Die kaiserliche Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg 9783412508791, 9783412507657

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Die kaiserliche Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg
 9783412508791, 9783412507657

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON ANJA AMEND-TRAUT, FRIEDRICH BATTENBERG, ALBRECHT CORDES, IGNACIO CZEGUHN, PETER OESTMANN UND WOLFGANG SELLERT

Band 70

Die kaiserliche Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg

von SARAH A. BACHMANN

2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Bibliogra sche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra e; detaillierte bibliogra sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: StA HH, RHR 211-1, Nr. 26

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Patricia Simon, Langerwehe Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst GmbH, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-50765-7

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg zur Dissertation angenommen. Dass ich, entgegen vielen wohlmeinenden Ratschlägen, doch besser in einem etwas „karrieretauglicheren“ Gebiet zu forschen, diesen Weg beschreiten wollte, hat sich schon seit meiner allerersten Vorlesung abgezeichnet: Montagmorgen, 9 Uhr c. t., Professorin Karin Nehlsenvon Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte. Ihrem spannenden Unterricht und zu einem Gutteil auch ihrer ansteckenden Begeisterung für die Geschichte des Rechts verdanke ich eine Leidenschaft, die mich seit der ersten Minute meines Studiums begleitet und die seitdem ungebrochen ist. Wer wie ich sein Studium an nur einer Hochschule absolviert, hat selten das Glück, Rechtsgeschichte bei verschiedenen Professoren zu hören und damit neue Blickwinkel auf die scheinbar gleiche Thematik zu erlangen. Mir war dieses Glück beschieden. Ohne Professor Bernd Kannowskis Augen öffnende Lektionen zum städtischen Spannungsverhältnis von Einwohnerschaft und Rat sowie der Bedeutung der Rechtspraxis hätte mir wohl die nötige Sensibilität gefehlt, die Archivalien auch auf solche Problemstellungen hin zu untersuchen. Wichtige Erkenntnisse würden in dieser Arbeit dann fehlen. Außerordentlich dankbar bin ich meinen beiden Freiburger Lehrern, dass ich mich (auch ohne institutionelle Anbindung) im Institut für Rechtsgeschichte immer willkommen gefühlt habe und dass sie mich auch dann noch unterstützten, als ich Freiburg zur Promotion verließ. Ohne mich zu kennen – „quasi von der Straße zugelaufen“, wie er es einmal formulierte – nahm mich mein Doktorvater, Professor Tilman Repgen, an seinem Lehrstuhl in Hamburg auf. Er gewährte mir enorme Freiheiten, ohne die die Archivarbeit in dem Umfang überhaupt nicht möglich gewesen wäre, vertrauensvoll ließ er mir bei meiner Forschung freie Hand, stand mir unterstützend zur Seite, wenn ich Hilfe benötigte, trieb mich an, wenn ich an meiner Pedanterie zu scheitern drohte. Von ihm habe ich weit mehr gelernt, als in die vorliegende Arbeit in Worten ein ießen konnte. Für all das bin ich ihm zutiefst dankbar. Am Hamburger Lehrstuhl möchte ich mich außerdem besonders bei Helga Bergemann dafür bedanken, dass sie immer ein offenes Ohr für mich hatte. Großer Dank gebührt des Weiteren den Herausgebern der „Grünen Reihe“ für die Begutachtung der Arbeit und die zahlreichen hilfreichen kritischen Anmerkungen, die Eingang in die Druckfassung gefunden haben, aber natürlich ganz besonders auch für die wohlwollende Befürwortung der Aufnahme in diese Reihe. Besonders verbunden bin ich Professor Albrecht Cordes, der in Gesprächen und Briefen die Veränderungen an meiner Dissertation für den Druck begleitete.

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Vorwort

Ich danke Professorin Maximiliane Kriechbaum für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hamburger Staatsarchivs für ihre Hilfe bei der Bergung so mancher Schätze. Dank sei außerdem dem Verlag, insbesondere Dorothee Rheker-Wunsch, für die Drucklegung und der VG Wort für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Die Arbeit wäre mir sicher viel schwerer von der Hand gegangen, wenn nicht mein Umfeld gewesen wäre: Ich danke meinen Freunden sehr, dass sie sich über die Jahre hinweg (wenn auch manchmal sicherlich nicht ganz freiwillig) meine Geschichten zum Hamburger Notariatswesen angehört haben. Das Wichtigste zum Schluss: meine Familie. Ohne eure Unterstützung hätte ich es nicht geschafft! Danke, Mama, dass du immer an mich geglaubt und mich darin unterstützt hast, meinen Interessen zu folgen. Danke, Heinz, dass du mein frühes Interesse für Geschichte befeuert hast. Danke, Papa und Gabi, dass ihr mich schon in jungen Jahren immer in Museen, Kirchen und Klöster mitgenommen habt (inzwischen weiß ich das sehr zu schätzen!). Ihr tragt maßgeblichen Anteil an meinem Wunsch, wissenschaftlich tätig zu sein. Danke, Oma, für deine Plätzchen-Carepakete, sie waren ein Glanzpunkt meiner stressigen Zeiten. Дорогие Галина и Григорий, спасибо вам, что приняли меня в свои объятия. Ваш дом всегда давал мне новую силу.

Der letzte und zugleich größte Dank geht an meinen Mann, Vadim Bekichev. Er hat unzählige Wochenenden mit mir und „der Arbeit“ zugebracht: Wie viele Formulierungen lagen auf seiner Goldwaage, kaum eine These, die nicht von ihm der schärfsten Kritik unterzogen wurde. Ich weiß, Vadim, die Arbeit hat dich mindestens so viele Nerven gekostet wie mich. Dafür, dass du das trotzdem auf dich genommen hast, bin ich dir unendlich dankbar! Die Arbeit ist deshalb dir gewidmet. Hamburg, den 30.3.2017

Inhalt

Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gedruckte Quellen und Literatur bis 1806 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Literatur und Hilfsmittel seit 1806 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Forschungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Themenbegrenzung, Methodik und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Notare und ihre Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick – vom antiken zum frühneuzeitlichen Schreiberwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vom Notar beurkundet – Abgrenzung Schreiber, Ratsnotar und Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratsnotar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. „notarius imperiale auctoritate“ – der kaiserliche Notar . . . . . . b. „notarius civitatis“ – der städtische Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notarielle Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notarielle Urkunde und Imbreviatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notarielle Kopie und Beglaubigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notarielle Dorsalurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besiegelte Urkunde mit notarieller Unterfertigung . . . . . . . . . . . . . IV. Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Der notarielle Urkundenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick zu Prozessrecht und Beweistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Hamburger Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hamburger Beweisrecht und frühneuzeitliche Beweistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notarieller Urkundenbeweis nach den Lehren der ars notaria, der Reichsnotariatsordnung und den Hamburger Gep ogenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der des? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkung der des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4. Ein „Gerüst“ für die des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Diplomatische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Urkundensprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Beschreibstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Innere Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Beurkundungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Offenkundige Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die Urkundszeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die behauptete Abwesenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Zeuge und der Urkundeninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Das Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Der Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Der Notar als Garant für die des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Amtseinsetzung: Person – Fähigkeiten – Kenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ausnahme zur Regel: der „Quasinotar“ . . . . . . . . . bb. Hilfsp ichten und Verständnisprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verständnisprobleme I: die deutsche Sprache . . . . . . . . (2) Verständnisprobleme II: der Mangel an intellektuellen Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Requisition und Beurkundungsp icht . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beurkundungsp icht I: die „Sinnlosigkeit“ der notariellen Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beurkundungsp icht II: der Notar und die Beurkundungen „wider den Rat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beurkundungsp icht III: der Notar und das falsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausnahmen von der Beurkundungsp icht . . . . . . . . . . . 5. Angriffsmöglichkeiten auf die des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Regelungen zum Notariatswesen im Hamburger Recht . . . . . . aa. Versagte Glaubwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Partikularrecht vs. kaiserliches Regal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Exkurs: Weshalb sich in Hamburg kein eigenständiges Notariatsrecht ausbildete – ein Erklärungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Formfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Misstrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. „Umbzustossen undt zu Vernichtigenn“ – Willkür und Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Der Kaiser als Schutzmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Übersicherung der Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

§ 4 Freiheitswahrung, oder weshalb sich das kaiserliche Notariat in Hamburg etablierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ein ussnahme und Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Recht der freien Vergabung im Hamburger Stadtrecht . . . . . . a. . . . vrygh, seker unde ungehynderth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grenzen der Freiheit – Eingriffsbefugnis des Rates . . . . . . . . . . c. Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwei manipulierte Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das Testament der Eheleute Ripett – Erbschaft ohne Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Witwe Sluters letzter Wille? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der gemeine nutz als Legitimationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenwehr – die Etablierung einer kaiserlichen Institution . . . . . . . . 1. Die freiheitswahrende Funktion notarieller Urkunden . . . . . . . . . . 2. Anfänge des kaiserlichen Notariats in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entdeckung der freiheitswahrenden Funktion: eine Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Die Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg – Zusammenfassung und Tragweite der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaiserliche Notare in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1500–1600 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1601–1700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen und Literatur

I. Ungedruckte Quellen StA HH, Reichshofrat 211-1: In den Klammern sind die Einführungs- und Endjahr des Verfahrens genannt. Nr. 102 (1682); Nr. 137 (1656); Nr. 220 (1656–1687); Nr. 244 (1676–1681); Nr. 26 (1680–1682); Nr. 362 (1623).

StA HH, Reichskammergericht 211-2: In [Klammern] gesetztes Einführungs- und Endjahr der Vorinstanzen bedeutet, dass die Akte keine Schriftstücke zur betreffenden Vorinstanz mehr enthält. In [Klammern] gesetztes Einführungs- und Endjahr am Reichskammergericht bedeutet, dass die Jahresangabe in der Akte von der des Reichskammergerichtsprotokolls abweicht. Für das Endjahr des Reichskammergerichtsprozesses sind die Prozesshandlungen, nicht die internen RKG-Vermerke ausschlaggebend. Die Protokolldaten richten sich nach den Angaben im Repertorium von Hans-Konrad Stein-Stegemann. Nr. A 24 Teil 1–4 (OG: 1752–1754; RKG: 1754–1758); Nr. B 1a (NG: 1500; OG: 1500; RKG: 1501–1510); Nr. B 6 (OG: 1509–1510; RKG: [1511–1522]); Nr. B 84 (OG: 1521–1523; RKG: 1523–1526); Nr. B 131 ([NG: 1648]; OG: 1648; RKG: 1648–1653); Nr. C 9 (RKG: 1549–1553); Nr. E 28 (RKG: 1544); Nr. E 37 (RKG: 1534–1538); Nr. E 38 (RKG: 1539–1544); Nr. F 31 (RKG: [1511]); Nr. F 32 Teil 1–9 (RKG: 1549–1618; Visitationsdeputation 1618–1769); Nr. G 3 (RKG: 1678); Nr. G 20 (RKG: 1584–1617); Nr. G 28 Teil 1–2 (NG: 1713–1716; OG: 1716–1721; RKG 1722–1728); Nr. H 14 Teil 1–2 (RKG: 1529– 1559); Nr. H 15 (RKG: 1530–1531 [1529–1531]); Nr. H 156 (RKG: [1536]); Nr. H 174 (RKG: 1580–1582 [1580–1584]); Nr. J 16 (OG: 1530; RKG: 1531– 1534); Nr. J 35 (OG: 1738–1748; RKG: 1748–1751); Nr. K 49 (RKG: 1756–1767); Nr. K 58 ([OG: 1538]; RKG: 1538–1539); Nr. L 15 ([OG: 1497]; RKG: 1498– 1512); Nr. L 16 (OG: 1548; RKG: 1549–1557); Nr. L 37 (OG: 1719–1726; [RKG: 1726–1727]); Nr. L 45d (RKG: [1516]); Nr. M 5 (OG: 1691; RKG: 1693–1703 [1691–1704]); Nr. M 16 (OG: 1533; RKG: 1533–1534); Nr. M 17 (RKG: 1554– 1557); Nr. M 19 (OG: 1597; RKG: 1598–1601); Nr. M 47 (OG: 1590–1592; RKG: [1593–1596]); Nr. N 3 ([NG: 1577]; [OG: 1577]; RKG: 1578–1586); Nr. N 14 ([NG: 1580]; OG: 1580; [RKG: 1580–1582]); Nr. Nachtrag III Nr. 21 ([NG: vor

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Quellen und Literatur

1535]; [OG: vor 1535]; RKG: [1535]); Nr. Nachtrag III Nr. 28 (RKG: [1498–1499]); Nr. O 9 ([NG: 1636]; OG: 1637–1640; RKG: 1642 [1640–1642]); Nr. P 10 ([Lübecker Rat: 1539]; RKG: 1540); Nr. R 5 ([Hamburger Rat: 1761]; RKG: 1763– 1766); Nr. R 12 (OG: 1525–1526; RKG: 1526–1532); Nr. R 26 (RKG: 1527– 1532); Nr. R 43 (OG: 1549–1554; RKG: 1555–1558 [1555–1561]); Nr. S 3 (RKG: 1541–1544); Nr. S 13 (RKG: 1610–1612); Nr. S 49 Teil 1–5 (OG: 1750; RKG: [1752–1776]); Nr. S 50 Teil 1–2 (Hamburger Rat: 1729–1732; RKG: 1733–1746); Nr. S 60 (RKG: 1541–1543); Nr. S 82 Teil 1–7 (RKG: 1577–1584 [1577–1604]); Nr. S 124 ([OG: 1536]; RKG: [1536–1537]); Nr. S 167 (OG: 1537–1549; RKG: [1550]); Nr. T 1 (OG: 1511–1512; RKG: [1512–1517]); Nr. W 11 ([OG: vor 1542]; RKG: 1542); Nr. W 30 Teil 1–2 (RKG: 1548–1590); Nr. W 34 (OG: 1546–1549; RKG: 1549–1555); Nr. W 35 (RKG: 1549); Nr. W 36 ([OG: 1550]; RKG: 1550– 1553); Nr. W 38 ([OG: 1553]; RKG: 1553–1555); Nr. W 49 ([OG: 1549]; RKG: [1549–1551]).

StA HH, Obergericht 211-4: Nr. A XI b 7 Nr. 23; Nr. B I a 1 No. 30; Nr. B I a 1 No. 6; Nr. B I a 2; Nr. B I a 3 Conv. 1. No. 14; Nr. B I a 3 Conv. 1. No. 4; Nr. B I a 4 Conv. 1; Nr. B I a 4 Conv. 2.

StA HH, Senat 111-1: In [Klammern] gesetzte Angaben sind die Signatur der Archivguteinheit und die Kopieblattzahl auf dem jeweiligen Mikro lm. Nr. 25; Nr. 714; Nr. 1327; Nr. 1379 Teil 1; Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 31. 5.); Nr. Cl. I Lit. Ob No. 3 Fasc. 1; Nr. Cl. I Lit. Oc No. 6, 44; Nr. Cl. I Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55; Nr. Cl. I Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55; Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1 c 7; Nr. Cl. X Vol. 1 Schlachterstraße (Vertrag vom 8. 2.1692 [MF: S 9261 D, 63]); Nr. Cl. X Vol. 2 Schar Steinweg (Vertrag vom 9.4.1633 [MF: S 9261 D, 51]); Nr. Cl. X Vol. 2 Schiffsverkauf (Vertrag vom 9. 12.1652 [MF: S 9261 D, 82]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1334 I 16 (Testament des Wismaria, de, Hinricus vom 16.1.1334 [MF: S 9261 D, 701]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1350 II 12 (Testament des Stadis, de, Willekinus vom 12. 2. 1350 [MF: S 9261 D, 742]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1367 VII 31 (Testament der Tunderstede, Joh. und Ehefrau vom 31. 7. 1367 [MF: S 9261 D, 781]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1376 (Testament der Tunderstede, Joh. und Ehefrau von 1376 (o. D.) [MF: S 9261 D, 809]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1386 VII (Testament des Brunes, Nicolaus vom Juli 1386 [MF: S 9261 D, 843]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1403 I 16 (Testament des Vritze, Johannes vom 16. 1. 1403 [MF: S 9261 D, 933]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1408 VII 2 (Testament des Elebecke, Vicko vom 2. 7. 1408 [MF: S 9262 D, 4]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1424 IV 7 (Testament des Mund,

Ungedruckte Quellen

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Johannes vom 7. 4. 1424 [MF: S 9262 D, 88]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1457 VI 15 (Testament des Werijn, Heijne vom 15.6.1457 [MF: S 9262 D, 177]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1460 III 1 (Testament des Wichman, Theodericus vom 1. 3. 1460 [MF: S 9262 D, 183]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1461 IX 7 (Testament des Abbendorp, Hans vom 7. 9. 1461 [MF: S 9262 D, 194]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1461 VIII 1 (Testament der Valentins, Alke vom 1.8. 1461 [MF: S 9262 D, 193]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1507 VIII 14 (Testament der Bruwers, Tibbeke vom 14.8.1507 [MF: S 9262 D, 444]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1533 XII 27 (Testament der Schadelanth, Reijneke und Ehefrau Beke vom 27. 12. 1533 [MF: S 9262 D, 505]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1537 V 9 (Testament des Szander, Carsten vom 9.5. 1537 [MF: S 9262 D, 518]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1538 X 6 (Testament des Salsborch, Joachijm vom 6.10.1538 [MF: S 9262 D, 536]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1540 X 4 (Testament der Scroders, Catherina vom 4.10.1540 [MF: S 9262 D, 545]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1542 (Testament der Wilmszenn, Wilhm und Ehefrau Anneke 1542 (o. D.) [MF: S 9262 D, 561]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1544 IX 9 (Testament des Schipman, Joachim vom 9. 9. 1544 [MF: S 9262 D, 595]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 (Testament des Steffens, Hinrich von 1552 (o. D.) [MF: S 9262 D, 630]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1560 III 13 (Testament der Schroeder, Karsten und Ehefrau Dorothea vom 13. 3. 1560 [MF: S 9262 D, 667]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29. 9. 1561 [MF: S 9262 D, 672]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1572 IX 15 (Testament der Loeße, Berendt und Ehefrau Gesche vom 15. 9. 1572 [MF: S 9262 D, 840]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1576 VI 22 (Testament der Weselow, Johan und Ehefrau Hilla vom 22. 6. 1576 [MF: S 9262 D, 935]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1577 III 17 (Testament der Cordes, Hinrick und Ehefrau Sara vom 17.3.1577 [MF: S 9263 D, 31]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1577 X 26 (Testament der Bartolotti, Johan Baptista und Ehefrau Maria vom 26. 10. 1577 [MF: S 9263 D, 68]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1579 V 14 (Testament des Rheder, Matthias vom 14.5.1579 [MF: S 9263 D, 104]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 (Testament des Rheder, Michael von 1580 (o. D.) [MF: S 9263 D, 123]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IV 13 (Testament des Schomakers, Meimerich vom 13. 4. 1580 [MF: S 9263 D, 137]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 X 23 (Testament der Ostman, Hinrick und Ehefrau Dorothia vom 23.10. 1580 [MF: S 9263 D, 150]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3. 9. 1580 [MF: S 9263 D, 147]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 I 24 (Testament der Hartken, Wilhadt und Ehefrau Margareta vom 24.1.1581 [MF: S 9263 D, 159]; Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 I 24 (Testament der Schulte, Marten und Ehefrau Elisabeth vom 24.1. 1581 [MF: S 9263 D, 169]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23.6.1581 [MF: S 9263 D, 181]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1582 IX 17 (Testament der Balhorn, Jacob und Ehefrau Margareta vom 17. 9. 1582 [MF: S 9263 D, 200]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1584 IX 20 (Testament des Bremer, Herman vom 20.9.1584 [MF: S 9263 D, 214]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 11. 6. 1586 [MF: S

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Quellen und Literatur

9263 D, 255]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22. 6. 1588 [MF: S 9262 D, 292]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1589 IX 5 (Testament der Collen, von, Zacharias und Ehefrau Hilleke vom 5.9.1589 [MF: S 9263 D, 317]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1594 IV 12 (Testament der Gortzen, Harmen und Ehefrau Adelheida vom 12. 4. 1594 [MF: S 9263 D, 429]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1596 II 27 (Testament der Pluckeij, Peter und Ehefrau Margaretha vom 27.2.1596 [MF: S 9263 D, 463]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1603 VI 30 (Testament des Hardinghusen, Dauid vom 30. 6. 1603 [MF: S 9263 D, 599]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1604 IV 2 (Testament der Hoijer, Helmke und Ehefrau Catharina vom 2.4.1604 [MF: S 9263 D, 612]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1605 VII 8 (Testament des Sandtman, Peter vom 8.7. 1605 [MF: S 9263 D, 659]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1609 V 29 (Testament des Bostelmann, Jürgen vom 29. 5. 1609 [MF: S 9263 D, 751]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 III 22 (Testament der Olfenius, Johannes und Ehefrau Elisabeth vom 22.3.1614 [MF: S 9263 D, 892]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 V 10 (Testament der Mühlen, von der alten, Guiles und Ehefrau Marien vom 10. 5. 1614 [MF: S 9263 D, 894]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1619 VI (Testament des Emersen, von, Caspar vom Juni 1619 [MF: S 9264 D, 89]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1620 VIII 14 (Testament der Kranenberg, Elisabeth vom 14.8.1620 [MF: S 9264 D, 123]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1620 VIII 27 (Testament des Penßhorn, Johan 27.8. 1620 [MF: S 9264 D, 127]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1625 VII 17 (Testament des Hoijer, Johan vom 17. 7. 1625 [MF: S 9264 D, 267]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1635 X 10 (Testament der Meijer, Henrich und Anna vom 10. 11. 1635 [MF: S 9264 D, 420]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1636 IX 16 (Testament der Wulffer, Matthias und Anna vom 16.9.1636 [MF: S 9264 D, 447]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1637 IV 27 (Testament der Becker, Hanß Jacob und Catharina vom 27. 4. 1637 [MF: S 9264 D, 456]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1650 VIII 23 (Testament der Voß, Christoph und Engell vom 23.8.1650 [MF: S 9264 D, 564]); Nr. Cl. X. Vol. 4 Ser. 1 1664 VII 25 (Testament der Weber, Catharina vom 25.7.1664 [MF: S 9264 D, 636]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1668 XI 8 (Testament der Plocius, Margaretha vom 8. 11. 1668 [MF: S 9264 D, 644]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1679 VII 10 (Testament der Locher, Mattheus und Catharina vom 10.7.1679 [MF: S 9264 D, 682]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1683 I 18 (Testament des Rentzel, Herman vom 18.1.1683 [MF: S 9264 D, 710]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1684 III 19 (Testament des Kellinghusen, Jürgen vom 19. 3. 1684 [MF: S 9264 D, 739]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1686 X 20 (Testament des Alfeldt, von, Detleff vom 20. 10. 1686 [MF: S 9264 D, 750]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1689 IX 3 (Testament der Riedelin von Löwenstern, Johanna Margaretha, vom 3. 9. 1689 [MF: S 9264 D, 763]); Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1695 VI 22 (Testament des Schele, Johann vom 22. 6. 1695 [MF: S 9264 D, 941]); Nr. Cl. X Vol. 3 1699 VII 26 (Ehezärter der Janzen, Hinrich und Öllers, Anna Margareta vom 26.7.1699 [MF: S 9261 D, 294]); Nr. Cl. X Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Caspar und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]); Nr. Cl. X Vol. 3 1753 X 30 (Ehezärter der Mendo, Johann Friedrich und Guden, Anna Margareta Concilia vom 30.10.1753 [MF: S 9261 D, 401]); Nr. Cl. X Vol. 3 1761 VIII 23 (Ehezärter der Fischer, Anthon Friedrich und Schröder, Sara Ma-

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Ungedruckte Quellen

ria vom 23. 8. 1761 [MF: S 9261 D, 233]); Nr. Cl. X Vol. 3 1763 VIII 12 (Ehezärter der Stegemester, Johannes und Spreckelsen, Anna Maria vom 12. 8. 1763 [MF: S 9261 D, 614]); Nr. Cl. X Vol. 3 1765 II 5 (Ehezärter der König, Hans Jürgen und Evers, Anna Sophia vom 5. 2. 1765 [MF: S 9261 D, 314]); Nr. Cl. X Vol. 3 1784 XII 19 (Ehezärter der Knopf, Christian und Schultz, Anna Catharina vom 19. 12. 1784 [MF: S 9261 D, 322]); Nr. Cl. X Vol. 3 1786 V 13 (Ehezärter der Reimer, Johann Hermann und Meijer, Catharina Gesa vom 13.5.1786 [MF: S 9261 D, 451]); Nr. Cl. X Vol. 3 1794 XII 2 (Ehezärter der Peemöller, Johann Caspar und Boldten, Anna Margaretha 2. 12. 1794 [MF: S 9261 D, 426]); Nr. Cl. X Vol. 3 1803 V 28 (Ehezärter der Vollmer, Peter Hinrich Basilios und Breckwoldt, Anna Hanna Elisabeth vom 28. 5. 1803 [MF: S 9261 D, 649]).

StA HH, Sonstige Privatstiftungen und Testamente 611-19: Testament des Ulrich Bisthorst von 1441; Testament von Tietje Brandenburg von 1461; Testament der Alke Bruns und Wibke Holthusen vor 1484; Testament der Albert Gosmann und Heinrich Brandes aus dem 15. Jh.; Testament des Johann König aus dem 15. Jh.; Testament des Eggert Krukow aus dem 14. Jh.; Testament des Magister Joachim Langwedel von 1460; Testament des Hieronijmus Moller von 1410; Testament des Joachim Salsborch von 1464; Testament der Johann und Mette de Sworen von 1492; Testament des Erich v. Tzeven von 1331; Testament der Vogler-Moller-Baumgarten von 1404; Testament des Tideke Winckelmann von 1479; Testament des Albert Wulhase von 1418; Testament der Anna Büring 1535 I 1 b.

StA HH, Notare 233-2: H. L. W. Asher (1864–1904); J. C. H. Barckhan (1847–64); P. G. L. Bartels (1874– 1920); J. N. P. Beckendorff (1816–43); R. G. Behrmann (1811–14); J. P. Bennecke (1816–46); M. H. C. Bock (1827–39); H. Bonfort (1857–58); M. I. Bresslau (1812– 39); J. Brichet (1828–32); A. F. Buek (1864–79); G. Cohen (1857–58); D. Cohen (1857–58); J. F. Coulon (1815–18); H. M. Crasemann (1881–1934); P. Deranco (1800); A. R. des Arts (1880–1902); L. B. Dreves (1847–61); C. H. de Drusina (1844– 57); H. Föhrig (1857); J. H. Frercks (1811); F. D. A. Führstock (1811); E. T. Gabory (1890–1930); F. Gobert (1858–1904); W. E. Götze (1899–1901); J. J. Heckleiff (1806–07); C. C. E. Heimerdinger (1857–59); J. J. P. Hellberg (1790); F. Herwig (1857–58); J. C. Hilgenfeldt (1816–46); P. Hirsch (1857–58); F. H. E. Hofmann (1808); J. H. Hübbe (1811–46); J. N. Jungmann (1807); N. Kirchhoff (1811–18); N. Kröger (1800); J. H. Lammers (1842–50); J. H. Langhans (1816–36); C. R. A. Lenizer (1803–10); J. C. Lucas (1816–24); J. A. Lüders (1808–14); J. D. Luis (1811–

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Quellen und Literatur

16); F. A. Marcard (1811–13); H. D. Marolf (1789–1822); A. H. Martin (1893– 1932); R. Martin (1857–64); A. C. T. Meier (1812–13); A. Meldola (1811–18); J. F. A. A. Meyer (1852–72); J. H. Möller (1816–23); J. W. Molt (1811–13); P. L. G. Müller (1831–72); P. A. Nemnich (1816–21); H. E. Oldenburg (1808); J. O. W. Patow (1812–16); J. C. Petersen (1842–51); G. A. Remé (1897–1937); G. Rießer (1840–57); C. L. Rischmüller (1816–32); M. A. N. Ritter (1872–1904); J. N. Schaffhausen (1811– 15); H. G. Schauer (1838–45); H. N. Schmalfeldt (1789); A. H. Schmanns (1810– 12); E. Schramm (1836–72); W. E. Schramm (1872–80); J. C. T. Seitz (1857–58); H. H. S. Sillem (1861–71); M. Söhle (1857–74); P. A. Stein (1816–58); H. D. P. Stocketh (1816–20); H. Stock eth (1863–97); J. C. H. Stock eth (1827–63); F. H. Stöwing (1807); C. G. F. von Sydow (1892–1934); C. Tiecke (1785); H. Timm (1857– 58); J. L. Trummer (1810); J. C. Vorst (1782); E. L. Wächter (1851–92); J. A. G. H. Wappäus (1871–93); D. F. Weber (1892–1912); J. H. Wichern (1810–23); J. Wietjes (1798–1839); H. Wülbern (1798–1846); J. C. Zander (1783); H. G. F. Zange (1823– 40); Zobel (1816–19); F. J. Zumbach (1811–16).

Sonstige Archivbestände: StA HH, Trummer-Sammlung 732-1, Abraham Meldola. StA HH, Justizverwaltung 241-1 I, Nr. 2392. StA HH, Ergänzungen aus fremden Archiven 743-3: Nr. Ergänzungen aus dem Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel – Abt. 37 Universität Helmstedt; hier Protokolle über die Prüfung von Notariatskandidaten in Hamburg im Auftrag der Universität Helmstedt [MF: 741-4_S 740], [zitiert: Ernennungsregister Uni. Helmstedt].

II. Gedruckte Quellen und Literatur bis 1806 Alber, Mathias: Das Protokollbuch des Mathias Alber [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 58/1], ed. Wunderlich, Köln [u. a.] 2011 [zitiert: Protokollbuch Mathias Alber]. Anderson, Christian Daniel: Hamburgisches Privatrecht, (Theil 2, Hamburg 1784) / (Theil 3, Hamburg 1787) [zitiert: Anderson, Hamburgisches Privatrecht II (1784)/III (1787)]. Aquin, Thomas von: Summa Theologica IIa–IIae, Bd. 21, ed. Albertus Magnus Akademie, Graz [u. a.] 1964 [zitiert: Thomas von Aquin, Summa Theologica IIa –IIae]. Azo: Summa aurea, ed. Lyon 1557 [zitiert: Azo, Summa aurea (1557)]. Bachovius, Reinier/Trevtleri, Hieronymi: Bachovivs Avgmentatvs (. . . ), P. II, Disp. V De de instrvmentorvm et testibvs [Ioanne Elver (Respondente)], Köln 1653 [zitiert: Bachovius /Trevtleri, Bachovivs Avgmentatvs (1653)].

Gedruckte Quellen und Literatur bis 1806

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Barbosae, Augustini: Repertorium Juris Civilis Et Canonici (. . . ), Lyon 1713 [zitiert: Barbosae, Repertorium (1713)]. Biermann, Johann Georg: So geht's in Hamburg: Oder: (. . . ) über die Schreibenden Beschwerden der Hamburger Schlösser- und Grobschmiedemeister gegen ihren Amtspatron (. . . ) von dem dortigen Magistrat bekannt gemachten fälschlichen Beschuldigungen, Berlin 1800 [zitiert: Biermann, So geht's in Hamburg (1800)]. Blumen, Jacobi: Processus cameralis ex ordinationibus cameralibus (. . . ), Frankfurt 1676 [zitiert: Blumen, Processus cameralis (1676)]. Boehmeri, Ivstii Henningii: Ivs Ecclesiasticvm Protestantivm, Vsvm Hodiernvm Ivris Canonici (. . . ), T. 3, Au . 4, Halle 1747 [zitiert: Boehmeri, Ivs Ecclesiasticvm III (1747)]. Boerivm, Nicolavm /Alesmivm, Ioannem: Decisiones Bvrdegalenses (. . . ), Frankfurt 1574 [zitiert: Boerivm, Decisiones (1574)]. Bolz, Johann Gottfried: Der sowohl in foro, als auch in allen andern Handlungen wohl instruirte und expedite Notarius (. . . ), Frankfurt am Main 1731 [zitiert: Bolz, In foro, (1732)]. Bolz, Johann Gottfried: Der wohl unterrichtete und allzeit fertige Notarius (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1757 [zitiert: Bolz, Notarius (1757)]. Bonacossae, Hippolyti: Quaestiones criminales (. . . ), Venedig 1573 [zitiert: Bonacossae, Quaestiones (1573)]. Brant, Sebastian: Daß Narrenschyff ad Narragoniam, Basel 1499 [zitiert: Brant, Narrenschiff (1499)]. Breunle, Moritz: Ain kurtz Formular vnd Cantzley büchlin (. . . ), Augsburg 1546 [zitiert: Breunle, Cantzley büchlin (1546)]. Brunnemann, Alexander Georg Christian: Vade mecum notariale, oder Handbuch eines angehenden Notarius in Fragen und Antworten, Berlin /Stralsund 1774 [zitiert: Brunnemann, Vade mecum notariale (1774)]. Bugenhagen, Johannes: Bugenhagens Hamburgische Kirchenordnung, ed. Mönckeberg, Hamburg 1861 [zitiert: Bugenhagen, Kirchenordnung]. Bülaw, Conrad Friedrich: Anderweitige Provocatio an E. E. Magistrat zu Hamburg wegen meiner, Conrad Friedrich Bülaw, in öffentlichen Zeitungen gesetzten und beschuldigten Verbrechen (. . . ), Hamburg 1708 [zitiert: Bülaw, Provocatio (1708)]. Caf aux, Philippe-Joseph: Trésor généalogique, ou Extraits des titres anciens (. . . ), T. 1, Paris 1777 [zitiert: Caf aux, Trésor (1777)]. Carpzov, Benedict /Mylius, Andreas: IC. Consiliarii Electoralis Saxonici, Ivrisprvdentia Forensis Romano-Saxonica, Secvndvm Ordinem Constitvtionvm (. . . ) Frankfurt 1638 [zitiert: Carpzov/Mylius, Ivrisprvdentia Forensis Romano-Saxonica (1638)]. Carpzov, Benedict: Processus Juris in Foro Saxonico (. . . ), Jena 1663 [zitiert: Carpzov, Processus Juris in Foro Saxonico (1663)]. Cnavstinvm, Henricvm: Artis Notariatvs Elementarivs Liber (. . . ), Frankfurt 1612 [zitiert: Cnavstivm, Artis Notariatvs (1612)].

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Quellen und Literatur

Corpus iuris canonici: [Bd. II Decretalium Collectiones, Decretales Gregorii IX.], ed. Richter /Friedberg, Leipzig 1879 [zitiert: Corpus iuris canonici (Richter /Friedberg)]. Cramer, Johann Ulrich: Wetzlarische Nebenstunden, worinnen auserlesene beym höchstpreislichen Cammergericht entschiedene Rechts-Händel zur Erweiter- und Erläuterung der teutschen in Gerichten üblichen Rechts-Gelehrsamkeit angewendet werden, 128 Teile, Ulm 1755–1773 [zitiert: Cramer, Nebenstunden]. Das Corpus Iuris Civilis – in's Deutsche übersetzt, Bd. 1, Au . 2, ed. und übers Otto / Schilling, Leipzig 1839 [zitiert: Corpus Iuris Civilis I (Otto /Schilling)]. Das Hamburger Ordeelbook von 1270 samt Schiffrecht – nach der Handschrift von Fredericus Varendorp von 1493, ed. Eichler, Hamburg 2005 [zitiert: Ordeelbook (Eichler)]. Die Hamburgischen Hochzeits- und Kleiderordungen von 1583 und 1585, ed. Voigt, Hamburg 1889 [zitiert: Kleiderordnung 1583 und 1585]. Die Langenbeck'sche Glosse zum Hamburger Stadtrecht von 1497, ed. Eichler, mit einer Einführung von Tilman Repgen, Hamburg 2008 [zitiert: Langenbeck'sche Glosse (Eichler)]. Foman, Ortolph: Disputatio De Fide Instrumentorum (. . . ), Jena 1631 (Resp. Michael Kreuch) [zitiert: Foman, De Fide Instrumentorum (1631)]. Friderici I. Diplomata, ed. Appelt (u. a.), [MGH, Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 10], Hannover 1975–1990 [zitiert: Friderici I. Diplomata]. Gaill, Andreas /Loncium, Thobiam: Practicarum observationum deß Hochlöblichen Cammer-Gerichts Speyr (. . . ), München 1673 [zitiert: Gaill /Loncium, Practicarum observationum (1673)]. Gaill, Andreas /Loncivm, Thobiam: Camerae Imperialis Observationes. Deß Keiserlichen Cammer Gerichts sonderliche Gerichtbreuche vnnd Rechts Regeln (. . . ), Hamburg 1601 [zitiert: Gaill/Loncivm, Camerae Imperialis Observationes (1601)]. Gaill, Andreas: Practicarum Observationum Tam ad Processum Judiciarium Praesertim Imperialis Camerae (. . . ), Köln 1699 [zitiert: Gaill, Practicarum Observationum (1699)]. Gandinus, Albertus: Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 2: Die Theorie: Kritische Ausgabe des Tractatus de male ciis nebst textkritischer Einleitung, ed. Kantorowicz, Berlin/Leipzig 1926 [zitiert: Gandinus, Tractatus]. Gasparro Romano, Francisco Maria: Institutiones Juris Civilis Quatuor Partibus distributae, Venedig 1729 [zitiert: Gasparro Romano, Institutiones Juris Civilis (1729)]. Gerstlacher, Carl Friedrich: Corpus Iuris Germanici publici et private, das ist der möglichst ächte Text der teutschen Reichsgeseze (. . . ), Bd. 1, Au . 2, Frankfurt [u. a.] 1786 [zitiert: Gerstlacher, Corpus Iuris germanici publici et privati I (1786)]. Goldast, Melchior: Reichssatzung Deß Heiligen Römischen Reichs (. . . ), Bd. 2, Frankfurt am Main 1613 [zitiert: Goldast, Reichssatzung II (1613)]. Gries, Johann Karl: Commentar zum Hamburgischen Stadtrecht von 1603, Bd. I–II, Hamburg 1837 [zitiert: Gries I/Gries II].

Gedruckte Quellen und Literatur bis 1806

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Hahnii, Henrici: Observata Theoretico Practica, ad Matthaei Wesenbecii In L. libros Digestorum Commentarios (. . . ), Helmstedt 1668 [zitiert: Hahnii, Observata Theoretico Practica, ad Matthaei Wesenbecii (1668)]. Hamburgische Burspraken 1346 bis 1594, mit Nachträgen bis 1699, Teil 2, ed. Bolland [Veröffentlichungen des Staatsarchivs der Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 6], Hamburg 1960 [zitiert: Burspraken, ed. Bolland]. Hamburgisches Urkundenbuch, Bd. I: Hamburg 1842/Bd. II, ed. Lappenberg, Hamburg 1911 [zitiert: HH UB I/II]. Harsdörffer, Georg Philipp: Der teutsche Secretarius. Das ist: Allen Canzeylen / Studirund Schreibstuben nützliches / fast nothwendiges / und zum vierdtenmal vermehrtes Titular- und Formularbuch (. . . ), Au . 4, Nürnberg 1661 [zitiert: Harsdörffer, Der teutsche Secretarius (1661)]. Hofpfalzgrafen-Register III, ed. Herold, Verein für Heraldik (. . . ), Neustadt an der Aisch 1988 [zitiert: Hofpfalzgrafenregister]. Horaz: Epistolae, übersetzt von Christoph Martin Wieland, Horanzens Briefe aus dem Lateinischen Übersetzt und mit historischen Einleitungen und andern nöthigen Erläuterungen versehen, Frankfurt 1986 [zitiert: Horaz, Epistolae]. Hornigk, Ludovico von: Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (. . . ), Frankfurt 1677 [zitiert: Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677)]. Hostiensis: Commentaria, ed. Venedig 1581 (ND Turin 1965) [zitiert: Hostiensis, Commentaria (1581)]. Hvnnio, Helfrico-Vlrico/Trevtleri, Hieronymi: Jvrisconsvlti Selectarum Disputationum ad Ivs Civile Ivstinianaevm (. . . ),Vol. II, Frankfurt 1632 [zitiert: Hvnnio /Trevtleri, Disputationum ad Ivs Civile Ivstinianaevm (1632)]. Imolensis, Alexandri Tartagni: Consiliorum Seu Responsorum, Lib. V, Venedig 1597 [zitiert: Imolensis, Consiliorum (1597)]. Innozenz IV.: Commentaria super libros quinque Decretalium, Venedig 1570 [zitiert: Innozenz IV., Commentaria (1570)]. Kant, Immanuel: Moraphilosophie, Rechtsphilosophie und Religionsphilosophie, Bd. VI, in: Akademie-Ausgabe Bd. XIX, Berlin [u. a.] 1984 [zitiert: Kant, AA XIX]. Klefeker, Johann: Von Gerichten und Rechten (. . . ), aus: ders. (ed.): Sammlung der Hamburgischen Gesetze und Verfassungen in Bürger- und Kirchlichen, auch CammerHandlungs- und übrigen Policey-Angelegenheiten und Geschäften samt historischen Einleitungen, Theil IV, Hamburg 1767 [zitiert: Klefeker IV]. Knausten, Heinrich /Mindanum, Petrum Friderum: Fewerzeugk Gerichtlicher Ordnunge Proceß auß allen im H. Reich/Teutscher Nation gewöhnlichen Rechten (. . . ), Au . 2, Frankfurt am Main 1616 [zitiert: Knausten /Mindanum, Fewerzeugk Gerichtlicher Ordnunge (1616)]. Lauterbach, Wolfgang Adam: Collegium theoretico-practicum Pandectarum (. . . ), (Vol. I, Tübingen 1707/Vol. II, Tübingen 1706) [zitiert: Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (1707)/(1706)].

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Quellen und Literatur

Lauterbach, Wolfgang Amadeus: Compendium Juris Brevissimis verbis (. . . )[Editio Nova prioribus correctior, ed. Ferdinand Christopherus Harpprecht], Tübingen 1697 [zitiert: Lauterbach, Compendium Juris Brevissimis (1697)]. Leyser, Augustini a: Meditationes ad Pandectas (. . . ), Vol. VIII, Halle 1772 [zitiert: Leyser, Meditationes (1772)]. Lünig, Johann Christian: Des Teutschen Reichs-Archivs Pars Specialis IV. und letzte Continuation, Leipzig 1714 [zitiert: Lünig, Teutsches Reichs-Archiv Specialis (1714)]. Lünig, Johann Christian: Des Teutschen Reichs-Archivs Partis Generalis (. . . ) II, Leipzig 1713 [zitiert: Lünig, Teutsches Reichs-Archiv (1713)]. Luther, Martin: An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sich christliche Schulen aufrichten und halten sollen, ed. Lomler (Gotha 1816) [zitiert: Luther, Ratsherren]. Luther, Martin: D. Martin Luthers Werke: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 19, Weimar 1897 [zitiert: Luther, Kritische Gesamtausgabe]. Luther, Martin: Ordnung eines gemeinen Kastens, ed. Lomler (Gotha 1816) [zitiert: Luther, Ordnung eines gemeinen Kastens]. Luther, Martin: Von weltlichen uberkeit wie weyt man yhr gehorsam schuldig sey, Augsburg 1523 [zitiert: Luther, Von weltlichen uberkeit (1523)]. Mabillon, Johannis: De re diplomatica libri IV, Paris 1709 [zitiert: Mabillon, De re diplomatica]. Machholth, Alexander: Formular Oder SchreiberBuch (. . . ), Eisleben 1560 [zitiert: Machholth, SchreiberBuch]. Mascardi, Josephi: Conclusiones Probationum (. . . ), Vol. I–III, Frankfurt 1661 [zitiert: Mascardi, Conclusiones Probationum I/II/III]. Meder, David: Ein christliches Gebet wider den Türken (. . . ), Nürnberg 1580 [zitiert: Meder, Ein christliches Gebet]. Menochii, Iacobi: (. . . ), De praesvmptionibvs, coniectvris, signis, et indicijs, Commentaria (. . . ), Vol. 1, Venedig 1587 [zitiert: Menochii, De praesvmtionibvs (1587)]. Moser, Johann Jacob: (. . . ) Merckwürdige Reichs-Hof-Raths-Conclusa: denen fürnemlich, so den bei diesem höchsten Reichs-Gericht tam in Agendo quam in Judicando üblichen Modum & Stylum erlernen wollem, zu Nutzen mitgetheilet, Teil I – VIII, Frankfurt am Main 1726–27 [zitiert: Moser, Reich-Hof-Raths-Conclusa (1726– 27)]. Müller, Hieronymus: Historischjuristischer Tractat von den Testamenten und letzten Willen; Geschäften und Ordnungen (. . . ), Hamburg 1750 [zitiert: Müller, Historischjuristischer Tractat (1750)]. Mynsinger von Frundeck, Joachim: Singularium Observationum Imper. Camerae (. . . ), Wittenberg 1648 [zitiert: Mynsinger von Frundeck, Singularium Observationum (1648)]. N. N.: Ars notariatus, Straßburg 1505 [zitiert: N. N., Ars notariatus (1505)].

Gedruckte Quellen und Literatur bis 1806

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N. N.: Art. Beweis, (juristisch), in: Ludwig Julius Friedrich Höpfner (Hrsg.), Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften, Bd. 3, Frankfurt am Main 1780, S. 573ff. [zitiert: N. N., Art. Beweis, Höpfner (1780)]. N. N.: Art. Notarien, in: Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal Lexicon (. . . ), Bd. 24, Leipzig-Halle 1740, Sp. 1394ff. [zitiert: N. N., Art. Notarien, Zedler (1740)]. N. N.: Art. Weib, in: Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal Lexicon (. . . ), Bd. 54, Leipzig-Halle 1747, Sp. 1ff., 40f. [zitiert: N. N., Art. Weib, Zedler (1747)]. N. N.: Ein kurtzweilig lesen von Dyl Ulenspiegel : gebore uß dem land zu Brunßwick, wie er sein Leben vollbracht hatt, XCVI seiner Geschichten, XCVI seiner geschichten, ed. Grieninger 1515 [zitiert: N. N., Dyl Ulenspiegel (1515)]. N. N.: Formulare teutscher Rhetoric unnd gerichtlichen Process, nach jetzigem cantzleiischen Gebrauch, Frankfurt 1534 [zitiert: N. N., Formulare teutscher Rhetoric (1534)]. N. N.: Ganz neu etablierten Doktoren- Notarien- und gekrönte Poeten-Fabrik des heßischen Regierungsrathes Hetzel in Altona und Hamburg, in: Hamburg und Altona – Eine Zeitschrift zur Geschichte der Zeit, der Sitten und des Geschmaks, 2. Band, 4.– 6. Heft, Hamburg 1802, S. 170ff. (Beitrag Nr. IV) [zitiert: N. N., Notarien-Fabrik (1802)]. N. N. Gründliche und ausführliche Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariats-Kunst. (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1747 [zitiert: N. N., Anleitung zur RechtsGelehrsamkeit und besonders Notariats-Kunst (1747)]. N. N.: Notariat und Schreiber-Kunst Wes sich ein Notarius oder Schreiber in seinem Ampt, mit allenn Cautelen, Gebräuchen vnnd Regelen, nach außweisung beyder Rechten, zuhalten habe, in XXIIII. Capitel verschlossen, Straßburg 1529 [zitiert: N. N., Notariat und Schreiber-Kunst (1529)]. N. N.: Notariatbuch / Wes einem Notarien oder Schreiber / aller seiner Practic / in ieden Sachen / Contracten (. . . ), Frankfurt 1535 [zitiert: N. N., Notariatbuch (1553)]. N. N.: Rhetoric vnnd Teutsch Notariat / Wes jeden Notarien / Schreiber (. . . ), Frankfurt 1556 [zitiert: N. N., Rhetoric vnnd Teutsch Notariat (1556)]. Nehring, Johann Christoph: Manuale Notariorum Latino-Germanicum (. . . ), Au . 3, Gotha 1700/Au . 6, Eisenach 1719 [zitiert: Nehring, Manuale Notariorum LatinoGermanicum (1700/1719)]. Ortlepivm, Fridericvm: Examen Notariorum immatriculandorum, Helmstedt 1592 [zitiert: Ortlepium, Examen Notariorum (1592)]. Ovid: Verwandlungen, Bd. 1, übersetzt von Reinhart Suchier, Berlin 1982 [zitiert: Ovid, Verwandlungen]. Passagerii, Rolandinus de: Summa artis notariae, Venedig 1498–99 [zitiert: Pasagerii, Summa (1498–99)].

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Quellen und Literatur

Perusinus, Rainerius: Ars notariae P. I, 9, ed. Wahrmund 1917 [zitiert: Perusinus, Ars notariae]. Pütter, Johann Stephan: Beyträge zum teutschen Staats- und Fürsten-Rechte, Bd. 1, Göttingen 1777 [zitiert: Pütter, Staats- und Fürsten-Rechte (1777)]. Pütter, Johann Stephan: Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des deutschen Reichs, Bd. 3, Göttingen 1787 [zitiert: Pütter, Historische Entwicklung (1787)]. Pütter, Johann Stephan: Zugaben zur Anleitung zur Juristischen Praxi als deren zweyter Theil (. . . ), Au . 5, Göttingen 1802 [zitiert: Pütter, Anleitung zur Juristische Praxis (1802)]. Reichskammergerichtsordnung 1555, ed. Laufs, Köln [u. a.] 1976 [zitiert: RKGO 1555]. Richteri, Christophori Philippi: Decisiones Juris Variae In Tres Partes (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1689 [zitiert: Richteri, Decisiones Juris Variae (1698)]. Riegger, Joseph Anton von: K. Joseph des II. harmonische Wahlkapitulation mit allen vorhergehenden Wahlkapitulationen (. . . ), Prag 1781 [zitiert: Wahlkapitulation Joseph II.]. Rothammer, Wilhelm: Historischstaatistische Abhandlung über das Kaiserl. Reservatrecht des Reichspostwesens (. . . ) zur Entlarvung der aufrührischen Druckschrift über die Mißbräuche desselben (. . . ), Deutschland 1790 [zitiert: Rothammer, Kaiserl. Reservatrecht (1790)]. Rotterdam, Erasmus von: Gespäche, ed. und übers. Trog, Basel 1936 [zitiert: Erasmus von Rotterdam]. Royen, Adrinani van: Dissertatio Juridica Inauguralis De Fide Instruemtorum, Leiden 1742 [zitiert: Royen, De Fide Instrumentorum (1742)]. Rulant, Rutger: Formularium, ad Tractatum de Commissariis (. . . ), Vol. II, Frankfurt 1617 [zitiert: Rulant, Formularium (1617)]. Rulant, Rutgero: De Commissariis Et Commissionibvs Camerae Imperialis, Probationis (. . . ), Frankfurt 1597 [zitiert: Rulant, De Commissariis (1597)]. Salatiele: Ars notarie, ed. Orlandelli [Instituto per la storia dell'università di Bologna, Opere die maestri, 2], Mailand 1961 [zitiert: Salatiele, Ars notarie]. Sattler, Johann Rudolph: Thesaurus Notariorum, Das ist: Ein vollkommen Notariat: und Formularbuch (. . . ), Basel 1615 [zitiert: Sattler, Thesaurus Notariorum (1615)]. Saur, M. Abraham: Dives notariorvm penvs, Das ist: Ein new / schön / außerlesen Formula vnd volkomlich Notariats-Buch oder Spiegel, (. . . ), (Au . 5, Frankfurt am Main 1592)/(Au . 6, Frankfurt am Main 1595) [zitiert: Saur, Dives notariorvm penvs (1592/1595)]. Schade, Franz Heinrich: Der auf neue Manier abgefaste und expedite Notarius (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1714 [zitiert: Schade, Notarius (1714)]. Schlözer, August Ludwig von: (. . . ) Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts, Zehender Theil, Heft LV–LX, Göttingen 1782 [zitiert: Schlözer, Briefwechsel (1782)].

Gedruckte Quellen und Literatur bis 1806

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Segusio, Henricus de: Hostiensis Summa aurea, Köln 1612 [zitiert: Segusio, Summa aurae (1612)]. Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correpsondenten: mit allergnädigster Kayserlicher Freyheit vom 13. 1. 1750, Nr. 7/14. 1. 1750, Nr. 8/23. 1. 1750 Nr. 13/11.3.1750, Nr. 40/16. 12. 1750, Nr. 199/28. 5. 1751, Nr. 85/7. 3. 1752, Nr. 38. Stephani, Matthias: Tractatvs de Ivrisdictione, Qvalemqve Habeant omnes Ivdices (. . . ), Frankfurt 1611 [zitiert: Stephani, Tractatvs de Ivrisdictione (1611)]. Stern von Labach, Peter: Belegerung der Statt Wienn jm jahr Als man zallt nach Cristi geburt tausent fünffhundert vnnd im newnundzwaintzigisten (. . . ), Wien 1529 [zitiert: Stern von Labach, Wien (1529)]. Steuernagel, Nicolai Gothofredi: Nicolai Gothofredi Steuernagels Memorabilia Statutorum Lubecensium & Hamburgensium Axiomatico – Harmonica. (. . . ), Altona 1731 [zitiert: Steuernagel, Statutorum (1731)]. Tassarae, Antonii: Notarii Patavini, Tractatus de Notariorum Peccatis et Erroribus (. . . ), Osterode 1681 [zitiert: Tassarae, Tractatus de Notariorum (1681)]. Tatius, Achilles: Leukippe, ed. und übers. Ast, Leipzig 1802 [zitiert: Tatius, Leukippe]. Ubaldis, Baldus de: Praelectiones in totum Codicem Iustinianeum, ed. 1556 [zitiert: Baldus, Praelectiones (1556)]. Unzola, Petrus de: in: Rolandinus, Summa (Tractatus notularum), ed. 1546 [zitiert: Unzola, Rolandinus, Summa (1546)]. Urkunden und Akten der Stadt Straßburg, Bd. 2: Politische Urkunden von 1266 bis 1332, ed. Wiegand, Straßburg 1886 [zitiert: Straßburg UB II]. Volckmann, Adam: Notariatskunst / Das ist: Handbuch für die Notarien vnd andere Gerichts und Schreiberey verwandte (. . . ), Darinnen was zu solchem Ampt gehörig sampt allerley Cautelen, Bene cien und Exceptionen, so ein Notarius (. . . ) in acht haben mus (. . . ) Alles Theorice und Practice beschrieben (. . . ), Vol. I, Leipzig 1621/Vol. I, Au . 6, Leipzig 1731 [zitiert: Volckmann, Notariatskunst I (1621/1731)]. Wagnero, Tobiae: Türcken-Büchlein (. . . ), Ulm 1661 [zitiert: Wagnero, Türcken-Büchlein (1661)]. Wesenbecii, Matthaei: In Pandactas Ivris Civilis & Codicis Iustinianei, Lib. IIX. Commentarij, Lyon 1635/Frankfurt 1619 [zitiert: Wesenbecii, In Pandectas Ivris Civilis (1635)/(1619)]. Westphalen, Nicolaus Adolph: Geschichte der Haupt-Grundgesetze der Hamburgischen Verfassung, Bd. 1, Hamburg 1844 [zitiert: Hamburgische Haupt-Grundgesetze I]. Willenberg, Samuel Friedrich/Fülleborn, Georg Gustav: Formulare teutscher Rhetoric vnnd gerichtlichen Process, nach jetzigem Cantzleiischen Gebrauch, Frankfurt 1534 [zitiert: Willenberg/Fülleborn, Formulare teutscher Rhetoric (1534)].

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Quellen und Literatur

III Literatur und Hilfsmittel seit 1806 Aders, Günter: Das Testamentsrecht der Stadt Köln im Mittelalter, Köln 1932. Ahlers, Olof: Zur Geschichte des Notariats in Lübeck, in: Brandt, Ahasver [u. a.] (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Fritz Rörig, Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte, Lübeck 1953, S. 341ff. Albers, Gregor: Zwischen Formstrenge und Inhaltsfreiheit – Stipulation und Privatautonomie bei Friedrich Carl Savigny, in: Andrés Santos, Francisco Javier [u. a.] (Hrsg.), Vertragstypen in Europa – Historische Entwicklung und Europäische Perspektiven, München 2011, S. 153ff. Albrecht, Tim /Michaelsen, Stephan: Entwicklung des Hamburger Stadtrechts, online: http://www1 . uni - hamburg . de / spaetmittelalter / Hamburg % 20Spaetmittelalter / Hamburg-Wiki/themen/EntwicklungDesHamburgerStadtrechts.html (abgerufen am 21. 9. 2016). Amend-Traut, Anja: Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht – Praktiziertes Zivilrecht in der Frühen Neuzeit [Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 54], Köln [u. a.] 2009. Amend-Traut, Anja: Zur Geschichte des Notariats in Frankfurt a. M. – Das Notariat zwischen Reichskonformität und kaufmännischen Sonderinteressen, in: Schmoeckel, Mathias /Schubert, Werner (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 325ff. Ancker, Bernt: Das Hamburgische Notariat vom Norddeutschen Bund bis zum Groß-Hamburg-Gesetz (1867–1937), in: Ancker, Bernt /Postel, Rainer (Hrsg.), 1811–2011. Das Hamburgische Notariat in Geschichte und Gegenwart, München 2011, S. 85 ff. Angenendt, Arnold: Gottesfrevel. Ein Kapitel aus der Geschichte der Staatsaufgaben, in: Isensee, Josef (Hrsg.), Religionsbeschimpfung – der rechtliche Schutz des Heiligen [Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 42], Berlin 2007, S. 9ff. Angermeier, Heinz: Reichsreform und Reformation, in: Historische Zeitschrift 235 (1982), S. 529 ff. Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen – Arbeitskreis: Editionsprobleme in der Frühen Neuzeit: Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte, in: Archiv für Reformationsgeschichte – Archive for Reformation History, Bd. 72 (Dez. 1981), S. 299ff. Arndt, Johannes: Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648. Politisch-konfessionelle Ver echtungen und Publizistik im Achtzigjährigen Krieg [Münstersche Historische Forschungen, Bd. 13], Köln [u. a.] 1998. Arndt, Johannes: Herrschaftskontrolle durch Öffentlichkeit: Die publizistische Darstellung politischer Kon ikte im Heiligen Römischen Reich 1648–1750 [Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Universalgeschichte, Bd. 224], Göttingen 2013.

Literatur und Hilfsmittel seit 1806

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Asche, Matthias: Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit. Einleitende Beobachtungen zum Verhältnis von horizontaler und vertikaler Mobilität in der kriegsgeprägten Gesellschaft Alteuropas im 17. Jahrhundert, in: ders. [u. a.] (Hrsg.), Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit, Berlin 2008, S. 11 ff. Bachmann, Sarah: Friede durch Sicherheit: Notarielle Urkunden als Konstrukt zur Beweissicherung, in: Draganova, Viktoria [u. a.] (Hrsg.), Die Inszenierung des Rechts – Law on Stage [Yearbook of Young Legal History, 6], München 2011, S. 177 ff. Bader, Karl Siegfried: Die Klerikernotare des Spätmittelalters in Gebieten nördlich der Alpen, in: Lentze, Hans (Hrsg.), Speculum iuris et ecclesiarum: Festschrift für Willibald M. Plöchl zum 60. Geburtstag, Wien 1967, S. 1 ff. Battenberg, Friedrich: Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige bis zum Jahr 1451, Tb. 2 [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 12, Tb. 2], Köln 1983. Battenberg, Friedrich: Obrigkeitliche Sozialpolitik und Gesetzgebung. Einige Gedanken zu mittelrheinischen Bettel- und Almosenordnungen des 16. Jahrhunderts, in: ZHF 18 (1991), S. 33ff. Baumann, Anette: Advokaten und Prokuratoren – Anwälte am Reichskammergericht (1690–1806) [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 51], Köln 2006. Baumann, Anette: Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse [Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 36], Köln 2001. Becker, Christoph: Die Akten des Augsburger Notars Johann Spreng (1524–1601) – Ein Einblick in das Rechtsleben eines frühneuzeitlichen europäischen Wirtschaftszentrums, in: Hermann, Hans-Georg [u. a.] (Hrsg.), Von den leges barbarorum bis zum ius barbarum des Nationalsozialismus, Köln [u. a.] 2008, S. 477 ff. 2 Becker, Hans-Jürgen: Art. Infamie, in: HRG II (2012), Sp. 1212 ff. Becker, Wilhelm: Zur Geschichte des Notariats in Hamburg bis zum Erlaß der Notariatsordnung vom 18. Dezember 1815, in: Mittheilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 8 (1902/3), S. 356ff. Beckey, Kurt: Die Reformation in Hamburg, Hamburg 1929. Beneke, Otto: Von unehrlichen Leuten – Cultur-historische Studien und Geschichten aus vergangenen Tagen deutscher Gewerbe und Dienste, mit besonderer Rücksicht auf Hamburg, Hamburg 1863. Bentzinger, Rudolf: Die Kanzleisprache, in: Besch, Werner [u. a.] (Hrsg.), Sprachgeschichte: ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Tb. 2 [Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 2], Au . 2, Berlin [u. a.] 2000, S. 1665ff. Berthold, Brigitte: Charakter und Entwicklung des Patriziats in mittelalterlichen deutschen Städten, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 6 (1982), S. 195 ff. Beseler, Georg: Die Lehre von den Erbverträgen (Bd. 1: Die Vergabung von Todes wegen nach dem älteren deutschen Rechte), Göttingen 1835.

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Quellen und Literatur

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§ 1 Einleitung In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Mathias Cramer in der Nähe von Magdeburg geboren. 1 Er hatte lesen und schreiben gelernt und war später dem kaiserlichen Regiment beigetreten. 2 Zu dieser Zeit muss er auch zum kaiserlichen Notar ernannt worden sein. Vermutlich wollte er vom militärischen Leben Abstand nehmen und sesshaft werden, zumindest quittierte er seinen Militärdienst, ließ sich im brandenburgischen Perleberg nieder und gründete dort eine Familie. Perleberg, einst blühende Handelsstadt, war durch den Dreißigjährigen Krieg und die Pest schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich die dortige Bevölkerung im Vergleich zum Beginn des Jahrhunderts mehr als halbiert auf gerade einmal noch eintausend Menschen. 3 Zu wenige, als dass „die feder an solchen kleinen Ohrt [eine Familie] (. . . ) ernehren“ 4 konnte. Und so verließen Mathias und seine Familie Perleberg bereits nach fünf Jahren wieder. Er hatte ein Angebot der halberstädtischen Ritterschaft ausgeschlagen, die ihn als Syndikus einstellen wollte. Es zog ihn nach Hamburg. Hier, so hatte man ihm erzählt 5, könne man als kaiserlicher Notar gutes Geld verdienen. Und tatsächlich scheint er so viele Aufträge erhalten zu haben, dass er es bereits nach kurzer Zeit zu beachtlichem Reichtum brachte und mehrfach vom Hamburger Rat aufgefordert wurde, Bürger zu werden. 6

1 Hier und im Folgenden: StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 8 Decreti remissorii. 2 Dort war er zunächst als Musterschreiber, später als Fourier beschäftigt. 3 Gundula Gahlen, Die Bevölkerungsentwicklung Perlebergs nach dem Dreißigjährigen Krieg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz, Bd. 3, Perleberg 2003, S. 84ff.; Gundula Gahlen, Dreißigjähriger Krieg und städtische Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg. Das Beispiel Perleberg, in: Matthias Asche [u. a.] (Hrsg.), Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit, Berlin 2008, S. 143ff., S. 156 (Aufsätze und Lexikonartikel werden bei ihrer Erstnennung mit dem Verweis auf die Anfangsseite/-spalte [hier: S. 143 ff.] zitiert, die darauf folgende Seitenzahl/Spalte bezieht sich auf die zitierte Stelle [hier: S. 156). 4 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 8 Decreti remissorii. 5 In Mathias' Lebensbeschreibung wird nicht ausdrücklich darauf Bezug genommen, woher die Informationen zur wirtschaftlichen Situation hamburgischer Notare stammen. Sie nden lediglich im Zuge der Schilderung der persönlichen Umstände und als Begründung für Mathias' Umzug nach Hamburg Erwähnung. Außerdem diente die Bezugnahme auf die frühere Armut, aus der er sich befreien konnte, vermutlich auch zur Untermauerung seiner Gottgefälligkeit sowie seiner beruflichen Kompetenzen. 6 An verschiedenen Stellen nimmt der Rat darauf Bezug, dass er von Mathias erwartet und ihn mehrmals dazu aufgefordert habe, Bürger zu werden, z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 4 v; Q 8 Decreti remissorii, Beilage Lit. A; Q 9 Rescript des Cramer.

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Offensichtlich war Hamburg also keineswegs so notariatsfeindlich, wie es die heutige Forschung teilweise darstellt. 7 Aber das war nur die eine Seite der Medaille. Mathias sollte dies trotz seines Ansehens und der ratsherrlichen Bemühungen um ihn sehr bald bemerken. 1680 wurde beim Reichshofrat ein Prozess eröffnet, in den Mathias verwickelt war. 8 Man hatte ihn inhaftiert. Der Hamburger Rat bezichtigte ihn, sich der Beihilfe zum Betrug schuldig gemacht zu haben. Denn er hatte einen notariellen Schuldschein zulasten der Stadt ausgestellt, obgleich nach den Einlassungen des Rates die Schuld nicht bestanden hatte und überdies die notarielle Form für diese Art Schuldschein unzulässig gewesen war. Im Vorfeld hatte sich Folgendes ereignet: Ein Baron mit Namen Doubskij hatte Mathias gebeten, ein notarielles Schriftstück auszustellen, das eine Geldleihgabe Doubskijs an den Hamburger Rat beweisen konnte. Nach den Hamburger Gewohnheiten sollte eine solche Schuld mittels einer Eintragung ins städtische Schuldbuch 9 oder durch besiegelte Urkunden aus der städtischen Kämmerei nachgewiesen werden. 10 Um 1670 schwelten aber Kon ikte zwischen der Bürgerschaft und dem

7 Zweifel an der Notariatsfeindlichkeit hegt auch Tilman Repgen (ders., Hamburgs Notare bis zum 19. Jahrhundert, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 361ff., S. 381). Forschungsansätze, die hingegen von einer starken Abschottung gegenüber dem kaiserlichen Notariatswesen ausgehen, sind z. B. die von Hermann Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts: Jubiläumsausgabe der Hamburgischen Notarkammer anläßlich ihres 150-jährigen Bestehens, Hamburg 1961, S. 21, und darauf bezugnehmend von Stephan Meder, Hannover. Zur Geschichte des Notariats auf dem Territorium des heutigen Niedersachsens, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 387 ff., S. 395. 8 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26. 9 Zu Eintragungen in das hamburgische Schuldbuch und seine Bedeutung in wirtschaftlichen Zusammenhängen: Euchar Schalk, Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechtes der Freien und Hansestadt Hamburg – Eine Darstellung des Hamburgischen Grundstücksrechts bis zur reichsrechtlichen Vereinheitlichung [Archiv für Beiträge zum deutschen, schweizerischen und skandinavischen Privatrecht, Bd. 9], Leipzig 1931, S. 51ff. 10 Nach dem geschriebenen Stadtrecht galt sowohl für die Eintragungen ins Schuldbuch als auch für besiegelte Ratsurkunden eine Beweiserleichterung (StR 1497 H X; StR 1603/05 I 20, 2). Tatsächlich hat sich in der Praxis daraus entwickelt, dass anderen Beurkundungsformen ihre Beweiskraft versagt wurde, ja dass teilweise sogar mit Sanktionen gerechnet werden musste, wenn solche Urkunden errichtet wurden (s. dazu auch verschiedene Stellungnahmen des Rates in StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5).

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Hamburger Rat 11, weshalb Doubskij „zu mehrer beständigheit“, also um größerer Sicherheit willen einen notariellen Schuldschein erstellen ließ und sich anscheinend nicht mit der Bitte um einen städtischen Schuldschein an die Kämmerei wendete. Es hatte sich nämlich schon früher gezeigt, dass der Hamburger Rat, insbesondere wenn er seine Macht bedroht sah, dazu neigte, der rebellierenden Bevölkerung Zugeständnisse zu machen, zu deren Finanzierung er unter anderem auf private Gelder zugriff. 12 Gelegenheit dazu hatte er vor allem in solchen Situationen, in denen vermögende Privatpersonen beim Rat vorstellig wurden, um eine Disposition über ihr Vermögen zu treffen. Auf dem Rathaus wurden sie dann offenbar von den dort anwesenden Ratsherren gedrängt, einen Teil ihres Vermögens im Sinne des Rates zu verwenden oder auf Forderungen gegen die Stadt zu verzichten. Es lässt sich heute nicht mehr nachweisen, ob mit den Doubskij'schen Geldern ebenso verfahren werden sollte. Die Reaktion der Hamburger Ratsherren gegenüber Mathias lässt aber vermuten, dass sie zumindest ein Exempel wegen der Umgehung der vorgesehenen Form statuieren wollten. Jedenfalls wurde zunächst der Baron Doubskij als Auftraggeber, später dann Mathias in den Kerker geworfen. An der Beweistauglichkeit des notariellen Instrumentes änderte das nichts. Doubskij klagte vor dem Reichshofrat und bekam offenbar Recht. Zumindest wurden Gelder in entsprechender Höhe an den Baron gezahlt. Sein Ziel hat Doubskij also anscheinend erreicht. Aber warum hielt Doubskij notarielle Urkunden für „beständiger“? Und hatte er mit seiner Einschätzung recht? Wusste er nicht um die Gefahren, die bei der Umgehung der Ratsherrenform drohten, oder verfolgte er ein bestimmtes Ziel, das sich nur durch die Wahl notarieller Instrumente verwirklichen ließ? Zugespitzt formuliert: Welchen Vorteil boten die Urkunden der kaiserlichen Notare gegenüber jenen der Ratsschreiberei, dass er auf die stadtrechtlich vorgesehene Form verzichtete und sich dem kaiserlichen Notariat zuwendete? Wie wir noch sehen werden, waren sowohl die Urkunden der Ratsschreiberei als auch die des kaiserlichen Notariats als voll glaubwürdig anerkannt. Ein Vorteil der einen Urkundenform gegenüber der anderen war jedenfalls gesetzgeberisch nicht angelegt, sondern zeigte sich erst in der Praxis bei der Verwendung der

11 Allgemein zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in Hamburg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: vgl. Klaus Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680–1830 [Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte Bd. 12], S. 225ff.; Hans-Dieter Loose, Das Zeitalter der Bürgerunruhen und der großen europäischen Kriege 1618–1712, in: ders./Werner Jochmann (Hrsg.), Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reichsgründung, Hamburg 1982, S. 259ff., S. 270 ff. 12 Dazu weiterführend S. 314 ff.

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Schriftstücke. Dass diesen Zusammenhängen bislang noch keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde, hängt maßgeblich mit dem Fokus der bisherigen Notariatsforschung zusammen. So attestierte die ältere Forschung dem kaiserlichen Notariatswesen auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands eine gegenüber dem existierenden partikularen Schreiberwesen vergleichsweise geringe rechtspraktische Bedeutung. 13 Da bereits die Möglichkeit bestanden habe, glaubwürdige Urkunden erstellen zu lassen, habe es eines Rückgriffs auf das kaiserliche Notariatswesen nicht bedurft. 14 Für den norddeutschen bzw. Hamburger Rechtsbereich habe außerdem ein besonders ausgeprägtes Traditionsbewusstsein die Etablierungen einer neuen Institution verhindert. 15 Anders als der Süden des Reichs, der dem römischen Recht und den auf seiner Grundlage entstandenen Institutionen gegenüber aufgeschlossen gewesen sei, habe der Norden im Althergebrachten verharrt und sich eindringenden Neuerungen gegenüber verschlossen. 16 Erstaunlich ist, dass man diese Thesen offenbar nicht auf der Grundlage von notariatsrechtlichen Archivalien überprüft hat. Denn notarielle Urkunden lassen sich tatsächlich auch im Norden des Reiches schon sehr früh 17 und in nahezu al-

13 Harry Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1, Au . 2, Leipzig 1912, S. 730 ff. Anders Anette Völker-Rasors in: Frühe Neuzeit [Oldenbourg Geschichte-Lehrbuch, Bd. 3], München 2010, S. 173. Sie stellt Notariatsurkunden mengenmäßig Gerichtsakten gleich. Genau wie die Letzteren ließen sich Notariatsakten von ein und demselben Notar „im selben Jahr oder Monat am selben Ort Dutzende, Hunderte oder Tausende“ nachweisen – ein Befund, der sich zumindest für das frühneuzeitliche Hamburg nicht bestätigt, wenngleich sich auch in Hamburg Notare nden, die über Jahre oder sogar Jahrzehnte tätig waren, und sich auch in den „Hamburger“ Reichskammergerichtsakten große Mengen notarieller Urkunden und Schriftstücke, die mit notarieller Beteiligung erstellt wurden, nachweisen lassen. 14 Walter Böhringer, Die geschichtlichen Wurzeln des Notariats in Deutschland von der Antike bis zur Neuzeit, in: BWNotZ 1989, S. 25 ff., S. 28; Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 21. 15 Schultze-v. Lasaulx, ebda. und S. 29 ff. Eine ähnliche Bilanz zieht Frank Eichler für das eindringende römische Recht. So habe Langenbeck im Zuge der Stadtrechtsreform des späten 15. Jahrhunderts versucht, „die Substanz des überkommenen Hamburger Stadtrechts aufrechtzuerhalten (. . . ), alte Bestimmungen präziser gefasst, um Einwänden des Gemeinen Rechts wegen Undeutlichkeit von vornherein auszuschließen“, s. ders., Langenbeck'sche Glosse, S. 7 ff., hier: S. 10. Gegen den häu g erklärten Traditionalismus der Reichsstädte im Allgemeinen, der sie als „Hort der Unbeweglichkeit“ erscheinen lasse: Reinhold Reith, Zünfte im Süden des Alten Reichs: Politische, wirtschaftliche und soziale Aspekte, in: Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.), Das Ende der Zünfte: ein europäischer Vergleich [Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 151], Göttingen 2002, S. 39ff., S. 41. 16 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Au . 2, Göttingen 1967, S. 190ff. 17 S. dazu S. 323 ff.

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len Bereichen des rechtlichen Lebens nachweisen. 18 Archivalische Studien, sofern sie überhaupt vorhanden sind, dienen fast ausschließlich dazu, die rechtlichen Vorgaben zu untermauern. In ungeheurer Vielzahl sind Abhandlungen zu Problemen des formellen und materiellen Rechts sowie Fragen des notariellen Berufsrechts in heutigen wie auch vergangenen Zeiten vorhanden. 19 Gemeinsam ist diesen meist sehr theoretischen Darstellungen, dass sie sich allein auf dogmatische Grundlagen fokussieren und insbesondere nicht berücksichtigen, dass sich die tatsächliche Bedeutung von Recht und verrechtlichten Institutionen nur in der Rechtspraxis offenbart. 20 Eine Untersuchung der Notariatspraxis erfordert daher eine Befreiung vom Primat der juristisch-dogmatischen Methode. Auch darf die Frage nach der Praxis nicht allein auf rechtliche Zusammenhänge beschränkt sein. Vielmehr sind auch solche Erscheinungen einzubeziehen, die der historische Gesetzgeber nicht intendierte und die deswegen bei einer rein dogmatischen Betrachtungsweise zwangsläu g keine Berücksichtigung nden. 21 Zu denken ist etwa an die der Erstellung und Verwendung notarieller Urkunden zugrunde liegende Motivationslage. Es sei hier bereits vorweggenommen, dass der vom Gesetzgeber intendierten Verwendung notarieller Urkunden zu Beweiszwecken eine weitere bislang nicht be-

18 Die Hamburger Notariatspraxis ist damit ein weiterer Beleg dafür, dass der Norden des Reiches längst nicht so reichsfern war, wie man früher angenommen hat. Mit Bezug auf die Inanspruchnahme der Höchstgerichtsbarkeit im Alten Reich, s. u. a. Peter Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, in: ZRG Germ. Abt. 127 (2010), S. 51ff., S. 91; Sabine Ullman, Geschichte auf der langen Bank – Die Kommission des Reichshofrats unter Kaiser Maximilian II. (1564–1576) [Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches, Bd. 18], Mainz 2006, S. 64 ff.; Michael North, Integration im Ostseeraum und im Heiligen Römischen Reich, in: Nils Jörn/Michael North (Hrsg.), Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 35], Köln (u. a.) 1973, S. 1ff. Zuvor auch schon Filipo Ranieri, Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption: eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, Bd. 1, Köln [u. a.] 1985, S. 175 ff. 19 Dazu sogleich im Forschungsstand, S. 57 ff. 20 So auch Peter Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte. Drei Blickwinkel auf das Recht der Vergangenheit, in: MPI for European Legal History Research Paper Series No. 2014-06, S. 5; ders., Streit um Anwaltskosten in der frühen Neuzeit, Teil 1: Methodische Grundlegung, Anwaltsverträge und Bezahlungsarten, in: ZRG Germ. Abt. 132 (2015), S. 152 ff., S. 154 ff. 21 So im Zusammenhang mit der Forschung zur Rechtsverweigerung auch: Oestmann, Rechtsverweigerung, S. 56.

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achtete Motivation, auf notarielle Urkunden zurückzugreifen, zugrunde lag – der Einsatz zur Wahrung von Freiheit und Selbstbestimmung. 22 Die Verwendung der Begriffe „Freiheit“ und „Selbstbestimmung“ ist nicht unproblematisch. Denn auch, wenn zumindest Freiheit bzw. „vrygh“ 23 quellenmäßig nachweisbar ist (Selbstbestimmung wird in den Quellen negativ umschrieben, man liest dort von einer Handlungsweise, die „ungehynderth“ 24 und „unbedwungen“ 25 sein soll), so ist der Bedeutungsgehalt, der den Begrifflichkeiten im frühneuzeitlichen Hamburg beigemessen wurde, ein anderer als in der modernen Sprache. Er meint nicht Privatautonomie, wie sie dem gemeinen und dem modernen Recht immanent ist, sondern umschreibt vielmehr die von obrigkeitlicher Seite unbeeinusste Inanspruchnahme im Stadtrecht zugestandener Handlungsmöglichkeiten. 26 Freiheit im Verständnis der Quellen ist also nur in obrigkeitlichen Zusammenhängen denkbar und meint keine Freiheit des Willens, die allein durch moralische Zwänge beschränkt ist. Trotz dieser sprachlichen Unterschiede wird der Freiheitsbegriff im Folgenden als Forschungsbegriff verwendet. Wie und wo man im frühneuzeitlichen Hamburg versuchte, diese „Freiheit“ zu wahren, wird im Folgenden veranschaulicht: Für das Gros rechtlicher Betätigungsmöglichkeiten hielt das Hamburger Recht eigene Regelungen vor. Wer beispielsweise ein Testament errichten wollte, konnte das völlig unproblematisch auf dem Rathaus tun. 27 Außerdem erlaubte die Hambur-

22 Diese Motivation kann aber erklären, weshalb das römisch-rechtliche Notariat diesseits der Alpen Fuß fassen konnte. Dazu weiter bei S. 275 ff. 23 Ebda. 24 Ebda. 25 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1594 IV 12 (Testament der Gortzen, Harmen und Ehefrau Adelheida vom 12. 4. 1594 [Zur leichteren Auf ndbarkeit der grundsätzlich in Mikro lmform vorgelegten Testamente werden hier – entgegen den anerkannten Zitationsgrundsätzen – auch die Mikro lmnummern und, abgetrennt durch Kommata, die jeweilige Kopienummer zitiert. Mikro lm = MF: . . . ; hier: MF: S 9263 D, 429. Das gleiche gilt für vereinzelte in den Senatsbeständen überlieferte und mikroverlmte Ehezärter, Grundstücks- und Schiffskaufverträge]). 26 Zur Rezeption von „Privatautonomie“, s. Jan Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang [ Jus Privatum – Beiträge zum Privatrecht, Bd. 40], Tübingen 1999, S. 14; der Sache nach auch: Tilman Repgen, Ius Commune, in: Hans-Peter Haferkamp/Tilman Repgen (Hrsg.), Usus modernus pandectarum: Römisches Recht, Deutsches Recht und Naturrecht in der Frühen Neuzeit: Klaus Luig zum 70. Geburtstag [Rechtsgeschichtliche Schriften, Bd. 24], Köln 2007, S. 157 ff., S. 170; ders., Die Sicherung der Mietzinsforderung des Wohnungsvermieters im mittelalterlichen Hamburgischen Stadtrecht, in: Albrecht Cordes (Hrsg.), Hansisches und hansestädtisches Recht [Hansische Studien, Bd. 17], Trier 2008, S. 141 ff. am Ende. 27 Zum Hamburger Erbrecht und Testierrecht s. Carl Trummer, Das Hamburgische Erbrecht. Ein historisch dogmatischer Versuch, Bd. 2, Hamburg 1852, S. 172ff.

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ger Rechtsgewohnheit die Errichtung privatschriftlicher letztwilliger Testamente. 28 Eine Voraussetzung für solche privatschriftlichen Testamente war die Zuziehung von sieben Testamentszeugen 29, die den Inhalt des Testaments nachträglich bezeugen konnten. Problematisch konnte es jedoch werden, wenn einer der geforderten sieben Testamentszeugen nach der Testierung verstarb und das Testament anschließend in Zweifel gezogen wurde. Attraktiv waren dagegen Ratsherrentestamente, die lediglich im Beisein zweier Ratsherren niedergelegt werden mussten und für die darüber hinaus eine Beweiserleichterung galt, nach der das Zeugnis eines vorverstorbenen Ratsherrn durch die Aussage des überlebenden kompensiert werden konnte. 30

28 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1538 X 6 (Testament des Salsborch, Joachijm vom 6.10.1538 [MF: S 9262 D, 536]; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 I 24 (Testament der Hartken, Wilhadt und Ehefrau Margareta vom 24.1.1581 [MF: S 9263 D, 159]; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IV 13 (Testament des Schomakers, Meimerich vom 13. 4.1580 [MF: S 9263 D, 137]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 X 23 (Testament der Ostman, Hinrick und Ehefrau Dorothia vom 23. 10. 1580 [MF: S 9263 D, 150]). Sämtliche dieser Testamente wurden vom Rat in Verwahrung genommen und zum Teil sogar kon rmiert. 29 Eine Anwendung der Regelungen, die eine Testierung auch mit nur zwei erbgesessenen Bürgern zugelassen haben (s. dazu Trummer, Erbrecht II, S. 363), konnte in den Archivalien nicht nachgewiesen werden. 30 StR 1497 K I: „Wor eyn syn testament settet, de seeck ys vnde an syneme lesten ende lycht, vor tween radmannen de dartho ghesant werden van des rades wegen, vnde storue der twyer radtmanne eyn: de ander mach wol tughen alleyne, wo dat testamente settet ys edder was; vnde schal darmede stede wesen./ Vnde de leuende radman schal den doden radman by namen nomen, vnde sweren dat he myt eme in deme testamente were. Also schal yd ock wesen vmme alle andere sake, dar twe radmanne to gesand werden van des rades weghen.“ – „Wenn einer sein Testament aufsetzt, der krank ist und an seinem letzten Ende liegt, vor zwei Ratmannen, die von Rats wegen hinzugesandt wurden, und stirbt (später) einer der beiden Ratmannen: der andere darf dann sehr wohl alleine bezeugen, wie das Testament aufgesetzt ist oder war, und (es) soll damit gültig sein./ Und der lebende Ratmann soll den verstorbenen Ratmann mit Namen benennen und schwören, dass er mit ihm (zusammen Zeuge) bei dem Testament war. Ebenso soll es auch sein bei alle anderen Rechtssachen, zu denen zwei Ratmannen von Ratsmannen von Rats wegen entsandt werden“ (Sämtliche Übersetzungen zum Stadtrecht von 1497 und der zugehörigen Glossen nden sich in Die Langenbeck'sche Glosse zum Hamburger Stadtrecht von 1497, ed. Eichler, Hamburg 2008, hier: S. 319. Abweichende Übersetzungen sind kenntlich gemacht). Die spätere Regelung StR 1603/05 III I 1 nimmt auf die seit „vielen undencklichen Jahren“ geübte Praxis der Ratsherrentestamente Bezug, verzichtet jedoch auf die schon zuvor im Rechtsalltag nicht (mehr) beachtete Voraussetzung todkranker, im Sterben liegender Testatoren. Diese Regelung folgt dem allgemeinen, auch jenseits der Testamentserstellung anerkannten Grundsatz, dass bei zweien vom Rat deputierten Ratsherrenzeugen die Aussage des einen die des toten anderen ersetzen konnte.

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Entsprechend häu g griffen die Hamburger auf diese Testamentsform zurück 31 und fanden sich damit im Ein ussbereich des Hamburger Rates wieder. Auch Clawes Crambeer erstellte sein Testament auf diese Weise im Juni des Jahres 1588. 32 Eigentlich wäre das nicht weiter erwähnenswert gewesen, hätte der Rat nicht acht Monate später seinen Sohn vorgeladen, um ihn mit „befelch“ zu zwingen, das Testament in seines Vaters Namen zu ändern. Nach Clawes Tod sollten nun (zusätzlich zu den bereits getätigten Verfügungen) zehn Gulden zum Bau des Stadtkontors sowie weitere zehn Gulden dem Leprosorienstift St. Jürgen zugestellt werden. Martin Crambeer, Clawes Sohn, muss über das Vorgehen des Rates sehr erzürnt gewesen sein, zumindest erklärt er Jahre später, dass er wegen „vormalig sach“ keine Urkunden mehr beim Rat aufzustellen gedenke und lieber nach den „hochloblichen Käij: Rechte[n]“ einen Notar hinzuziehe. 33 Damit entzog Martin sich und seine Urkunden der ratsherrlichen Ein ussnahme. Er favorisierte das freie kaiserliche Notariat als Beurkundungsinstitution, das keine Möglichkeit vorhielt, seine selbstgewählten Festsetzungen zu torpedieren. Obwohl oder gerade weil persönliche und stadtherrliche Interessen häu g gegenläu g waren und es zuweilen zu handfesten, nicht immer nur mit den Waffen des Rechts ausgefochtenen Auseinandersetzungen kam, konnte sich das kaiserliche Notariat in Hamburg etablieren. Trotz intensiver Bemühungen seitens des Rates, das kaiserliche Notariat und den notariellen Urkundenbeweis einzudämmen, gaben die Instrumente ihrem Verwender eine Sicherheit, die auch der selbstherrliche und häug launenhaft 34 handelnde Hamburger Rat nicht zerstören konnte. Damit waren notarielle Urkunden ein Werkzeug, mit deren Hilfe man seine eigenen Interessen gegen den städtischen Rat durchzusetzen vermochte und deren Verwendung der ratsherrlichen Willkür Grenzen setzte. Die Arbeit versucht, durch die Auswertung von Prozessakten der Höchstgerichte des Alten Reichs und – soweit rekonstruierbar – des Hamburger Rates, aber auch sonstiger Hamburger Urkunden, vor allem der überlieferten Testamente, notarielle Instrumente in ihrem tatsächlichen gesellschaftlichen Kontext zu verankern, um die komplexen Wirkungsweisen von Recht und den durch Recht legitimierten

31 Zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert haben sich 1142 Ratsherrentestamente bzw. beglaubigte private Testamente in den Senatsbeständen des Hamburger Staatsarchivs erhalten. Im selben Zeitraum hingegen nur 39 notarielle Testamente. 32 Hier und im Folgenden StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22. 6. 1588 [MF: S 9262 D, 292]). 33 Kopierter Auszug aus den Schriften des Dielenschreibers vom 23.5.1604, enthalten in StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 4 Conv. 1. 34 S. dazu S. 261 ff.

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Institutionen offenzulegen. 35 Zwar werden auch in dieser Untersuchung Rechtstexte als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen müssen, jedoch nur insoweit, wie sie Praxisrelevanz besaßen oder widerstreitende Interessen- und Machtverhältnisse veranschaulichen. Neben der Analyse des Rechts und seinem Abgleich mit der Rechtspraxis verp ichtet sich die Arbeit daher zu einer Methodik, die neben rechtlichen und historischen Aspekten soziologische ebenso wie wirtschaftliche und politische, aber auch theologische und ethische Blickwinkel einbezieht. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen durch private Aufzeichnungen, Flugblätter, Zeitungsannoncen und durch Quellen, die sich im weitesten Sinne mit der kulturellen Aufarbeitung des Themas in der Literatur beschäftigen, untermauert werden.

I. Forschungsstand Vor mehr als 160 Jahren publizierte Ferdinand Oesterley die bislang einzige Gesamtdarstellung zum deutschen Notariat. 36 Diese Arbeit ist in weiten Teilen bis heute von nicht zu überschätzendem Wert, in manchen Bereichen jedoch inzwischen überholt. So lassen sich beispielsweise, entgegen Oesterleys Auffassung, in Hamburg große Mengen notarieller Urkunden nachweisen, die ein Privatsiegel aufweisen. 37 Um fehlerhafte Passagen zu ersetzen und die in der Forschung bestehenden Lücken zu schließen sowie als Grundstein für die Erarbeitung einer modernen Fassung der deutschen Notariatsgeschichte legte der 1996 auf Anregung Helmut Schippels ge-

35 Zu den methodologischen Problemen der Rekonstruktion frühneuzeitlicher Rechtsprechung s. Peter Oestmann, Die Rekonstruktion der Reichskammergerichtlichen Rechtsprechung des 16. und 17. Jahrhunderts als methodisches Problem, in: Anette Baumann [u. a.] (Hrsg.), Prozeßakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich, Bd. 37], Köln [u. a.] 2001, S. 15 ff., S. 16ff.; Peter Oestmann, Aus den Akten des Reichskammergerichts: prozessrechtliche Probleme im Alten Reich [Rechtsgeschichtliche Studien, Bd. 6], Hamburg 2004, S. 345 ff. 36 Ferdinand Oesterley, Das deutsche Notariat nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen Bundesstaaten geltenden particularrechtlichen Vorschriften, Bd. 1 [Hannover 1842], Bd. 2 [Hannover 1845]. 37 Dazu unter S. 101 ff. sowie S. 266 ff. Weitere Beispiele inzwischen überholter Theorien: die Art der Ernennung eines Notars (kaiserlich /päpstlich) sei davon abhängig gewesen, ob er sein Amt im Lande eines geistlichen oder weltlichen Herrn exerziere, widerlegt durch Fritz Luschek, Notariatsurkunde und Notariat in Schlesien, Weimar 1940, S. 15; ferner die These, dass das kaiserliche Notariat auf partikularer Ebene sogar ganz hätte abgeschafft werden können, „nur die mit den Reichs-Gerichten in Verbindung stehenden Einrichtungen würde er [partikularer Gesetzgeber] nicht haben ändern dürfen“, s. Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 544, widerlegt unter, S. 235 ff.

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gründete Ausschuss für Notariatsgeschichte 2007 eine umfassende Bibliographie 38 zum deutschen Notariatswesen vor. Allein diese Bibliographie umfasst 1500 Titel und könnte um eine beträchtliche Anzahl weiterer seither veröffentlichter Werke ergänzt werden. 39 Bei der Durchsicht der Auflistung fällt ins Auge, dass sich die Beschäftigung mit dem Notariatswesen keineswegs nur auf die Rechtsgeschichte, sondern auch auf sonstige Disziplinen wie Geschichts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ebenso wie auf Diplomatik und Kunstgeschichte ausdehnt. Diese große Beliebtheit des Notariats als Forschungsobjekt steht, wie Stephan Wendehorst völlig zu Recht angemahnt hat, „in einem deutlichen Mißverhältnis zu geringen Dichte von Studien, die

38 Bundesnotarkammer, Ausschuss Notariatsgeschichte: Bibliographie zur Geschichte des deutschen Notariats, versehen v. Harms, Wolf-George, Würzburg 2007. 39 Insbesondere anlässlich verschiedener Jubiläen wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Publikationen ins Werk gesetzt. Zu nennen sind etwa das 500-Jahre-Jubiläum der Reichsnotariatsordnung von 1512; das 200-Jahre-Jubiläum der Hamburgischen Notarkammer (2011); das 50-Jahre-Jubiläum der Notarkammer Baden-Württemberg (2011); das 50-Jahre-Jubiläum der Frankfurter Notarkammer (2011); das 50-Jahre-Jubiläum der Landesnotarkammer Bayern (2011). Exemplarisch für publizierte Literatur seit der Bibliographie Schippels: Hermann Frischen, De Fide Instrumentorum oder: der Beweis durch die vox mortua – Ein Beitrag zur Geschichte der notariellen Urkunde und ihrer Beweiskraft, in: Manfred Bengel [u. a.] (Hrsg.), Festschrift für Rainer Kanzleiter zum 70. Geburtstag am 17. Juni 2010, Köln 2010, S. 143ff.; Hans-Ulrich Jerschke, Entwicklung und Perspektive der Notarfortbildung, in: Bundesrechtsanwaltskammer/Bundesnotarkammer (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e. V.: Ein Beitrag für die anwaltliche und notarielle Gestaltungspraxis, Recklinghausen 2003, S. 71ff. Aber auch andere Werke, wie Oliver Vossius, Auf den Spuren des Bösen – Vorstudien zur vorsorgenden Rechtsp ege im Dritten Reich [Schriften zum Notarrecht, Bd. 35], Baden-Baden 2013; Reinhard Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden im frühen und hohen Mittelalter, Wien [u. a.] 2011; Christopher Scharnhop, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert: Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente, Berlin 2011; Martin Komusiewicz, Die Diskussion um das Verhältnis von Rechtsanwaltschaft und Notariat seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Erlass der Bundesnotarordnung [Rechtshistorische Reihe, Bd. 437], Frankfurt 2012; Volker Kruse, Die Rechtstellung und Beaufsichtigung der Notare auf Grund der Reichsnotarordnung und der Bundesnotarordnung, Münster 2007 [Onlineausgabe]; Sarah Bachmann, Friede durch Sicherheit, In: Viktoria Draganova [u. a.] (Hrsg.), Die Inszenierung des Rechts – Law on Stage [Yearbook of Young Legal History, 6] München 2011, S. 177 ff.; Notarkammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg (Hrsg.), Notare im Nordwesten – 50 Jahre Notarkammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg. Festschrift, Oldenburg 2011; Repgen, Hamburgs Notare, S. 361ff.

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sich mit den Notaren und ihrer Funktion in der Frühen Neuzeit (. . . ) beschäftigen“ 40. Dominierend sind Arbeiten zum Mittelalter und dem 19. sowie 20. Jahrhundert. Diese Feststellung trifft auch im Hinblick auf die Arbeiten zum Hamburger Notariatswesen zu. 41 Allein Tilman Repgen („Hamburgs Notare bis zum 19. Jahr40 Stephan Wendehorst, Zwischen Kaiser und Reichsständen. Das öffentliche Notariat in der Frühen Neuzeit – Einige Vorüberlegungen, in: Anette Baumann [u. a.] (Hrsg.), Reichspersonal: Funktionsträger für Kaiser und Reich [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 46], Köln [u. a.] 2003, S. 343ff., S. 343. 41 In chronologischer Reihenfolge: Friedrich Joseph Zumbach, Einige Worte über Notarien und deren Geschäftskreis, Hamburg 1812; Nicolaus Kirchhoff, Über das Notariat in Hamburg, Hamburg 1813; N. N., Etwas über das in Hamburg eingerichtete neuere Notariat, allen zur Prüfung vorgelegt, welche über seine Fortdauer zu entscheiden haben, Hamburg 1814 [zitiert bei Meyer Isler, Zur Geschichte des Notariats und der Notarien in Hamburg, Hamburg 1866, S. 6, konnte nicht aufgefunden werden]; Carl Trummer, Vorträge über Tortur, Hexenverfolgungen, Vehmgerichte und andere merkwürdige Erscheinungen der Hamburgischen Rechtsgeschichte, Bd. 1, Hamburg 1844, S. 234ff.; Meyer Isler, Zur Geschichte des Notariats und der Notarien in Hamburg, Hamburg 1866; L. W., Notariatsordnung in Hamburg, in: DNotZ 1872, S. 86ff.; Wilhelm Becker, Zur Geschichte des Notariats in Hamburg bis zum Erlaß der Notariatsordnung vom 18. Dezember 1815, in: Mittheilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 22 (1902/3), S. 356ff.; Jakob Seifensieder, Gabriel Riesser – ein deutscher Mann jüdischen Glaubens, Frankfurt 1920; Hans W. Hertz, Zur Geschichte des Notariats in Hamburg seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, in: 150 Jahre Rheinisches Notariat 1798–1948. Festschrift der Rheinischen Notare, Köln 1948, S. 32 ff.; Erich von Lehe, Jordan von Boitzenburg und Johann Schinkel – zwei hamburgische Ratsnotare des 13. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 41 (1951), S. 62ff.; Gustav Muhle, Die Entwicklung des Notariats in Hamburg seit dem Inkrafttreten der Reichsnotarordnung, in: DNotZ 1951, S. 162 ff.; N. N., Entwicklung des Notariats in Hamburg seit Inkrafttreten des Groß-Hamburg-Gesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des Anwaltsnotariats, in: Hamburgisches Justizverwaltungsblatt 1961, S. 14ff.; Hermann Schultze-v. Lasaulx, Zur Entwicklung des Notariats in Hamburg. Ein Rückblick anlässlich seines 150jährigen Jubiläums, in: DNotZ 1961, S. 286ff.; Hermann Schultze-v. Lasaulx, Geschichte des Hamburgischen Notariats seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts, Au . 2, Hamburg 1980; Uwe Braschel, Gabriel Rießer als Abgeordneter des Herzogtums Lauenburg in der Frankfurter Paulskirche 1848/49, Neumünster 1987; Arnold Sieveking, Hamburgisches Notariat gestern und heute – Festvortrag, in: Hamburgische Notarkammer (Hrsg.), 175 Jahre Hamburgisches Notariat neuer Prägung, Hamburg 1989, S. 21ff.; ders., Das Notariat in Hamburg, in: Jan Albers (Hrsg.), Recht und Juristen in Hamburg, Köln 1994, S. 257 ff.; Gerd-Hinrich Langhein, Gabriel Rießer – Deutscher Patriot, Hamburger, Politiker, Jurist, Notar und Jude, in: DNotZ 1997, S. 755ff.; Rainer Postel/Helmut Stubbe-la Luz, Die Notare: Johann Heinrich Hübbe, Eduard Schramm, Gabriel Riesser, Hans Harder Biermann-Ratjen, Bremen 2001; Arno Herzig, Gabriel Riesser, Hamburg 2008; Bernt Ancker /Rainer Postel (Hrsg.), Das Hamburgische Notariat in Geschichte und Gegenwart: 1811–2011, München 2011 (darin: Rainer Postel, Das Notariat im Alten Reich, S. 1 ff.; Burghart Schmidt, „Das Eindringen des Lichts

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hundert“ 42) und Rainer Postel („Das Notariat im Alten Reich“ 43) haben sich ausführlicher mit dem Hamburger Notariat der Frühen Neuzeit auseinandergesetzt. Bis auf einige meist kursorische Aus üge in frühere Zeiten 44 steht auch für den Hamburger Bereich noch immer die Erforschung des Notariats im 19. Jahrhundert und später im Vordergrund, was nicht zuletzt mit der für diese Zeit günstigeren Aktenlage zusammenhängen dürfte. 45 Aus dem 19. Jahrhundert sind im Unterschied zur frühen Neuzeit umfangreiche Bestände zu einzelnen Notaren erhalten 46, die ein

42 43 44 45 46

und der Zivilisation in unheilvolle verwirrte und barbarische Zustände“: Die Reform des Hamburgischen Notariats in der Franzosenzeit, S. 21ff., Rainer Postel, Gefährliche Leute und achtbare Bürger. Das Hamburgische Notariat im 19. Jahrhundert, S. 43ff.; Jutta Braden, Juden im Hamburgischen Notariat 1782–1967, S. 59ff.; Bernt Ancker, Das Hamburgische Notariat vom Norddeutschen Bund bis zum Groß-Hamburg-Gesetz (1867–1937), S. 85 ff.; Hans-Dieter Loose, Nurnotariat oder Anwaltsnotariat? Hamburger Diskussionen und Entscheidungen im Umfeld der Groß-Hamburg-Frage, S. 105ff.; Helmut Junge, Vom Anwaltsnotariat in Blankenese zum Nurnotariat in Hamburg. Beobachtungen und Erlebnisse, S. 131 ff.; Arnold Sieveking, Jüngste Entwicklungen im Hamburgischen Notariat, S. 157 ff.; Michael von Hinden, Die Entwicklung der Notarsozietäten in Hamburg, S. 173 ff.; Hanspeter Vogel, Das Notariat und die hamburgische Wirtschaft, S. 189 ff.; Arnim Karthaus /Marcus Reski, Die Hamburgische Notarkammer heute. Rechtsgrundlagen und Schwerpunkte der Kammertätigkeit, S. 203ff.); Hamburgische Notarkammer (Hrsg.), Beglaubigt: 200 Jahre Hamburgisches Notariat (Ausstellungskatalog), Hamburg 2011; Birgit Grundmann, Rede anlässlich des 200 jährigen Jubiläums der Hamburgischen Notarkammer, online: www.bmj.de/SharedDocs/RedenSt/ 2011/20110916_Empfang_des_Hamburger_Senats.html?nn=1853754 (abgerufen am 12.12.2012); Repgen, Hamburgs Notare, S. 361 ff.; Rainer Postel, Das Hamburgische Notariat, in: DNotZ 2012, S. 35 ff. Repgen, Hamburgs Notare, S. 361 ff. Postel, Notariat im Alten Reich, S. 1 ff. Isler, Notarien in Hamburg; Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 12ff. Hertz, Notariat in Hamburg, S. 32 ff., Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 19ff.; Schmidt, Reform des Hamburgischen Notariats, S. 21ff.; Postel, Gefährliche Leute und achtbare Bürger, S. 59 ff.; Ancker, Hamburgisches Notariat, S. 85ff. StA HH, Notare 233-2, Nr.: H. L. W. Asher (1864–1904); J. C. H. Barckhan (1847– 64); P. G. L. Bartels (1874–1920); J. N. P. Beckendorff (1816–43); R. G. Behrmann (1811–14); J. P. Bennecke (1816–46); M. H. C. Bock (1827–39); H. Bonfort (1857– 58); M. I. Bresslau (1812–39); J. Brichet (1828–32); A. F. Buek (1864–79); G. Cohen (1857–58); D. Cohen (1857–58); J. F. Coulon (1815–18); H. M. Crasemann (1881– 1934); P. Deranco (1800); A. R. Des Arts (1880–1902); L. B. Dreves (1847–61); C. H. de Drusina (1844–57); H. Föhrig (1857); J. H. Frercks (1811); F. D. A. Führstock (1811); E. T. Gabory (1890–1930); F. Gobert (1858–1904); W. E. Götze (1899–1901); J. J. Heckleiff (1806–07); C. C. E. Heimerdinger (1857–59); J. J. P. Hellberg (1790); F. Herwig (1857–58); J. C. Hilgenfeldt (1816–46); P. Hirsch (1857–58); F. H. E. Hofmann (1808); J. H. Hübbe (1811–46) [dazu Rainer Postel/Helmut Stubbe-la Luz, Die Notare: Johann Heinrich Hübbe, Eduard Schramm, Gabriel Riesser, Hans Harder

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recht genaues Bild davon liefern, auf welchen Gebieten und in welchem Umfang Notare tätig wurden. 47 Aber nicht nur in zeitlicher Hinsicht sind Forschungslücken zu verzeichnen, sondern auch unter thematischen und methodologischen Gesichtspunkten. Bis dato

Biermann-Ratjen, Bremen 2001]; J. N. Jungmann (1807); N. Kirchhof (1811–18); N. Kröger (1800); J. H. Lammers (1842–50); J. H. Langhans (1816–36); C. R. A. Lenizer (1803–10); J. C. Lucas (1816–24); J. A. Lüders (1808–14); J. D. Luis (1811–16); F. A. Marcard (1811–13); H. D. Marolf (1789–1822); A. H. Martin (1893–1932); R. Martin (1857–64); A. C. T. Meier (1812–13); A. Meldola (1811–18); J. F. A. A. Meyer (1852– 72); J. H. Möller (1816–23); J. W. Molt (1811–13); P. L. G. Müller (1831–72); P. A. Nemnich (1816–21); H. E. Oldenburg (1808); J. O. W. Patow (1812–16); J. C. Petersen (1842–51); G. A. Remé (1897–1937); G. Rießer (1840–57) [dazu Braschel, Gabriel Rießer; Seifensieder, Gabriel Riesser; Gerd-Hinrich Langhein, Gabriel Rießer, S. 755ff.; Rainer Postel/Helmut Stubbe-la Luz, Notare: Hübbe, Schramm, Riesser, Biermann-Ratjen; Herzig, Gabriel Riesser, Hamburg 2008]; C. L. Rischmüller (1816–32); M. A. N. Ritter (1872–1904); J. N. Schaffhausen (1811–15); H. G. Schauer (1838–45); H. N. Schmalfeldt (1789); A. H. Schmanns (1810–12); E. Schramm (1836–72), s. Postel/ Stubbe-la Luz, Die Notare: Hübbe, Schramm, Riesser, Biermann-Ratjen; W. E. Schramm (1872–80); J. C. T. Seitz (1857–58); H. H. S. Sillem (1861–71); M. Söhle (1857– 74); P. A. Stein (1816–58); H. D. P. Stock eth (1816–20); H. Stock eth (1863–97); J. C. H. Stock eth (1827–63); F. H. Stöwing (1807); C. G. F. von Sydow (1892–1934); C. Tiecke (1785); H. Timm (1857–58); J. L. Trummer (1810); J. C. Vorst (1782); E. L. Wächter (1851–92); J. A. G. H. Wappäus (1871–93); D. F. Weber (1892–1912); J. H. Wichern (1810–23); J. Wietjes (1798–1839); H. Wülbern (1798–1846); J. C. Zander (1783); H. G. F. Zange (1823–40); Zobel (1816–19), F. J. Zumbach (1811–16). 47 Bislang gänzlich unerforscht ist der mit dem Ende des Alten Reichs gewandelte Anknüpfungspunkt für die gesteigerte Glaubwürdigkeit notarieller Urkunden. Der öffentliche Glaube notarieller Urkunden, der im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit aus der formgerechten Erstellung der notariellen Schriftstücke und der persönlichen Glaubwürdigkeit des Notars hergeleitet wurde, wurde nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation allein auf die Glaubwürdigkeit der die Notare ernennenden Institution zurückgeführt. Das Vertrauen, das man der ernennenden staatlichen Institution entgegenbrachte, bürgte für die Glaubwürdigkeit der Urkunden (zur Veränderung des Bezugspunktes für den öffentlichen Glauben s. Petra Schulte, Fides publica. Die Dekonstruktion eines Forschungsbegriffs, in: dies. [u. a.] (Hrsg.), Strategies of writing. Studies on texts and trust in the Middle Ages, Turnhout 2008, S. 15ff.). Trotz der Kenntnis von dieser Veränderung wurde bisher nicht untersucht, inwiefern sich der Wandel auf die Notare, die Gestaltung der Schriftstücke und die urkundliche Beweiskraft auswirkte. Aufschlussreich könnten in diesem Zusammenhang die Akten derjenigen Notare sein, die die Tätigkeit des Notars und seiner Urkunden in beiden Systemen abbilden und damit Vergleichsmöglichkeiten eröffnen [StA HH, Notare 233-2, Nr.: C. R. A. Lenizer (1803–10); H. D. Marolf (1789–1822); J. Wietjes (1798–1839); H. Wülbern (1798– 1846)].

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bilden die Notariatsinstitutionen im territorialen Kontext 48 oder prosopographische Studien 49 die Forschungsschwerpunkte. Leider werten kaum Arbeiten die umfangreichen Archivbestände im Hinblick auf die Fragen aus, inwiefern die vorgefundenen Normen und Lehren zur Notariatskunst in der Praxis überhaupt umgesetzt wurden, ob sich nicht verschriftlichte Besonderheiten entwickelten und weshalb das kaiserliche Notariatswesen diesseits der Alpen überhaupt Fuß fassen konnte, obwohl auch mit den bereits etablierten Siegelurkunden ein voller Beweis erbracht werden konnte. Dabei sind in den letzten Jahren einige höchst aufschlussreiche archivaliengestützte Arbeiten zum italienischen Notariatswesen des Mittelalters herausgegeben worden, die als Vorbild für eine deutsche Notariatsforschung dienen könnten. 50 Aber anders, als dies für den Bereich des italienischen Notariats zu sein scheint, begnügen sich die Arbeiten zum deutschen Notariatswesen häu g damit, schlaglichtartig die verschiedenen Bereiche notarieller Praxis darzustellen. Besonderheiten, die in den gesetzlichen Regelungen und der Notariatsliteratur kaum (oder sogar keinen) Niederschlag fanden, wie beispielsweise die Bedeutung des persönlichen Rufes des Notars für die Glaubwürdigkeit der von ihm gefertigten Urkunden oder aber Probleme, die sich aus partikularrechtlichen Abweichungen vom oder dem Negieren des kaiserlichen Notariatsrechts ergaben, werden kaum berücksichtigt. Vergleichsweise ausführlich sind die Ausführungen Mathias Schmoeckels. Knapp fünf Seiten seines Aufsatzes „Die Reichsnotariatsordnung von 1512. Entstehung und Würdigung“ 51 widmet er den Problemen, die sich aus dem Zusammentreffen von partikularer und kaiserlicher Gesetzgebungskompetenz für das kaiserliche Notariatswesen ergeben. Wie schon Winfried Trusen 52 vor ihm stellt er fest, dass die partikularen Kräfte die Untauglichkeit der kaiserlichen Notare häu g

48 Z. B. Fritz Luschek, Notariatsurkunde und Notariat in Schlesien von den Anfängen (1282) bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Weimar 1940; Peter-Johannes Schuler, Geschichte des südwestdeutschen Notariats – von seinen Anfängen bis zu Reichsnotariatsordnung von 1512, Bühl 1976; Ancker /Postel, Hamburgisches Notariat 1811–2011. 49 Z. B. Braschel, Gabriel Rießer; Seifensieder, Gabriel Riesser; Postel/Stubbe-la Luz, Notare: Hübbe, Schramm, Riesser, Biermann-Ratjen. 50 Insbesondere: Petra Schulte, Scripturae publicae creditur: das Vertrauen in Notariatsurkunden im kommunalen Italien des 12. und 13. Jahrhunderts, Tübingen 2003; Andreas Meyer, Felix et inclitus notarius – Studien zum italienischen Notariat vom 7. bis zum 13. Jahrhundert, Tübingen 2000. 51 In: ders./Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512, Baden-Baden 2012, S. 29ff., S. 65ff. 52 Winfried Trusen, Notar und Notariatsinstrument an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit – Zu den gemeinrechtlichen Grundlagen der Reichsnotariatsordnung von 1512, in: ders. (Hrsg.), Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der frühen Neuzeit [Bibliotheca Eruditorum, Bd. 23], Goldbach 1997, S. 595* ff., S. 603*.

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nur vorgeschoben hätten, um Eingriffe in das „kaiserliche(..) Reservatrecht (. . . ) [zu rechtfertigen], ohne es [jedoch] in Frage zu stellen“. 53 Hätten die partikularen Machthaber „ohne Legitimation [d. h. ohne diesen Vorwand] die Stellung von Notaren [und damit mittelbar auch das kaiserliche Reservatrecht] bedroht (. . . ), musste[n] [sie] mit dem kaiserlichen Missfallen rechnen“. 54 Der Kaiser habe aber auch, so Schmoeckel, „ – wenn die politische Gelegenheit passte – seine Schutzp icht gegenüber den Notaren durchaus auch als ein politisches Gestaltungsmittel gegen seine Fürsten in Anspruch“ genommen. 55 Auf die Fragen, inwiefern der Kon ikt zwischen kaiserlichem Reservat und partikularem Recht auch außerhalb machtpolitischer Ebenen zum Tragen kam, geht Schmoeckel nicht ein. Auch andere Autoren erkennen das der Kollision von kaiserlichem und partikularem Notariat immanente Kon iktpotential. Sie begnügen sich aber damit, festzustellen, dass gegen Ende des Alten Reichs die reichsrechtlichen Notariatsregelungen „aufgrund der zunehmenden partikularrechtlichen Ausprägung des Notariats ihre bestimmende Rolle zu verlieren“ 56 drohten. Diese Einschätzung verwundert zwar angesichts der allgemein konstatierten zunehmenden Schwäche des Kaisers gegenüber den Territorien in der Frühen Neuzeit wenig 57 und mag für das Notariat in einzelnen Territorien möglicherweise sogar zutreffen, für den Hamburger Bereich bestätigte sich diese These jedenfalls nicht – wie noch gezeigt werden wird. 58 Die Frage, inwieweit sie im Bezug auf andere Territorien tatsächlich haltbar bleibt, muss späteren Forschungen vorbehalten bleiben. Dass sich aus dem Kon ikt aber auch eine Chance, zum Beispiel für Bürger, die das kaiserliche Notariat als machtvolles Werkzeug gegen die Willkür ihrer Obrigkeit einsetzen, ergeben konnte, wird in der Literatur – soweit ersichtlich – nicht erkannt. Damit blieb auch der Einsatz notarieller Urkunden zur Freiheitswahrung, der sich

53 Ebda., S. 67. Ähnlich, wenn auch längst nicht in dieser Ausführlichkeit, Bernd Kannowski, Zur Geschichte des badischen Notariats seit 1512, in: Mathias Schmoeckel/Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512, Baden-Baden 2012, S. 257 ff., S. 262. 54 Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 69. 55 Ebda., S. 69. 56 Scharnhop, Lüneburger Notariat, S. 26. Ähnlich auch Schuler, Süddeutsches Notariat, S. 149. 57 So auch schon Carl Friedrich Gerstlacher, der den Grund für die zunehmende Missachtung der Reichsnotariatsordnung darin sieht, dass sie nie reformiert wurde. Die Stände hätten an einer solchen Verbesserung kein Interesse gehabt. Vielmehr hätten sie versucht, ihre „landesherrliche(..) Gewalt (. . . ) auf Kosten“ der Notare zu mehren. S. Carl Friedrich Gerstlacher, Corpus Iuris Germanici publici et privati, Bd. 1, Frankfurt [u. a.] 1786, S. 314f. 58 S. insbesondere ab S. 275 ff.

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gerade aus dem Schutz des kaiserlichen Reservatrechts heraus etablieren konnte, bis heute im Verborgenen. Der normative Blickwinkel verhinderte Erkenntnisse zum Gewohnheitsrecht und zur (vom geschriebenen Recht abweichenden) tatsächlichen Praxis.

II. Forschungsziel Ziel der Arbeit ist es, die Verwendung notarieller Urkunden im frühneuzeitlichen Hamburg darzustellen. Dies umfasst zunächst natürlich ihren Einsatz im Prozess als Beweismittel und damit zusammenhängende Fragen, wie die nach dem Erstellungsprozedere und den Voraussetzungen, die an die urkundliche Glaubwürdigkeit geknüpft wurden, aber auch, ob und wie man sich gegen im Prozess zum Beweis vorgelegte Urkunden zur Wehr setzen konnte. Darüber hinaus soll untersucht werden, welche Motivation Menschen leitete, wenn sie statt der für Beurkundungen bereits etablierten Ratsschreiberei einen kaiserlichen Notar mit der Beurkundung beauftragen, obwohl der mit den Urkunden zu erbringende Beweis, rein formell gesehen, der gleiche war. Das Augenmerk liegt also nicht nur auf der rechtlich intendierten Verwendung der Urkunden zu Beweiszwecken, sondern auch auf ihrem in der Praxis entwickelten Einsatz zur Wahrung von Freiheit und Selbstbestimmung. In diesem Zusammenhang sind die rechtlichen, politischen und tatsächlichen Auswirkungen der Konkurrenz durch die Ratsschreiberei sowie Fragen nach dem Umfang des durch die Urkunden vermittelten Glaubens von Interesse. Wurden notarielle Instrumente im vollen reichsrechtlichen Umfang anerkannt oder bedurfte es einer zusätzlichen Absicherung? Inwieweit rückten solche Zusatzsicherungen in den Mittelpunkt des eigentlichen Beweisverfahrens und ließen daneben den notariellen Urkundenbeweis verblassen? Untersucht wird auch die Reaktion des Hamburger Rates auf die Umgehung der Ratsschreiberei durch die Inanspruchnahme kaiserlicher Notare. Stand die städtische Obrigkeit dem kaiserlichen Notariat offen gegenüber oder gab sie sich verschlossen? Wie wirkten sich Urkunden kaiserlich ernannter Notare auf das ratsherrliche Selbstverständnis aus? Wie reagierte der Rat – konnte und durfte er es überhaupt angesichts der hamburgischen Reichsstandschaft und der kaiserlichen Ernennung der Notare? Hatte der Rat eine Möglichkeit, sich gegen unliebsame Notare bzw. notarielle Instrumente durchzusetzen, oder stand ihm die Zuordnung des Notariatswesens in den Kreis der kaiserlichen Regalien im Wege? Welche Rolle spielte die frühneuzeitliche Verfassungswirklichkeit in Bezug auf das kaiserliche Notariatswesen? In welchem Verhältnis standen kaiserliche Regalien zur partikularen Rechtspraxis und wie wurde in Kollisionsfällen entschieden? Und war es nicht gerade die beschränkte Ein ussnahmemöglichkeit des Rates, die das Notariat zu einem besonders attraktiven Werkzeug gegen den Rat machte?

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Nur ein Blick in die Quellen kann Antworten auf diese Fragen bringen. Gleichzeitig ermöglicht er eine Prüfung, ob die gesetzlichen Vorgaben und theoretischen Annahmen mit der Rechtswirklichkeit übereinstimmen bzw. auf welche Rechtsgrundlagen notarielles Handeln sonst zurückgeführt wurde. Allein eine archivaliengestützte Arbeit kann erklären, weshalb es trotz der vermeintlichen Abschottung des Hamburger Stadtrechts zu einer Verwendung der Schriftstücke kam und welche Funktionen der Rechtsverkehr den Urkunden beimaß. Anhand von Archivalien – Prozessakten, Urkunden, Beschlüssen und anderen Schriftstücken – soll gezeigt werden, in welchen Situationen man notarielle Urkunden einsetzte, ob man damit ein bestimmtes Ziel verfolgte und vor allem ob sich dieses Ziel auch tatsächlich verwirklichen ließ. Damit verfolgt die Untersuchung also letztlich auch die Absicht, das Bild notarieller Urkunden als bloßer prozessualer Beweismittel zu vervollständigen.

III. Themenbegrenzung, Methodik und Quellenlage Bevor die Betrachtung der Funktionen notarieller Urkunden in Hamburg beginnt, muss der Untersuchungsrahmen abgesteckt werden. Welche rechtlichen Regelungen lagen der Urkundenerstellung zugrunde? Woher stammen die untersuchten Schriftstücke? Und wann sind sie entstanden? Zunächst zum rechtlichen Rahmen: Am 8. Oktober 1512 erließ der Habsburger Kaiser Maximilian I. die „Ordnung zu Underrichtung der offenen Notarien, wie die ir Aemter üben sollen“ 59 (die sog. Reichsnotariatsordnung, im Folgenden: RNO). Die RNO war das erste umfangreiche Regelwerk zum Notariatswesen auf Reichsebene. Dieses Gesetz blieb bis zum Ende des Alten Reichs in Kraft und wurde erst durch die Übernahme des französischen Notariats in Hamburg 1806 abgelöst. Aber bereits vor 1512 lassen sich kaiserlich ernannte Notare in Reichsgesetzen nden. Im Reichsrecht traten Notare erstmals in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 in Erscheinung (§§ 4, 11, 12 RKGO 1495 60). § 4 RKGO 1495 schrieb fest, dass kammergerichtliche Prozessschriften sowohl durch Kammergerichtsboten als auch durch Notare zugestellt werden konnten. Welche persönlichen Voraussetzungen ein Notar mitbringen musste, um überhaupt tätig werden zu dürfen, wie das Zustellungsprozedere im Detail aussah, wie die Schriftstücke, die die Notare dabei zu entwerfen hatten, ausgestaltet werden sollten und welche prozessuale Wirkung den

59 Grziwotz, Kaiserliche Notariatsverordnung von 1512. 60 § 4 RKGO 1495 regelt die Zustellung der Ladungen, § 11 RKGO 1495 betrifft ebenfalls Ladungen, § 12 RKGO 1495 sichert den Notaren freies Geleit in der Ausführung ihrer reichskammergerichtlichen Tätigkeit zu.

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formgerechten Urkunden dann zukam, regelte die Ordnung nicht. Zur Beantwortung dieser Fragen griff man auf das Gewohnheitsrecht zurück, das sich, maßgeblich beein usst durch die Lehren zur Notariatskunst, seit dem Hochmittelalter gebildet hatte. Auch nach dem Erlass der RNO fand das Gewohnheitsrecht weiterhin Anwendung als Ergänzung zur RNO. 61 Daneben gestattete der Kaiser den partikularen Obrigkeiten, sich in ihrem Herrschaftsbereich einerseits ein eigenes Notariatswesen mit eigenem Notariatsrecht zu setzen und andererseits in beschränktem Umfang in das kaiserliche Notariatswesen einzugreifen (§ 1 Einl. RNO). Der hamburgische Gesetzgeber hatte hiervon kaum Gebrauch gemacht. Nur vereinzelt unternahm er Versuche, das Reichsnotariatswesen zu modi zieren. Meist handelte es sich um – letztendlich erfolglose – Bemühungen, das Notariat aus bestimmten Bereichen, z. B. der Geldwirtschaft, auszuschließen. Darauf wird zurückzukommen sein. Bis zum Ende des Alten Reichs stand das Notariat in Hamburg also im Großen und Ganzen auf reichsrechtlicher Grundlage. Der Überlieferungslage ist es geschuldet, dass der Fokus in zeitlicher Hinsicht auf den Archivalien des Alten Reichs von der Mitte des 16. bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts liegt. Naturgemäß lassen sich notarielle Tätigkeiten hauptsächlich in den Protokollen und Archiven der Notare sowie in Gerichtsakten nachweisen. Die Arbeit sah sich hier mit zwei maßgeblichen Problemen konfrontiert. Denn ein Großteil dieser Unterlagen ist beim großen Stadtbrand von 1842 verbrannt. 62 Recht spät hatten die Verantwortlichen die Gefahr für das Hamburger Archiv erkannt – zu spät für große Teile der Bestände. Um wenigstens einen Teil zu sichern, entschloss Lappenberg als Leiter des Archivs sich zunächst, die Urkunden der sogenannten Threse und die Unterlagen der letzten 100 Jahre zu bergen. Von den geretteten Gerichtsbeständen der Hamburger Instanzen datieren daher nur wenige auf frühere Zeiten. Den Schwerpunkt bilden Unterlagen aus der Zeit nach 1780. Und dennoch lassen sich Aussagen zum Hamburger Notariatswesen tätigen, denn erst einige Jahre nach dem Stadtbrand wurden die Akten des Jahrzehnte zuvor aufgelösten Reichskammergerichts an Hamburg überstellt – um dieselbe Zeit 61 Auch wenn sich verschiedentlich Unstimmigkeiten zu einzelnen Form- und Handlungsvorschriften nachweisen lassen, so scheint ein Konsens bezüglich grundsätzlicher Regeln zur Urkundenerstellung bestanden zu haben. Es fanden sich jedenfalls kaum Schriftstücke im Hamburger Archiv, die die Beurkundung einzelner Notare näher erläutern. Für eine generelle „Unsicherheit der Rechtsquellen“, wie sie Ferdinand Oesterley (ders., Deutsches Notariat I, S. 481) annahm, bestanden im Hamburger Bereich keine Anhaltspunkte. 62 Dazu jüngst: Hans-Dieter Loose, Das Stadtarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg im Großen Brand von 1842, in: Joachim Frank /Thomas Brakmann (Hrsg.), Aus erster Quelle: Beiträge zum 300-jährigen Jubiläum des Staatsarchivs der Freien und Hansestadt Hamburg [Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 22], Hamburg 2013, S. 51 ff.

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kamen Akten des Reichshofrats ins Staatsarchiv, wenn auch in sehr viel geringerer Zahl 63. Diese Verzögerung erweist sich als wahrer Glücksfall für die Hamburger Rechtsgeschichtsforschung. Die Reichskammergerichtsakten enthalten nämlich, wenn auch nicht immer, sogenannte Vorakten (acta priora), die über die Korrespondenzen und Anträge der Hamburger Vorinstanzen Auskunft geben. Aber auch in den beim Reichsgericht vorgelegten Schriftsätzen nden sich zahlreiche Bezüge zu der in Hamburg geübten Rechtspraxis. Aus den Argumentationen und Verweisen lassen sich Muster erkennen, die Rückschlüsse auf die Hamburger Rechtsprechung zulassen. Gezielt wurde daher nach Prozessen gesucht, in denen der Hamburger Rat entweder als Vorinstanz urteilte und dies in den Akten dokumentiert war oder nach solchen Prozessen, in denen der Rat selbst als Streitbeteiligter auftrat. 64 Bei der Auswertung wurde nicht zwischen straf- und zivilrechtlichen Verfahrensgegenständen unterschieden, da verallgemeinerungsfähige Rückschlüsse zur Notariatspraxis, insbesondere zu den Voraussetzungen, die an die Erstellung der Urkunden, aber auch die persönliche Quali kation des Notars geknüpft waren, und Schlussfolgerungen zu den Beweggründen für die Inanspruchnahme kaiserlicher Notare rechtsgebietsunabhängig gezogen werden können. Dennoch basiert die Auswertung überwiegend auf Akten mit zivilrechtlichen Inhalten. Hamburg verfügte über eine beträchtliche Anzahl verschiedener Gerichte. 65 Die vorliegende Untersuchung stützt sich bis auf wenige Ausnahmen 66 jedoch nur auf die Rechtsprechung von Nieder- und Obergericht sowie des Gesamtrats als Vorinstanz. Jedes dieser Gerichte wurde mit Ratsherren in unterschiedlicher Personenstärke besetzt. War der Rat Prozesspartei im reichsgerichtlichen Prozess, so bestand die begründete Hoffnung, dass sich in den Akten unverfälschte Stellungnahmen des Rates zur Hamburger Rechtsprechung wiederfänden. Andersherum: Hätte der Rat

63 1845/46 gelangten 388 Prozessakten des Reichhofrats nach Hamburg. Dem stehen über 1300 Akten des Reichkammergerichts gegenüber. S. Beständeverzeichnis des Staatsarchiv, 211-1 Reichshofrat. 64 Zu Quellenauswahlproblemen im Zusammenhang mit Hamburger Reichskammergerichtsakten, s. auch Peter Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte im Alten Reich – Zuständigkeitsstreitigkeiten und Instanzenzüge [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 61], Köln [u. a.] 2012, S. 527f. 65 Beispielsweise bestanden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 19 außergerichtliche und elf gerichtliche Organe der Rechtsp ege erster Instanz. Dazu Franklin Kopitzsch, Zwischen Hauptrezeß und Franzosenzeit. 1712–1806, in: Hans-Dieter Loose/Werner Jochmann (Hrsg.), Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Bd. 1 (Von den Anfängen bis zur Reichsgründung), Hamburg 1982, S. 351ff., S. 363. 66 Vereinzelte Unterlagen aus der Prätur, der Weinbudenschreiberei sowie den Dielenschreibern wurden in die Untersuchung einbezogen. Auf ihre Provenienz wird an den betreffenden Stellen ausdrücklich hingewiesen.

