicht an.

D. Eingriffe in die Versorgungswirtschaft nach 1933 und ihre Auswirkungen auf die Stadt Lüdenscheid Wenn sich die Gesetzgebung während der Weimarer Republik auf dem Gebiet der Versorgungswirtschaft weitgehend zurückgehalten hatte, so trat mit der nationalsozialistischen Machtergreifung gewissermaßen ein Umkehrschub ein. Entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie wurden „politische Partikularismen“ gleichschaltend aufgelöst.63 Nach der Bündelung nationalsozialistischer Interessen auf der Verbandsebene der Wasser- und Energiewirtschaft folgte auch die Gleichschaltung der betroffenen Wirtschaftsunternehmen.64 Mit dem Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft vom 27. 2. 193465 erfolgte einerseits eine fachliche und andererseits eine regionale Gruppierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten nach Wirtschaftsbezirken. Die fachliche Gliederung bestand aus sechs Hauptsäulen, den Reichsgruppen: Industrie, Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen und Energiewirtschaft. Der Reichsgruppe Energiewirtschaft unterstand dabei sowohl die Wirtschaftsgruppe Elektrizitätsversorgung Die städtischen Gebäude wurden mit dem Koks des Gaswerkes geheizt. Lüdenscheider Generalanzeiger vom 24. 6., 29. 6. und 3. 7. 1931. 63 Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätswirtschaft, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 191. 64 Vgl. Löwer, ebenda, zum Reichsverband der Elektrizitätsversorgung e. V. Körting, S. 485 zum Reichsverband des Deutschen Gas- und Wasserfaches e.V. 65 RGBl. I S. 185. 61 62

D. Eingriffe in die Versorgungswirtschaft nach 1933

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(W.E.V.) als auch die Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung (W.G.V.). Zur Anpassung der Energieversorgung waren der Reichsgruppe folgende Aufgaben zugewiesen:66 – in rechtlicher Hinsicht die Schaffung eines Energiewirtschaftsgesetzes, das die gesamte deutsche Energieversorgung unter die Aufsicht des Reichswirtschaftsministers stellt und einheitliche Regelungen zur Lenkung des Anlagenneubaues und der Energieanwendung erhält, – in organischer Hinsicht die lückenlose Zusammenfassung sämtlicher Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen unter gleichzeitiger Eingliederung beider Versorgungsarten in die neu geschaffene Reichsgruppe Energiewirtschaft, – in tariflicher Hinsicht die planmäßige Förderung von Tarifen, die der Kostengestaltung der Versorgung entsprechen und den Abnehmern insbesondere bei steigendem Verbrauch eine Senkung der Strompreise gewährleisten, – in betriebswirtschaftlicher Hinsicht die Förderung des verbundwirtschaftlichen Ausbaus, und zwar einerseits die Kuppelung aller wichtigen Elektrizitätswerke des Reiches miteinander, andererseits die Schaffung von Ferngasleitungen zur Nutzbarmachung der Kokereireserven bei gleichzeitiger Stärkung wichtiger Stadtgaswerke.

Die Alleinvertretungs- und Leitungsfunktion der Wirtschaftsgruppe wurde durch § 16 der 1. Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft67 festgesetzt: Der Leiter der Reichsgruppe Energieversorgung hat die Gruppe im Sinne des nationalsozialistischen Staates zu führen und die Angelegenheiten der Gruppe und ihrer Mitglieder unter Rücksichtnahme auf die Gesamtinteressen der staatlichen Wirtschaft und unter Wahrung des Staatsinteresses zu fördern. . . Weisungen des Leiters, die durch den Zweck der Gruppe oder durch den Zusammenschluß der gewerblichen Wirtschaft bedingt sind, haben die Mitglieder zu befolgen.

Bei den nationalsozialistisch geprägten Wirtschaftsgruppen der Elektrizitätsversorgung und der Gas- und Wasserversorgung handelte es sich um einen öffentlichrechtlichen Leitungsverband, dem Ziel und Richtung der Intervention nicht vorgegeben waren.68 Konkret ist zur Verwirklichung der Leitungsfunktion jedoch wohl nur die Verordnung über die Mitteilungspflichten in der Energiewirtschaft vom 30. 7. 193469 ergangen. Der Regelung der Beratungs-, Entscheidungs- und Organisationsabläufe in der Energieversorgung folgte das Energiewirtschaftsgesetz vom 13. 12. 193570, mit dem die Energieversorgung der staatlichen Aufsicht unterVölkischer Beobachter vom 30. 3. 1938, S. 13; Windel, S. 304 f. RGBl. I S. 1194. 68 Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätswirtschaft, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 192. 69 RGBl. I S. 765 f. 70 RGBl. I, S. 1451. 66 67

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

stellt wurde.71 Auf der Grundlage einer planmäßig geordneten Wirtschaft bedurften alle Betreiber von Energieerzeugungsanlagen und Leitungsnetzen, die eine Versorgung Dritter mit Energie durchführten, der Erlaubnis nach § 5 Energiewirtschaftsgesetz. Auf die Inhaber des Unternehmens oder die Rechtsnatur des Unternehmens kam es dabei nicht an. In der Folgezeit sind noch weitere Verordnungen in Ausführung des Energiewirtschaftsgesetzes ergangen, die vornehmlich im Tarifsystem ihren Niederschlag gefunden haben. Dazu gehörten die Tarifordnung für elektrische Energie vom 25. 7. 193872, die Verordnung zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung vom 3. 9. 193973, die Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände (KAE) vom 4. 3. 194174 sowie die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der allgemeinen Geschäftsbedingungen für Energieversorger vom 27. 1. 194275. Darüber hinaus wurde in Hinsicht auf die Belange der Kriegswirtschaft die Koordinierung des gesamten Wirtschaftsbereiches durch Erlaß vom 29. 7. 194176 auf den Generalinspekteur für Wasser und Energie übertragen.

I. Gaswirtschaft – Vertrag über den Ferngasbezug vom 8. / 19. 4. 1941 Für die Stadt Lüdenscheid war regional die Bezirksgruppe Energieversorgung im Gebiet der Wirtschaftskammer Westfalen zuständig, die Ihren Sitz in Essen hatte. Unter Beteiligung dieser Stelle mußten zwischen 1930 und 1940 immer wieder Erneuerungen oder Umbauten am städtischen Gaswerk und seinem Versorgungsnetz vorgenommen werden, um die Gaserzeugung der wachsenden Nachfrage anzupassen. Innerhalb von 10 Jahren stieg die Zahl der Gasverbraucher in Lüdenscheid um mehr als 2.000. Der Zuwachs war vorwiegend auf die Verwendung des Gases als Kochgas zurückzuführen.77 Neue städtische Pläne, die Gaserzeugung durch Erweiterung der Schrägkammerofenanlage noch zu steigern, wurden jedoch vom Leiter der Reichsgruppe Energieversorgung Berlin, Wirtschaftsgruppe Gasund Wasserversorgung abgelehnt.78 Auf Weisung der Reichsgruppe mußte ein Gas71 Zur Entwicklung der Strömungen in der NSDAP bei der Neuordnung der Energieversorgung und den Auseinandersetzungen der Vertreter der kommunalen Selbstverwaltung mit den Vertretern der Konzernpolitik vgl. Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, S. 86; Matzerath, Nationalsozialismus, S. 381 ff.; Boll, S. 67 ff. 72 RGBl. I S. 915. 73 RGBl. I. S. 1607. (Es handelte sich um den sog. „Reichslastverteiler“). 74 RAnz. 1941 Nr. 57. 75 RAnz. 1942 Nr. 39. 76 RGBl. I S. 467. 77 Hostert, FS Stadtwerke Lüdenscheid 1958 / 59, S. 22. 78 STA Lüd. A 416, Verw.Ber. 1937 – 1941, S. 82.

D. Eingriffe in die Versorgungswirtschaft nach 1933

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lieferungsvertrag79 mit der Westfälischen Ferngas AG abgeschlossen werden. Für ein solches Abkommen zur Versorgung einer Stadt hatte die Westfälische Ferngas AG Anfang der 30er Jahre eine Vertragsnorm aufgebaut, die eine Gaslieferung unter Beibehaltung der kommunalen Verteilungshoheit vorsah. Auf der Grundlage des Gaslieferungsvertrages, an dessen Entwurf 1931 eine Anzahl kommunaler Fachleute, Gutachter und Vertreter kommunaler und industrieller Spitzenverbände mitwirkte, wurde nicht nur der Anschluß der zuerst versorgten Städte, sondern auch der im Laufe der Zeit erforderliche Neuanschluß von Städten durchgeführt.80 Der Standardvertrag wurde in einem Zeitraum von fast 20 Jahren benutzt. Der Vertrag über die Gaslieferung an die Stadt Lüdenscheid kam unter Ergänzung und Abänderung verschiedener Lieferbedingungen81 zustande, die – wie sich kurz nach Vertragsschluß hinsichtlich der Konzessionsabgaben herausstellte – nur teilwirksam waren.

1. Die Klauseln des Gaslieferungsvertrages Der Gaslieferungsvertrag enthielt in Anlehung an die üblichen Lieferungsverträge Regelungen über das Versorgungsgebiet, den Umfang und Zeitraum der Gaslieferung, die Belieferung von Großabnehmern, technische Anforderungen, Entgelt und Rechnungsstellung sowie über die Leistungspflichten in Fällen höherer Gewalt, das Wegerecht und über die Vereinbarung eines Schiedsgerichts für Vertragsstreitigkeiten. In § 1 des Gaslieferungsvertrages war die Verpflichtung der Westfälischen Ferngas AG zur Gaslieferung in das Gebiet des Vertragspartners nach Anschluß des städtischen Netzes über eine auf Kosten der Stadt zu bauende Leitung an die nächstgelegene Durchgangsleitung niedergelegt. Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt zur ausschließlichen Abnahme des Ferngases von der Westfälischen Ferngas AG und zur Stillegung ihrer eigenen Gaserzeugung bis zum 1. 10. 1943. Gleichzeitig wurde mit dem Abschluß des Vertrages das Versorgungsgebiet der Stadt dem Demarkationsgebiet der Westfälische Ferngas AG zugeschlagen. Der Stadt Lüdenscheid war ihrerseits eine Lieferung außerhalb des Stadtgebietes untersagt. Neben der allgemeinen Lieferpflicht waren – bei Berücksichtigung kriegsbedingter Beschränkungen – der Umfang der Gaslieferung für Lüdenscheid und die Kosten der Anschlußleitung geregelt. Der Stadt gelang es, der Westfälische Ferngas AG die Kosten der Anschlußleitung82 vertraglich aufzuerlegen. § 2 behielt die Belieferung der Großabnehmer grundsätzlich der Westfälische Ferngas AG vor. Dabei handelte es sich um Industrieanschlüsse mit über 125.000 cbm Jahresverbrauch. Die Gesellschaft beließ jedoch die Belieferung der Vertragssammlung der Stadt Lüdenscheid Nr. 33. FS 25 Jahre Westfälische Ferngas AG, S. 26. 81 Auch Zusatz- oder Sonderabkommen genannt. Es handelt sich um eine Individualvereinbarung als Zusatz zum Standardvertrag. 82 Bis zu einem Meter vor das Gaswerksgebäude (!). 79 80

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

vorhandenen Großabnehmer der Stadt und legte lediglich Wert auf die sechs interessantesten Abnehmer83, wofür sie der Stadt in Abänderung von § 2 des Gaslieferungsvertrages ein „Konzessionsentgelt“ versprach. § 3 des Gaslieferungsvertrages sicherte die besonderen Interessen der Ruhrgas AG, die Industrieunternehmen ihrer Aktionäre oder deren Konzernwerke unmittelbar beliefern durfte. Die §§ 4 bis 8 waren technische Klauseln, die das Messverfahren, die Bevorratung sowie Gasdruck und -qualität betrafen. Die §§ 9 bis 19 und § 22 regelten ausführlich die Gaspreise, die Tarife und deren Berechnung. Besonders hervorzuheben ist, daß der Gaspreis sich aus einem Grundpreis und zwei Zuschlägen pro Kubikmeter abgenommenes Gas zusammensetzte. Die Höhe der Zuschläge wurde nach dem in einer „Kohlenklausel“ festgelegten Verfahren zum Durchschnittskohlenverkaufspreis und nach dem in einer „Lohnklausel“ festgelegten Verfahren zum Handwerkerstundenlohn ermittelt. Da die Westfälische Ferngas AG nicht alle Endabnehmer für Gas in Lüdenscheid, sondern nur ausgesuchte Großabnehmer direkt belieferte, war sie nicht auf das bereits in den städtischen Straßen liegende Rohrnetz angewiesen. Soweit eine Konzessionsabgabe vereinbart war, lag also nur ein beschränktes Äquivalent vor, worauf im folgenden einzugehen ist.

2. Monopolklausel und Wegerecht Der Gaslieferungsvertrag verpflichtet die Stadt Lüdenscheid zur ausschließlichen Abnahme von Gas gegen ein Entgelt. In der vertraglichen Verpflichtung liegt die schuldrechtliche Zusicherung eines Liefermonopols zugunsten der Westfälische Ferngas AG, das sich ausschließlich nach § 1 des Gaslieferungsvertrages und seinen Nebenabreden richtete. Bei einem Gaslieferungsvertrag handelt es sich regelmäßig um einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB. Da die Stadt Lüdenscheid auch eine Konzessionsabgabe für die von der Westfälische Ferngas AG benannten Großabnehmer erhalten sollte, stellt sich die Frage, welches Äquivalent dafür einzusetzen war. Hier kommt das von den Parteien vereinbarte Wegerecht in § 21 des Gaslieferungsvertrages in Betracht: § 21 Wegerecht und Steuerfreiheit 1. Die Stadt verpflichtet sich, die ihrer Verfügung unterstehenden Wege, Straßen und Plätze ausschließlich der W.F.G zum Bau und Betrieb ihrer für die Gaslieferungen erforderlichen Leitungen mit Zubehör – auch zur Durchführung an außerhalb der Stadt gelegene Verbraucher – unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Linienführung ist nach Vereinbarung mit der Stadt festzulegen. 2. In gleicher Weise verpflichtet sich die Stadt, der Westfälische Ferngas AG ihre Wege, Straßen und Plätze für Leitungen, die im Besitz der Ruhrgas AG stehen, zur Durch83 Es handelte sich um die Firmen Schröder & Co., Gerhardi & Co., Ed. Hueck, Kremp & Hüttemeister, Westfälische Kupfer- und Messingwerke sowie Berg & Nolte.

D. Eingriffe in die Versorgungswirtschaft nach 1933

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leitung von Gas an Unternehmen der Aktionäre der Ruhrgas AG oder deren Konzernwerke sowie zur Verlegung der durchgehenden Gasrohrleitungen nach näherer Vereinbarung mit Westfälische Ferngas AG zur Verfügung zu stellen. 3. Die Stadt wird der Westfälische Ferngas AG alle aus Anlaß dieses Vertrages entstehenden kommunalen Steuern und Abgaben in dem Umfange zurückerstatten, wie die Aktionär-Gemeinden der Westfälische Ferngas AG dieses zugesichert haben.

Das Wegerecht wurde zunächst nicht für öffentliche und private Wege, Straßen und Plätze der Stadt unterschieden. Ein Wegerecht hätte damit auch an privaten Wegen im städtischem Eigentum zu bestellen sein können, da sich auch diese – nicht öffentlichen auf städtischem Grund liegenden – Wege im städtischen Eigentum und der städtischen (fiskalischen) Verfügung befanden. Hinsichtlich der öffentlichen Straßen ist das Wegerecht als ein Sondernutzungsrecht zu qualifizieren. Die Leitungen mußten an das vorhandene Netz und an das städtische Gaswerk herangeführt werden. Auch die benannten Großabnehmer mußten angeschlossen und die Durchleitung von Gas umgesetzt werden. Dieses Sondernutzungsrecht war – jedenfalls beschränkt auf die benannten Großabnehmer – Äquivalent zur Konzessionsabgabe, so daß der Gaslieferungsvertrag auch eine Teilkonzession für die Westfälische Ferngas AG enthielt. Sondernutzungen an öffentlichen Straßen richteten sich 1941 noch grundsätzlich nach § 2 II 15 ALR.84 Für die Sondernutzung kam es auf folgende Verwaltungsakte an: – die Verleihung des Sondernutzungsrechts durch den Magistrat als Wegepolizeibehörde und – die Zustimmung des Magistrats als Wegebaubehörde zur Sondernutzung.

Daneben standen die eigentlichen vertraglichen Abreden zwischen der Stadt als Wegeeigentümerin und dem Unternehmer. Der Gaslieferungsvertrag entspricht ebenso wie der Stromlieferungsvertrag von 1907 einer alle Erklärungen umfassenden Urkunde in Form eines Vertrages. Er enthält neben den Leistungsbestandteilen der Gaslieferung – jedenfalls konkludent – die Verleihung des Sondernutzungsrechtes an den Lüdenscheider Ortsstraßen durch Verwaltungsakt des Lüdenscheider Magistrats an den Unternehmer sowie die – insoweit ebenso konkludente – Zustimmungserklärung des Magistrats als Wegebaubehörde und die Vereinbarungen zwischen der Stadt als Eigentümerin der Straßen und der Westfälischen Ferngas AG durch privatrechtlichen Vertrag. In Anerkennung der nach der Theorie des Konzessionsverhältnisses85 durchgeführten Trennung der Verwaltungsakte des öffentlichen Rechts von den vertraglichen Vereinbarungen des bürgerlichen Rechts war auch der Gaslieferungsvertrag ein Vertrag sui generis, da er eine Konzessionsklausel auf der Grundlage des faktischen Monopols des Straßen- und Wegerechts enthielt.

