Die Knochennadeln von Haithabu 3529019097, 9783529019098

Der vorliegende Bericht über die Knochennadeln von Haithabu ist aus einer Göttinger Dissertation erwachsen. Ursprünglich

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German Pages 102 [106] Year 1976

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Die Knochennadeln von Haithabu
 3529019097, 9783529019098

Table of contents :
Vorwort
1. Einleitung
2. Formen
2.1 Typ 1: Nadeln mit gegenständlichen Köpfen
2.1.1 Nadeln mit Tierköpfen
2.1.2 Nadeln mit Menschenköpfen
2.1.3 Nadeln mit Köpfen in Axt- und Kreuzform
2.2 Typ 2: Nadeln mit kräftigem Schaft
2.3 Typ 3: Nadeln mit schlankem Schaft
2.4 Typ 4: Nadeln mit Öse oder kleiner aufgesetzter öhrplatte als Kopf
2.5 Typ 5: Nadeln mit Wulst zwischen Schaft und Kopf
2.6 Typ 6: Nadeln mit ring- oder scheibenförmigem Kopf
2.7 Typ 7: Nadeln mit rechteckigem Kopf
2.8 Typ 8: Nadeln mit gegliederten Kopfseiten
2.9 Typ 9: Nadeln mit verbreitertem, aus dem Schaft wachsendem Kopf
2.9.1 Nadeln mit ruderförmigem Kopf
2.9. 2 Nadeln mit ovalem Kopf
2.10 Typ 10: Einfache Nadeln
2.10.1 Nadeln aus der Fibula des Schweines
2.10.2 Kurze kräftige Nadeln (Pfrieme)
2.10.3 Kurze schlanke Nadeln (Nähnadeln)
2.11 Typ 11: Lange Nadeln mit flachem, breitem Kopf
2.12 Nadelfragmente
2.13 Verzierungen an Nadeln
2.13.1 Ritzverzierung
2.13.2 Kerbverzierung
2.13. 3 Flachplastische Verzierung
3. Auswertung statistisch erfasster Merkmale
3.1 Gliederungskategorien
3.2 Bestimmung der Merkmale
3.3 Auswertung der Kombinationen
3.4 Gruppierung nach Korrelationen
4. Funktionen der Nadeln
4.1 Nadeln in Gräbern
4.2 Nadeln in Siedlungen
4.3 Gebrauchsspuren an Nadeln
4.4 Aus Analogien erschlossene Funktionen
4.5 Nadeln als Schreibgeräte
Anhang
Anmerkungen
Abbildungsnachweis
Literaturnachweis

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Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte Schleswig, Schloß Gottorp BERICHTE BERICHT

ÜBER

DIE

AUSGRABUNGEN

9

Herausgegeben von Kurt Schietzel

IN H A I T H A B U

Die Knochennadeln von Haithabu von Gesine Schwarz-Mackensen

1976 KAR L

W A C H H O L T Z

N E U M Ü N S T E R

V E R L A G

Anschrift der Verfasserin: Dr. Gesine Schwarz-Mackensen Braunschweigisches Landesmuseum für Geschichte und Volkstum Abteilung Vor- und Frühgeschichte Kanzleistraße 3 3340 Wolfenbüttel

D 7 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks,

der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, Vorbehalten Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1976

VORWORT Der vorliegende Bericht über die Knochennadeln von Haithabu ist aus einer Göttinger Dissertation erwachsen. Ursprünglich als Untersuchung der Nadeln aller Materialgrup­ pen konzipiert, richtete sich das Interesse bald ausschließlich auf die Knochennadeln. Die Arbeit gehört in eine Reihe ähnlich angelegter archäologischer Untersuchungen, die alle das Ziel haben, kleinere, klar abgegrenzte Fundgruppen innerhalb des Materials von Haithabu im Detail zu studieren und mit entsprechenden Komplexen oder Einzel­ funden anderer Siedlungsplätze zu vergleichen. Dabei werden die Fragestellungen wie die Methoden entsprechend dem besonderen Charakter der Fundkomplexe variiert. Während der Bearbeitung des Materials von Haithabu förderten die archäologischen Untersuchungen in der Nachfolgesiedlung Schleswig weitere Knochennadeln zutage; diese Funde legten es nahe, über das frühmittelalterliche Fundmaterial hinauszugreifen. So ist es zu erklären, daß die Siedlungen Haithabu-Schleswig, Birka-Sigtuna und Lund beim Materialvergleich in den Vordergrund des Interesses rückten. Dieses Vorgehen ist auch dadurch zu rechtfertigen, daß diese fünf Siedlungsplätze den weitaus größten Teil des zur Betrachtung anstehenden Fundstoffes lieferten. Für die verengte Betrachtung aus dem Zusammenhang weitgehend herausgelöster Fundgruppen stellt sich, insbesondere, wenn die Ergebnisse keine spektakulären Züge tragen, die Frage nach der Rechtfertigung des Aufwandes. Diese auch für vergleich­ bare andere umfangreiche siedlungsarchäologische Vorhaben geltende Frage findet ihre Antwort darin, daß die Fundmengen nur sehr schwer zu übersehen sind und eine starke Gliederung in Einzelarbeitsgänge unausweichlich ist, nicht zuletzt schon deshalb, weil die vor die wissenschaftliche Auswertung geschalteten Konservierungs-, Restaurierungs- und Dokumentationsaufgaben in der Regel viel Zeit erfordern. Derartige isolierte Studien können wenig zur Interpretation der Gesamtsituation beitragen, da die Bearbeitung der Einzelphänomene zeitlich versetzt erfolgt und daher mit anderen Arbeitsgängen selten kommunizieren kann. In der Phase der Einzelerkundung und der Auslotung aller Details, die die für eine verläßliche Durchzeichnung des Gesamt­ bildes erforderliche Grundlage bildet, lassen sich daher kaum verläßliche allgemeine Aussagen treffen. Diese Situation ist bis zum Abschluß der Einzeluntersuchungen eingeleiteter und geplanter — die sowohl als umfangreiche Monografien wie auch als kleinere Studien vorgelegt werden, bei den gegebenen Verhältnissen kaum veränderbar. Für den Vergleich aller Detailstudien untereinander im Hinblick auf eine übergreifende Gesamtauswertung ist ein gemeinsamer methodischer und organisatorischer Rahmen eine wichtige Voraussetzung. Bei aller unerläßlichen Vielfalt der Bearbeitungsgänge muß die Projektleitung doch darum bemüht sein, durchgängige und die Einzelvorhaben verbindende Regeln zu formulieren und auf ihre Einhaltung hinzuwirken. Hier kann die Eigenverantwortlichkeit des Bearbeiters mit den Erfordernissen nach einheitlicher Gestaltung des Projektes in Konflikt geraten. Frau G. Schwarz-Mackensen ist diesen Bemühungen des Herausgebers mit besonderem Verständnis begegnet, wofür ihr sehr zu danken ist. Schleswig, Oktober 1976

Kurt Schietzel

IN H A LTSV ER ZEIC H N IS V orw ort......................................................................................................................................... 5 1. E in le it u n g .................................................................................................................. 9 2. Formen ............................................................................................................................ 10 2 .1 Typ 1: Nadeln mit gegenständlichen K ö p f e n .....................................................11 2.1.1 Nadeln mit T ie r k ö p fe n ................................................................................11 2 .1 . 2 Nadeln mit M enschenköpfen.......................................................................26 2.1 . 3 Nadeln mit Köpfen in Axt- und K reu zfo rm ........................................... 27 2. 2 Typ 2: Nadeln mit kräftigem S c h a f t ......................................................................28 2 .3 Typ 3: Nadeln mit schlankem S c h a ft......................................................................31 2 .4 Typ 4: Nadeln mit Öse oder kleiner aufgesetzter öhrplatte als Kopf . . 31 2 .5 Typ 5: Nadeln mit Wulst zwischen Schaft und K o p f ......................................34 2 .6 Typ 6: Nadeln mit ring-oder scheibenförmigem K o p f......................................35 2 .7 Typ 7: Nadeln mit rechteckigem K o p f .................................................................35 2 .8 Typ 8: Nadeln mit gegliederten K o p fs e ite n ........................................................37 2 .9 Typ 9: Nadeln mit verbreitertem, aus dem Schaft wachsendem Kopf . . 39 2. 9 .1 Nadeln mit ruderförmigem K o p f ............................................................. 40 2. 9. 2 Nadeln mit ovalem K o p f................................................................................41 2 .1 0 Typ 10: Einfache N a d e ln ............................................................................................ 41 2.10.1 Nadeln aus der Fibula des Schweines......................................................... 41 2.10. 2 Kurze kräftige Nadeln ( P f r i e m e ) ............................................................. 42 2.10. 3 Kurze schlanke Nadeln („N äh n ad eln ").................................................... 44 2.11 Typ 11: Lange Nadeln mit flachem, breitem K o p f ................................................44 2.12 N adelfragm ente................................................................................................................ 44 2.13 Verzierungen an N a d e l n ..............................................................................................46 2 . 1 3 . 1 Ritzverzierung.....................................................................................................................47 2.13. 2 K erbv erzieru n g ................................................................................................................47 2.13. 3 Flachplastische Verzierung..............................................................................................48 3. Auswertung statistisch erfaßter M e r k m a le ............................................................ 49 3 .1 G liederungskategorien.................................................................................................. 50 3 .2 Bestimmung der M e r k m a le ......................................................................................... 51 3. 3 Auswertung der K o m b in atio n en ................................................................................ 54 3. 4 Gruppierung nach K o rrelatio n en ................................................................................ 59 4. Funktionen der N a d e ln .................................................................................................67 4 .1 Nadeln in G räbern ............................................................................................................67 4. 2 Nadeln in Siedlungen....................................................................................................... 69 4. 3 Gebrauchsspuren an N a d e ln ......................................................................................... 72 4. 4 Aus Analogien erschlossene F u n k tio n e n ...................................................................74 4 .5 Nadeln als S ch reib g e rä te .............................................................................................. 74 A n h an g .............................................................................................................................................. 79 A n m erku n g en .................................................................................................................................85 Abbildungsnachweis ................................................................................................................... 87 Literaturnachweis............................................................................................................................ 89