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in diesen Prozessen entgegen seiner sonstigen Rechtsprechung argumentiert, so wäre damit zu rechnen, dass die gegnerische Partei dies offenlegt und, um dies zu untermauern, ausführlich zur Hamburger Rechtsprechung Stellung bezieht. Insgesamt sind mehr als 1300 oft mehrbändige Prozessakten des Reichskammergerichts im Hamburger Staatsarchiv überliefert. Die große Anzahl macht eine strikte Auswahl unverzichtbar. Einen ersten Zugriff bieten die Repertorien, die im Rahmen des Forschungsprojektes „Inventar der Akten des Reichskammergerichts“ von HansKonrad Stein-Stegemann zwischen 1993 und 1995 entstanden. 67 Sie enthalten aber (verständlicherweise) nur den hauptsächlichen Streitgegenstand. Streitigkeiten über einzelne Beweismittel, die nicht den maßgeblichen Gegenstand des Verfahrens bildeten, sind in den überwiegenden Fällen nicht aufgeführt. Tatsächlich ndet sich keine Akte, in welcher notariatsrechtliche Streitigkeiten den Schwerpunkt bildeten. Es wurden daher solche Prozessakten gesichtet, die auf Grund der streitigen Rechtsmaterie die Vorlage eines notariellen Beweismittels erwarten ließen, etwa Verfahren, in denen es um die Aufstellung von Inventaren, Vertretung und Vormundschaften ging, ferner Streitigkeiten mit Auslandsbezug, familien- und erbrechtliche Streitigkeiten, insbesondere wegen der Anerkennung von Testamenten. Besonders häu g wurden kaiserliche Notare außerdem in schuld- und handelsrechtlichen Zusammenhängen zum Abschluss von Versicherungen sowie bei Wechselgeschäften hinzugezogen. 68 Die Stadt Hamburg hatte sich aber „in sachen, bekantliche[r] schulden“ 69 ein privilegium de non appellando 70 verleihen lassen. Da 67 Hans-Konrad Stein-Stegemann: Findbuch RKG Hamburg, Teil 1: A–H, Hamburg 1993, Teil 2: J–R, Hamburg 1994, Teil 3: S–Z, Hamburg 1995, Teil 4: Indices, Hamburg 1995. 68 Nach den von Filippo Ranieri (ders., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption: eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, 2 Bde., Köln [u. a.] 1985) im Rahmen der quanti zierenden Methode entwickelten Kategorien sind 35,7 % der Hamburger Akten der „Geldwirtschaft“ sowie 15,4% dem „Handel und Gewerbe“ zuzurechnen, s. Anja Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht – Praktiziertes Zivilrecht in der Frühen Neuzeit [Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 54], Köln [u. a.] 2009, S. 85. 69 Privilegium de non appellando für die Stadt Hamburg vom 4.7.1553, in: Ulrich Eisenhardt, Privilegia de non appellando [Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 3], Köln /Wien 1976, Nr. 19, S. 209ff., S. 209. 70 Eine vollständige Auflistung der Appellationsprivilegien ndet sich bei Ulrich Eisenhardt (Die Kaiserlichen privilegia de non appellando [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 7], Köln/Wien 1980, S. 84ff.), s. auch StA HH, RKG 211-2, Nr. F 32/Threse Nr. A 4 b; B 15 b; G 5 b; Jacobi Blumen, Processus cameralis ex ordinationibus cameralibus (. . . ), Tit. XLVII (De privilegio de non appellando – Hamburg), Frankfurt 1676, S. 384. Die vor 1495 erteilten Privilegien wurden auf die Gerichtsbarkeit des neu gegründeten Reichskammergerichts erstreckt (s. W. D. Rä-

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jedoch zunächst keine Klarheit darüber bestand, welche Streitgegenstände vom Privileg tatsächlich erfasst sein sollten 71, und das Reichskammergericht außerdem binger, Art. Kammergericht, königliches, in: HRG II (1978), Sp. 576ff., Sp. 577), jedoch nur, soweit sie nachträglich vom Kaiser bestätigt wurden. Nicht bestätigt wurde das im Mittelalter bestehende umfassende Privileg, das Hamburg vor der Gerichtsbarkeit fremder Gerichte schützte. Dennoch wurde die stadtrechtliche Regelung, die einen Rechtszug an fremde Gerichte bei Verlust der Wohnung und Verbannung verbot (so schon im Ordeelbook 1270 Einleitung vor Art. I, 1), erst im Stadtrecht von 1603/05 ausdrücklich revidiert (StR 1603/05 I 40, 1 ff.). Eine Notwendigkeit für die Änderung des Stadtrechts wurde aber schon im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts diskutiert, da man die völlige Verwerfung der Appellation im Stadtrecht als „den gemeinen Rechten und Kayserlichen Majestät Hochheit zuwider verordnet“ (Nicolaus Adolph Westphalen, Geschichte der Haupt-Grundgesetze der Hamburgischen Verfassung, Bd. 1, Hamburg 1844, S. 253f.*) ansah. Bis zum Stadtrecht von 1603/05 kam es dennoch immer wieder zu gewaltsamen Versuchen, Prozesse an außerhamburgischen Gerichten zu unterbinden, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 1 (vom 13.8.1550); Heinrich Reincke, Große Hamburger Juristen aus fünf Jahrhunderten. Ein Vortrag, Hamburg 1954, S. 13; Eichler, Langenbeck'sche Glosse, S. 7; allgemein zur Verhinderung von Appellationen, s. Jürgen Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 4], Köln/Wien 1976, S. 320, S. 328 ff. Fälle aktiver Verhinderung lassen sich nur selten in den Archivalien nachweisen. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dunkelziffer der erfolgreich verhinderten Prozesse recht hoch gewesen sein dürfte. Dafür spricht zumindest die in den Anfangsjahren des Reichskammergerichts vergleichsweise geringe Anzahl nachweisbarer Verfahren mit Hamburger Vorinstanzen, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. Nachtrag III Nr. 28 (RKG-Prozess: 1498–1499); L 15 (RKG-Prozess: 1498– 1512); B 1a (RKG-Prozess: 1501–1510); F 31 (RKG-Prozess: 1511); B 6 (RKG-Prozess: 1511–1522); T 1 (RKG-Prozess: 1512–1517); L 45d (RKG-Prozess: 1516); B 84 (RKG-Prozess: 1523–1526); R 12 (RKG-Prozess: 1526–1532); R 26 (RKG-Prozess: 1527–1532); H 14 (RKG-Prozess: 1529–1559); H 15 (RKG-Prozess: 1530–1531); J 16 (RKG-Prozess: 1531–1534); M 16 (RKG-Prozess: 1533–1534); E 37 (RKG-Prozess: 1534–1538); Nachtrag III Nr. 21 (RKG-Prozess: 1535); H 156 (RKG-Prozess: 1536); S 124 (RKG-Prozess: 1536–1537); K 58 (RKG-Prozess: 1538–1539); E 38 (RKG-Prozess: 1539–1544); P 10 (RKG-Prozess: 1540); S 60 (RKG-Prozess: 1541–1543); S 3 (RKG-Prozess: 1541–1544); W 11 (RKG-Prozess: 1542); E 28 (RKG-Prozess: 1544); W 30 (RKG-Prozess: 1548–1590); W 35 (RKG-Prozess: 1549), W 49 (RKG-Prozess: 1549–1551); C 9 (RKG-Prozess: 1549–1553); W 34 (RKG-Prozess: 1549–1555); L 16 (RKG-Prozess: 1549–1557); F 32 (RKG-Prozess: 1549–1769). 71 Erst das Appellationsprivileg von 1634 lieferte eine klärende Legalde nition, danach waren Rechtssachen, „die mit unläugbaren unverfälschten Briefen und Siegel, Obligationen, Handschriften, Verträgen, Heiraths-Verschreibungen, Wechsel-Briefen, und anderen glaubwürdigen Contracten können bewiesen werden“, darunter gefasst, ebenso wie „factoreyen, Maß copey, Boddemereywechßley, assecurantien, unnd so auf Rechnung beuehen, auch sonsten alle andere Kauffmans gewerbe und handel“, s. Andreas Ebert-Weidenfeller, Hamburgisches Kaufmannsrecht im 17. und 18. Jahrhundert [Rechtshistorische Reihe, Bd. 100],

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die Appellationsprivilegien nur sehr zögerlich umsetzte, zum Teil wohl auch ignorierte 72, wurden zahlreiche dieser Streitigkeiten am Reichskammergericht zugelassen. Dass diese Prozessakten dennoch keinen Eingang in die vorliegende Untersuchung gefunden haben, hat verschiedene Gründe: Nach dem bisherigen Stand der Forschung neigte der Hamburger Rat dazu, den für die Stadt so wichtigen Handel zu schützen und seine Rechtsprechung an dieses Interesse anzupassen. 73 Es bestand also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich in handelsrechtlichen Zusammenhängen hauptsächlich pragmatische Lösungen zeigen, die dann aber nur sehr bedingt verallgemeinerungsfähige Rückschlüsse auf das in weiten Teilen ungeschriebene Notariatsrecht zulassen. Außerdem deuteten Stichproben in den Akten darauf hin, dass trotz der häugen Beteiligung von kaiserlichen Notaren in wirtschaftlichen Zusammenhängen in diesen Verfahren nur sehr wenig um Notariatsrecht gerungen wurde. Umfangreichere und damit aussagekräftige notariatsrechtliche Streitigkeiten waren daher kaum zu erwarten. In ca. 80 von mehr als 1300 überlieferten Akten hat der Hamburger Rat als Vorinstanz jeweils über einen kaufmannsrechtlichen Streitgegenstand entschieden. Das sind knapp 6 Prozent des gesamten Aktenbestands. Andreas Ebert-Weidenfeller hat in seiner Dissertation 72 dieser Akten ausgewertet. 74 Weder in den von ihm untersuchten Akten des 17. und 18. Jahrhunderts noch in den in seiner Arbeit fehlenden Akten aus dem 16. Jahrhundert zeigten sich dezidiert notariatsrechtliche Streitigkeiten. Nur in drei Prozessen waren kaiserliche Notare an streitentscheidender Stelle im Verfahren eingebunden. 75 Das Erstellungsprozedere der Instrumente oder deren

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Frankfurt a. M. 1992, S. 22 f., S. 253 ff., S. 290; Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 166m. w. N. Joseph Anton Vahlkampf, Reichskammergerichtliche Miscellen, Bd. 2, Hf. 1, Gießen/ Wetzlar 1806, S. 9 ff., so auch Anette Baumann, Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse [Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 36], Köln 2001, S. 43; Robert Riemer, Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht. Ein Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Handwerksprozesse, in: Anja Amend [u. a.] (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich [Bibliothek Altes Reich, Bd. 3], München 2008, S. 265ff., S. 267. Andreas Ebert-Weidenfeller, Hamburgisches Kaufmannsrecht im 17. und 18. Jahrhundert [Rechtshistorische Reihe, Bd. 100], Frankfurt 1992, S. 251f. S. dazu auch S. 242 ff. Ebda., S. 1, Auflistung der untersuchten Akten S. 316ff. StA HH, RKG 211-2, Nr. J 35 (Ebert-Weidenfeller, Hamburgisches Kaufmannsrecht, S. 82ff.); StA HH RKG 211-2, Nr. L 37 (ebda., S. 149ff.); StA HH, RKG 211-2, Nr. O 9 (ebda., S. 97, S. 106 f., S. 108 f.).

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Beweiskraft waren dabei nicht umstritten. 76 Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bezug auf Prozesse zu Wechselverbindlichkeiten. Solche Streitigkeiten machen ca. 5 Prozent der überlieferten Akten aus. 77 Aber lediglich in zwei Prozessen wurde nach den Repertorien um die Gültigkeit des Wechsels gestritten. 78 Neben der Auswahl der für die vorliegende Untersuchung geeigneten Akten sah sich die Autorin mit einem zweiten Problem konfrontiert. Dieses Problem betrifft die Generalisierbarkeit der Untersuchungsergebnisse. Denn der überwiegende Rückgriff auf reichskammergerichtliche Akten verzerrt möglicherweise das Bild, das wir heute vom frühneuzeitlichen Notariatswesen in Hamburg zeichnen. Das Reichskammergericht als Appellationsinstanz stand den frühneuzeitlichen Klägern nämlich nicht grenzenlos zur Verfügung. Voraussetzung war das Erreichen bestimmter, im Laufe der Zeit variierender, aber mit mindestens 600 rheinischen Gulden immer recht hoher Streitwerte. Diese Gerichtsinstanz wurde also, wenn wir einmal diejenigen, denen es erlaubt war, sich direkt ans Reichskammergericht zu wenden 79, ausklammern, für gewöhnlich nur von einer verhältnismäßig begüterten Oberschicht in Anspruch genommen. Ähnliches gilt für die in großer Zahl ausgewerteten Testamente. Wer über kaum nennenswerte Güter verfügte, leistete sich nicht den Luxus eines (üblicherweise) kostenp ichtigen notariellen Testaments. Und so nden sich auch unter den Testamenten fast ausschließlich solche einer zumindest bessergestellten Schicht. Der Leser muss sich also immer vor Augen halten, dass die Auswertung zum allergrößten Teil auf Schriftstücken beruht, die wahrscheinlich nur die Lebenswirklichkeit einer kleinen gesellschaftlichen Schicht re ektieren. Dass Notare aber auch von weniger begüterten Personen eingeschaltet wurden, lassen sowohl einzelne Quellenfunde als auch in der Literatur vertretene Auffassungen vermuten, die Notaren ausdrücklich die Möglichkeit einer kostenlosen Beurkundung vorhalten.

76 Einzig im Prozess Witwe Orth (Kurator: Caspar von der Fechte) vs. Spreckelsen fanden sich längere Ausführungen zu notariellen Urkunden (StA HH, RKG 211-2, Nr. O 9, u. a. Acta priora, Q 4). Diskutiert – im Ergebnis aber abgelehnt – wird die Behauptung, notariellen Urkunden kämen gegenüber sonstigen Schuldverschreibungen (sog. „unläugbare Urkunden“) eine herausgehobene Beweiskraft zu. In der Akte nden sich außerdem die im Zusammenhang mit der Vorlage notarieller Urkunden von den jeweiligen Prozessgegnern nahezu immer vorgetragenen Behauptungen zur mangelnden Qualität von Notaren. 77 Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 88 f. 78 StA HH, RKG 211-2, Nr. S 76 und Nr. W 5. 79 Das waren Reichsunmittelbare (Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 141f.; Wolfgang Sellert, Über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammergericht, insbesondere in Strafsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, N. F., Bd. 4], Aalen 1965, S. 46 ff.) oder Personen, denen die territorialen Instanzen ihr Recht verweigert hatten (Sellert, Zuständigkeitsabgrenzung, S. 57).

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Wie bereits angesprochen, wurden auch die in Hamburg lagernden Prozessschriften des Reichshofrats ausgewertet. Der Reichshofrat verfügte über die ausschließliche Zuständigkeit für Verfahrensangelegenheiten im Zusammenhang mit kaiserlichen Reservatrechten und ist damit im Hinblick auf das Notariat, für das dem Kaiser ein Regal zustand, außerordentlich interessant. 80 Dass der Reichshofrat außerdem eine große Bedeutung für Hamburg hatte 81, lässt sich eindrucksvoll an den Registern ermessen, die aus dem Erschließungsprojekt der wichtigsten Bestände der Judicialia des Reichshofrates im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien unter der Herausgeberschaft Wolfgang Sellerts entstanden sind. 82 In den Repertorien nden sich mehrere Hundert Akten mit Bezügen zur Stadt Hamburg, über 450 Akten zum Stichwort Notariatsinstrument und knapp 70 weitere Akten zum Stichwort Notar. Allein in Band 1 zur Serie 2: Antiqua sind nach dem Stichwortverzeichnis in ca. 8,5 Prozent aller Akten mit Bezügen zur Stadt Hamburg und dem dortigen Rat Notare zum Verfahren zugezogen worden. Diese Akten könnten in einer späteren Forschung zur Überprüfung der hier gefundenen Ergebnisse herangezogen werden. 83 Mindestens ebenso interessant dürfte die Auswertung der Akten zum Notariatswesen ohne Hamburgbezug im Hinblick auf die Verallgemeinerungsfähigkeit 80 Anders als dies in weiten Teilen der modernen Literatur dargestellt wird, handelt es sich gerade nicht nur um ein kaiserliches Regal zur Notarernennung. Mit umfasst war das Recht zur Regulierung des Notariatswesens selbst. Heute würde man dies wohl eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang nennen. Dazu ausführlich S. 235 ff. 81 Zur Bedeutung des Reichshofrats für Hamburg s. Wolfgang Sellert, Die Rechtssprechung des Kaiserlichen Reichhofrats im Streit um die Reichsunmittelbarkeit der Stadt Hamburg, in: Volker Friedrich Drecktrah /Dietmar Willoweit (Hrsg.), Rechtsprechung und Justizhoheit: Festschrift für Götz Landwehr zum 80. Geburtstag von Kollegen und Doktoranden, Köln 2016, S. 105 ff., S. 106. 82 Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Ursula Machoczek (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 2: Antiqua, Bd. 1: Karton 1–43, Berlin 2010; Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Ulrich Rasche (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 2: Antiqua, Bd. 2: Karton 44–135, Berlin 2014; Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Eva Ortlieb (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 1: A–D, Berlin 2009; Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Eva Ortlieb (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 2: E–J, Berlin 2011; Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Eva Ortlieb (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 3: K–O, Berlin 2012; Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Tobias Schenk (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 4: P–R (mit Nachträgen A–O), Berlin 2014; Wolfgang Sellert (Hrsg.)/Tobias Schenk (Bearb.), Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 5: S–Z, Berlin 2014. 83 Besonders interessant dürften wohl die Akten Ser. 2: Antiqua, Bd. 1, Nr. 211 und Nr. 246 sein. Nr. 211 enthält einen kaiserlichen Schutzbrief für Notare, die in der Stadt Hamburg Prozessdokumente zuzustellen versuchten und vom Rat scheinbar häu g bei der Ausübung ihrer Amtsp ichten behindert wurden. Nr. 246 enthält Unterlagen zu einem Notar, der vom Rat der Stadt Hamburg zur Beurkundung herangezogen wurde.

Themenbegrenzung, Methodik und Quellenlage

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der gefundenen Ergebnisse sein. Viele der in der vorliegenden Arbeit angesprochenen Bereiche nden sich in den Akten wieder – Unterlagen zum Berufswesen, zur Urkundengestaltung, zur Anerkennung der Beweiskraft notarieller Schriftstücke, aber auch zu schikanösem Verhalten bei unliebsamen Beurkundungen usw. 84 Reichskammergerichts- und Reichshofratsakten wurden ergänzt durch frühneuzeitliche Kameralliteratur, namentlich die „Observationes“ Gaills und die „Wetzlarer Nebenstunden“ des Assessors Cramer für die Entscheidungen des Reichskammergerichts sowie die „Merckwürdige[n] Reichs-Hof-Raths-Conclusa“ Mosers zur Ergänzung der Reichshofratsakten. 85 Ebenfalls durchgesehen wurden Archivalien, die heute im Archivbestand „Senat“ lagern. Da für diese Quellen weder den Stein-Stegemann'schen noch den Sellert'schen Schriften vergleichbare Aufzeichnungen vorhanden sind, wurden auch sie nach den für die Reichskammergerichtsakten genannten Kriterien ausgewertet. Untersucht wurden außerdem einige Konvolute bisher noch nicht erschlossener Bestände des Hamburger Staatsarchivs. In diesen zum Teil mit losen, ungeordneten und scheinbar zusammenhangslosen Blättern, unvollständigen Verwaltungs- und Prozessakten gefüllten Kartons befanden sich ebenfalls Schriftstücke mit notariellen Bezügen. Viele Tausend Seiten Aktenmaterial, aber auch Hunderte notarielle Urkunden, Korrespondenzen, Beglaubigungen und Protokolle wurden auf diese Art gesichtet und ausgewertet. Bis auf sehr wenige Ausnahmen, meist Kopien oder Exzerpte aus dem 19. Jahrhundert, sind die Schriftstücke als Originalhandschrift erhalten. Dass sich daraus weitere Probleme für die Lesbarkeit ergeben, liegt auf der Hand. Sprachlich sind die Archivalien meist in einer frühen Form des Neuhochdeutschen gehalten, lediglich die Ausführungen des Hamburger Rates sind zuweilen in einer Mittelniederdeutschen oder einer an das Plattdeutsche angelehnten Mundart

84 Z. B. Anerkennung der Beweiskraft: Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 1, Nr. 771; Urkundengestaltung: Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 2, Nr. 1238; Berufswesen: Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 2, Nr. 1561, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 5, Nr. 4905, Nr. 5176, Nr. 5425, Nr. 5510; schikanöses Verhalten: Ser. 2: Antiqua, Bd. 1, Nr. 13–14, Ser. 2: Antiqua, Bd. 2, Nr. 65, 659, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 1, Nr. 215, Ser. 1: Alte Prager Akten, Bd. 3, Nr. 3213. 85 Andreas Gaill/Thobiam Loncivm, Camerae Imperialis Observationes. Deß Keiserlichen Cammer Gerichts sonderliche Gerichtbreuche vnnd Rechts Regeln (. . . ), Hamburg 1601; Johann Ulrich von Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, worinnen auserlesenen beym höchstpreislichen Cammergericht entschiedene Rechts-Händel zur Erweiter- und Erläuterung der teutschen in Gerichten üblichen Rechts-Gelehrsamkeit angewendet werden, 128 Teile, Ulm 1755–1772; Johann Jacob Mosers, (. . . ) Merckwürdige ReichsHof-Raths-Conclusa: denen fürnemlich, so den bei diesem höchsten Reichs-Gericht tam in Agendo quam in Judicando üblichen Modum & Stylum erlernen wollen, zu Nutzen mitgetheilet, Teil I–VIII, Frankfurt am Main 1726–27.

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verfasst. Die untersuchten Testamente sind bis etwa zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts meist in lateinischer Sprache abgefasst. Viele der untersuchten Archivalien sind in der vorliegenden Arbeit zitiert. Fast allen analysierten Akten fehlt eine Foliierung. Der leichteren Auf ndbarkeit wegen wurden die Blätter von der Verfasserin gezählt. Die Transkription der Handschriften erfolgte in weiten Teilen nach den „Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte“ des Arbeitskreises: Editionsprobleme in der Frühen Neuzeit der Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen. 86 Entsprechend der dort ausgesprochenen Empfehlung wurde ferner die Interpunktion der besseren Verständlichkeit wegen an die modernen Regelungen angepasst. I/j/u/v/w sind entsprechend ihrem Lautwert wiedergegeben. Auf eine Unterscheidung von Lang-s und Rund-s wurde verzichtet. Außerdem wurde das als Ligatur für ii bzw. ij verwendete ÿ/y aufgelöst. Abkürzungen wurden nur insoweit aufgelöst und ergänzt, soweit dies für die Verständlichkeit förderlich war. Sonstige Schreibweisen sind originalgetreu beibehalten. Das gilt vor allem für Eigennamen, Groß- und Kleinschreibungen, Buchstabendoppelungen sowie Getrennt- und Zusammenschreibungen. Ausnahmen wurden nur vorgenommen, wenn dies für das Verständnis der Quelle unumgänglich war. Neben den im Hamburger Staatsarchiv lagernden Archivalien wurde mittelalterliche, hauptsächlich aber frühneuzeitliche Literatur zum Notariatswesen ausgewertet. Diese gedruckten Quellen sowie ihre modernen Editionen sind entsprechend der Vorlage wiedergegeben (Gleiches gilt für die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtstexte). Solche Literatur steht in nicht zu überblickender Fülle zur Verfügung. Dank der großangelegten Digitalisierungsprojekte der letzten Jahre sind diese Arbeiten sehr gut im Internet erschlossen – kaum eine Arbeit, die sich dort nicht ndet. Was für die Eingrenzung überlieferter Prozessakten gilt, ist hier von noch größerer Bedeutung. Um der uferlosen zur Verfügung stehenden Literatur Herr zu werden, wurden lediglich diejenigen Schriften ausgewertet, deren Verwendung sich in der Praxis, d. h. durch Zitierung in den Akten, belegen ließ. Nur ausnahmsweise wurde auf „unzitierte“ Werke zurückgegriffen. Das war dann der Fall, wenn sich in einer Prozessschrift Ausführungen zu einer Literaturmeinung fanden, die nicht ausdrücklich auf eine Autorität bzw. ein bestimmtes Werk verwiesen. Um solche Lücken zu schließen, versuchte die Autorin, die hinter den

86 In: Archiv für Reformationsgeschichte – Archive for Reformation History, Bd. 72 (Dez. 1981), S. 299 ff. Die Empfehlung lehnt sich ihrerseits an Johannes Schultzes „Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte“, in: Walter Heinemeyer (Hrsg.), Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen, Marburg /Köln 1978, S. 25 ff. an.

Themenbegrenzung, Methodik und Quellenlage

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Ausführungen stehende Literatur aus ndig zu machen, auszuwerten und der Argumentation so eine nachträgliche Stütze zu verschaffen. 87 Da die Autorin es sich zur Aufgabe gesetzt hat, nicht nur die rechtlich intendierte Verwendung notarieller Urkunden zu Beweiszwecken zu untersuchen, sondern auch die hinter der Benutzung liegende Motivation der Urkundenverwender offenzulegen, wurde versucht, das ganze Quellenspektrum auszuschöpfen. Die Untersuchung umfasst daher Dokumente mit rechtlichen Bezügen, ratsherrliche und private Korrespondenzen, Gesandtenberichte, Zeitungen, Literatur und vieles mehr, ohne dass zunächst zwischen einzelnen Kategorien differenziert wurde. Die Idee war, dass aus all diesen Schriftstücken Rückschlüsse auf notarielle Betätigungsfelder und Einsatzgebiete gezogen werden können. Außerdem sollte die Durchsicht der frühneuzeitlichen Zeitungen 88 Aufschluss darüber gegeben, ob sich die Behauptungen des Hamburger Rates, einzelne Notare hätten es durch ihr betrügerisches Verhalten zu reichsweiter unrühmlicher Bekanntheit gebracht, in den Medien nachweisen lassen. 89 Dafür wurden eine regionale und eine überregionale Zeitung aus den Jahren zwischen 1745 und 1755 ausgewählt. In dieser Zeit hat sich der vermutlich größte Notarskandal Hamburgs ereignet. Angeblich soll sich der schlechte Ruf des Hamburger Notars Isaac Kochen bis an den kaiserlichen Hof nach Wien verbreitet haben. 90 Auf die Durchsicht einer nur auf den innerhamburgischen Markt ausgerichteten Zeitung wurde bewusst verzichtet. Wahrscheinlich hätte der Hamburger Rat eine Berichterstattung, die das hamburgische Notariatswesen allzu sehr in Verruf gebracht hätte, verhindert. Denn die städtische Wirtschaft war auf ein funktionierendes Notariatswesen angewiesen. Das war natürlich auch den Hamburger Ratsherren bewusst. Und so ließen sie sich zwar über einzelne, angeblich ungelehrte, stümperhafte kaiserliche Notare aus, vermieden es aber, das Notariatswesen im Ganzen anzugreifen. In Altona, dem größten Konkurrenten in Hamburgs Nachbarschaft, dürfte man diese Bedenken nicht geteilt haben. Die Nähe beider Städte hatte unter anderem eine Belebung des Zeitungsmarktes zur Folge. 91 Und 87 Das gilt insbesondere für die Ausführungen zum Kapitel „Quasinotar“, s. S. 202 ff. 88 Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten: mit allergnädigster Kayserlicher Freyheit; Altonarer Mercurius. 89 In anderen Zusammenhängen lassen sich Verleumdungen in Printmedien nachweisen, z. B. Johann Georg Biermann, So geht's in Hamburg: Oder: (. . . ) über die Schreibenden Beschwerden der Hamburger Schlösser- und Grobschmiedemeister gegen ihren Amtspatron (. . . ) von dem dortigen Magistrat bekannt gemachten fälschlichen Beschuldigungen, Berlin 1800; Conrad Friedrich Bülaw, Anderweitige Provocatio an E. E. Magistrat zu Hamburg wegen meiner, Conrad Friedrich Bülaw, in öffentlichen Zeitungen gesetzten und beschuldigten Verbrechen (. . . ), Hamburg 1708. 90 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, insbesondere Q 3 Supplication, fol. 7 r ff. 91 Hier und im Folgenden: Johannes Arndt, Herrschaftskontrolle durch Öffentlichkeit: Die publizistische Darstellung politischer Kon ikte im Heiligen Römischen Reich

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da der Hamburger Rat weder in die Altonaer Berichterstattung eingreifen konnte, noch die Möglichkeit hatte, die Hamburger Bevölkerung davon abzubringen, die Altonaer Presse zu lesen, bestand die größere Wahrscheinlichkeit, Informationen in Altonaer Zeitungen entdecken zu können. Flugblätter, die zu diesem Zweck sicherlich ebenfalls sehr aussagekräftig gewesen wären und deren Einsatz in den Gerichtsakten des Öfteren erwähnt wird, existieren für den Untersuchungszeitraum nicht mehr. Auch hier musste auf mittelbare Zeugnisse wie Stellungnahmen und Zitate, die sich besonders in Injurienprozessen wieder nden, zurückgegriffen werden. Die Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit dem Hamburger Rechtsgebiet. Die Frage, inwiefern sich die Ergebnisse der Untersuchung auf den Rest des Reiches übertragen lassen, ist zukünftigen Forschungen vorbehalten. Hier können allenfalls Vermutungen gewagt werden.

IV. Gang der Darstellung Der Einleitung (§ 1, S. 49 ff.) schließt sich ein Kapitel zur Begriffsbestimmung (§ 2, S. 79 ff.) an. In ihm sollen die in der Frühen Neuzeit begrifflich nicht trennscharf unterschiedenen Schreibertypen – Schreiber, Ratsnotar und kaiserlicher Notar – anhand des Ernennungsverfahrens, ihrer Tätigkeitsfelder und der Beweiskraft der von ihnen erstellten Urkunden voneinander abgegrenzt werden (§ 2 II, S. 86 ff.). Eingeleitet wird es mit einem Überblick über die Entwicklung des Schreiberwesens (§ 2 I, S. 79 ff.). Es schließt sich eine genauere Betrachtung der von kaiserlichen Notaren in Hamburg verrichteten Schreibertätigkeiten an. Dabei geht es um die unterschiedlichen Urkunden, die der Notar entweder im Ganzen erstellte (notarielle Urkunde, § 2 III 1, S. 101 ff.), an deren Erstellung er mitwirkte (notarielle Dorsalurkunden, § 2 III 3, S. 112 ff., und Siegelurkunden mit notariellem Vermerk, § 2 III 4, S. 113 ff.) oder an denen er zu einem späteren Zeitpunkt in irgendeiner Weise beteiligt war (notarielle Kopie und Beglaubigung, § 2 III 2, S. 108 ff.). Dem folgt das mit Abstand umfangreichste dritte Kapitel (§ 3, S. 118 ff.). Nach einem kurzen einleitenden Überblick zum frühneuzeitlichen Hamburger Zivilprozess und zur Beweistheorie (§ 3 I, S. 127 ff.) werden die Beweiskraft kaiserlicher Notarurkunden (§ 3 II 1, S. 138 ff.), der Umfang der Beweiskraft (§ 3 II 3, S. 143 ff.) und ihre Grenzen (§ 3 II 2, S. 140 ff.) beleuchtet. Da die Beweiskraft der Urkunden an die Einhaltung bestimmter diplomatischer Vorgaben (§ 3 II 4 a., S. 155 ff.) und eines bestimmten Beurkundungsprozederes (§ 3 II 4 b., S. 166 ff.) sowie an die persönliche Eignung des Notars gekoppelt war (§ 3 II 4 c., S. 183 ff.), werden diese im 1648–1750 [Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Universalgeschichte, Bd. 224], Göttingen 2013, S. 188 ff., bes. S. 189.

Gang der Darstellung

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Anschluss thematisiert. Einen weiteren Untersuchungsgegenstand bilden Hilfs- und Beurkundungsp ichten des Notars (§ 3 II 4 c. bb., S. 206 ff./cc., S. 213 ff.). Kapitel § 3 II 5, S. 228 ff. beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, die im frühneuzeitlichen Hamburg zur Verfügung standen, um die urkundliche Beweiskraft anzugreifen. Eingeleitet wird das Unterkapitel mit Ausführungen zur rechtlich versagten Glaubwürdigkeit (§ 3 II 5 a. aa., S. 234 ff.) sowie der Frage, inwiefern partikularrechtliche Einschränkungen der Beweiskraft möglich waren bzw. inwieweit diese dem kaiserlichen Regal zuwiderliefen (§ 3 II 5 a. bb., S. 235 ff.). Es folgt ein kursorischer Erklärungsversuch, weshalb sich in Hamburg, anders als in anderen Städten, kein eigenständiges Notariatsrecht ausbildete (§ 3 II 5 a. cc., S. 242 ff.). Sodann beschäftigt sich die Untersuchung mit den verschiedenen Möglichkeiten, die urkundliche des anzugreifen, nämlich dem Nachweis von Formfehlern (§ 3 II 5 b., S. 249 ff.) sowie dem Angriff auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Notars (§ 3 II 5 c., S. 251 ff.). Das dritte Kapitel endet mit der Darstellung willkürlicher, teils gewalttätiger Eingriffe des Hamburger Rates in das kaiserliche Notariatswesen (§ 3 II 5 d., S. 261 ff.) und den Mitteln, die dem Urkundenersteller oder Urkundenverwender zur Verfügung standen, sich gegen solche Angriffe zur Wehr zu setzen (§ 3 II 5 d. aa., S. 263 ff./bb., S. 266 ff.). Die Beschreibung der Willkür- und Gewaltakte öffnet den Blick für das eigentliche Herzstück der Untersuchung – die sich in Kapitel § 4, S. 275 ff. anschließende Suche nach den Beweggründen, die die Hamburger Bevölkerung dazu veranlasste, trotz dieser Gefahr auf die kaiserliche Institution zurückzugreifen, obwohl mit den Ratsschreiberurkunden vergleichbar beweiskräftige Urkunden zur Verfügung standen. Die Antwort ist in der Kapitelüberschrift bereits angedeutet: Die kaiserliche Institution gewährleistete selbstbestimmte, vom Rat unbeein usste Beurkundungen. Es ist der hervorragenden Überlieferungslage der Hamburger Testamente geschuldet, dass hier das Recht der (zumindest partiell) freien Vergabung exemplarisch für freiheitliche Festsetzungen herangezogen wird. Die Untersuchung beginnt deshalb mit einem kurzen Einblick in das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Recht der freien Vergabung in Hamburg (§ 4 I 1, S. 285 ff.). Anschließend wird anhand der überlieferten Testamente untersucht, inwiefern von diesem Recht tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. Zwei Testamente werden herausgegriffen, um an ihnen exemplarisch zu zeigen, dass das zugebilligte Vergabungsrecht durch Beein ussungen und Manipulationen vom Hamburger Rat unterminiert wurde (§ 4 I 2, S. 301 ff.). Der darauffolgende Abschnitt versucht zu ergründen, weshalb es zu diesen Beein ussungen kam (§ 4 I 3, S. 314 ff.), bevor im letzten Teil des vierten Kapitels dargestellt wird, dass die Menschen im frühneuzeitlichen Hamburg auf das kaiserliche Notariat zurückgriffen, um sich gegen die Beein ussungen zur Wehr zu setzen (§ 4 II, S. 320 ff.). Um diese These zu untermauern, werden im Folgenden verschiedene Argumentationslinien zusammengeführt. Zunächst zeigen mittelalter-

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liche Quellenfunde, dass die Anfänge des kaiserlichen Notariatswesens im Hamburger Raum schon in das 13. Jahrhundert datieren (§ 4 II 1, S. 321 ff.). Dennoch wandte man sich der Institution erst in der frühen Neuzeit mit zunehmender ratsherrlicher Beein ussung in größerem Umfang zu (§ 4 II 2, S. 323 ff.). Vermutlich können die Hamburger Katholiken als eine besonders gegängelte Bevölkerungsschicht für die Etablierung des kaiserlichen Notariatswesens hier eine Vorreiterrolle beanspruchen, wie Abschnitt § 4 II 3, S. 327 ff. zeigt. Den Abschluss der Untersuchung bildet Kapitel § 5, S. 336 ff. In ihm werden die maßgeblichen Ergebnisse zusammengefasst und ihre Tragweite erörtert.

§ 2 Notare und ihre Schriftstücke Eines Abends (. . . ) erschien gegen halb acht Uhr in einer dieser Gerichtsstuben in großer Eile ein junger Mensch (. . . ) und zog aus seiner Rocktasche einen langen, schmalen Pergamentstreifen, auf den der diensthabende Schreiber einen unleserlichen schwarzen Stempel drückte. Dann legte er vier Papierschnitzel von ähnlichen Dimensionen vor, deren jeder eine gedruckte Abschrift des Pergamentstreifens enthielt – mit einem freien Raum darunter für einen Namen –, ließ die freien Räume ausfüllen, steckte die fünf Dokumente wieder in die Tasche und enteilte. (Charles Dickens, Die Pickwickier, 30. Kapitel)

Bevor der notarielle Urkundenbeweis und die Motivation der Hamburger Bevölkerung, in der Frühen Neuzeit auf dieses Beweismittel zurückzugreifen, in den Fokus rücken, müssen zunächst einige Begrifflichkeiten erläutert werden. Der Frage, was eigentlich unter einer notariellen Urkunde zu verstehen ist, kommt wohl die größte Bedeutung zu. Der erste Blick geht ins Lexikon. Unter dem Stichwort „Notarielle Urkunde“ ndet man folgende Umschreibung: Eine notarielle Urkunde ist ein „Schriftstück, dessen Inhalt (. . . ) durch einen Notar (. . . ) beurkundet wird“ 92. Ein Zugriff auf notarielle Schriftstücke ist also ohne eine vorgeschaltete Erläuterung des Berufsbildes nicht möglich. Widmen wir uns daher zunächst dem frühneuzeitlichen Berufsbild des Notars. Zuvor soll aber noch ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Notariats- und Schreiberwesen gegeben werden.

I. Überblick – vom antiken zum frühneuzeitlichen Schreiberwesen Das antike römische Recht kannte unterschiedliche Arten von Berufsschreibern – Tabularii und Tabellionen. 93 Nur den von Tabularii erstellten Urkunden kam eine gegenüber dem Zeugenbeweis und dem Beweis durch Privaturkunden gesteigerte 92 Die Zeit. Das Lexikon, Bd. 10, Hamburg 2005. Auch die frühneuzeitliche Literatur knüpft notarielle Schriftstücke an eine Erstellung durch einen Notar: Bei der Examinierung am Reichkammergericht wurde dem Notar eine De nition von „Notar“ abverlangt. Diese lautete: Ein Notar ist „ein offener Schreiber / der alles was gehandelt wirdt / trewlich beschreibt“, s. Abraham Saur, Dives notariorvm penvs, Das ist: Ein new / schön / außerlesen Formula vnd volkomlich Notariats-Buch oder Spiegel (. . . ), Frankfurt am Main 1595, S. 115. 93 Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 12 ff.; Max Kaser/Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, Au . 19, München 2008, S. 80 f.

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Notare und ihre Schriftstücke

Beweiskraft zu – den anderen nicht. Diese Besonderheit erklärt sich aus der Zugehörigkeit der Tabularii zur Administration. Ihren Urkunden wurde Glauben geschenkt, weil man Vertrauen in die Verwaltung, der die Tabularii zugehörig waren, legte. 94 Den Urkunden, die außerhalb der Administration errichtet worden waren und auch keine sonstige Anbindung an den Staat aufwiesen, wurde hingegen keine gesteigerte Glaubwürdigkeit beigemessen. Mit dem Untergang des römischen Imperiums gerieten die Unterschiede der Schreiber- und Urkundentypen in Vergessenheit. Bis zum 11. Jahrhundert wurden Schreiber im weltlichen Bereich, insbesondere bei Gericht, eingesetzt. Dort fertigten sie stellvertretend für Richter Schriftstücke aus. Den Richtern war es bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Gericht, aber auch wegen ihrer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung vorbehalten, glaubwürdige Schriftstücke aufzustellen. 95 Auch hier ndet sich also eine Verbindung zwischen der glaubwürdigen Institution und der gesteigerten Beweiskraft des Schriftstücks. Daneben scheint man auch dem persönlichen Ansehen des Richters eine gewisse Bedeutung eingeräumt zu haben. Zum Ende des Jahrhunderts am Übergang vom 11. zum 12. Jahrhundert vollzog sich dann ein „höchst bedeutsamer Wandel“ 96 im Urkundenwesen. Die ursprünglich vorherrschende, aus der römischen Tradition 97 entwickelte dispositive Carta – eine subjektiv abgefasste Geschäftsurkunde, in welcher der Aussteller vor Zeugen ein Rechtsgeschäft abschloss, von einem Notar verzeichnen ließ und anschließend dem Empfänger übergab – wurde durch eine objektiv abgefasste Beweisurkunde (notitia oder breve), in der die vollzogene Handlung von einem Schreiber mitgeteilt wurde, fast vollständig verdrängt. 98 Außerdem lassen sich in dieser Zeit erstmals Schreiber nachweisen, die selbst keine institutionelle Anbindung aufwiesen oder in Stellver-

94 Winfried Trusen, Zur Geschichte des mittelalterlichen Notariats, in: Winfried Trusen (Hrsg.), Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Goldbach 1997, S. 659* ff., S. 661*f. 95 Gero Dolezalek /Karl Otto Konow, Art. Notar/Notariat, in: HRG III (1984), Sp. 1043ff., Sp. 1043; Winfried Trusen, Das Notariat und die Anfänge der rechtlichen Urkundenlehre in Deutschland, in: ders., Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Goldbach 1997, S. 583* ff., 584*. 96 Oswald Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters, Darmstadt 1967, S. 209. 97 Max Kaser, Das römische Zivilprozessrecht, in: Handbuch der Altertumswissenschaft 10.3.4., Au . 2, München 1996, § 92 II. 4. 98 Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 108; Redlich, Privaturkunden des Mittelalters, S. 108. Kritisch zu den Begrifflichkeiten: Winfried Trusen, Zur Urkundenlehre der mittelalterlichen Jurisprudenz, in: ders. (Hrsg.), Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Goldbach 1997, S. 635* ff., 655*f.

Überblick – vom antiken zum frühneuzeitlichen Schreiberwesen

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tretung für einen Richter handelten, deren Urkunden aber dennoch eine gesteigerte Beweiskraft zukam. 99 Die Unterscheidungen des antiken römischen Rechts zwischen Privatschreibern ohne institutionelle Anbindung, deren Urkunden keine volle Beweiskraft zukam, und institutionell eingebundenen Schreibern, die den Urkunden die institutionelle Glaubwürdigkeit vermittelten, verschmolzen. Es entstand ein „neue[r], allgemein einsetzbare[r] Urkundentyp“, der von den Schreibern meist mit dem aus dem römischen Recht entliehenen Begriff Instrumentum bezeichnet wurde und ansonsten mit den Schriftstücken des römischen Verwaltungsschreiberwesens kaum noch etwas gemein hatte. 100 Das Instrumentum – eine nachträglich verfasste Schrift zu jedermanns Beweis 101 – wurde entweder im objektiven oder im subjektiven Stil abgefasst. Dieser Urkundentypus entbehrte zunächst einer rechtlichen Grundlage. Mit der zunehmenden Verbreitung schriftlicher Zeugnisse im öffentlichen, aber auch im privaten Bereich und den steigenden Anforderungen an deren inhaltliche Komplexität zeichnete sich die Notwendigkeit ab, die neue Beurkundungsform rechtlich zu untermauern. Dabei griffen die mittelalterlichen Glossatoren und Kommentatoren auf das römische Recht zurück, das sie als ratio scripta anerkannten. 102 Sie versuchten, das vorgefundene mittelalterliche Schreiberwesen mit dem antiken Recht in Einklang zu bringen und schufen so die Grundlagen des Notariatswesens, wie es bis zum Ende des Alten Reichs bestand hatte. 103 Die künstliche Koppelung an das römische Recht war vordringlich. Die ursprüngliche Differenzierung zwischen unterschiedlichen Schreibertypen der Antike vernachlässigte man. Versehentlich, wie Hans Voltelini annahm 104, geschah die Vermengung der Regelungen zu Tabularii und Tabellionen bei der rechtlichen Untermauerung des mittelalterlichen Notariatswesens sicherlich nicht. Man ignorierte Ungereimtheiten schlicht, wenn man sie durch eine extensive Auslegung oder zum Teil über die Wort-

99 Trusen, Das Notariat und die Anfänge der rechtlichen Urkundenlehre S. 584*. 100 Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 108; Redlich, Privaturkunden des Mittelalters, S. 116f. 101 „[S]criptura facta ad alicuius probationem in posterum faciendam“, s. Henricus de Segusio, Summa fol. 103 (s. Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 117 [dort Fn. 55]). 102 Franz Wieacker, Ratio scripta. Das römische Recht und die abendländische Rechtswissenschaft, in: ders. (Hrsg.), Vom römischen Recht: Wirklichkeit und Überlieferung, Leipzig 1944, S. 195 ff. Kritisch zum Argument der ratio scripta: Stephan Meder, Urteilen: Elemente von Kants re ektierender Urteilskraft in Savignys Lehre von der juristischen Entscheidungs- und Regel ndung [Ius commune: Sonderhefte, Studien zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 118], Frankfurt 1999, S. 89 (dort Anm. 33). 103 Schulte, Scripturae publicae creditor, S. 9; anders: Voltelini, Notariats-Imbreviaturen I, S. XXIII, er hält die Vermengung der Institutionen für eine Verwechslung. 104 Voltelini, Notariats-Imbreviaturen I, S. XXIII.

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lautgrenzen hinausgehende „Interpretation“ des römischen Rechts nicht beseitigen konnte. 105 Schon kurz nach der Gründung der Universität Bologna entwickelte sich ein eigenständiges Lehrfach, das sich mit den Grundsätzen des notariellen Urkundenwesens befasste (ars 106 notaria). 107 Zunächst produzierte die neue Fachrichtung vornehmlich Formularsammlungen, die den Schreibern als Vorlage dienten, ohne die Beurkundungen selbst auf ein theoretisches Fundament zu stellen. 108 Recht bald

105 Trusen, Urkundenlehre der mittelalterlichen Jurisprudenz, S. 648*. 106 Zur inhaltlichen Ausfüllung des „ars“-Begriffs im Mittelalter, s. Hanns Peter Neuheuser, Ars aedi candi – ars celebrandi – Zum pulchritudo-Verständnis in den Kirchweihbeschreibungen des Abtes Suger von Saint Denis, in: Ingrid Craemer-Ruegenberg/ Andreas Speer (Hrsg.), Scientia und ars im Hoch- und Spätmittelalter – Albert Zimmermann zum 65. Geburtstag [Miscellanea Mediaevalia, Bd. 22,1], Berlin [u. a.] 1994, S. 981ff., S. 994. 107 Zur Entwicklung des Lehrfachs aus der Rhetorik: Mieczyslaw Markowski, Von den mittelalterlichen Ansätzen eines Wandels zum kopernikanischen Umbruch im Wissenschaftsverständnis, in: Ingrid Craemer-Ruegenberg/Andreas Speer (Hrsg.), Scientia und ars im Hoch- und Spätmittelalter – Albert Zimmermann zum 65. Geburtstag [Miscellanea Mediaevalia, Bd. 22,1], Berlin [u. a.] 1994, S. 79ff., S. 83; Jana Nechutová, Die lateinische Literatur des Mittelalters in Böhmen [Bausteine zur slavischen Philologie und Kulturgeschichte: Reihe A, Slavistische Forschung, N. F., Bd. 59], Köln [u. a.] 2077, S. 130 (dort Anm. 193). 108 Moritz August von Bethmann-Hollweg, Der Civilprozeß des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung, (Bd. 6: Der germanisch-romanische Civilprozeß im Mittelalter, TBd. 3: Vom zwölften bis zum fünfzehnten Jahrhundert: Der römisch-canonische Civilprozeß), Bonn 1874, S. 159 ff.; Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 23. Zu den mittelalterlichen Formularsammlungen: Ludwig Rockinger, Briefsteller und Formelbücher des elften bis vierzehnten Jahrhunderts, München 1863–1864 (ND New York 1961: Burt Franklin research & source works series, Bd. 10); Ludwig Rockinger, Ueber Briefsteller und Formelbücher in Deutschland während des Mittelalters – Ein Vortrag, München 1861; Ludwig Rockinger, Ueber formelbücher vom dreizehnten bis zum sechszehnten jahrhundert als rechtsgeschichtliche Quellen, München 1855. Für die Frühe Neuzeit u. a.: N. N., Notariatbuch / Wes einem Notarien oder Schreiber / aller seiner Practic / in ieden Sachen / Contracten (. . . ), Frankfurt 1535; Alexander Machholth, Formular Oder SchreiberBuch (. . . ), Eisleben 1560; Saur, Dives notariorvm penvs (1592); Moritz Breunle, Ain kurtz Formular vnd Cantzley büchlin (. . . ), Augsburg 1546. Eine Auflistung von Formularsammlungen seit dem 16. Jahrhundert mit einer kurzen inhaltlichen Übersicht bietet zudem Johann Stephan Pütter, Zugaben zur Anleitung zur Juristischen Praxi als deren zweyter Theil (. . . ), Göttingen 1802, S. 1ff. Aus neuester Zeit: Inga Zerbes, Wirkung der Reichsnotriatsordnung von 1512 im Deutschen Reich bis 1806, in: Mathias Schmoeckel/Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 75ff., S. 79ff.

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wurde das Betätigungsfeld erweitert und die Gelehrten widmeten sich nicht nur der Kunst des Urkundenabfassens, also dem, was man heute dem Bereich der Diplomatik zuordnet, sondern auch rechtlichen Bezügen. 109 Zwar lehnte sich die neue Disziplin an die herrschende weltliche Rechtslehre an, sie fand aber auch eine rechtliche Begründung in der kirchlichen Jurisprudenz. Dies kann als deutliches Zeichen für die praktische Relevanz des Notariatswesens gewertet werden. 110 Als wissenschaftliches Lehrfach löste sich die ars notaria allmählich von ihrer früheren Zuordnung zur ars dictandi 111 und beanspruchte fachliche Eigenständigkeit. 112 Die zum Urkundenbeweis einschlägige Literatur entwickelte sich vornehmlich aus den Kommentierungen zu C. 4.21. (De de instrumentorum) und X 2.22. (De de instrumentorum), aber auch im Kontext mit der Erörterung des Schreiberwesens in den Nov. 44 (De tabellionibus ut protokolla in chartis reliquant)/47 (Ut nomen imperatoris instrumentis et actis praeponatur)/73 (De instrumentorum cautela et de) oder im Kontext des gerichtlichen Beweisverfahrens – dort besonders im Zusammenhang mit verschiedenen Beweismitteln (De probationibus, C. 4.19.; De probationibus et praesumptionibus, Dig. 22.3.; De testibus, C. 4.20.; De testibus, Dig. 22.5.). Bis heute sind große Mengen mittelalterlicher Literatur zum notariellen Urkundenwesen erhalten. 113 Die bedeutendsten Autoren, wie Durantis, Passagerii, Salatiele und Tancred, setzten mit ihren Ansichten Maßstäbe, die über Jahrhunderte Bestand hatten. Wesentliche Merkmale frühneuzeitlicher notarieller Urkunden lassen sich in ihren Werken bereits nachweisen – insbesondere was den Urkundenaufbau, aber auch die den Instrumenten zugestandene erhöhte Glaubwürdigkeit betrifft.

109 Der Begriff „Diplomatik“ lässt sich erst seit dem 18. Jahrhundert nachweisen und geht wohl auf eine Schrift des Benediktinermönchs Jean Mabillon (1632–1707) mit dem Titel „De re diplomatica“ (Paris 1709) zurück. Zur Einordnung notarieller Urkunden in diplomatischer Hinsicht sowie kritisch zur fehlenden Beachtung rechtlicher Bezüge bei der Einordnung der Urkunden s. Sarah Bachmann, Frieden durch Sicherheit, in: Viktoria Draganova [u. a.], Inszenierung des Rechts [ Jahrbuch Junge Rechtsgeschichte, Bd. 6], München 2011, S. 177 ff., S. 182 ff. 110 Zum Zusammenhang von weltlichem und kirchlichem Notariat s. Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 69. 111 Franz-Josef Schmale, Die Bologneser Schule der Ars dictandi, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Bd. 13 (1957), S. 16 ff. 112 Peter Weimar, Art. Ars notariae, in: LexMA I (1980), Sp. 1045ff.; Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 23. 113 Zur Entwicklung und den wichtigsten Schriften der ars notaria s. Wolf-George Harms, Einführung, in: BNotK (Hrsg.), Bibliographie zur Geschichte des deutschen Notariats, Würzburg 2007, S. 9 ff., zusammenfassend auch Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 19ff.

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Ihre Lehren spiegeln sich auch in der reichsrechtlichen Kodi kation zum Notariatswesen wider (z. B. die formellen Voraussetzungen der Beurkundung § 3 Einl. RNO). Beide fordern überwiegend die Einhaltung der gleichen Formvorgaben. Außerdem wandten, soweit sich das nach den Angaben in den Urkunden rekonstruieren lässt, beide das gleiche Beurkundungsverfahren – Öffentlichkeit der Beurkundung, Anwesenheit der Zeugen, Protokollierung etc. – an. Der Erlass der Reichsnotariatsordnung bezweckte nur, die in der Praxis wichtigsten Regelungen 114 deutlich aus der uferlosen Literatur herauszuheben und in schriftlicher Form allgemeingültig zu xieren. 115 Dadurch wurde weder Recht neu geschaffen oder vereinheitlicht noch handelte es sich bei der RNO um ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht, wie dies zum Teil behauptet wurde. 116 Die Notariatsordnung wiederholte und verfestigte nur wichtige Ausschnitte der umfangreichen mittelalterlichen Doktrin, die in ihrer Vollständigkeit weiterhin in Anwendung blieb. 117 Auf die dortigen Ausführungen zu Contractus, Obligatio, Stipulatio, Arbiter, Pfand, Miete, Schenkung, Quittung etc. wurde also auch nach dem Erlass der RNO zurückgegriffen. 118 Dass das kaiserliche Notariatswesen selbstverständlich alle bereits in den mittelalterlichen Lehren vorhandenen Tätigkeitsbereiche eines Notars abdeckte, verdeutlicht ein Blick in die Archivalien. Im Hamburger Staatsarchiv lagern große Mengen notarieller Kopien und Beglaubigungen – beides Urkundenformen, die die RNO

114 Geregelt wurden daher nur die allgemeinen Voraussetzungen der Urkundserstellung und solche Bereiche, denen ein besonders hohes Betrugsrisiko anhaftete, wie Vollmachten und Testierungen – also Bereiche, in denen sich die Betrugsopfer im Zweifelsfall nur schwer bzw. überhaupt nicht zur Wehr setzen konnten. Außerdem enthielt die Reichsnotariatsordnung Organisations- und Verfahrensnormen zur Zustellung und Ladung im Rahmen reichskammergerichtlicher Verfahren. Diesen Regelungen kam eine besondere Bedeutung zu, weil die Gerichtsordnung des neugegründeten Reichskammergerichts eine Zuziehung von kaiserlichen Notaren zu Prozesshandlungen vorschrieb, ohne jedoch deren Aufgabenbereich und den rechtlichen Rahmen ausdrücklich festzulegen. 115 So auch Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 46. 116 Hermann Conrad, Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, in: DNotZ 1960, S. 3 ff., S. 7. 117 Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 45f. 118 Z. B. Johann Rudolph Sattler, Thesaurus Notariorum, Das ist: Ein vollkommen Notariat: und Formularbuch (. . . ), Basel 1615; Volckmann, Notariatskunst (1621); von Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677); Franz Heinrich Schade, Der auf neue Manier abgefaste und expedite Notarius (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1714; N. N., Notariat und Schreiber-Kunst, Wes sich ein Notarius oder Schreiber in seinem Ampt, mit allenn Cautelen, Gebräuchen vnnd Regelen, nach außweisung beyder Rechten, zuhalten habe, Straßburg 1529; Bolz, In foro (1732).

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nicht kannte und denen das Hamburger Recht die Glaubwürdigkeit versagte. 119 Auch Beurkundungen für den Wirtschaftssektor – wohl der wichtigste Bereich notariellen Handelns in Hamburg – sind trotz fehlender Regelungen in der RNO sehr häu g in den Überlieferungen zu nden. 120 Dasselbe gilt für Armutsbescheinigungen, Zeugenverhöre usw. 121 Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden, denn

119 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 10, Beilage C; StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), Anlage Num. XXIX–LXVI; StA HH, Senat 111-1, Nr. 1327, Protokolleintrag Nr. 14 vom 26.11.(1554?). 120 Beispielsweise richtete sich der Notar Christoph Heinrich Hoyer in einer Zeitungsannonce ausdrücklich nur an die Hamburger Handels- und Kaufleute. S. Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 7.3.1752, Nr. 38, S. 4.; auch spricht für die überragende Bedeutung des kaiserlichen Notariats im Bereich des Handelswesens, dass eine große Zahl der Hamburger Notare keine Immatrikulation am Reichskammergericht gehabt zu haben scheint. So waren beispielsweise in einem Schadensersatzprozess aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49) von 14 zugezogenen Notaren lediglich drei immatrikuliert. Die übrigen waren also nur befugt, außerhalb der Höchstgerichte tätig zu werden. Das hat den für den Handel tätigen Notaren aber nicht geschadet, wie in der Akte ausgeführt wird (StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 68ff.). Da die Einschreibung für die im Wirtschaftsbereich tätigen Notare keinen Mehrwert versprach, ließen sich viele Notare in Hamburg nicht immatrikulieren. Dies widerspricht der Einschätzung Mathias Schmoeckels, der davon ausgeht, dass die Mehrzahl der frühneuzeitlichen Notare an einer Immatrikulation am RKG interessiert gewesen sei (Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 37 mit Verweis auf Vogel, Gemeinrechtliches Notariat, S. 49). Tatsächlich scheint es zeitweise so wenige immatrikulierte Notare in Hamburg gegeben zu haben, dass man sie von außerhalb anwerben musste, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 68. Für eine enge Verbindung des Notariatswesens in Hamburg mit der Wirtschaft spricht zudem die Tatsache, dass sich die Wohn- und Arbeitsstätten – soweit sich dies nachvollziehen lässt – überwiegend in unmittelbarer Nähe zu wichtigen Wirtschaftsknotenpunkten, insbesondere in der Nähe der Börse befanden. Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 10, Beilage A [Behausung an der Börse]; StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 2, Beilage Lit. A Instrumentum Appellationis [ Johann Georg Ohm, Schreibstube bei der Börse gelegen]; StA HH, RHR 211-2, Nr. 244, Q 4, Beilage Nr. 10 [Caspar Retzer: Behausung auf dem Kirchhof zu St. Katharina in ca. 200m Entfernung zur Börse gelegen]; StA HH RKG 211-2; Nr. B 131, Instrumentum Protestationis super attentatis [Hermannus Pedichius: Behausung in der großen Bäckerstraße, in ca. 160 m von der Börse gelegen]; Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 7.3.1752, Nr. 38, S. 4 [Christoph Hinrich Hoyer: Dienststube im Blanckischen Comtoir neben der Börse]. 121 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. 1327, Protokolleintrag Nr. 5 Instrumentum paupertatis vom 26.1.1551; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 22 Notargutachten zu Hamburger Rechtsgep ogenheiten bei der Testamentserstellung; StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43, Instrumentierte Urkund daß Wetkens Wittib und deren nesten zu Hamburgk noch leben; StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 31 notarielles Zeugenver-

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Notare konnten in nahezu sämtlichen Lebensbereichen zur Beurkundung hinzugezogen werden. Dies war unter anderem der Grund, weshalb ein Notaranwärter auf die Frage des Hofpfalzgrafen, welche Beurkundungen denn zugelassen seien, zu antworten hatte: „Alle, welche in Rechten nicht verboten sind.“ Die verbotenen seien solche, „[d]ie wider gute Sitten lauffen, als die Wucherliche Händel, Vergleiche wegen eines Ehebruchs, Diebstahls, und andern Verbrechens. Es sind auch verboten, erdichtete Schein- und alle Händel, bey welchen ein Irrthum, Betrug, Furcht, Drohung, Zwang oder unzuläßlicher Vergleich mit unterläuffet. Desgleichen aller Handel, in welchem etwas vorgenommen wird wider die Ehre, Würde, der Sicherheit der Kayserl. oder Königlichen Majestät und dergleichen. Und endlich ein Handel über Lehngut, so ohne Einwilligung des Lehn-Herrn veräussert wird.“ 122

Dies galt auch schon in den mittelalterlichen Lehren. Winfried Trusen behält also Recht, wenn er feststellt: „Die Reichsnotariatsordnung bringt inhaltlich nichts Neues, Sie schärft lediglich „zur Unterrichtung“ die Lehren der Jurisprudenz ein“. 123

II. Vom Notar beurkundet – Abgrenzung Schreiber, Ratsnotar und Notar Die überwiegende Zahl der Hamburger Archivalien der Frühen Neuzeit wurde von Berufsschreibern aufgezeichnet bzw. beglaubigt. Sehr häu g ndet sich am Ende einer Urkunde eine Unterschriftenformel, die einen Hinweis auf diese Personen enthält. Sie bezeichnen sich selbst als schriber, Protonotarius, Secretarij, tabellio und als notarius, sehr selten mit dem Zusatz civitatis, häu ger aber mit der Ergänzung imperiale auctoritate. 124 Auffällig ist, dass diese Begrifflichkeiten nicht einheitlich und hör; StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, fol. 69 r ff., s. auch StA HH, RKG 211-2, Nr. S 82 Teil 1, Q 8 Instrumentierte Kindschaft. 122 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 274ff. 123 Trusen, Mittelalterliches Notariat, S. 381; Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 45f.; Silke Pettinger, Vermögenserhaltung und Sicherung der Unternehmensfortführung durch Verfügungen von Todes wegen. Eine Studie der Frühen Augsburger Neuzeit [Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 5], Berlin 2007, S. 121. 124 Die untersuchten notariellen Urkunden wurden alle von kaiserlichen Notaren verfasst. Zum Teil variierten aber die Zusätze. So fanden sich vereinzelte Urkunden, hauptsächlich aus der Zeit vor der Reformation, in denen der kaiserliche Notar zusätzlich eine päpstliche Autorisation aufwies. In wenigen Fällen wurden die kaiserlichen Notare anscheinend auch zusätzlich von der Stadt autorisiert, s. z. B. StA HH, Senat 111-1, Cl. X Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea

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häu g synonym verwendet wurden. 125 Beispielsweise verlangt das Stadtrecht von 1603/05 I 5, 1, dass am Niedergericht ein „notarius“ tätig sein solle. Tatsächlich scheint es aber so gewesen zu sein, dass man hierzu häu g einen (nicht autorisierten) Schreiber der städtischen Kanzlei abordnete. Von den dortigen Schreibern konnten während des gesamten Untersuchungszeitraums nur zwei als kaiserlich autorisierte Notare identi ziert werden. 126 Insgesamt ndet sich überhaupt nur ein einzelner Fall, in dem ein ordentlich kreierter Notar am Niedergericht tätig geworden sein könnte 127: Am 20. Mai 1574 lief ein Hamburger Schiff während einer Spring ut auf Sand. Die ganze Sache ereignete sich etwas westlich von Hamburg in Höhe der Stadt Stade. Für den dortigen Flussabschnitt behaupteten nun aber zwei holsteinische Junker ein Bergungsrecht. Die Bergungen ließen sie sich natürlich vergüten, wobei der Preis einer Bergung üblicherweise über den reinen Arbeitskosten und einer Gefahrenzulage lag. Diese Kosten wollten die Schiffer aber nicht bezahlen, weshalb sie selbst versuchten, das Schiff zu befreien. Damit erregten sie wiederum den Unmut der Junker, die ihr Bergungsrecht mit Waffengewalt zu verteidigen versuchten. Und irgendwie ging „das Schiff sammt dem größten Theile der geladenen Steinkohlen [dabei] völlig verloren“. 128 Vor Gericht versuchte man anschließend, den ziemlich verworrenen Sachverhalt zu rekonstruieren. Dazu entsandte der Hamburger Rat einen notar. Dieser Mann sollte die Schiffsmannschaft wegen ihres in der Elbe gestrandeten Schiffes befragen

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vom 3.4.1703 [MF: S 9261 D, 221]); StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 13 notarielles Instrument (hier bezeichnet sich der Notar als des „Ehrbarenn Hochweisen Raths der Stadt Hamburgk geschworener Canzleij und Mühlenschreiber“; StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, Beilage Lit. C (Q 8), Anlage Num. XXIII notarielle Ausfertigung einer Kopie von einem kaiserlichen Notar und Zehnpfennigsmeister. So auch Adam Volckmann, Notariatskunst, Das ist: Handbuch für die Notarien vnd andere Gerichts und Schreiberey verwandte (. . . ), Erster Theil, Leipzig 1621, Vorrede. Er nennt nicht weniger als acht verschiedene Benennungsmöglichkeiten, die zeitgleich in Gebrauch gewesen sein sollen: Notarii, Tabelliones, Servi publici, Judices ordinarii, Librarii, Scriniarii, Scribae und Protocollistae. Ähnlich: Wolfgang Adam Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (. . . ), Vol. II, Tübingen 1706, L. XXII Tit. IV n. XXV (S. 282). S. StA HH, Senat 111-1, Cl. X Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]); StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 13 notarielles Instrument. Rudolf Brinkmann, Aus dem Deutschen Rechtsleben – Schilderung des Rechtsganges und des Kulturzustandes der letzten drei Jahrhunderte auf Grund von Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Akten des kaiserlichen Kammergerichts, Kiel 1862, S. 128ff., S. 131. Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 129.

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und eine Verklarung 129 aufnehmen. Zur Beurkundung brachte er zwei Zeugen mit, außerdem vermerkte er alle Erklärungen in einem Protokoll. Zu beidem wäre er verp ichtet gewesen, wenn er den Status eines kaiserlichen Notars gehabt hätte. Sicher ist sein Status aber nicht. Denn dieser wurde nirgendwo ausdrücklich vermerkt. Wenige Jahre später lassen sich dann Urkunden nachweisen, die er unzweifelhaft als kaiserlicher Notar beurkundete. 130 Vor 1512, schreibt Oesterley, „scheint der notarius noch gar kein Kunstausdruck für eine gewisse Art von Schreiber gewesen zu sein“. 131 Aus der Bezeichnung notarius könne danach also nicht per se geschlossen werden, dass es sich um einen Notar in der Art reichsrechtlicher Notare, wie sie in der Reichsnotariatsordnung beschrieben seien, handelte. Aber auch nach dem angesprochenen Erlass der Reichsnotariatsordnung von 1512 waren die Begrifflichkeiten noch lange nicht verfestigt. Da es offensichtlich an einer trennscharfen Terminologie mangelte, sind Abgrenzungen über Unterschiede in den Tätigkeitsbereichen, über persönliche oder urkundliche Merkmale erforderlich. Das frühneuzeitliche hamburgische Schreiberwesen kannte im Wesentlichen drei verschiedene Schreibertypen: Schreiber, Ratsnotare und Notare. 132 129 Eine Verklarung ist eine Erklärung des Kapitäns, u. U. auch seiner Mannschaft, zu einem während einer Schiffsreise eingetretenen Schiffsunfall. 130 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1579 V 14 (Testament des Rheder, Matthias, Bürgermeister vom 14. 5. 1579 [MF: S 9263 D, 104]); ebenso in StA HH, RKG 211-2, Nr. H 174. 131 Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 392; so auch N. N., Gründliche und ausführliche Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1747, S. 26; Franck Roumy, Histoire du notariat et du droit notarial en France, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Tradition [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, B. 12], Baden-Baden 2009, S. 125 ff., S. 125 f. (hier für den französischen Raum); Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 174 f. Zur ursprünglichen Unterscheidung der verschiedenen Schreibertypen: Adrinani van Royen, Dissertatio Juridica Inauguralis De Fide Instruemtorum, Leiden 1742, § V (S. 11 f.). 132 Die frühneuzeitlichen Sekretär-Bücher, z. B. Georg Philipp Harsdörffer, Der teutsche Secretarius. Das ist: Allen Canzeylen / Studir- und Schreibstuben nützliches / fast nothwendiges / und zum vierdtenmal vermehrtes Titular- und Formularbuch (. . . ), Bd. 1, Au . 4, Nürnberg 1661 (dazu Maria Barbara Lange, Sprachnormen im Spannungsfeld schriftsprachlicher Theorie und Praxis – Die Protokolle der Commerzdeputation Hamburg im 17. Jahrhundert [Studia linguistica Germanica, Bd. 93], Berlin 2008, S. 102ff.) unterscheiden für gewöhnlich nur zwei Großgruppen: Notare und Sekretäre, wobei die Sekretäre in eine Unzahl verschiedener Untergruppen untergliedert werden. Die in der vorliegenden Arbeit vorgenommene Dreiteilung orientiert sich sowohl an der Autorisation der Schreibenden (obrigkeitlich – privat) als auch an der (Beweis-)Wirkung der erstellten Urkunden (Beweis gegenüber jedermann: reichsweit/ stadtintern – Beweis gegenüber dem Ersteller).

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1. Schreiber Der einfache Schreiber zeichnete sich lediglich dadurch aus, dass er schriftkundig war. Ihn ndet man in Hamburg vornehmlich im wirtschaftlichen Bereich, wo er als weisungsgebundener Angestellter eines begüterten Kaufmannes seine Arbeit verrichtete. 133 Von ihm verfertigte Korrespondenzen, Auflistungen, Rechnungen etc. sind grundsätzlich in den Bereich der Privataufzeichnungen 134 einzuordnen, denen im Prozess keine gegenüber anderen Schriftstücken hervorgehobene Bedeutung zukam. Anders war das hingegen bei den von ihm gep egten Handelsbüchern. Für diese bzw. die darin niedergelegten Tatsachen galt eine Beweiserleichterung. 135 Die Richtigkeit des eingetragenen Inhaltes wurde vermutet. Das führte zu einer Verschiebung der Beweislast. Der Gegner hatte im Prozess die Vermutung der Richtigkeit der Bucheintragung zu widerlegen. Diese Wirkung kennen wir heute noch z. B. von der positiven Publizität der Eintragungen in Handelsregistern. Im Gegensatz zu den Schriftstücken von Notaren und Ratsschreibern setzte die beweisrechtliche Wirkung der Handelsbücher nicht voraus, dass die Eintragung von einer bestimmten, dazu berufenen Person vorgenommen wurde. Grundsätzlich konnte jeder, der in dem betreffenden Handelsgeschäft tätig war, Bucheintragungen vornehmen und damit Beweismittel von hervorgehobener Relevanz schaffen.

133 Zum Schwerpunkt notarieller Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft: Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 21 f. 134 Harry Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1, Leipzig 1912, S. 3. 135 StR 1603/05 I 30, 7: „Da aber der Kauff- und Handelsmann, der eines guten Namens gewesen, todts verfahren were, und seine Handels-Bücher, in massen wie vorgedacht, gehalten hette, sol denselben Büchern nach seinem Tod vollkommener Glaube gegeben werden und darauf erkandt werden.“, dazu Johann Karl Gries, Commentar zum Hamburgischen Stadtrecht von 1603, Bd. I, Hamburg 1837, S. 114f. Vgl. auch Nicolai Gothofredi Steuernagel, Nicolai Gothofredi Steuernagels Memorabilia Statutorum Lubecensium & Hamburgensium Axiomatico – Harmonica. (. . . ), Altona 1731, S. 105ff. Da die Niederschrift in Handelsbüchern auch nach dem Tod des Kaufmannes ihre Beweistauglichkeit behielt, konnte man sie heranziehen, wenn man beispielsweise ergänzende Regelungen auf den Todesfall treffen wollte. So ist beispielsweise in einem notariellen Testament überliefert, dass ein Kaufmann zwei seiner Töchter zu Lebzeiten beträchtliche Geschenke gemacht hatte. Diese Geschenke ließ er in seinen Büchern vermerken. Damit wollte er dafür Sorge tragen, dass alle seiner Kinder zu gleichen Teilen erben und nicht etwa seine anderen Kinder zu Gunsten der zwei Töchter übervorteilt werden würden, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1620 VIII 14 (Testament der Elisabeth Kranenberg vom 14. 8. 1620 [MF: S 9264 D, 123]).

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2. Ratsnotar Neben diesen Privatschreibern standen die sogenannten Ratsnotare, die vom Rat gewählt, vereidigt und auf Lebenszeit verp ichtet wurden. 136 Häu g ndet man sie auch unter der Bezeichnung Ratsschreiber. In Einzelfällen spezi zierte man ihre Tätigkeit und nannte sie beispielsweise Mühlen-, Zoll-, Acciseschreiber usw. 137 Bei diesen Schreibern handelt es sich aber dennoch um dasselbe städtische Kanzleipersonal. Ihr Einsatzbereich war nicht festgeschrieben, weshalb sie zeitgleich als Schreiber bei verschiedenen Deputationen Verwendung nden konnten. In den allermeisten Hamburger Urkunden bezeichneten sich die Schreiber daher lediglich als Secretarij und Protonotarij. Die begriffliche Unterteilung der Ratsschreiber in Sekretäre und Protonotare ist auf die hervorgehobene Stellung des Protonotars zurückzuführen, dem die Leitung der städtischen Schreiberei und damit der Vorsitz über die Sekretäre oblag. 138 Eine darüber hinausgehende qualitative Unterscheidung ihrer Tätigkeiten kann aus den hamburgischen Archivalien nicht entnommen werden. 139 Und so beschreibt Schultze-von Lasaulx Ratsschreiber – ohne dass auch er weiter zwischen Protonotar und Sekretär differenzieren würde – als rechtsgelehrte Personen, „in deren Händen die Führung der Stadtbücher lag, die aber auch darüber hinaus [auch private] Beurkundungs- und Beglaubigungsakte vornahmen“. 140 Gewiss trifft diese Umschreibung den Kern der eigentlichen Tätigkeit. Einer wesentlichen Tatsache scheint aber dennoch zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein. Denn die Sekretäre handelten nur, wenn es der „erbern Rade befelcht[e]“. 141 Sie waren nicht einfach vom Rat legitimiert, sondern fungierten als sein Stellvertreter, gleichsam als verlängerter Arm, und beurkundeten nur insoweit, als „idt vam Erbaren Wolweisen Rade approberet und 136 Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 13. 137 Hier und im Folgenden: Westphalen, Hamburgs Verfassung und Verwaltung, Bd. I, S. 74. 138 Erich Döhring, Art. Protonotar, in: HRG III (1984), Sp. 2044ff., Sp. 2046. 139 Ebenfalls ohne weitere Differenzierung: Arnold Schuback, Chronologisches, bis auf die neusten Zeiten fortgesetztes Verzeichniß der bisherigen Mitglieder Eines hochedlen und hochweisen Raths, der Ehrbaren Oberalten und der Verordneten löblicher Cämmerey der freyen Stadt Hamburg, Hamburg 1820. Später auch: Ferdinand Elsener, Notare und Stadtschreiber – Zur Geschichte des schweizerischen Notariats [Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Geisteswissenschaften), Heft 100], Köln [u. a.] 1962, S. 15 ff.; anders: Rudolf Bentzinger, Die Kanzleisprache, in: Werner Besch [u. a.] (Hrsg.), Sprachgeschichte: ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Tb. 2 [Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 2], Au . 2, Berlin [u. a.] 2000, S. 1665ff., S. 1668ff. 140 Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 13. 141 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22. 6. 1588 [MF: S 9262 D, 292]).

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con rmiret“ 142 worden war. Damit bewegten sie sich in dem eng gesteckten Rahmen, den der Rat ihnen mit seinen Vorgaben – dem obrigkeitlichen Auftrag – setzte. Zwar lässt sich nicht von der Hand weisen, dass man den Ratsschreiberurkunden eine gesteigerte Beweiskraft beimaß. 143 Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass sich Sekretäre und Protonotare zu einer „Konkurrenz“ für das freie Notariat entwickelt hätten. 144 Dafür trug schon allein das ambivalente Verhalten des Hamburger Rates gegenüber dem Reichsnotariat Sorge. Denn obgleich sich der Rat kaiserlicher Notare bediente 145, so ging er doch rigoros gegen sie vor, wenn die Beurkundung nicht seinen Vorstellungen entsprach. Urkunden der Ratsschreiberei stellten damit gegenüber denen des kaiserlichen Notariats, zumindest wenn die Schriftstücke nur innerhalb Hamburgs zum Einsatz kamen, die sicherere Alternative dar, sodass es zu einer Konkurrenzsituation allenfalls in ganz bescheidenen Ausmaßen kommen konnte. Die Ratsschreiberei war und blieb bis 1806 im Hamburger Rechtsraum sicherlich die wichtigere Institution. Außerdem ließen sich die Ziele, derentwegen man sich der kaiserlichen Notare bediente, häu g mit den Ratsschreibern nicht verwirklichen: wenn man sich beispielsweise der Ein ussnahme des Rates auf die Urkundserstellung entziehen wollte 146 oder Urkunden benötigte, die auch außerhalb Hamburgs (zumindest theoretisch) anstandslos akzeptiert wurden. 147

142 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1572 IX 15 (Testament der Loeße, Berendt und Ehefrau Gesche vom 15. 9. 1572 [MF: S 9262 D, 840]). 143 Die gesteigerte Beweiskraft der Ratsschreiberurkunden wurde durch das Ratssiegel, das den Ratsschreiberurkunden angehängt wurde, vermittelt. Durch das Siegel wurde das Vertrauen, das man dem Rat entgegenbrachte, auf die besiegelte Urkunde übertragen, die damit ihrerseits Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen konnte. Dazu Bachmann, Friede durch Sicherheit, S. 184 f. 144 Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 13. 145 Z. B. ließ der Hamburger Rat verschiedentlich Urkunden von kaiserlichen Notaren errichten oder schickte Notare auf Gesandtschaften, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43, Acta Priora, Protokoll vom 8. 2. 1553, fol. 1 v; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 15 (vom 8.5.[1555?]); StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 13 notarielles Instrument. 146 Dazu mit Beispielen insbesondere Einleitung zu § 4, S. 275 ff. 147 Tatsächlich wird in der Literatur häu g beschrieben, dass territoriale Obrigkeiten notarielle Urkunden nicht akzeptiert bzw. die Akzeptanz von einer vorherigen Prüfung des Notars abhängig gemacht hätten. Inwiefern es sich dabei um eine nur in der Theorie existierende Machtdemonstration handelte oder um einen Akt, der tatsächlich auch gegen den Willen des Kaisers durchgesetzt wurde, müsste erst noch erwiesen werden. Mathias Schmoeckel (ders., Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 50) geht jedenfalls davon aus, dass zumindest diejenigen Notare, die ihre Ernennung direkt vom Kaiser empfangen hatten, nicht zusätzlich geprüft wurden. Für den Hamburger Bereich konnte kein Fall nachgewiesen werden, in dem der Rat eine ordnungsgemäß erstellte Urkunde,

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Nicht bestätigen konnte sich außerdem die Vermutung Schultze-von Lasaulxs, die Hamburger Ratsschreiber hätten sehr bald die „Qualität eines publicus notarius“ 148 besessen, was er aus einer Übertragung der Verhältnisse der Lübecker Ratsschreiberei, in der Notare als Sekretäre beschäftigt wurden, auf die hamburgische schließt. 149 Von den mehr als 140 kaiserlich ernannten Notaren in Hamburg, die zwischen den Jahren 1500 und 1700 nachgewiesen werden konnten, besteht nach einem Abgleich mit dem chronologischen Verzeichnis der Ratsbediensteten 150 in nur einem Fall 151 eine Übereinstimmung zwischen Sekretär- und Notartätigkeit. Den Ratsschreibern selbst kam schon mangels ordnungsgemäßer kaiserlicher Ernennung keine Qualität eines notarius publicus im gemeinrechtlichen Sinne zu. Einzig vergleichbar war nur die prozessuale Wirkung von Ratsschreiberurkunden und notariellen Instrumenten innerhalb Hamburgs. Beiden billigte man eine gesteigerte Beweiskraft zu, bei der aus der formal ordnungsgemäß erstellten Urkunde eine widerlegliche Vermutung für die Wahrheit des niedergelegten Inhalts sprach. 152 Unterschiedlich waren jedoch der Ursprung und der Wirkungsbereich der gesteigerten Beweiskraft bei notariellen und Ratsschreiberurkunden. Die Ratsschreiberurkunden bezogen ihre Beweiskraft aus der Glaubwürdigkeit des Rates. Als eine höhergestellte Institution, eine „von Gott furgesetzte Obrigkeitt“ 153 musste er und mussten damit auch seine Urkunden zwingend als glaubwürdig angesehen wer-

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die von den innerstädtischen Instanzen als unglaubwürdig verworfen wurde, auch auf Reichsebene verwarf bzw. auf der ursprünglichen Verwerfung beharrte. Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 13. Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 13 (dort Fn. 5). Forderungen in der Frühen Neuzeit, nach denen in jeder Reichsstadt mindestens ein Stadtschreiber kaiserlich ernannter Notarius sein sollte, wurden in Hamburg offensichtlich nicht berücksichtigt. Zu den Forderungen, die sich maßgeblich auf eine entsprechende Anordnung der Reformatio Sigismundi stützen: Johann Christoph Nehring, Manuale Notariorum LatinoGermanicum, Au . 3, Gotha 1700, Lib. II, S. 361. Obwohl die von unbekannter Hand geschriebene Reformatio Sigismundi kein ordentliches Reichsgesetz war, wurde sie faktisch wie ein solches behandelt; deutlich dazu ist die Aufnahme der Reformschrift in die Sammlung der Reichsgesetze von Melchior Goldast, Reichssatzung Deß Heiligen Römischen Reichs (. . . ), Bd. 2, Frankfurt am Main 1613, S. 110ff. (zur Forderung, dass Stadtschreiber die Qualität eines öffentlichen Notaren haben sollten, S. 136). Aus neuerer Zeit: Elsener, Notare und Stadtschreiber, S. 17. Schuback, Verzeichniß der Mitglieder des Raths. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 13 notarielles Instrument: In dieser Urkunde bezeichnet sich der Notar als ein „von apostolischer unnd Rom: Kaij: Matt: macht und gewaltt offenbahrener Notarius und eins Ehrbarenn Hochweisen Raths der Stadt Hamburgk geschworener Canzleij und Mühlenschreiber“. Dazu ausführlich unter S. 143 ff. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Schrifft: an statt mündtlichen Recessus, loco Duplicarum, fol. 1 v.

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den. 154 Die Urkunden kaiserlicher Notare hingegen bezogen – wie wir noch sehen werden – trotz der kaiserlichen Notarernennung ihre Wirkung aus der ordnungsgemäßen Form der Urkunde und dem Vertrauen, das man dem Notar persönlich entgegenbrachte. 155 Ein weiterer Unterschied zwischen notarieller und Ratsschreiberurkunde war ihr Wirkungsbereich. Umfänglich anerkannt war die Beweiskraft einer Ratsschreiberurkunde nur dort, wo die Glaubwürdigkeit des Rates unstrittig war. Zwar galt eine (reichs)städtische Urkunde grundsätzlich als glaubwürdig, sofern sie besiegelt war. Viele der überlieferten Ratsschreiberurkunden weisen aber eine solche Besiegelung nicht auf. Bei Urkunden, die für den innerstädtischen Gebrauch errichtet worden waren, wie beispielsweise Testamente, war unbeachtlich, wenn der Ratsschreiber das Schriftstück nur unterschrieb und nicht besiegelte. Außerhalb der Stadt waren solche Urkunden allen übrigen unbesiegelten Urkunden gleichgestellt und als Beweismittel nicht von hervorgehobener Relevanz.

3. Notar a. „notarius imperiale auctoritate“ – der kaiserliche Notar Sicherer als die Urkunden der Ratsschreiber erschienen die Schriftstücke von Notaren, die der Papst oder der Kaiser universaliter ernannt hatte und die damit in der gesamten katholischen Welt bzw. im ganzen Gebiet des Heiligen Römischen Reichs zur Erstellung glaubwürdiger Urkunden berechtigt waren. Seit der Renaissance des römischen Rechts im Hochmittelalter rechnete man die Investitur von Notaren den kaiserlichen Regalien zu. 156 Hergeleitet wurde dies aus Nov. 44.1.4, die eine Zulassung der Urkundenschreiber durch den Kaiser festschrieb. 154 Ahasver von Brandt, Werkzeug des Historikers, Au . 18, Stuttgart 2012, S. 136f. 155 S. dazu S. 194 ff. Eine andere Auffassung vertritt Winfried Trusen (ders., Notar und Notariatsinstrument an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Zu den gemeinrechtlichen Grundlagen der Reichsnotariatsordnung von 1512, in: ders. (Hrsg.), Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit [Bibliotheca Eruditorum, Bd. 23], Goldbach 1997, S. 595* ff., S. 598*). Er will die Glaubwürdigkeit – neben der Einhaltung der formellen Vorgaben bei der Urkundserstellung – über die hinter der Notarernennung stehende kaiserliche Autorität herleiten. 156 „Creat autem Notarios publicos per reservatum Imperator vel per se, vel per alios, Comites scil. Palatinos; nam & hi ipsi publica authoritate eos constituunt, ut eandem habeant potestatem, ac ab Imperatore immediatè creati“, s. Lauterbach, Collegium theoreticopracticum Pandectarum (1706), Vol. II–L. XXII Tit. IV n. XXVIII (S. 284) mit Verweis auf Gaill, Carpzov, Rosenthal u. a. „Diese Befugniß [Kreierung] ist als ein Reservat des Kaisers anzusehen“, s. Alexander Georg Christian Brunnemann, Vade mecum notariale, oder Handbuch eines angehenden Notarius in Fragen und Antworten, Berlin/

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Dieses Ernennungsrecht delegierte der Kaiser auf die von ihm mit dem Palatinatsrecht beliehenen (Hof-)Pfalzgrafen. 157 Spätestens seit dem Spätmittelalter übte der Kaiser das Recht der Notarernennung nicht mehr persönlich aus, sondern überließ Investitur und Vereidigung seinen Stellvertretern. 158 Bevor diese den Anwärter zum Notar ernannten, musste er um die Verleihung der Notarwürde nachsuchen. Diese Bitte erfolgte in einer festgelegten Formel: „Magni ce, Hoch-Edler / Gestreng- und Vester / insonders hochgeneigter Herr HofPfaltz-Graf / hochgeehrtester Patron! Daß nicht ohne wichtiges Bedencken vortrefflicher Männer des gemeinen Wesens unterschiedliche gewisse Arten der Aemter in der Menschlichen Gesellschafft geordnet und auffgerichtet seyn / wird verhoffentlich niemand zweiffeln. Unter andern öffentlichen Aemtern aber ist nicht für das geringste zu achten der offenen Schreiber und Richter Amt und Stand. Denn durch dieses Mittel werden die wichtigste Geschäffte in Handlungen / letzten Willen / Gerichts-Sachen / und was hierzu gehörig / verrichtet. Und weil das Amt der offenen Schreiber und Richter fürnemlich dahin gerichtet / daß die Wahrheit und Gerechtigeit/ (welche der Grund der Bürgerlichen Handlung ist/) an Tag gebracht / und das Unrecht und Falschheit vermieden werden möge: Ist von denen löblichen Kaysern auf das gemeine Beste gesehen / und von denenselben denen Hof-PfaltzGrafen / und welche deren Stelle vertreten / die Macht und Gewalt Notarien, offene Schreiber und Richter zu verordnen / allergnädigst mitgetheilet worden. Und sind diejenigen billich zu loben / welche in dieser Kunst ihren Fleiß und Mühe anwenden. Weil denn von dem Aller-Durchläuchtigsten / Großmächtigsten und unüberwündlichsten Römisch¯e Kayser / Herrn N. N. (oder Ihrer Kays. Maj.) Ew. Magnif. und Herrl. mit dieser herrlichen Gewalt allergnädigst begabet / wil Dieselbe ich unterdienstlich ersucht und gebeten haben / Sie wolten / da Sie mich hierzu tüchtig be nden werden / mir die Würde und Freyheit eines offenbaren Notarii, Schreibers Stralsund 1774, S. 14. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass das kirchliche Notariatswesen in der vorliegenden Betrachtung ausgeklammert ist. 157 „Es werden aber die Notarii publici entweder von denen Kaysern selbsten in allerhöchster Person, welches gar selten oder wohl gar nicht mehr geschieht, oder denenjenigen, welchen es von denenseben verliehen worden, nemlich denen Comitibus Palatinis creiret, indeme diese eben solche Autorität und Ansehen haben. Als wären sie von denen Imperatoribus selbsten creiret worden“, s. N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 28. Zunächst wurden die mit dem Ernennungsrecht Privilegierten in den Pfalzgrafenstand erhoben, später koppelte man das Recht zur Investitur an die Hofpfalzgrafenwürde. Man unterschied zwischen verschiedenen Ernennungsprivilegien. Das sog. Kleine Palatinat beinhaltete nur die Berechtigung, Notare in ihr Amt einzusetzen. Das sog. Große Palatinat berechtigte seinen Träger auch zur Weitergabe der Würde, d. h. zur Ernennung weiterer (Hof-)Pfalzgrafen. Ein Beispiel für die Verleihung der Hofpfalzgrafenwürde durch den Reichsvikar Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. A 24, Q 49, Nr. 20. 158 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 13.

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und Richters hochgeneigt mittheilen. Dieweil aber dieser Ehren-Titul / denen so darum bitten / anders nicht gegeben wird / als wenn Sie zuvor ihrer Geschickligkeit halber erforschet werden / So unterwerffe ich mich solchem billich / Ew. Magnif. und Herrl. nochmals gehorsamlich bittende / daß Sie von demjenigen / so zu dem Notariat-Amt nothwendig erfordert wird / mit mir Unterredung p egen / und mich ferner unterrichten wollen / Ich bin hergegen des Erbietens / diese Wohlthat mit schuldigem Gehorsam danckbarlich zu verdienen. Gegeben zu N. am N. im Jahr N. Eu. Magnif. und Herrligk. Gehorsamer Diener N. N.“ 159

Um zum Notar ernannt werden zu dürfen, musste der Kandidat eine ganze Reihe verschiedener Voraussetzungen erfüllen. 160 Man bestand auf einer ehelichen Geburt und der christlichen Konfession. Mutmaßungen, nach denen letztere Bedingung möglicherweise schon im Ancien Régime mit der Zulassung von Juden entfallen sei, dürften nicht zutreffen. 161 Die Ausübung des Notariatsamtes wird wohl erst nach der Emanzipation der Juden oder mit ihrer rechtlichen Gleichstellung möglich gewesen sein. 162

159 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 5. 160 Zu den Eignungsvoraussetzungen s. auch Repgen, Hamburgs Notare, S. 372; Grziwotz, Kaiserliche Notariatsordnung, S. 48 ff. 161 Ins 17. Jahrhundert datiert Zedler einen in Hamburg als Arzt tätigen Juden, der kaiserlicher Palatinatsträger gewesen sein soll, s. N. N., Art. Weib, in: Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal Lexicon (. . . ), Bd. 54, Leipzig/Halle 1747, Sp. 1 ff., Sp. 40f. Ob er nur das Recht zur Ernennung von Notaren hielt oder darüber hinaus selbst ernannter Notar war, ist nicht überliefert. Es ist grundsätzlich jedoch davon auszugehen, dass an einen Palatinatsträger mindestens die Anforderungen gestellt wurden, die auch an die von ihm mit dem Notariatsamt Beliehenen gestellt wurden. 1649 taucht der Notar Johannes Dietzius erstmals in den untersuchten Akten auf (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Instrumentum Protestationis super Attentatis). Auch bei ihm handelt es sich höchstwahrscheinlich nicht um einen Juden. Zwar trägt er in seinem Signet das Tetragramm JHWH [ Jehova] in hebräischen Konsonanten. Die Benutzung der hebräischen Abkürzung ist aber auch in christlichen Zusammenhängen, insbesondere in der Malerei, bezeugt (für diesen Hinweis sei Friedrich Battenberg herzlich gedankt). 162 Für diesen Hinweis sei Friedrich Battenberg herzlich gedankt. Die Trummer-Sammlung des Staatsarchivs Hamburg (StA HH, Trummer-Sammlung 732-1) enthält das Siegel des Notars Abraham Meldola, der von 1754 bis 1826 lebte. Auf ihn wird im Ausstellungskatalog „Beglaubigt. 200 Jahre Hamburgische Notarkammer“ (Hrsg. Hamburgische Notarkammer, fol. 27 r) Bezug genommen. Er sei der „wahrscheinlich“ erste jüdische Notar Hamburgs gewesen. Jutta Braden datiert Meldolas Ernennung in das Jahr 1784 (dies., Abraham Meldola, ein jüdischer kaiserlicher Notar am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden (1996), S. 507ff.; Jutta Braden, Juden im Hamburgischen Notariat 1782–1967, in: Bernt Ancker, Rainer Postel (Hrsg.), 1811–2011. Das Hamburgische Notariat in Geschichte und Gegenwart, München 2011, S. 59 ff.).

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Des Weiteren musste der Anwärter einen guten Leumund haben, also ehrlich, ehrbar, treu und redlich sein. Man setzte die persönliche Eignung des Notars mit der eines Prozesszeugen gleich (§ 6 Einl. RNO), weshalb beispielsweise Frauen trotz eines fehlenden ausdrücklichen Verbotes nicht zum Notaramt zugelassen waren. Er musste mindestens 18 Jahre alt sowie bei „guter Vernunfft“ und „von guten Sinnen“ sein. 163 Darunter verstand man eine gesunde geistige Verfassung und eine durchschnittliche visuelle und auditive Wahrnehmungsfähigkeit. Außerdem setzte man ein gewisses Maß an Fachkenntnis voraus (§ 2 Einl. RNO). Der kaiserliche Notar sollte des Deutschen und Lateinischen in Wort und Schrift mächtig sein und zumindest über rechtliche Grundkenntnisse verfügen (§§ 10, 19 Einl. RNO), sodass er eine ordnungsgemäße Beratung seiner Kundschaft gewährleisten konnte und darüber hinaus einen „Proceß zu dirigiren“ 164 vermochte. 165 Ob die beschriebenen Voraussetzungen tatsächlich immer erfüllt wurden, wird angesichts der unglaublichen Fülle an Beschwerden, die über das kaiserliche Notariatswesen geführt wurden, bisweilen in Abrede gestellt. 166 So liest man, dass völlig ungebildete Handwerksleute und Fleischer in den Notarstand erhoben worden seien, teils aus Gewinnsucht der ernennenden Hofpfalzgrafen, die sich für die Erteilung der Würde gut bezahlen ließen, teils aus Unwissenheit, da man den häu g ebenso wenig gebildeten Hofpfalzgrafen die Qualitätskontrolle auferlegt habe. 167

163 N. N., Art. Notarien, in: Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal Lexicon (. . . ), Bd. 24, Leipzig /Halle 1740, Sp. 1394 ff., Sp. 1398. 164 N. N., Art. Notarien, Zedler (1740), Sp. 1398. 165 Zu den persönlichen Voraussetzungen der Investitur s. S. 185 ff. 166 S. z. B. das Vorwort der RNO, in der Kaiser Maximilian I. den Erlass der Ordnung mit der Notwendigkeit begründet, die Bevölkerung vor unfähigen Notaren zu schützen. Die Beschwerden wurden regelmäßig auch herangezogen, um die Eingriffe der partikularen Machthaber in das kaiserliche Reservat zu rechtfertigen. Zu den Beschwerden im Einzelnen s. u. a. Isler, Notarien in Hamburg, S. 10; Kannowski, Badisches Notariat, S. 260f.; Werner Schubert, Die Entwicklung des Notariats in Württemberg, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 613, S. 615ff. 167 Johann Stephan Pütter, Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des deutschen Reichs, Bd. 3, Göttingen 1787, S. 263, dort Fn. (a). Zum Missbrauch des Ernennungsrechts: August Ludwig von Schlözer (ders., (. . . ) Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts, Zehender Theil, Heft LV–LX, Göttingen 1782, S. 259ff.) überliefert, dass in Schwaben ein Baron Vöhlin „durch eigends ausgeschickte oder bestellte Commissarios, zu sehr heruntergesetzten und geringen Preisen, als Nobilitäts-, Palatinats- Doctorats-, Licentiats- und Notariats-Diplomen (. . . ) ohne alle Rücksicht auf den Stand und die Fähigkeit der Personen, in solcher Menge ausspendet [habe], daß in einem Umreise von mehreren Meilen um den Baron von Vöhlinschen Wonsitz, fast kein Beamter, kein Schreiber, kein Advocat (. . . ) [war], der nicht einem HochFrei-

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Für den Hamburger Bereich bestätigen sich diese Vorwürfe nicht. 168 Sofern Informationen zur Vorbildung der Notare aus ndig gemacht werden konnten, handelte es sich durchweg um verhältnismäßig gebildete Personen, die – wenn auch nicht immer akademisch gelehrt – doch häu g immerhin mehrere Jahre Ausbildungszeit bei einem erfahrenen Notar aufweisen konnten. 169 Darüber hinaus scheinen die Pfalzgrafen zumindest bemüht gewesen zu sein, die Eignung der Kandidaten zu prüfen. So haben sich Beschreibungen in den Ernennungsurkunden der Pfalzgrafen erhalten, die von den Kandidaten zu ihrer Erziehung, Ausbildung, Familie und Glauben erstellt wurden. 170 Anscheinend basieren diese Beschreibungen auf den Angaben der Kandidaten selbst. Ob die Pfalzgrafen darüber hinaus nach Nachweisen verlangten oder sie sich selbst besorgten, dazu schweigen die Quellen. Als „Diener (. . . ) [des] gemeine[n] Nutzens“ (§ 15 Einl. RNO) war der Notar zur Amtsausübung persönlich (§§ 6, 8 Einl. RNO) verp ichtet, sobald er darum gebeten (§ 3 Einl. RNO) wurde. Diese Aufforderung war eine notwendige Voraussetzung für sein Handeln als persona publica, d. h. als öffentliche Person, deren Urkunden eine gesteigerte Glaubwürdigkeit zukam. Ein Notar, der ohne Aufforderung Urkunden aufstellte, handelte als Privatperson, seine Instrumente genossen dann nur die Beweiskraft einer Privaturkunde. 171 Neben dem größeren Wirkungsbereich der Urkunden und der P icht der persönlichen Amtsausübung war das hervorstechendste Merkmal, das den kaiserlichen Notar von den Ratsschreibern unterschied, seine Unabhängigkeit. Höchstwahrscheinlich seit der Abspaltung des Notars vom Richterstand im Mittelalter, unstreitig spätestens seit der Reichsnotariatsordnung Kaiser Maximilians I. von 1512 war er ein unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes. 172 Gerade diese Eigenständigkeit verhalf dem Notariatswesen in Hamburg trotz der ungebrochenen Dominanz der

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herrl. von Vöhlinschen Nobilitäts-, Palatinats-, Doctorats-, oder Licentiats-Diplom, um 20 bis 50 [ .] erkauft“ hatte. Dass es sich um einen nicht mehr hinnehmbaren Fall von „DiplomenKrämerei“ handle, habe spätestens dann festgestanden, als ein in Augsburg ansässiger Barbier und Wundarzt beim Augsburger Rat um die Anerkennung seines Palatinatsrechts angehalten habe. Der Augsburger Rat wandte sich daher an den Kaiser mit der Bitte, Vöhlins Treiben Einhalt zu gebieten. Daraufhin reichte der Reichs skal eine Klage beim Reichshofrat in Wien ein. Vöhlin verzichtete auf alle Rechte aus dem Palatinatsdiplom, s. Hofpfalzgrafen-Register III, ed. Herold, Verein für Heraldik (. . . ), Neustadt an der Aisch 1988, Lieferung 2. S. S. 194 ff. Ebda. Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1 c 7 enthält verschiedene Ernennungsurkunden in unterschiedlicher Ausführlichkeit. Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 461 f. Dazu ausführlich S. 213 ff. Grziwotz nennt den Notar einen freiberuflichen Träger eines öffentlichen Amtes, s. ders., Kaiserliche Notariatsordnung, S. 55.

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Ratsschreiberei zum Aufschwung. Denn eine autonome Institution wie das frühneuzeitliche kaiserliche Notariatswesen konnte Sicherheit vor der ratsherrlichen Einussnahme bieten und Frieden außergerichtlich herstellen. Seit 1498 wurde jeder Notar, dessen Schriftstücke bei Reichskammergerichtsprozessen Verwendung nden sollten, verp ichtet, sich am Reichskammergericht zu immatrikulieren. 173 Später band man die Eintragung in den kammergerichtlichen Rotulus an die erfolgreiche Ablegung eines Examens. 174 Anders war dies hingegen am Reichshofrat, wo zunächst nicht gefordert wurde, „daß der Notarius immatriculirt oder in die Cammer-Matricul rezipirt, und eingeschrieben“ 175 war. Mit der weitgehenden Annäherung der prozessualen Vorschriften von Reichskammergericht und Reichshofrat lassen sich aber zunehmend mehr Fälle nachweisen, in denen die am Reichshofrat tätigen Notare explizit um eine Immatrikulation nachsuchten. So ist es beispielsweise in einem von Stefan Wendehorst zi-

173 Christoph Becker, Die Akten des Augsburger Notars Johann Spreng (1524–1601) – Ein Einblick in das Rechtsleben eines frühneuzeitlichen europäischen Wirtschaftszentrums, in: Hans-Georg Hermann [u. a.] (Hrsg.), Von den leges barbarorum bis zum ius barbarum des Nationalsozialismus, Köln [u. a.] 2008, S. 477ff., S. 483. Nicht richtig ist allerdings, dass sich ein Notar erst nach seiner Immatrikulation als kaiserlicher Notar bezeichnen durfte. Das Gegenteil ist der Fall. Nur einem kaiserlichen Notar, d. h. einem Notar, der seine Ernennung auf den Kaiser zurückführen konnte, war es erlaubt, sich am Reichskammergericht zu immatrikulieren. 174 Eine Überlieferung eines Fragenkatalogs ndet sich bei: Saur, Dives notariorvm penvs (1595), S. 113 ff.; ein in weiten Teilen übereinstimmender Katalog ndet sich in den Akten der Universität Helmstedt, die seit 1575 Palatinatsträger war und zahlreiche Hamburger Notare kreierte, s. StA HH, Ergänzungen aus fremden Archiven 743-3, Nr. Ergänzungen aus dem Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel (- Abt. 37 Universität Helmstedt; hier Protokolle über die Prüfung von Notariatskandidaten in Hamburg im Auftrag der Universität Helmstedt [MF: 741-4_S 740]. Zum Teil wird sogar angenommen, die Universität habe den Großteil der Hamburger Notare ernannt (s. Franz Seidl, Deutsche Richterzeitung 1959, S. 313, zitiert nach Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 45, dort Fn. 138). Wenn dem aber so sein sollte, dann wären das – die Zahlen Erwin Schmidts (ders., Die Hofpfalzgrafenwürde an der hessendarmstädtischen Universität Marburg /Gießen [Berichte und Arbeiten aus der Universitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv Giessen, Bd. 23], Gießen 1973, S. 10), der von insgesamt 735 kreierten Notaren zwischen 1575 bis 1806 ausgeht, zugrunde gelegt – nur etwa drei in Helmstedt kreierte Notare pro Jahr. Sofern die These stimmt, dass das Gros der Hamburger Notare von der Universität Helmstedt kreiert wurde, würde das die Vermutung Schmoeckels (ders., Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 50), es sei zu einer regelrechten „Notarschwemme“ gekommen, stark relativieren. 175 Zitat bei Wolfgang Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat im Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des reichskammergerichtlichen Verfahrens [Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, N. F., Bd. 18], Aalen 1973, S. 220 (dort insb. Fn. 916) m. w. N.

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tierten Zulassungsersuchen des hamburgischen Notars Johann Stelle geschehen. 176 Aber auch zahlreiche Unterschriften von Notaren, in welchen sie sich selbst als immatrikuliert bezeichnen, scheinen eine durchaus übliche Immatrikulationspraxis beim Reichshofrat zu bestätigen.

b. „notarius civitatis“ – der städtische Notar Neben der Notarernennung durch den Kaiser oder einen von ihm privilegierten (Hof-)Pfalzgrafen erlaubte § 1 Einl. RNO eine partikularrechtliche Ernennung von Notaren. 177 Das städtische Notariatswesen existierte vollkommen losgelöst von den reichsrechtlichen Normen. Seine Anerkennung war jedoch auf dasjenige Gebiet beschränkt, in welchem die städtische Rechtsetzungsobrigkeit anerkannt war – mit der Folge, dass der „notarius civitatis“ gegenüber den Reichsnotaren immer ein „Mindernotar“ 178 war. 179 176 Wendehorst, Öffentliches Notariat in der Frühen Neuzeit, S. 349. 177 „Demselben nach, so sollen die Notarien solche unsere so heilsame Reformation und Ordnung, die ihnen zu Ubung und Practicken ihrer Notariat-Aembter gegeben wird, sich be eißigen, demüthiglich anzunehmen, zu empfahen, zu halten und nach Inhalt derselben und andern, so in ihren Eyden und P ichten, ihrer Aembter halben gethan, (desgleichen nach Innhalt) gemeiner Rechten oder löblicher Gewonheit und Gebrauch eines jeden Orts eingeführt und versehen ist, ihre Aembter rechtlich, getreulich und auffrichtiglich zu üben, als lieb ihnen sey, zusambt dem, daß sie die Wiederkehrung der Schaden und Interesse, denen, so durch sie versäumet oder verführt werden, zu thun schuldig sind, unser schwere Ungnad, Straff und Buß zu vermeiden“, abgedruckt in: Grziwotz, Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, S. 5. In der modernen Literatur wird, soweit ersichtlich, nicht gesehen, dass § 1 RNO zwei verschiedene Fälle territorialen Handelns erlaubt. Zum einen billigt er, wie beschrieben, den Territorien die Errichtung eines eigenen Notariatswesens zu, zum anderen erlaubt § 1 RNO Eingriffe in das kaiserliche Notariatswesen. Diese Eingriffe waren aber nur begrenzt erlaubt. Unveränderlich waren die formalen Urkundsbestandteile (Namen und Regierungsjahr des Kaisers, eigenhändige Protokollierung, Ort, Zeit, Datum, Unterschrift und Signet) sowie die gesteigerte Beweiskraft der Urkunden. Die „Eingriffsbefugnis“ umfasste also nur Modi kationen des kaiserlichen Notariats, jedoch weder eine Abschaffung des kaiserlichen Notariats auf territorialer Ebene noch solche Eingriffe, die einer Abschaffung faktisch gleichkamen. Eingriffe, die das Notariatswesen also zum Erliegen brachten, weil kaiserlichen Notaren beispielsweise nicht mehr gestattet wurde, Urkunden zu errichten, oder ihren Urkunden keine Beweiskraft mehr zukam, waren nicht zulässig. Dazu ausführlich S. 235 ff. sowie S. 234 f. 178 Christian Neschwara, Geschichte des österreichischen Notariats, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Erlass der Notariatsordnung von 1850, Wien 1996, S. 16. 179 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 43 Exceptiones und vernichtung des zum 28ten Ferbruarij Anno 1605 furgebrachten vermeindten Instrumentes, fol. 5 r ff. mit zahlreichen Verweisen auf entsprechende Literaturmeinungen; Volckmann, Notariatskunst I (1621), S. 7; N. N., Art. Notarien, Zedler (1740), Sp. 1397m. w. N.

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In der frühneuzeitlichen Literatur werden die städtischen Notare auch als „[n]otarii simplices“ geführt. 180 In Hamburg lassen sie sich nur sehr vereinzelt nachweisen. 181 Höchstwahrscheinlich gab es aus der Sicht des Hamburger Stadtrates einfach keine Notwendigkeit, eine weitere Beurkundungsinstanz neben der Ratsschreiberei zu schaffen. Die wenigen nachweisbaren Stadtnotare, die sich in den hamburgischen Urkunden seit 1512 nden lassen, weisen neben ihrer stadtrechtlichen immer auch eine kaiserliche Ernennung auf. Welche Gründe hinter der zweifachen Ernennung standen, ob dem einen Notartypen etwas erlaubt war, das man dem anderen versagte, oder ob es sich doch nur um die begrifflich ungenaue Benennung eines Ratsschreibers handelte, dazu schweigen die Quellen. Im Folgenden werden sich, sofern nicht ausdrücklich auf städtische oder päpstliche Notare und Schreiber Bezug genommen wird, alle Ausführungen auf kaiserlich ernannte Notare beziehen.

III. Notarielle Schriftstücke Er wußts, wie sehr sein Herr Notar / Ein Feind vom engen Schreiben war / Drum einst bey guter Weile / Macht'er des klugen Einfalls froh / Im ganzen Inventario / Aus Item eine Zeile. (Knittel, Hymen ein Notarius und Amor dessen Schreiber, 1779)

Die frühneuzeitlichen Beweisschriften können in zwei Kategorien unterteilt werden, private und öffentliche Urkunden. Hier interessieren die sogenannten öffentlichen Urkunden. Das sind solche, die „durch öffentliche Gewalt / von der Obrigkeit selbst oder vom Notario verfertiget“ werden. 182 Alle übrigen Schriftstücke sind private. Wenn im Folgenden von Urkunden die Rede ist, dann sind damit immer die von kaiserlichen Notaren aufgestellten öffentlichen Urkunden gemeint.

180 Z. B. Johann Gottfried Bolz, Der sowohl in foro, als auch in allen andern Handlungen wohl instruirte und expedite Notarius (. . . ), Frankfurt am Main 1732, S. 3. Anders Wolfgang Amadeus Lauterbach, Compendium Juris Brevissimis verbis (. . . ) [Editio Nova prioribus correctior, ed. Ferdinand Christopherus Harpprecht], Tübingen 1697, S. 427, der nicht immatrikuliere Notare „notarii simplices“ nennt. 181 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1636 IX 16 (Testament der Wulffer, Matthias und Anna vom 16. 9. 1636 [MF: S 9264 D, 447]); HH UB I, Nr. 740 (vom 8.11.1269). 182 Bolz, In foro (1732), S. 51. In der Diplomatik wird häu g ein anderer Ansatz verfolgt. Danach seien notarielle Urkunden nicht zu den öffentlichen Urkunden zu zählen, weil sie erstens nicht direkt von einer obrigkeitlichen Gewalt ausgestellt waren und ihre Beweiskraft zweitens nicht (oder zumindest nicht vollständig) aus der obrigkeitlichen Autorität hergeleitet wurde. Zur Einteilung der Urkunden anhand der Beweiskraft s. Bachmann, Friede durch Sicherheit, S. 182 f.

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Die von Notaren gefertigten Schriftstücke werden in den Hamburger Quellen als Schrifft, Urkund und Instrumentum bezeichnet, wobei der Begriff Instrumentum mit Abstand am geläu gsten ist. Ihrem äußeren Erscheinungsbild nach weichen die Schriftstücke stark voneinander ab, weshalb sie nach diplomatischen Gesichtspunkten in verschiedene Kategorien eingeteilt werden: reine Notarinstrumente, wie sie die Reichsnotariatsordnung beschreibt (§ 3 Einl. RNO), notarielle Kopien, notarielle Dorsalurkunden sowie Siegelurkunden, die zusätzlich notariell ausgefertigt wurden. 183

1. Notarielle Urkunde und Imbreviatur Ihrem äußeren Erscheinen nach sind die in Hamburg erstellten reinen Notarurkunden meist als ein zusammenhängender, absatzloser Textblock auf Papier oder Pergament geschrieben. Bis auf vereinzelte Ausnahmen zeigen hamburgische notarielle Urkunden eine der Schriftentwicklung entsprechende, relativ gut lesbare deutsche Kursivschrift. Während die Urkunden im Spätmittelalter in einer sehr sauberen spätgotischen, meist aber lateinischen Schrift abgefasst sind, wird die Schrift im Laufe der Zeit bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes immer unleserlicher. 184 Ein Grund dafür ist die gewandelte Schriftkultur. 185 Die Mediävistik spricht vom Einsetzen einer sogenannten pragmatischen Schriftlichkeit. 186 Gemeint ist damit das Verwenden von Schrift, die unmittelbar zweckhaftem Handeln dient. 187 Der 183 Die hier vorgenommene Kategorisierung orientiert sich im Wesentlichen an der Einteilung Schulers (ders., Südwestdeutsches Notariat, S. 210ff.). 184 Eine Ausnahme bilden die Insinuationsschriften, in denen der Notar die Zustellung höchstgerichtlicher Schriften beschreibt. Für ihre (auch optisch ansprechende) Erstellung wird offenbar bis zum Ende des Alten Reichs ein gesteigerter Aufwand betrieben, wahrscheinlich weil die optisch ansprechend gestalteten Urkunden die Bedeutung des Reichsgerichts und des Verfahrens hervorheben sollten. 185 Einen einleitenden Überblick zum Wandel der Schriftkultur und der pragmatischen Schriftlichkeit gibt Christel Meier, Einführung, in: Hagen Keller/Christel Meier/Thomas Scharff (Hrsg.), Schriftlichkeit und Lebenspraxis. Erfassen, Bewahren, Verändern [Münsterische Mittelalterschriften, Bd. 76], München 1999, S. 1ff., S. 1ff. 186 Zwischen 1986 und 1999 widmete sich ein Sonderforschungsbereich der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (SFB 231: „Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter“) der Erforschung der pragmatischen Schriftlichkeit. Die Forschungsarbeiten, die dabei entstanden sind, sind online gelistet: https:// www.uni-muenster.de/Geschichte/MittelalterSchriftlichkeit/ProjektA/litera.htm (abgerufen am 15.1. 2017). 187 Hagen Keller, Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen. Einführung zum Kolloquium in Münster, 17.–19. Mai 1989, in: ders./Klaus Grubmüller /Nikolaus Staubach (Hrsg.), Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, München 1992, S. 1ff., S. 1.

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Wandel wird im Zusammenhang mit den hier untersuchten Notariatsinstrumenten deutlich. Denn der ehemals feierliche Charakter der Urkundserstellung, der mit einem ästhetischen Schriftbild einherging, wurde zusehends von einer Beurkundung abgelöst, die nur noch nüchterne Geschäftsabwicklung war und bei der der Inhalt und nicht die Ästhetik im Vordergrund stand. Neben der pragmatischen Schriftlichkeit dürfte ein weiterer Grund für das gewandelte Schriftbild im zunehmenden Arbeitspensum der Notare zu suchen sein. Wo sich freie Notare in Hamburg bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts allein mit ihrer Schreibertätigkeit wahrscheinlich kaum über Wasser halten konnten 188, bekommen sie zum Ende des Jahrhunderts so viele Aufträge, dass es manch einer zu ansehnlichem Vermögen brachte. 189 Die Menschen verlangten Dokumente in allen Lebensbereichen. Eine wahre Verschriftlichungswelle rauschte über das Land. Soweit dies nachvollzogen werden kann, stieg die Anzahl der Notare in Hamburg dennoch kaum an. Die Auswertung der Quellen förderte zu Tage, dass zwischen 1580 und 1700 die Anzahl der Notare nur scheinbar zunahm. Gemessen an den geschätzten Einwohnerzahlen blieb die Anzahl der Hamburger Notare weitgehend stabil. 190 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der einzelne Notar immer mehr Arbeit verrichten musste. Deutliche Steigerungen sind auch bezüglich des Umfangs der einzelnen Schriftstücke zu vermerken – eine allgemeine Tendenz, die besonders bei Testamenten ins Auge fällt. Finden diese im Mittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit noch durchschnittlich auf einer DIN-A5-Seite Platz, erreichen sie im Laufe des 17. Jahrhunderts atemberaubende Ausmaße von mehreren Hundert Seiten. 191 Dass besonders vor diesem Hintergrund ein sauberes Schriftbild seinen Preis hat, den nicht alle zu zahlen bereit oder im Stande sind, ist nur allzu verständlich. 188 Das legen zumindest Berichte von Notaren nahe, nach denen ihre Notartätigkeit alleine nicht genügt habe, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weshalb sie auf eine Nebentätigkeit angewiesen seien. Das einzige Hamburger Protokollbuch untermauert die geringe Beschäftigung kaiserlicher Notare um die Mitte des 16. Jahrhunderts. In diesem Protokoll sind für ca. vier Jahre nur 17 Eintragungen vorgenommen, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55. 189 Erinnert sei hier noch einmal an den in der Einleitung geschilderten Fall des Mathias Cramer, den der Hamburger Rat mehrfach aufforderte, Hamburger Bürger zu werden, weil er seit seiner Übersiedlung aus Perleberg, von wo er wegen seiner Verarmung gekommen war, ausreichend verdient hatte, um Bürger werden zu können. Um diesen Status zu erhalten, musste man im Hamburg des 17. Jahrhunderts mindestens ein eigenes Grundstück sowie ein Barvermögen in Höhe von mindestens 500 Reichstalern besitzen, s. Christian Daniel Anderson, Hamburgisches Privatrecht II, Hamburg 1784, Th. I Tit. 2 Art. 3 (S. 447). 190 S. zur Auswertung ausführlich S. 324 ff. 191 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1689 IX 3 (Testament der Riedelin von Löwenstern, Johanna Margaretha vom 3. 9. 1689 [MF: S 9264 D, 763]): 254 Seiten (127 fol.) in der Form einer Ratsherrenurkunde.

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Der formale Aufbau der Urkunden entspricht den von der Lehre der Notariatskunst entwickelten Grundsätzen. 192 Der Urkundentext wurde am linken unteren Ende mit einem Signet, dem notariellen Erkennungszeichen, versehen. 193 Vor 1600 wurde dieses meist von Hand gezeichnet. Die Gestaltung des Notarzeichens variierte dabei stark. Während sie in früheren Zeiten bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts häu g Kreuze, schlichte stilisierte Darstellungen, aber auch monogrammatische Formen aufwies, nahmen danach ausdifferenzierte bildliche, meist biblische oder mythologische Abbildungen ebenso wie heraldische Elemente zu. In sehr vielen Signeten sind außerdem ein Sinnspruch und der Name des Notars enthalten. Zusammen mit der persönlich vollzogenen Unterschrift des Notars gehörte das Signet zu den obligatorischen Beglaubigungserfordernissen (§ 3, 16 Einl. RNO). Fehlte es, konnte das Schriftstück keine gesteigerte Beweiskraft entfalten und wurde als privates Schriftstück behandelt. 194 Das Zeichen hatte also die Bedeutung und Funktion eines sigillum authenticum – eines Zeichens, das für die Glaubwürdigkeit und Rechtsgültigkeit des Schriftstückes bürgt. Außerdem konnte über das Signet jedes Schriftstück einem einzelnen Notar zugeordnet werden, da es im Zuge der Ernennung auf Lebenszeit verliehen wurde und nur in Ausnahmefällen geändert werden durfte (§ 16 Einl. RNO). 195 Neben Unterschrift und Signet wurde die Urkunde mit der sogenannten Korroborationsformel 196 beschlossen. Diese Formel diente der Bekräftigung des Inhalts. Für gewöhnlich enthielt sie eine Erklärung des ausstellenden Notars, dass er zur Er192 Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 42ff. 193 Zum Notarsignet allgemein: Witold Maisel, Rechtsarchäologie Europas, Wien [u. a.] 1992, S. 297f.; Hermann Frischen, Das Notarsignet, seine Herkunft, Bedeutung und Symbolik, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 683ff., S. 692ff. 194 Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 461 f. 195 Der Notar wurde verp ichtet, wenn er an reichsgerichtlichen Verfahren mitwirken wollte, sich am Reichskammergericht zu immatrikulieren. Dazu musste er zunächst nur einen Nachweis seiner Ernennung, eine Schriftprobe sowie einen Abdruck seines Signets hinterlegen. Nachdem sich Beschwerden über untaugliche immatrikulierte Notare gehäuft hatten, verlangte man ab 1560 die Ablegung eines Examens. Aber bereits ein Jahr später wurde diese Regelung aufgeweicht, weil sich Notare aus den vom Reichskammergericht entfernt liegenden Territorien über die beschwerliche Anreise beklagt hatten. Daraufhin erließ man den Notaren die persönliche Anwesenheit, sofern sie ein Zeugnis ihrer Obrigkeit beibrachten, das den Notar als tauglich auswies. Die entsprechenden Reichsabschiede und Visitationen nden sich auszugsweise in Saur, Dives notariorvm penvs (1595), S. 110 ff. 196 Diese benennt die Beglaubigungsmittel (meist eine grobe Schilderung der Beurkundung, zumindest aber die Ankündigung der Unterschrift, des Signets, evtl. des Privatsiegels) und unterstreicht die dauerhafte Gültigkeit der niedergelegten Erklärung.

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stellung der Urkunde berufen worden sei und lediglich das von ihm Vernommene aufgezeichnet und sich an die Vorgaben der ars notaria bzw. an rechtliche Vorschriften gehalten habe. Üblich sind unabhängig von der Urkundensprache Formulierungen wie „In praemissorum dem ac testimonium, subscripsi et sigillo tàm publico quàm privato subsignavi, rogatus et requisitus“ 197,

aber auch etwas längere, wie „Vorhergehend Testamentum Reciprocum obbeschrieben maßen unterschrieben, besiegelt und vollnkomlich geschlossen (. . . ) als habe ich darüber diese InstrumentsNotul begriffen mit eigner Handt geschrieben, unterschrieben, Zu mehrer beglaubnuß nebenstehend mein Symbolum Notariatus auf das spacium gesetzt und mit meinem Pittschaft betruckt. Ad haec omnia legitime requisitus.“ 198

Beide Korroborationsformeln weisen eine für notarielle Urkunden höchst interessante, aber in Hamburg durchaus übliche Besonderheit auf. Denn die notariellen Instrumente, aber zum Teil auch andere unter Mitwirkung eines Notars erstellte Schriftstücke wurden häu g nicht nur mit dem individuellen Notarsignet versehen, sondern des Öfteren zusätzlich mit dem Privatsiegel des ausstellenden Notars besiegelt. 199 Nicht zu verwechseln sind diese „doppelbeglaubigten“ Notarurkunden mit notariellen Urkunden, in denen das Stempelsignet durch ein Amtssiegel ersetzt wurde. Solche amtsbesiegelten Urkunden sind zwar nachweisbar, jedoch bis in das 18. Jahrhundert hinein rar. 200 197 StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 4, Beilage Nr. 9 (Gleiches auch bei Q 4, Beilagen Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12). 198 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 (Testament der Voß, Christoph und Engell vom 23.8. 1650), fol. 8 r. 199 Exemplarisch: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 4 Ser. 1 1664 VII 25 (Testament der Weber, Catharina vom 25. 7. 1664 [MF: S 9264 D, 636]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1625 VII 17 (Testament des Hoijer, Johan vom 17.7.1625 [MF: S 9264 D, 267]); für Beglaubigungen: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1784 XII 19 (Ehezärter der Knopf, Christian und Schultz, Anna Catharina vom 19.12.1784 [MF: S 9261 D, 322]); für Kopien: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3.4.1703 [MF: S 9261 D, 221]) enthält mehrere signierte und besiegelte Abschriften; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 2 Schiffsverkauf (Vertrag vom 9.12.1652 [MF: S 9261 D, 82]). 200 In den untersuchten Akten nur: StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 2, Beilage Lit. C; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1637 IV 27 (Testament der Becker, Hanß Jacob und Catharina vom 27. 4. 1637 [MF: S 9264 D, 456]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 4 Ser. 1 1684 III 19 (Testament des Kellinghusen, Jürgen vom 19.3.1684 [MF: S 9264 D, 739]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1794 XII 2 (Ehezärter

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Nach Untersuchungen der letzten 200 Jahre scheinen die häu gen Doppelbeglaubigungen der in Hamburg ausgestellten Notarurkunden eine einzigartige Erscheinung auf deutschsprachigem Boden gewesen zu sein. Harry Bresslau, aus dessen Feder das bis heute gültige Standardwerk „Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien“ stammt, erwähnt die mit Privatsiegeln ausgefertigten notariellen Urkunden nicht. 201 Auch fehlen vergleichbare Funde im Untersuchungszeitraum bis 1730 bei Ferdinand Oesterley für das deutsche und bei Christian Neschwara für das österreichische Notariat. Vielmehr gebe es – so Oesterley – bis zum Ende des Alten Reichs „keine Spur der Hinzufügung des Privatsiegels“. 202 Für das schlesische Gebiet nennt Fritz Luschek 203 nur drei vergleichbare Fälle, und auch in Südwestdeutschland scheint Peter-Johannes Schuler eine ähnliche Lage vorgefunden zu haben. Er führt nur einen „Einzelfall“ an, für dessen „eigenwillige“ Form er keine Erklärung vorhält. 204 Ein Blick in die frühneuzeitliche Literatur offenbart jedoch, dass solche Doppelbeglaubigungen keinesfalls unbekannt waren. 205 Der Frage, weshalb es zu den Doppelbeglaubigungen kam und welche Auswirkungen sie hatten, wird im Kapitel über den notariellen Urkundenbeweis nachgegangen. 206 Den Parteien blieb es selbst überlassen, in welcher Sprache sie ihre Urkunden abfassen ließen. Für notarielle Urkunden war grundsätzlich eine deutsche oder lateinische Abfassung vorgesehen (§ 19 Einl. RNO). Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde aber, dem allgemeinen Trend zur Verwendung der deutschen Sprache im Schriftlichen entsprechend 207, der Kontext, d. h. der eigentliche Urkundeninhalt,

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der Peemöller, Johann Caspar und Boldten, Anna Margaretha vom 2.12.1794 [MF: S 9261 D, 426]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1683 I 18 (Testament des Rentzel, Herman vom 18. 1. 1683 [MF: S 9264 D, 710]); StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 3 Conv. 1 No. 4: Akten Battier [u. a.] vs. Nootnagel [u. a.] 1802/03. Dort lediglich eine kurze Abhandlung über unbesiegelte Notariatsurkunden in Deutschland, s. Bresslau, Urkundenlehre I, S. 730 ff. Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 470. Wobei sich diese Aussage zunächst nur auf die Zeit bis 1512 beschränkt. Für den Zeitraum von 1512 bis zum Ende des Alten Reichs geht Oesterley überhaupt nicht mehr auf die zusätzliche Besiegelung mit Privatsiegeln ein. Erst in „neuerer Zeit“, was aus seiner Perspektive die Zeit nach der französischen Besatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts meint, könne die Beigabe eines Privatsiegels nachgewiesen werden. Luschek, Notariat in Schlesien, S. 80. Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 215. Weiterführend dazu s. S. 163 ff. Ebda. Besonders ammende Bekenntnisse zur deutschen Sprache nden sich in den frühneuzeitlichen Hand- bzw. Formularbüchern zur Erstellung von Briefen. Eines davon wird vom deutschen Barockdichter Georg Philipp Harsdörffer, dem das anonym veröffentlichte „Der teutsche Secretarius“ zugeschrieben wird, überliefert: „Eine ehrliche / eine

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immer auf Deutsch abgefasst. Für die standardisierten Formeln vor allem im Eschatokoll 208, aber auch im Protokoll 209 überwog die Verwendung des Lateinischen. Damit die Urkunden eine gesteigerte Glaubwürdigkeit entfalten konnten, mussten sie nach den Regelungen der RNO und den Vorgaben der ars notaria in ordnungsgemäßer Form – in formam publicam – von einem ordentlich berufenen, glaubwürdigen Notar errichtet werden. 210 Nur eine ordnungsgemäß erstellte Urkunde konnte eine widerlegliche Vermutung für die Wahrheit des im Schriftstück niedergelegten Inhalts erzeugen. 211 Jedoch waren nicht alle Formvorgaben verp ichtend. 212 Welche Vorgaben zu den verp ichtenden gezählt wurden, ergab sich nur aus den Lehren der ars notaria. Eindeutige verschriftlichte Regelungen existierten nicht. Im Prozess bestand daher die Schwierigkeit, die verschiedenen Lehrmeinungen zu den Formvorgaben und ihren Auswirkungen gegeneinander auszuloten. Da die vertretenen Ansichten zum Teil konträr waren, bedeutete jede Nichteinhaltung eine relative Gefahr für die Anerkennung der notariellen Urkunde und damit für ihre Beweiskraft. Denn auch das Fehlen der fakultativen Urkundsbestandteile konnte als Makel ausgelegt werden, wodurch die Beweiskraft des Instruments gestört und die Urkunde suspect werden konnte. Dieses Risiko scheuten die frühneu-

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herrliche / eine Lob- und Preißwürdige Sache ist die [teutsche] Sprache (. . . ) Warumb dann solten wir neugierige Teutschen uns entblöden / unsere Sprache ohne Noth / mit frembden Flickwörtern zu be ecken / mit ausländischen Anstriche zu beschmincken / mit dem Französischen-Welsch / Lateinischen Bettlersmantel zu verhüllen / da wir uns doch sonsten der Lumpen in unserer Bekleidung schämen (. . . ) Ich sage / daß man / ohne Noth / unsere teutsche Sprache mit frembden Worten nicht verunehelichen soll“, s. ders., Der teutsche Secretarius (1661), S. 4. Die auf den rechtsverbindlichen Text folgende Schlussformel mit Datierung, Unterschrift, ggf. Gegenzeichnung, Kanzleivermerk und Segenswunsch. Die Einleitung der Urkunde mit Anrufung Gottes, Nennung des amtierenden Kaisers, Namen und Titel des Ausstellers, ggf. Nennung des Empfängers. Darstellung der formalen Bestandteile einer notariellen Urkunde: Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 258 ff.; Luscheck, Notariat in Schlesien, S. 84ff.; s. auch Olof Ahlers, Zur Geschichte des Notariats in Lübeck, in: Ahasver von Brandt [u. a.] (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Fritz Rörig, Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte, Lübeck 1953, S. 341 ff., S. 434 ff., worin einige frühe Lübecker Notarurkunden beschrieben sind. Z. B. Ludovico von Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (. . . ), Frankfurt 1677, S. 1; Henricvm Cnavstinvm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber, In Quaestiones Scholasticas Redactvs (. . . ), Frankfurt 1612, Excessibus n. CXXV (S. 184). S. auch Wilhelm Endemann, Die Beweislehre des Civilprozesses, Heidelberg 1860, S. 23ff.; Hans Karl Briegleb, Einleitung in die Theorie der summarischen Processe, Leipzig 1859, S. 15ff. Dazu unter S. 159 ff.

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zeitlichen Urkundenersteller vernünftigerweise 213, jedenfalls wurden in den allermeisten der untersuchten Urkunden die Formvorschriften genau umgesetzt. Nur in Einzelfällen lassen sich z. B. Urkunden mit verkürzter Intitulatio in den Hamburger Akten nden. Einziges Beispiel eines (auch über den Hamburger Bereich hinausgehenden) massenhaften Formverstoßes ist die Errichtung des Instruments auf Papier anstatt auf Pergament, obwohl § 19 Einl. RNO dies ausdrücklich untersagte. 214 Dieser Formverstoß schadete der Beweiskraft der Urkunde offenbar nicht, jedenfalls versuchte man ihn nicht etwa zu vertuschen, sondern bezog ausdrücklich in den Urkunden dazu Stellung. 215 Seit dem 12. Jahrhundert lässt sich in Italien die gewohnheitsrechtliche P icht nachweisen, die einem Notar die Führung eines Protokolls (protocollum, notularium, cartularium, imbreviatur, rogationes) auferlegte. Darin sollte er die Konzepte der von ihm verfassten Urkunden eintragen. 216 Mit Einführung der RNO wurde diese Verp ichtung für das gesamte Reichsgebiet verbindlich festgeschrieben (§§ 5, 9 Einl. RNO). Der Notar war verp ichtet, sein Protokoll persönlich zu führen und durfte diese Arbeit nicht an Dritte delegieren (§ 8 Einl. RNO). Anders war dies bei den Urkundenausfertigungen aus dem Protokoll. Die Mundierung, also die Anfertigung der Reinschrift, konnte grundsätzlich delegiert werden, solange der protokollierende Notar die Urkunde anschließend persönlich vollzog. Das übliche Prozedere einer Protokollierung sah vor, dass der Notar von den Auftraggebern über den zu protokollierenden Sachverhalt unterrichtet wurde. Auf dieser Basis verfertigte er anschließend ein Konzept (Imbreviatur), „worinn er für sich alle seine Amtshandlungen, nach ihrem wesentlichen Innhalt, kürzlich be213 Der Notar, der sehenden Auges Urkunden fertigte, denen die Gefahr anhaftete, dass sie nicht als voll beweistauglich angesehen werden würden, konnte sich schadensersatzp ichtig machen. Um sich dem Vorwurf der Schlechtbeurkundung nicht auszusetzen, erfüllten die Notare die gesetzlichen Vorgaben. Häu g gingen sie in ihren Beurkundungen sogar über diese Anforderungen hinaus und sicherten die Urkunden zusätzlich durch weitere Zeugen, das Anhängen privater Siegel, Chirographierungen etc. Dazu unter S. 266 ff. 214 Die Errichtung auf Papier entspreche der allgemeinen Übung („consueta“) in Hamburg, z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 v. Trotzdem lassen sich Prozessschriften nachweisen, in denen papierne Notarurkunden als formfehlerhaft gerügt wurden, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20. Soweit ersichtlich, konnte die rügende Partei mit ihrem Einwand aber nicht durchdringen. 215 Z. B. „eines auf Peramen undt das ander auf Papier“, StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 (Testament der Becker, Hanß Jacob und Catharina vom 27.4.1637 [MF: S 9264 D, 456]), fol. 2 r; „Verinstrumentirten schein, welcher auff papir, weil seine principalin ex paupertate kein pergame bezahlen konnen, geschrieben“, StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 v. 216 Hans Voltelini, Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen des dreizehnten Jahrhunderts, Bd. 1, Innsbruck 1899 (ND Aalen 1973), S. XXVII.