84 85

Vgl. oben Teil I A. I. 4. d) bb) u. II. 2. a). Vgl. oben Teil I A. II. 2. c) ee).

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

3. Die Folgen des Vertragsschlusses auf „Weisung“ Seit 1907 war von der Stadt keine Teilkonzession mehr für leitungsgebundene Versorgungsgüter erteilt worden. Die Ortsgaserzeugung und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Stadt Lüdenscheid in der Gasversorgung wurden durch die Weisung der Behörde des Generalinspekteurs 1941 vorläufig beendet.86 Die eigenständige Gaserzeugung mußte für eine zentral gesteuerte Verbundversorgung aufgegeben werden. Daß es sich bei dem Netz der Westfälische Ferngas AG um ein System der Verbundwirtschaft handelte, läßt sich mit der Anbindung an die Ruhrgasleitungen begründen, die mit dem Gas verschiedener Zechen gespeist wurden. Das Gas wurde wiederum in verschiedene Ortsnetze eingespeist. Ursache für die zwangsweise Anbindung an die Verbundwirtschaft ist weder eine Rentabilitäsrechnung des städtischen Gaswerkes im Jahr 1941 noch eine Bewertung der städtischen Versorgungsinteressen gewesen.87 Vielmehr lag als Grund eine Erhöhung des Absatzes von Zechengas über das Ferngasnetz der Westfälische Ferngas AG nahe. Der Einschnitt in die Privatautonomie der Stadt wird von Seiten der Bezirksgruppe Energie wohl lediglich mit dem Hinweis auf Reichsinteressen begründet gewesen sein. Nähere Belege dazu konnten den Archiven jedoch nicht entnommen werden. Die Nebenabreden oder – um bei dem von den Parteien gewählten Begriff zu bleiben – das Zusatzabkommen zwischen der Westfälische Ferngas AG und der Stadt Lüdenscheid modifizierte den Standardvertrag in 10 Einzelpunkten, wobei die behördlichen Belange der Kriegswirtschaft und energiewirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen starke Berücksichtigung fanden. Für das Zusatzabkommen und den Standardvertrag wurde von den Vertragsparteien ein beiderseitiger Vorbehalt vereinbart, der in der Erfüllung gesetzlicher Bestimmungen oder zwingender behördlicher Maßnahmen bestand. Das Versorgungsgebiet wurde zudem durch eine beigefügte Karte als „Interessengebiet“ umrissen. In Nr. 5 des Zusatzabkommens ließ die Stadt Lüdenscheid sich eine Konzessionsabgabe für die direkte Belieferung ausgewählter Großabnehmer durch die Westfälische Ferngas AG versprechen. Die Hoffnung auf ein Konzessionsentgelt für die Belieferung der Großabnehmer zerschlug sich für die Stadt Lüdenscheid allerdings schnell. In einem Begleitschreiben zur Übersendung des unterzeichneten Gaslieferungsvertrages vom 19. 4. 194188 machte die Westfälische Ferngas AG auf die Nichtigkeit der Vereinbarung der Konzessionsabgabeklausel aufmerksam. Mit der Anordnung des Reichskommissars für Preisbildung vom 4. März 1941 über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände89 bestand eine neue 86 Zur Inbetriebnahme des Gasrohrnetzes nach dem Krieg und zur Wiederaufnahme der Ortsgasproduktion vgl. Amtliche Bekanntmachung der Militärrregierung Deutschland, Britisches Hoheitsgebiet, Lüdenscheid Nr. 40 vom 25. 8. 1945. 87 Jedenfalls konnten solche nicht gefunden werden. 88 Vertragssammlung der Stadt Lüdenscheid Nr. 33. 89 RAnz. 1941 Nr. 57.

D. Eingriffe in die Versorgungswirtschaft nach 1933

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gesetzliche Vorschrift i. S. v. § 134 BGB. Die Anordnung zielte auf eine Verbilligung der Versorgungsgüter, indem bestehende Konzessionsabgaben der Höhe nach eingefroren wurden, die Neueinführung von Konzessionsabgaben verboten und bei Gemeinden unter 3.000 Einwohnern abgeschafft wurde. Es ist zu vermuten, daß die Reichweite der Anordnung den Vertragsparteien noch nicht bekannt war, da zwischen dem Erlaß der Anordnung und dem Vertragsschluß nur rund vier Wochen lagen. Die Westfälische Ferngas AG konnte die ausgewählten Großabnehmer nunmehr abgabenfrei beliefern. Für die Stadt Lüdenscheid war damit einzig der Umstand positiv zu bewerten, daß sie die Versorgung der örtlichen Verbraucher mit Ausnahme der Großabnehmer selbst weiter durchführen konnte.

II. Elektrizitätswirtschaft und Wasserwirtschaft nach 1933 Die Entwicklung in der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft nach 1933 weist für die Stadt Lüdenscheid keine so einschneidenden Veränderungen wie in der Gasversorgung auf. Die Verbundorientierung in der Elektrizitätswirtschaft erfolgte bereits in den 20er Jahren, während die regionale Wasserwirtschaft über ein Verbundsytem durch Rohrleitungen erst nach dem Untersuchungszeitraum verfügte. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und die Kriegswirtschaft hinterließen jedoch auch hier ihre Spuren und führten – für die Bevölkerung spürbar – zu Störungen bzw. kriegsbedingten Maßnahmen. Der Leiter der Bezirksgruppe Westfalen in der Wirtschaftsgruppe Elektrizitätsversorgung, Vaupel, teilte dem Regierungspräsidenten zu Arnsberg am 20. 7. 1935 kurz und bündig seine Bestellung unter dem Hinweis mit, daß für die diesbezügliche Arbeit des Regierungspräsidenten die Bezirksgruppe jederzeit „zur Verfügung stehe.“90 Die Bezirksgruppe in Essen nahm vor allem planerischen Einfluß in der Ausführung des Energiewirtschaftsgesetzes. Die erforderlichen Informationen erhielt sie auf Grund der schon angesprochenen Verordnung über die Mitteilungspflicht in der Energiewirtschaft vom 30. 7. 1934. Die städtischen Energieversorgungsbetriebe waren insoweit verpflichtet, die Stillegung, den Neubau und die Erweiterung von Energieanlagen sowie die Änderung von Tarifen mitzuteilen. Die Rechtsfolgen waren ungeregelt und der parteilichen Intervention daher keine Grenze gesetzt. Als Beispiel für die Planungstätigkeit ist eine groß angelegte Erhebung der Wirtschaftsgruppe Elektrizitätsversorgung aus dem Jahr 1941 zu nennen, mit der im Auftrag des Generalinspektors für Wasser und Energie der zukünftige Bedarf im Bereich der lokalen Stromversorgung ermittelt wurde.91 Die Stromverteilung wurde ab 1939 über den sogenannten „Reichslastverteiler“ auf der Grundlage von § 13 Energiewirtschaftsgesetz geregelt. Dabei handelte es sich um eine BehörSTAA Münster, Reg. Arnsberg Nr. 1437. STA Lüdenscheid, Sammlung Dokumente zur Stadtgeschichte, Stadtwerke Lüdenscheid, Brief des Generalinspektors für Wasser und Energie Planungsbezirk XIII und XIV / Essen an die Stadtwerke Lüdenscheid vom 28. 10. 1941. 90 91

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

de des Generalinspektors für Wasser und Energie mit eigenem Verwaltungsunterbau, der auch unter Kriegsverhältnissen eine ausreichende Stromversorgung gewährleisten sollte. In den Akten des städtischen Elektrizitätswerkes finden sich zahlreiche Rundschreiben und Anordnungen, die auf die Arbeit dieser Behörde zurückgingen. Ein erheblicher Aufwand entstand den Stadtwerken durch die Ermittlung des voraussichtlichen Energiebedarfes bis 1945. Die mit Priorität versehenen Anforderungen der heimischen Rüstungsgüterindustrie und die Beheizung von Luftschutzkellern waren ebenso zu berücksichtigen wie die zu erwartende Ersparung von Energie bei Straßen- und Wohnungsbeleuchtung auf Grund der Verdunklungsmaßahmen. Die Verbundwirtschaft im Elektrizitätsbereich ist bis 1945 auf der Ebene des Deutschen Reiches wesentlich von den Anforderungen der Kriegswirtschaft geprägt worden.92 Die kommunale Wasserwirtschaft ist im Zeitraum 1933 – 1945 im wesentlichen von Eingriffen verschont geblieben. Der Ruhrtalsperrenverein betrieb bis über das Ende des 2. Weltkrieges hinaus den Bau der neuen Versetalsperre, für die sich die Stadt Lüdenscheid im Wege einer Austauschschenkung bereits im Jahr 1929 die Lieferung von Wasser gesichert hatte.93 Die Talsperren im südlichen Westfalen besaßen für die Alliierten im 2. Weltkrieg eine strategische Bedeutung. Möhne- und Sorpetalsperre bildeten zu Beginn des Krieges mit 80 % des Stauraumes die Eckpfeiler der Wassermengenbewirtschaftung der Ruhr. Das Ruhrgebiet war ein Zentrum der Rüstungsindustrie und deren Leistungsfähigkeit hing unter anderem von einer regulierten Wasserzufuhr ab. Möhne und Sorpe waren 1943 und 1944 Ziel von Bombenangriffen, bei denen die Staumauern zerstört wurden. Bei der Möhnekatastrophe fanden 1.200 Menschen den Tod.94

E. Die Stadtverwaltung und die Organisation der städtischen Versorgungsbetriebe in Lüdenscheid nach 1920 Der in der Kommunalisierungsphase erreichte Stand der gemeindewirtschaftlichen Entwicklung im Versorgungsbereich hat die urbane Qualität Lüdenscheids nachhaltig geprägt. Die Leistungsverwaltung bestand nach 1920 jedoch nicht nur in der gemeindewirtschaftlichen Betätigung. Die kommunale Sozialpolitik95 stand 92 Vgl. dazu Windel, S. 314; Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 194; Boll, S. 80 ff. 93 Lüdenscheider Nachrichten vom 29. / 21. 4. 1991: Vom ersten Spatenstich bis zur Einstauung vergingen 20 Jahre. Für die Entwicklung der Ruhrverbände unter der nationalsozialistischen Herrschaft muß auf das Schrifttum verwiesen werden. Vgl. auch FS 75 Jahre Ruhrverband / Ruhrtalsperrenverein, S. 55 ff. 94 FS 75 Jahre Ruhrverband / Ruhrtalsperrenverein, S. 112 ff. 95 Vgl. Simon, S. 255.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

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nach dem ersten Weltkrieg zunächst im Mittelpunkt und vor großen Herausforderungen. Bevor die wichtigsten Veränderungen in der städtischen Verwaltung beschrieben werden, wird nachfolgend zunächst auf das Bevölkerungswachstum und die wirtschaftliche Lage eingegangen.

I. Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Lage zwischen 1920 und 1945 Die Bevölkerungszahl im Jahr 1920 weist mit 31.841 Einwohnern gegenüber dem Vorjahr, das gleichzeitig als Schnittjahr der Phaseneinteilung dieser Untersuchung anzusehen ist, einen Rückgang von 4,6 % aus.96 Die Auswirkungen des ersten Weltkrieges waren in einer starken Abwanderungsbewegung erkennbar. Bis 1924 stieg die Einwohnerzahl geringfügig auf 32.794 an, wobei diese Entwicklung von einem stetigen Geburtenüberschuß begleitet wurde. Die Wanderungsgewinne trugen nur in begrenztem Umfang zur Erhöhung der Bevölkerungszahl bei, da im Jahr 1923 ein starker Wanderungsverlust durch Auswanderungen nach Übersee zu verzeichnen war.97 Ein deutlicher Sprung in der Einwohnerzahl ist erst ab 1930 erkennbar. 1933 lebten 35.659 Einwohner in der Stadt. 1938 bis 1940 stagnierte die Einwohnerzahl bei rund 40.750 Einwohnern, um dann bis 1945 auf 45.191 zu steigen. Der Geburtenüberschuß war dabei insbesondere zwischen 1937 und 1941 mit jährlich rund 289 Neugeborenen besonders hoch. Ab 1941 ging der Geburtenüberschuß stark zurück. Die Entwicklung im Bereich der Wanderungsgewinne zeigt einen hohen Zuwanderungsgewinn vor Beginn des zweiten Weltkrieges, dem dann bis 1941 erhebliche Wanderungsverluste folgten. Zwischen 1920 und 1945 wuchs die Bevölkerungszahl um 13.350 Einwohner. Das entspricht einer Zunahme von rund 42 %. Die wirtschaftliche Lage nach 1920 war im wesentlichen noch von den Kriegsfolgen des ersten Weltkrieges geprägt. Der Mangel an Rohstoffen und Verbrauchsgütern führte auch unter der Lüdenscheider Bevölkerung zu großer Not. Während sich in der Bevölkerung insbesondere die allgemeine Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und karge Lebensmittelversorgung bemerkbar machten, stand der Industrie die schwierige Umstellung ihrer Produktion von Rüstungsgütern auf Handelsgüter bevor. Die geringe Inlandsnachfrage der privaten Haushalte für Güter der Metall- und Aluminiumwarenindustrie während der Kriegsjahre wurde durch eine kurze Periode starker Nachfrage abgelöst, die jedoch im Frühjahr 1921 zum Erliegen kam. Der Export litt zudem unter den außenpolitischen Hemmnissen und der Schutzzollpolitik. Die Besetzung des Ruhrgebiets verschärfte die Rohstofflage, und auch die Energielieferungen wurden erheblich gestört, so daß die Produktion eingeschränkt 96 Die nachfolgenden Bevölkerungszahlen beruhen auf Angaben des Statistischen Amtes der Stadt Lüdenscheid, Bevölkerungsbewegung und Bevölkerungsstand seit 1900. 97 Strodel, S. 157; vgl. auch Hostert, Der Aufstieg der Stadt Lüdenscheid zur modernen Mittelstadt, in: Lüdenscheid, Industriestadt auf den Bergen, S. 41.

15 Heider

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

werden mußte.98 Zahlreiche Streiks spitzten die wirtschaftliche Lage zu.99 Mit der Einführung der Goldmark als Notgeld 1923 und der Reichsmark im Jahr 1924 wurde die Inflation eingedämmt. Zugleich setzte eine wirtschaftliche Konsolidierungsphase ein, die bis zur Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre anhielt. 1933 bis 1935 gaben erste Rüstungsaufträge der Lüdenscheider Industrie Impulse. Die einsetzende Nachfrage und die Rüstungsproduktion ergaben einen günstigen Konjunkturverlauf, der im metallverarbeitenden Bereich bis zum Kriegsende anhielt und demzufolge die Arbeitslosigkeit verminderte.100 Die Nachfrage im lokalen Baugewerbe wurde durch den Bau von Kasernen und Siedlungen bestimmt.101 Der allgemeine Konjunkturverlauf zwischen 1920 und 1945 ist gekennzeichnet von der Krise des Jahres 1923 und der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre.

II. Die Entwicklung der Stadtverwaltung bis 1945 Die Veränderungen der städtischen Verwaltungsstruktur in der Phase zwischen 1920 und 1945 stehen im Zeichen der Optimierung der vorhandenen Einrichtungen und Abläufe, der Milderung und Beseitigung der Kriegsfolgen und der Umsetzung des neuen Typs der Gemeindeverfassung nach 1935 sowie der dazu erlassenen Verordnungen, die zusammen mit dem Energiewirtschaftsgesetz die gemeindewirtschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Versorgung nachhaltig beeinflußt haben.