Die Knochennadeln von Haithabu Von Gesine Schwarz-Mackensen

1. E I N L E I T U N G

Nadeln aus Knochen oder Geweih, aus Edelmetall oder Eisen sind ein häufiges Fund­ gut aus allen vor- und frühgeschichtlichen Perioden bis hin zur historischen Zeit. Bis vor kurzem behandelte man dieses Fundmaterial nur am Rande, sieht man von wenigen monographischen Einzeldarstellungen ab (Joch 1925; Hancar 1932; Jacobsthal 1953). In den letzten Jahren erst erschienen einige Monographien, die verschiedene Zeitab­ schnitte und Regionen abdecken (Beckmann 1966; Audouze und Courtois 1970; Carancini 1974). Die vorliegende Arbeit wurde von Professor Dr. H. Jankuhn angeregt und im Wintersemester 1972/73 von der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen als Disser­ tation angenommen. Die Materialaufnahme in Schleswig, die Planung der Museumsfahrten durch

,

Skandinavien die Niederlande und Norddeutschland und die Vorbereitung zum Druck wurden von Dr. K. Schietzel und seinen Mitarbeitern stets geduldig und hilfsbereit gefördert. Alle Zeichnungen fertigte Herr Hammon an, die Redaktion übernahmen Dr. V. Vogel und Chr. Radtke M. A. Die Reisen nach Amersfoort, Arhus, Bergen, Berlin-Ost, Groningen, Hamburg, Kopenhagen, Leeuwarden, Leiden, Oslo, Sigtuna, Stockholm, Trondheim, Visby und Wilhelmshaven wurden ebenso wie die Publikation von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglicht. In allen Museen, die ich auf­ suchte, wurde mir stets Entgegenkommen und Hilfe zuteil. Allen, die so zur Fertigstellung der Arbeit beitrugen, gilt mein aufrichtiger Dank.

Den Kern dieser Arbeit bilden die Nadeln aus der Siedlung Haithabu. Während der Materialaufnahme fiel die Entscheidung, lediglich die Knochen- und Geweihnadeln, nicht aber die Stücke aus Silber, Bronze und Eisen zu behandeln. Es zeigte sich, daß die aus der Siedlung in weit größerer Zahl vorhandenen Knochengeräte weder formal mit den Metallnadeln zu vergleichen sind, noch daß eine entsprechende Verwendung anzunehmen ist. Knochennadeln bilden in allen wikingerzeitlichen Siedlungen und in den im frühen Mittelalter entstehenden Städten eine stattliche Fundgruppe. Sie wurden bisher in zu­ sammenfassenden Grabungsberichten behandelt (Haithabu: Jankuhn 1 9 4 3 ;Trelleborg: Nørlund 1948; Jarlshof: Hamilton 1956; York: Waterman 1959; Arhus: Andersen u. a. 1971), für begrenzte Gebiete zusammengefaßt (mittelalterliche Gründungen Nor­ wegens: Grieg 1933; Friesland: Roes 1963) oder im einzelnen für Stilanalysen heran­ gezogen (Haseloff 1951 a; ders. 1951 b; Klindt-Jensen und Wilson 1966). Eine systematische, weiträumige Inventarisation blieb aus; auf Vergleichsstücke aus anderen Siedlungen wurde nur beiläufig verwiesen. Ein Grund hierfür ist vermut­ lich die Häufung dieser Fundgattung in Siedlungen bei nur sehr sporadischem Vor­ kommen in Gräbern1. Auf dieser Basis ist eine präzisere Datierung kaum möglich. Auch die Verwendung ist bisher nicht genau bekannt. 9

Die vorliegende Arbeit versucht, den offenen Fragen auf breiterer Grundlage nach­ zugehen. Zunächst wird das Material nach typologisch-chronologischen Gesichtspunk­ ten geordnet (2. 1—2. 13). Es folgt eine Auswertung mit statistischen Methoden (3.1 bis 3. 4). Hierfür konnte nur eine begrenzte Zahl von Siedlungen unterschiedlicher Zeit­ stellung2 herangezogen werden, aus denen Nadeln in großer Zahl bekannt sind: Haithabu, Birka, Sigtuna, Schleswig und Lund. Kleine und undatierte Fundkomplexe schieden für diese Methoden aus. Abschließend werden die verschiedenen Möglichkei­ ten der Verwendung von Knochennadeln erörtert (4 .1 —4. 5).

2. F O R M E N Die Knochennadeln aus den wikingerzeitlichen und frühmittelalterlichen Siedlungen bieten sich dazu an, nach einer Reihe von Gesichtspunkten untergliedert zu werden. Die charakteristischen, für die Typenbildung wesentlichen Kriterien lassen sich nicht streng systematisch durchordnen. Mitunter ist die Gestalt des Kopfes vorrangig, dann wieder spielt die Trennung von Schaft und Kopf eine wesentliche Rolle oder der nicht exakt festlegbare Übergang zwischen beiden. Zwischen diesen Typen trennt wiederum die gleichbleibende Kopf-Schaft-Stärke im Gegensatz zu dem sich stetig verbreitern­ den und aus dem Schaft wachsenden Kopf. Länge oder Stärke als hervortretende typische Merkmale führen zur Aussonderung weiterer Typen. Die verschiedenen ty­ penspezifischen Merkmale werden zumeist von anderen Charakteristika begleitet. Die­ se Bündelung von Merkmalen wird für jeden Typ beschrieben, wobei auch die Nadeln, die einer Einordnung in diesen oder jenen Typ durch Abweichung in einem Punkt oder in mehreren Kriterien widerstehen, erwähnt werden. Die Abfolge der Typen entspricht nicht der Häufigkeit ihres Vorkommens. Wesent­ lich für die Gliederung waren zum einen das Vorkommen in Haithabu, zum anderen qualitative Gesichtspunkte. Formen, die in Haithabu nur vereinzelt, aber in anderen Siedlungen mehrfach auftreten, sind nach den in Haithabu häufigen Formen behandelt, solche, die in Haithabu nicht gefunden wurden, sind an den Schluß gerückt. Auf diese Weise ergibt sich innerhalb der Gliederung eine zeitliche Differenzierung, da diese For­ men zumeist in Fundorten vertreten sind, die sich erst nach dem Niedergang Haithabus entwickelten. Die Abbildungen zeigen das Spektrum des Vorhandenen und geben keinen zahlen­ mäßig repräsentativen Überblick über die vorkommenden Formen. Während Nadeln mit Tierköpfen in großer Zahl gezeigt werden, sind für Nadeln mit Axt- und Kreuz­ kopf wie für die Mehrzahl der anderen Formen aus einer großen Zahl nur Beispiele wiedergegeben. Häufigkeit des Vorkommens an den verschiedenen Fundorten und Hinweise auf bereits publizierte Stücke sind dem Text zu entnehmen. 10

2 .1

Typ 1: Nadeln mit gegenständlichen Köpfen

Aus der Vielzahl der Geweih- und Knochennadeln hebt sich die Gruppe der Stücke mit gegenständlich geformten Köpfen ab. Die oberen Nadelenden können Tieren, T ier­ köpfen, Menschenköpfen oder Gegenständen nachgebildet sein. 2.1.1

Nadeln mit Tierköpfen

Tierkopfnadeln bilden die größte Gruppe dieses Typs. Er ist allein durch die Kopf­ form bestimmt. Andere Kriterien, die sonst bei der Bestimmung von Typen eine we­ sentliche Rolle spielen, wie Länge und Breite, die Form oder das Fehlen des Öhrs, sind hier von untergeordneter Bedeutung. Dagegen fällt auf, daß diese Nadeln, ge­ messen an den anderen Typen, mit großer Sorgfalt hergestellt wurden. Vermutlich wurde auch der Werkstoff besonders umsichtig ausgewählt3. Aus Haithabu stammen 20 Tierkopf nadeln; diesen stehen nur sechs aus Birka und vier aus Sigtuna gegenüber. Vom Jarlshof sind vier Tierkopf nadeln vorgelegt (Hamil­ ton 1956, S. 124 ff., Taf. 22b,c), aus der Trelleborg sind zwei publiziert (Nørlund 1948, Taf. 48. 1, 3). Ebensoviele bildet Waterman aus York ab (1959, S. 82, Abb. 12.4; S. 105, Abb. 25; 27). Nur je eine Nadel mit Tierkopf ist aus einer Wurt bei Dongjum, Fries­ land (Roes 1963,Taf. 54.11; Boeles 19 5 1 ,Titelvignette; Haseloff 1951, Taf. 1 6 .3 ), aus Ralswiek (Herrmann 1970, Abb. 113 c) und aus Roskilde (Büll 1968, S. 854) bekannt geworden. Schließlich stammt eine einzelne Knochen- oder Geweihnadel aus einem Bootsgrab von Traelnes, Nordnorwegen (Petersen 1936 b). Ein Vergleich der Nadeln von diesen verschiedenen, weit auseinander gelegenen Fundorten ist von nur beschränkter Aussagekraft. Denn überall dort, wo größere systematische Ausgrabungen stattfanden wie in Haithabu, Birka, York und Sigtuna, wurden auch Nadeln in halbfertigem Zustand gefunden (z. B. Hamilton 1956, S. 124), woraus auf eine örtliche Produktion mit eigenständigen Formen und Verzierungsele­ menten zu schließen ist. Aus Haithabu faßte zuerst H. Jankuhn einige Knochennadeln mit Tierkopfenden zu­ sammen (1943, S. 139 ff.). Sie sind durch andere Exemplare der späteren Grabungen in Haithabu, Stücke ähnlicher Kopfform aus Birka und ein Gerät aus der Trelleborg zu ergänzen. Bei aller Verschiedenheit in einzelnen Zügen sind sie alle durch die flache, dachförmige Oberseite des Kopfes und die schnabelförmige, leicht aufgebogene Schnauze verschiedenen Stilisierungsgrades gekennzeichnet. Sie werden unter der Bezeichnung Entenschnabelköpfe zusammengefaßt, da ihre Kopfform Entenschnäbeln ähnelt. Neben das von H. Jankuhn publizierte, inzwischen verlorengegangene Stück aus dem Bachbett (Abb. 1 . 5) mit sorgfältig wiedergegebenen Augen, Nüstern und deutlicher Ausarbeitung von Ober- und Unterkiefer ist eine Nadel der Grabung im Jahre 1969 (Abb. 1. 2) zu stellen. Mit 138 mm Länge ist sie gegenüber der ersten von 157 mm nur wenig kürzer; ihr Kopf wächst entsprechend dem anderen, wenn auch durch ein um­ laufendes, plastisches Flechtband unterbrochen, aus dem Schaft hervor; mit zwei sau­ beren Schnitten wurden die gerundeten Brauen, die leicht gegeneinander gekanteten Flächen der Oberseite und der Mittelgrad herausgearbeitet, während die Unterseite gleichmäßig gerundet ist. In beiden Fällen ist die Schnauze des nicht genau erkennba­ ll