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schr[ieb]“ 217 (§ 9 Einl. RNO). Dieses Konzept verlas er und ließ es sich durch die anwesenden Urkundsparteien und -zeugen bestätigen. Im Gegensatz zu einem bloßen Entwurf des Notars enthält die Imbreviatur eine vollständige Wiedergabe des notariellen Urkundentextes, jedoch unter Zuhilfenahme notarieller Abkürzungen. 218 Eine stichwortartige Wiedergabe des Urkundeninhalts genügte, sofern sich die „Substanz“ der vereinbarten „Haupt-Clausuln“ im Nachhinein einwandfrei feststellen ließ (§ 9 Einl. RNO). Der Notar war verp ichtet, das Protokoll aufzubewahren. Auch nach seinem Tode wurde es „zur künftigen Nachfrage (. . . ) [bei einer öffentlichen Stelle oder dem Nachfolger des Notars] in Verwahrung genommen und aufgehoben“ 219, sodass nach richterlicher Genehmigung auf ihrer Grundlage auch von anderen Notaren beliebig viele glaubwürdige Urkunden ausgefertigt werden konnten (§ 17 Einl. RNO). Wegen dieser zeitenüberdauernden Sicherheit, die das Protokoll gewährleistete, wurde sein Beweiswert den ausgefertigten Urkunden gegenüber zumindest als gleichwertig 220, wenn nicht sogar überlegen 221 angesehen, was man mit der Nähe, die das Protokoll zur Urkundenerrichtung hatte, begründete. 222

2. Notarielle Kopie und Beglaubigung Eine Kopie ist das Duplikat einer Vorlage, wobei es in der Frühen Neuzeit genügte, wenn Kopie und Vorlage wortgleich waren. Eine vollständige optische Identität war nicht erforderlich. Daher nden sich z. B. an den Stellen, an denen im Original Signete oder Privatsiegel angebracht waren, meist Platzhalter, die diese Zeichen lediglich andeuten. 223 Nach dem Hamburger Stadtrecht waren „notariellen Kopien“ – gemeint sind quali zierte notarielle Kopien mit Beglaubigungsvermerk – (unstreitig) nicht

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Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 18. Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 119 ff. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 20. Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 119 ff. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 19f. Hier sei an die Prozedur der Beurkundung erinnert, nach der der Notar verp ichtet war, zunächst die inhaltlichen Festsetzungen in sein Protokoll einzutragen und anschließend auf der Basis dieses Protokolls die Urkunde zu errichten, wobei die Ausfertigung aus Kostengründen häu g zunächst nicht vorgenommen worden sei. Nach Reinhard Härtel (ders., Notarielle und kirchliche Urkunden im Frühen und Hohen Mittelalter, Wien [u. a.] 2011, S. 86) seien solche kostensparenden Ausfertigungsverzichte „sogar häu ger als die Ausfertigung“ gewesen. S. auch Voltelini, Notariats-Imbreviaturen I, S. XXIX. 223 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]).

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glaubwürdig. 224 Dennoch lassen sich solche während des gesamten Untersuchungszeitraumes in Gerichtsakten nachweisen. 225 Anscheinend hat der Rat die stadtrechtlichen Regelungen nicht konsequent umgesetzt, denn auch er legte bei den städtischen Gerichten nachweislich solche Kopien zu Beweiszwecken vor. 226 Im frühneuzeitlichen Hamburg können zwei Arten notarieller Kopien unterschieden werden: quali zierte und einfache notarielle Kopien. Bei den quali zierten Kopien handelt es sich um formgerecht erstellte notarielle Urkunden, die im Kontext 227 das vollständige Original wiedergeben (sozusagen eine Urkunde in einer Urkunde), d. h. der Notar leitete das Schriftstück mit einem ordentlichen Protokoll (Invocatio, Intitulatio und Indictio 228 sowie Inscriptio) ein. Es folgte eine kurze Erklärung, dass der Notar gebeten worden war, die Kopie eines vorgelegten Schriftstückes anzufertigen. Anschließend wird die zu kopierende Urkunde nebst sämtlichen Förmlichkeiten im Wortlaut zitiert. Die notarielle Kopie endet mit der Nennung der zwei Urkundszeugen, die der Kopieerstellung beiwohnten, der Korroborationsformel, Unterschrift, Signet und – in Hamburg – häu g mit dem Siegel des Notars. Wenn solche Kopien im Prozess vorgelegt wurden, konnte mit ihrer Hilfe der Inhalt des Originals anbewiesen werden. Zum vollen Beweis musste zusätzlich entweder das Original vorgelegt werden oder der Rat die Kopie beglaubigen (wobei er dazu ebenfalls Rückgriff auf das Original nahm). 229

224 In einem Niedergerichtsbeschluss von 1717 wurde notariellen Kopien jegliche Beweiskraft abgesprochen, s. Anderson, Hamburgisches Privatrecht III (1787), S. 325, dazu auch Repgen, Hamburgs Notare, S. 380 m. w. N. (insb. Fn. 100). Ohne Glaubwürdigkeit waren aber auch andere Urkunden, z. B. notarielle Zeugenverhöre. Ausführlich dazu S. 234 f. 225 Exemplarisch: Mitte 16. Jh.: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 9 ex Lit. Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 14 (vom 26.11.[1554?]); Mitte 17. Jh.: StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 47; Jahrhundertwende 17.–18. Jh.: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Caspar und Neijman, Catharina Dorothea vom 3.4.1703 [MF: S 9261 D, 221]). 226 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 5, Beilage Lit. A. 227 Nach den Einleitungsformeln der zweite Teil der inneren Gliederung einer Urkunde. Der Kontext beinhaltet das eigentliche Rechtsgeschäft, die Mechanismen seiner Durchsetzung sowie die Autorisierung der Durchsetzung. 228 Die Indiktion ist die römische Zinszahl, eine Methode der Jahreszählung. Es handelt es sich um einen 15-jährigen Zyklus, der sich aus der spätrömischen Steuerverwaltung herausgebildet hat. Angegeben werden nicht die abgelaufenen Zyklen, sondern nur die Stellung des Jahres im jeweiligen Indiktionszyklus (z. B. 3. Indiktion, d. h. das dritte Jahr des laufenden Zyklus). 229 Legte der Notar die von ihm getätigte Abschrift nebst dem Protokoll einem Richter, in Hamburg waren das Ratsherren beziehungsweise ihre Vertreter, die sog. „Comissarien“ (StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221])), vor und be-

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Notare und ihre Schriftstücke

Daneben stehen einfache Kopien, bei denen der Notar lediglich den Wortlaut der Originalurkunde wiedergab. Er erstellte also lediglich eine Abschrift, ohne auf die Umstände ihrer Errichtung einzugehen. Solche Abschriften hatten lediglich den Zweck, „das Andenken an das Original zu erhalten“. 230 Sie hatten grundsätzlich nur die Beweiskraft einer Privaturkunde und dienten lediglich dem Zweck, anzukündigen, dass ein bestimmtes Beweismittel (im Original) beigebracht werden konnte. 231 Wurden quali zierte oder einfache Kopien in Zweifel gezogen und konnte das Original nicht mehr beigebracht werden, so wurde auf das Protokoll des Notars, der das Original ausgefertigt hatte, Rückgriff genommen. Häu ger als notarielle Kopien sind notarielle Beglaubigungen. Die Beglaubigung einer Urkunde oder eines Urkundenteils hatte immer die Funktion, das beglaubigte Schriftstück zu bestätigen. 232 Mit der Beglaubigung erhielt das beglaubigte Schriftstück also die gleiche Wirkung wie das Original. 233 Anders als heute wurden aber nicht nur Kopien beglaubigt. Vielmehr konnten Beglaubigungen auch dazu dienen, eine Urkunde, von der man annahm, dass ihre Beweiskraft im Laufe der Zeit schwächer geworden war oder ihr kein bzw. lediglich ein geringer Glaube beigemessen wurde, von einer glaubwürdigen Stelle absichern zu lassen und ihr so zu (neuer) Beweiskraft zu verhelfen. 234 Die beglaubigende Stelle bestätigte, dass sie das

230 231

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kräftigte er die Übereinstimmung von Kopie und Original, so erlangte die Kopie volle Beweiskraft (Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 331). Die Beweiskraft resultierte dann aber nicht aus dem öffentlichen Amt des Notars, sondern aus der Erklärung des glaubwürdigen Rates (Ebda., S. 337). Ebda., S. 330. Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 215. Er geht davon aus, dass der Kopie jedenfalls in den Bereichen, in denen der Notar bekannt war, eine höhere Beweiskraft zukommen konnte. Zumindest dann, wenn die Möglichkeit bestand, den Notar zu laden und zur Urkunde zu befragen. Trotzdem hätte die Urkunde aber „in keinem Fall eine allgemeingültige publica des“ besessen. Fraglich ist, inwieweit es sich in den Fällen des vorgeladenen Notars überhaupt noch um einen Urkundenbeweis handelte. Wenn zum Beweis die Aussage des Notars nötig gewesen wäre, liegt es nahe, anzunehmen, dass der Beweis durch die Aussage des Notars erbracht wurde, dem Kraft seines Amtes eine höhere Glaubwürdigkeit zugebilligt wurde. Waldemar Schlögl, Art. Beglaubigung, in: LexMA I (1980), Sp. 1803f., Sp. 1804, unterscheidet zwischen diplomatischen und juristischen Beglaubigungen. Während Erstere die Übereinstimmung einer Urkunde mit der Rechtshandlung oder dem Ausstellerwillen umfasse, bezeuge Zweitere die Übereinstimmung einer Abschrift mit dem Text der Urschrift oder die Abfassung der Unterfertigung durch eine bestimmte Person. Durch die juristische Beglaubigung erhalte die Abschrift vollen Glauben. Bresslau, Urkundenlehre I, S. 83. Das waren z. B. insbesondere Privaturkunden, aber natürlich auch notarielle Kopien oder notarielle Urkunden, bei denen man anscheinend davon ausging, dass eine große Zahl mitwirkender Notare die Urkunden davor schützte, vom Rat nicht anerkannt zu

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vorgelegte Schriftstück für glaubwürdig halte, sie verbürgte sich sozusagen mit ihrer eigenen Glaubwürdigkeit für den Inhalt des Schriftstücks. 235 Notarielle Beglaubigungen nden sich in allen Lebensbereichen, auffällig häu g in Sachverhalten mit Auslandsbezug 236 und bei Kopien. 237 Alle Beglaubigungen bestehen aus einem Beglaubigungsvermerk am Ende des fremden, d. h. nicht vom beglaubigenden Notar geschriebenen Schriftstücks. Wie notarielle Urkunden, so wurden auch die notariellen Beglaubigungen häu g mit dem Privatsiegel des Notars besiegelt. In den Hamburger Archivalien lassen sich verschiedene Arten von Beglaubigungen nachweisen: Zum einen nden sich Beglaubigungen, die sich auf den Ablauf des Beurkundungsverfahrens beziehen. Meist handelt es sich um die Bescheinigung, dass die Urkunde in einem ordnungsgemäßen Verfahren erstellt wurde. So notierte der Notar, der den Ehezärter der Brautleute Christian Kopf und Anna Catharina Schultz beglaubigte, am Ende des Schriftstücks 238:

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werden. S. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1794 XII 2 (Ehezärter der Peemöller, Johann Caspar und Boldten, Anna Margaretha vom 2.12.1794 [MF: S 9261 D, 426]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1786 V 13 (Ehezärter der Reimer, Johann Hermann und Meijer, Catharina Gesa vom 13.5.1786 [MF: S 9261 D, 451]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Caspar und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]). Zur Erhöhung der Sicherheit: z. B. Auszug des Protokolls der Weinbudenschreiberei: StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 21 Extractus Weinbudens Protokolli, fol. 1 v ff.; Beglaubigung von Auszügen aus Senatsprotokollen: StA HH, Senat 111-1, Nr. 1379 Teil 1, Libellus Gravaminum et Nullitatum Summarius 1765, S. 36; verschiedene notarielle beglaubigte Kopien aus Handels- und Geschäftsbüchern: StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 7 (beglaubigte Kopie von Auszügen aus Geschäftsbüchern) – es sei hier daran erinnert, dass ein Beweis auch allein durch die Vorlage der von Gesetzes wegen glaubwürdigen Handelsbücher hätte erbracht werden können. Dazu Bachmann, Frieden durch Sicherheit, S. 184 f.; für authentische Siegel s. Bresslau, Urkundenlehre I, S. 686. Z. B.: StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 1 No. 6, Beilage Nr. 1 (Beglaubigte Kopie einer niederländischen Police); StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 1 No. 6, Beilage Nr. 4 (Beglaubigung einer Kopie: Inhalt: Taxierung eines Schadens an einer Ladung Brasilzucker durch Seewasser). Zum Teil ließen auch Geschäftspartner die Übereinstimmung ihrer Handelsbücher bezeugen, um späteren Unstimmigkeiten vorzubeugen, s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 3 Conv. 1 No. 14. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1784 XII 19 (Ehezärter der Knopf, Christian und Schultz, Anna Catharina vom 19. 12. 1784 [MF: S 9261 D, 322]).

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„Zur Urkunde und unverbrüchlicher Fester Haltung alles Obigen ist dieser Ehezärter von beiden Theilen in Gegenwart eines dazu requirirten kaiserlichen Notarii und zween herren Gezeugen eigenhändig unterschrieben und besiegelt worden. [Es folgen die Unterschriften und Siegel der Eheleute sowie der Brauteltern und zweier weiterer Zeugen.] Daß sämtliche Subscribenten vorstehenden ehezärter, nachdem Ihnen solcher von mir, dem notarius requisito, gutlich vorgelesen worden, nicht nur alles Einhalts genehmiget, sondern auch eigenhändig unterschrieben und besiegelt haben, solches wird auf Verlangen hier durch attestiret. [Es folgen Unterschrift, Signet und Siegel des Notars sowie Unterschriften und Siegel der notariellen Urkundszeugen.]“

Zum anderen dienten die Beglaubigungen – wie die heutigen – der Bescheinigung, dass die Unterschrift bzw. Besiegelung vom Erklärenden persönlich vollzogen worden sei oder dass die Abschrift mit dem Original inhaltlich übereinstimme. Für gewöhnlich beschloss der Notar diese Urkunde mit dem Hinweis, dass die Abschrift „mit dem (. . . ) Vorgezeigten Originali nach gehaltener eißigern Collationirung verbotenus concordire und über einstimme“ 239. Es folgte die Unterschrift des Notars unter Angabe seiner Autorisation, Signet und Siegel.

3. Notarielle Dorsalurkunde Die Dorsalurkunde ist eine auf der Rückseite einer Urkunde be ndliche Zweiturkunde, die sich in ihrem Inhalt auf die der Vorderseite bezieht und diese ergänzt. Unbeachtlich ist dabei die Form der Haupturkunde, ob es sich also um eine notarielle oder eine Siegelurkunde handelt. Die Dorsalurkunde gibt Auskunft über etwaige inhaltliche Änderungen, den Vollzug des vorne in der Haupturkunde angekündigten Rechtsgeschäftes oder den Vollzug einer Prozesshandlung. 240 In den untersuchten Akten fand sich diese Urkundenform selten und ausnahmslos im Zusammenhang mit der Zustellung von Appellationspapieren und gerichtlichen Zitationen. Vermutlich wurde diese Beurkundungsform, wie heute noch üblich 241, vor allem in handelsund kaufrechtlichen Zusammenhängen und dort insbesondere beim Wechsel verwendet. Das Handelsrecht blieb aber – wie bereits erwähnt – wegen der in Hamburg gültigen Appellationsprivilegien und der pragmatischen Entscheidungen des Ham-

239 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]). 240 Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 217. 241 Zu denken ist hier vor allem an alle Arten von geborenen und gekorenen Orderpapieren, die durch Indossament übertragen werden.

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burger Rates in handelsrechtlichen Zusammenhängen aus dieser Untersuchung ausgeklammert. In den dorsalen Beurkundungen auf Appellationsschriften oder Zitationen vermerkte der Notar, dass die Urkunde ordnungsgemäß zugestellt und eine Kopie des Schriftstücks an den Appellaten übergeben wurde. Auffällig ist, dass sich keine Urkunden nden, in denen rückwärtig nachträgliche inhaltliche Änderungen der Haupturkunde vermerkt wurden, obwohl solche Änderungen sicherlich häu g vorkamen. Zu denken ist zum Beispiel an Änderungen in Testamenten, die angepasst werden mussten, weil sich die Erbmasse verändert hatte oder weil einer der potentiellen Erben verstorben oder ein neuer hinzugetreten war. Wahrscheinlich errichtete man in solchen Fällen eine neue Urkunde, um der Gefahr vorzubeugen, dass die Urkunde wegen des Zusatzes in den Ruf von Heimlichkeit und Betrug geriet. Im Unterschied zur gewöhnlichen notariellen Urkunde weisen notarielle Dorsalurkunden ein verkürztes Formular auf. Man begnügte sich damit, bezüglich der Formalitäten auf die Haupturkunde zu verweisen, sofern sich die Umstände nicht geändert hatten. Neben solchen Dorsalurkunden mit verkürztem Formular nden sich Beurkundungen, bei denen zusätzlich die notarielle Unterfertigung verkürzt wurde und beispielsweise das Signet fehlt. 242 Dies sind aber wesentliche Solennitäten eines notariellen Schriftstücks, weshalb die Beurkundung in diesen Fällen vermutlich als privatrechtliche Beurkundung einer amtlichen Person gewertet wurde. Sicher lässt sich dies aber nicht sagen, denn Streitigkeiten, die notarielle Dorsalurkunden betrafen, traten in den untersuchten Archivalien nicht auf.

4. Besiegelte Urkunde mit notarieller Unterfertigung Bei besiegelten Urkunden mit notarieller Unterfertigung ist zwischen zwei verschiedenen Arten notarieller Beteiligung zu unterscheiden. Bei der einen Urkundenform ndet sich am unteren rechten Ende des Schriftstücks eine volle notarielle Unterfertigung, d. h. zumindest die Korroborationsformel nebst Unterschrift und Signet. Häu g brachte der Notar außerdem sein privates Siegel auf dem Schriftstück an. Die zusätzliche notarielle Unterfertigung war nicht verp ichtend. Sie kam allein auf Wunsch der Parteien zustande und fand häu g im Ausfertigungsvermerk gesondert Erwähnung: „Mit fernerer bitte, das Ich [Notar] ebenmaßig nicht allein solches Ihr Testamentum Reciprocum mit meiner unterschrifft und Pittschaft Zum beschluß con rmiren, Besondern auch uber solchen beschehenn Actum dieß Instrumentum zu mehrer Be242 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 (Testament des Domvicars Steffens, Hinrich von 1552 (o. D.) [MF: S 9262 D, 630]).

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Notare und ihre Schriftstücke

glaubunß verfertigen und anhero besagtem vorhergehenden Testamento annectiren möchte“. 243

Es handelt sich um eine Mischform, bei der sich an eine vollendete formgültige Siegelurkunde eine volle notarielle Unterfertigung anschließt. Ihrer Form und Wirkung nach sind die „notarielle[n] Siegelurkunde[n]“ 244 trotz der Einhaltung der notariellen Solennitäten den Privaturkunden zuzuordnen. Das maßgebliche Beglaubigungsmittel ist das Siegel. Die notarielle Unterfertigung ist nur eine zusätzliche Sicherung für den Urkundenempfänger: „zu mehrer Uhrkund und beglaubigung habe ich dieses Instrumentum in gegenwarth Zween Immatrikulirter Notarien mit zuziehung Sieben glaubwurdiger Männer eigenhändig unterschrieben und mit meinem angebohrenen Adelichen Pettschafft bekräfftiget“. 245

Wenn das Siegel nicht anerkannt wurde, konnte auf den kaiserlichen Notar zurückgegriffen werden. Zwar konnte die notarielle Unterfertigung keine notarielle Beglaubigung ersetzen, dem Notar wurde jedoch eine gegenüber Privatpersonen höhere Glaubwürdigkeit zuerkannt. Seine Stimme zählte nach der herrschenden Auffassung wie die zweier glaubwürdiger Zeugen. 246 Neben der Siegelurkunde mit voller notarieller Unterfertigung nden sich auch besiegelte Urkunden mit notariellem Schreibervermerk: „Tho orkundth mhererm geloven aller Even geschrevenen dinghe, hir tho In sonderheitt erfordertt, gebeden und beropen“. 247

In den Siegelurkunden mit notariellem Schreibervermerk tritt der Notar als Privatperson auf. Er unterschreibt und besiegelt die Urkunde zum Teil mit seinem Privatsiegel, nicht jedoch mit seinem Signet. 248 Im Unterschied zu anderen hinzugezogenen Privatpersonen, deren Beruf keine Erwähnung fand, wurde der Notar 243 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1650 VIII 23 (Testament der Voß, Christoph und Engell vom 23. 8. 1650 [MF: S 9264 D, 564]). 244 Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 211. 245 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 4 Ser. 1 1686 X 20 (Testament des von Alfeldt, Detleff vom 20. 10. 1686 [MF: S 9264 D, 750]). 246 Christophori Philippi Richteri, Decisiones Juris Variae In Tres Partes (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1689, Lib. III Dec. CXIII n. 24 (S. 43); so auch Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), S. 84; Matthias Stephani, Tractatvs de Ivrisdictione, Qvalemqve Habeant omnes Ivdices (. . . ), Frankfurt 1611, Lib. II P. II Cap. V n. 35 (S. 371); Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 8. 247 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1579 V 14 (Testament des Rheder, Matthias, Bürgermeister vom 14. 5. 1579 [MF: S 9263 D, 104]). 248 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1695 VI 22 (Testament des Schele, Johann vom 22. 6. 1695 [MF: S 9264 D, 941]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 4

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Erträge

aber ausdrücklich als Notar kenntlich gemacht. Die exponierte Stellung unter den Urkundszeugen wurde in der Urkunde auch optisch hervorgehoben, indem die Unterschrift des Notars deutlich größer aus el als die der übrigen Urkundszeugen und die der Urkundsparteien. 249 Beweisrechtlich ist der notarielle Schreibervermerk einem Privatvermerk gleichgestellt. 250 Vermutlich erhofften sich die Auftraggeber dennoch eine höhere Glaubwürdigkeit durch die Zuziehung des Notars.

IV. Erträge Im frühneuzeitlichen Schreiberwesen Hamburgs lassen sich im Wesentlichen drei verschiedene Schreibertypen nachweisen: Schreiber, Ratsnotare und kaiserliche Notare. Während Schreiber und Ratsnotare gewissermaßen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber standen, war der kaiserliche Notar nicht von Weisungen einer Institution oder einem festen Arbeitgeber abhängig. Als „Diener des gemeinen Nutzens“ war er nur dem jeweiligen Auftraggeber gegenüber verp ichtet. Notar

Ratsnotar

Privatschreiber

Ernennung

Vom Hofpfalzgrafen kreiert

Vom Rat gewählt, vereidigt und auf Lebenszeit verp ichtet

(–)

Beurkundungsp icht

(+) Ausnahme: Urkundeninhalt würde gegen Recht verstoßen

Auf Weisung des Rates

(–)

Tätigkeit

Beurkundungs- und Beglaubigungsakte, Beratung

Beurkundungs- und Beglaubigungsakte im angewiesenen Umfang

Beurkundungsakte

Urkundliche des durch . . .

Formgerechte Erstellung Glaubwürdigkeit des und persönliche Rates; Manifestation: Glaubwürdigkeit des Ratssiegel Notars

Wirkungsbereich Mind. im Machtbereich Bereich, in dem die des Kaisers Autorität des Rates anerkannt war

Keine gesteigerte Glaubwürdigkeit Ausnahme: Handelsbücher inter partes

Ser. 1 1684 III 19 (Testament des Jürgen Kellinghusen vom 19.3.1684 [MF: S 9264 D, 739]), StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1579 V 14 (Testament des Rheder, Matthias, Bürgermeister vom 14. 5. 1579 [MF: S 9263 D, 104]). 249 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1761 VIII 23 (Ehezärter der Fischer, Anthon Friedrich und Schröder, Sara Maria vom 23. 8. 1761 [MF: S 9261 D, 233]). 250 Schuler, Südwestdeutsches Notariat, S. 213.

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Notare und ihre Schriftstücke

Form

Beweiskraft

Not. Urkunde

§ 3 RNO Häu g mit Privatsiegel

Fides hinsichtlich der Abgabe der Erklärung vor dem Notar und dem Urkundeninhalt (materielle und formelle Beweiskraft)

Not. Kopie

Quali zierte Kopie: Formalien § 3 RNO, der kopierte Text wird in die not. Urkunde eingebunden In der städtischen Rechtspraxis: zusätzlich häu g mit Beglaubigungsvermerk durch den Rat versehen (nicht zwingend)

Quali zierte Kopie: Im Stadtrecht: des aberkannt In der städtischen Rechtspraxis: des hinsichtlich Übereinstimmung Original mit Kopie Reichsrecht: des hinsichtlich Übereinstimmung Original mit Kopie

Einfache Kopie: Einfache Einfache Kopie: Beweiskraft einer Abschrift des Originals, keine Privaturkunde, dient dazu, Einbindung in notarielle Urkunde Vorlage des Originals anzukündigen Not. Beglaubigung

Beglaubigungsvermerk, Unterschrift, Signet, seltener mit Privatsiegel

Fides hinsichtlich der Echtheit von Unterschriften, Siegel oder Übereinstimmung von Original und Abschrift

Not. Dorsalurkunde

Rückwärtige Ergänzung zur vorderseitigen Urkunde (besiegelt /notariell) mit Ausfertigung, Unterschrift, Signet, z. T. Privatsiegel (meist stark verkürzte bzw. fehlende Formalien)

K. A. Bei Fehlen unverzichtbarer Urkundsbestandteile vermutl. nur Beweiswert einer Erklärung einer amtl. Person

Siegelurkunde mit not. Unterfertigung

Volle notarielle Unterfertigung

Beweiskraft einer Siegelurkunde, durch die Unterfertigung aber Wirkung einer notariellen Beglaubigung möglich

Notarieller Schreibervermerk

Nur Bewirkung einer Siegelurkunde, Notar wird als besonders glaubwürdiger Zeuge gewertet

Obwohl sich die Tätigkeitsbereiche von kaiserlichen Notaren, Ratsnotaren und Schreibern in weiten Teilen überschnitten, bestanden große Unterschiede hinsichtlich der Beweiskraft der von ihnen erstellten Urkunden. Während den Urkunden der Schreiber grundsätzlich keine gesteigerte Beweiskraft zukam, billigte man den Urkunden, die von Ratsnotaren und kaiserlichen Notaren erstellt wurden, Glaub-

Erträge

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würdigkeit zu. Ein wesentlicher Unterschied lag jedoch im Anknüpfungspunkt für die des. Bei Urkunden der Ratsschreiberei wurde er aus der Glaubwürdigkeit des angehängten Siegels und damit letztlich aus der Glaubwürdigkeit des Siegelträgers (Rat) hergeleitet. Bei kaiserlichen Notaren fehlte diese Anbindung. Notarielle Urkunden bezogen ihre Glaubwürdigkeit allein aus der formgerechten Erstellung sowie der persönlichen Glaubwürdigkeit des ausfertigenden Notars. Neben notariellen Urkunden erstellten kaiserliche Notare eine ganze Reihe weiterer, hinsichtlich Form und Wirkung aber zu unterscheidender Schriftstücke oder wirkten an ihrer Erstellung mit. In Hamburg waren das hauptsächlich notarielle Kopien, Beglaubigungen, Dorsalurkunden und Siegelurkunden mit notarieller Unterfertigung.

§ 3 Der notarielle Urkundenbeweis Und der Junge brachte dem Richter den Korb, als dieser aber den Brief gelesen und die Trauben gezählt hatte, so sagte er: „Es fehlen zwei Stück.“ Der Junge gestand ganz ehrlich, daß er, von Hunger und Durst getrieben, die fehlenden verzehrt habe. Der Richter schrieb einen Brief an den Bauer und verlangte noch einmal so viel Trauben. Auch diese mußte der Junge mit einem Brief hintragen. Als ihn wieder so gewaltig hungerte und durstete, so (. . . ) verzehrte [er] abermals zwei Trauben. Doch nahm er vorher den Brief aus dem Korb, legte ihn unter einen Stein und setzte sich darauf, damit der Brief nicht zusehen und ihn verraten könnte. (Gebrüder Grimm, Der arme Junge im Grab, 1843)

Der Beweis dient dazu, die Richtigkeit einer Behauptung zu untermauern. 251 Welches Werkzeug dafür am geeignetsten erscheint, welchem Beweismittel die höchste Beweiskraft zukommt, unterliegt auch gesellschaftlichen Einschätzungen und ist dementsprechend nicht statisch, sondern immer im Zusammenhang mit allgemeinen Anschauungen zu sehen. 252 Die Geschichte des Beweisrechts ist damit eine Geschichte menschlicher Überzeugung, die zwar in Richtung absoluter Wahrheitserkenntnis strebt, diese aber zwangsläu g niemals erlangen kann. 253 Dem heutigen Prozessrecht liegt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung zugrunde. Das unterscheidet nach gängiger Auffassung den modernen Prozess von dem des hohen und späten Mittelalters oder dem der Frühen Neu-

2

251 Kornblum, Art. Beweis, in: HRG I (2008), Sp. 401ff., Sp. 401. 252 Siehe auch die von Stephan Wendehorst als „vielversprechend“ aufgeworfene Fragestellung zur Verbindung von Vertrauen und der Anerkennung des notariellen Urkundenbeweises (ders., Öffentliches Notariat in der Frühen Neuzeit, S. 345). 253 Ähnlich schon Langenbeck'sche Glosse zur Vorrede zum Teil E, Codex A 6 (Text und Übersetzung Eichler, S. 167): „Wor beneffen ysz tho wetende, dat bekantnissze, tuge effte breue bestedygen nene vullenkamen, stede, vaste warheyt, men se maken wol starcken waen, deme de Richter schal louen so lange de waen vorlecht vnde wechgenamen werde, darvnder de Richter vaken vnde mennichmal bedragen wert.“ – „Wozu man nebenbei wissen muss, dass Eingeständnisse, Zeugenaussagen und Urkunden keine vollkomene, endgültige und feste Wahrheit bestätigen, aber sie können wohl Ansichten und Vermutungen bestärken, denen der Richter wohl vertrauen kann, so lange, bis die Ansichten und Vermutungen widerlegt und aufgehoben werden, wobei der Richter oft und manchesmal getäuscht wird.“ Das soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durchaus auch Systeme gab, in denen die Wahrheitserkenntnis nicht vorrangig war. So zum Beispiel im sächsischen Prozess.

Der notarielle Urkundenbeweis

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zeit mit der recht strikten Bindung des Richters bei der Beweisbewertung. 254 Dem frühen Prozess lag ein „système rigide des preuves légales“ 255 – ein strenges Beweissystem, eine Beweishierarchie – zugrunde, das bis zum späten 18. Jahrhundert vom Geständnis dominiert wurde. Dessen Überzeugungskraft wurde so hoch eingestuft, dass man es zunächst nicht dem Kanon der Beweismittel unterstellte, sondern den Notorietäten zuordnete. 256 Notorische Tatsachen erbrachten den vollständigen Beweis des in Frage stehenden Sachverhaltes, waren unwiderleglich und bildeten die Grundlage des zwingend folgenden richterlichen Spruches. 257 Auch nach der Zurückdrängung der Notorietät blieb das Geständnis das vornehmste Beweismittel – die regina probationum. 258 Aber mit fortschreitender Schriftkultur erlangten Urkunden einen immer höheren Stellenwert im Alltag, auch wenn die Stimme lebender Zeugen zunächst höher

254 Susanne Lepsius, Von Zweifeln zur Überzeugung. Der Zeugenbeweis im gelehrten Recht ausgehend von der Abhandlung des Bartolus von Sassoferrato [Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 160], Frankfurt 2003, S. 32ff. m. w. N. Zu den Grundlagen des gemeinen Beweisrechts auch Mathias Schmoeckel, Humanität und Staatsraison – Die Abschaffung der Folter in Europa und die Entwicklung des gemeinen Strafprozeß- und Beweisrechts seit dem hohen Mittelalter [Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit, Bd. 14], Köln [u. a.] 2000, S. 189ff. 255 Jean-Philippe Lévy, La problem de la preuve dans les droits savants du Moyen Âge, in: La preuve II: Moyen Âge et Temps modernes [Recueils de la Société Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions XVII], Brussels 1965, S. 137ff., S. 139. 256 So auch Mathias Schmoeckel, Dokumentalität. Der Urkundenbeweis als heimliche „regina probationum“ im Gemeinen Recht, In: ZRG Kanon. Abt. 96 (2010), S. 186ff., S. 187. Anders Lepsius, Zeugenbeweis im gelehrten Recht, S. 33, bei der die Notorietäten an der „Spitze der Beweise“ stehen, womit sie dem Kanon der Beweismittel unterfallen. 257 Mathias Schmoeckel, „Neminem damnes, antequam inquiras veritatem.“ Die Entwicklung eines hohen Beweisstandards als Vorgeschichte der Verdachtsstrafe, in: ZRG Kanon. Abt. 118 (2001), S. 191 ff., S. 193; Gerd Kleinheyer, Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: ders./Paul Mikat (Hrsg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte: Gedächtnisschrift für Hermann Conrad [Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N. F. Bd. 34], Paderborn [u. a.] 1979, S. 367 ff., S. 377; Knut Wolfgang Nörr, Romanisch-Kanonisches Prozessrecht – Erkenntnisverfahren erster Instanz in civilibus [Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft Abteilung Rechtswissenschaft], Heidelberg 2012, S. 123ff. 2 258 Zur „regina probationum“ s. Heinz Holzhauer, Art. Geständnis, in: HRG II (2012), Sp. 325ff., Sp. 330 ff.; kritisch: Wolfgang Schild, Art. Confessio est regina probationum, 2 in: HRG I (2008), Sp. 877 ff., Sp. 877 f.

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eingeschätzt wurde als die der „toten“ Urkunden. 259 Die zunehmende rechtliche Relevanz der Schriftstücke, die man vermutlich aus einem gewachsenen Rationalitätsbedürfnis heraus anfertigte, machte einen normativen Rahmen für ihre Verwendung unumgänglich. Und so wurden die gewohnheitsrechtlichen Grundlagen zum Notariatswesen bereits seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gelegt, also kurz nach der Wiederentdeckung der justinianischen Gesetzgebung und der Gründung der Rechtsschule von Bologna. Der wohl wichtigste Wendepunkt für das Recht der notariellen Beweise war die Dekretale „Scripta vero authentica“ 260 (1163) des Papstes Alexander III. 261 Entgegen der bis dahin üblichen Praxis, die Beweiskraft notarieller Instrumente davon abhängig zu machen, ob die bei der Urkundenerrichtung anwesenden Urkundszeugen den Ablauf der Urkundserstellung und die inhaltlichen Festsetzungen veri zieren konnten, erklärte Papst Alexander III. notarielle Urkunden auch nach dem Tod der Urkundszeugen für glaubwürdig. 262 Damit räumte er den Notarinstrumenten zumindest in zeitlicher Hinsicht eine dem Zeugenbeweis überlegene Stellung im Beweissystem ein, was ihre Bedeutung in der kirchlichen Prozesspraxis enorm steigerte. Auch wenn die Lösung von den notariellen Urkundszeugen kurz nach der Publikation der Dekretale durch Gregor IX. bereits als widernatürlich bestritten wurde, da einer Tierhaut wohl keine der menschlichen Stimme ebenbürtige Glaubwürdigkeit zukommen könne 263 – am Siegeszug des notariellen Urkundenbeweises änderte dieses Bedenken nichts.

259 „Dignior est vox viva testium quam vox mortua instrumentorum.“ Zitiert nach Schmoeckel, Dokumentalität, S. 191. Siehe auch Nörr, Romanisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 156; Thomas Wetzstein, Heilige vor Gericht – Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter [Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, Bd. 28], Köln 2004, S. 69. 260 Corpus iuris canonici [Bd. II Decretalium Collectiones, Decretales Gregorii IX.], ed. Richter/Friedberg, Leipzig 1879, Sp. 1 ff. Die Dekretale Alexanders III. wurde in die Dekretalen Gregors IX. (1167–1241) aufgenommen. 261 Anders Winfried Trusen, Zur Urkundenlehre der mittelalterlichen Jurisprudenz, in: ders. (Hrsg.), Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Goldbach 1997, S. 635*, S. 648*. Er geht davon aus, dass Notarurkunden bereits vorher als glaubwürdige Beweismittel angesehen wurden. 262 Ebda., S. 647*f. 263 Papst Innozenz IV. (1195–1254) verwarf die Anerkennung des notariellen Urkundenbeweises durch Alexander III. (ca. 1100–1181) als „contra leges publicas et contra ius naturales“ – gegen Gesetz und Naturrecht, denn einer „chartae animalis mortui“, einer Tierhaut, könne keine dem Menschen ebenbürtige Glaubwürdigkeit zukommen. S. Innozenz IV., Commentaria (1570), zu X 2.22.15 n. 1, dazu Schmoeckel, Dokumentalität, S. 193.

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Yves Mausen hat in seiner 2006 vorgelegten Arbeit zum Zeugenbeweis die These einer Gleichwertigkeit von Zeugen- und Urkundsbeweis im Mittelalter aufgestellt. 264 Das kritisiert Mathias Schmoeckel zu Recht. Anhand zahlreicher Quellen weist er nach, dass „der Wert von Urkunden sogar noch über dem von Zeugen lag“. 265 Der notarielle Urkundsbeweis könne daher zweifellos als die „heimliche ‚regina probationum` im Gemeinen Recht“ 266 gelten. Die Untersuchung der frühneuzeitlichen Hamburger Notarurkunden bestätigt das. 267 Mit der Möglichkeit, im Beweisverfahren ein notarielles Instrument vorlegen zu können, stiegen die Erfolgsaussichten der betreffenden Partei ungemein. Die Chance des Gegners, gegen dieses Beweismittel erfolgreich vorgehen zu können, war dagegen gering. Wenden wir uns noch einmal dem Fall des Notars Cramer 268 zu, weil er ein außerordentlich schönes Beispiel für Probleme ist, die sich rund um den notariellen Beweis ranken. Schauen wir uns den Fall also noch einmal im Detail an. Was war geschehen? In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte Baron Doubskij dem Hamburger Rat eine beträchtliche Summe Geld geliehen und sich – anscheinend mündlich – zusichern lassen, dass er es von der städtischen Kämmerei wieder erhalten würde. Üblicherweise ließ die Hamburger Kämmerei für geliehene Gelder besiegelte Schuldscheine ausgeben, nicht aber im Fall des Herrn Doubskij. Um dennoch nicht völlig schutzlos zu sein, beauftragte der Baron – entgegen den stadtrechtlichen Regelungen, nach denen nur vom Rat selbst ausgegebene besiegelte Schuldscheine zugelassen waren 269 – einen Notar damit, die Schuld des Rates schriftlich festzuhalten und seine – Doubskijs – Rechte zu sichern. Es ging einige Zeit ins Land, bis der Baron das Geld dann tatsächlich von der Kämmerei einforderte. Offenbar wollten oder konnten sich die Hamburger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an die Geldleihe erinnern, zumindest kam es zwischen Doubskij und dem Hamburger Rat

264 Yves Mausen, Veritatis adiutor. La procédure du témoignage dans le droit savant et la pratique française (XIIe–XIVe siècles) [Università degli studi di Milano – Pubblicazioni dell'Istituto di Storia del Diritto Medievale e Moderno, Bd. 35], Milano 2006, S. 711ff. 265 Schmoeckel, Dokumentalität, S. 193. 266 Schmoeckel, Dokumentalität, S. 186. Er spielt damit auf das Geständnis als die „regina probationum“ an (s. o., Fn. 258). 267 S. dazu weiterführend das Kapitel zur Wirkung der des S. 143 ff. 268 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26. Im Verfahren verlangt der Notar Ausgleich für die schlechte Behandlung durch den Hamburger Rat. Während des Prozesses mussten die Hintergründe des ratsherrlichen Vorgehens beleuchtet werden, um die Vorwürfe Cramers einordnen zu können. Der hier geschilderte Sachverhalt setzt sich zusammen aus dem streitgegenständlichen Vorbringen und der Vorgeschichte. 269 StR 1603/05 I 20, 2, dazu Gries I, S. 77. Danach sind „unläugbare Briefe“ besiegelte Urkunden der öffentlichen Hand oder einfache Siegelurkunden.

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zum Streit, in dessen Folge der Rat sowohl das Bestehen der Schuld als auch die Gültigkeit des notariellen Schuldscheins bestritt und die Vernichtung der Urkunde forderte. Da sich der Baron davon unbeeindruckt zeigte, fühlte sich der Hamburger Rat anscheinend genötigt, härtere Geschütze aufzufahren. Kurzerhand beschuldigte er Doubskij des Betruges und ließ ihn in den Kerker werfen. Da ein Widerspruch gegen dieses Vorgehen beim Rat hätte erfolgen müssen und damit wenig Erfolg versprechend war, umging Doubskij die städtische Obrigkeit und wandte sich direkt an den Kaiser. 270 Die kaiserlichen Berater prüften die Urkunde, konnten keine Fehler feststellen und erkannten sie vollumfänglich als Beweismittel an. Auf dieser Grundlage ergriff der Kaiser Partei für den Baron und erließ ein Mandat, nach dem Doubskij umgehend in Freiheit zu setzen war. Überbringer dieser Anordnung war der Notar Cramer, der zuvor schon den notariellen Schuldschein ausgestellt hatte. Nun hatte er also zum zweiten Mal „wider seine obrigkeit gesündiget“ 271 und damit den Rat brüskiert. Die Reaktion kam prompt: Man schickte die Diener der Stadt in Cramers Behausung und ließ ihm „seine protokolla und sämbtlich scripturen gewaldthätig wegnehmen“. 272 Seiner wichtigsten Handwerkszeuge beraubt, war er nun als Notar praktisch unbrauchbar. 273 Doch offensichtlich lag es im Interesse des Rates, die Tätigkeit des Notars Cramer ein für alle Mal zu unterbinden. Zur Mittagszeit ließ man ihn in „Ketten und bande legen“ 274 und „inm gesicht der vollen Börse und

270 Ein Vorgehen, das sich immer wieder in den Akten nachweisen lässt. Z. B. StA HH, RHR 211-2, Nr. 137; StA HH, RHR 211-2, Nr. 220; StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 v f. mit dem sarkastischen Hinweis eines Ratsherrn, der schikanierte Notar könne ja versuchen, vom Rat (d. h. von den Hamburger Gerichten) Hilfe und Gerechtigkeit zu erbitten. 271 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 2, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 r. 272 Ebda. 273 Nach den auch in Hamburg anerkannten gemeinrechtlichen Vorschriften bestand die Aufgabe eines Notars maßgeblich darin, „uber des jeinige, so vor ime verhandeldt würdt, ein publicum Instrumentum ufzurichten“ (StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae, fol. 4 v) und auf Dauer greifbar in einem Protokoll zu verzeichnen (StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 4 r). Die Glaubwürdigkeit der Urkunden war maßgeblich vom Protokoll abhängig. Wurden inhaltliche Festsetzungen der Urkunde bestritten, konsultierte man das notarielle Protokoll oder befragte die Urkundszeugen. Dem Notar selbst war es nicht gestattet, die Urkunde zu bekräftigen („Nunquam autem Notario creditur extra scripturam et testes“, StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae, fol. 4 v.). Insbesondere, wenn seit der Protokollierung viel Zeit verstrichen war und alle, die an der Beurkundung einst mitwirkten, verstorben waren, war das Protokoll die einzige Möglichkeit, das Instrument zu bekräftigen. Bei Verlust des Protokolls bestand die Möglichkeit, das Protokoll aus den ausgegebenen Urkunden zu rekonstruieren. Dazu unter S. 178 ff. 274 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 2, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 r.

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der ganzen Stadt durch diener eben auff den Winserbaum[275] (. . . ) [schleppen] undt dies alles aus der einzigen von besagtem Rath ihm darbeij vorgehaltenn ursache, weil er sich (. . . ) als notarius [hatte] gebrauch[en] lassen“. 276 Um diese Ungerechtigkeit für einen späteren Prozess zu dokumentieren, ließ Cramer im Gefängnis ein Instrument, welches den Rufmord durch die öffentliche Blamage beweisen sollte, von einem zweiten kaiserlichen Notar aufstellen. Anschließend wurde ein weiteres Mal der Kaiser angerufen und erneut fühlte sich der Hamburger Rat durch die Übergehung seiner Gerichtszuständigkeit verletzt. Der Beschwerde des Rates kamen Cramers Rechtsvertreter zuvor. Sie brachten vor, dass „dies Nobile of cium Notariorum et facultas eos creandi von Euer Käijs:Mjt: als fonte omnis jurisdictionis, singulari reservato Caesareo immediate herrühre, dahero auch alle notarij als Judices extraordinarij zuhalten“ 277 seien, weshalb die Gerichtszuständigkeit nicht bei den Hamburger Gerichten liege, sondern eine ausschließliche Kompetenz des Kaisers anzunehmen sei. Die Argumentation war ein gekonnter Schachzug der Prokuratoren, denn die Kompetenzen im Bereich des kaiserlichen Notariatswesens waren des Öfteren Gegenstand von Streitigkeiten und der Reichshofrat dafür bekannt, dass er zum Schutz der kaiserlichen Regalien häu g sämtliches Vorgehen der Reichsstände gegen imperiale Notare als Eingriff in die kaiserlichen Rechte begriff 278 – und das, obwohl in der Reichsnotariatsordnung selbst der Erlass von partikularem Notariatsrecht 279 grundsätzlich, wenn auch nicht unbeschränkt, wie wir noch sehen werden, gebilligt wurde. Im vorliegenden Fall hatte der Hamburger Rat die notarielle Urkunde schlichtweg als untaugliches Beweismittel verworfen und sich damit komplett gegen das kaiserliche Recht gewendet. Ohne eine besondere Begründung war dieser Standpunkt natürlich nicht durchzuhalten. Der Rat schien sich seiner dif zilen Lage durchaus

275 Winserbaum war der Name des Hamburger Bürgergefängnisses. Zum Winserbaum: Ernst Heinrich Wichmann, Hamburgische Geschichte in Darstellungen aus alter und neuer Zeit, Hamburg 1889, S. 251 ff. 276 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 2, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 r. 277 Ebda. 278 Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 560; unter anderem wegen der parteiischen Stellung des Reichshofrats möchten Peter Oestmann [ders., Höchstrichterliche Rechtsprechung im Alten Reich – einleitende Überlegungen, in: Anette Baumann (u. a.) (Hrsg.), Prozesspraxis im Alten Reich. Annäherungen – Fallstudien – Statistiken (Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 50), Köln 2005, S. 1ff., S. 8] und Bernhard Diestelkamp [ders., Verwissenschaftlichung, Bürokratisierung, Professionalisierung und Verfahrensintensivierung als Merkmal frühneuzeitlicher Rechtsprechung, in: Ingrid Scheuermann (Hrsg.), Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, Mainz 1994, S. 110 ff., S. 116] den Reichshofrat zunächst mehr als kaiserliches Beratungsorgan denn als Reichsgericht ansehen. 279 § 1 Einl. RNO.

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bewusst gewesen zu sein. Er trug daher im Prozess lediglich vor, dass sich der Notar zwar „der Stadt Ordnung und Gesetzen Zugegen bißher dolose entzogen hat[te], Bürger Zu werden“, er aber dennoch „ratione domicilij“ an das Hamburger Stadtrecht gebunden sei, das solche Schuldscheine eben nicht billige. 280 Es blieb bei der Ankündigung, auf der Anwendung Hamburger Rechts zu bestehen. Während des Prozesses verfolgten die Ratsherren eine weitere Strategie. Sie versuchten, den guten Ruf des Notars zu demontieren. Dazu ließen sie unter anderem verbreiten, Cramers Arbeit zeichne sich maßgeblich durch seine „malignität und ungeschicklichkeit“ 281 aus. Schlimmer noch – man habe, so der Rat, den Notar in zwielichtigen Schänken in „[i]n frauen Kleidern“ 282 aufgegriffen. Jeder gute Christenmensch wisse wohl, dass so etwas ein Unding sei und schon für sich allein genommen eine Festnahme rechtfertige. 283 Man komme deshalb nicht umhin, vor dem Notar Cramer zu warnen. Das tat der Rat im Folgenden dann auch mehrfach und mit großem Nachdruck. Cramer urteilte, man habe ihn wie einen „Hund, (. . . ) Dieb und Mörder“ 284 behandelt, in einer Art und Weise, wie „desgleichen ihm in Türckeij nicht wiederfahren hätte können“ 285. Eine schwere Anschuldigung, bedenkt man das denkbar schlechte Türkenbild im damaligen Heiligen Römischen Reich. 286 Die Tatsache, dass der Rat noch zu Beginn des Kon iktes den angeblich so unfähi-

280 281 282 283

StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 4 v. Ebda., fol. 4 r. Ebda., fol. 3 r. Vermutlich wird hier auf Dt 22,5 angespielt: „Ein Weib soll nicht Mannsgewand tragen, und ein Mann soll nicht Weiberkleider antun; denn wer solches tut, der ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel“. 284 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 v. 285 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, Beilage Lit. A, fol. 1 r. 286 Prägend dafür waren insbesondere die sog. Türkenbüchlein seit dem 16. Jahrhundert, s. z. B. Tobiae Wagnero, Türken-Büchlein (. . . ), Ulm 1661, S. 95ff.; David Meder, Ein christliches Gebet wider den Türken (. . . ), Nürnberg 1580. Diese Bücher beschworen die Türken als eine akute Bedrohung für das Reich (dazu: Martin Wrede, Der Kontinent der Erbfeinde. Deutsche und europäische Feindbilder der Frühen Neuzeit zwischen Säkularisierung und Sakralität, in: Irene Dingel /Matthias Schnettger (Hrsg.), Auf dem Weg nach Europa – Deutungen, Visionen, Wirklichkeiten, Göttingen 2011, S. 55ff., S. 63f.). Zur Ausschmückung lehnten sie sich häu g an Augenzeugenberichte der Wienbelagerung an, z. B. Peter Stern von Labach, Belegerung der Statt Wienn jm jahr Als man zallt nach Cristi geburt tausent fünffhundert vnnd im newnundzwaintzigisten (. . . ), Wien 1529, S. 16. Er berichtete, die Türken hätten die Erblande „durchstraifft verwuesst vnd verbrennt die leüt viltausent jemerlichen ermoerdt erslagn vnd wegkh gefuert vnd das zum erbarmkhlichstin die kinder aus muetter leib geschnidten wegkhgeworffen oder an die Spyss gestekht die jungfrawen der Coerpoer man vil auf den strassen ligen siecht biss in todt genoetigt der Seeln der almechtig genedig vnd barmhertzig sein vnd solch mordt vnd vbel an den grausamen pluethundn nicht vngerochen lassen welle“.

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gen Notar Cramer hatte überreden wollen, Bürger zu werden, verschwieg man in diesem Zusammenhang selbstverständlich. 287 Man fragt sich natürlich, weshalb der Rat dies tat. Vermutlich verfolgte er mit den Verleumdungen mehrere Ziele: Einerseits stellte Rufmord ein geeignetes Mittel dar, die notarielle Tätigkeit des unliebsamen Notars für die Zukunft zu unterbinden, denn ein Notar durfte nur tätig werden, wenn er von Dritten zur Beurkundung aufgefordert worden war. Und einen Notar mit schlechtem Ruf nahm niemand in Anspruch. Andererseits war die Glaubwürdigkeit notarieller Instrumente an die Glaubwürdigkeit des ausstellenden Notars gebunden; mit der Zerstörung seines Rufes wurde daher auch die Beweiskraft der Urkunde in Mitleidenschaft gezogen. Und zu guter Letzt konnte der Rat mit solchen Aktionen andere Notare vor möglichen Konsequenzen solcher für den Rat unliebsamen Beurkundungen „warnen“. Im Fall des Herrn Cramer entbehrten die Vorwürfe wahrscheinlich jeder Grundlage. Im Verfahren Doubskij gegen den Hamburger Rat brachte der Rat die Vorwürfe jedenfalls nicht mehr zur Sprache und versuchte, den notariellen Schuldschein nur unter Rückgriff auf die formellen Regelungen der Notariatsordnung anzugreifen. Ziel des Hamburger Rates war es, zu verhindern, dass das Instrument als Beweismittel einen „Glauben [zu] machen“ 288 vermochte. Denn wäre erst einmal die formell ordnungsgemäße Beurkundung anerkannt worden, würde der Urkunde eine Glaubwürdigkeit beigemessen werden, die im Nachhinein nur sehr schwer zu widerlegen wäre. Gelang es aber, ihre Beweiskraft zu zerstören, so die Überlegung des Rates, stand seine Aussage gegen die Doubskijs, welcher „wegen der praesumption, welche eine jede Obrigkeit für sich hat“ 289 jedoch weniger Gewicht beigemessen werden würde. Anscheinend aus Praktikabilitätserwägungen heraus beschloss der Hamburger Rat, die von Cramer erstellte Urkunde über angeblich nicht beachtete Formvorschriften anzugreifen und nicht etwa die beurkundete Schuld selbst zu widerlegen. 290 Und so schöpfte man alle erdenklich möglichen Verstöße gegen die kaiserliche Notariatsordnung aus. Cramer sei auf Grund seiner Person als Notar ungeeignet 287 Es ist nicht anzunehmen, dass es sich hierbei um eine parteiische Schilderung Cramers handelt. Der Rat hätte Cramers Vortrag schlicht zurückweisen können. 288 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 r. 289 Ebda., fol. 3 v. 290 Konnte die Vermutung, dass eine Urkunde den beschriebenen Sachverhalt lücken- oder fehlerhaft wiedergab, nicht durch eine Untersuchung der formellen Gestalt des Schriftstücks untermauert werden, musste der weitaus schwieriger zu führende Beweis der materiellen Unrichtigkeit geführt werden. Dies verlängerte und erschwerte den Prozess meist erheblich, weshalb man den Urkundenbeweis nach Möglichkeit über formelle Fehler angriff. S. auch Jörg W. Busch, Certi et veri cupidus: Geschichtliche Zweifelsfälle und ihre Behandlung um 1100, um 1300 und um 1475 – Drei Fallstudien [Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 80], München 2001, S. 101ff.; Hermann U. Kantorowicz,

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(§ 2 Einl. RNO), er habe seine Augen gegenüber den offensichtlich kriminellen Machenschaften Doubskijs verschlossen oder sei schlicht zu dumm gewesen, diese zu bemerken. Auch versuchte man, die fehlende Eignung als Notar unter Rückgriff auf die in der Haft erstellte Urkunde, in der das städtische Vorgehen gegen Cramer beurkundet wurde, nachzuweisen. Nach Ansicht des Rates habe Cramer einen schlechten kriminellen Charakter bewiesen, was unter anderem dadurch deutlich geworden sei, dass er neben der widerrechtlichen Beurkundung zu Gunsten Doubskijs für sich selbst völlig fehlerhafte Urkunden erstellen ließ, denn das Instrument sei heimlich geschrieben worden (§ 24 Einl. RNO). Das sei, wie Cramer wohl wisse, unzulässig. Der Vorwurf der Heimlichkeit gründete sich im Wesentlichen darauf, dass die Urkunde, welche die ungerechtfertigte Inhaftierung, Schmach und Folter des Cramer beweisen sollte, in einer abgeschlossenen Gefängniszelle geschrieben wurde, zu welcher außer den Wärtern nur der beurkundende Notar Zutritt gehabt hatte. Damit fehle es, so die Argumentation des Rates, eindeutig an der erforderlichen Öffentlichkeit. Außerdem habe man die in § 3 Einl. RNO vorgegebene Prozedur der Bestellung des Notars nicht eingehalten, da dieser nicht auf Bitten des Cramer erschienen sei, sondern sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, insbesondere der Verheimlichung seiner geplanten Notartätigkeit, vorschriftswidrig Zutritt verschafft hatte. Auch seien die Urkundszeugen weder zu Zeugen berufen worden, noch seien sie als Mithäftlinge geeignete Zeugen gewesen. Nun ergriff der Notar Cramer die Initiative. Er ließ dem Gericht mitteilen, dass ihm die tatsächliche Möglichkeit zur Bestellung des Notars gefehlt habe. Man habe ihn systematisch nach außen hin abgeschottet, weshalb ihm eine Kontaktaufnahme nicht möglich gewesen sei. Er habe aber sehr wohl versucht, geeignetere Urkundszeugen zu berufen. Jedoch hatten sich die Aufsicht führenden Wachen geweigert, ihn in seinem Bitten anzuhören. Zur Doubskij'schen Urkunde erklärte er lapidar, dass es keinen Zweifel am Bestehen der Schuld gebe, was auch von einem städtischen Bediensteten eingeräumt worden sei und sich durch dessen Aussage leicht beweisen ließe. Unter Berücksichtigung dieser Fakten müsse das Gericht einsehen, dass ihm – Cramer – kein Vorwurf zu machen sei. Letztendlich konnte der Hamburger Rat mit seinen Vorwürfen und Einwänden nicht durchdringen und wurde anscheinend zur Zahlung der Schuld verurteilt, jedenfalls wurden entsprechende Gelder ausgezahlt. Ganz in der Intention Kaiser Maximilians I. hatte das notarielle Schriftstück die Schuld des Rates also beweisbar und damit durchsetzbar gemacht oder, wie es

Schriftvergleichung und Urkundenfälschung: Beitrag zur Geschichte der Diplomatik im Mittelalter, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 9 (1906), S. 38 ff.

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die Reichsnotariatsordnung umschreibt, man hatte die Schuld mit dem Mittel der „Schrifft in ewige[m] Gedächtniß behalten und durch glaubwürdige offene Urkund befestiget“ 291, sodass es Doubskij später möglich gewesen war, trotz des entgegenstehenden Hamburger Stadtrechts seine Gelder wiederzuerlangen. Es lässt sich heute nicht mehr klären, weshalb es die Ratsschreiberei unterlassen hatte, einen besiegelten Schuldschein auszustellen. Zur Erstellung verlässlicher Beweismittel waren die Menschen in Hamburg jedenfalls nicht auf die städtische Schreiberei angewiesen, sondern konnten auf das kaiserliche Notariatswesen zurückgreifen und das offenbar auch, wenn das Hamburger Recht für den fraglichen Bereich eine spezielle Beurkundungsart vorschrieb und notariellen Urkunden ihre Glaubwürdigkeit versagte. Die noch heute wichtigste Funktion eines notariellen Schriftstücks ist die Beweisfunktion. Aber wie entfaltete sie sich? Woran konnten frühneuzeitliche Urteiler erkennen, ob es sich um ein glaubwürdiges Beweismittel handelte oder nicht? Es ist bereits angeklungen, dass der den Schriftstücken entgegengebrachte Glaube nicht bedingungslos war. Er war vielmehr gekoppelt an den Ruf des Notars und die Einhaltung bestimmter formeller Voraussetzungen. Diese Vorgaben bildeten sozusagen das Gerüst der Beweiskraft. 292 Ihre Umsetzung war ein Indiz dafür, ob dem Schriftstück Glaubwürdigkeit zugestanden werden konnte oder nicht. 293 Wenn man einem Schriftstück aber Glaubwürdigkeit zubilligt, stellt sich die Frage, worauf sich diese erstreckt. Was konnte man mit einem notariellen Schriftstück eigentlich beweisen? Beweist die Urkunde nur die Abgabe der im Schriftstück genannten Erklärung durch den Aussteller oder auch ihre inhaltliche Richtigkeit? War es möglich, den Urkundenbeweis zu erschüttern? Und wenn ja, wie? Mit diesen Fragen ist der weitere Fortgang der Untersuchung umrissen.

I. Überblick zu Prozessrecht und Beweistheorie Um die Ergebnisse der weiteren Untersuchung besser verorten zu können, wird ein kurzer Überblick über den Ablauf eines Prozesses im frühneuzeitlichen Hamburg sowie ein Abriss über die frühneuzeitliche Beweistheorie vorgeschaltet. Obwohl in die Untersuchung auch Akten mit strafrechtlichen Inhalten (insbesondere Injurien- und Diffamationsklagen) einbezogen sind, beschränkt sich die Darstellung des

291 Vorrede RNO 1512. 292 So auch Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 6. 293 Cnavstinvm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. CXXV (S. 184): „Vbi defectus est in forma, (. . . ) actus non valet“ ; Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677), S. 1.

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frühneuzeitlichen Verfahrens auf den Hamburger Zivilprozess. Denn der Überblick soll nur einen Eindruck verschaffen, wie und wann die Urkunden im Prozess zum Einsatz kommen konnten.

1. Der Hamburger Zivilprozess Welch große Bedeutung einem ausdifferenzierten Verfahrensrecht für Rechtssicherheit und Frieden im frühneuzeitlichen Hamburg eingeräumt wurde, lässt sich leicht an den Ausführungen der Langenbeck'schen Glosse ersehen. Darin liest man: „Recht were vnnutte vnnd vorgheues gheßet- „Recht sei nutzlos und vergebens gesetzt, tet, alße de nicht werenn gheordenth vnnd wenn nicht diejenigen ihre Ordnung und gheschicket, de ijdt vnderholdenn vnnd vor- Einrichtung hätten, die es p egen und ausvolgenn sholdenn“. 294 führen sollen“.

Wie diese Ordnungen und Einrichtungen in Hamburger Zivilverfahren aussahen wird im Folgenden dargestellt. Die gemeinsame Abhandlung des Stadtrechts von 1497 und desjenigen von 1603/05 erfolgt aus praktischen Gründen, denn das Stadtrecht von 1603/05 baut größtenteils auf den Regelungen von 1497 auf. Das Verfahren änderte sich wegen dieser Gemeinsamkeiten kaum. Regelungen, die vermeintlich neu in das Stadtrecht von 1603/05 eingeführt wurden, stellen sich überwiegend als Verschriftlichung bereits geübter Rechtsgewohnheiten dar. Sofern eine Regelung des Stadtrechts von 1603/05 das frühere Zivilprozessrecht tatsächlich modi ziert, wird dies ausdrücklich kenntlich gemacht. Ansonsten kann aber davon ausgegangen werden, dass die Regelungen inhaltlich gleich blieben. Das gerichtliche Verfahren im frühneuzeitlichen Hamburg unterschied sich in nur wenigen Punkten vom gemeinrechtlichen Kameralprozess 295 – am deutlichsten wohl darin, dass der Hamburger Prozess bis weit in die Frühe Neuzeit hinein grundsätzlich mündlich geführt wurde. 296 Am Niedergericht änderte sich dies nie. Am 294 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B, Vorrede (Text und Übersetzung Eichler, S. 102). 295 Einen sehr guten Einblick in den Ablauf eines reichskammergerichtlichen Verfahrens und die Besonderheiten des frühneuzeitlichen Prozesses bietet die erste vollständige Edition einer Reichskammergerichtsakte aus der Hand von Peter Oestmann, Ein Zivilprozess am Reichkammergericht: Edition einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 55], Köln [u. a.] 2009. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fall besorgte sein Schüler Matthias Doms, Rechtanwendung im Usus modernus: Eine Fallstudie zum Erbrecht der halben Geburt, Münster 2010. 296 Zur Schriftlichkeit als Prozessmaxime des Kameralprozesses s. Gunter Wesener, Art. Prozesßmaximen, in: HRG IV (1990), Sp. 55 ff., Sp. 57f.; Bernhard Diestelkamp, Beobachtungen zur Schriftlichkeit im Kameralprozeß, in: Peter Oestmann (Hrsg.), Zwischen

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Obergericht und bei der Appellation „ins Buch“ 297 war jedenfalls seit dem Erlass des Stadtrechts 1603/05 I 38, 4 298 ein schriftlicher Prozess für bestimmte Klagen und bei einem Streitwert über 600 Goldgulden zulässig, möglicherweise sogar verp ichtend, wobei sich dies mit den wenigen überlieferten Prozessen nicht zweifelsfrei belegen lässt. 299 Dem Grundsatz nach konnten alle Klagen am Niedergericht eingebracht werden. 300 Um eine funktionierende Gerichtsbarkeit zu gewährleisten, schränkte der Rezess von 1529 diesen Grundsatz dahingehend ein, dass Streitigkeiten von geringerer Bedeutung vor dem Niedergericht und solche von hoher, vor allem hoher wirtschaftlicher Bedeutung vor dem Rat (gemeint ist hier das Obergericht) abgehandelt werden sollten. 301 Das Stadtrecht von 1603/05 spezi ziert dies weiter. In StR 1603/05 I 12, 1 ist ein Zuständigkeitenkatalog des Niedergerichts verzeichnet. StR 1603/05 I 38, 1 stellt dazu klar: Alle anderen Streitigkeiten haben ihre erste Instanz beim Obergericht. Das Hamburger Zivilverfahren wurde eingeleitet durch das mündliche Vorbringen der Klage beim jeweils zuständigen Gericht, verbunden mit dem Antrag, den

297 298

299

300 301

Formstrenge und Billigkeit – Forschungen zum vormodernen Zivilprozeß, Köln [u. a.] 2009, S. 105ff., insb. ab S. 110 ff. Eine Appellation innerhalb Hamburgs war zulässig, wenn der Appellant eine Verletzung der Regeln im „Buch“ (gemeint ist das Stadtrechtsbuch) nachweisen konnte. Ein schriftlicher Prozess am Obergericht war für jene Bereiche zugelassen, in denen sich eine mögliche Appellation an das RKG anschließen konnte, also bei Streitigkeiten mit einem Streitwert von mehr als 600 Gulden. Vgl. StR 1603/05 I 38, 4 mit dem Appellationsprivileg im Anhang des Stadtrechts von 1603/05. Nachweisbar sind Verfahren am Hamburger Obergericht, in welchen ein schriftlicher Prozess gefordert, aber vom Hamburger Obergericht verweigert wurde, z. B.: StA HH, RKG 211-2, Nr. W 38; StA HH, RKG 211-2, Nr. W 36. Die den reichsgerichtlichen Akten beigegebenen Vorakten zu den Verhandlungen der Hamburger Vorinstanzen lassen nur bedingt Rückschlüsse darauf zu. Den Schriftstücken ist – sofern ihnen nicht eine Abschrift des Protokollbuches beiliegt – häu g nicht zu entnehmen, ob die Eingaben schriftlich oder mündlich erfolgten. Wenn ausnahmsweise auf das Hamburger Verfahren selbst Bezug genommen wird, sind die Angaben widersprüchlich, z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, darin beigegeben Auszug aus StA HH, RKG 211-2, Nr. S 82 Teil 1, Q 24 Triplicae, fol. 2 v: Eine mündliche Prozessführung sei (in der vorgelegten Sache) „wider der Stadt Hambugrk beschriebene und publicirte Rechts ordnunge“. Trotz dieser Feststellung wurde die mündlich vorgebrachte Klage aber angenommen und verhandelt. Die Umsetzung des Befehls, den Prozess „ordentlich und formlich zu procedirn“, also schriftlich zu führen, wird nicht abgewartet. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B XI, Codex B (Eichler, S. 135f.). Zur Entwicklung des niedergerichtlichen Verfahrens s. Daniel Heinrich Jacobi, Geschichte des Hamburger Niedergerichts, Hamburg 1866, S. 18 ff. Dazu Wilhelm Louis Meeder, Geschichte von Hamburg – Vom Entstehen der Stadt bis auf die neuste Zeit, Teil 1, Hamburg 1836, S. 525 ff., S. 528.

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Beklagten vor Gericht zu zitieren. Ferner musste man eine Gerichtsgebühr 302 entrichten sowie eine Sicherheit in Höhe der eingeklagten Forderung stellen. 303 Der Beklagte wurde daraufhin von Gerichtsdienern vor Gericht geladen. 304 Zum Ladungstermin erschien neben dem Beklagten auch der Kläger. Beide Parteien konnten sich eines Rechtsvertreters bedienen, ein Anwaltszwang bestand aber vermutlich nicht. 305 Im Beisein des Beklagten oder seines bevollmächtigten Vertreters wurde dann die eigentliche Klage zu Protokoll gegeben. 306 In schriftlichen Verfahren hatte der Kläger die Klageschrift in doppelter Ausfertigung dem Gericht vorzulegen. Dieses händigte dem geladenen Beklagten dann eines dieser Schriftstücke aus. 307 Beide Male musste die Klage hinreichend bestimmt sein und konnte – einmal vorgebracht – grundsätzlich nicht geändert werden. 308 Da der Beklagte erstmals vor Gericht vollumfänglich über den Inhalt der Klage informiert wurde, konnte er Bedenkzeit zur rechtlichen Beratung beantragen. 309 Insgesamt konnte er diese Frist

302 Dass Gerichtsgebühren zu entrichten waren, wird aus der Langenbeck'schen Glosse zu StR 1497 A XXII, „Nicht jnne latenn“ (Eichler, S. 97f.) deutlich, nach der auf Verlangen des erfolgreichen Appellanten die vier Schillinge Gerichtsgebühr aus dem Niedergerichtsprozess zurückzuerstatten waren (später StR 1603/05 I 36, 1). Ob in diesen Geldern die Zitationsgebühren bereits enthalten waren, geht aus dem Stadtrecht nicht hervor (dazu StR 1603/05 I 13, 2). Zur Stellung von Kautionen oder Pfändern, persönlich oder durch Bürgen, StR 1497 C VII ff.; StR 1603/05 I 25, 1. 303 Die Sicherheit (Kaution) wurde hinterlegt, um die Gegenpartei vor nanziellen Nachteilen durch die Prozessführung zu sichern. Nicht zu verwechseln ist die frühneuzeitliche Sicherheitsleistung mit den heutigen Sicherheitsleistungen bei vorläu g vollstreckbaren Urteilen. S. Wolfgang Sellert, Art. Sicherheitsleistung (Kaution), in: HRG IV (1990), Sp. 1659; Paul L. Nève, Art. Prozeßsicherheit, in: HRG IV (1990), Sp. 66ff. 304 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B I, „Claghen wolde“ (Eichler, S. 104); StR 1603/05 I 13, 1. 305 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 D I, Codex A 6 (Eichler, S. 160); StR 1603/05 I 8, 1. Zur Inanspruchnahme von Prokuratoren vor dem Reichskammergericht s. Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 175 ff. 306 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B V, „Eynenn Schryuer“, Codex B (Eichler, S. 115ff.); StR 1603/05 I 5, 1 und 2. 307 StR 1603/05 I 39, 1. 308 Es handelt sich hierbei um einen Ausnahmevorbehalt, d. h., nachträgliche Änderungen waren möglich, wenn der Kläger eidlich bekräftigte, dass ihm die der Änderung zugrunde liegende Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden seien: Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B, Vorrede, Codex C (Eichler, S. 102f.). Nicht möglich waren nachträgliche Änderung bei Klagen betreffend Schuldforderungen oder, wenn eine Gewähr gelobt (heute: Übernahme einer Garantie) worden war: Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B XVIII, „Geuen wyll“ (Eichler, S. 138); StR 1603/05 I 22, 1. 309 Zur Berechnung der Beratungsfrist s. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B II, „Dree achte“ (Eichler, S. 108 ff.): Anders als im Gemeinen Recht, nach dem eine feste Bera-

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dreimal verlängern. 310 Erst anschließend musste er den Streit befestigen. 311 Wollte er allerdings klagehemmende Einwendungen 312 geltend machen, so musste er diese grundsätzlich bereits vor der Streitbefestigung im ersten Termin vollständig vortragen 313 und die den klagehemmenden Einwendungen zugrunde liegenden Tatsachen beweisen. 314 Klagehindernde Einreden konnten auch noch unverzüglich nach der Streitbefestigung vorgebracht werden. 315 Mit der Streitbefestigung erklärte der Beklagte seine „Bereitwilligkeit (. . . ) in den ein rechtskraftfähiges Sachurteil ermöglichenden Prozessabschnitt einzutreten“ 316. Erst das Zusammenspiel von Klage und Klageerwiderung begründete den eigentlichen Zivilprozess: „de krich vnnd ßake ersth werde anghehau- „der Streit und die Sache sind erst dann befesenn ßo de beclagede anthwordeth ia effte ne- tigt, wenn der Beklagte mit ja oder nein auf enn, thor claghe“. 317 die Klage antwortet“.

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tungszeit von 20 Tagen gewährt wurde, war der Beklagte in Hamburg erst am dritten folgenden Gerichtstag zu antworten schuldig. In Geldsachen war nur eine einmalige Fristverlängerung möglich, s. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B II, Glosse „Dree acht“ (Eichler, S. 108ff.). StR 1603/05 I 27. Genannt werden beispielhaft: Die Exceptio des unzuständigen Richters, der anderweitigen Rechtshängigkeit sowie der fehlenden Prozessfähigkeit. Ähnlich vorher auch schon in Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B XV, Glosse, Codex B (Eichler, S. 131ff.). Anders war dies, wenn der Beklagte eidlich versichert hatte, dass ihm die zur Erwiderung berechtigenden Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden waren, s. StR 1603/05 I 20, 6. Citation: Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B I, „Claghen wolde“ (Eichler, S. 104); StR 1603/05 I 13, 2; Exceptionen und Einreden müssen vollständig vor der Streitbefestigung vorgebracht werden: StR 1603/05 I 20, 1; Streitbefestigung und Klageerwiderung: Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B, Vorrede, Codex C (Eichler, S. 102f.); Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B II, „Antworde gheuet“ (Eichler, S. 110); StR 1603/05 I 27. StR 1603/05 I 20, 5. Beispielhaft werden solche Einreden genannt, die „die Haupt-Sache gäntzlich aufheben“, wie die exceptio doli mali; quod metus causa; iurisiurandi. Steffen Schlinker, Die Litis contestatio: Eine Untersuchung über die Grundlagen des gelehrten Zivilprozesses in der Zeit vom 12. bis zum 19. Jahrhundert [Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 233], Frankfurt 2008, S. 1ff. mit Bezug auf James Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage: eine Kritik des prozessualen Denkens [Abhandlungen aus der Berliner Juristischen Fakultät, Bd. 2], Berlin 1925, S. 91ff. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B II,„Antworde gheuet“ (Text und Übersetzung Eichler, S. 110).

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Befestigte der Beklagte die Klage auch nach dreimaliger Bedenkzeit unentschuldigt nicht, wurde er sachfällig, d. h. er verlor den Prozess. 318 Ließ er sich aber auf den Streit ein, so bestimmte sein Verhalten den weiteren Ablauf des Verfahrens. Mit Ausnahme der summarischen Prozesse wurde der Sachvortrag artikuliert, d. h. der Prozessstoff wurde in Tatsachenbehauptungen unterteilt, die vom Klagegegner zuzugestehen oder zu bestreiten („glaubt wahr/(glaubt) nicht wahr“) waren. 319 Die Unterteilung in Artikel erfolgte unabhängig davon, ob der Prozess schriftlich oder mündlich geführt wurde. War der Klagegegner vollumfänglich „geständig“ und räumte er die klagebegründenden Tatsachen ein, bedurfte es keines weiteren Beweises. 320 Anders war dies, wenn der Klagegegner die anspruchsbegründenden Tatsachen ganz oder teilweise bestritt. In diesem Fall erließ das Gericht ein Beweisurteil (Beweisinterlokut), in dem es das Beweisthema, die Beweis(führungs)last und eine Beweisfrist festgelegte. 321 Grundsätzlich hatte der Beweisbelastete alles zu beweisen, was der Gegner nicht zugestand. Sämtliche Parteivorträge – schriftliche wie mündliche – wurden in Protokollbüchern verzeichnet. Außerdem wurde der Prozessgegner über die Vorträge und Beweise der jeweiligen Gegenpartei in Kenntnis gesetzt und konnte innerhalb einer hierzu gesetzten Frist erwidern. 322 Gelang der beweisbelasteten Partei der angetretene Beweis, durfte der Prozessgegner nicht darauf erwidern und ein Beweisurteil erging. 323 Den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens bildete das Endurteil. Dieses wurde weder begründet und höchst wahrscheinlich 324 nicht den Akten beigefügt. Auch im Protokollbuch nden sich üblicherweise keine Urteile. Sie wurden nur in eigens

318 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B II, „Dree acht“ (Eichler, S. 108ff.). 319 Dieses Verfahren wird in Codex B der Langenbeck'schen Glosse zu StR 1497 B IIII beschrieben, s. dazu auch die Erläuterungen Eichlers S. 114 (dort Fn. 298); StR 1603/05 I 32, 7. Zur gemeinrechtlichen Vorlage: Peter Oestmann, Art. Artikelprozess, in: 2 HRG I (2008), Sp. 313 f.; Knut Wolfgang Nörr, Der Urkundenbeweis im romanischkanonischen Prozessrecht des Mittelalters, in: Reinhard Richardi [u. a.] (Hrsg.), Festschrift für Eduard Picker zum 70. Geburtstag, Tübingen 2010, S. 1303ff., S. 1303. 320 Hier und im Folgenden: StR 1603/05 I 39. 321 StR 1603/05 I 39, 3 ff. 322 Im schriftlichen Verfahren waren der Gegenpartei Kopien von sämtlichen Eingaben zuzustellen. Es lassen sich immer wieder Fälle nachweisen, in denen der Rat dieser Verp ichtung nicht nachkam, anscheinend in der Hoffnung, durch die fehlende Mitwirkung Prozesse beein ussen zu können. Zur Beweiseröffnung: StR 1603/05 I 32, 1ff. 323 StR 1603/05 I 39, 3. 324 Eine sichere Aussage lässt sich nicht treffen, da die Untersuchung auf den acta priora, die den Reichskammergerichtsakten beigegeben waren, und damit nur auf Abschriften der Hamburger Akten basiert.

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geführten Urteilsbüchern niedergeschrieben. 325 Diese Bücher enthielten eine kurze Sachverhaltsschilderung sowie den Urteilsspruch und den Tenor, niemals die Urteilsgründe.

2. Hamburger Beweisrecht und frühneuzeitliche Beweistheorie [K]ein Richter [steht] so hoch in Stand, Gewalt und Machtvollkommenheit, dass er jemanden ohne rechten Beweis verurteilen kann. (Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B VI, Codex B)

Das charakteristische Merkmal des frühneuzeitlichen Prozesses in Hamburg war die Unterteilung des Verfahrens in verschiedene, strikt voneinander getrennte Verfahrensstadien. Beweismittel, auch notarielle Urkunden, konnten dabei im summarischen Prozess 326 vor der Streitbefestigung zum Nachweis bestimmter exceptiones und darauffolgender Erwiderungen (responsiones) 327 und nach der Streitbefestigung im Rahmen des frühneuzeitlichen Beweisverfahrens vorgebracht werden. Streitige Tatsachen mussten bewiesen werden, denn die urteilsprechenden Ratsherren waren grundsätzlich daran gehalten, niemanden „ane rechte bewijsinge [zu] vorordelen“ 328, d. h. ohne ordentlichen Nachweis zu verurteilen. 329

325 Langenbeck'sche Glosse zum StR 1497 B V, „Eynenn Schryuer“, Codex B (Eichler, S. 115ff.); StR 1603/05 I 5, 2. 326 StR 1603/05 I 20, 2. Der Prozessgegner, gegen den die Urkunden vorgebracht wurden, konnte sich nur darauf berufen, dass es sich bei der Urkunde um eine Fälschung handelte, dass ein Abänderungsvertrag geschlossen oder die Schuld beglichen, verglichen, verjährt oder anderweitig bereits abgeurteilt worden war. Mit sonstigen Einwendungen war er ausgeschlossen. 327 StR 1603/05 I 20, 3. 328 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 B VI, Codex B (Eichler, S. 118). 329 Anders war das in strafrechtlichen Zusammenhängen. Dort war der Rat berechtigt, ordnungsgemäß gefundene Urteile nach eigenem Ermessen nachträglich zu mildern oder zu verschärfen, s. StR 1497 A XVI: „De ghemene radt ys des weldich er enes mannes clage, van ordelen de hir schreuen stan, dar se en ordel lichten mogen, ysset to swar, vnde dat se yd swaren moghen, ysset to licht.“ – „Der allgemeine (Gesamt-)Rat hat das Recht, eines Mannes Klage, [die auf der Grundlage] der Ordeelen, die hier geschrieben stehen [beschieden wurde], zu mildern, wenn es zu schwer ist, und zu schärfen, wenn es zu leicht ist“ (Text und Übersetzung Eichler, S. 83). So auch StR 1603/05 I 1, 14. Damit widersprechen sowohl das StR von 1497 als auch das von 1603/05 den Vorgaben des gemeinen Rechts, nach dem Urteile grundsätzlich beständig waren und allenfalls im ordentlichen Gerichtsverfahren geändert werden konnten. S. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 A XVI, Codex B „En ordel lichten“ (Eichler, S. 85).

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Hermann Langenbeck umschrieb die Bedeutung von Beweismitteln mit einer aus der Glosse des Sachsenspiegels übernommenen Metapher. 330 Es sei im Gerichtsverfahren wie beim Schwertkampf: „[s]zo nu de, de mijth dem Swerde vechtenn, „genauso wie diejenigen, die mit dem Schwert wapenn vnd were behouen, ßo mothenn de fechten, Waffen und Wehre brauchen, so kriges lude am rechte ock were hebben. Wel- müssen die Streitenden vor Gericht auch cke were des klegers ijs gheborlike clage mijth ihre Wehre haben. Die Waffe des Klägers ist rechte ware ghemaketh. Szo nu de klegher eine schlüssige Klage, die vor dem Gericht vorlusth jnn dem he anich werth sijner were belegt wird. So wie der Kläger verliert, wenn dorch dath he de claghe nicht mach warma- er seiner Waffe verlustig wird, indem er seine ken, ßo he sijck hefft vormethenn, szo vor- Klage nicht belegen kann, wie er es behauplusth ock de anthwerder in dem he sijner tet hatte, genauso verliert der Beklagte, wenn were anich werth, dar dorch dath he derer er seiner Waffe verlustig geht dadurch, dass er nicht waremaketh alße he ßijck hefft bero- das nicht belegen kann, worauf er sich berupenn vnnd vormethenn.“ 331 fen und wie er sich erbötig gemacht hatte.“

Welche „Waffen“ zulässig waren und wie sie eingesetzt werden konnten, bestimmte das Hamburger Statutarrecht. Und obwohl ein weiter Spielraum für eigene, vom Reichsrecht abweichende Regelungen belassen war 332, hielt sich das Hamburger Beweisrecht eng an die Vorgaben des gemeinen Rechts. Zulässige Beweismittel waren Zeugen, Sachverständige, Urkunden und die – außerhalb des einfachen Verfahrens 333 – nachrangigen Eide („wann de bewijsinghe affgheijt ßo ghaenn de Eede tho“ 334 – wo die Beweise abgehen, da kommen die Eide).

330 Im Hamburger Stadtrecht und insbesondere in der Langenbeck'schen Glosse nden sich zahlreiche Anleihen aus dem Sachsenspiegel. Obwohl der Sachsenspiegel keine direkte Anwendung in Hamburg fand, griff man auf ihn zurück, wenn die eigenen Rechtsgewohnheiten zur Klärung einer Rechtsfrage nichts beitrugen. S. dazu auch unter S. 298 f. Zur Abhandlung des Beweisrechts in der Glosse des Sachsenspiegels s. Bernd Kannowski, Die Umgestaltung der Sachsenspiegelrechts durch die Buch'sche Glosse [Monumenta Germaniae Historica, Bd. 56], Hannover 2007, S. 180ff. 331 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XIIII, Glosse (Text und Übersetzung Eichler, S. 188). 332 Nörr, Urkundenbeweis, S. 1303. 333 Im einfachen Verfahren legte der Kläger eine Klage ohne Anbieten eines konkreten Zeugenbeweises ein. Der Beklagte konnte sich durch einen Unschuldseid entlasten. Wenn dies geschah, verlor der Kläger seine Klage. Beim verschärften Verfahren trug der Kläger seine Klage unter Anbietung eines Zeugenbeweises vor, dabei kam es lediglich darauf an, dass dem Kläger der angebotene Beweis tatsächlich gelang. War dies der Fall, war dem Beklagten jede Verteidigung verwehrt. S. Eichler, Langenbeck'sche Glosse, Anhang, Glossar „Klageform“, S. 466. 334 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXIII, Glosse (Eichler, S. 195f.).

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Welche Beweismittel im konkreten Fall tatsächlich vorgebracht werden durften, war davon abhängig, ob das Gericht die Beweisführung von vornherein auf ein bestimmtes Beweismittel beschränkt hatte. 335 War dies nicht der Fall, konnte die beweisbelastete Partei im Termin alle Beweismittel beibringen. Die Festlegung des Beweisthemas erfolgte im Artikelprozess anhand der vom Beklagten bestrittenen Positionen. Das frühneuzeitliche Prozessrecht unterschied zwischen vollen und halben Beweisen (probatio plenissima, plena und semiplena – wobei Ersterer in Strafsachen, Letztere in Zivilsachen galt 336). Nur wenn nach der Vorlage des Beweismittels und der Beweiseröffnung gegenüber dem Prozessgegner der volle Beweis erbracht wurde, war es der anderen Partei nicht möglich, Gegenbeweis zu führen. 337 Bei einem vorgebrachten halben Beweis (z. B. Zeugenbeweis nur durch einen Zeugen) bedurfte es weiterer die Behauptung untermauernder Beweismittel. Die frühneuzeitliche Beweistheorie kannte öffentliche Urkunden (instrumentum publicum) und private Urkunden (instrumentum privatum). Zu den Privaturkunden zählten alle nicht öffentlichen. Letztere umfassten neben notariellen Instrumenten auch Gerichtsprotokolle, gerichtlich autorisierte sowie archivierte Schriftstücke, aber auch von Privatpersonen aufgesetzte Urkunden, welche neben dem Aussteller mindestens zwei (oder mehr) Zeugenunterschriften trugen. 338 Im partikularen Bereich konnten darüber hinaus weitere Schriftstücke als öffentliche Urkunden eingestuft werden. Im Hamburger Recht war das für die Geschäftsbücher eines verstorbenen gut beleumundeten Kaufmanns geschehen. 339

335 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E VIIII, Glosse „Tughborstich“ : „Hyr ys tho vragennde efftme dar nha andere bewijs moghe vorenn. Dyth vnderschede aldus. Efft ydt sy dachdinghet ßynn bewijs vor tho bringhennde, szo mach he dar nha noch tughebreue effte jennich andere bewijs voren. Jsßet auer ghedachdinghet ßynenn tugh tho vorennde, szo mochte he dar nha (nene) orkunde offte breue vorebringenn, jnn dem de dachdinghinghe was vppe tughe vnnd nicht vpp alle bewijs.“ – „Hier ist zu fragen, ob man danach (noch) andere Beweise führen darf ? Das unterscheidet sich so (das hängt davon ab): Ist der Termin angesetzt, seine Beweise zu führen, so kann er danach (nach dem misslungenen Beweis) noch Zeugen, Urkunden, oder jeglichen anderen Beweis führen. Ist aber der Termin angesetzt, seinen Zeugen vorzubringen, so darf er danach (keine) Urkunden oder Briefe vorbringen, da die Terminbestimmung auf Zeuge lautete, und nicht alle (möglichen) Beweise“ (Text und Übersetzung Eichler, S. 179). 336 Zu den Graden des Beweiserfordernisses s. Nörr, Romanisch-kanonisches Prozessrecht, S. 129f. 337 Gerhard Buchda, Art. Beweisinterlokut, in: HRG I (1971), Sp. 408ff., Sp. 408. 338 Nörr, Römisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 154 f. m. w. N. aus der mittelalterlichen Literatur. 339 S. StR HH 1603/05 I 30, 7, worin aber wohl nur eine bereits zuvor geübte Praxis erstmals niedergeschrieben wurde.

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Der notarielle Urkundenbeweis

Anders als Privaturkunden, die grundsätzlich nur einen halben Beweis erbrachten und bei denen daher eine weitere unterstützende Beweisführung notwendig war, billigte man öffentlichen Urkunden volle Beweiskraft zu, ohne dass es weiterer Beweismittel bedurfte. 340 Die den vollen Beweis erbringenden Urkunden enthielten drei Vermutungen, nach denen sie inhaltlich wahr, formgemäß und vollständig geschrieben waren. 341 Die Anerkennung der vollen Beweiskraft notarieller Urkunden setzte eine ordnungsgemäße Erstellung, insbesondere die Einhaltung der diplomatischen Vorgaben, sowie die Umsetzung des vorgegebenen Erstellungsprozederes durch einen hierzu berufenen Notar voraus. Daneben hing die Beweiskraft der Urkunde auch von der Glaubwürdigkeit des ausstellenden Notars ab. Schon die mittelalterlichen Kommentatoren hatten herausgestellt, dass hiermit die Glaubwürdigkeit des Amtsträgers und nicht der persönliche Leumund der Privatperson gemeint war. Die Glaubwürdigkeit des Amtsträgers wurde vermutet, wobei die Vermutung ihre Stütze im Amtseid des Notars und der Kopplung an ernennende Macht fand. Zugleich beschränkte die Ernennung die urkundliche des auf den Machtbereich der den Notar ernennenden Autorität. Neben diesen Beweiskraftvoraussetzungen war eine Bezeugung der Urkunde durch den die Urkunde ausfertigenden Notar oder die notariellen Urkundszeugen nicht notwendig, solange man der Urkunde keine erfolgreichen exceptiones entgegenhielt. 342 Solche exceptiones konnten sich sowohl auf formelle 343 als auch auf inhaltliche 344 Gründe stützen.

340 Zur De nition des vollen und halben Beweises s. Nehring, Manuales Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 77: Unterschieden wird zwischen ganzen und halben Beweisen: „einer ist ein vollkomener [Beweis]/ welcher dem Richter einen vollkommenen Glauben machet / also daß davon der Sache / welche in Streit gezogen, nach solchem ein Urtheil gesprochen werd¯e kan. Ein anderer ist ein halber Beweiß, dadurch dem Richter zwar einiger Glaube gemacht wird / aber nicht ein solcher / daß er dadurch zum einem End-Urtheil beweget werden könne. Zum Exempel: Ein eintziger Zeuge, wider welchen man nichts einwenden kan; Eine privat- oder eigene Schrifft / und die Vergleichung der Schrifften.“ S. auch Gaill /Loncium, Practicarum observationum (1673), L. II Obs. 66 No. 11f. (S. 230). S. auch Nörr, Römisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 154. 341 Matthaei Wesenbecii, In Pandectas iuris civilis (. . . ), Frankfurt 1619, zu D. 22.6, De de instrumentorum Tit. IV, c. 4.21, n. 6, p. 514. Dazu auch Schmoeckel, Dokumentalität, S. 216. 342 Nörr, Römisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 155. 343 Z. B. die fehlende Autorisation des Notars; Fehlen einer eigenhändigen Mundierung der Urkunde durch den ausstellenden Notar; fehlende Zeugen; Rasuren; fehlende oder falsche Siegel etc. Dazu m. N. auch Nörr, Römisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 155. 344 Z. B. bei inhaltlichen Widersprüchen; kollusivem Zusammenwirken von Notar und Auftraggeber; Unvollständigkeit etc. Dazu m. N. auch Nörr, Römisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 156.

Notarieller Urkundenbeweis nach den Lehren der ars notaria

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Viel beschäftigt sich die frühneuzeitliche Literatur mit der Rolle der Zeugen im Zusammenhang mit dem Urkundsbeweis. Zwei Problemstellungen bildeten sich hier maßgeblich heraus: Auswirkungen auf die Beweiskraft bei Beurkundungen ohne bzw. mit nur untauglichen Zeugen einerseits und andererseits Konsequenzen, wenn Zeugen den Urkundeninhalt oder eine ordnungsgemäße Erstellung bestritten. 345 Einig war man sich, dass eine Zeugenaussage allein die urkundliche des nicht schädigen konnte. Wie viele Zeugen dazu aber konkret benötigt wurden, darüber gingen die Meinungen auseinander. Maßgeblich war, welches Gewicht man der Stimme des Notars beimaß. Die wohl herrschende Ansicht ging von einem doppelten Stimmengewicht aus, sodass man mindestens vier Zeugen benötigte, um die urkundliche Beweiskraft zu erschüttern (zwei gegen die Stimme des Notars und jeweils einen gegen die der beiden notariellen Urkundszeugen). 346 Notariellen Urkunden kam hier also eine gegenüber dem Zeugenbeweis deutlich erhöhte Beweiskraft zu. Da sich aber keine einheitlichen Beweiswürdigungsregeln herausgebildet hatten, schränkte man den Vorrang der notariellen Urkunden gegenüber dem Zeugenbeweis zum Teil aber auch ein und differenzierte nach den jeweils beurkundeten Sachverhalten. 347 Neben der Zerstörung der Beweiskraft einer Urkunde bestand die Möglichkeit, die urkundliche des in Zweifel zu ziehen und die Urkunde suspect zu machen. Ausreichend waren dafür bereits die Aussagen zweier Zeugen. Jedoch konnte eine suspekte Urkunde durch weitere beigebrachte Beweise gestützt werden.

II. Notarieller Urkundenbeweis nach den Lehren der ars notaria, der Reichsnotariatsordnung und den Hamburger Gep ogenheiten Modernen notariellen Urkunden kommt eine gegenüber sonstigen Schriftstücken herausgehobene Beweiskraft – ein öffentlicher Glaube – zu. Durch sie kann zum einen der Beweis der formellen Wahrheit erbracht werden, §§ 437, 415 ZPO, d. h. es spricht eine Wahrheitsvermutung dafür, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung von den genannten Parteien am genannten Ort zur genannten Zeit abgege345 Das Fehlen einer herrschenden Meinung der Literatur zu diesen Fragen schlug sich auch auf die Praxis nieder. In den untersuchten Akten waren es eben diese Fragen, die in den Prozessen im Zusammenhang mit notariellen Urkundszeugen meist diskutiert wurden. S. dazu S. 176 ff. 346 Zum Streit über die Anzahl der zur Widerlegung notwendigen Zeugen s. Nörr, Römisch-Kanonisches Prozessrecht, S. 156 m. w. N. 347 Dazu auch Schmoeckel, Dokumentalität, S. 209 m. w. N.

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Der notarielle Urkundenbeweis

ben wurde. Zum anderen besteht eine widerlegliche Vermutung für die urkundliche Echtheit, sofern nicht ein nachgewiesener Fehler die Vermutungswirkung der Urkunde zerstört. Dieses gesetzlich vorgeschriebene Vertrauen basiert auf der Vertrauenswürdigkeit des Staates und seiner Institutionen, die vermittelt durch den staatlich bestellten Notar auf die notariellen Urkunden übertragen wird. Das Vertrauen erstreckt sich jedoch nicht auf die materielle Rechtslage, also auf die Frage, ob beispielsweise das beurkundete Geschäft wirksam zustande gekommen ist und welchen Inhalt es hat. 348 Oder, ganz allgemein gesprochen, die Urkunde erbringt keinen Beweis darüber, dass die beurkundeten Erklärungen der Wahrheit entsprechen. Diese Feststellung obliegt gemäß § 286 I ZPO der freien richterlichen Beweiswürdigung. Wie ist es nun aber um die frühneuzeitliche Beweiskraft der notariellen Instrumente bestellt? Die Beantwortung dieser Frage umfasst zwei Themenbereiche: erstens, welche Beweiskraft notariellen Urkunden überhaupt zugestanden wurde und auf welche Bereiche sich der notarielle Beweis erstreckte, und zweitens, welche Kriterien eine Urkunde zu erfüllen hatte, damit ihr eine gesteigerte Beweiskraft zukam.

1. Begriff der des In der neueren Literatur seit 1806 wird die Beweiskraft mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Notarurkunden meist unter dem Stichwort der des publica abgearbeitet. Mit dieser Terminologie lehnen sich diese Autoren offensichtlich an den „öffentlichen Glauben“ moderner öffentlicher Urkunden an. Petra Schulte konnte aber nachweisen, dass der Begriff der des publica ein Kind der letzten zweieinhalb Jahrhunderte ist 349, denn die Verwendung dieser Begrifflichkeit in beweisrechtlichen Zusammenhängen konnte für das Mittelalter bislang nur in zwei aus dem 12. Jahrhundert stammenden Rechtstexten nachgewiesen werden. 350 Auch in der Frühen Neuzeit nden sich nur sehr vereinzelte Hinweise. 351 Petra Schulte mahnt daher eindringlich den Anachronismus an, der sich aus der Verwendung der Begrifflichkeit des publica zur Beschreibung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Beweiskraft ergibt. Die des publica bzw. der öffentliche Glaube impliziere eine Anbindung an einen Garanten (heute: den Staat), der sich mit seiner ihm immanenten 348 Stefan Hennigs /Sebastian Feige, Der Urkundenbeweis im Zivilprozess, in: JA 2012, S. 128ff., D. II.; Hans-W. Laumen, Beweis des Gegenteils bei gesetzlicher Vermutung im Urkundsbeweisverfahren, in: BGH Report 2006, S. 735f. 349 Schulte, Fides publica, S. 15 ff. 350 Ebda., S. 19 (dort Fn. 17) mit Verweis auf Summa Codicis des Irnerius, ed. Fitting, Berlin 1891, zu Cod. 4.21, S. 93 sowie Hugo, De expediendis judiciis, in: Corpus Glossatorum Juris Civilis 1, ed. Viora, Turin 1973 (ND der Ausgabe Mainz 1535], S. 133. 351 Z. B. Knausten /Mindanum, Fewerzeugk Gerichtlicher Ordnunge (1616), Lib. I, S. 57.

Notarieller Urkundenbeweis nach den Lehren der ars notaria

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Glaubwürdigkeit für die Glaubwürdigkeit der Urkunde verbürge. Diese Verknüpfung lasse sich aber vor dem 18. Jahrhundert nicht nachweisen, so Petra Schulte. Die Verwendung der heutigen Terminologie spiegle daher eine in der mittelalterlichen Lehre beginnende Entwicklungslinie und eine Verknüpfung von glaubwürdiger Institution und glaubwürdiger Urkunde vor, die so nicht bestanden habe. Trotz aller Kritik bestreitet aber auch sie nicht, dass die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkunden in ihrer beweisrechtlichen Wirkung (Wahrheitsvermutung bis zur endgültigen Widerlegung des Urkundeninhalts) mit den notariellen Instrumenten der neuesten Geschichte vergleichbar sind. Sie wirft daher zum Ende ihres Artikels „Fides publica: Die Dekonstruktion eines Forschungsbegriffes“ die berechtigte Frage auf, ob die terminologischen „Differenzen zwischen der mittelalterlichen des und der neuzeitlichen[352] des publica nicht letztlich nur (. . . ) begrifflich(..) und damit marginal [seien]?“ 353 Sie beantwortet sich die Frage direkt im Anschluss selbst: „Würden wir mit diesen Begriffen allein die Glaubwürdigkeit des Notars bzw. die Beweiskraft seiner Urkunden bezeichnen, müsste die Frage wahrscheinlich bejaht werden. Problematisch ist jedoch, dass der öffentliche Glaube nie ohne sein Fundament gedacht werden kann. Ein Verweis auf die publica des enthält stets den Fingerzeig auf den Staat als ihren Garanten.“ 354

Da diese Verbindung fehle, solle von der Verwendung des Begriffes des publica Abstand genommen werden. Dem ist zuzustimmen. Notarielle Urkunden beziehen ihre Glaubwürdigkeit nicht aus dem Umstand, dass Notare kaiserlich ernannt wurden. 355 Das kaiserliche Notariatswesen entwickelte sich aus dem frühmittelalterlichen Gerichtsschreiberwesen, wobei die Gerichtsschreiberurkunden ihre Glaubwürdigkeit aus der Glaubwürdigkeit des Gerichts bezogen. Im Frühmittelalter löste sich ein Teil der Gerichtsschreiber vom Gericht. Ihre Urkunden wurden aber weiterhin als glaubwürdig eingestuft. Mit der Wiederentdeckung des römischen Rechts 352 353 354 355

Gemeint ist die Zeit seit dem 18. Jahrhundert. Schulte, Fides publica, S. 34. Ebda. Hier und im Folgenden zur Entwicklung des Notariatswesens: Bachmann, Friede durch Sicherheit, S. 188 ff. Gegen eine Verknüpfung von kaiserlicher Glaubwürdigkeit und urkundlicher des spricht außerdem ein Vergleich mit Siegelurkunden: Wurden kaiserliche Siegelurkunden zu Unrecht angegriffen, wurde dies als mittelbarer Angriff auf den Siegelträger gewertet (Bresslau, Urkundenlehre, Bd. 1, S. 643f.; Ernst Pitz, Erschleichung und Anfechtung von Herrscher- und Papsturkunden vom 4.–10. Jahrhundert, in: Fälschungen im Mittelalter III, Hannover 1988 (MGH-Schriften 33, III), S. 69ff.). Bezogen auf den notariellen Urkundenbeweis müsste ein Angriff auf die des der Urkunden als Angriff auf den Kaiser gedeutet werden. Auf eine solche Auslegung gab es aber in keiner der untersuchten Akten einen Hinweis.

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wurde das vorgefundene, bereits ausgebildete Notariatswesen rechtlich untermauert. 356 Eine Anbindung der urkundlichen des an die Glaubwürdigkeit des Kaisers fand nicht statt. Dorothea Weltecke rät darüber hinaus zur Vorsicht vor einer allzu freien Handhabung heutiger Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem mittelalterlichen Verständnis von des. Eine Gleichsetzung sei schon deshalb verfehlt, weil der mittelalterliche und frühneuzeitliche Vertrauensbegriff nicht mit dem modernen Verständnis vergleichbar sei und man folgerichtig zwischen beiden zu differenzieren habe. 357 Das ist sicherlich richtig, das Problem begegnet Historikern aber natürlich überall – es lässt sich schwerlich lösen. 358 Denn das, was man sieht, wenn man mit scheinbar neutralem Blick in die Geschichte zurückblickt, ist zwangsläu g vom modernen Standpunkt, der eigenen Lebenswirklichkeit und damit auch von der eigenen Begriffswelt, mit der man das Gesehene benennen kann, geprägt. Eine Differenzierung – so sie besteht – kann erst vorgenommen werden, wenn die Quellen untersucht wurden. Dafür steht aber zunächst nur das vorhandene Handwerkszeug, also die vorhandenen Begriffe und Kategorien, zur Verfügung. Letztlich ist das Problem bei einem Rückgriff auf die des trotz gewandeltem Begriffsverständnis nicht so schwerwiegend, denn die Wirkung der des ist vergleichbar geblieben. 359 Früher wie heute ordnen Rechtsprechung und Lehre formgerechte Notarurkunden als glaubwürdig ein. 360

2. Grenzen der des? „Notarij etiam legitim¯e creati Instrumentum dem non faciat extra territorium illius a¯ quo potestatem suam est consecutus“ 361 – Der Notar konnte glaubwürdige Instrumente auf denjenigen Gebieten erstellen, in denen die kaiserliche Macht, besser 356 Bachmann, Friede durch Sicherheit, S. 190 f. 357 Dorothea Weltecke, Trust: Some Methodological Re ections, in: Petra Schulte [u. a.] (Hrsg.), Strategies of writing: studies on text and trust in the Middle Ages [Utrecht Studies in Medieval Literacy, Bd. 13], Turnhout 2008, S. 379ff.; Dorothea Weltecke, Gab es Vertrauen im Mittelalter? Methodische Überlegungen, in: Ute Frevert (Hrsg.), Vertrauen: historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 67ff., S. 69ff. 358 Zur quellenmäßigen Begriffssprache und den damit zusammenhängenden Problemen s. Otto Brunner, Land und Herrschaft – Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Au . 5, Wien 1965, S. 163f. 359 Zu Problemen im Zusammenhang mit Forschungs- und Quellenbegriffen, s. § 1 Einleitung. 360 So auch Schulte, Fides publica, S. 34 f. 361 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 43 Exceptiones und vernichtung des zum 28ten Februarij Anno 1605 furgebrachten Vermeindten Instruments, fol. 5 r; so auch N. N., Ars notariatus, Straßburg, 1505, n. V: „Sed notarius constitut ab vniversitate vel c¯umunitate

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müsste man wohl sagen die kaiserliche Autorität anerkannt war. Dieser Bereich ist nicht zu verwechseln mit dem kaiserlichen Herrschaftsbereich. Denn auch wenn dem Kaiser außerhalb seines Reiches keine Herrschaftsmacht zustand, so war doch seine Autorität anerkannt. Damit konnten Urkunden kaiserlicher Notare auch außerhalb des Reichs, zum Beispiel in „Francia vel Angelia seu Hispania“, also Frankreich, England und Spanien, Wirkung entfalten. 362 Auf dieses Faktum hatte schon Guillelmus Durantis im 13. Jahrhundert aufmerksam gemacht 363 und diese Auffassung wurde in der Frühen Neuzeit rezipiert: Der „Notarius Publicus [kann] sich aller Orten des Notariat-Amts gebrauchen [lassen]/ und beglaubte Instrumenta verfertigen / sowohl im gantzen Römischen Reich / als auch ausserhalb desselben an andern Orten (. . . ) und zwar aus der Raison, weilen sie Jurisdictionem voluntariam exerciren“. 364

Hergeleitet wurde das aus D. 1.16.1/2 365: „Der Proconsul hat zwar überall, sobald er sich aus der Stadt begiebt, seine Proconsular-Insignien; seine Gewalt aber darf er nur in der ihm überwiesenen Provinz allein ausüben.“ „Jeder Proconsul hat, sobald er sich aus der Stadt begeben hat, die Gerichtsbarkeit, aber keine streitige, sondern blos eine freiwillige“,

die man als Grundsatz (keine Anerkennung) und Ausnahme (Anerkennung in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit) deutete. Inwieweit die Urkunden aber tatsächlich außerhalb des Reichs anerkannt wurden, ist umstritten. 366 In den Archivalien nden sich jedenfalls zahlreiche Fälle, in denen kaiserliche Notare entweder

362 363 364

365 366

in suo muncipio of tium su¯u valeat exercere extra territorim suum pro notario non habetur“; N. N., Rhetoric und Teutsch Notariat (1556), fol. 29 v: Die Notare sollten sich in „Franckreich / vnd Engelland / dagleich Bapst / oder Keijser / nichts zugepieten het“ einer Beurkundung enthalten. Dass kaiserliche Notare zumindest zeitweise in England beurkunden konnten, ergibt sich auch aus einem Gesetz König Eduards II., der kaiserlichen Notaren die Ausübung ihres Amtes in Staat verbot, s. Bresslau, Urkundenlehre I, S. 635 (dort Fn. 2). Zitiert nach Neschwara, Österreichisches Notariat I, S. 232. Bolz, In foro (1732), S. 61; „instrumenta de digna (. . . ) non solum in vniuerso Imperio Romano, sed etiam in aliis locis extra imperium“, s. Stephani, Tractatvs de Ivrisdictione (1611), Lib. II P. II Cap. V No. 7 (S. 370); so auch Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 328 m. w. N.; Gaill, Practicarum Observationum (1699), Lib. II, Obs. LXXI No. 13 (S. 429) m. w. N.; Hvnnio/Trevtleri, Disputationum ad Ivs Civile Ivstinianaevm (1632), Vol. II, Disp. V Th. II No. 1 (S. 449). Bolz, In foro (1732), S. 61. Übersetzung der Digesten, Corpus Iuris Civilis I (Otto/ Schilling), S. 274. Während teilweise eine strikte Bindung an das Herrschaftsgebiet des Ernenners angenommen wird, nden sich Vertreter, die die Anerkennung von einem allgemeinen

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außerhalb des Reichs Urkunden aufzeichneten, die außerhalb des Reichs offenbar anerkannt wurden, oder in denen Notare in Hamburg Urkunden für den Gebrauch im Ausland errichteten. So ist beispielsweise im Hamburger Staatsarchiv die Anfrage eines Gerichts aus den Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahr 1787 an den Hamburger Rat überliefert. In einem Streit um eine Forderung aus einem Hamburger Wechsel begehrten die Richter Auskunft zu den formellen Voraussetzungen glaubwürdiger notarieller Schriftstücke. Denn es sei „einige Male in hiesigen [amerikanischen] Gerichten die Frage aufgetaucht (. . . ), ob das farbig aufs Papier gedrückte oder gestempelte Siegel von Hamburger Notaren, gleich dem Lack oder in Papier gepreßten, eine rechtsgültige amtliche Besiegelung von Urkunden bilde, hier ist die Behauptung aufgestellt worden, ein farbig aufgedrücktes Zeichen sei ein Stamp, aber kein Seal“. 367

Der Hamburger Rat bekundete, dass es auf die Art der Besiegelung (Lack, Tinte, Prägung) nicht ankomme, solange es sich um ein rechtsgültiges Notarsiegel handle. 368 Der Wechsel wurde daraufhin anscheinend anerkannt. Zahlreich sind auch die Verweise in der Literatur auf die Tätigkeit kaiserlicher Notare im Gebiet der Schweizer Eidgenossenschaft in der Frühen Neuzeit. 369 Im 17. und 18. Jahrhundert sollen außerdem vermehrt kaiserliche Notare beim Abschluss von niederländischen Seeassekuranzen eingeschaltet worden sein. 370 Der Gerichts-

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370

Konsens, einem fehlenden ausdrücklichen Verbot der Anerkennung oder der Herkunft der Urkundsbeteiligten abhängig machen wollten. Dazu m. w. N.: Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 37. In der Frühen Neuzeit scheint aber die Annahme eines über das Reichsgebiet hinausgehenden Wirkungsbereichs vorherrschend gewesen zu sein: „[I]nstrumenta de digna (. . . ) non solum in vniuerso Imperio Romano, sed etiam in aliis regnis & prouinciis extra Imperium Romanum“, s. Hvnnio/Trevtleri, Disputationum ad Ivs Civile Ivstinianaevm (1632), Vol. II, Disp. V De de instrvmentorvm et testibvs (S. 449); Gaill, Practicarum Observationum (1699), Lib. II, Obs. LXXI, No. 13 (S. 429) m. w. N. StA HH, Justizverwaltung 241-1 I, Nr. 2392. Ebda. Z. B. Neschwara, Österreichisches Notariat I, S. 233; Karl S. Bader, Die Klerikernotare des Spätmittelalters in Gebieten nördlich der Alpen, in: Hans Lentze (Hrsg.), Speculum iuris et ecclesiarium: Festschrift für Willibald M. Plöchl zum 60. Geburtstag, Wien 1967, S. 1ff., S. 8. Z. B. Verweis auf einen in Holland anhängigen Fall eines Hamburger Reeders um Auszahlung einer (notariell beurkundeten) Versicherung wegen Schadensersatzforderungen auf Grund eines Wasserschadens an Brasilzucker, s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 1 No. 6. Zur Einschaltung kaiserlicher Notare beim Abschluss von Versicherungsverträgen s. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 39.

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stand für diese Streitigkeiten lag in den Niederlanden. 371 Sowohl die Schweizer als auch die calvinistischen Niederlande hatten bereits vor ihrer endgültigen Abspaltung vom Reich deutliche Abkehrtendenzen von Kaiser und Reich 372, anscheinend aber nicht vom kaiserlichen Notariatswesen gezeigt. Wie genau die Notarurkunden dort jeweils eingesetzt wurden, welche Funktionen sie erfüllten und wie sie wirkten, wurde, soweit ersichtlich, bislang noch nicht untersucht.

3. Wirkung der des Die heutige Forschung ist nahezu einhellig der Meinung, dass notariellen Instrumenten seit dem Spätmittelalter eine gesteigerte Beweiskraft zugesprochen wurde. 373 Zwar nden sich vereinzelte Stimmen in der neueren Literatur, die eine gesteigerte Beweiskraft im Mittelalter bestreiten und erst für die Zeit nach dem Erlass der Reichsnotariatsordnung annehmen 374, diese Ansichten entbehren aber, soweit ersichtlich, einer quellenmäßigen Grundlage. Nicht nur in der mittelalterlichen Literatur wird die des, die den Urkunden zukam, beschrieben, wie Petra Schulte in ihrer Dissertation herausgearbeitet hat. Auch Belege aus der Praxis legen dies nahe. So sind schon aus dem 12. und 13. Jahrhundert Fälle überliefert, in denen große Autoritäten und Würdenträger, anstatt sich ihrer unstreitig glaubwürdigen Siegel zu bedienen, Urkunden von kaiserlichen Notaren aufstellen ließen. 375 Warum sie das taten, begründeten sie nicht. Sicherlich hat

371 Dazu Sabine Go, Marine Insurance in the Netherlands 1600–1870 – A comparative institutional approach, Amsterdam 2009, S. 95 ff. 372 Volker Reinhardt, Geschichte der Schweiz, (Au . 4), München 2010, S. 21f.; Johannes Arndt, Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648. Politischkonfessionelle Ver echtungen und Publizistik im Achtzigjährigen Krieg [Münstersche Historische Forschungen, Bd. 13], Köln [u. a.] 1998, S. 67ff. 373 Petra Schulte (dies., Scripturae publicae creditur, S. 143), die notariellen Instrumenten „spätestens ab dem Ende des 12. Jahrhunderts volle Beweiskraft“ zubilligt. Auf etwa 200 Jahre später datieren: Dolezalek /Konow, Art. Notar, Notariat, in: HRG III (1984), Sp. 1043ff., Sp. 1044; Trusen, Mittelalterliches Notariat, S. 374; Christoph Reithmann, Wandel der Aufgaben des Notars, in: 25 Jahre Bundesnotarkammer 1961–1986 – Sonderheft der Deutschen Notar-Zeitschrift, München 1986, S. 37ff., S. 39; Karl Dick, Das gemeinrechtliche Deutsche Notariat in seinen Grundzügen und Parallelen zur Rheinpreußischen Notariats-Ordnung, Bonn 1871, S. 43. 374 Bresslau, Urkundenlehre I, S. 732. 375 Z. B. HH UB II, Nr. 259 (vom 5. 5. 1312), 305 (vom 22.4.1314), 309 (vom 4.6.1314), 314 (vom 10.7. 1314), 315 (vom 13. 7. 1314), 317 (vom 2.9.1314), 327 (vom 3.1.1315), 328 (vom 3. 1. 1315), 332 (vom 23. 3. 1315), 349 (vom 27.10.1315). Exemplarisch wird hier nur näher auf die Urkunde HH UB II, Nr. 328 (3.1.1315) ein-

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man darauf nur zurückgegriffen, weil den notariellen Urkunden dieselbe Wirkung wie den Siegelurkunden zukam. Siegelurkunden, die in eigenen Angelegenheiten des Sieglers eingesetzt wurden, erbrachten den vollen Beweis. Auch die mittelalterliche Doktrin ging von einer gesteigerten Beweiskraft notarieller Instrumente aus. 376 Diese Lehren sind in weiten Teilen in das frühneuzeitliche Notariatsrecht übernommen worden. 377 Zwar enthält die Reichsnotariatsordnung selbst keine Regelungen zur Beweiskraft der Urkunden, lediglich in der Vorrede werden notarielle Instrumente als glaubwürdige offene Urkunden erwähnt. Offenbar ging man beim Gesetzeserlass von einer umfangreichen Beweiskraft aus, sodass es keiner dezidierten Regelung bedurfte. Es wäre nur sehr schwer vorstellbar, dass eine so weitreichende Entscheidung wie die Anerkennung einer umfänglichen Beweiskraft mit nur einem einzigen Wort in der Vorrede eines Gesetzes angesprochen worden wäre, wenn er sie dort erstmals hätte anerkennen wollen. Völlig unstreitig wird notariellen Urkunden seit 1512 eine gesteigerte Beweiskraft zuerkannt. Nach der frühneuzeitlichen Doktrin waren ordnungsgemäß erstellte notarielle Instrumente glaubwürdig. Instrumentum publicum „plenam dem

gegangen. Darin enthalten ist die Beilegung eines Streits zwischen dem Erzbischof von Bremen mit den Bischöfen von Schwerin, Lübeck, Ratzeburg sowie dem Hamburger Domkapitel, wobei weder die Parteien noch der zugezogene Schiedsrichter die Urkunde besiegelten. Stattdessen wurde die Urkunde durch einen hinzugezogenen kaiserlichen Notar ausgefertigt. Die Parteien hätten sich darauf wohl nicht eingelassen, wenn sie nicht davon ausgegangen wären, dass der notariellen Urkunde nicht mindestens eine vergleichbare Wirkung zukommen würde wie ihren Siegeln. Zur hochmittelalterlichen Verwendung notarieller Urkunden auch S. 323 ff. Mit Beispielen ohne Beteiligung Hamburgs: Katharina Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltung von Unternehmen der Renaissance – eine Untersuchung der Augsburger Handelsgesellschaften zur frühen Neuzeit [Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 6], Münster 2007, S. 26 ff. m. w. N. 376 „Soli autem publico instrumento habetur des per se id est sine aliquo alio adminiculo: eo quod sine aliqua vituperatione appareat: ut in authent. eod. tit. §. si vero moriantur. nisi is contra quem profertur probet falsum“, Azo, Summa aurea zu Cod. 4.21 No. 2, ed. Lyon 1557, fol. 85 v. S. auch Rolandinus, Summa pars III. 9, ed. 1546, fol. 352 r.; Petrus de Unzola, in: Rolandinus Summa pars III. 9 (Tractatus notularum), fol. 406 v. 377 Z. B. schreibt Heinrich Knaust am Übergang zum 17. Jahrhundert, dass in notariatsrechtlichen Fragen die Wissenschaft heranzuziehen sei: „Ante omnia autem doctrina & scientia est inspicienda. Quia is penes qu¯e nulla nec doctrina nec prudentia est, opprimit multos (. . . ) Et in primis necessaria est doctrina & scientia, prudentiaque Notario seu Tabellioni, maxime“, s. Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. X (S. 136).

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facit“ 378 – Öffentliche Instrumente hatten einen vollen „Glauben“. 379 Darunter verstand man die „Anerkennung“ 380 des Urkundeninhalts, also eine „Beweisvermutung der Wahrheit“ 381, die „für und gegen Jeden“ 382 wirkte. Die Instrumente unterschieden sich darin grundlegend von Siegelurkunden, die grundsätzlich nur für und wider den Aussteller wirkten. Wie bei modernen Notarurkunden sprach eine widerlegliche Vermutung für die Echtheit der Urkunde. Sie galt als „rechtmäßig auffgerichtet (. . . ) biß das Gegentheil erwiesen und dargethan“ 383 wurde. Anders als heutzutage unterschied man aber nicht zwischen formeller und materieller Beweiskraft. Den Urkunden wurde ganz allgemein ein „vollkommener Glaube“ 384 zugestanden, sodass auch zu Gunsten des in der Urkunde niedergelegten materiellen Inhalts eine Vermutung der Richtigkeit sprach, bis das Gegenteil erwiesen wurde – „quemlibet praesumi bonum, donec probetur contrarium“. 385 Auf dieser Grundlage konnte der Richter unmittelbar urteilen, ohne dass zusätzliche, die Behauptung untermauernde Beweismittel beigebracht werden mussten, wie beispielsweise bei der Vorlage eines halben Beweises. 386 Vor 378 Gasparro Romano, Institutiones Juris Civilis (1729), P. III Tit. VIII–De probationibus n. 4f. 379 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 r. So auch Bolz, In foro (1732), S. 7, S. 14, S. 63m. w. N.; Ortolph Foman, Disputatio De Fide Instrumentorum (. . . ), Jena 1631, Effectus instrumentorum est plenam dem (a); Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 7; Josephi Mascardi, Conclusiones Probationum (. . . ), Frankfurt 1661, Vol. I Quaest. IV n. 15 (S. 9). Zur rechtlichen Herleitung der Glaubwürdigkeit m. w. N.: Bolz, In foro (1732), S. 51. 380 Grziwotz, Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, S. 53. 381 Reithmann, Aufgaben des Notars, S. 39. 382 Karl Dick, Das gemeinrechtliche Deutsche Notariat in seinen Grundzügen und Parallelen zur Rheinpreußischen Notariats-Ordnung, Bonn 1871, S. 43. 383 Bolz, In foro (1732), S. 14; Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 55. 384 „Dividitur probatio à Jurisconsultis in plenam, & semiplenam. Plena est, quae plenam dem facit (. . . ) in judicium deducta, itaut suf cienter sit instructus, & devenire queat ad prolationem sententiae, juxta Mascard. Vol. I de probat. quaest. 4 nu. 15. quae reducitur ad has quatuor species, scilicet testimonia, Instrumenta publica, praesumptiones, & indicia (. . . )“, s. Gasparro Romano, Institutiones Juris Civilis (1729), P. II Tit. VIII–De probationibus n. 4 f.; Mascardi, Conclusiones Probationum (1661), Vol. I Quaest. IV n. 15 (S. 9); Bolz, In foro (1732), S. 7 m. w. N., S. 14; Foman, De Fide Instrumentorum (1631), Effectus instrumentorum est plenam dem (a); Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 7. 385 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 58. S. auch Benedict Carpzov/Andreas Mylius, I. C. Consiliarii Electoralis Saxonici, Ivrisprvdentia Forensis Romano-Saxonica, Secvndvm Ordinem Constitvtionvm (. . . ) Frankfurt 1638, P. III–C. III Def. 37 (S. 923); Bolz, In foro (1732), S. 63. 386 Der Richter wurde „völlig vo[m] (. . . ) Anbringen überzeug[t]“ [Ludwig Julius Friedrich Höpfner (Hrsg.), Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller

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dem Hintergrund der umfänglichen Beweiskraft notarieller Urkunden im Prozess erklärt sich auch die Drohung gegen Notare, in „schwere Ungnad“ zu fallen und „Straff und Buß“ auf sich zu ziehen, sollte jemand wegen eines Fehlers im Instrument Schaden erleiden (§ 1 Einl. RNO). Aber auch im Alltag jenseits der Lehre hatten notarielle Urkunden eine enorme Bedeutung. In Hamburg wie im Rest des Reichs kam notariellen Schriftstücken ein Ruf als „optima ac meliori juris forma“ 387 – als bester Beurkundungsform – zu. Der Grund lag darin, dass mit der Vorlage einer notariellen Urkunde die Wahrscheinlichkeit, den Prozess auch tatsächlich zu gewinnen, enorm stieg, was wohl den Anschein erweckte, man könne mit ihrer Hilfe sogar „das jenige was (. . . ) [ohne die Vorlage des Instruments] Niemand gegelaubet hätte, mittelst (. . . ) Instrumenti“ 388 glaubhaft machen. Das war zwar sicherlich übertrieben, die Widerlegung einer notariellen Urkunde war nichtsdestoweniger schwierig. Die Urkunden galten daher quasi als Garant im Kampf um einen erfolgreichen Rechtsstreit. Deutlich wird das zum Beispiel auch in einem auszugsweise erhaltenen Beleidigungsprozess 389 vor der Hamburger Prätur 390 aus der Mitte des 18. Jahrhunderts 391: Hinrich Severin und Nicolaus Pauschan standen in geschäftlichen Beziehungen. Diese liefen anscheinend gut, aber Hinrich genügte das nicht. Er wollte ein Pferd nebst Fuhrwerk anschaffen, um mobiler zu sein und dadurch seinen Kundenstamm zu vergrößern. Nicolaus, der einer Vergrößerung gegenüber grundsätzlich nicht abgeneigt war, hatte dafür jedoch kein Geld. Die Geschäftspartner einigten sich daraufhin, dass das Geld zunächst von Hinrich vorgestreckt werden sollte. Der Kauf wurde getätigt und man nutzte die neugewonnene Beweglichkeit in einem Maß aus, dass das Pferd schon nach kurzer Zeit völlig geschwächt war. Zwar setzte

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Künste und Wissenschaften, Bd. 3, Art. Beweis, (juristisch), Frankfurt 1780, S. 573 [b.)], sodass er „von der Sache / welche in Streit gezogen/nach solchem [nach Vorlage des notariellen Schriftstücks unmittelbar] ein Urthel gespr[e]chen“ konnte, s. Bolz, In foro (1732), S. 14; so auch N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 407; StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 4 Replicae, fol. 11 r. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 1, Beilage Nr. 1 Instrumentum Appellationis an das Reichskammergericht, fol. 1 v. Ausschlaggebend war die Verbürgung der Urkunde für die „bekantnus des Inhalts, (. . . ) whar Zu sein“, s. z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. 1327, Protokolleintrag Nr. 6 vom 20. 2. 1551. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 v f. Es ist nicht klar, ob es sich um eine Injurien- oder Diffamationsklage handelte. Erhalten hat sich nur eine Sachverhaltsschilderung des Beklagten (Nicolaus Pauschan) und seiner Frau. Darin ist nur allgemein von einer Beleidigung die Rede. Der Prätur oblagen die Gerichtsbarkeit unterhalb des Niedergerichts sowie die Aufsicht über die Gefängnisse und Feuerwehren. Hier und im Folgenden: StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 2, Verschiedene Schriften an den Prätor und Theile von Prätur- u. Untersuchungsacten um 1750, Schriftstück in Sachen Hinrich Severin contra Nicolaus Pauschan.

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sich Nicolaus dafür ein, dem Tier einen Tag Ruhe zu gönnen, Hinrich missachtete dies aber. Das Tier starb an Entkräftung und Nicolaus' Rechnung, mit den steigenden Einnahmen die Schulden bei Hinrich zu tilgen, ging nicht mehr auf. Dennoch beharrte Hinrich auf einer zügigen Rückzahlung der geliehenen Gelder. Um die Lage zu beruhigen, wollte Nicolaus Hinrich sein Silberzeug verpfänden, weshalb Nicolaus' Gattin mit den Gegenständen in Hinrichs Behausung geschickt wurde. Der Beschwichtigungsversuch war erfolglos. Nicolaus' Gattin wurde von Hinrich zunächst auf das Übelste beleidigt und anschließend mit einem Holzprügel zusammengeschlagen. Als Nicolaus davon erfuhr, suchte er Hinrich auf und wollte ihn zur Rechenschaft ziehen. Dort kam es zu tumultartigen Szenen. Hinrich nannte Nicolaus einen „deff“ und „Spitzbobe“ und sprang ihm dann unvermittelt an „die Görgel (. . . ), daß ihm die lufft verg[i]ng(..)“. Nicolaus schaffte es gerade noch, sich aus dieser Situation zu befreien, indem er Hinrich mit aller Kraft packte und ihn gegen ein Hoftor warf, anschließend ergriff Nicolaus die Flucht. Damit war die Sache aber noch nicht erledigt. Am darauffolgenden Sonntag begegneten sich die beiden Ehepaare Severin und Pauschan auf dem Weg zur sonntäglichen Predigt. Schon von ferne begann Severins Gattin, in aller Öffentlichkeit gegen die Eheleute Pauschan zu pöbeln: „da geit de [asige?] hor mit Ehrem deff von Kerl“, „de affgerammelte (. . . ) hor“, „mans köter“ und dergleichen mehr. Kurioserweise erhob daraufhin nicht Nicolaus, sondern Hinrich Beleidigungsklage vor der Prätur mit der Begründung, Nicolaus habe ihn in entwürdigender Weise gegen ein Hoftor geworfen. Im Verfahren versuchten die Eheleute Pauschan, ihre Sicht der Geschehnisse darzulegen, um eine Schadensersatzforderung abzuwenden. Hilfreich wäre wohl die Vorlage einer notariell beglaubigten Sachverhaltsschilderung gewesen, aber die Pauschans waren im „vermögen Schwach“ und hatten kein Geld, „einen Notarii (. . . ) zulohnen“, außerdem so berichtete Nicolaus' Gattin, habe Hinrich, um sie davon abzuhalten, Geld zu leihen, um einen Notar zu bezahlen, „gedrohet, [sie] Soll des Stroh nicht im bette behalten“ und sie täte besser daran, sich ihres „Schwachs vermögen [zu entsinnen und zu versuchen, dieses] mit der gerechten Hand zu schützen“ – sie solle also um ihres Vermögens willen von der Zuziehung eines Notars absehen, andernfalls werde Hinrich sie nanziell so ruinieren, dass sie sich nicht einmal mehr das Stroh in ihrem Bette würde leisten können. Obwohl die Eheleute Pauschan offenbar über keinerlei nanzielle Mittel verfügten, erwogen sie also sogar, Gelder aufzunehmen, um einen Notar bezahlen zu können. 392 Sie schienen diese Investition im Hinblick auf eine mögliche Schadensersatzforderung offenbar als lohnend angesehen zu haben. Auch Hinrichs Reaktion stützt 392 Die Inanspruchnahme von Notaren durch Verarmte lässt sich auch sonst nachweisen. Zum Beispiel berichtet Martin Dinges (ders., Aushandeln von Armut in der Frühen Neuzeit: Selbsthilfspotential, Bürgervorstellungen und Verwaltungslogiken, in: Werkstatt Geschichte 10, Hamburg 1995, S. 7 ff., S. 8) von einem Fall, in dem völlig verarmte

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diese Einschätzung. Die Aussicht, im Prozess eine notarielle Urkunde widerlegen zu müssen, schien ihm großes Unbehagen bereitet zu haben. Trotz aller Differenzen zwischen den Parteien herrschte in der Bewertung des notariellen Urkundenbeweises als einem nahezu unverbrüchlich beweiskräftigen Schriftstück Konsens. Auch der Rat machte sich die hohe Autorität, die von notariellen Schriftstücken ausging, zunutze. So zum Beispiel, als in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts am Hamburger Niedergericht ein Kriminalfall um eine Beleidigung (Injurie) verhandelt werden sollte. 393 Der Fall ist hier nicht weiter von Bedeutung. Interessant ist allein, wie der Rat versuchte, den vermeintlichen Täter zu laden: Zunächst lud er ihn, wie es der „alte(..) gebrauch und [die] gewonheit [wollte] Mundtlich“. 394 Der Geladene leistete der Aufforderung aber auch nach mehrmaliger Wiederholung keine Folge. Um dem ratsherrlichen Verlangen mehr Nachdruck zu verleihen und anscheinend auch, weil der Rat (berechtigterweise) der Überzeugung war, den Beklagten damit besser erreichen zu können, ließ er ihm eine „schrifftliche Citation (. . . ), [die] mith eines Erbaren Rades zu Hamburgk gewonlichem Signeth versiegelt“ war, zukommen und ließ darüber „zu mehrer Authenti cation“ ein notarielles Instrument erstellen. 395 Das zeigte anscheinend Wirkung, denn der Beklagte kam. Aber nicht nur in der persönlichen Einschätzung des Beweismittels, sondern auch in der Rechtspraxis scheint sich die im System der Beweisrechte herausgehobene Stellung notarieller Urkunden zu bestätigen. Deutlich wird das besonders dort, wo neben bereits existierenden sicheren Beweismitteln, wie einem Handelsbuch oder einer Eintragung im Stadtbuch, zusätzlich notarielle Urkunden in Auftrag gegeben wurden. 396 Ein solcher Fall ist die notarielle Bestätigung eines Erbkaufs und die Quittierung des Kaufpreises, die im Protokollbuch des Notars Johann Schröder überliefert ist. Am 29.4.1552 ndet sich dort folgender Eintrag:

393 394 395 396

Schuldner ihr Bett hypothekarisch belasteten und dies von einem Notar verzeichnen ließen. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, fol. 44 v. Ebda., fol. 43 r f. „Wat auerst vor deme rade vorlaten vnde in der stad bock geschreuen steyt, dat gheyt vor alle segele vnde breue“ – „Was aber vor dem Rat aufgelassen worden ist und in das Stadtbuch eingetragen war, ging allen Siegeln und Briefen vor“, s. StA HH 1497 G III. Auch die Rechtspraxis ging davon aus, dass das „Stadtbuch(. . . ) Handt und Siegel immittir[te]“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, fol. 13 r, dass es also wie eine in eigenen Angelegenheiten besiegelte Urkunde den vollen Beweis erbrachte.