1. Die Kommunalverfassung Von der kommunalen Neugliederung des Jahres 1929 im rheinisch-westfälischen Industriegebiet blieb das Lüdenscheider Gemeindegebiet unberührt. Nur eine Grenzberichtigung im Jahr 1930 brachte einen geringen Flächenzuwachs von 9,74 ha. 1935 wurde durch das Gesetz über die Grenzregulierung zwischen der Stadt und der Landgemeinde Lüdenscheid das Stadtgebiet um 276 Hektar vergrößert. Dies geschah, um Siedlungsgelände zur Behebung der empfindlichen Wohnungsnot in der Stadt zu gewinnen.102 Der Wandel von der alten Westfälischen Städteordnung zur neuen Kommunalverfassung wurde am 15. 12. 1933 mit dem Erlaß des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes103 vollzogen und war ein erheblicher Einschnitt in die Struktur Vgl. oben Teil III A. II. 2. Strodel, S. 156; Simon, S. 251. 100 Zur Struktur der Lüdenscheider Industrie vgl. Hostert, Aus der Geschichte der Lüdenscheider Industrie im 19. Jahrhundert, in: Lüdenscheid – Industriestadt auf den Bergen, S. 178 ff. 101 STA Lüd. A 415, Verw.Ber. 1934 – 1937, S. 15 ff. 102 STA Lüd. A 415, Verw.Ber. 1934 – 1937, Vorwort. 103 PreußGS. S. 428. 98 99

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

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der kommunalen Selbstverwaltung. Seit 1856 bestand in der Stadt eine kollegiale Magistratsverfassung nach dem Vorbild der Städteordnung für die fünf östlichen Provinzen des Deutschen Reiches. Nach 77 Jahren wurde die Westfälische Städteordnung zunächst durch das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz abgeändert und entsprechend dem nationalsozialistischen Führerprinzip auf den Oberbürgermeister als Verwaltungsorgan ausgerichtet. Die kollegiale Amtsführung von hauptamtlichen Magistratsmitgliedern und unbesoldeten Ratsherren wurde damit aufgehoben. Der Oberbürgermeister hatte gem. § 27 Abs. (2) des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes alle Entscheidungen in voller und ausschließlicher Verantwortung zu treffen. Die Verantwortung für die Führung der städtischen Verwaltung und die Erledigung aller Aufgaben – insbesondere der Selbstverwaltungsaufgaben – bestand ausschließlich gegenüber den übergeordneten staatlichen Aufsichtsstellen und nicht mehr gegenüber den Vertretern der Bürgerschaft, so daß die Regelung von Beschlußverfahren unterbleiben konnte.104 Die eingesetzten Beigeordneten waren nach § 29 Abs. (1) des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes mit der Vertretung und Hilfeleistung des Oberbürgermeisters bei den Verwaltungstätigkeiten beauftragt. In Städten der Größenordnung zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnern wurden die Beigeordneten nach § 32 Abs. (1) Preußisches Gemeindeverfassungsgesetz grundsätzlich ehrenamtlich bestellt. Es bestand aber die Möglichkeit nach § 30 Abs. (2) Preußisches Gemeindeverfassungsgesetz auch andere Beamte und Angestellte mit der Vertretung für bestimmte Arbeitsgebiete zu beauftragen. Die Gemeinderäte als Vertreter der Bürgerschaft wurden nicht mehr gewählt, sondern gem. § 40 Preußisches Gemeindeverfassungsgesetz berufen und hatten nur beratende Funktion. Das Gesetz sah bei der Ernennung aller Gemeindeorgane und ihrer Vertreter die Konsultation und das Vorschlagsrecht der NSDAP und ihrer Funktionsgliederungen vor. Die Einflußmöglichkeit der Partei auf der unteren Ebene der Staatsverwaltung war damit auch formell geschaffen worden. Schon die in § 1 des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes zusammengestellten Grundlagen der Gemeindeverfassung gingen im Kern nicht mehr von einer reinen gemeindlichen Selbstverwaltung aus, sondern nur noch von der „Förderung und Pflege der örtlichen Gemeinschaft“ im Rahmen der Gesetze, im Einklang mit den Zielen der Staatsführung und unter eigener Verantwortung der Gemeinde. Die kommunale Selbstverwaltung war damit ihrer demokratischen Legitimation beraubt. Die nachfolgende Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. 1. 1935105 hat darüber hinaus in zweifacher Weise zu starken Veränderungen in der Verwaltung geführt. Einerseits ist die Struktur der kommunalen Verfassung reichseinheitlich geändert worden und andererseits ist – was für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist – die gemeindewirtschaftliche Betätigung durch kompetenzbindende Normen neu geordnet worden. Die Deutsche Gemeindeordnung knüpfte zwar in ihrer Präambel und in § 1 Abs. (2) Deutsche Gemeinde104 105

15*

Engli / Haus, Einleitung zur Deutschen Gemeindeordnung, S. 673. RGBl. I S. 49.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

ordnung formelhaft an den Gedanken der Selbstverwaltung an, blieb aber in der funktionell-faktischen Ausgestaltung dem bereits im Preußischen Gemeindeverfassungsgesetz eingeschlagenen Weg der nationalsozialistischen Derogation und der schlichten Eingliederung der Gemeindeverwaltung in die „mittelbare Staatsverwaltung“ verhaftet. Die Verwaltung der Gemeinde – im fünften Teil in den §§ 32 bis 59 der Deutschen Gemeindeordnung zusammengefaßt – stützte sich im wesentlichen auf den Oberbürgermeister als Leiter der Verwaltung, der von Beigeordneten unterstützt und vertreten wurde. Die Zahl der Beigeordneten wurde gem. § 34 Abs. (1) Deutsche Gemeindeordnung von der Hauptsatzung der Stadt bestimmt. Die Gemeinderäte wurden nach § 51 Deutsche Gemeindeordnung vom Beauftragten der NSDAP im Benehmen mit dem Oberbürgermeister berufen und hatten in den Städten den Titel „Ratsherren“. Wichtige Angelegenheiten waren vom Oberbürgermeister mit den Ratsherren zu beraten. Diesen war dabei nach § 55 Abs. (1) Deutsche Gemeindeordnung „Gelegenheit zur Äußerung“ zu geben. Nach § 55 Abs. (1) Nr. 7 Deutsche Gemeindeordnung traf dies auch auf die Umwandlung der Rechtsform von Eigenbetrieben oder Unternehmen zu, an denen die Gemeinde nach außen beteiligt war. § 57 Abs. (2) Deutsche Gemeindeordnung stellte jedoch heraus, daß eine Abstimmung der Gemeinderäte darüber nicht stattzufinden hatte. Die Deputationen und Kommissionen der Westfälischen Städteordnung von 1856 wurden abgeschafft. Den nach der Hauptsatzung gemäß § 58 Deutsche Gemeindeordnung zu bildenden Beiräten für einzelne Verwaltungszweige kam eine beratende Mitwirkung zu. Die Hauptsatzung der Stadt Lüdenscheid vom 6. August 1935106 setzte nach § 39 Abs. (2) der Deutschen Gemeindeordnung fest, daß der Oberbürgermeister, der Bürgermeister und der Stadtbaurat hauptamtlich angestellt wurden. Daneben waren zwei ehrenamtliche Beigeordnete zu berufen. Die Zahl der Ratsherren wurde auf 16 festgesetzt. Die Zahl der Deputationen und Ausschüsse hatte nach 1919 eine stürmische Entwicklung erlebt. Der Verwaltungsbericht für die Jahre 1925 bis 1926 verzeichnete schon 27 Deputationen und Ausschüsse für verschiedene Verwaltungsaufgaben.107 Nach Einführung der Deutschen Gemeindeordnung wurden nur noch acht Beiräte mit jeweils sechs Ratsherren für folgende Verwaltungszweige berufen108: – für allgemeine und finanzielle Angelegenheiten, – für die städtischen Betriebe, – für den Schlachthof, – für das Krankenhaus, – für die Bauverwaltung, 106 107 108

STA Lüd., Ortsrechtssammlung. STA Lüd. A 409, Verw.Ber. 1925 bis 1926, S. 10. STA Lüd., Ortsrechtssammlung.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

229

– für das Wohlfahrtswesen, – für Jugendpflege und Leibesübungen, – für Verkehr und Heimatpflege.

Bis zum 31. 3. 1937 wurden noch folgende Beiräte berufen.: – Volksschulbeirat, – Schulvorstand der Berufsschule und – Volksbildung.

Durch die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung wurde damit die Anzahl der kommunalen Beratungsgremien insgesamt (der früheren Stadtratsausschüsse, Deputationen und Kommissionen) deutlich reduziert und die aktive Verwaltungstätigkeit (der früheren Deputationen und Kommissionen) eingestellt.

2. Verwaltungsgliederung, Geschäfts- und Aufgabenverteilung Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg stellte die städtische Verwaltung organisatorisch vor neue Herausforderungen und war zunächst geprägt von umfangreichen Anstrengungen zur Beseitigung der unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgen. Ruhrbesetzung und Inflation forderten neue Steuerungsmaßnahmen, um die allgemeine Knappheit zu mildern. Die wichtigsten Maßnahmen der Nachkriegsjahre waren deshalb im sozialem Bereich und zur Bekämpfung der Inflation zu treffen.

a) Wohnraumbeschaffung, Wohlfahrtswesen, Arbeitsnachweis Schon seit 1919 / 1920 wurde ein städtischer Wohnungsnachweis geführt, der zunächst dem Meldeamt angegliedert war und dann zum Wohnungsamt ausgeweitet wurde, das der Bauverwaltung unterstand. Die Beseitigung des Wohnungsmangels gehörte zu den dringendsten Problemen. Während des Krieges bestand ein Verbot der Neubautätigkeit und auf Grund des Mangels an Baumaterialien war die Lage auf dem Wohnungsmarkt angespannt. Viele junge Ehepaare konnten keinen eigenen Hausstand gründen, Flüchtlinge und heimkehrende Soldaten fanden kein Obdach und eine Vielzahl von Wohnungen wurde als Geschäftsräume benutzt.109 Seit 1917 bestand zwar eine Wohnungsmeldepflicht110, aber erst durch eine Polizeiverordnung vom 1. 1. 1919 kam es in Lüdenscheid zu einer stärkeren Einflußnahme der Stadt auf die lokale Bewirtschaftung des Wohnungsraumes. Durch eine Reihe weiterer Verordnungen wurde – unter Einschränkung der Privatautonomie – vorhandener Wohnraum zu günstigen Preisen unter den Wohnungssuchenden vom STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 25. Verordnung des kommandierenden Generals des VIII. Armeekorps über die Wohnungsmeldepflicht von 1917. 109 110

230

Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

Magistrat verteilt.111 Auch Zwangsmaßnahmen zur vorübergehenden Unterbringung blieben nicht aus. Als unabhängige Stelle wurde das Mieteinigungsamt gem. der Verordnung zum Schutz der Mieter vom 23. 9. 1918112 eingerichtet. Der Neubau von Wohnungen kam zunächst wegen des Materialmangels nur langsam voran. Zwischen 1920 und 1930 wurden jedoch ca. 1.000 städtische Wohnungen gebaut. Die Stadt kaufte zur Behebung des lokalen Materialnotstandes am 1. 10. 1923 das am Ort bestehende Ziegelwerk und führte es als „Städtisches Ziegelwerk Lüdenscheid“ weiter. Bereits 1924 wurden ca. 3,2 Millionen Rohlinge für Bauzwecke verkauft. Der zunehmende Kraftfahrzeugverkehr machte darüber hinaus einen stetigen Ausbau des Straßennetzes erforderlich. Die Wohlfahrtsverwaltung erfuhr nach dem ersten Weltkrieg durch eine Fülle von Gesetzen und Verordnungen, insbesondere aber durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz vom 9. 7. 1922113 und die Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. 2. 1924114, eine grundlegende Änderung. Die Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht übertrug den Gemeinden neue Aufgaben auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege. Nicht nur die Armenfürsorge, sondern auch die soziale Fürsorge für die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, die Fürsorge für die Rentenempfänger der Invaliden- und Angestelltenversicherung115, die Fürsorge für die Kleinrentner, die Fürsorge für die Schwerkriegsbeschädigten und Schwererwerbsbeschränkten, die Fürsorge für hilfsbedürftige Minderjährige und die Wöchnerinnenfürsorge waren durch den Bezirksfürsorgeverband zu gewährleisten. Die Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht installierte als örtliche, finanzielle Träger der Fürsorge die Bezirksfürsorgeverbände. In den Ausführungsgesetzen der Länder wurden dazu die kreisfreien Städte und Landkreise bestimmt. Nach § 8 des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes und nach § 2 der Preußischen Ausführungsverordnung zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 30. 5. 1932116 handelte es sich um Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden. Die Gemeinde war in der Gestaltung der Aufgaben im Rahmen der Gesetze frei und hatte den Großteil der Leistungen aus dem Steueraufkommen zu finanzieren. Das Wohl der Bürger wurde damit in die besondere örtliche Verantwortung der Entscheidungsträger gestellt.117 In Lüdenscheid ist 1923 zunächst die Bildung eines Vereins für Wohl111 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 25. Die Maßnahmen der Verordnungen bestanden im Verbot der Zweckentfremdung und Zusammenlegung von Wohnraum sowie der Vergütungsforderung für den Nachweis desselben, der (inhaltlichen) Festlegung von Mietverträgen und ihrem Zustandekommen durch den Magistrat, der Anzeigepflicht von freiem Wohnraum, der Vorbehaltskündigung unter Zustimmung des Magistrates und der Begrenzung der Mietpreise. 112 RGBl. I Bd. 2 S. 1135. 113 RGBl. I S. 633. 114 RGBl. I S. 866. 115 Nur soweit sie nicht den Versicherungsträgern zufiel. 116 PrGS. S. 204. 117 Schräder, Kommunale Sozialpolitik, in: HKWP, Bd. II, S. 270.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

231

fahrtspflege hervorzuheben, in dem private und kirchliche Wohlfahrtsvereine mit den städtischen Ämtern zusammenarbeiten konnten.118 Damit sollte der Zersplitterung der Tätigkeiten auf dem Gebiet der öffentlichen und privaten Wohlfahrtspflege entgegengewirkt werden. Auf Grund der vorstehend geschilderten gesetzlichen Neuregelungen wurde mit einer Vorlage über die Organisation des Wohlfahrtsverbandes am 13. 4. 1926 das Wohlfahrts- und Fürsorgewesen in Lüdenscheid neu gegliedert. Der Wohlfahrtsverwaltung wurden Gesundheitsamt, Unterstützungsamt – das neben der Armenfürsorge die „gehobene“ Fürsorge auf Grund der neuen gesetzlichen Aufgaben umfaßte – und das Jugendamt unterstellt.119 Gab es noch zu Kriegszeiten eine starke Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, so stieg die Erwerbslosenzahl in der Stadt Lüdenscheid 1920 / 21 auf 514 und 1923 / 24 sogar auf 835.120 Bereits am 17. 10. 1919 fand auf Initiative des Landesarbeitsamtes eine Besprechung der Vertreter für die Arbeitsnachweise des Kreises Altena und der Stadt Lüdenscheid statt. Es wurde daraufhin ein Bezirksarbeitsnachweis in Lüdenscheid eingerichtet, der für beide Gebiete koordinierend tätig war. Das Angebot von Arbeitskräften in der Region sollte so optimal verteilt werden. Die Verwaltungskontrolle übte ein Ausschuß mit 16 Mitgliedern aus, der sich aus Vertretern der örtlichen Nachweisämter des Kreises und 8 Vertretern der Stadt zusammensetzte. Die auf Grund des Gesetzes über den Arbeitsnachweis vom 22. 7. 1922121 später geschaffenen Zweckverbände konnten auf diese Strukturen zurückgreifen. Auch das Berufsamt der Stadt Lüdenscheid wurde in dieser Zeit verstärkt tätig. Die öffentliche Berufsberatung durch das Berufsamt war durch Satzung vom 25. 11. 1919122 geschaffen worden und wurde über einen Beirat, der sich aus Vertretern von Handel, Industrie und Handwerk, den Gewerkschaften, Lehrern und den Fachberatern zusammensetzte, verwaltet.

b) Städtische Finanzplanung und -kontrolle Oberbürgermeister Dr. Jockusch richtete am 20. 2. 1922 eine Finanzabteilung ein, die als selbständige Magistratsabteilung der Abt. I angegliedert wurde.123 Der Aufbau der neuen Abteilung sollte „allmählich unter Beiziehung der verstreuten und uneinheitlichen Vorgänge“ erfolgen. Die Aufgaben der Abteilung bestanden in der Zusammenfassung und Überwachung der gesamten städtischen Finanzwirtschaft sowie der volkswirtschaftlichen Statistik. Aufgabe der in der Abteilung ein118 Strodel, S. 155. Die Satzung des privaten Vereins wurde am 30. 4. 1923 einstimmig angenommen. 119 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 34 ff. 120 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 40. 121 RGBl. I S. 657. 122 STA Lüd. A 408, Verw.Ber. 1914 – 1925, S. 40. 123 STA Lüd. A 114.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

gesetzten Beamten war es vor allem, Haushaltspläne zu prüfen und zu überwachen, Übersichten und Zwischenbilanzen zu führen, Rechnungen zu kontrollieren, Sparmaßnahmen vorzuschlagen und Tarife für die städtischen Betriebe auszuarbeiten.124 Darüber hinaus waren Steuerfragen mit Bezug zu den Gemeindefinanzen und der Geldbedarf der Stadtkasse zu bearbeiten. Die Übernahme wesentlicher finanzabhängiger Steuerungsfunktionen in die Finanzabteilung konnte die einzelnen Verwaltungen und Betriebe entlasten, den Informationsstand der Verwaltungsleitung verbessern und gemeindewirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen vorbereiten.

c) Organisationsmaßnahmen und Dienstverfügungen nach 1923 1924 wurden als besondere Ämter das Schulamt, das – nunmehr eigenständige – Polizeiamt und das Bauamt errichtet. Bis 1925 kamen die Rechtsabteilung und das Untersuchungsamt hinzu. Am 20. 1. 1927 gab Oberbürgermeister Dr. Jockusch eine neue Bezeichnungsverfügung der Verwaltungsabteilungen auf der Grundlage der geltenden Satzungen und Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung bekannt.125 Die Verwaltungszweige wurden jetzt in der Gliederungseinheit einer „Verwaltung“ mit Abteilungen bzw. Ämtern zusammengefaßt: I a Hauptverwaltung, Personalabteilung, Jugendpflege, Rechtsabteilung, Stadtausschuß b Schulamt, Kirchenwesen, Arbeitsgericht c Finanzabteilung, Nachrichtenstelle, Statistik II a b c d e f

Bauverwaltung, Hochbauamt Tiefbauamt Grundstücksamt Vermessungsamt Wohnungsamt Mieteinigungsamt

III a Polizeiverwaltung b Polizeivollzugsdienst c Einwohnermeldeamt IV (Wohlfahrtsverwaltung)126 a Unterstützungsamt A (Allgemeine Fürsorge) b Unterstützungsamt B (Kriegsbeschädigten-, Hinterbliebenen-, Sozialrentner-, Kleinrentner- und Erwerbslosenfürsorge) c Jugendamt d Gesundheitsamt 124 Diese Funktionen werden in der heutigen Verwaltungswissenschaft unter dem Begriff „Controlling“ zusammengefaßt. 125 STA Lüd. A 114. 126 Zusatz des Verfassers.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

233

V Steueramt VI Stadthauptkasse VII Versicherungsamt Die Betriebsverwaltungen, Standesamt, Arbeits- und Berufsamt sowie der Bezirksarbeitsnachweis waren als besondere Dienststellen nicht numeriert. Für die städtischen Betriebe kommt damit noch einmal die Sonderstellung zum Ausdruck, die sie mittlerweile auf dem Gebiet der Gemeindewirtschaft einnahmen. Die städtischen Betriebe sind insbesondere über die Finanzabteilung Ic überwacht worden. Als Betriebsverwaltungen waren vermutlich auch die Anstalten und Einrichtungen gemeinnütziger Art anzusehen. Wie aus dem Verwaltungsbericht für die Zeit von 1914 bis 1925127 hervorgeht, wurden dazu das städtische Krankenhaus, die Badeanstalt, der Schlachthof und das Untersuchungsamt gezählt, während die städtischen Betriebe das Wasserwerk, Gaswerk, Elektrizitätswerk, Ziegelei und die Sparkasse umfaßten. Am 17. 10. 1931 erschien dann die Dienstanordnung Nr. 11, die eine neue Dienststellenbezeichnung für die Stadtverwaltung einführte.128 Die Verfügung ist bereits auf die Tätigkeit des neuen Oberbürgermeisters Dr. Schneider zurückzuführen, der von der Stadtverordnetenversammlung zum Nachfolger des am 31. 3. 1930 ausgeschiedenen Oberbürgermeisters Dr. Jockusch gewählt worden war. Die Dienststellen innerhalb der Stadtverwaltung wurden wie folgt gegliedert: Dezernat I:

Ia Zentralverwaltung Ib Schulverwaltung Ic Standesamt E.W.= Elektrizitätswerk G.W. = Gas- und Wasserwerk

Dezernat II:

IIa Verwaltungs-Polizei IIb Vollzugspolizei R.A. = Rechtsabteilung Sp. = Sparkasse Schl. = Schlachthof U. = Untersuchungsamt

Dezernat III: IIIa IIIb IIIc IIId IIIe

Allgemeine Bauverwaltung und Wohnungsamt Hochbauamt Tiefbauamt Grundstücksamt Vermessungsamt

Dezernat IV: IVa Allgemeine Fürsorge IVb Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge IVc Jugendamt 127 128

STA Lüd. A 408., Verw.Ber. 1914 – 1925, S 47 ff. STA Lüd. A 112.

