Die historische Kunst der Griechen in ihrer Entstehung und Fortbildung [Reprint 2018 ed.]
 9783111689036, 9783111301648

Table of contents :
Vorrede
Inhalt
Leitende Ideen bei dieser ganzen Untersuchung
Erster Abschnitt. Allgemeine Geschichte der Entstehung der Historie unter den Griechen
Zweiter Abschnitt. Die Entstehung der Historie ihren Bestandteilen nach
Dritter Abschnitt. Geschichte der historischen Anordnung und Ansicht in ihrer Entstehung
Vierter Abschnitt. Der historische Dortrag in seiner Entstehung
Fünfter Abschnitt. Historische Darstellung der Begriffe der Alten, besonders der Griechen von der Historie
Sechster Abschnitt. Fortbildung der griechischen Historiographie auf ihrer ersten Stufe
Verbesserungen

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historische Kunst der Griechen in ihrer Entstehung und Fortbildung.

Von Georg Friedrich Creuzer, D. und Professor zu Marburg.

Leipzig Hey Georg Joachim Göschen 1503.

Dem Herrn

Geheimen Justizrath Heyne zu Göttingen

Dem Herrn

Oberkonsistorialrath B ötti g er zu Weimar

Dem Herrn

Hofrath

Schütz

zu Jena

Dem Herrn

Professor

Heeren

zu Göttingen

aus Verehrung und Dankbarkeit gewidmet

vom Verfasser.

Vorrede.

©er Verfasser vorliegender Schrift hatte bey seiner Arbeit eine zwiefache Absicht. Einmal wollte er die Griechische Geschicht­ schreibung auf ihrer höchsten Stufe ihrem Ursprünge und Charakter nach erklären. Er suchte daher die beyden Fragen zu be­ antworten: Wie die Historie unter den Griechen entstand, und was sie in ihrer be­ sten Zeit war. Um dieser Aufgabe Gnüge zu leisten, glaubte er jeden einzelnen histo­ rischen Bestandtheil von seinem Entstehen bis zur völligen Ausbildung entwickeln zu müssen. Wenn er in dieser Absicht die Untersuchung mehrmals auf dieselben Punkte

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hinleiten mußte, so befürchtet er deswegen, da dieß jedesmal in einem andern Gesichts­ punkte geschah, von Sachverständigen den Vorwurf unnöthiger Wiederholung nicht. Eine ausführlichere Geschichte der Grie­ chischen Historiographie lag nicht in seinem Plane. Diese ist nicht eher möglich, als bis durch eine möglichst vollständige Samm­ lung und kritische Bearbeitung der Frag­ mente der wichtigsten Geschichts­ werke die Data dazu vorbereitet seyn wer­ den. Der Verfasser hat in einer öffentli­ chen Ankündigung diese Arbeit übernommen, und er wird ihr, wie er bisher gethan, auch ferner einen großen Theil seiner Zeit und Kräfte widmen. Er wiederholt bey dieser Gelegenheit die Bitte, ihn bey diesem Un­ ternehmen zu unterstützen. Die zweyte Absicht bey gegenwärtiger Abhandlung war: die Historie des Herodotos nach ihren inneren und äußeren Bedin­ gungen im Ganzen zu erklären, und dadurch eine Erklärung derselben im Einzelnen vor­ zubereiten.

Der Verfasser beschäftigt sich nämlich mit einem Commentar über den Herodotos, in welchem er allen den Forderungen, die man an eine grammatische Interpretation machen kann, zu entsprechen suchen, und Ln so fern diese durch eine kritische Behand­ lung des Textes bedingt ist, auch letztere in seinen Plan aufnehmen wird. Für die Sacherklärung öffnet sich bey diesem Geschichtschreiber ein weites Feld. Um hier die möglichste Vollständigkeit mit der durch die Natur dieses Commentars ge­ botenen Kürze zu vereinigen, wird der we­ sentliche Inhalt der Larcher'schen Noten und Abhandlungen und des Rennell'schen Geographical System of Herodotus, so wie anderer Schriften auswärtiger Gelehrten in einem gedrängten Auszuge mit­ getheilt werden. Ein Hauptaugenmerk wird dabey dieses seyn: die Bemerkungen der Aus­ länder durch die Untersuchungen Teutscher Gelehrten zu vervollständigen und zu berich­ tigen. Wie unbekannt jene Commentatoren oft mit den wichtigsten Forschungen der Teut-

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schm sind, davon enthalt das übrigens so treff­ liche Werk von Larcher, auch in der vor kur­ zem erschienenen neuen Ausgabe, die auffal­ lendsten Beweise. Den Griechischen Text laßt der Verfas­ ser nicht aufs neue abdrucken, weil wir an der, durch die verdienstvollen Bemühungen von Schäfer neuerlich vollendeten Reizischen Ausgabe einen korrekten und wohlfeilen Text besitzen. Der Commentar wird in demselben Verlage wie diese Schrift erscheinen, und 3 Bande in groß Oktav, jeden zu etwa 36 Bogen ausmachen. Marburg im April 1803.