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„Im Jahre anno 1552 dem 29 Aprilis heffte „Im Jahr 1552 am 29. April hat Bastian van Bastian van Wintem der doegetsamen Be- Wintem der tugendhaften Beken, der hinken seligen Peter Hesterberges nhagelatenen terbliebenen Witwe des seligen Peter Heswedewen Gegenwardig dußent markstucke terberg, eintausend Markstücke in Bargeld In Baargeldt auergeben mith der protesta- übergeben mit der Protestation und Bedintion und bedingung, dath he [soll?] bauen gung, dass er auf den Kaufvertrag über das dem Kopzarter des huses, so he bewohnet, von ihm bewohnte Haus bauen könne und nichts will vorgeuenn hebben Und [vest?] dass es dabei bliebe und er fest darauf verund darenbauen ohne niiht nhageuen will, trauen und davon nicht abweichen wolle, sonder mit rechte Gegen ohnen tho foa- sondern mit Recht von ihnen [den Verkäudern bedacht, wolde he sick tho rechte fur- fern] fordern werde, das wollte er sich mit beholcht hebben und nden lathen. War Ge- Recht vorbehalten haben und bestätigen lasgen[wärtig] Dijrick Bestenborstel von weg sen. Es war gegenwärtig Dijrick Bestenborsder wedewen bedingeth und protestirth, tel als Vormund der Wittwe und er bestädath gedachte wedwe [sodane?] markstu- tigt, dass die benannte Witwe sodann mit cke anthanhende[397] bedacht, Jedoch ohres den [übergebenen?] Markstücken bedacht, rechten Gegen Bastian van Winthem unbe- jedoch ihrer Rechte gegen Bastian van Winholchen und unvorfencklich warten. In Bas- tem unbehalten und verfänglich war. Getianss van Winthens huse In der [dornen- schehen in Bastian van Wintems Haus in der strasse?] post meridien hora 2.“ 398 [Dornenstraße?] um 2 Stunden nach Mittag.“

Die Parteien hatten, bevor sie den Notar bestellten, einen Erbkauf vereinbart, an dem sie beide festhalten wollten, was sie mit der notariellen Beurkundung bekräftigen. Im Hamburger Recht mussten Grundstückskäufe in die städtischen Erbebücher eingetragen werden, um wirksam zu sein. 399 Die Eintragung hatte eine konstitutive 397 Im Sinne von „angetan“ = übergeben. 398 Johann Schröder Protocollum der von ihm als Notario auf Begehren aufgesetzten Instrumenten à 1550 ad 1555 worunter drey Instruementa 1551. 18.20. Jun: 10. Jul: die per Deputatos Senatus geschehen presentation Johannis Beucken zum Canonicat u. Vicariat (StA HH, Senat 111-1, Nr. 1327). 399 Langenbeck'sche Glosse E XXIII, Codex B (Text und Übersetzung Eichler, S. 196f.): „vmme erue vnde eghen, de men nicht moth veranderen effte vorlaten, ydt sche den vor dem Rade“ – „für Erbgut und Eigentum (Immobilien), über die man nicht verfügen oder auflassen kann außer vor dem Rate“. StR 1497 H IIII: „So weme erue efte eruetynsz in der stadt boke gheschreuen stan, de schal neen man vorlaten noch vorkopen edder vorandern, yd en schee vor desseme rade. Scheghe dat anders, schal machtloes vnde van nenen werden wesen.“ – „Wem Erbgut oder Erbzins in der Stadt (Renten-)Buch geschrieben stehen, die kann niemand auflassen oder verändern (sonstige Verfügungen darüber treffen), außer es geschieht vor diesem Rat. Geschieht es anders (also ohne den Rat), soll es unwirksam und wertlos sein“ (Text und Übersetzung Eichler, S. 252). Zu den Erbebüchern: Siegmund Wülfken, Vom Hamburgischen Grundbuch, in: Staatsarchiv HH (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des Staatsarchivs der Freien und Hansestadt Hamburg: FS Hans Kellinghusen zur Vollendung des 75. Lebensjahres gewidmet [Veröffentlichun-

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Wirkung. 400 Durch sie wurden Publizität und Rechtssicherheit der Geschäfte gewahrt, denn die städtischen Bücher waren voll beweistauglich. Für sie sprach eine Wahrheitsvermutung, die grundsätzlich alle anderen Beweismittel überwog (StR 1497 G III: „Wat auerst vor deme rade vorlaten vnde in der stad bock geschreuen steyt, dat gheyt vor alle segele vnde breue“ – was aber vor dem Rat aufgelassen und in das Stadtbuch eingetragen war, ging allen Siegeln und Briefen vor). 401 Da das vorliegende Geschäft vor dem Tätigwerden des Notars bereits in die Stadtbücher eingetragen worden war, hätte es keines weiteren Aktes bedurft. Welchen Anlass die Parteien trotzdem sahen, eine notarielle Urkunde aufstellen zu lassen, ist nicht ganz klar. Die Motivation der Parteien, scheinbar unnötige notarielle Schriftstücke in Auftrag zu geben, wurde in den untersuchten Schriftstücken nicht erhellt. 402 In den Akten fanden sich sonst nur Vorverträge, mit denen die Verkäufer eine spätere Bucheintragung zusicherten. 403 Der Aufwand, den die Parteien für „unnötige“ Beurkundungen betrieben haben, ist nicht unbeachtlich: Beauftragung eines Notars, Anwesenheit beider Parteien vor

400

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gen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg Bd. 5], Hamburg 1960, S. 101ff. Anders: Winfried Trusen (ders., Urkundenlehre der mittelalterlichen Jurisprudenz, S. 218). Er zweifelt das Vorhandensein konstitutiver Wirkungen in der Praxis an: „In der Praxis der gelehrten Gerichte war es in der Regel ohne Interesse, ob in diesen Fällen die Urkunde nur Beweismittel war oder die Verp ichtung selbst begründete. Bei einem Kaufvertrag z. B. war es letztlich völlig gleichgültig, ob die Urkunde nur wegen des Beweises errichtet wurde oder ob sie Form der Willenserklärung war, ob sie also Beweisurkunde oder ob sie konstitutive Vertragsurkunde war, namentlich bei öffentlichen Instrumenten“. Text und Übersetzung Eichler, Langenbeck'sche Glosse, S. 226. Ähnlich gelagert sind auch Fälle, in denen Geschäftsbücher trotz einer Vorlage nur in eigenen Angelegenheiten zusätzlich von einem Notar beglaubigt wurden, z. B. Senat 111-1, Nr. 1379 Teil 1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 31. 5.), Libellus Gravaminum et Nullitatum Summarius, S. 28. Nach dem Stadtrecht erzeugten Geschäftsbücher bei der Vorlage in eigenen Angelegenheiten einen vollen Beweis, s. StR 1603/05 HH I 30, 7, dazu Gries I, S. 114f. Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 1 Schlachterstraße (Vertrag vom 8.2.1692 [MF: S 9261 D, 63]), fol. 1 v: „Versprechen die Verkäuffere nicht allein dem Käuffere, dies Erbe und Zubehör in erster Verlassung nach schier Künftigen Ostern vor E. E. und Hochw. Rath nach dieser Stadt öffentlich Zu verlassen und im Stadt Erbebuch eigenthändig ahsigniren und Zuschreiben Zu lassen, sonder geloben auch demselben allsolches vor jedermännigliches an- und zuspruch frund und frembt, freij heer- und wehrende Zu seijn. Dahingegen verspricht und gelobet der Käuffer denen Verkäuffern, von obmentionirter Kaufsumma auf nechst künftigen Ostern beij erfolgender Zuschreibung dieses Erbes (. . . ) bahr zu erlegen und Zu bezahlen (. . . ). Uhrkundlich ist dieser kaufbrief gedoppelt hierüber verfertigt und von beiden theilen Zur Verp ichtung eigenhändig unterschrieben und jedem theil ein Exemplar Zu gestellet worden“. S. auch StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 2 Schar Steinweg (Vertrag vom 9. 4. 1633 [MF: S 9261 D, 51]).

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dem Notar, Urkundszeugen. Im vorliegenden Fall mussten außerdem ein Vormund für Beken Hesterberg bestellt 404 und nicht zuletzt die Notarkosten gezahlt werden. Vermutlich ließ man die notariellen Urkunden zum Schutz vor Manipulation erstellen. Wie bei einem Chirographum hätte man zwei gleichlautende Nachweise (das Buch und das Instrument) gehabt, mit denen man im Gerichtsprozess mögliche Manipulationen in den Büchern durch die Vorlage von notarieller Urkunde und / oder notariellem Protokoll nachweisen konnte. Diese freiheitswahrende manipulationshindernde Eigenschaft des Notariatswesens wird im folgenden Kapitel näher beleuchtet. 405 Außer den Fällen, in denen neben den städtischen Büchern notarielle Urkunden errichtet wurden, lassen sich auch Fälle nachweisen, in denen Notare „zue mehrem glauben unnd gezeugnuß“ 406 direkt zu den Eintragungsaudienzen am Rathaus mitgenommen wurden, um dort an der Ausfertigung von Urkunden mitzuwirken, oder in denen man die in der Ratsschreiberei niedergelegten Abreden zusätzlich „mit handtgebener treu zuehalten angelobet und mit einem Gotthsphennigh bekrefftiget“ 407 hat. Man scheint sich also häu ger um zusätzliche Absicherungen bemüht zu haben. 408

4. Ein „Gerüst“ für die des Die des, die man notariellen Urkunden in der Frühen Neuzeit entgegenbrachte, stand in Abhängigkeit von der formellen Gestalt der Urkunde und der persönlichen Glaubwürdigkeit des Notars. Wie groß diese Abhängigkeit war und wie wenig man von Vorgaben abwich, verdeutlicht der folgende Fall: 404 Dass man sich zuweilen verhältnismäßig viel Arbeit bei der Suche nach einem geeigneten Vormund machte, wenn nicht auf direkte männliche Verwandte zurückgegriffen werden konnte, geht beispielsweise aus einer Akte des Hamburger Obergerichts hervor. Darin ist eine Liste möglicher Kandidaten überliefert, nebst Pro- und Kontraargumenten für ihre Eignung. S. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 1 No. 30, Schriftstück vom 2.12.1739. 405 Ab S. 275 ff. 406 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 2 Schar Steinweg (Vertrag vom 9.4.1633 [MF: S 9261 D, 51]). 407 Ebda. 408 Ähnlich gelagert sind Fälle, in denen das Stadtrecht eine Urkundserstellung durch Ratsschreiber vorsah, wie bei der Erstellung von Testamenten. Auch neben solchen ratsherrlichen Schriftstücken lassen sich notarielle Instrumente nachweisen. Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1594 IV 12 (Testament der Gortzen, Harmen und Ehefrau Adelheida vom 12. 4. 1594 [MF: S 9263 D, 429]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 V 10 (Testament der Mühlen, von der alten, Guiles und Ehefrau Marien vom 10. 5. 1614 [MF: S 9263 D, 894]). S. dazu ausführlich unter S. 266 ff.

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1577 wurde eine Klage beim Reichskammergericht eingereicht. Die Parteien stritten um Erbschaftsangelegenheiten, genauer gesagt um verschiedene Grundstücke und ein Brauerbe, die Anna Langen mit in ihre Ehe mit Claus Kleitze eingebracht hatte. 409 Claus hatte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits einen Sohn aus erster Ehe namens Peter. Anna nahm diesen Sohn als eigenen an und ließ zur Absicherung eine Kindschaft 410 von einem kaiserlichen Notar aufstellen. Als Anna starb, hinterließ sie ihren Mann Claus und den Sohn Peter. Später verstarb Claus. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Peter im Besitz der Grundstücke und des Brauerbes. Kurz darauf verstarb aber auch er. Die Grundstücke verblieben bei Peters Ehefrau Anna Kleitze d. J., obwohl Peters Cousin, Claus Stein, Ansprüche geltend machte. Nach Claus Steins Dafürhalten war das Brauerbe nämlich nach dem Tod der Anna Kleitze d. Ä. auf ihren Gatten Claus Kleitze und nach seinem Tod auf dessen Schwester, also Claus Steins Mutter, übergegangen. Er forderte deshalb die Herausgabe des Brauerbes mit der Begründung, dass Anna Kleitze d. J. keine rechtmäßige Erbin sei. Anna Kleitze d. J. hielt dagegen, Claus Kleitze habe zu keinem Zeitpunkt eine Berechtigung an dem Grundstück besessen. Nach dem Tod von Anna Kleitze d. Ä. sei das Brauerbe vielmehr direkt auf den angenommenen erbberechtigten Sohn Peter übergegangen. Um die Erbberechtigung Peters zu untermauern, wurde dem Hamburger Obergericht die instrumentierte Kindschaft vorgelegt, die Peter als angenommenes und damit erbberechtigtes Kind Anna Kleitzes d. Ä. auswies. Aber das Schriftstück hatte einen formellen Fehler, weshalb Claus Stein die Kindschaft als falsum ausmachte und Peters Berechtigtenstatus bestritt. Dagegen wandte Anna ein, dass Peter wie ein leibliches Kind bei den Eheleuten aufgewachsen sei und seine Annehmung niemals in Frage gestellt worden sei. Das fehlerhafte Instrument könne Peters Erben jetzt nicht zum Verhängnis werden. Obwohl von keiner Partei in Zweifel gezogen wurde, dass Anna Kleitze d. Ä. das Kind als eigenes annehmen und zum Erbe machen wollte, war die formelle Gestalt des Schriftstückes für die Beurteilung der Erbberechtigung das allein entscheidende Kriterium, und so verlegten die Streitparteien ihre Argumentation völlig auf die

409 Sachverhalt ist einem Reichskammergerichtsprozess entnommen, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. S 82, Acta priora. 410 Eine Kindschaft wird genannt, „wann zwey Ehe-Leute die zusammen gebrachte StieffKinder / gleich denen natürlichen / zu Erben beyder Vermögen gemein machen und aufnahmen / um Verhütung künfftiger Streitigkeiten so bey den Erbtheilungen sich zu entspinnen p egen“, s. Bolz, In foro (1732), S. 42. Anders als bei einer heutigen Adoption wurden die angenommenen Kinder üblicherweise abgesondert und waren daher nicht mehr erbberechtigt. Im vorliegenden Fall sollte das angenommene Kind erbberechtigt sein.

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Einhaltung der Formalitäten. 411 Einig war man sich nur insoweit, als dass ein glaubwürdiges Instrument die erforderlichen Formvorgaben – „Solennitäten“ – ausweisen müsse. Welche davon im Einzelnen erforderlich waren, darüber gingen die Meinungen auseinander. Stellvertretend für eine Vielzahl frühneuzeitlicher Werke zum Notariatswesen steht das von Ludwig von Hörnigk publizierte Werk Stellae Notariorum. 412 Er beschrieb eine glaubwürdige notarielle Urkunde recht nebulös als „eine mit sonderlichen Solennitäten auffgerichtete Schrifft“. 413 Fehle eine dieser Solennitäten, weise das Schriftstück einen „Fehler an wesentlichen Stücken“ auf und sei damit nichtig. 414 Auffällig ist, dass er an keiner Stelle dezidiert auf die formellen Voraussetzungen einging, die eine Urkunde erfüllen musste, um volle Beweiskraft zu entfalten. Für die Frage nach den formellen Voraussetzungen glaubwürdiger Notarurkunden ist Hörnigks Arbeit dennoch nicht ohne Wert, denn er macht deutlich, dass für die Beweiskraft zwischen wesentlichen und unwesentlichen Fehlern zu differenzieren war. Auch in anderen frühneuzeitlichen Werken ndet sich diese Unterscheidung. Dort liest man zum Beispiel, ein unwesentlicher Fehler liege vor, „wenn wider Verhoffen ein Punct in dem Instrument sich falsch befände, der das Wesentliche nicht betr[af ]“, und weiter, dass sich unwesentliche Fehler nicht auf die Glaubwürdigkeit der Urkunde auswirkten. 415 Dennoch sei der Notar für die auf Grund seiner Nachlässigkeit entstandenen Schäden haftbar. 416 Welche Voraussetzungen zu den wesentlichen Bestandteilen einer Urkunde gehörten, wird in der Literatur nicht konkretisiert. Selbst

411 So auch Christoph Philipp Richter, der grundsätzlich dem niedergeschriebenen Willen Vorrang einräumen möchte, um Unsicherheiten bei der Rekonstruktion des Willens auszuschließen. Er verdeutlicht dies an einem Beispiel, in dem der in einem Testament niedergeschriebene Wille des Vaters angezweifelt wurde. Ließe man Einwände grundsätzlich zu, würde dies zu Unsicherheiten und „allerhand Verdacht“ gegen die Schriftstücke führen, denn „wer kann in diesem Fall gewiß sagen / was des Vaters Meynung möge gewiß gewesen seyn / weil kein Zeuge sagen mag / oder darff / daß eben dieses / was itzo (. . . ) [im] Concept gefunden / ihm [bei ordnungsgemäßer Beurkundung] vorgelesen / und beständig vor seinen Willen bejahet worden“ sei, nun Verdacht errege. S. Christophori Philippi Richteri, Decisiones Juris Variae In Tres Partes (. . . ), Frankfurt [u. a.] 1689, Lib. I Dec. XXXII No. 9 (S. 191). Im Fall der Einkindschaft bedeutet das, dass die Zeugenaussage nicht geeignet war, einen Fehler im Urkundeninhalt zu belegen. 412 Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677). Es wurde allein zwischen 1645 und 1677 sechsmal erweitert und publiziert. 413 Ebda., S. 299. 414 Ebda., S. 308. So auch Bolz, In foro (1732), S. 14; so auch Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. CXXV (S. 184). 415 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 69. 416 Ebda.

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im weit verbreiteten, sehr umfangreichen Kommentar zu Nehrings Handbuch der Notarien werden nur die reichsrechtlichen Vorgaben wiederholt 417: „1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Die Anruffung des Göttlichen Nahmens. Die Jahrzahl unsers Heylands. Die Römische Zinß Zahl. Der Nahme des Regierenden Ober.Fürstes als des Römischen Kaysers oder Königs. Monat, Tag und Stunde. Die Mahlstatt und der Ort, allwo das Geschäffte verrichtet. Der Inhalt der geschehenen Handlung. Die Gezeugen, und derer aller Nahmen und Zunahmen. Das Signet oder Zeichen, und Unterschrifft des Notarii, so hierzu erbeten worden, und sich unterschrieben, welcher auch von derselben Bittung, oder Erforderung Anzeig thun soll.“ 418

Da sich in Hamburg kein eigenes Notariatsrecht entwickelt hatte, stand das Hamburger Notariatswesen bis zum Ende des Alten Reichs auf der Grundlage des Reichsrechts. Und dieses billigte Urkunden, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen umgesetzt waren, Glaubwürdigkeit zu. Im Umkehrschluss hatte das Fehlen einer der vorgeschriebenen Voraussetzungen die Unglaubwürdigkeit des Schriftstücks zur Folge. 419 Wir werden noch sehen, dass von den gesetzlichen Vorgaben in der Praxis 417 Hier und im Folgenden: N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747) (Kommentar zu Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum [1719]). Die RNO enthält in ihrem allgemeinen Teil Vorgaben zum Urkundenaufbau (§§ 3; 4), zur Erstellungsprozedur (§§ 5–15) sowie im weitesten Sinne zu persönlichen Voraussetzungen des Notars (§§ 2; 14f.; 21). Ergänzt wurde die RNO durch die Lehren der Notariatskunst, die Reichskammergerichtsordnungen und die kaiserlichen Konstitutionen: Edikt Kaiser Karls V. vom 3.8.1548 (insbesondere die Examinierung der Notare am Reichskammergericht betreffend), Visitationsabschied von 1556 (insbesondere Rekognition der notariellen Schriftstücke am RKG), 1560 (insbesondere Approbation und Examinierung der Notare am RKG), 1561 (insbesondere Immatrikulationsp icht der Notare am RKG, Approbation und Examinierung, aber Ersetzungsmöglichkeit der reichskammergerichtlichen Prüfung durch die einer partikularen Autorität), Deputationsabschied von 1557 (insbesondere Rekognition notarieller Schriftstücke am RKG). Sämtlich überliefert in Nehring, Manuale Notariorum LatinoGermanicum (1700), Lib. I, S. 159 ff. 418 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 34ff. Kommentar zu den einzelnen Punkten ab S. 36. 419 Jedoch sollte eine Korrektur der Fehler solange möglich bleiben, wie das Schriftstück noch nicht zu Beweiszwecken vorgelegt worden war. Zum Teil wurde auch eine darüber hinausgehende Heilungsmöglichkeit anerkannt, wenn „die Authoritas Judicis alle defectus suppliret[e]“ oder wenn das Schriftstück in ein „Archivo publico“ eingelagert

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häu g abgewichen wurde, ohne dass sich das negativ auf die Beweiskraft der Instrumente auswirkte. Nicht jeder Verstoß war also ein wesentlicher Fehler, bei dem die Urkunde jeder „beweisung genzlich entblössett“ 420 war. Dennoch blieb die Gestalt des Instruments der Gradmesser für die urkundliche des. Denn man vertraute dem Schriftstück nicht bedingungslos, sondern band den Glauben ganz im Sinne der Legaltheorie 421 an die äußere Form der Urkunde sowie die Erstellung durch einen Notar und damit an ein „Gerüst“, das anhand verschiedener Indizien eine Kontrolle ermöglichte, ob die des zugestanden werden konnte. 422

a. Diplomatische Vorgaben Als Cornelius Kerckhenhus 1581 sein Testament errichtete, war er sich bewusst, dass eine bestimmte Schriftform eingehalten werden musste, um dem Schriftstück Beweiskraft zu verleihen. Deutlich bringt er dies in der Vorrede seines Testamentes zum Ausdruck: „Dem nha sette, ordne und beschliethe Ich duth ein Testament Ordnung und lesten willen in der aller besten, bestendigsten wise, form und gestalt alss Ick immer kann und mak und solches in allen Rechten, Geistlich und weltlichen, und ock nha gewonheit allerbest krafft, macht und bestandt hefft, hebben kann und gesettet werden magh. In krafft und orkund duser Schrifft, up Form. Macht und Wose. who folgett.“ 423

420 421

422 423

wurde. Dazu: N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders NotariatKunst (1747), S. 39; Henrici Hahnii, Observata Theoretico Practica, ad Matthaei Wesenbecii In L. libros Digestorum Commentarios (. . . ), Helmstedt 1668, Tit. IV Obs. N. IV (S. 62). Für die Anerkennung von Transsumpta und Vidimus durch den Richter, Bolz, In foro (1732), S. 14. Anders anscheinend Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. CXXV (S. 184), der eine Heilungsmöglichkeit nicht anspricht und bei Formfehlern grundsätzlich von einer fehlenden Glaubwürdigkeit ausgeht. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 43 Exceptiones und vernichtung des zum 28ten Februarij Anno 1605 furgebrachten Vermeindten Instruments, fol. 8 r. Nach dieser zunächst in der kanonischen Rechtslehre entwickelten und später in die weltliche übernommenen Theorie waren die Richter im Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein daran gehalten, die Echtheit und Wahrheit einer Urkunde anhand formaler Kriterien festzustellen. S. dazu Endemann, Beweislehre des Civilprocesses, S. 23ff.; Briegleb, Summarischer Process, S. 15 ff. Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 6. S. auch schon Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677), S. 1; Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. CXXV (S. 184): „Vbi defectus est in forma, (. . . ) actus non valet“. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23. 6. 1581 [MF: S 9263 D, 181]).

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Und tatsächlich folgt ein mustergültiges notarielles Testament, gegen das selbst die ansonsten sehr kritische Ratsschreiberei offenbar keine Einwände vorzubringen vermochte. Denn sie kon rmierte das Schriftstück anschließend anstandslos, womit dem Schriftstück auch aus stadtrechtlicher Sicht volle Rechtsgültigkeit zugesprochen wurde. Im Folgenden werden die formellen Vorgaben notarieller Urkunden näher in den Blick genommen. Die Grundlage hierfür bildet das für den Hamburger Bereich maßgebliche Reichsrecht. Bei notariellen Instrumenten ist zwischen äußeren und inneren Merkmalen zu unterscheiden. Unter äußeren Merkmalen werden paläographische (Beschreibstoff und Schrift) und sphragistische Merkmale (Besiegelung) sowie die Unterschriften und Vermerke gefasst. 424 Innere Merkmale umfassen den Stil und die Sprache der Urkunde sowie die dreiteilige Gliederung in Protokoll (Einleitung), Kontext (eigentlicher Urkundeninhalt) und Eschatokoll (Abschluss). 425 aa. Urkundensprache Gemäß § 19 Einl. RNO konnten notarielle Instrumente in deutscher und lateinischer Sprache abgefasst werden. Eine deutsche Abfassung kam jedoch dem Sicherheitsbedürfnis der Notare entgegen, denn sie konnten sich schadensersatzp ichtig machen, wenn eine von ihnen errichtete Urkunde unverständliche oder fehlerhafte Formulierungen enthielt und dadurch ein Schaden entstand. 426 Diese Gefahr drohte einerseits in den Fällen, in denen der Notar selbst des Lateinischen nicht ausreichend mächtig war, und andererseits bei Kommunikationsproblemen zwischen dem Notar und seinen Auftraggebern. Die deutsche Sprache gewährleistete Sicherheit und Verständlichkeit. Deshalb wurde Notaren in Handbüchern geraten, sich nach Möglichkeit „lateinischer Ausdrücke (. . . ) [im] Instrument [zu] enthalten“. 427 Auch riet man zum Deutschen während der Urkundserstellung. Denn solange nicht gesichert war, dass alle Anwesenden Latein verstanden, konnte sich der Notar „suspect“ machen, d. h., dass er durch nicht nachvollziehbare Handlungen, Aussagen oder Niederschriften den Anschein betrügerischen Verhaltens auf sich ziehen konnte, was sich negativ auf die Glaubwürdigkeit der Urkunde auswirken konnte. 428

424 425 426 427 428

Bresslau, Urkundenlehre I, S. 5 ff. Ebda., S. 45ff. Bolz, In foro (1732), S. 72 f. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 25. Bolz, In foro (1732), S. 72. Zur Bedeutung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Notars für die Beweiskraft der Instrumente s. S. 185 ff.

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Soweit ersichtlich, hatte sich in Hamburg schon seit etwa Mitte des 16. Jahrhunderts eine Urkundenabfassung in deutscher Sprache durchgesetzt. 429 Davon ausgenommen blieben häu g die Korroborationsformeln im Eschatokoll. 430 Diese Formel wurde bis zum Ende des Alten Reichs überwiegend in lateinischer Sprache oder einer deutsch-lateinischen Mischform 431 verfasst. bb. Beschreibstoff Trotz der eindeutigen reichsrechtlichen Regelung, notarielle Urkunden auf Pergament abzufassen (§ 19 Einl. RNO: „in Pergament, und nicht Pappier“) widersprach die Praxis sehr häu g dem Wortlaut der Vorschrift. 432 Zwar sind notarielle Urkunden in den Reichskammergerichtsakten oft nur als Abschriften erhalten, die Urkundenersteller erwähnen aber häu g, dass sie Papier bei der Beurkundung verwendeten. 433 Dass sie die Worte Papier und Pergament synonym verwendeten, ist unwahrscheinlich. Denn zum einen liefern die Urkundenersteller zum Teil Begründungen für die dem Reichsrecht zuwiderlaufende Verwendung von Papier (z. B. Kostengründe 434), zum anderen zeigt die Untersuchung der im Original erhaltenen Urkunden aus den Hamburger Senatsbeständen, dass die in den Urkunden enthalte-

429 Die letzte untersuchte notarielle Urkunde in lateinischer Sprache datiert auf das Jahr 1552, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 (Testament des Domvicars Steffens, Hinrich von 1552 (o. D.) [MF: S 9262 D, 630]). Zu der sich anbahnenden Abkehr von der lateinischen Sprache hin zu den Nationalsprachen s. Jan-Dirk Müller, Latein als lingua franca in Mittelalter und Früher Neuzeit?, in: Konrad Ehrlich (Hrsg.), Mehrsprachige Wissenschaft – europäische Perspektiven, Eine Konferenz zum Europäischen Jahr der Sprachen 2001. München, Institut für Deutsch als Fremdsprache/ Transnationale Germanistik, online: https://www.yumpu.com/de/document/view/ 2592336/latein-als-lingua-franca-in-mittelalter-und-fruhen-neuzeit (abgerufen am 15.1.2017), S. 3, S. 12. 430 Z. B. „In praemissorum dem ac testimonium, subscripsi et sigillo tàm publico quàm privato subsignavi, rogatus et requisites“, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 4, Beilagen Nr. 9–12. 431 Dazu Kent Lerch, Art. Gelehrten-Rotwelsch, in: Rechtsgeschichte – Legal History Rg 03 (2003), S. 185 ff. 432 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 1, Beilage Lit. B; StA HH, RHR 211-1, Nr. 102, Q 12; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 13 Copia Testamenti, fol. 1 r.; StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 4, Beilagen Nr. 9–12. 433 Z. B. „eines auf Pergamen undt das ander auf Papier“, StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 (Testament der Becker, Hanß Jacob und Catharina vom 27.4.1637), fol. 2 r; „Verinstrumentirten schein, welcher auff papir, weil seine principalin ex paupertate kein pergame bezahlen konnen, geschrieben“, StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 v. 434 Ebda.

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nen Beschreibungen des Beschreibstoffs jeweils mit dem tatsächlichen verwendeten Beschreibstoff übereinstimmen. Die von der RNO abweichende Beurkundung auf Papier war wohl keine Hamburger Besonderheit. 435 Beim Notareid beschworen die Notaranwärter Beurkundungen „auf rein Pergament oder Papier“. 436 Auch die frühneuzeitliche Literatur 437 und die Rechtsprechung 438 erkannten die Wirksamkeit papierner Instrumente an. Lediglich bei Appellationspapieren benutzte man regelmäßig Pergament. 439 Die Verwendung von Papier hatte sich wohl aus praktischen Gründen durchgesetzt. Papier war zum einen aus Kostengründen attraktiv, wenn die Urkundspartei „ex paupertate kein pergame bezahlen“ konnte. 440 Für seine Verwendung sprachen vor allem aber auch Sicherheitsaspekte. So argumentierte zum Beispiel Carl Fried-

435 In der Literatur wird fast durchgängig vom Pergamenterfordernis abgewichen, z. B. Hahnii, Observata Theoretico Practica, ad Matthaei Wesenbecii (1668), Tit IV Obs. N. IV (S. 62) nennt drei Ausnahmen vom Pergamenterfordernis: 1. Wenn das Papier nicht gerügt werde 2. Armut 3. Gewohnheit. Anders sieht dies – soweit ersichtlich – einzig Lauterbach, der von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit ausgeht, die jedoch durch partikulares Recht ausgehebelt werden könne, s. Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (1706), Vol. II–L. XXII Tit. IV n. V (S. 272). 436 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 161. 437 Johann Gottlieb Bolz, Der wohl unterrichtete und allzeit fertige Notarius (. . . ), Frankfurt/Leipzig 1757, S. 6; auch Adam Volckmann spricht in der Vorrede seiner Notariatskunst (Leipzig 1621) ausschließlich von „Papier / wie man es heut zu tage brauchet / und von Lumpen in Wasser klein gestossen / und mit Leim zugerichtet“, auf dem die Urkunden zu verfertigen seien. S. auch Bolz, In foro (1732), S. 6; Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 19, schreibt, dass die Wahl zwischen Papier und Pergament allein „von der Parten Willkühr abhäng[e].“ N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 33 (m. w. N. auch zu abweichenden Literaturmeinungen) geht von einer Heilungsmöglichkeit aus, sofern das Schriftstück auf Pergament geschrieben und nachgereicht wird. 438 Mit Ausnahme der Insinuationspapiere, für die man (ohne weitere Begründung) papierne Abfassungen nicht zuließ, wurden papierne Instrumente allgemein anerkannt. So berichtet Mynsinger von Frundeck, dass „in der Cammer [gemeint ist das Reichskammergericht] papierne Instrumenta angenomen“ wurden. Für den Hamburger Bereich lässt sich nicht nachweisen, dass Urkunden, um den „Effectum eines Beweises“ zu haben, auf Pergament oder „gestämpfft[em] Papier“, also geprägtem oder mit Wasserzeichen versehenem Papier abgefasst werden müssten. Es war vielmehr allgemein anerkannt, dass die Errichtung auf Papier der allgemeinen Übung („consueta“) in Hamburg entspreche, z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 v; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 13 Copia Testamenti, fol. 1 r.; StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 1, Beilage Lit. B. 439 Damit sollten vermutlich die Würde der Reichsgerichte und die Wichtigkeit des Verfahrens hervorgehoben werden. 440 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 v.

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rich Gerstlacher für Papier, weil er Abschabungen auf Pergament für verhältnismäßig einfach und weit schwieriger nachweisbar als Radierungen auf Papier hielt. 441 Der Schwierigkeit der Feststellung, ob es sich um eine im Rahmen der Urkundserstellung rechtmäßige Korrektur oder eine nachträgliche Manipulation handelte, begegnete das Reichsrecht mit der Verp ichtung, solche Veränderungen kenntlich zu machen. Die Änderungen sollten, sofern sie sich nicht vermeiden ließen, auf dem Instrument „in den wesentlichen Haupttheilen (. . . ), auf dem Rande, oder beij der Unterschrift an[gemerkt]“ 442 werden, um dem Anschein betrügerischen Verhaltens vorzubeugen (§ 18 Einl. RNO). Der Begriff der Änderung umfasste nicht nur Korrekturen „menschengemachter Fehler“, sondern auch natürliche Veränderungen, also wenn nach einiger Zeit das „Papier, Schrift oder Siegel naß, feucht, löchericht oder sonst schadhafft und wandelbar“ wurden. 443 Die Urkundsparteien konnten einem solchen Mangel entgegentreten, wenn sie die Unbeachtlichkeit dieser Veränderungen auf dem Instrument vermerkten. 444 Bei menschengemachten Fehlern hielt man die Anfertigung eines neuen Instruments für vorzugswürdig (§ 12 Einl. RNO). Fehler in einer bereits im Verkehr be ndlichen Urkunde durften nicht durch den ausfertigenden Notar, „sondern [nur durch] des Richters Gewalt (. . . ) geändert werde[n]“ (§ 22 Einl. RNO). cc. Innere Merkmale § 3 Einl. RNO regelt den inneren Aufbau notarieller Urkunden: Danach folgte der Anrufung Gottes und der Jahresangabe die Namensnennung des regierenden Kaisers nebst seiner sämtlichen Titel und der Regierungsjahre in den verschiedenen Ländereien sowie die Indiktion – die römische Zinszahl 445. Es folgen Ort und Zeit der Urkundserstellung sowie der Verweis auf die anwesenden Zeugen und die Requisition des Notars. Der eigentliche Urkundeninhalt schloss sich an. Die Urkunde endete mit der Abschlussformel und der Unterschrift sowie dem Signet des ausfertigenden Notars.

441 Gerstlacher, Corpus Iuris germanici publici et privati I (1786), S. 315. Auch im Eid der kaiserlichen Notare wurde explizit Papier als Beschreibstoff zugelassen, wohingegen „abgeschabte Karten“ ausgenommen waren, s. Eid eines kaiserlichen Notars, abgedruckt in: Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 161. 442 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 20. 443 Bolz, In foro (1732), S. 191. 444 Ebda. 445 Die Indiktion ist eine Methode der Jahreszählung. Es handelt es sich um einen 15-jährigen Zyklus, der sich aus der spätrömischen Steuerverwaltung herausgebildet hat. Angegeben werden nicht die abgelaufenen Zyklen, sondern nur die Stellung des Jahres im jeweiligen Indiktionszyklus (z. B. 3. Indiktion, d. h. das dritte Jahr des laufenden Zyklus).

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Von diesen in der Reichsnotariatsordnung festgelegten Regeln konnte zu Gunsten partikularrechtlicher Besonderheiten abgewichen werden (§ 4 Einl. RNO). Einige Formvorgaben scheinen jedoch indisponibel gewesen zu sein. In den Gerichtsakten nden sich Ausführungen zur Einteilung in verzichtbare und unverzichtbare Urkundenbestandteile. Besonders aussagekräftig ist das Reichskammergerichtsverfahren des Notars Kochen gegen Rassow aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. 446 Darin begehrte der Notar Schadensersatz wegen übler Nachrede. Rassow hatte behauptet, der Notar Kochen habe fehlerhafte notarielle Schriftstücke erstellt und sich dadurch einer Fälschung 447 schuldig gemacht. Diese Behauptung habe dem Ruf des Notars stark geschadet. Und weil die Glaubwürdigkeit notarieller Urkunden eben auch vom guten Leumund des Notars abhinge, nde sich nun niemand mehr, der das Risiko unglaubwürdiger Instrumente auf sich nehme und den Notar zur Beurkundung heranziehe. Die Strategie von Kochens Prozessvertretern lag darin, die Echtheit der Schriftstücke zu belegen und darüber den Fälschungsvorwurf als Beleidigung zu entlarven. Die Prozessparteien stritten daher maßgeblich über die notwendigen Voraussetzungen notarieller Schriftstücke auf der Grundlage des Reichsrechts. Einig waren sie sich über die unbedingte Notwendigkeit der namentlichen Nennung des regierenden Kaisers, der Nennung des Beurkundungsorts, des Datums der Beurkundung sowie der eigenhändigen Unterschrift des Notars und seines Signets. 448 Eine eigenhändige Protokollierung der persönlich wahrgenommenen Handlung, die unstreitig auch dem Katalog der zwingenden Beurkundungsvoraussetzungen zugeordnet wurde, thematisierte man im Kochen'schen Verfahren nicht, denn er hatte die Protokollierung unstreitig selbst vorgenommen. Die zwingenden Urkundsbestandteile wurden im Reichsrecht nicht ausdrücklich als solche kategorisiert, sondern waren in der Lehre zur Notariatskunst entwickelt und in der Praxis verfestigt worden. In den Schriftsätzen werden sie als zwingende Bestandteile beschrieben. 449 Neben dem sich immer wiederholenden Katalog der unverzichtbaren Urkundsbestandteile nden sich in den Schriftsätzen häu g einzelne Urkundsbestandteile,

446 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49. 447 Unter den frühneuzeitlichen Begriff falsum konnten alle Fälle einer fehlerhaften notariellen Beurkundung subsumiert werden. Dazu ausführlich unter S. 220 ff. 448 Um die jeweilige Auffassung zu untermauern, verwies man auf ähnlich gelagerte Verfahren, in denen ebenfalls Formvorschriften diskutiert wurden. Das sind die nicht erhaltenen Verfahren: Marie Elisabeth Timmen gegen ihren Ehemann Claus Timmen sowie Samuel Isaac Gendin gegen Otto Melchios Grabe. Da dem behaupteten Inhalt nicht widersprochen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sie der Wahrheit entsprachen. 449 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae.

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die nach Ausführungen der Prozessparteien ebenfalls zu den zwingenden Bestandteilen gehören sollten. Die Erweiterung des Katalogs der zwingenden Urkundsbestandteile war eine beliebte Taktik, um die urkundliche des anzugreifen. Denn sobald eine der zwingenden Vorgaben erwiesenermaßen nicht umgesetzt worden war, ging die Urkunde ihrer gesteigerten Beweiskraft verlustig, wurde als unglaubwürdig eingestuft und galt als falsum. 450 Im Verfahren Kochen gegen Rassow 451 sowie in demjenigen des Rassow gegen Maria Catharina Wilprecht 452 wurde außerdem die Auffassung vertreten, die Requisition des Notars, die Zuziehung von Zeugen und die Benennung der Regierungsjahre des Kaisers gehörten ebenfalls zu den unverzichtbaren Urkundsbestandteilen. Der Katalog der unverzichtbaren, indisponiblen Urkundsbestandteile wird auch in der Prozessakte zum Verfahren des kaiserlichen Hofdieners Thomas von Gera gegen den Rat der Stadt Hamburg bestätigt. Die vom Rat als unverzichtbar aufgelisteten Bestandteile notarieller Urkunden decken sich weitestgehend mit denen aus dem Schadensersatzprozess des Notars Koch. 453 Doch auch hier ndet sich eine Abweichung: Gefordert wurde die Nennung der Indiktion (Indictio 454). Da diese aber in keinem der untersuchten Notariatsinstrumente enthalten war 455 und man sich, bis auf diesen einen Fall, nie darüber beklagte, wird man auch hier davon ausgehen können, dass die Prozessvertreter wieder aus taktischen Gründen den zwingenden Bestandteilekatalog zu erweitern versuchten. Neben der in allen untersuchten Schriftstücken fehlenden Indiktion lassen sich weitere Abweichungen vom Reichsrecht in Hamburg nachweisen, die jedoch erst gegen Ende des Alten Reichs vermehrt auftraten. Denn in den letzten 100 Jahren des Reichs wurden die ehemals streng befolgten Formvorschriften immer nachlässiger umgesetzt. Beispielsweise wurde die Intitulatio stark verkürzt – der Kaiser wird nur noch als Herrscher des Reichs bezeichnet, ohne seine verschiedenen Ländereien oder die jeweiligen Regierungsjahre zu nennen, oder die Einleitungsformel fehlt fast vollständig. 456 Die lockere Umsetzung der Vorgaben führte aber zum Ende des Al-

450 451 452 453 454

Zum falsum: s. S. 220 ff. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49. StA HH, RKG 211-2, Nr. R 5. Insbesondere: StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae. Indiktion meint die Jahreszählung nach einem von Kaiser Diokletian eingeführten 15-jährigen Steuerzyklus, s. Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Au . 14, Hannover 2007, S. 8f., S. 140. 455 So auch Hörnigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677), S. 302. Er beschreibt, dass fehlende Indiktionen reichsweit häu g vorgekommen seien, was aber allgemein als unschädlich erachtet worden sei. 456 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Caspar und Neijmann, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]).

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ten Reichs anscheinend nicht zwingend zu einer Verminderung der urkundlichen des, obwohl die formelle Gestalt der Urkunde in der Theorie weiterhin eine starke Indizwirkung für die Echtheit der Urkunde und Wahrheit des niedergelegten Inhalts behielt. Eine mögliche Erklärung ist eine gewandelte Anbindung der urkundlichen Beweiskraft. Wo die des im Mittelalter und der Frühen Neuzeit aus der formgerechten Erstellung des Schriftstücks durch einen glaubwürdigen Notar hergeleitet wurde, wurde sie ab dem 18. Jahrhundert zunehmend auch auf die Autorität der den Notar ernennenden Macht zurückgeführt. 457 Diese neue Rückkoppelung erlaubte es, die strikte Umsetzung der Formvorgaben immer weiter aufzuweichen, denn sie war zur Herleitung der des nicht mehr zwingend notwendig. Im größten Teil der untersuchten Akten aus der Spätzeit des Alten Reichs wurden die meisten Formvorgaben dennoch umgesetzt. Kommen wir zurück zu den in der RNO geregelten inneren Merkmalen der Instrumente. Neben dem Protokoll regelt § 3 Einl. RNO auch den Kontext, der den „Innhalt der geschehenen Handlung“ sowie die Nennung der Urkundszeugen umfasst. Das Reichsrecht enthielt keine Einschränkungen in Bezug auf den notariell zu beurkundenden Lebenssachverhalt. Gegenstand der Urkunde konnte praktisch jede beliebige Handlung sein. 458

457 Dazu insbesondere Schulte, Fides publica, S. 15 ff. 458 Zwar deckt die RNO ein nur scheinbar sehr begrenztes Spektrum notariellen Handelns ab. Das durch die frühneuzeitliche Notariatsliteratur vermittelte Bild (z. B. Volckmann, Notariatskunst (1621), Vorrede (Nr. I); Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 26ff.) deckt sich hingegen mit den untersuchten Archivalien, in denen sich die Urkunden in nahezu allen Bereichen nachweisen lassen. Z. B. Kindschaft (StA HH, RKG 211-2, Nr. S 82 Teil 1, Q 8; Rechtsauskünfte (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Exceptiones non devolutae Appellationis, cum annexa petitione remissionis, Beilage Litt: C; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 22 Gutachten zu den Hamburger Rechtsgewohnheiten bei der Aufstellung eines Testamentis reciprocis); politische Verträge (Beitritt zum Schmalkaldischen Bund: StA HH, Senat 111-1, Nr. 25); Hauskauf (StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 11 [vom 29.4.1552]). Ausgenommen waren nach Hornigk lediglich Instrumente über 1. dem Fiskus gehörige Dinge, 2. unveräußerliche Dinge, 3. Veräußerungen eines Beschnittenen, gemeint sind hier Juden, 4. Veräußerungen von Kirchensachen, 5. Geschäfte derjenigen, die geschäftsunfähig sind, 6. Reden und Handeln von Ketzern, 7. Verträge, mit welchen Juden an Christen veräußern, 8. ein Monopolium, 9. wucherische, simonische, Schein- oder sonst nicht zulässige Geschäfte, s. Hornigk, Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677), S. 309. In Hamburg wurde aber sowohl das Verbot der Instrumentierung für Juden als auch für Geschäftsunfähige – hier lassen sich insbesondere von Frauen in Auftrag gegebene Instrumente nachweisen – nicht durchgehalten.

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Anders war das im Hamburger Recht, das beispielsweise die angesprochenen Zeugenverhöre für unwirksam und unglaubwürdig erklärte. 459 Auf diese Einschränkungen werde ich später zurückkommen. 460 Den Abschuss des Instruments bildet das Eschatokoll mit Signet, Unterschrift, Requisitionsvermerk und Abschlussformel (§ 3 Einl. RNO) sowie in Hamburg häug der Besiegelung mit dem Privatsiegel des Notars. Entgegen den in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts vertretenen Auffassungen, Besiegelungen mit Privatsiegeln seien nicht bzw. nur in äußerst seltenen Ausnahmen vorgekommen, war diese in Hamburg geübte Praxis in der Frühen Neuzeit durchaus bekannt. 461 Teilweise wurde dem Privatsiegel des Notars eine erhebliche, zum Teil sogar über das Signet hinausgehende Bedeutung zugebilligt. So ist zum Beispiel vom wittembergischen Juristengremium überliefert, dass es Instrumenten auch dann noch volle Glaubwürdigkeit zuerkannte, wenn das Signet gänzlich fehlte und die Urkunde nur mit dem privaten Siegel besiegelt worden war. 462 Andere Stimmen erachteten die Privatsiegel gar als unerlässlich. Diese seien „pars substantialis“ – also ein elementarer Urkundsbestandteil – und „das gantze Instrument [sei] nicht gültig“, wo seine Beigabe unterbleibe. 463 Auch wenn die RNO das Anbringen eines Privatsiegels nicht vorsah, scheint die Beifügung jedenfalls nicht ungewöhnlich gewesen zu sein. Vermutlich wird sich bei

459 Die Verwerfung der Glaubwürdigkeit notarieller Zeugenverhöre im Hamburger Stadtrecht: StR 1603/05 I 28, 28. Verhöre, die dennoch notariell beurkundet wurden, könnten innerhalb Hamburgs bloß als „Geschichts-Erzählung“ dienen. Darüber hinaus käme ihnen keine Glaubwürdigkeit zu. Anders zu beurteilen sei dies aber – „wie ein jeder Rechts-verständiger weiß“ – „beij den(..) höchsten Reichs Gerichten“, bei welchen es lediglich darauf ankomme, in welcher Form sie abgefasst seien. S. insbesondere StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali (Zitate: fol. 23 v f.); aber auch StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 4 Replicae, fol. 6 v, fol. 10 v f. 460 S. S. 234 f. 461 Z. B. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), Lib. III (Formulare sind regelmäßig mit Signet und Privatsiegel abgebildet). Zumindest zum Teil mit Signet und Privatpetschaft: Volkmann, Notariatskunst (1621), z. B. S. 328ff.; Bolz, In foro (1732), S. 220, S. 753 f. 462 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 38. Abgelehnt wurde dies unter anderem in Leipzig: „[d]ie Wittenbergischen JCti [hätten] (. . . ) ein solches[Instrument] für gültig erkennet, die Leipziger (. . . ) – nicht“. JCti = Collegium Jurisconsultus. Dazu s. Stephan Hocks, Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang: Zur Publizität der Entscheidungsgründe im Ancien Régime und im frühen 19. Jahrhundert [Rechtsprechung: Materialien und Studien, Bd. 17], Frankfurt 2002, S. 36f. 463 Z. B. N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 38. Diese Ansichten wurden zum Beispiel in Wittenberg in das städtische Recht übertragen.

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Der notarielle Urkundenbeweis

genauerer Untersuchung der Quellen in anderen Gebieten des Reichs ein ähnliches Bild ergeben. Eine Überprüfung der überkommenen Literaturmeinung scheint angebracht. Vor dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Literatur verwundert es jedenfalls nicht, dass in Hamburg große Mengen besiegelter Instrumente überliefert sind. Es spricht jedoch einiges dafür, dass das Hamburger Recht das Aufbringen der Privatsiegel nicht zwingend vorsah, denn es lassen sich notarielle Instrumente ohne Privatsiegel nachweisen, deren Fehlen im Prozess nicht gerügt wurde. Aber weshalb brachten Hamburger Notare dennoch ihr Privatsiegel auf den Urkunden auf ? Die Besiegelung einer Urkunde mit einem Privatsiegel erfolgte für gewöhnlich, um das Schriftstück einer Person zuweisen zu können. Bei der Besiegelung fremder Urkunden hatte das Siegel zusätzlich die Funktion, die urkundliche Glaubwürdigkeit zu steigern. Der Siegelträger verbürgte sich für den in der Urkunde niedergelegten Inhalt. 464 Je höher der Siegelträger angesehen war, je mehr für ihn die „praesumptio(..) Viri boni“ 465 stritt, desto höher wurde die urkundliche Beweiskraft eingeschätzt, denn es galt, dass das Zeugnis „ehrwürdiger, redlicher und gewissenhafter und in publiquen Of ciis stehender Männer, geist- und weltlichen Standes, (. . . ) [einen] sehr merkwürdige[n] Unterscheid [in] der Beweisungs-Art von der Wichtigkeit und Glaubwürdigkeit des Beweises“ machte. 466 Auf Grund der ihnen verliehenen Notarwürde wurden auch Notare als besonders glaubwürdig eingeschätzt. Sichtbar wird dies zum Beispiel beim Zeugenbeweis eines Notars. Seiner Stimme wurde gegenüber der Stimme eines Nichtnotars doppeltes Gewicht beigemessen. 467 Waren im Prozess der Inhalt einer notariellen Urkunde oder die Erstellungsprozedur Streitgegenstand, ließ man jedoch regelmäßig nur das Protokoll des Notars vorlegen oder befragte die bei der Erstellung anwesenden Zeugen. Die Stimme des

464 Friedrich Georg Lebrecht Strippelmann, Der Beweis durch Schrift-Urkunden, Bd. 1: Die Urkunden, Kassel 1860, S. 59. 465 StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 6, Beilage: Demütiges Gesuch der Margaretha du Pré, fol. 1 v. 466 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 29. S. auch Alexander Ignor, Art. Urkundenbeweis, in: HRG V (1998), S. 577ff., S. 579f. Zum Teil wurden auch Städte zur Besiegelung gebeten. 467 So kann ein zur Urkundserstellung beigeordneter Notar die zwei Urkundszeugen ersetzen. Auch im Prozess gilt seine Stimme doppelt. S. dazu auch Richteri, Decisiones Juris Variae (1698), Lib. III Dec. CXIII No. 24 (S. 43); Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), S. 84; Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 333m. w. N.; Stephani, Tractatvs de Ivrisdictione (1611), Lib. II P. II Cap. V No. 35 (S. 371); Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 8.

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Notars, der die Urkunde ausgefertigt hatte, zählte hingegen nicht, wie der folgende Fall illustriert 468: Thomas von Gera hatte Caspar von Schönberg die stattliche Summe von 12.000 Talern auf ein Jahr geliehen. Nachdem das Jahr verstrichen war und Thomas mehrfach erfolglos sein Geld zurückgefordert hatte, verschaffte er sich einen Markebrief 469 gegen Caspar und ließ ihn auf dessen Schloss in Böhmen zustellen. Caspar, offensichtlich zahlungsunfähig, ergriff daraufhin die Flucht. Er wurde jedoch in Regensburg gestellt und arrestiert. Um eine Festsetzung seiner Güter und seine dauerhafte Inhaftierung abzuwenden, handelte Caspar mit Thomas eine neue Frist aus, innerhalb derer er den Betrag bezahlen wollte. Sollte es ihm nicht gelingen, die Abrede einzuhalten, so wollte er sich freiwillig erneut in Haft begeben. Obwohl Caspar diese Abrede sogar beeidete, üchtete er nach Ablauf der Frist ein weiteres Mal. Thomas wandte sich daraufhin an den Kaiser und erlangte von diesem ein Patent, nach dem Caspar, wo immer er aufgegriffen werden würde, festzuhalten war. Als Thomas davon Kenntnis erlangte, dass Caspar sich in Hamburg aufhielt, begehrte Thomas vom Hamburger Rat die Festsetzung Caspars. Der Rat reagierte nicht und verschaffte – ob absichtlich oder unabsichtlich – Caspar ausreichend Zeit, sich ins Ausland abzusetzen und über Frankreich nach England zu iehen. Dort war er vor Thomas' Zugriff in Sicherheit. Erbost über das Verhalten des Rates, der Thomas' letzte Chance, sein Geld wiederzuerlangen, verstreichen lassen hatte, reichte er Klage beim Reichskammergericht ein. Während des langwierigen Verfahrens (1584–1617) verstarb Thomas. Seine Frau Burtgen Gera führte den Prozess weiter. Der Rat versuchte dies aber zu verhindern, indem er das notarielle Testament wegen angeblicher Formfehler angriff und damit ihre Erbenstellung bestritt. Er vertrat ferner die Auffassung, die Rückzahlungsforderung stehe ihr nicht zu, weshalb sie nicht klageberechtigt sei. Als der Notar, der das Testament gefertigte hatte, daraufhin das Testament bekräftigen wollte, widersprach der Hamburger Rat heftig. Der Prozessvertreter des Rates verwies auf das Hamburger Recht, nach dem einem Notar außerhalb von Schrift und Urkundszeugen niemals Glauben geschenkt werde – „Nunquam autem Notario creditur extra scripturam et testes“ 470. Nach diesem Vortrag des Rates wurde der Notar nicht mehr zum Sachverhalt befragt und Klägerin sowie Beklagter verlegten ihre Argumentation allein auf die formellen Vorgaben zur Erstellung notarieller Testamente. 468 Hier und im Folgenden: StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20. 469 Arrestermächtigung, die die eigene Obrigkeit einem Bürger erteilt, der von Angehörigen einer fremden Rechtsgemeinschaft geschädigt wurde und dem vor deren Gericht sein Recht verweigert worden war; im Gegensatz zum Kaperbrief erlaubt der Markebrief eine Beschlagnahme von Schiffen und Gütern nur in der Höhe der Schädigung, s. Karl Heinz Böhringer, Art. Markebrief, in: HRG III (1984), Sp. 298f. 470 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae, fol. 4 v.

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Wenn der Notar aber zu Gunsten von Urkunden, die er selbst errichtet hatte, nicht aussagen durfte, dann wäre es widersprüchlich, wenn er die Urkunde durch Anhängen seines Privatsiegels bekräftigen könnte. Dass die Siegel dennoch angehängt wurden, liegt vermutlich daran, dass die Urkundenersteller durch die Erfüllung aller in Betracht kommenden, glaubwürdigkeitsverstärkenden Formvorgaben die Beweiskraft der Urkunde steigern oder jedenfalls weniger angreifbar machen wollten. Damit stünden die Privatbesiegelungen in einer Reihe mit anderen Sicherungsmechanismen (wie zusätzlichen Zeugen; Chirographierungen; behördlichen Beglaubigungen) 471, derer sich die Hamburger Notare bei der Beurkundung bedienten.

b. Beurkundungsverfahren Der außerordentlich vermögende Hamburger Bürger Philipp Schreiber ließ im Jahr 1746 sein Testament niederschreiben. 472 Zu diesem Zeitpunkt war Philipp bereits sehr krank, weshalb er das Testament nicht im Rathaus, wie es der damals gängigen Praxis entsprochen hätte, aufsetzen ließ, sondern einen Notar und einen zweiten Notar, den sogenannten Adjunctus, sowie sieben Testamentszeugen in seine Behausung bestellte, um dort seinen letzten Willen verzeichnen zu lassen. Wie erwartet, kamen die Bestellten alle. Es war ungefähr zur Mittagszeit. Zunächst überprüfte der Notar die Eignung der Zeugen und belehrte sie anschließend. Als Zeugen el ihnen nämlich nicht nur die Aufgabe zu, der Erstellung beizuwohnen. Vielmehr sollten sie in der Lage sein, den Inhalt der Urkunde zu überprüfen. Die Zeugen sollten der Sprache, in der die Urkunde abgefasst wurde, mächtig sein und ferner auch lesen können. Vor der Testierung öffnete der Notar die Fenster und Türe der Stube und entzündete der besseren Sicht wegen zwei Kerzen. Wenn die Erstellung schon nicht an einem allseits zugänglichen Ort statt nden konnte, so wollte man keinesfalls den Eindruck der Heimlichkeit erzeugen und tat daher alles, um der Idee einer öffentlichen, nach außen sichtbaren Urkundserstellung Genüge zu tun. Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, sollte Philipps letzter Wille schriftlich xiert werden. Weil der Alte aber so schwächlich und daher nicht sicher war, wie lange er noch zu leben hatte, war sein Wille bereits im Vorfeld schriftlich festgehalten worden. Dieses Schriftstück überreichte Philipp dem Notar nun. Dieser musste das Papier nur noch verlesen und in sein Protokoll eintragen. Anschließend schrieb er Philipps letzten Willen erneut auf Papier, verlas das Niedergeschriebene und ließ sich von Philipp sowie den anwesenden Zeugen den Inhalt bestätigen.

471 Zu den Zusatzsicherungen s. S. 266 ff. 472 Der Sachverhalt ist einer Reichskammergerichtsakte entnommen: StA HH, RKG 211-2, Nr. S 49 Teil 1–5.

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Die notarielle Niederschrift stimmte mit dem geäußerten bzw. privatschriftlich niedergelegten Willen Philipps überein, Verbesserungen mussten nicht vorgenommen werden. Daher unterschrieben Philipp und der Adjunctus das Schriftstück. Zu guter Letzt fertigte der Notar das Testament mit Unterschrift und Signet aus und reichte es an Philipp zurück. Wie der Fall verdeutlicht, war die Beweiskraft notarieller Urkunden an eine öffentliche Erstellung, die Beurkundung durch einen Notar, eine ordentliche Protokollierung und die Zuziehung von Urkundszeugen gebunden. Im Folgenden werden diese Voraussetzungen näher beleuchtet. aa. Offenkundige Erstellung Bei der Errichtung der Schriftstücke sollte ein Mindestmaß an Publizität die lauteren Absichten der Urkundsparteien und des Notars zum Ausdruck bringen. So durften die Instrumente nur aus „ehehafftigen Nothsachen“, also in Notfällen, bei Nacht aufgestellt werden (§ 24 Einl. RNO). Ein Beispiel für einen solchen Notfall ist in einem aus dem Jahr 1424 erhaltenen Testament überliefert. 473 Der Testator lag im Sterben, weshalb noch kurz vor Mitternacht – „ante media noctis immediate“ – nach einem Notar geschickt und das Testament aufgezeichnet wurde. Nach Möglichkeit sollten Dunkelheit und heimliche, d. h. nicht öffentliche Urkundenerrichtung, aber auch Flüstern oder „heimlich[es] ins Ohr reden“ 474 vermieden werden, denn sie ließen Zweifel und Argwohn gegen die Absichten der Urkundenersteller und damit gegen die Wahrheit des niedergelegten Urkundeninhalts aufkommen, die die urkundliche des beschädigen oder sogar gänzlich vernichten konnten. Um dem Verdacht heimlicher Niederschriften entgegenzuwirken, entwickelten sich mancherlei Bräuche. Man vermied die „Abschliessung der Stubenthür“, öffnete Türen und Fenster, behalf sich mit der „Anbrennung zweier Lichter“ oder ließ die Urkunden „uff dem [Kirchen-]Chore“ erstellen. 475 Ob dieses Prozedere regelmäßig eingehalten wurde, lässt sich mit den untersuchten Akten nicht endgültig beantworten. Nur in vereinzelten Fällen wurde das Beurkundungsverfahren im Detail beschrieben. Sicher ist aber, dass durch die Öffnung des Beurkundungsverfahrens 473 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1424 IV 7 (Testament des Mund, Johannes vom 7.4.1424 [MF: S 9262 D, 88]). 474 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), Lib. II, S. 341. 475 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 31; StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, darin: Replicae contra praetensas Exceptiones (zum Prozess Claweßen Stein contra Annam Cleitzen), fol. 6 v; StA HH, Senat 111-1, Nr. 1379 Teil 1, Libellus Gravaminum et Nullitatum Summarius 1765, S. 34; Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 134 zur Urkundserstellung im Zuge eines Vergleichsversuchs. In der Literatur werden zum Teil sogar drei und mehr entzündete Kerzen gefordert, s. Bolz, In foro (1732), S. 71 m. w. N.; Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 24.

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für Außenstehende, durch ihre Sichtbarmachung für die Allgemeinheit verdächtige Umstände vermieden werden sollten, die sich negativ auf die des der Urkunde auswirken konnten. bb. Die Urkundszeugen Die Urkundszeugen sollten Publizität gewährleisten. Ihre Zuziehung gehörte zu den indisponiblen Voraussetzungen für die Urkundserstellung durch kaiserliche Notare. Wurden die Zeugen in der Urkunde nicht erwähnt, führte dies zwingend zur Zerstörung der Wahrheitsvermutung des Instruments. Es wurde dann als „falsum et in forma nullum“ 476 eingestuft. Auf solche Schriften wurde „in decernendo vel judicando nicht der geringste Rechtliche bedacht (. . . ) genommen“ 477, „weil einem Notario, der ohne Zeugen über einen Actum Instrument machet, sowol nach dem Jure Civ. Rom. per Nov. 73 cap. 1. 2. & 5. ibique Gothofred. als vigore Constitutionis Imperatoris Maximiliani de Anno 1512 § 3 ibi (. . . ) einiger Fides juridica nicht tribuiret wird, (. . . ) [da] die Glaubwürdigkeit des Instruments von der Gegenwart glaubwürdiger Zeugen abhänget“. 478

In der Praxis nutzte man dieses Erfordernis, um die Erstellung von unliebsamen notariellen Urkunden zu verhindern. Man versuchte, die passenden Zeugen vom Notar fernzuhalten, wie dies beispielsweise seitens des Rates bei der Beurkundung des Notars Christianus Göbelius geschehen war. Göbelius sprach beim Rat vor, weil er die Herausgabe zweier Schriftstücke sowie die Berichtigung des ratsherrlichen Protokolls begehrte. 479 Im Vorfeld hatte Göbelius' Auftraggeber verschiedene Schriftstücke, die er für einen Prozess benötigte, vom Hamburger Rat angefordert, jedoch nicht alle erhalten. Der Auftraggeber vermutete dahinter die Absicht des Rates, den Prozess ins Leere laufen zu lassen. Als der Notar beim Rat vorsprach, um die Herausgabe der Schriftstücke zu fordern, weigerten sich die Ratsherren zunächst. Als Göbelius darüber eine Urkunde aufstellen wollte, ließen die Ratsherren Göbelius zwar gewähren, verwiesen aber die Zeugen des Raums, sodass der Notar nicht mehr in der Lage war, ein formgültiges Instrument aufzustellen, und unverrichteter Dinge gehen musste. Wie der Notar, so mussten auch alle Zeugen ausdrücklich zur Erstellung der notariellen Urkunde hinzugezogen werden. Es war allgemein „nötig, daß die Zeugen 476 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 r.; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42, Pratensae Simplicis querelae, fol. 4 v. 477 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 24 r. 478 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 13f. 479 Hier und im Folgenden: StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, dort insbesondere Q 4, Beilage Nr. 8.

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nicht allein gebeten, sondern in Sonderheit Zu aufrichtung (. . . ) [der Urkunde] beruffen und genommen, (. . . ) dazu ermahnet und besprochen w[u]rden“. 480 Das Reichsrecht verlangte grundsätzlich die Beiziehung zweier Urkundszeugen, möglich war aber, „anstatt derselben einen anderen Notarium mit zuzuziehen“. 481 In den Quellen werden diese Notare als Adjuncti geführt. 482 Ohne die erforderliche Requisition waren anwesende Personen nicht als notarielle Urkundszeugen zugelassen, auch wenn diese Personen der gesamten Beurkundung beigewohnt hatten und deren Ablauf genau schildern konnten. 483 Es genügte weder, sich eines zufällig vorbeikommenden und unbekannten Zeugen zu bedienen („testes transeuntes fortuiti et ignoti“), wie dies von Rainerius Perusinus im Mittelalter vertreten worden war 484, noch einen anwesenden einfachen Zeugen (z. B. einen der sieben Testamentszeugen) in einen der zwei erforderlichen notariellen Urkundszeu480 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 10 Libellus Appellatorius, S. 8f.; Bolz, In foro (1732), S. 13. 481 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 19 r.; auch das Hamburger Stadtrecht misst der durch einen Notar getätigten Zeugenaussage ein doppeltes Gewicht im Vergleich zu dem Zeugnis eines Nicht-Notars zu, „Susz holt men sulckent ock in wonheyt, wor men nenen (. . . ) notarien an eyner handelinge vnde sake hebben mach, dar nemeth me den in syne stede twe loffwerdige tughe, szo tugen twe vor enen“ – So wird es auch in Gewohnheit (in der Praxis) gehalten: wo man keinen (. . . ) Notar zu einer Vereinbarung (ausgehandelten Angelegenheit) und Sache erreichen kann, da nimmt man an seiner Stelle zwei unbescholtene Zeugen; so zeugen (dann) zwei für einen, s. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXV, Codex B (Text und Übersetzung Eichler, S. 202f.). S. auch Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), S. 86. Grundsatz zweier Zeugen: Carpzov /Mylius, Ivrisprvdentia Forensis Romano-Saxonica (1638), P. I C. XX Def. 2 (S. 194); Bolz, In foro (1732), S. 13. 482 Ein Adjunctus sei gleich „duorum testium loco“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 13f.; StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae. Die Ersetzung zweier Zeugen durch einen Notar wird auch durch die Prozessgegner nicht in Zweifel gezogen, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali. StA HH, RHR 211-2, Nr. 26, Q 2, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 v. So auch Bolz, Notarius (1757), S. 7. Der Adjunctus war, soweit ersichtlich, ein bereits ordnungsgemäß ernannter Notar, der sich zu Ausbildungszwecken, wahrscheinlich aber auch um Kontakte zu knüpfen und die eigene Reputation zu stärken, einem etablierten Notar anschloss. Nach der Ausbildungszeit scheinen sich die Beigeordneten für gewöhnlich selbständig gemacht zu haben, s. z. B. Zeitungsanzeige, Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 7.3.1752, Nr. 38, S. 4, nach der „Christoph Heinrich Hoyer, Notarius Caesar. public.& jurat. welcher bekanntermassen dem Notario Lambrecht als Adjunctus in den principalesten Verrichtungen bisher aßistiret hat, die Ehre [hatte] zu eröfnen, daß er nunmehro selbst für sich allein arbeite[te]“. 483 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 v f. 484 Rainerius Perusinus, Ars notariae P. I, 9, ed. Wahrmund (S. 25). Auch Hostiensis hatte im 13. Jahrhundert herausgearbeitet, dass ein Instrument, selbst wenn alle Zeugen ihre

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gen „umzudeuten“. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Zeugentypen verdeutlicht der Fall von Peter Ernst Gries und Klaus Eggers gegen Anna Katherina Eggers 485: In diesem Prozess stritten sich die Parteien unter anderem um die Gültigkeit eines notariellen Testaments. Der Testamentserstellung hatten zahlreiche Menschen beigewohnt, unter anderem sieben Testamentszeugen und zwei notarielle Urkundszeugen. Als im Prozess das Testierverfahren gerügt wurde, befragte man zunächst die notariellen Urkundszeugen. Dabei stellte sich heraus, dass der Raum im Testierzeitpunkt völlig mit Menschen überfüllt gewesen war, sodass die ordentlich berufenen notariellen Urkundszeugen kaum Kenntnis von den Vorgängen erlangt hatten. Sie konnten im Nachhinein noch nicht einmal sicher sagen, ob es sich bei dem an den Testator herausgegebenen Schriftstück tatsächlich um ein Testament oder nur um irgendein Papier gehandelt hatte. Damit war die Glaubwürdigkeit des Testaments erheblich angezweifelt worden. Die Prozessvertreter, die das Testament vorgelegt hatten, bemühten sich, den Schaden einzudämmen, und beriefen sich daher auf das Zeugnis der sieben einfachen Testamentszeugen. Dagegen wandten die Prozessgegner ein, dies sei unzulässig. Während die einfachen Testamentszeugen nämlich nur dazugebeten worden seien, um den Inhalt des Geschäfts nachträglich bezeugen zu können, sollten die ausdrücklich belehrten notariellen Urkundszeugen ein Augenmerk auf den ordnungsgemäßen Ablauf der Beurkundung haben. Im vorliegenden Fall waren die Testamentszeugen aber weder zu notariellen Urkundszeugen berufen noch über die Aufgaben der notariellen Urkundszeugen belehrt worden. Es war daher nicht möglich, die notariellen Urkundszeugen durch Testamentszeugen zu ersetzen. Ohne die notariellen Urkundszeugen war das Schriftstück aber suspect, sodass ihm nicht mehr geglaubt wurde. Möglich blieb jedoch, das suspecte notarielle in ein privatschriftliches Testament umzudeuten. Dieses konnte dann anerkannt werden, wenn die formellen Voraussetzungen privatschriftlicher Testamente eingehalten worden waren. 486 Anscheinend in weiser Voraussicht hatte man auch die Formvorschriften privatschriftlicher Testa-

Anwesenheit oder den festgesetzten Inhalt bestritten, seine Beweiskraft bewahrte, sofern wenigstens irgendwelche zwei Personen den Inhalt der Urkunde bestätigen konnten. Als Grund nannte er die fehlende Konzentration der Anwesenden auf die Beurkundung. Denn, so Hostiensis, häu g seien zwar viele Zeugen bei der Beurkundung anwesend, die wenigsten verfolgten das Geschehen aber aufmerksam, s. Hostiensis, Commentaria zu X.2.22.10 v. Tabellionem, Pars III, Cap. X.7, ed. 1581, fol. 117 v, dazu auch Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 142 ff. 485 Hier und im Folgenden: StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1. Hier insbesondere: Q 10 Libellus Appellatorius, S. 8 f. 486 Zur Möglichkeit der Umdeutung notarieller in privatschriftliche Urkunden bei Formfehlern s. Bolz, In foro (1732), S. 64. Zu den Umdeutungen s. S. 266 ff.

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mente eingehalten – die sieben Zeugen hatten das Testament unterschrieben und besiegelt. Die Gegenseite wendete dagegen ein, dass der Testator ein Analphabet gewesen sei und man ihm daher einen Kurator hätte beiordnen müssen, was nicht geschehen sei. Noch bevor die Auswirkung des fehlenden Kurators auf das Testament geklärt werden konnte, ging der Beklagten das Geld aus und sie musste sich auf einen Vergleich einlassen. 487 Über die in der RNO festgeschriebene Verp ichtung zur Beiziehung zweier Urkundszeugen hinaus verlangten die frühneuzeitliche Literatur und Praxis, dass die „Qualitates (. . . ) [eines jeden Urkundszeugen] betrachtet werden“ sollte. 488 Sowohl in den Urkunden selbst als auch in den Schriftsätzen der Prozessvertreter wird daher häu g auf die Zeugenqualität eingegangen. 489 Offenbar waren dem Richter bei der Beurteilung der Zeugenqualität gewisse Spielräume vorbehalten. 490 Vorausgesetzte Mindesteigenschaften eines Zeugen waren: die freie Geburt und ein unbescholtener Leumund („liberae et de dignae“ 491, Volljährigkeit und grund-

487 Es scheint eine beliebte Taktik der frühneuzeitlichen Anwälte gewesen zu sein, insbesondere bei nanziell schwächer gestellten Klagegegnern den Prozess unter Berufung auf das geltende Prozessrecht über die Maßen zu verlängern, um den Gegner „murb, mude und arm“ zu machen (StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta in Sachen Iniuriarum, darin: Replicae contra praetensas Exceptiones [zum Prozess Claweßen Stein contra Annam Cleitzen], fol. 8 r, vgl. auch Kaiserlicher Bescheid vom 9.2.1733, nach dem sämtliche Handlungen, die zur „Verzögerung der Justiz“ geeignet sind und den „[Prozess-]Gegener in mehrer Kosten bringen“, grundsätzlich verboten werden [hier: Abschrift in StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 11 Gemeiner Bescheid, fol. 1 r f.]). Zur Zermürbungstaktik auch Knausten /Mindanum, Fewerzeugk Gerichtlicher Ordnunge (1616), Lib. II, S. 97: „Denn viel / die ich gekannt / haben sich Alt und Arm gerechtet mitt dem elenden betrübten Trost / Soll ich nichts davon haben vnnd verdorben seyn / so soll ein ander auch nichts davon haben / und mit mir verderben“. 488 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 411. 489 Zum Beispiel bediente man sich, sofern die Möglichkeit bestand, bekannter angesehener Personen: Ratsmänner, Studierter, reicher Kaufleute etc., da man diesen Personen auf Grund ihres Status eine besondere Glaubwürdigkeit zusprach und wegen ihrer nanziellen Situation davon ausging, dass sie weniger bestechlich waren. 490 So auch Sigrid Jahns (Die Personalverfassung des Reichskammergerichts unter Anpassungsdruck – Lösungen im Spannungsverhältnis zwischen Modernität und Überalterung, in: Bernhard Diestelkamp (Hrsg.), Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte: Stand der Forschung, Forschungsperspektiven [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 21], Köln [u. a.] 1987, S. 59ff., S. 91) mit Blick auf das Merkmal der „ehrlichen Geburt“, um am Reichskammergericht nicht Standesgemäße auszuschließen, z. B. juristisch quali zierte Söhne von Kutschern und Maurern. 491 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 v.

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sätzlich ein männliches Geschlecht 492, wobei in der Praxis davon auch abgewichen wurde. 493 Ausgenommen waren „Rasende/ (. . . ) Blöde / Alberne / Stumme / nicht Hörende / Kinder / auch die ungewisse Übelthaten / als Ehebruch / Pasquill [494] &c. verdammt worden / in die Acht erklärte / Verschwender u[nd] d[er] g[leichen]“. 495 492 Soweit ersichtlich, sind Ausnahmen vom Erfordernis des männlichen Geschlechts bislang wenig erforscht. Einzig der rechtlichen Bewertung von Aussagen weiblicher Zeugen im Rahmen von Inquisitionsprozessen wurde einige Beachtung geschenkt. Untersuchungen zur Beiziehung weiblicher Zeugen in Fällen, in denen Männer aus gesellschaftlich-moralischen Gründen ausgeschlossen oder zumindest unüblich waren, wie beispielsweise bei medizinischen Untersuchungen, wurden bislang nicht erforscht. Dabei müssten solche Fälle im Zusammenhang mit Injurienprozessen, die wegen des Vorwurfs der Unzucht geführt wurden, häu g aufzu nden sein. Beispielhaft hier ein von Rudolf Brinkmann überlieferter Fall aus dem beginnenden 17. Jahrhundert, s. Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 297ff.: In diesem Prozess wehrte sich die Klosterjungfer Dorothea (vermutlich Dorothea von Ahlefeld, später Äbtissin des Damenstifts Itzehoe) gegen den Vorwurf der Unzucht. Man warf ihr vor, schwanger gewesen zu sein und heimlich ein Kind geboren zu haben, das dann aber verstarb. Im Verfahren wurden zahlreiche Zeugen gehört, die alle übereinstimmend aussagten, dass sie von Dorotheas Schwangerschaft gehört hatten. Die Mehrzahl der Zeugen berichtete überdies, sie hätten Dorothea mit einem Mann im Bett liegen sehen. Dorothea, gegen deren Version alles sprach, blieb nur die Möglichkeit, die Vorwürfe zu widerlegen, indem sie sich einer körperlichen Untersuchung unterzog. Zunächst ließ sie sich von einem Arzt untersuchen, der Dorotheas Version bestätigte. Außerdem lud sie sieben Hamburger Bürgerinnen ein, um sich von ihnen unter der Aufsicht von sechs adligen Freundinnen (Verwandten?) untersuchen zu lassen. Tatsächlich fragten sie Dorothea aber nur, ob sie beschwören könne, nicht schwanger gewesen zu sein, was sie bejahte. Nur eine der Bürgerinnen untersuchte Dorothea tatsächlich. Die Feststellungen ließen die Bürgerinnen in einer förmlichen Notarurkunde festhalten. Als man das Instrument beim Reichskammergericht einreichte und es von den Gegnern in Zweifel gezogen wurde, ließ man die Bürgerinnen, von denen zu diesem Zeitpunkt nur noch fünf am Leben waren, vorladen. Dort bekräftigten sie die Urkunde. Später verschickte man die Akten an drei verschiedene Juristenfakultäten, u. a. die Fakultät von Marburg, die in ihrem Gutachten ausdrücklich auf die Relevanz der Bürgerinnen-Berichte hinwies. Der Prozess endete dann letztendlich mit einem Vergleich. 493 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 31. Im frühneuzeitlichen Hamburg bedeutete dies die Vollendung des 18. Lebensjahrs, auch wenn verschiedentlich versucht wurde, die Altersgrenze auf 20 Jahre hochzusetzen. S. Tilman Repgen, Privatrechtliche Altersgrenzen in rechtshistorischer Perspektive, in: Reinhard Bork /Tilman Repgen (Hrsg.), Das Kind im Recht, Berlin 2009, S. 9ff., S. 24ff. 494 Darunter sind Taten wie Aufwiegelung, Verleumdung und üble Nachrede zu verstehen. 495 Bolz, In foro (1732), S. 13; Matthaei Wesenbecii, In Pandactas Ivris Civilis & Codicis Iustinianei, Lib. IIX. Commentarij, Lyon 1635, De testibus Tit. V No. 3 (S. 252). S. in der Praxis: Ablehnung notarieller Urkunden wegen untauglicher Zeugen ( Jüdischer Glaube/weibliches Geschlecht /schlechter Leumund) vor den höchsten Reichsgerich-

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Neben solchen verhältnismäßig klaren Fällen oblag Richtern und Schöffen auch die Begutachtung der Zeugenfähigkeit derjenigen Personen, die zwar nicht „in totum (. . . ), [sondern] nur pro parte prohibiret“ waren. 496 Darunter elen zum Beispiel befangene Personen 497 oder solche, die den Infamen zugerechnet wurden, weil sie einer bestimmten Berufsgruppe 498 zugehörten. Neben der Einschätzung der persönlichen Eignung eines Zeugen konnten dabei auch äußere Begleitumstände Berücksichtigung nden – wie im Fall des Mathias Cramer, der auf Gefängnisinsassen bei der Urkundserstellung zurückgreifen musste, weil sich das unter rechtlichen Gesichtspunkten glaubwürdigere Gefängnispersonal geweigert hatte, an der Erstellung mitzuwirken. 499 Der Reichshofrat hatte sich offenbar an der fragwürdigen Zeugenfähigkeit der zugezogenen Mithäftlinge nicht gestört und die Urkunde als beweiskräftig anerkannt.

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ten, z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, Beilage B (Q 12); StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 v. Gleiches gilt auch für innerhamburgische Prozesse, wie ein Verweis auf die Prozesssache Samuel Isaac Gendin gegen Otto Melchios Grabe zeigt, „worinnen (. . . ) ein in (. . . ) eines Notarii und eines Juden gegenwart an geblich passirter actus (. . . ) attestiret worden“ ist, was später wegen des zeugnisunfähigen Juden zur „wiederruffung [d]es Instruments“ führte (Überliefert in: StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 3 Supplication, fol. 4 r f.). Soweit ersichtlich, wurde die Zeugenfähigkeit von Juden bis ins 18. Jahrhundert überwiegend abgelehnt. S. dazu auch S. 95. N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 411. Z. B. Personen, die in einer familiären Verbindung, enger Freundschaft, Feindschaft oder in einem hierarchischen Verhältnis zu einem Urkundsbeteiligten standen, die ein eigenes (insbesondere wirtschaftliches) Interesse verfolgten etc. Die Langenbeck'sche Glosse E XXXIII, Codex B zählt ausdrücklich Knechte und sonstiges Personal auf (Eichler, S. 212). Eine umfangreiche Auflistung unter dem Blickwinkel des Reichsrechts ndet sich bei N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders NotariatKunst (1747), S. 409. 2 Hans-Jürgen Becker, Art. Infamie, in: HRG II (2012), Sp. 1212ff., Sp. 1213. Zuvor schon Friedrich Merzbacher (ders., Art. Infamie, in: HRG II (1978), Sp. 358ff., Sp. 360). Er zählt dazu Zöllner, Müller, Bader, Barbiere, Pfeifer, Trompeter und Leinenweber. Mit besonderer Berücksichtigung Hamburgs ist die Liste noch um Spielleute, Hirten, Schäfer, Totengräber, Staats- und Gemeindediener, Bettelvögte, Türmer, Nachtwächter, Schergen, Gerichts- und Polizeidiener, Scharfrichter zu ergänzen, s. Otto Beneke, Von unehrlichen Leuten – Cultur-historische Studien und Geschichten aus vergangenen Tagen deutscher Gewerbe und Dineste, mit besonderer Rücksicht auf Hamburg, Hamburg 1863. Ausführlich zu unehrlichen Leuten und verfemten Berufen auch Werner Danckert, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe, Bern/München 1963. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26. Ausführlich zum Fall in der Einleitung zur Beweisfunktion § 3, S. 121 ff.

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Das war aber wohl, trotz des herrschenden Gerechtigkeitsideals 500, eine Ausnahme. Denn in der Rechtspraxis überwog eine restriktive Herangehensweise. Grundsätzlich ging man von einer Verbindung von gesellschaftlichem Ansehen und Glaubwürdigkeit der Person aus. Es galt die Annahme, dass an der Spitze der Gesellschaft Stehenden mehr Vertrauen geschenkt werden konnte als Armen, Bekannten mehr als Unbekannten, denen mit tadellosem Lebenswandel mehr als Verrufenen. Je höher das Ansehen und die gesellschaftliche Stellung der Person, desto mehr Vertrauen brachte man ihr entgegen und desto höher wurde ihre Glaubwürdigkeit eingeschätzt. 501 Dieser Zusammenhang war allgemein anerkannt, weshalb man solche Merkmale herausstellte, um die besondere Glaubwürdigkeit einer Person zu untermauern. So zum Beispiel auch in einer Bittschrift, die Margaretha du Prè an den Kaiser sandte, nachdem der Hamburger Rat ihren Gatten hatte verurteilen wollte, ohne ihn zuvor gehört zu haben. 502 Ihr Mann, so Margaretha, habe sich aus der Stadt begeben, weil er vom französischen König zitiert worden sei. Es gebe für alles eine gute Erklärung, der Rat müsse du Pré anhören. An der Glaubwürdigkeit ihres Gatten bestünden keinerlei Zweifel. Er sei schließlich ein Abgesandter des französischen Königs – angesehen und wohl bekannt –, lebe seit 30 Jahren in Hamburg und habe sich in dieser Zeit nie etwas zuschulden kommen lassen. Ein darüber hinausgehender Nachweis der „praesumptio(..) Viri boni“ sei daher „über üssig“. Ingesamt lässt sich zusammenfassen, dass man solchen Personen, die zwar grundsätzlich Zeuge sein konnten, die sich aber nicht völlig rechts- und insbesondere anschauungskonform verhielten, die arm oder von niederem Stand waren, einen schlechten Leumund attestierte, weshalb man sie für gewöhnlich nicht zur Beurkundung hinzuzog, um die des der Urkunde, für deren Richtigkeit der Zeuge bürgte, nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. 503

500 Adalbert Erler, Art. Gleichheit, in: HRG I (1971), Sp. 1702ff., Sp. 1703f. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die biblische Erzählung der Susanna im Bade (Dan 13) und deren Bedeutung für den Grundsatz der unabhängigen Zeugenbefragung. 501 Teilweise wurde Bedürftigen die Zeugenfähigkeit ganz abgesprochen, s. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 79. Dazu auch die Verweise auf Einschätzungen zur Glaubwürdigkeit von Zeugen anhand ihres Vermögens und ihres gesellschaftlichen Standes in Reichskammergerichtsakten bei Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 116 f. Zum Zusammenhang zwischen Ansehen und Vertrauenswürdigkeit s. Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 29. 502 StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 4, Beilage: Demütiges Gesuch der Margaretha du Prè, fol. 1 v. Der Sache nach Steffen Wunderlich, Das Protokollbuch von Mathias Alber – Zur Praxis des Reichskammergerichts im frühen 16. Jahrhundert [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 58, Teil 2], Köln [u. a.] 2011, Regest 65 (S. 1166). 503 Im Hamburger Recht werden arme Menschen von niederem Stand grundsätzlich als Zeugen ausgeschlossen (Langenbeck'sche Glosse E XXVII ff. [Eichler, S. 204ff.]). Zum

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Um die Gefahr mangelnder Anerkennung möglichst gering zu halten, griffen die Urkundenersteller bei der Auswahl der Zeugen häu g auf angesehene Bürger Hamburgs zurück. Der Bürgerstatus wird ausdrücklich bei der Benennung der Zeugen aufgeführt. Außerdem werden besonders angesehene Berufsgruppen explizit hervorgehoben. Auffällig ist, dass neben Ratsherren, Syndici und sonstigen Ratsverwandten nur Doktoren, Lizentiaten sowie Notare ausdrückliche Erwähnung nden. 504 Ob daraus geschlossen werden kann, dass Notare diesem angesehenen Kreis zugerechnet wurden, oder ob man sie nur erwähnte, weil der ausstellende Notar diese Verbindung aus eigener Motivation herstellte, ist ungewiss. In den frühneuzeitlichen Kleiderordnungen Hamburgs wurden kaiserliche Notare jedenfalls den außerhalb der Ratsschreiberei stehenden sonstigen Schreibern zugeordnet. 505 Damit standen sie in direkter Abstufung unterhalb von Doktoren, Ratsverwandten und Lizentiaten, auch wenn ihnen der Rat zum Beispiel bei der Inhaftierung dieselbe Be-

einen, weil man sie für „leichter“ bestechlich hielt, zum anderen, weil Zeugen für Schäden, die durch ihre Falschaussage entstanden, mit ihrem Erbe haften mussten. Mit der Beschränkung auf vermögende Zeugen sicherte man den Schadensausgleich im Haftungsfall (Langenbeck'sche Glosse, E XXVII mit Glosse und Codex A 6 [Eichler, S. 204f.]). Ausnahmsweise konnte der Rat Mittellose als Zeugen zulassen (Langenbeck'sche Glosse E XXX, Codex B [Eichler, S. 207]). In der Praxis ging man davon aus, dass vom Zeugnis armer Menschen besser Abstand genommen werden solle, weil „geringen Leute(..) sehr sublestae dei“ seien, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petition legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 29. Ähnlich argumentierten die Prozessvertreter des französischen Kommissars des französischen Königs du Pré gegen den Kommissar des polnischen Königs Salomon: Die Urkundszeugen seien nicht von Stand – wertlos, wankelmütig und arm („viles, leves ac pauperes“), man könne sich daher nicht sicher sein, ob sie sich nicht „für geldt (. . . ) gebrauchen l[ie]ßen“, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 10, fol. 3 v. 504 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1699 VII 26 (Ehezärter der Janzen, Hinrich und Öllers, Anna Margareta vom 26. 7. 1699 [MF: S 9261 D, 294]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1765 II 5 (Ehezärter der König, Hans Jürgen und Evers, Anna Sophia vom 5.2. 1765 [MF: S 9261 D, 314]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1753 X 30 (Ehezärter der Mendo, Johann Friedrich und Guden, Anna Margareta Concilia vom 30.10. 1753 [MF: S 9261 D, 401]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1761 VIII 23 (Ehezärter der Fischer, Anthon Friedrich und Schröder, Sara Maria vom 23.8.1761 [MF: S 9261 D, 233]). 505 Z. B. Die Hamburgischen Hochzeits- und Kleiderordungen von 1583 und 1585, ed. Voigt, Hamburg 1889, S. 22 ff., S. 31 ff. (Notare in Hamburg den Schreibern zugeordnet); Liselotte Constanze Eisenbart, Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums [Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft, Bd. 32], Göttingen [u. a.] 1962, insbesondere S. 60.

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handlung zuteilwerden ließ wie „andern (. . . ) honoratioribus, Doctoribus (. . . ) und höheren Grads Personen, (. . . ) [die] Zur Verwahrung (. . . ) gebracht“ wurden. 506 Die Zeugen sollten ein gewisses Maß an Verständigkeit aufweisen, die sie befähigte, der Beurkundung sprachlich und intellektuell zu folgen. Eine rein akustische Wahrnehmung wurde in der Praxis als nicht ausreichend angesehen. Im Rahmen eines Prozesses wurde dazu ausführlich Stellung bezogen 507, wobei Einigkeit darüber bestand, dass mangelnde Lese- und Schreibfähigkeiten der Urkundszeugen beachtet werden müssen. Es könne nicht sein, dass die Zeugen „alles (. . . ) glauben [müssten,] was geschrieben“ stehe. Vielmehr müssten sie den Urkundeninhalt nachvollziehen und überprüfen können. Eine rein formale Umsetzung der Vorschriften (Zuziehung von Zeugen) sei sinnlos, man könne dann ebenso gut „alle leges statuta und der DD: Schrifften uf einen Scheiter Haufen werffen und Zu seinem Beweisthum nur dasjenige (. . . ) hinschmieren“, was einem gelegen komme. 508 Ob die Voraussetzungen dafür jedoch tatsächlich vorlagen, hatten die Parteien sicherzustellen. Der Notar genügte seiner P icht, wenn er die Urkundsbeteiligten auf die Auswahl geeigneter Zeugen aufmerksam machte. (1) Die behauptete Abwesenheit Notarielle Urkunden waren ohne weiteren Beweis – „sine aliquo alio adminiculo“ 509 – glaubwürdig. Wurden jedoch Teile oder sogar das gesamte Instrument in Zweifel gezogen, konnten die Urkundszeugen befragt werden. 510 Seit dem Mittel506 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 5 r. Ein ähnlicher Zusammenhang von Notaren mit anderen angesehenen Berufsgruppen lässt sich auch in der frühneuzeitlichen Presse nachweisen. So werden z. B. in der Stats- und Gelehrte Zeitung: Hamburgischer Correspondent vom 13. 1. 1750, Nr. 7 S. 4 sowie vom 23.1.1750 Nr. 13 Notare in einer Reihe mit Ratsverwandten, Postmeistern, Commissaren und Ratsschreibern genannt. 507 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 2, Duplicae probatoriales submissivae vom 11.12.1719, fol. 3 v f. 508 Ebda. 509 Azo, Summa aurea zu Cod. 4.21 Nr. 2, ed. Lyon 1557, fol. 85 v. S. auch Rolandinus, Summa Pars III.9, ed. 1546, fol. 352 r; Petrus de Unzola, in: Rolandinus Summa pars III.9 (Tractatus notularum), fol. 406 v. 510 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 9ff. Zu unterscheiden ist hier zwischen der Bestätigung /Genehmigung des Urkundeninhalts im Rahmen der Erstellungsprozedur, nach der sämtlichen Zeugen die inhaltlichen Festsetzungen des Vertrages, „nachdem Ihnen solcher von (. . . ) dem notarius requisito gutlich vorgelesen worden, nicht nur alles Einhalts genehmiget, sondern auch eigenhändig unterschrieben und besiegelt haben“, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1784 XII 19 (Ehezärter der Knopf, Christian und Schultz, Anna Catharina vom 19. 12.1784 [MF: S 9261 D, 322]) und der nachträglichen Bestätigung der bereits voll ausgefertigten Urkunde im Rahmen der inhaltlichen Überprüfung, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, hier insbesondere: Q 10 Libellus Appellatorius, S. 9 ff. (fehlende Bestätigung der inhaltlichen Festsetzun-

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alter beschäftigten sich Rechtsgelehrte mit der Frage, wem – den Urkundszeugen oder der Urkunde – zu glauben war, wenn der Inhalt der Urkunde von den Zeugen bestritten wurde. Man unterschied zwischen dem Fall, dass der Urkundszeuge seine Anwesenheit bei der Erstellung der Urkunde bestritt, und demjenigen, dass er zwar seine Anwesenheit nicht in Frage stellte, aber einen abweichenden Sachverhalt darstellte. Mitte des 18. Jahrhunderts errichtete der bereits erwähnte Notar Isaac Kochen eine Urkunde über ein von ihm geführtes Zeugenverhör. 511 Als das Schriftstück im Prozess vorgelegt und der verhörte Zeuge zur Stellungnahme gebeten wurde, behauptete dieser, sich an den Sachverhalt nicht mehr erinnern zu können. Er bezweifelte jede Mitwirkung: Erstens könne er sich an seine Anwesenheit nicht erinnern, zweitens enthalte das Instrument Passagen, deren Inhalt er nicht verstehe und die er nach seiner Auffassung wohl auch früher nicht verstanden hätte. Die Prozessgegner, die die Beweiskraft der Urkunde angreifen wollten, argumentierten, dass das Instrument schon deshalb wirkungslos sei, weil der Zeuge seiner Zeugeneigenschaft nicht gerecht werden könne. Er könne sich wohl schlecht für eine ordnungsgemäße Beurkundung verbürgen, wenn er den Sachverhalt nicht verstehe. Außerdem handle es sich bei dem Instrument um eine Fälschung. Der Zeuge, so ihre Argumentation, könne sich nicht mehr an die Beurkundung erinnern, weil sie niemals stattgefunden, sondern der Notar sie frei erfunden habe. Den Prozessgegnern gelang zwar nicht, die behauptete Abwesenheit des Zeugen nachzuweisen. Das Bestreiten reichte aber anscheinend aus, um das Schriftstück suspect zu machen, denn die das Verhörprotokoll vorlegende Partei hat sich während des weiteren Verfahrens nicht mehr darauf berufen. (2) Der Zeuge und der Urkundeninhalt Die frühneuzeitliche Rechtswissenschaft beschäftigte sich auch mit dem Fall, dass ein notarieller Urkundszeuge den von ihm in der Urkunde angeblich bezeugten Sachverhalt bei der Vernehmung anders darstellte. Bestritt der Zeuge Teile des Inhalts, machte dies die Urkunde zumindest hinsichtlich des bestrittenen Teils unglaubwürdig. Problematisch waren insbesondere solche Fälle, in denen ein zu bestimmten Sachverhaltsfragen befragter Zeuge umfassender aussagte, als es ihm durch die Fragestücke vorgegeben war. Wie dieses Problem in Hamburg gehandhabt wurde, ist nicht bekannt. Für die reichskammergerichtliche Praxis bejahte Mathias Alber 512 eine Berücksichtigung dieser zusätzlichen gen im Instrument); StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 13 (vollständiges Bestreiten). 511 Hier und im Folgenden: StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49 dort insbesondere: Q 5 Exceptiones cum petitio legali; Q 10 Replicae mit Bezug auf den zuvor verhandelten Erbstreit. 512 Protokollbuch, Mathias Alber, Regest 131 (S. 1384).

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Informationen, da der Zeuge möglichst alles darlegen solle, was er zur Streitsache wusste. Albers stützte sich dabei auf die Kommentierungen zu D.12.2.13 von Bartolus de Saxoferrato und Badus de Ubaldis sowie den allgemeinen Gerichtsgebrauch am Reichskammergericht. cc. Das Protokoll Das Protokoll bildete die Basis für alle auszufertigenden notariellen Instrumente. Nach § 5 Einl. RNO war jeder Notar verp ichtet, Protokoll zu führen. Unter einem Protokoll verstand man eine „kurtze und summarische Annotirung desjenigen, worüber zu instumentiren gewesen, damit man sich alles desjenigen, was fürgegangen, wohl erinnern, und nachgehends daraus ein Instrument machen möge“. 513

Das Protokoll sollte Angaben zu Urkundsbeteiligten, Ort, Zeit und Zeugen machen und eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts enthalten. Es war verboten, den Inhalt oder Teile des Inhalts zu löschen oder so zu kanzellieren (durchzustreichen), dass sie unleserlich wurden. Damit entspricht das Protokoll gemäß der RNO der italienischen Notarimbreviatur. 514 Um eine Sicherung des Urkundeninhalts auf Dauer gewährleisten zu können, sollten die Protokollaufzeichnungen außerdem keine ungebräuchlichen Abkürzungen und Wörter enthalten, deren Entzifferung später Probleme bereiten konnte. 515 In Hamburg hat sich nur das Protokollbuch des Notars Johann Schröder aus der Zeit von 1550 bis 1554 erhalten. 516 Es handelt sich dabei um miteinander vernähte Büttenpapierblätter, die in ein Pergament eingebunden sind. Auf der Rückseite dieses Einbandes ndet sich eine notarielle Urkunde. Weshalb Schröder das Instrument nicht mehr benötigte, ist nicht klar. Es sind keine offensichtlichen Fehler oder Streichungen erkennbar, die eine neue Ausfertigung notwendig gemacht hätten. Das

513 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 26. So auch StA HH, RHR 211-2, Nr. 26, Q 6, fol. 4 r. 514 A. Gawlik, Art. Imbreviatur, -bücher, in: LexMA V (1991), Sp. 384.; Voltelini, Notariats-Imbreviaturen I, S. XXVI ff. Anschauliche Beispiele für solche Protokollbücher bei Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 223 ff. 515 § 19 Einl. RNO. 516 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55. Eine Verzeichnung in Heft- oder Buchform war nicht vorgeschrieben, tatsächlich hatte sich diese Form aber spätestens seit dem Hochmittelalter etabliert. S. A. Gawlik, Art. Imbreviatur, -bücher, in: LexMA V (1991), Sp. 384.

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Buch enthält lediglich 17 Einträge. Da sie chronologisch geführt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass der Notar während dieser Zeit tatsächlich keine weiteren Beurkundungen vorgenommen hat. 517 Bei der Durchsicht fällt zunächst auf, dass die enthaltenen Urkundenentwürfe weder stichwortartig gehalten sind noch Abkürzungen enthalten. Der Sachverhalt wird größtenteils detailliert beschrieben. Dies diente vermutlich der Verkehrssicherheit: Je detaillierter das Protokoll gehalten war, desto weniger konnte man den aus dem Protokoll ausgefertigten Urkunden wegen angeblicher Abweichungen den Vorwurf der Fälschung machen. Ebenso wie die Zeugen, die später über die in der Urkunde festgehaltenen Abreden Auskunft erteilen konnten, diente auch die Verzeichnung der notariellen Handlung im Protokoll dem späteren Nachweis. So war es zum Beispiel auch im Fall um gescheiterte Vergleichsverhandlungen, die der kaiserliche Notar Georg Rose notierte. 518 Rose war vom Hamburger Rat unter anderem entsandt worden, um eine Streitigkeit wegen einer gegen den Willen des Reeders in der Elbe geborgenen Schiffsladung beizulegen. Als die Vergleichsverhandlungen scheiterten, vermerkte der Notar dies in seinem gehefteten Protokollbuch. Als der Notar anschließend in Hamburg zu den Verhandlungen vernommen werden sollte, legte er nur sein Protokoll vor. 519 Sobald der Inhalt einer notariellen Urkunde angezweifelt wurde, konnte ein Blick ins Protokoll also Klarheit schaffen. Regelmäßig beschloss der Hamburger Rat im Streit um notarielle Schriftstücke deshalb, „dat man sick uth des (. . . ) Notarien (. . . ) Re- „dass man sich in der Registratur des (. . . ) Nogistratur erkhunden wolde, Who Idt umb tars (. . . ) erkundigen sollte, wie es um die die Sake gelegen“. 520 [fragliche] Sache stehe“.

Die Protokolle waren das „Gedächtnis“ des Notars und daher eine besonders geschützte Sphäre. Unliebsame Notare wurden abgestraft, indem man ihnen ihre Protokolle nahm. 521 Denn Notare konnten sich nicht glaubwürdig für einen bestimmten Protokoll- und Urkundeninhalt verbürgen. 522 Bei Verlust bestand aber die Mög-

517 Dieser Befund stärkt die These, dass sich das Notariat in Hamburg erst ca. 30 Jahre später, um 1580, etablierte und vorher eher sporadisch in Anspruch genommen wurde. Dazu unter S. 323 ff. 518 Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 128ff., insb. S. 132. 519 Ebda. 520 StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43, Acta Priora, Protokoll vom 8.2.1553, fol. 1 r. 521 So hatte zum Beispiel der Rat in einem Fall „stadtdiener in seine [des Notars] behausung geschicket, seine protokolla und sämbtlich scripturen gewaldthätig wegnehmenn“ lassen, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 2, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 2 r. 522 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae, fol. 4 v. So auch Christophori Philippi Richteri [ders., Decisiones Juris Variae (1698), Lib. I Dec. XX-

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lichkeit, das Protokoll zu rekonstruieren (§ 20 Einl. RNO). Dazu sollte dem Notar ein Herausgabeanspruch gegen die Urkundenbesitzer zustehen, nach dessen Durchsetzung der Notar das Protokoll neu anfertigen konnte. 523 Wahrscheinlich ließ sich dies in der Praxis nur schwer umsetzen. Denn in den Quellen wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass man notarielle Urkunden erst dann anhand des Protokolls ausfertigen ließ, wenn sie tatsächlich zu Beweiszwecken vorgelegt werden sollten. 524 Subsidiär konnte der Notar die bei der Beurkundung anwesenden Zeugen laden und verhören lassen. 525 Mit wachsendem Abstand zur Beurkundung und steigender Mortalitätsrate verringerten sich jedoch die Rekonstruktionsmöglichkeiten. Ohne das Protokoll konnten streitige Instrumente nicht mehr bekräftigt werden. Bereits das einfache Bestreiten des niedergelegten Inhalts vernichtete die Wahrheitsvermutung. Mangels Überprüfungsmöglichkeit wurde es als „fraudulenter ratione sciptorum“, als betrügerisches Schriftstück eingestuft. 526 Es bestand daher ein großes Interesse, das Protokoll zu schützen und damit Rechtssicherheit zu gewährleisten. Selbst zu Informationszwecken griff man nicht ohne Beisein des Notars auf seine Protokolle zu. Aus diesem Grunde hatten die Prozessvertreter, als man Einsicht in die Protokolle eines abwesenden Notars nehmen wollte,

523 524 525 526

XII No. 17 (S. 192)]. Er bekräftigt seine Auffassung mit einem Fall aus der Praxis: Ein im Sterben liegender Mann hatte einen Notar nebst Urkunds- sowie Testamentszeugen zu sich bestellen lassen, um sein Testament aufzustellen. Als diese sich versammelt hatten, erklärte der Testator seinen letzten Willen, der daraufhin vom Notar protokolliert wurde. Der Notar verlas im Beisein sämtlicher Zeugen das Protokoll und ließ es sich vom Testator bestätigen. Anschließend gingen alle Personen auseinander. Man wollte sich aber am nächsten Tag wieder beim Testator ein nden, um den ordnungsgemäß ausgefertigten letzten Willen zu kon rmieren. „[A]ber des folgenden Tages [war] der Testator sehr schwach und im Haupt etwas verrucket [ge]worden“, sodass er nicht mehr in der Lage war, seine inhaltlichen Festsetzungen zu bekräftigen. Der Testator war kurze Zeit später verstorben und es stellte sich nun die Frage, ob die Aussage des Notars die fehlende Kon rmation des Testators überwinden und dem Schriftstück so doch zur Geltung verhelfen konnte. Dem war aber nicht so, denn „des Notarii [Aussage, war] (. . . ) für sich allein zu Bekräfftigung (. . . ) für genugsam nicht zu achten“. Dazu auch Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 119ff. Finanzielle Einsparungen waren der wohl häu gste Grund, die Ausfertigung erst „auf Verlangen (. . . ) ins Reine“ zu bringen, s. N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 26 f. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 119ff. StA HH, RHR 211-2, Nr. 26, Q 6, fol. 4 r.

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„ ixt derwegen furgewandt, Mhan khond „schnell dagegen eingewandt, dass eine Konaverst uth der Registratur der gelegenheit sultation der Registratur momentan nicht nicht egentlich berichtet werden, derwegen möglich sei, weshalb die Sache ruhen musste, muste die Sake In ruhe besthan blijven, bis der abwesende Notar zurück kam. Und beth tho des affwesenden Notarien wedder- erst dann sollte geschehen und ergehen, was kumpst. Und alsden scholde up ferner [an- Recht sei.“ sodden?] geschehen und erghen wat Recht where“. 527

Eine Protokollierung hatte in ein ordentliches Protokollbuch zu erfolgen. Nicht dauerhaft xierte Protokollierungen, zum Beispiel auf „Schreibtäf eihen“ und dergleichen oder solche, die mittels einer Gedächtnisstütze errichtet und erst später in ein Protokollbuch eingetragen werden sollten, waren untauglich, denn sie waren leicht manipulierbar. Und im Nachhinein konnte „keiner von denen [ehemals] beijwesenden (. . . ) [mehr nachvollziehen], was er [der Notar] genotiret oder Zumahl aus seinem Gehirn hinzugethan hat[te]“. 528 Da der Notar nur das mit seinen eigenen Sinnen bei der Beurkundung Wahrgenommene beurkunden durfte (§ 6 Einl. RNO), war er verp ichtet, sein Protokoll selbst zu führen, und durfte die Protokollierung nicht an einen anderen übertragen. 529 Ebenso wenig übertragbar war die Ausfertigung der Urkunde, d. h. Unterschrift und Signierung (§ 8 Einl. RNO). Auch musste der Notar persönlich die Übereinstimmung der Urkunde mit dem Protokoll sowie die ordnungsgemäße Ergänzung der Lücken des Protokolls und die Aufschlüsselung der im Protokoll verwendeten Abkürzungen prüfen. Einzig die Fertigung der Reinschrift auf der Grundlage des Protokolls durfte der Notar delegieren, wenn ihn triftige Gründe hinderten, die Arbeit persönlich vorzunehmen. Jedoch musste er die Übertragung sowie die dafür ausschlaggebenden Gründe auf dem Instrument vermerken (§ 8 Einl. RNO). In den untersuchten Akten ließen sich keine Fälle nachweisen, in denen die Gründe der Delegation offengelegt wurden. Der Notar beschränkte sich vielmehr darauf, die Vertretung anzuzeigen: „Wan dan Ich, Johannes Schroder aus Romischer Kaij. Maijt macht und gewaldt offenbahr Notarius und beeidigter Procurator der Gericht Zu Hamburg, bei obengeschriebenem actu nebenst vorbenanten Gezeugen von anfange bis Zuue ende Personlich Zu kegen gewesen und der testirenden bestendigen letzten willen also

527 StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43, Acta Priora, Protokoll vom 8.2.1553, fol. 1 r. 528 StA HH, RHR 211-2, Nr. 26, Q 6, fol. 4 r. Anders Christophori Philippi Richteri, der einen Fall beschreibt, in dem ein Notar einen letzten Willen auf einer „damals bey handen gehabte[n] Schreibtaffel eigenhändig protocollirt“. Richter thematisiert die Verwendung der Schreibtafel nicht. Er scheint hier kein Problem gesehen zu haben, s. Richteri, Decisiones Juris Variae (1698), Lib. I Dec. XXXII No. 13 (S. 192). 529 Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), S. 22.

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angehoret und vernommen als habe Ich daruber Kegenwertiges Instrumentum in autentica forma verfertiget, dasselbe durch einen anderen lassen mundiren[530] und als Ichs mit meinem Protocollo gleichlautend befunden, Zu mehren gezeuchnus mit meinem Tauff und Zunhamens subscribiret, mit meinem Notariat Zeichen befestiget und Zu wahren Uhrkunde mit meinem gewohnlichen Insiegel collationirt[531] und bestercket.“ 532

Intensiv beschäftigte sich die Literatur mit dem Verhältnis zwischen dem Protokoll und der Urkunde. 533 Diskutiert wurde der Fall, wenn der Wortlaut des Protokolls nicht mit dem der Urkunde übereinstimmte. Sofern sowohl das Protokoll als auch die ausgefertigte Urkunde sämtliche formalen Mindestvoraussetzungen erfüllten und beide unterschrieben waren, bestand Einigkeit darüber, dass „das Protocoll, dem Instrument vorzuziehen“ sei, da es als ein dem Beurkundungsakt näherstehendes Schriftstück eine höhere Glaubwürdigkeit aufweise. 534 In der Praxis beschäftigte man sich außerdem mit der Frage, ob die Beweisführung stets die Vorlage einer aus dem Protokoll ausgefertigten Urkunde erforderte oder ob schon die Vorlage des Protokolls ausreichend war. Von Belang war die Frage besonders, wenn die Urkundsparteien aus Kostengründen auf die Ausfertigung einer Urkunde verzichten wollten. In der Literatur wurde, soweit ersichtlich, die Möglichkeit, ausschließlich auf das Protokoll Bezug zu nehmen, nicht erwogen. Allenfalls 530 Mundieren = ins Reine schreiben. 531 Collationieren = Abschrift mit Urschrift vergleichen, hier i. S. v. als echt anerkennen. 532 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1625 VII 17 (Testament des Johan Hoijer vom 17.7. 1625 [MF: S 9264 D, 267]). So auch StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. E Instrumentum Protestationis et Contradictionis der im Nierderngerichte alhie, publicirten Findungh, fol. 2 r: „alß habe ich [Notar] über solches allen dieses Instrumentum publicum abgefaßet, selbiges obliegender geschefftes halber per Amanuensem auß meinem prothocollo mundiren laßen müßen, hernach aber deliter collationiret und nach gleichstimmiger be ndung, es äigenhandigs subscribiret und mit beijgetrücktem meinem gewöhnlichen Notariatsignet corroboriret, alß insonderheitt hierzu ersuchet unnd gebetten“. 533 Z. B. N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27; Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (1706), Vol. II–L. XXII Tit. IV n. XXVI (S. 282); Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), S. 20; Carpzov /Mylius, Ivrisprvdentia Forensis Romano-Saxonica (1638), P. I C. XVII Def. 44 (S. 173). 534 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 19. Dafür, dass dem „Protocoll ein besserer Glaube, als dem Instrument selbst, beygemessen wird“, s. N. N., Anleitung zur RechtsGelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27, so auch Carpzov/Mylius, Ivrisprvdentia Forensis Romano-Saxonica (1638), P. I C. XVII Def. 44 (S. 173): „Protocollo Notarii major des habetur, quàm instrument“; Rutger Rulant, De Commissariis Et Commissionibus Camerae Imperialis, Probabtionis (. . . ), Frankfurt 1597, P. II–L. V cap. VII [steht im Buch fälschlicherweise als cap. VI] n. 10 (S. 269).

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wenn eine Ausfertigung des Instruments nicht bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Beweis anzutreten war, vorgelegt werden konnte, konnte dies ausnahmsweise unter Vorlage des Protokolls nachgeholt werden. 535 Die Parteien scheinen stets ausgefertigte Urkunden vorgelegt zu haben. Das Risiko, den Prozess wegen der unsicheren Rechtslage im Hinblick auf die Beweiskraft der Protokolle zu verlieren, nahmen die Prozessparteien in der reichsgerichtlichen Praxis wohl nicht in Kauf.

c. Der Notar Notarielle Instrumente sind Schriftstücke, die von einer dazu legitimierten Person unter Einhaltung der erforderlichen Solennitäten errichtet wurden. 536 Fraglich ist, ob allein die Einhaltung der Formalien der Urkunde zu ihrer Beweiskraft verhalf oder ob daneben auch das Ansehen des Notars – seine persönliche Glaubwürdigkeit – eine Rolle spielte. Winfried Trusen schreibt: „Während der Richter im klassischen römischen Recht in der Beurteilung der von den Parteien vorgebrachten Beweisgründe, also auch der Bewertung der Urkunden, völlig frei gewesen ist – man spricht hier von der Theorie der freien Beweiswürdigung –, tritt in der Spätzeit schon die Bindung des Richters an bestimmte rechtlich festgesetzte Beweisregeln ein. Durch die Glossatoren wird im Mittelalter diese Legaltheorie in umfassender Weise ausgebaut. Der gelehrte Richter ist nicht mehr frei in der Beweiswürdigung, er kann sich nicht mehr z. B. durch den inneren Wahrheitsgehalt der Urkunde überzeugen lassen, sondern er muß sich an ganz bestimmte äußere Formen halten. Die Form der Urkunde, also ihre sinnlich wahrnehmbare Erscheinung, ist für die mittelalterliche Legaltheorie wirklicher Beweisgrund. Mit anderen Worten: Entscheidend ist die Summe der äußeren Eigenschaften (. . . ) Die Urkunde wurde dabei nicht als wahres Zeugnis, sondern als rechtliche Wahrheitsobligation angesehen. (. . . ) [Diese] rechtliche Urkundenlehre des Mittelalters (. . . ) [ist] von nicht zu übersehender Bedeutung gewesen und ist bis weit in die Neuzeit in Geltung geblieben.“ 537

535 Rutger Rulant, Formularium, ad Tractatum de Commissariis (. . . ), Frankfurt 1617, Vol. II–L. V c. VII n. 10 (S. 243). 536 Gasparro Romano, Institutiones Juris Civilis (1729), P. II Tit. VIII Cap. II n. 191ff. (S. 305). 537 Trusen, Urkundenlehre der mittelalterlichen Jurisprudenz, S. 205f., S. 218f. Zur Legaltheorie: August Sigmund Schultze, Zur Lehre vom Urkundenbeweise, Wien 1894, S. 1f.; Marius Kohler, Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozeßrechts – eine rezeptionshistorische Strukturanalyse der Grundlagen des modernen schwedischen

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Vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Legaltheorie scheint es also, als ob allein die formal ordnungsgemäße Niederschrift durch einen Notar ausgereicht habe, um dem Schriftstück zu Beweiskraft zu verhelfen. Der Blick in die Lehren der Notariatskunst stützt das aber nur zum Teil, denn dort wird nicht nur auf den Notar als den Ersteller des Schriftstücks abgestellt, sondern ausdrücklich auch auf das persönliche Ansehen des Notars, auf seine Glaubwürdigkeit rekurriert. So liest man beispielsweise bei Alexander Brunnemann, der Notar solle sich vor jeglichem Verhalten, das den „Argwohn einer Eingebung, Partheylichkeit oder Betrügerey (. . . ) [in sich trage, hüten, weil dies] seinen Glauben und folglich sein ganzes Instrument ungültig machen würde“. 538 Der Verlust des persönlichen Vertrauens wirkte sich demnach direkt auf die des des von ihm errichteten Instruments aus, mit der Folge, dass die Glaubwürdigkeit des Schriftstücks Schaden nahm. Der Begriff der des oder des Glaubens wurde seit dem Mittelalter sowohl für die Glaubwürdigkeit des Instruments als auch für die persönliche Vertrauenswürdigkeit des Notars gebraucht. Das Verständnis der des umfasste dabei neben der Idee von Glaubwürdigkeit im beweisrechtlichen Sinne auch eine Vorstellung von Vertrauen. 539 Besonders deutlich wird diese doppelte Bedeutung der des bei Petrus de Unzola: Im Allgemeinen sei es nämlich so, dass dasjenige als authentisch – glaubwürdig – anerkannt werde, dem man sehr glaube und dem man sein vollstes Vertrauen schenke. Dies gelte für Urkunden wie auch für Menschen. Denn auch einem Mann, der für authentisch gehalten werde, werde sehr geglaubt und seine Worte würden genau befolgt. 540 Für notarielle Instrumente bestand eine Glaubwürdigkeitsvermutung, die einerseits auf der formgerechten Erstellung beruhte und andererseits auf dem Vertrauen, das man dem Notar schenkte. Der Notar übertrug das in ihn gesetzte Vertrauen auf das Schriftstück, wodurch dieses glaubwürdig wurde. Glaubwürdigkeit von Notar und Urkunde standen also in einem untrennbaren Zusammenhang: Der Notar muss vertrauenswürdig sein, damit auch den von ihm erstellten Schriftstücken geglaubt werden konnte. Umgekehrt verlor das Instrument seine Glaubwürdigkeit, wenn man Verfahrensrechts [Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht, Bd. 29], Tübingen 2002, S. 81ff. 538 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 17. 539 Zum Zusammenhang von Vertrauen und Glaubwürdigkeit ( des und credere) in der mittelalterlichen Literatur, s. Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 5 (dort insb. Fn. 20). 540 „Nota quod instrumentum dicitur autenticum (. . . ). Nam illud dicitur autenticum, cui multum creditor, et cui des maxima adhibentur. Unde dici consuevit etiam vulgariter, talis est auctenticus homo id est homo talis, cui multum creditor: et cuius dicta multum servantur.“ S. Petrus de Unzola, in: Rolandinus, Summa (Tractatus notularum), ed. 1546, fol. 406 v.

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dem Notar kein Vertrauen mehr schenkte. 541 Der gute Leumund („integre fama“ 542) des Notars, seine Ehrenhaftigkeit, war also „unerlässliche Voraussetzung“ 543 für die Notartätigkeit. Der Notar war also nicht nur der Urkundenproduzent, sondern hatte wegen des Vertrauenstransfers eine Zwitterstellung. aa. Der Notar als Garant für die des Wie die Glaubwürdigkeit des Instruments wurde auch das Vertrauen, das dem Notar entgegengebracht wurde, mit dem Begriff der des oder des Glaubens umschrieben. Fragt man nach dem Ursprung der des des Notars, so lassen sich zwei Stränge zurückverfolgen: Zum einen speiste sie sich aus dem gesellschaftlichen Ansehen des Notars. Zum anderen aus seiner Investitur, d. h. aus dem Vertrauen, das ihm mit der Verleihung der Notarwürde zuteilwurde. Widmen wir uns zunächst dem gesellschaftlichen Ansehen, seinem „erbaren Wandel“. 544 Dieser war Grundvoraussetzung dafür, dass der Notaranwärter in das 541 Rolandinus de Passagerii, Summa artis notariae, Venedig 1498/99, fol. 57 v/58 r, 90 r/ v.; dazu Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 27 ff. 542 N. N., Ars notariatus (1505), n. IIII; s. auch zur De nition des Notars in Samuel Friedrich Willenberg / Georg Gustav Fülleborn, Formulare teutscher Rhetoric vnnd gerichtlichen Process, nach jetzigem Cantzleiischen Gebrauch, Frankfurt 1534, fol. 4 r: „Offenbar glauwirdig Schreiber / ist einn glaubwirdig Personn / die vonn gewalt des Oberen zu solchem offenbaren Rechtlichen ampt erwelet würt / des schrifft mann in vnd ausserthalb Recht (so sie in ein form / mit der herlicheit darzu gehörig / wie Recht / gestelt vnd eröffnet) glauben geben sollen / würt mit vil namen genennt/Solliche sollen alle hendel auffschreiben / oder zwen erbar menner sollens an des Notarien statt in gedechtnuß behalten“ ; Gasparro Romano, Institutiones Juris Civilis (1729), P. II Tit. VIII Cap. II n. 191– 193 (S. 305); Saur, Dives notariorvm penvs (1592), S. 777: Der Notarius solle ein „gutes Gerichts“ haben. Schon im 13. Jahrhundert hatte Salatiele darauf hingewiesen, dass die bedeutsamste Aufgabe des Notars darin bestehe, ein öffentliches Amt auszuüben und mit seinem Zeugnis dafür bürgen – „Est autem notarius quedam publica persona publicum of cium gerens da cuius dem hodie publice decurritur ut scribat et ad perhemnem memoriam in publicam formam reducat ea ab hominibus unt“, s. Salatiele, Ars notarie II prohemium, ed. Orlandelli, S. 7. Die Ausübung des Notaramts war nach Salatiele also ohne die Zeugenfähigkeit und Glaubwürdigkeit des Notars nicht denkbar. So auch Petrus de Unzola, in: Rolandinus, Summa (Tractatus notularum, ed. 1546, fol. 470 r, dazu Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 27. 543 Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 31. 544 Adam Volckmann, Notariatskunst /Das ist: Handbuch für die Notarien und andere Gerichts und Schreiberey verwandte (. . . ) Darinnen was zu solchem Ampt gehörig sampt allerley Cautelen, Bene cien und Exceptionen, so ein Notarius (. . . ) in acht haben mus (. . . ) Alles Theorice und Practice beschrieben (. . . ), Vol. I, Au . 6, Leipzig 1731, Tit. I Cap. VIII No. 8 (S. 42). In einer früheren Ausgabe schrieb Volckmann, dass „keine andere[n] Personen hierzu [zum Notaramt] instituieret werden [sollten] / als die da delis &

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Amt eingesetzt werden konnte. Unter dem „ehrbaren Wandel“ verstand man das Verhältnis des Notars zur Gesellschaft. Ob dem Notar „Dignität oder Würde“ 545 zuerkannt wurde, war abhängig von persönlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich an den Anschauungen und Wertmaßstäben der Gemeinschaft messen lassen mussten. Der gute Leumund war damit gewissermaßen ein Barometer für die Gemeinschaftskonformität des Notars. 546 Wie bei einem Zeugen setzten sich die persönlichen Merkmale aus dem gesellschaftlichen Stand, dem persönlichen Ein uss und den nanziellen Verhältnissen zusammen. Über die gesellschaftlichen und familiären Verhältnisse der Notare im frühneuzeitlichen Hamburg ist wenig bekannt. Es lassen sich aber insbesondere aus den Bildungshintergründen 547 und ihren Wohnorten 548 und in wenigen Fällen aus ihren Finanzen 549 Rückschlüsse ziehen. Danach ergibt sich ein Bild, das den Hamburger Notar als einen recht begüterten, gut vernetzten und insgesamt angesehenen Bürger zeigt.

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legalis“ waren, s. ders., Notariatskunst (1621), S. 5. So auch N. N., Notariatbuch (1535), fol. 1 v. Bolz, In foro (1732), S. 58; wortgleich Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 325. Hippolyti Bonacossae, Quaestiones criminales (. . . ), Venedig 1573, fol. 76 r ff.; Augustini Barbosae, Repertorium Juris Civilis Et Canonici, Lyon 1713, S. 89f. Neben verschiedenen akademischen Titeln, die sich in den notariellen Instrumenten nachweisen lassen, geben auch die Matrikel der Universität Helmstedt Aufschluss. Einige der von der Universität ernannten Notare sind zuvor als Studenten nachweisbar. Im Vergleich mit anderen Städten sind das aber verhältnismäßig wenige, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass Hamburger ein größeres Interesse an Erfahrungen in der Praxis als dem Erlernen von Theorie hatten (dem Sinn nach Rainer Nicolaysen, „Frei soll die Lehre sein und frei das Lernen“. Zur Geschichte der Universität Hamburg, Hamburg 2008, S. 13). Zum Bildungshintergrund der Notare sogleich S. 194 ff. Soweit es sich nachvollziehen ließ, lagen die Behausungen der Notare allesamt an exponierten und damit auch verhältnismäßig teuren Plätzen, meist in der Nähe der alten Börse zwischen dem St.-Nikolai- und dem St.-Katherinen-Kirchspiel, s. z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Nr. X, Schriftstück vom 1. 4.1677, Beilage A [Behausung an der Börse]; StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 2, Beilage Lit. A Instrumentum Appellationis [ Johann Georg Ohm, Schreibstube bei der Börse gelegen]; StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Nr. IV, Schriftstück vom 8. 7. 1676, Nr. 10 [Caspar Retzer: Behausung auf dem Kirchhof zu St. Katharina in ca. 200 m Entfernung zur Börse gelegen]; StA HH RKG 211-2; Nr. B 131, Instrumentum Protestationis super attentatis [Hermannus Pedichius: Behausung in der großen Bäckerstraße, in ca. 160 m Entfernung von der Börse gelegen]; Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 7.3.1752, Nr. 38, S. 4 [Christoph Hinrich Hoyer: Dienststube im Blanckischen Comtoir neben der Börse]. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 8, Beilage Lit. A.

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Neben diesen – aus heutiger Sicht von der Glaubwürdigkeit einer Person losgelösten – Merkmalen musste sich das Verhalten des Notars an als allgemeinverbindlich angesehenen Wertmaßstäben beurteilen lassen. Wichtigster Faktor war die Befolgung sozialer Regeln. Das waren in erster Linie die Regelungen des geltenden geschriebenen und des Gewohnheitsrechts, aber auch die Beachtung gewachsener moralischer Sitten und Gebräuche. Ab dem Zeitpunkt der Ernennung musste dem Notar jederzeit ein guter Leumund attestiert werden können. Seine Unbescholtenheit musste bis zu seinem Tode fortbestehen, zumindest aber solange, bis der Notar seiner Amtswürde freiwillig entsagte oder man sie ihm nahm. 550 Die Gesellschaft und das soziale Umfeld dienten als „moralische Instanz“ 551: Sie kontrollierten den Notar und straften ihn ab, wenn er sich nicht konform verhielt, indem sie ihn nicht mehr in Anspruch nahmen und seinen Urkunden keinen Glauben mehr schenkten. Obwohl die Anbindung der Glaubwürdigkeit des Notars an seine Glaubwürdigkeit als Privatperson nicht vorgesehen war – sowohl die mittelalterliche als auch die frühneuzeitliche Literatur sprechen grundsätzlich von der des des Notars und nicht der der hinter dem Amt stehenden Person 552 – blieb eine Vermischung nicht aus. Eine Trennung wurde anscheinend als künstlich empfunden, weshalb sich die Ansicht durchsetzte, dass man von einer Person, die im privaten Bereich bewiesen hatte, dass sie nicht oder allenfalls wenig ehrenhaft war, nicht erwarten konnte, dass sie sich im Rahmen ihrer Amtstätigkeit anders verhielt. 553 Die

550 Ein Notar, der sich von seinem Amt lossagen wollte, musste die Notarwürde in die Hände desjenigen zurückgeben, von dem er sie empfangen hatte (§ 16 Einl. RNO). Tatsächlich blieben solche Rückgaben im Hamburger Bereich anscheinend theoretischer Natur. Einzig für den süddeutschen Raum konnte eine Rückgabe aus ndig gemacht werden: Schlözer, Briefwechsel (1782), S. 258 ff.; Hofpfalzgrafen-Register, Lieferung 2. Ähnlich verhielt es sich bei der Aberkennung der Notarwürde. Zwar herrschte in der Literatur grundsätzlich Einigkeit darüber, dass ein einer Straftat überführter Notar seines Amtes enthoben wurde und dass es einem enthobenen Notar anschließend verboten war, sich erneut kreieren zu lassen (zur Herleitung der Rechtschaffenheitsp icht aus dem Amtseid: Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 57, der durch den Amtseid ein quasivasallisches Verhältnis begründet sieht), jedoch fand sich nur ein Fall einer Amtsenthebung: StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, der Akte ist ein undatierter und ohne Hinweis auf den Urheber versehener maschinenschriftlicher Verweis beigegeben, nach dem ein gewisser Notar Graumann vom Kaiser suspendiert wurde, weil er sich geweigert habe, im Auftrag des kaiserlichen Residenten ein Schriftstück beim Hamburger Rat zu insinuieren, s. zitiert nach diesem Papier: StA Wien Az.: AB 109/7 Fasc. 201 fol. 150–151. 551 Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 31. 552 Ebda., S. 99 mit Beispielen. 553 Dazu ebda., S. 31 m. w. N. aus der mittelalterlichen Notariatsliteratur.

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Folge dieser Vermischung war, dass den Urkunden bei gesetzlichen oder moralischen Verfehlungen des Notars als Privatperson weniger (bei nachgewiesenen Straftaten des Notars überhaupt kein 554) Glauben beigemessen wurde – selbst wenn der Notar die Urkunden einwandfrei produziert hatte. Systematisch machte man sich diese Vermischung von privater und beruflicher des zunutze, wenn im Prozess die Glaubwürdigkeit notarieller Instrumente angegriffen werden sollte und die Urkunde keine formellen Fehler aufwies. Durch den Angriff auf die des des Notars konnte die des der Urkunde beschädigt oder sogar vernichtet werden. 555 Die Folgen eines ruinierten Rufs konnten für Notare existenzbedrohend werden. Da immer die Gefahr bestand, dass Urkunden verdächtiger Notare nicht anerkannt wurden, wurde ihre Tätigkeit nicht mehr in Anspruch genommen. Gleichzeitig schränkte die darauffolgende Armut die Glaubwürdigkeit des Notars weiter ein. 556 Die Furcht vor den Auswirkungen eines schlechten Rufs trieb auch den Notar Johannes Tischer um, als der Vater seiner früheren Verlobten mit dem Vorwurf, Johannes sei ein Heiratsschwindler und unzüchtiger Beischläfer, die Verlobung aufkündigte und alle im Hinblick auf die anstehende Hochzeit getätigten Geschenke zurückverlangte. 557 Johannes hatte immer ordentliche Instrumente produziert, was der vormalige Schwiegervater nicht in Abrede stellte. Aber der Vorwurf, dass er sich „ehelich [mit anderen Frauen] eingelassen“ hatte, wog schwer und barg die Gefahr, dass er nicht nur seines persönlichen Ansehens, sondern auch der „ des notar¯“ verlustig ging. 558 Johannes war ein Lebemann gewesen, der zwar of ziell „auff universiteten (. . . ) etwa dreijzahen jahren studir[t]“, während dieser Zeit aber hauptsächlich sein Leben in vollen Zügen genossen hatte. Er hatte gezecht, den Mädchen der näheren Umgebung schöne Augen gemacht und wohl der einen oder anderen mit Versprechungen und Hinweisen auf seine künftig winkenden Verdienstmöglichkeiten Heiratsversprechen abgenommen. Anscheinend war dieser Teil von Johannes' Leben so weit

554 Baldus de Ubaldis (Baldus de Ubaldis, Praelectiones zu Cod. 4.21.15. Nr. 7, ed. 1556, fol. 64 r) vertrat, dass Notare, die nachweislich gegen Gesetze verstoßen hatten, nicht mehr glaubwürdig beurkunden durften. Dazu auch Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 99. 555 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 70ff.; Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. D (Q 9), S. 4 f.; StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6; StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum; dazu ausführlich S. 251 ff. 556 Zur Verbindung von Zeugenfähigkeit und Armut S. 174 ff. 557 StA HH, RHR 211-1, Nr. 102. 558 StA HH, RHR 211-1, Nr. 102, Q 1, Beilage Lit. B Libellus Appellationis nullitatis (. . . ), fol. 7 v f.