234

Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

IVd Gesundheitsamt IVe Krankenhaus IVf Versicherungsamt Dezernat V:

Va Vb Vc Vd

Finanzabteilung Steueramt Stadthauptkasse Jugendpflege, Verkehrswerbung und Volksbildung

Die städtischen Betriebe waren dem Dezernat I zugeordnet, während die gemeinnützigen Anstalten mit Ausnahme des Krankenhauses dem Dezernat II zufielen. Das Krankenhaus wurde dem für Fürsorge zuständigen Dezernat IV angegliedert. Die gemeindewirtschaftliche Tätigkeit war dadurch von den gemeinnützigen Anstalten, auf deren Benutzung ein Rechtsanspruch der Einwohner bestand, organisatorisch getrennt worden. Mit dem Nationalsozialismus wurde die Stadtverwaltung einem erneuten Strukturwandel unterworfen. Am 1. 7. 1935 trat ein neuer Organisationsplan durch die Dienstanordnung Nr. 55 vom 12. 6. 1935129 in Kraft, mit dem infolge der Auflösung des Magistrats durch das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz auf die Dezernate verzichtet wurde. Die einzelnen Verwaltungen der Stadt wurden dem Oberbürgermeister unmittelbar als Abteilungen unterstellt. Den ehemaligen besoldeten Magistratsmitgliedern wurde der Status eines Gruppenleiters zugewiesen. Der Oberbürgermeister führte die Abteilungen der Gruppe I persönlich, während die Abteilungen der Gruppe II dem Bürgermeister zugewiesen wurden. Die Abteilungen der Gruppen III und IV führten der Stadtbaurat und der Magistratsrat. Der Gruppenleiter war nun nicht mehr von der Gemeindevertretung gewählter hauptamtlicher Beigeordneter für einen bestimmten Geschäftsbereich, sondern staatlich eingesetzter Verwaltungsbeamter.130 Neben der sachlichen Gliederung der Verwaltungszweige unterhalb der Verwaltungsspitze bestand damit eine funktionelle Gliederung über die höheren städtischen Beamten. Damit sollte eine bessere Gestaltung des Geschäftsverkehrs und die zweckmäßige Zusammenfassung verwandter Arbeitsgebiete gewährleistet werden. Die neue Verwaltungsgliederung wurde im Lüdenscheider Generalanzeiger wie folgt veröffentlicht131: Organisationseinheit 1. Allgemeine Verwaltung 10 Zentralabteilung (Allgemeine Verwaltung, Personalsachen, Presse) 11 Stadtverwaltungsgericht 12 Standesamt 13 Rechtsabteilung

Gruppe I I I II

STA Lüd. B-000 – 29. STA Lüd., Ortsrechtssammlung, Hauptsatzung vom 06. 08. 1935; STA Lüd. A 415, Verw. Bericht 1934 – 1937, S. 7. 131 Lüdenscheider Generalanzeiger vom 10. 7. 1935. 129 130

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

2. Polizeiverwaltung 20 Verwaltungspolizei 21 Vollzugspolizei 22 Luftschutz 23 Baupolizei und Feuerschutz 3. Bauverwaltung 30 Allgemeine Bauverwaltung 31 Hochbau 32 Tiefbau (einschl. Entwässerung, Müllbeseitigung, Fuhrpark, Straßenbeleuchtung) 33 Grundstücksverwaltung (einschl. Friedhöfe) 34 Vermessungswesen

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II II II III III III III III III

4. Betriebe und Anstalten 40 Elektrizitätswerk 41 Gaswerk 42 Wasserwerk 43 Badeanstalten 44 Ziegelei und Steinbruch 45 Schlachthof 46 Untersuchungsamt 47 Krankenhaus

II II II II III II II II

5. Volksbildung und Verkehr 50 Schulwesen 51 Volksbildung und Kunst 52 Jugendpflege und Leibesübungen 53 Verkehr

I IV IV IV

6. Wohlfahrt 60 Allgemeine Fürsorge (einschl. Heime) 61 Wohlfahrtserwerbslosenangelegenheiten 62 Jugendamt 63 Versicherungsamt

IV IV IV IV

7. Finanzwesen 70 Finanzabteilung (Haushalts- und Vermögensangelegenheiten) 71 Rechnungsprüfungsamt 72 Stadthauptkasse 73 Steueramt 74 Sparkassenangelegenheiten

I I I IV I

Im Anschluß an den Organisationsplan vom 1. 7. 1935 wurde die Vertretungsregelung der Gruppenleiter vorgenommen.132 Der Oberbürgermeister wurde durch den Bürgermeister vertreten, bei dessen Verhinderung durch den Stadtbaurat. Der 132

STA Lüd. B-000 – 29.

236

Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

Bürgermeister und der Stadtbaurat wurden wiederum vom Oberbürgermeister vertreten, während der Magistratsrat vom Bürgermeister vertreten wurde. Die Stellung des Oberbürgermeisters nach § 32 Deutsche Gemeindeordnung und die Gefolgschaft der Beamten und Angestellten in NS-Untergliederungen – ob freiwillig oder gezwungenermaßen – spiegeln den Dualismus zwischen Partei und Staat auf kommunaler Ebene wieder. Die gefolgschaftlichen Personalunterstellungsverhältnisse der NSDAP fanden auch in den Dienstanweisungen der Stadt ihren Niederschlag auf die im Rahmen dieser Arbeit im Einzelnen nicht näher eingegangen werden kann. d) Geschäftsablauf in der Stadtverwaltung und Stellenplan Mit der Dienstanweisung vom 20. Januar 1927 wurden – soweit ersichtlich – elf Jahre nach der letzten Neuordnung des Geschäftsablaufes Veränderungen durchgeführt. Als modernes Bürohilfsmittel wurde die Vertikalregistratur eingeführt, die als Buchregistratur einzelne Mappen – sog. „Greco-Mappen“ – umfaßte. Der neue Aktenschlüssel wurde aus der Abteilungsnummer, dem Buchstaben des Faches im Aktenschrank und der laufenden Nummer des Aktenheftes zusammengesetzt.133 Die Stadtverwaltung legte besonderen Wert auf Vordrucke, die nur nach Rücksprache mit dem Dezernenten bestellt werden durften. Die Benutzung der Telefonapparate hatte stark zugenommen, so daß eine sachgemäße Behandlung und Verwendung bereits angemahnt werden mußte. Mit der Dienstanordnung Nr. 1 vom 27. 3. 1931 wurden die zentralen Dienstanweisungen offenbar numerisch fortgeführt.134 Die Aktenbezeichnung änderte sich soweit ersichtlich in der Folgezeit mit jeder Änderung der Abteilungsorganisation. Zwischen 1920 und 1945 hat sich die Zahl der städtischen Beamten und Angestellten oberflächlich betrachtet mehr als verdoppelt. Eine Bewertung der in der Tabelle in Anlage 2 verzeichneten Personalentwicklung ist auf Grund der in den Quellen divergierenden Angaben zu den städtischen Hilfsangestellten und den städtischen Arbeitern nur mit Vorsicht möglich. In den Verwaltungsberichten, Haushaltsplänen und Zeitungsberichten135 finden sich abweichende Zahlen zu den Angaben der Verwaltungsberichte. Da die Verwaltungsberichte jedoch durch verwaltungsinterne Zusammenstellung und Prüfung zu Stande kamen, erscheinen diese Angaben am verläßlichsten. Um überhaupt eine vergleichbare Aussage zu erhalten, darf die Zahl der Hilfs- und Kriegsangestellten sowie die Zahl der Probebeamten nicht berücksichtigt werden. Allein die Zahl der Hilfs- und Kriegshilfsangestellten ist nach dem ersten und während des zweiten Weltkrieges um mehr als das Doppelte gestiegen. Als Grund dafür ist zu vermuten, daß hauptamtliche Kräfte der Stadtverwaltung zum Wehrdienst eingezogen wurden und durch (ungelernte Vgl. STA Lüd. A 114. Beispiel Schulamt: Ib-A7. STA Lüd. B-000 – 29. 135 Vgl. z. B. Zuncke, Die Lüdenscheider Stadtobrigkeit seit 1843, in: Lüdenscheider Nachrichten vom 8. 10. 1954. 133 134

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

237

und nicht verbeamtete) Teilzeitkräfte ersetzt wurden. Ein Großteil wurde jedoch wohl auch mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für öffentliche Zwecke beschäftigt. Insbesondere im Straßenbau, bei der Verteilung von Hilfsgütern und bei Sonderbedarf der Rüstungswirtschaft kamen diese „vorübergehend Beschäftigten“ zum Einsatz. Ein einigermaßen genaues Bild über die Personalentwicklung bzw. den Stellenplan in der städtischen Verwaltung läßt sich deshalb nur auf Grund der vorstehenden Einschränkungen und Annahmen für den Zeitraum von 1920 bis 1945 erarbeiten. Die Zahlen des Jahres 1944 müssen zudem als die letzten verlässlichen und vergleichbaren Angaben angesehen werden, da 1945 nach Entnazifizierungsprüfungen Entlassungen aus den Dienstverhältnissen zu verzeichnen sind und Stellen, deren Inhaber infolge des Krieges tot oder vermißt waren, offenbar noch nicht nachbesetzt worden waren. Zu Beginn dieser Phase wurde bereits ein Magistratsassessor beschäftigt, dessen Stelle dann jedoch wieder aufgehoben wurde. Zwei städtischen Beamten wurden danach Dezernate zur selbständigen Bearbeitung übertragen. Sie nahmen offenbar an den Sitzungen des Magistrats teil, hatten jedoch kein Stimmrecht.136 In der Verwaltung nahmen sie deshalb eine hervorgehobene Stellung vergleichbar den höheren Beamten ein. Einem der beiden Beamten wurde am 1. 4. 1921 die Amtsbezeichnung Magistratsrat verliehen. Er führte auch das Protokoll in den Magistratssitzungen. Die Zahl der übrigen Beamten nahm von 79 auf 96 Beamte, also um rund 21,5 %, zu. Die Zahl der städtischen Angestellten verringerte sich dagegen um rund 55 % von 43 auf 19 Angestellte. Rechnet man jedoch die 150 städtischen Arbeiter dazu – bei denen allerdings davon ausgegangen werden kann, daß auch sie zum Teil als „vorübergehend Beschäftigte“ eingesetzt waren – sind 169 nicht beamtete Dienstkräfte beschäftigt gewesen. Insgesamt wäre danach bis 1944 eine Zunahme gegenüber 1920 um rund 293 % zu konstatieren. Die Zahl der 150 Arbeiter im Jahr 1944 erscheint jedoch verglichen mit den 19 städtischen Angestellten sehr hoch. Die Ursache kann schon in der Zuordnung von Beschäftigten zu den Hilfsangestellten im Jahr 1920 liegen. Da eine abschließende Bewertung dieser Umstände im Rahmen dieser Untersuchung nicht durchgeführt werden kann, muß es bei den Erkenntnissen über Beamte und Angestellte verbleiben.

3. Die Entwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe Infolge der Eigenbetriebsverordnung vom 21. 11. 1938137 wurden die städtischen Versorgungsbetriebe durch die vom Oberbürgermeister erlassene Betriebssatzung vom 10. 10. 1939138 zusammengelegt. Die „verwaltungsmäßige und räumliche Vereinigung“ der alten Betriebe zu einer neuen Verwaltungseinheit wurde am 30. 12. 1939 unter Angabe der vertretungsberechtigten Direktoren vom Ober136 137 138

Strodel, S. 46. RGBl. I S. 1650. STA Lüd., Ortsrechtssammlung.

238

Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

bürgermeister bekannt gemacht.139 Es entstanden, entsprechend § 22 der Eigenbetriebsverordnung, die „Stadtwerke Lüdenscheid“. Die infolge der Eigenbetriebsverordnung durchgeführte Reorganisation der städtischen Betriebe war kein überraschender Vorgang. Die Untersuchung der Entwicklung der städtischen Betriebe innerhalb der städtischen Verwaltung in Lüdenscheid bereits zu Anfang der Phase zwischen 1920 und 1945 zeigt erste Ansätze zu einer Reorganisation auf.

a) Die Koordination der Versorgungsbetriebe nach 1920 Bereits Anfang der 1920er Jahre – also schon 18 Jahre vor Erlaß der Eigenbetriebsverordnung – sind in der Stadtverwaltung erste Überlegungen angestellt worden, den Geschäftsbetrieb der städtischen Betriebe und Anstalten zu rationalisieren. Im Oktober 1919 konstituierte sich dazu ein Unterausschuß der Gas-, Wasser- und Elektrizitätskommission, der eine Versorgungseinrichtung aus allen Betrieben formen sollte. Der Umfang der vorzunehmenden betriebswirtschaftlichen Eingriffe, insbesondere in Hinsicht auf die Rechnungslegung, war jedoch umstritten. Nach dem Vorbild anderer Städte wie Braunschweig, Bielefeld, Hagen, Osnabrück und Oldenburg wurde über die Einführung eines Betriebsamtes nachgedacht. Der Magistrat zog zu diesem Zweck umfangreiche Erkundigungen über die Führung städtischer Betriebe ein, insbesondere in einer Korrespondenz mit der Stadt Bielefeld.140 Auch der Obmann des Ausschusses der städtischen Angestellten legte dem Oberbürgermeister und den Ratsherren Vorschläge für eine Reorganisation der städtischen Betriebsverwaltung vor. Schließlich wurde am 25. 3. 1922 der Auftrag zu einem Gutachten der Revision Treuhand-Aktien-Gesellschaft in Berlin erteilt, dessen Ergebnis als weitere Entscheidungsgrundlage dienen sollte. Das Gutachten wurde schon am 9. 9. 1922 vorgelegt und enthielt umfangreiche Verbesserungsvorschläge für die städtischen Betriebe in personeller, kaufmännischer, funktioneller und organisatorischer Hinsicht.141 Die Revision TreuhandAktien-Gesellschaft hatte nicht nur die Geschäftsabläufe, sondern vor allem auch die Rechnungslegung der städtischen Betriebe einer Analyse unterzogen. Dabei war der Beratungsgesellschaft der wirtschaftlich nicht zu vertretende Mehraufwand bei den Buchungsoperationen der städtischen Betriebe aufgefallen. Es wurde mit einer kaufmännischen Buchführung für die betriebsinternen Abläufe und parallel mit einer Kontrollschreibung für die städtische kameralistische Buchführung gearbeitet. Das Beratungsunternehmen forderte ein einheitliches Rechnungswesen der städtischen Betriebe. Da die Werke als städtische Betriebe nicht über eine eigene Kasse verfügten und der Geldverkehr nur im Auftrag und für Rechnung der Stadtkasse erfolgte, wurden die eigentlichen Abschlüsse nach dem kameralistischen Prinzip dort erledigt. Ein weiterer Punkt für Einsparungen war das Personal. 139 140 141

Lüdenscheider Generalanzeiger vom 30. 12. 1939. STA Lüd. A 1847. STA Lüd. A 1847.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

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Jeder städtische Betrieb hatte seine eigenen Zählerableser und Kassenboten, so daß die Häuser mehrfach besucht wurden. Hier boten sich die Ablesung und gleichzeitiges Inkasso der Beträge für Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk durch einen Ableser an. Die Räumlichkeiten für den Bürobetrieb sollten dazu zweckentsprechend verteilt werden, im Vordergrund stand die Schaffung einer gemeinsamen kaufmännischen Abteilung. Die im Ergebnis vorgelegten Forderungen der Revision Treuhand-AktienGesellschaft stießen bei Rat und Verwaltung der Stadt auf ein geteiltes Echo. Die städtischen Betriebsdirektoren äußerten schon bei der Erstellung des Gutachtens erhebliche Zweifel an der Praktikabilität einer gemeinsamen kaufmännischen Abteilung für alle Betriebe, die tatsächlich auch eine Frage der Kompetenzverteilung zwischen ihren Direktoren war. Am 8. 1. 1924 beschloß daher der gebildete Unterausschuß, daß auf Grund der fehlenden Büroverwaltungsräume und dem bestehenden Währungsrisiko mit der Umsetzung der gebotenen Maßnahmen noch abzuwarten sei.

b) Strukturänderung der Gemeindewirtschaft im Jahr 1938 – Die Stadtwerke Lüdenscheid Eine durchgreifende Änderung brachte erst die schon erwähnte Eigenbetriebsverordnung aus dem Jahr 1938, die aufgrund § 74 Abs. (1) der Deutschen Gemeindeordnung ergangen war. Im Zusammenhang mit der institutionellen Regelung auf dem Gebiet der Gemeindewirtschaft leistete die Deutsche Gemeindeordnung einen wesentlichen Beitrag zur begrifflichen Erfassung der öffentlichen Einrichtung.142 Terminologisch ist mit § 17 Deutsche Gemeindeordnung zunächst der Anstaltsbegriff der früheren Gemeinde- bzw. Städteordnungen durch den der „öffentlichen Einrichtung“ ersetzt worden.143 In § 67 Deutsche Gemeindeordnung wurde der Begriff des „wirtschaftlichen Unternehmens“ eingeführt. Ob es sich bei der öffentlichen Einrichtung und dem kommunalen Wirtschaftsunternehmen um ein begriffliches Gegensatzpaar handelte, war umstritten.144 Die Entstehungsgeschichte läßt jedenfalls sowohl den Schluß zu, daß die gemeindlichen Privatanstalten aus dem Begriff der öffentlichen Einrichtung in den des kommunalen Wirtschaftsunternehmens überführt wurden, als auch kommunale Wirtschaftsunternehmen dem öffentlichen Interesse zu dienen hatten und so von den öffentlichen Einrichtungen umfaßt wurden. Neben dem Versuch der Beseitigung unklarer Konturen der gemeindlichen Wirtschaftsformen und der ihnen offenstehenden Rechtsformen, die insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts aufgetreten waren, wurde damit im 142 143

Scholz, S. 80. Surén / Loschelder, Deutsche Gemeindeordnung, Bd. I, § 17 Erl. 2, S. 281; Scholz,

S. 76. 144 Vgl. Surén / Loschelder, Deutsche Gemeindeordnung Bd. I, § 17 Erl. 2, S. 287 und Bd. II, § 67 Erl. 2, S. 90; Scholz, S. 76; Stern / Püttner, S. 28 ff.