Abb. 1 Knochennadeln des Typs 1 mit Tierköpfen (Entenschnabelköpfe) aus Haithabu und Birka. M. 1 :1

Fundmaterial von Haithabu wird in den Abbildungen mit fetten Ziffern hervorgehoben. Senkrecht gestellte Zahlen geben die Gesamtlänge verkürzt dargestellter Objekte in mm an.

ren Tieres leicht geöffnet; die Zunge zwischen Ober- und Unterkiefer ist, gleichblei­ bend breit und ein wenig mit der Spitze über die Kiefer ragend, angedeutet. Die Fur­ chen, die Kiefer und Zunge trennen, enden im Öhr, das von einer Seite zur anderen geführt ist. Eine solche Durchbohrung ist nur ausführbar an Nadelköpfen, die im Querschnitt kreisrund sind. 12

Diesen zwei Stücken mit Tierkopfenden entspricht in der Wiedergabe von Augen­ bögen, Augen und Wangen eine Nadel aus Birka (Abb. 1. 3). Sie unterscheidet sich aber in anderen Einzelheiten. Da ist zunächst der Reichtum wechselnder Verzierungen unterhalb des Tierkopfes: Auf zwei dicht mit gegenständigen Schrägstrichen gefüllten Streifen folgt ein schlichtes, flachplastisches Flechtband und daran anschließend lang­ gezogene, zum Tierkopfende weisende, in Kerbschnitt ausgeführte Dreiecke. Die W an­ genpartien sind teils kreuzschraffiert, teils mit einem Zackenband gefüllt. Besonder­ heiten sind weiter die ausgestreckte, von oben nach unten durchbohrte Zunge und die angedeuteten Eckzähne, die an Nadeln aus Haithabu nur vereinzelt auftreten (Abb. 4.1, 8), aber an vielen Stücken aus anderen Fundplätzen geläufig sind (Abb. 4. 2—6, 9; 6. 3; 7. 9). Diese gehören zumeist der folgenden Untergruppe der Tierkopfnadeln an. Den drei beschriebenen Objekten ist auch das Fragment einer Tierkopfnadel aus Haithabu mit allmählich aus dem Schaft wachsendem Kopf anzuschließen (Abb. 1. 8). Die 18 mm breite Zone unterhalb des Kopfes ist mit zwei Bändern gegeneinander ge­ stellter Kerbschnittdreiecke, die von je einem schmalen Wulst gefaßt sind, verziert und ähnelt darin der besprochenen Nadel aus Birka (Abb. 1. 3). Die Wiedergabe der Augen als Kreisaugen und der Nüstern als Punkte auf der nach unten fliehenden Vor­ derpartie entspricht im Bemühen um die Wiedergabe der Details den vorangehenden Stücken. Die genannten Einzelheiten wie der nur durch einen Zackenkranz vom Schaft ge­ trennte Kopf und die Öhrführung von der einen zur anderen Seite in der verlängerten Schnauze sind auch die Merkmale eines vierten Stücks (Abb. 1 . 1 ) ; doch ist hier der Tierkopf mehr dem Rundstab, aus dem er entstand, angepaßt. Die Augen sind durch Punkte angedeutet, auf dem oberen Drittel des Schaftes laufen in haarfeinen Ritzun­ gen ausgeführte Bänder um, die mit verschiedenen Mustern — parallelen Strichgrup­ pen, einfachen und sich kreuzenden sowie ein Zackenband bildenden Diagonalen — ge­ füllt sind. Einzigartig ist die folgende Nadel (Abb. 1. 4). Ein im Querschnitt kreisrunder, kräf­ tiger Schaft ist durch einen Doppelwulst mit scharfen Rändern gegen den Kopf abge­ setzt und vermutlich oberhalb der Schaftmitte gebrochen. In der Rille zwischen den Wülsten könnte bei Bedarf eine Schnur befestigt gewesen sein. Der Kopf ist aus drei gleichen, radial angeordneten Teilen zusammengesetzt, deren jedes einem Oberkiefer gleicht, wie er ähnlich bei den schon beschriebenen Objekten auftritt. Die Andeutung der beiden Augen je Kopf hälfte und die flach dachförmig abfallenden, oberen Schnau­ zenpartien lassen an dieser Deutung keinen Zweifel. Die Kiefer klaffen leicht ausein­ ander und gruppieren sich um einen leicht gewölbten, ein wenig überstehenden Kern. Möglicherweise entstand dieses auffallende Stück aus dem Bemühen, eine im Geweih­ material vorgegebene, längslaufende Rille einzubeziehen: sie trennt zwei der Oberkie­ fer. Unterhalb des Wulstes schließen sich drei ritzverzierte Bänder verschiedener Breite und Muster an. Einem umlaufenden Zackenband folgen zwei mit wechselnd dichten Strichgruppen gefüllte Streifen. Nahe dieser Nadel fand sich ein weiteres Tierkopfnadelfragment. Der dachförmige Kopf, das von Seite zu Seite geführte Öhr und die Einstiche als Augen stellen das sonst völlig schmucklose Stück in eine Reihe mit den beschriebenen Knochennadeln. 13

In engem Zusammenhang mit dieser Gruppe von Nadeln sah H. Jankuhn (1943, S. 140 ff.) eine Reihe weiterer Stücke, die aus den Grabungen der dreißiger Jahre stam­ men. Sie alle kennzeichnet aber der „Hang zur Stilisierung" in stärkerem Maße als die vorangegangenen. Eine von ihnen erinnerte H. Jankuhn an einen „Wasservogelschnabel". Die auffallende Kürze des Schaftes gegen den besonders langen, leicht aufgeschwungenen Kopf, die Kerben auf Mittelgrat und Schnabelrand und den plastischen Zackenrand hob H. Jan­ kuhn (1943, S. 140, Abb. 71 c) ebenfalls hervor. Einen längeren Schaft hat ein Exemplar (Abb. 1. 6), an dem auf die Andeutung von Augen, Nüstern und Trennung der Kiefer verzichtet worden ist. Die Spitze fehlt. Auf dem Schaff sind die feinen Facetten von der Zuarbeitung in Längsrichtung und am un­ teren Schaft eine spiralig verlaufende Riefung erkennbar. Damit wird die Annahme von H. Jankuhn (1943, S. 140 f.) gestützt, daß es sich um ein noch unfertiges Stück han­ dele. Das Fehlen der Durchbohrung dagegen braucht kein Hinweis darauf zu sein, es wird in dieser Gruppe gelegentlich beobachtet: Stücke nämlich, die mit Sicherheit erst während des Gebrauchs zerbrachen, weisen ebenfalls keine Durchbohrung auf. Auch andere Nadeln ohne Öhr zeigen deutliche Gebrauchsspuren (vgl. Abb. 1. 4), haben je­ doch alle, wie die hier beschriebene Nadel (Abb. 1. 6), einen Wulst, der das Öhr viel­ leicht ersetzte. Der leicht aufgebogene Kopf gleicht mit den gerundeten Brauen und den abgeschrägten Seiten, die von einem Mittelgrat ausgehen, den zuvor beschriebenen Stücken. Eine Knochennadel aus Birka (Abb. 2. 3) ähnelt diesem Stück in mancher Hinsicht. Der Schaft und Kopf trennende Wulst (Abb. 1. 2 , 4 , 6 , 8 ) , die leicht aufgebogene Schnauze (Abb. 1. 2, 5—7; 2 . 1 , 5), die Trennung von Unter- und Oberkiefer (Abb. 1. 3, 5, 8) finden ihre Entsprechungen sowohl in Haithabu als auch in Birka. Die von oben nach unten geführte Durchbohrung geht bei Nadeln aus Haithabu mit dem Verzicht auf Wiedergabe von Augen, Nüstern, Kiefer einher. An diesem Stück aus Birka ist das von oben nach unten geführte Öhr, das als Auge verstanden werden soll, mit vielen Ritz­ linien kombiniert. Die einfachsten Nadeln dieser Art stammen aus Haithabu (Abb. 2.1, 2). Sie ent­ sprechen sich im flachen, leicht aufgebogenen Kopf, an dem keinerlei Einzelheiten aus­ geführt sind. Einmal (Abb. 2 .1 ) ist die Abdachung der Oberseite noch andeutungsweise sichtbar; sie fehlt an einem anderen Stück (Abb. 2.2). Die erste Nadel wurde mit einem asymmetrisch gesetzten Öhr versehen, das von oben nach unten führt; die andere ist nicht durchbohrt. Eine Parallele stammt aus der Trelleborg (Nørlund 1948, Taf. 48.1); der Tierkopfcharakter dieses Stückes ist nur durch die Parallelen aus Haithabu eindeutig erschließbar, die wiederum nur aus den klar erkennbaren Nadeln dieser Gruppe zu deu­ ten sind. Außer den besprochenen Nadeln mit Tierkopfenden ist noch eine Reihe von Einzel­ stücken bekannt, die sich einer Einordnung in Gruppen entziehen, bei denen aber fast ausnahmslos eine sparsame Verwendung von Details festzustellen ist. Ein Fragment aus Haithabu (Abb. 1. 7) hat einen sehr stabilen Schaft und war ver­ mutlich ursprünglich erheblich länger. Es wirkt sehr plump, längs des Schaftes verlau­ fen derbe Facetten. Der Kopf verbreitert sich nur wenig, flacht aber ab und ist nach 14