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bekannt, dass ein Bestreiten nicht lohnte. Er legte aber Wert darauf und brachte dafür auch Zeugen bei, dass er mit keiner dieser Frauen jemals die Ehe vollzogen hatte. Ob die Zeugenaussagen Johannes' Ruf zuträglich waren, wissen wir nicht. Die Akte schweigt dazu. Wenn es um die Herstellung des in Zweifel gezogenen Ansehens ging, waren die Möglichkeiten begrenzt. Neben einfachen Zeugenaussagen, wie im geschilderten Fall, nden sich auch schriftliche Glaubwürdigkeitsbescheinigungen, so zum Beispiel im Injurienprozess von Susanna und Simon Azuardo gegen Adrian Cornelius 559: Simon war ein belgischer Kaufmann, der sich in Hamburg niedergelassen hatte und in dessen Diensten der damals 20-jährige Adrian stand. Adrian wohnte im Haushalt seines Herrn. Dort lebte auch Susanna, die anscheinend recht attraktive Schwester Simons. Als Adrian noch vor der Zeit aus den Diensten seines Herrn entlassen wurde, machte in Hamburg ein Gerücht die Runde. Danach hat sich Adrian – sehr zum Gefallen anderer junger Kaufmannsgesellen – öffentlich damit gebrüstet, bei Susanna geschlafen zu haben. Als Simon zufälligerweise auf der Börse von diesem Gerücht erfuhr, wollte er diese Ehrkränkung nicht auf sich und seiner Schwester sitzen lassen und legte eine Injurienklage ein. Im Verfahren bestritt Adrian, die Gerüchte in die Welt gesetzt zu haben. Man verhörte daher die jungen Männer, denen Adrian angeblich von seiner Eroberung erzählt hatte. Nicht weniger als 17 Zeugen wurden vernommen und jeder der Vernommenen kannte die Geschichte. Tatsächlich fand sich aber nur eine Person, die bestätigte, sie auch von Adrian persönlich gehört zu haben – der Notar Ruttens. Alles hing nun von seiner Glaubwürdigkeit ab. Adrian versuchte den Leumund des Notars zu schädigen, indem er vortrug, Ruttens sei ehemals ein Jesuit gewesen, der wegen Notzucht und Unterschlagung inhaftiert gewesen und nachher ge ohen sei, um sich dann den Calvinisten anzuschließen. Simon hingegen versuchte, Ruttens Glaubwürdigkeit zu untermauern, indem er auf die Notarwürde verwies und ein Zeugnis Hamburger Kaufleute beibrachte, in dem diese bestätigten, dass Ruttens sich im Rahmen seiner Notartätigkeit immer ordentlich betragen habe. Letztendlich kam es auf das Zeugnis der Kaufleute nicht mehr an. Es gelang Adrian nachzuweisen, dass Susanna schon einige Jahre zuvor ein uneheliches Kind geboren hatte, das aber früh verstorben war. Vor diesen neuen Erkenntnissen war dann grundsätzlich fraglich, ob man unzüchtige Personen mit einer Aussage wie der Adrians überhaupt beleidigen konnte. Eine weitere Möglichkeit, den guten Ruf wiederherzustellen und damit auch den Makel in der urkundlichen Beweiskraft zu beseitigen, bestand in der Erhebung einer Injurienklage (Beleidigungsklage). Die Instrumentalisierung von Beleidigungskla-

559 Überliefert in Brinkmann, Aus dem deutschen Rechtsleben, S. 272ff.

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gen zur Erreichung eines über die Klage hinausgehenden Zwecks ist bislang nur im Zusammenhang mit Zaubereibeschimpfungen belegt. 560 Als Mittel zur Wiederherstellung der angegriffenen persönlichen und damit mittelbar auch der urkundlichen des wurde sie, soweit ersichtlich, noch nicht gesehen. So legte beispielsweise der Notar Isaac Kochen eine Injurienklage ein, weil sein Ruf ruiniert worden war. 561 Als Isaac vor das Reichskammergericht zog, war er bereits völlig verarmt. Mit der Verurteilung seiner Gegner hoffte er, seine Familie von den größten nanziellen Sorgen befreien zu können. Außerdem ging es ihm anscheinend auch um die Wiederherstellung seines Rufes, auch wenn er das nicht ausdrücklich als Motiv benennt. Aber Aussagen wie die, dass er, wenn er nichts unternehme, fürchte, sein Name würde als Synonym für untaugliche Notare schlechthin in die Geschichte eingehen und er mit diesem Ruf nie wieder beurkunden könne 562 usw., lassen kaum Zweifel daran, dass Isaac sich von der Klage eine Verbesserung seines Rufs erhoffte. Mit einem stattgebenden Urteil konnte Isaac auf verschiedene Weise geholfen werden: Zum einen erhielt er eine nanzielle Entschädigung – auch wenn eine Verurteilung zur Zahlung der von Isaac geforderten 2000 Reichstaler der Höhe nach nicht wahrscheinlich war. 563 Zum anderen wurde dem Beklagten für gewöhnlich auferlegt, die ehrverletzende Äußerung in Zukunft zu unterlassen. Ob darüber hinaus mit einer Injurienklage der beschädigte Ruf soweit hergestellt werden konnte, dass der Notar wieder glaubwürdig beurkunden konnte, wurde jedenfalls in der Literatur bezweifelt. 564 Es ist gut möglich, dass auch nach einem erfolgreichen Verfahren 560 Z. B. Gudrun Gersmann, Gehe hin und verthedige dich! Iniurienklagen als Mittel der Abwehr von Hexereiverdächtigungen – ein Fallbeispiel aus dem Fürstbistum Münster, in: Sibylle Backmann [u. a.] (Hrsg.), Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit. Identität und Abgrenzung [Colloquia Augustana, Bd. 8], Berlin 1998, S. 237ff.; Ralf-Peter Fuchs, Um die Ehre – Westfälische Beleidigungsprozesse vor dem Reichskammergericht 1525– 1805 [Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 28], Paderborn 1999, S. 289ff. 561 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49. 562 Er befürchtete, dass „wenn jemals in Deutschland ein Notarius in seinem Amte was verbrechen würde, es als dann heiße, das ist der andere Kochen“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 69 ff., S. 73, Q 3 Supplication, fol. 7 v ff. 563 Ralf-Peter Fuchs konnte in seiner Arbeit „Um die Ehre“ nachweisen, dass die ausgeurteilten Geldsummen regelmäßig weit unter den geforderten lagen, s. Fuchs, Um die Ehre, S. 320. 564 Schon Salatiele nahm im 13. Jahrhundert an, dass, wenn der Ruf einer Person einmal beschädigt wäre, unterschwellig weiterhin angenommen werden würde, dass sich ein verwerfliches Verhalten wiederhole. S. Salatiele, Ars notarie I prohemium, S. 10, S. 12. So auch Petrus de Unzola, in: Rolandinus, Summa (Tractatus notularum), ed. 1546, fol. 407 r. Dazu Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 31. Auf die Grenzen der Wirksamkeit von Injurienverfahren zur Abwehr des Hexereiverdachts s. Fuchs, Um die Ehre, S. 319.

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der Ruf nicht gänzlich wiederhergestellt wurde und weiterhin ein Schatten auf dem Leumund des Notars lag, der potentielle Auftraggeber von einer Requisition abhielt. 565 In den untersuchten Akten ndet sich jedenfalls kein notarielles Schriftstück, das ein Notar nach einer erfolgreichen Injurienklage errichtet hatte. Das Ergebnis ist trotzdem kaum aussagekräftig, denn von den allermeisten Notaren, auch von denjenigen, deren Ruf nie angezweifelt wurde, lassen sich jeweils nur einzelne Urkunden nachweisen. Der Kreis der Nutznießer einer Injurienklage war aber nicht auf den jeweiligen Kläger begrenzt. Noch eine andere Person pro tierte enorm von einem stattgebenden Urteil: nämlich derjenige, für den der Notar bereits beurkundet hatte und dessen Urkunde bei einem fortbestehenden schlechten Ruf eine Einstufung als suspect oder gar unglaubwürdig drohte. Ein Urteil, mit welchem dem Notar ein tadelloser Ruf bescheinigt wurde, hatte sicherlich hohe Indizwirkung, wenn die Glaubwürdigkeit bereits gefertigter notarieller Schriftstücke in Frage stand. Durch eine gerichtliche Rehabilitierung des angezweifelten Rufs konnten Urkunden zu ihrer alten Glaubwürdigkeit zurückgelangen. Tatsächlich lassen sich Fälle nachweisen, in denen sich die betroffenen Urkundsparteien erfolgreich für den verleumdeten Notar einsetzten. So schickte beispielsweise der Baron Doubskij Bittschriften an den

565 Anhaltspunkte, wie hartnäckig sich ehrenrührige Gerüchte halten, s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 2, Untersuchungsakten der Prätur um 1750, worin ein Notar klagt, dass sein Ruf „wol auff ewiglich“ ruiniert sei und dass ihn seine Situation an Leukippe erinnere. Vermutlich ist hier die griechische Erzählung „Leukippe und Kleitophon“ des Achilleus Tatios gemeint: „Das Gerücht und die Verleumdung sind zwey nahe verwandte Uebel. Jenes ist die Tochter von dieser. Die Verleumdung ist, schärfer, als ein Schwerdt, heftiger, als das Feuer, überredender, als die Sirenen. Das Gerücht ist schlüpfriger, als das Wasser, schneller, als der Wind, behender, als der Vögel ug. Wird von der Verleumdung eine Sage abgeschickt, so iegt diese gleich einem Pfeile davon und verwundet den Abwesenden, gegen welchen sie gerichtet ist. Wer sie hört, läßt sich sogleich von ihr einnehmen und, von Zorn entbrannt, wüthet er gegen den Verwundeten. Das dadurch entstandene Gerücht greift schnell um sich und be uthet die Ohren eines jeden, der ihm begegnet. Vom Hauche der Rede getrieben verbreitet es sich nach allen Seiten und eilt schnell dahin, vom Flügel der Zunge gehoben. Diese kämpfen jetzt beyde gegen mich; sie haben deine Seele eingenommen und meinen Reden die Pforten deiner Ohren verschlossen“, s. in deutscher Übersetzung: Friedrich Ast, Leukippe – Ein Roman aus dem Griechischen des Achilles Tatios, Leipzig 1802, S. 258 f.

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Kaiser 566 und stellte dem Notar sogar (s)einen Anwalt für die Beleidigungsklage am Reichshofrat zur Seite. 567 Der Kommentator zu Johann Christoph Nehrings „Manuale Notariorum Latino-Germanicum“ schreibt, dass ein „Instrument, wenn es vim probandi haben soll[e], von einem Notario verfertiget seijn [müsse], welcher legitime creiret worden, und sich gehöriger massen legitimiren“ könne. 568 Neben dem guten Leumund der Privatperson bedurfte es also der Amtseinsetzung. Erst die Investitur erhöhte die für die Amtseinsetzung vorausgesetzte Glaubwürdigkeit der Privatperson zur besonderen des des Notars. Nur für den ordentlich ernannten Notar galt eine Glaubwürdigkeitsvermutung („semper praesumtio est pro Notario, quod vera dixerit & scripserit“ 569), nicht aber für den Privatmann, der zur Veri zierung der Aussage, unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung, immer der Bestätigung mindestens eines weiteren Zeugen bedurfte. 570 Der Stimme eines Notars wurde gegenüber der einer Privatperson ein höheres Gewicht beigemessen. Uneins war man sich in der Frage des Stimmgewichts. Für gewöhnlich stellte man die Stimme des Notars mit 1,5 bis drei „einfachen“ Zeugenaussagen gleich. Die wohl herrschende Ansicht ging

566 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1. 567 Ebda., fol. 2 v, nach dem dem „Anwaldt(. . . ) [des] H: Baron Doubskij (. . . ) [aufgetragen wurde, sich des] unschuldig bedienten Notarij eijfrig (. . . ) anzunehmen“. 568 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27; so auch Giacomo Menochii, De praesvmptionibvs coniectvris, signis, et indiciis commentaria, Venedig 1587, Vol. 1 L. II Praes. LXXVIII (fol. 77 r ff.) und Josephus Mascardus, Conclusiones probationum (. . . ), Frankfurt 1661, Vol. III Concl. MXXXVIII, n. 3 f. (S. 111). 569 Benedict Carpzov, Processus Iuris in Foro Saxonico (. . . ), Jena 1663, Tit. II Art. V n. 57 (S. 74). 570 Zur Unterscheidung von ganzen und halben Beweisen: Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 77; Gaill/Loncium, Practicarum observationum (1673), L. II Obs. 66 No. 11 f. (S. 230). Das Erfordernis zweier oder dreier Zeugen zur Erbringung eines glaubwürdigen Beweises wird aus der Bibel (Mt 18,16; Dt 19,15; Dt 17,6; Joh 8,17; 2 Kor 13,1) sowie aus D. 22.5.12 hergeleitet. Dazu auch Alexander Ignor, Art. Urkundenbeweis, in: HRG V (1998), Sp. 577ff., Sp. 579f.; Lepsius, Zeugenbeweis im gelehrten Recht, S. 189 f. Ausnahmsweise konnte ein fehlender zweiter Zeugenbeweis durch den Eid einer Partei ergänzt werden, wenn die zu beweisende Behauptung zu einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad stimmte. S. Mathias Alber, Protokollbuch, Regest 65 (S. 1166).

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von einem doppelten Gewicht aus. 571 Diese Ansicht setzte sich auch in Hamburg durch. 572 Deutlich zeigten sich die doppelte Stimmgewichtung und die Kopplung der des des Instruments an die Glaubwürdigkeit des Notars dort, wo in der Literatur die Widerlegung notarieller Urkunden durch Zeugenbeweis diskutiert wurde. Grundsätzlich erachtete man dazu mindestens drei Zeugen für notwendig. 573 Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die urkundliche des neben den einzuhaltenden Formalien maßgeblich von der Glaubwürdigkeit des Notars, dessen Aussage doppelt zählte, getragen werde. Wollte man die Wahrheitsvermutung des Instruments durch Zeugenbeweis stören, benötigte man, nach Ansicht der Literatur, daher mindestens eine Stimme mehr als diejenigen, die dem Schriftstück ursprünglich zum Glauben verholfen hatten. 574 In der Praxis konnte sich diese Meinung jedoch nicht durchsetzen. Für gewöhnlich genügte die Aussage eines glaubwürdigen Zeugen, um an der Glaubwürdigkeit des Instruments zu rütteln. Zwar wurde damit die des-Wirkung noch nicht widerlegt, jedoch genügte dies, um die Urkunden suspect zu machen, sodass die Schriftstücke ihre Wahrheitsvermutung nicht entfalten konnten. Aber welche Voraussetzungen hatte ein Notar neben der persönlichen Vertrauenswürdigkeit und einem tadellosen Leumund zu erfüllen, bevor er sich zum Notar ernennen lassen konnte?

571 „Notario non plus credi debet, quàm duobus viris de dignis“, s. Richteri, Decisiones Juris Variae (1698), Lib. III Dec. CXIII n. 24 (S. 43); so auch Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), S. 84. „[E]in Notarius [wird] zwey und bisweilen drey Zeugen gleich geachtet“, s. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 333m. w. N. Der Notar „repraesentat duos testes“, s. Stephani, Tractatvs de Ivrisdictione (1611), Lib. II P. II Cap. V n. 35 (S. 371). „Gleichwohl aber wirt ein Notarius wegen seines tragenden wichtigen Ampts / zweyen Zeugen gleich geachtet / und ihme so viel Macht und Glauben zugestellet“, Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 8. Brunnemann (ders., Vade mecum notariale (1774), S. 20) unterscheidet hingegen zwischen unterschiedlichen Handlungen, die der Notar vollzieht. „[B]ey Insinuationen, Obligationen und andern Geschäften gleicher Gattung, die sein Amt betreffen, gilt sein Zeugniß zwar nicht so viel, als zween beeidigter doch aber mehr als eines unverwerflichen, etwa so viel als anderthalb vollgültige Zeugen. (. . . ) Zur Vidimation ist sein Zeugniß allein zureichend; doch wenn die Execution soll vollzogen werden, müssen dem Ricter zuvor die Originale überreicht weren. Außerhalb seines Amts aber, und da er nicht requirirt ist, gilt sein Zeugniß nichts mehr, als eines andern simplen Zeugen“. 572 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXV, Codex B „Vor enen hebben“, (Eichler, S. 202f.). 573 Oesterley, Deutsches Notariat II, S. 706 ff. 574 Ebda., m. w. N.

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(1) Amtseinsetzung: Person – Fähigkeiten – Kenntnisse In der Intention, Missstände zu beseitigen, die unter anderem von persönlichen Unzulänglichkeiten der ernannten Notare herrührten, legte Kaiser Maximilian I. in der Reichsnotariatsordnung die Grundvoraussetzungen zur Erlangung der Notarwürde fest: Neben der allgemeinen Zeugnisfähigkeit – unbescholtener Leumund, Volljährigkeit, freie Geburt, männliches Geschlecht, durchschnittliche körperliche Funktionen, zumindest bis zum Ende des Ancien Régime die christliche Religion 575 – wurden ein gewisses Maß an Bildung und praktischer Erfahrung, vor allem in der Diplomatik und im Recht, außerdem mindestens Kenntnisse der deutschen und lateinischen Sprache verlangt. 576 Die Einhaltung dieser Voraussetzungen sollten die Hofpfalzgrafen vor der Ernennung des Notaranwärters überprüfen. Dies scheint anhand verschiedener Fragenkataloge geschehen zu sein. Es sind zahlreiche solcher Examensprotokolle überliefert, die sich jedoch deutlich voneinander unterscheiden. Die publizierten Prüfungen, wie beispielsweise das „Handbuch eines angehenden Notarius in Fragen und Antworten“ 577, sind – obgleich in ein Frage-AntwortSchema gegossen – wie ein Lehrbuch verfasst und bilden nahezu das gesamte Spektrum des notariellen Arbeitsbereiches ab, von Besonderheiten der Beurkundung bis zu rechtlichen Grundkenntnissen der Vertragsgestaltung. Diese Werke haben den Anspruch, über die abgebildete Prüfungssituation hinaus als Nachschlagewerke zu dienen, mit deren Hilfe sich der „Notarius (. . . ) gründlich belehren und Rath(..) erholen“ konnte. 578 Bedeutend kürzer sind die überlieferten handschriftlichen Originalprüfungsprotokolle Hamburger Notaranwärter. 579 Auch sie sind im Frage-Antwort-Schema aufgebaut. Ein Unterschied zu den publizierten Prüfungen ist besonders auffällig: Während bei den publizierten Prüfungen der Schwerpunkt auf der Notartätigkeit 575 Die Übernahme eines Notariatsamtes war für Andersgläubige erst nach ihrer Emanzipation bzw. mit dem Erhalt der rechtlichen Gleichstellung möglich (für diesen Hinweis sei Friedrich Battenberg herzlich gedankt). Jutta Braden datiert den ersten jüdischen Notar Hamburgs in das Jahr 1784 (dies., Abraham Meldola, ein jüdischer kaiserlicher Notar am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden (1996), S. 507 ff.; Jutta Braden, Juden im Hamburgischen Notariat 1782–1967, in: Bernt Ancker und Rainer Postel (Hrsg.), 1811–2011. Das Hamburgische Notariat in Geschichte und Gegenwart, München 2011, S. 59ff.). 576 §§ 2; 4; 6; 19 RNO. Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 5. Aus neuester Zeit: Repgen, Hamburgs Notare, S. 372 f. Dazu auch S. 93 ff., S. 194 ff. 577 Z. B. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774); Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), Lib. I. 578 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 6. 579 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1 c 7. Es handelt sich dabei um Aktenkopien. Die Originale sind in Helmstedt archiviert.

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als solcher lag, dominierten bei den Originalprotokollen Fragen zu den persönlichen Umständen, zur Bildung, dem Werdegang und zum familiären Umfeld. Fragen zur praktischen Erfahrung und zu Kenntnissen der Notartätigkeit beschränken sich auf die mehr oder weniger wörtliche Wiedergabe der RNO-Regelungen, die den Kandidaten abverlangt wurde. 580 Der Hofpfalzgraf war dazu aufgefordert, nur geeignete Kandidaten zu ernennen. 581 Hinsichtlich dessen, wen er für geeignet hielt, war er jedoch ausschließlich „seinem Gewissen“ verp ichtet. 582 Nicht gerade selten liest man von Fällen, in denen sich Hofpfalzgrafen durch Notarernennungen ein Zubrot verdient haben sollen und es dafür mit der Eignung der Kandidaten nicht so genau nahmen. 583 Besonders gerne wird der Fall des Freiherrn Vöhlin zitiert, der zur Mitte des 18. Jahrhunderts in großen Teilen Schwabens eine regelrechte „DiplomenKrämerei“ betrieben habe. 584

580 Ebda. 581 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 184. 582 Ebda. Selbst in Arbeiten, in denen ausdrücklich einen Examinierung des Notars gefordert wird, wie zum Beispiel Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 15, wird nur von der Verp ichtung, die Tüchtigkeit und Geschicklichkeit vor der Ernennung zu überprüfen, gesprochen. Dies solle entweder durch den Hofpfalzgrafen oder eine Juristische Fakultät geschehen. Es wird aber kein Prüfungsmaßstab festgesetzt. Im Ergebnis blieb es also bei der willkürlichen Entscheidung des Ernenners. 583 Mit Blick auf solche Missstände wurde in die Wahlkapitulation Ferdinands IV. in Art. 17 I. 2 eine Klausel aufgenommen, nach der der Kaiser seine Palatinatsträger wegen diverser Missbrauchsvorwürfe stärker kontrollieren sollte, s. Joseph Anton von Riegger, K. Joseph des II. harmonische Wahlkapitulation mit allen vorhergehenden Wahlkapitulationen (. . . ), Prag 1781, S. 589. Auch in der neueren Literatur wird die These vertreten, nach der insbesondere „ungenügende Kontrolle[n] und eine großzügige Praxis bei der Notarernennung“ für die Missstände im Notariatswesen verantwortlich seien (G. Dolezalek/K.-O. Konow, Art. Notar, Notariat, in: HRG III (1984), Sp. 1043ff., Sp. 1045). 584 Besonders ausführlich berichtet August Ludwig von Schlözer, dass sich durch Vöhlins Wirken „in einem Umkreise von mehreren Meilen um den Baron Vöhlinschen WonSitz, fast kein Beamter, kein Schreiber, kein Advocat (. . . ) [befunden habe], der nicht mit einem HochFreiherrl. von Vöhlinschen Nobilitäts, Palatinats-, Doctorats-, oder LicentiatsDiplom, um 20 bis 50 erkauft“, ausgestattet war. Obwohl allerlei untaugliche Personen von Vöhlin mit Titeln ausgestattet worden waren, so Schlözer, boten die örtlichen Territorialgewalten Vöhlins Treiben erst Einhalt, als ein Barbier und Wundarzt ein Wappenund Palatinatsdiplom beim Rat von Augsburg einreichte, um es of ziell anerkennen zu lassen. Anstatt dem Barbier antragsgemäß zu bescheiden, wandte sich der Rat an den Kaiser, der durch den Reichs skal ein Reichshofrats-Conclusum betrieb, woraufhin Vöhlin auf sein Palatinat verzichtete, s. Schlözer, Briefwechsel (1782), S. 258ff. (Zitate S. 263, S. 259f.). Zum Fall Vöhlins unter anderem auch: N. N., Ganz neu etablierten Doktoren- Notarien- und gekrönte Poeten-Fabrik des heßischen Regierungsrathes Hetzel in Altona und Hamburg, in: Hamburg und Altona – Eine Zeitschrift zur Geschichte der Zeit, der Sitten und des Geschmaks, 2. Band, 4.–6. Heft, Hamburg 1802, S. 170ff.

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Aber auch im Hamburger Bereich lässt sich ein ähnlich gelagerter, wenn auch nicht annähernd so berühmter Fall nachweisen. Dieser ereignete sich ca. 20 Jahre nach Vöhlin um 1800 in Altona. Unrühmliche Bekanntheit erlangte er unter dem Namen die „Notarien- (. . . ) Fabrik“ 585 des Herrn Hetzel. Hetzel, ein ehemaliger Gießener Rechtsprofessor, hatte dem akademischen Leben den Rücken gekehrt und war nach Altona gekommen, um dort „um den civilsten und billigsten Preis“ Titel, insbesondere Notar- und Doktortitel, zum Kauf anzubieten. Wer ein „solche[s] Fabrikat(. . . ) erhalten, oder, um richtiger zu reden, sich selbst zu einem solchen Fabrikat stempeln zu lassen [wollte, hatte] (. . . ) sich mit drei, vier, fünf oder sechs Louis d'or, oder je nachdem der verlangte Stempel im Preis st[and], unmittelbar an den Unternehmer zu wenden, von welchem die Angelegenheit in kurzer Zeit abgethan“ 586 wurde.

Wie stark Hetzels Angebot tatsächlich genutzt wurde, ist nicht überliefert. Vermutlich hielt sich die Nachfrage in Grenzen. Von ungelehrten Personen käuflich erworbene Titel waren, solange der Kauf nicht bekannt war, allenfalls Prestigeobjekte. Grund dafür waren das Recht der freien Notarwahl und die Tatsache, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des Notars sich unmittelbar auf die Glaubwürdigkeit der von ihm verfassten Urkunden niederschlug. Für gewöhnlich griffen Menschen auf ortsansässige, ihnen bekannte Notare zurück. Ein Notar, der über keine notariatsrechtlichen Kenntnisse verfügte, sich als untauglich erwiesen hatte oder von dem zumindest angenommen wurde, dass er untauglich sei, wurde wegen der negativen Folgen für die Glaubwürdigkeit seiner Urkunden nicht requiriert. 587 Es bestand (Beitrag Nr. IV), S. 174 f.; Albrecht Weyermann, Neue historisch- biographisch-artistische Nachrichten von Gelehrten und Künstlern (. . . ), Fortsetzung, Ulm 1829, S. 574. Zum Umfang der Missbräuche Vöhlins: Hofpfalzgrafen-Register, Lieferung 2. 585 N. N., Notarien-Fabrik (1802), S. 170 ff. 586 Ebda., S. 171. Die Kaufsummen entsprechen bei einem Umrechnungskurs von 1 Louis d'or = 10 Gulden ungefähr den Preisen Vöhlins. Es scheint also einen deutschlandweiten Markt mit recht einheitlichen Preisen für den Handel mit Titeln gegeben zu haben. 587 Das ndet Bestätigung in zahlreichen Verweisen auf Notare, die sich nach einer Rufmordkampagne darüber beklagen, dass sie wegen des „Miscredit[s]“, in den sie gekommen waren, keine Aufträge mehr erhielten, weshalb ihr ehemals „sehr ergiebige[s] Notarialamte“ kaum mehr dazu diene, die Familie zu unterhalten, weil Aufträge „sehr kümmerlich oder, nicht wahrer zu werden, gar nicht gefunden“ werden konnten, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 69 f. Auch weisen die statistischen Zahlen darauf hin, dass nicht etwa ein mangelndes Angebot an Notaren die Auftraggeber zur Inanspruchnahme unquali zierter, untauglicher Notare zwang. Die Anzahl der Notare in Hamburg blieb über mindestens 200 Jahre im Verhältnis zur Einwohnerzahl konstant (s. Auflistung der in Hamburg tätigen Notare im Anhang). Die Tatsache, dass die Anzahl einerseits nur absolut und nicht relativ steigt sowie andererseits sich die Anzahl der städtischen Schreiber in einem ähnlichen Rahmen hält, wobei ein leichtes Plus zu

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sozusagen eine darwinistische Qualitätssicherung. Ein gekaufter Notartitel war deshalb wohl kaum lohnenswert. Inwieweit ein Notartitel im völlig auf Handel ausgerichteten Hamburg allein des Titels wegen prestigeträchtig war, ist außerdem fraglich. Daher, so die Einschätzung des Autors, der Hetzels Fall überlieferte, hätte sich „[e]in rechtlicher Mann (. . . ) nicht leicht entschl[oss]en, sich von einem bloßen Hofpfalzgrafen zum Doktor, Licentiaten oder Magister, und eben so wenig zum Notarius machen zu lassen. Er ist alsdann nur ein Doctor bullatus[588] (zu Deutsch BullenDoktor). (. . . ) Will Jemand ein Bullen-Doktor seyn, so mag ers für sein baares Geld werden, und ich gönne die Louis d'or, welche aus der Tasche dieser Thorheit verzettelt werden, Hetzeln eben so gern, als irgend einem andern Hofpfalzgrafen. Ich klage ihn [Hetzel] nur des Mißbrauchs wegen beim Publikum an, und warne einen Jeden, die schönen, goldenen Louis d'or erst dreimal mit der geizigsten Sorgfalt abzuwiegen, ehe er sie für ein solches Fabrikat ausgiebt“. 589

Unzweifelhaft stand aber fest, dass solche Titelkäufe eine besonders dreiste Art waren, „den Leuten Sand in die Augen [zu] streuen“. 590 Soweit sich das nachvollziehen lässt, überprüfte das Gros der Hofpfalzgrafen die Hamburger Anwärter recht gewissenhaft. Die Archivalien zu ihrer Ernennung enthalten häu g detaillierte Schilderungen zu ihrem Leben, ihrer Bildung und ihrem familiären Hintergrund. Ob die Hofpfalzgrafen sich für diese Angaben Nachweise vorlegen ließen oder ihre Verlässlichkeit sonst kontrollierten, ist unbekannt. 591 Es nden sich lediglich Hinweise, nach denen die Angaben des Kandidaten „glaubwür-

588

589 590 591

Gunsten der kaiserlichen Notare zu verzeichnen ist (vgl. dazu Schuback, Verzeichniß der Mitglieder des Raths), spricht dafür, dass die Anzahl der Notare ungefähr der städtischen Nachfrage entsprach und untaugliche Notare höchstens vereinzelt auftraten. Ein doctor bullatus ist eine Person, die ihr Diplom nicht von einer Universität, sondern von einem Pfalzgrafen mit Siegel (bulla) erhält. Der Begriff wird meist in einer negativen Konnotation benutzt, um herauszustellen, dass es dem jeweiligen Beliehenen an der erforderlichen Quali kation mangelt. N. N., Notarien-Fabrik (1802), S. 175 f. Ebda., S. 172. Vermutlich wird das Überprüfungsverfahren im Rahmen der Ernennung mit dem bei der Immatrikulation vergleichbar gewesen sein. Dabei war der Notar verp ichtet, verschiedene schriftliche Zeugnisse im Original vorzulegen (z. B. Geburtsurkunde zum Nachweis des Alters, der ehrlichen und freien Geburt; das Zeugnis des Rates zur Integrität und Legalität des Notars), s. Fridericvm Ortlepivm, Examen Notariorum immatriculandorum, Helmstedt 1592, fol. 5 v ff., fol. 8 v; Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), Lib. II, S. 194 ff.

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dig beygebracht worden“ 592 seien. Dass der ernennende Hofpfalzgraf die Anwärter persönlich kannte, ist nicht wahrscheinlich, denn die Mehrzahl der Hamburger Notare wurde bis zum Übergang des 18. zum 19. Jahrhundert von Palatinatsträgern ernannt, die außerhalb Hamburgs ansässig waren. Seit dem 17. Jahrhundert wurden die meisten Hamburger Notare durch die Universität Helmstedt kreiert. 593 Welche Fähigkeiten die Kandidaten im Einzelnen vortrugen und welchen Hintergrund sie für sich in Anspruch nahmen, soll an einigen Beispielen verdeutlicht werden – zunächst anhand der Angaben des eingangs erwähnten Dietrich Möller: Dieser war schriftkundig, muttersprachlich deutsch, daneben beherrschte er ießend die lateinische und die spanische Sprache. Er stammte aus gutem Elternhause und hatte einen angesehenen Vater. In seiner Kindheit hatte er eine ordentliche christliche Erziehung genossen und vertrat dementsprechend christliche Werte. Er war religiös, rechtschaffen und gebildet. Für den Hofpfalzgrafen Johannes Rist sprach also nichts dagegen, Dietrich „kraft [s]einer habenden Gewalt und kaiserlichen Freiheit“ zu „einem kaiserlichen Notario, öffentlichen Schreiber und Richter zu creiren (. . . ), ihme auf sölch offnes Notariat, Tabellionat und richterlich Amt samt allen und jeden desselben gebührenden Privilegien, freiheiten, gnaden, ehren und Vortheilen, Recht und Gerechtigkeiten zu verleihen (. . . ), [wo]durch (. . . ) [er im] ganze[n] heilige[n] Römische[n] 592 Siehe zum Beispiel das Notarzeugnis des Johann Christoph Nehring (überliefert in: Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 204ff., bes. S. 206. 593 Einleitung zu: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1 c 7, obwohl sich auch in Hamburg Hofpfalzgrafen nachweisen lassen, beispielsweise hielt der Hamburger Syndicus Vincent Garmers ein solches Privileg (s. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 3, Copia Beijlagen, Beijlage I, fol. 1 v), ob er jedoch davon Gebrauch machte, ist ungeklärt. Seit 1677 ein Verfahren wegen Hochverrats am Rat gegen ihn anhängig war, ist schwer vorstellbar, dass ihn geeignete Kandidaten um eine Amtseinsetzung baten. An der Universität Helmstedt wurden zwischen 1576 und 1806 750 Notare kreiert, s. Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 50. Schmoeckel nennt diese Zahl unter anderem als Nachweis für die zügellose Ernennungspraxis der Hofpfalzgrafen. Das sind aber statistisch gesehen nur drei Notarernennungen im Jahr. Wenn darüber hinaus noch in Betracht gezogen wird, dass die Universität Helmstedt viele Hamburger Notare ernannt haben soll und damit mindestens einen Einzugsbereich für Notarkandidaten von ca. 200km aufwies, muss diese auf den ersten Blick große Anzahl ernannter Notare stark relativiert werden. Gleiches gilt für das gesamte Reichsgebiet: Arndt (zitiert nach Ciriacy-Wantrup, Unternehmen der Renaissance, S. 36) hat für die Zeit von 1355 bis 1806 ca. 2500 Verleihungen der großen Comitive errechnet. Seinen Schätzungen nach folgten darauf ca. 2500 Verleihungen der kleinen Comitive. Das sind in 451 Jahren ca. elf Palatinatsträger im Jahr. Wenn jeder einzelne dieser Hofpfalzgrafen sechs Notare ernannte, also immerhin doppelt so viele, wie die Universität Helmstedt durchschnittlich im Jahr ernannte, sind das nur 66 Notare pro Jahr im gesamten Heiligen Römischen Reich.

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Reich und dero kaiserlichen Maiestätt Erblanden, in jeden Gerichtlichen und anderen Handlungen, Contracten, Testamenten, letzten Willen und allen anderen Sachen und Geschäften, sölchs Amt berührend, gebrauch[t] [und den Schriftstücken] sein Ihm hierin con rmiertes Signet auf drükken“ 594 durfte.

Ähnlich quali ziert scheint auch der Kandidat, den Arnold Henrich von Möller zum Notar machte, gewesen zu sein. 595 Zwar konnte er nur Deutsch und Latein als Sprachkenntnisse aufweisen, er hatte aber bereits eine beachtliche Berufserfahrung. Denn bevor er zum kaiserlichen Notarius ernannt wurde, war er als Schreiber beim Reichskammergericht tätig gewesen, wo er detaillierte Kenntnisse in Kameralsachen erlangt hatte. Aber einen guten Notar zeichneten nicht nur seine Kenntnisse zum Zeitpunkt der Ernennung aus. Nicht wenige begaben sich nach ihrer Ernennung in eine Art Lehre bei einem bereits etablierten Notar. 596 Eine P icht zur Ableistung einer solchen Lehrzeit bestand offenbar nicht. Erste berufliche Erfahrungen und vor allem während der Lehrzeit geknüpfte Kontakte werden den Berufseinstieg aber erleichtert haben. So scheint dies zumindest bei Christoph Heinrich Hoyer der Fall gewesen zu sein, der sein neu eröffnetes Notariat in einer Werbeanzeige des „Hamburger Correspondenten“ bewarb, in der er auf seine frühere Assistentenstellung beim Notar Lambrecht verwies: „Den respectiven Herren Kauf- und Handelsleuten dieser Stadt Hamburg hat Christoph Heinrich Hoyer, Notarius Caesar. public.& jurat. welcher bekanntermassen dem Notario Lambrecht als Adjunctus in den principalesten Verrichtungen bisher aßistiret hat, die Ehre zu eröfnen, daß er nunmehro selbst für sich allein arbeite, und das bekannte Blanckische Comtoir, neben der Börse, angetreten, und in allen Notarial- und Translations-Angelegenheiten, einem jeden redliche und fordersame Bedienung leisten wird, mit der Versicherung, daß sowohl beij Ausfertigung der Notarial-Documenten, als beij den Translationen alle Accuratesse beobachtet und niemand unbilliger Weise übersetzet werden solle. Weshalb er um derselben Gewogenheit und Recommendation geziemend bittet.“ 597 594 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1 c 7. 595 Ebda. 596 Der Notar in „Ausbildung“ wird in den Akten meist als Adjunctus geführt. Er begleitet den Notar zu den Beurkundungen und wird häu g als notarieller Urkundszeuge zugezogen und schreibt die Urkunden aus dem Protokoll seines „Ausbilders“ ins Reine, sodass dieser die Urkunde nur noch vollziehen muss. Der Nachweis einer „Ausbildung“ verhalf dem Notar auch zu einer schnelleren Immatrikulation in die Notarrolle des Reichskammergerichts, denn eine gesonderte Examinierung scheint dann, wie beim Nachweis eines Rechtsstudiums, nicht mehr notwendig gewesen zu sein. 597 Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 7.3.1752, Nr. 38, S. 4.

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Auch er hatte also – wie viele andere beigeordnete Notare – zunächst bei einem Notar gelernt, bevor er selbständig wurde. Die in Akten und Urkunden überlieferten Beispiele verdeutlichen, dass die meisten Notariatsanwärter keineswegs ungebildet waren, wie ihnen das häu g vorgeworfen wurde, sondern eine umfassende Bildung durchaus der Regel entsprach. 598 Die Unterschriftenformeln enthalten häu g Hinweise auf die Eintragung des Notars in die Notarrolle des Reichskammergerichts 599 sowie akademische oder sonstige prestigeträchtige Titel, die ebenfalls Auskunft über den Bildungsstand und das soziale Ansehen des Notars geben. Die Notare bezeichnen sich als Syndicus, Magister, Juratus, kaiserlicher Camera Lector, städtischer Kanzlei- und Mühlenschreiber, Registrator, Archivar, Fourier beim kaiserlichen Regiment und so weiter. 600 Berufe, die auf ein niedriges Bildungsniveau oder auf eine mögliche Untauglich598 Anders sind die Darstellungen in der deutschen Notariatsliteratur, wobei dort häug die schwachen sprachlichen Kompetenzen thematisiert werden. Z. B. N. N., Notariatbuch (1535), Vorrede; wortgleich: N. N., Rhetorik und Teutsch Notariat (. . . ), Frankfurt 1556, Vorrede. Dort begründet der Verfasser die Herausgabe des Werkes in deutscher Sprache mit der Notwendigkeit, da alle vorherigen Notariatshandbücher „in Lateinischer sprach beschehen / welcher doch leyder so vil Notarien unkündig seind“. Zu Unrecht – so der Verfasser, ebenfalls im Vorwort – habe das deutsche Notariatswesen einen schlechten Ruf, er könne jedoch nicht bestreiten, dass sich auch solche Notare nachweisen ließen, die noch nicht einmal „wissen wöllen / daß sie nichts wissen“. Im Gegensatz dazu sah Moritz Breunle (ders., Cantzley büchlin (1546), Vorrede) das Problem weniger in der Abfassung der lateinisch gefassten Urkunden. Vielmehr habe die „Jugent [Probleme] Teütsche(..) Brieffe(..) zuschreiben“. Fast entschuldigend mutet dagegen der Verweis Brunnemanns auf ungelehrte Notare an (Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 6). Er begründet sein Werk zur Notariatskunst unter anderem mit der Notwendigkeit eines umfassenden Lehrbuches zum Notariatswesen, da besonders „an kleinen Orten, wo kein Gelehrter sich aufh[ie]lt, (. . . ) es bisweilen die Noth [erfordere], auch ungelehrte teutsche Notarien zu verstatten“. Auf diese ungebildeten Notare konnte man offenbar nicht verzichten. Ein gewisses Mindestniveau sollte daher die Literatur sicherstellen. Inwieweit „ländliche“ Notare von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machten/machen konnten, wurde bislang nicht untersucht. Im einzigen untersuchten Fall, in dem ein Notar vom einer kleinen Stadt nach Hamburg kann, verfügte der Notar über eine umfassende Bildung, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, dort insbesondere Q 8. 599 Beispiele für eine ausgefertigte Immatrikulationsurkunde: Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1719), S. 321 (für den bei der Eintragung am Reichskammergericht anwesenden Notar), S. 323 (für den abwesenden Notar); Ortlepivm, Examen Notariorum (1592), fol. 97 v ff. 600 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 8; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1763 VIII 12 (Ehezärter der Stegemester, Johannes und Spreckelsen, Anna Maria vom 12.8.1763 [MF: S 9261 D, 614]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1803 V 28 (Ehezärter der Vollmer, Peter Hinrich Basilios und Breckwoldt, Anna Hanna Elisabeth vom 28.5.1803 [MF: S 9261 D, 649]); StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Extractus Missiua, fol. 1 r; StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 4 Replicae, fol. 5 v; StA HH, RKG

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keit des Notars schließen lassen, fanden sich in den untersuchten Hamburger Akten nicht. 601 Verständlicherweise hätte ein Notar rufschädigende Tätigkeiten nicht selbst erwähnt, aber es wäre zumindest anzunehmen gewesen, dass Streitgegner sich eine so günstige Gelegenheit, den Notar in ein zweifelhaftes Licht zu rücken, nicht hätten nehmen lassen. Schon ein Fingerzeig auf persönliche Makel des Notars hätte zur Schädigung seiner und damit auch der urkundlichen des geführt. Von Menschen in angesehenen Positionen mit ungewöhnlichen (Zweit-)Berufen hören wir in den untersuchten Akten nur in einem Fall: Es ist ein Anwalt, der sich als „Stockschkrähmer“ 602 verdingt haben soll. Obwohl von kaiserlichen Notaren Neutralität und Unparteilichkeit geforderte wurden, gingen zahlreiche Notare neben dem Notariat anderen, bisweilen abhängigen Tätigkeiten nach. Notare waren beispielsweise im kirchlichen Bereich, ebenso im Gefolge von Adligen, insbesondere in deren Kanzleien, aber auch in den Diensten Hamburger Kaufmänner tätig. 603 Solche Abhängigkeiten standen dem freien Notariat nicht entgegen, weil – früher wie heute – Regelungen für Interessenkonikte vorhanden waren und es dem Notar nicht gestattet war, in einem Sachverhalt als Notar zu beurkunden, in dem er auch als Vertreter von Parteiinteressen beteiligt war. 604

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211-2, Nr. K 49, Q 3 Supplication, fol. 7 v f.; StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 16, fol. 1 v; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 III 22 (Testament der Olfenius, Johannes, Schulmeister zu St. Petri, und Ehefrau Elisabeth vom 22.3. 1614 [MF: S 9263 D, 892]). Im Gegenteil, die Tätigkeitsbeschreibungen zeugen allesamt von erfahrenen Notaren. Z. B. beschreibt der immatrikulierte kaiserliche Notar Johannes Schmidt, dass er im Laufe der Zeit „nicht allein in of cio Seccretarius vornehme[n] dienste, (. . . ) [sondern auch in] seiner F[ürstlich] G[naden] Cantzlei Zu Gottorff (. . . ) [und] nicht weinigers auch In dem Notariat ambte des koniglichen und fürstlichen holsteinischen landtgerichts Protonotariat Ambt darnach funff Jahr [war, und zwar] der gestaldt, das (. . . ) [er] desselben diensts uff mehr den ein mahl [die Angelegenheiten] de[s] Regierenden fursten (. . . ) getreulich verwaltet[e]“, bevor er nach Hamburg kam, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 16, fol. 1 v. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die in der Einleitung geschilderten Tätigkeiten des Mathias Cramer, der zunächst im kaiserlichen Regiment als Fourier und Musterschreiber gedient hatte, ehe er ein Angebot der halberstädtischen Ritterschaft ausschlug, um sich in Hamburg als Notar selbständig zu machen, wo er zu beachtlichem Reichtum kam, s. § 1 Einleitung S. 49. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Schrifft: an statt mündtlichen Recessus, loco Duplicarum, fol. 1 r. Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 21 ff. Z. B. grundsätzliches Verbot, gleichzeitig als Notar und Anwalt im selben Prozess tätig zu werden: Kaiserliches Edikt vom 3. 11. 1528 (Abschrift in StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 51 f.); Kaiserliches Edikt Karl V. 1548 ( Johann Christian Lünig (Hrsg.), Des Teutschen Reichs-Archivs Partis Generalis (. . . ) II, Leipzig 1713, Nr. CLIX, S. 866 ff.). Dazu auch Brunnemann, Vade mecum notariale (1774),

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Zum Teil wird aus den Zweittätigkeiten auf ein mangelndes Qualitätsniveau, eine geringe berufliche Auslastung und damit einhergehend eine schlechte Finanzlage des frühneuzeitlichen Notariats geschlossen. Mit Blick auf das moderne Anwaltsnotariat 605 verbieten sich solche Folgerungen aber geradezu. Statistisch gesehen stehen noch heute in Deutschland 6400 Anwaltsnotare nur etwa 1600 hauptberuflichen Notaren gegenüber. 606 Die überwiegende Mehrzahl der Notare in Deutschland übte also einen weiteren Beruf neben ihrer Notartätigkeit aus. Dennoch wird wohl niemand unterstellen können, diese Notare wären zur Übernahme einer weiteren Tätigkeit gezwungen, weil sich mit der minderen Qualität ihrer Arbeit allenfalls eine geringe Bezahlung erwirtschaften ließe und sie ohne eine weitere Beschäftigung nicht im Stande wären, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. (2) Die Ausnahme zur Regel: der „Quasinotar“ Ein beweiskräftiges Instrument musste von einem Notar, der ordentlich ernannt war und dies erforderlichenfalls nachweisen konnte, beurkundet worden sein. 607 Im Normalfall war die Investitur anscheinend unproblematisch, jedenfalls thematisierten die untersuchten Archivalien die Ernennung des Notars nur in einem einzigen Fall ausführlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass man in Hamburg die Investitur der Notare systematisch überprüfte, wie dies z. B. beim Reichskammergericht üblich gewesen war. Eine Notarkammer, die dies hätte gewährleisten können, wurde in Hamburg erst zusammen mit dem französischen Notariat im 19. Jahrhundert eingeführt. Es nden sich aber Quellen, in denen der Rat kritisierte, dass in Hamburg zum Teil Notare tätig waren, die der Rat nicht persönlich kannte. 608 Offenbar hielt er dies also für relevant. Außerdem beanstandete er das unpersönliche Immatrikula-

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S. 20; Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 13. Vgl. heute z. B. § 45 BRAO: Versagung der Berufstätigkeit: „Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden: 1. wenn er in derselben Rechtssache als Richter, Schiedsrichter, Staatsanwalt, Angehöriger des öffentlichen Dienstes, Notar, Notarvertreter oder Notariatsverwalter bereits tätig geworden ist; 2. wenn er als Notar, Notarvertreter oder Notariatsverwalter eine Urkunde aufgenommen hat und deren Rechtsbestand oder Auslegung streitig ist oder die Vollstreckung aus ihr betrieben wird“. Anwaltsnotare nden sich in: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen, Berlin, in Teilen Nordrhein-Westfalens, Hessens und Baden-Württembergs, s. Bundesnotarkammer (Hrsg.), Art. Der Anwaltsnotar, online: www.bnotk.de/Notar/Notariatsverfassungen/Anwaltsnotar.php (abgerufen am 15. 1. 2017). Bundesnotarkammer (Hrsg.), Art. Formen des Notariats in Deutschland, online: www. bnotk.de/Notar/Notariatsverfassungen/index.php (abgerufen am 15.1.2017). N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27. Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 43 Exceptiones und vernichtung des zum 28ten Februarij Anno 1605 furgebrachten Vermeindten Instruments.

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tionsverfahren am Reichskammergericht, das letztendlich kaum Aufschluss darüber geben konnte, wer die Notare waren, die sich dort eintragen ließen, und ob sie überhaupt hätten ernannt werden dürfen. 609 In Hamburg wie auch andernorts wurde eine ordnungsgemäße Kreierung vermutet. Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass der Großteil der Hamburger Notare gerichtsbekannt war. Selbst sehr großzügigen Schätzungen zufolge wird die Anzahl der zwischen 1550 und 1700 zeitgleich tätigen Notare 20 Personen wohl kaum überschritten haben. 610 Und auch, wenn diese Notare nicht alle an gerichtlichen Verfahren mitwirkten, so haben zumindest die immatrikulierten Notare die reichskammergerichtlichen Appellationsschriften beim Hamburger Rat insinuiert. 611 Die sonstigen, hauptsächlich für den Handel tätigen Notare sind den Ratsherren mit großer Wahrscheinlichkeit im Rahmen ihrer eigenen wirtschaftlichen Betätigung bzw. der ihrer Familien bekannt geworden, denn die Mehrzahl der Hamburger Ratsverwandten war vor ihrer Aufnahme in den Senat selbst im Handel tätig oder entstammte reichen Kaufmannsfamilien. Was geschah aber, wenn eine notarielle Urkunde vorgelegt wurde, deren Verfasser nicht bekannt war und bei welcher der Verdacht bestand, dass der Verfasser nicht ordentlich zum Notar ernannt worden war? Dann war der Urkundenverwender verp ichtet, den Nachweis einer ordentlichen Kreierung zu führen. 612 Je nachdem, wie viele Palatinatsträger zwischen den Kaiser und den in Frage stehenden Notar geschaltet waren, konnte sich der Nachweis als schwierig erweisen, wie der folgende Fall verdeutlicht: Anfang des 17. Jahrhunderts wurde in Rahmen eines reichkammergerichtlichen Verfahrens eine notarielle Urkunde zum Beweis vorgelegt. 613 Da der Inhalt für den Rat nachteilig war, versuchte er das Beweismittel unter Hinweis auf die fehlende 609 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 19, Q 12 Duplic, fol. 1 v; Zur Unkenntnis des RHR: StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 4 r. 610 Zugrunde gelegt sind die in den untersuchten Archivalien gefundenen Hamburger Notare und eine durchschnittliche Beschäftigungsdauer von 20 Jahren. Die Anzahl der in Hamburg tätigen Notare ist bis zum 18. Jahrhundert gleichmäßig zum Bevölkerungswachstum gestiegen. Das spricht dafür, dass sich die Anzahl der in Hamburg tätigen Notare an der wirtschaftlichen Nachfrage bemaß. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Anzahl der Notare per Gesetz gedeckelt. § 3 der Hamburger Notariatsordnung von 1815 setzt ihre Zahl auf 24 fest. Dass die Notare ihre Aufgabe trotz steigender Einwohnerzahlen erfüllen konnten, lag maßgeblich daran, dass sie insbesondere seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend auf standardisierte Vordrucke zurückgriffen. Durch diese Effektivierung konnten die fehlenden Notare offenbar ausgeglichen werden. 611 Insinuieren meint das förmliche Einbringen von Schriftsätzen. 612 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27m. w. N. 613 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20.

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ordnungsgemäße Ernennung des beurkundenden Notars, Christian Langemacke, anzugreifen. Christian habe sich „zu Ufrichtung solches Instruments [in] Ungebührlicher Weise (. . . ) gebrauchen lassen (. . . ), [obwohl] bekannt gewesen [sei], (. . . ) das Er niemals verus et legitimus Notarius gewesen, auch solch Ambtt probter defectum potestatis gar wenig exercirt Undt gebraucht, sondern allezeitt in Verdacht gestanden [habe], das Er zu solchen of cio nicht genugsamb habilitirt“ 614 gewesen sei.

Christian war nicht durch den Kaiser oder einen direkt vom Kaiser privilegierten Hofpfalzgrafen ernannt worden. Die Kläger waren daher verp ichtet, die Ernennungskette zurückzuverfolgen und die ordnungsgemäße Autorisation zu belegen. Es ergab sich folgendes Bild: Christian war 1575 von einem Lizentiaten namens Neidhardt ernannt worden. Dieser hatte seine Ernennungsberechtigung 1567 von einem Kanoniker namens Caesar de Hallis erlangt, der seine wiederum vom Herzog von Drinasten 615 Andreas Angelus 616 um das Jahr 1565 erworben hatte. Andreas' Berechtigung wurde auf ein erbliches Privileg zurückgeführt, mit dem seine Vorväter vom Imperator Konstantinopels Michael (vermutlich: Michael Angelos) im 13. Jahrhundert beliehen worden waren und das Papst Paul IV. im 16. Jahrhundert kon rmiert hatte. Die Rekonstruktion der Ernennungskette warf ein ganzes Bündel weiterer Fragen und Streitpunkte auf. Der Hamburger Rat bezweifelte nämlich, dass Andreas Angelus sich überhaupt auf das mittelalterliche Privileg berufen konnte. Der Rat bestritt, dass das Privileg für Andreas' Familie ausgestellt worden war. Es begünstigte nämlich einen Grafen (comes). Andreas führte aber den Titel eines Herzogs (dux). Auch bezweifelte der Senat, dass bei der ursprünglichen Privilegierung ein sogenanntes großes Palatinatsrecht verliehen worden war, das zum einen erblich ausgestaltet war und zum anderen den Träger zur Weiterverleihung der Hofpfalzgrafenwürde berechtigte. Beide Einwände konnten vom Kläger im Ergebnis entkräftet werden. Schwierigkeiten bereitete allerdings die Frage nach dem Geltungsbereich des Privilegs und anschließend daran die Frage nach dem Geltungsbereich der von Christian ausgestellten Urkunden. Das allererste Privileg war, wie dargelegt, vom Herrscher Konstantinopels und nicht vom deutschen Kaiser ausgestellt worden. Der Hamburger Rat bestritt daher

614 Ebda., Q 43 Exeptiones und Vernichtung des zum 28ten Februarij Anno 1605 furgebachten Vermeindten Instruments, fol. 1 r f. 615 Auch Trivasto (Albanien). 616 Philippe-Joseph Caf aux, Trésor généalogique, ou Extraits des titres anciens (. . . ), T. 1, Paris 1777, S. 149.

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unter Hinweis auf verschiedene Rechtsgelehrte Christians Autorisation. 617 Denn der privilegierte Angelus habe, so der Rat, keine Ermächtigung gehabt, Notare für das Gebiet des Heiligen Römischen Reichs zu ernennen. Dem Prinzip der Beschränkung der glaubwürdigen Wirkung auf den Herrschaftsbereich der den Notar ernennenden Macht nach 618 sollten Christians Urkunden nach der Auffassung des Rates im Reich nicht beweistauglich sein. Anstatt nun aber diese Argumentation stringent weiterzuverfolgen, schlug der Prozessvertreter des Hamburger Rates eine neue Richtung ein. Er erörterte, ob man Christian in Hamburg für einen ordnungsgemäß ernannten Notar gehalten habe. 619 Eine Begründung für diesen plötzlichen Argumentationswechsel lieferte der Rechtsvertreter des Hamburger Rates nicht. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, welche Taktik er damit wohl verfolgte. Um sein Vorgehen nachvollziehen zu können, muss die frühneuzeitliche Literatur in den Blick genommen werden. Im Zusammenhang mit Fehlern bei der Amtseinsetzung werden dort verschiedene Problemstände erörtert. 620 Sie lassen sich in drei Fallgruppen unterteilen: 1. Der Notar wurde nachgewiesenermaßen nicht ernannt. 2. Er wurde zwar ernannt, hätte aber nicht ernannt werden dürfen, weil er untauglich war. 3. Der Notar war tauglich, seine Ernennung war jedoch streitig. Während die Urkunden der nachweislich nicht ernannten Notare keine Beweiskraft entfalteten, ging man bei der zweiten Konstellation davon aus, dass der Notar ab der gerichtlich festgestellten Untauglichkeit zwar für die Zukunft nicht mehr wirksam beurkunden konnte, seine zuvor erstellten Instrumente wurden aber weiterhin als glaubwürdig eingestuft. 621 Der Notar musste jedoch für alle Schäden haften, die den Parteien aus seiner Untauglichkeit entstanden. Der Fall Christian Langemackes ist der dritten Kategorie zuzuordnen, denn Christian erfüllte zwar alle für die Ernennung notwendigen Voraussetzungen, aber 617 Marco Antonio Natta; Baldus de Ubaldis; Matthaei Wesenbecii; Carolus Molinaeus, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 43 Exeptiones und Vernichtung des zum 28ten Februarij Anno 1605 furgebachten Vermeindten Instruments, fol. 6 r f. 618 Z. B. N. N., Ars notariatus (1505), n. V.; N. N., Rhetoric und Teutsch Notariat (1556), fol. 29 v. 619 Eine ähnliche Argumentation ndet sich bei StA HH, RKG 211-2, Nr. M 19, Duplik, Nr. 12, fol. 1 r f. Dort wird eine ordnungsgemäße Appellation bestritten, weil der Notar nicht ordnungsgemäß ernannt worden sei und diesbezüglich auch schon früher Zweifel bestanden hätten. 620 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27f. m. w. N. zur frühneuzeitlichen Literatur. 621 Reinier Bachovius /Hieronymi Trevtleri, Bachovivs Avgmentatvs (. . . ), P. II, Köln 1653, Disp. IV, Th. II Lit. B (S. 104). Anders: N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 27 f.

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die Gültigkeit seiner Einsetzung war streitig. Für diese Fälle entwickelte die Literatur eine Lösung: Wenn der Urkundenverwender nachweisen konnte, „daß derjenige, welcher das Instrumentum quaestionis verfertiget, und an dessen Notariat gezweiffelt w[urde], mehr andere [Instrumente] gemacht habe, und zwar, wie die Gelehrten dafürhalten, wenigstens 4. so ist dann, nach Belehrung, dieses zu praesumiren, daß der Verfertiger in quasi Possessione des Notariats seye, und wird so dann das onus probandi in adversarium id negantem rejiciret (. . . ) [E]s seye eben dergleichen observirlich auf den Fall, wenn ein Instrument gar alt wäre und seye so dann schon genug, wenn man erweisen könne, daß der Instruments-Verfasser in der quasi Possession Of cii Notariatus gewesen seye, und wann die Instrumenta über-alt oder antiquissima seyen, so werden nicht einmahl die Probatio Notariatus erfordert, indem das Alterthum der Zeit ohnehin praesumirlich mache, daß alles solenniter und erforderlich hergegangen und beschehen seye“. 622

Sobald der vermeintliche Notar also erwiesenermaßen bereits zuvor einige Male formgerecht beurkundet hatte, sprach eine widerlegliche Vermutung für seine ordnungsgemäße Amtseinsetzung, die zu einer Umkehr der Beweisführungslast führte. Obwohl die untersuchte Literatur an keiner Stelle ausdrücklich darauf hinwies, setzte die Vermutung notwendigerweise voraus, dass die Kreierung des Notars zuvor nicht in Zweifel gezogen worden war. Denn nur dann war der Rechtsschein einer ordentlichen Ernennung gewahrt. Offenbar teilte der Rechtsbeistand des Hamburger Rates diese Rechtsansicht. Denn das Bestreiten einer ordnungsgemäßen Ernennung des Notars hätte danach für sich genommen nicht ausgereicht, um die Beweiskraft der Urkunde anzugreifen, weil der durch die früheren Beurkundungen gesetzte Rechtsschein diesen Fehler geheilt hätte, zumal es zwischen den Parteien unstreitig war, dass Christian mehrere formgültige notarielle Urkunden errichtet hatte. Daher sah sich der Rat vermutlich gezwungen, auch den gesetzten Rechtsschein zu zerstören. An dieser Stelle setzt die Argumentation des Hamburger Rates an: Denn auf die Frage des Wirkungsbereichs der notariellen Ernennung würde es dann letztlich nicht ankommen. bb. Hilfsp ichten und Verständnisprobleme Die Reichsnotariatsordnung kannte keine P icht des Notars, die Urkundsparteien über die rechtliche Tragweite des Vorganges aufzuklären bzw. umfangreich rechtlich zu beraten. Notare waren jedoch verp ichtet, Schaden von den Urkundsbeteiligten 622 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 28. Auch Nicolaivm Boerivm /Ioannem Alesmivm, Decisiones Bvrdegalenses (. . . ), Frankfurt 1574, Dec. XXXVI, No. 10 f. (S. 88) m. w. N.

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abzuwenden. 623 Wurde der Notar also beispielsweise gebeten, einen Kaufvertrag zu beurkunden, so war er dazu angehalten, alle rechtlichen Vorgaben eines Kaufvertrages zu beachten. Nötigenfalls konnte er sogar über die konkreten Vorgaben der Urkundsparteien hinaus eigenmächtig Ergänzungen vornehmen, wenn davon auszugehen war, dass die Parteien sie hinzugefügt bzw. einer Ergänzung zugestimmt hätten. 624 Voraussetzung dafür war, dass der Notar einerseits eine genaue Vorstellung davon hatte, was die Urkundsparteien von ihm begehrten. Andererseits brauchte er die nötige Rechtskunde, um diese Vorgaben umzusetzen. Fehlte ihm diese Rechtskunde, so hatte der Notar sich zu informieren, also „Zu ucht zu denen Gelehrten [zu] nehmen (. . . ) damit (. . . ) [seine] Unwissenheit und Schuld andern nicht zu Schaden reiche“. 625 Der Notar sollte sich davor hüten, sich instrumentalisieren zu lassen. Man schärfte ihm deshalb ein, bei der Beurkundung immer die Gesamtumstände im Blick zu behalten. Denn dieselbe Handlung konnte je nach Zusammenhang unterschiedliche Folgen haben. Das sei, so schreibt Abraham Saur in seinem Notariatshandbuch, wie in der Natur. Die einen „seyen den Spinnen gleich / die das Safft einer edlen Blumen saugen / welchs irer böser Natur halben dannoch zu lauter Gifft verwandelt wirdt. Aber die edlen Bynlein saugen auch von demselben Blümlein Safft / vnd wirdt das zu Honig / von wegen ihrer guten Natur“. 626

Der Notar musste im Rahmen seines Auftrages Schaden abwenden. Kam er dieser P icht nicht nach, hatte er für entstandene Schäden zu haften. 627 Strikt wurde zwischen Aufklärung und Rechtsberatung getrennt. Es war dem Notar verboten, den „Partheyen in ihren Sachen zu rathen / [sie] zu warnen / oder sonst darinnen zu soliciren“ 628, wenn er beispielsweise der Auffassung war, den Parteien sei mit einer Leihe besser geholfen als mit einem Kaufvertrag. Grundsätzlich sollten sich Notare jeder „Einmischung“ 629 enthalten, denn solche Art Rechtsberatung überschritt ihre Kom623 Vorwort RNO, s. Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 16f. 624 Der Notar durfte nachträglich bei der Ausfertigung der Urkunde aus dem Protokoll eigenmächtig Ergänzungen im Vertrag vornehmen, weil eine Rechtsvermutung bestand, dass die Parteien, wenn sie sich fehlender Vertragsbestandteile bewusst gewesen wären, der Ergänzung zugestimmt hätten. S. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. II, S. 307. 625 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 157ff.; Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 6. 626 Saur, Dives notariorvm penvs (1592), S. 5. 627 „Sonst [sei der Notar] denen Partheyen Abtrag zu thun schuldig“, s. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 157. 628 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. II, S. 235. 629 So auch Frage 47 des Examens am Reichskammergericht: abgedruckt in Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. II, S. 211ff., S. 303.

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petenzen, durften sie sich doch nicht in der gleichen Sache als Advokat /Prokurator und Notar gebrauchen lassen. 630 Um eine ordnungsgemäße, dem Willen der Urkundsparteien entsprechende Beurkundung zu gewährleisten, hatte der Notar dafür Sorge zu tragen, dass die Urkundsbeteiligten der Beurkundung sprachlich und intellektuell folgen konnten. Oder wie Adam Volckmann es formuliert: Notare hätten zu verhindern, dass es „unverständige Partheyen“ gibt. 631 (1) Verständnisprobleme I: die deutsche Sprache Ein Problem, das in der Handelsstadt Hamburg mit seinen vielen fremdsprachigen Händlern, Gästen und Einwohnern häu ger in Erscheinung trat, waren sprachliche Verständnisschwierigkeiten. 632 Kon ikte ergaben sich wohl weniger bei der Erstellung notarieller Urkunden unter Beteiligung von Ausländern – vor allem seit dem 18. Jahrhundert sind zahlreiche Hamburger Notare bekannt, die neben Deutsch und Latein mindestens eine weitere Sprache beherrschten. 633 Sprachliche Probleme zeigten sich, wenn Ausländern Urkunden vorgelegt wurden, deren Urkundensprache sie nicht verstanden. Das war im Hamburger Bereich zum Beispiel bei der Zustellung höchstgerichtlicher Klageschriften der Fall. Diese waren in den untersuchten Akten immer in deutscher Sprache abgefasst, aber nicht immer war der insinuierende Notar so sprachgewandt, dass er die Urkunde in die jeweils benötigte Sprache übersetzen konnte. Ohne Dolmetscher konnte der Notar seiner Aufklärungsp icht jedoch nicht Genüge tun. 634 Mit solchen Schwierigkeiten kämpfte beispielsweise der Kommissar des polnischen Königs, Daniel Salomon, in einem kammergerichtlichen Verfahren gegen den Kommissar des französischen Königs, François du Pré. 635 Du Pré hatte Schulden bei Salomon. Nachdem er du Pré mehrfach zur Zahlung gemahnt hatte, beantragte Salomon beim Hamburger Rat ein Dekret, gemäß dem die Hamburger Güter du Prés 630 Dazu weiterführend S. 201 ff. 631 Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 5. Ähnlich bei Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 19, dem gemäß der Notar den Urkundsbeteiligten „den Verstand erklären“ solle. 632 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 12. 633 StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 1, Beilage Lit. A (Übersetzung einer beglaubigten holländischen Kopie); Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 7. 3. 1752, Nr. 38, S. 4 (Zeitungsanzeige, in der ein Notar dafür wirbt, dass er Beurkundungen und Übersetzungen übernimmt). Dazu auch Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 24 m. w. N. 634 Dass man einen Dolmetscher zu den Beurkundungen oder Insinuationen hinzuzog, wurde in keiner der untersuchten Akten erwähnt. 635 Das reichskammergerichtliche Verfahren ist in einer Reichshofratsakte überliefert, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244.

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beschlagnahmt und du Pré selbst festzusetzen war. Das zunächst ausgestellte Dekret nahm der Rat später wieder zurück – mit dem Argument, Salomon habe das Dekret erschlichen. Es bestehe keine Gefahr für Salomons Ansprüche, da du Pré über großes Vermögen in Paris verfüge, mit dem die Forderungen erfüllt werden könnten. Zwar versuchte Salomon, das Dekret erneut zu erlangen, insbesondere weil er Schwierigkeiten befürchtete, das Geld außerhalb des Römischen Reichs einzuziehen. Der Rat hatte an der neuerlichen Ausstellung des Dekrets aber offenbar kein Interesse und weigerte sich. Salomon sah nun keine andere Möglichkeit mehr und reichte Klage gegen du Pré ein. Mehrfach versuchte ein Notar, du Pré die Klageschrift zuzustellen. Aus dem Hause du Pré ließ man verlauten, dass du Pré der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Daher versuchte der Notar, die Klage über du Prés Buchhalter, Willem le Blanck, und du Prés Gattin Margaretha zuzustellen. Margaretha war aber krank und deshalb häu g außerhäusig beim Aderlass. Willem wurde vom Notar zwar angetroffen, er reagierte aber völlig ungehalten und erklärte, „daß Er solche Processe nicht annehme, sondern auch, wofern (. . . ) [der Notar] sie niederlegte(..), ins feüer werffen wollte“. 636 Nach weiteren erfolglosen Versuchen ging der Notar nun doch zu du Pré persönlich. Er verlas ihm das Schreiben und überreichte eine Kopie des Schriftstücks. Im Prozess bestritten du Prés Vertreter eine ordnungsgemäße Zustellung. Du Pré habe die Verlesung zwar akustisch wahrnehmen, mangels Sprachkenntnissen jedoch nicht verstehen können. Schließlich sei er „[e]in gebohrener Franzoß“. 637 Zwar gestanden du Prés Vertreter ein, dass du Pré schon seit Jahren in Hamburg lebte. Dort verständigte er sich jedoch ausschließlich auf Französisch. Es sei allgemein bekannt: Du Pré „gethraud sich kaumb (. . . ) in teütscher Sprach Verständiglich zu exprimiren“. 638 Bei derart geringen Sprachkenntnissen könne wohl nicht ernsthaft von einer ordnungsgemäßen Klagezustellung ausgegangen werden. Ein Notar müsse sicherstellen, dass die Urkundsbeteiligten Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks erlangen konnten. 639 Der drohende Verlust der Klage konnte letztlich nur abgewendet werden, weil es Salomon gelungen war nachzuweisen, dass du Pré sehr wohl in der Lage gewesen war, den Notar zu verstehen. (2) Verständnisprobleme II: der Mangel an intellektuellen Fähigkeiten Verständnisprobleme anderer Art ergaben sich, wenn eine Urkundspartei aus intellektuellen Gründen die Reichweite ihres Handelns nicht überblickte und eine Übervorteilung drohte. Es lag im P ichtenbereich des Notars, die unverständige

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StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 3, Beilage Nr. 4, fol. 3 v. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 12, fol. 1 v. Ebda. Ebda.

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Partei dann zu bewahren. Hinsichtlich seines Einschreitens sowie der Abgrenzung zur verbotenen Rechtsberatung stand dem Notar ein Ermessensspielraum zu. Anders war dies im Zusammenhang mit Frauen. Sie wurden vom Recht besonders geschützt. Besonders wenn sie auf ihre Rechtswohltaten verzichteten und sich verp ichteten, musste der Notar sie umfänglich aufklären, ohne dass dem Notar ein entsprechendes Ermessen zustand. 640 Vereinzelt wurde diese P icht als zu weitgehend kritisiert, weil sie außer Acht ließ, ob die Beratung im Einzelfall tatsächlich notwendig war. Inwieweit in Hamburg solche Argumente zum Tragen kamen, ist nicht klar. Im Fall der Hamburger Kauffrau Anna Buese erfolgte die Belehrung jedenfalls erst, nachdem sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie einige Abreden nicht verstand 641: Anna hatte aus der Zeit ihrer ersten Ehe Schulden. Diese Schulden waren auch noch vorhanden, als sie sich mit dem jähzornigen Heinrich Heitmann verheiratete. In der Ehe misshandelte Heinrich Anna auf das Schwerste. 642 Darüber hinaus häufte er enorme Schulden bei mehreren Hamburger Bürgern an, für die Anna mit einstehen musste. 643 Um zumindest einen Teil der Schulden begleichen zu können, versuchte Anna, einige Wertgegenstände vor dem Zugriff ihres Mannes zu retten und ohne sein Wissen aus dem Haus zu schaffen. Als ihr Gatte davon erfuhr, geriet er fürchterlich in Rage und wurde Anna gegenüber handgreiflich. 644 Anna trennt sich daraufhin von ihrem Mann.

640 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 34. Zum Verzicht auf das S. C. Vellejani: Gaill, Practicarum observationum (1673), Lib. II Obs. LXXVII (S. 272ff.). Schilderung eines Verzichts und der entsprechenden Belehrung der Frau durch den Notar bei Richteri, Decisiones Juris Variae (1698), Lib. III Dec. CXXV No. 17 (S. 63f.). 641 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 8 Protestationis et Appellationis Instrumentum, insbesondere fol. 8 r f.: „Waß Anna Buesen nicht verstunde, solches Man Ihr lehren muste“. 642 Zu den Misshandlungen: „Anno 1647 den 5 Julij des abends Zu 9 Uhr hat Heinrich Heitman mit einer Feuertange seiner Frawen Anna auff ihren Kopff etzliche kleine beülen geschlagen, davon des Lincke Auge etwas geschwullen und etwas mit bluthe unterlauffen noch auff ihre beijde Schultern und beijde arme ieden etzliche blawe Striemen geschlagen, welche mit bluthe braun und Blaw davon unterlauffen seindt, Noch beklaget sie sich uber wehetage der Rechten Seiten, welches aber nichts aussen daranne Zu sehende ist, und is beij der Muhlenbrugken in ihrem hausse geschehen, Verbinde ich selber M. Hans Scheloff “, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 1 (Kopie des Attestes vom 5. Juli 1647). 643 Ein Reichskammergerichtsprozess um die Haftung der Ehefrau für die Schulden ihres Mannes überliefert Peter Oestmann, Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter – eine Fallstudie [Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, Hf. 26], Wetzlar 2000, S. 7 ff. 644 Ebda. sowie StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige du Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 15.

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Dennoch sollte sie anschließend mit ihrem Vermögen für Heinrichs neue Schulden haften. Das Hamburger Recht 645 bestimmte nämlich, dass die Ehefrau auf „gedeij und verderb“ an ihren Mann gebunden sei und daher auch für „glücks undt ohnglücks, gewins und Verlusts, welche ihnen Eheleütten in Zeidt stehehnder Ehe begegnet, auff gewiße maße, (. . . ) ihre eingebrachte[646], als des Mannes güter, als ohngeschieden, für die in stehender Ehe gemachte schülde hafften undt also Keines bene cij vel privilegij dotis vel separationis sich zu erfreüen habe. Für die jenige Schülde aber, welche Sie vor der Ehe contrahieret undt gemachet, nicht der Mann, sondern die Frau allein haffte undt gehalten seij, daß auch eine Frau, die offene Lahden oder buden hat mit Ellen undt gewichten in Undt auswißet, ohne Vormundt für sich selbst, vermöge dieser Stadt Rechten contrahiren undt sich verp ichten, auch gerichtlich belanget, angestrenget undt exequtieret werden könne. Denn ferner, daß die pfandt Verschreibung oder des Debitor handt unndt Siegell, keine Exceptiones altoris intaginis auch keine Appellation oder weitere remetia suspensiva leijden, sondern paratam executionem mit sich führen, daß auch die jenigene Creditores, welche mit dem Stadtbuch versichert undt also publicum Hijpothecam oder einig gudt als ein haabhafftes pfandt in ihren handt unndt gewehren haben alles andere Creditoren, Sie sein auch welche Sie wollen, ohnstreitig vorgezogen unndt (. . . ) gerichtlich belanget (. . . ) werden können“. 647

Anna hielt dagegen, dass es ihr nicht zugemutet werden könne, für die Schulden ihres Gatten einzustehen, wo dieser sie nachweislich doch derart schwer misshandelt habe. 648 Der Rat folgte ihrer Argumentation nicht. Er ließ Annas Güter beschlagnahmen und verkaufen, obwohl ein Prozess, der unter anderem Annas Haftung 645 StR 1603/05 II 5, 10. 646 Brautschatz und andere eingebrachte Güter, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Denn Hoch: und Wohllgebohrenen wohledlen, Gestrengen, Edlen, Ehrenvesten unndt Hochgeahrten, Herrn verordneten Praesidenten undt beijsitzern dero Kaijs: Maijs: unndt des Heijl: Reichs Cammergerichts zu Speijr, fol. 1 v. 647 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Schrifft: an statt mündtlichen Recessus, loco Duplicarum, fol. 2 r f. 648 Vermutlich wollte sich Annas Rechtsvertreter mit dem Verweis auf die von Anna unverschuldeten Misshandlungen durch ihren Gatten den Rechtsgedanken des StR 1497 J V zunutze machen. Dieser legte fest, dass ein Mann der Verfügungsgewalt über sein Vermögen verlustig geht, wenn er seine Ehefrau erwiesenermaßen misshandelt hatte, ohne dass sie dazu Anlass gab: „So wor eyn man ys de syn wif ouel handelt ane ere schulde, vnde dat witlick ys den naburen vnde guden luden edder deme rade: de man schal synes gudes entweldiget wesen. Weret ock der frowen schult, de man schal de frowen an ene kamer sluten vnde gheuen er notroft so lange se eren dinghen recht deyt“ – „Wenn ein Mann seine Frau übel behandelt, ohne ihre Schuld, und das ist den Nachbarn, und guten Leuten oder dem Rat bekannt: dem soll man die Verfügungsgewalt über sein Gut entziehen. Und wäre es Schuld der Frau, so soll der Mann sie in ihre Kammer einschließen, und ihr das

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klären sollte, noch nicht abgeschlossen war. Annas Streit mit den Gläubigern ihres Mannes ging noch so lange weiter, bis die Prozessvertreter beschlossen, dass den Parteien mit einem Vergleich wohl am besten geholfen sei. Daher bestellten die Parteien einen Notar sowie einen Vormund für Anna, um den Vergleich aufzusetzen. Die Prozessvertreter verhandelten und diktierten dem Notar die Abreden. Dieser verzeichnete alles in seinem Protokoll, fertigte eine Urkunde an und verlas sie, um sie sich von den Urkundsparteien bestätigen zu lassen. Anna, die in Begleitung ihres Vormunds erschienen war, verstand einige der Abreden nicht. Daraufhin wurde die Prozedur unterbrochen. Für eine rechtsgültige Urkundserstellung war wichtig, dass Anna den Urkundeninhalt nachvollziehen konnte, dafür musste alles, „[w]aß Anna Buesen nicht verstunde, (. . . ) Man Ihr lehren“. 649 Man verlangte also, dass die Betroffene die Reichweite der rechtlichen Handlungen nachvollziehen konnte, und begnügte sich nicht etwa damit, die erforderliche Einsicht nur vom Vormund zu verlangen. 650 Nach der im Stadtrecht manifestierten absoluten Geschlechtsvormundschaft mussten Frauen zu jeglichen rechtserheblichen Handlungen einen Vormund beiziehen. 651 Und tatsächlich zog man in den meisten Fällen einen Geschlechtsvormund bei, obwohl die Geschlechtsvormundschaft bei Weitem nicht so streng gehandhabt wurde 652, wie dies die rechtlichen Regelungen glauben machen. Der Vormund genehmigte von der Frau getätigte Geschäfte und schloss nicht etwa eigene Geschäfte für die Frau ab. Da jegliche Willkür des Vormunds verboten und er immer im Interesse der Frau zu handeln verp ichtet war, verlangte man konsequenterweise neben der Aufklärung der Frau auch eine Aufklärung des Vormunds. Jenseits der Fälle mit weiblicher Beteiligung wurden Vertreter zur Beurkundung hinzugezogen, wenn ein Urkundsbeteiligter beispielsweise nicht lesen konnte und daher nicht im Stande war, die Urkunde vor der Kon rmation zu prüfen. 653 Im Unterschied zu den Fällen mit weiblicher Beteiligung war die Urkundspartei voll geschäftsfähig. Der Vertreter wurde nur bestellt, um den Defekt der Urkundspartei auszugleichen. Dem Notar oblagen gegenüber solchen Vertretern nur insoweit Hilfs- und Aufklärungsp ichten, wie seine Kenntnisse notwendig waren, um den

649 650 651 652 653

Notdürftigste geben, so lange, (bis) sie ihre Sache richtig macht“ (Text und Übersetzung Eichler, S. 282). StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 8 Protestationis et Appellationis Instrumentum, fol. 8 v. So z. B. nach Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (1707), Vol. I Lib. IV Tit. IV (S. 433 ff.) m. w. N. (hier in Bezug auf unverheiratete Frauen). StR 1603/05 III 6, 9. Vielmehr lässt sich in Hamburg ein fast ebenso hoher Prozentsatz von durch nicht vertretene Frauen getätigten Rechtshandlungen nachweisen wie andernorts auch. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, dort insb. Beilage Lit. C (Q 8).

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Defekt auszugleichen. 654 Relevant waren diese Probleme aber nur, wenn es auch tatsächlich darauf ankam, dass die Urkundsbeteiligten die Urkunde lasen. cc. Requisition und Beurkundungsp icht § 3 Einl. RNO fordert explizit, dass der Notar zur Urkundserstellung gebeten wurde. Auch die frühneuzeitliche Literatur ging von einem entsprechenden Erfordernis aus. 655 Ohne eine solche Requisition bestand die Gefahr, dass der Notar „den Argwohn einer Eingebung, Parteylichkeit oder Betrügerey, auf sich (. . . ) [lud], welcher seinen Glauben und folglich sein ganzes Instrument ungültig machen“ konnte. 656 Denn „[e]in nicht requirirter Notarius (. . . ) [wurde] nur für eine Privatperson gehalten, und sein Zeugniß hat[te] gleich eines andern keinen Glauben, wo es nicht eidlich von ihm bestätigt“ wurde. 657 Um die Wahrheitsvermutung ihrer Urkunden nicht zu gefährden, hoben Notare daher zum Großteil ausdrücklich hervor, dass sie nicht aus eigener Motivation handelten. 658 Bestand jedoch keine Möglichkeit zur Requisition, konnte dies berücksichtigt werden – wie im Fall des inhaftierten Mathias Cramer, zu dem sich ein (nicht requirierter) Notar eingeschleust hatte, um in der Gefängniszelle eine Urkunde aufzustellen. 659 Trotz fehlender Requisition wurde sein Instrument als glaubwürdig eingestuft. Zwar liegen uns keine Entscheidungsgründe vor, aber wahrscheinlich kam Cramer bei der Begutachtung der von ihm vorgelegten Beweismittel zugute, dass er objektiv keine Möglichkeit gehabt hatte, einen Notar zu berufen. Die ausdrückliche Erwähnung der Requisition in der Urkunde hatte außerdem den Nebeneffekt, dass damit der Nachweis erbracht werden konnte, dass die Ur654 Diese mittelbare Aufklärungsp icht scheint ein Aus uss aus der Verp ichtung des Notars gegenüber dem Urkundsbeteiligten zu sein. Ausdrücklich wurde in der untersuchten Literatur dazu nicht Stellung bezogen. 655 Bereits einige Jahrzehnte vor Erlass der Reichsnotariatsordnung Alexandri Tartagni Imolensis (hier eine spätere Auflage: Consiliorum Seu Responsorum, Venedig 1597, Lib. V Cons. XLVIII, fol. 50 v). Mit Bezug auf Nov. 44. pr.: N. N., Anleitung zur RechtsGelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 32, der gemäß einem Instrument von „einem Notario, welcher nicht requiriret worden [war], (. . . ) kein Glauben beygemessen“ werden sollte. S. auch Richteri, Decisiones Juris Variae (1698), Lib. III Dec. CXIII No. 31 (S. 43); Menochii, De Praesvmptionibvs (1587), Vol. 1 Lib. II praesumpt. LXXXI n. 1 ff. (fol. 79 r ff.). 656 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 17. 657 Ebda. 658 Die Requisition ndet sich in allen untersuchten Schriftstücken am Ende des eigentlichen Urkundentextes oder beim Unterschriftenvermerk. Angriff auf ein Instrument wegen fehlenden Requisitionsvermerks, StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, darin: Replicae contra praetensas Exceptiones (zum Prozess Claweßen Stein contra Annam Cleitzen), fol. 6 v. 659 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 r ff.

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kundszeugen über den Status des Notars aufgeklärt worden waren, da sie den gesamten Inhalt der Urkunde, also auch den Requisitionsvermerk, kon rmierten. 660 Mit der Requisitionsp icht korrespondiert die P icht des Notars, die Beurkundung tatsächlich vorzunehmen. Anders als die notariellen Urkundszeugen war der Notar ein „Diener (. . . ) [des] gemeine[n] Nutzens“ (§ 15 Einl. RNO) und daher verp ichtet, an der erbetenen, „billigen und unverbothenen“ Handlung teilzunehmen, d. h. eine ordentliche Urkunde gegen Bezahlung auszustellen. 661 Zum Teil wurde eine Verp ichtung gegenüber Armen zur kostenfreien Übernahme der Beurkundung angenommen. 662 Tatsächlich scheint es sich dabei aber eher um eine moralische Verp ichtung gehandelt zu haben 663, denn es sind auch Fälle überliefert, in denen man aus Armutsgründen auf die Requisition eines Notars verzichtete. 664 Bei ordentlicher Bezahlung hatte der Auftraggeber jedenfalls einen Anspruch auf die Beurkundung. 665 Im Weigerungsfall wurde das Tätigwerden des Notars „wider (. . . ) [seinen] Willen forciret“. 666 Üblich war die Anordnung eines Mandats (mandatum cum clausula), durch das der unwillige Notar unter Androhung einer 660 Die Bedeutung der Offenlegung lässt sich unter anderem daran ablesen, dass Zeugen, die zur ordnungsgemäßen Beurkundung befragt werden, meist zur Offenlegung aussagen müssen. Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 10, Beilage A, fol. 2 r („Ob Ehr gehöret, das Er [Notar] im Nahmen der Röm. Keijs. Maij. Sein Gewerb angebracht. / Testis / Er hatte nicht gehöret, das Er etwas im Nahmen Ihrer Keij. Maij. Angebracht, were auch anfangs nicht dabeij, sondern in abgemelter Cammer (. . . ) gewesen“); ähnlich StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 v. 661 Die Gebühren, die für die notarielle Tätigkeit entrichtet werden mussten, sollten von der Obrigkeit festgelegt werden [„die Obrigkeit hat Macht, die Arbeit zu taxiren und darüber zu erkennen“, s. Volckmann, Notariatskunst (1731), Tit. I Cap. VIII No. 11 (S. 43)]. Die Notariatsliteratur spricht Notaren nur grundsätzlich eine Bezahlung in „aurum & argentum“ zu [s. ebda. (S. 42 f.) m. w. N.]. Interessant sind in diesem Zusammenhang die soweit ersichtlich bislang nicht beachteten vorrangigen Befriedigungsrechte des Notars im Rahmen des Konkursverfahrens, s. Brunnemann, Vade Mecum notariale (1774), S. 69 f. Dort auch zum Zurückbehaltungsrecht des Notars. 662 Z. B. Bolz, In foro (1732), S. 75; Antonii Tassarae, Notarii Patavini, Tractatus de Notariorum Peccatis et Erroribus (. . . ), Osterode 1681, Cap. XXXVI (S. 145ff.). 663 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 25: der Notar „muß (. . . ) Niemanden (. . . ) auch würklich armen Personen umsonst dienen“. 664 StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 2 Verschiedene Schriften an den Prätor und Theile von Prätur- u. Untersuchungsacten um 1750, Schriftstück in Sachen Hinrich Severin contra Nicolaus Pauschan. 665 „Ein Notar ist schuldig in billigen Sachen auff ersuchen Instrumtens zu machen“, s. Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 23; zu Bezahlung: Volckmann, Notariatskunst (1731), Tit. I Cap. VIII No. 11 (S. 43). 666 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 29. Nicht davon umfasst war die Verp ichtung des Notars, „der Gebühr halber [einen Vertrag o. a. zu] übersetzen“, s. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 25.

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Geldstrafe zum Handeln aufgefordert wurde. 667 Weitere Zwangsmaßnahmen waren die Aberkennung des Notaramtes und die Inhaftierung des Notars. 668 (1) Beurkundungsp icht I: die „Sinnlosigkeit“ der notariellen Beurkundung Es bestand keine ausdrückliche Verp ichtung des Notars, ausdrücklich in der von ihm zu erstellenden Urkunde zu vermerken, dass er zu der Beurkundung berufen und nicht etwa aus eigener Motivation heraus tätig geworden war. Fehlte der sogenannte Requisitionsvermerk aber, konnte eine fehlende Requisition unterstellt und die Urkunde über vermeintlich nicht eingehaltene Formvorschriften angegriffen werden. Wahrscheinlich aus diesem Grund nden sich die Vermerke in vielen notariellen Schriftstücken, und zwar insbesondere dann, wenn den Urkunden nach dem Hamburger Recht ihre Beweiskraft versagt wurde, wie beispielsweise bei notariell beurkundeten Zeugenverhören. 669 Diese waren zwar nicht verboten, aber ohne die Beweiskraft hatte die Beiziehung eines Notars keinen sichtbaren Nutzen. Dennoch wurde beispielsweise im Jahr 1561 eine notarielle Zeugenaussage innerhalb Hamburgs aufgenommen. Es hatte sich Folgendes zugetragen: Die Gläubiger hatten zunächst versucht, einen Prozess gegen ihre Schuldner vor dem Hambur667 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 29. Der kammergerichtliche Mandatsprozess war ein Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, bei dem auf die Supplikation des Antragstellers eine Maßnahme unter Androhung einer Geldstrafe angeordnet wurde. Der Antragsgegner konnte die Wirksamkeit des Mandats grundsätzlich durch eine Einrede erschüttern. S. Peter Oestmann, Art. Reichskammergericht und Hexenprozesse, in: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, online: www.historicum.net/no_cache/persistent/ artikel/1668/ (abgerufen am 15. 1. 2017). 668 Z. B. wurde ein Notar suspendiert, weil er sich geweigert hatte, ein kaiserliches Mandat beim Hamburger Rat zu insinuieren, s. Verweis in StA HH, RHR 211-1, Nr. 26 auf StA Wien, Nr. AB 109/7 Fasc. 201 fol. 150–151. Dazu auch N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 29; Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 16. 669 Das Stadtrecht von 1497 nimmt zu schriftlich aufgenommen Zeugenaussagen keine Stellung. Erst das Stadtrecht von 1603/05 trifft dazu in I 28, 26ff. Festsetzungen. Danach waren Zeugenaussagen grundsätzlich vom Protonotar der Ratsschreiberei zu verzeichnen. „Zeugen Aussagen, welche vor den Notarien aufgenommen [wurden, wurden im] (. . . ) Gericht nicht attendiret, sondern gäntzlich verworffen“, s. StR 1603/05 I 28, 28. Dennoch angefertigte notarielle Verhöre sollten nur als rein private „Geschichtserzählungen dienen“, ansonsten aber von keiner Wirkung sein (StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 23 v f.). Einzig wenn sich die Zeugen außerhalb der Stadt aufhielten, wurde aus Praktikabilitätsgründen (kein Verzicht auf Schreiber innerhalb der Stadt /keine Kosten) eine Ausnahme zugelassen. Nach den reichsrechtlichen Regelungen mussten notarielle Zeugenverhöre grundsätzlich zugelassen werden, s. Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 18.

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ger Obergericht zu eröffnen. Diesen hatte der Rat aber abgelehnt, weil die Schuldner angeblich sämtlich verstorben waren. 670 Den Gläubigern kam jedoch gegenteiliges zu Ohren, worauf sie den Plan fassten, Zeugen zu nden, die bestätigen konnten, dass die Totgeglaubten am Leben waren. Sie beauftragten einen kaiserlichen Notar, diese Zeugen zu nden, zu verhören und ihre Aussagen notariell zu beurkunden. Der Notar machte sich also auf die Suche und schon kurz darauf „wußten [die Kläger, was] (. . . ) wahar were, das [nämlich] die wetensthe Wittib zu sampt Ihre Erben noch alle Im lebende sein, wie gemelte(..) Zeugen sulchs alles ferner nach notturft vormittelst Ihres Eides gestendig sein und warmachen woll[t]en, [die Kläger] [erba]ten und begerten derhalben (. . . ) vo[m] (. . . ) Notario uber sulche der Zeugen außsage eines oder mehr Instrumenta so vhile Ihre Zur Zeugnissen nottig Salvo Salario mith zwo teilen[671] [aufzustellen], welches alles [der Notar ihnen] (. . . ) ampts halben nicht habe weigern oder abshlan konnen“. 672

Die ausdrückliche Erwähnung der Arbeitsp icht des Notars verdeutlicht das Dilemma, in dem sich der Notar in einer solchen Situation befand. Das Hamburger Recht hatte nämlich nicht geklärt, ob die unter Strafandrohung gestellte notarielle Beurkundungsp icht 673 auch dann bestand, wenn das Partikularrecht der Urkunde ihre Beweiskraft versagte. Verweigerte der Notar die Beurkundung, machte er sich nach dem Reichsrecht strafbar. 674 Beurkundete er und verloren die Parteien den Prozess, weil die Urkunde nicht anerkannt wurde, konnte er sich schadensersatzp ichtig machen. Um dem vorzubeugen, mussten Notare die Parteien über die im Partikularrecht fehlende Beweiskraft und die daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen aufklären. 675

670 StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43. 671 In chirographierter Form. 672 StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43, Instrumentierte Urkund daß Wetkens Wittib und deren nesten Zu Hamburgk noch leben vom 15. April 1561. 673 Die Verp ichtung zur Übernahme angetragener Beurkundungen resultiert aus der Qualität der Notare als Diener des gemeinen Nutzens. Bei Verstoß gegen das Notariatsrecht drohte eine Strafe, § 1 Einl. RNO. Dazu Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 23. 674 Grupen/Scheplitz, Gründliche Anleitung (1747), S. 29. Die Beurkundungsp icht resultiert aus der Einordnung der Notare als Diener des gemeinen Nutzens. Die Verp ichtung, auf Anfrage für jeden zu beurkunden, wird von den Notaren auch in ihrem Amtseid beschworen. 675 Zur fehlenden Reichsrechtskonformität des Partikularrechts s. S. 235 ff.

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(2) Beurkundungsp icht II: der Notar und die Beurkundungen „wider den Rat“ Ähnliche Probleme wie bei „sinnlosen“ Beurkundungen ergaben sich für Notare, wenn der Rat im Falle einer Beurkundung mit emp ndlichen Übeln drohte. Das war vor allem dann der Fall, wenn die Beurkundung unliebsame Folgen für den Rat hatte, weil Klagen, Mandate oder Protestationen gegen den Rat insinuiert wurden oder das Instrument einen für den Rat ungünstigen Sachverhalt beurkundete. So zum Beispiel auch im Fall der bereits angesprochenen Anna Buese. Der Rat hatte Annas Haus wegen ihrer angeblichen Schulden verkaufen lassen. 676 Da sie das Vorgehen des Rates für unrechtmäßig erachtete, beschloss sie, ein Instrument aufstellen zu lassen, um den Verkauf des Hauses und ihr mangelndes Einverständnis zu beurkunden. Als bekannt wurde, dass sie einen Notar beauftragen wollte, warnte der Gerichtsschreiber, Jochim Muhle, Annas Kurator und den beurkundenden Notar: Das Handeln „geschehe wider den Rath, man werde (. . . ) [sie] daruber straffen“. 677 Den Kurator kümmerte das nicht, denn er gab nur das Schriftstück in Auftrag. Der Notar, der seiner Beurkundungsp icht nachkommen musste, sah das wohl nicht ganz so gelassen. Er erklärte, dass er „of cij mei jurati publici respectu solche seine [des Kurators] bitte nicht [habe] abschlagen konnen“, weshalb er dem Kurator „diesen Verinstrumentirten schein (. . . ) daruber in consueta et authentica forma der gerechtigkeit und warheit Zu steur wilfahrig“ mitteilen musste. 678 Die umständliche Erklärung des Notars zeigt, dass er gewisse Erklärungsnöte verspürte, denn der Rat verstand sich als eine „von Gott furgesetzt Obrigkeitt“ 679 und deutete jedes gegen ihn gerichtete Handeln als „sünd“. 680 Und aus diesem Selbstverständnis heraus konnte er erheblichen Zwang gegen Notare ausüben oder sie sonst schikanieren. Harmlos erscheinen in diesem Zusammenhang Weigerungen des Rates, an Insinuationen mitzuwirken 681 oder Informationen und Unterlagen herauszugeben. 682

676 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, dort insbesondere Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 r f. 677 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Lit. G: Instrumentum Protestationis, fol. 2 v. 678 Ebda. 679 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Schrifft: an statt mündtlichen Recessus, loco Duplicarum, fol. 1 v. 680 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1, fol. 1 r. 681 Z. B. der Verlesung einer Klageschrift zuzuhören oder eine Klageschrift in Empfang zu nehmen, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 1 Copia Instrumenti; StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 4, Beilage Nr. 8, fol. 1 v; StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 5 Libellus appellationis nullitatis, fol. 7 r. 682 StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 2, Beilage Lit. A Beijlagen, fol. 2 r.

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Daneben lassen sich mit Gefängnisstrafe bedrohte Verbote, dem Rat Protestationen zu insinuieren, nachweisen. 683 Welche Konsequenzen sonst drohten, wenn der Rat sich brüskiert fühlte, bekam der Notar Johannes Schmidt zu spüren 684: Johannes wurde in einem Reichskammergerichtsprozess hinzugezogen. Die Beklagten bestritten eine ordnungsgemäße Appellation – denn dem Appellationsschreiben war keine Vorakte beigefügt. Die Kläger setzten dem entgegen, dass sie die entsprechende Akte zwar vom Hamburger Rat angefordert, sie aber nicht erhalten hätten. Belegt wurde dies durch ein von Johannes ausgefertigtes Instrument. Dieses Schriftstück hielten sowohl die Beklagten als auch der Hamburger Rat für ein falsum. Der Rat ließ daher den Notar vorladen und befragen, worauf der Notar den Betrug einräumte, sich entschuldigte und gelobte, fortan nie wieder gegen den Rat zu instrumentieren, es sei denn, „er [Johannes] hette dan darbevore (. . . ) [dem] Erb. Radt sollchis angemelt und daruf folgentz Revisionem Instrumenti gebetten und fürgehen lassen, wie das also auch am fürstlichen holsteinischen Hofgerichte, alda ehr davore ein zeitlang gedienet, gebreuchlich gewesen were“. 685 Johannes sollte also seine Schriftstücke, sofern der Rat betroffen war, zur Zensur vorlegen. Das entsprach nun aber ganz und gar nicht der Idee des kaiserlichen Notariats als einer freien Institution. 686 Zensuren und Beurkundungsverbote scheinen dennoch durchaus üblich gewesen zu sein, wie Johannes' Verweis auf die holsteinischen Gerichte und verschiedene Stellungnahmen in der frühneuzeitlichen Literatur zeigen. 687 Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Notar eine Handlungsp icht obliege, sobald er requiriert werde, „sogar [wenn sich die Schriften] wider den Magistrat“ 688 – in Hamburg also gegen den Rat – richteten. Warum aber hatte sich Johannes auf diesen Kuhhandel eingelassen? 683 Verweis auf eine Drucksache von 1679 zum „würzischen Ap. 1679 gedruckhten warhaften bericht würzischer process sach, pag. 19. lin b (. . . ), [wonach] Notarijs beij strafe der gefängnüß Verbothen worden, eine protestion zu insinuiren“, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1, fol. 1 v. Vermutlich handelt es sich dabei um eine Reaktion des Rates auf Protestationen, die beim Rat im Zusammenhang mit dem Verfahren wegen Hochverrats und Schädigung des Fiskals bei der Eröffnung des Testaments des schwedischen Feldmarschalls Würtz durch den Hamburger Syndicus Vincent Garmers insinuiert wurden. S. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 3. 684 StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3 (darin insbesondere Q 13 notarielles Instrument; Q 16). 685 StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 13 notarielles Instrument. 686 So auch Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 17, nach dem die „ordentliche Obrigkeit ihm [dem Notar] diese oder jene Handlung (. . . ) nicht anbefehlen kann“. 687 Beispielsweise mussten nach einem Edikt des Stadtrates von Köln Notare einen Eid vor den Gaffeln leisten, worin sie versprachen, nichts gegen den Rat zu instrumentieren, s. Lünig, Des Teutschen Reichs-Archivs Pars Specialis IV. und letzte Continuation (1714), S. 1484. 688 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 16; so auch Bolz, In foro (1732), S. 76; Tassarae, Tractatus de Notariorum (1681), Cap. XXXVII (S. 150ff.).

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In einem Brief schilderte Johannes seine damalige Lage wie folgt: Mitnichten habe er die Zensurverp ichtung freiwillig abgegeben. Auch bestritt er ein betrügerisches Verhalten. Das Eingeständnis sei vom Rat erpresst worden und lediglich aus Furcht vor „gefenknuß (. . . ) [und der] furgestandene[n] gefahre“, erneut „torquiret“ zu werden, abgegeben worden. 689 Außerdem habe man ihn zur Ableistung einer Urfehde gezwungen. 690 Eine Beurkundung gegen den Willen des Rates barg also ein gewisses Risikopotential für den Notar. Die Notare befanden sich in einer Bredouille. Denn die „hiesige Obrigkeit [würde sie] gar nicht (. . . )schütze[n] (. . . ), wann (. . . ) [sie die Beurkundung] verweigert[en] oder aber anders, als [vom Auftraggeber] befehliget worden, (..)schrieben und instrumentirt[en]“. 691 Wer die Beurkundung aber nicht verweigerte, musste mit obrigkeitlichem Zwang rechnen, wie der Rat dem Notar Mathias Cramer gegenüber ganz unumwunden zugab. 692 Mathias beschrieb die Situation in einer Petition an den Kaiser so: Sein Auftraggeber habe auf der Grundlage des von ihm, Mathias, gefertigten notariellen Schuldscheins Zahlung vom Rat verlangt, woraufhin man ihn mit gewaltigem Spektakel vor den Rat und anschließend ins Gefängnis habe schleppen lassen. 693 Als er nach einer Erklärung für die entwürdigende Behandlung verlangte, habe ihm der vorsitzende Ratsherr „trotziglich mit spitzen Worten geantwortet: Müste gehen wohin Ers haben wollte, er hette die commande, ob (. . . ) [Mathias] nicht deßwegen Zu Rath suppliciren wollte und was dergleichen mehr“. 694 Insbesondere die Bemerkung des Ratsherren, Mathias könne sich ja beim Rat über das ratsherrliche Vorgehen beklagen, verdeutlicht das Selbstbewusstsein der Ratsherren und die Ohnmacht der schikanierten Notare ihnen gegenüber. Innerhalb Hamburgs war Mathias dem Rat gegenüber völ-

689 StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 16, fol. 1 v ff. 690 Mit der Urfehde kannte der Urfehder die Rechtmäßigkeit der erlittenen Haft und Folter an und verzichtete auf gewaltsame Vergeltung. Die Ableistung einer Urfehde bei der Haftentlassung war bis ins frühe 18. Jahrhundert gängige Praxis, unabhängig vom Haft- und Foltergrund sowie der Frage, ob das Vorgehen gegen den Urfehder rechtmäßig war oder nicht, s. Stefan Christian Saar, Art. Urfehde, in: HRG V (1998), Sp. 562ff., Sp. 565ff. Aus dem Zwang zur Ableistung der Urfehde lässt sich also kein Eingeständnis unrechtmäßigen Verhaltens seitens des Rates herleiten. Zur Urfehde s. Andreas Blauert, Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit [Frühneuzeit-Forschungen, Bd. 7], Tübingen 2000, S. 13ff. 691 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 3 r. 692 Ebda. Im Grundsatz bestritt der Rat die Schilderungen Mathias' nicht. Er wehrte sich lediglich gegen die von Mathias geschilderte Härte, die aus Sicht des Rates geringer gewesen sei. 693 Ausführlich zum Fall s. S. 121 ff. 694 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 3 r.

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lig hilflos. Zwar bestand theoretisch die Möglichkeit, sich an den Reichshofrat oder direkt an den Kaiser zu wenden 695, für Notare ging es aber um weit mehr als die ungestörte Berufsausübung. Denn jeder Skandal schadete dem Ansehen des Notars (und damit der des der Urkunden) und es spielte kaum eine Rolle, ob ein Gericht nachträglich feststellte, dass der Leumund zu Unrecht geschädigt worden war – eine vollständige Rehabilitation des Rufes war wahrscheinlich schwer möglich und der Verbreitungsgrad der Gerüchte beachtlich. 696 Die Folgen ratsherrlicher Willkür waren für die Notare drastisch und so nimmt es nicht Wunder, dass sie sich in „Sachen[, die dem Willen des Rates widersprachen,] nitt gebrauchen lassen woll[t]en“ 697 und sich weigerten, für sie potentiell gefährliche Handlungen vorzunehmen. Mathias' Ruf war trotz höchstrichterlich festgestellter Willkür seitens des Rates ruiniert. Und ihm blieb nur die Überzeugung, dass die Ratsherren, diese „Menschenquäler[, früher oder später für ihr Verhalten] (. . . ) von der Erde Rachen (. . . ) verschlungen werden“ würden. (3) Beurkundungsp icht III: der Notar und das falsum „Veritas (. . . ) amica legi[s] est“ 698 – Die Wahrheit ist die Freundin des Rechts, daher waren jegliche Arten von beurkundeten Unwahrheiten verboten. Unwahrheit wiederum de nierte die Literatur als eine Veränderung der Wahrheit – „Falsum (. . . ) est immutatio veritatis“. 699 Alle Unwahrheiten wurden mit dem lateinischen Begriff falsum bezeichnet. Aber anders als die deutsche Übersetzung – Fälschung, Betrug, Lüge, Unwahrheit, um nur einige zu nennen – vermuten lässt, bezeichnete der Begriff nur die Veränderung von Sachverhalten ohne Rücksicht auf die Gesinnung des Handelnden, er meint also nur „Unrichtigkeit“. Um ein falsum herzustellen, waren also weder positive Kenntnis noch fahrlässige Unkenntnis notwendig.

695 Grundsätzlich war der Reichshofrat für sämtliche Klagen, die die kaiserlichen Regalien betrafen, wie das Notariatswesen, zuständig. Dem Sinn nach Sellert (ders., Zuständigkeitsabgrenzung, S. 58), der eine „Zuständigkeit der Reichsgerichte in erster Instanz in solchen Angelegenheiten begründet [sehen möchte], die sich aus der Verletzung bestimmter Reichsgesetze und der daraus entstehenden Streitigkeiten ergaben“. Tilman Bloem, Verfassungsgerichtliche Probleme von 1495–1806, Kiel 1970, S. 70; Dietrich Kratsch, Justiz – Religion – Politik: das Reichskammergericht und die Klosterprozesse im ausgehenden 16. Jahrhundert [ Jus ecclesiasticum, Bd. 39], Tübingen 1990, S. 194. 696 So wurden Einzelfälle angeblich in juristischen Lehrbüchern als Beispiele verarbeitet und reichsweit an Studenten ausgegeben, Flugschriften gedruckt etc., sodass man die Hamburger Fälle sogar in Wien am Hof zur Kenntnis genommen habe. Weiterführend dazu S. 251 ff. 697 StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 5 Libellus appellationis, fol. 7 r. 698 Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. XXVI (S. 143). 699 Ebda., Element. Liber S. 110.

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Nach der Anschauung in der Rechtswissenschaft konnte das falsum in verschiedenen Stadien der Urkundserstellung und in verschiedenen Varianten auftreten: „Dicto, facto, & vsu“. 700 Der dem Notar mitgeteilte und zu beurkundende Sachverhalt konnte falsch sein oder der Sachverhalt wurde zwar richtig vorgetragen, aber falsch notiert. Zu guter Letzt konnte die Urkunde falsch gebraucht werden. Ein Notar war gehalten, Unwahrheiten zu vermeiden und sich stets tadellos zu verhalten. 701 Im Notareid beschworen Notare „aufrichtig / gerecht / redlich / treulich / ohne Heucheley / List / Falschheit oder Betrug“ 702 zu handeln, sie sollten also tunlichst alles meiden, was der Urkunde den Verdacht der Falschheit einbrachte. Jede Art von Falschbeurkundung war ihnen strikt untersagt, unabhängig davon, ob sie aus eigenem Antrieb geschah, durch Bestechung, die Einforderung freundschaftlicher Gefälligkeiten motiviert oder fahrlässig geschehen war. 703 Um die Beurkundung vor Manipulationen zu schützen, war es dem Notar verboten, Informationen, die er nicht persönlich vernommen, sondern nur vom Hörensagen erhalten hatte, zu verwerten (§ 6 Einl. RNO). Selbst den Aussagen „der aller glaubwürdigste[n] Mensch[en]“ 704 durfte er keinen Glauben schenken. Des Weiteren verlangte man von ihm, nur solche Tatsachen zu beurkunden, die er intellektuell nachvollziehen konnte – in Zweifelsfällen war er verp ichtet, sich zu informieren. 705 Johann Gottfried Bolz leitet die Informationsp icht aus der Standesehre des Notars her. Einem Notar stehe es, so Bolz, wohl „übel an(..) / wann er sich als Maitre in der NotariatKunst hintergehen“ ließe. 706 Es verbiete sich, dass sich ein Notar von den Urkundsbeteiligten zum Werkzeug eines Betruges machen ließe. Daher war er gehalten, alles zu tun, um „nichts falsches [in die Urkunde] einzumischen“. Denn schließlich war es ihm nicht erlaubt, wie „Richter, (. . . ) auff vermutung und praesumption ermeßen Zu agi-

700 Ebda. 701 Tassarae, Tractatus de Notariorum (1681), Cap. CII (S. 403). Der Notar sollte sich nicht als „Schänder und Spottvogel“ gebrauchen lassen und sich jeglicher „Schmach oder Schmitzwort (. . . ) Spotreden (. . . ) vnnd Fuchsschwäntziger Reden enthalten / dann Gott zerstreuwet die schalckhafftigen Zungen“, s. Saur, Dives notariorvm penvs (1592), S. 3. 702 Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 173. 703 Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. LXXXV (S. 167). Anders Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 35 (No. 50), nach dem nur die „wissentlich aus böse[m] Betrug“, also nur vorsätzlich geschehene Handlungen als Falschheit gewertet werden sollten. 704 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 34. Auch z. B. Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. II, S. 380. 705 Bolz, In foro (1732), S. 71 m. w. N.; so auch Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. II, S. 157 ff., S. 375 f. 706 Bolz, In foro (1732), S. 71.

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ren, sondern allein von den Zuschreiben so er mit leiblichen Sinnen empfangen, dieweil Er der Notarius nur einen Zeugen gleich schreiben soll[e]“. 707 Groß war die Gefahr, dass der Notar aus Unwissenheit wichtige Details versäumte oder dass er bewusst von einer Urkundspartei zum Nachteil der anderen getäuscht wurde. Auch wenn die Argumentation über die Standesehre in den untersuchten Schriften einmalig war, so herrschte innerhalb der frühneuzeitlichen Autorenund Anwaltschaft größtenteils Einigkeit, dass dem Notar jedes falsum zugerechnet wurde. 708 Bei nachgewiesener Falschheit ging das Schriftstück seiner gesteigerten Beweiskraft verlustig und der Notar machte sich gegenüber den Parteien verschuldensunabhängig für Schäden haftbar 709, die durch die Falschbeurkundung entstanden waren. Außerdem konnte die Verfehlung streng geahndet werden. 710 Man begründete die verschuldensunabhängige Haftung mit einem Verweis auf das Alte Testament (1 Mose 3,13-24), worin eine Abstufung der Verantwortlichkeit bei einer nachgewiesenen Verfehlung abgelehnt worden sei. Denn, so liest man in einer Akte des Reichskammergerichts, es habe auch der „Ersten Mutter Eva nicht gehulffen, daß die auch sagte, die Schlange hat mich verfuhret“. 711 Es sei daher nur konsequent, wenn man die eigenmotivierte Falschbeurkundung einer Beurkundung im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit (dementia), einer durch Zwang motivierten oder einer „verleitet[en]“ Falschbeurkundung gleichstelle. 712 Selbst wenn der Notar also keinerlei Anhaltspunkte für betrügerisches Verhalten der Urkundspartei hatte, er sich keines Fehlverhaltens bewusst war und es dafür auch keine Anhaltspunkte gab, konnte er nach der Beurkundung gleich einem aus rein egoistischen Motiven handelnden Betrüger bestraft werden.

707 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 v. 708 Anders Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 35 (No. 50). 709 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 v mit Verweis auf §§ 13 und 21 RNO, nach denen „die Notarien behuetsam sein sollen, das sie sich nicht irren, dieweil die Partheijen daraus in groß Ungemach, Gefährlichkeit und Kosten offt geführet werden, die sie [die Notare] ohn Zweiffel ihnen [den Auftraggebern] wieder Zu kehren schuldig sein“. 710 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 24, S. 69; Bolz, In foro (1732), S. 71; Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. I, S. 35 (No. 50), nach dem die Erzeugung eines falsum als crimen gewertet wird. So auch N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 34; Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. LXXVII (S. 164). 711 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 8 Protestationis et Appellationis Instrumentum, fol. 4 r (hier im Zusammenhang mit dem Ablegen eines falschen Zeugnisses). 712 Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. LXXXV (S. 167); Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 24.

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„Pecciret[713] auch der Notarius, wann er über verbothene Händel Contracte schreibet / und stehet hierauff / wann er sich hierzu gebrauchen lässet / die Relegation (. . . ) ob er schon gemeynet / er thue oder handele recht.“ 714

Im Rahmen peinlicher Sanktionierung wurden, anders als in der zivilrechtlichen Praxis, Bewusstsein und Motivation des Notars berücksichtigt, denn körperliche Strafen setzten Vorsatz voraus. 715 Die Strafen, die dem Notar bei nachgewiesenem Vorsatz drohten, waren zumindest theoretisch drakonisch. 716 Der überführte Notar konnte „mit dem feur [gestraft werden] / oder verl[or] sein hand“ 717, außerdem drohten „Landes-Verweisung (. . . ) oder sonst(..) eine(..) arbitrarische(..) Pöen“ und Infamie. 718 Man wird aber wohl davon ausgehen können, dass in der Praxis solche Strafen nicht vorkamen. Sicherlich wird der überführte Notar aber mindestens seines Amtes enthoben und von einer erneuten Kreierung ausgeschlossen worden sein. 719 Beim Nachweis eines falsum kam den Aussagen der Urkundszeugen und Urkundsbeteiligten eine entscheidende Rolle zu. 720 Zwar lassen sich insbesondere in der mittelalterlichen Literatur Stimmen nachweisen, die davon ausgehen, dass die

713 Pexieren = eine Dummheit begehen /sich versündigen. 714 Bolz, In foro (1732), S. 73. 715 Entwickelt hatte sich dies im Mittelalter, s. dazu Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 88 (dort Fn. 276). 716 Schon im Mittelalter sind solche Strafen für Notare beschrieben. Tatsächlich blieben Bestrafungen wohl Einzelfälle. Mit Nachweisen aus der mittelalterlichen Literatur, s. Schmoeckel, Dokumentalität, S. 208. 717 N. N., Notariat und Schreiber-Kunst Wes sich ein Notarius oder Schreiber in seinem Ampt, mit allenn Cautelen, Gebräuchen vnnd Regelen, nach außweisung beyder Rechten, zuhalten habe, in XXIIII. Capitel verschlossen, Straßburg 1529, Nr. III; wortgleich: N. N., Rhetoric unnd gerichtlichen Process (1534), fol. 70 v; Saur, Dives notariorvm penvs (1592), S. 777. Ähnlich: N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 33. 718 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 34. 719 Ebda. 720 Entsprach die mündliche Darstellung des Sachverhalts nicht dem Inhalt des Instruments, wurde die Wahrheitsvermutung der Urkunde zumindest in Mitleidenschaft gezogen, möglich war auch eine völlige Zerstörung der urkundlichen des. Ausgehend von der Frage nach der Beweistauglichkeit notarieller Instrumente bei fehlenden oder widersprüchlichen Zeugenaussagen nden sich seit dem Hochmittelalter eingehende Diskussionen in der weltlichen und kanonischen Rechtslehre. Streit entbrannte insbesondere darüber, wie es zu beurteilen war, wenn einer der Urkundszeugen seine Anwesenheit bei der Erstellung oder einzelne inhaltliche Festsetzungen bestritt und dieser Zeuge zur Erreichung der erforderlichen Mindestzeugenzahl unerlässlich war. Zu den Urkundszeugen s. S. 168 ff.

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des einer mit dem Verdacht auf Falschheit behafteten Urkunde wiederhergestellt werden konnte, sofern wenigstens zwei Menschen eine ordnungsgemäße Erstellung und die Richtigkeit des Urkundeninhalts bestätigten. 721 Die herrschende Meinung in der Frühen Neuzeit ging aber von einem mindestens suspect machenden falsum aus, wenn auch nur ein Zeuge die Urkunde nachträglich bestritt. 722 So auch im Fall des Notars Isaac Kochen. 723 Er hatte einen Zeugen verhört und darüber ein Instrument aufgestellt. Als das Schriftstück bei Gericht vorgelegt wurde, bestritt der Zeuge, die Aussage getätigt zu haben. Den Klägern kam das zupass. Sie warfen dem Notar eine Fälschung vor, die aus ihrer Sicht bestraft werden sollte. Im Prozess war Isaac durch die Änderung der Aussage des Zeugen in eine schwierige Lage gebracht worden, aber Isaac beharrte weiter auf der inhaltlichen Wahrheit seiner Beurkundung und wandte ein, dass er nicht verantwortlich gemacht werden könne, wenn der Zeuge nachträglich seine Meinung ändere. Darauf habe er schließlich keinerlei Ein uss. Ihn dafür zur Verantwortung zu ziehen, sei schlicht unbillig. Um das zu untermauern, zog er einen Vergleich zu gerichtlichen Aussagen. Es geschehe „toto die (. . . ), daß Zeugen über eine und eben dieselbe Sache selbst in einem Gerichts anders als in anderen Gerichte deponiren, ja (. . . ) ausdrücklich anzeigen, daß sie die erster Aussage nicht so gethan haben könten, wie protokolliret wäre. Also hat eben Illustriss: Mynsing: Observat: LXXXVI Centur: 2[724] die weitläu gen dispüten der Doctorum über die Prüfung solcher Aussagen colligiret und die wahre Meinung so vorgetragen: Primae depositioni credendum esse, suadetur optima ratione, quia talis testis praesumitur subornatus á parte: ergo sequitur, primum dictum praesumi verius, alias esset in potestate testis, annulare dictum suum, et tollere jus jam quaesitum parti. Et hanc posteriorem Sententiam, ceu veriorem, observat Camera. So viel fehlet, daß das Gericht, welches einen Zeugen zu erst abgehöret hat, daher beschuldiget werden könte, ihm Aussagen angedichtet zu haben, weil er nachhero in einem andern Gericht einige der vorigen Aussagen nicht so gethan zu haben aßeriret. Ja!, wird Hr. Bekl. sagen, mit einem Gerichte ist es anders, das hat dem und gegen dasselbe hat der Zeuge beij nachheriger Abänderung seiner Aussagen keinen dem. Wenn es 721 Neben dem Grundsatz, dass nur die Aussage zweier Zeugen den vollen Beweis erbringen konnte, erkannte die reichsgerichtliche Praxis nach Mathias Alber ausnahmsweise auch die Aussage eines Zeugen als ausreichend an, wenn weitere Zeugen die zu beweisende Tatsache wegen allgemeiner Kenntnis (accedens fama) bestätigten, s. Protokollbuch Mathias Alber, Regest 15 (S. 921). Mit zahlreichen Verweisen aus der mittelalterlichen Literatur: Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 143ff., insb. S. 146. 722 Anders: Mascardi, Conclusiones Probationum (1661), Vol. I Quaest. VI n. XLI (S. 21). 723 Der Fall ist der Akte StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49 entnommen. Zum Fall auch S. 177; S. 190; S. 228 ff.; S. 253 ff. 724 Joachimi Mynsingeri a Frundeck, Singularium Observationum Imper. Camerae (. . . ), Wittenberg 1648, Centur. II n. 4, 5 (S. 150).

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darauf ankommen soll, so hat ein Notarius, der was von einem Zeugen auf Befragen gehöret zu haben bejahet, zum wenigsten eben so viel dem, als der Zeuge, der es ihm geantwortet zu haben läugnet: so wie es in commini vita allermal in dem Falle heißet, wenn unter zwo Personen sondern Anwesenheit mehrerer etwas passiret ist, [54] daß des einen Ja! So viel gelte als des anderen Nein! Allein es beliebe der Herr Bekl. auf die ab Illustriss: Mynsingero angeführte rationem decidendi beij der von den meisten Doctoribus und ex ipsa praxi Camerali recipirten Meinung acht zu geben. Quia, heißet sie, talis testis praesumitur subornatus à parte. Und diese ratio decidendi waltet weit mehr ab, wenn einer à Notario aufgenommenen deposition eines Zeugens, die nachhero von selbigem coram Notariis oder sonst extrajudicialiter ohne Eid, geschehene Abänderung derselben will opponiret werden. Denn, wenn ein Zeuge, der gerichtlich und eidlich abgehöret ist, nachhero gerichtlich und eidlich negiret, so deponiret zu haben: so läßt sich nicht so leicht glauben, daß er den durch seine erster aufgenomene Aussage gravirten zu Liebe, der ihm gethanen nachdrücklich Verwarnung ungeachtet, seiner Seele nach dem Teufel schweren werden; als es sich glauben läßet, daß ein Zeuge, der von einem Notario ohne Eid abgehöret ist, nachhero dem dadurch gravirten zu Liebe ohne Eid läugnen werde, die Aussage so gethan zu haben, zumal, da er siehet, daß er den Notario Kochen, der ihn blos tête à tête abgehöret hat, nicht überführet werden kann, die vorige Aussage gethan zu haben. (. . . ) [58] Nun ist es die unumstößlichste Regel des bürgerlichen und natürlichen Rechts, quemlibet praesumi bonum, donec probetur contrarium; und Kläger hat als ein beij diesem Höchstpreisl. Kaisl. Reichsgerichte immatriculirter Notarius nach ins besondere die Präsumption für sich, daß er wenigstens nicht höchstdaßelbe selbsten durch verfälschte Abhörung hintergehen werde; wie denn würklich die hochlöbl. Göttingische Juristenfacultät die pro quoc¯u Notario, vel simplici, allenthalben obwaltende Präsumption in ihrem responso sub Lit: C libelli urgiret hat. Aber er, Kläger, hat nicht nöthig, auf so etwas zu provociren.“ 725

Im Prozess stand die Aussage des Zeugen gegen die des Notars und sein Instrument. 726 Obwohl die herrschende Meinung in der Literatur, wie auch von den Prozessvertretern angeführt, Notaren eine höhere Glaubwürdigkeit zusprach als einfachen Zeugen, konnte der Notar seine Urkunde nicht bekräftigen. Zwar gelang es dem Zeugen nicht darzulegen, dass er die Aussagen nicht, wie in der Urkunde angegeben, getätigt hatte. 727 Der Verdacht einer nicht ordnungsgemäßen Erstellung 725 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 53ff. 726 Zum selben Problemstand zwischen Anwalt und Mandant: Augustini a Leyser, Meditationes ad Pandectas (. . . ), Vol. VIII, Halle 1772, Spec. DXLVII Medit. VII ff. (S. 196). 727 Der Streitstand wurde bereits seit dem Hochmittelalter in der Literatur, insbesondere in der kanonistischen Literatur diskutiert. Schon im Kommentar zum Liber Extra hatte Innozenz IV. die verschiedenen Lehrmeinungen zur Frage vom Verhältnis von Zeugenbeweis und notarieller Urkunde zusammengetragen, s. Innozenz IV., Commentaria (1570), zu X 2.22.10 v. Tabellionem, cap. X. 2: Bestreite ein Zeuge, der Urkundserstel-

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genügte aber, um die des der Urkunde zu stören. Weitere Zeugen, die dem Verhör beigewohnt hatten und auf die man im Prozess hätte zurückgreifen können, waren nicht vorhanden. Damit bestand der Verdacht eines falsum, der jedoch letztendlich nicht erhärtet werden konnte. Als Beweismittel war das Schriftstück nun zu unsicher und man verlegte die Beweisführung auf andere Beweismittel. (4) Ausnahmen von der Beurkundungsp icht Eine Verweigerung der Beurkundung war grundsätzlich nicht möglich. Davon waren aber die Fälle ausgenommen, in denen dem Notar eine Beurkundung „über verbotene Händel“ 728 abverlangt wurde. Georg Christan Brunnemann nennt für solche verbotenen Händel verschiedene Beispiele, unter anderem die Beurkundung einer widerrechtlichen Appellation oder das Schreiben eines „unziemliche[n]“ Retorsionslibells. 729 In solchen Fällen sollte der Notar entgegen seiner gesetzlich vorgeschriebenen Beurkundungsp icht „so gar schuldig [sein], dem Requirenten seinen Dienst zu versagen“. 730 In eindeutigen Fällen verbotener Handlungen war eine Weigerung also möglich. Problematisch war die Weigerung, den Beurkundungsersuchen Folge zu leisten, in Grenzbereichen, zum Beispiel bei Verdacht von Sittenwidrigkeit. Denn in solchen Fällen hätte der Notar eine Prognoseentscheidung darüber fällen müssen, ob das Gericht gegebenenfalls seiner Einschätzung folgt. Andernfalls wäre das Ablehnen des Beurkundungsersuchens strafbar. 731 Es herrschten erhebliche Unsicherheiten aufseiten der Notare. Denn im Falle einer Beurkundung liefen sie Gefahr, sich dem Vorwurf einer Falschbeurkundung auszusetzen, sofern das Gericht im nachfolgenden Prozess dies als „verbotenen Händel“ quali zierte.

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lung beigewohnt zu haben, komme es darauf an, ob der Nachweis der Richtigkeit noch mit den verbleibenden Zeugen zu führen sei. Schwiegen diese oder waren sie verstorben, wirke sich dies auf die Gültigkeit der Urkunde aus, ebenso wirke es sich aus, wenn durch den Wegfall des die Anwesenheit bestreitenden Zeugen die erforderliche Mindestzeugenzahl unterlaufen würde. Hätte der Notar vorsorglich mehr Zeugen, als dies gesetzlich vorgeschrieben war, berufen, behalte das Schriftstück seine des. Grundsätzlich könne gesagt werden, dass dem Notar bzw. seinem Instrument zu glauben sei, wenn die Abwesenheit bei der Urkundserstellung nur behauptet, aber nicht bewiesen werde. S. dazu auch Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 144f. m. w. N. (dort insb. Fn. 183). Nehring, Manuale Notariorum Latino-Germanicum (1700), Lib. II, S. 378; so auch Cnavstivm, Artis Notariatvs Elementarivs Liber (1612), Excessibus n. XX (S. 140). Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 16. Ein „Retorsionslibell“ ist ein Einrede- oder Erwiderungsschreiben. Ebda., S. 17. Dazu unter S. 213 ff.

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Um dieser Gefahr entgegenzutreten, forderten die Notare eine Ausnahme von ihrer ansonsten strikten Verantwortlichkeit für jegliche Falschbeurkundungen. 732 Vielmehr sollten die Urkundsparteien in diesen Fällen eigenverantwortlich sein und den Notar nicht in Haftung nehmen können. Bis zum Ende des Alten Reichs konnte in diesem Bereich keine Klarheit geschaffen werden – alles blieb einzelfallabhängig. 733 Auch in der untersuchten Literatur ließen sich keine Tendenzen ausmachen. Der Notar hatte entweder selbst über ausreichende Rechtskenntnisse zu verfügen, die eine rechtliche Einschätzung der Rechtslage ermöglichten, oder er musste sich Rechtsrat suchen.

732 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 53 mit Verweis auf Mynsinger von Frundeck, Singularium observationum (. . . ) VI, Wittemberg 1648, Cent. II Obs. LXXXVI (S. 149 ff.). 733 Auch über den Untergang des Alten Reichs hinaus ändert sich daran nichts. Anfang des 19. Jahrhunderts brachte die zwischenzeitlich gegründete Notarkammer die alte Streitfrage erneut aufs Tableau. Am 15. 6. 1818 erließ das Hamburger Handelsgericht eine Verfügung, nach der die Prüfungsp icht, ob das Rechtsgeschäft zulässig war, nach wie vor dem beurkundenden Notar oblag (s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. A XI b 7 Nr. 23 Acta in Sachen betreffend Beschwerde der Notariatskammer gegen eine Verfügung des Handelsgerichts vom 15.ten Juni 1818). Die Notarkammer legte daraufhin Beschwerde ein. Sie verlangte, dass „im Zweifelsfall (. . . ) [den Vorwurf eines Rechtsverstoßes] allein d[ie] den Notarium requirirende(. . . ) Parthei treffen“ sollte (StA HH, Obergericht 211-4, Nr. A XI b 7 Nr. 23, Extractus Protokolli Iudicii superioris Hamburgensis vom 1. 7. 1818, fol. 1 v). Am 6. 7. 1818 stellte das Handelsgericht dazu klar: „[E]s liegt jedoch in der Natur der Sache, das die von ihnen aufzunehmenden Acten weder gegen positive Gesetze nach gegen die guten Sitten verstoßen müssen, und das sie nicht allein befugt, sondern selbst verp ichtet sind, die Redigirung von Acten zu verweigern, die gesetzwidrige Insinuationen enthalten. Würde man diesen Grundsatz nicht statutiren wollen, und dürfte sich die Notar allemahl damit, daß er zur Redigirung dieser Acta requirirt worden sei, entschuldigen, so würde eine schwer zu vereinigende Collision zwischen der Achtung entstehen, die jeder diesen öffentlichen Glauben habenden Männer schuldig ist und der Achtung, die jeder sich selbst schuldig ist und die nicht gestattet sich [injurieuse?] Insinuata aufdringen zu lassen. So darf das Handels-Gericht denn wohl mit Grund behaupten, daß wenn gleich jeder Notar im allgemeinen Aufforderung nachzukommen, er dennoch immer überlegen muß, ob der Inhalt der Acta positiven Gesetzen oder den guten Sitten zuwider sei. (. . . ) [Notare, die gegen Recht verstoßen,] verdienen nach dem erachten des Handels-Gerichts allerdings eine Rüge, nicht aber der Requirent, bei dem man keine Rechtskunde voraussetzen darf“, s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. A XI b 7 Nr. 23, Stellungnahme des Hamburger Handelsgerichts vom 6.7.1818, fol. 1 v.