240

Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

wesentlichen der Umfang der kommunalen Wirtschaftstätigkeit geregelt.145 § 67 Deutsche Gemeindeordnung enthielt als Korrektiv der Gemeindewirtschaft drei Elemente: – Die Wirtschaftstätigkeit der Gemeinden legitimiert sich nicht mehr aus sich selbst heraus. – Das Unternehmen muß in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen. – Das Unternehmen ist nur zulässig, wenn der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen Unternehmer erfüllt werden kann.

Es war nunmehr erforderlich, den öffentlichen Zweck eines gemeindewirtschaftlichen Unternehmens nachzuweisen. Darin lag eine wirtschaftliche Kompetenzbegrenzung der Gemeinden.146 Mit dieser gemeindeverfassungsrechtlichen Regelung fand die seit Beginn des 20. Jahrhunderts geführte Diskussion zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft über die Ausweitung der gemeindlichen Erwerbswirtschaft ihr vorläufiges Ende.147 Die Privatwirtschaft sollte vor einem Überhandnehmen der gemeindlichen Konkurrenz und die Gemeinde selbst sollte vor einem übersteigertem erwerbswirtschaftlichen Engagement bewahrt werden. Die Versorgungseinrichtungen einer Stadt, die bisher als „Privatanstalt“ oder „Regiebetrieb“ der städtischen Verwaltung angegliedert waren, besaßen gem. § 74 Abs. (1) Deutsche Gemeindeordnung keine eigene Rechtspersönlichkeit und waren als Eigenbetriebe nach Erlaß einer Betriebssatzung zu führen. Der Eigenbetrieb war nach der Eigenbetriebsverordnung als Sondervermögen der Gemeinde separat zu verwalten. Zu den wirtschaftlichen Unternehmen einer Gemeinde wurden in der Ersten Ausführungsanweisung zur Eigenbetriebsverordnung vom 22. 3. 1939148 die Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke unter Einschluß ihrer Verteilungstätigkeit gezählt. In § 1 der für die Stadtwerke Lüdenscheid erlassenen Betriebssatzung vom 10. 10. 1939 wurden Elektrizitätswerk, Gaswerk und Wasserwerk zu einem einheitlichen Versorgungsbetrieb im Sinne von § 22 Eigenbetriebsverordnung vom 21. 11. 1938 zusammengefaßt. Die Stadtwerke Lüdenscheid wurden organisatorisch gesondert verwaltet und finanzwirtschaftlich als Sondervermögen der Stadt Lüdenscheid behandelt. Die Betriebssatzung und die Umgliederung traten am 1. 1. 1940 in Kraft.

145 Amtl. Begründung zu § 67 Deutsche Gemeindeordnung Ziff. 1, abgedruckt bei Surén / Loschelder, Deutsche Gemeindeordnung, Bd. II, § 67. 146 Löwer, Rechtshistorische Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung von 1880 bis 1990, in: Fischer, Die Geschichte der Stromversorgung, S. 190 f. 147 Scholz, S. 81; Stern / Pütter, S. 29 m. w. N.; Fuchs, Gemeindebetriebe, in: HWK, S. 248 ff. 148 RMBliV. S. 633.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

241

aa) Das Sondervermögen der Stadtwerke Lüdenscheid Der Betriebssatzung vom 10. 10. 1939 war gem. § 7 Abs. (2) als Anlage eine Liste der den Stadtwerken am 1. 1. 1939 unmittelbar dienenden Grundstücke und grundstücksgleichen Rechte beigegeben. Verzeichnet waren Grundstücke mit und ohne aufstehende Gebäude aus dem städtischen Vermögen, die in das Sondervermögen der Stadtwerke überführt wurden. Die Rechte an fremden Grundstücken bestanden in den Rechten auf Stollenführung, Wassergewinnung, Rohrlegung und Erdbauarbeiten sowie das Betreten dieser Grundstücke zu Reparaturzwecken. Daneben bestanden Wasserrechte für das Pumpwerk Treckinghausen, den Stollen Homert und das Gefälle Neuemühle, die auf Grund der §§ 379, 380, 187 des Wassergesetzes vom 7. April 1913 eingetragen wurden. Eine Übertragung der Sondernutzung an den öffentlichen Wegen durch Konzession ist nicht festzustellen.

bb) Geschäftsführung und Organisation der Stadtwerke Lüdenscheid Nach § 2 der Betriebssatzung vom 10. 10. 1939 wurde in Anlehnung an § 2 Abs. (1) Eigenbetriebsverordnung zunächst ein kaufmännischer Direktor und ein technischer Direktor als Werkleitung bestellt, die den Eigenbetrieb Stadtwerke Lüdenscheid selbständig zu leiten hatten. Die Direktoren waren dem Oberbürgermeister für die wirtschaftliche Führung der Stadtwerke unmittelbar verantwortlich und in ihrer Geschäftstätigkeit nur insoweit eingeschränkt, als die jeweilige Angelegenheit der Entschließung des Oberbürgermeisters gem. § 3 der Betriebssatzung bzw. § 4 der Eigenbetriebsverordnung vorbehalten war. Entscheidende Beschränkungen lagen danach in der Festsetzung von Abgaben und Tarifen, in der Übernahme neuer Aufgaben ohne gesetzliche Verpflichtung, in der Umwandlung der Rechtsform der Stadtwerke, in der Übernahme von Beteiligungen, in der Verfügung über städtisches Vermögen, im Verzicht auf Ansprüche der Stadt über 2.000 RM, in der Stellung von Sicherheiten und der Aufnahme von Darlehen sowie in der Führung größerer Rechtsstreitigkeiten. Der Oberbürgermeister entschied auch über die Feststellung und Änderung des Wirtschaftsplans der Stadtwerke, die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verteilung des Jahresgewinns, die Rückzahlung von Eigenkapital an die Stadt, die Stundung von Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber den Stadtwerken, die allgemeine Regelung der dienstlichen Verhältnisse der Beamten und Angestellten der Stadtwerke sowie den Abschluß von Verträgen, die nicht Geschäfte der laufenden Verwaltung waren. Die Formel der Geschäfte der laufenden Verwaltung sorgten auch in anderen Beschränkungen für eine begrenzte Rücküberweisung des betreffenden Geschäfts an die beiden Direktoren. Zusätzlich war eine selbständige Handlungsbefugnis in Angelegenheiten gegeben, die keinen Aufschub duldeten. Die Führung der Betriebe war damit im Innenverhältnis durch eine enge Anbindung an die Entscheidungen des Oberbürgermeisters geregelt. Im Außenverhältnis vertraten die Direktoren den Oberbürgermeister gemeinschaftlich, 16 Heider

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

soweit sich keine Einschränkung ergab. Verpflichtende Erklärungen hatten gem. § 36 Abs. (2) Deutsche Gemeindeordnung schriftlich unter der Bezeichnung „Der Oberbürgermeister – Stadtwerke Lüdenscheid“ zu erfolgen. Eine spezielle Dienstanweisung für die Stadtwerke Lüdenscheid wurde vom Oberbürgermeister am 28. 12. 1939149 erlassen und trat am 1. 1. 1940 in Kraft. § 7 der Dienstanweisung sah vor, daß allgemeine Verfügungen sachlicher oder personeller Art für die Stadtverwaltung sinngemäß auch für die Stadtwerke galten, wenn sie diesen zugeleitet wurden. Das formelle Kriterium der Zuleitung von Verfügungen muß dabei als weitere Einschränkung der wirtschaftlich verselbständigten Unternehmensform angesehen werden. In der Dienstanweisung war auch die innerbetriebliche Organisation der Stadtwerke als Eigenbetrieb vorgegeben. Unter der Leitung des kaufmännischen Direktors standen folgende Abteilungen: – Hauptbuchhaltung einschl. der Gesamtstatistik, – Allgemeine Buchhaltung, – Rechnungsabteilung einschl. Hebedienst, – Kasse und Werbeabteilung.

Der technische Direktor leitete die Abteilungen: – Strom-Übernahme und -Verteilung, – Gas-Erzeugung und -Verteilung sowie – Wasser-Gewinnung und -Verteilung.

Die Zeichnungsbefugnis der Direktoren war sowohl in den Geschäften der laufenden Verwaltung – die unter der Bezeichnung „Stadtwerke Lüdenscheid“ unterzeichnet wurden – als auch bei verpflichtenden Erklärungen – die mit dem Zusatz „Der Oberbürgermeister Stadtwerke Lüdenscheid“ im Auftrag unterzeichnet wurden – detailliert geregelt. Rechtsstreitigkeiten von besonderer rechtlicher Bedeutung waren der städtischen Rechtsabteilung zur Begutachtung vorzulegen. Die Direktoren der Stadtwerke konnten in ihren Abteilungen durch Geschäftsanweisungen weitere Regelungen vornehmen. Am 22. Juli 1941 wurde die Dienstanweisung150 für die Stadtwerke geändert, da nach dem Ausscheiden des technischen Direktors die Stelle unbesetzt blieb. Die Stadtwerke wurden von da an durch einen Direktor geleitet. cc) Kassenwesen und Buchhaltung Der gesamte Zahlungsverkehr wurde gem. § 9 Abs. (1) Eigenbetriebsverordnung über die Kasse der Stadtwerke abgewickelt. Die Buchhaltung konnte nunmehr vollständig den Erfordernissen des teilweise verselbständigten gemeindlichen 149 150

STA Lüd. Ortsrechtssammlung. STA Lüd. Ortsrechtssammlung.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

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Wirtschaftsbetriebes angepaßt werden. Damit war eine Forderung erfüllt, die bereits 20 Jahre früher im Gutachten der Revision Deutsche Treuhand AG über die städtischen Betriebe der Stadt Lüdenscheid erhoben worden war. Die Buchführung hatte gem. § 16 Abs. (1) Eigenbetriebsverordnung den Regeln der kaufmännischen – doppelten – Buchführung oder einer entsprechenden Verwaltungsbuchführung zu genügen. Bei den Stadtwerken wurde die bereits in der Vergangenheit überwiegend praktizierte kaufmännische Buchführung für Gas- und Wasserwerk sowie das Elektrizitätswerk zusammengefaßt. Ein Abgleich mit der Hauptbuchführung der Stadt war nicht mehr erforderlich, da für das nicht rechtsfähige Sondervermögen Stadtwerke Lüdenscheid gem. § 18 Eigenbetriebsverordnung ein eigener Jahresabschluß mit Jahresbilanz und Jahreserfolgsrechnung anzufertigen war. Die Buchführung hatte eine auf das Sondervermögen bezogene Fortschreibung der Vermögens- und Schuldenteile zu ermöglichen. Kurz vor Kriegsende gelangte noch eine Anordnung des Generalinspekteurs für Wasser und Energie über Vereinfachungen im Rechnungs- und Buchungswesen der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu den Akten der Stadtwerke.151 Hierdurch wurde eine Vereinfachung der Buchführung in der Weise angeordnet, daß die Zahl der zu führenden Aufwandsund Ertragskonten vermindert wurde. Da die Nachricht erst am 6. März 1945 zu den Akten der Stadtwerke gelangte, ist bis zum Ende des Untersuchungszeitraums keine Veränderung mehr festzustellen.

III. Veränderungen der städtischen Versorgungseinrichtungen in der Phase der Verbundwirtschaft zwischen 1920 und 1945 Der Zeitraum von 1920 bis 1945 ist im Anschluß an die Kommunalisierung zutreffend als auf die Verbundwirtschaft ausgerichtete Phase zu bezeichnen. Die Ausweitung der kommunalen Aktivitäten auf dem regionalen und überregionalen Versorgungssektor, die staatlichen Maßnahmen in der Versorgungswirtschaft und die kommunalverfassungsrechtliche Beschränkung der Gemeindewirtschaft bildeten den Rahmen für diesen Entwicklungsabschnitt der städtischen Versorgungseinrichtungen in Lüdenscheid. Die Einwohnerzahl Lüdenscheids hat im Zeitraum 1920 bis 1945 um 13.350 Einwohner von 31.841 auf 45.191 Einwohner zugenommen. Darin lag eine Steigerung um rund 42 % – eine Herausforderung für die städtische Versorgungswirtschaft. Abgesehen von der kriegsbedingten Knappheit einzelner Versorgungsgüter nach dem ersten und während des zweiten Weltkrieges ist die Versorgung der Bevölkerung ausreichend gewesen. Die städtische Versorgung mit Gas, Wasser und Strom war also nach 1920 grundsätzlich gesichert. Die Bereitstellung der Versorgungsgüter wurde dabei kaum noch mit den originären Problemen des 19. Jahrhun151

16*

GS S. 119.

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Teil III: Die städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft

derts – etwa den Aspekten der Gefahrenabwehr – in Verbindung gebracht. Die Versorgung mit Gas, Wasser und Strom war in der städtischen Lebensweise verankert und hatte für die Einwohner ihren selbstverständlichen Platz im kommunalen Leistungsspektrum gefunden. Das starke Interesse der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrates an den stadteigenen Versorgungsbetrieben, wie noch im Zeitraum zwischen 1900 und 1919, wird allerdings von den sozialpolitischen Fragestellungen nach dem ersten Weltkrieg und der Entwicklung der Sozialverwaltung an Bedeutung zunächst übertroffen. Als Leitlinien der städtischen Versorgungswirtschaft sind die Bestrebungen der Stadt zu nennen, die interkommunale Zusammenarbeit im Versorgungsbereich auf Verbundebene zu fördern, die Eigenständigkeit der städtischen Versorgungsbetriebe zu wahren sowie Wirtschaftlichkeit und Organisation der städtischen Versorgungsbetriebe zu optimieren. Als kommunale Maxime dieser Phase muß die Beibehaltung der lokalen Verteilung eigener erzeugter oder im Verbund beschaffter Versorgungsgüter angesehen werden. Nicht alle im Rahmen der genannten Leitlinien gesteckten Ziele der Stadt Lüdenscheid sind in dieser Phase erreicht worden. Die Sicherstellung der benötigten Mengen der Versorgungsgüter für eine wachsende Bevölkerung ist von unterschiedlichen Faktoren beeinflußt worden. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde der im politischen Reichsinteresse stehende Verbund mit der Gleichschaltung der Wirtschaft durchgesetzt. Die Maßnahmen der Kriegswirtschaft taten ihr übriges. Die kommunale Selbstverwaltung und damit die selbständige Entwicklung wurde durch die Doppelfunktion von Partei und Staat zurückgedrängt. Die Entleerung der kommunalen Selbstverwaltung unter dem Nationalsozialismus war dabei allgemein durch drei Tendenzen bestimmt: – die Eingriffe und Übergriffe der Partei, – die faktische Eingliederung der Gemeindeverwaltung in die

allgemeine Staatsverwaltung und – die Durchbrechung ihrer generellen Zuständigkeit für die öffentliche Verwaltung auf örtlicher Ebene.152

In Lüdenscheid verlief die Entwicklung dieser Zeit nicht anders als im übrigen Deutschen Reich auch. Die kommunale Selbstverwaltung stand unter dem Einfluß der NSDAP. Reduziert auf den Gegenstand dieser Untersuchung zur Entwicklung der gemeindlichen Versorgungseinrichtungen ist als Beispiel der Zwang zur Anbindung an die Ferngasversorgung hervorzuheben. Während im Elektrizitätsbereich die Mengenbeschaffung und die Belieferung durch die Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG ohnehin durch übergeordnete Kriegsmaßnahmen beeinflußt wurde, war die Anbindung an die Ferngasversorgung 1941 eine planerische und organisatorische Zwangsmaßnahme. Die Wasserbeschaffung zur Trinkwasseraufbereitung war dagegen zwar von der Bildung der Ruhrverbände schon zu Anfang des 152 Matzerath, Nationalsozialismus, S. 229 ff. und S. 436. Vgl. zum Verhältnis von Partei und Gemeinde auf örtlicher Ebene auch Engli / Haus, S. 675.

E. Stadtverwaltung und städtische Versorgungsbetriebe nach 1920

245

20. Jahrhunderts berührt, hatte aber auf die Eigenständigkeit in diesem Versorgungsbereich im Zeitraum 1920 – 1945 keine negativen Auswirkungen. Hier zeigte sich im Gegenteil eine weit vorausschauende kommunale Versorgungspolitik, die Ende der 20er Jahre mit einem Vertrag im Zuge des Talsperrenbaus der Stadt Lüdenscheid die Lieferung von Trinkwasser bis zum heutigen Tag sichert. Eine allgemeine und andauernde Diskussion über die Rechtsform und Führung der stadteigenen Wirtschaftsbetriebe hat in Lüdenscheid zwischen 1929 und 1945 nicht stattgefunden. Eine tiefgreifende politische Auseinandersetzung über diese Frage, wie sie etwa von den Reichsparteien oder Teilen des Schrifttums geführt wurde, war zwischen den lokalen Parteien nicht zu beobachten.153 Auch die Gegensätze zwischen Privatwirtschaft und der Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand wurden zunehmend zurückgedrängt. Da die kommunalen Entscheidungsträger sich der Aufgabe einer vorsorgenden Politik im Bereich Wasser, Gas und Strom sehr wohl bewußt waren, gab es wenig Anlaß die gewinnbringende gemeindliche Versorgungswirtschaft einem ideologischen Streit auszusetzen. Der mit der Eigenbetriebsverordnung von 1938 eingeführte Typenzwang der Versorgungsbetriebe lenkte den Ausbau der Gemeindewirtschaft in eine teilweise vermögensrechtliche Verselbständigung der Betriebe – eine Entwicklung, der weder kommunalpolitische Interessen noch rein wirtschaftliche Gründe entgegenstanden. Während die kommunale Selbstverwaltung mit der nationalsozialistischen Obstruktion der Deutschen Gemeindeordnung ihrer Legitimation durch die fehlende Wahl der Gemeinderäte beraubt wurde, ist die Struktur der Gemeindewirtschaft einer ideologischen Ausrichtung selbst weitgehend entzogen geblieben. Die Formierung der Stadtwerke vollzog 1940 in Lüdenscheid den Wandel vom Regiebetrieb alter Prägung zum modernen Eigenbetrieb mit kaufmännischer Geschäftsführung. Die Abführung der Gewinne an die Stadtkasse ermöglichte der Stadt Lüdenscheid die Finanzierung anderer kommunaler Aufgaben oder Investitionen in neue Vorhaben.

153 Vgl. auch Stern / Püttner, S. 28, die im Gegensatz zur angeblichen Ideologisierung durch den „Munizipalsozialismus“ vor 1919 für die Nachkriegszeit durchaus die Suche nach einer sinnvollen Praxis der kommunalen Betätigung in der Gemeindewirtschaft hervorheben und ein Versagen der „Parteischablonen“ in kommunalpolitischen Fragen konzedieren.

Zusammenfassung Drei Phasen der Entwicklung hat die leitungsgebundene Versorgung der Einwohner der Stadt Lüdenscheid mit Gas, Wasser und Strom zwischen 1856 und 1945 durchlaufen. Die erste Phase war gekennzeichnet durch den Abschluß der Konzessionsverträge in den Jahren 1856, 1883 und 1887. Die Kommunalisierung von Wasser- und Gaswerk und die Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes hat dann in einer zweiten Phase zwischen 1900 und 1919 für einen Umbruch gesorgt und die Grundlage für eine stabile und wirtschaftliche Versorgung der Einwohner durch städtische Betriebe gelegt. 1920 ging die Entwicklung der leitungsgebundenen Versorgung dann in eine dritte Phase über, die – zumindest in den Sektoren Elektrizität und Gas – von der Verbundwirtschaft dominiert wurde. 1. Die Ursachen für die Einführung der leitungsgebundenen Gasversorgung im 19. Jahrhundert lagen im Erfordernis der Beleuchtung der städtischen Straßen zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im industriellen Fertigungsprozeß, der Verminderung der Feuergefahr durch geschützte Gaslaternen und der allgemeinen Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung durch bequeme Beleuchtungseinrichtungen. Bei der Wasserversorgung überwiegen die Erfordernisse der Gefahrenabwehr deutlich. Während die ungünstige Lage der Stadt Lüdenscheid auf einem Bergrücken für die Wassergewinnung genauso wie harte Winter und trockene Sommer noch als allgemeine Kriterien gelten können, waren das mangelnde Löschwasser bei Bränden sowie Kloaken und Industrieabflüsse Gefahren für Leib und Leben der Einwohner. Im Zeitpunkt der Einführung der leitungsgebundenen Gasversorgung in Lüdenscheid 1856 hatte die Bevölkerung gegenüber 1814 um mehr als 160 % und im Zeitpunkt der Einführung der leitungsgebundenen Wasserversorgung 1883 gegenüber 1814 um rund 700 % zugenommen. In der Stadt Lüdenscheid waren in der bis 1900 dauernden ersten Phase bei der Übertragung der Versorgungsaufgabe an einen Unternehmer zunächst pragmatische Gründe entscheidend. Die starke Rücksichtnahme auf das aus einer eigenen städischen Unternehmung zu erwartende Risiko und die Schonung des städtischen Vermögens waren oberstes Gebot für die Honoratioren in Stadtverordnetenversammlung und Magistrat. Die städtischen Organe folgten dem Rat vorsichtiger und erfahrener Kaufleute und Fabrikanten. Die konsequente Verlagerung des Entwicklungs-, Bau- und Betriebsrisikos auf den beauftragten Unternehmer in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts beruhte dabei nicht nur auf den ersten negativen Erfahrungen mit der Gasgesellschaft. In der Wasserversor-

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247

gung setzten die vergeblichen Versuche, ausreichend und qualitativ geeignete Wasserquellen für die wachsende Bevölkerung aufzuspüren, die Stadt unter starken Erfolgsdruck. Die öffentlichen Mißstände – Gefahren des urbanen Zusammenlebens – mußten beseitigt werden. Die Gefahrenabwehr gebot dem Magistrat als Behörde schnelles und erfolgreiches Handeln. Ein entschlossenes Handeln blieb jedoch angesichts leerer Kassen – jedenfalls am Anfang – aus. Die Erwartungs- und Anspruchshaltung der Bürger war hingegen eine politische Dimension, die den abwartenden Magistrat durch die Stadtverordnetenversammlung in die Rolle einer vorsorgend denkenden Administration drängte: Die Fabrikanten und Unternehmer setzten sich für die Gasbeleuchtung ein und eine Bürgerinitiative verlieh der Einführung der leitungsgebundenen Wasserversorgung Nachdruck. Parteipolitische Erwägungen spielten dabei keine Rolle. Die Interessen der Bürgerschaft wurden über das starke persönliche Engagement einzelner Honoratioren der Stadt getragen. Das gegenüber den althergebrachten Formen und Instrumenten der Hoheitsund Vermögensverwaltung neue Instrument des Magistrates zur Bewältigung der Versorgungsaufgaben im Gas- und Wasserbereich war im 19. Jahrhundert zunächst der – erst später in Literatur und Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts so genannte – Konzessionsvertrag. Dem Wegerecht kam bei der Entwicklung der Konzessionsverträge entscheidende Bedeutung zu. Das dem jeweiligen Konzessionsvertrag zugrunde liegende Konzessionsrechtsverhältnis beruhte auf dem faktischen Monopol des Straßen- und Wegerechtes, das im allgemeinen Herrschaftsrecht des Staates im 19. Jahrhundert aufgegangen war. Infolge der durchgeführten Zuordnung der Elemente des Konzessionsrechtsverhältnisses zum öffentlichen und zum privaten Recht wäre das Sondernutzungsrecht zur Einlegung von Leitungen in die Ortsstraßen der Stadt Lüdenscheid vom Magistrat als städtischer Wegepolizeibehörde an den Unternehmer durch Verfügung bzw. Verwaltungsakt verliehen worden. Ebenfalls hätte durch Verwaltungsakt des Magistrats als städtischer Wegebaubehörde die wegerechtliche Zustimmung der Stadt zur Wegenutzung erteilt werden müssen. Eine ausdrückliche Erwähnung fanden diese Akte in den Urkunden nicht. Die Konditionen der Versorgung wurden neben diesen eigentlich erforderlichen wegerechtlichen Hoheitsakten durch die zwischen der Stadt als Eigentümerin der Ortsstraßen und dem Unternehmer frei ausgehandelte privatrechtliche Vereinbarung – einem Vertrag sui generis – festgelegt. Dieser Konzessionsvertrag war inhaltlich stark geprägt vom französischen Verwaltungsrecht, ohne die Rechtsnatur eines öffentlichrechtlichen Vertrages zu besitzen. Die Konzessionsverträge von 1883 und 1887 enthielten verbindliche Lieferbedingungen und waren den französichen cahier des charges types nachgebildet. Sie entfalteten eine sozialgestalterische Wirkung auf das Rechtsverhältnis zwischen Unternehmer und Endverbraucher. Die Vertragsverhandlungen bei Abschluß der Konzessionsverträge weisen eine Entwicklung auf Grund der im Laufe der Jahre gewonnenen Vertragspraxis und -erfahrung des Magistrats auf. Während der erste Konzessionsvertrag 1856 vermutlich nur wenige Änderungen des vom Konzessionär präsentierten Vertrags-

248

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musters erfuhr, wurde der Abschluß des Konzessionsvertrages für Wasser 1883 durch zwei Vorverträge, Regulativ und Hauptvertrag vollzogen. Der zweite Konzessionsvertrag über Gas von 1887 war keine schlichte Vertragsverlängerung durch die Stadt Lüdenscheid, sondern der Abschluß eines neuen Vertrages. Der Grund für dieses Vorgehen waren die bevorstehende Einführung der Elektrizität, der schon zu diesem Zeitpunkt alternativ erwogene kommunale Betrieb des Gaswerkes und die beabsichtigte Einschränkung der Rechte des Konzessionärs. 2. Mit der Kommunalisierung des Wasser- und Gaswerkes und der Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes wurden in der zweiten Entwicklungsphase der leitungsgebundenen Versorgung zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Konsequenzen gezogen und Fehlentwicklungen des 19. Jahrhunderts korrigiert. Die Gefahren der mangelhaften öffentlichen und privaten Beleuchtung sowie der quantitativ und qualitativ ungenügenden Wasserversorgung waren zwar im 19. Jahrhundert im wesentlichen behoben worden; die von den Stadtverordneten gewünschte Optimierung der Leitungsnetze, die Hebung der Qualität der Versorgungsgüter und die Anpassung der Preisgestaltung zögerten die privaten Unternehmer jedoch so lange wie möglich hinaus. Investitionen in ihre Unternehmung erschienen ihnen mit Rücksicht auf die Laufzeit ihrer Konzessionsverträge nicht wirtschaftlich zu sein. Die Einführung der Versorgung der Bevölkerung mit Elektrizität nach 1907 war in erster Linie geprägt von den negativen Erfahrungen mit den konzessionierten Unternehmen im Gas- und Wasserbereich. Die Gründe für die Einführung der Elektrizität lagen in der Verbesserung der öffentlichen und privaten Beleuchtung und in der Verwendung der Elektrizität als Antriebsenergie in Gewerbe und Industrie. Wenn es in Lüdenscheid gegenüber anderen Städten Preußens und des Deutschen Reiches dabei zu einer zeitlichen Verschiebung der Kommunalisierungsphase kam, dann ist der Grund dafür neben der Laufzeit der Konzessionsverträge selbst im Festhalten an streng liberalen Überzeugungen zu suchen, die noch in den 1880er Jahren zu neuen Konzessionsverträgen und damit zu einer weiteren zeitlichen Verschiebung der Kommunalisierung führten. Innerhalb von rund 20 Jahren wurde die gesamte Versorgung der Einwohner Lüdenscheids mit Gas, Wasser und Strom durch städtische Versorgungsbetriebe gewährleistet. Es handelte sich um gewerbliche Unternehmen, die als Regiebetriebe in die städtische Verwaltung unter Leitung eines Beamten eingegliedert waren. 3. Die an die Kommunalisierung anschließende Weiterentwicklung der städtischen Versorgungsbetriebe in der Verbundwirtschaft als dritte Entwicklungsphase der leitungsgebundenen Versorgung zwischen 1920 und 1945 stand unter dem Einfluß der Verbreitung überregionaler Verbundsysteme. Aber auch die Folgen der kriegsbedingten Einschnitte in die städtische Versorgungswirtschaft, der Strukturwandel in der Gemeindewirtschaft durch die gesetzlich vorgegebene Formierung der Lüdenscheider Versorgungsbetriebe zu den Stadtwerken und die Optimierung der technischen Ausrüstung hatten Auswirkungen auf die lokale Ent-

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249

wicklung in diesem Zeitraum. Die Interventionen der NSDAP in Planungs- und Entscheidungsprozesse der Versorgung auf kommunaler Ebene konnten im Rahmen dieser Untersuchung nur ansatzweise wiedergegeben werden. Verwertbare Materialien in Hinsicht auf die kommunale Ebene waren dazu kaum vorhanden. Festgestellt werden kann insbesondere im Hinblick auf die Gasversorgung, daß eine freie Entscheidung demokratisch legitimierter Stadtverordneter nicht gegeben und die kommunale Selbstverwaltung in der gemeindlichen Versorgungswirtschaft – wie auch in anderen Bereichen – nach 1935 durch gesetzliche und planerische Restriktionen behindert worden ist. 4. Die Untersuchung der Entwicklung der Verwaltungsgliederung und der Geschäfts- und Aufgabenverteilung unter Einbeziehung des Geschäftsablaufes und des Stellenplans in der Stadtverwaltung Lüdenscheid in den drei Entwicklungsphasen weist den Zeitraum zwischen 1900 und 1919 nicht nur als Rahmen der Kommunalisierung, sondern gleichzeitig auch als Umbruchphase der Verwaltung aus. Dieser Umbruch wurde bereits durch die einsetzende Professionalisierung der Stadtverwaltung und die Durchformung des Verwaltungsapparates gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorbereitet. Mit der Vermehrung der Auftragsverwaltung und der stärkeren Ausprägung der Selbstverwaltungsaufgaben wurden Verwaltungsfachleute auch unterhalb der Verwaltungsspitze in den städtischen Dienst berufen, die in der zunehmenden Spezialisierung des Polizeirechts, der neuen Sozialverwaltung und in den technischen Verwaltungsbereichen geschult waren. Der Eintritt des Bürgermeister Dr. Jockusch in die städtische Verwaltung 1896 stellte einen Wendepunkt dar. Entscheidende Impulse der Kommunalisierung gingen von seiner Amtsführung aus. Auch der Übergang von der stellenbezogenen Büroorganisation zur Ämtergliederung vor Ende des 19. Jahrhunderts war signifikant. Der Geschäftsgang der Verwaltung entsprach im wesentlichen dagegen noch der in Preußen üblichen Dreiteilung in Registratur, Expedition und Kanzlei. Die Organisationskompetenz des Bürgermeisters führte zu einer starken Stellung als Behördenleiter. Der Stellenplan erfuhr schon zwischen 1886 und 1896 – unter Berücksichtigung der Lehrer – eine Ausweitung um 217 % von 12 auf 38 städtische Beamte und Angestellte. Zwischen 1896 und 1920 erhöhte sich die Zahl um 329 % von 38 auf 125 städtische Beamte und Angestellte. Die „Honoratiorenverwaltung“ des 19. Jahrhunderts wurde dann nach und nach zurückgedrängt, wobei sich diese Entwicklung deutlich an der Differenzierung der Verwaltungsorganisation und an der Ausübung von Verwaltungstätigkeiten durch Kommissionen und Deputationen – nicht jedoch durch ihre Anzahl – abzeichnete. Die Honoratiorenverwaltung des 19. Jahrhunderts ist nicht unmittelbar einer Politisierung der Verwaltungsspitze durch die Parteien gewichen. Erst mit dem Ende der Kommunalisierungsphase 1919 ist gleichzeitig auch ein politischer Einschnitt verbunden. Bei der Wahl des Beigeordneten Gudewill kam es 1923 unter den Parteien erstmalig zu einer Auseinandersetzung über die Besetzung der Stelle. Das letzte bürgerliche Mandat der 3. Abteilung nach dem preußischen Dreiklassenwahlrecht fiel in der Lüden-