Der Verfasser.

Inhalt.

Leitende Ideen bey dieser ganzen Untersuchung.

Erster Abschnitt.

Seite

Seite i

2

Uebersicht der Entstehung der Griechischen Hi­ storie

überhaupt.

Aeltester Ausdruck des Faktums. —

Entstehung der Hel­

densage und des erzählenden Vortrags. — des Griechischen Mythos.

Vielseitigkeit

Der epische Dichter als Aufbe­

wahrer des Faktums betrachtet. —

Historische Richtung der

alten Griechischen Poesie überhaupt. —

Ungetrenntheit de-

mannigfaltigen Sagenstoffs bey Homeros. — Scheidung desselben. Kyklos. lyrischen



Allmählige

Bestimmter historischer Geist de-

Verhältniß desselben zum reinen Epos und zur Poesie.



Ionische

Kultur,

Vermehrung des historischen Wiffens. — schen Zeit. —-

Städteblüthe. Ende der heroi­

Mannigfaltige Abhängigkeit von dem positi­

ven Inhalte des Mythos. —

Sagenschrerbung. —

hältniß dieser letzteren zur gebildetern Historie.

Ver­

X

Zweyter Abschnitt. Seite 43, Entstehung der Historie ihren Bestandtherlen nach. Betrachtung des Mythos, der alten Poesie und der ersten historischen Werke 1) ih­ rem materialen Inhalte nach, 2) in ihrem Verhüttntffe zur faktischen (histo­ rischen) Wahrheit. Verschiedene Zweige des Mythos. — Arten der historischen Sage. *■ Verhältniß der Griechischen Sagen zur historischen Wahrheit. — Umfang und Inhalt der Mythen deß HomeroS. — Die Poesie desselben in ihrem historischen Werths — Inhalt der kyklischen Poesieen — ihr histori­ scher Werth. — Untersuchung über das Zeitalter des ersten Logographen. — Schwierigkeiten, mit denen die Griechische Historie in ihrem Entstehen zu kämpfen hatte Begünsti­ gungen, die sie fand. — Geist und historische VerfahrungSart der Logographen. — Inhalt ihrer Werke. — Würdi­ gung ihrer historischen Forschung und Kritik. — Annähe­ rung der Logographie an die begründetere Historie. — Ver­ hältniß der Lyriker, der Tragiker, des Griechischen Volk« im Ganzen zu den Historikern. — Herodotos als Forscher und Kritiker betrachtet.

Dritter Abschnitt.

Seite 113.

Geschichte der historischen Anordnung und Ansicht in ihrer Entstehung. Historisch - genealogische Richtung des ältesten Heldengesangs. — Poetische Freyheit des Homerischen Epos. — Geist fei­ ner Darstellung. — Homerische Weltansicht. — Die Hepodeische Poesie in ihrer genealogischen Form. — Kyklrsche Anordnung. — Eiutheilung und Anordnung des hrstorischen Stoffs in den Werken der Logographen. — Dionyflos von Miletos. — Die ersten Versuche, den Zufall aus der Hi-

fiorie auszuschließen. — Pragmatismus des Dionysios. Verkennung der Natur des Griechischen Mythos. — Herodotos: Plan und Einheit seiner Historie. Betrachtung über die Grundideen desselben. — Empirische Einheit: tue Episode. — Homeros und HerodotoS — Ilebersinnliche Ein­ heit: religiöse Weltansicht des Historikers.

Vierter Abschnitt.

Seite 168.

Der historische Dortrag in seiner Entstehung. Charakter der ältesten Sprache überhaupt. — Die Homeri­ sche Sprache. — Vorbereitung zur Prosa. — Innere Bedingungen zur Entstehung des prosaischen Vortrags. — Gleichartigkeit derselben mit den Anlassen zur Logographie.— Schwierigkeiten, mit denen der bistorischeDortrag zu kämpfen hatte. — Sprache der Logographen. — Hervdotos r fein historischer Styl.

Fünfter Abschnitt.

Seite 199.

Historische Darstellung der Begriffe der Alten, besonders der Griechen von der Historie. Ideen zur Erklärung der Historie Uebergang zur Beurtheilung der historischen Begriffe der Neuern durch Darlegung der Forderungen der Alten in Abs ficht des historischen Style. Bemerkungen über das Ver­ hältniß der verschiedenen Arten der heuern Prosa zum histo­ rischen Vortrage. — Die Geschichtschreibung der Neuern, besonders der Teutschen. — Mißverhaltniß der übrigen Vorzüge der Teutschen Historiographie zu ihrer Kunstform.