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5. Angriffsmöglichkeiten auf die des Das folgende Kapitel ist der Frage gewidmet, wie die von ordnungsgemäß erstellten notariellen Urkunden erzeugte Beweiskraft erschüttert werden konnte. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich die Arbeit allein der Rechtspraxis verschrieben hat, wie sie sich nach den untersuchten Hamburger Reichskammergerichtsakten darstellt. Behandelt werden daher nur solche „Angriffsmittel“, die sich in den Akten nachweisen ließen. In den untersuchten Schriftstücken nicht nachweisbare, wie beispielsweise der Diffessionseid und die Schriftvergleichung, blieben deshalb außen vor. Wieder einmal soll ein Auszug aus einer Reichskammergerichtsakte in den Problemstand einführen. Es ist der Fall des Notars Isaac Kochen, den wir bereits kennengelernt haben 734: 1756 wurde am Reichskammergericht eine von Isaac ausgefertigte Urkunde über ein in Hamburg aufgenommenes notarielles Zeugenverhör als Beweismittel vorgelegt. 735 Dies geschah, wie der vorlegende Beklagte vortrug, um „die wahrheit an das licht zu stellen und die falschheit zu entlarven“. 736 Es sei hier noch einmal kurz erinnert, wie diese Wahrheit aus Sicht des Beklagten aussah: Danach hatte Isaac Zeugen verhört und darüber anschließend eine formfehlerhafte und inhaltlich falsche notarielle Urkunde errichtet. Dieses Schriftstück war dann im Rahmen eines Erbstreits vorgelegt worden 737, wohl, wie der Beklagtenvertreter vermutete, weil „sich [der Kläger] darauf verließ(..), quod instrumentis a Notarius confectis in Camera des adhibeantur“ 738 – dass das Reichskammergericht das Schriftstück auf Grund der Tatsache, dass es von einem Notar erstellt worden war, als glaubwürdig anerkennen würde. In dem Erbstreit hatte sich der damalige Beklagte, der auch nun wieder als Beklagter vor Gericht stand, so sehr über diesen aus seiner Sicht dreisten Betrug geärgert, dass er den Notar als Betrüger beschimpfte. Dieser zog nun seinerseits wegen Verleumdung vor Gericht. 739 Dort stritten die Parteien unter anderem darüber, ob es sich bei dem Verhör um ein notarielles falsum gehandelt habe. Tatsächlich wirkte das Schriftstück dem äußeren Anschein nach wie eine notarielle Urkunde. Bei genauerem Hinsehen wies es allerdings einen eklatanten Fehler auf, denn es verlor kein Wort zu den notariellen Urkundszeugen – sie waren zur Beurkundung offenbar nicht hinzugezogen worden. Neben diesem Formfehler be-

734 735 736 737 738 739

Zum Fall siehe auch S. 160 f., S. 177. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. A (Q 6). StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 10 v. StA HH, RKG 211-2, Nr. S 49 Teil 1–5. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 21 r. Er erhob eine Injurienklage.

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mängelte der Beklagte, dass die vernommenen Zeugen allem Anschein nach nicht vereidigt worden waren. Das wäre aber nach dem Hamburger Stadtrecht Voraussetzung für ein ordentliches Verhör gewesen (StR 1603/05 I 28, 28). Nachdem der Betrugsvorwurf geäußert worden war, erklärte der Kläger (Isaac Kochen), dass das Schriftstück nicht als Beweismittel gedacht gewesen sei. Man habe mit dem Schriftstück konkludent Zeugen benennen wollen, die – im Falle einer Zulassung – vom Gericht zu vernehmen gewesen wären. Die im Schriftstück enthaltenen Aussagen sollten, so die Erklärung des Klägers, nur einen Eindruck dessen vermitteln, was die Zeugen im Falle einer Vernehmung aussagen würden. Außerdem habe man sich um Formfehler keine Gedanken gemacht, weil für Zeugenbenennungen keine Form notwendig sei. Die Annahme des Beklagten, es handle sich um ein notarielles Verhör, sei abwegig, denn es sei schließlich bekannt, dass nach dem „Hamburgische[n] Statutum (. . . ) denen von Notarien aufgenommenen Zeugen Depositionen in Iudicio aller Glaube gäntzlich denegiret“ werde. 740 Das vom Reichsrecht abweichende Statutarrecht hatte natürlich auch der Beklagtenvertreter gesehen. Im Rahmen des Beleidigungsprozesses (Injurie) stellte er fest, dass er sich, wenn nur „beij (. . . ) denen Hamburgischen Gerichten (. . . ) [geklagt worden wäre,] keine Mühe gegeben (. . . ), [sondern lediglich auf die Hamburger Statuten verwiesen hätte], allein da die (. . . ) [Instrumente für das] Höchstpreisl. Reichs Gerichte als authentique und glaubwürdige notarial Instrumente, in vim probationis, produciret waren, so muste Anwaldts Principalis unumgänglich darauf bedacht seijn, die Falschheit gedachter Instrumenten, deren Er aus ihrem unwahren Inhalt gewiß überzeuget seijn konnte, auch zu Überzeugung dieses Augustissimi Tribunalis, aus der dunckelheit, womit Sie umbgeben war und darinn Sie in eingebilderter stoltzer Sicherheit versteckt lag, herfür zu ziehen und ans Licht zu bringen. Wenn in Hamburg notarialiter aufgenommenen Depositiones Testium, extra- und judicialiter beijgebracht werden [würden], so gesch[ehe] solches bloß in der absicht, daß dieselbe statt einer Geschichts-Erzählung dienen solle(..), weil ein jeder Rechts-verständiger w[isse], daß in decernendo vel judicando nicht der geringste Rechtliche bedacht berauf genommen w[erde], mithin k[omme] es nicht darauf an, in welcher Form sie verfaßet s[eien], allein beij notarial Instrumenten die an auswärtigen und insonderheit beij denen höchsten Reichs Gerichten gebrauchet werden sollen, ha[be] es eine gantz andere Beschaffenheit“. 741

Der Beklagte hatte größtes Interesse an einem Nachweis, dass es sich bei dem Schriftstück um ein falsum handelte, denn nur dann hätte die Betitelung des Notars als Betrüger der Wahrheit entsprochen und wäre nicht als Beleidigung quali ziert wor740 Ebda., fol. 22 r f. 741 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 22 v ff.

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den. Der einfachste Weg, zu diesem Ziel zu gelangen, wäre wohl gewesen, wenn ein Gesetz zur Anwendung gekommen wäre, dass dem vorgelegten Schriftstück seine Wirkung versagte. Und tatsächlich existierte ein solches Gesetz im Hamburger Stadtrecht StR 1603/05 I 28, 28: „Und dieweil, ohne Eides-Leistung, der Gezeugen Aussagen zu Rechte nicht gültig sind; so sollen hinfüro der Zeugen Aussagen, welche vor den Notarien [innerhalb Hamburgs 742] aufgenommen, in Unserm Gerichte nicht attendiret, sondern gäntzlich verworffen werden.“

Von der Anwendung dieser Regelung hätten beide Parteien pro tieren können. Der Beklagte hätte damit das betrügerische Verhalten des Notars plausibel machen können, denn eine wider die stadtrechtliche Regelung erfolgte Beurkundung bedeutete entweder, dass der Notar seine Auftraggeber nicht ausreichend aufgeklärt hatte. Damit hätte er um seiner Bezahlung willen ein für seine Auftraggeber unbrauchbares Schriftstück produziert und diese dadurch betrogen. Oder der Notar und seine Auftraggeber hätten kollusiv zusammengewirkt, in der Hoffnung, das Gericht würde entgegen den Hamburger Statuten die Urkunde anerkennen und den Beklagten verurteilen. Aber auch für den Kläger hätte die Anwendung des Hamburger Rechts Vorteile haben können, wenn er das Gericht unter Hinweis auf die stadtrechtliche Regelung von der Sinnlosigkeit einer notariellen Beurkundung und damit davon hätte überzeugen können, dass es sich bei dem Schriftstück tatsächlich nur um eine Zeugenbenennung handelte. Obwohl beide Parteien die Hamburger Regelung kannten und von deren Anwendung hätten pro tieren können, schien sich keine der beiden ernsthaft darauf berufen zu wollen. Zwar hatte der Klägervertreter im vorangegangenen Erbstreit zwischenzeitlich auf das Hamburger Recht Bezug genommen und damit wohl eine Rechtsbeibringung der Hamburger Statuten am Reichskammergericht intendiert. 743 Nach dem Hinweis des Beklagtenvertreters, dass die Anwendung des Hamburger Rechts nicht möglich sei, wurde die Anwendung der Statuten nicht mehr 742 Schon vor dem Gesetzeserlass waren notarielle Zeugenverhöre, die außerhalb der Stadt durchgeführt wurden, anerkannt, z. B. Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 128ff. So auch Gries I, S. 113 (Kommentar zu StR 1603/05 I 28, 28). Gries schränkt das jedoch insoweit ein, als dass die Zeugenverhöre nur anerkannt werden, wenn sie an dem Ort, an dem sie aufgenommen wurden, ebenfalls anerkannt sind. 743 Inwieweit eine Beibringung Hamburger Statutarrechts tatsächlich notwendig gewesen wäre, ist fraglich. In den Akten wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass sich „niemand [unter] de[n] vortrefflichen Herrn Assesoren [am Reichskammergericht] (. . . ) bef[u]nden (. . . ) [habe], der nicht selbsten die Statuta Hamburgensia in seiner Bibliothec verwahr[te]“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 26 Exceptiones, fol. 3 v. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund des Rechtsbeibringungsgrundsatzes interessant. S. dazu Oestmann, Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 47 ff., S. 431ff.

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erörtert, wohl, weil beide Parteien wussten, dass das Hamburger Recht die im kaiserlichen Recht festgelegte gesteigerte Glaubwürdigkeit notarieller Urkunden missachtete. Der Beklagte versuchten im Folgenden jedenfalls, das notarielle Schriftstück nur über formelle sowie materielle Mängel und die Unglaubwürdigkeit des Notars anzugreifen.

a. Regelungen zum Notariatswesen im Hamburger Recht Das Hamburger Stadtrecht äußerte sich nur sehr spärlich zum kaiserlichen Notariat. Dennoch waren innerhalb Hamburgs aufgenommene notarielle Zeugenverhöre nicht die einzigen notariellen Schriftstücke, denen das Stadtrecht jede Wirkung absprach. Bis ins 17. Jahrhundert hatte dies auch für notarielle Testamente gegolten, die zunächst nur in Notzeiten oder wenn Seuchen ausbrachen zugelassen worden waren. 744 Sogar bis zum Ende des Alten Reichs verweigerte das Stadtrecht notariellen Kopien 745, notariellen Schuldscheinen 746 und notariellen Grundstückskaufverträgen 747 ihre Wirkung. Die Hamburger Bevölkerung sollte sich an die Stadtschreiber wenden, wenn sie die entsprechenden Schriftstücke benötigte. 748

744 Erstmals taucht diese Regelung im Rezess von 1529 Art. 26 auf. Sie wird dann im StR 1603/05 III 1, 2 übernommen. Dazu Trummer, Erbrecht II, S. 363; Johann Karl Gries, Commentar zum Hamburgischen Stadtrecht von 1603, Bd. II, Hamburg 1837, S. 129. Dass aber die notarielle Testamentsform bereits möglich war, belegen die in den Beständen des Senats überlieferten und z. T. vom Rat kon rmierten Testamente (dazu weiter unter S. 297 ff.). Für das frühe 18. Jahrhundert, s. Gutachten der Hamburger Notare zu den Hamburger Rechtsgewohnheiten bei der Aufstellung eines Testamentis reciprocis, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 22. 745 Nur einmal wurde versucht, die geübte Praxis rechtlich einzukleiden: Niedergerichtsordnung s. Christian Daniel Anderson, Hamburgisches Privatrecht III (1787), S. 325 (dazu auch Schultze-v. Lasaulx, Notariat in Hamburg, S. 29f.). Allerdings sind solche Ordnungen nur interne Weisungen an das Niedergericht und für die anderen Hamburger Gerichte nicht verbindlich. 746 StR 1603/05 I 20, 2 „unläugbare Brief“, s. Gries I, S. 72ff. (Kommentar zu StR 1603/05 I 20, 2), nach dem bei unleugbaren Briefen nur von öffentlichen Siegel- und Privaturkunden die Rede ist. 747 StR 1497 G II/H IIII; StR 1603/05 I 30, 3/II 1, 6/II 8, 6. 748 Die Stadtschreiber sollten den Urkundsbegehren der Hamburger Bevölkerung nachkommen. So zum Beispiel mit Bezug auf den Art. 49 des Rezessbuches, nach dem Stadtschreiber, d. h. die „Sijndicisekretarij und alle, die Se zum Schreiberampt und Handwerck gehoren“ verp ichtet sein sollten, „sich (. . . ) gegen den Radt und den burgern alse gutwellige diener [zu] erzeijgen“. Ähnlich auch die Vereinbarung zwischen Rat und Bürgerschaft von 1548, in der festgelegt wurde, „das die Sijndici und Secretarien sich Ihrer P icht unvortreislich und der gestaldt halten sollen, das man sich des nicht zu beschweren habe“, Verweis in StA HH, RKG 211-2, Nr. R 43, Q 3 Instrumentum Protestationis.

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Bei der Auflistung der notariellen Instrumente ohne Glauben ist zweierlei auffällig. Erstens scheint das Stadtrecht weniger strikt gewesen zu sein, wenn das kaiserliche Notariat Dienste übernahm, für die man beschwerlich zu anderen Orten reisen musste, wie bei Zeugenverhören außerhalb Hamburgs, oder bei denen man sich in die Gefahr einer Ansteckung begab, weil man den letzten Willen eines Pestkranken beurkunden sollte. Zweitens, und das ergibt sich nicht aus dem Stadtrecht, sondern erst aus dem Studium der Archivalien, ging der Hamburger Rat bei der Anwendung der stadtrechtlichen Regeln grundsätzlich pragmatisch vor und hielt sich nicht sklavisch an das von ihm gesetzte Recht. 749 Wann immer es ihm zweckmäßig erschien, setzte er sich über das Statutarrecht hinweg. So lassen sich selbst Fälle nachweisen, in denen auch der Rat notarielle Zeugenverhöre und notarielle Kopien produzieren ließ, um sie in einem Prozess zu Beweiszwecken einzureichen. 750 Diese Inkonsequenz hielt ihn aber nicht davon ab, in anderen Fällen Notare zu verfolgen, die ebensolche Urkunden für Dritte aufstellten. 751 Innerhalb Hamburgs herrschte der Rat weitestgehend uneingeschränkt. Solange er den Handel protegierte und die erbgesessenen Bürger nicht mit allzu viel Selbstherrlichkeit erzürnte, musste er sich für sein Handeln innerhalb Hamburgs kaum rechtfertigen. Anders war das vor den Reichsgerichten, wie der folgende Fall verdeutlicht 752: Mitte des 16. Jahrhunderts versuchte ein Reichskammergerichtsbote, ein Mandat am Hamburger Rat zu insinuieren. Nachdem er einige Male zum Ratshaus gegangen und mit seinem Anliegen gescheitert war, beauftragte er den Notar Johann Brusehauer mit der Zustellung und reiste ab. Aber auch Johann hatte seine liebe Not, das Papier beim Rat förmlich einzugeben. Nachdem auch er einige Male abgewiesen worden war, versuchte er, das Schriftstück einem Bürgermeister gegenüber bekannt zu geben. Zwar erlangte der Bürgermeister Kenntnis von dem Mandat, er verweigerte allerdings dessen Annahme. Johann übergab das Schreiben deshalb an einen

749 Vermutlich handelt es sich hierbei tatsächlich nur um (an wirtschaftlichen Notwendigkeiten orientierte?) pragmatische Entscheidungen und nicht um die usuale Interpretation der städtischen Regelungen. Zur usualen Interpretation Jan Schröder, Rechts als Wissenschaft – Geschichte der juristischen Methodenlehre in der Neuzeit (1500– 1933), Au . 2, München 2012, S. 79. 750 StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 31 (notarielles Zeugenverhör, eingereicht am Hamburger Obergericht); StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 8 Protestationis et Appellationis Instrumentum (notarielle beglaubigte Auszüge aus Geschäftsbüchern); StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 2, Verschiedene Schriften an den Prätor und Theile von Prätur- u. Untersuchungsacten um 1750, Aktenauszug in Sachen Georg Weisbach gegen den Juden Joh: Embden (die Prätur lässt ein notarielles Zeugenverhör in Hamburg aufzeichnen). 751 Erinnert sei hier an den in der Einleitung geschilderten Fall des Notars Mathias Cramer. 752 StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17.

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Ratssekretär mit der Bitte, er möge es an den Gesamtrat überreichen. So geschah es dann auch. Johann war der Auffassung, alles Erforderliche für eine ordentliche Insinuation getan zu haben. Der Rat bestritt dies. Er verwies auf Hamburger Recht, nach dem eine ordnungsgemäße Insinuation nur an den Gesamtrat möglich sein sollte. Ausnahmen von diesem Grundsatz sollten der „gute[n] ordnung und Polliceij“ wegen nicht möglich sein. 753 Bedenken, dass hier eine unbillige Einschränkung des Reichsrechts vorlag, insbesondere der Regelungen zur Zustellung kaiserlicher Schriftstücke durch öffentliche Notare nach §§ II 1, 2 RNO, die für die Unmöglichkeit der Zustellung Ausnahmen vorsah, trug der Hamburger Rat nicht. Das städtische Recht sei, so der Rat, im Gegenteil, dem Reichsrecht „gantz gemess und dahin gerecht (. . . ), damit der Process formlich, ordentlich und wie sich gepürt exequirt werden“ könne. 754 Wenn dies zutreffend gewesen wäre, hätte das Hamburger Recht ratsherrlicher Willkür und Rechtsverweigerung Tür und Tor geöffnet, denn hier lag eindeutig ein Fall absichtlicher Annahmeverweigerung vor. Der Kläger wandte daher ein, dass es schlechterdings illegitim sei, wenn „des Raths privatische[n] nichtige[n] vereinigung unnd Convention per Reg. privatorum Conventio E. Keij. Maijt und des Heiligenn Reijchs gemeine offne einmüttige bewilligte Ordnung und Convention (. . . ) umbstosse (. . . ) [und dem Stadtrecht] den fürzog [gegeben werden,] (. . . ) [denn] des Haijligenn Reijchs Ordnung [müsse] (. . . ) fürgesetzt und gehaltenn werden“. 755

Mit dieser Einschätzung lag er offenbar richtig, denn das kammergerichtliche Verfahren wurde unter anderem wegen Justizverweigerung angenommen. Im Ergebnis ist das wohl nicht weiter verwunderlich. Das Reichskammergericht war in Fällen von Justizverweigerung zuständig. 756 Hier versuchte sich der Rat aber auch auf § 1 Einl. RNO zu berufen. Danach wurden Notare ausdrücklich verp ichtet, „ihrer Aembter (. . . ) [den] gemeine[n] Rechten oder löbliche[n] Gewonheit und Gebrauch eines jeden Orts [gemäß] (. . . ) getreulich und auffrichtiglich zu üben“. Wenn es dem Rat aber grundsätzlich gestattet gewesen sein soll, in das kaiserliche Notariatswesen einzugreifen, weshalb konnte er nicht darauf pochen, dass notarielle Insinuationen nur dem Gesamtrat gegenüber erfolgten? Die Antwort auf die Frage, inwieweit es dem Hamburger Rat gestattet war, in das kaiserliche Notariatswesen einzugreifen, es zu modi zieren oder die Wirkung der Urkunden in bestimmten 753 754 755 756

StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 5 Duplicae, fol. 7 r. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 7 Conclusiones, fol. 7 v. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 4 Replicae, fol. 6 v. Oestmann, Rechtsverweigerung, S. 51 ff., speziell zur Rechtsverweigerung in der Praxis des Reichskammergerichts, S. 90 ff. Eine Unterscheidung zwischen Rechtsverweigerung und Justizverweigerung lehnt Oestmann für die frühe Neuzeit ab, s. dazu S. 57ff.

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Bereichen aufzuheben, ist eng verbunden mit dem Recht des Kaisers am Notariat beziehungsweise seinen Kompetenzen im Bereich des Notariatswesens. aa. Versagte Glaubwürdigkeit Es wird berichtet, dass, wenn an einem Hamburger Gericht die gesteigerte Beweiskraft eines notariellen Schriftstücks widerlegt werden sollte, dies mühelos durch einen Rückgriff auf die Hamburger Regelungen 757, die notariellen Schriften ihren Glauben versagten, möglich gewesen sei. 758 Ob sich ein Angriff auf notarielle Urkunden aber tatsächlich so einfach bewerkstelligen ließ, ist fraglich. Verlässlich war die Anwendung Hamburger Rechts durch die städtischen Gerichte jedenfalls nicht, denn es lassen sich diverse Fälle nachweisen, in denen davon abgewichen wurde. 759 An den Reichsgerichten war eine Berufung auf Hamburger Regelungen, die nota-

757 Solche Regelungen bestanden bis zum 17. Jahrhundert für notarielle Testamente, die nicht zu Notzeiten errichtet wurden und bis zum Ende des Alten Reichs für notarielle Zeugenverhöre, notarielle Kopien, notarielle Schuldscheine sowie für notarielle Grundstückskaufverträge. S. dazu S. 231 ff. 758 So ist es zumindest in einer Akte berichtet, in der Bezug genommen wird auf unterschiedliche Argumentationsweisen vor den städtischen und den Reichsgerichten. Danach sei eine Bezugnahme auf die städtischen Regelungen vor den Stadtgerichten trotz des Verstoßes gegen die kaiserlichen Reservate problemlos möglich gewesen. Erst an den Reichsgerichten habe man sich darauf nicht mehr berufen können und die Argumentation ändern müssen, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, fol. 24 r f. Auch der Rat bezieht sich in einer Stellungnahme auf seine Verp ichtung, das städtische Recht anzuwenden. Er wies eine Revision ab, die der Kläger damit begründet hatte, das Gericht hätte das gemeine anstatt des Hamburger Rechts anwenden sollen. Der Rat begründete die Abweisung damit, dass er von „rechts wegen auch dieser Stadt Hamburg jura beij Zubehalten nicht anders gekönt“ habe, als sich an die Statuten zu halten, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 102, Q 11, fol. 1 r. Tatsächlich ließen sich aber Fälle nachweisen, in denen die stadtrechtlichen Vorschriften missachtet wurden. Beispielsweise nahm die Hamburger Admiralität notarielle Kopien ohne Beanstandung an, z. B. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 1 No. 6, Schriftstück von 1728, Beilagen Nr. 1, 2, 4. 759 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. R 5, worin die Rückzahlung eines Legats verlangt wurde. Für die Gültigkeit des Legats bzw. des Testaments, in dem das Legat festgeschrieben wurde, brachte die Klägerin am Hamburger Rat notarielle Zeugenverhöre vor. Diese wurden vom Rat offenbar anerkannt, denn der Beklagte wurde vom Rat zur Zahlung des Legats verurteilt; StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 47: am Hamburger Rat werden notariell beglaubigte Kopien insinuiert, die der Rat später selbst am RKG einreicht; StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 31 notarielles Zeugenverhör: am Hamburger Obergericht wird ein notarielles Zeugenverhör eingereicht und dort vidimiert; ein Ratsherrentestament wird erstellt, bei dem die zwei Ratsherren durch zwei Notare ersetzt werden, der Rat erkennt dies an, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1605 VII 8 (Testament des Sandtman, Peter vom 8.7.1605 [MF: S 9263 D, 659]).

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riellen Urkunden ihren Glauben versagten, wegen des Verstoßes dieser Regelungen gegen die kaiserlichen Reservate nicht möglich. Allein der Kaiser hätte einzelnen notariellen Urkundentypen ihre Beweiskraft versagen können. Ein Rückgriff auf reservatverletzende Statuten lohnte wahrscheinlich wenig, vor allem, wenn wahrscheinlich war, dass der Prozess in nächster Instanz vor die Reichsgerichte gezogen würde. Nur in einer reichskammergerichtlichen Gerichtsakte ließ sich ein Prozessvertreter zu Unterschieden zwischen den Argumentationsmustern an den Hamburger und den Reichsgerichten ein. Er behauptete, dass er sich in Hamburger Gerichtsverfahren auf das den kaiserlichen Reservaten entgegenstehende Hamburger Recht berufen hätte, d. h. also auch, wenn ein Widerspruch zum Reichsrecht und damit die Gefahr bestehe, in einer reichsgerichtlichen Instanz mit dieser Argumentation nicht durchdringen zu können. 760 Ein Blick in die Akten offenbart aber, dass die von diesem Prokurator vertretene Partei am Hamburger Obergericht unterlag. Er hatte sich also entweder nicht auf die Statuten berufen oder das Hamburger Gericht hat die Statuten nicht angewendet. bb. Partikularrecht vs. kaiserliches Regal Das frühneuzeitliche Recht kannte verschiedene Bereiche, in denen dem Kaiser ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen zustanden. Welche Bereiche das waren, war seit dem Mittelalter umstritten. Obwohl man während der Friedensverhandlungen zum Westfälischen Frieden (1648) eine Fixierung aller kaiserlichen Reservatrechte ins Auge gefasst hatte, unterblieb die Umsetzung des Vorhabens. 761 Und so werden bis heute Inhalt und Ausgestaltung der kaiserlichen Reservatrechte und Regalien kontrovers diskutiert. 762 Ohne näher auf die im Einzelnen vertretenen Auffassungen einzugehen, lässt sich in den Diskussionen um die kaiserlichen Vorrechte eine vorherrschende Linie verfolgen. Danach werden kaiserliche Reservate auf zwei Ursprünge zurückgeführt: Hoheitsrechte, die aus der Macht des Regenten ossen, die also im weitesten Sinne an seine potestas geknüpft waren, und andere, die aus dem Territorium entstammten beziehungsweise vom Eigentum an selbigem herrührten und daher nanziell umgesetzt werden konnten. 763 Unabhängig von ihrem

760 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, fol. 24 r f. 761 Ralf Mitsch, Art. Reservatrechte, in: LexMA VII (1995), Sp. 754f. 762 Wilhelm Wegener, Art. Regalien, in: HRG IV (1990), Sp. 472ff., Sp. 472f. Ausführlich dazu schon Alexander Müller, Art. Hoheitsrechte, in: Johann Samuel Ersch/Johann Gottlieb Gruber (Hrsg.), Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste: mit Kupfern und Charten, Zweite Section (H–N) Theil 9, Leipzig 1832, S. 345ff. Im Großen und Ganzen kann man die dort geschilderten Auffassungen zum Thema auch noch in der heutigen Diskussion wieder nden. 763 Müller, Art. Hoheitsrechte, in: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (1832), S. 345 ff., S. 347.

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Ursprung lassen sich kaiserliche Rechte in zwei Kategorien unterteilen, nämlich in Rechte, die der Kaiser aus seiner eigenen Machtvollkommenheit heraus allein ausübte, und andere, die er nur gemeinsam mit dem Reichstag wahrnehmen durfte. Das Recht zur Notareinsetzung zählte zur ersten Kategorie und stand dem Kaiser exklusiv zu. Als kaiserliches Reservatrecht bildete es den „letzte[n] Rest(..) ungeschmälerter königlicher/kaiserlicher Machtvollkommenheit“. 764 Gestützt wurde das Reservat auf Nov. 44.1.4., die eine Konzessionierung der Urkundenschreiber durch den Kaiser vorsah 765, sowie auf das von Friedrich I. auf dem Reichstag von Roncaglia (1158) erlassene Regalienweistum 766, das unter der Bezeichnung Lex regalia schließlich in das gemeine Recht Eingang gefunden hat, obgleich es ursprünglich als langobardisches Lehnrecht nur die Rechte des Königs im langobardischen Königreich benannte 767. Unter der Überschrift „Regalia sunt hec“ 768 ist dort ein buntes Potpourri unzusammenhängender kaiserlicher Reservatrechte aufgezählt, wie die Aneignung von Gütern, die zuvor verurteilten Strafgefangenen entzogen worden waren, Steuererhebungsrechte bei Feldzügen, aber auch Spann- und Frondienste ebenso wie das Recht, Beamte des Reichs einzusetzen, um nur einige zu nennen. Das Recht, Notare zu kreieren, ist ebenso wie die Gesetzgebungskompetenz für das Notariatswesen nicht im roncalischen Katalog enthalten. Deshalb wurden Versuche unternommen, kaiserliche Notare kaiserlichen Beamten zuzuordnen. 769 Eine solche Verknüpfung lässt sich aber, soweit ersichtlich, weder auf mittelalterliche noch auf frühneuzeitliche Quellen stützen. Auch eine Hamburger Begebenheit spricht gegen diese These 770: Dabei geriet ein kaiserlicher Notar mit einem Hamburger Ratsherrn in Streit. Der Ratsherr bedrohte den Notar mit einem Schweinespieß und verhöhnte ihn: Wenn dem Notar das ratsherrliche Verhalten nicht passe,

764 Helmut Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, Oldenburg 2003, S. 17. 765 Dazu Schulte, Scripturae publicae creditur, S. 33; Meyer, Felix et inclitus notarius, S. 28ff. 766 S. Bernd Kannowski, Der roncalische Regalienbegriff und seine Vorgeschichte, in: Gerhard Dilcher/Diego Quaglioni (Hrsg.), Die Anfänge des öffentlichen Rechts. Gesetzgebung im Zeitalter Friedrich Barbarossas und das Gelehrte Recht [ Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient, Beiträge 19], Berlin/Bologna 2007, S. 157ff., S. 159 m. w. N. 767 Wilhelm Wegener, Art. Regalien, in: HRG IV (1990), Sp. 472ff., Sp. 473; Gerhard Dilcher, Art. Libri Feudorum, in: HRG II (1978), Sp. 1996ff., Sp. 1999. 768 Friderici I. Diplomata, ed. Appelt [u. a.], [MGH, Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, 10], Hannover 1975–1990, Nr. 237. 769 Diese datieren für gewöhnlich auf das 19. Jahrhundert. Sie stammen also aus einer Zeit, in der Notare kaiserliche Beamte sein konnten. Höchstwahrscheinlich hat man die vorgefundenen Verhältnisse und die frühneuzeitliche kaiserliche Ernennungspraxis fehlinterpretiert. 770 StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 1 Copia Instrumenti, dort insb. fol. 8 r ff.

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könne er sich ja zu seinem Herrn, diesem „losen buben“, begeben, um sich bei diesem über das un ätige Verhalten des Ratsherrn zu beklagen. Die Beleidigung des „Herrn“ sorgte für einige Verwirrung, weil den Beteiligten anscheinend nicht genau klar war, wem der kaiserliche Notar unterstand und wer durch die Aussage eigentlich beleidigt worden war. Zwar stand zeitweise der Vorwurf der Majestätsbeleidigung im Raum, es fanden sich aber auch noch andere, die mit dieser Aussage hätten gemeint sein können. Wäre der Notar als kaiserlicher Beamter quali ziert worden – man hätte wohl nicht lange nach dem „Herrn“ suchen müssen. Die Subsumtion kaiserlicher Notare unter die im roncalischen Katalog enthaltenen Beamten entsprach vermutlich also weder der damaligen Rechtswirklichkeit, noch war sie notwendig, um das kaiserliche Reservat zu begründen. Man war und ist sich darüber einig, dass der Katalog nicht abschließend ausgestaltet war 771, denn zu späteren Zeiten wurden völlig unbestritten von den Reichsständen dort nicht genannte Rechte als Regalien vom Kaiser in Anspruch genommen. 772 So verhielt es sich auch beim kaiserlichen Notariatsregal. Dieses war in der Frühen Neuzeit insoweit etabliert, als keiner der untersuchten Literaten eine Begründung für das kaiserliche Vorrecht lieferte. Ganz selbstverständlich gingen sie davon aus, dass das Notariat „als ein Reservat des Kaisers anzusehen“ sei. 773 Auffällig ist allerdings, dass in der Literatur durchgängig vom kaiserlichen Reservat der Notarernennung die Rede ist. Auch in der modernen Literatur nden sich nur Hinweise auf das kaiserliche Kreationsreservat. Wem die Regelung des Notariatswesens und der Beurkundungspraxis oblag, wird nicht thematisiert. Zwar nden sich Hinweise, dass die partikularen Kräfte wegen angeblicher Gefahren, die durch untaugliche kaiserliche Notare entstanden, in das kaiserliche Notariatswesen und damit wohl auch in kaiserliche Kompetenzen eingriffen, indem sie sich auf territorialer Ebene ein eigenes Notariatsrecht setzten, besondere Zulassungsvoraussetzungen für Notare schufen oder die Beweiskraft der von kaiserlichen Notaren erstellten Urkunden einschränkten. In der modernen Literatur setzt man sich jedoch nicht damit auseinander, ob solche territorialen Alleingänge mit dem frühneuzeitlichen (Verfassungs-)Recht im Einklang standen, ob die Territorien nur die Schwäche des 771 Wilhelm Wegener, Art. Regalien, in: HRG IV (1990), Sp. 472ff., Sp. 473. 772 Vgl. Kannowski, Roncalischer Regalienbegriff, S. 158ff., insb. S. 161; Alfred Haverkamp, Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 [Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 1], Stuttgart 1970, S. 85ff., S. 93; Arno Buschmann, Privilegien in der Verfassung des Heiligen Römischen Reiches im Hochmittelalter, in: Barbara Dölemeyer /Heinz Mohnhaupt (Hrsg.), Das Privileg im europäischen Vergleich, Bd. 2, Frankfurt 1999, S. 17 ff., S. 24. 773 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 14. S. auch Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (1706), Vol. II–L. XXII Tit. IV n. XXVIII (S. 284) mit Verweis auf Gaill, Carpzow, Rosenthal u. a.

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Kaisers zu ihren eigenen Gunsten ausnutzten oder inwieweit der Kaiser dem territorialen Treiben Einhalt gebieten konnte. Ein Blick in die frühneuzeitliche Praxis zeigt hingegen, dass man von einem umfassenden Recht des Kaisers ausging, das neben der Notarernennung auch eine ausschließliche Kompetenz zur Regelung des Notariatswesens und der notariellen Beurkundungspraxis einschloss. Anders ließe es sich schwerlich erklären, weshalb sich die Hamburger Streitparteien vor den Reichsgerichten nicht auf Hamburger Recht beriefen, das notariellen Urkunden in bestimmten Bereichen die Beweiskraft versagte. Auch im Post- und Beamtenwesen sprach das Regal lediglich von der Einsetzung der Posten und Beamten. Dennoch übte der Kaiser eine umfassende Gesetzgebungskompetenz aus, die über die bloße Einsetzung hinausging. 774 Diese

774 Freilich wurde das kaiserliche Postregal unter den sehenden Augen des Kaisers immer weiter ausgehöhlt – teils ebenfalls mit dem Hinweis, es bedürfe eigener territorialer Posten, um Missstände der Reichspost auszuhebeln (z. B. Wilhelm Rothammer, Historisch-statische Abhandlung über das Kaiserliche Reservat-Recht des Reichspostwesens (. . . ) zur Entlarvung der aufrührischen Druckschrift über die Mißbräuche desselben (. . . ), Tübingen 1790 m. w. N.), teils, weil sich die partikularen Kräfte darauf beriefen, seit undenklichen Zeiten ein eigenes Postwesen zu unterhalten, woraus sie eine Quasiberechtigung herleiteten (z. B. Eingriffe in die Thurn und Taxischen Postprivilegien durch das Kölnische Botenwesen und deren Rechtfertigung, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. 714, Allerunterthänigst-bescheinigte newe Geschichts-erzehlung (. . . ) Momentorum Historiquam Diplomaticorum (. . . ); Adjunctorum, ab S. 68ff.). Dazu auch Johann Stephan Pütter, Beyträge zum teutschen Staats- und Fürsten-Rechte, Bd. 1, Göttingen 1777, Nr. XIII: Von Einschränkung einiger kaiserlichen Reservatrechte (. . . ) (S. 210). Der Kaiser duldete dies und befahl dem mit dem Postprivileg beliehenen Haus Thurn und Taxis, die örtlichen Gep ogenheiten zu akzeptieren, sofern die dem „ausgelassene[n] Patent nicht zu wider laufft“ und nicht gänzlich „nachtheilig“ seien, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. 714, Adjunctorum, ab S. 68, S. 90. Es sei nämlich die „Käijserliche Intention niemahlen dahin gewesen, massen es auch der Inhalt desselben [Postprivileg] klährlich zu erkennen giebt, daß das Neben-Botten-Werck aller Orthen im Heij. Reich gäntzlich und durchgehends, sondern nur die Excussus und newerliche Mißbräuch desselben (als weith solches Kauf euth und Städte altem Botten-Gebrauch ungemäß und dem Botten-Wesen hinder- und nachtheilich oder wider fueg und Gebuer extendirt zu seijn sich be ndet) auffgehoben und abgestattet werden sollen“ (s. StA HH, Senat 111-1, Nr. 714, Copia Käijserlichen Schreibens an die Gräffin von Taxis, die Stadt Cölln, wider das Herkommen, ihrem Bottenwerk nicht zu beschwehren, S. 69). Grundsätzlich gingen aber alle Beteiligten von einem kaiserlichen Regal aus, das weiterverliehen wurde und schützenswert war. Wie beim Notariatswesens sollte partikulare Konkurrenz geduldet werden, solange das Regal nicht gänzlich ausgehebelt wurde. S. dazu auch Gutachten Klefeker zum Regel des deutschen Postwesens, StA HH, Senat 111-1, Nr. 111. Die partikularen Stände, die sich eigenmächtig ein Postwesen eingerichtet hatten, rechtfertigten den Eingriff in die kaiserlichen Privilegien (wie sie das auch bei Eingriffen in das kaiserliche Notariatswesen taten) mit den Gefahren und Missbräuchen der Reichspost,

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Kompetenz könnte wohl am besten mit der Terminologie des modernen deutschen Verfassungsrechts als Kompetenz kraft Sachzusammenhang beschrieben werden. 775 Auch das Gesetzgebungsverfahren, in dem 1512 die RNO von Kaiser Maximilian I. verabschiedet wurde, spricht für die Anerkennung eines umfänglichen Notariat-Reservatrechts. Zwar wurde in der bisherigen Forschung meist die Ansicht vertreten, das Gesetzeswerk sei auf dem Reichstag von Köln von den Reichsständen verhandelt und beschlossen worden, jedoch bereitete die Tatsache, dass die Reichsstände zwar an der Erstellung der Regelungen beteiligt gewesen sein sollen, das Gesetzeswerk dann aber nicht unterzeichneten, Probleme. Die Erklärungsversuche dafür waren vielfältig 776, vermochten aber insofern nicht zu überzeugen, als sie von einer bestehenden Verp ichtung der Mitwirkung der Reichsstände ausgingen. Die einzig konsistente Lösung ist die Anerkennung eines umfangreichen kaiserlichen Reservatrechts mit der Folge, dass der Kaiser die RNO ohne die ständische Mitwirkung erlassen konnte. Diese Auffassung wurde zuletzt auch von Mathias Schmoeckel 777, der unlängst die Entstehung der RNO im Umfeld des Kölner Reichstags und die Diskussion um die fehlende Unterzeichnung der Reichsstände nachzeichnete, anschaulich dargelegt. Für die alleinige Kompetenz des Kaisers auf dem Gebiet des Notariatswesens und damit auch für einen ordnungsgemäßen Erlass der RNO sprechen außerdem der weite Verbreitungsgrad der RNO und die Tatsache, dass deren Regelungen, soweit ersichtlich, allgemein anerkannt und akzeptiert wurden. Mit einem umfangreichen kaiserlichen Notariatsregal, das über das bloße Ernennungsrecht hinausging, verboten sich sämtliche Eingriffe der partikularen Kräfte in das kaiserliche Notariatswesen, soweit sie nicht durch § 1 Einl. RNO ausdrücklich zugelassen waren. Ausgenommen davon waren jedoch einige formale Bestandteile die es zum Schutz der eigenen Bevölkerung zu unterbinden gelte (z. B. bestehe die „augenscheinliche(..) Gefahr des Untergangs und gäntzliche[r] Zerrüttung [des] waltenden höchsten Käijserliche[n] Post-Regalis und Reservati“, StA HH, Senat 111-1, Nr. 714, Conclusio der Graf-Taxischer Gegen-Deduction de Praesent. Reichs-Hoff-Rath den 31ten Octobris 1731, S. 85). 775 Ohne das umfassende kaiserliche Recht könnten die Territorien das kaiserliche Ernennungsrecht völlig unterminieren. 776 Z. B. stufte Winfried Trusen (ders., Notar und Notariatsinstrument, S. 5) die RNO nur als Aufzeichnung geltenden Rechts ein. Eine Zustimmung der Reichsstände wäre demnach nicht zwingend. Nach Anja Amend-Traut (dies., Zur Geschichte des Notariats in Frankfurt a. M. – Das Notariat zwischen Reichskonformität und kaufmännischen Sonderinteressen, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 325ff., S. 332) war eine Zustimmung hingegen notwendig. Da aber die Unterschrift der Stände fehlte, habe die RNO keine unmittelbare Geltung beanspruchen können. 777 Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 33ff.; zuvor auch: Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 496.

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der Urkunde (Name und Regierungsjahr des Kaisers, eigenhändige Protokollierung, Ort, Zeit, Datum, Unterschrift und Signet). 778 Sie bildeten die indisponiblen Mindestanforderungen an die formelle Gestaltung notarieller Instrumente, welche als Anknüpfungspunkt für die gesteigerte Beweiskraft dienten. Zwingend war ferner die damit verbundene des-Wirkung. Denn eine Aberkennung des urkundlichen Glaubens hätte den Zweck des Notariatswesens unterminiert und wäre damit einem Verbot notarieller Beurkundungen gleichgekommen. Ausnahmen bestanden nur insofern, als ausdrückliche Befreiungen vom Kaiser durch Privileg erteilt wurden. 779 Solche Privilegien scheinen aber außerordentlich selten gewesen zu sein – vermutlich, weil sich der Kaiser mit solchen Privilegien einer beträchtlichen Ein ussnahmemöglichkeit auf territorialer Ebene beraubt hätte. 780 Wenn unberechtigt in das kaiserliche Notariatswesen eingegriffen wurde, rechtfertigten die territorialen Kräfte dies mit ihrer Verp ichtung zum Schutz der eigenen Bevölkerung beziehungsweise damit, dass man ohne die Eingriffe die territoriale Ordnung nicht gewährleisten könnte. 781 Man konstruierte also eine Eingriffsberechtigung für den Notstandsfall. So geschah dies auch im eingangs geschilderten Fall des Notars Mathias Cramer, der für den Rat ungünstige notarielle Schriftstücke insinuiert hatte und daraufhin verhaftet worden war 782: Am 29.4.1680 wandte er sich deshalb mit einem Supplikationsschreiben an den Kaiser. Darin erläuterte er unter anderem, weshalb er den Reichshofrat und nicht etwa das Reichskammergericht für zuständig hielt. Der Hamburger Rat habe ihn nämlich wegen der Ausübung seines Notaramts inhaftiert, um ihn von weiteren Beurkundungen abzuhalten. Dies sei als Eingriff in das kaiserliche Notariatswesen zu werten. Er bitte daher 778 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 61; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae, fol. 5 r, Q 51 Replica, fol. 1 v f. mit Verweisen auf die Literatur. 779 Z. B. Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 529. 780 Zum zunehmenden Machtverlust des Kaisers in der Frühen Neuzeit: Arndt, Herrschaftskontrolle durch Öffentlichkeit, S. 242 f.; Neuhaus, Frühe Neuzeit, S. 15; Adolf Laufs, Art. Reichsreform, in: HRG IV (1990), Sp. 732ff., Sp. 736ff. Zur Stabilisierung des Reichs auf institutioneller Ebene vgl. Siegrid Westphal, Stabilisierung durch Recht. Reichsgerichte als Schiedsstelle territorialer Kon ikte, in: Dagmar Freist/Ronald Asch (Hrsg.), Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln [u. a.] 2005, S. 235ff.; Volker Press, Die kaiserliche Stellung im Reich zwischen 1648 und 1740 – Versuch einer Neubewertung, in: Georg Schmidt (Hrsg.), Stände und Gesellschaft im Alten Reich [Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft: Abt. Universalgeschichte] Stuttgart 1989, S. 51 ff. 781 Diese Argumentationen wurden bereits von modernen Autoren als Eingriffsrechtfertigungen entlarvt, s. dazu z. B. Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 50. 782 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26. Dazu schon oben in der Einleitung zu § 3, S. 121 ff.

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„Euer Kaijs: Mth: allergnädigst Zu erwegen, daß dies Nobile of cium Notariorum et facultas eos creandi von Euer Käijs: Mtj: als fonte omnis jurisdictionis, singulari reservato Caesareo immediate herrühre, dahero auch alle notarij als Judices extraordinarij zuhalten [seien.] (. . . ) [Der] Rath Zu Hamburg (. . . ) [könne ihn nicht zwingen,] sein of cium (. . . ) einzuschrenken (. . . ).“ Wenn der Kaiser nichts gegen die gewalttätige Umsetzung rechtswidriger Verbote notarieller Beurkundung tue, nde sich bald „kein betrengter mehr, [der] etwas contra Senatum klage(..) oder insinuire(..), (. . . ) wellches allerheilsamen justiz und observantz e diametro Zu wider (. . . ) [und] Zu nicht gering nachtheil [der] Kaijs: allerhöchste[n] Auctoritet“ sei. 783

Von dieser Argumentation anscheinend überzeugt nahm sich der Reichshofrat der Sache an. Zunächst forderte er den Hamburger Rat zu einer Stellungnahme auf. Diese erging ca. zwei Monate später und enthielt neben umfangreichen Ausführungen zu verschiedenen Verstößen Mathias' auch einen Abschnitt zu der Frage, „ob (. . . ) die Notarij judices extraordinarij ect“ seien: Bei der Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit handle es sich um „alte aussgeschriebene dicentes[784], (. . . ) [die jedoch mehr auf ] die Notarios Apostolicos in Italia und andern Orten (. . . ) [zuträfen als auf ] die jenigen in dieser Stadt, welche in ihren Schranken und redlichen Wandel bleiben in allen ihren Zustehenden ehren und würden. Weil aber wir Uns Zum besten in dieser Stadt bewust ein groß theil derselben [Notare] von Rabulistereij, Ranken und Schwanken lebet, so dass fromme leute genug zuthun haben sich für ihren händeln Zu hüten Und wir auß obmentionirter Reichsconstitution von Notarien de A 1512, eben dieselbe Klage, die daselbst in proaemio enthalten, Zu führen haten, das durch ihrer viele Unwissenheit, Saumnuß und Gefährlichkeit ohnzehlbar viel Leute ohnzweiffentlich verführet, versaumbt und beschweret werden, So will uns in allen Wege obliegen, Zumahl in fällen, da hiesige, gantze Stadt beij interessirt ist, anderen Zum exempel legalen ernst sehen zu laßen, (. . . ) [deshalb fühle sich der Rat zu] dergleichen actius Jurisdictionatibus [berechtigt, da er] in ohnabdenklicher ohnstreitiger possession vel quasi“ 785, also im Quasibesitz einer Eingriffsberechtigung sei.

Ausweislich der Einlassung des Rates seien die ausschließlichen Rechte des Kaisers im Bereich des Notariatswesens im 17. Jahrhundert eine alte, anerkannte Lehre. Er scheint sich auch darüber bewusst gewesen zu sein, dass er zu den Eingriffen grundsätzlich nicht berechtigt war. Dies gelte jedoch nur so lange, wie sich die Notare „in ihren Schranken und redliche[m] Wandel“ hielten. Bestand jedoch eine Gefahr für die Bevölkerung oder die Stadt, „obliege“ es dem Rat, für ordentliche Verhältnisse zu

783 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1, fol. 1 r f. 784 Hier wohl im Sinne von „Lehren“ zu verstehen. 785 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 5 r f.

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sorgen. In solchen Fällen sei er faktisch im Besitz eines Eingriffsrechts – „in ohnabdenklicher ohnstreitiger possession vel quasi“. Der durch solche Beispiele gewonnene Eindruck, die partikularen Kräfte hätten sich recht wenig um die reichsrechtlichen Regelungen gekümmert, wenn es den eigenen Interessen zuwiderlief, wird immer wieder quellenmäßig bestätigt und untermauert. 786 Der Rat war rechtsetzende und rechtsprechende Gewalt. Innerhalb Hamburgs konnte er „seine Notariatsregeln“ praktisch völlig frei von reichsrechtlichen Zwängen umsetzen. 787 Dies hatte aber spätestens dort seine Grenzen, wo die notariellen Schriftstücke den Hamburger Boden und damit den Ein ussbereich des Hamburger Rates verließen. Vor den Reichsgerichten konnte man mit einer Berufung auf Partikularrecht, das kaiserliche Reservate verletzte, nicht durchdringen. Und so waren dem Rat die Hände gebunden. Das machte notarielle Instrumente zu einem höchst attraktiven Instrument gegen die städtische Obrigkeit, insbesondere wenn man den vom Rat ausgegebenen Ordern nicht Folge leisten wollte. Die Zuordnung des Notariatswesens zu den kaiserlichen Regalien war damit ein gewichtiger Grund dafür, dass die Hamburger Bevölkerung anstatt auf die Ratsschreiberei auf das kaiserliche Notariat zurückgriff. Letztendlich wird hierin auch die Ursache für die Etablierung des Notariatswesens auf deutschem Boden zu suchen sein. 788 cc. Exkurs: Weshalb sich in Hamburg kein eigenständiges Notariatsrecht ausbildete – ein Erklärungsversuch In der modernen Notariatsgeschichtsschreibung ist immer wieder die Rede davon, dass der Kaiser den partikularen Kräften in § 1 Einl. RNO zugestanden habe, ein eigenständiges Notariat beizubehalten bzw. neu zu entwickeln. 789 Das ist zwar richtig, beschreibt aber nur die Hälfte des Regelungsgehaltes von § 1 Einl. RNO. Denn 786 Dazu S. 234 ff. 787 Verschiedentliche Beispiele belegen, dass der Rat die Regelungen innerhalb der Stadt umsetzte und dass davon erst auf reichsgerichtlicher Ebene Abstand genommen wurde. Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 22 v ff., worin der Rechtsvertreter ausdrücklich beschreibt, dass er sich bei einem Prozess innerhalb Hamburgs zur Widerlegung des Schriftstücks keine Mühe gegeben, sondern lediglich auf das Statutarrecht verwiesen hätte. Jetzt, da aber bei den Reichsgerichten geklagt werden würde, müsse er das notarielle Schriftstück ordentlich widerlegen. 788 Dazu S. 320 ff. 789 Amend-Traut, Frankfurter Notariat, S. 332 m. w. N. In den Zusammenhang muss auch die Diskussion um die Reichsnotariatsordnung als Rahmengesetz gestellt werden (m. w. N.: Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 45f.). Oesterley (ders., Deutsches Notariat I, S. 524 f., S. 526, dort insb. Anm.) stellt lediglich fest, dass es einer ausdrücklichen kaiserlichen Ermächtigung bedurft habe, um durch partikulare Regelungen in das kaiserliche Notariat einzugreifen. Zwar listet er auf den folgenden Seiten

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der Kaiser billigte den partikularen Herrschaften nicht nur zu, ein eigenes vom kaiserlichen Notariat losgelöstes territoriales Notariat zu schaffen, sondern auch, das kaiserliche Notariatsrecht in gewissen Grenzen zu modi zieren. 790 Möglich waren aber nur solche Modi kationen, die die Vorgaben des kaiserlichen Notariatsrechts erweiterten, z. B. weil die Formvorgaben im territorialen Bereich weniger streng umgesetzt werden mussten. Nicht zulässig war hingegen eine Einschränkung der kaiserlichen Regelungen zum Notariatswesen. Anscheinend machten die territorialen Gesetzgeber von der Modi kationsermächtigung keinen Gebrauch, zumindest nden sich keine Hinweise in den zahlreichen Studien zum partikularen Notariatswesen, die in den letzten Jahren publiziert wurden. Anders ist das im Hinblick auf die Ermächtigung zum Aufbau eigenständiger, vom kaiserlichen Notariatswesen losgelöster Notariate. Zahlreiche Territorien nahmen diese Möglichkeit wahr. Das ist deswegen erstaunlich, weil die Beweiskraft der Urkunden dieser Notare auf das die Notare ernennende Territorium beschränkt war. Für den Aus- oder Aufbau eines partikularen Notariats dürfte darüber hinaus häu g keine Notwendigkeit bestanden haben, weil man mit der Möglichkeit, Urkunden zu besiegeln, bereits eine Beurkundungsform zur Verfügung hatte, mit der vergleichbar glaubwürdige Urkunden erstellt werden konnten. Ein partikulares Notariat stellte also eine (unnötige) Konkurrenz für das in den Territorien vorhandene Schreiberwesen dar. 791 Trotz dieser Gegenargumente lassen sich aber partikulare Notariate nachweisen. Tilman Repgen hat in seinem Aufsatz „Hamburgs Notare bis zum 19. Jahrhundert“ deshalb die berechtigte Frage aufgeworfen, wie sich erklären lasse, dass manche Territorien ein eigenes Notariatswesen ausbildeten und andere, wie zum Beispiel Hamburg, nicht. 792 Im Folgenden soll dieser Frage kursorisch nachgegangen werden. Zur Veranschaulichung wird Hamburg mit Frankfurt am Main verglichen, das ein eigenes Notariat 793 ausgebildet hatte. 1589 trat in der Reichsstadt Frankfurt am Main eine Notariatsordnung in Kraft. Wie Hamburg war Frankfurt zu jener Zeit eine bedeutende Handelsstadt. Und hier wie dort bedienten sich vornehmlich die Kaufmänner und Händler des Notariats. 794 Wenn aber die äußeren Voraussetzungen anscheinend so vergleichbar waren, wieso

790 791 792 793 794

eine große Anzahl von partikularen Notariatsordnungen auf, er benennt die Rechtsgrundlage, die diese Ordnungen legitimierten, aber nicht. Zu den Modi kationsmöglichkeiten s. S. 239 f. In Hamburg insbesondere die Ratsschreiberei, aber auch die verschiedenen an die Gerichte angegliederten Schreibereien z. B. Weinbudenschreiberei, Korn- und Mühlenschreiberei. Repgen, Hamburgs Notare, S. 375. Dazu eingehend Amend-Traut, Frankfurter Notariat, S. 325ff. Amend-Traut (dies., Frankfurter Notariat, S. 334 ff.) nennt die Frankfurter Notariatsordnung sogar ein „Produkt kaufmännischer Sonderinteressen“.

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hatten sich die Hamburger dann nicht auch eine eigenständige Notariatsordnung erlassen? Die Antwort dafür wird weniger in der vermeintlichen Offenheit gegenüber dem kaiserlichen Notariat, sondern vielmehr in der geographischen Lage und den innerhamburgischen Kräfteverhältnissen bestanden haben. Zunächst soll der Blick nach Frankfurt gerichtet werden. Im Jahr 1372 erwarb die Stadt Frankfurt das Schultheißenamt. Seither waren die städtische Gerichtsbarkeit, die Finanzhoheit, die Verwaltung und die Gesetzgebung in den Händen des dortigen Rates vereinigt. 795 Anders als in Hamburg, wo der Bürgerschaft zumindest bei Belangen von „einiger Importanz“ ein Beteiligungsrecht zustand 796, wurde die Frankfurter Bürgerschaft in den Gesetzgebungsprozess nicht eingebunden. Zwar forderten die von Bürgern angeführten 797 Frankfurter Zünfte im Zuge des sogenannten Fettmilch-Aufstandes (1614) eine Partizipation am Stadtregiment, die erkämpften Rechte wurden aber anschließend größtenteils wieder zurückgenommen. 798 Erst mit den Verfassungskämpfen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts gelang es der Frankfurter Bürgerschaft, Mitspracherechte zu erringen und auf Dauer zu sichern. 799 Die Gesetzgebung blieb jedoch dem Rat vorbehalten. Seit dem beginnenden 15. Jahrhundert bestand der Frankfurter Rat aus 43 Ratsherren, die sich auf drei Bänke verteilten, wobei sich die Mitglieder der ersten und der zweiten Bank aus der patrizischen Schicht 800 und insbesondere aus den Angehörigen der Gesellschaften Alten Limpurg und Frauenstein rekrutierten. Die Ratsherren der dritten Bank waren sämtlich Handwerker der ratsfähigen Zünfte. Da paritätisch abgestimmt wurde und die ersten zwei Bänke vornehmlich patrizische Interessen vertraten, hatten die Zünftischen der dritten Bank de facto keine politische Stimme und waren in die Bedeutungslosigkeit verbannt. 801 Die gewissermaßen bis ins 18. Jahrhundert hinein allein regierenden Frankfurter Patrizier hatten sich aber seit dem späten Mittelalter immer mehr aus dem Handel zurückzogen und eine feudal-landadlige Lebensweise angenommen. 802 Im Gegen795 Barbara Dölemeyer, Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert [Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 60], Frankfurt 1993, S. XX f. 796 Zitiert nach Helmut Böhme, Frankfurt und Hamburg. Des Deutschen Reichs Silberund Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt 1968, S. 87. 797 Reiner Sahm, Zum Teufel mit der Steuer! 5000 Jahre Steuern – ein langer Leidensweg der Menschheit, Wiesbaden 2012, S. 199. 798 Zur Frankfurter Verfassungsstruktur: Dölemeyer, Frankfurter Juristen, S. XX ff. 799 Ebda. 800 Zum Begriff des Patriziats: Berthold, Patriziat, S. 205f.; Carl-Hans Hauptmeyer, Probleme des Patriziats oberdeutscher Städte vom 14.–16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für bayrische Landesgeschichte 40 (1977), S. 39 ff. 801 Dölemeyer, Frankfurter Juristen, S. XXII. 802 Ebda.

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satz zur Frauensteiner Gesellschaft, in die vereinzelt Mitglieder nicht der Gesellschaft angehöriger Familien aufgenommen wurden, schottete sich die Gesellschaft von Alten Limpurg konsequent nach außen hin ab. 803 Anders war die Situation in Hamburg. Hier entwickelte sich kein Patriziat. Die Ratsherren entstammten den reichen Händlergeschlechtern und waren dementsprechend auch persönlich am Handel interessiert. 804 Und der orierte sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt. Beide Städte pro tierten von ihrer geographischen Lage: Hamburg an der Elbe mit freiem Zugang zur Nordsee; Frankfurt zentral in der Mitte des Reichs gelegen als Handelsknotenpunkt der wichtigsten Wasserwege zwischen Oberdeutschland und der norddeutschen Hanse sowie den Fernstraßen von Thüringen Richtung Oberitalien und dem Balkan. Aber während sich Hamburg weitestgehend aus fremden Angelegenheiten, insbesondere aus der Reichspolitik, heraushielt, bestand zwischen Frankfurt und dem Kaisertum eine sehr enge Bindung. Schon im Frühmittelalter war Frankfurt eine Königspfalz. Hier wurden zwar keine Reichstage abgehalten, aber wegen der günstigen Anbindung war Frankfurt eine wichtige Tagungsstätte. Außerdem wurde die Stadt in der Goldenen Bulle von 1356 als Wahlstadt der deutschen Könige auserkoren. 805 Die starke Verbindung von Stadt und Reich war für die Frankfurter Patrizier Fluch und Segen zugleich. Denn einerseits pro tierten sie von der Kaisernähe, indem sie beispielsweise großzügige Privilegien vom Kaiser erhielten oder prestigeträchtige Feierlichkeiten ausrichteten. Andererseits bedeutete die kaiserliche Nähe aber auch eine Einschränkung der patrizischen Macht. 806 Helmut Böhme beschreibt das in seiner Habilitationsschrift so: „Frankfurts zentrale Lage [war] nicht nur die Vorbedingung seiner wirtschaftlichen Blüte, seines Reichtums, sondern auch der Grund seiner politischen Ohnmacht.“ 807 Frankfurt stand im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn auch nicht im unmittelbaren Machtbereich des Kaisers wie die süddeutschen Städte. Dennoch konnten Abweichungen von der imperialen Linie schnell erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. 808 Die Angst vor Macht und Ein uss des Kaisers sowie die Furcht

803 Ebda., S. XXIII. 804 Böhme, Frankfurt und Hamburg, S. 84. 805 Anton Schindling, Wachstum und Wandel vom Konfessionellen Zeitalter bis zum Zeitalter Ludwigs XIV. Frankfurt am Main 1555–1685, in: Frankfurter Historische Kommission (Hrsg.), Frankfurt am Main: Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen [Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission, Bd. 17], Sigmaringen 1991, S. 205ff., S. 219. 806 Böhme, Frankfurt und Hamburg, S. 33 ff. 807 Ebda., S. 36. 808 Ebda., S. 33ff.

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vor Machtverlust innerhalb der Stadt hatte den Frankfurter Rat zu manchem Balanceakt zwischen den Interessen der Einwohner und dem kaiserlichen Wohlwollen gezwungen. 809 Im Zuge der Reformation traten die Abhängigkeit und Schwäche des Frankfurter Rates offen zu Tage. Wegen der Handelsprivilegien war die städtische Wirtschaft und mit ihr die gesamte Stadt von der kaiserlichen Gunst abhängig. In Kon iktsituationen, wie bei der Übernahme der lutherischen Glaubenslehren, versuchte der Rat daher eine möglichst neutrale Stellung einzunehmen, um den Kaiser nicht zu erzürnen. Neutralität war auch die politische Taktik des Hamburger Rates. Hamburg mischte sich, soweit dies möglich war, selbst nicht in fremde territoriale und reichspolitische Belange ein, setzte aber auch alles daran, zu verhindern, dass Kräfte von außen auf innerstädtische Angelegenheiten Ein uss nahmen. 810 Von enormem Vorteil war hier die geographische Lage am äußersten Nordrand des Reichs – fern vom Kaiser. 811 Aber auch die bis ins 17. Jahrhundert ungeklärte Reichsstandschaft ließ Hamburg große Spielräume. 812 Während der Frankfurter Rat ständig im kaiserlichen Ein ussbereich stand, konnten die Hamburger verhältnismäßig eigenständig agieren. Und genau darin lag einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Frankfurt und Hamburg. Der Ein uss des Kaisers setzte der Macht des Frankfurter Rates Grenzen. Die eigene Machtlosigkeit stand jedoch in einem eklatanten Widerspruch zum patrizischen Selbstverständnis. Eine Möglichkeit, sich von Kaiser und Reich abzusetzen, die eigene ratsherrliche Machtfülle zu demonstrieren und der Gefahr entgegenzuwirken, zum Spielball der imperialen Politik zu werden, lag im Erlass von Gesetzen. Auffällig ist, dass umfangreiche Notariatsordnungen häu g von solchen territorialen Gesetzgebern erlassen wurden, die entweder zum Zeitpunkt des Erlasses mit dem Kaiser im Streit lagen (beispielsweise hatte der Kaiser dem Herzog von Jülich-Berg kurz vor Erlass der Ordnung (1555) umfangreiche Ländereien abgepresst), oder solchen, die innerhalb des Reichsverbandes besonders mächtig und ein-

809 Cilli Kasper-Holtkotte, Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main in der frühen Neuzeit – Familien, Netzwerke und Kon ikte eines jüdischen Zentrums, Berlin [u. a.] 2010, S. 169, hier mit Blick auf die vom Rat betriebene Ausweisung der Frankfurter Juden, die letztendlich am Widerstand der Bürgerausschüsse scheiterte. 810 Martin Krieger, Patriotismus in Hamburg. Identitätsbildung im Zeitalter der Frühaufklärung, Köln [u. a.] 2008, S. 22 f.; Böhme, Frankfurt und Hamburg, S. 64. 811 Zur Reichsferne der norddeutschen Städte: Michael North, Integration im Ostseeraum und im Heiligen Römischen Reich, in: Nils Jörn /Michael North, Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 35], Köln [u. a.] 2000, S. 1ff., S. 2ff. 812 Krieger, Patriotismus, S. 22 ff. Zur Reichsunmittelbarkeit der Stadt Hamburg jetzt auch Sellert, Streit um Reichsunmittelbarkeit, S. 105 ff.

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ussreich und damit besonders kon iktbereit waren (z. B. Preußen 1771 813; Bayern 1753 814), die sich also, überspitzt gesprochen, eine Konfrontation mit dem Kaiser leisten konnten, oder von solchen Territorialgesetzgebern, die im direkten Ein ussbereich des Kaisers lagen und deshalb ein erhöhtes Bedürfnis nach Abgrenzung hatten. Das jedenfalls würde die unübersehbare Häufung von partikularen Notariatsordnungen im deutschen Süden erklären (z. B. Baden-Baden 1588; Frankfurt 1589 815; Baden-Durlach 1715; Kurmainz 1792 816). 817 Die Erklärung drängt sich auf, dass Gesetzgebung hier benutzt wurde, um sich vom dauerpräsenten Kaiser abzugrenzen und künstlich Reichsferne zu erzeugen. 818 Bei einer so intendierten Gesetzgebung verwundert es nicht, dass die territorialen Regelungen das Reichsrecht kaum modi zierten. 819 Schließlich ging es den Territorialmächten weniger darum, sich in tatsächlicher Hinsicht abzugrenzen, sondern vielmehr darum, die eigene Autorität herauszustellen. Eigene Regelungen, die möglicherweise sogar das kaiserliche Reservat verletzt hätten, wurden daher, soweit ersichtlich, in die territorialen Regelungen nur spärlich aufgenommen. 820 Wahrscheinlich wollte man die mit den Eingriffen einhergehende Gefahr für die Rechtssicherheit in letzter Konsequenz nicht übernehmen. Zurück zum anfänglichen Vergleich von Frankfurt und Hamburg: Der Frankfurter Rat beziehungsweise die Frankfurter Patrizier verfolgten mit dem Erlass der Notariatsordnung maßgeblich eigene Ziele, namentlich die P ege der patrizischen Macht. Dass die Mittel zur Erreichung dieses Zieles häu g deckungsgleich waren mit den Interessen der kaufmännischen Bevölkerung, ändert daran nichts. Unverkenn-

813 Zum preußischen Notariatsrecht s. Conrad, Modernes Notariat, S. 13ff. Letztendlich legitimierte der Kaiser das Preußische Recht, indem er den Preußen ein entsprechendes Privileg erteilte. 814 Hans-Georg Hermann, Zur Geschichte des Notariats im links-und rechtsrheinischen Bayern, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 287ff., S. 297. 815 Dazu Amend-Traut, Frankfurter Notariat, S. 334 ff. 816 Dazu Roth, „Mainzer“ Notariat, S. 477 ff. 817 Eine ganze Fülle partikularrechtlicher Notariatsregelungen enthält Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 520 ff. 818 Ähnlich in Bezug auf Preußen: Thier, Notariatsgeschichte in Preußen, S. 503. 819 Roth, „Mainzer“ Notariat, S. 479; Zerbes, Wirkung der Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 90f.; Hermann, Notariat in Bayern, S. 297. 820 Meist handelt es sich um die Verp ichtung einer gesonderten Examinierung der kaiserlichen Notare, bevor ihnen erlaubt wurde, innerhalb des Territoriums glaubwürdig zu beurkunden. Nach Oesterley sei eine erneute Prüfung der Notare durch die partikularen Herrschaften in „fast allen deutschen Ländern“ gängige Praxis gewesen (ders., Deutsches Notariat I, S. 555).

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bar lastet „der bleierne Szepter sogenannter Edler oder Patrizier auf den [Frankfurter] Gesetzbüchern“. 821 Aber natürlich lag Machterhalt auch im Interesse des Hamburger Rates. Anders als in Frankfurt war die Übernahme eines Ratsmandates in Hamburg nicht von der Zugehörigkeit zu bestimmten Familien oder zu einem Amt, sondern hauptsächlich vom wirtschaftlichen Erfolg und dem persönlichen Ansehen abhängig. 822 Völlig frei von Selbstherrlichkeit und patrizischen Allüren war auch der Hamburger Rat nicht. Dennoch handelte er stets nach dem Prinzip von Kon iktvermeidung und Zusammenarbeit mit der Bürgerschaft. Ziel war immer die Wahrung von „Einigkeit und (. . . ) Frieden in der Stadt“ 823 – auch zur Förderung der Wirtschaft. Die Ratsherren fühlten sich daran gebunden, „zum Vergnügen der Stadt und der Börse“ 824 zu handeln. In einer maßgeblich vom Fernhandel geprägten Stadt wie Hamburg bedeutete dies besonders, dafür Sorge zu tragen, dass die in der Stadt abgeschlossenen Verträge eingehalten und auch über die Grenzen der Stadt hinaus anerkannt wurden. Dies konnte eine Reichsinstitution erstens in weit größerem Maße als eine regionale garantieren, der immer die Gefahr anhaftete, außerhalb des Territoriums nicht anerkannt zu werden. Und, zweitens war eine unveränderte Reichsinstitution sicherer als eine modi zierte, bei der man die Rechtmäßigkeit der vom Reichsrecht abweichenden Beurkundung im Streit darlegen musste. Für die Hamburger Kaufmannschaft war ein unbeein usstes, funktionierendes kaiserliches Notariatswesen weitaus günstiger, weshalb sie sich mit Nachdruck dafür einsetzte. Mehrfach rügte sie die aggressive Haltung des Rates gegenüber kaiserlichen Notaren, die er meist dann an den Tag legte, wenn Notare für den Rat ungünstige Beurkundungen vornahmen. Unberechenbares Verhalten schreckte die dringend benötigten Notare ab, weshalb sie Beurkundungen verweigerten, was wiederum zu einem enormen Verlust von Rechtssicherheit führte. 825 Da die Stadt auf den Handel angewiesen war, konnte der Rat das Verlangen der Kaufmannschaft nach kaiserlichen Notaren nicht einfach ignorieren. Im Allgemeinen duldete er das Notariatswesen, solange die Notare „in ihren Schranken und

821 Zitiert nach Böhme, Frankfurt und Hamburg, S. 52. 822 Böhme, Frankfurt und Hamburg, S. 46 f. 823 Johannes Bugenhagen, Bugenhagens Hamburgische Kirchenordnung, ed. Mönckeberg, Hamburg 1861, S. 38. Offensichtliches Zeichen für das konsensuale Verhältnis von Rat und Bürgerschaft waren die Streitbeilegungen in Rezessen (Vergleichen). 824 Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 11.3.1750, Nr. 40, S. 4. 825 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1, fol. 1 v.

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redlichen Wandel bl[ie]ben“ 826 und solange also der Inhalt der ausgefertigten Schriftstücke den ratsherrlichen Interessen nicht zuwiderlief. Mit der Einführung eines partikularen Notariats oder der Durchsetzung die RNO modi zierender Regelungen hätte der Rat ein großes Risiko eingehen müssen, bei dem er objektiv gesehen nur verlieren konnte. Die Kaufmannschaft benötigte ein Beurkundungswesen, dessen Urkunden sicher waren und mit dessen Hilfe man die verbrieften Ansprüche schnell und problemlos auch in entfernten Regionen des Reichs oder sogar im Ausland durchsetzen konnte. Unzufriedenheiten oder gar offene Revolten der Kaufmannschaft wegen aus ihrer Sicht unnötiger Hamburger Alleingänge hätten den Rat sicherlich emp ndlich geschwächt. Überdies spielten machtpolitische Erwägungen in Bezug auf den Kaiser allenfalls eine untergeordnete Rolle. Es gab schlicht keine Notwendigkeit, sich deutlich gegenüber dem Reich abzugrenzen.

b. Formfehler Nicht alle reichsrechtlichen Formvorgaben waren verp ichtend: Bei Verletzungen von Formvorschriften, die zum indisponiblen Kernbestand 827 zählten, galt das Schriftstück zwingend als unglaubwürdig. Lediglich suspect, d. h. von eingeschränkter Beweiskraft, war das Schriftstück dagegen, wenn man die sonstigen Vorgaben nicht umsetzte und dies gerügt wurde. Das war z. B. der Fall, wenn die Beurkundung zur Unzeit erfolgte, der Beurkundung also der Makel der Heimlichkeit anhing, in der Intitulatio nicht sämtliche Herrschaftsgebiete des Kaisers benannte und insbesondere dann, wenn der Notar persönlich unglaubwürdig war. Davon zu unterscheiden waren solche Fehler, die „das Wesentliche nicht betr[afen]“. 828 Sie wirkten sich nicht auf die Glaubwürdigkeit der Urkunde aus. Unwesentliche Fehler waren, nach Brunnemann, anzunehmen, „wenn wider Verhoffen ein Punct in dem Instrument sich falsch befände“, der den Inhalt nicht wesentlich veränderte – gemeint sind damit wohl Schreibfehler oder offensichtliche Fehlformulierungen. 829 Ebenfalls als

826 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 5 r. 827 Das waren der Namen und das Regierungsjahr des Kaisers, Ort, Zeit, Datum, eigenhändige Protokollierung der persönlich wahrgenommenen Handlungen durch den Notar, seine Unterschrift und das Notarsignet. 828 Brunnemann, Vade mecum notariale (1774), S. 69. 829 Ebda.

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unwesentlicher Fehler galten die Verwendung von Papier als Beschreibstoff oder eine fehlende Indiction. 830 Galt eine Urkunde als suspect, oblag es den Urteilern, festzustellen, wie viel Glaube dem Schriftstück entgegenzubringen war. Um sicherzugehen, dass die Urkunde ihrer des verlustig ging, bemühten sich die Parteien stets, Fehler in der Umsetzung der zwingenden Formvorgaben nachzuweisen. War das nicht möglich, versuchten die Prozessvertreter häu g, den Katalog der unverzichtbaren Vorgaben auf sonstige Verstöße auszuweiten. 831 Allen untersuchten Reichsgerichtsfällen, in denen um die Glaubwürdigkeit notarieller Urkunden gestritten wurde, war gemein, dass die Prozessvertreter sich nie mit dem Nachweis eines einzelnen Verstoßes begnügten. 832 Anscheinend versuchte man, den Unsicherheiten, die aus dem Fehlen eines verbindlichen Katalogs zwingender Urkundsbestandteile resultierten, zu begegnen, indem man möglichst viele suspect machende Verstöße nachwies. Ziel war es offenbar, das richterliche Ermessen bei der Beurteilung der urkundlichen des soweit zu reduzieren, dass man im Ergebnis, wie bei einem Verstoß gegen zwingende Formvorschriften, zur Unglaubwürdigkeit des Schriftstücks gelangte.

830 In den untersuchten Akten fand sich kein Instrument, in dem die Indiktion genannt worden war. Die war aber auch außerhalb Hamburgs anscheinend üblich. So zumindest Ludwig von Hörnigk (ders., Stellae Notariorum Novae Pars 1 & 2 (1677), S. 302), der das Fehlen für verbreitet, aber aus beweistechnischer Sicht für unbeachtlich hält. Zu papiernen Instrumenten: Bis auf Appellationsinstrumente, die überwiegend auf Pergament abgefasst wurden, ist das Gros der Hamburger Notarurkunden auf Papier abgefasst: z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 1, Beilage B; StA HH, RHR 211-2, Nr. 102, Q 3, Beilage B; StA HH, RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 13 Copia Testamenti, fol. 1 r.; StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 4, Beilagen Nr. 9–12. 831 Z. B. das Fehlen des kaiserlichen Regierungsjahres, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 61 (mit Bezug auf Q 5 Exceptiones cum petito legali, fol. 21 r ff.); Folgen des Fehlens ordentlicher Zeugen: „nullius dei nec valoris“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, fol. 17 v. 832 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 42 Pratensae Simplicis querelae, fol. 4 v f. – gerügt wird das Fehlen ausreichender Zeugen, einer ordentlichen Requisition, Indiktion und die fehlende Ankündigung des Notarsignets; StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 r ff. – gerügt werden eine heimliche Erstellung, untaugliche Zeugen, falsche Protokollierung und die Untauglichkeit des Notars.

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c. Misstrauen Lebhaft wogt es im Saal; stets drängt sich kommend und gehend / Gaukelndes Volk, und umher gehn tausend Gerüchte, mit wahren / Falsche gemengt, unstet (. . . ) wälzen verworrene Worte. / Einige füllen davon mit Gerede die müßigen Ohren; / Andere tragen umher das Erzählte, und die Erdichtung / Wächst; und Eigenes tut zum Gehörten der neue Berichter. / Gläubiger Wahn ist dort, dort auch zutappender Irrtum, / Eitles Ergötzen dazu und bestützt auffahrender Schrecken, / Aufruhr neu im Entstehen und Gezischel von unklarer Herkunft. / Fama selber erblickt, was irgend im Himmel, im Meere / Oder auf Erden geschieht, und forscht ringsum in dem Weltkreis. (Ovid, Metamorphosen, Fama V. 53–63 833)

Thomas von Aquin (ca. 1225–1274) beschreibt die des als eine unerschütterliche Meinung („Sed quia des dicitur etiam opinio vehemens“). 834 Diese unerschütterliche Meinung kann sich im Hinblick auf die uns interessierenden Notare sowohl auf ihr Wort bzw. ihre Urkunde als auch auf die in sie gesetzten Erwartungen beziehen – tatsächlich vereint die des beides. Der Glaube an die Erklärung hängt mit der Vertrauenswürdigkeit der entäußernden Person zusammen. Auch die frühneuzeitliche Literatur zum Notariatswesen ging von einer Verbindung zwischen der Integrität des Notars und der Beweiskraft der von ihm erstellten Urkunden aus. Grundsätzliche Voraussetzung eines glaubwürdigen Instruments war die Beurkundung durch einen ordnungsgemäß ernannten Notar. Und da „das Ofcium Notariatus nicht nur eine Dignität, sondern auch ein Munus publicum oder offentliches Amt (. . . ) [war, wurden] hierzu solche Leute erfordert, welche del und treu, legales und derer Rechten und Gesetze (. . . ) sattsam kundig“ waren. 835 Sobald der Notar ins Amt eingesetzt war, sprach für ihn die Vermutung, dass er Wahrheit redete und Tatsachen beurkundete – „semper praesumtio est pro Notario, quod vera dixerit & scripserit“. 836 Diese Vermutung setzte sich in der Wahrheitsvermutung zu Gunsten der Urkunde fort – es galt eine Vermutung zu Gunsten einer

833 Übersetzung Reinhart Suchier, Ovid: Verwandlungen, Bd. 1, Berlin 1982. 834 Thomas von Aquin, Summa Theologica IIa–IIae, q. 129 a 6 co. 835 N. N., Anleitung zur Rechts-Gelehrsamkeit und besonders Notariat-Kunst (1747), S. 30f. So auch Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 5; Lauterbach, Collegium theoretico-practicum Pandectarum (1706), Vol. II–L. XXII Tit. IV n. XXXI (S. 285). 836 Carpzov, Processus Iuris in Foro Saxonico (1663), Tit. II Art. V n. 57 (S. 74).

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ordnungsgemäßen Beurkundung 837 sowie eine für die Wahrheit des niedergelegten Inhalts. 838 Diese Verbindung machten sich die Prozessparteien zunutze, wenn sie die Glaubwürdigkeit einer Urkunde widerlegen wollten und es ihnen nicht gelang, Formfehler nachzuweisen. Gerüchte über den schlechten Leumund eines Notars ließen sich schnell verbreiten, und ein einmal in Verruf gekommener Notar hatte Schwierigkeiten, seinen Ruf wiederherzustellen. Der Notar Jürgen Rose 839, von dem unter anderem behauptet wurde, er sei mit nichts als „[i]diotische[r] ungeschicklicheitt (. . . ) [beladen und nicht einmal in der Lage,] ein einigs bestandis Instrumentum zu machen und Zu concipijren“, konstatierte zu der Rufmordkampagne, dessen Opfer er geworden war, das eigentliche Problem liege darin, „das man dem gemeinen Sprichwortt nach einem Lugner und Calumnianten In so tieff als dem jenigenn, der da wahr redet, Ins Maul sicht, und das Jtzo leider In dieser bosen Weldt der gebrauch vast Ingerissen (. . . ) [sei, dass man] solchs schmehens und furwerffens nicht In continenti 840 verantwurtten [müsse,] sondern etwa nur eine geringe frist mith stillschweigent ubergangen“ – wenn den Gerüchten nur eine zeitlang nicht widersprochen werde – „ein unschuldiger baldt schuldigh geachtets und (. . . ) Mannicher Redellicher Ahn Reputation glimpff und Leumunth Zum hochsten verletzt und geschwehrt wirt“. 841

Solche Ehrverletzungen waren schon für Privatpersonen schlimm, ungleich schlimmer jedoch für einen Notar, der sozusagen von seinem guten Ruf lebte. Der Notar solle, so Rose, deshalb immer dafür sorgen, dass er seinem

837 Es spreche eine „Praesumptio (. . . ) [dafür], daß es [das Instrument] rechtmäßig auffgerichtet [war] (. . . ) biß das Gegentheil erwiesen und dargethan“ wurde, s. Bolz, In foro (1732), S. 14; Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 55. 838 „[P]lenam dem facit (. . . ) Instrumenta publica“ „quemlibet praesumi bonum, donec probetur contrarium“, s. Gasparro Romano, Institutiones Juris Civilis (1729), P. II Tit. VIII–De probationibus n. 4 f.; StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 58. Dazu Bolz, In foro (1732), S. 7, S. 14, S. 63 m. w. N.; Foman, De Fide Instrumentorum (1631), Effectus instrumentorum est plenam dem (a); Volckmann, Notariatskunst (1621), S. 7; Mascardi, Conclusiones Probationum (1661), Vol. I Quaest. IV n. 15 (S. 9). 839 Zum Teil ndet sich Jürgen Rose auch als Georg Rosa in den Akten. 840 Continens (unmittelbar folgende): hier wahrscheinlich in dem Sinne, dass man sich für die Verbreitung von Gerüchten nicht persönlich verantworten müsse. 841 StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, fol. 60 r.

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„Ampte und Dienste einen gutten nahmen (. . . ) erhalte“. Denn es sei wie im „gemeine[n] Spruch, wat lautet: Geldt und Gutt verloren – Nur halb verloren. Aber Ehr verloren – alles verloren“. 842

Für Jürgen war der Nachweis eines tadellosen Rufs nicht schwierig, denn er war zuvor diverse Male von angesehenen Persönlichkeiten und vor allem auch vom Hamburger Rat zur Beurkundung hinzugezogen worden. 1574 begleitete er im Auftrag des Hamburger Rates eine Delegation nach Haselau, um für einen Rechtsstreit notwendige Beweise zu sammeln. 843 1579 erstellte er dann das Testament des Hamburger Bürgermeisters Matthias Rheder. 844 Wahrscheinlich war aber insbesondere die Bestätigung des Hamburger Rates, nach der Jürgen „ delitet vnd legalitet [einen] guden Leumunth“ 845 hatte, seinem Ruf zuträglich. Um die Beweiskraft einer notariellen Urkunde über die Reputation eines Notars angreifen zu können, musste dessen schlechter Ruf nachgewiesen werden. Die Beweisführung erfolgte – soweit ersichtlich – regelmäßig durch Zeugenvernehmung. 846 Der Beweis galt als erbracht, wenn mindestens zwei Zeugen bestätigten, dass sie den Notar für unglaubwürdig hielten. Nicht ausreichend war die bloße Kenntnis von dem Gerücht der Unglaubwürdigkeit. Die Verleumdungen waren das Einfallstor zur Manipulation der richterlichen Beweiswürdigung. Sie waren das Werkzeug, mit dem dem Prozess zum gewünschten Ausgang verholfen werden konnte. Es galt: Je weiter sich die Verleumdungen verbreiteten, desto größer waren die Chancen, dass sich der schlechte Leumund verfestigte und damit auch beweisen ließ. Um die verleumderischen Schriften einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, investierte man sehr viel Energie, wie der folgende Fall verdeutlicht 847:

842 Ebda., fol. 60 v. 843 Akte zum Prozess von 1574: Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg gegen Oligard von Alefeld zu Haselau und Benedikt von Alefeld zu Haseldorf, wegen Bruchs des Landfriedens, s. dazu Brinkmann, Akten des kaiserlichen Kammergerichts, S. 128ff., S. 132. 844 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1579 V 14 (Testament des Rheder, Matthias, Bürgermeister, vom 14. 5. 1579 [MF: S 9263 D, 104]). 845 StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, fol. 74 r. 846 StA HH, RHR 211-2, Nr. 102; Brinkmann, Aus dem deutschen Rechtsleben, S. 272ff. Sicherlich werden aber auch Kenntnisse des Gerichts oder Nachweise zur nanziellen Leistungsfähigkeit des Notars eine Rolle gespielt haben. Häu g wurde die Glaubwürdigkeit an die Finanzkraft der jeweiligen Person gekoppelt. 847 Der Fall ist hauptsächlich dem RKG-Verfahren: StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49 entnommen. Ergänzend wurden weitere Verfahrensakten herangezogen: StA HH, RKG 211-2, Nr. S 50 Teil 1–2; StA HH, RKG 211-2, Nr. S 49 Teil 1–5, StA HH, RKG 211-2, Nr. R 5.

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Im beginnenden 18. Jahrhundert lebten die Eheleute Schreiber in Hamburg. Ihr enormer Reichtum weckte große Begehrlichkeiten, und als Margaretha Schreiber in den 1720er Jahren starb, entbrannte der erste von insgesamt vier umfangreichen Prozessen, die in mehr oder minder engem Zusammenhang mit dem Vermögen der Eheleute Schreiber geführt wurden. 848 Nicht lange nach Margarethas Tod bezog Philipp ein herrschaftliches Anwesen in der Hamburger Innenstadt. 849 Zu dieser Zeit war er bereits über 60 Jahre alt. Er hatte eine Haushälterin, die ebenfalls im Hause wohnte und sich zunächst nur um den Haushalt und, als Philipp gebrechlich wurde, auch um ihn persönlich kümmerte. Wohl aus Dankbarkeit für die jahrelange Fürsorge, aber auch, weil er seine nächsten erbberechtigten Verwandten für habgierig und undankbar hielt, wollte Philipp ihr nach seinem Tode die stattliche Summe von 4000 Mark Species zukommen lassen. Aus diesem Grund wurden in den 1740er Jahren neben dem Notar Isaac Kochen ein zweiter Notar – der Adjunctus – sowie sieben Testamentszeugen zu Philipp gerufen, um ein entsprechendes Testament aufzusetzen. 850 Als die Notare und Testamentszeugen eintrafen, saß der inzwischen 85-jährige Philipp im Bett und machte einen „recht kümmerlich[en]“ Eindruck – er war gebrechlich und nahezu blind. Aber Isaac versicherte, der Alte sei bei klarem Verstand gewesen. Neben der Feststellung von Philipps Testierfähigkeit bestand Isaacs Aufgabe darin, Philipps letzten Willen in einem ordentlichen Testament zu xieren, das so erstellte Schriftstück zu verlesen, von Philipp und den Testamentszeugen unterzeichnen zu lassen und dies alles gemeinsam mit dem zugezogenen zweiten Notar auszufertigen. So geschah es dann auch. Bis zu Philipps Tod blieb das Testament unangefochten. Erst als das Legat an die Haushälterin Maria Catharina Wilprecht ausgezahlt werden sollte, weigerte sich Philipps Universalerbe Johann Henrich Rassow. Er war mit der Schmälerung der Erbschaft nicht einverstanden und focht das Testament an. 851 Er bezweifelte, dass Philipp das Vermögen seiner Familie durch Vermachungen an ungesippte, „wild-

848 StA HH, RKG 211-2, Nr. S 50 Teil 1–2; StA HH, RKG 211-2, Nr. S 49 Teil 1–5; StA HH, RKG 211-2, Nr. R 5; StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49. 849 Die reichskammergerichtliche Prozessakte StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49 stellt auch in soziologischer Hinsicht ein wahres Kleinod dar. Ausführlich werden die Vermögensund Lebensverhältnisse Philipp Schreibers dargestellt, sodass sich ein sehr detailliertes Bild einer begüterten Händlerfamilie im 18. Jahrhundert in Hamburg zeichnen lässt. Insbesondere StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito, Beilage Lit. C (Q 8), S. 20 ff. 850 StA HH, RKG 211-2, Nr. S 49 Teil 1–5, Q 17. 851 Ebda.

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fremd[e]“ Dritte beschnitten hatte. 852 Johann war der Überzeugung, dass die Haushälterin den „blödsinnigen“ Alten überlistet hatte. 853 Maria bestritt dies und klagte nun ihrerseits auf die Zahlung des Legats 854, obwohl Johanns Prozess um die Gültigkeit des Testaments noch rechtshängig war. 855 Für Johann lag ganz klar zu Tage, dass er, wenn er Erbe des gesamten Schreiber'schen Vermögens werden wollte, das Testament aus der Welt schaffen musste. Er musste also das Gericht von der Unglaubwürdigkeit des Testaments überzeugen. Von Anfang an verfolgte Johann dabei eine Doppelstrategie, deren einer Teil im Offenlegen der angeblich betrügerischen Machenschaften bei der Testamentserstellung lag und deren anderer darin bestand, die Integrität Isaacs zu zerstören. Um Isaacs Leumund zu beschädigen, scheute Johann keine Kosten und Mühen. Er ließ in den Weinhäusern, Bier-, Kaffee- und Teestuben Hamburgs und der näheren Umgebung Flugblätter verteilen, die eindringlich vor der Inanspruchnahme Isaacs warnten. 856 Seine Arbeit, so konnte man dort lesen, zeichne sich maßgeblich durch „Mißhandlungen und Verbrechen“ 857 aus; er betrüge gewissenlos und mit „unglaublicher Verwegenheit“. 858 Johann begründete seine Anschuldigungen unter anderem mit angeblichen Fälschungen, die Isaac errichtet habe. Die Flugblätter waren aber lange nicht alles, was Johann zur Rufschädigung aufbot. Isaac behauptete im Prozess, dass Johann im ganzen Reich Briefe versendet habe, sodass sogar Edelleute im fernen Wien von seiner angeblichen Unfähigkeit Kenntnis erlangten. Johann bestritt das nicht. Selbst als Isaac vor Gericht zog, um Schadensersatz für die erlittene Beleidigung zu erlangen 859, legte Johann nach. Er verp ichtete unter anderen den höchst angese852 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 3. 853 Ebda. 854 Der Prozess Marias vor dem Hamburger Rat ist als Vorinstanzenprozess der Reichskammergerichtsakte beigegeben. In dem reichsgerichtlichen Prozess klagt der Universalerbe auf Rückzahlung des Legats, das er wegen der Verurteilung in Hamburg bereits geleistet hatte. S. StA HH, RKG 211-2, Nr. R 5. 855 StA HH, RKG 211-2, Nr. S 49 Teil 1–5. 856 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 70ff.; Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. D (Q 9), S. 4 f. 857 Die Original ugblätter haben sich nicht erhalten. Der Kläger trägt die verschiedenen Beleidigungen, die durch den Beklagten erfolgt sein sollen, vor. Dieser Vortrag bleibt im Wesentlichen unbestritten. S. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 70ff.; Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. D (Q 9), S. 4f. 858 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 9. 859 Gut möglich ist auch, dass er die Injurienklage erhob, um seinen bereits zuvor geschädigten Ruf wiederherzustellen. Dazu auch S. 190 ff. Auf seine Motivationslage geht Isaac nicht detailliert ein. Kurze Zusammenfassung des Ablaufs einer Injurienklage: Thomas Moosheimer, Die actio injuriarum aestimatoria im 18. und 19. Jahrhundert: Eine

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henen Juristen Lukas Andreas von Bostell 860 mit der Übernahme des Prozesses und forderte im ganzen Reich Studenten der Rechtswissenschaften auf, kostenfrei gedruckte Kopien der Gerichtsakten (nebst den enthaltenen Beleidigungen) zu „Studienzwecken“ zu ordern. 861 Zwar versuchte Isaac Kochen in seinen Stellungnahmen, seinen guten Ruf wiederherzustellen, die Schriftstücke blieben aber ohne nennenswerte Wirkung. Niemand wollte seine Dienste mehr in Anspruch nehmen – zu schlecht war sein Ruf geworden, seit Johann mit der Verleumdungskampagne begonnen hatte. 862 Auch Isaacs zweite Einnahmequelle als Registrator des Hamburger Domkapitels hatte er wegen der Gerüchte verloren. 863 Seine Familie war völlig verarmt. Isaac hatte wohl wenig Hoffnung und ihn sorgte, dass seine gesamte Familie unter seinem Gesichtsverlust zu leiden habe. Nicht nur, dass man seinem „einzige[n] Sohn, welchen er den Studiis und gleichmässig dem Notarialamte gewidmet [habe,] (. . . ) den schändlichen und bittern Vorwurf [machen würde,] (. . . ) zu putrisiren (. . . ) [und] zu patrisiren“ – also, schlechte Arbeit zu leisten und seinem Vater nachzuschlagen. Darüber hinaus bestand die Gefahr, trotz der familiären Armut, keine Armenfürsorge zu erhalten. Denn der schlechte Ruf war selbstverschuldet, womit seine Familie „als loses Gesindel allen mitleidigen Beistandes [ für] unwerth (. . . ) geachtet“ 864 wurde. 865

860

861 862

863 864 865

Untersuchung zu den Gründen ihrer Abschaffung [Tübinger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 86], Tübingen 1997, S. 1 ff. Zur Rehabilitation eines geschädigten Rufs durch Erhebung einer Injurienklage: Gersmann, Iniurienklagen als Mittel der Abwehr, S. 237ff. Anette Baumann, Advokaten und Prokuratoren – Anwälte am Reichskammergericht (1690–1806) [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 51], Köln [u. a.] 2006, S. 129. In parallel geführten Prozessen zog er neben von Bostell auch den nicht minder berühmten Christian Jacob von Zwierlein hinzu (zu Zwierlein: F. W. E. Roth, Die Rechtsgelehrten Hans Jacob und Christian Jacob von Zwierlein (1699–1793), in: ZRG Rom. Abt., Bd. 16–29 (1895), S. 105ff., S. 109ff.). StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 70ff.; Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. D (Q 9), S. 4 f. Durch die Verleumdungskampagne sei Isaac „in- und außer Hamburg ge ießentlichst (. . . ) divulgiret, wodurch den Principal [Isaac Kochen], der als kaijserlicher und ReichsCammer-Gerichts Notarius immatriculatus so in Hamburg als in den benachbarten Hollsteinischen Städten und Gerichten sonst allenthalben zu notarial actibus vorzüglich gezogen ist, nothwendig den stärcksten abbruch an Exercirung seines notariat-Ambts und an den dahero zu erwartenden Einkünfften leidet“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 3 Supplication, fol. 7 v f.; Q 10 Replicae, S. 69 ff. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 70. Ebda., S. 73. Die frühneuzeitliche Sozial- und Armenfürsorge war an strenge Voraussetzungen gekoppelt. Resultierend aus der lutherischen Soziallehre bestanden gesellschaftliche Beistandsp ichten nur gegenüber unverschuldet Verarmten. Zur frühneuzeitlichen Ar-

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Jenseits des Verlustes der Glaubwürdigkeit hatte die Verleumdung meist eine Verarmung des Notars zur Folge. Sein Tätigwerden war nicht mehr gefragt, sobald ihm ein schlechter Ruf anhing. Das Risiko einer suspekten Urkunde war zu hoch. Denn man ging davon aus, dass die vorgebrachten „Notarial-Instrumente(..) von geringen Leuten (. . . ) [von] sehr sublestae dei“ 866 waren, also allenfalls eine geringe Glaubwürdigkeit besaßen. Zwar hatte die nanzielle Leistungsfähigkeit theoretisch keinen negativen Ein uss auf die Glaubwürdigkeit. 867 Tatsächlich wurden arme Menschen aber nur in Ausnahmen als Zeugen zugelassen 868, weil, wie in der Langenbeck'schen Glosse zu lesen ist, „Wenthe ßune (. . . ) dath lichtferdighe arme „offensichtlich (. . . ) [sei], dass leichtfertige lude ouele doenn ghades vorghetennde in arme Leute Übels tun, Gott vergessen, wenn vorsparinghe der warheyt, mere alße andere sie die Wahrheit verschweigen, mehr als ande nycht nottroffttich ßynn.“ 869 dere, die nicht bedürftig sind.“

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men- und Sozialfürsorge und der Unterstützungswürdigkeit Armer: Sebastian Schmidt, „Gott wohlgefällig und den Menschen nutzlich“. Zu Gemeinsamkeiten und konfessionsspezi schen Unterschieden frühneuzeitlicher Armenfürsorge, in: ders. /Jens Aspelmeier (Hrsg.), Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit [Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Heft 189], Stuttgart 2006, S. 61ff., S. 63 ff. Der Kochen'sche Ehrverlust, der für seine nanzielle Situation ausschlaggebend war, resultierte aber aus seinem eigenen (angeblichen) Fehlverhalten und war daher nicht schutz- bzw. beistandswürdig. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 29. S. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXX mit gesamter Glossierung (Eichler, S. 206). Die Zulassung geschieht aber immer nur mit der Einschränkung der Verbürgung für die Haftsummen. Denn in Hamburg galt der Grundsatz, dass die Zeugenfähigkeit auf die Höhe des Zeugenerbes beschränkt war, d. h. Zeugenaussagen durften nur geleistet werden, wenn die bezeugte Streitsumme nicht höher war als der Wert des Erbes des Zeugen (StR 1497 E XXVII). Begründet wurde dies damit, dass ein falsch aussagender Zeuge für die Streitsumme zu haften hatte (Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXVII, Codex A 6 [Eichler, S. 205]). Vgl. zur grundsätzlichen Ablehnung: Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 2: Die Theorie: Kritische Ausgabe des Tractatus de male ciis nebst textkritischer Einleitung, ed. Kantorowicz, Berlin /Leipzig 1926, S. 51ff., insb. S. 59. In Hamburg konnten mit Erlaubnis des Rates aber auch mittellose Zeugen zugelassen werden, Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXX, Codex B (Eichler, S. 207). Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXVII, Glosse (Text und Übersetzung Eichler, S. 204). Ein weiterer Grund lag darin, dass der Zeuge mit seinem Erbe für die Schäden einer erwiesenen Falschaussage haftete (Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXVII mit Glosse/Codex A 6 [Eichler, S. 204 f.]) und man deshalb darauf achtete, dass ein möglicher Schaden auch beglichen werden konnte.

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In der Übersetzung schließt Eichler bei dieser Glossierung eine Erklärung an, nach der es Gerichten erlaubt gewesen sei, „Zeugen aus Gründen der Armut abzulehnen.“ 870 Dieser Zusatz ndet im Original zwar keine Entsprechung, er deckt sich aber dennoch mit der in den Archivalien vorgefundenen Rechtslage. Grundsätzlich waren der „Kreativität“ zur Beschädigung der urkundlichen des keine Grenzen gesetzt. Alles, was irgend tauglich war, den Ruf zu schädigen, setzte man ein: von plumpen Beleidigungen, wie der Betitelung als „vorwitz[iger] (. . . ) Alberne[r] Mensch“ 871, als „ahngemaßter Notarius, (. . . ) Lumpenschreiber, (. . . ) Maulen und Eselschreiber“ 872 bis zur Behauptung, man habe den Notar nachts aufgegriffen, weil er „[i]n frawen Kleider“ gekleidet in Hamburger „Wirthsh[ä]use[rn] violiret“ habe 873 bzw. zum öffentlichen Bloßstellen, indem man den Notar zur Mittagszeit „inm gesicht der vollen Börse und der ganzen Stadt“ zur „grösern Beschimpfung durch gants ohngewohnliche strasse (. . . ) in Ketten [und] Eisen (. . . ) geschleppt“ habe. 874 Das mit den Verleumdungen verfolgte Ziel war deutlich, denn die „aus gestoßen Injurien so an sich selbst und „ausgestoßenen Injurien selbst und die dawegen der dabeij einmahl übers andere ge- bei gebrauchten beleidigenden Worte hatbrauchten afreüsen Ausdrücken (. . . ) [hat- ten den eindeutigen Zweck, ihn [den Noten] [den] deütlich[en] (. . . ) Zweck(..), ihn tar] zu entehren, ja sie hatten den Sinn, ihn [den Notar] einer infamirenden ja der Le- einer infamierenden Lebensstrafe auszusetbens-Strafe auszusetzen, höchst [atroc? 875] zen, die überaus grässlich ist, und für das sind, also sind auch respectu personarum Ansehen der Person die denkbar schreckloci, circumstantiarum et consequentium, lichsten Konsequenzen zur Folge habe. Indie aller [atrocesten?] von der Welt. In dem dem Herr Lic. Rassow die getätigte Verleumder Herr Lt. Rashaw so thane, (. . . ) eine dung druckte, öffentlich und unumkehrbar in allen Stücken geschehene (. . . ) falschheits machte und nach deren Bekanntmachung beschuldigung (. . . ) durch den Druck ge- überall in Deutschland, inner- und außermein gemacht und aternisiret (. . . ) und nach halb Hamburgs verbreitete, zog das zwangsAnzeige deren introitus sie (. . . ) in gantz läu g die größten Einschnitte in der AusDeutschland (. . . ) weit und breit, in- und übung seines [des verleumdeten Notars] Noaußer Hamburg ge ießentlichst divulgiret tariatsamtes“ nach sich. hat (. . . ), [zog das] nothwendig den stärcksten abbruch an Exercirung seines notariatAmbts“ nach sich. 876

870 871 872 873 874 875 876

Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 E XXVII, Glosse (Eichler, S. 204). StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 v. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 14, Acta In Sachen Iniuriarum, fol. 55 r. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 r. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1, fol. 1 r, Q 4, fol. 1 v. Wahrscheinlich vom lateinischen atrox – grässlich, schrecklich, hart. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 3 Supplication, fol. 6 v ff.

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Die Beleidigungen geschahen also mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit des Notars zu torpedieren, damit mittelbar die Beweiskraft seiner Urkunden zu untergraben und letztendlich die streitgegenständlichen Gelder zu erlangen. Um eine möglichst breite Öffentlichkeit von den Vorwürfen in Kenntnis zu setzen, passten die Verleumder zum Teil sogar die Verleumdungen dem jeweiligen Adressatenkreis an: Schriften, die in Flugblattform in Schankwirtschaften ausgelegt wurden, strotzten vor Beleidigungen. Um auch Analphabeten in Kenntnis zu setzen, wurden die Flugschriften anscheinend zum Teil bebildert. Wie diese Abbildungen tatsächlich ausgestaltet waren, kann den untersuchten Akten nicht entnommen werden. Die Gerichtsakten enthalten lediglich Kopien der schriftlichen Verleumdungen. 877 Die Hamburger Flugblattsammlung aus der Frühen Neuzeit ist bis auf wenige Ausnahmen beim großen Hamburger Stadtbrand vernichtet worden. Es bleibt somit der Fantasie des Einzelnen überlassen, wie eine Abbildung wohl beschaffen war, die den Notar „in [solch] schmelich posen gezeichet“ hat, dass die Wirkung an „betrubnis“ kaum zu übertreffen war. 878 Während man die unteren städtischen Schichten mit rüpelhafter und teils vulgärer Stimmungsmache zu beein ussen versuchte, ging man bei Adressaten aus den gebildeteren Schichten viel subtiler zu Werke. Man zog Vergleiche zu unehrenhaften, verlogenen Personen aus antiken Schauspielen und ließ den Notar zum Beispiel in die Rolle des den Horazbriefen entliehenen Heuchlers schlüpfen 879: Aus Angst vor der Entdeckung seiner schändlichen Handlungen betete demnach der Notar inbrünstig: „Pulchra Laverna, da mihi fallere, da iustum „O schöne Laverna, gib zu meinem falschen sanctumque videri, noctem peccatis et frau- Spiel mir ferner Glück! Verleih mir, tadeldibus obice nubem!“ 880 frei zu scheinen und gerecht! Mach's, wenn ich sündige, Nacht um mich her, und wirf wie einen Schild die dickste Wolke meiner Schalkheit vor.“

877 Zum Teil werden die schriftlichen Verleumdungen auch nur angesprochen, ohne dass offengelegt wird, welchen Inhalt sie hatten. So z. B. im Notarprotokoll des Johann Schröder, in dem beschrieben wird, dass der Notar Johann Brusehauer mit verschiedenen Schriften verleumdet und an seiner Ehre verletzt wurde, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 13 (vom 23.11.1554). 878 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 10 Replicae, S. 69ff. 879 Z. B. Verweis in StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 28 v. Zu rechtlichen Aspekten in Horaz' Literatursatiren: Uwe Diederichsen, Das Recht in den Literatursatiren und -episteln von Horaz, in: Andreas Heldrich (Hrsg.), Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag (Bd. 2), München 2007, S. 1041ff. 880 Horaz Briefe, 34, 60 (Übersetzung nach Christoph Martin Wieland, Horazens Briefe aus dem Lateinischen Übersetzt und mit historischen Einleitungen und andern nöthigen Erläuterungen versehen von C. M. Wieland, Frankfurt 1986).

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Interessant ist, dass man die Intensität und Eindrücklichkeit der Vorwürfe außerdem durch einen Perspektivwechsel steigerte. Nicht ein Dritter warnte vor einem unfähigen Notar, vielmehr „warnte“ der Notar vor sich selbst, indem er seinen betrügerischen Charakter offenlegte. Der intellektuelle Anspruch, der mit solchen in lateinischer Sprache vorgebrachten Verleumdungen verbunden war, sicherte den Urhebern der Schriften die Beachtung in gebildeten Schichten. Neben literarischen Anleihen benutzte man Metaphern, die man Sprichwörtern oder biblischen Erzählungen entlehnte 881, oder bediente sich spitzer Ironie. Denn es war (und ist bis heute) völlig klar, wie eine vermeintliche Lobeshymne „Welch ein sauberer Notarius! Welch ein gewissenhafter exemplarischer Immatriculatus! Wie will man diesem Manne seine Redlichkeit immer genug verdanken und bezahlen?“ 882

zu verstehen ist – insbesondere, wenn sie von demjenigen vorgetragen wird, der sich kurz zuvor lautstark über die „nichtswürdigen Charteque“ 883 des gleichen Notars äußerte. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auch, wenn die Gerüchte für sich allein nicht ausreichten, um den Glauben eines Instruments zu zerstören, sie doch genügten, um Zweifel aufkommen zu lassen und um das Schriftstück suspect zu machen. Das Säen von Misstrauen war damit eine sehr wirkungsvolle Waffe, um die Beweiskraft von formell nicht bzw. nur unzureichend zu beanstandenden Instrumenten zu (zer)stören.

881 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, fol. 29 r : „Hat Er diesem eine Grube gegraben und ist, wie es nicht selten zu geschehen p eget, selbst hinein gefallen“ (angelehnt an: Ps 57,7) / „Er freue sich des Werckes seiner Hände und genieße der Früchte, die sein Fleiß gezogen hat.“ (angelehnt an: Spr 31,31) / Exceptiones cum petitio legali vom 28. 6. 1756, Beilage Lit. D, Nr. 9, S. 16: „Geschiehet solches am grünen Holze, was mag am dürren werden; und scheuet Notarius Kochen sich nicht, falsche Instrumente zu machen, die einem höchsten Reichs-Gerichte produciret, und zu dessen Verleitung gebrauch werden sollen, was ist er wohl nicht fähig, in anderen Sachen zu thun?“ (Lk 23,31). 882 StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petitio legali, Beilage Lit. D (Q 9), S. 19. 883 Ebda.

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d. „Umbzustossen undt zu Vernichtigenn“ – Willkür und Gewalt Wenn einer notariellen Urkunde weder mit rechtlichen Mitteln noch über einen Angriff auf den Ruf des Notars beizukommen war, versuchte man, sich ihrer mitunter mit Gewalt zu entledigen. So auch im Fall des Vertrages zwischen Jost von Overbeck und dem Hamburger Rat 884: Im 17. Jahrhundert waren fremde Einwohner verp ichtet, einen jährlichen Schoss, also eine direkte Steuer, an die städtische Kämmerei zu entrichten. Diese Abgabe war unabhängig von der Vermögenslage des Schossp ichtigen. Dennoch verp ichtete sich Jost schriftlich, über den Schoss hinausgehend insgesamt 500 Mark lüb. pro Jahr zu bezahlen. Er bedingte sich aber aus, den Vertrag jederzeit aufkündigen zu können. Diesen besiegelten Vertrag ließ Jost zusätzlich notariell ausfertigen. Obwohl im Vertragstext eine entsprechende Klausel fehlte, nahm auch der Rat ein Kündigungsrecht für sich in Anspruch. Denn sein Kündigungsrecht – so die Ansicht des Rates – sei konkludent enthalten. Unter Bezug auf seine Berechtigung kündigte er also den Vertrag und setzte gleichzeitig einen neuen Vertrag auf. Darin wurde festgelegt, dass „nach proportion (. . . ) [von Josts] mitteln“ 885, ein zehnfacher Schossbetrag geschuldet war. Diese „harten conditionen (. . . ) [und] unerträglichen taxa (. . . ) [des] neuen contract[s] (. . . ), zu [dem Jost] genöthiget w[u]rde, (. . . ) So gar nicht für ein contrahiren gescholten werden k[onnte] (. . . ). [Das ließ ihn auf ] nichts anders (. . . ) schliesen und an(..)nehmen, (. . . ) [als] das (. . . ) [er] irgend ein und andern im wege seijn m[üsse]“. 886 Vermutlich war auch dem Rat klar, dass der neue „Vertrag“ angreifbar war. Er versuchte daher, Jost zu zwingen, die Einhaltung des „Vertrages“ zu beschwören. Damit ging der Rat aber zu weit. Jost setzte sich zur Wehr und verlangte die Einhaltung der ursprünglichen Abrede. Dem Rat stehe, so Jost, ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts kein Kündigungsrecht zu. Als Jost zum Beweis den notariell ausgefertigten Vertrag vorlegte, machte der Rat kurzen Prozess: Er nötigte Jost, den neuen Vertrag zu unterschreiben – „[u]nterdessen (. . . ) [wurde der ursprüngliche] contract gelöchert“. 887 Ähnliche willkürliche oder gewalttätige Verhaltensweisen – vom Rat sowie von Privatpersonen – lassen sich auch in anderen Archivalien nachweisen. Man ließ die „protokolla und sämbtlich[en] scripturen [eines Notars] gewaldthätig wegneh-

884 Hier maßgeblich StA HH, RHR 211-1, Nr. 220. Ergänzend auch StA HH, RHR 211-1, Nr. 137. 885 StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 5 Stellungnahme des Rates, fol. 2 r. 886 StA HH, RHR 211-1, Nr. 220, Q 2, Beilage Lit. A Instrumentum Appellationis, fol. 1 v f. 887 Ebda., fol. 1 v.

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menn“ 888, warf die Urkunden weg 889 oder drohte, sie zu verbrennen, wenn der Notar sie nicht freiwillig wieder mitnahm. 890 Auch schon im Vorfeld, wenn die Erstellung einer notariellen Urkunde drohte, lassen sich Versuche nachweisen, den Notar von der Beurkundung abzubringen. Er wurde solange beleidigt und bedroht – „dermassen mit worten abgewisen, das er sich weiter in der Sachen nitt gebrauchen lassen woll[te]“ 891, bis er also die Beurkundung seinem Auftraggeber gegenüber verweigerte. Notare wurden verprügelt oder ihnen wurden Prügel zumindest angedroht. So soll beispielsweise ein Bürgermeister beim Versuch eines Notars, ein Schriftstück zu insinuieren, „nach eine[m] schweinespies gegriffen und (. . . ) [dem Notar] zorniglich zügerufen [, er haben s]ich schreibens und verkhindigens Zuenthalten oder Aber er wolt (. . . ) [dem Notar] den schweinespies uff den hals schlagen und (. . . ) [ihn] in aller teuffel namen aus dem hause bringen lassen“. 892 Oder man verweigerte bzw. verhinderte für die Beurkundung wichtige Mitwirkungsakte, z. B. verwiesen die Ratsherren die vom Notar zugezogenen Zeugen des Raumes oder gaben Unterlagen, von denen der Notar Kopien erstellen sollte, nicht heraus. 893 Begründet wurden solche Akte meist damit, dass der Notar selbst „allerhand anreizung zu unwillen und erhitzung [ge]geben“ habe, dass er ein „anstiffter“ sei und damit die eigentliche Schuld trage. 894 Grundsätzlich spreche nämlich, so der Rat, eine Vermutung dafür, dass „eine jede Obrigkeit (. . . ) Niemand unrecht oder Gewalt [an]thue“. 895 Wenn dem Notar nicht vorgeworfen wurde, die Handlung provoziert zu haben, schob man den Gemeinnutz, die policeij und die Sicherung von Frieden vor, um willkürliche oder Gewaltakte zu rechtfertigen. 896 888 889 890 891 892 893 894

StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 1, fol. 1 r. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 7 Conclusiones, fol. 10 v. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 3, Beilage Nr. 4, fol. 3 v. StA HH, RKG 211-2, Nr. N 3, Q 5 Libellus appellationis, fol. 7 r. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 1 Copia Instrumenti, fol. 8 r f. StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, dort insbesondere Q 4, Beilage Nr. 8. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 3 Exceptiones, fol. 4 v/5 r. So auch StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 2 r, nach der der Notar die „Stadt (..)in böß Gerücht, Schaden und Gefährlichkeit gebracht“ habe. 895 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 6, fol. 3 v. Dieses Selbstverständnis entspricht der lutherischen Obrigkeitslehre, s. Martin Luther, Von weltlichen uberkeit (1523). Zum frühneuzeitlich protestantischen Staatsverständnis: Martin Honecker, Art. Staat/ Staatsphilosophie IV, in: TRE XXXII (2001), S. 22ff., S. 24ff. 896 So z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 5 Duplicae, fol. 7 r, nach der der Notar der „ordnung (. . . ) aus lauterem mutwillenn zu Zerruttenn und strax darwider Zuthun understanden, Wie [es] widerspenniger vnnd unruriger Leutt, die [die] gute ordnung und Polliceij nit leiden mogen, brauch und art ist“. Es habe daher die Notwendigkeit bestanden, diese Ordnung wiederherzustellen. Mit Hinweis auf die „ratione publicae Salutis“, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Denn Hoch: und Wohllgebohrenen wohledlen,

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Auffällig ist, dass auf solche Gründe nur zurückgegriffen wurde, um vergangene Handlungen plausibel zu machen. Sie dienten in keinem der untersuchten Fälle dazu, fortbestehendes rechtswidriges Verhalten zu begründen. Wenn Verfahren an den Reichsgerichten anhängig waren, verzichtete man anscheinend auf Gewaltanwendungen wie die Vernichtung oder Beschlagnahme von Urkunden. Verweigerte Mitwirkungen, wie z. B. bei der Insinuation von Schriftstücken, die ebenfalls mit zwingenden Gründen des Gemeinwohls und der Sicherung der gottgewollten Ordnung begründet wurden, holte man regelmäßig nach. In nur einem Fall bezog der Rat Stellung wegen seines geänderten Verhaltens und dem anscheinend nicht mehr vordringlichen Gemeinwohlschutz. Der Rat gab zu verstehen, er habe die Lage zuvor wohl nicht richtig eingeschätzt und sich geirrt, aber „[i]rren (. . . ) [sei] Menschlich (. . . ) [und] wieder kehren Christlich“ 897. aa. Der Kaiser als Schutzmacht Wenn willkürlich gegen Notare bzw. ihre Schriftstücke vorgegangen wurde, konnte man sich theoretisch mit Hilfe der Gerichte dagegen wehren. Dass von den Hamburger Instanzen aber tatsächlich Hilfe zu erwarten war, ist nicht anzunehmen: zum einen, weil zwischen den Urteilern am Hamburger Nieder- und Obergericht eine Personenidentität mit den Hamburger Ratsherren bestand, zum anderen, weil der Rat meist selbst Urheber der Willkür- und Gewaltakte war. Verhältnismäßig häu g waren daher auch Beschwerden über das Fehlen einer neutralen Instanz in den Begründungen für einen direkten Zug an die Reichsgerichte. 898 Die Bezugnahmen in den Akten legen nahe, dass man den Beschwerden der Notare vor allem dann abhalf, wenn sie mit ihrer eigenen eine Verletzung der kaiserlichen Reservate rügten. 899

Gestrengen, Edlen, Ehrenvesten unndt Hochgeahrten, Herrn verordneten Praesidenten undt beijsitzern dero Kaijs: Maijs: unndt des Heijl: Reichs Cammergerichts zu Speijr, fol. 3 v. 897 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilage Num: 8 Protestationis et Appellationis Instrumentum, fol. 3 v. 898 Begründung für die Einschaltung des RHR: Der Rat trete „nicht als einer obrigkeit, sondern selbst mit contrahirendem theil“ auf, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 137, Q 1, fol. 2 v. So auch in StA HH, RHR 211-1, Nr. 220. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4 fol. 2 r/ in Q 4 eingenähtes Instrument, fol. 2 r: Nach der Verhaftung des Notars und der Beschlagnahme seiner Unterlagen legt der Notar verschiedene Beschwerden „beij der Statt Hamburg Unter als Obergerichten“ ein, die jedoch sämtlich nicht beachtet wurden (man habe sie „übereillet, und darüber gemüssiget“). Die ratsherrliche Willkür sei aber nicht weiter verwunderlich, weil „besagter hochweiser Rath alhier selbst Ankläger und Richter seijn will, welches Gött-Geist- und Weltlichen Rechten zu gegen strebet“. 899 Dazu S. 235 ff. Zu den Beschwerdemöglichkeiten von Amtsträgern gegen obrigkeitliche Willkür s. Eva Ortlieb, Rechtssicherheit für Amtsträger gegen fürstliche Willkür? Funktion der Reichsgerichte, in: Christoph Kampmann/Ulrich Niggemann (Hrsg.),

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Gegen eine unbefangene Beurteilung durch die Hamburger Gerichte sprechen außerdem vereinzelte Hinweise in den Akten, nach denen die Gerichte Notare weder gegen Angriffe Dritter noch gegen solche des Rates schützten. So erklärt ein Notar, dass ihn die „hiesige Obrigkeit gar nicht würde geschützet haben[, wenn er die den Gewaltakt auslösende Handlung] verweigert oder aber anders, als befehliget worden, geschrieben und instrumentirt hätte“. 900 Es sei an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung gerufen, dass Notaren schwere Strafen und die Suspension drohen konnten, wenn sie eine Beurkundung verweigerten. Anscheinend verwunderte den Notar die fehlende Hilfeleistung der Ratsherren in diesem Fall. Denn, so liest man weiter, der Rat verhalte sich den Notaren gegenüber meist nur dann nicht rechtmäßig, wenn sein gesetzwidriges Verhalten dem städtischen Handel zuträglich war. Das streitige Instrument habe aber „denen Commercier hiesiger Stadt (. . . ) nicht [ge]schade[t, ja] (. . . ) die Commercien gar nicht [be]rühret“. 901 Es gab also aus Sicht des Notars keinen vernünftigen Grund, weshalb man ihm nicht hätte helfen sollen. Insgesamt, so konstatierte er, sei das Verhalten des Rates daher „sehr suspect und verdächtig“. 902 Als derselbe Notar dann wenig später erneut versuchte, ein dem Rat unliebsames Schriftstück zu insinuieren, wurde er verhaftet. Der Notar wandte sich nun direkt an den Kaiser, der daraufhin ein Mandat erließ, gemäß dem der Notar auf freien Fuß gesetzt werden sollte. Dennoch fand sich in Hamburg kein Notar, der gewillt war, das Mandat beim Rat förmlich einzureichen. 903 Daher wandte sich der Anwalt des Notars nochmals an den Kaiser mit der „allergehorsamste[n] bitt, (. . . ) [den kaiserlichen Befehl,] weillen zu deßen legaler insinuation auß [S]org[e vor] einer gleichmeßige[n] oder nicht viel besserer procedur, alß dem gants unschuldig gefangenen Impetranten beschehen, in Hamburg sich ein Notarius nicht wohl gebrauchen laßen wirdt, des obberührten Kaij: Mandati sowohl alß aller anderer in dieser sach hiernechst etwan noch ferners ergehender [Schriften

900 901 902 903

Sicherheit in der Frühen Neuzeit: Norm – Praxis – Repräsentation, Köln [u. a.] 2013, S. 622ff., S. 635 ff. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 3 r. Ebda. Ebda. Der Akte ist ein undatierter und ohne Hinweis auf den Urheber versehene maschinenschriftlicher Verweis beigegeben, nach dem ein gewisser Notar Graumann vom Kaiser suspendiert wurde, weil er sich geweigert habe, im Auftrag des kaiserlichen Residenten ein Schriftstück beim Hamburger Rat zu insinuieren (Zitiert nach diesem Papier: StA Wien Az.: AB 109/7 Fasc. 201 fol. 150–151).

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an den] (. . . ) Hamburg[er Rats-]Agenten[904] Praunen Zu injungiren“ 905, damit dieser die Schriftstücke dem Rat zuleite.

Ob der Kaiser dieser Bitte nachkam, wurde nicht überliefert. Jedenfalls hat der Hamburger Rat von dem Schriftstück Kenntnis erlangt. Ausgeführt hat er den Befehl zunächst aber nicht. Zwei Jahre später erging deshalb ein weiteres Mandat des Kaisers, in welchem die Strafe für die Missachtung des Befehls, den Notar freizulassen, verdoppelt und der Stadt außerdem angedroht wurde, in schwere Ungnade zu fallen, sollte sie sich weiterhin widersetzen. 906 Gleichzeitig mit dem Mandat an den Rat erhielt der kaiserliche Resident in Hamburg einen Brief aus Wien. Darin schärfte der Kaiser seinem Residenten ein, die Umsetzung des Befehls zu überwachen und nötigenfalls den Druck auf den Rat zu erhöhen. „Als haben wir dir [dem Residenten] solches [Mandat] Zu dem ende [ebenfalls übersendet] und mit dem [? 907] befelch (. . . ), das du [Kenntnis von] selbige[m] abgedachten Bürgermeister und Rath Unlenkenst [von] neuem insinuirt[e Mandat erhältst] und daran seijest, damit die perition[908] alsobald erfolge mit der commination[909], das Wir sonsten gegen sie [den Rat] mit gebührend schärffe Verfahren lassen würden.“ 910

Letztendlich scheint der Notar daraufhin in Freiheit gekommen zu sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, wenn schon von den Hamburger Gerichten vermutlich wenig Hilfe gegen Willkür und Gewalt zu erwarten war, sich zumindest der Kaiser für Notare einsetzte. Zum Teil hatte er aber erhebliche Probleme, den Rat zur Umsetzung seiner Befehle zu bewegen. Damit waren Hamburger Notare zwar nicht völlig schutzlos, aber es bestanden doch erhebliche Unsicherheiten.

904 Spätestens seit der Anerkennung der Reichsstandschaft unterhielt der Hamburger Rat einen Abgesandten am Wiener Hof. Aufgrund des Hansestatus war Hamburg auch einer der ausgewählten Orte, an dem ein ständiger Resident des Kaisers lebte. Zu den Agenten s. Friedrich Christoph Förster, Die Höfe und Cabinette Europa's im achtzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Potsdam 1836, S. 58 ff., zu den kaiserlichen Residenten, S. 71f. 905 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 5, fol. 1 r. 906 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 13. 907 Unleserlich. 908 Kenntnis; hier aber vermutlich im Sinne einer Kenntnisnahme und Umsetzung des Befehls gemeint. 909 Drohung. 910 StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 14, fol. 1 r.

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bb. Übersicherung der Urkunden Auffällig ist, dass eine große Zahl der untersuchten notariellen Urkunden nicht nur die obligatorischen Formvorgaben penibel umsetzte. 911 Darüber hinaus versah man die Urkunden häu g mit zusätzlichen „Sicherungen“. Beispielsweise wurde eine höhere als die erforderliche Zahl an Zeugen zu einer Beurkundung hinzugezogen 912 oder man ließ notarielle Urkunden zusätzlich vom Hamburger Rat beglaubigen, 913 denn vidimierte Urkunden konnten vor den Hamburger Gerichten, die mit Ratsherren besetzt waren, vermutlich nur schwer angegriffen werden. 914 Der Hamburger Rat hätte zumindest im kammergerichtlichen Verfahren, wollte er gegen die Glaubwürdigkeit eines von ihm selbst beglaubigten Schriftstücks vorgehen, wohl erklären müssen, weshalb er das jetzt angeblich unglaubwürdige Papier zuvor anerkannt hatte. Und auch Privatpersonen brauchten sicherlich mehr als lediglich suspect machende Gründe, um Hamburger Gerichte von Beglaubigungsfehlern des Rates zu überzeugen. Die Zusatzsicherungen kamen besonders dann zum Einsatz, wenn mit dem Schriftstück ein Beweis gegen den Rat hergestellt werden sollte. Offenbar beabsichtigte man mit Hilfe der Zusatzsicherungen, mögliche Angriffe auf die urkundliche des abzuwehren. So war das beispielsweise auch, als der Notar Johann Schröder Mitte Januar 1551 die Urfehde des Lizentiaten Peter von Sprengel aufnahm. 915

911 Je nachdem, wem die Urkunden zugeleitet wurden, legte man auf unterschiedliche Urkundsbestandteile besonderes Gewicht, z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 45/Q 46 (beide wurden direkt beim RKG eingereicht); StA HH, RKG 211-2, Nr. M 5, Q 47 (erst beim Rat eingereicht). 912 Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 4 Replicae, fol. 5 r; StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 5 Exceptiones cum petito legali, Beilage Lit. C (Q 8), S. 11; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1703 IV 4 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]). 913 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3. 4. 1703 [MF: S 9261 D, 221]); StA HH, Senat 111-1, Nr. 1379 Teil 1, Libellus Gravaminum et Nullitatum Summarius 1765, S. 29ff. 914 Eine andere Interpretation für die ratsherrlichen Beglaubigungen hält Petra Schulte (dies., Scripturae publicae creditur, S. 98) vor: Sie sieht in den ratsherrlichen Beglaubigungen einen „Akt symbolischer Natur“, mit dem der Rat vermittelt durch die Ratsschreiberei den Notaren und damit auch ihren Urkunden „[a]uf demonstrative Art und Weise (. . . ) jedwedes Vertrauen“ absprach. Für den Hamburger Bereich bestätigt sich das nicht, denn auch, wenn ein großer Teil der in die Kämmerei eingegebenen notariellen Instrumente kom rmiert wurde, so nden sich dennoch auch solche, bei denen das unterblieb. 915 Protokollbuch des Johann Schröder, StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 4 (vom 15. 1. 1551).

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Peter war im August des Jahres 1550 vor den Rat zitiert worden, weil er ein Appellationsschreiben beim Rat hatte insinuieren lassen. 916 Als Peter erschien, legte man ihm den Appellationszettel vor und fragte, ob es sich dabei um einen von ihm geschriebenen Brief handle. Peter bejahte dies und wurde sofort verhaftet. 917 Seiner klugen Voraussicht verdankte er es, dass er zur Identi kation des Schriftstücks einen Notar mitgebracht hatte, der nun die Verhaftung sowie die Umstände der Verhaftung beurkunden konnte. Mit dieser Urkunde wandte sich Peter an den Kaiser, der zu seinen Gunsten ein Mandat erließ, nach dem Peter in Freiheit zu setzen war. Der Rat bekundete, dem nachkommen zu wollen, jedoch „nicht aus p icht, sondern Zu underthenigsten und dienstlichen erbettung“, also aus Respekt vor dem Kaiser. Außerdem band der Rat die Umsetzung des Befehls daran, dass Peter eine Urfehde ableistet. 918 Zwar protestierte Peter dagegen, schließlich hatte er fast fünf Monate in Gefängnis gesessen und mit der Urfehde hätte er auch auf einen Entschädigungsprozess gegen den Rat verzichtet. Ihm blieb aber letztendlich nichts anderes übrig – und so fügte er sich. Vielleicht hielt er die Aussage des Rates nicht für vertrauenswürdig oder er wollte einen Nachweis, dass er zu Ableistung des Schwurs genötigt worden war, um später doch klagen zu können, jedenfalls ließ er über die Vorgeschichte, den Schwur und die Zusage des Rates ein notarielles Instrument erstellen. Erhalten hat sich heute noch der Protokollauszug zu dieser Urkunde. 919 Und dieser gibt unter anderem Aufschluss darüber, wer als Zeuge der Beurkundung beigewohnt hatte. Es waren ein Ratssekretär, zwei Gerichtsdiener und zwei Bürgermeister. 920 Für diese große Anzahl an Zeugen hätte eigentlich keine Notwendigkeit bestanden. Für einen möglicherweise ins Auge gefassten Prozess gegen den Rat war die Auswahl der Zeugen gewiss von großem Vorteil. Mit dem Instrument und den Ratsverwandten als Zeugen konnte der Sachverhalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit problemlos belegt werden. Mit weiteren Zusatzsicherheiten, wie Chirographierungen, konnte man ferner dafür Sorge tragen, dass eine notarielle Urkunde nicht nachträglich manipuliert wurde. 921 Inwieweit die häu g vorzu ndende Beigabe des Privatsiegels eines Notars

916 Zur Vorgeschichte: Protokollbuch des Johann Schröder, StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 1 (vom 13.8.1550). 917 Ebda. 918 Protokollbuch des Johann Schröder: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 4 (vom 15. 1. 1551). 919 Ebda. 920 Ebda. 921 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29.9.1561 [MF: S 9262 D, 672]). Zu manipulierten Testamenten und Zusatzsicherungen ausführlich, S. 301 ff.