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scheider Stadtverordnetenversammlung bereits 1912 an die Sozialdemokratie. Aus dieser Entwicklung kann jedoch keine Friktion der gemeindewirtschaftlichen Aktivitäten abgeleitet werden. Die sachbezogenen Verhandlungen der Gas-, Wasser- und Elektrizitätskommission bzw. der Stadtverordnetenversammlung sowie die mit großer Mehrheit gefaßten Kommunalisierungsbeschlüsse belegen das Gegenteil. 5. Die Wurzeln der „frühen Leistungsverwaltung“ in der Stadt Lüdenscheid gehen weit über die hier untersuchten drei Entwicklungsphasen der leitungsgebundenen Versorgung zurück. Ausgehend vom Beginn des 19. Jahrhunderts ist erst 1845 eine Einrichtung der Leistungsverwaltung festzustellen. Nach dem Ende der französischen Besatzungszeit im Jahr 1813 hätte die Selbstverwaltung erstmalig im preußischen Verständnis geübt werden können, denn es bestand die Möglichkeit, die zentralistische Verwaltungsdoktrin der französischen Zwischenherrschaft abzustreifen. Die Beibehaltung der Mairie-Verfassung beeinflußte jedoch die Entwicklung der Stadt bis zu ihrer Entflechtung mit dem Kirchspiel, der späteren Landgemeinde Lüdenscheid im Jahr 1843. Die französisch geprägte Zentralverwaltung der Städte als untere staatliche Verwaltungsstelle unter der fortgeltenden Mairie-Verfassung und die Selbstverwaltung im Sinne des Freiherrn vom Stein schlossen sich dabei zunächst weitgehend aus. Der Bürgermeister hatte bis 1843 eine starke Stellung als staatlich eingesetzter Beamter. Eine Mitwirkung seitens der Bürgerschaft war zwingend nur in Budgetfragen erforderlich. Nach dem Ende der französischen Zwischenherrschaft beruhten „Leistungen“ im sozialen und kulturellen Bereich zum großen Teil auf der Spenden- und Opferbereitschaft der Bürgerschaft und dem kirchlich-caritativem Engagement, ohne daß es eine besondere Legitimation des Kommunalparlaments oder eine Lenkung durch den Bürgermeister für die privaten Einrichtungen gegeben hätte. Diese „privaten Leistungen“ schließen an den Gedanken der Nachbarschaft, der örtlichen Gemeinschaft und der genossenschaftlichen Verwaltung an. Aus der städtischen Vertretung in Aufsichtsgremien und Organen von privaten Vereinen, Verbänden, den Kirchen und anderen Organisationen kann jedoch kein Vorläufer der Leistungsverwaltung durch „private Träger“ abgeleitet werden. Richtig ist – wie das Beispiel des Armenwesens in Lüdenscheid zeigt –, daß die Arbeit dieser Institutionen die Stadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entlasteten und Ansätze für die Übernahme der Aufgaben in die Verantwortung der Stadt Lüdenscheid lieferten. Der kommunale Wirkungskreis kommt unter der Revidierten Städteordnung nach 1843 erst schrittweise zur Entfaltung. Erst nach 1845 und verstärkt nach Einführung der Westfälischen Städteordnung 1856 ist ein Trend zur Einrichtung der klassischen städtischen Anstalten in der Stadt Lüdenscheid erkennbar. Die durch Urbanisierung, Industrialisierung und Bevölkerungswachstum aufgeworfenen Probleme haben dann etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadt Lüdenscheid die Entwicklung einer Leistungsverwaltung innerhalb der städtischen Verwaltung eingeleitet und geprägt. Die althergebrachte Hoheits-

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251

und Vermögensverwaltung wurde um einen Verwaltungstyp erweitert, der dem Bürger objektiv Vorteile zuwendete. In dem unter dem Begriff der „Daseinsvorsorge“ bekannten Bereich der Versorgung mit Gas und Wasser bewirkten die Konzessionsverträge in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst eine vorsichtige Annäherung an neue technische Materien, für deren Einsatz die Stadt weder über geeignete Fachkräfte verfügte noch das finanzielle Risiko zu übernehmen bereit war. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird in Lüdenscheid die Daseinsvorsorge als Teil der kommunalen Leistungsverwaltung begriffen, die sich nicht mit Infrastrukturmaßnahmen und der Beauftragung von privaten Unternehmern begnügte, sondern mit eigenen Regiebetrieben Leistungen für den Bürger erbrachte. Die Elektrizität wurde dagegen von Anfang an durch ein städtisches Werk geliefert. Die Initiativen und Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung haben den Lüdenscheider Magistrat in die Rolle einer versorgend (und vorsorgend) denkenden Administration gezwungen und so den Stadtentwicklungsprozess Lüdenscheids im 19. und 20. Jahrhundert beeinflußt. Die Ansätze der Leistungsverwaltung vollzogen sich dabei nicht ausschließlich und nicht zuerst im Bereich der leitungsgebundenen Versorgungsgüter Gas, Wasser und Elektrizität. Die zeitlich vorhergehende Etablierung gemeinnütziger Anstalten wie der Einrichtung der Sparkasse und der Übernahme der Armenverwaltung in die städtische Verantwortung waren soziale Maßnahmen, die der Leistungsverwaltung in der Stadt Lüdenscheid den Weg bereiteten. Bis 1945 hat sich die Leistungsverwaltung dann endgültig durchgesetzt. 6. Abschließend läßt sich feststellen, daß in weniger als 100 Jahren die Versorgungslage der Einwohner der Stadt Lüdenscheid durch die Einführung und Weiterentwicklung der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas, Wasser und Strom vollständig verändert wurde. Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes 1856 waren die Einwohner noch weitgehend auf eine individuelle Beschaffung ihrer Beleuchtungsmittel und des Wassers aus städtischen Brunnen angewiesen; die öffentliche Beleuchtung bestand aus wenigen Öllampen. Bis 1945 hat sich eine stabile Versorgung in kommunaler Verantwortung mit dem Eigenbetrieb der Stadtwerke Lüdenscheid als Leistungsträger entwickelt. Damit war die Grundlage für die weitere Entwicklung nach 1945 und im Rahmen der demokratisch legitimierten kommunalen Selbstverwaltung unter dem Grundgesetz nach 1949 gelegt.

Anlage 1 Darstellung der Entwicklungsphasen und der kommunalen Maßnahmen der Stadt Lüdenscheid in der Versorgung mit Gas, Wasser und Elektrizität 1856 – 1945 Gründung der Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG 1906

Konzessionsvertrag zur Wasserversorgung1883

"Contract" zur Gasversorgung 1856

Gründung des städtischen Elektrizitätswerkes1907

Gründung der Kommunaler ElektrizitätsverbandWestfalenRheinlandGmbH1920

Gründung der Westdeutsche Elektrizitätswirt-schaft AG 1929

Erwerb der Wasserversorgungsanlage 1901

"Neuer Gasvertrag" 1887

Gaslieferungsvertrag mit der WfG

Heimfall des Gaswerkes 1916

40 19

Kommunalisierung

20 19

00 19

80 18

60 18

Konzessionierung privater Unternehmen

Gründung der Westfälische Ferngas AG (WfG) 1928

Weiterentwicklung in der Verbundwirtschaft

1

1820 Jander

1

1855 Plöger

Bürgermeister u. Stadträte

1

Bürgermeister

1843 Plöger

Jahr2)

1

1818 Reinhard

2

2

2

2

unbesoldete Ratsherren

3

3

3

3

Summe

1

1

1

1

Höhere Beamte

2

2

2

2

Beamte

3

3

3

3

Angestellte

Beamte / Angestellte

6

6

6

6

Summe Personal

15

15

3

3 4

4

unbeMagistratssoldete mitglieder Ratsherren Summe

Magistrat

1

1

Höhere Beamte

2

2

Beamte

3

3

Angestellte

Beamte / Angestellte

6

6

Summe Personal

9

9

Stadtverordnete

4.423

3.808

Bevölkerung3)

1.903

1.916

1.916

1.876

154) 15

Bevölkerung3)

Munizipalräte

Tabelle 2: Angaben aus dem Zeitraum nach Einführung der Revidierten Städteordnung 1843 – 1856

1

1818 Riegelmann

Bürgermeister

1

Bürgermeister

1814 Kobbe

Jahr2)

Tabelle 1: Angaben aus dem Zeitraum der Fortgeltung der Französichen Munizipalverfassung bis 1843

Zusammenstellung von Angaben zum Personal der städtischen Verwaltung, zu den Stadtverordneten und zur Bevölkerung in Lüdenscheid zwischen 1814 und 19451)

Anlage 2

Anmerkungen

20)

7) 20)

6) 20)

5) 20)

Anmerkungen

Anlagen 253

1

1

1

1

2

2

2

3

3

3

1869 Wiesmann

1874 Selbach

1886 Selbach

1894 Selbach

1896 Dr. Jockusch

1907 Dr. Jockusch

1914 Dr. Jockusch

1920 Dr. Jockusch

1923 Dr. Jockusch

1930 Dr. Schneider

Bürgermeister u. Stadträte

1

Bürgermeister

1856 Nottebohm

Jahr2)

7

9

9

4

4

4

5

5

5

5

3

10

12

12

6

6

6

6

6

6

6

4

unbeMagistratssoldete mitglieder Ratsherren Summe

Magistrat

3

3

3

2

2

2

1

1

1

1

1

Höhere Beamte

13)

76 / 15

76

79

68

56

23

23

9

4

3

2

Beamte

12)

44 / 88 / 180

47 / 79 / –

43 / 103 / –

38

24

13

11

124

126

125

108

82

38

35

12

9

4 2

8

7

Summe Personal19)

4

4

Angestellte und Arbeiter

Beamte / Angestellte / Arbeiter

35

42

42

24

24

24

24

24

24

24

15

Stadtverordnete

Tabelle 3: Die Entwicklung nach Einführung der Westfälische Städteordnung 1856

34.915

32.412

31.841

34.259

31.115

22.300

20.575

15.756

7.937

7.412

4.882

Bevölkerung3)

14)

11)

10)

9)

8)

Anmerkungen

254 Anlagen

1

2

1944 Hagedorn

1945 Weiland

2

1941 Schumann

21)

2

1936 Schumann

hauptamtliche

2

2

2

2

2

ehrenamtliche

Beigeordnete

2

Oberbürgermeister

1935 Rommel15)

Jahr

4

5

5

5

5

Summe Oberbürgermeister und Beigeordnete

52 / 2

3

3

3

3

Höhere Beamte

52 / 2

96 / 3

138 / 1

97 / 6

82 / 17

Beamte

13 / 310 / –

19 / 284 / 150

22 / 189 / 126

32 / 132 / 264

36 / 111 / 197

67

119

163

133

122

Angestellte Summe und Arbeiter Personal19)

Beamte / Angestellte / Arbeiter

32

16

16

16

16

Ratsherren16)

Tabelle 4: Veränderungen nach Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 1935

45.191

47.976

40.756

38.612

37.292

Bevölkerung3)

22)

18)

17)

Anmerkungen

Anlagen 255

256

Anlagen

Erläuterungen zur Zusammenstellung Die Tabellen wurden nach Angaben und Hinweisen in den Berichten an die Aufsichtsbehörde A 26 bis A 28, den Verwaltungsberichten A 373 bis A 416, aus Aufzeichnungen über Allgemeine Personalangelegenheiten A 144 und A 156 bis A 167, aus den Haushaltsplänen A 476 ff. und dem Verwaltungsbericht für 1945 (alle STA Lüd.) sowie nach Silbergleit, Preußens Städte, Berlin 1908 und Zuncke, Die Lüdenscheider Stadtobrigkeit seit 1843 in: Lüdenscheider Nachrichten v. 8. 10. 1954, zusammengestellt. Die Darstellung des verfügbaren Zahlenmaterials ist an den kommunalverfassungsrechtlichen Grundlagen und der Entwicklung des städtischen Personals in der Stadt Lüdenscheid orientiert. Insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ergeben sich Lücken, für die verlässliche Quellenangaben soweit ersichtlich fehlen. Da nur eine geringe Veränderung des städtischen Personals zwischen 1814 (6 Personen) und 1856 (7 Personen) zu verzeichnen ist, bleibt die Entwicklung jedoch nachvollziehbar.

1)

Die Jahreszahlen entsprechen bis auf die Mehrfachnennungen dem Beginn der Amtszeit der Bürgermeister.

2)

Bei den Bevölkerungszahlen im 19. Jahrhundert wurde auf das von Herbig, Wirtschaft und Bevölkerung der Stadt Lüdenscheid im 19. Jahrhundert, S. 74 ff. (unter Hinweis auf die dortigen Anmerkungen zur Statistik und die Problematik der Stichtage), bearbeitete Zahlenmaterial zurückgegriffen. Zum Teil mußten die Bevölkerungszahlen einzelner Jahre interpoliert werden, da genaue Angaben nicht vorlagen. Bei den Bevölkerungszahlen im 20. Jahrhundert handelt es sich um Angaben des Statistischen Amtes der Stadt Lüdenscheid.

3)

Von 1814 bis 1843 wurden die sog. Munizipalräte von der Regierung ernannt. Sechs stammten aus der Stadt Lüdenscheid, sechs aus dem Kirchspiel Lüdenscheid – der späteren Landgemeinde.

4)

5)

Bevölkerungszahl interpoliert.

6)

Bevölkerungszahl interpoliert.

7)

Bevölkerungszahl interpoliert.

8)

Bevölkerungszahl interpoliert.

9)

Bevölkerungszahl interpoliert.

10)

Bevölkerungszahl interpoliert.

11)

Bevölkerungszahl interpoliert.

Die erste Stelle verzeichnet jeweils die Zahl der Dauerangestellten, die zweite Stelle die Zahl der Hilfs-, Tarif- oder Kriegshilfsangestellten, die dritte Stelle die Zahl der Arbeiter. Für die Jahre 1920 und 1923 waren keine genauen Angaben über die Zahl der städtischen Arbeiter erreichbar. 12)

13) Die erste Stelle verzeichnet jeweils die Zahl der Beamten, die zweite Stelle die Zahl der Probebeamten. 14)

Beamten- und Angestelltenzahl aus 1931.

15)

Als Vertreter des Oberbürgermeisters bis zu dessen Einsetzung, wie bereits im Jahr 1930.

Die Stadtverordnetenversammlung wurde bereits 1933 aufgelöst und durch 16 nationalsozialistische Gemeinderäte ersetzt. 16)

17)

Beamten- und Angestelltenzahl aus 1934.

18)

Beamten- und Angestelltenzahl aus 1937.

Anlagen

257

19) In der Summe des Personals sind Arbeiter, Probebeamte und Hilfsangestellte nicht berücksichtigt worden, um vergleichbare Zahlen zum Zeitraum vor 1914 zu erhalten. 20) Die vier Rottmeister der Stadt bezogen nach einem Hinweis von Schumacher in der Chronik der Stadt- und Landgemeinde Lüdenscheid von 1847 ein Gehalt. Es ist nicht belegt, ob ein Anstellungsverhältnis mit den Rottmeistern bestand oder eine Art Aufwandsentschädigung gewährt wurde. 21) Der Bürgermeister trat am 8. 6. 1945 in den Dienst der Stadt und wurde am 15. 3. 1946 wieder entlassen. 22) Beamten- und Angestelltenzahl vom 1. 4. 1946, wobei bereits – auch aufgrund von Entnazifizierungsprüfungen – Entlassungen aus den Dienstverhältnissen zu verzeichnen sind.

17 Heider

Schrifttumsverzeichnis I. Quellen 1. Staatsarchiv Münster (STAA Münster) Reg. Arnsberg I Nr. 193 Reg. Arnsberg Nr. 17676 Reg. Arnsberg Nr. 1292 Reg. Arnsberg Nr. 1437 Oberpräsidium Westfalen Nr. 2523

2. Archiv und landeskundliche Bibliothek des Märkischen Kreises, Altena (KRA Altena) 33.5, lfd. Nr. 171 39.9, lfd. Nr. 233

3. Westfälisches Wirtschaftsarchiv Dortmund (WWA Dortmund) IHK Lüdenscheid

Handelskammerbericht 1870 (Mikrofiche) Handelskammerbericht 1906 / 07

IHK Dortmund

K 2 Nr . 440

Nachlaß Winkhaus 23 – 3103

4. Stadtarchiv Lüdenscheid (STA Lüd.) A 26

Monatsberichte an die Aufsichtsbehörde (1816 – 1826)

A 49

Bestimmungen des Ortsrechts der Stadt Lüdenscheid (1769 – 1906)

A 51

Einführung der Revidierten Städteordnung für die Stadt Lüdenscheid (1835 – 1847)

A 112

Innere Geschäftsverwaltung (1821 – 1914)

A 113

Innere Geschäftsverwaltung (1889 – 1912)

A 114

Bestimmungen für den Bürogebrauch (1888 – 1931)

A 144

Beamtenpersonal im Bezirk Lüdenscheid (1818 – 1851)

A 311

Personalakte Rolfs, Ernst

A 376

Verwaltungsberichte (1858 – 1866), (jew. abgek.: Verw.Ber., Jahr)

Schrifttumsverzeichnis

259

A 378

Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten (1872)

A 379

Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten (1874 – 1880)

A 380

Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten (1881 – 1886)

A 394

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1900 –1901)

A 395

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (19001 – 1902)

A 401

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1907 –1908)

A 408

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1914 –1925)

A 409

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1925 – 1926)

A 412

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1928 –1931)

A 415

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1934 –1937)

A 416

Jahresbericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten nebst Haushaltsplan (1937 –1941)

A 417

Statistische Sachen (1820 –1846)

A 438

Gewerbestatistik (1902 – 1926)

A 838

Diverse Polizeiverordnungen (1881 – 1905)

A 879

Gruben- und Hüttenbeamtenverband (1898)

A 1437

Bildung einer Feuerlösch- und Rettungskompagnie (1841 – 1889)

A 1595

Das Armenwesen (1847 – 1894)

A 1755

Die Anfertigung eines Bauplanes behufs Bildung eines neuen Stadtteils in der Stadt Lüdenscheid, Straßenbenennung (1853 – 1892)

A 1793

Einführung der Straßenordnung (1829 – 1855)

A 1821

Prozess Turk . / . Stadt wegen eines Wasserabflusses (1870 – 1873)

A 1847

Vereinfachung (Zusammenlegung) der städt. Betriebe (1919 – 1928)

A 1856

Jahresrechnungen des Elt-Werkes (1907 – 1912)

A 1858

Das städtische Elt-Werk (1907 – 1921)

A 1864

Vertrag mit dem Kommunalen-Elt-Werk Mark AG (1907 – 1921)

A 1874

Die Gasanstalt (1856 – 1892)

A 1878

Errichtung eines neuen Gaswerks, Verhandlungen (1898 – 1906)

A 1882

Gasanstalt (1900 – 1914)

A 1884

Verhandlungen wegen Übernahme des Gaswerks (1904 – 1917)

17*

260

Schrifttumsverzeichnis

A 1886

Vertragliche Übernahme des Gaswerks (1906 – 1914)

A 1920

Anleihen für das Schlachthaus (1910 – 1914)

A 1931

Übernahme des Wasserwerks der Deutsche Wasserwerke AG Berlin von der Stadt (1883 – 1906)

A 1937

Übernahme des Wasserwerks der Deutsche Wasserwerke AG Berlin von der Stadt, Prozessunterlagen (1899 – 1909)

B-000 – 29

Dienstanweisungen nach 1931

Ortsrechtssammlung:

Sammlung des Ortsrechts der Stadt Lüdenscheid

Vertragssammlung:

Vertragssammlung der Stadt Lüdenscheid

Sammlung Dokumente zur Stadtgeschichte:

Stadtwerke Lüdenscheid

Angaben des Statistischen Amtes der Stadt Lüdenscheid zu Bevölkerungsbewegung und Bevölkerungsstand der Stadt Lüdenscheid 1900 bis 1945

5. Gedruckte Quellen Engli, Christian / Haus, Wolfgang: Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, Bd. 45 in den Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik, Stuttgart / Berlin / Köln, 1975 (zit.: Engli / Haus) Scotti, J. J.: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzogtum Cleve und in der Grafschaft Mark. . .ergangen sind, vom Jahre 1418 – 1816, 5 Bde., Düsseldorf 1826. Sauerländer, Wilhelm: Quellen u. Forschungen zur Geschichte der Stadt Lüdenscheid Bd. II: Die Brandakte von 1723, Lüdenscheid 1958 (zit.: Sauerländer, Die Brandakte von 1723). Vorschriftensammlung (ohne Hrsg.): I. Allgemeine Verwaltung und Beamtenverhältnisse der Stadt Lüdenscheid, II. Die Betriebe u. Anstalten der Stadt Lüdenscheid, III. Armenwesen und Wohlfahrtspflege für die Stadt Lüdenscheid, IV. Schulwesen der Stadt Lüdenscheid, V. Steuerwesen der Stadt Lüdenscheid, VI. Polizeivorschriften und ähnliche Bestimmungen für die Stadt Lüdenscheid, zusammengestellt 1911, Druck Spannagel u. Caesar, Lüdenscheid 1911 (zit.: Vorschriftensammlung 1911).

6. Zeitungen Der Reidemeister Hagener Zeitung Kölnische Zeitung Lüdenscheider Generalanzeiger Lüdenscheider Nachrichten Lüdenscheider Wochenblatt Völkischer Beobachter Westfälische Rundschau

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Sachwortverzeichnis Abteilung 117, 170, 183, 188, 231, 239, 249 AG für Deutsche Elektrizitätswirtschaft 206 – 208 AG für Gas und Elektrizität 60 – 63, 159, 189 Akkumulatorenfabrik Aktiengesellschaft 143 – 144 Aktiengesellschaft Lüdenscheider Wasserwerke 130 ALR 26, 29, 37 – 39, 41 – 42, 44 – 45, 48, 56, 58, 66, 97, 99, 126, 162, 175, 221 Altersheim 174 Amt 97, 116 – 117, 145, 166, 174, 195, 227, 249 Angestellte 119, 164, 173, 227, 237, 249 Anstalt 26, 121 – 122, 162, 174, 176 – 183, 185, 187, 195 Arbeiter 24, 84, 108, 112, 160 – 161, 164, 237 Arbeitsnachweis 229, 231 Armen-Commission 109, 111, 115, 122 Armenverwaltung 109, 122, 127, 251 Armenwesen 108 – 109, 114, 122, 171 Baugesellschaft 109 Bauordnung 29, 38, 81 – 82 Bauverwaltung 116, 120, 228 – 229, 232 – 233, 235 Bauwesen 107, 113 – 114, 116, 170 Beamte 29, 41, 53, 119, 173, 227, 237, 249 Beigeordnete 228 Beizeflüssigkeiten 84 Beleuchtung 23 – 27, 31 – 32, 39, 47, 50 – 52, 57, 61 – 62, 73, 76, 127, 138 – 139, 158, 189, 191, 195, 201, 246, 248, 251 Benutzungszwang 101, 123, 126, 179, 182, 184 – 185, 188, 191 Bevölkerungswachstum 19, 94, 102, 104, 225, 250 Brandbekämpfung 29, 80, 123

Bundesfernstraßengesetz 75 Bürgermeister 27, 32 – 33, 38, 47, 49, 52, 62, 78, 80, 82 – 83, 85 – 87, 106, 108 – 110, 112 – 121, 123, 134 – 135, 143, 145, 149, 160 – 163, 169 – 170, 195, 228, 234 – 235, 249-250 Büroordnung 172 Cronenberg 29, 96, 197 Cuno 143, 149, 204 – 205 Daseinsvorsorge 19, 73, 99 – 100, 102, 128, 251 Demarkationsvertrag 202 Deputation 112, 115 Deutsche Gemeindeordnung 178, 227, 236, 239 – 240, 242 Deutsche Wasserwerke Aktiengesellschaft 130, 132, 134 – 137 Dezernat 171, 233 – 234 Durchleitung 152 – 154, 221 Eigenbetriebsverordnung 237 – 242, 245 Eingriffsverwaltung 73, 100 – 101, 119 Einrichtungen 31, 52, 56, 77, 85, 94 – 97, 102, 119 – 122, 127, 151, 158, 165, 170, 172, 174 – 178, 193, 226, 233, 239, 250 Eishaus 123, 175 Elektrizitätskommission 141 – 142, 144, 150, 171 – 172, 193, 238, 250 Elektrizitätsversorgung 21, 113, 139 – 140, 142, 154 – 155, 157, 192, 199, 203, 206 – 207, 214, 216 – 217, 223 – 224, 240 Elektrizitätswerk 140, 142, 144 – 154, 157, 168, 172, 174, 190 – 193, 195, 198 – 204, 206 – 207, 214, 233, 235, 239 – 240, 243 – 244 Energiewirtschaftsgesetz 217, 223, 226 Erlaubnis 44, 48, 65 – 68, 89 – 91, 218

272

Sachwortverzeichnis

Erlaubnistheorie 66, 68 Expedition 116, 118, 173, 249 Ferngasversorgung 212, 214 – 216, 244 Feuerlöschkompagnie 123 Feuerordnung 29 – 30, 96, 123 Finanzplanung 231 Fiskus 48, 53, 66, 74, 136 Fuelbecker Talsperre 131 Gaskommission 158, 171 Gaslieferungsvertrag 219 – 221 Gasversorgung 22 – 23, 33 – 34, 46, 50 – 51, 60 – 61, 76 – 77, 91, 149, 154 – 155, 174, 189, 222 – 223, 246, 249 Gaswerk 21, 23, 33, 51, 62, 76, 129, 155 – 156, 158, 160, 163, 165, 168, 174, 187 – 188, 190, 195, 212 – 214, 216, 218, 221, 233, 235, 240, 246 Gefahrenabwehr 27 – 28, 40, 58, 66, 79, 96 – 97, 99, 244, 246 – 247 Gemeingebrauch 44, 48, 56, 68, 70 – 71, 75 gemischt-wirtschaftliche Unternehmung 154, 206 Generalinspekteur für Wasser und Energie 218 Geschäftsablauf 94, 113, 117 – 118, 172, 236 Geschäftsverteilung 113, 120, 170 gewerbliche Unternehmung 180 – 181, 184, 187, 193 – 195 Gleichschaltung 198, 216, 244 Grafschaft Mark 37 – 38, 81, 105, 167 Großherzogtum Berg 105 Haftung 181 – 182 Harkort 25 Höhere Bürgerschule 121, 127 Honoratioren 33, 50, 246 Imperial Continental Gas Association 22, 46 Industrialisierung 19, 23 – 24, 50, 77, 94, 102, 104, 109, 120, 130, 166, 250 Iserlohner-Gas-Gesellschaft 33, 47 Jander 27, 106 – 108 Jockusch 62, 112 – 113, 116, 134 – 135, 143, 145, 149, 160 – 163, 169, 173, 195, 208, 215, 231 – 233, 249

Kläranlage 85, 124 – 126 Kobbe 27, 38, 78, 106 – 107 Kommission 33, 36, 86 – 88, 141, 143 – 144, 157, 159, 172, 188, 194 Kommunaler Elektrizitäts-Verband Westfalen-Rheinland GmbH 204 Kommunales Elektrizitätswerk Mark AG 140, 145 – 154, 192, 198 – 204, 206 – 207, 214, 244 Kommunalisierung 21, 23, 120, 129 – 130, 136, 138, 155, 164 – 165, 174, 193 – 197, 204, 214, 243, 246, 248-249 Konzession 47 – 49, 54 – 55, 59, 64 – 65, 67 – 68, 70, 73 – 74, 88 – 90, 134, 149, 153, 156, 160, 241 Konzessionsverhältnis 75, 90, 153 – 154 Konzessionsvertrag 53, 55, 61, 63 – 66, 68 – 72, 74 – 75, 77, 88 – 90, 92, 127, 136, 155, 187, 195, 247 Krankenhaus 115, 119, 121 – 122, 174, 228, 233 – 235 Kreisphysikus 81 – 84, 87 Landgemeinde 24, 46, 91, 93, 121, 124, 126, 226, 250 Leistungsverwaltung 19, 21, 94 – 96, 100 – 102, 119, 127, 166, 175, 177, 182, 196, 198, 224, 250 Leitungsnetz 31, 51, 153 – 155, 182, 191, 197, 201, 211 Leitungsverband 217 Lenne-Elektrizitäts- und Industriewerke AG 202 Lenzmann 62, 86, 88, 119 Lieferbedingungen 62, 189, 191, 216, 219, 247 Lüdenscheider Gasgesellschaft 34, 76, 140, 155 Magistrat 22, 31 – 33, 35, 38, 40 – 41, 43 – 44, 47, 49, 51 – 53, 60 – 61, 70, 72, 74, 77 – 78, 82, 84, 86, 88, 91 – 94, 96, 106, 110 – 111, 114, 120, 122, 124, 129, 131, 133, 135, 141, 144, 153, 156 – 159, 165, 176, 179, 183, 187 – 188, 193 – 194, 200, 212 – 213, 221, 230, 238, 246 – 247, 251 Magistratsassessor 237 Maire 105, 107

Sachwortverzeichnis Monopol 45, 49 – 51, 92, 131, 141, 152, 154, 165, 247 Munizipalrat 105, 107 Munizipalverfassung 105 Murdoch 22, 25 Nachbarschaften 107 Nationalsozialismus 218, 234, 244 Nottebohm 49, 80, 82, 86, 109, 112 – 114 Oberbürgermeister 163, 195, 200, 204 – 205, 208, 215, 227 – 228, 231 – 232, 234 – 235, 237 – 238, 241 – 242 öffentlich-rechtlicher Vertrag 64, 69 – 70 öffentliche Sachen 67 Ortspolizeibehörde 29-31, 39, 41, 44 Ortsstraßen 26, 35 – 36, 38 – 39, 41, 43 – 44, 46, 48 – 50, 54, 72, 74, 91, 221, 247 Parallelverbund 199 Plöger 33, 106, 108 Polizei 40 – 41, 71, 96 – 99, 119 Polizeiwesen 94, 114 Preußische Elektrizitäts AG 206 Privileg 22, 45 – 47, 65, 68, 74, 210 Privilegientheorie 65, 68, 73 Ratsherren 106, 110, 112, 227 – 228, 238 Regalien 45 – 46, 48 Registratur 114, 118, 169, 173, 249 Reichsgruppe Energieversorgung 217 – 218 Reinhard 108 Revidierte Städteordnung 106, 108, 176 Revision Treuhand-Aktien-Gesellschaft 238 – 239 Riegelmann 107 – 108 Ritter 23, 30, 32 – 33, 44, 49, 61, 76, 156 – 157 Ruhrtalsperrenverein 208 – 212, 224 Ruhrverband 209 – 212, 224 RWE 142 – 143, 148 – 149, 204 – 206 Schiedsverfahren 59 Schlachthaus 123 Schneider 233 Selbach 52, 86, 112 – 113, 115, 123 18 Heider

273

Selve 132 Sondernutzung 54, 58, 66 – 69, 71 – 72, 90 – 92, 153 – 154, 221, 241 Sondernutzungsrecht 92, 153 – 154, 221, 247 Sondervermögen 240 – 241, 243 Sparkasse 108 – 109, 114 – 115, 127, 171, 174 – 175, 194, 233, 251 Stadtbaumeister 116, 118, 172 Stadtbaurat 170 – 171, 228, 234 – 235 Stadtentwicklung 19, 26 – 27, 31, 43, 82, 102, 129 Stadtkreisbildung 130, 168, 173 Stadtverordnete 43, 86, 93 – 94, 109, 159, 172 Stadtverordnetenversammlung 23, 27, 31 – 34, 62, 74, 86, 88, 92, 96, 106, 110 – 111, 115 – 116, 120 – 121, 124, 126, 129, 133, 135, 140 – 141, 144, 149 – 150, 155 – 158, 164, 168, 172 – 173, 183, 185, 187 – 188, 191, 193 – 195, 198, 213, 215 – 216, 232 – 233, 244, 246, 250 – 251 Stadtwerke Lüdenscheid 24, 33, 49, 52, 77 – 79, 81, 88, 93, 119, 132, 139, 155, 158, 164, 186-187, 189, 192, 201, 214, 218, 223, 238 – 243, 251 Stellenplan 94, 113, 119, 173, 236 – 237, 249 Stiftung 121, 171 Stinnes 140, 142, 148, 150 Straßen 23, 25 – 27, 29 – 31, 34 – 36, 38 – 48, 50, 53, 55 – 59, 61, 66, 68 – 69, 73 – 75, 78, 90 – 92, 108, 124, 126, 151 – 154, 158, 165, 189, 220 – 221, 224, 246 – 247 Straßenordnung 39 – 41, 43 – 44 Straßen- und Wegegesetz 75 Stromlieferungsvertrag 143, 192, 202, 206, 221 Talsperrengenossenschaft 131, 208 Unternehmer 24, 33 – 35, 39, 49 – 50, 59, 62, 64, 66, 70 – 74, 88 – 93, 101, 123, 128 – 130, 140, 160, 174, 186, 240, 246 – 248 Urbanisierung 19, 23, 28, 50, 77, 94, 109, 113, 119 – 120, 129, 138, 250

52 – 109, 221, 102,

274

Sachwortverzeichnis

Verbundbetrieb 199 Verbundwirtschaft 20 – 21, 197 – 200, 203, 207 – 212, 216, 222, 224, 243, 246, 248 Vermögensverwaltung 96, 99, 109, 128, 170, 172, 247, 251 Versetalsperre 132, 134, 208, 211, 224 Versorgungsgebiet 19, 35, 147 – 150, 192, 203, 219, 222 Vertragstheorie 65 – 66 Verwaltungsakt 59, 64, 66, 69, 72 – 74, 92, 101 – 102, 181, 221, 247 Verwaltungsgliederung 94, 114 – 117, 169 – 170, 229, 234, 249 Volksbibliothek 120 von Coels 148 von Holtzbrinck 83 von Vincke 26 Waage 124 Waisenanstalt 122 Wasserkommission 86, 88, 133, 135, 158 – 159, 171 – 172, 183, 188 – 189 Wasserlieferungsvertrag 89, 133 Wasserversorgung 25, 54, 77 – 79, 83, 86 – 87, 90, 92, 94, 119 – 120, 129 – 131, 133, 135 – 136, 138, 154, 184 – 185, 208 – 211, 217 – 218, 246 – 248 Wasserwerk 93, 130, 133 – 136, 138, 159, 164 – 165, 174, 182 – 183, 185 – 188, 190, 194 – 195, 211, 233, 235, 240, 243 Wege 29, 35 – 36, 38 – 39, 42 – 46, 48, 55 – 56, 58, 66, 68 – 69, 73 – 74, 85, 91, 141, 151 – 154, 159, 220 – 221, 224 Wegebau 36, 38

Wegebaubehörde 38, 41, 46, 48 – 49, 59, 66, 70, 72, 74, 91 – 92, 153, 221, 247 Wegebaupflicht 36 – 38 Wegeeigentum 44 Wegenutzung 46 – 49, 56, 59 – 60, 65, 70, 72, 153, 247 Wegeordnung 36-38 Wegepolizei 36, 38, 45, 59, 70 Wegepolizeibehörde 38, 41 – 42, 48 – 49, 54, 66, 69 – 72, 74, 90 – 92, 153, 221, 247 Wegerecht 26, 35 – 36, 44, 55, 66, 70, 72, 75, 165, 219 – 221, 247 Wegeunterhaltung 70 Wegeunterhaltungspflicht 38 Westdeutsche-Elektrizitätswirtschafts AG 206 – 207 Westfälische Ferngas AG 215 – 216, 219 – 222 Westfälische Städteordnung 32, 47, 72, 89, 92, 94, 110 – 111, 114 – 115, 117 – 118, 136, 145, 169 – 171, 176, 179, 182, 227 Widmung 42 – 43, 181, 191 Wiesmann 112 – 113 Wirtschaftsgruppe Elektrizitätsversorgung 216, 223 Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung 217 – 218 Wirtschaftskonzession 65, 73 Wochenmarkt 123 Wohlfahrt 40, 97, 177, 235 Wohlfahrtsverwaltung 174, 230, 232 Wohnraumbeschaffung 229 Ziegelei 174, 195, 233, 235