Abb. 2 Knochennadeln des Typs 1 (verwaschene Entenschnabelköpfe). M. 1 : 1

oben aufgebogen. Er endet in drei symmetrisch angeordneten Zacken. Hinterkopf, Brauenpartie und Unterkiefer sind steif herausgearbeitet. Die auf dem oberen Schaft und allen Seiten des Kopfes angebrachte Ritzverzierung ist in Felder aufgeteilt, die mit wechselnden Strichgruppen dicht gefüllt sind. Läuft die Verzierung bei den meisten Nadeln aus Haithabu in Bändern um, so sind hier Schaft und Kopf in längsgerichtete Felder untergliedert, und selbst die Stirn, die Oberkiefer- und Unterseiten sind mit 15

Ritzlinien überzogen. Die Durchbohrung von oben nach unten entspricht weder der Form der Nadel noch der des Kopfes. Bei den folgenden drei Nadeln ist das von oben nach unten geführte Öhr das einzige gemeinsame Merkmal. Sorgfältig ist ein Stück aus Haithabu gefertigt (Abb. 2. 7), seine Spitze wirkt abgenutzt. Unterhalb des Kopfes zieht der kreisrunde Schaft leicht ein, ein weich plastisches Flechtband trennt ihn vom Kopf. Dieser erschiene wie eine Fortsetzung des Schaftes, wäre nicht das Öhr von kräftigen Kerblinien umschrieben und die Obervon der Unterseite in der oberen Kopfhälfte durch zwei tiefe, parallel laufende Kerben abgesetzt, welche eine plastische Rippe einfassen, die einer Zunge ähnelt; ein Hinweis, daß ein Tierkopf wiedergegeben werden sollte. Vielleicht steht außerdem das von oben nach unten geführte Öhr für die Augen und seine wulstige Rahmung für die Brauen. Die beiden anderen Nadeln (Abb. 2. 4, 6) entsprechen sich in der Plumpheit des mas­ siven, kurzen Schafts. Der nicht abgesetzte Kopf des Stückes aus Birka (Abb. 2. 4) ist auf der Höhe der Durchbohrung an den Seiten mit Kreisaugen versehen; direkt dar­ über zieht der Kopf stark ein und bildet einen Rüssel; entlang den Seiten und auf der Nadeloberseite läuft eine Ritzlinie um, die die Trennung von Ober- und Unterkiefer anzudeuten scheint. Eine Parallele aus Bronze kommt aus Grab 639 des Gräberfeldes von Birka. Der Kästchenbeschlag in diesem Komplex endet in vergleichbaren Köpfen. Daraus auf eine Datierung in das 10. Jahrhundert zu schließen, erscheint jedoch zu ge­ wagt. Der Kopf des Gerätes aus Haithabu (Abb. 2. 6) mit scharfer, bleistiftartiger Spitze setzt sich durch eine kräftige Verbreiterung gegen den Schaft ab. In der Form ähnelt der Kopf einem gleichschenkligen Dreieck; lediglich zwei tiefe Kerben am oberen Kopf­ ende erwecken den Eindruck eines Tierkopfes; die obere steht für die Nüstern, die un­ tere, kräftigere, für die Trennung zwischen Unter- und Oberkiefer. Vermutlich war diese Nadel einst viel länger und wurde nach einem Bruch zum weiteren Gebrauch neu zugespitzt. Sie ähnelt der zweiten Tierkopfnadel aus der Trelleborg (Nørlund 1948, Taf. 48. 3). Deren oberes Ende ist eindeutig als Tierkopf zu erkennen, an dem, anders als an der Nadel aus Haithabu, zwei nach hinten gelegte Ohren ansetzen. Diese Paral­ lele schließt eine Datierung der Haithabu-Nadel in das späte 10. Jahrhundert nicht aus. Eine Knochennadel, die in den dreißiger Jahren in Haithabu gefunden wurde und inzwischen verloren ist (Abb. 2. 5), ist mit einem kaum mehr erkennbaren Tierkopf verziert, dessen Form und Verzierung gelungen wirken. Das Öhr, von Seite zu Seite durchbohrt, sitzt oberhalb dreier umlaufender Bänder mit unterschiedlicher Musterung: Strichbündeln, Kreuzschraffur und Zackenband. Der Kopf verbreitert sich kaum son­ dern ist gleichsam der verlängerte Schaft, wenn auch durch starke Abflachung und kräf­ tigen Schwung nach oben erkennbar; die Schnauze ist durch einen fein eingeritzten Rhombus markiert. Die meisten dieser Tierkopfnadeln (Abb. 3) kommen aus Haithabu, die aus Birka und der Trelleborg genannten Parallelen sind in der Minderzahl. Die zwölf Nadeln aus Haithabu sollen deshalb gesondert betrachtet werden. Gemeinsame Merkmale sind der lange und immer flacher werdende Kopf, der „leicht aufgebogen" ist (Jankuhn 1943, S. 139 f.), mit dem stärker oder schwächer her­ ausgearbeiteten Mittelgrat, der sich entweder über den ganzen Kopf hinzieht oder von 16

einer Brauenpartie ausgeht, die den oberen Kopf gegen die Schnabel- oder Schnauzen­ bildung absetzt. Eine besonders betonte Stirn kann fehlen. Der Übergang von Schaft zu Kopf wechselt; er kann stark und in verschiedener Weise betont sein, braucht aber auch nur durch eine geringfügige Verbreiterung des Kopfansatzes wiedergegeben zu sein oder kann völlig fehlen. Unterschiedlich sind auch die Einzelheiten ausgeführt worden. Die Trennung von Ober- und Unterkiefer, die Wiedergabe der Augen oder Nüstern sind Kriterien, die die Deutung als Tierkopf in einigen Fällen sichern. In der Abfolge dieser Stücke aus Haithabu ist eine klare Entwicklung erkennbar. Sie beginnt mit eindeutigen Tierköpfen. H. Jankuhn nennt diese Köpfe „Wasservogel­ schnabel" (1943, S. 140); G. Haseloff (1951 a, S. 19) bezeichnet die Köpfe seiner Tier­ gruppe A ohne betonte Ohren und mit weniger naturalistischen Zügen als die Gruppe B mit „Entenschnabel", es ist damit kein Urteil über die Vorlagen aus dem Tierreich gefällt. Dieser Begriff wurde von J. Ypey (1968, S. 175 ff.) leicht verändert wiederauf­ genommen. Er findet auch hier Verwendung, weil die hervorgehobenen Merkmale sich hier wie dort finden; es soll damit nicht entschieden sein, ob eine direkte Beeinflussung von jenen auf diese Tierköpfe denkbar ist — es entsprechen sich lediglich einige Merk­ male. Die Köpfe wurden von dem Schaft klar abgesetzt und mit Schnauzen, Kiefern, Augen ausgestattet.

Abb. 3 Verbreitung der Knochennadeln mit Entenschnabelköpfen 2 Haithabu - Bericht 9

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Abb. 4 Knochennadeln des Typs 1 mit Tierköpfen (Raubtier- oder Drachenköpfe). M. 1 : 1

Im Verlauf der Zeit wurde die Abstraktion stärker. Man verzichtete auf die Unter­ scheidung der Unter- und Oberkiefer, auf die Durchbohrung und den Absatz gegen den Schaft oder auf die Augen, den Mittelgrat, die Brauenbögen und sonstige Verzie­ rungen. Schließlich wird auch das Öhr nicht mehr von einer Seite zur anderen, sondern von oben nach unten durchbohrt, d. h., man bemühte sich nicht länger, ein funktional notwendiges Element der optischen Erscheinung unterzuordnen. Ständen die letztge­ nannten Knochennadeln nicht in dieser Entwicklungsreihe, man würde sie nur zögernd den Stücken mit Tierkopfenden zuordnen. Eine genauere zeitliche Einordnung dieser Entwicklung ist nicht möglich, weil die stratigraphischen Befunde nicht aussagekräftig genug sind. Die Parallele zu diesen en­ tenschnabelförmigen Stücken — in ihrer fortgeschrittensten Form — aus der Trelleborg (Nørlund 1948, Taf. 48 .1) stützt die Annahme einer Entwicklung von deutlich erkenn18

baren und verschieden differenzierten zu verwaschenen und flachen, kaum mehr er­ kennbaren Formen. Zwei Knochennadeln aus Birka stehen den entenschnabelförmigen Stücken von Haithabu nahe; sie wurden jedoch sicher in Birka selbst hergestellt, wie die Verzie­ rungen beweisen. Unter den ersten Nadeln mit Tierkopfenden ließ sich eine recht große Anzahl von Geräten aus Haithabu zusammenfassen, die nur einzelne Gegenstücke in Birka und der Trelleborg fand. Das ist bei den folgenden anders. Um ein Einzelstück aus Haithabu gruppiert sich ein weit größerer Kreis von Nadeln von verschiedenen Fundorten Skandinaviens und der Britischen Inseln (Abb. 5). Die Köpfe dieser Nadeln haben Raubtierzüge. Der Rachen ist zumeist weit geöffnet, die Reißzähne sind deutlich erkenn­ bar; die lebendiger wiedergegebenen Stücke wirken wie Drachen, die zahmeren erin­ nern an Hunde. Das einzige Stück dieser Art aus Haithabu (Abb. 4. 8) fällt durch seine Länge von 139 mm auf. Vier umlaufende Rillen trennen Kopf und Schaft. Die nach hinten geleg­ ten Ohren, die aufragende Brauenpartie und die aufgestülpte Schnauze sind mit kräfti­ gen Schnitten herausgearbeitet. Die geraden Schnittflächen stoßen in wechselnden

Abb. 5 Verbreitung der Knochennadeln mit Drachenköpfen

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Ebenen aufeinander. Zwischen den klaffenden Kiefern ist ein Dreieck stehengelassen, die Zahnreihen sind nicht eingezeichnet, die Augen durch Kreisaugen unter dem Brau­ ensteg markiert. Die Spitze ist ungewöhnlich stumpf. Der Kopf einer Nadel aus York ist der Rundform des Schaftes angepaßt (Abb. 4. 9). Das Öhr oberhalb von zwei Zierbändern mit gegenständigen Schrägstrichen ist von Seite zu Seite geführt. Die Ohren sind als Wulst knapp oberhalb des Öhrs, die Augen als Kreisaugen seitlich wiedergegeben. An diese stößt das nach oben geöffnete Dreieck, in das die Zähne mit feinem Strich eingeritzt sind. Dieser Nadel mit Tierkopf aus York ähnelt eine zweite vom selben Fundplatz. Der Kopf ist etwas größer, einzelne Details sind stärker herausgearbeitet, das Maul ist geschlossen und der Eindruck eines Hun­ dekopfes erzielt. Beide Tierköpfe setzen den kreisrunden Schaft fort, auf den Ohren, Augen und Schnauze wie aufgesetzt wirken. Sie sind ausgeglichen in den Pro­ portionen und der Nadelform angepaßt (Waterman 1959, S. 82, Abb. 12. 4; S. 105, Abb. 25; 27). Ihre eigenständige Prägung erlaubt keine Datierung durch Parallelen. Ein Knochennadelfragment stammt aus dem Bootsgrab von Trælnes in Nordnor­ wegen (Abb. 4.4). Leider wurden die Grabzusammenhänge nur ungenügend geklärt, so daß aus der Lage im Grabe für diese Nadel — und analog für ihre Entsprechungen — keine funktionale Deutung möglich ist (Petersen 1936 b). Der Kopf dieses Bruchstückes hat den Raubtiercharakter dieser Gruppe mit plastisch herausgearbeiteten Ohren und deutlich erkennbaren Augen, dem aufgerissenen Rachen und scharfen Reißzähnen. Der sehr schlecht erhaltene Tierkopf war bei der Auffindung mit einem ungleichmäßig in Ritzlinien ausgeführten Geflecht überzogen, wie alte Photographien deutlich zeigen. Das Grab von Trælnes (Petersen 1936 b) wird durch die übrigen Funde in die Zeit um 900 datiert, so daß die Knochennadel trotz des Mangels an nahen Parallelen zeitlich eingeordnet werden kann. Rundum plastisch ist der Kopf einer Nadel aus Sigtuna (Abb. 4. 5). Das stark glän­ zende Stück mit aufgestellten Ohren, deutlich umrandeten Augen, dem weit aufgeris­ senen Kiefer, aus dem mächtige Eckzähne hervorragen, hat gleich der vorangehenden Nadel ein Öhr, das von den Eckzähnen umschlossen ist. Vollplastisch sind auch die beiden Drachenköpfe zweier Nadeln vom Jarlshof auf den Shetlandinseln (Abb. 4. 2, 3). Ihren Herstellern gelang die Darstellung; sie fühlten sich durch Material und geringe Größe des Gegenstandes, den sie ausschmückten, offenbar nicht eingeengt. Es kann nicht entschieden werden, welches die Schauseiten gewesen sind. Beiden ist eine auffallende Lebendigkeit trotz aller Unterschiede in De­ tails eigen. Der eine Kopf (Abb. 4. 2) ist langgestreckt, auch die Schnauze langgezo­ gen, die Nüstern sind aufgeschürzt und in Falten gelegt. Der andere Kopf (Abb. 4. 3) ist stärker untergliedert, Augen, Brauen, Stirn wie Schnauze und die aufgestellten, nach hinten geklappten Ohren sind klar gegeneinander abgesetzt. Die detaillierte Wieder­ gabe und das Flechtband des einen (Abb. 4. 2) legen eine Datierung in das frühe 9. Jahr­ hundert nahe. Alle weiteren, nachfolgend beschriebenen Stücke gliedern sich diesen Nadeln nur lose an. Ein elegantes Gerät aus Haithabu (Abb. 4 .1 ) ist stärker als die vorangehenden Stücke abstrahiert und gibt sich nur durch seine Reißzähne, die wiederum das Öhr umfassen, den zuvor beschriebenen als verwandt zu erkennen. Der Rachen ist 20

Abb. 6 Knochennadeln des Typs 1 mit Tierköpfen (Sonderformen). M. 1 :1

schwungvoll geöffnet; der Hinterkopf wächst fließend aus dem Schaft hervor; die Sei­ tenkontur fällt in weicher Rundung zu Stirn und Augenpartie zurück; der weit nach oben geschwungene obere Kiefer überragt den fliehenden unteren bei weitem, die Eck­ zähne greifen übereinander. Gebrauchs- wie Herstellungsspuren fehlen. Eine Knochennadel aus Birka (Abb. 6. 3), die nach der Bildung ihrer Zahnreihen ebenfalls der Nadelgruppe mit Raubtierkopf zuzuordnen ist, wurde anders gestaltet. Der Tierkopf ist flach aber vollplastisch. Die Einzelheiten wie der offene Rachen mit Backen- und kräftigen Eckzähnen, Nüstern, Augen, Brauen sind detailliert und be­ müht um Natürlichkeit herausgearbeitet. Der am Halsansatz abgeschnittene Kopf und das von oben nach unten durch die Stirn geführte Öhr wirken fremdartig. Dieses Stück war sicher zur Aufsicht und nicht wie das vorangehende zur Seitenansicht bestimmt. Es 21

wirkt, als sei der Kopf nicht aus dem Schaftende gebildet, sondern der Nadelschaft aus dem Maul gewachsen. Er nimmt zunächst stark an Umfang zu bis etwa auf die Hälfte der Gesamtlänge der Nadel. Als Trachtbestandteil kann diese Nadel der ungün­ stigen Gewichtsproportionen wegen also kaum gedient haben. Einzig denkbare Erklä­ rung für den merkwürdigen Schaftansatz ist vielleicht die Anregung durch den Greif­ tierstil, bei dem am Kinn der frontal gesehenen Tierköpfe Bänder ansetzen, die schwer­ lich als Tierkörper erklärt werden können. Auch die rundliche Form dieses Nadel-Tierkopfes entspricht der der Greiftierstilköpfe. Danach läßt sich diese Nadel in das 9. Jahr­ hundert datieren. Zwei Knochennadeln aus Sigtuna (Abb. 4. 6, 7) spiegeln den Stil des 11. Jahrhun­ derts wider. Sie wirken weit weniger plastisch als alle bisher erwähnten Nadelköpfe dieser Art. Die Innenzeichnung des einen (Abb. 4. 6) ist mit kräftigen Linien eingeritzt, auf der Schauseite sind die weit geöffnete Schnauze, Nüstern, Augen und die nach hin­ ten gestellten Ohren deutlich erkennbar. Dieses Stück zeichnet ein Hang zum Orna­ mentalen aus. Die Rückseite ist nur flüchtig verziert. Diese Tendenz wird bei der zwei­ ten Nadel noch deutlicher. Nur die Ohren sind plastisch ausgearbeitet, wenn auch eng an den Schaft angelegt, der Kopf ist flach. Doch die Augen von annähernd dreieckiger Form, die als Spirale wiedergegebenen Nüstern, die Trennlinie zwischen Ober- und Un­ terkiefer sind sehr gekonnt eingeritzt. Dieser Tierkopf hebt sich durch die fest geschlos­ sene Schnauze gegen die zuvor beschriebenen Nadeln ab. Ohne Parallele ist eine Nadel aus Haithabu (Abb. 2. 8). Mit gleicher Berechtigung könnte sie zu den Nadeln mit asymmetrischem Kopf gestellt werden (vgl. Abb. 13. 5). Lediglich ihre Außenkonturen erinnern an die der hier beschriebenen Nadelgruppe (z. B. Abb. 4. 1 , 6). Da das Öhr nur markiert, noch nicht durchbohrt ist, hätte das Stück möglicherweise bei der Fertigstellung klarere Züge gewonnen. Durch seine Länge von 240 mm ist es allerdings von allen anderen Nadeln dieser Form, die zumeist nicht mehr als 120 mm messen, deutlich unterschieden. Sie wurde in den dreißiger Jahren gefunden und ging inzwischen verloren (Jankuhn 1943, S. 141, Abb. 71 f.). Neben diese beiden mehrere Nadeln umfassenden Gruppen mit Tierkopfenden, die bei aller Verschiedenheit in den Details doch einen Vergleich gestatten, sind bis auf kleine Gruppen von zwei oder drei Nadeln keine weiteren Stücke zu stellen. Weiterhin gibt es Einzelstücke, zu denen Vergleichsmaterial jedoch fehlt. Eine elfenbeinfarbene Nadel (Abb. 6 .1 ) aus der Wurt Dongjum, Friesland, fand wiederholt Interesse (Roes 1963, Taf. 5 4 . 1 ; Boeles 1951, Titel vignette; Haseloff 1951a, Taf. 16. 3), da die Darstellung eines geflügelten, in ein Rechteck4 eingeschriebenen Drachen in der kontinentalen Kleinplastik des frühen Mittelalters einmalig ist und die­ ses Stück seiner eleganten Linienführung wegen eine Einordnung in den stark vom anglo-irischen Raum beeinflußten Stil des frühen 9. Jahrhunderts erlaubt (Haseloff 1951 a, S. 44). Das Flechtband um den Hals und auf der Seite des gerundeten Flügels ist denen auf Stücken aus Haithabu, Birka und vom Jarlshof vergleichbar (Abb. 1. 2, 3; 2. 7; 4. 2). Zwei Nadeln aus Haithabu (Abb. 6. 4, 5) haben einen massiven, wenn auch ver­ schieden langen Schaft, und die Köpfe entsprechen sich trotz vieler unterschiedlicher Einzelheiten. Beide waren sicher zur Aufsicht bestimmt. In Weiterführung (Abb. 6. 5) 22

oder leichter Verbreiterung (Abb. 6. 4) des Schaftes wurde die Schauseite der Nadeln durch kräftige Kerben und tiefe Einstiche in plastische Tierköpfe aufgegliedert, die einen hohen Stilisierungsgrad erreichen, aber in keinem Punkt den Köpfen der ersten Gruppe des Typs 1 zu vergleichen sind. Wurden die Tierköpfe bei jenen durch in ver­ schiedenen Ebenen aufeinandertreffende Flächen, sparsam verwendete Kerben und feine Einstiche herausgearbeitet, so sind bei diesen die Formen weich gerundet oder gewölbt, und Einstiche wechselnder Tiefe wie Größe und begrenzende Kerben untergliedern die Flächen. Bei der zweiten Nadel (Abb. 6. 5) folgt auf den mit kaum erkennbaren Ritzlinien und Einstichen verzierten Schaft ein weich plastisches Flechtband, an das sich eine in unregelmäßige Felder unterteilte, leicht gewölbte Fläche fügt. Sie deutet möglicherweise Fell an. Auf gleicher Höhe in einer Ebene sind die Kreisaugen eingeritzt, die von ange­ deuteten Einstichen eingefaßt sind. Darauf fällt die Fläche leicht ab und steigt zur Schnauze hin wieder bis auf Augenhöhe an; etwas kleinere und wiederum umpunktete Kreise bilden die Nüstern. Diese zur Aufsicht bestimmten Oberkiefer werden durch schmale Stege, die unterhalb der breiten Schauseite ausgearbeitet sind, ergänzt, durch die das von der breiten Kopfplatte verdeckte Öhr führt. Ohne direkte Parallele ist ein Stück aus Haithabu (Abb. 6 .6 ), obwohl einige Details es mit den beiden vorangegangenen Nadeln verbinden. Aus dem kreisrunden Schaft mit schmalen längslaufenden Facetten und schräg geführten Feilspuren, die für sel­ tenen Gebrauch sprechen, wächst der nur durch ein umlaufendes, eckiges Flechtband abgesetzte Tierkopf. Der Kopf wird breiter, der Unterkiefer fällt zum Kinn hinab, der Hinterkopf steigt zu den Brauen an. An dieser breitesten Stelle ist das Öhr von Seite zu Seite durchgeführt. In ihm treffen sich die Kerben, die Unterkiefer, Zungenband und Oberkiefer gliedern. Die lange Schnauze ist leicht aufgebogen, als seien die Nüstern aufgestülpt. Die Augen sind durch eingeritzte Kreise, das Fell auf dem Hinter­ kopf durch deutlichen Tremolierstich angedeutet. Diese Einzelheiten erinnern an be­ reits beschriebene Nadeln (Abb. 6. 4, 5), die Seitenansicht als Schauseite findet sich an einem anderen Stück wieder (Abb. 4 .1 ), die Gliederung der Kiefer durch die Zunge kommt an den in Haithabu häufigen Nadeln mit Entenschnabelköpfen vor. Zwei Knochennadeln aus Birka (Abb. 7. 4, 7) erinnern an Vogelköpfe, wie schon bei der Inventarisierung notiert wurde. Sie entsprechen sich etwa in Länge und Stärke des Schaftes. Zumindest einmal (Abb. 7. 4) ist die Ähnlichkeit mit einem Vogelkopf beab­ sichtigt gewesen, denn die asymmetrische Kopfbildung, das wie ein Auge wirkende große Öhr, sind sonst an Nadeln aus Birka fremd. Die punktartige Augenmarkierung (Abb. 7. 7) wirkt gleichfalls gezielt. An einen Vogelkopf erinnert auch ein Stück aus Friesland (Roes 1963, Taf. 52. 9). Obwohl ein Öhr und die Andeutung des Auges fehlen (Abb. 7. 5), ist es in seiner Asymmetrie den beiden Nadeln aus Birka zu vergleichen. Um einen Vogel mit Raubtierschnabel könnte es sich bei einem vierten Stück (Abb. 7 .1 1 ), einer Knochennadel aus einer friesischen Wurt, handeln (Roes 1963, Taf. 53. 9). Die Ausführung dieser Nadel unterscheidet sich wiederum entschieden von der der beiden vorhergehenden Stücke. Der Kopf wurde mit wenigen geraden Schnitten ge­ formt. Es stechen die nach oben spitz zulaufende dreikantige Form und der Absatz unterhalb des nach unten gebogenen Schnabels besonders hervor. Ein Öhr fehlt. 23

Abb. 7 Knochennadeln des Typs 1 mit Tierköpfen (Vogel- und Schweinsköpfe), mit Menschenköpfen und gegenständlichen Köpfen in Form von Axt und Kreuz. M. 1 : 1

Vom Jarlshof (Hamilton 1956, S. 124 f.) und aus Roskilde (Büll 1968, S. 854) sind Knochennadeln mit Schweinskopf bekannt. Sie bestehen aus einem eiförmigen Kopf mit trichterförmigem Schnauzenteil und am Hinterkopf ansetzenden Ohren. Die kur24

zen und kugeligen Schweinsköpfe vom Jarlshof (Abb. 7. 9,10) erinnern an die Distel­ kopfnadeln, die am selben Fundort Vorkommen und irischen Einfluß bezeugen (Hamil­ ton 1956, S. 129). Damit scheint eine Datierung in das frühe 9. Jahrhundert gerecht­ fertigt. Sie sind mit Einzelzügen wie Augen und Eckzähnen ausgestattet, die am lang­ gezogenen Schweinskopf der Nadel aus Roskilde fehlen (Abb. 7. 6). Auch die Zeitstel­ lung ist nicht vergleichbar. Eine kleine, sorgfältig gearbeitete Knochennadel aus Birka (Abb. 7.12) gehört ihrer Form nach zu den Nadeln mit sich verbreiterndem, langsam aus dem Schaft wachsen­ dem Kopf und hochsitzendem Öhr. Durch die feinen Ritzlinien auf beiden Breitseiten und vereinzelte Einstiche sollte aber vielleicht ein Tier — möglicherweise ein Bär — an­ gedeutet werden. Dann wären die weichen Zacken an beiden Ecken des Kopfes als Oh­ ren zu lesen, ein Eindruck, der durch je einen Einstich unterstrichen wird; die Strich­ gruppen unterhalb des Öhrs wirken absichtsvoll und sorgfältig eingeritzt, als seien auf der einen Seite die Schnauze, auf der anderen Fellzotten darzustellen gewesen. Ob diese Auffassung richtig ist, wird kaum zu entscheiden sein. Aus Sigtuna kommt eine Nadel, deren Kopf reich ornamental gegliedert ist (Abb. 6. 2). Wie weit hier ein Tierkopf nachgebildet werden sollte, ist fraglich. Allein die Schauseite ist von einem doppelzeiligen Flechtbandmuster überzogen. Zwischen eine hängende Schlaufe, deren freie Enden sich oben kreuzen und in Spiralen einander zu­ neigen, sind zwei Bänder eingeflochten; diese kreuzen sich in der Mitte der Schlaufe, überschneiden sie oder führen im Wechsel darunter weg. Beide gehen von dem am Kopfrand weitergeführten stabilen Schaftkern aus, wobei das eine aus dessen Krüm­ mung ausschwingt, das andere sich entgegengesetzt aus der linken Kopfecke löst. Dieses Doppelband endet in einer Spirale, die dem Schaft aufliegt, das erste bildet das obere rechte Kopfende. Diese kurze Beschreibung von rund fünfzig Knochennadeln mit Tier- oder Tierkopf­ enden zeigt, daß der überwiegende Teil keinem feststehenden Stilkanon zuzuordnen ist, der etwa auch für andere Objekte galt, und den der Knochen und Geweih verar­ beitende Handwerker nur auf seine speziellen Erzeugnisse übertragen hätte. Vielmehr ist an den einzelnen Produktionsstätten ein jeweils eigener Stil gefunden worden5. Für die erste Untergruppe aus Haithabu kann man feststellen, daß offensichtlich eine Entwicklung von frühen, bis ins Detail ausgeführten Nadeln zu späteren Stücken führt, bei denen zugunsten einer schwungvolleren Form auf die Ausarbeitung von Ein­ zelheiten verzichtet wurde. Schwieriger ist es, die weiträumig verteilten Drachenköpfe zeitlich zu bestimmen. Die gut ausgeführten Details sind an den vermutlich recht frü­ hen Nadeln vom Jarlshof ebenso zu beobachten wie an der sicherlich viel späteren aus Sigtuna. Selten ist durch gewisse Einzelheiten ein Vergleich zwischen den verschiedenen Fundorten möglich, wie etwa durch das zweizeilige Flechtband, das in Haithabu, Birka, Dongjum und dem Jarlshof auftritt, an Exemplaren aus dem 10. und 11. Jahrhundert aber niemals zu beobachten ist. Allgemein scheint die Vorliebe für die raubtierartigen Köpfe weder regional noch zeitlich begrenzt gewesen zu sein. Einzelstücke schließlich und Gruppen von nur zwei oder drei ähnlichen Nadeln sind aus Mangel an ausrei­ chenden vergleichbaren Zügen nicht an andere Gruppen anzuknüpfen und deshalb zeitlich nicht festzulegen. 25

Zieht man andere Geräte zum Vergleich heran6, so zeigt sich, daß nur Tierköpfe an den Enden bandförmiger Ornamente eine gewisse Ähnlichkeit7 mit den Nadelköpfen aufweisen. Unter den Metallgegenständen bieten sich zwei Bronzeschlüssel aus Dorestad (Almgren 1955, Taf. 12 b) zum Vergleich an. Sie zeigen die Tierköpfe als beson­ deres Motiv losgelöst von den anderen Motiven und ähneln darin schon den Nadel­ köpfen (Almgren 1955, S. 62 ff.). Die Tierköpfe sind als Abschluß der Schlüsselgriffe angebracht und zeigen im Profil Übereinstimmungen mit zwei Nadelköpfen aus Haithabu (Abb. 1. 8; 4 . 1)8. Der enge Kontakt zwischenDorestad undHaithabu läßt an eine gemeinsame Grundlage des Stils denken, und die Datierung einzelner Schlüssel dieses Typs würde dann einen Ansatz der gut ausgeprägten Entenschnabelköpfe in die frühe Phase Haithabus rechtfertigen. Chronologische Aussagen über die weitere Entwicklung zu den verwaschenen und schließlich fast unkenntlichen Tierköpfen dieser Gruppe auf­ grund stilistischer Kriterien sind nicht möglich. 2. 1. 2 Nadeln mit Menschenköpfen Vereinzelt kommen Nadeln vor, deren obere Enden Menschenköpfen nachgebildet sind. Ohne Zweifel gehört dazu eine Nadel aus Birka (Abb. 7 .1 3 ). Oberhalb eines Kragens oder einer breiten Rüsche, die mit fein eingeritzter Kreuzschraffur überzogen ist und von einem schmalen Wulst nach oben begrenzt wird, ist ein stark stilisierter menschlicher Kopf herausgearbeitet. Die Augen sind mit Einstichen angedeutet; an­ stelle der Ohren führt die Durchbohrung von Seite zu Seite. Gegen die im Inventar­ buch geäußerte Bemerkung, es handle sich um einen totenkopfähnlichen Schädel, spricht die Beobachtung des durch sehr feine Ritzlinien angedeuteten Haares, das in der Mitte gescheitelt und möglicherweise in einem Knoten zusammengefaßt ist. Das nur 96 mm lange Stück mit gleichmäßig gerundetem Schaft und bleistiftartiger Spitze entspricht den bronzenen oder eisernen Geräten mit Bronzegriffen in Gestalt menschlicher, zumeist männlicher Köpfe, die gelegentlich in den Frauengräbern von Birka gefunden wurden (Arbman 1943, Grab Nr. 543, 483, 660, 735 u. ö.). Sie hatten nach ihrer Lage im Gra­ be Gerätecharakter und wurden sicher nicht als Trachtbestandteil verwendet. Eine ent­ sprechende Benutzung ist für die Parallele aus Bein wahrscheinlich. In den Gräbern wa­ ren die Metallgeräte dieses Typs nicht selten mit Pinzetten vergesellschaftet; also wurde wohl auch die Knochennadel als Bestandteil eines Toilettenbestecks gebraucht. Bisher einmalig ist auch eine Knochennadel aus Haithabu (Abb. 7.1) mit masken­ artigem Kopf. Über dem Öhr des 217 mm langen Stückes sitzt ein kleiner, sehr deutlich abgesetzter Kopf, der, von den Langseiten aus betrachtet, zunächst nicht zu deuten ist. Erst wenn man von oben auf die Oberseite sieht, entdeckt man ein mit kräftigen Schnitten ausgeführtes, durch gegeneinandergestellte gerade Flächen gestaltetes menschliches Gesicht in Grimasse oder Verzerrung. Die Maske ist auch in der Seiten­ ansicht erkennbar. Welche Bedeutung hinter diesen, in unterschiedlicher Art wiedergegebenen mensch­ lichen Köpfen steht, bleibt offen. Gelegentlich hat man die Bronzegriffe an den Eisen­ oder Bronzepinzetten und -nadeln aus den Gräbern von Birka mit Geräten aus Eng­ land verglichen, die mit menschlichen Figuren bekrönt sind (Evison 1965; Chadwick 26

Hawkes u. a. 1965; Fennell 1969). Doch abgesehen von der großen geographischen Distanz zwischen den Fundorten kann man die Deutung nicht ohne weiteres auf die hier besprochenen, ganz andersartigen Objekte übertragen. 2.1. 3 Nadeln mit Köpfen in Axt- und Kreuzform Knochennadeln in Form von Äxten (Abb. 7. 2,3) kommen häufig in Friesland und vereinzelt auf den Britischen Inseln vor (Abb. 8). Parallelen in Bronze fand man in der Aggersborg (Beck u. a. 1972, Abb. 117 c) und in zwei Gräbern in Südnorwegen (Shetelig 1912 a; ders. 1912 b). Die Ausführung funktioneller Details wird gelegentlich sehr genau in Knochen nachgeahmt (Abb. 7. 2); andere Axtkopfnadeln ähneln den Vorbil­ dern nur entfernt (Abb. 7. 3). Diese Nadeln erinnern an die zahlreichen Miniaturäxte, die von P. Paulsen ausführlich bearbeitet worden sind (1956, S. 1 9 0 ff.; Schoknecht 1970, Abb. 152 d). Aus Sigtuna kennt man vereinzelt Nadeln, deren Köpfe in Kreuzform mit Sicherheit christliches Gedankengut widerspiegeln (Abb. 7. 8). Auch aus dem Jarlshof sind solche Stücke bekannt (Hamilton 1956, S. 95).

Abb. 8 Verbreitung der Knochennadeln mit Axtköpfen (Punkt und Quadrat) und der Axtkopfnadeln aus Bronze (Dreiecke)

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Abb. 9 Knochennadeln des Typs 2 mit kräftigem Schaft. M. 1 : 1

Es ist deshalb zu fragen, ob auch die Tierköpfe an Knochennadeln — Wasservögel, Drachen oder Hunde, Vögel und Schweine —, die Masken und die Äxte, ihren Trägern mehr bedeuteten als nur Schmuck. 2. 2 Typ 2: Nadeln mit kräftigem Schaft Von allen hier behandelten Fundorten sind Knochennadeln bekannt, deren Merk­ male die sorgfältige Herstellung, der kräftige und mit 120 bis 170 mm sehr lange Schaft und das Fehlen eines ausgeprägten Kopfteils sind. Sie sind in eine Gruppe ohne Öhr und eine solche mit Öhr zu untergliedern. 28

Die Stücke aus den Siedlungen Haithabu und Birka heben sich durch mannigfaltige Verzierungen von denen aus den späteren Siedlungen ab. In Haithabu wurde nur eine solche Knochennadel ohne Öhr geborgen (Abb. 9. 2). Der leicht gebogene Schaft mit kreisrundem Querschnitt zieht unterhalb des oberen Fünftels weich ein; um den geringsten Durchmesser legt sich ein scharf herausgearbei­ teter Wulst; darüber gewinnt der Kopf auf kurzer Strecke wieder die gleiche Stabili­ tät, die der Schaft unterhalb dieses Einzugs hat. Unter- wie oberhalb von Einzug und Wulst ist die Nadel mit eingeritzten, umlaufenden Bändern verziert; die bereits geläu­ figen Motive — umlaufende Linien mit parallelen Schrägstrichen und Linienbündel — werden durch stehende, gefüllte Dreiecke ergänzt. Aus Birka sind sechs Parallelen bekannt, die undurchbohrt, aber auch ohne Wulst und Einzug sind. Mit Ausnahme eines Gerätes mit einem kaum den oberen Schaft­ durchmesser überragenden Nadelkopf, das unverziert blieb, sind alle Exemplare in der oberen Nadelhälfte oder gar zu zwei Dritteln des Schaftes mit eingekerbten, umlaufen­ den Liniengruppen und gegenläufigen, sich kreuzenden Zackenbändern verziert. Eine Ausnahme bildet jene Nadel (Abb. 9 .1 ), die durch ihre außergewöhnliche Länge von 169 mm und ihre Verzierung auffällt. Sie ist parallel zum Schaft angeordnet und be­ steht aus Zackenbändern in Flachrelief, die gegeneinander versetzt, und zur Spitze hin hängenden Dreiecken, die wie die einfassenden, umlaufenden Kerben eingetieft sind. Die sechs Nadeln aus Birka zeigen so verschiedene Abnutzungsspuren, daß für sie kaum eine einheitliche Funktion anzunehmen ist. Die Spitze der einen ist an den Breit­ seiten auffallend flach; die einer anderen Nadel ist abgebrochen, in der Zone darüber fallen tiefe, ungleichmäßige Kerben auf; zwei Nadeln schließlich haben sehr fein zuge­ spitzte Enden. Ein unverziertes, undurchbohrtes Gerät aus der Thulegrabung in Lund ist diesen Beispielen hinzuzufügen. Einzigartig ist die Darstellung eines Elches oder Hirsches auf einer Nadel aus Birka; er wird oben von einer Reihe hängender Dreiecke und unten von einer Runeninschrift begrenzt, die bisher nicht befriedigend gedeutet werden konnte9. Hirschdarstellungen sind im Fundgut von Birka nicht selten. Rund 50 der Birkamünzen zeigen auf einer Seite einen nach vorn oder zurückblickenden Hirsch (Malmer 1966, S. 63 ff., Taf. 2). Letztere Darstellungen sollen auf das Vorbild der angelsächsi­ schen Sceattas zurückgehen, die im 8. Jahrhundert geprägt wurden; diese Hirsch­ darstellungen auf den Birkamünzen werden in das 9. Jahrhundert datiert. Die naturali­ stischeren vorwärtsspringenden und -schauenden Tiere könnten von northumbrischen Münzbildern der Mitte des 8. Jahrhunderts angeregt worden sein. Sie sind aber nicht im strengen Sinne kopiert worden. Diese Birkamünzen werden in die Mitte des 9. Jahr­ hunderts gesetzt (Malmer 1966, S. 204 ff.). Vielleicht trifft diese Datierung auch für die Nadel mit dem nach vorn gerichteten Hirsch zu. Zweimal wurden Hirschdarstellungen, mit Gold- oder Silberfäden auf Stoff gestickt, in Männergräbern von Birka gefunden (Geijer 1938, Taf. 25. 6; 3 6 .1 —2, 4); beide wenden ihren Kopf zurück. Nach den anderen Funden in den Gräbern sind diese in das frühe 10. Jahrhundert zu datieren.

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Derselben Zeit wie Birkamünzen, Stickereien und das Knochengerät aus Birka ge­ hört auch ein Tongefäß aus Haithabu an, auf dem ein Fries vorwärtslaufender Hirsche, über denen zum Teil Swastikazeichen angebracht sind, eingeritzt ist (Hahn 1973). Damit wird ein bekanntes Motiv der früheren Perioden10 auch in der Wikingerzeit fortgeführt. An allen fünf Fundorten kommt dieser Nadeltyp mit Öhr vor. Der Kopf endet zu­ meist gerade abgeschnitten, gelegentlich ist das Ende leicht gewölbt (Haithabu); Ver­ zierungen, die jenen der Nadel dieses Typs ohne Öhr ähneln, sind in Birka recht häu­ fig. In Haithabu stehen einem verzierten fünf unverzierte Geräte gegenüber. Von Sig­ tuna und Schleswig kennt man nur solche ohne Schmuck. Das höchstens 10 mm unter­ halb des Kopfendes angebrachte Öhr — zwei Exemplare aus Birka weichen von dieser Regel ab — und die gleichbleibende Sorgfalt in der Herstellung sind allgemeine Merk­ male. Auch die Längen liegen zwischen vergleichbaren Extremen: in Haithabu zwischen 113 und 172 mm — die Mehrzahl dieser Stücke mißt zwischen 120 und 130 mm —, in Birka zwischen 82 und 178 mm — die meisten liegen zwischen 125 und 145 mm; in Schleswig fallen zwei Nadeln dieser Form in die engeren genannten Grenzen; eine dritte entspricht der allgemeinen Tendenz mit 160 mm Länge; nur in Sigtuna sind abweichende Messungen zu notieren. Zehnmal wurde zwischen 76 und 105 mm, sie­ benmal zwischen 114 und 127 mm gemessen. Es existieren also zwei deutliche Längen­ gruppen. Die Geräte aus Birka und Sigtuna verbindet in einigen Fällen eine leichte Einziehung unterhalb des oberen Schaftdrittels (Abb. 9. 6, 8). Diese Nadeln stehen exemplarisch für die verzierten Stücke dieser Gruppe aus Birka; eine andere (Abb. 9. 7) verdeutlicht, daß solche Nadeln auch nach einem ersten Bruch weiterverwendet wurden, nachdem sie neu zugespitzt waren. Ein unverziertes Gerät von geringer Länge kommt aus Hait­ habu (Abb. 9. 5), sein Kopfende soll die Variationsbreite in diesem Punkt an den Na­ deln von Haithabu zeigen. Völlig allein steht ein anderes Stück (Abb. 9. 3). Auf ein gleichmäßiges Zackenband folgen der Breite der Zacken entsprechende, eingetiefte Waben. Sie werden von erhabenen Stegen getrennt, die auf die Spitzen des mittleren Zackenbandes treffen, aus dessen gegenüberliegenden versetzten Zacken sich dasselbe Muster nach oben hin entwickelt. Es wird von zwei umlaufenden Wülsten abgeschlos­ sen; darüber sitzt das unverzierte Kopfende mit großem Öhr. Die Öhrdurchmesser sind in Birka und in Haithabu zumeist weniger groß als die der Nadeln von den jüngeren Fundorten. Ausgenommen von dieser Regel sind die Nadeln dieses Typs geringer Größe aus Sigtuna. Eine Nadel aus Lund gehört zu den extrem langen Stücken dieser Form. Audi aus der Aggersborg ist ein entsprechendes Stück bekannt. Die Nadelspitzen sind unterschiedlich geformt. Neben sehr gut zugespitzten kom­ men weich stumpfe vor und solche die ein- oder zweiseitig abgeflacht sind. Damit ist eine einheitliche Funktion auszuschließen.

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1.3

Typ 3: Nadeln mit schlankem Schaft

Nur in den Siedlungen Birka und Haithabu kommt eine Vielzahl sehr sorgfältig gearbeiteter Nadeln mit im Querschnitt kreisrundem Schaft und ohne deutlich abge­ setzten Kopf vor. Dieser wird nur gelegentlich durch Ritzlinien betont. ln Haithabu ist dieser Typ mit 21, in Birka sogar mit 31 Exemplaren vertreten. Das Kopfende kann verschieden geformt sein: spitz zulaufend (Abb. 1 0 . 1 2 ; 11.10), leicht verjüngt endend (Abb. 10. 9,11), über starker Einschnürung wieder breiter werdend (Abb. 10. 6), abgeschrägt (Abb. 11. 6) oder facettiert (Abb. 11. 7). Das Öhr sitzt zwi­ schen 5 und 15 mm unterhalb des Kopfendes, sein Durchmesser mißt 2—3 mm; an beiden Fundorten ist es zumeist von gleichbleibender Stärke. Vermutlich waren in der Regel Bronzedrahtringe (Abb. 10. 6, 7) oder Schlaufen aus Leder oder anderem organi­ schen Material durchgeführt. In einzelnen Fällen schwillt der Schaft auf Öhrhöhe leicht an (Abb. 10. 8 , 9 ); seltener ist der Schaft um die Mitte (Abb. 10.12) am stärksten. Während in Haithabu die meisten Nadeln dieser Art zwischen 85 und 105 mm messen — die Extreme sind 64 und 134 mm —, liegen die meisten dieser Stücke aus Birka zwi­ schen 93 und 110 mm und die Extreme bei 78 und 124 mm. Als Verzierungen kommen umlaufende Strichgruppen (Abb. 10. 6) im Wechsel mit dicht kreuzschraffierten Bändern (Abb. 10 .11,12) und Zackenbänder, aber auch gegen­ ständig schrägstrichgefüllte Bänder vor, die Tannenzweigmuster bilden (Abb. 10. 9). Die Spitzen sind in der Regel sehr fein und nie stumpf. 2. 4 Typ 4: Nadeln mit Öse oder kleiner aufgesetzter öhrplatte als Kopf Eine kleine Gruppe bilden Nadeln aus Birka und Haithabu, die eine auf den Schaft aufgesetzt wirkende Öse oder öhrplatte haben. Stücke dieser Art kommen in Haithabu zehnmal, in Birka fünfmal vor. Man wird auch fünf Fragmente aus Haithabu sowie eines aus Schleswig hinzurechnen dürfen. Häufig findet man bei diesen Knochen­ nadeln Verzierungen auf der oberen Schafthälfte. Trotz dieser Gemeinsamkeiten be­ stehen große Unterschiede zwischen den Fundstücken der einzelnen Siedlungen. Die Formen aus Haithabu und Birka werden deshalb getrennt besprochen. In Haithabu entsteht das Öhr durch eine halbrund geführte Öse, die im Querschnitt D-förmig und einzeilig sein kann (Abb. 10. 2, 3 , 1 0 , 1 3 ) oder deren Ränder scharfkan­ tig und in der Breite ausgezogen sein können; dann sind sie zweizeilig (Abb. 10.5). Audi dreizeilige Bänder kommen vor, dann verläuft zwischen den leicht hochgezoge­ nen Kanten ein Mittelsteg. Die Längen der Nadeln wechseln, ebenso die oberen Schaft­ durchmesser (Extreme: 81 und 126 mm Länge bei 10,5 und 7,5 mm Breite). Als Ver­ zierungsmotive sind schmale Wülste unterhalb der Öhrschlaufe (Abb. 10. 2), einmal ein plastisches Flechtband (Abb. 10.3) und eingeritzte Bänder wechselnder Breite und Dichte üblich. Ihre Füllungen gehen über die geläufigen, sich mehrfach kreuzenden Schraffuren und Zackenbänder nicht hinaus. Eine flache, nicht ringförmige öhrplatte ist an den Fragmenten zu ergänzen, die allesamt im Öhr gebrochen sind und deren Spitzen gleichfalls fehlen. Trifft die ange­ nommene Ergänzung zu, so bilden sie mit der leicht variierten Öhrfassung und ohne jeden Schmuck eine Sondergruppe dieses Typs. 31

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Abb. 11 Knochennadeln des Typs 3 mit schlankem Schaft, des Typs 5 mit Wulst zwischen Schaft und Kopf und des Typs 6 mit ring- oder scheibenförmigem Kopf. M. 1 : 1