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geeignet war, ein Mehr an Sicherheit zu generieren, ist fraglich. Die Notare gingen offenbar aber von einer solchen Möglichkeit aus. Jedenfalls begründeten viele Notare die Ausfertigung inklusive der Privatbesiegelung damit, dass dies „zu mehrer beglaubigung“ bzw. „mehren gezeuchnus“ geschah. 922 Neben der Funktion als Abwehrmechanismus wurden Zusatzsicherungen wahrscheinlich auch eingesetzt, um im Falle von erwiesenen Formfehlern oder der Unglaubwürdigkeit des Notars die notarielle Urkunde in eine privatschriftliche umdeuten zu können. Zwar wurde dies in keiner der untersuchten notariellen Urkunden ausdrücklich erklärt, in der Literatur waren solche Umdeutungen aber bekannt. 923 Außerdem ndet sich der umgekehrte Fall in den Akten, eine Privaturkunde, die zusätzlich notariell ausgefertigt war. Darin wurde die auf den ersten Blick unnötig erscheinende notarielle Ausfertigung erläutert: Man habe eine weitere Urkundenform bereitstellen wollen für den Fall, dass das privatschriftliche Testament nicht anerkannt werden würde: „Damit nun künfftig so wenig an gehaltenen gebürlichen rechtlichen Solenniteten, als auch recognition der schrifft und Siegel, dortwo ein oder mehr von gegenwertig Herrn gezeugen vor ihnen den testatoribus mit thoedt abgehen sollte, desto weniger mangell erscheinen mogte: als wolten Sie gegenwertige, deswegen erbettene sieben Herrn gezeugen hirmit freuntlich requirit und ersucht haben, diese ihr Testament mit ihrer unterschrifft und Siegelung benebenst ihren allerseites Zubezeugen unnd Zubestettigen. Daneben auch mich, Notarium, insonderheit vermittelst uberreichter subarrhation gebührlich requirirt und erfurdert, den gantzen actui neben denen darzue sonderlich erforderten Zweijen gezeugen vom anfang bis Zum ende beizuwohnen und, wie solcher actus nach erheischung der rechten gehalten werden, in notam zuenemmen, die recognitionem ihrer schrifft und Sigillen anzuehörenn und sehen und daruber eins oder mehr Instrumenta zuefertigen unnd diesem ihrenn Testamento beizueverleiben“. 924

Hier wurden also die Formvorschriften anderer Urkundentypen ebenfalls umgesetzt, um im Zweifelsfall auf eine formgültige Urkunde zurückgreifen zu können. Dasselbe strebte man vermutlich an, wenn man notarielle Urkunden mit Privatsiegeln der Urkundsparteien versah oder zwei Ratsherren und einen Sekretär, also die

922 Z. B. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 4, eingenähtes notarielles Instrument, fol. 4 r; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1625 VII 17 (Testament des Johan Hoijer vom 17.7.1625 [MF S 9264 D, 267]), fol. 5 v; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1650 VIII 23 (Testament der Voß, Christoph und Engell vom 23.8.1650 [MF: S 9264 D, 564]). 923 Z. B. Bolz, In foro (1732), S. 64. 924 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1635 X 10 (Testament der Meijer, Henrich und Anna vom 10. 11. 1635 [MF: S 9264 D, 420]).

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für die Errichtung eines Ratsherrentestaments erforderlichen drei Personen, als notarielle Urkundszeugen zur notariellen Beurkundung beizog. 925 Die Übererfüllung von Formvorschriften diente, wie Monika Beutgen zu Recht angemerkt hat, also dazu, Rechtsunsicherheiten auszugleichen. 926

III. Erträge Das vorliegende Kapitel beschäftigte sich mit dem Beweis durch notarielle Urkunden, mit den Anforderungen, die an ein notarielles Instrument gestellt wurden, damit man ihm Glaubwürdigkeit zubilligte und anschließend mit den Möglichkeiten, die urkundliche Beweiskraft zu erschüttern. Ein ordnungsgemäß erstelltes notarielles Instrument galt als glaubwürdig. Darunter verstand man seine Eignung, den vollen Beweis des niedergelegten Urkundeninhalts zu erbringen (S. 143 ff.). Die Beweiskraft wurde von der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur mit dem Begriff der des umschrieben (S. 138 ff.). Anders als moderne Notarurkunden sprach für sie eine (widerlegliche) Vermutung zu Gunsten der formellen und der materiellen Wahrheit. Die Glaubwürdigkeit der Urkunde war von zwei Faktoren abhängig: erstens von der ordnungsgemäßen Form der Urkunde und zweitens von der Glaubwürdigkeit des Notars. Bestanden Fehler in der Form oder war der Notar nicht vertrauenswürdig, konnte das Instrument suspect werden. Dies zog eine Minderung der Glaubwürdigkeit bis hin zum völligen Verlust der des nach sich. Das frühneuzeitliche Beweisrecht kannte verschiedene Abstufungen des Beweiswertes, weshalb suspecten notariellen Urkunden grundsätzlich noch eine (Teil-)Beweiskraft zukommen konnte (S. 133 ff.). Ein Instrument, das diesen Makel trug, war aber leicht angreifbar und daher im Prozess kaum noch zu verwenden. Neben der Form und der Person des Notars sah die Literatur bislang auch die den Notar ernennende Macht als dritten Glaubwürdigkeitsfaktor an. Man ging davon aus, dass die Beweiskraft der Urkunde auf den Machtbereich des den Notar Autorisierenden beschränkt war – bei Urkunden kaiserlicher Notare also auf den Machtbereich des Kaisers. Tatsächlich wurde den Urkunden aber auch außerhalb des kaiserlichen Herrschaftsbereichs des zugebilligt. Ausreichend war also ledig-

925 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23. 6. 1581 [MF: S 9263 D, 181]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1683 I 18 (Testament des Rentzel, Herman vom 18.1.1683 [MF: S 9264 D, 710]). 926 Monika Beutgen, Die Geschichte der Form des eigenhändigen Testaments [Schriften zur Rechtsgeschichte, Heft 59], Berlin 1992, S. 35 ff.

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lich die Anerkennung der kaiserlichen Autorität im fremden Souveränitätsbereich (S. 140 ff.). Die moderne deutsche Notariatsforschung hat sich bislang kaum mit den an einen Notar gestellten persönlichen Anforderungen beschäftigt. Ihr Blick ruht vornehmlich auf den formellen Glaubwürdigkeitsvoraussetzungen, die sich aus diplomatischen Aspekten zusammensetzen, nämlich zum einen der Sprache, dem Beschreibstoff sowie den inneren Merkmalen der Urkunde und zum anderen aus Regelungen des Beurkundungsverfahrens wie der offenkundigen Urkundserstellung, der Zuziehung von Zeugen und der Protokollführung. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts waren alle in Hamburg überlieferten Urkunden in deutscher Sprache verfasst, obwohl weiterhin auch Latein zugelassen war (S. 156 f.). Auffällig viele Urkunden sind auf Papier geschrieben. Zwar widersprach dies dem ausdrücklichen Verbot der RNO, einen anderen Beschreibstoff als Pergament zu verwenden. Dieses Phänomen lässt sich aber auch andernorts nachweisen und war in der frühneuzeitlichen Literatur meist aus ökonomischen Gesichtspunkten heraus allgemein anerkannt (S. 157 ff.). Uneins waren sich die Literaten aber bezüglich der notwendigen inneren Merkmale der Urkunde (S. 159 ff.). Durch die Auswertung der Gerichtsakten lässt sich ein Katalog von indisponiblen Mindestanforderungen erstellen, deren Fehlen die Urkunde unglaubwürdig machte. Dazu gehören u. a. die namentliche Nennung des regierenden Kaisers, die Nennung des Beurkundungsorts, des Datums der Beurkundung sowie die eigenhändige Unterschrift des Notars und seines Signets. Die Mehrzahl der Hamburger Instrumente trägt außerdem neben dem Notarsignet auch das persönliche Siegel des ausfertigenden Notars. Die Beifügung von Privatsiegeln stellt nach Ansicht der modernen Literatur eine bislang einzigartige Besonderheit auf deutschem Boden dar. Tatsächlich waren solche Privatbesiegelungen aber auch schon in der Frühen Neuzeit bekannt und wurden zum Teil sogar als notwendiger Urkundsbestandteil betrachtet. Sollte das Instrument als glaubwürdig angesehen werden, mussten die Urkundenersteller alles vermeiden, was den Verdacht von Heimlichkeit, Konspiration und Fälschung in sich trug. Für die Beurkundungsprozedur bedeutete dies, dass die Ersteller zur Niederschrift ein gewisses Maß an Öffentlichkeit herstellen mussten (S. 167 f.). Genaue Vorgaben existierten nicht. In den Urkunden nden sich daher Ausführungen zu erleuchteten Räumen mit geöffneten Fenstern, Beurkundungen im Kirchenchor, vor großen Menschenmengen und so weiter. Ein weiterer Aspekt der Herstellung von Öffentlichkeit und der Verhinderung von Betrug war die Verp ichtung, zwei männliche Urkundszeugen zur Urkundserstellung hinzuzuziehen (S. 168 ff.). Sie sollten eine ordentliche Beurkundung gewährleisten und mussten ausdrücklich auf ihre Aufgabe aufmerksam gemacht werden. Eine zufällige Kenntnisnahme ohne vorherige Zeugenbelehrung genügte ebenso wenig wie die rein körperliche Anwesenheit belehrter Zeugen, die der Beurkundung nicht folgen konnten, weil beispielsweise ihre Sicht versperrt war. Um

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ihre Aufgabe hinreichend erfüllen zu können, verlangte man neben einem guten Leumund normale körperliche Funktionen, ein gewisses Maß an Verständigkeit sowie Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Die Untersuchung förderte verschiedene Problemstände zu Tage, die im Zusammenhang mit den notariellen Urkundszeugen geführt wurden. Sie lassen sich grob in zwei Komplexe unterteilen: zum einen in Fälle, in denen die Zeugen ihre Anwesenheit bei der Beurkundung bestritten (S. 176 f.); zum anderen in Fälle, in denen der Inhalt der Urkunde durch die Aussage der Zeugen in Zweifel gezogen wurde (S. 177 f.). Unentbehrlich zur Konservierung des Beweises war die Protokollierung des Urkundeninhalts (S. 178 ff.). Die Notarprotokolle waren eine dauerhafte, vom Überleben der Urkundsbeteiligten unabhängige Sicherheit. Verstarb der Notar, wurde sein Protokoll archiviert, um die Urkunden nach Bedarf erneut ausfertigen zu können. Der Notar schrieb den zu beurkundenden Inhalt zunächst in sein Protokoll – diese Handlung durfte er (anders als die Urkundserstellung) nicht delegieren. Erst anschließend fertigte er die eigentliche Urkunde auf der Basis des Protokolls aus. Das Protokoll ist damit das der Beurkundungsprozedur am nächsten stehende Schriftstück, weshalb man Streitigkeiten zur Frage, welchem Schriftstück zu glauben sei, wenn Protokoll und Urkunde nicht übereinstimmten, zu Gunsten des Protokolls entschied. Mehr theoretischer Natur erscheint die in der frühneuzeitlichen Literatur diskutierte Möglichkeit, ein verloren gegangenes Protokoll durch Vorlage des ausgefertigten Instruments oder durch Aussagen der Urkundszeugen zu rekonstruieren. In den ausgewerteten Archivalien nden sich zahlreiche Hinweise, dass Auftraggeber Urkunden zunächst nur zu Protokoll gaben und erst bei Bedarf ausfertigen ließen. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur Protokollierung schwand dann auch die Möglichkeit, auf die Zeugen zurückzugreifen. Eine erneute Protokollierung aus dem Gedächtnis des Notars war unzulässig, denn in Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Beurkundung standen, durfte der Notar nicht als Zeuge auftreten. Nach Ansicht der frühneuzeitlichen Literatur war der Notar auf seine Amtsträgereigenschaft reduziert (S. 185 ff.). Das hatte zur Folge, dass dem Notar (dem Amtsträger und nicht der Privatperson) nur durch die Ernennung eine gegenüber Zeugen erhöhte Glaubwürdigkeit zukam, die ebenfalls mit dem Begriff der des umschrieben wurde. Diese Glaubwürdigkeit erzeugte, zusammen mit der ordnungsgemäßen Urkundenform, die Beweiskraft des Instruments. Tatsächlich hat die Auswertung der Akten aber ergeben, dass die Trennung der Glaubwürdigkeit des Amtes und der persönlichen Glaubwürdigkeit des Amtsträgers in der Praxis nicht durchgehalten wurde. Aus diesem Grund nden sich Ausführungen zum persönlichen Hintergrund und dem Ruf des Notars nicht nur im Zusammenhang mit der Verleihung der Notarwürde, sondern auch noch während der Ausübung des Amtes selbst (S. 194 ff.).

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Frühneuzeitliche Berichte sind übervoll von Beschwerden über das Notariatswesen und Berichten zur angeblichen Untauglichkeit der Notare. Die Auswertung der Archivalien zeigt jedoch, dass die Beschwerden unsubstantiiert waren. Bis auf sehr wenige Ausnahmen stellten sich Notare als gebildete, angesehene, durchaus vermögende und ehrenhafte Menschen dar. Auch gab es bis ins späte 18. Jahrhundert keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Notartitel im großen Stil gekauft wurden. Bislang gänzlich unerforscht ist die Figur des „Quasinotars“ (S. 202 ff.). Die Fiktion des „Quasinotars“ unterstellt eine tatsächlich nicht vorhandene Amtsträgereigenschaft des Urkundenerstellers, sofern die Beteiligten diesbezüglich gutgläubig waren, mit der Folge, dass von ihm erstellten Urkunden ein Beweiswert zukam. Die frühneuzeitliche Literatur behandelt dieses Konstrukt als absolute Ausnahme. Dass sie dennoch in Hamburg Anwendung fand, ist ein deutliches Zeichen für die Bedeutung des kaiserlichen Notariats im wirtschaftlichen Bereich zum Schutz des Rechtsverkehrs – zur Schaffung von Rechts- und Verkehrssicherheit. Jeder Notar hatte Informations- und Aufklärungsp ichten gegenüber den Urkundsbeteiligten (S. 206 ff.). Er musste gewährleisten, dass sie die Tragweite ihrer Beurkundung verstanden. Der Notar durfte nur auf Antrag (Requisition) tätig werden. Wurde ihm eine Beurkundung angetragen, so durfte er sie nicht verweigern (S. 213 ff.). Diese Beurkundungsp icht führte zu mancher Zwangslage, weil ihm beispielsweise Repressalien drohten, wenn er „gegen“ den Rat beurkundete (S. 217 ff.). Doch legen Quellenfunde nahe, dass der Rat zum Teil auch dann Notare zur Rechenschaft zog, wenn diese eine für den Rat nachteilige Beurkundung verweigerten. Nur ausnahmsweise, wenn der Notar zur Beurkundung „verbotener Händel“ gebeten wurde, durfte er die Übernahme der Tätigkeit verweigern (S. 226 ff.). Dabei oblag die Einordnung, ob die erbetene Beurkundung zulässig (und damit für den Notar verp ichtend) oder verboten war, dem Notar selbst. Problematisch waren besonders Fälle von Sittenwidrigkeit, bei denen der Notar eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen hatte, ob ein später angerufenes Gericht seiner Einschätzung folgen würde. Bis über das Ende des Alten Reichs hinaus forderten die Hamburger Notare in solchen unsicheren Fällen eine Befreiung von ihrer strikten Haftung. Man gewährte sie ihnen jedoch nicht. Höchst problematisch war für den Notar auch der Vorwurf, ein sogenanntes falsum erstellt zu haben (S. 220 ff.). Ein falsum konnte jedes objektiv unrichtige Schriftstück sein. Bei seiner Herstellung waren also weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis erforderlich. Erstellte der Notar ein unrichtiges Instrument, haftete er verschuldensunabhängig gegenüber den Parteien. Konnte ihm ein vorsätzliches Verhalten nachgewiesen werden, drohte ihm überdies eine peinliche Sanktionierung. Der zweite Teil der Analyse beschäftigte sich mit Angriffsmöglichkeiten auf die des der notariellen Instrumente (S. 228 ff.). Die Auswertung der Akten förderte im Wesentlichen zwei Strategien zu Tage, derer sich die Streitparteien im

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Verfahren bedienten, um die Beweiskraft der notariellen Urkunden anzugreifen: den Nachweis eines Fehlers in der Beurkundung (S. 249 ff.) und den Nachweis eines schlechten Rufes des Notars bzw. eine Rufmordkampagne (S. 251 ff.). Die Beweiskraft der Urkunde war bereits erschüttert, wenn der Notar nicht mehr über einen makellosen Ruf verfügte. Um die Urkunde suspect zu machen, wurden zum Teil große Anstrengungen unternommen. Es konnten regelrechte mediale Hetzjagden und Rufmordkampagnen in den Akten nachgewiesen werden. Der Notar war solchen Verleumdungen recht schutzlos ausgeliefert. Zwar nden sich Hinweise, dass vereinzelte Notare ihren geschädigten Ruf mittels Injurienklagen wieder herzustellen versuchten, und sicherlich war ein stattgebendes Urteil ein starkes Indiz gegen einen schlechten Leumund. Es nden sich aber Quellen, die davon berichten, dass die verleumdeten Notare nicht wieder zu Beurkundungen herangezogen worden seien, weil die Urkundsparteien trotzdem die Gefahr eines fortbestehenden Makels in der Glaubwürdigkeit des Notars fürchteten. Im Verfahren verfolgte man üblicherweise gleichzeitig beide Strategien – Nachweis von Formfehlern und Nachweis eines schlechten Leumunds. Letzterer diente aber, soweit ersichtlich, nur als Versicherung für den Fall, dass ein Nachweis formeller Fehler missglückte. Denn anders als bei Fehlern in den indisponiblen Urkundsbestandteilen verblieb dem Gericht im Falle der Urkundserstellung durch einen unglaubwürdigen Notar ein Ermessensspielraum hinsichtlich der urkundlichen des. In der modernen Literatur wird vielfach auf die Existenz partikularer Regelungen hingewiesen, die den Urkunden kaiserlicher Notare ihre Glaubwürdigkeit versagten. Auch in Hamburg existierten solche Regelungen (S. 234 f.). Die Ermächtigung zum Erlass reichsnotariatsmodi zierender Gesetze sieht die heutige Literatur in § 1 Einl. RNO. Diese Regelung legitimierte aber nur zum Auf- oder Ausbau eines vom Kaiser unabhängigen partikularen Notariatswesens sowie zu Eingriffen in die disponiblen Formvorgaben zur Urkundenerstellung. Eine Aberkennung der urkundlichen des war auf der Grundlage von § 1 Einl. RNO nicht möglich. Dennoch erließen die partikularen Kräfte solche Regelungen. Darin lag aber kein Triumph mächtiger Territorialkräfte über einen schwachen Kaiser, wie man dies zum Teil vermutet hat. Denn die Berufung auf eine über die Ermächtigung des § 1 Einl. RNO hinausgehende Regelung war allenfalls im partikularen Rechtsraum möglich. Dort ignorierte man den Verstoß gegen die kaiserlichen Regalien schlicht (S. 235 ff.). Vor den Reichsgerichten versuchten die Parteien aber (bis auf eine Ausnahme, die man nach dem Hinweis auf die Regalien sofort einstellte) nie, die gegen das Reichsrecht verstoßenden Hamburger Notariatsregelungen beizubringen. Waren weder der Nachweis eines Fehlers in der Urkundserstellung noch der eines schlechten Leumunds möglich, blieb den Parteien nur willkürliches Verhalten und Gewalt. Tatsächlich lassen sich Versuche gewalttätigen Vorgehens gegen Notare und ihre Urkunden in den Akten nachweisen (S. 261 ff.). Die Palette reicht von verhinderten Beurkundungen, weil beispielsweise die Urkundszeugen des Raumes

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verwiesen wurden, über körperliche Gewalt gegen den Notar, um diesen von der Durchführung einer Beurkundung abzubringen, bis hin zur Zerstörung der Urkunden. Zur Abwehr konnten die Notare nur die Reichsgerichte bzw. den Kaiser anrufen. Diese Maßnahmen waren aber insbesondere wegen der beschränkten Durchsetzungsmöglichkeiten im partikularen Raum schwierig und im Übrigen auch verhältnismäßig langwierig (S. 263 ff.). Häu g haben die Notare ihre Urkunden vorbeugend mit zusätzlichen Sicherungen ausgestattet (S. 266 ff.). So setzten sie nicht nur die Formvorgaben der RNO sowie der ars notaria penibel um, sondern gingen häu g darüber hinaus: Anstatt der geforderten zwei Urkundszeugen zog man drei, vier oder fünf hinzu; der Notar und alle sonstigen Beteiligten besiegeln die Urkunde etc. In zahlreichen Instrumenten erfüllten die Urkundenersteller die Formvorgaben anderer Urkundentypen mit, um die notarielle Urkunde im Streitfall in einen anderen Urkundentyp umdeuten zu können.

§ 4 Freiheitswahrung, oder weshalb sich das kaiserliche Notariat in Hamburg etablierte Die Form ist die geschworene Feindin der Willkühr, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält dem Versucher, der Freiheit zur Zügellosigkeit zu verleiten sucht, das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zersplittern, und kräftigt sie dadurch nach innen und schützt sie nach außen. ( Jhering, Geist des römischen Rechts [1858], S. 497)

Mit seiner bildhaften Sprache ist das Zitat Jherings einprägsam wie kaum eine andere Allegorie in der deutschen Rechtswissenschaft. Und obwohl es nun schon 150 Jahre alt ist, erfreut es sich steter Beliebtheit. 927 Dabei wirkt eine durch scheinbar einschränkende Vorschriften erzeugte Freiheit in einer Zeit, in der fast überall auf der Welt die Tendenz zum Abbau von Formvorschriften im Privatrecht geht 928, seltsam fremd. Der Gegensatz zwischen der offensichtlichen Popularität des Zitats und seinem vorgeblich widersprüchlichen Inhalt hat seinen Reiz. Kann eine Form, in unserem Fall die notarielle Urkundenform, tatsächlich für Freiheit bürgen und vor Willkür schützen? Bevor wir unseren Blick in die Vergangenheit richten, sei ein kurzer Blick in das heutige Recht erlaubt. Erstaunlich dünn sind die Befunde, wenn die Literatur nach einem Zusammenhang von Form und Freiheit befragt wird. 929 Zwar nden 927 Gregor Albers, Zwischen Formstrenge und Inhaltsfreiheit – Stipulation und Privatautonomie bei Friedrich Carl Savigny, in: Francisco Javier Andrés Santos [u. a.] (Hrsg.), Vertragstypen in Europa – Historische Entwicklung und Europäische Perspektiven, München 2011, S. 153 ff., S. 159; Rolf Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, Au . 16, Stuttgart 2008, S. 135; Joachim Renzikowski, Faires Verfahren bei rechtswidriger Tatprovokation – Zum Ein uss der MRK auf das deutsche Recht, in: Juristische Fakultät Tübingen (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Rolf Keller, Tübingen 2003, S. 197ff.; Joachim Kahlert, Vertrauen ist das Kapital des Geldes. Überlegungen zur ökonomischen Bildung in der Grundschule, online: http://www.edu.lmu.de/kahlert/vortraege/ rede_200715_vertrau.pdf (abgerufen am 15. 1. 2017), S. 3; Friedhelm Wessel, Freiheitsposen. Eine politisch-philosophische Polemik zum Schiller-Jubiläumsjahr 2005, online: http://www.arjeh.de/vermischtes/Freiheitsposen.pdf (abgerufen am 15.1.2017), S. 6; Das Zitat und sein Weg, s. Peter Oestmann, Die Zwillingsschwester der Freiheit. Die Form im Recht als Problem der Rechtsgeschichte, in: ders. (Hrsg.), Zwischen Formstrenge und Billigkeit – Forschungen zum vormodernen Zivilprozeß, Köln [u. a.] 2009, S. 1ff. 928 Dieter Giesen, BGB allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, Au . 2, Berlin/New York 1995, Rn. 133. 929 So auch vor allem: Oestmann, Zwillingsschwester der Freiheit, S. 6ff.

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sich vielfältige Stellungnahmen zu Sinn und Funktion von Formvorschriften, die Freiheit selbst wird aber höchstens en passant gestreift, wenn die Regelungen beispielsweise dazu dienen, Ungleichheiten und Informationsasymmetrien zwischen den Vertragspartnern auszugleichen. 930 Die Form als Garant für Freiheit scheint zumindest im heutigen Zivilrecht nicht mehr von Bedeutung. Anders ist das hingegen im öffentlichen und im Strafrecht. Hier wird die Form noch recht deutlich als ein maßgeblicher Faktor zur Freiheitssicherung gesehen. 931 So dient sie beispielsweise im öffentlichen Recht dazu, Eingriffsbefugnisse des Staates zu de nieren. Sie bildet den Schild, hinter dem der Bürger, geschützt vor dem übermächtigen Staat, seine garantierten Rechte genießen kann. Was die Verbindung von Form und Freiheit betrifft, so kann heute eine Unterscheidung nach Rechtsgebieten konstatiert werden. Jhering selbst hätte dies abgelehnt. Für ihn war die Verbindung von Form, Freiheit und Recht der Rechtsordnung immanent. Die Gedanken von Freiheit und Form zögen sich, so Jhering, „durch das ganze Recht, das öffentliche wie das Privatrecht“ 932. Die Idee von der Verbindung von Freiheit, Form und Recht war aber auch zu Jherings Zeiten nicht neu. Immanuel Kant hatte die Regellosigkeit und Unordnung als den „Ursprung alle[n] Übels“ 933 bezeichnet. Die „freyheit [müsse] unter der Bedingung der allgemeinen Regelmäßigkeit stehen und eine Verständige freyheit sein, sonst (. . . ) [sei] sie blind oder wild“. 934 Trotz dieser prominenten Aussagen fehlt eine Überprüfung der These von der freiheitswahrenden Funktion der Form im aktuellen Recht wie auch in der Rechtsgeschichte weitgehend. Die rechtshistorische Forschung reibt sich zumeist an der inzwischen zweifelhaften These, das mittelalterliche, insbesondere das spätmittelalterliche Recht sei von einem „großartigen“, ja geradezu „[s]chreiend-[e]xzentrischen“ 935 Formalismus geprägt gewesen, der sich aber spätestens seit der Frühen Neuzeit mit der Rationalisierung des Prozesses, der Einführung der materiellen Wahrheits ndung, überholt habe. 936 Mit dem ausgehenden Mittelalter sei eine zur Formfreiheit drängende Epo930 931 932 933

Palandt/Ellenberger (Au . 72, 2013), § 125 BGB, Rn. 1–6. Dazu Oestmann, Zwillingsschwester der Freiheit, S. 8f. Jhering, Der Geist des römischen Rechts, S. 496. Immanuel Kant, Obligatio in genere, R. 7220, AA XIX, S. 289, dazu auch Beatrix Himmelmann, Kants Begriff des Glücks [Kantstudien: Ergänzungshefte, 142], Berlin 2003, S. 52f. 934 Ebda. 935 Ekkehard Kaufmann, Art. Formstrenge, in: HRG I (1971), Sp. 1163ff., Sp. 1167. Dazu auch Oestmann, Zwillingsschwester der Freiheit, S. 12. 936 Zur Formstrenge im Mittelalter und dem zunehmend rationaler werdenden Prozess: 2 Peter Oestmann, Art. Formstrenge, in: HRG I (2008), Sp. 1626ff., Sp. 1628; s. auch Barbara Stollberg-Rillinger, Die Würde des Gerichts – Spielten symbolische Formen an den Höchsten Reichsgerichten eine Rolle?, in: Peter Oestmann (Hrsg.), Zwischen Formstrenge und Billigkeit – Forschungen zum vormodernen Zivilprozeß, Köln [u. a.]

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che angebrochen. Zwar habe man die alten Förmlichkeiten prinzipiell beibehalten, die Einhaltung der Formvorschriften sei aber wegen des verschriftlichten Verfahrens erheblich erleichtert gewesen. 937 Auf Formalien habe man insbesondere dann gesetzt, wenn man versuchte, „das unbekannte Fremde beherrschbar zu machen“, wie beispielsweise beim Judeneid, oder auch um bei der Rechts ndung sichere und überprüfbare Entscheidungsgrundlagen zu haben und Zweifel an der Tauglichkeit der Rechtsprechung auszuräumen. 938 Die Form diente in diesen Fällen also dazu, Rationalitätsmängel und fehlende Professionalität des Richterstandes auszugleichen. Wenn die Form aber tatsächlich zur Stabilisierung in der Praxis notwendig war, dann müsste mit zunehmender Rationalisierung des Rechts und Professionalisierung der Rechtsprechung ein deutlicher Rückgang von Förmlichkeiten festzustellen sein. Gegen diesen Umkehrschluss äußert Oestmann aber völlig zu Recht Bedenken. 939 Er weist darauf hin, dass „aus Reichskammergerichtsprozessen des 18. Jahrhunderts Hinweise bekannt [seien], wonach der Urkundenbeweis vor dem Reichskammergericht strengeren Anforderungen unterlag als in zahlreichen Partikularrechten“. 940 Ob diese Hinweise zutreffen und inwieweit die beobachteten Förmlichkeiten eine freiheitliche Wirkung hatten oder ob sie überhaupt in einer Verbindung zur Freiheit standen, wurde allerdings noch nicht untersucht. Oestmann belegt seine Beobachtung mit einer Reichskammergerichtsakte, die er in einer Fußnote beschreibt. Ohne näher zu differenzieren, spricht er vom „Urkundenbeweis“ vor dem Reichskammergericht. Genauer gesagt handelt es sich aber bei der von ihm angesprochenen streitigen Urkunde 941 um ein notarielles Appellationsinstrument. Dass Oestmann sich gerade im Hinblick auf den notariellen Urkundsbeweis an der aufgeworfenen These zum Zusammenhang von steigender Rationalisierung, Professionalisierung und dem vermeintlichen Rückgang von Form stößt, ist nicht verwunderlich. Notarielle Schriftstücke beziehen ihre Wirkung maßgeblich aus ihrer formgerechten Erstellung – Formstrenge ist somit unumgänglich. Damit ist zwar zumindest eine Ausnahme von dem sonst zu Recht konstatierten allgemeinen Rückgang

937 938 939 940 941

2009, S. 191ff., S. 191; Gunter Deppenkemper, Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis. Eine dogmengeschichtliche Studie zu Freiheit, Grenzen und revisionsgeschichtlicher Überzeugungsbildung (§ 261 StPO, § 286 ZPO) [Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 12], Göttingen 2004, S. 163ff.; Wilhelm Ebel, Recht und Form, in: Recht und Staat, Heft 449 (1975), S. 10ff.; zur Darstellung des Forschungsstandes: Oestmann, Zwillingsschwester der Freiheit, S. 11ff. Oestmann, Zwillingsschwester der Freiheit, S. 48. Ebda., S. 49. Ebda., S. 51. Ebda. Zitiert nach Oestmann, Zwillingsschwester der Freiheit, S. 51: Bundesarchiv Koblenz AR 1-I/184, Bogen 6c; Stadtarchiv Lübeck RKG S 118, Q 12, fol. 72 r.

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von Formerfordernissen im Prozess formuliert. Die Frage nach der Wechselwirkung von Form, Freiheit und Willkür lässt sich damit aber noch nicht beantworten. Bestand diese Korrelation, wie sie von Jhering angenommen wurde, überhaupt? Und wenn dem so war, war diese Verbindung ausschlaggebend für die Inanspruchnahme kaiserlicher Notare in Hamburg? Im folgenden Kapitel soll diesen Fragen nachgegangen werden. Damit ist die grobe Leitlinie der sich anschließenden Untersuchung vorgezeichnet. Denn eine freiheitliche Wirkung der notariellen Urkundenform lässt sich nur dann nachweisen, wenn mit Hilfe notarieller Urkunden Unfreiheit in Freiheit gewandelt werden kann. Zunächst bedarf es also einer rechtlich zugesicherten Freiheit, die im Jhering'schen Sinne willkürlich beschnitten wird. Zwar kennt das frühneuzeitliche Recht keinen Begriff der Freiheit im heutigen Sinne. Der Begriff wird hier dennoch herangezogen, um selbstbestimmte Rechtshandlungen zu umschreiben. Exemplarisch für solches Handeln wird hier das Recht der freien Vergabung herangezogen, also das Recht, zumindest Teile der eigenen Habe an selbstgewählte (zumeist ungesippte) Dritte zu vergeben, also das, was moderne Juristen unter das Schlagwort der Testierfreiheit subsumieren. Nachdem ein Einblick in diese Freiheit des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hamburger Stadtrechts gegeben wurde, geht die Arbeit dann der Frage nach, ob sich willkürliche Eingriffe in diese Freiheit nachweisen lassen. Zu guter Letzt wird gezeigt, dass man sich der „geschworenen Feindin der Willkür“, der (notariellen Schrift-)Form, bediente, um die Freiheit zu schützen. Wie sich ein mögliches Zusammentreffen von Urkundenform, Freiheit und Willkür im frühneuzeitlichen Hamburg darstellen konnte, sollen zwei aus Hamburger Testamenten entnommene exemplarische Fälle verdeutlichen, die der Untersuchung vorangestellt sind: Als Harmen und Adelheida Gortzen am 12.4. 1594 ein Testament aufstellten, taten sie dies in der üblichen Form vor zwei dazu abgeordneten Ratsherren. 942 Warum sie diese Form wählten, erklärten sie nicht, wohl aber, dass sie daneben „[i]n der allerbesten form der Rechten“ eine weitere letztwillige Verfügung durch einen Notar aufstellen ließen. 943 Als Beweggrund führten sie an, dass sie bei der Aufstellung „vom weissem Radts auch unbedwungen vonn Jemandt“ sein wollten. Anscheinend 942 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1594 IV 12 (Testament der Gortzen, Harmen und Ehefrau Adelheida vom 12. 4. 1594 [MF: S 9263 D, 429]). 943 Die Praxis, neben Ratstestamenten notarielle Urkunden aufzustellen, lässt sich auch in anderen Quellen nachweisen, z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 V 10 (Testament der Mühlen, von der alten, Guiles und Ehefrau Marien vom 10.5.1614 [MF: S 9263 D, 894]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 III 22 (Testament der Olfenius, Johannes, Schulmeister zu St. Petri, und Ehefrau Elisabeth vom 22.3.1614 [MF: S 9263 D, 892]), oder auch in StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1609 V 29 (Testament des Bostelmann, Jürgen vom 29.5.1609 [MF: S 9263 D, 751]), worin ein notarieller Ehezärter durch ein Ratsherrentestament ergänzt wird.

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hatte der Hamburger Rat Harmen und Adelheida bei der Testamentserstellung also zu nötigen versucht, worauf sie, um sich des Zwanges zu entziehen, einen Notar zu Hilfe zogen. Nun hat sich das notarielle Testament nicht erhalten, sodass sich keine direkten Vergleiche zwischen der „unbedwungen[en]“ notariellen und der Ratsherrenurkunde ziehen lassen. Erhalten haben sich aber andere letztwillige Verfügungen, in welchen sich die Ausübung von Zwang durch den Hamburger Rat ganz deutlich nachvollziehen lässt. Exemplarisch für solche Ein ussnahmen soll hier das Testament des Dr. Michael Rheder vom 2.7.1581 stehen. Michael Rheder hatte es zu einigem Ansehen und Reichtum gebracht. Als er starb, hinterließ er ein privatschriftliches, vom Rat beglaubigtes Testament. 944 Darin wurden unter anderem die zwölf ältesten Bewohner im hamburgischen Armenhaus bedacht. Jährlich sollten sie Stoffe für Kleider im Gegenwert von insgesamt 70 lübischen Schillingen erhalten. Auch für den Fall, dass die Stoffpreise steigen würden, hatte Michael vorgesorgt: Falls „einen jedern Armen in hilligen Gesten[945] (. . . ) dat Jahr kein Wand Reicht“ 946, falls also der gekaufte Stoff zu 70 lübischen Schillingen nicht ausreichen würde, um den zwölf Armen ein Gewand schneidern zu lassen, solle man jedem „Einen dobbelden schilling Lüb gewen und uhtdelen“. 947 Die Vorahnung steigender Stoffpreise, die Michael vermutlich zu jener Festlegung veranlasste, sollte sich als richtig erweisen, „[w]eile das Stendelische Brandeb:tuch von Jahren Zu Jahren gesteigert und theuer geworden, so gar daß dieser Zeit nach ein Lacken, so vorhin um 9 oder 10 schilling gekaufft worden, nunmehro umb 24 schilling“ 948 bezahlt werden musste. Als dem Hamburger Rat diese Teuerung aufel, geschah etwas Erstaunliches. Obwohl Michael eine mögliche Teuerung im Testament berücksichtigt hatte, wurde es nachträglich ergänzt, weil sich der testamentarische Zweck – die Anschaffung der Kleider – nicht mehr aus den vorgesehenen Geldern bezahlen ließ. Stattdes944 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]). 945 Das Armenhaus zum Heiligen Geist (auch Heiligen-Geist-Hospital genannt) ist die älteste Stiftung Hamburgs. Sie befand sich auf dem Gebiet des heutigen Heiligengeistfeldes (St. Pauli). Zur Geschichte der Armenfürsorge in Hamburg, besonders des Heiligen-Geist-Hospitals: Frank Hatje, „Gott zu Ehren, der Armut zum Besten“: Hospital zum Heiligen Geist und Marien-Magdalenen-Kloster in der Geschichte Hamburgs vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Hamburg 2002; Herwarth von Schade, Zur Eintracht und Wohlfahrt dieser guten Stadt, Hamburg 2003, S. 29ff.; Matthias Gretzschel, Bürgersinn und Nächstenliebe, Hamburg 2002, S. 9 ff. 946 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]). 947 Ebda. 948 Ebda.

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sen erhöhte man die 70 lübischen Schillinge „mit 24 [m] Zinsen Jährlich“. 949 Dieses Geld entstammte einer Rente, die durch eine Eintragung in das Stadtrentebuch auf den Pastor zum Heiligen Geist übertragen wurde. Außerdem veranlasste man Michaels Tochter, neben der „obenstehende[n] 24 [m] Rente (. . . ) [zusätzlich] 400 [m] Capital zu Vermehrung und Verbesserung Ihres Sehl. Vatters H. Michel Rehders (. . . ) dem Hospithal Zum Heijl: Geiste zu[zu]schreiben“. 950 Damit erhöhten sich die jährlich zu zahlenden Beträge von 70 auf 454 Schilling 951; hinzu kam eine Einmalzahlung von 6400 Schillingen – eine beachtliche Geldsumme 952, die nicht oder zumindest nicht nur aus „Wolthätigkeit an die Liebe Armuth“ 953 oder zur Mehrung des „Zeitlichen und Ewigen Seegen[s]“ 954 für Rheders „gantze[s] geschlecht“ 955 freiwillig geleistet wurde, sondern weil ein Syndikus 956 dies angeordnet hatte („Sindicij dissposition“ 957).

949 Ebda. 950 Ebda. 951 Es wird der im 16. Jahrhundert durchschnittliche Wechselkurs von 1 lübischen Mark = 16 lübischen Schillingen zugrunde gelegt. S. Friedrich Niemann, Vollständiges Handbuch der Münzen, Maße und Gewichte aller Länder der Erde, Quedlinburg/Leipzig 1830, S. 176. 952 Zum Vergleich: 1603 (11. Rezess § 22, s. Johan Gustav Gallois, Hamburgische Chronik, Bd. 2: Von der Reformation bis zum ersten Beginn der bürgerlichen Unruhen im Jahr 1618, Hamburg 1862, S. 1239), also nur 20 Jahre später, wurde für Ratsherren eine feste Besoldung beschlossen, durch die auch alle in Verbindung mit dem Amt getätigten Zahlungen als abgegolten galten. Zuvor hatten die Ratsherren Geld für of zielle Gelage, Gesandtengeschenke etc. zunächst vorgestreckt. Anschließend konnten sie ihre Auslagen bei der Kämmerei rückfordern. Eine Bezahlung ihrer politischen Tätigkeit war nicht vorgesehen. Häu g brachte diese Praxis den Ratsherren den Vorwurf der Untreue ein. Um diesem Vorwurf zu entgehen und die Attraktivität der Übernahme eines Ratsherrenpostens zu steigern und nicht zuletzt, um die städtischen Ausgaben transparenter zu gestalten, beschloss man einen festen Jahressold. Dieser belief sich auf maximal 1200 Mark lüb. Die Nachzahlungen, die im Rahmen der testamentarischen Vergabung getätigt wurden, belaufen sich danach also auf ca. ein Drittel des durchschnittlichen Jahresgehaltes eines Ratsherrn. 953 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]). 954 Ebda. 955 Ebda. 956 Michael Rheder war zum Zeitpunkt dieser Niederschrift bereits tot (28.10.1558), es ist also ausgeschlossen, dass die Bestimmung auf ihn zurückgeht, s. Eröffnungsvermerk. 957 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]).

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Die Syndizi im frühneuzeitlichen Hamburg waren studierte Juristen, die dem Rat beratend zur Seite standen oder ihn in auswärtigen Angelegenheiten vertraten. 958 Als Angestellte des Rates waren sie in der Hierarchie zwischen Bürgermeistern und Ratsherren anzusiedeln, ihnen zur Seite standen die Bediensteten der städtischen Kanzlei – Sekretäre und Protonotare. Wie auch diese waren die Syndizi weisungsgebunden, weshalb der Befehl des Syndikus als Diktat des Rates zu werten ist. Systematisch scheint der Hamburger Rat den letzten Willen des Erblassers ignoriert zu haben. Sowohl bezüglich der übertragenen Rente als auch hinsichtlich der Einmalzahlung hatte der Befehl des Rates 959 das rechtlich zugesicherte 960 Verfügungsrecht 961 torpediert. Solche Maßnahmen lassen sich verstärkt im ausgehenden 16. Jahrhundert nachweisen 962, zu einer Zeit, in der die Verwendung notarieller Instrumente und die Anzahl der in Hamburg nachweisbaren kaiserlichen Notare sprunghaft anstiegen. Das Ergebnis der folgenden Betrachtung sei hier bereits vorweggenommen, dass man auf notarielle Urkunden zurückgriff, weil ihre Erstellung im Gegensatz zum althergebrachten städtischen Beurkundungsverfahren frei von ratsherrlicher Einussnahme war und wegen der auf der Basis kaiserlicher Regalien verbindlich im Reichsrecht vorgeschriebenen Beweiskraft eben jene Sicherheiten boten, die die Be-

958 Martin Ewald, Der hamburgische Senatssyndicus. Eine verwaltungsgeschichtliche Studie [Abhandlungen aus dem Seminar für öffentliches Recht der Universität Hamburg, Bd. 43], Hamburg 1954, S. 27 ff.; Otto Brunner, Souveränitätsproblem und Sozialstruktur in den deutschen Reichsstädten der frühen Neuzeit, in: VSWG 50 (1963), S. 329ff., S. 349. 959 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]). 960 Zur Hamburgischen Testierfreiheit S. 286 ff. 961 Der Begriff Vergabung, wie er von Georg Beseler de niert wurde (Die Lehre von den Erbverträgen [Bd. 1: Die Vergabung von Todes wegen nach dem älteren deutschen Rechte], Göttingen 1835, S. 4 ff.), und die Verfügung (Adrian Schmidt-Recla, Kalte oder warme Hand? Verfügungen von Todes wegen in mittelalterlichen Referenzrechtsquellen [Forschungen zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 29], Köln [u. a.] 2011, S. 88ff.) werden hier synonym verwendet. 962 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22. 6. 1588 [MF: S 9262 D, 292]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1589 IX 5 (Testament der Collen, von, Zacharias und Ehefrau Hilleke vom 5.9.1589 [MF: S 9263 D, 317]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3.9.1580 [MF: S 9263 D, 147]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 11. 6. 1586 [MF: S 9263 D, 255]).

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völkerung sonst nur durch Ratsherrenurkunden 963 erlangen konnte. Um sich der Zwänge durch willkürliche Übergriffe der ratsherrlichen Exekutive zu erwehren, wählte man eine Beurkundungsform, die die beweisrechtlichen Sicherheiten einer Ratsherrenurkunde geben konnte, die Urkundsparteien aber nicht dem Zwangsbzw. Ein ussnahmerisiko der partikularen Kräfte aussetzte. Man griff auf kaiserliche Notare zurück, weil ihre Urkunden eine emanzipatorisch-freiheitliche Funktion erfüllten. Diese Motivation dürfte auch dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass sich das kaiserliche Notariat und der notarielle Urkundenbeweis in Hamburg und wohl auch in anderen Teilen des Reichs ausbreiteten, obwohl wegen des bereits etablierten Schreiberwesens dafür eigentlich keine Notwendigkeit bestand.

I. Ein ussnahme und Zwang Ein jglicher nach seinem wilkör / nicht mit vnwillen oder aus zwang / Denn einen frölichen Geber hat Gott lieb. (2. Korinther 9,7 964)

Thomas Kophusen hatte sich immer um soziale Belange gekümmert. 965 Noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts spendete er regelmäßig für die Armen in Hamburg. Nun aber hatte er sich verspekuliert und schuldete seinem Geschäftspartner eine beträchtliche Menge Geld. Thomas war Händler, er hatte seinen guten Ruf zu verlieren und musste daher dringend seine Schulden begleichen. Vermutlich aus diesem Grund gingen seine Spenden zurück. Das aber scheint dem Hamburger Rat nicht gefallen zu haben. Als Thomas wieder einmal in der ratsherrlichen Schreiberei vorsprach, um die Eintragung eines Geschäftes in das Schuldbuch zu erwirken, befahl ihm der Rat, Gelder zu Gunsten der Fürsorge zu übergeben. Empört über dieses Vorgehen, beklagte sich Thomas später in der Weinbudenschreiberei, er erkenne zwar Machtsprüche des Hamburger Rates grundsätzlich an, der Apostel sage aber ganz eindeutig, dass Kollekten freiwillig zu vergeben seien. Mit dieser Anmerkung bezog er sich wohl auf 2 Kor 9,7. 966 Zwang und Ein ussnahme auf den Inhalt von Verfügungen waren keinesfalls singuläre Erscheinungen im Alten Reich. Sie scheinen vielmehr ein drängendes Thema und eines der großen gesellschaftlichen Probleme im späten Mittelalter und in der 963 Urkunden, bei welchen Ratsherren als Urkundszeugen zugezogen wurden. Ebenfalls voll beweistauglich sind vom Rat beglaubigte privatschriftliche Urkunden. 964 Lutherbibel, ed. 1545. 965 Der Fall ist einem kopierten Schriftstück der Weinbudenschreiberei entnommen, s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B I a 4 Conv. 2 (o. D.). 966 S. Vorspruch zu diesem Kapitel.

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Frühen Neuzeit gewesen zu sein. 967 Die Überlieferungen dazu sind zahlreich und im gesamten deutschsprachigen Raum zu nden. So berichten uns schon Quellen aus dem mittelalterlichen Straßburg von solchen Streitigkeiten vor dem dortigen Stadtrat. Häu g sei es zu Klagen gekommen, weil Angehörige auf Grund von Einussnahmen – der Kirche – ihre Familie faktisch enterbten und mittellos machten. In der Stunde des Todes seien die Testatoren besonders empfänglich für die Sorge um das eigene Seelenheil gewesen. Der Klerus stärkte diese Angst, sodass sich die Sterbenden in einer faktischen Zwangslage wiederfanden, aus der sie sich durch Gaben zu Gunsten der Kirche zu befreien versuchten. „[D]a waren die barvuzen und die bredier in „Es hat sich eingebürgert, dass Barfüßer und ein gewonheit komen, daz so wollten erben Prediger vom Kloster in der Welt erben woluzzer dien kloestern in die welt. und swa ein len. Wenn ein reicher Mann oder eine reiricher man oder ein richú vrowe an ir tode la- che Frau im Sterben lag, eilten sie vor Ort gen, da liefen si hin und uberretten den, daz des Geschehens und überredeten den Toder in gab allis sin gut, und wurden denne also geweihten, ihnen alles zu vermachen, was er alle sin erben enterbet und verderbet. die ka- besaß. Auf diese Weise wurden seine Erben men danne fúr und schriende und klagende entrechtet und enterbt. Schreiend und klavon in, daz sie interbet werden. der chlage gend wandten sich die Enterbten darauf an kam mangú fúr uns.“ 968 uns [den Stadtrat]. Solche Klagen trug man uns häu g vor.“

Auch in Köln scheinen die Vererbungen an den Klerus solche Ausmaße angenommen zu haben, dass sich der dortige Rat zum Einschreiten veranlasst sah. 969 Zunächst drohte er damit, sämtliche vermachten Besitzungen einzuziehen und zu Gunsten der städtischen Kasse zu veräußern. Obwohl daraufhin zahlreiche Testamente zurückgezogen wurden, verbot der Rat derartige Vergabungen ausdrücklich. Er enteignete bereits vererbte Liegenschaften und Fahrnisse, veräußerte sie und verwies die Franziskaner sowie weitere Bettelorden der Stadt. 970 967 Wie bedeutsam die Beein ussungsthematik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit gewesen sein muss, lässt sich (neben den zahlreichen Belegen in Stadtbüchern und Chroniken) recht deutlich an der damals sehr populären Narrenliteratur ablesen, in der das Thema häu g aufgegriffen wurde. Exemplarisch: Sebastian Brant, Daß Narrenschyff ad Narragoniam, Basel 1499, fol. 127 v; N. N., Ein kurtzweilig lesen von Dyl Ulenspiegel: gebore uß dem land zu Brunßwick, wie er sein Leben vollbracht hatt, XCVI seiner Geschichten, 92. Historie, ed. Schroeder; Erasmus von Rotterdam: Gespräche, ed. und übers. Trog, Basel 1936, S. 138. 968 Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. 2: Politische Urkunden von 1266 bis 1332, Nr. 120, ed. Wiegand, Straßburg 1886, S. 78 f.; dazu Gabriela Signori, Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der Städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, Göttingen 2001, S. 6 (die hiesige Übersetzung hält sich weitestgehend an die Gabriela Signoris). 969 Günter Aders, Das Testamentsrecht der Stadt Köln im Mittelalter, Köln 1932, S. 53ff. 970 Ebda.

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Vordergründig sollten die Sippen vor drohenden Benachteiligungen geschützt werden. Ob es den Kölner Familien aber tatsächlich half, wenn die städtische Kämmerei erbte, darf bezweifelt werden. Zumindest kann man dem Rat aber zugutehalten, dass es wenigstens das Wohl der Allgemeinheit förderte und wohl auch die Kirche davon abhielt, offensiv am Sterbebett um Vergabungen zu werben. Sowohl in Straßburg als auch in Köln (zumindest, bis man die Orden aus der Stadt entfernte) hatte der städtische Rat Anstrengungen unternommen, die Kirche zu einem Verzicht auf familienbenachteiligende Erbschaften zu bewegen. 971 Half dies nichts, verbot man die letztwilligen Verfügungen zu ihren Gunsten kurzerhand im Stadtrecht. Die Wirkung solcher Maßnahmen war meist von kurzer Dauer. Zum einen dürften die Geistlichen wenig Gefallen daran gefunden haben. Zum anderen wussten die Testatoren, die ihr Seelenheil im Blick hatten, ratsherrliche Verbote zu umgehen. Sowohl in Hamburg als auch in Köln bedienten sich die Testatoren des kaiserlichen Notariats, um die gewünschten testamentarischen Vergabungen von der städtischen Obrigkeit und ihren (Verbots-)Regeln ungehindert tätigen zu können. Mit der Übernahme der gemeinrechtlichen Testamentsform scheint – ganz im Sinne der These Georg Beselers 972 – zumindest in Köln auch die römisch-rechtliche Testierfreiheit im Stadtrecht Eingang gefunden zu haben. Offenbar betraf das Verbot der Vergabung an die Kirche nur die städtischen, nicht jedoch die notariellen Verfügungen. Auch wenn Günter Aders der höchst interessanten Umgehung der ratsherrlichen Gewalt durch Instrumente kaiserlicher Notare in seiner Abhandlung zum Kölner Testamentsrecht nur einen einzigen Satz widmet 973, so bleibt doch anzunehmen, dass sich das kaiserliche Notariat nicht nur in Hamburg, sondern auch in Köln ebenso wie im übrigen Reich als ein überaus wirksamer Mechanismus der Umgehung obrigkeitlicher Einmischung etabliert haben dürfte.

971 Ein weiterer Grund für die Verbote ist wohl darin zu sehen, dass durch die Vererbung von Grundstücken dem städtischen Finanzsystem eine erhebliche Einnahmequelle wegbrach, denn kirchliche Besitzungen waren von Steuern und Abgaben befreit. 972 Georg Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen, Theil 1, Göttingen 1835, S. 250. Die Theorie allgemein verneinend: Carl Wilhelm Pauli, Abhandlungen aus dem Lübischen Rechte, Teil 3, Lübeck 1841, S. 174; Otto Loening, Das Testament im Gebiet des Magdeburger Stadtrechts, Breslau 1906, S. 110; Walter Hesse, Ein uß des wirtschaftlichen Fortschritts auf die Entstehung und Entwicklung der Testierfreiheit, Bonn 1980, S. 90. 973 Aders, Testamentsrecht der Stadt Köln, S. 58.

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1. Das Recht der freien Vergabung im Hamburger Stadtrecht Obrigkeitliche Willkür, Ein ussnahmen und Zwang lassen sich in verschiedenen Bereichen des frühneuzeitlichen Lebens in Hamburg nachweisen, nirgends jedoch so häu g und derart anschaulich wie im Bereich der Testamente. Über 1100 Einzeldokumente haben sich allein in den Beständen des Hamburger Senats bis heute erhalten. 974 Sie reichen bis ins Jahr 1314 zurück und sind ohne längere Unterbrechungen bis über das Ende des Alten Reiches hinaus erhalten. Schon allein auf Grund dieser Kontinuität eignen sie sich vortrefflich, um den gesellschaftlichen Wandel, geistesgeschichtliche Strömungen, aber auch Veränderungen in der Testamentserstellungspraxis sowie die Etablierung des Notariats sichtbar zu machen und nachzuvollziehen. Ein weiterer Grund für die Untersuchung der Hamburger Testamente ist der Tatsache geschuldet, dass ein Großteil der Regelungen in der RNO der Erstellung notarieller Testamente gewidmet war: Neben den allgemeinen Vorschriften über die Abfassung notarieller Urkunden sowie den persönlichen Voraussetzungen der Notaranwärter gilt der weitaus größte Abschnitt mit zwölf der insgesamt 46 Normen notariellen Testamenten. Die RNO hatte nicht zur Aufgabe, neues Recht zu schaffen. Sie sollte lediglich „Gebrechen, Mängel(..) und Irrungen“ 975, die sich bei der Abfassung der Instrumente ergeben konnten, unterbinden. 976 Solche „Fehler“, insbesondere in Form von ab-

974 S. Beständeverzeichnis des Hamburger Staatsarchivs zu StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. 975 Vorwort RNO (ed. Grziwotz, S. 4). 976 Besonders deutlich wird dies im Vergleich der notariellen Urkunden vor 1512. Größtenteils werden die allgemein anerkannten formellen Vorgaben der ars notaria bei der Gestaltung eingehalten. Ausnahmen bilden diejenigen Vorgaben, bei welchen auch innerhalb der Vertreter der Notariatskunst Uneinigkeit bestand, z. B. die Nennung der Indiction oder auch die Möglichkeit abgekürzter Formalia oder die Errichtung eines Instruments bei Dunkelheit. Für gewöhnlich verwendeten Notare ein Formular, dessen Gestalt von mehreren Vertretern der ars notaria für ausreichend erachtet wurde. Mit der Möglichkeit, sich im Streitfall auf namhafte Gelehrte berufen zu können, versuchten sie augenscheinlich, Angriffe auf ihre Urkunden wegen Formmangels abzuwehren bzw. solche Argumentationen im Vorfeld bereits zu entkräften. Erst die RNO legte einen verbindlichen Kanon von Formvorschriften fest und machte die Urkunden überprüfbar, so auch Oesterley, Deutsches Notariat I, S. 501; Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 46. Nach 1512 nden sich (bis auf wenige Ausnahmen) nur solche Urkunden in den Hamburger Beständen, die entweder den Vorgaben der RNO gemäß erstellt wurden oder in ihrer formellen Gestaltung über die Vorgaben der RNO hinausgingen.

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sichtlichen Betrügereien, aber eben auch Ein ussnahmen und Zwang, waren im Bereich des Erbrechts besonders verhängnisvoll, weil sie sich im Nachhinein nur schwer wieder korrigieren ließen. 977 Brachen Streitigkeiten aus, war der Erblasser meist tot, und außer dem Testament und den widerstreitenden Aussagen der Erben bzw. derjenigen, die sich im Kreise der Erben wähnten, war häu g wenig vorhanden, um den Willen des Erblassers zu rekonstruieren. Wenn Ein ussnahmen und Zwänge nicht – wie in den einleitenden Fällen – ausdrücklich im Testament festgehalten wurden, war ein Nachweis kaum zu führen.

a. . . . vrygh, seker unde ungehynderth . . . Das Erbrecht mit seinen detaillierten Regelungen im Hamburger Statutarrecht sowie den verhältnismäßig ausführlichen Normierungen diplomatischer Gesichtspunkte im Reichsrecht eignet sich in herausragender Weise, eine Freiheit – das Recht der freien Vergabung – aufzuzeigen, die durch strikte Formvorschriften – die notarielle Testamentsform – gegen (ratsherrliche) Willkür geschützt wurde. Zunächst soll also die Möglichkeit der freien Vergabung durch mündige, männliche 978 Erblasser nach dem Hamburger Stadtrecht in den Blick genommen werden. Im Vordergrund steht das Erbrecht des 16. Jahrhunderts, denn die zum Zusammenhang von Form und Freiheit aufschlussreichsten Quellen datieren ebenfalls in diese Zeit. Bezugnahmen auf frühere sowie spätere Stadtrechte dienen nur dazu, Entwicklungslinien kenntlich zu machen.

977 Ausnahmsweise konnten die Erben auch schon vor dem Tod des Erblassers vom Inhalt des Testaments Kenntnis erlangen und ggf. gegen missliebige Verfügungen vorgehen, wenn die Testamente in offener Audienz auf dem Rathaus aufgestellt oder beglaubigt wurden. Gerade diese fehlende Geheimhaltung habe, nach Gries und Klefeker, dazu geführt, dass die Hamburger Testatoren die Möglichkeit, auf dem Rathaus zu testieren, immer weniger in Anspruch genommen hätten, s. Gries II, S. 128; Johann Klefeker, Sammlung der Hamburgischen Gesetze und Verfassungen (. . . ), Vierter Theil, Hamburg 1767, S. 329. 978 Auf das Erbrecht der Frau wird hier nicht weiter eingegangen, denn es unterlag zahlreichen Einschränkungen und Ausnahmen, deren Darstellung den Rahmen der Arbeit weit übersteigen würde und überdies zur Überprüfung der These – Freiheit durch Form – wenig Mehrwert verspricht. Zu den Handlungsmöglichkeiten weiblicher Erblasser s. Roswitha Rogge, Zwischen Moral und Handelsgeist. Weibliche Handlungsräume und Geschlechterbeziehungen im Spiegel des Hamburgischen Stadtrechts vom 13. bis zum 16. Jahrhundert [Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte: ius commune, Bd. 109], Frankfurt 1998, S. 104 ff.

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Ein freies Verfügungsrecht im Sinne einer echten Testierfreiheit, wie sie das römische Recht 979 kannte, war im frühneuzeitlichen Hamburg unbekannt. Es dominierte das „natürliche“ Erbrecht mit dem germanischen Prinzip der Hausgewalt. 980 „De vader ofte de moder eruet uppe dat kind, „Vater oder Mutter vererben auf das Kind, unde dat kind eruet wedder uppe sinen va- und das Kind vererbt wieder auf den Vater der ofte sine moder. (. . . ) Unde so we ne- oder die Mutter. (. . . ) Und so wer am nächsgest is geboren de is negest dat erue uptone- ten geboren ist, der ist der nächste Erbe.“ mende.“ 981

Daneben bestand aber mindestens schon seit 1270 982 die Möglichkeit, über bestimmte Güter frei zu verfügen. In der Vorrede zum Abschnitt K „Van ghiften by leuende edder na dode“ – Von Vermachungen zu Lebzeiten oder auf den Todesfall – der Langenbeck'schen Glosse zum Stadtrecht von 1497 liest man zu frei verfügbaren Erbteilen 983: „Hyr negest ysz tho wetende, wat macht elck „Hier soll mitgeteilt werden, welche Macht hebbe by leuende edder na dode syne ghu- ein jeder hat, zu Lebzeiten oder auf den Toder tho geuende unde tho veranderende (. . . ) desfall seine Güter zu vergaben und zu verso mach me seker seggen, dat alle mundy- fügen (. . . ) so kann man sicher sagen, dass ghe lude nene kynder hebbende mogen by le- alle mündigen Leute, die keine Kinder hauende in erer wolmacht, edder an erem testa- ben, zu ihren Lebzeiten aus ihrem Vermögen, mente behorlyker wysz ghemaket, van erem oder in ihrem in gebührender Form gemachwolgewunnen ghude schicken unde ordine- ten Testament, von ihrem selbst verdienten ren wo yd en gheleuet, dewyle den negesten Gut verschenken und vermachen können, erue unde egen vorgunnet wert umme syne wie es ihnen beliebt, wobei bei Erbe und Eiwerde vor enem fromden.“ 984 gen [Immobilien] den Nächsten [erbberechtigten Verwandten] ermöglicht wird, es zu seinem Wert vor einem Fremden [mit Vorkaufsrecht] zu erwerben.“

979 Ann-Marie Cathérine Kaulbach, Gestaltungsfreiheit im Erbrecht – P ichtteilsrecht und Testiervertrag auf dem Prüfstand, Frankfurt a. M. 2012, S. 23ff. 980 Karl Haff, Das Familiengut im Niederdeutschen und Nordischen Recht, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 41 (1951) [Festschrift zum siebzigsten Geburtstag Professor Dr. Heinrich Reinckes am 21. April 1951], S. 48ff., S. 51. 981 StR 1270, C XII. Das Hamburger Ordeelbook von 1270 samt Schiffrecht – nach der Handschrift von Fredericus Varendorp von 1493, ed. Eichler, Hamburg 2005, S. 135 (Übersetzung Eichler). 982 StR 1270 VI, 2. 983 S. dazu Trummer, Erbrecht II, S. 181 ff. Entsprechende Regelungen nden sich auch im Rezess von 1483, s. Langenbeck'sche Glosse nach Stück J, (Eichler, S. 316). 984 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K, Vorrede, Codex A 6 (Text und Übersetzung Eichler, S. 318f.).

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Das Stadtrecht trennte also strikt zwischen Stammesvermögen und Errungenschaftsgut. Stamm- oder Erbgüter, also solche Gegenstände, die aus Mitteln einer früheren Erbschaft bestritten wurden, sowie Immobilien blieben an den Stamm, d. h. an die Familie, gebunden und waren grundsätzlich nur an sie zu vererben. 985 Errungenschaftsgüter, das heißt, eigenständig erwirtschaftete Güter, waren frei verfügbar, sofern keine erbberechtigten Verwandten, insbesondere eheliche Kinder, vorhanden waren. Vergabungsfreiheit galt (wenn auch in bescheidenem Umfang) zunächst also nur für Errungenschaftsgüter in nicht beerbten, kinderlosen Ehen. Ansonsten war eine Verfügung über Erbgüter von Todes wegen oder zu Lebzeiten vom Einverständnis der Erbberechtigten, dem sogenannten „Erbenlaub“, abhängig. Dieses Zustimmungserfordernis folgte zum einen aus dem mittelalterlichen Verständnis von Gewere, also der Einkleidung in den Besitz. 986 Die Stammgüter standen quasi im Gesamthandseigentum der Familienmitglieder, denen als Gesamthandseigentümern eben auch ein Mitspracherecht zugebilligt wurde 987, zum andern – aus der Notwendigkeit, die Familie als das „zentrale soziale Sicherungssystem“ 988 zu schützen und damit die „slechte bestendicheyt“ 989, den Fortbestand des Geschlechts, zu gewährleisten. Nicht genehmigte Verfügungen waren ungültig. Zur Vermeidung von Unklarheiten bezüglich der Genehmigungsp icht bei Vermachungen über Errungenschaftsgüter führten die Testatoren in ihren letztwilligen Verfügungen daher regelmäßig aus, dass sie ausschließlich über solche Güter verfügten, die sie „van der gnade godes unde van mijnem suren[990] arbeijde“ 991 erhalten hatten. Innerhalb der eigenen Familie konnte der Erblasser seine Güter jedoch frei vergeben. 992 Auch hierin wird man wohl eine Vergabungsfreiheit sehen müssen. Ein zustimmungsfreies Recht der freien Vergabung in beerbten Ehen fand erst über den Codex B, eine erweiterte Fassung 993 der Langenbeck'schen Glosse, ins Stadtrecht Eingang:

985 Ebda. 986 Werner Ogris, Art. Gewere, in: HRG I (1971), Sp. 1658ff. 987 S. dazu auch die Glosse zu StR 1497 K X, S. 333f.; dazu auch Klefeker IV, S. 345f.; Werner Ogris, Art. Erbenlaub, in: HRG I (1971), Sp. 956. 988 Tilman Repgen: Ein Auftritt der Freundin des Rechts. Erbfolge nach Hamburger Stadtrecht von 1497, in: Holger Altmeppen [u. a.] (Hrsg.), Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, S. 931 ff., S. 944. 989 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 J XVIII, Codex B (Eichler, S. 300). 990 „Sauer“ hier im Sinne von schwer. 991 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1461 VIII 1 (Testament der Valentins, Alke vom 1.8. 1461 [MF: S 9262 D, 193]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1461 IX 7 (Testament des Abbendorp, Hans vom 7.9.1461 [MF: S 9262 D, 194]). 992 Kommentierung zu Ordeelbook 1270 F II (Eichler, Ordeelbook, S. 169). 993 Zur Lappenberg'schen Einteilung der Langenbeck'schen Handschriften s. Eichler: Einführungen, in: Langenbeck'sche Glosse, S. 13.

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„dat alle mundige lude van erem wolgewun- „dass alle mündigen Leute von ihrem selbst nen ghude (. . . ) moghen schicken unde ordi- verdienten Gut (. . . ) zuwenden und vermaneren in erem testamente vrygh, seker unde chen können in ihrem Testament, wie es ihungehynderth“. 994 nen beliebt: frei, sicher und ungehindert“.

Mündigen, also volljährigen männlichen Testatoren wurde bei Verfügungen über eigenständig erwirtschaftete Güter eine freie und ungehinderte Ausübung des Willens zugesichert. Auf das Kriterium der Kinderlosigkeit wurde verzichtet. Schon bevor der Codex B zum StR 1497 K I ein freies Vergabungsrecht in Bezug auf Errungenschaftsgüter einführte, ließ das Hamburger Stadtrecht in StR 1270 VI 7 barmherzige Vergabungen zu. 995 Diese Regelung ndet sich auch in allen folgenden Stadtrechten. 996 In der Langenbeck'schen Glosse zu StR 1497 J XVIII ist zu lesen: „So wan eyn man syn dynck berychten wyl, „Wenn ein Mann seine [letzten] Dinge ord(. . . ) de schal syne schult alder erst ghelden; nen will, (. . . ) der soll seine Schulden zu alvnde darna heft he wol to gheuende dorch lererst bezahlen, und danach hat er wohl zu God vnde synen armen frunden[997] also vele Gott [die Kirche] und seinen armen Verhe wyl: dat schal he geuen van syneme wun- wandten so viel zu geben, wie er will: dass soll nen gude.“ 998 er [aber] geben von seinem [selbst] verdienten Vermögen.“

Der mündige Testator konnte demzufolge nach Abzug seiner Schulden frei, das heißt ohne Erbenlaub, über seine erwirtschafteten Güter zur Ehre Gottes oder zu Gunsten armer Verwandter verfügen. Darüber hinaus förderte der Hamburger Rat Vergabungen zur Ehre Gottes (also Vergabungen zu Gunsten der Kirche, für Seelgerätsstiftungen oder zu karitativen Zwecken) und ließ, bei Fehlen von Errungenschaftsgütern, sogar Testierungen über das ansonsten unantastbare Stammvermögen zu 999:

994 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K I, Codex B (Text und Übersetzung Eichler, S. 320ff.). 995 Zu den sog. Freiteilen, die nicht unter die strikt verwandtschaftlichen Bindungen des 2 Familiengutes elen, s. Werner Ogris, Art. Freiteil, in: HRG I (2008), Sp. 1782ff., Sp. 1782. 996 StR 1301 E XVI; StR 1497 J XVIII; StR 1603/05 III 3, 6, 11. 997 DRW III, Art. Freund, Sp. 866 ff. 998 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 J XVIII (Text und Übersetzung Eichler, S. 297f.). 999 Nach Carl Trummer lag darin kein Widerspruch zum fundamentalen Prinzip des hamburgischen Erbrechts, nach dem Stammgüter ausschließlich der Familie vorbehalten waren. Denn, so Trummer, „Gaben durch Gott [könnten] gar nicht als Verfügungen außer dem Kreise der Familie“ (Trummer, Erbrecht I, S. 238) angesehen werden, womit sie immer dem Familienerbrecht zuzuordnen waren. Historische Belege bringt er für seine Ansicht allerdings nicht bei.

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„Efft nu eyn man neen ghewunnen gudt „Wenn nun ein Mann kein erworbenes hadde, so mochte he nichten demyn redely- Vermögen besitzt (sondern nur Geerbtes), ker wysz mathlyke ghyffte bestedigen tor ere so darf er nichtsdestoweniger billigerweise Gades; wente machme nottrofft des lyues be- maßvolle Gaben zur Ehre Gottes bestimsorgen vnde weren myth erffgude, vele meer men, denn wenn man für die Bedürfnisse der selen selicheyt, dede gheyt bauen alle des Leibes mit Erbgut sorgen und vorsorgen nottrofft des lichnames.“ 1000 darf, dann umso mehr für das Heil der Seele, das über alle Bedürfnisse des Leibes geht.“

Solche Vergabungen waren auch in beerbten Ehen möglich, jedoch nur soweit, wie sie die erbberechtigte Verwandtschaft nicht unmäßig benachteiligte. 1001 Bis zu welcher Höhe von einer maßvollen („maetlick“ 1002) Vermachung auszugehen war, legte das Stadtrecht zunächst nicht fest. Erst das Stadtrecht von 1603/05 (StR 1603/05 III 2, 2) deckelte Eingriffe in Erbgüter auf einen Betrag von 20 Pfennigen. 1003 In allen letztwilligen Vergabungen, die aus der Zeit vor der of ziellen Aufnahme der lutherischen Lehren 1528/29 überliefert sind, werden Kirchen bedacht. 1004 Für gewöhnlich streuten die Testatoren Gelder an sämtliche Hamburger Kirchen und Klöster. 1005 Mit den Wirren der Reformation endete diese rege Spendenbereitschaft dann abrupt. 1006

1000 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 J XVIII, Codex B (Text und Übersetzung Eichler, S. 300). 1001 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K I, Codex B (Eichler, S. 320f.). 1002 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 J XVIII, Codex B (Eichler, S. 300). 1003 Das entsprach nach Emil Waschinski [ders., Währung, Preisentwicklung und Kaufkraft des Geldes in Schleswig-Holstein von 1226–1864, Bd. 2: Anhänge mit Materialien zu einem Schleswig-Holsteinischen Münzarchiv und zur Geschichte der Preise und Löhne in Schleswig-Holstein [Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 26, 2], Neumünster 1959, Zusammenfassung] ungefähr dem Gegenwert von 30 Eiern oder einem Pfund Butter. Zur Umrechnung allgemein s. KlausJoachim Lorenzen-Schmidt, Kleines Lexikon alter schleswig-holsteinischer Gewichte, Maße und Währungseinheiten, Neumünster 1990, S. 46. 1004 Zu den Testierungen zu Gunsten der Hamburger Kirchen s. Marianne Riethmüller, „to troste miner sele“. Aspekte spätmittelalterlicher Frömmigkeit im Spiegel Hamburger Testamente (1310–1400) [Beiträge zur Geschichte Hamburgs, Bd. 47], Hamburg 1994, S. 58ff. 1005 Z. B.: „Ok hebbe ik mijne ewighe dachtnishe ghemaket to sunte Petere, to Sunte Jacobe, to Sunte Kathrinen, to Sunte Nicolawese, to Sunt Marien Magdalenen unde ok to Sunte Johanse, unde mijne testamentariese scullen dat ijo alzo vorwaren, dat mijn wille dar mede vorvullet werde alze ik des beghere“, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1408 VII 2 (Testament der Elebecke, Vicko vom 2.7.1408 [MF: S 9262 D, 4]). 1006 Dem steht die Annahme Rainer Postels entgegen, nach der die Idee der Reformation erst allmählich in Hamburg einsickerte und sich lediglich ein Rückgang kirchlicher Vergabungen in dieser Zeit nachweisen lasse [ders., Reformation und Gegenreformation 1517–1618, in: Hans-Dieter Loose /Werner Jochmann (Hrsg.), Hamburg. Ge-

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Die neue theologische Lehre zeigt sich auch in den im Testament aufgeführten Vergabungsgründen. Testamente, in denen man die Kirche zur Beförderung des Seelenheils 1007 beerbte, wurden geändert oder in Gänze widerrufen und ersetzt. 1008 So auch im Fall der Testierung Anna Bürings, in der sie ihre Motivation für den Widerruf des früheren Testaments erläutert, in welchem sie „tho vigilien, ßelemissen, jaretiden, gedecht- „für Vigilien, Seelenmessen, Jahreszeiten und nissen van den predickstolen vortekent und Gedächtnisse durch Prediger verfügt und gegegeven darumme dat mijne und mijner vor- geben habe zu Gunsten [ihrer] Seele und storven frunde ßelen, alse tho der tijdt ge- [die ihrer] verstorbenen Verwandten, so wie leret wort, bij Gade dem herren getreue- es zu dieser Zeit gelehrt wurde, dass Gott der lich mochten vorbeden und der pene des Herr getreu vergibt und von der Strafe des fegefurs entfriget wurden. Nhu, ick averst Fegefeuers befreit. Nun, da ich aber durch dorch godtlich wort und sin heijlsam Evan- das göttliche Wort und sein heilsames Evangelium vele anders borichtet und beleret gelium viel anderes vernahm und belehrt warde derhalven mij bedacht groth nodich wurde bezüglich meiner Bedenken zu großer to sinde, mijn erst testamente uth voran- Not und Sünde, verändere und widerrufe ich gethagen orsake tho voranderende und wed- mein erstes Testament aus vorgetragener Urderopende“. 1009 sache“.

Nach der Aufnahme der reformatorischen Lehren um 1529 fehlen Vergabungen zu Gunsten der Kirche für ca. drei Jahrzehnte fast vollständig. Ursächlich dafür war höchstwahrscheinlich die allgemeine Verunsicherung der Bevölkerung auf Grund der widerstreitenden Glaubenslehren. Sofern sich während dieser Zeit und insbesondere auch danach Kirchenvergabungen nachweisen lassen, sind sie gemeinhin für schichte der Stadt und ihrer Bewohner, Bd. 1 (Von den Anfängen bis zur Reichsgründung), Hamburg 1982, S. 191 ff., S. 209 f.]. Zur Reformation in Hamburg vgl. Carl Hieronymus Wilhelm Sillem, Die Einführung der Reformation in Hamburg [Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Bd. 16], Halle 1886, S. 11ff. 1007 Riethmüller, „to troste miner sele“, S. 73 f.; Peter Johanek, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 [Städteforschung: Reihe A, Darstellungen, Bd. 50], Köln [u. a.] 2000, S. VII ff., S. XI. 1008 So auch Postel, Zur Bedeutung der Reformation, S. 39f.; Erich v. Lehe (Hrsg.), Heinrich Reincke, Hamburg am Vorabend der Reformation, Hamburg 1966, S. 82. 1009 StA HH, Archiv der Testamentsverwaltung, Testament der Anna Büring I 1 b, S. 17, dazu auch Rainer Postel, Motive städtischer Reformation in Norddeutschland, in: Lars Jockheck (Hrsg.), Beiträge zur hamburgischen Geschichte der Frühen Neuzeit [Geschichte – Forschung und Wissenschaft, Bd. 18], Hamburg 2006, S. 11ff., S. 19f. Mit der Übernahme lutherischer Lehren erübrigte sich das Argument der Förderung des Seelenheils, wie es noch von Hermann Langenbeck angeführt worden war. Nach der lutherischen Glaubenslehre konnte allein die göttliche Gnade den sündhaften Menschen erlösen (zur lutherischen Prädestinationslehre: Theodor Mahlmann, Art. Prädestination V, in: TRE XXVII (1997), S. 118 ff., S. 118f.). Der Gedanke, dass der Mensch befähigt sein sollte, durch eigenes Handeln an seinem Heil mitzuwirken, wurde von Luther strikt verworfen.

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eine bestimmte Kirche oder den eigenen Seelsorger bestimmt oder sie sind zweckgebunden 1010 und dienen der Finanzierung kirchlich getragener Einrichtungen sowie seelsorgerischer Tätigkeiten in diesen Einrichtungen. Sie sind also, obgleich an die Geistlichkeit gerichtet, im eigentlichen Sinne gemeinnützig und entsprechen der lutherischen Pietät, die die Beförderung des Seelenheils als Aberglauben ablehnte. 1011 Ganz im Ideal der lutherischen Sozialfürsorge 1012 standen nun barmherzige, karitative Spenden an Bedürftige und im weitesten Sinne auch soziale Belange im Mittelpunkt: Vergabungen zu Gunsten des gemeinen Besten 1013, an Waisen-, Pestund Siechenhäuser, Gelder zur Unterhaltung öffentlicher Gebäude, wie dem Winserbaum und der Börse, aber auch Bücherspenden sollten nach dem Willen der Erblasser der Gesellschaft zugutekommen. 1014 Solche Vergabungen wurden üblicherweise in der Form der sogenannten „Geschäfte“ abgewickelt. Solche „Geschäfte“ waren auch zu Gunsten ungesippter Dritter möglich. 1015 Vermutlich handelte es sich bei den Geschäften um schuldrechtli1010 Z. B. zu Gunsten der Kirche St. Pauli: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1560 III 13 (Testament der Schroeder, Karsten und Ehefrau Dorothea vom 13.3.1560 [MF: S 9262 D, 667]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]) Heiligen-GeistHospital bekommt Gelder zur Weitergabe an Arme. 1011 Ivstii Henningii Boehmeri, Ivs Ecclesiasticvm Protestantivm, Vsvm Modernvm Ivris Canonici Ivxta Seriem Decretalivm Ostendens, & Ipsis Rervm Argvmentis Illvstrans: Adiecto Dvplici Indice, (Au . 4), Halle 1747, Lib. 3 Tit. 26 § 12ff.; Trummer, Erbrecht II, S. 405. 1012 Insbesondere: Martin Luther, Ordnung eines gemeinen Kastens (ed. Friedrich Wilhelm Lomler, Dr. Martin Luthers Deutsche Schrifsten theils vollständig, theils in Auszügen. Ein Denkmal. Gotha 1816, S. 350 ff.); Martin Luther, An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sich christliche Schulen aufrichten und halten sollen (ed. Friedrich Wilhelm Lomler, Dr. Martin Luthers Deutsche Schriften theils vollständig, theils in Auszügen. Ein Denkmal. Gotha 1816, S. 358ff.); die Wirkung dieser und weiterer Lutherschriften zusammenfassend: Johannes Wallmann, Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, Au . 6, Tübingen 2006, S. 41ff. 1013 Art. Gemein'nutz, in: DRW IV (1939–1951), Sp. 188. 1014 Z. B. die Bücherspende für die neu gegründete Hamburger Ratsbibliothek, die Speisung von Studenten sowie Spenden an Arme in der letztwilligen Verfügung des Hamburger Bürgermeisters Dr. Hinrich Murmester: Peter Gabrielsson, Die letztwillige Verfügung des Hamburger Bürgermeisters Dr. Hinrich Murmester, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 60 (1974), S. 35ff., S. 45ff., dazu auch Evamaria Engel/Frank-Dietrich Jacob (Hrsg.), Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnisse, Köln 2006, S. 400 f. 1015 Schon in den frühen überlieferten Testamenten des 14. Jahrhunderts lassen sich barmherzige Legate an ungesippte Dritte nachweisen. Waren sie bis 1520 noch verhältnismäßig rar, nehmen sie seit dieser Zeit auffällig zu. In vorreformatorischer Zeit handelt es sich für gewöhnlich um die Einrichtung umfangreicher Stiftungen, z. B. StA

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che Ansprüche – vergleichbar mit den modernen Vermächtnissen – und nicht um Erbschaften. 1016 Sie hätten damit den gemeinrechtlichen Legaten entsprochen, bei denen der Bedachte einen Anspruch gegen die Erben erhielt. 1017 Dem Bedachten

HH, Sonstige Privatstiftungen und Testamente 611–19: Testament des Ulrich Bisthorst von 1441 (allgemeine Unterstützung); Testament von Tietje Brandenburg von 1461 (allgemeine Unterstützung); Testament der Alke Bruns und Wibke Holthusen vor 1484 (allgemeine Unterstützung); Testament der Albert Gosmann und Heinrich Brandes 15. Jh. (Stipendien an Handwerker, Schüler, Studenten und allgemeine Unterstützung); Testament des Johann König 15. Jh. (allgemeine Unterstützung); Testament des Eggert Krukow 14. Jh. (allgemeine Unterstützung); Testament des Magister Joachim Langwedel von 1460 (Stipendium für Handwerker, Schüler, Studenten); Testament des Hieronijmus Moller von 1410 (Unterstützung von Jungfrauen); Testament des Joachim Salsborch von 1464 (Aussteuer, allgemeine Unterstützung); Testament der Johann und Mette de Sworen von 1492 (Stipendien für Handwerker, Schüler, Studenten und allgemeine Unterstützung); Testament des Erich v. Tzeven von 1331 (allgemeine Unterstützung); Testament der Vogler-Moller-Baumgarten von 1404 (Unterstützung von Jungfrauen); Testament des Tideke Winckelmann von 1479 (Aussteuer, Unterstützung von Jungfrauen, allgemeine Unterstützung); Testament des Albert Wulhase von 1418 (Stipendien für Handwerker, Schüler, Studenten und allgemeine Unterstützung); vgl. Cipriano F. Gaedechens, Albert Wulhases Testament: von Ostern 1459 bis Ostern 1860, Hamburg 1860. Daneben fanden sich auch Testamente, in denen nicht zu gemeinnützigen Zwecken (sondern nur zur Förderung des Seelenheils an die Kirche) vergeben wurde. Nach der Reformation nden sich barmherzige bzw. gemeinnützige Vergabungen in nahezu jedem Testament, z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1537 V 9 (Testament des Szander, Carsten vom 9.5.1537 [MF: S 9262 D, 518]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1576 VI 22 (Weselow, Johan und Ehefrau Hilla vom 22.6.1576 [MF: S 9262 D, 935]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1577 III 17 (Testament der Cordes, Hinrick und Ehefrau Sara vom 17. 3. 1577 [MF: S 9263 D, 31]). Ausnahmen fanden sich insbesondere unter den notariellen Testamenten. Auflistung der Hamburger milden Privatstiftungen, s. Johann Martin Lappenberg, Die milden Privatstiftungen zu Hamburg, Hamburg 1845, S. 1 ff. Dazu auch Rainer Postel, Zur Bedeutung der Reformation für das religiöse und soziale Verhalten des Bürgertums in Hamburg, in: Lars Jockheck (Hrsg.), Beiträge zur hamburgischen Geschichte der Frühen Neuzeit. Ausgewählte Aufsätze zum 65. Geburtstag [Geschichte, Forschung und Wissenschaft, Bd. 18], Hamburg 2006, S. 35 ff., S. 39 ff. 1016 Dazu kritisch Trummer, Erbrecht II, S. 491 f., insb. S. 492 Anm. 1. 1017 Z. B. bezüglich der Anzahl der anwesenden Zeugen und spezi schen Formulierungen. Es verwundert daher nicht, dass die Begriffe Geschäft und Legat synonym verwendet und seit dem Stadtrecht von 1603/05 gemeinsam in einem Titel abgehandelt wurden (StR 1603/05 III, 2), wobei nach StR 1603/05 III, 2, 1 die Formvorgaben zur Erstellung von Testamenten auf Legate und Geschäfte Anwendung fanden.

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wurde ein Vermögensbestandteil zugewandt, ohne dass er in die Position eines Erben rückte. 1018

b. Grenzen der Freiheit – Eingriffsbefugnis des Rates Die „Testierfreiheit“ erfuhr eine Einschränkung, soweit das Hamburger Recht die Familienangehörigen vor „vnmathlyken“ 1019, also unmäßigen Benachteiligungen, schützte. Zum Schutzherrn über diese „verwandtschaftlichen Rücksichten“ 1020 hatte sich der Hamburger Rat berufen. Ihm als einer „von Gott furgesetzt Obrigkeitt“ 1021 oblag es, die weltliche Ordnung zu erhalten oder wiederherzustellen, sofern diese gestört war. 1022 Grundsätzlich konnten mündige männliche Testatoren frei über ihre Errungenschaftsgüter verfügen. Da es aber viel „indracht vnde twyuel“ 1023, also Ärger 1024 und Zweifel, vor allem wegen der Bevorzugung einzelner Erben gegeben habe, sei der Rat dazu angehalten, im Falle einer die Sippschaft ungerechtfertigt 1025 benachteiligenden letztwilligen Verfügung im Sinne der Gerechtigkeit einzuschreiten:

1018 Anders Trummer, Erbrecht II, S. 163 f., der „Erbansprüche(..) gewisser Corporationen“ im Stadtrecht anerkannt sehen wollte. 1019 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K I, Codex B (Eichler, S. 320f.). 1020 Trummer, Erbrecht II, S. 416. 1021 StA HH, RKG 211-2, Nr. B 131, Schrifft: an statt mündtlichen Recessus, loco Duplicarum, fol. 1 v; ähnlich StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 7 Conclusiones, fol. 12 v. 1022 Zur Aufgabe der Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit durch die Obrigkeit: Heinz Angermeier, Reichsreform und Reformation, in: HZ Bd. 235 (1982), S. 529ff., S. 529ff.; Arnold Angenendt, Gottesfrevel. Ein Kapitel aus der Geschichte der Staatsaufgaben, in: Josef Isensee (Hrsg.), Religionsbeschimpfung – der rechtliche Schutz des Heiligen [Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 42], Berlin 2007, S. 9 ff., S. 20ff.; Dietmar Willoweit, Katholische Reform und Disziplinierung als Element der Staats- und Gesellschaftsorganisation, in: Paolo Prodi /Elisabeth Müller-Luckner (Hrsg.), Glaube und Eid. Treueformeln, Glaubensbekenntnisse und Sozialdisziplinierung zwischen Mittelalter und Neuzeit [Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien, Bd. 28], München 1993, S. 113ff., S. 130. 1023 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K I, Codex B (Eichler, S. 320f.). 1024 Das DRW übersetzt „indracht“ auch mit Beeinträchtigung oder Schaden, s. DRW II (1932–1935), Art. Eintracht, Sp. 1471 f., Sp. 1472. 1025 Eine benachteiligende, aber gerechtfertigte Verfügung stellt beispielsweise das Eingreifen in Erbgüter bei völligem Fehlen von Errungenschaftsgütern dar, s. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 J XVIII, Codex B (Eichler, S. 300).

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„Doch erfyndeth sick beth, sulckent na legen- „Dennoch zeigt es sich als besser, dass dies heyt der personen, ghuder vnde frun de dar- je nach den Verhältnissen der Personen, der tho horende jo also scholde werden gheme- Güter und der dazugehörigen Verwandten tigeth nach erkantenissze des Rades, dat eyn nach den Erkenntnissen (. . . ) des Rates abryke wolbe-gudet man syne negesten nicht gemildert werden sollte, dass also etwa ein ghans myth vnmathlyken ghyfften (de alle reicher, wohlbegüterter Mann seine Nächsrechte hynderen vnde haten) muchte enter- ten nicht gänzlich mit unangemessenen Veruen vnde vorwyszen, ane redelyke vnde ghe- mächtnissen – die alle Rechtsordnungen erborlyke orsake effte vorwerkinge, sunderges schweren und missbilligen – enterben und tho vorfange derjennen, de van eme vnde bestrafen (darf ), ohne begründete und angedarvan he ghebaren vnde entspraten ys.“ 1026 messene Ursache oder Schuld, insbesondere zum Schaden derjenigen, die von ihm oder von denen er abstammt.“

Die Eingriffsbefugnis, wie sie StR 1497 K I Codex B vorsah, stellte die einzige legale Eingriffsmöglichkeit des Rates auf die inhaltliche Ausgestaltung der Testamente dar. Sie erlaubte es der Obrigkeit jedoch nur, den letzten Willen wegen unzumutbarer Belastungen für die Sippe abzumildern. Eine Verschärfung zu Gunsten Familienfremder, wie dies bei den eingangs dargestellten, nachträglich geänderten Testamenten der Fall war, war nicht vorgesehen. Ein konkreter Maßstab für die Feststellung einer Benachteiligung wurde nicht festgelegt, ebenso wenig die Voraussetzungen des Einschreitens. Bemerkenswert ist, dass der Hamburger Rat in StR 1497 K I Codex B eine Kompetenz erhielt, die Testamente zu Gunsten der Familienangehörigen abzumildern, ohne von ihnen dazu aufgefordert worden zu sein. 1027 Möglich wären solche – quellenmäßig nicht nachweisbaren – Eingriffe aber nur gewesen, wenn der Rat Kenntnis von der getätigten Verfügung erlangt hätte. Das ist grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar: zum einen, wenn der Testator seinen letzten Willen in der Form eines Ratsherrentestaments, also unter Zuhilfenahme zweier Ratsherren als Testamentszeugen, durch die Hamburger Ratsschreiber aufzeichnen ließ, zum anderen, wenn das Testament nicht in der Ratsherrenform errichtet worden war, man sich aber – der erhöhten Beweiskraft wegen 1028 – der ratsherrlichen Anerkennung des Schriftstücks versichern wollte und aus diesem Grunde um eine Kon rmation des Testaments beim Rat nachsuchte. Sofern die Abgeordneten des Rates nicht bei der Erstellung des Testaments mitwirkten, gelangte ihnen der Inhalt der Verfügung

1026 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K I, Codex B (Text und Übersetzung Eichler, S. 320ff.). 1027 Anders hingegen die bereits in den Statuten von 1301 A V, G VII sowie im StR 1497, A XVI und StR 1603/05 I, 1, 14 festgelegte Befugnis des Rates zur Schärfung bzw. Milderung von Gerichtsurteilen des Niedergerichts. 1028 Dazu S. 108 ff. sowie S. 266 ff.

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spätestens bei der Kon rmation zur Kenntnis, in der das Testament vor den versammelten Ratsherren laut verlesen wurde. 1029 Allerdings meinte Carl Trummer, der Rat habe nicht zwangsläu g Kenntnis vom Inhalt der Verfügungen erlangen müssen. 1030 Es habe nämlich die Möglichkeit bestanden, testamentarische Verfügungen geheim zu halten, wenn man das Testament „vorsegelt“, also versiegelt, und damit ohne vorherige Verlesung einbrachte. Das gehe aus einer Bemerkung des bürgerlichen Gremiums zu StR 1603/05 Art. 3, 1, 3 hervor. 1031 Nachweisen lassen sich solche „geheimen“ Einbringungen aber nicht. Unklar bleibt daher, ob und inwieweit eine Geheimhaltung tatsächlich möglich war, wenn nicht kon rmierte Testamente aus Gründen der beweisrechtlichen Sicherheit zur Aufbewahrung in die städtischen Archive gelangten. 1032 Nach Auffassung in der Literatur gab nicht die mangelnde Geheimhaltung gegenüber dem Rat, sondern vielmehr gegenüber der Verwandtschaft des Testators den Ausschlag für den allgemeinen Rückgang der Ratsherrentestamente seit dem 17. Jahrhundert. 1033 Schon zu Johann Klefekers Zeiten (1698–1775) sei die statutarische Testamentsform selten gewesen. 1034 Denn die Testatoren hätten den Zorn ihrer Verwandten gefürchtet, wenn sie bei der Verlesung des Testaments auf dem Rathaus Kenntnis vom Verfügungsinhalt erlangt und dieser ihren Erwartungen nicht entsprochen hätte. 1035 Die Testatoren hätten daher verstärkt auf die im Privatbereich erstellbaren notariellen Testamente zurückgegriffen. 1036 Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die fehlende Geheimhaltungsmöglichkeit maßgeblich für das Aufkommen notarieller Testamente war. Ausschlaggebend dürfte aber weniger die Furcht vor familiärem Zwist als vielmehr die Ein uss1029 Gries II, S. 128; Klefeker IV, S. 329. 1030 Trummer, Erbrecht II, S. 362. 1031 „Wert E. E. Rath erinnert, tho vorstaden, dat einer vor sick süllvenst syn Testament und latesten Willen, by gesundem Lyve müge vorordnen, und datsülve vorsegelt by E. E. Rath in Verwaringe setten, ock so offt idt ehme gelevet, vorenderen, welches alsdann na des Testatoris Dode van dem Erbaren Rade, woferne idt nicht wedder Recht und de Billicheit, kann con rmiret, bestediget und ins Werk gerichtet werden“, zitiert nach Trummer, Erbrecht II, S. 368. 1032 Zur erhöhten Beweiskraft der in städtischen Archiven eingelagerten Testamente s. 2 Hans-Joachim Hecker, Art. Archive, in: HRG I (2008), Sp. 285ff., Sp. 288. Zum Verzicht auf Kon rmation des Testaments bei Einbringung in den Rat s. von der Fechte, S. 423, Gries II, S. 128 und Trummer, Erbrecht II, S. 361. 1033 Klefeker IV, S. 329; Gries II, S. 128; Trummer, Erbrecht II, S. 409, S. 576ff. 1034 Trummer, Erbrecht II, S. 188. 1035 Gries II, S. 128 m. w. N. 1036 Klefeker (IV, S. 329) weist dieses Argument zurück, seiner Meinung nach sei die notarielle Form „wegen des äusseren Glanzes“ gewählt worden. S. auch Trummer, Erbrecht II, S. 188.

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nahme des Hamburger Rates bei der Erstellung von Ratsherrentestamenten gewesen sein, die die erstarkten Bürger gegen Eingriffe in ihre rechtlich zugestandenen Handlungsfreiheiten und sonstigen Bevormundungen aufbegehren ließ. Dafür spricht zumindest, dass in den Archivalien, in denen die Erstellung der notariellen Urkunde ausdrücklich begründet wurde, nie von Druck seitens Verwandter, sondern immer vom Druck des Rates die Rede ist. Die zunehmenden Freiheitstendenzen nden auch im Stadtrecht von 1603/05 ihren Widerhall. Der Rat verlor die einzige legale Möglichkeit, zu Gunsten der Familie in Testamente einzugreifen.

c. Formvorschriften Noch heute hat der Testator die Wahl zwischen der Aufstellung eines privaten oder eines öffentlichen Testaments (§ 2231 BGB). Hat er sich erst für eine der beiden Optionen entschieden, ist er gezwungen, sich an die jeweiligen Formvorgaben zu halten. Die Ausübung der Testierfreiheit unterliegt heute wie in der Frühen Neuzeit dem Formzwang. Eine Erörterung erfordert deshalb neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Recht der freien Vergabung, also dem „Ob“, auch eine Beschäftigung mit dem „Wie“. Als eine mögliche Testamentsform, „die bishero zu ieder Zeit, in Aufrichtung der Testamenten, von Bürgern und Einwohnern dieser Stadt steif und unverändert observiret und gehalten“ 1037 wurde, war vom Hamburger Stadtrecht das Ratsherrentestament vorgesehen. Das Verfahren zur Erstellung der Ratsherrentestamente wurde ausdrücklich erst im StR 1603/05 III 1, 1 normiert, die Regeln waren jedoch bereits zuvor gewohnheitsrechtlich verankert gewesen. 1038 Die vor dem Rat aufgestellten Testamente des 16. Jahrhunderts entsprechen durchgehend den im Stadtrecht von 1603/05 festgelegten Formvorgaben. Danach hatte der verständige Testator seinen letzten Willen vor dem gesamten Rat, mindestens jedoch vor zwei vom Rat dazu eigens abgeordneten Ratsherren mündlich aufzurichten oder eine im Voraus verfasste schriftliche letztwillige Verfügung beizubringen. Die Ratsschreiber schrieben die mündlichen Erklärungen zunächst nieder und verlasen sie vor dem Testator und den hinzugezogenen Ratsherren. 1039 Auch ein eingereichtes privatschriftliches Testament konnte man nach Antrag im Rathaus öffentlich verlesen und anschließend beglaubigen lassen. Die Funktion der Ratsherren oder des für den Rat stellvertretend beigeordneten Ratsschreibers be-

1037 StR 1603/05 III 1, 1. 1038 Gries II, S. 118. 1039 Gries II, S. 128.

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schränkte sich dann aber auf die Einhaltung des ordnungsgemäßen Beglaubigungsverfahrens. 1040 Die vom Rat kon rmierten Testamente waren rechtsverbindlich. Eine Kon rmation war jedoch nicht obligatorisch und hatte daher keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Testierung. Ob neben der Ratsherrenform auch noch andere Testamentsformen zulässig waren – dazu nimmt das Stadtrecht nicht explizit Stellung. Dennoch möchte Carl Trummer dem Wortlaut des StR 1497 K I, „Wor eijn sijn testamente settet, de seeck ijs „Wenn einer sein Testament aufsetzt, der vnde an sijneme lesten ende lijcht, vor tween krank ist und an seinem letzten Ende liegt, radmannen de dartho ghesant werden van vor zwei Ratmannen, die von Rats wegen des rades wegen, vnde storue der twijer radt- hinzugesandt wurden, und stirbt (später) eimanne eijn: de ander mach wol tughen allei- ner der beiden Ratmannen: der andere darf jne, wo dat testamente settet ijs edder was; dann sehr wohl alleine bezeugen, wie das vnde schal darmede stede wesen“, 1041 Testament aufgesetzt ist oder war, und (es) soll damit gültig sein“,

und einem Vergleich mit dem Sachsenspiegel Landrecht I, 52 und II, 30 eine Beschränkung auf Ratsherrentestamente in Hamburg entnehmen. Es sei – so Trummer – eine allgemein anerkannte Auffassung gewesen, dass „[n]ichts gültig war, was nicht vor Gericht geschah“. 1042 Der Hamburger Rat, dem Gerichtsfunktionen oblagen, sei daher die alleinig zuständige Instanz gewesen, vor welcher der letzte Wille in schriftlicher oder mündlicher Form rechtsgültig abgelegt werden konnte. Mit seiner Ansicht verkennt Trummer jedoch den Sinn und Zweck von StR 1497 K I. Dieses normierte einen Ausnahmefall, nämlich die Möglichkeit, die rechtsgültige Erstellung eines Ratsherrentestaments nachzuweisen, wenn einer der beiden beigeordneten Ratsherren verstarb. Durch StR 1497 K I konnte der Inhalt der Vergabung allein durch das Zeugnis des Überlebenden bewiesen werden. Es handelte sich also um eine Beweisregel, die für sich genommen keine Aussagen darüber enthielt, ob Ratsherrentestamente die einzig zulässige Testierform darstellten. 1043 Die These Trummers ließe sich allenfalls auf die Belegstellen zum Sachsenspiegel Landrecht I, 52 und II, 30 stützen. Zwar fand der Sachsenspiegel in Hamburg keine direkte Anwendung, da er jedoch das älteste überlieferte Hamburger Rechtsbuch, das sogenannte Ordeelbook, und mit ihm alle nachfolgenden, auf dem Ordeelbook aufbauenden Stadtrechte maßgeblich beein usste, wurde er zur Auslegung streitiger Rechtsfragen herangezogen, sofern sich aus den eigenen Gewohnheiten keine 1040 Ebda. 1041 StR 1497 K I (Text und Übersetzung Eichler, S. 319). So sinngemäß auch schon die Vorgängernorm StR 1270 VI, 2 (Eichler, Ordeelbook, S. 168). Zu späteren Zeiten StR 1603/05 I 28, 25. 1042 Trummer, Erbrecht II, S. 181 ff., S. 183. 1043 Dazu auch Repgen, Hamburgs Notare, S. 375 ff.

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Lösung ergab. 1044 Die These Trummers lässt sich aber trotz der Belegstellen des Sachsenspiegels nicht halten, denn ihr stehen überlieferte privatschriftliche 1045 und notarielle 1046 Testamente entgegen. Ein Großteil dieser Testamente wurde vom Rat kon rmiert. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Rat die Kon rmationen ohne weitere Erklärung vorgenommen hätte, wenn die jeweiligen Testamentsformen nicht anerkannt gewesen wären. Und auch in den Testamenten selbst nden sich zum Teil Ausführungen zu privatschriftlichen oder notariellen Testamenten. Hinrick und Sara Cordes berichten beispielsweise in dem von ihnen 1577 privatschriftlich verfassten gemeinschaftlichen und anschließend ratsherrlich kon rmierten Testament, dass sie ungeachtet der in Hamburg üblichen Testierung in Ratsherrenform die privatschriftliche Form gewählt hatten, da diese „ock even so wol krafft hebben und gelden, alse wenner Idt van worden tho worden“ von Ratsbediensteten verzeichnet worden wäre. 1047 Der Rat hatte dagegen offensichtlich keine Einwände und erklärte das Testament für rechtsgültig. 1044 Solche Bezugnahmen nden sich beispielsweise auch in der Langenbeck'schen Glosse. Zu den Ursprüngen des Hamburger Stadtrechts s. Heinrich Reincke, Die Herkunft des hamburgischen Stadtrechts. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des lübischen Rechts, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 29 (1928), S. 217ff., zu den Quellen insbesondere S. 229 ff., S. 236 ff.; Tim Albrecht/Stephan Michaelsen, Entwicklung des Hamburger Stadtrechts, online: http://www1.uni-hamburg.de/ spaetmittelalter/Hamburg%20Spaetmittelalter/Hamburg-Wiki/themen/EntwicklungDesHamburgerStadtrechts.html (abgerufen am 21.9.2016). 1045 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1576 VI 22 (Testament der Weselow, Johan und Ehefrau Hilla vom 22. 6. 1576 [MF: S 9262 D, 935]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1538 X 6 (Testament des Salsborch, Joachijm vom 6.10.1538 [MF: S 9262 D, 536]); kon rmierte bzw. Ratsherrentestamente, in welchen ausdrücklich von der Möglichkeit privatschriftlicher Änderungen die Rede ist: z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1542 (Testament der Wilmszenn, Wilhm und Ehefrau Anneke 1542 (o. D.) [MF: S 9262 D, 561]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1544 IX 9 (Testament des Schipman, Joachim vom 9.9.1544 [MF: S 9262 D, 595]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1533 XII 27 (Testament der Schadelanth, Reijneke und Ehefrau Beke vom 27.12.1533 [MF: S 9262 D, 505]). 1046 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 (Testament des Domvicars Steffens, Hinrich von 1552 (o. D.) [MF: S 9262 D, 630]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23.6.1581 [MF: S 9263 D, 181]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1403 I 16 (Testament des Vritze, Johannes vom 16. 1. 1403 [MF: S 9261 D, 933]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1460 III 1 (Testament des Wichman, Theodericus vom 1.3.1460 [MF: S 9262 D, 183]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1424 IV 7 (Testament des Mund, Johannes vom 7. 4.1424 [MF: S 9262 D, 88]). 1047 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1577 III 17 (Testament der Cordes, Hinrick und Ehefrau Sara vom 17. 3. 1577 [MF: S 9263 D, 31]).

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Es wäre grob widersprüchlich, wenn der Rat formfehlerhafte Testamente im Wissen um den Mangel – die Testamente wurden vor der Kon rmation verlesen – bestätigt hätte. Für die Anerkennung privatschriftlicher und notarieller Testamente spricht aber vor allem, dass bei ihrer Erstellung bisweilen der Rat oder einzelne Abgeordnete des Rates als Testaments- oder notarielle Urkundszeugen mitwirkten. Als Beispiel sei die letztwillige Vermachung des Peter Wonninges aus dem Jahre 1561 angeführt. Dieser hatte seinen letzten Willen vom kaiserlich ernannten immatrikulierten Notar Thommes Gusth verzeichnen lassen, wobei der Rat zur Testierung zwei Zeugen beigeordnet hatte – „benevmst ehergedachter Rades vorordneter tugen“. 1048 Bei diesen vom Rat beigeordneten Zeugen handelte es sich um keine geringeren als zwei Hamburger Ratsherren – Hinrich Wichmann und Hermann Wetken. 1049 Sicherlich stellt eine notarielle Verfügung unter expliziter Beiordnung von Ratsherren durch den Hamburger Rat eine Ausnahme dar. Nichtsdestoweniger nden sich notarielle Schriftstücke, an welchen der Rat oder einzelne Ratsherren in irgendeiner Form beteiligt waren. 1050 Ohne die Annahme des Bestehens entsprechender gewohnheitsrechtlicher Regelungen lässt sich diese Praxis nicht erklären. Auch die Ansicht Hieronymus Müllers 1051, notarielle Testamente seien bis zum Stadtrecht von 1603 nicht zulässig gewesen, was er einem vom Rat verworfenen notariellen Testament von 1555 entnehmen möchte, lässt sich angesichts der Quellenfunde nicht halten. Dem einzelnen Testament, mit dem Hieronymus Müller seine These stützen möchte, stehen mindestens 14 überlieferte notarielle Testamente entgegen, die vom Rat nicht beanstandet und zum Teil sogar ausdrücklich für rechtsverbindlich erklärt wurden. 1052 Zwar muss man zugestehen, dass die überwiegende Zahl der Testamente tatsächlich in der Ratsherrenform abgefasst ist (von den mehreren Hundert Testamenten,

1048 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29. 9. 1561 [MF: S 9262 D, 672]). 1049 S. Schuback, Verzeichniß der Mitglieder des Rates, S. 224. 1050 Beispielsweise das vom Rat kon rmierte notarielle Testament: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23.6.1581 [MF: S 9263 D, 181]). 1051 Hieronymus Müller, Historischjuristischer Tractat von den Testamenten und letzten Willen, Geschäften und Ordnungen (. . . ), Hamburg 1748, I St. 7 (S. 44f.); Rezensionen des Werkes in Stats- und Gelehrte Zeitung: Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten vom 14. 1. 1750, Nr. 8; 16. 12.1750, Nr. 199, S. 4; s. auch Gries II, S. 129. 1052 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 (Testament des Domvicars Steffens, Hinrich von 1552 (o. D.) [MF: S 9262 D, 630]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23.6.1581 [MF: S 9263 D, 181]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29.9.1561 [MF: S 9262 D, 672]).

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die aus der Zeit zwischen dem frühen 14. und dem späten 17. Jahrhundert im Bestand „Senat“ des Hamburger Staatsarchivs überliefert sind, sind nur knapp 4 Prozent mit notarieller Beteiligung oder durch einen Notar aufgesetzt). Das ist jedoch wenig verwunderlich, wenn die Schriftstücke in den Ratsbeständen überliefert wurden. Bei privatschriftlichen oder notariellen Testamenten bestand keine Notwendigkeit, sie in den Rat einzubringen – insbesondere nicht bei notariellen Testamenten, die gerade dann vermehrt aufgestellt wurden, wenn der Rat umgangen werden sollte.

2. Zwei manipulierte Testamente Ob das Gesetz die Herrschaft über das Leben verloren oder vielleicht nie besessen hat, ob das Leben seine Entwicklung über das Gesetz hinweg genommen oder auch dem Gesetz nie entsprochen hat, mag dahingestellt bleiben. Auch hier erfüllt die Wissenschaft als Lehre vom Recht ihre Aufgabe sehr schlecht, wenn sie bloß darstellt, was das Gesetz vorschreibt, und nicht auch, was wirklich geschieht. (Eugen Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts [1989], S. 414)

Die Bestände des Hamburger Staatsarchivs aus den Jahren 1580 bis 1594 weisen annähernd 100 Testamente auf. Fünf von ihnen haftet eine Besonderheit an – die ursprünglich getroffenen letztwilligen Verfügungen wurden, durch den Rat veranlasst, nachträglich geändert. 1053 Dabei hatte der Testator auf den Inhalt des Nachtrags anscheinend keinen Ein uss. Der Rat soll den Testatoren die Nachträge diktiert haben. 1054 Das legen auch andere Schriftstücke nahe, die ausdrücklich auf die Aus-

1053 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Micheal, Dr., vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]); StA HH Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22.6.1588 [MF: S 9262 D, 292]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1589 IX 5 (Testament der Collen, von, Zacharias und Ehefrau Hilleke vom 5. 9. 1589 [MF: S 9263 D, 317]); StA HH Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3. 9. 1580 [MF: S 9263 D, 147]); StA HH Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 11.6.1586 [MF: S 9263 D, 255]). 1054 So berichtet z. B. das Testament der Eheleute Gortzen von ratsherrlichen Befehlen, die ihrer letztwilligen Verfügung zugrunde gelegen haben (StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1594 IV 12 (Testament der Gortzen, Harmen und Ehefrau Adelheida vom 12.4.1594 [MF: S 9263 D, 429]); s. auch StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr., von 2.7.1581 [MF: S 9263 D, 123]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser.1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22. 6. 1588 [MF: S 9262 D, 292]).

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übung von Zwang durch den Rat Bezug nehmen. 1055 Allen testamentarischen Einussnahmen ist gemeinsam, dass die ursprünglichen Verfügungen zu Gunsten des gemeinen Nutzens abgeändert wurden. Nach Trummer 1056 und Pauli 1057 setze die Wirksamkeit einer Vergabung voraus, ob der Erblasser auch das „gemeine Wohl“ bedachte: Ein Testament, „worin die pia causa völlig versäumt“ 1058 worden war, sei nach dem Gewohnheitsrecht generell ungültig gewesen. Wenn das aber zuträfe, hätte der Rat durch die Eingriffe in die Testamente im vermeintlichen Interesse der Erblasser gehandelt, um durch die nachträglichen Ergänzungen die Geltungsvoraussetzungen des Testaments herbeizuführen. Diese Mutmaßung ist jedoch wenig überzeugend. Zum einen lässt sich, mit Ausnahme der P icht, den Gottespfennig zu Wegen und Stegen zu zahlen, eine Obliegenheit zu gemeinnützigen Vergabungen durch die Quellen nicht stützen. Im Gegenteil – es nden sich diverse Testamente, die der Rat trotz fehlender gemeinnütziger Vergabungen kon rmierte und damit anerkannte. 1059 Zum anderen änderte man nur solche letztwilligen Verfügungen, die bereits gemeinnützige Vergabungen enthielten. Das Beheben von Formfehlern kann daher nicht maßgeblich gewesen sein. Wahrscheinlich verfolgte der Rat also ein eigenes Interesse mit der Förderung des Gemeinwohls. Dass die gemeinnützigen Vergabungen vermutlich nicht immer dem wirklichen Willen der Testatoren entsprachen, zeigt außerdem der Vergleich der ratsherrlichen mit den notariellen Urkunden. Während sich Vergabungen zu Gunsten der Allgemeinheit in nahezu allen ratsherrlichen Testamenten nden, sind ähnlich umfangreiche altruistische Verfügungen in notariellen Testamenten deutlich seltener zu nden. Die für gemeinnützige Zwecke vermachten Vermögenswerte sind in Ratsherrentestamenten erheblich umfangreicher. Im Verhältnis werden in den notariellen Testamenten allenfalls 30 Prozent der „ratsherrlichen“ Werte erreicht. 1060 Häu g fehlen in den notariellen Schriftstücken gemeinnützige Vergabungen völlig. 1055 1056 1057 1058 1059

S. S. 282 ff. m. w. N. Trummer, Erbrecht II, S. 390 ff. Pauli III, S. 277. Ebda.; Trummer, Erbrecht II, S. 390 ff. Insbesondere bei Ratsherrentestamenten wie z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 I 24 (Testament der Schulte, Marten und Ehefrau Elisabeth vom 24.1.1581 [MF: S 9263 D, 169]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1582 IX 17 (Testament der Balhorn, Jacob und Ehefrau Margareta vom 17.9.1582 [MF: S 9263 D, 200]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1584 IX 20 (Testament des Bremer, Herman vom 20. 9. 1584 [MF: S 9263 D, 214]) ist das verwunderlich – hätte der Rat doch sogleich bei der Erstellung auf den Fehler hinweisen können. 1060 Hier nur einige Stichproben: Für Ratsherrentestamente: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 (Testament des Rheder, Michael von 1580 (o. D.) [MF: S 2963 D,

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Im Folgenden sollen zunächst zwei Beispiele die Ein ussnahme des Rates verdeutlichen, bevor anschließend untersucht wird, wie die Bevölkerung durch notarielle Testamente auf die Gefahr möglicher Eingriffe in ihr Vergabungsrecht reagierte.

a. Das Testament der Eheleute Ripett – Erbschaft ohne Todesfall Ein anschauliches Beispiel ratsherrlicher Ein ussnahme ist der Fall des Antwerpener Bürgers Nicolaus Ripett und seiner Frau Magdalena. 1061 Die Ripetts waren, wie viele reformierte Niederländer 1062, während des Niederländisch-Spanischen Krieges nach Hamburg ge ohen. Beide entstammten wohl verhältnismäßig reichen Familien, zumindest wurden in ihrem Testament allein 2000 Kaisergulden zum Stamm-

123]): 50 Mark für Stoffe für die zwölf ältesten Bewohner des Heiligen-Geist-Hospitals/Pastor und Vorsteher des Hospitals jährlich ein Goldgulden/jeder Bewohner des Pockenhauses und das St. Jürgen Hospitals einen doppelten Schilling/70 Mark Almosen; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1596 II 27 (Testament der Pluckeij, Peter und Ehefrau Margaretha vom 27. 2. 1596 [MF: S 2963 D, 463]): einen Gulden an das gemeine Gut/5 Reichstaler an das Heiligen-Geist-Hospital/10 Mark lüb. zur Unterhaltung der St. Nikolai Kirche/10 Mark lüb. zu Gunsten armer Schüler von St. Johannis; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1603 VI 30 (Testament des Harding, Dauid vom 30. 6. 1603 [MF: S 2963 D, 599]): 3 Tonnen Bier an das Pockenhaus/3 Reichstaler an das Waisenhaus/4 Reichstaler zur Unterhaltung des Turms von St. Catharinen; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1604 IV 2 (Testament der Hoijer, Helmke und Ehefrau Catharina vom 2.4.1604 [MF: S 2963 D, 612]): 5 Mark lüb. für die Armen des Heiligen-Geist-Hospitals/5 Mark lüb. für die Armen des Pockenhauses/5 Mark lüb. für arme Schüler von St. Johannis. Für notarielle Testamente: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23. 6. 1581 [MF: S 2963 D, 180]): keine Spenden; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonniges, Peter vom 29.9. 1561 [MF: S 2963 D, 671]): 2 Mark an das gemeine Gut; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 V 10 (Testament der Mühlen, von der alten, Guiles und Ehefrau Marie vom 10. 5. 1614 [MF: S 2963 D, 893]): 25 Mark an das Waisenhaus; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1637 IV 27 (Testament der Becker, Hanß Jacob und Ehefrau Catharina vom 27.4.1637 [MF: S 2964 D, 456]): keine Spenden. 1061 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 12. 6. 1586 [MF: S 9263 D, 255]). 1062 Antwerpen, im südlichen Brabant gelegen, war Teil der Spanischen Niederlande. Erst 1830, nach einer wechselvollen Geschichte, wurde Antwerpen mit Belgien unabhängig, vgl. Johannes Koll, „Die Belgische Nation“ – Patriotismus und Nationalbewußtsein in den Südlichen Niederlanden im späten 18. Jahrhundert [Niederlande-Studien, Bd. 33], Münster 2003, S. 367 ff.

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gut gerechnet. 1063 Nicolaus, ein Fernhändler, hatte es verstanden, im Laufe seines Lebens den familiären Reichtum zu mehren. Die Ehe war kinderlos geblieben, auch sonstige Blutsverwandte hatten die Ripetts keine. Im Jahre 1586 ließen die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament in der Ratsherrenform aufstellen. Ihre Flucht aus Antwerpen hatte nichts an der Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt geändert, weshalb sie zuerst ein Legat zu Gunsten der „Armmutt der Stadt Anderpenn“ festsetzten. 50 Mark lüb. sollten aus den im Todeszeitpunkt des Erstversterbenden vorhandenen „Jegenwerdigen und thokumptigen (. . . ) gudern“ entrichtet werden. Aber auch hamburgische Arme wurden bedacht, ebenso wie die hamburgische Kaufmannschaft. Insgesamt vermachten die Eheleute „dem hoffe tho S: Jurgen, buthen[1064] der „dem Hof zu St. Jürgen [St.-Jürgen-HospiStadt belegen, vijff und Zwintich Marck und tal], der außerhalb der Stadt gelegen ist, dem Pockenhuse alher vijff und twintich 25 Mark und dem Pockenhaus ebenfalls Marck Lübisch, Imglicken der Marcklereij 25 Mark lübisch, außerdem der Maklerei dusser guten Stadt Zwintich Marck Lübisch, [makelnde Kaufmannschaft] dieser guten welche gifften allererst nha dodtlichen aff- Stadt 20 Mark lübisch, diese Gaben sollen sterven unsers einen van dem lestlevendigen sogleich nach dem Tode des einen vom überscholen enttrichtett und erlecht werden“. 1065 lebenden Gatten entrichtet und ausgezahlt werden“.

Zwar hatten sich Magdalena und Nicolaus in Hamburg häuslich niedergelassen und die Geschäfte liefen zufriedenstellend. Trotz alledem zogen sie es anscheinend in Erwägung, Hamburg wieder zu verlassen. Für diese Eventualität hatten die Eheleute folgende testamentarische Vorkehrung getroffen: „Ihm fall, averst wij, upgenomende beide, uth „Im Falle, dass wir, die oben Genannten, aus dusser Stadt wurden vereisen und uns an an- dieser Stadt verreisen und uns an andere dere Orde begeven, so wille wij nicht desto- Orte begeben würden, so wollen wir trotzminder dem armmutt dusser Stadt, alß S: dem der Armut dieser Stadt, d. h. dem St. Jurgen und dem Pockenhuse, tho samende Jürgen [Hospital] und dem Pockenhaus, insvijff und Zwintich Marck Lubisch geven und gesamt 25 Mark lübisch geben und verehverehrenn.“ 1066 ren.“

Die Kaufmannschaft wurde in diesem Fall nicht mehr bedacht, auch kürzten sie die Gelder zu Gunsten der Hamburger Fürsorge um 50 Prozent. Einzig die Zuwendung für die Antwerpener Armut blieb von einem Ortswechsel unberührt. 1063 Immerhin berichten sie in ihrem Testament, dass sie „an beiden siden (. . . ) Eindusent Kaijsers guldenn Jder gulde tho Zwintich stuuer brabantisch gerechenet ungefehrlich ahn Erffgude und tho brudtschatte hebben“. Dies entsprach einer Summe von ca. 1000 Mark lüb. pro Person. 1064 Außerhalb. 1065 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 12. 6. 1586 [MF: S 9263 D, 255]). 1066 Ebda.

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Zunächst waren die Festsetzungen anscheinend nicht auf den Widerstand des Hamburger Rates gestoßen. Jedenfalls ordnete er zwei Ratsverwandte als Testamentszeugen ab und ließ die Bestimmungen der Eheleute von einem Ratsschreiber verzeichnen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt muss sich Unmut unter den Ratsherren breitgemacht haben. Vielleicht sah der Rat die Gefahr aufkommen, dass die Eheleute aus Hamburg verziehen und mit dem Bedingungseintritt eine für die Hamburger Fürsorge weniger günstige Regelung Anwendung nden könnte. Augenscheinlich wollte der Rat dies verhindern und ließ daher das am 12. Juni 1586 erstellte Testament ergänzen. Der Nachtrag ndet sich unterhalb des ordnungsgemäß erstellten, formgerechten Testaments wieder. Er trägt dieselbe Handschrift wie die ebenfalls auf dem Testament be ndliche Kon rmation des Rates und ist daher vermutlich wie diese ebenfalls am 17. Juli 1586, also einen Monat nach Testamentserstellung, aufgezeichnet worden. „Tho wetende, ob woll Ermelter Testator Ni- „Zur Kenntnisnahme, obwohl der ehrenwerte colaus Ripett vormuge dußer Jegenwerdigen Testator Nicolaus Ripett mit dem vorliegentestaments sich vorbindtlich erklert, de hie den Testament verbindlich erklärt, dass die in engetagene undeschiedtliche Legata ernst- festgesetzten unterschiedlichen Legate nach lich na dem dodtlich vall tho enthrichten, dem Todesfall entrichtet werden sollen, verund sich gleichwoll hie nevest obligirtt, So p ichtet er sich hier zusätzlich, dass er, soferne he uth dußer Stadt vortrecken worde, fern er aus dieser Stadt verziehe, dennoch 25 dath he nit deßo minder de 25 [m] lub de [m] lübisch dem St. Jürgens Hospital und he St. Jurgens Hospitall und dem Pocken- dem Pockenhaus vor seiner Abreise legieren huße legirett vor seiner affriße wolle beta- und bezahlen werde. So hat er dessen ungelen: So heffe he nicht deßto minder, wowol achtet, auch wenn er noch zur [. . . ?] hier in he noch thor [. . . ?][1067] alhir in dußer Stadt dieser Stadt häuslich niedergelassen ist, 25 hußlich vochanet, solche 25 [m] lub. Alß 12 [m] lübisch, das sind 12 [m] 8 [ß] an St. Jür[m] 8 [ß] St. Jurgen eder [sic!] ock 12.[m] gen [und] 1069 12 [m] 8 [ß] lübisch dem Po8 lub dem Pockenhuße ertheihlet, welch gelt ckenhaus zu zahlen, dieses Geld haben Gert summa ock Gert Winßeman als Vorstender Winßeman als Vorsteher des Pockenhauses des Pockenhuße und Otto Kranenberg alß und Otto Kranenberg als Vertreter von St. Verordenter tho St. Jurgen vormog der uth- Jürgen laut der ausgegebenen Quittung auch gegebenen Quitung ahn Ern seben (. . . ) ent- empfangen, (. . . ) daneben bleiben die [tesfangen, und bliven de under legata in eren tamentarischen] Legate ungemindert bestevollkommen werden.“ 1068 hen.“

1067 Unleserlich. 1068 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 12. 6. 1586 [MF: S 9263 D, 255]). 1069 An dieser Stelle steht im Originalnachtrag das Wort„eder“ (oder). Legt man einen Umrechnungskurs von 1 Mark lüb. = 16 Schillingen lüb. zu Grunde, müsste an dieser Stelle stattdessen ein„und“ stehen, um auf eine Summe von 25 Mark lüb. zu gelangen. S. auch Franz Engel, Tabellen, alte Münzen, Maße und Gewichts zum Gebrauch für

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Anders als der Rest des Testaments ist der Nachtrag in der dritten Person verfasst. Hinzukommt, dass er nicht den damaligen Formvorgaben zur Änderung eines Testaments entsprach. 1070 Eine solche Änderung hätte in das bestehende Testament eingebunden werden müssen. Ein bloßer Nachtrag unterhalb der eigentlichen Verfügung war nicht von den Beglaubigungsformeln, Unterschriften und den Siegeln gedeckt. Grundsätzlich galt, dass der Nachtrag bzw. die Änderung eines Testaments in derselben Form wie das zu ändernde Testament zu erfolgen hatte (z. B. Anwesenheit der Testatoren vor dem Rat, Verlesung, Bestätigung, Zeugen) 1071 und man im Nachtrag darauf verweisen musste. Ohne eine ausdrückliche Erwähnung war der Nachtrag ungültig. Dass das Testament trotz dieses Fehlers für rechtsgültig erklärt wurde, spricht dafür, dass es dem Rat darum ging, dem Nachtrag zur Geltung zu verhelfen. Zur Erreichung dieses Ziel setzte er sich offenbar absichtlich über das Stadtrecht hinweg. Nach der veränderten Fassung bekamen die Einrichtungen bei Wegzug aus Hamburg jeweils zwölf Mark lüb. und acht Schillinge und nach Nicolaus Tod weitere zwölf Mark lüb. und acht Schillinge aus dem Legat. Die Veränderung kam ihnen insoweit zugute, als dass sie in jedem Falle spätestens mit Nicolaus' Tod jeweils 25 Mark lüb. beanspruchen konnten. Die Gelder scheinen im Zeitpunkt der Niederschrift des Nachtrags bereits beglichen gewesen zu sein, zumindest wird auf eine entsprechende Quittung Bezug genommen, welche die Zahlung belegen sollte. Beachtlich ist, dass man die zugrunde liegende Zahlungsverp ichtung verzeichnete, obgleich die Verbindlichkeit bereits beglichen wurde. Der Grund dafür ist vermutlich, dass man einem nachträglichen Bestreiten der Obligation zuvorkommen und insbesondere für mögliche Streitigkeiten vor Reichsgerichten vorsorgen wollte, bei denen sich der Rat gegebenenfalls durch die Vorlage der Schriftstücke hätte verteidigen können. Das würde zumindest erklären, weshalb sich der Rat durch die Niederschrift zusätzlich absicherte, obwohl dies einen Mehraufwand für ihn bedeutete. Andere Erklärungen für die Zahlungen und den Nachtrag sind wenig plausibel. Zu denken wäre allenfalls an eine Regelung des Hamburger Rezesses von 1483. Nach Art. 12 bestand für den Fall, dass Wertgegenstände aus der Stadt vererbt wurden,

Archivbenutzer, Rinteln 1965, S. 13 ff.; Fritz Verdenhalven, Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem deutschen Sprachgebiet, Neustadt a. d. Aisch, 1968, S. 17–54. 1070 Dass an einem Teil der gemeinnützigen Vergabung im Fall des Verziehens nicht festgehalten werden sollte, wurde von Anfang an im Testament bedacht. Es liegt also gerade kein Fall einer für gemeinnützige Vergabungen verbotenen nachträglichen Testamentsänderung vor, s. Klefeker IV, S. 377 f. 1071 Die bereits im 16. Jahrhundert gebräuchliche Regel wurde erst 1603 im Stadtrecht schriftlich xiert, s. StR 1603/05 III, 1, 37. Zur Möglichkeit nachträglicher Änderungen s. S. 308 ff.

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eine Verp ichtung der Erben, eine Gebühr an die städtische Kasse zu entrichten. 1072 Diese war auf höchstens 20 Pfennige gedeckelt. Hinter der Regelung stand das Interesse, Güter innerhalb der Stadtmauern zu halten, um insbesondere steuerliche Einnahmen daraus zu erzielen. Nun waren die Ripetts aber noch am Leben und hatten keine Erben. Ob man den Rezess analog anwendete auf den Fall, dass Güter im Zuge eines Umzugs aus der Stadt gebracht wurden, oder ob insoweit eine vergleichbare gewohnheitsrechtliche Regelung existierte, dafür lassen sich in den Quellen keine Anhaltspunkte nden. Fest steht, dass 25 Mark lüb. (= 4800 Pfennige) die Höchstgebühr von 20 Pfennigen um das 240-fache überstiegen. 1073 Eine Analogie scheidet angesichts dieses Missverhältnisses wohl aus. 1074

b. Witwe Sluters letzter Wille? Dass der Hamburger Rat die Umsetzung der erzwungenen testamentarischen Nachträge gewährleisten und Einwendungen ausschließen wollte, zeigt sich unter anderem in der letztwilligen Verfügung der Witwe Sluter aus dem Jahre 1580. 1075 Alleke Sluter hatte gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann Hinrick ein chirographiertes 1076 Ratsherrentestament aufgestellt. Die Ehe der beiden war kinderlos geblieben, doch waren sowohl Alleke als auch Hinrick bei ihrer Eheschließung bereits verwitwet und hatten eigene sowie angenommene Kinder aus früheren Ehen. Außerdem hatte Hinrick mindestens zwei Geschwister. Über Allekes Familie ist nur so viel bekannt, dass sie neben ihren Kindern weitere Verwandtschaft hatte. Die Familien von Hinricks und Allekes Stiefkindern wurden allesamt großzügig bedacht. Hinricks leibliche Neffen wurden mit je 200 Mark „Affgesundert und gescheiden“. Seine Schwester hingegen sollte, „so fern se sich ehrlich und redlich hold“, 1072 S. dazu Trummer, Erbrecht II, S. 332. 1073 Zum Umrechenkurs, vgl. Franz Engel, Tabellen, alte Münzen, Maße und Gewichts zum Gebrauch für Archivbenutzer, Rinteln 1965, S. 13ff.; Fritz Verdenhalven, Alte Maße, Münzen und Gewichte aus dem deutschen Sprachgebiet, Neustadt a. d. Aisch, 1968, S. 17–54. 1074 Zur Methode, s. Schröder, Recht als Wissenschaft, S. 73ff. 1075 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3. 9. 1580 [MF: S 9263 D, 147]). 1076 Zu Deutsch: Teilurkunde /Kerbzettel: Auf einem Papier werden zwei gleichlautende Urkundentexte geschrieben, die mit einem Wort oder Denkspruch voneinander getrennt sind. Durch dieses Wort werden die Urkunden in gerader, meist aber in unregelmäßiger Linie auseinandergeschnitten. Der Echtheitsbeweis ist erbracht, wenn beide Urkunden beigebracht werden können und an der Schnittkante übereinstimmen. In Hamburg wurden mit wenigen Ausnahmen sämtliche Testamente als Chirographum ausgestellt.