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Sechster Abschnitt.

Seile 262.

Fortbildung der griechischen Historiographie auf ihrer ersten Stufe. Thukydideö. —

Lenophon. Schluß.

Form dieser alteren Geschichtschreibung im Gegensatz gegen dre Form der Griechischen Historie rn den nachfolgenden Perioden. Andeutung der Hauptrichtungen der Historio­ graphie unter den Griechen bis in das Römische Zeitalter.

Zjtv

Mensch lernte in der Poesie zurrst seine Eedanr

ken und Empfindungen ordnen,

ihr übergab jedes

frühere Zeitalter den ganzen Schatz seiner Erfahrungen und das Faktum fand in ihr seinen ersten Ausdruck. Sie bedurfte zu ihrem Gegenstände der fortschreitenden Handlung, um sich erzählend zur Kunst zu gestalten. Gleichwie nun das Uebergewicht dieses Stoffs in der erzählenden Poesie der Grund ihres Verfalls ward/ so war es die Bedingung, unter der die Historie entstehen konnte. Von dem ihr eigenthümlichen Mittelpunkte zwie schen Geist, oder freyer Dichtung, und Natur, oder treuer Meldung, strebte letztere bald mehr zu jenem, bald mehr zu dieser hin. Dieses ist in wenigen Worten die Geschichte der Historie der Griechen. Demnach zerfällt diese Schrift in die Betrachtung ihrer Entstehung überhaupt sowohl als: ihren einzelnen Bestandtheilen nach und in die Uebersicht und ihres

ihrer Fortbildung

Verfalls.

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%

Erster Abschnitt. Allgemeine Geschichte der Entstehung der Historie unter den Griechen. Natur der Sache führt uns hier auf denjenigen Punkt der Griechischen Welt zurück, wo alles Gedachte und Gegebene, noch wenig oder gar nicht geschieden, als ein einziger geistiger Besitz erscheinet. Es ist dieses der Zustand, in welchem sich der Grieche so eben der äußersten Wildheit entwindet und durch Ackerbau zur ersten Kultur übergehet. Wir, die wir Alles durch Begriffe scheiden und scheiden müssen, können uns auch von dieser rohen Natureinheit nur auf dem Wege künstlicher Absonde­ rung ihrer Bestandtheile einige Vorstellung machen. Daher also die Frage: Was enthielt jener Eine und ««gesonderte geistige Besitz, und welcher Art war sein Besitzer? „Was der rohe Natursohn fühlte und dachte, was er erfahren hatte, was er als Vorstellung oder Erfahrung der Vater wußte, und was er von der Zukunft zu wissen glaubte." In den Ansprüchen auf diesen Besitz und in dem äußeren Werth, den er verleiht, bemerken wir schon auf dieser Stufe eine auffallende Ungleichheit, welche mit dem rohen ungebändigten Freyheitsgefühl des Naturmenschen in Widerspruch zu stehen scheinet. Dir Auflösung muß in einem noch hälstoseren Kindt

Erster Abschni tt.

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heitjzustande aufgesucht werden, und Herodotos setzt UNS in den Stand, auch dorthin einen Blick zu werfen *). Wenn dem Menschen noch nicht einmal der ein» fachste Ausdruck für das Gefühl des Göttlichen gegeben ist, verhält er sich gegen die Natur als furchtsamer ©flottes und der wilde FreyheitssinN, den er gegen seines Gleichen äußert, verwandelt sich in riefe Unter­ würfigkeit, sobald der Andere durch eine größere Fä» higkeit des Geistes früher jenen Auedruck findet. Wer also zuerst ordentlich zu beten, wer durch Zauberfor» meln die drückende Uebermacht der Natur zu binden vermochte, der erschien jetzt, als Vertrauter jener unbekannten Macht, ein Wesen höherer Art, und er mochte nun Fremdling seyn oder von demselben Stam­ me, ihm war priesterltche Gewalt verliehen. Dieser Priester nun, oder, wie man ihn nennen will, Schamane, Seher, ward Mittler zwischen der unbegränzten Macht, die man Gottheit nannte, und der beschränkten Menschheit, und zugleich Erhalter des Wenigen, was man aus der Vorzeit wußte e), Erbauer und Bewahrer der stummen Denkmähler, welche den Namen eines Stammführers erhalten i) II. 52. ’E5vov ds "MVTdt "roorioov 01 ÜsXaoyoi $eotOi f7rtu%o/vi£voi, tv; sym iv AivScwy 018a dxaoa;' eirwvvniyv 8' «8* 0vo(ua kwotsvvro -%«,' ©SJOJifyf



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