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eine lebenslange Rente in Form von Geld und Verp egung erhalten. Jenseits familiärer Legate und Erbeinsetzungen setzten die Eheleute ein weiteres Legat zu Gunsten bedürftiger Seeleute fest, das nach Hinricks Tod fällig werden sollte. Die verbleibende Vermögensmasse, vor allem ein Grundstück mit Haus auf dem Burstah, sollte „de Jennige so van uns beiden, dat lateste levent, beholden“, also dem Überlebenden bis zum Ende seines Lebens zustehen, danach aber „bij mijner Husfruwen negesten Erven unvorhindert bliven“ – also alleine Allekes Erben zufallen. So viel zu den Verfügungen, die Alleke und Hinrick am 3. September 1580 in der Ratsherrenform aufzeichnen ließen. Etwas mehr als drei Wochen später, am 24. September 1580, Hinrick war in der Zwischenzeit verstorben, erschien Alleke zur Testamentseröffnung auf dem Rathaus und das Testament wurde ergänzt: „Hirbij ist tho worten: Nhademe duth Je- „Es ist anzumerken: Nachdem das gegengenwerdige Testament eijnen Erbarn Rhade wärtige Testament dem ehrbaren Rat diedieser Stadt vorbracht Und averst nha ver- ser Stadt vorgelegt und nach seiner Verlelesinge dessulvig befunden, dath dess gemei- sung festgestellt wurde, dass das gemeine nes gudes darinne nicht gedachte, derwe- Gut nicht berücksichtigt war, hat die tugen hefft die dogethsame Aleke, Selig Hin- gendsame Alleke, des seligen Hinrick Slurick Sluters nhagelatene wedwe, durch ehren ters hinterlassene Witwe, durch ihren dazu vorordneten vormunde und Testamentarien, geordneten Vormund und Testamentszeudem ersamen Jurgen Schriwer den elderen, gen, den ehrenwerten Jürgen Schriwer den vor sich und mith Ire nhamen und van we- Älteren, in seinem und mit ihrem Namen gen sijner mithverordneten mithvormunden und mit dem seiner beigeordneten Mitvorund mith Testamentarien eijnen Erbaren münder und zusätzlichen Testamentszeugen Radhe ahnthorgen lathen, dath sie uth wol- dem ehrbaren Rat antragen lassen, dass sie bedachten ewde und guder vorbetrachtinge [die Erblasserin] mit wohlbedachtem Eid dem gemeinen gude wolde legereth hebben und reiflicher Überlegung dem gemeinen viffundtwintich marck lubsch, Alsso und der Gut fünfundzwanzig Mark lübisch legieren gestalt, dad so dane viff und twintich marck wolle, und zwar dergestalt, dass die fünfundstracks nha ohren doedlichen affgange dem zwanzig Mark sofort nach ihrem Tode an gemeinen gude entrichteth werden scholen, das gemeine Gut entrichtet werden sollen. Welches also up und bij duth Testament tho Dies wurde mir, Johan Schröder, Sekretär vorteikenung, mij Johan Schroder Secreta- und Protonotar, vom wohlbedachten, ehrbario und Protonotario, van wolgedachten Er- ren Rat auf dem Testament zu verzeichnen baren Rhadte Ist befohlen worden, Actum befohlen. Verhandelt am 24. September im 24. September Anno 1580.“ 1077 Jahr 1580.“

Laut dem Nachtrag ließ Alleke Sluter ihre frühere Verfügung aus „guder vorbetrachtinge“, also mit Bedacht und aus Überzeugung, ändern, weil bei der Verlesung des Testaments aufgefallen war, dass eine Berücksichtigung zu Gunsten des gemeinen Gutes fehlte. 1077 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3. 9. 1580 [MF: S 9263 D, 147]).

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Ein Blick ins Testament genügt aber, um festzustellen, dass die Eheleute Sluter ausdrücklich „den Sehefarenden Armen einhundert Marck lübisch“ vermacht hatten, die in Form einer jährlichen Rente von 6 Mark lüb. auszubezahlen war. Sie hatten also bereits zu Gunsten gemeinnütziger Zwecke vergeben. Dass acht Menschen – bei der Testamentsergänzung waren mindestens Alleke, ihre vier Vormünder, die beiden Ratsherren und ein Ratsschreiber anwesend – das übersehen konnten, ist merkwürdig, spricht aber für sich genommen nicht per se für eine Ein ussnahme, obwohl die ganze Situation doch recht seltsam erscheint. Wieso brachte Alleke zur Testamentseröffnung die Vormünder mit, die ihr auch schon zur Testamentserstellung zur Seite gestanden hatten? Für eine Testamentseröffnung waren sie nicht notwendig. Zu einer Testamentsänderung hatte sie sie wahrscheinlich ebenfalls nicht bestellt. Zumindest spricht der Wortlaut des Nachtrags davon, dass die „fehlende“ Vermachung, die mit der Testamentsergänzung nachgeholt wurde, erst während der Verlesung aufel. Viel Zeit für „reifliche Überlegungen“ und eine „wohlbedachte“ Entscheidung verblieb Alleke bis zur Änderung daher nicht. Wenn sie das Testament aber tatsächlich ändern wollte, wieso änderte man dann anscheinend nur den einen Teil des Chirographums, obwohl dies beide Urkundenteile angreifbar machte? Und warum beeidete Alleke den Nachtrag? Der moderne Jurist wird sich aber wohl vor allem fragen, ob Alleke nach dem Tode ihres Mannes überhaupt noch befugt war, das gemeinsame Testament zu ändern. Das ursprüngliche Testament wurde in der Form eines Ratsherrentestaments vor zwei dazu abgeordneten Ratsherren von einem Ratsschreiber unter Beachtung aller Solennitäten verzeichnet. Als solches war es ohne Weiteres gültig (StR 1497 K 2). Abschnitt zwei der Regelung StR 1497 K 2 beschäftigt sich mit der Änderungsbefugnis eines Testators beim gemeinsamen Testament: „Worde ock erer jemandes lateste wille myt „Wurde der letzte Wille eines der beiden zu rechte willkrencket, ghewandelt efte wed- Recht[1079] gemindert, abgeändert oder widerropen, dorch orsake des anderen deel derrufen, aus Gründen, die den anderen Teil doch nycht belangende; dat mach des ande- nicht betreffen, so kann das den letzten Wilren lesten wyllen nycht hynderen; id en were len des anderen Teils nicht beeinträchtigen, denne vnmogelyck dat ene sunder dat ander außer es sei unmöglich, das eine ohne das anto vullenbryngende.“ 1078 dere zu erfüllen.“

Dass diese Regelung – obwohl zum Teil bestritten 1080 – auch tatsächlich so gehandhabt wurde, legt unter anderem das im vorherigen Kapitel thematisierte Testament der Eheleute Ripett nahe, in dem ausdrücklich auf die Möglichkeit nachträglicher Änderungen Bezug genommen wird: 1078 StR 1497 K 2 (Übersetzung angelehnt an Eichler, S. 322). 1079 Frank Eichler übersetzt hier „myt rechte“ als „gerichtlich“. S. Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K 2 (Eichler, S. 322). 1080 Gries II, S. 183 mit Verweis auf Müller, Historischjuristischer Tractat (1750), S. 41.

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„Wann averst unser ein ohne Revocation dus- „Wenn aber einer von uns verstirbt, ohne ses unsers samendenn Testaments verster- dass das gemeinsame Testament widerrufen vett, alß denn schall dith Testament In seine wurde, dann soll das Testament [bezüglich krafft und effect gegangen sinn, und de aver- der Verfügung des Verstorbenen] gültig sein blivende volkomene mmacht und gewaltt und Wirkung entfalten, der Nachgelassene hebben, Gernemahls nha sinem gefallen und soll aber vollkommene Macht und Gewalt willen ohne Jemandts Insage darvan tho dis- haben, [über die verbleibenden Güter] nach poneren und tho ordnenn. Ock schall Ein seinem Willen und Gutdünken ohne fremde Erbar, hochweiß Radt dusser Stadt ehres Beein ussung zu disponieren und zu verfüRechtens hiranne Unversumett wesenn.“ 1081 gen. Auch soll der ehrbare, hochweise Rat dieser Stadt [die Testatoren von] ihren Rechten nicht abhalten.“

Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass die hier angeführten Beispiele aus Testamenten entnommen sind, die vom Rat ausdrücklich genehmigt und beglaubigt wurden – bei welchen der Rat sich also dezidiert mit der Form der Testamente auseinandersetzen konnte und sie offensichtlich gebilligt hatte. Eine einseitige Änderung eines gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tode eines der beiden Testatoren war also grundsätzlich zulässig, sofern der letzte Wille des Erstverstorbenen von der neuen Verfügung nicht betroffen war. Es nden sich keine Quellen, die gesichert über Allekes Vermögenslage Auskunft geben. Im Testament verfügen Hinrick und Alleke über mehr als 6600 Mark Kapital, außerdem nennen sie ein Haus in prominenter Lage ihr Eigen. Man darf daher sicherlich davon ausgehen, dass die Sluters nanziell gut aufgestellt waren und eine Verfügung Allekes über 25 Mark lüb. die Umsetzung von Hinricks Erblasserwillen nicht beeinträchtigte. Nach StR 1497 K 2 war es dem überlebenden Ehegatten jedoch nicht erlaubt, das Testament willkürlich abzuändern. Die Erlaubnis war auf solche Fälle beschränkt, in welchen die Änderung „myt rechte“ ins Werk gesetzt wurde. Frank Eichler möchte darin eine „gerichtliche“ Änderung verstanden wissen. 1082 Diese Interpretation scheint mir zu eng gefasst. Näherliegend ist vielmehr, dass Änderungen berechtigt sein, also begründet werden mussten, dann aber durchaus auch ohne Beteiligung des Gerichts (Rates), also ohne Gerichtsbeschluss möglich waren. Dafür spricht nicht nur die einleuchtende These Trummers 1083, der in der Normierung der Änderungs- und Widerrufsmöglichkeiten ohne eine Beteiligung des Rates in 1081 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 11. 6. 1586 [MF: S 9263 D, 255]). 1082 Langenbeck'sche Glosse zu StR 1497 K 2 (Übersetzung Eichler, S. 322). 1083 Trummer, Erbrecht II, S. 481. Anzumerken ist, dass Trummer auf die Regelung des StR 1497 K 2 nicht eingeht. Er geht von einer gewohnheitsrechtlichen Änderungsund Widerrufsmöglichkeit aus, die erst im späteren Stadtrecht von 1603 schriftlich xiert wurde.

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den Statuten von 1603/05 (StR 1603/05 III 1, 37) 1084 eine schriftliche Fixierung bereits anerkannter Prinzipien sah, sondern insbesondere auch zahlreiche frühere Ratsherrentestamente, in welchen die Testatoren formelmäßig ein eigenes Widerrufsrecht beanspruchen. 1085 Des Weiteren spricht für diese Auslegung, dass die große Mehrheit der abändernden oder widerrufenden Testamente eine ausdrückliche Begründung enthält 1086, sowie die Tatsache, dass sich keine auf eine Umgestaltung des Testaments gerichteten Antragsschriften beim Rat nachweisen lassen. Einzig ihr Fehlen wäre für sich genommen zwar noch kein stichhaltiger Nachweis für den Ablauf des Änderungsverfahrens. Im Hinblick auf die überlieferten Archivalien erscheint das Erfordernis einer Begründung aber überzeugender. Allgemein anerkannt war, dass es eines ausdrücklichen Änderungsvorbehalts im Testament bedurfte, um eine Änderung vornehmen zu dürfen. Es stand den Parteien ferner frei, im Vorbehalt die allgemeine Vorschrift abzubedingen, nach der Nachträge grundsätzlich der Form bedurften, in der das Testament verfasst wurde. 1087 Zahlreiche solcher Vorbehalte sind quellenmäßig nachweisbar. Sie lauten beispielsweise: „Solte ich auch dennoch unter meiner eigenen hand auff ein Zettul weiter Verordnung thun und in diesem meinem Testament hineinstecken oder sonsten Zweijen

1084 StR 1603/05 III 1, 37: „Ferner mag ein Jeglicher sein Testament und letzten Willen ändern, mindern, mehren und ganz abthun, so oft er will, ungeachtet er sich eines Anderen verp ichtet hätte, doch gehöret zu solcher Veränderung eben die Zierlichkeit, die in Aufrichtung desselben ist gebraucht worden; er wäre denn Sache, daß Einer wissentlich sein Testament zerreissen oder zerschneiden würde, da denn alsdann durch solche vorsätzliche Zerschneidung, ohne einige fernere Solennität oder Gezeugniß, dasselbige Testament gleichfalls abgethan und getödtet wird“. 1085 Z. B. „[D]ij [Vermachungen] werden blijve So lange, wij dat schrijfftlick effte mündtlick wedderopenn. Ock scalll eijn erbare Radt desser erenrheijken Stat ehres rechtenn hirijnne unvorsümith wesenn“ – „die Vermachungen bleiben bestehen so lange, bis wir sie schriftlich oder mündlich widerrufen. Auch soll der ehrbare Rat dieser ehrenreichen Stadt [die Testatoren] nicht von ihren Rechten abhalten.“ S. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1533 XII 27 (Testament der Schadelanth, Reijneke und Ehefrau Beke vom 27. 12. 1533 [MF: S 9262 D, 505]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1542 (Testament der Wilmszenn, Wilhm und Ehefrau Anneke von 1542 (o. D.) [MF: S 9262 D, 561]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1544 IX 9 (Testament des Schipman, Joachim vom 9. 9. 1544 [MF: S 9262 D, 595]). 1086 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1376 (Testament der Tunderstede, Joh., Notar, und Ehefrau von 1376 (o. D.) [MF: S 9261 D, 809]). 1087 So der später ins Stadtrecht übernommene Wortlaut der Regelung StR 1603/05 III 1, 37.

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Zeugen in Verwarung geben, soll solches eben so woll gelten, als wan es von Wort Zu Wort diesem meinem Testament einverleibet were.“ 1088

Zurück zu Allekes Testamentsnachtrag: Die Ergänzung erfolgte – wie die ursprüngliche Testierung – in der Ratsherrenform. Die Testatoren behielten sich eine Änderungsmöglichkeit vor. Sie legten fest, dass das Testament solange in „krafft (. . . ) sijn und bliven schall, beth wij dathsulve schrifftlich (. . . ) wedderropen“. 1089 Eine Änderung des Testaments hätte also schriftlich erfolgen sollen. Und da das Testament in einer chirographierten Ratsherrenform erstellt worden war, hätten beide Teile des Chirographums geändert werden müssen, das heißt sowohl der dem Testator ausgehändigte als auch der auf dem Rathaus aufbewahrte Urkundenteil. Ob Alleke den bei ihr aufbewahrten Testamentsteil mit zur Testamentseröffnung brachte und dieser ebenfalls abgeändert wurde, ergibt sich nicht aus dem überlieferten Teil. Die äußeren Umstände sprechen gegen einen Nachtrag zu beiden Teilen des Testaments – damit wären beide ungültig geworden. Wahrscheinlich war das den beteiligten Ratsherren bewusst, weshalb sie Alleke die Vergabung beschwören ließen, vermutlich um sie bzw. ihre Erben zur Erfüllung des Nachtrags anzuhalten. Von Rechts wegen war der Eid jedenfalls nicht geboten. 1090 Wegen solch geringer Geldsummen hätte aber wohl aber niemand die Ge1088 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1683 I 18 (Testament des Rentzel, Herman vom 18. 1. 1683 [MF: S 9264 D, 710]); die These wird untermauert von zahlreichen testamentarischen Novellierungen, die ebenfalls nicht in der Form des Ursprungstestaments gehalten sind und bei denen sich der Testator das Recht der Änderung „nicht allein in gedachter disposition offentlich vorbehalten [hatte], Sondern [bei dem die Änderung] auch vormüge der Rechte und dieser Stadt loblichen Statuten erlaubet und freijgelaßen“ war (StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1619 VI (Testament des Caspar von Emersen vom 6.1619 (kein Tag) [MF: S 9264 D, 89]). Ebenso StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29. 9. 1561 [MF: S 9262 D, 672]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1620 VIII 27 (Testament des Johan Penßhorn vom 27.8.1620 [MF: S 9264 D, 127]). 1089 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3. 9. 1580 [MF: S 9263 D, 147]). 1090 In keiner der gesichteten Quellen lässt sich eine ähnliche Eidespraxis nachweisen. Wenn überhaupt auf die Möglichkeit eines Eides zur inhaltlichen Bekräftigung schriftlich niedergelegter Aussagen Bezug genommen wird, dann stehen Schriftstück und Eid nebeneinander. Lediglich im Streitfall solle der Eid neben das Schriftstück treten, ansonsten stehe das Schriftstück anstatt des Eides, z. B.: Diese „Speci cation [erfolgt] an Eijdes stat darüber, unter Meiner eigenhändigen Nahmens Unterschrifft herauß gegeben, si denen New errichteten Pactis dotalibus annectiret, auch erfordernden falß würcklich von Mir beschworen werden soll und kan“, s. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1703 IV 3 (Ehezärter der Eckhoff, Casper und Neijman, Catharina Dorothea vom 3.4.1703 [MF: S 9261 D, 221]).

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fahr eines Meineides auf sich genommen. Denn die Konsequenzen eines Meineides waren schwerwiegend. In einer Stellungnahme, die in einem Reichshofratsverfahren überliefert ist, heißt es dazu: Man solle den Eid fürchten, denn wer „wissentlich falsch und unrecht schwöre, mit betrug umgehe oder eines anderen in seinem Herzen ungewissert und versichert [ließe], als Er Eüsserlich mit Worten vorgebe, [dass derjenige sich] (. . . ) selbst daß strenge Urtheil spreche und der Erschrecklichen Straff sich underwerffe, das dardurch sein Leib und Seel dem heiligen uch undergeben und von gar alß ein Meineijdiger Mensch an dem Jüngsten Tag vor dem gestrengen gericht Gottes Erscheinet an Leib und Seel verdamet seije.“ Strikt sei der Eid einzuhalten, da man „die schwer und gefährlichkeiten, dern man sich solcher gestalt untergibt, forderist billig zu erwegen [habe], (. . . ) ob er (. . . ) eines andern im herzen [trage], alß er mit worten Eässerlich schwören will, (. . . ) [ob er] mit reinen gewissen bethaürn khönne, [das habe der Schwörende zunächst] reifflich beij sich Zuerforschen“. 1091

Auch in anderen Fällen ratsherrlicher Beein ussung wurden die Nachträge zusätzlich abgesichert. Die Palette dieser „Zusatzsicherungen“ ist groß. Sie reichen von Eintragungen in städtische Bücher über die Hinzuziehung einer die gesetzlich geforderte Mindestzahl übersteigenden Anzahl von Testamentszeugen, über Schuld- und Rentenbriefe sowie die sofortige Auszahlung der eigentlich auf den Todesfall verfügten Gelder bis eben zu jenem Eid – einzig notarielle Sicherungen fehlen. 1092 Nur in wenigen Fällen wird explizit auf die Motivation der Testatoren Bezug genommen. Man handelte „[u]ht befehl des Erbahren Raths“ 1093, der offenbar ein Interesse daran hatte, dass die zusätzlich übernommenen Verp ichtungen auch tatsächlich erfüllt werden. Zu diesem Zweck schuf er zusätzliche Beweismittel bzw. weitere Schuldgründe, die, sofern sie nicht für sich eine Verp ichtung des Testators begründeten, jedenfalls geeignet waren, den Beweis über die auf Veranlassung des Rates übernommene Verp ichtung zu erbringen. So „abgesichert“ wurde die Rückgän1091 StA HH, RHR 211-1, Nr. 244, Q 3, Beilage Nr. 5, fol. 1 r. 1092 Exemplarisch: Zusätzliche Buchsicherheit: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr. vom 2.7.1581 [MF: S 9263 D, 123]); Aufstockung /Erzwungene Zahlung: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1589 IX 5 (Testament der Collen, von, Zacharias und Ehefrau Hilleke vom 5.9.1589 [MF: S 9263 D, 317]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1588 VI 22 (Testament des Crambeer, Clawes vom 22. 6. 1588 [MF: S 9263 D, 292]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1580 IX 3 (Testament der Sluter, Hinrick und Ehefrau Alleke vom 3. 9. 1580 [MF: S 9263 D, 147]); Zahlung ohne Sterbefall: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1586 VI 11 (Testament der Ripett, Nicolaus und Ehefrau Magdalena vom 11. 6. 1586 [MF: S 9263 D, 255]). 1093 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VII 2 (Testament des Rheder, Michael, Dr. vom 2. 7. 1581 [MF: S 9263 D, 123]).

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gigmachung oder Änderung der Nachträge schon aus praktischen Gründen enorm erschwert.

3. Der gemeine nutz als Legitimationsgrundlage Im Folgenden soll untersucht werden, wie der Rat die Ein ussnahmen legitimierte. Zunächst seien zwei Beobachtungen vorausgeschickt: Alle Testatoren, auf deren letztwillige Verfügungen der Rat Ein uss nahm, waren vermögend. 1094 Verglichen mit dem Gesamtvermögen der Testatoren sind die nachträglich im Testament festgesetzten Geldsummen als gering einzustufen. Das auf Grund des Hamburger Erbrechts geschützte Familienvermögen blieb also in den untersuchten Fällen trotz der Eingriffe erhalten. Die zweite Bemerkung betrifft die Zielrichtung der Ein ussnahmen. Der Hamburger Rat übte keinen Zwang aus oder beein usste die Erstellung der Testamente, um sich selbst zu bereichern. Ziel der testamentarischen Nachträge war immer die Förderung eines gemeinnützigen Zweckes. Die Frage ist, welche Motivation den Rat dazu antrieb. Der Hamburger Rat begründete in den Urkunden nicht, weshalb er in die auf dem Rathaus niedergelegten Testamente eingriff. Nur am Rande erfahren wir etwas über seine Motivation, meist, wenn er ganz allgemein zu seiner politischen und gesellschaftlichen Position Stellung bezog – zum Beispiel, wenn er durch Hamburger Bürger bzw. bürgerliche Kollegien in eine Rechtfertigungslage gedrängt wurde und durch die Betonung seines gemeinnützigen Engagements seine Stellung zu verbessern hoffte. Der Hamburger Rat führte sein Handeln nicht auf eine rechtliche Grundlage zurück. Er sah sich selbst als eine „vann gott geordneten hochsten (. . . ) Obrigkeit“ 1095, als eine Macht von Gottes Gnaden im Sinne von Röm 13,1. 1096 In diesem Selbstverständnis war seine Handlungslegitimation per se vorhanden und bedurfte keiner 1094 Ob es in anderen Bevölkerungsschichten unüblich war zu testieren, weil es zu teuer war, oder ob man sich anderer Testierformen bediente und die Testamente nicht in den Senat einbrachte, muss hier offenbleiben. 1095 StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 7 Conclusiones, fol. 12 v, s. auch StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. I Lit. Oc No. 6, 44; StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. I Lit. Ob No. 3 Fasc. 1, fol. 229. 1096 Jürgen Bolland, Senat und Bürgerschaft – Über das Verhältnis zwischen Bürger und Stadtregiment im alten Hamburg [Vorträge und Aufsätze, Hrsg. Verein für Hamburgische Geschichte, Heft 7], Hamburg 1954, S. 13; Rainer Postel, Stadtrecht – Burspraken – Rezesse. Elemente der Verfassungsentwicklung im alten Hamburg, in: Lars Jockheck (Hrsg.), Beiträge zur hamburgischen Geschichte der Frühen Neuzeit. Ausgewählte Aufsätze zum 65. Geburtstag [Geschichte, Forschung und Wissenschaft,

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weiteren Legitimation. Bestärkt wurde seine Auffassung durch die lutherische Obrigkeitslehre 1097, gemäß der eine Obrigkeit nur Gott gegenüber rechenschaftsp ichtig war und die Bevölkerung den ratsherrlichen Vorgaben und Befehlen grundsätzlich Folge zu leisten hatte, und zwar auch dann, wenn der Bevölkerung vom Rat zu viel abverlangt wurde. 1098 Fraglich ist, inwieweit die Bevölkerung diese theoretischen Vorgaben in der Praxis mittrug. Zwar haben sich darüber kaum aufschlussreiche (direkte) Zeugnisse erhalten, es mangelt aber nicht an Indizien, die das damalige Verhältnis zwischen Rat und Einwohnerschaft charakterisieren. Mit der Reformation und den Glaubenskon ikten kam es zu einem sprunghaften Bevölkerungsanstieg in Hamburg. 1099 Besonders aus den Niederlanden geohene Protestanten ließen sich im Hamburger Großraum nieder, darunter auch

Bd. 18], Hamburg 2006, S. 135 ff., S. 142; zum bereits früher vorhandenen „sakralen Charakter der Ratsherrschaft“, ebda., S. 136. 1097 S. D. Martin Luthers Werke: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 19, Weimar 1897, S. 652: „Zwar (. . . ) haben wir gehort, wie die unterthan sollen gehorsam sein und auch unrecht leyden von ihren Thyrannen; Das also, wo es recht zu gehet, die öberkeit mit den unterthanen nichts zu schicken hat, denn des rechts, gerichts und urteil p egen. Wo sie sich aber emporen und auf enen, (. . . ) Da ist es recht und billich, widder sie zu kriegen. (. . . ) Doch das auch mit furcht Gotts zugehe und man sich nicht zu trotzig auff recht lasse, auff das nicht Got verhenge, das auch durch unrecht die öberherrn von ihren unterthanen gestrafft werden, wie offt geschehen ist, als wir (. . . ) wol gehort haben. Denn recht sein und recht thun folgen und gehen nicht alle wege miteinander (. . . )“. Wie intensiv die Lehren zur Obrigkeit seit der Reformation in der Bevölkerung verbreitet wurden, belegen Aussagen, wie die des Bürgers Clawes van der Hoye: Er „sy vorhyn syn leuenth lanck ny so vele bolereth wurden van gehorsame der ouericheyt alse durch itzigen pastoren“, zitiert nach Wilhelm Jensen, Das Hamburger Domkapitel und die Reformation, Hamburg 1961, S. 412 (weitere Beispiele S. 388); Postel, Obrigkeitsdenken in Hamburg, S. 168ff. Zur Obrigkeitslehre: Martin Luther, Von weltlichen uberkeit (1523); dazu Martin Honecker, Grundriß der Sozialethik, S. 309 f. 1098 Bugenhagen, Kirchenordnung, S. 29. Ein besonders eindrückliches Beispiel ratsherrlichen Selbstbewusstseins ist der gerne zitierte Ausspruch des Bürgermeisters Diedrich von Holte: „Wenn schon eine Averichheit gottlos, tyrannisch und gitzich is, so gehoret dennoch den Underdanen nich, dat se sick darjegen uplehnen und thowedder setten, sundern scholen datsulve velmehr vor ene Straffe des Allmechtigen, so de Underdanen met erer Sunde verwirket hebben, erkennen“, zitiert nach Nicolaus Adolph Westphalen, Geschichte der Haupt-Grundgesetze der Hamburgischen Verfassung, Bd. 1, Hamburg 1844, S. 165. 1099 Im Vergleich zum beginnenden 16. Jahrhundert verdoppelte sich die Einwohnerzahl ungefähr, s. Heinz Schilling, Die Stadt in der Frühen Neuzeit [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 24], München 2004, S. 4.

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erfolgreiche Fernkaufleute. 1100 Ihr Wissen und ihre Kontakte im Fernhandel setzten neue Impulse und beschleunigten den bereits zuvor angestoßenen Wandel in der Hamburger Wirtschaft. 1101 Der gewinnträchtige Fernhandel blühte auf, wovon eine verhältnismäßig kleine Elite enorm pro tierte. Selbstbewusst forderte sie Mitspracherechte, die jedoch erst eingeräumt wurden, als die von Teilen der verarmten Einwohnerschaft ausgehende Gefahr zu groß wurde und der Rat sich des Rückhalts der Bürgerschaft versichern musste. Mit dem Übergang vom Mittelalter in die Moderne brach eine maßgebliche Stütze des Handels, das Brauereiwesen, ein. 1102 Da ein großer Teil der Hamburger Bevölkerung in diesem Sektor beschäftigt war, zog der Rückgang des Bierhandels eine Verarmungswelle nach sich. 1103 In den ersten zwei Dritteln des 16. Jahrhunderts trat eine gewaltige Teuerungsrate hinzu. 1104 Rainer Postel rechnet in den 1530er Jahren bis zu einem Viertel der hamburgischen Stadtbevölkerung zu den Armen und

1100 Rainer Postel, Asyl und Emigration in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 93 (1997), S. 201ff., S. 205ff., S. 208. 1101 Matthias Asche, Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit. Einleitende Beobachtungen zum Verhältnis von horizontaler und vertikaler Mobilität in der kriegsgeprägten Gesellschaft Alteuropas im 17. Jahrhundert, in: ders. [u. a.] (Hrsg.), Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit, Berlin 2008, S. 11ff., S. 34f. 1102 Zwei maßgebliche Gründe dafür waren nach Wolf Bing [ders., Hamburgs Bierbrauerei vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 14 (1909), S. 209 ff., S. 296 ff.] die Umnutzung der Brauereien zu Wohnhäusern sowie ein überhandnehmender Handel mit Orloffzetteln. Der Zuzug reicher Fernhändler habe, so Wolf Bing, die Nachfrage nach großen repräsentativen Wohnhäusern enorm angekurbelt. Da die Fremden jedoch nicht ohne Weiteres Hausgrundstücke erwerben konnten, habe man einige der großen Brauhäuser kurzerhand umgebaut und vermietet, um die Nachfrage zu befriedigen. Viele dieser ursprünglichen Brauer, aber auch sonstige verarmte Brauer verkauften ihre Orloffzettel, also Zettel zum Ausweis des Rechts, ein Mal brauen zu dürfen, sowie zur Kontrolle der Brauordnung und der Akzise. Sie wurden im großen Stil von einzelnen Brauern aufgekauft, weil die Zettel als eine Art Wertpapier fungierten (die Braugerechtsame selbst waren nur beschränkt übertragbar, durch die Orloffzettel aber als Rente verwertbar). Viele ließen die Orloffzettel zu Wertsteigerung jahrelang liegen mit der Folge, dass insgesamt weniger Bier gebraut werden durfte. Erst als der Rat die Gültigkeit der Orloffzettel auf ein Jahr begrenzte, erholte sich das Brauereigewerbe. Ähnlich auch Christine von Blanckenburg, Die Hanse und ihr Bier – Brauwesen und Bierhandel im hansischen Verkehrsgebiet, Köln [u. a.] 2001, S. 46 ff. 1103 Ernst Christian Schütt, Die Chronik Hamburgs, Gütersloh [u. a.] 1997, S. 102. 1104 Hans-Jürgen Gerhard /Alexander Engel, Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit – Ein Kompendium auf Basis ausgewählter Hamburger Materialien [Studien zu Gewerbe- und Handelsgeschichte, Bd. 26], Stuttgart 2006, S. 20ff.

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Bedürftigen. 1105 Diese Zahl dürfte sich in den folgenden Jahrzehnten noch erhöht haben. Im 80-jährigen Krieg immigrierten weiter massenhaft verarmte Flüchtlinge, mit ihnen Landstreicher und Kriminelle, „vielerleij böse leute (. . . ), [die] ein Zeit lang allda, ohn sich der Stadt verwand zu machen, uff halten und nähren, Zur dankbarkeit aber allerhand böse Räncke außüben“. 1106 Die Stadt konnte die Menschenmassen nicht fassen. Eine große Wohnungsnot war die Folge, die auch durch die seit 1582 errichteten sogenannten Gotteswohnungen 1107 nicht kompensiert werden konnte. Es drohten Aufstände der Unzufriedenen. 1108 Während der gesamten zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die gesellschaftliche Situation innerhalb Hamburgs äußerst angespannt. Die Niederlage der Verbündeten im Schmalkaldischen Krieg hatte die städtischen Finanzen an den Rand des Ruins getrieben. 1109 Um zahlungsfähig zu bleiben, mussten die Steuereinnahmen gesteigert werden. Der Rat war aber verp ichtet, bei Belangen von einiger „Importanz“, zu denen auch die Steuererhebung gehörte, die Bürgerschaft in die Beratungen und die Beschlussfassung einzubeziehen. 1110 Da der Rat jedoch die Finanzverwaltung geheim hielt, regte sich Widerstand in der Bürgerschaft. Man warf den Rats- und Kämmereiherren Misswirtschaft sowie Untreue vor und verweigerte die Zustimmung zur Erhebung der Abgaben, bis der Rat die gesamte Finanzverwaltung an die Bürgerschaft übertrage. 1111 Die Übergabe erfolgte 1563. 1112 Die Ratsmitglieder mussten taktisch vorgehen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, Revolten zu provozieren und abgesetzt, vertrieben oder gar umgebracht zu werden. 1113 Sie schienen sich darüber bewusst gewesen zu sein, dass ihre obrigkeit1105 Rainer Postel, Sozialgeschichtliche Folgewirkungen der Reformation in Hamburg, in: Wenzel Lohff (Hrsg.), 450 Jahre Reformation in Hamburg. Eine Festschrift, Hamburg 1980, S. 63ff., S. 65; Postel, Motive städtischer Reformation, S. 24. 1106 Hier bezogen auf die Einwanderungen im Zuge des Dreißigjährigen Krieges, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 26, Q 8, fol. 1 r. 1107 Zu den Ende des 16. Jahrhunderts errichteten Gotteswohnungen s. Carl Hieronymus Wilhelm Sillem, Bürgermeister-Joachim-vom Kampe- und Nicolaus-van den Wouwer-Gotteswohnungen in Hamburg 1582 bis 1907, Hamburg 1907. 1108 Postel, Reformation und Gegenreformation, S. 200. 1109 Bohnsack, Finanzverwaltung, S. 31. 1110 Böhme, Frankfurt und Hamburg, S. 87. 1111 Zur häu g wiederholten Kritik am ratsherrlichen Finanzgebaren s. Rainer Postel, Kirchlicher und weltlicher Fiskus in norddeutschen Städten am Beginn der Neuzeit, in: Michael Stolleis (Hrsg.), Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt [Städteforschung. Reihe A: Darstellungen, Bd. 31], Köln/Wien 1991, S. 91ff., S. 95, S. 103. 1112 Postel, Reformation und Gegenreformation, S. 222; Postel, Stadtrecht – Burspraken – Rezesse, S. 144. 1113 Bereits 100 Jahre zuvor (1483) war es schon einmal zu größeren wirtschaftlich motivierten Aufständen gekommen, an denen nicht nur die Bürgerschaft, sondern auch

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liche Machtposition nicht nur von ihrer biblischen Legitimation und ihrer Selbstwahrnehmung abhing, sondern ebenso von der Loyalität und Akzeptanz durch die Hamburger Einwohnerschaft. 1114 Der Rat zeigte sich daher grundsätzlich kompromissbereit 1115 und engagierte sich für die Belange der unteren Bevölkerungsschichten, wenn es ihm ohne größeren Aufwand möglich war. Dabei hat er sich neben seinem machtambitionierten Handeln gewiss auch von christlichem Gedankengut leiten lassen, welches das gemeinnützige Liebesgebot als ein „genuin kommunales Anliegen“ 1116 betrachtete. Vermutlich trieben ihn aber mehr egoistische Motive des Machterhalts als die soziale Nächstenliebe. 1117 Nach außen hin vertrat er jedenfalls bürgerliche Forderungen nach kommunalen Grundwerten wie Gemeinnutz, Gerechtigkeit, Ehre, Einigkeit und Stadtfrieden. 1118

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mittlere Bevölkerungsschichten beteiligt waren, s. Postel, Stadtrecht – Burspraken – Rezesse, S. 141. Die Wut der Aufständischen entlud sich gewaltsam. Hermann Langenbeck berichtete später, dass der Mob einen Ratsherren zunächst angegriffen und ihn anschließend gezwungen habe, blutverschmiert durch die Straßen zu ziehen, was einer ungeheuren Demütigung gleichkam, s. Johann Martin Lappenberg, Hamburgische Chroniken in niedersächsischer Sprache, Hamburg 1861, S. 351; Jürgen Bolland, Senat und Bürgerschaft – Über das Verhältnis zwischen Bürger und Stadtregiment im Alten Hamburg [Vorträge und Aufsätze, Hrsg. Verein für Hamburgische Geschichte, Heft 7], Hamburg 1954, S. 9 f. Postel, Obrigkeitsdenken in Hamburg, S. 157. Am deutlichsten wird dies in den zahlreichen Rezessen sichtbar. Schon an der Wahl eines Rezesses (vertragliche Einigung) als Befriedungsmittel lässt sich ablesen, dass der Rat trotz seines obrigkeitlichen Gebarens nicht gegen die Bürgerschaft agierte. Eine nähere Beschäftigung mit den „zur geläu gen Praxis vorabsolutistischer Gesetzgebung“ gehörenden Rezessen, insbesondere ihren Auswirkungen auf die städtische Rechtspraxis, fehlt aber bislang. S. Rainer Postel, Reformation und bürgerliche Mitsprache in Hamburg, in: Lars Jockheck (Hrsg.), Beiträge zur hamburgischen Geschichte der Frühen Neuzeit [Geschichte. Forschung und Wissenschaft, Bd. 18], Hamburg 2006, S. 45ff., S. 48 f.; Postel, Stadtrecht – Burspraken – Rezesse, S. 139ff. Rainer Postel, Sozialstruktur und kommunales Bewußtsein in frühneuzeitlichen Städten, in: Lars Jockheck (Hrsg.), Beiträge zur hamburgischen Geschichte der Frühen Neuzeit [Geschichte. Forschung und Wissenschaft, Bd. 18], Hamburg 2006, S. 103ff., S. 107. Die Instrumentalisierung der städtischen Fürsorge zur Verfolgung eigener Ziele ist ein häu g anzutreffendes Phänomen. S. Postel, Obrigkeitsdenken in Hamburg, S. 157. Weiterführend dazu: Francis F. Piven /Richard A. Cloward, Regulierung der Armut. Die Politik der öffentlichen Wohlfahrt, New York 1971, S. 81ff.; Martin Dinges, Frühneuzeitliche Armenfürsorge als Sozialdisziplinierung? Probleme mit einem Konzept, in: Geschichte und Gesellschaft, 17 (1991), S. 5ff. Noch in jüngerer Zeit lassen sich soziale Zugeständnisse zur Abwendung sozialer Unruhen nachweisen. Hans-Ulrich Wehler (Das Deutsche Kaiserreich: 1871–1918, Au . 7, Göttingen 1994, S. 136) zählt hierzu beispielsweise die Einführung der Sozialversicherung im 19. Jahrhundert. Postel, Sozialstruktur und kommunales Bewußtsein, S. 106.

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Damit stellte er eine gemeinsame Linie mit der Einwohnerschaft heraus. Zusätzlich integrierte er die bürgerlichen Kollegien zunehmend in das politische Geschäft. Schon während der Reformation 1529 hatte sich der Hamburger Rat die sogenannten Gotteskästen, ein in Hamburg aber auch in anderen lutherischen Städten eingeführtes Sozialsystem 1119, zunutze gemacht, um den „sozialen Frieden“ und „politische(..) Stabilisierung“ zu gewährleisten. 1120 Der Rat hatte den Gotteskästen katholische Kirchengüter, Hospitäler und Bürgerstiftungen zukommen lassen. 1121 Damit band er einerseits die bürgerlichen Kollegien, die die Kästen verwalteten, an den Rat, andererseits versuchte er die Finanzmittel des städtischen Sozialsystems zu erhöhen, um eine bessere Versorgung der Bedürftigen zu gewährleisten. 1122 Die Gotteskästen avancierten zu einem „wichtigen Instrument der sozialen Kontrolle“. 1123 Da der Rat aber weder für die städtische Finanzverwaltung, die in den Händen der Bürgerschaft lag, noch für die Gotteskästen der Kirchenspiele verantwortlich war, konnte er die städtische Finanzsituation nur durch Steuererhöhungen und sonstige Einnahmen verbessern. Hier sind die testamentarischen Ein ussnahmen zu verorten. Denn auch wenn die einzelnen Vergabungen nicht besonders hoch waren, konnten sie in der Masse das städtische Sozialsystem stützen. Die Förderung des gemeinen Nutzens hielt die innenpolitische Lage Hamburgs ruhig und half dem Rat indirekt, seine Macht zu sichern. Freilich wird auch die religiöse Komponente gemeinnütziger Vergabungen eine Rolle gespielt haben. Ausschlaggebend war sie vermutlich nicht. Denn es ließe sich schwerlich erklären, weshalb die nachweisbaren Ein ussnahmen und das Pietätsgefühl des Rates ausgerechnet auf das schwer krisengeschüttelte letzte Drittel des 16. Jahrhunderts beschränkt gewesen sein sollten. Die Motivation seines Handelns lag wohl eher in ratsherrlichen Machtbestrebungen und der Angst vor Machtverlust. Dafür spricht außerdem auch, dass die (angeblich) fehlenden gemeinnützigen Ver-

1119 Friedrich Battenberg, Obrigkeitliche Sozialpolitik und Gesetzgebung. Einige Gedanken zu mittelrheinischen Bettel- und Almosenordnungen des 16. Jahrhunderts, in: ZHF 18 (1991), S. 33 ff., S. 39 f. 1120 Postel, Reformation und Gegenreformation, S. 199f.; zur Armenfürsorge als politischem Faktor in der Stadt: Olaf Mörke, Daseinsvorsorge in Städten der niederländischen Republik. Bemerkungen zur Persistenz des alteuropäischen Gemeindekorporatismus, in: Peter Johanek (Hrsg.), Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 [Städteforschung: Reihe A, Darstellungen, Bd. 50], Köln [u. a.] 2000, S. 125ff., S. 135. 1121 Postel, Reformation und Gegenreformation, S. 199. 1122 Ebda., S. 199f. 1123 Ebda., S. 200; zur Instrumentalisierung städtischer Sozialfürsorge: Dietrich W. Poeck, Wohltat und Legitimation, in: Peter Johanek (Hrsg.), Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 [Städteforschung: Reihe A, Darstellungen, Bd. 50], Köln [u. a.] 2000, S. 1 ff., S. 6.

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machungen, mit denen der Rat seine Ein ussnahmen begründete, nicht thematisiert wurden, wenn im Testament der Rat anstatt des gemeinen Gutes bedacht wurde. 1124 Das zeitgleiche Auftreten von enormen Engpässen im Hamburger Finanzwesen, einer sehr angespannten gesellschaftlichen Stimmung und den quellenmäßig belegbaren Ein ussnahmen in ratsherrlich erstellte Urkunden sprechen jedenfalls deutlich für machtorientierte Beweggründe des Rates.

II. Gegenwehr – die Etablierung einer kaiserlichen Institution Stauffacher: Die andern Völker tragen fremdes Joch, Sie haben sich dem Sieger unterworfen. (. . . ) Doch wir, der alten Schweitzer ächter Stamm, Wir haben stets die Freiheit uns bewahrt. Nicht unter Fürsten bogen wir das Knie, Freiwillig wählten wir den Schirm der Kaiser. Rösselmann: Frei wählten wir des Reiches Schutz und Schirm. (Friedrich Schiller, Wilhelm Tell, Zweiter Aufzug)

Spätestens seit dem 16. Jahrhundert kann von einer relativen Vergabungsfreiheit im Hamburger Stadtrecht ausgegangen werden, denn es war Erblassern erlaubt, frei über ihre Errungenschaftsgüter zu verfügen. Diese Freiheit wurde jedoch durch zunehmende Ein ussnahme des Rates torpediert. Solche Ein ussnahmen fallen in auffälliger Weise mit der innenpolitischen Krise in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zusammen und sind höchstwahrscheinlich durch den Versuch des Rates, seine eigene Macht zu sichern, motiviert gewesen. Denn mit Hilfe der privaten Gelder sollten das städtische Sozialsystem stabilisiert und Aufstände der Bevölkerung verhindert werden. Im Folgenden soll nun der Bogen zurück zum Notariat und der freiheitswahrenden Funktion notarieller Urkunden geschlagen werden, die letztendlich auch ausschlaggebend dafür war, dass sich das kaiserliche Notariatswesen in Hamburg etablieren konnte. Das Kapitel ist in drei Abschnitte untergliedert: Zunächst wird gezeigt, dass die Bevölkerung, die nur bedingt Willens war, die Geldbeschaffungsmaßnahmen des Rates mitzutragen, zumindest theoretisch durch Umgehung der Ratsschreiberei und dem Ausweichen auf das kaiserliche Notariat ihr partiell freies Vergabungsrecht hätte erfolgreich verteidigen können. Im zweiten Abschnitt wird plausibel 1124 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 I 24 (Testament der Schulte, Marten und Ehefrau Elisabeth vom 24. 1. 1581 [MF: S 9263 D, 169]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1582 IX 17 (Testament der Balhorn, Jacob und Ehefrau Margareta vom 17. 9. 1582 [MF: S 9263 D, 200]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1584 IX 20 (Testament des Bremer, Herman vom 20.9.1584 [MF: S 9263 D, 214]).

Gegenwehr – die Etablierung einer kaiserlichen Institution

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gemacht, dass die Bevölkerung diese Möglichkeit auch tatsächlich wahrnahm. Denn das kaiserliche Notariat etablierte sich zu der Zeit, zu der sich die ratsherrlichen Einussnahmen nachweisen lassen. Der dritte und letzte Teil des Kapitels ist der Frage gewidmet, wer die freiheitswahrende Funktion notarieller Urkunden entdeckte bzw. sie sich als Erster zunutze machte.

1. Die freiheitswahrende Funktion notarieller Urkunden Die Regeln des Christenthums und einer gesunden Moral lehren, daß, wer sich seiner Rechtlichen Freijheit bedienet, niemanden Unrecht thue. (StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Exceptiones)

Wenn frühneuzeitliche Testatoren die Erstellung eines notariellen Testaments begründeten, so stützten sie sich für gewöhnlich darauf, dass sie die notarielle Urkundenform für die „aller beste(..), bestendigste(. . . ) form und gestalt [hielten, die] (. . . ) in allen Rechten, Geistlich und weltlichen und ock nha gewonheit, allerbest, krafft, macht und bestandt“ 1125 habe. Neben dieser Begründung ndet sich in den untersuchten Quellen eine weitere, die interessante Einblicke in die Motivationslage der Urkundenverwender gewährt. Man habe, so liest man dort, auf notarielle Urkunden zurückgegriffen, weil man „Vrijen willen[s] unde sonder Inductir von Jemanden“ handeln wolle, so, wie man es im Zeitpunkt der Urkundenerstellung für richtig be nde – „als zu Zeijden goetgenonden te makene geleget sij“. 1126 Um sich vor Ein ussnahmen zu schützen, griffen die Testatoren auf die Dienste kaiserlicher Notare zurück. Sie wollten anscheinend, im Jhering'schen Sinne, mit Hilfe der notariellen Urkundenform ihre Vergabungsfreiheit verteidigen. Dass diese Möglichkeit auch tatsächlich bestand, ist maßgeblich auf zwei Gründe zurückzuführen: die Zuordnung des kaiserlichen Notariats zu den kaiserlichen Reservatrechten sowie die Erstellung der Instrumente ohne Kenntnisnahme (und damit auch ohne Ein ussnahme) des Hamburger Rates. Das kaiserliche Reservat war die Basis der freiheitswahrenden Funktion notarieller Urkunden. Denn der Kaiser hatte die des-Wirkung notarieller Schriftstücke, die von einem glaubwürdigen Notar unter Einhaltung der erforderlichen Förmlichkei-

1125 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23. 6. 1581 [MF: S 9263 D, 180]). S. z. B. auch StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29.9.1561 [MF: S 9262 D, 672]). 1126 StA HH, RKG 211-2, Nr. G 20, Q 34 Extract Thomaßen von Geer undt Burtgens seiner Haußfrau uffgerichten reciproci testamenti, fol. 2 r.

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ten erstellt worden waren, verbindlich im Reichsrecht festgelegt. 1127 Der Rat konnte also weder die notarielle Urkundenform grundsätzlich verbieten noch die Wirksamkeit der notariellen Testamente von weiteren Voraussetzungen abhängig machen, wie etwa dem Erfordernis gemeinnütziger Zuwendungen oder der Verp ichtung, notarielle Testamente in den Rat einzubringen bzw. sie vom Rat beglaubigen zu lassen. Aber selbst wenn formgerecht erstellten Urkunden kaiserlicher Notare innerhalb der Stadt ihre Glaubwürdigkeit versagt wurde, wurden solche Hamburger Regelungen vor den Reichsgerichten nicht angewendet. Wer also eine im Hamburger Recht vorgesehene Beurkundung durch Ratsschreiber (und die damit verbundene Ein ussnahmemöglichkeit des Rates) umgehen wollte, war nur an das Reichsrecht gebunden und konnte für Beurkundungen aller Art jederzeit auf das kaiserliche Notariatswesen zurückgreifen. Es ist daher kaum verwunderlich, wenn eine Streitpartei dem Rat selbstbewusst erklärt, dass ihm eine Missachtung der Kaiserrechte nicht helfe, weil „doch krafft der kaij. (. . . ) Ordnungen (. . . ) ei- „doch durch die Geltungskraft der kaiserlinem Jedern kaij. Chammergerichts Notarien chen Ordnung den von kaiserlichen, beim (. . . ) seines uffgerichten gewerbs und Execu- Reichskammergericht immatrikulierten Notion geglaubt und für Ehrbar bis das Con- taren aufgestellten Schriftstücken und Exetrarium beweist gehalltenn würdet, darbeij es kutionen Glauben geschenkt wird, bis der auch die Bürgermeister und Rath unangese- Beweis des Gegenteils geführt wurde, daran hen Irer vermeinten privatischen verdechti- sind auch die Bürgermeister und der Rat gen Convention un umgestossenn wol bleij- gebunden unabhängig vom Bestehen abweiben lassen müssen“. 1128 chender innerstädtischer Regelungen“.

Ein weiterer Grund dafür, dass man mit Hilfe des kaiserlichen Notariats ratsherrlicher Ein ussnahme wirksam entgegentreten konnte, lag darin, dass notarielle Instrumente außerhalb des Rates erstellt wurden. Außerdem gewährleistete die Niederschrift des Urkundeninhaltes zu Protokoll des Notars, dass ein den Interessen des partikularen Machthabers zuwiderlaufendes Instrument nicht einfach von diesem kassiert bzw. in einem solchen Falle wieder rekonstruiert werden konnte. Und nicht zuletzt schützte die Möglichkeit der privaten Urkundenarchivierung vor der Gefahr nachträglich erzwungener Änderungen.

1127 Zur Zuordnung des Notariats zu den kaiserlichen Reservatrechten s. S. 235 ff.; zur Person des Notars s. S. 194 ff.; zu den Voraussetzungen einer ordentlichen Beurkundung s. S. 151 ff. 1128 StA HH, RKG 211-2, Nr. M 17, Q 4 Replicae, fol. 11 r.

Gegenwehr – die Etablierung einer kaiserlichen Institution

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2. Anfänge des kaiserlichen Notariats in Hamburg Rekonstruiert man die Anfänge des kaiserlichen Notariatswesens in den Hamburger Archivalien, dann spricht einiges dafür, dass der maßgebliche Grund für die Etablierung des kaiserlichen Notariats auf hamburgischem Boden in der freiheitswahrenden Funktion seiner Urkunden lag. Im Folgenden soll diese These durch die Darstellung der hochmittelalterlichen Anfänge und der Entwicklung des kaiserlichen Notariats in Hamburg bis ins 17. Jahrhundert plausibel gemacht werden. Die erste nachweisbare notarielle Urkunde, die von einem notarius publicus imperiali auctoritate ausgefertigt wurde, ist auf den 27.3. 1285 datiert. 1129 Damit treten kaiserliche Notare in Hamburg etwa zeitgleich mit den ersten kaiserlichen Notaren auf dem übrigen Gebiet des heutigen Deutschlands auf 1130, genau genommen sogar nur sechs Jahre nach dem ersten überlieferten öffentlichen Notar auf dem Gebiet der rheinischen Erzbistümer, wo nach Franz Dorn „die Rezeption des Notariats nach italienischem Vorbild in Deutschland (. . . ) [ihren] Anfang“ 1131 genommen haben soll. Aber auch vor 1285 sind diverse Schreiber, die sich selbst als „notarius“ bezeichnen, im Hamburger Urkundenbuch zu nden. 1132 Für diese „Notare“ lässt sich aber nicht feststellen, ob sie vom Kaiser oder einem seiner Stellvertreter zum notarius publicus ernannt wurden und in dieser Funktion Urkunden ausfertigten.

1129 HH UB I, Nr. 814 (vom 27. 3. 1285). 1130 Auch im sonstigen Norden des Reiches lassen sich die Instrumente in dieser Zeit erstmals nachweisen. Die erste notarielle Urkunde in Schleswig-Holstein und Mecklenburg ist nach Werner Schubert (ders., Zur Geschichte des Notariats in SchleswigHolstein und Mecklenburg-Vorpommern, in: Mathias Schmoeckel/Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zu Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 598ff., S. 591) auf das Jahr 1283 datiert. 1131 Franz Dorn (ders., Zur Geschichte des Notariats in den Rheinischen Kurfürstentümern, in: Mathias Schmoeckel /Werner Schubert (Hrsg.), Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512 [Rheinische Schriften zu Rechtsgeschichte, Bd. 17], Baden-Baden 2012, S. 419ff., S. 419) nennt ein auf 1279 datiertes notarielles Schriftstück aus Köln als die erste nachweisbare Urkunde kaiserlicher Notare auf dem heutigen deutschen Staatsgebiet. Auch Schuler (ders., Südwestdeutsches Notariat, S. 39 ff.) sieht die Anfänge im Kölner Raum. Im deutschsprachigen Raum außerhalb der heutigen deutschen Grenzen werden die Anfänge noch früher ausgemacht, s. dazu Schmoeckel, Reichsnotariatsordnung von 1512, S. 30f. m. w. N. 1132 HH UB I, Nr. 228 (vom 12. 7. 1164); Nr. 238 (vom 8.8.1170); Nr. 284 (vom 21.3.1189); Nr. 430 (von 1219); Nr. 773 (vom 30. 8.1277); Nr. 797 (vom 23.3.1282).

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Freiheitswahrung

Seit dem späten 13. Jahrhundert sind Urkunden kaiserlicher Notare kontinuierlich nachweisbar. 1133 Überliefert ist jedoch nur der urkundliche Wortlaut in den Hamburger Urkundenbüchern. Über den Kontext, also ihren Verwendungszusammenhang, lassen sich mangels aussagekräftiger Quellen bis ins 16. Jahrhundert kaum Aussagen treffen. Auffällig ist aber, dass, gesamt gesehen, zunächst nur verhältnismäßig wenige Notare und notarielle Urkunden nachweisbar sind. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts scheint das Notariatswesen eher eine Randerscheinung in Hamburg gewesen zu sein. Erst für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts nimmt die Zahl von Notaren rasant zu, nachdem sie in der ersten Hälfte völlig von der Bild äche verschwunden zu sein scheinen. 1134 Am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit, also etwa parallel zur ersten Erwähnung kaiserlicher Notare im Reichsrecht, brechen die Überlieferungen ab. Die Lücke dauert von 1502 bis in das Jahr 1533. Noch im Jahr 1501 können sechs kaiserliche Notare erstmals in den Quellen belegt werden. 1135 Danach fehlen Hinweise. Erst 1534 tritt der notarius publicus kaiserlicher Prägung erneut in Erscheinung. 1136 Die Quellen schweigen zu diesem Phänomen. Es lässt sich jedoch recht plausibel mit der Gesamtüberlieferungslage im Hamburger Staatsarchiv erklären. Denn wegen des Archivbrands im 19. Jahrhundert lassen sich Notare fast aus-

1133 Schiedssprüche: z. B. HH UB I, Nr. 332 (vom 23.3.1315); Nr. 314 (vom 10.7.1314); Nr. 315 (vom 13. 7. 1314); Nr. 317 (vom 2. 9. 1314); notarielle Beglaubigung: HH UB I Nr. 327 (vom 3. 1. 1315); Testamente: z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1386 VII (Testament des Brunes, Nicolaus vom Juli 1386 [MF: S 9261 D, 843]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1334 I 16 (Testament des Wismaria, de, Hinricus vom 16. 1. 1334 [MF: S 9261 D, 701]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1350 II 12 (Testament des Stadis, de, Willekinus vom 12.2.1350 [MF: S 9261 D, 742]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1367 VII 31 (Testament der Tunderstede, Joh., Notar, und Ehefrau vom 31.7.1367 [MF: S 9261 D, 781]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1376 (Testament der Tunderstede, Joh., Notar, und Ehefrau von 1376 (o. D.) [MF: S 9261 D, 809]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1403 I 16 (Testament des Vritze, Johannes vom 16.1.1403 [MF: S 9261 D, 933]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1460 III 1 (Testament des Wichman, Theodericus vom 1.3.1460 [MF: S 9262 D, 183]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1424 IV 7 (Testament des Mund, Johannes vom 7.4. 1424 [MF: S 9262 D, 88]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1457 VI 15 (Werijn, Heyne vom 15. 6. 1457 [MF: S 9262 D, 177]). 1134 S. Auflistung der in Hamburg tätigen Notare von 1500 bis 1700 im Anhang. 1135 1501: Meijnhardus Barenkamp (StA HH, RKG 211-2, Nr. S 13); Joachim Litzemann (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 1a); Joh. Mathi(as) (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 1a); Wilkinus Meijhoff (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 1a); Johannes Parper (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 1a); Nicolaus Tornow (StA HH, RKG 211-2, Nr. B 1a). 1136 1534: Hermandus Schroder (StA HH, RKG 211-2, Nr. E 37); Joachim Tijde (StA HH, RKG 211-2, Nr. E 37).

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schließlich in den Reichskammergerichtsakten nachweisen. 1137 Der Rechtszug an das Reichskammergericht war aber bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in Hamburg äußerst selten. Der Grund hierfür ist, dass der Hamburger Rat versuchte, den Zug an außerhamburgische Gerichte kategorisch zu unterbinden. Durch das 1495 neu geschaffene Reichskammergericht sah er offensichtlich seine bis dato „unbegrenzte Justizhoheit“ 1138 in Gefahr, weshalb er sich bemühte, sein zuletzt 1421 von Kaiser Sigismund bestätigtes Gerichtsstandsprivileg 1139 zu erneuern, was ihm allerdings erst unter Karl V. und nur für Teilbereiche gelang. Das stadtrechtliche Verbot 1140, sich in Rechtsstreitigkeiten, die auf der Basis Hamburger Rechts entschieden worden waren, an außerhamburgische Gerichte zu wenden, wurde offenbar missachtet. 1141 Vermutlich versuchte der Hamburger Rat, die Untergrabung seiner Autonomie gewaltsam zu verhindern, indem er kurzerhand gegen Notare, die die kammergerichtlichen Schriftstücke insinuieren mussten, vorging. 1142 Die Unterdrückung des Notariats könnte sich jedenfalls als eine ef ziente Methode erwiesen haben, die Insinuation der Klageschrift und damit das reichskammergerichtliche Verfahren selbst zu behindern. Für diesen Zusammenhang sprechen die wenigen reichskammergerichtlichen Prozesse mit „hamburgischer“ Beteiligung, die zwischen 1502 und 1533 geführt wurden. Nur sechs davon weisen Hamburger Vorinstanzen auf 1143, die sieben anderen nicht (die Prozesse wurden entweder direkt am Reichskam-

1137 So zum Beispiel ganz überwiegend bei der Insinuation reichskammergerichtlicher Klagen. Kammergerichtsboten traten hier nur sehr selten in Erscheinung, s. StA HH, RKG 211-2, Nr. K 49, Q 2 Citatio, fol. 4 r; RKG 211-2, Nr. B 131, Beständige und Wohlerhebliche Replicae, Beilagen Num: 19/Num: 20; RKG 211-2, Nr. G 28 Teil 1, Q 2 Citatio, fol. 5 v–6 v. 1138 Reincke, Große Hamburger Juristen, S. 13. 1139 Friedrich Battenberg, Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige bis zum Jahr 1451, Tb. 2 [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 12, Tb. 2], Köln 1983, Nr. 1247 (S. 665f.). 1140 Ordeelbook, Einleitung vor Art. I, 4 (Eichler, Ordeelbook, S. 76); diese Regelung wurde auch in den Burspraken aufgenommen, s. Hamburgische Burspraken 1346 bis 1594, mit Nachträgen bis 1699, 2 Teile, ed. Bolland [Veröffentlichungen des Staatsarchivs der Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 6, Teile 1–2], Hamburg 1960, T. 2, S. 60 (23, 1: 1448), S. 132 (57, 25: nach 1469), S. 404 (139, 52: 1567), S. 498 (145, 48: 1594). 1141 Reincke, Große Hamburger Juristen, S. 13; s. auch Eichler, Einleitung zur Edition, in: Langenbeck'sche Glosse, ed. Eichler, S. 1. 1142 Auch später lassen sich solche Versuche nachweisen, z. B. Protokollbuch des Johann Schröder, StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. 1 Lit. Oc No. 9 ex Lit Oc f. 55, Protokolleintrag Nr. 1 (vom 13. 8. 1550). Dazu auch S. 261 ff. 1143 StA HH, RKG 211-2, Nr. J 16 (RKG-Prozess: 1531–1534); StA HH, RKG 211-2, Nr. M 16 (RKG-Prozess: 1533–1534); StA HH, RKG 211-2, Nr. B 1a (RKG-Prozess: 1501–1510); StA HH, RKG 211-2, Nr. R 12 (RKG-Prozess: 1526–1532); StA HH,

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Freiheitswahrung

mergericht eingereicht oder die vorhergehenden Instanzen waren keine hamburgischen). 1144 Der Rat hatte in diesen Fällen offenbar keine Möglichkeit, die Anrufung des Reichskammergerichts zu verhindern. Seit von 1533 an Notare wieder in Hamburg nachweisbar sind, nehmen auch die Reichskammergerichtsprozesse deutlich zu. 1145 Noch war die Anzahl der Notare jedoch gering. Bis zu den ersten Ein ussnahmen des Rates in die Testamente während der 1580er und 1590er Jahre, also über einen Zeitraum von ca. 50 Jahren, lassen sich gerade einmal 19 kaiserliche Notare in den untersuchten hamburgischen Urkunden nachweisen (sechs weitere waren es zu Beginn des 16. Jahrhunderts). 1146 Erst mit den Ein ussnahmen des Rates steigt die Zahl der Notare auffällig. Innerhalb der folgenden zwei Jahrzehnte werden 23 hamburgische Notare erstmals in den ausgewerteten Quellen erwähnt, also nur zwei weniger als in den 80 Jahren zuvor. Ähnlich rasant bleibt die Zunahme auch im folgenden 17. Jahrhundert. Es lassen sich 95 „neue“ Notare nachweisen. Im Vergleich zu den 48 des 16. Jahrhunderts hat sich ihre Anzahl also immerhin knapp verdoppelt. 1147 Die auf den ersten Blick enorme Steigerungsrate muss allerdings im Kontext der Bevölkerungszahlen gesehen werden. Schätzungen über die Bevölkerungsentwicklung in der Frühen Neuzeit sind enorm schwierig. Häu g lassen sich solche Zahlen nur anhand von Steuerlisten und

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RKG 211-2, Nr. B 6 (RKG-Prozess: 1511–1522); StA HH, RKG 211-2, Nr. B 84 (RKG-Prozess: 1523–1526). StA HH, RKG 211-2, Nr. T 1 (RKG-Prozess: 1512–1517); StA HH, RKG 211-2, Nr. L 45d (RKG-Prozess: 1516); StA HH, RKG 211-2, Nr. L 15 (RKG-Prozess: 1498–1512); StA HH, RKG 211-2, Nr. R 26 (RKG-Prozess: 1527–1532); StA HH, RKG 211-2, Nr. F 31 (RKG-Prozess: 1511); StA HH, RKG 211-2, Nr. H 14 (RKG-Prozess: 1529–1559); StA HH, RKG 211-2, Nr. H 15 (1530–1531). Dass sich die Prozessakten trotz fehlender Hamburger Vorinstanzen im Hamburger Staatsarchiv nden, erklärt sich daraus, dass eine Verbindung der Streitparteien zum hamburgischen Gebiet besteht, weshalb die Akten, die provenienzgebunden aufgeteilt wurden, bei der Auflösung der reichskammergerichtlichen Bestände im 19. Jahrhundert nach Hamburg gelangten. Z. B. StA HH, RKG 211-2, Nr. S 60 (RKG-Prozess: 1541–1543); Nr. S 124 (RKG-Prozess: 1536–1537); Nr. S 167 (RKG-Prozess: 1550); Nr. W 11 (RKG-Prozess: 1542), Nr. K 58 (RKG-Prozess: 1538–1539); Nr. P 10 (RKG-Prozess: 1540); Nr. E 37 (RKG-Prozess: 1534–1538), Nr. W 30 (RKG-Prozess: 1548–1590); Nr. W 34 (RKG-Prozess: 1549–1555). Den 32 Prozessen, die aus der ersten Hälfte der 16. Jahrhunderts überliefert sind, stehen allein 34 Verfahren aus den 1550er Jahren gegenüber. In den folgenden Jahrzehnten steigen die Verfahren weiter, s. Chronologisches Verzeichnis der Prozesse nach ihrem Beginn am RKG, in: Stein-Stegemann, Findbuch der Reichskammergerichtsakten IV, S. 1726ff. Statistik der nachweisbaren Hamburger Notare, s. Anhang. S. Anhang. Ebda.

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Kirchenbüchern rekonstruieren. Personen, die weder innerhalb der Stadt geboren wurden noch hier verstarben, sowie Mittellose, die keine Steuern und Abgaben bezahlten, wurden nicht in den Büchern geführt. Über ihre Anzahl lässt sich also nur mutmaßen. Schätzungen zufolge lebten zu Beginn des 16. Jahrhunderts ca. 15.000 bis 20.000 Menschen in Hamburg. 1148 Bis 1600 hat sich ihre Zahl ungefähr verdoppelt. 1149 In den folgenden 100 Jahren bis 1700 verdoppelte sich die Bevölkerung dann abermals. 1150 Diese Bevölkerungszahlen müssen in einen Zusammenhang mit den urkundlich belegbaren Hamburger Notaren gesetzt werden. Da sich im 17. Jahrhundert sowohl die hamburgische Population als auch die Anzahl der nachweisbaren Notare ungefähr verdoppelten, bleibt das Verhältnis zwischen beiden tatsächlich gleich. In Wahrheit stieg die Zahl der Notare nur einmal – nämlich in der Zeit, in der sich die Ein ussnahmen des Rates nachweisen lassen.

3. Die Entdeckung der freiheitswahrenden Funktion: eine Theorie Man erlaube uns, daß wir eine Neuerung machen, weil nicht alle Neuerungen zu tadeln sind, und zuweilen gar Mode werden. (. . . ) Ist es blosse Mode (. . . ), so hat ein jeder das Recht eine alte abzuschaffen und eine neue, die ihm gefällt, einzuführen. (Hamburgischer Correspondent vom 31.12.1749)

Nach einer verbreiteten Ansicht in der Literatur werden die notariellen Urkunden im Mittelalter diesseits der Alpen sowohl inhaltlich als auch, was den Kreis der Aussteller betrifft, überwiegend dem kirchlichen Bereich zugeordnet. 1151 Dort hätten sie sich neben anderen Beweismitteln – Siegelurkunden, Zeugenaussagen – schnell etabliert, weil die Kirche früh die umfassende Beweiskraft notarieller Urkunden anerkannte. Im Hamburger Bereich bietet sich ein differenziertes Bild zu den Urkundenverwendern und dem Urkundeninhalt. Bis zur Reformation rekrutierte sich die Gruppe derjenigen, die notarielle Dienste in Anspruch nahmen, nicht ausschließlich aus einem bestimmten Personenkreis. Auch fehlen verallgemeinerungsfähige Muster für den Inhalt der Schriftstücke. Zwar wurden die hamburgischen Urkunden

1148 Postel, Reformation und bürgerliche Mitsprache, S. 46. 1149 Bernhard Schäfers, Stadtsoziologie: Stadtentwicklung und Theorie – Grundlagen und Praxisfelder, Au . 2, Wiesbaden 2010, S. 46; Helmut Glück, Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit, Berlin [u. a.] 2004, S. 146. 1150 Ebda. 1151 Alfred Gawlik, Art. Notar, Notariat, in: Lex MA VI (1993), Sp. 1271ff., Sp. 1271f.

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Freiheitswahrung

häu g von Klerikern in Auftrag gegeben 1152, dennoch lassen sich daneben notarielle Schriftstücke weltlicher Aussteller 1153 nden. Diese weltlichen Auftraggeber hatten größtenteils Bürgerstatus und gehörten zur nanzkräftigen Oberschicht. Hinweise auf Urkunden von ärmeren Bevölkerungsschichten nden sich dagegen kaum. 1154 Vermutlich waren nanziell schwächer gestellte Bevölkerungsschichten nicht in der Lage, einen Notar zu bezahlen. Von der theoretischen Möglichkeit einer kostenlosen Beurkundung machte man in Hamburg anscheinend keinen Gebrauch. 1155 Überdies werden die Armen kaum Veranlassung gehabt haben, über ihr ohnehin nur spärliches eigenerwirtschaftetes Habe – so es überhaupt vorhanden war – aufwendige Testamente zu errichten. Inhaltlich unterscheiden sich die notariellen Testamente des 14. und 15. Jahrhunderts nicht von den Ratsherrentestamenten dieser Zeit. In beiden bedachten die Testatoren regelmäßig die Hamburger Kirchen sowie ihre Verwandtschaft. Worin die Motivation der Testatoren lag, notarielle Testamente aufstellen zu lassen, ist aus den untersuchten Schriftstücken nicht ersichtlich. Nach der Reformation verwendeten hauptsächlich zwei Gruppen notarielle Urkunden. Es zeigt sich immer noch ein gewisser Hang des Hamburger Klerus, nach der Reformation des protestantischen (soweit sich hier überhaupt von „Klerus“ sprechen lässt), zur Errichtung notarieller Urkunden. So sind die ersten notariellen Testamente, die sich nach 1533 nden, unter anderem von lutherischen Klerikern 1152 Z. B. HH UB II, Nr. 305 (vom 22. 4. 1314); Nr. 314 (vom 10.7.1314); Nr. 315 (vom 13.7.1314); Nr. 317 (vom 2. 9. 1314); Nr. 323 (vom 23.12.1314); Nr. 327 (vom 3.1.1315); Nr. 328 (vom 3. 1. 1315). 1153 Not. Testamente: StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1367 VII 31 (Tunderstede, Joh. und Ehefrau vom 31. 7. 1367 [MF: S 9261 D, 781]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1376 (Tunderstede, Joh. und Ehefrau von 1376 (o. D.) [MF: S 9261 D, 809]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1350 II 12 (Stadis, de, Willekinus vom 12. 2. 1350 [MF: S 9261 D, 742]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1334 I 16 (Wismaria, de, Hinricus vom 16.1.1334 [MF: S 9261 D, 701]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1386 VII (Brunes, Nicolaus vom Juli 1386 [MF: S 9261 D, 843]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1403 I 16 (Vritze, Johannes vom 16. 1. 1403 [MF: S 9261 D, 933]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1460 III 1 (Wichman, Theodericus vom 1.3.1460 [MF: S 9262 D, 183]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1457 VI 15 (Werijn, Heijne vom 15.6.1457 [MF: S 9262 D, 177]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1424 IV 7 (Mund, Johannes vom 7. 4. 1424 [MF: S 9262 D, 88]). 1154 In lediglich einer Akte wurde die Erstellung einer notariellen Urkunde von Armen in Betracht gezogen, jedoch nicht durchgeführt, s. StA HH, Obergericht 211-4, Nr. B Ia 2, Verschiedene Schriften an den Prätor und Theile von Prätur- u. Untersuchungsacten um 1750, Schriftstück in Sachen Hinrich Severin contra Nicolaus Pauschan. Zum Fall s. S. 146 ff. 1155 S. dazu S. 214.

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wie dem Pastor zu Auendorp 1156, Cornelius Kerckhenhus 1157, ausgefertigt worden. Wahrscheinlich steht die Verwendung der notariellen Urkunden jedoch nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Zugehörigkeit der Testatoren zur Kirche, sondern ist vielmehr darin zu sehen, dass der Klerus insgesamt über einen höheren Bildungsgrad verfügte und daher mit dem gemeinen Recht und damit auch mit dem Notariat häu ger in Berührung kam. Neben den Angehörigen der protestantischen Geistlichkeit fällt eine weitere, zahlenmäßig größere Personengruppe als Vorreiter der notariellen Testierpraxis nach 1533 auf – die Altgläubigen. Zwar hatte sich mit dem Langen Rezess und der Bugenhagen'schen Kirchenordnung 1529 die Reformation in Hamburg endgültig durchgesetzt, dennoch konnte sich weiterhin eine katholische Minderheit in Hamburg halten. Rainer Postel ist der Ansicht, dass Katholiken grundsätzlich unbehelligt in der Stadt leben konnten, soweit sie sich ruhig verhielten. 1158 Er schlussfolgert dies unter anderem aus zwei Aktenstücken 1159, in denen, entgegen der protestantischen Gep ogenheit und den Vorgaben der Bugenhagen'schen Kirchenordnung, die Heilige Jungfrau Maria verehrt wurde. Trotz der Marienverehrung konnten diese Schriftstücke anscheinend unwidersprochen in den Hamburger Rat eingebracht werden. Im Vergleich zu anderen Städten und Regionen war in Hamburg die Reformation verhältnismäßig ruhig abgelaufen 1160, und sicherlich trifft es zu, dass die verbliebenen Altgläubigen vergleichsweise ungestört leben konnten, dennoch waren mit dem katholischen Glauben manche Probleme verbunden. So ist beispielsweise überliefert, dass die „mißgunst“, die Hamburger Katholiken entgegengebracht wurde, zum Ende des 16. Jahrhunderts solche Ausmaße angenommen hatte, dass Kaiser Rudolf sie auf ihr Bitten 1604 unter seinen Schutz stellte 1156 Heute ist Avendorf ein Ortsteil von Tespe (Landkreis Harburg). Wie in Hamburg setzte sich auch hier die Reformation 1529 durch. 1581 muss es sich also um einen protestantischen Geistlichen gehandelt haben. 1157 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 (Testament des Kerckhenhus, Cornelius vom 23. 6. 1581 [MF: S 9263 D, 181]). 1158 Postel, Zur Bedeutung der Reformation, S. 36 f. 1159 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1540 X 4 (Testament der Scroders, Catherina vom 4.10.1540 [MF: S 9262 D, 545]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. I Lit. Oc No. 6, fol. 54ff. 1160 Postel, Motive städtischer Reformation, S. 25. Radikalisierung und Aufstände in anderen Regionen: z. B. Stralsund (Wilfried Ehbrecht, Köln – Osnabrück – Stralsund. Rat und Bürgerschaft hansischer Städte zwischen religiöser Erneuerung und Bauernkrieg, in: Franz Petri (Hrsg.), Kirche und gesellschaftlicher Wandel in deutschen und niederländischen Städten der werdenden Neuzeit [Städteforschung A, Bd. 10], Köln/Wien 1980, S. 23ff., S. 39); Lübeck (Günter Korell, Jürgen Wullenweber – Sein sozial-politisches Wirken in Lübeck und der Kampf mit den erstarkenden Mächten Nordeuropas [Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Bd. 19], Weimar 1980, S. 54).

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Freiheitswahrung

und bei einer Strafe von 30 Mark lötigen Goldes gebot, ihnen „alle gnad freijheit Vortheill und gerechtigkeit, alß andere (. . . ) haben“, zukommen zu lassen, damit sie ihre Rechte „frei(..) gebrauchen und genießen sollen und mögen Von allermeniglich ungehindert“. 1161 Die hier angesprochene „Missgunst“ gegenüber den Altgläubigen bezieht sich zwar vor allem auf Einschnitte in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, aber auch in anderen Bereichen scheint eine erhöhte Gefahr von Benachteiligung bestanden zu haben. So fällt auf, dass „katholische“ Testamente meist über sehr viel umfangreichere Sicherungsmechanismen 1162 verfügten als das „protestantische“ Durchschnittstestament: Der Katholik Peter Wonninges – zu Beginn seines Testaments ehrte auch er neben der Heiligen Dreifaltigkeit die Mutter Gottes – ließ etwa sein Testament von einem kaiserlichen Notar verzeichnen. 1163 Zusätzlich wurde es in der Form eines Chirographums ausgestellt, das heißt, der Notar verzeichnete zweimal denselben Wortlaut auf einem Pergamentstück, wobei er zwischen die wortgleichen Texte das Wort „Seligkeit“ schrieb. Der Pergamentbogen wurde anschließend durch das Sicherheitswort kunstvoll in zwei Teile zerschnitten; der Testator erhielt den einen Teil, der andere wurde an einem anderen Ort verwahrt. Um den Beweis zu erbringen, mussten beide Teile beigebracht werden und am Sicherheitswort übereinstimmen. Außerdem zog Peter Wonninges zur Testamentserstellung zwei Ratsherren hinzu. Diese hätten für sich genommen bereits ausgereicht, ein vollgültiges Ratsherrentestament zu erstellen. Die Aufstellung eines reinen Ratsherrentestaments schien Peter Wonninges jedoch nicht zu genügen. Er bevorzugte sicherere Schriftstücke und wollte seinen „leste[n] willen In bestendigster wijse [errich- „letzten Willen in beständigster Weise errichten, in] form mathe und gestalt der Rechten ten in Form und Gestalt nach den Vorgaund gelick, wo he sunst ahm besten befo- ben des gemeinen Rechts und unabhängig get“. 1164 davon, was ihm ansonsten anempfohlen sei“.

Ihm schien ein Abweichen von dem notwendig, was sich als das „beste“ etabliert hatte – sicherlich spricht er hier von der üblichen, „heilsamen“ 1165 Form der Ratsherrentestamente –, um die Beständigkeit seines letzten Willens zu gewährleisten. Aus Peters Sicht bürgte die notarielle Form für ein gesteigertes Maß an Sicherheit: Gegenüber den ratsherrlichen Schriftstücken erschien sie „beständiger“. Dennoch 1161 Notariell beglaubigte Kopie des Schutzbriefs, s. StA HH, RHR 211-1, Nr. 362. 1162 Zu den Sicherungsmechanismen s. S. 266 ff. 1163 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29. 9. 1561 [MF: S 9262 D, 672]). 1164 Ebda. 1165 StR 1603/05 III, 1, 1.

Gegenwehr – die Etablierung einer kaiserlichen Institution

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scheint er Zweifel an der Unumstößlichkeit des Testamentes gehabt zu haben. Er fürchtete wohl, dass es nicht anerkannt werden würde. Daher bat er, dass seine „latesten willens bestellings, middeler tidt, wo „letztwilligen Verfügungen, wo sie später einnicht vor ein vullenkommen tho Rechte be- mal nicht als vollgültiges Testament anerstendich Testament dat de dan Zho glikewoll kannt werden würden, dennoch als Kodinach vor ein Codicil son ultime voluntatis zill, [d. h.] als eine Beschreibung oder Festdescriptio vel dispositio in articulo mortis setzung seines letzten Willens im Zeitpunkt bij nhenden gelaten und geholden werden seines Todes, bestehen blieben und gehalten möge“. 1166 werden sollten“.

Der beigezogene Notar erweiterte das noch: Notfalls, so liest man, solle der Rat entscheiden, wie man die Festsetzungen einordnen wolle, als „Instrumenterte[s] Testament, Codicil[1167] edder wovor idt sunst [eben] erkant“ 1168 werden würde. Die Form war zweitrangig, solange der Wille umgesetzt wurde. Das Vorgehen legt es nahe – eine absolute Sicherheit war auch mit einem notariellen Instrument nicht zu erzeugen. Dennoch waren sie anscheinend sicherer als Ratsherren- und vermutlich auch als private Testamente, obwohl dies mangels entsprechender Funde nicht mit Quellen veri ziert werden konnte. Nichtsdestoweniger ist es auffällig, dass in der Anfangsphase des wiederaufkeimenden Notariatswesens vermehrt Menschen katholischer Konfession auf notarielle Schriftstücke zurückgriffen. 1169 Offenbar waren die Altgläubigen, und zwar unabhängig davon, ob sie sich „ruhig“ 1170 verhielten, vermehrter Gängelung oder zumindest der Gefahr von Schikanen vonseiten des Rates ausgesetzt, wogegen sie sich mit Hilfe grundsätzlich neutraler, aber vom katholischen Kaiser ernannter Notare schützten. Die Inanspruchnahme des kaiserlichen Notariats lag für die Altgläubigen sicherlich auch schon deshalb nahe, weil kaiserliche Notare traditionell in der katholischen Kirche verankert waren und es auch nach der Reformation blieben. Die überwiegende Zahl der Instrumente, die sich für die Zeit vor der Reformation nachweisen

1166 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29.9. 1561 [MF: S 9262 D, 672]). 1167 Vergleichbar den Legaten: Der Bedachte rückt nicht in eine erbenrechtliche Stellung ein, sondern erhält einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben. 1168 Ebda. 1169 Z. B. StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1577 X 26 (Testament der Bartolotti, Johan Baptista und Ehefrau Maria vom 26. 10.1577 [MF: S 9263 D, 68]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1561 IX 29 (Testament des Wonninges, Peter vom 29.9.1561 [MF: S 9262 D, 672]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 (Testament des Verdener Domvicars Steffens, Hinrich von 1552 (o. D.) [MF: S 9262 D, 630]). 1170 Postel, Zur Bedeutung der Reformation, S. 36 f.

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Freiheitswahrung

lässt, wurde von kaiserlich ernannten Klerikernotaren aufgestellt. 1171 Sie waren kaiserlich ernannt, jedoch, und darin liegt die Besonderheit, nicht institutionell frei, sondern in einen Kirchsprengel eingebunden (z. B. „cliens Verden dioceces publicus Imperiali auctoritate notarius“ 1172 – Dienstmann des Kirchsprengels Verden öffentlicher kaiserlich ernannter Notar). Neben dieser Ver echtung von kaiserlichen Notaren und katholischer Kirche ist der Erfahrungsimport sicherlich von großer Bedeutung. Hier sei nochmals an die Arbeit von Günter Aders 1173 erinnert, in der er eine Umgehung des ratsherrlichen Verbotes, zu Gunsten der Kirche zu testieren, mittels kaiserlicher Notare im mittelalterlichen Köln festgestellt hat. Dass die katholische Kirche die Verbreitung dieses „Widerstandsmittels“ forcierte, ist zumindest nicht unwahrscheinlich. Und wenn sich erst einmal die Kenntnis vom Nutzen des kaiserlichen Notariats zu Widerstands- bzw. Umgehungszwecken etablierte, liegt es nahe, dieses Mittel nicht nur zu Gunsten der Kirche, sondern auch sonst einzusetzen. Ob es sich so zutrug, ob sich also die Altgläubigen Hamburgs tatsächlich mit Hilfe des kaiserlichen Notariats gegen ratsherrliches Gängeln schützten und damit eine gewisse Vorbildfunktion für die protestantische Bevölkerung hatten, lässt sich aus den untersuchten hamburgischen Beständen letztlich nicht mit endgültiger Sicherheit sagen. Die Quellenlage der vom Rat überlieferten katholischen Testamente ist sehr dünn, was sicherlich damit zusammenhängt, dass der Rat umgangen werden sollte und man die Schriftstücke privat aufbewahrte, wo sie die Zeiten nicht überdauerten.

III. Erträge Zu Beginn des Kapitels wurde die Frage nach dem Freiheitsbezug der notariellen Urkundenform aufgeworfen, nach ihrer Eignung zur Begrenzung obrigkeitlicher Willkür. 1171 Z. B. HH UB I, Nr. 814 (vom 27. 3. 1285); HH UB II: Nr. 259 (vom 5.5.1312); Nr. 305 (vom 22. 4. 1314); Nr. 309 (vom 4. 6.1314); Nr. 314 (vom 10.7.1314); Nr. 315 (vom 13. 7. 1314); Nr. 317 (vom 2. 9.1314); Nr. 323 (vom 23.12.1314); Nr. 327 (vom 3. 1. 1315). 1172 StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1460 III 1 (Testament des Wichman, Theodericus vom 1. 3. 1460 [MF: S 9262 D, 183]), s. auch StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1424 IV 7 (Testament des Mund, Johannes vom 7.4.1424 [MF: S 9262 D, 88]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1367 VII 31 (Testament der Tunderstede, Joh., Notar, und Ehefrau vom 31.7.1367 [MF: S 9261 D, 781]); StA HH, Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1350 II 12 (Testament des Stadis, de, Willekinus vom 12. 2. 1350 [MF: S 9261 D, 742]). 1173 Aders, Testamentsrecht der Stadt Köln, S. 58.

Erträge

333

Da sich ein großer Teil der Regelungen der RNO mit der Erstellung notarieller Testamente befasst, lag es nahe, die Vergabungsfreiheit als Untersuchungsgegenstand zu wählen. Die Untersuchung basierte daher auf den in den Senatsbeständen des Hamburger Staatsarchivs überlieferten Testamenten vom Beginn ihrer Überlieferung im 13. Jahrhundert bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Zunächst wurde das in Hamburg geltende Vergabungsrecht umrissen (S. 286 ff., 294 ff.). Dieses war vorrangig vom Schutz der Familie geprägt. Aber solange die Familie durch Verfügungen an ungesippte Dritte nicht unmäßig beeinträchtigt wurde, ließ das Hamburger Stadtrecht für männliche Testatoren eine freie Verfügung bis zu einem Wert von 20 Pfennigen zu. Frei waren die Testatoren auch im Hinblick auf sogenannte Errungenschaftsgüter, also eigenständig erwirtschaftete Güter. Das Recht der (partiell) freien Vergabung war, wie heute, an eine bestimmte Form gebunden (S. 297 ff.). In der Untersuchung konnte herausgearbeitet werden, dass nicht erst im Stadtrecht von 1603/05 neben Ratsherrentestamenten auch privatschriftliche und notarielle Testamente zugelassen waren. Zunächst wurde die notarielle Testamentsform aber nur sporadisch genutzt. Das änderte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Seit den 1580er Jahren stieg die Zahl der in Hamburg nachweisbaren Notare signi kant (s. dazu auch im Anhang S. 339 ff.). In dieser Zeit befand sich die Stadt in einer schweren Krise. Große Teile der Bevölkerung verarmten, Glaubens üchtlinge aus den Niederlanden strömten massenhaft in die Stadt, die Niederlage der Verbündeten im Schmalkaldischen Krieg, in dessen Folge Hamburg hohe Reparationszahlungen zu leisten hatte, brachte die Stadt nahe an den nanziellen Ruin. Es drohten Aufstände und mit diesen die Absetzung des Hamburger Rates. Die Erhöhung von Abgaben zur Finanzierung der städtischen Fürsorge versprach die Lösung. Die Bürger, denen bezüglich der Festsetzung von Steuern ein Mitspracherecht eingeräumt wurde, trugen dies aber nicht mit. Sie verlangten die Finanzhoheit, die ihnen der Rat durch die Übertragung der Kämmerei auch einräumte. Faktisch hatte der Rat sein wichtigstes Werkzeug zur Kontrolle der Bevölkerung aus der Hand gegeben. Denn mit den Mitteln aus der Kämmerei hatte er auch soziale Projekte gefördert, die der Bevölkerung zugutekommen sollten. Nun konnte er die Unterstützung der Fürsorge nicht mehr sicherstellen. Wohl aus Angst vor dem eigenen Machtverlust, der drohte, wenn die Unzufriedenheit in Aufstände umschlagen würde, bemühte sich der Rat, weiterhin Gelder zu sozialen Zwecken zu beschaffen (S. 314 ff.). Es konnte nachgewiesen werden, dass der Rat auf dem Höhepunkt der Krise in den 1580er und 1590er Jahren Ein uss auf die Erstellung letztwilliger Verfügungen nahm, indem er die Testatoren dazu veranlasste, Gelder zu gemeinnützigen Zwecken zu vergeben (S. 301 ff.). Durch den Vergleich von notariellen und Ratsherrentestamenten konnte ein deutlicher Unterschied im Umfang gemeinnütziger Vergabungen nachgewiesen werden. In den notariellen Testamenten erreichte man

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Freiheitswahrung

nur einen Bruchteil der in den Ratsherrentestamenten auf gemeinnützige Zwecke vergebenen Werte (S. 302 f.). Dieser Unterschied hing augenfällig damit zusammen, welche Institution (Ratsschreiberei oder Notariat) bei der Erstellung der Urkunden beteiligt war und ob der Rat über eine tatsächliche Ein ussnahmemöglichkeit verfügte. Zwar wurden Ein ussnahmen nur in seltenen Fällen ausdrücklich dokumentiert, aber auch wenn ausdrückliche Hinweise fehlen, so lassen Bemerkungen der Testatoren, die ihre Motivation zur Errichtung notarieller Urkunden mit der Verteidigung ihrer Autonomie und dem Schutz vor obrigkeitlicher Willkür begründeten, sowie ein Vergleich von Ratsherren- und notariellen Testamenten kaum einen anderen Schluss zu, als dass es sowohl Ein ussnahmen durch den Rat als auch die Möglichkeit der Abhilfe durch das kaiserliche Notariat gegeben hat. Der Schutz, den die notarielle Urkundenform gegen die Ein ussnahmen des Rates gewährte, war maßgeblich auf die Zugehörigkeit des kaiserlichen Notariatswesens zu den kaiserlichen Reservaten zurückzuführen (S. 235 ff.). Schon im Kapitel über den notariellen Urkundenbeweis wurde herausgearbeitet, dass den partikularen Kräften in den Bereichen ausschließlicher Kaiserkompetenzen keine Handhabe verblieb. Durch die reichsrechtlich anerkannte des waren notarielle Instrumente ebenso sicher wie die in der ratsherrlichen Schreiberei erstellten Urkunden – außerhalb Hamburgs waren sie in ihrer Beweiskraft den städtischen Schriftstücken sogar überlegen. Die Urkunden konnten ohne jegliche Beteiligung des Rates erstellt und aufbewahrt werden. Damit war zwar die Gefahr ratsherrlicher Ein ussnahme nicht vollständig gebannt, für den Rat war willkürliches Verhalten aber immerhin mit dem Risiko kaiserlicher oder höchstgerichtlicher Intervention behaftet. Neben dem Befund, dass sich die Hamburger Testatoren der gemeinrechtlichen Urkundenform bedienten, um sich obrigkeitlicher Ein ussnahme zu entziehen (S. 321 ff.), war insbesondere die Feststellung interessant, dass ihr Handeln offenbar von prinzipiellen Erwägungen zur Verteidigung selbstbestimmten Handelns getragen war. Die durch Ein ussnahmen „verlorenen“ Gelder elen nämlich im Vergleich mit der Gesamterbmasse kaum ins Gewicht. Die Testatoren setzten sich also höchstwahrscheinlich nicht gegen die Ein ussnahmen zur Wehr, um ihre Erben zu schützen, sondern offenbar hauptsächlich, weil der Rat ihre zugesicherten Freiheiten willkürlich beschnitt. Der vorletzte Teil des Kapitels beschäftigte sich mit der geschichtlichen Entwicklung des kaiserlichen Notariats in Hamburg (S. 323 ff.). Dabei ergab die Auswertung der Archivalien, dass das kaiserliche Notariat in Hamburg etwa zeitgleich mit dem rheinischen Notariat aufkam, von dem aus das kaiserliche Notariat auf deutschem Boden seinen Anfang genommen haben soll. Thesen, die von einer zeitlichen Verzögerung des Aufkommens römisch-rechtlicher Institutionen im reichsfernen Norden des Reichs ausgehen, bedürfen damit einer genaueren Überprüfung. Dass sich die Institution zunächst nicht durchsetzen konnte, liegt vermutlich vor allem daran, dass für die Einführung einer „neuen“ Beurkundungsform neben den

Erträge

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bereits etablierten Siegelurkunden keine Notwendigkeit bestand. Allein wegen der Perpetuierungsfunktion hätten notarielle Instrumente wohl nicht Fuß fassen können. Höchstwahrscheinlich war die Entdeckung der freiheitswahrenden Funktion notarieller Urkunden der ausschlaggebende Faktor für den Beginn des bis heute anhaltenden Siegeszugs des Notariatswesens auf deutschem Boden. Das Notariatsrecht mit seiner ausgeprägten formalen Ausrichtung wirkte nicht etwa freiheitsbegrenzend, sondern garantierte Gleichmäßigkeit und Schutz vor obrigkeitlicher Willkür. Was am Anfang des Kapitels als These formuliert war, hat sich im Laufe der Untersuchung erhärtet: In Bezug auf die notarielle Urkundenform in Hamburg war die Form „die geschworene Feindin der Willkühr, die Zwillingsschwester der Freiheit“!

§ 5 Die Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg – Zusammenfassung und Tragweite der Ergebnisse

Die vorliegende Untersuchung beschäftigte sich mit der kaiserlichen Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg. Umfangreiche Arbeiten dazu liegen bisher nicht vor. Die Autoren, die es sich bisher zur Aufgabe gesetzt hatten, das frühneuzeitliche Notariat im deutschsprachigen Raum auf der Grundlage von Archivalien zu erforschen, werteten diese vor allem im Hinblick darauf aus, ob die formellen Vorgaben der RNO und der ars notaria umgesetzt wurden. Fragen zur Urkundenerstellung und -verwendung blieben größtenteils außer Acht. Bezeichnend ist, dass zwar alle Arbeiten notarielle Urkunden den Beweismitteln mit erhöhter Glaubwürdigkeit zuordnen, man sich aber nicht mit der Beweiskraft auseinandersetzte. Es wird also nicht herausgearbeitet, was mit den Urkunden eigentlich bewiesen werden konnte. Anders, als dies bei den heutigen notariellen Urkunden der Fall ist, hatten frühneuzeitliche Instrumente formelle und materielle Beweiskraft (S. 143 ff.). Voraussetzung war, dass sie den rechtlichen Vorgaben entsprechend von einem glaubwürdigen Notar errichtet wurden (S. 151 ff.). Zwar ist man sich seit der Publikation der hervorragenden Arbeit Petra Schultes zum italienischen Notariat darin einig, dass sich die Glaubwürdigkeit des Notars auf die Glaubwürdigkeit der notariellen Urkunde auswirkte (S. 185 ff.), die möglichen Konsequenzen dieser Feststellung wurden bislang jedoch nicht erforscht. Mit den Hamburger Quellen konnte nun nachgewiesen werden, dass die Glaubwürdigkeit des Notars insbesondere dann zum Tragen kam, wenn eine von ihm erstellte Urkunde angegriffen werden sollte (S. 251 ff.). Grundsätzlich wurde die Glaubwürdigkeit des Notars in der frühneuzeitlichen Praxis nämlich vermutet. Seine Glaubwürdigkeit entsprang dem Amt bzw. der Notarwürde und wurde mit der Amtseinsetzung auf den Notar übertragen. In der Praxis spielte daneben aber auch die persönliche Glaubwürdigkeit des Notars als Privatperson eine tragende Rolle. Relevant waren der Leumund und die Glaubwürdigkeit des Notars nur, wenn sie und damit auch die Glaubwürdigkeit der Urkunde angezweifelt wurden. In der Praxis führte das dazu, dass eine Urkundspartei, wenn sie die Glaubwürdigkeit der zum Beweis vorgelegten Urkunde angreifen wollte, neben formellen Verstößen regelmäßig auch den schlechten Leumund des Notars rügte. Denn schon der Verdacht eines unlauteren Charakters genügte, um die Glaubwürdigkeit der Urkunde herabzusetzen. Zwar wehrten sich einzelne Notare gegen Verleumdungen mit Hilfe von Injurienklagen, ihr Nutzen war aber vermutlich beschränkt, weil die Notare – trotz stattgebenden Urteils – offenbar nicht wieder zu Beurkundungen herangezogen wurden, da die Urkundsparteien die nachhaltige Wirkung der Rufschädigung fürchteten.

Die Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg

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Es konnte nachgewiesen werden, dass der „schlechte“ Ruf von Notaren nicht nur im Einzelfall instrumentalisiert wurde, sondern dass die partikularen Kräfte ihn vorschoben, um ihre Eingriffe in das kaiserliche Notariat mit den Schutzp ichten gegenüber der Bevölkerung zu legitimieren (S. 241 f.). Nach der Auswertung der Archivalien konnte die bis heute in der Literatur vertretene These nicht aufrechterhalten werden, nach der das frühneuzeitliche Notariat auf Grund fehlender institutioneller Qualitätskontrollen ein Hort schlecht ausgebildeter, betrügerischer und geldgieriger Menschen gewesen sei, die ihr Amt nur allzu häu g käuflich erworben hatten (S. 93 ff., S. 194 ff.). Die fehlende Überprüfung der Qualität des Notariats wurde in der Frühen Neuzeit durch den Markt kompensiert. Hatte der Notar – berechtigter- oder unberechtigterweise – einen schlechten Ruf, wurde er nicht mehr zu Beurkundungen herangezogen. Die Gefahr einer andauernden schlechten Arbeit durch einzelne Notare wurde damit relativiert. Dass die Arbeit der Notare in Hamburg wohl auch bei Weitem nicht so schlecht war, wie die Beschwerden zuweilen glauben machen wollen, zeigte sich besonders an der in der modernen Forschung noch nicht beschriebenen Konstruktion des „Quasinotars“ (S. 202 ff.). Zum Schutz des Rechtsverkehrs und im Interesse eines störungsfrei funktionierenden Marktes, dem der Hamburger Rat ein absolutes Primat einräumte, wurde eine fehlende bzw. nicht nachweisbare Amtseinsetzung ngiert. Die Auswertung der Quellen ergab, dass sich zumindest bis ins 18. Jahrhundert die Anzahl der Hamburger Notare an der Nachfrage nach notariellen Urkunden orientierte. Es konnte nachgewiesen werden, dass ihre Zahl parallel zum Bevölkerungswachstum anstieg (S. 324 ff.). Die Theorie von einem eklatanten Notarüberschuss bewahrheitet sich für den Hamburger Raum also nicht. Bislang gänzlich unerforscht waren die Auswirkungen der Zuordnung des Notariatswesens zu den kaiserlichen Regalien (S. 235 ff.). Anders als sich dies in der modernen Literatur überwiegend darstellt, war es den partikularen Kräften nicht gestattet, in großem Stil in die Reichsinstitution einzugreifen. Auch wenn sich in zahlreichen Statuten Regelungen nden, die das Reichsnotariatsrecht modi zieren (S. 234 f.), so darf daraus nicht abgeleitet werden, dass die partikularen Kräfte dazu befugt gewesen waren. Die RNO erlaubte ihnen nur, ein eigenes partikulares Notariatswesen parallel zum reichsrechtlichen zu betreiben. Trotzdem setzt der Hamburger Rat „sein“ Notariatsrecht im partikularen Bereich anscheinend durch. Auf der Ebene der Reichsgerichte versuchten die Parteien die den Regalien entgegenstehenden Statuten dennoch nur in einem der untersuchten Fälle beizubringen – erfolglos. Die These vom schwachen Kaiser, der sich in der Frühen Neuzeit nicht mehr gegen die übermächtigen Territorien behaupten konnte, bestätigt sich also im Bereich des Hamburger Notariatswesens nicht. Über die Reichsgerichte (insbesondere den Reichshofrat) wurde die Reichsinstitution gegen Eingriffe der Territorien geschützt. Der Schutz, den die Urkunden kaiserlicher Notare durch die Zuordnung zu den Regalien genossen, war außerdem ursächlich für die den notariellen Instrumenten

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Die Notariatspraxis im frühneuzeitlichen Hamburg

immanente freiheitswahrende Funktion, die bislang in der Literatur nicht gesehen wurde (S. 320 ff.). Durch die Auswertung der Archivalien konnte nachgewiesen werden, dass die Hamburger Bevölkerung (vermutlich aber auch die Bevölkerungen andernorts) der ratsherrlichen Ein ussnahme, der sie bei Beurkundungen im Rat ausgesetzt war, entging, indem sie auf Urkunden kaiserlicher Notare zurückgriff. Denn notarielle Urkunden konnten im „Privaten“ erstellt und aufbewahrt werden. Die reichsrechtlich anerkannte gesteigerte Glaubwürdigkeit der Urkunden hatte außerdem zur Folge, dass den Urkunden, wenn auch im Zweifel erst auf Reichsgerichtsebene, Glauben geschenkt wurde. Vermutlich gab die freiheitswahrende Funktion notarieller Urkunden letztendlich auch den Ausschlag dafür, dass sich das Notariatswesen ohne wirkliche Notwendigkeit diesseits der Alpen etablieren konnte. Denn der ebenso glaubwürdige Beweis mit Siegelurkunden war längst anerkannt, als sich das Notariat in Deutschland auszubreiten begann.

Anhang

Kaiserliche Notare in Hamburg Um Ergänzungen erweitertes und verbessertes Verzeichnis von Gerh. Specht, Verzeichnis von in Hamburg tätig gewesenen kaiserlichen Notaren vom 16. Jahrhundert bis 1806. Mit Hinweisen auf Archivalien und gedruckte Quellen, Maschinenschriftlich 1962. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit ihr soll lediglich ein Eindruck der Verbreitung des kaiserlichen Notariats in Hamburg vermittelt werden. Die erste Spalte beinhaltet die Jahre, in denen der Notar in den untersuchten Akten in Erscheinung trat. Der Name des jeweiligen Notars sowie die entsprechenden Fundstellen nden sich in der zweiten Spalte. Die fehlenden Angaben zu Erpold Lindenbrog und Barthold Schreining sind auf Lücken im Verzeichnis Spechts zurückzuführen.

1500–1600 1501 Barenkamp, Meynhardus RKG S 13 1501 Litzemann, Joachim RKG B 1a 1501 Mathi(as), Joh. RKG B 1a 1501 Meyhoff, Wilkinus RKG B 1a 1501 Parper, Johannes Zweifelhaft, ob Hamburger (Lübecker?) RKG B 1a 1501 Tornow, Nicolaus Zweifelhaft, ob Hamburger (Lübecker?) RKG B 1a 1534 Schroder, Hermandus Zweifelhaft, ob kaiserl. Notar (päpstl.?) RKG E 37

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Anhang

1534 Tyde, Joachim RKG E 37 1536 Haminkrey(?), Valentinius RKG E 37 1537 Hake, Albert Päpstl. Notar RKG E 37 Altonaische Zeitschrift Bd. 3, S. 13, 17, 22 1540 Rumhert, Johannes (Magister) Lübeck RKG W 50 1550 Johann Schröder Senat 111-1, Nr. 1327 [Cl. I Lit. Oc No. 9] 1552 Neuhusen, Joachim Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1552 1553 Brus(t)ehauer, Johann Immatr. RKG H 185; Senat 111-1, Nr. 1327 [Cl. 1 Lit. Oc No. 9], Protokoll Schröder, Nr. 13 1554 Reinmann, Valentin Lübeck RKG W 50 1559 Schmidt, Johannes Zweifelhaft, ob Hamburger RKG N 3, H 186, H 174 (?) 1561 Lupus, Bartholomaeus RKG H 186 Geb. 1540 Lindenbrog, Erpold Historiker und/oder apostolischer Notar? 1574 Elvers, . . . Brinkmann, Aus dem deutschen Rechtsleben, Schilderungen des Rechtsganges (. . . ) auf Grund von Schleswig-Hollstein-Lauenburgischen Akten des kaiserlichen Kammergerichts, Kiel 1862, S. 131 1575 Gobelius, Johannes Zweifelhaft, ob Hamburger Hofpfalzgraf Gramann Universität Helmstedt 1575, 1581, 1583 Rosa (Rose), Georgius ( Jürgen) Päpstl. Notar comitibus palatinis (RKG N 14) RKG H 174, W 30 Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1579 V 14 Brinkmann, Aus dem deutschen Rechtsleben, S. 132

Kaiserliche Notare in Hamburg

1575 Schwenck, Caspar Zweifelhaft, ob Hamburger RKG H 12 1576 Grussonius, Hermannus Zweifelhaft, ob Hamburger Hofpfalzgraf Hofpfalzgrafenregister Uni. Helmstedt 1578 Düms, Joh. Henricus RKG B 122 Vor 1580 Barthold Neithardt, Lt. Immat., später Anwalt RKG N 14 1580 Jauthe, Johann RKG K 55 1580 Martinus Gyse RKG N 14 1580 Balthasar Ilenfeldt Immatr. RKG N 14 1580 Christian Langemaken Immatr. RKG N 14 1580 Waßmer, Georgius RKG N 3, H 178 1581 Kassenbrugk, Daniel Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1581 VI 23 1581 Niebu(h)r, Johannes Auch Ratssekretär? RKG H 174, H 164, C 21 1581 Pichel (Pickel/Piell), Daniel Immatr. RKG H 174, H 178, H 12, S 47 Senat 111-1, Nr. Cl. VIII Nr. 31, 3c 1584, 1590 Joger, Antonius RKG B 122, B 123 1587 Tancke, Marcus RKG W 30 1588 Haupt, Johann Immatr. Brinkmann, Aus dem deutschen Rechtsleben, S. 11

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Anhang

1590, 1612, 1622 Crause (Crusius), Caspar Immatr. RKG T 23, W 5, P 18, B 123 1590 Garosse, Rudolff RKG H 172 1591 Wolmar (Wolmarn, Wolmarius), Wigandt RKG H 172, H 173, H 187, H 135, C 21, S 53 (1568/69) 1, 6 1592 Müller, Joachim Zweifelhaft, ob Hamburger Hofpfalzgraf Helmstedt Hofpf.gr.-Register Helmstedt Nr. 11 1593 Gantz, Petrus RKG C 21 Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1609 V 29 1593, 1609 Praetorius, Franciscus RKG T 38, C 21 1594 Cantzler, Johannes RKG B 123 1595 Crause, Andreas Zweifelhaft, ob Hamburger RKG S 11 1595 Hesterberg, Johann Immatr. RKG S 11 1595 Johannes Faust (Hamburger o. Kehdinger?) Immatr. RKG S 47 1598 Cropp, Clamor Zweifelhaft, ob Hamburger RKG S 10 1598, 1601, 1609 Oldhorst, Albert Immatr. RKG S 10, B 123 Landesarchiv Schleswig-Holstein Abt. 390, Nr. 150 Gesamt 48

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Kaiserliche Notare in Hamburg

1601–1700

1605 Ruttens, . . . Brinkmann, Aus dem deutschen Rechtsleben, S. 285 1605 Konradus Cruisus Juratus und am Obergericht bestellter Advokat und Prokurator RKG S 47 1605 Roding, Joachim Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1605 VII 8 1607 Langermann (Tangermann?), Hermannus RKG M 62 1607 Saur, Henricus RKG S 47 1607 Willighen, Peter van der Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1607 1609 Bußmann (Boßmann), Henricus Zweifelhaft, ob Hamburger RKG S 13 1609 Kreich, Laurentius Landesarchiv Schleswig-Holstein Abt. 390, Nr. 150 (24) 1611 Tischer (Fischer?), Andreas Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1c 1 1612 Symens (Simens), Jacobus RKG T 23 1612, 1614 Wetternach (Metternach?), Joannes RKG P 18, A 14 oder N 14 1614 Vorlohr, Henricus Schulmeister zu St.Jacobi Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1614 III 22 1617, 1628 Lindenbrog (Lindenbruch), Joachim Lic. Senat 111-1, Nr. Cl. VIII Nr. XXXI Nr. 3b 1622 Cablicius, Joannes RKG W 5 1622 Krause, Conradus RKG W 5 1622 Moller, Hermannus RKG W 5

344

Anhang

1622 Outhensdem, Querian RKG W 5 1624 Boltzenius, Johannes Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1624 IV 30 1625 Schroder, Johannes Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1625 VII 17 1626 Justus, Bartholomaeus RKG S 150 1628 Selke, Marcus RHR 220 Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1628 IX 28 1628 Schreining, Balthasar Zweifelhaft, ob Hamburger Obergericht 211-4, Nr. B II e 1 Bd. 1 1629 Fischer, Julius RKG L 39 1629 Ulrichs, Philippus Sigismundus RKG L 39 1631 Staden, Nicolaus Staatsbibliothek A/42098 Antilogia S. 83 1633 Pfefferus, Matthias Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 2 Schar Steinweg 1634 Eggebert, Tobias Senat 111-1, Nr. Cl II Nr. 19a Vol. 2 (1634) 1635 Rohde, Henricus Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 11635 X 10 1636 Kronen, Engelbert Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1636 IX 16 1637 Schwartz, Christian Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1637 IV 27 Ca. 1640 Schreining, Barthold Angeblich letzter Gerichtsschreiber des Niedergerichts, der Notar war (die späteren sollen sämtlich Graduierte gewesen sein) Ca. 1644 Johannes Vrias Strauß RHR 220; 220 Ca. 1645 Hintze, Heinrich Hofpfalzgraf Reinking Hofpfalzgrafenregister

Kaiserliche Notare in Hamburg

345

1645 Stelling, Georgius advocatus iustii RKG S 89, H 26 Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1645 VIII 27 Kämmerei I, Nr. 22 Bd. 133 (1644), fol. 116; Bd. 134 (1645), fol. 99, 219 1646 Cröger, Gregor Erzbisch. Brem. Sekretarius Hofpfalzgraf Reinking 1648 Hermannus Pedichius Immatr. RKG B 131 1648 Johannes Ledererus RKG B 131 1649 Möller, Cordt/Conrad Müller Immatr. RKG B 131 Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 2 Mönckedam Um 1649 Albertum Cörtzen Kaiserl ernannt? RKG B 131 1649 Dietzius, Johannes RKG B 131, S 89 1649 Daniel Dickmann RKG B 131 1651 Henricus Kirchdorff Juratus RKG B 131 1652 Timmermann, Petrus RKG S 89, B 54, H 26 Senat 111-1, Nr. Cl. II Nr. 19a Vol. 2 (1661) 1653 Brakhoff, Laurentius RKG S 89 1653 Petersen, Eckhardus RKG S 89 Ca. 1654 Blume, Nicolaus Ernannt von Hofpfalzgraf Reinking Ernennungsregister Uni. Helmstedt

346

Anhang

1654 Schele, Martin Hofpfalzgraf Reinking Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Friese, Fridericus Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Gerber, . . . Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Grassmann, . . . Zweifelhaft, ob Hamburger Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Haske, . . . Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Krüger, Hinricus Zweifelhaft, ob Hamburger Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Lieffelds, Johannes Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Senat 111-1, Nr. Cl. II Nr. 19a Vol. 2 (1661) Ca. 1655 Meinar(d), H. Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt Ca. 1655 Safft, Marcus Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt 1656 Bodenburg(ius), Henricus Camerarius des Hbg. Domkapitels RKG B 54 1656 Floris, Simon Immatr. RKG B 7 RHR 220, 137, 43 (Postsache, vgl. dazu auch Rigsarchiv Kopenhagen TKUA Keyseren B 34 Bericht v. 3. 1. 1672)

Kaiserliche Notare in Hamburg

347

1656 Soethie, Albertus RKG B 54 Senat 111-1, Nr. Cl. II Nr. 19a Vol. 2 1659 Moller, Dietrich Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1c 7 1659 Petersen, Eilhardus Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 4 Ser. 1 1659 VII 31 1663 Göbelius (Göbel), Christianus RKG L 42 RHR 220 1664, 1675 Fischer, Johannes RKG H 131 RHR 367 (Tischer?) 1664, 1670, 1672 Rademin, Dietrich Immatr. RKG L 42, B 9 Senat 111-1, Nr. Cl. II Nr. 21c Vol. 1 Pars. 1 Fasc. 2; Nr. Cl. II Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1c; Nr. Cl. VII Lit. Md Nr. 3 Vol. 2b Hofpfalzgraf Reinking Ernennungsregister Uni. Helmstedt RHR 244 1666, 1682 Tischer, Johann Immatr. RHR 102, 103, 220 1667 Gramann, Johann Hmb. Staats- und Behördensiegel, Teil III E 15 [TrummerSmlg] 1668 Kordes, Nicolaus Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 4 Ser. 1 1668 IX 8 1668 Dünne, Gerhard Advokat Detlefsen, Joh. Rists kaiserl. Hof- und Pfalzgraf, in: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte Bd. 21 (1891) S. 265 ff. [283] 1671, 1694 Brinckmann, Jacobus RKG S 176 Rigarchiv Kopenhagen TKUA Kejseren B 34 (Bericht v. 3.1.72) 1672 Voss, Paulus RKG L 42 Hofpfalzgraf Rist (Pastor in Wedel, Oberkonsistorialrat) Ernennungsregister Uni. Helmstedt

348

Anhang

1672, 1680 Krahmer (Cramer, Kramer), Matthias RKG L 42 RHR 26, 122 1675, 1679 Bötticher, Gerhard RKG C 5 RHR 367 1675, 1686, 1694 Freytag, Johann Joachim Immatr. RKG S 176 RHR 367 Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1686 X 20 1676 Graumann, . . . StA Wien Az.: AB 109/7 Fasc. 201 Fol. 150–151 (Suspension wegen der Weigerung kaiserl. Mandat der Bürgerschaft u. dem Bürgermeister zu insinuieren) zit. nach Wendehorst, Zwischen Kaiser und Reichsständen, S. 343ff. 1676 Caspar Retzer Immatr. RHR 244 1678 Zeising (Zeysing), Philipp RKG K 33, S 176 1679 Schröder, Albert Immatr. Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Mb Nr. 1 Vol. 1c 1 Verwandt mit Rademin 1679, 1694 Hageman(n), Matthias RKG K 33, S 176 RHR 220 1679 Jacob Pictor Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1679 VII 10 RHR 102 1680 Ohm (Öhm), Johann Georg RHR 26, 220 1680 Steinauer, Georgius Ernest RHR 26, 122 1681 Plato, Johannes Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1681 V 4 1681 Schneider, Johannes Nicolaus RHR 102

Kaiserliche Notare in Hamburg

349

1682 Mende, Georg Hamb. Staats. Und Behördensiegel, Teil III E 15 [TrummerSmlg] 1683 Wohnrau, Nicolao Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1683 I 18 1685 Decker, . . . Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Pf. 4 (S. 138, 5.X.85, 12.X.85) 1685 Wagner, Johan Senat 111-1, Nr. Cl. VII Lit. Pf. 4 (14. u. 17. 8. 1685) 1690 Wulckovius, Conrad(us) Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1690 VI 22 1691 Dammann, Johann Georg Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 4 Ser. 1 1691 III 13 1691 Seger, Eberhard Michael Zweifelhaft, ob Hamburger Hofpfalzgraf Helmstedt (Hofpf.gr.-Register Helmstedt Nr. 269) 1694 Rahtsack, Paul Christian RKG S 176 1694 Seywald, Thomas Wilhelm RKG S 176 1694 Sprenger, Wilhelm Heinrich Zweifelhaft, ob Hamburger (Bardowieker?) RKG S 176 1698, 1703, 1707 Martens, Johann Staatsbibliothek A/42098, S. 183 1699 Frahm, Elias Senat 111-1, Nr. Cl. X. Vol. 3 1699 VII 26 1700 Gude, Christian August Senat 111-1, Nr. Cl. X Vol. 3 1700 Gesamt 95

350

Anhang

Sachregister Abkürzungen, Zulässigkeit 108, 178, 181 Adjunctus, s. beigeordneter Notar Altgläubige, s. Katholiken Ämterkauf 96f., 195 ff. Amtseid 94, 136, 158 f., 187, 216, 221 Amtseinsetzung 93 ff., 192, 194 ff., 203, 236 Amtseinsetzung, Antrag 94 f., 198 Amtseinsetzung, fehlende, s. Quasinotar Amtseinsetzung, Nachweis 203 ff. Amtseinsetzung, streitige 205 f. Amtsenthebung 187, 223, 264 Amtssiegel 104 Analphabet 166, 171, 212, 259 Anzahl zeitgleich tätiger Notare 203 Appellation ins Buch 129 Appellationsprivileg 68 ff., 112, 129 Arbeitspensum 102, 203 Archiv 108, 135, 154 f., 296, 322 Armut 85, 146ff., 158, 171, 174 f., 188, 190f., 214, 256 ff., 279 f. 292, 316 f., 328 Arrestermächtigung, s. Markebrief Ars dictandi 83 Ars notaria 83f., 104, 106 f., 137 ff., 274 Artikulierung/Artikelprozess 132, 135 Aufklärungsp icht 206 ff., 208, 210, 212f., 216 Ausbildung 97, 169, 199 f. Ausfertigung aus dem Protokoll, s. Mundierung Beamte, kaiserliche 236 ff. Beglaubigung, notarielle 110 ff., 147 Beglaubigung, ratsherrliche 166, 266, 279f., 295f., 297 f. Beigeordneter Notar 166 f., 169, 199 f., 254 Beleidigung, Schadensersatz 255 Beleidigung/Beleidigungsklage 146 ff., 160, 172, 189ff., 228 ff., 236 f., 251 ff., 262 Beschädigung der Urkunde 209, 261 Beschreibstoff 101, 107, 157 ff., 250 Beurkundung, Ergänzungsrecht 207

Beurkundung, persönliche 221f., s. auch Mundierung Beurkundungsgegenstand 84ff., 162 Beurkundungsp icht 90f., 97, 214f., 215f., 217ff., 220ff., 248 Beurkundungsp icht, Ausnahmen 162, 226f. Beurkundungsp icht, Zwangsmaßnahmen 214f. Beurkundungsverfahren 166ff. Bevölkerungsentwicklung in Hamburg 315, 326f. Beweis, ganzer, s. Beweistheorie Beweis, halber, s. Beweistheorie Beweiskraft 79ff., 92f., 106, 116, 127, 136f., 140ff., 143ff., 153ff., 165, 183f., 189, 205, 215f., 222, 228ff. Beweiskraft, fehlende 106, 191, 234f., 249f. Beweiskraft, räumliche Grenzen 140ff., 205 Beweismittel, sonstige 134 Beweisrecht, Hamburger 134ff. Beweistheorie 118ff., 133ff., 145, 163ff., 169, 184, 192f., 225, 253 Beweisvermutung, s. Beweiskraft Bildung 97, 169, 185ff., 194ff., 329 Börse 85, 122, 189, 199, 248, 292 Breve 80 Carta 80 Chirographum 166, 267, 307ff., 330 Comes palatinus, s. Hofpfalzgraf Datum der Beurkundung 159f., 240, 249 Diffamation, s. Beleidigung/ Beleidigungsklage Dolmetscher 199, 208f., 214 Doppelbeglaubigung 104f., 111, 163ff., 267f. Dorsalurkunde 112f., 116 Ehegattentestament, Änderung Ehrverletzung, s. Beleidigung/ Beleidigungsklage

309ff.

351

Sachregister

Einfaches Verfahren, s. Zivilprozess, Hamburger England 141, 165f. Erbebuch 148ff. Erbenlaub 288f. Erbrecht, s. Testierfreiheit Ermessen des Notars 207, 209 f., 226 f. Ermessen des Richters 171, 173, 250, 295 Ernennung, s. Amtseinsetzung Ernennungsrecht 57, 94, 99, 198, 204 f., 236ff., 243 Errungenschaftsgut 288 f., 294, 320, 333 Eschatokoll 106, 156 f., 163 Falschbeurkundung, s. Falsum Fälschung, s. Falsum Falsum 107, 152, 160 f., 168, 177, 179, 218, 220ff., 228ff. Falsum, Sanktion, s. Strafe, Falschbeurkundung Falsum, Schadensersatz, s. Haftung, Falschbeurkundung Fehlformulierung 249 Fides, s. Beweiskraft Fides, Begriff 138ff. Fiktion der Amtseinsetzung, s. Quasinotar Formfehler 154f., 228 ff., 249 f., 252, 273 Formfehler, Heilung 154 f. Formvorgaben 151 ff. Formvorgaben, zwingende 160 ff., 168, 239f., 249f. Formzwang, gelockert 161 f. Frankfurt 243ff. Frankreich 141, 165, 174, 202, 208 Frauen 96, 172f., 210 ff. Freiheit, Begriff 54, 278 Freiwillige Gerichtsbarkeit 141 Fürsorge, s. gemeiner Nutzen Gefängnis 121ff., 173, 213, 218 f. Gemeiner Nutzen 97, 214, 262 f., 292, 302, 314ff. Gemeinwohl, s. gemeiner Nutzen Gerichtsstandsprivileg 325 Gerichtswesen, Hamburger 67, 263 f. Geschäftssitz, s. Wohnort Geschäftsumfang, s. Arbeitspensum

Gewalt 261ff. Glaubwürdigkeit (persönliche) 62, 96, 124 f., 160, 183ff., 185ff., 194, 201, 220, 251ff., s. auch Beleidigung/ Beleidigungsklage Glossatoren/Kommentatoren 81f., 136, 183 Große Comtive, s. Ernennungsrecht Grundstückskaufvertrag, notarieller 148 ff., 231 Haftung, Falschbeurkundung 107, 156, 205 f., 207, 216, 222 Haftung, fehlerhafte Beratung 216 Handelsbücher 89, 111, 135, 148, 150 Hilfsp icht 206ff., 208f., 209ff. Hofpfalzgraf 86, 94ff., 187, 194ff., 203 ff. Imbreviatur 101ff., 178 Immatrikulation 85, 98f., 103, 114, 154, 197, 199f., 202f. Imperiale auctoritate, s. Amtseinsetzung Indictio /Indiktion, s. Protokoll (Diplomatik) Infamie 173, 223 Injurie, s. Beleidigung/Beleidigungsklage Inscriptio, s. Protokoll (Diplomatik) Instrumentum privatum 100, 110, 113 ff., 135f., 170f., 215, 268f. Instrumentum publicum 100ff., 135f., 144 Intitulatio, s. Protokoll (Diplomatik) Investitur, s. Amtseinsetzung Invocatio, s. Protokoll (Diplomatik) Juden 95, 162, 172f., 277 Justizverweigerung 232f. Kaiserliche Ernennung, s. Amtseinsetzung Kameralprozess 128ff. Kanzellierung 178 Kaperbrief 165 Katholiken 329ff. Kerbzettel, s. Chirographum Kleidung /Kleiderordnung 175 Kleine Comitive, s. Ernennungsrecht

352 Konkurrenz zur Ratsschreiberei 91 Kontext 105f., 109, 156, 162 Konzept, s. Protokollbuch Kopie, notarielle 108 ff., 209, 231 f. Korrektur 153ff., 158 f., 302 Korroborationsformel 103 f., 109, 113, 157 Kosten (Beurkundung) 108, 151, 157 f., 182, 214, 328 Kosten (Notartitel) 196 Kreationsrecht, s. Ernennungsrecht Kreierung, s. Amtseinsetzung Legaltheorie 155, 183 f. Lehre, s. Ausbildung Leumund, s. Glaubwürdigkeit (persönliche) Lex regalia, s. Reservatsrecht Lohn, s. Verdienst Lohnanspruch (Konkurs des Auftraggebers) 214 Manipulation, s. Falsum Markebrief 165 Meineid 313 Mindernotar, s. städtischer Notar Mundierung 107, 136, 180 ff. Nebentätigkeit/Zweitberuf 200 ff. Neutralität 201 Niederlande 143, 303 ff. Notar, städtischer 99 f., 86, 200 Notarii simplices, s. Notar, städtischer Notarius civitatis, s. Notar, städtischer Notarschwemme 98, 324 ff. Notarsiegel, s. Signet Notitia 80 Notsachen/Notfälle 167 Objektive Beweiskraft, s. Beweiskraft Offenkundigkeit, s. Publizität Öffentliches Amt 251, s. auch Ernennungsrecht Öffentlichkeit, s. Publizität Ort der Beurkundung 154, 159 f., 166, 178, 232, 249 Palatinatsrecht, s. Hofpfalzgraf

Anhang

Papier, s. Beschreibstoff Partikulares Notariatsrecht 57, 66, 99f., 160, 216, 239ff., 242ff. Pergament, s. Beschreibstoff Persona publica 97, 185 Plena, s. Beweistheorie Plenissima, s. Beweistheorie Pragmatische Schriftlichkeit 101f. Privatschreiber 89 Privatsiegel, s. Doppelbeglaubigung Privileg (Befreiung von zwingenden Formvorgaben der RNO) 240 Protokoll (Diplomatik) 106, 109, 156, 159ff. Protokoll, Rekonstruktion 179f. Protokollierung/Protokollbuch des Notars 88, 107f., 110, 122, 148, 151, 160, 164f., 178ff. Protonotarius, s. Ratsnotar Prüfungsprotokoll 194f., 197ff. Publica forma, s. authentica forma Publizität 150, 167ff., 168ff. Quasinotar

202ff.

Radierung 158f., 178 Ratsherrentestament, s. Testament, Formzwang Ratsnotar 90ff., 231 Ratsschreiber, s. Ratsnotar Rechtsbeibringung 228ff. Rechtsberatung (des Klienten) 201, 206ff., 210, 216 Rechtskunde, Informationsp icht des Notars 194, 207, 226f. Rechtssicherheit 128, 150, 180, 247ff. Rechtsverweigerung, s. Justizverweigerung Rechtswohltaten 210 Reformation 246, 290ff., 315f., 319, 327ff. Regal, s. Reservatsrecht Reichshofrat, Zuständigkeit in Notariatssachen 72, 123, 220, 240f. Reichsnotariatsordnung, Eingriffsbefugnis 239ff. Reichsnotariatsordnung, Eingriffsrechtfertigung 96

353

Sachregister

Reichsnotariatsordnung, Entstehungsprozess 84, 239 Requisition (Notar), fehlende 213, 215 Requisition (Notar), s. Beurkundungsp icht Requisition (Zeugen) 166, 169 f., 270 f. Requisitionsvermerk 163, 213 f., 215 Reservatrecht 62ff., 93, 123, 220, 234 f., 235ff., 247, 263, 321 Resident, kaiserlicher 187, 264 f. Rückgabe der Notarwürde 187 Rügeobliegenheit 249 Schadensersatz, entgangener Gewinn 160, 190 Schreibfehler 249 Schuldschein, notarieller 50 f., 121 ff., 219, 231f., 234f. Schweizer Eidgenossenschaft 142 f. Scripta vero authentica 120 Secretarius, s. Ratsnotar Seeversicherung/Seeassekuranz 142 Semiplena, s. Beweistheorie Siegelurkunde 112, 113 ff., 121, 139, 143ff., 327 Sigillum authenticum, s. Signet Signet 99, 103f., 108 f., 112, 113 f., 142, 159f., 163, 240 Sittenwidrigkeit 226 f. Solennitäten, s. Formvorgaben Spanien 141, s. auch Niederlande Sprachkenntnisse 96, 166, 194, 198 ff., 208f., 260 Stammgut 288f. Stimmgewicht des Notars 137, 164, 169, 192f. Strafe, Falschbeurkundung 222 f., 146 Strafe, Verweigerte Beurkundung 214 f., 216, 226, 264 Straffälligkeit des Notars 187 f. Subjektive Beweiskraft, s. Beweiskraft Suspension, s. Amtsenthebung Tabellio 79, 81, 86 Tabularius 79ff. Testament, Änderung 306, 309 ff. Testament, Formzwang 297 ff.

Testament, notarielles 231, 285f., 298ff. Testament, privatschriftliches, s. Testament, Formzwang Testierfreiheit 278ff., 284, 286ff., 294ff., 297 ff. Testierfreiheit, Ein ussnahme 295ff., 282 ff., 301ff., 303ff., 307ff. Testierfreiheit, Eingriffsbefugnis 294ff. Titelkauf, s. Ämterkauf Übersicherung 111, 113ff., 170f., 266ff., 295 Umdeutung 170f., 268f. Universität Bologna 82 Universität Helmstedt 98, 186, 198f. Unparteiisch, s. Neutralität Unterfertigung, notarielle 110, 113ff. Unterschrift 86, 103, 112, 115, 135, 159 f., 181, 200, 240 Urfehde 219, 266f. Urkundensprache 104ff., 156f. Urkundszeugen, notarielle 136f., 168ff., 176 f., 177f., 179, 199, 213f., 223ff., 228 ff., 262, 267, 300, s. auch beigeordneter Notar Verdienst 49, 102, 214 Vereinigte Staaten von Amerika 142 Verleumdung, s. Beleidigung/ Beleidigungsklage Vermutungswirkung der des 136, 143ff. Verschulden 222f. Verwahrung, s. Archiv Verweigerte Beurkundung, widerrechtlich 248, 262ff. Verzicht auf die Notarwürde, s. Rückgabe der Notarwürde Volljährigkeit 171f., 194, 289 Vorlesen 166, 176, 254, 296f. Vormund (Analphabethen) 171, 212 Vormund (Frauen) 149ff., 212, 217, 308 ff. Wahrheitsvermutung, s. Beweiskraft Werbung 169, 199, 208 Wohnort 85, 186

354 Zeit der Beurkundung 159 Zensur 218f. Zeugenaussage 118, 136 f., 153, 164 f., 169ff., 188f., 215 f., 223 ff., 257, 327 Zeugenbelehrung 168 ff. Zeugeneid 192f., 213, 216, 224 f., 228 ff., 277 Zeugenverhör, notarielles 163, 177, 215f., 228f., 231 ff.

Anhang

Zinszahl (Indictio/Indiktion), s. Protokoll (Diplomatik) Zivilprozess, Hamburger 128ff., 134 Zugangsvereitelung 72, 208f., 232f. Zurückbehaltungsrecht 214 Zwang, verhinderte Beurkundung 168, 217ff., 262 Zwang, Rechtsschutz 219f., 263ff.

QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON ANJA AMEND-TRAUT, FRIEDRICH BAT TENBERG, ALBRECHT CORDES, IGNACIO CZEGUHN, PETER OESTMANN, WOLFGANG SELLERT EINE AUSWAHL

BD. 68 | HENDRIK BAUMBACH KÖNIGLICHE GERICHTSBARKEIT UND

BD. 65 | ALBRECHT CORDES (HG.)

LANDFRIEDENSSORGE IM DEUTSCHEN

MIT FREUNDSCHAFT ODER MIT RECHT?

SPÄTMITTELALTER

INNER- UND AUSSERGERICHTLICHE

EINE GESCHICHTE DER VERFAHREN

ALTERNATIVEN ZUR KONTROVERSEN

UND DELEGATIONSFORMEN ZUR

STREITENTSCHEIDUNG IM 15.–19.

KONFLIKTBEHANDLUNG

JAHRHUNDERT

2017. 473 S. 9 S/W-GRAFIKEN. GB.

UNTER MITARBEIT VON ANIKA M. AUER

ISBN 978-3-412-50728-2

2015. 291 S. 7 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-22402-8

BD. 69 | THORSTEN SÜSS PARTIKULARER ZIVILPROZESS UND

BD. 66 | CHRISTIAN O. SCHMITT

TERRITORIALE GERICHTSVERFASSUNG

SÄUBERLICH BANQUEROTT GEMACHET

DAS WELTLICHE HOFGERICHT IN

KONKURSVERFAHREN AUS FRANKFURT

PADERBORN UND SEINE ORDNUNGEN

AM MAIN VOR DEM REICHSKAMMER-

1587–1720

GERICHT

2017. 570 S. GB.

2016. 386 S. 6 S/W-ABB. GB.

ISBN 978-3-412-50534-9

ISBN 978-3-412-50325-3 BD. 70 | SARAH A. BACHMANN BD. 67 | ULRIKE SCHILLINGER

DIE KAISERLICHE NOTARIATSPRAXIS

DIE NEUORDNUNG DES PROZESSES

IM FRÜHNEUZEITLICHEN HAMBURG

AM HOFGERICHT ROTTWEIL 1572

2017. 354 S. GB.

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE UND

ISBN 978-3-412-50765-7

INHALT DER NEUEN HOFGERICHTSORDNUNG

BD. 71 | JOSEF BONGARTZ,

2016. 271 S. GB.

ALEXANDER DENZLER, ELLEN FRANKE,

ISBN 978-3-412-50533-2

BRITTA SCHNEIDER, STEFAN ANDREAS STODOLKOWITZ (HG.) WAS DAS REICH ZUSAMMENHIELT DEUTUNGSANSÄTZE UND INTEGRATIVE ELEMENTE 2017. 200 S. 3 S/W-ABB. GB.

RJ524

ISBN 978-3-412-50726-8

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar