Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 3-7609-5100-7

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Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849
 3-7609-5100-7

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  • Zugl.: Freiburg i. Br., Univ., Diss., 1981
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Ulrich Otto Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849

Pahl-Rugenstein Hochschulschriften 100

NUNC COCNOSCO EX PARTE

THOMAS J. BATA LIBRARY TRENT UNIVERSITY

hl-Rugenstem Hochschulschriften es

100

,

Serie: Kulturgeschichte

..

Ulrich Otto Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849

Köln 1982 Pahl-Rugenstein Verlag

?'T5'3y

■ &8T

1^2-

© 1982 by Pahl-Rugenstein Verlag, Gottesweg 54, D-5000 Köln 51. Alle Rechte Vorbehalten. Herstellung: difo-druck, Bamberg. CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Otto, Ulrich: Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 [achtzehn¬ hundertachtundvierzig neunundvierzig] / Ulrich Otto. - Köln : Pahl-Rugenstein, 1982. (Pahl-Rugenstein-Hochschulschriften Gesellschafts¬ und Naturwissenschaften ; 100 : Ser.: Kulturgeschichte) ISBN 3-7609-5100-7 NE: GT

5

-

-

Vorbemerkung

In der vorliegenden Arbeit soll erstmalig der Versuch unternommen werden, die - auf den ersten Blick grundsätzlich verschiedenen - Medien histo¬ risch-politisches und

der

Lied

Revolution

und

von

historisch-politische

1848/1849

zueinander

Karikafar des Vormärz

in

Beziehung

zu

setzen

und im Anschluß daran vor ihrem geschichtlichen Hintergrund darzustellen. Der Hauptbestandteil der abgedruckten Lieder stammt aus den Liederbuchund Flugblattbeständen des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg i.Br., dessen

Mitarbeiterinnen

und

Mitarbeitern

hier mein

herzlichster Dank

für die freundliche Aufnahme und Unterstützung während meiner Sarrmelarbeiten

ausgesprochen werden

soll.

Neben

Professor Dr.

Rolf W.

Brednich

und Professor Dr. Lutz Röhrich, die sich als Referenten der Dissertation zur Verfügung stellten und denen mein Dank für ihr inhaltliches Interesse am

Zustandekommen

der Arbeit

gilt,

seien hier

stellvertretend Ursula

Schlatterer und Barbara James namentlich genannt, Liedmaterialien sowohl

verdanke.

der Quellen mit

als

Barbara auch

hinaus

oftmals

Liedern

versehen und mir

der

wichtigen

James,

eine

behandelten

denen ich zahlreiche vorzügliche

Hintergrundinformationen

damit

bisweilen

Kennerin

Epoche hat mich darüber zu

einzelnen

zeitraubende Nachforschungen

erspart. Was an

die die

vorgestellten Mitarbeiter

Märkischen der

besonders Dr.

Museums

Staatsbibliothek die

der in

Bildmaterialien Graphischen Berlin

anbelangt,

Sammlung

(DDR)

sowie

Preußischer Kulturbesitz

freundliche

und

sachkundige

so

geht

ALBERTINA

der

mein

Dank

in Wien,

des

Handschriftenabteilung

in Berlin

(West),

Unterstützung

wobei

durch

Frau

Eva Bliembach in letzterem Institut nicht unerwähnt bleiben darf.

Zahlreiche Bildmaterialien zur Revolution in Baden verdanke ich daneben Professor

Dr.

Rolf

W.

Brednich,

der

mir

liebenswürdigerweise

seine

Bildersammlung zur Verfügung stellte und mir darüber hinaus in zahlreichen Liedvorträgen Pfarr-Otto

die Möglichkeit bot,

unterstützte

mich

ihren vielfältigen Arbeiten -

meine Finanzen aufzubessem.

im Durchhalten,

indem

sie

mich

Imogen -

neben

in Stresszeiten von zahlreichen leidigen

Schreibarbeiten befreite und mich während depressiver Phasen ermunterte und aufrichtete. die

ebenfalls

Nicht zuletzt geht mein Dank daneben an meine Eltern,

inrner verständnisvolle

Gesprächspartner waren und meine

Arbeit finanziell und ideell unterstützten.

Regensburg, März 1981

Ulrich Otto

Digitized by the Internet Archive in 2019 with funding from Kahle/Austin Foundation

https://archive.org/details/diehistorischpolOOOOotto

- 7 -

Vorbemerkung

5

Inhaltsverzeichnis

7

AllgemeineEinführung

9

Die Rezeption der historisch-politischen Lieder und Karikaturen in der Gegenwart

9

Gegenwärtiger Forschungsstand

43

Allgemeine Betrachtungen zur historisch-politischen Dichtung und Karikatur

51

Die äußere Form der historisch-poli¬ tischen Lieder und Karikaturen

65

Die Form der historisch-politischen Lieder. Zur Rolle und Bedeutung der verwendeten Melodien: Das Kontrafakturverfahren

65

Die Form der historisch-politischen Karikaturen

73

Die Inhalte der historisch-polititischen Lieder und Karikaturen und die Art der Darstellung

83

Der Vormärz und die Revolution von 1849 im Spiegel ausgewählter Lieder Karikaturen

1848/ und 123

Der Vormärz im Spiegel seiner historisch-politischen Lieder und Kari¬ katuren

123

Die Julirevolution und ihre Wirkungen auf Deutschland

179

Am Vorabend der Revolution - Die 40er Jahre im Spiegel der histo¬ risch-politischen Lieder und Karikaturen

195

Die Ereignisse des Jahres 1844 im Lied und in der Karikatur

209

Eine bayerische Episode - Ludwig I. und Lola Montez

249

Die Revolution von 1848-1849 im Spiegel der historisch-politischen Lieder und Karikaturen

271

Der Ausbruch der Revolution in den beiden größten deutschen Staaten Österreich und Preußen

279

Die Ereignisse in Baden im Jahre 1848

323

Die Frankfurter Nationalversammlung im Lied und in der Karikatur

351

Das Versagen des deutschen Bürgertums. Der deutsche Michel im hi¬ storisch-politischen Lied und in der Karikatur

391

Der Sieg der Reaktion in Wien und Berlin

439

Die Kämpfe um die Reichsverfassung im Jahre 1849

495

Der Quellenwert historisch-politi¬ scher Lieder und Karikaturen und ih¬ re Verwendbarkeit im Unterricht

527

Bibliographie und Diskographie

533

Bibliographie

535

Diskographie

562

Register Personen- und Autorenregister

565 567

Verzeichnis der Lieder und Gedichte

57g

1. in ihrer Reihenfolge 2. nach den Liedanfängen

537

Verzeichnis der Abbildungen

593

Archivverzeichnis

603

5gl

9

-

Allgemeine

-

Einführung

Die Rezeption der historisch-politischen Lieder und Karikaturen in der Gegenwart

Die

vorliegende

Arbeit

will

sich

mit

zwei

möglichen

Quellenbereichen

aus der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 auseinanderset¬ zen, - nämlich dem historisch-politischen Lied und der historisch-politi¬ schen dem

Karikatur

der

Zeit

oppositionellen

Zahlreiche

zwischen

demokratischen

1815

und

Liedgut

1850,

und

der

in

jeweils

mit

ebenderselben Karikatur.

Lieder und ungezählte Karikaturen aus dieser Epoche befinden

sich in verschiedenen Archiven, - erstere u.a. chiv

hierbei

Freiburg

i.B.,

Staatsbibliothek

letztere

in

Preußischer

den

im Deutschen Volksliedar¬

Handschriftenabteilungen

Kulturbesitz

in

Berlin

etwa

(West),

der

Graphischen Sanmlung ALBERTINA in Wien,

dem Märkischen Museum in Berlin

(DDR),

dieser Arbeit

Orte,

von

denen

der

hauptsächlich bezogen hat, a.M.,

im

Museum

der

Verfasser

seine

Materialien

aber auch im Historischen Museum in Frankfurt

deutschen

der Staatsbibliothek München,

Freiheitsbewegungen

in

Rastatt

und

in

- um hier weitere mögliche Fundorte anzuge¬

ben, - und harren der Entdeckung durch die Forschung. Es

geht

in

und gerade blicken

dieser

Arbeit

dabei

ten Medien das

darum

aufzuzeigen,

daß

man

auch

in Deutschland auf eine lange demokratische Tradition zurück¬

kann,

die

im

Bewußtsein

weitgehend verschüttet ist.

-

u.a.

ins

Lied

nur

zu

vieler

unserer

Zeitgenossen

Es geht uns ferner darum, die hier untersuch¬

Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit zurückzurufen,

und

die

auseinandersetzten,

Karikatur,

die

sich

kritisch

mit

den

Zeitläufen

sind sie doch den meisten von uns relativ unbekannt,

nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sie in der Vergangenheit vielleicht zumeist zwar von der Wissenschaft theoretisch durchaus anerkannt, nichts¬ destoweniger sind.

Die

als

Untersuchungsgegenstand

Untersuchungen

Volkslieder eines

aber

Eduard

eines

demokratischen Fuchs,

Wolfgang

Charakters

eines

Steinitz

aus

unermüdlichen

vernachlässigt

sechs

Sammlers,

Jahrhundertwende

mehrere

grundlegende

Sammelwerke

veröffentlichte,

hierbei

gerade

über

auch

das

Uber

worden

"Deutschen 1 Jahrhunderten" oder der über

die

bereits die

um

die

Karikatur

Revolutionsjahr

1848

2

in der Karikatur stellen Ausnahmen von dieser Regel dar.

Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, 2 Bde, Berlin 1954/62. (Hiervon existiert auch eine gekürzte Ausgabe in einem Band, hrsg. von Hermann Strobach.) Eduard Fuchs: 1848 in der Karikatur, München 1897. Die weiteren Titel von Eduard Fuchs siehe in der Bibliographie unserer Arbeit. Um 1900 erschienen daneben die Sammlungen von Franz Ccnrir^: Das deutsche Militär in der Karikatur, Stuttgart 1907, sowie Gustave Kahn: Europas Fürsten im Sittenspiegel der Karikatur, Berlin 1908.

10

-

Nach

Kieslich

dar:

"Einem

stellte

Maximum

sich

an

die

Forschungslage

Sammlungen,

einer

Fülle

lange

Zeit

wie

folgt

von Veröffentlichungen

meist zufälliger Funde vornehmlich in den Zeitschriften der Historischen Vereine der einzelnen deutschen Länder, steht ein Minimum an Darstellungen und

Untersuchungen

gegenüber".^

Doch -sind

gerade

zu

dem von Kieslich

behandelten Zeitraum mehrere grundlegende und übergreifende Darstellungen erschienen.^ Was nun das historisch-politische Lied der ersten Hälfte des 19. Jahrhun¬ derts

als

den

neben vielen Steinitz von

vorwiegend

durchaus

Herwegh Stelle chung

ersten

Liedern

und

zu

untersuchenden

seine

anerkannten August

Bereich

betrifft,

zahlloser unbekannter Verfasser Aufmerksamkeit

widmete,

Literaten

Ferdinand

wie

Heinrich Hoffmann

von

so

sollen

jener Zeit,

auch

die

denen

Dichtungen

Freiligrath,

Fallersleben

-

um

an

Georg dieser

stellvertretend wenigstens einige Namen zu nennen - zur Untersu¬ herangezogen werden,

soweit

sie

sich

kritisch mit

den

Problemen,

Mißständen und Ereignissen des behandelten Zeitraumes auseinandersetzten, wobei

etwaige

ästhetische Qualitätsunterschiede unberücksichtigt bleiben

sollen.

Viel

an

vorgestellten

den

oft ähnliche dung

des

wichtiger

erscheint

es

das

literarischen

Intentionen zugrundelagen.

Vormärz

und

der

Verbindende

Produkten

Gemeinsame denen

Sigrid Weigel sieht eine Verbin¬

Revolutionsjahre

der Lyrik insofern gegeben,

und

herauszustellen,

von

1848/1849

hinsichtlich

als sich die Lieder und Gedichte der beiden

unruhigen Jahre "nicht wesentlich von der vormärzlichen Lyrik" unterschei3 den. "Einheits- und Freiheitslieder und die Tyrannenkritik in den Ge¬ dichten

behalten

Abstraktheit

der

deren

überwiegend

propagandistischen

ist allerdings durch die auf

Einzelereignisse,

bestimmtes

aktuelle

wodurch

Handlungsziel

sich

pathetischen und

Tonfall

und

agitatorischen

Absicht.

Situation der teilweise

agitatorische orientieren

Lyrik kann

die Neu

direkte Bezug

konkreter

und

auch

auf

ein

propagandistische

Gedichte mit der restaurativen Entwicklung einen konkreten Angriffspunkt 1 Günther Kieslich: Das 'Historische Volkslied1 2 als publizistische Erscheinung. Untersuchung zur Wesensbesturrnung und Typologie der gereimten Publizistik zur Zeit des Regensburger Reichstages und des Krieges der Schmalkaldener gegen Heinrich den Jüngeren vcn Braun¬ schweig 1540-1542. Münster 1958 (=Studien zur Publizistik), S. 7.

2 Rolf W.

Brednich:

Baden 1974,

dsgl.

Die

Liedpublizistik

Jan M.

Rahmelcw:

im

Flugblatt

des

15.-17.

Jahrhunderts,

Baden-

Die publizistische Natur und der historiographische

Wert deutscher Volkslieder um 1530, (Phil. Diss.) Hamburg 1966. Auch zur Lyrik des Vormärz sind in letzter Zeit einige wichtige Untersuchungen erschienen, etwa Erika Meyer:

Die Herausbildung der Arbeiterklasse

Lyrik,

dsgl.

Köln 1979,

Walter Wehner:

im Spiegel der zeitgenössischen

Weberaufstände und Weberelend in der deutschen

Lyrik des 19. Jahrhunderts, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.

3 Sigrid Weigel: Flugschriftenliteratur 1848 in Berlin. einer volkstümlichen Gattung, Stuttgart 1979, S. 202.

Geschichte

und

Öffentlichkeit

11

erhalten".^ Es

war mir möglich,

im Deutschen

Volksliedarchiv,

sten Sammelstelle nicht nur für das deutsche Liedgut,

der wohl

2

bedeutend-

aus alten Liederbü¬

chern und Flugblättern eine Vielzahl derartiger Lieder zusanmenzutragen, die

obige

Beobachtung

stützen.

als zweiten Bereich anbelangt, desgleichen hierbei

eine

v.a.

Karikaturen die

Vielzahl

-

etwa

die

historisch-politische

Karikatur

so konnten aus den oben erwähnten Archiven

von

Einblattdrucke. vor,

Was

Materialien

Außerdem

aus

den

zusammengetragen

lag

damals

mir

eine

werden,

Vielzahl

erschienenen

anderer

Zeitschriften

-,

in der Literatur bereits zusammengetragen und veröffentlicht worden

sind.

Hierbei

sei

nochmals

der bereits

erwähnte

Eduard

Fuchs

genannt,

3

daneben

sein

Zeitgenosse

Hans

Blum,

nicht

zuletzt

aber

auch

die vor

wenigen Jahren erschienene "Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution 1848/49",

oder der Band

"Karikaturen. Von den Fliegenden Blättern 5 bis zum Simplicissimus 1844-1914". Dabei sind die meisten der damaligen Karikaturisten,

soweit

den

von

ihnen

vergessen. kennen

erstellten

Selbst

aus

sie

sich überhaupt Flugblättern

ausgesprochene

mit

ihrem Namenszeichen

verewigten,

heute

Karikaturenliebhaber

auf

weitgehend

und

-Sammler

dieser Zeit oft allenfalls Namen wie Honore Daumier,

Kaspar

Braun, Andreas Achenbach, kaum noch Theodor Hosemann.® Die

hier

behandelte

Karikatur wirklich

in

Deutschland

-

war

der

eine

weniger

gebildeten

und

Schreibens

und auf sie ten.

Wie

der

hohen

Zensur während

Vielzahl

von

die

obwohl

an Bedeutung gewannen,

Einstellung 1848/49

Epoche

Zeit,

der

die

Medien

Lied und

schon vorher existierend - erstmalig

brachte doch die der

derartiger

Produkte

ohne

erzwungene zeitweilige

revolutionären

Zeitgenossen,

unkundig waren,

in

d.h.

ans den

weiteres

Ereignisse der Jahre Tageslicht,

Leuten,

die

die des

auch Lesens

verstanden werden konnten

deshalb auch einen beträchtlichen Einfluß auszuüben vermoch¬

Horst

Denkler

"Wertschätzung

anführt,

ist

sich

der politischen

die

Lyrik

Forschung

hinsichtlich

durch

Zeitgenossen

die

Sigrid Weigel: Flugschriftenliteratur 1848 in Berlin, S. 202. So befindet sich im DVA auch eine sehr gute Sarmlurg nichtdeutschen Liedgutes, obwohl der Hauptschwerpunkt natürlich auf den Liedern aus Deutschland und anderen deutschsprachi¬ gen

Ländern

liegt.

Ein

Katalog des DVA aus dem Jahre 1977 weist 334 223 Lieder und

Aufzeichnungen auf. Hans Blun: Die deutsche Revolution von 1848-1849, Leipzig 1898. Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution 1848/49, Berlin 1973,2‘durchgesehene Auflage 1975. Ludwig

Hollweg:

Karikaturen.

Von den Fliegenden Blättern bis zum Simplicissimus

1844-

1914, München 1973.

6

Leider lag uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Arbeit von Sylvia Wolf: Politische Karika¬ turen

in

Deutschland

Frühjahr 1982)

1848/49,

Mäander

Kunstverlag

(Erscheinungsdatom

wahrscheinlich

nicht vor, in dem sie dem Vernehmen nach verschiedene Künstler erstmalig

identifiziert hat.

- 12 -

und

die

gegen

Ende

der

dreißiger

den allgemeinen Geschmackswandel, Lyrikverachtung jungdeutschen

der

kulturtragenden

Programmen

des

'politisch,

oder

doch

sind

diese

Jahre

der die

bestärkte)

national

zumindest

oder

so

Biedermeierkreise Vorliebe

sozial

neutralisierte

Quellen

zahlreich

durchschlagenden

Gründe

für

(aus Übersättigung entstandene)

für

engagierten'

(...)

durchaus

geflossen;

wie

die

ja

die

Prosa

(von

zugunsten

Gedichts einig".1

ablöste

Nie

zuvor

auch

spätere Epochen 2 können mit dem Ausstoß an derartigen Produkten kaum konkurrieren. Obwohl sich die Medien politisches Lied und Karikatur - wie nicht zuletzt aus

der

Fülle

des

Materials

ersichtlich wird

-

um

die

Mitte

des

19.

Jahrhunderts größter Beliebtheit erfreut haben müssen, sind sie heutzutage doch weitgehend aus unserem Bewußtsein entschwunden. Zeitgenossen halten es, Johann

Wolf gang

von

politisch Lied!

was das Lied anbelangt,

Goethe

aus

Faust

Ein leidig Lied!(...)".

schon zu einem Allgemeinplatz geworden. Jahre

nach

seiner

Freiheitskämpfer siert:

"(,..)und

Geschöpfe den

der

Entstehung

von

und Volkshelden nur

wer,

"Ein

garstig

Dieses Wort

wie

keinem

Göthe,

in

Satz

aufstellen(...)". 3

Herrscher

Lied!

Pfui

ein

ist bei uns beinahe

Es wurde aber schon rund fünfzig Geringeren

als

Friedrich Hecker aufs

Erde

schamlosen

I:

Die meisten unserer

mit dem Ausspruch eines

ein

und

dem

Fürstendiener

Beherrschte Und

badischen

schärfste kriti¬ war

und

eintheilte,

Hofflnarm

von

die

konnte

Fallersleben

setzte Goethes Urteil die Verse entgegen: "Ein politisch Lied,

ein garstig

Doch anders dachte das Vaterland:

Lied! So dachten die Dichter mit Goethen

Das

will

Für

den

Und glaubten,

Und

Nur

sie hätten genug ge¬

tan, Wenn sie könnten girren und flöten

Weiß

Von Nachtigallen,

Der

von Lieb'

und

Mut wer

der

Dichterinnung

verbrauchten und

nicht

gegen werde

Wein, Von blauen Bergesfernen,

von

Leiertand

bied're die

die nun

Gesinnung.

Kunst

Kunst

in zu

endlich

unserer Zeit richten,

beizeiten

geschei^ lieber das Dichten!"

Und lasse

Von Rosenduft und Lilienschein, Von Sonne Mond und Sternen.

Horst Denkler: der

Zwischen Julirevolution(1830)und Marzrevolution(1848/49). -In: Geschichte

politischen

Lyrik in Deutschland

(Hrsg.v.)Walter Hinderer,

Stuttgart 1978,

S.

180.

Einen ersten Höhepunkt des Genres "Politische Lyrik" markieren Georg Herweges "Gedichte eines Lebendigen"(1841), die einschlügen, "wie nur jemals Verse haben einschlagen kennen", zit.

nach Wilhelm Bios:

Hoffmann

ven

Münster i.W. an:

"Bis

zwei,

1912,

Ende

der 2.

Die Deutsche Revolution,

Fallersleben S.

1842

als

Stuttgart 1893,

S.

35. Theodor Neef:

vaterländischer und politischer Dichter,

(Phil.

DissTT,

59 führt zur Verbreitung der Hoffmannschen Lieder einige Zahlen

erlebte der 1.

Teil drei Auflagen.

Teil

(der

'Unpolitischen Lieder'

Im ganzen sind bis

- der Verfasser)

zu jenem Datum von beiden Teilen

über 20 000 Exerrplare gedruckt worden(...) 1844 erschien eine Übersetzung der 'Unpoliti¬ schen

Lieder'

Übertragung

ins

Schwedische,

veröffentlicht".

Hoffmanns

von

Fallersleben

1981, S. spricht.

24f.,

Friedrich

Hecker:

der

vom

und

Siehe

in

demselben

hierzu

vaterländische

"marktbestimmenden

auch und

Jahr

die

wurden Proben einer englischen

Ausführungen

von

gesellschaftskritische

Wert"

der

Roland Lyrik,

Schiink: Stuttgart

politischen Dichtung jener Tage

3 Vorwort

zu

'Neue

Lieder

für

das

Teutsche Volk',

Rheinfelden

1848,

13

-

Doch bis unserer

in unsere Tage Zeitgenossen

-

ist die Auffassung Goethes tief im Bewußtsein

verankert.

Mit

ebendiesem

Makel

behaftet,

ein

"garstig Lied" zu sein, stieß daher eine überaus bedeutsame dichterisch¬ musikalische fast 19.

Erscheinungsform

unüberwindliche Jahrhundert

des

Schranken.

ebenso

wie

19.

Jahrhunderts

Hatte

die

diese

immer

Quelle

ob

der

wieder

auf

Zensur

im

historisch-politischen Karikaturen die

meiste Zeit über nur im Verborgenen fließen können, so trug das Bewußtsein nur zu vieler Sammler, die eine freiwillige Zensur ausübten und derartige literarische sie

seien

und

darüber

und

zeichnerische

unter

Produkte

künstlerischen

hinaus

oftmals

unter

dem Vorwurf

Gesichtspunkten

völlig

stereotyp,

nicht das

ablehnten,

wertvoll

seinige

genug

dazu

bei,

viele mögliche Quellen zu verstellen und sie nahezu völlig in Vergessen¬ heit geraten zu lassen, zumindest was die Kenntnis der breiteren Öffent¬ lichkeit anbelangt. Achim

von Arnim war

der Meinung,

daß

"die

Volkslieder(... )versöhnend

alle Gegensätzler unserer Tage" versöhnen und "den großen Riß der Welt" heilen, "aus dem die Hölle uns angähnt".'*' In unseren Tagen noch bezeichnet B.

Binkowski

die Rolle des Volksliedes "mehr auf die Gegenwart bezogen

(...), wenn sein Text einen Inhalt zum Ausdruck bringt, der viele Menschen zu allen Zeiten anzusprechen vermag. Gemeint sind z.B. seelische Stimmun¬ gen wie Liebe,

Frohsinn,

Formen der Geselligkeit". Die

meisten

Lieder

Trauer und Tod,

das Verhältnis der Natur oder

2

und

Karikaturen

verschwanden

also

in

Schubladen,

in Archiven und Museen und waren bald nur mehr einigen wenigen Liebhabern und Sammlern bekannt, wenn es auch ab und an einige Ausnahmen gegeben 3 haben mag. Hierbei spielte wohl nicht zuletzt auch der Vorwurf eine Rolle,

daß

behandelten

diese

Medien

Ereignisse

-

-

abgesehen von

weitgehend

ihrer

engen

"parteigebunden",

Bindung an die also einseitigen

Fortsetzung der Fn. 3 von S. 12: (Hrsg.v.) Karl Heinrich Schnauffer, S. 6. 4 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gerstenberg, Berlin 1890-93, hier Bd. Prutz und legte dar, unter

Gesammelte Werke,

8 Bde,

(Hrsg.v.) Heinrich

1 S. 45. Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Robert

daß Poesie und Politik sich nicht nur nicht ausschließen, sondern

bestimmten Voraussetzungen

Prutz: Die politische Poesie,

sogar

notwendig

zusanmengehören.

Siehe hierzu Robert

ihre Berechtigung und Zukunft. -In Derselbe: Kleine Schrif-

ten. Zur Politik und Literatur, 2 Bde, Merseburg 1847, hier Bd. 2 S. 91-135. "*■ Des Knaben Wunderhom. Alte deutsche Lieder gesamnelt von L. Achim von Arnim und Clemens Brentano. Dritter Teil dtv Gesamtausgabe, München 1963, S. 249. 2 B.

Binkowski:

Musik und

Bildung 5,

des historischen Volksliedes:

1973;

zitiert von Hans Niehaus:

In der Tradition

Lieder aus der Zeit des Vormärz, der Deutschen Revolution

1848/49 und, als Beispiel aus der Gegenwart, Lieder der badisch-elsässischen Bürgerinitia¬ tiven.

(Unveröffentlichte

Staatsexamensarbeit

für

das

Lehramt

an Gymnasien),

Freiburg

1977, S. 2. 3 Wolf gang Steinitz - siehe Anmerkung 1 auf S. vor,

die

über

längere

1 - führt hierzu eine Fülle von Liedern

Zeit in der Arbeiterbewegung bekannt waren und dort auch eine

nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben.

14 -

Tendenzen

verhaftet

zuzurechnen stünden.

seien

So

und

und

hielt

damit

zudem

etwa

nicht

meist

Johannes

dem

im

"hehren"

Dienste

Volkelt

Bereich

der

gefährlicher

"Tendenz(...)in

Kunst

Ideologien

allen

Fällen"

für eine "künstlerische Sünde".1 Nun kleiden Lieder und Karikaturen, Ereignissen längere

inspiriert

Zeit

worden

hinweg

die von politischen bzw.

sind

tradiert

-

wenn

wurde

auch

nur

ihrem

ein

Wesen

historischen

Bruchteil

in ihnen enthaltenen Fragen und Probleme in ein dichterisch- bzw. risch-werbendes propagandistisches Gewand, stes Ziel und eigentliches Hauptanliegen, und

politische

Situation

Zeitgenossen

zu

einzuwirken.

Dabei

um

einen

sers

rufen,

bloßen

oder

zu

Gefühls-

Zeichners,

es

sich

daß

die

beiden

geachteten

und

oftmals und

auf

ja

der

Karikaturen

zwar

sind,

darob

publizistischem,

in

aber

auch in

gleichem

zum

oft

ergeben

und,

Öffentlichkeit

durch

einen

das

Bewußtsein

unmittelbar

den

vernachlässigten

auf

seltensten

dabei

eingehen,

möglichst

von

der

letztere

Fällen

vornherein

Bereich

Masse

wurde.

aus

um

nur

eine

deren

Literatur

zu

von

die

Funktion,

bzw.

weniger

vorwiegend

ursprünglich

Themen

der

sollen

Lieder

sie

doch

den Geschmack einer möglichst

Sensationslust

überschaubaren

einer

Stoffes

gehören,

Gewisse

ihrer

d.h.

der

vorwiegend

Charakter

feilgeboten sich

Maße

dem

doch

von vornherein auf den Volksgeschmack, breiten

in

Insgesamt ist zu berücksichtigen,

einen

andererseits

journalistischem

Straße

und

und Meinungsausdruck des ursprünglichen Verfas¬

sondern

Medien

zuzurechnen

zeichne-

einerseits die gesellschaftliche

wohl

bewußte und gezielte Art von Propaganda.

Kunst

die

- ist es doch ihr vordringlich¬

reflektieren

andererseits

handelt

über

entsprechend

und

einfach

stillen

helfen

gehaltenen

Text

oder eine eindeutige und einfache Zeichnung, welche auf einen öffentlichen Vortrag,

auf

Rezeption

durch

die

gewisse Grundemotionen wecken, Bei

die

Öffentlichkeit

hin

zu

Bewußtsein daher haben

auch

gewissen

Zeiten

und

Haltung

den

dürften,

die

Verlauf obwohl

einen einer

der

nicht

daß v.a.

unerheblichen

breiten

Geschichte

sich das

sind,

latent vielen Menschen zugrundeliegen.

genauerer Betrachtung wird man zugestehen müssen,

Lieder

konzipiert

Einfluß

Öffentlichkeit

wenigstens

genaue Ausmaß eines

politische auf

das

ausgeübt

und

mittelbar

beeinflußt

derartigen Einflusses

zumeist nur sehr schwer abschätzen läßt. Soviel

läßt

Wirkung

und

sich jedoch konstatieren: Ursache

in

einem;

indem

politischen Lieder sind hierbei starke

ihnen zugrundeliegenden Meinungen ihrerseits sehr stark beeinflus¬ verfestigen

können.

Sie

sind

umso

dahingehend

einer

sie

und

sie

Gefühle

Öffentlichkeit

die

wirken

gemeinsame

breiten

sen

ausdrücken,

Die sie

zurück,

wirkungsreicher,

als

daß

sie

1 Johannes Volkelt: System der Ästhetik, München 1905, Bd.l S. Walter Hinderer(Hrsg.): Geschichte der politischen Lyrik, S. 9.

517;

zitiert auch bei

-

einer

einheitlichen

Anschauung

Ausdruck verleihen,

15

über

gewisse

Begebenheiten

einer

Zeit

diese umreißen und durchaus in der Lage sein können

einer breiteren Masse ein gewisses Zusanmengehörigkeitsgefühl zu vermit¬ teln

und

sie

in

sie

der

fester

Lage

zusammenzuschweißen.

sind,

direkte

Mehr aber noch dadurch,

Aktionen

auszulösen,

als

vermögen sie auf

das Bewußtsein von Menschen einzuwirken und diese in gewissen vorgefaßten Meinungen

zu

feststellen der

in

bestärken, muß,

daß

innerster

wobei

sie

Seele

man

Einfluß

bereits

jedoch nur

Moment,

denjenigen

Parteigänger

der Karikatur nicht um ein Medium handelt, derart auszulösen vermag,

gerechterweise

auf

ist.

einschränkend

nehmen

Obwohl

können,

es sich bei

das etwa kollektive Gefühle

- fehlt hier doch weitgehend das korrmunikative

welches das Lied auszeichnet und ihm seine Besonderheit verleiht-

so wirkt auch sie, wenn schon nicht meinungsbildend, so doch meinungsver¬ festigend im obigen Sinne. Politische Lieder und Karikaturen sind demnach als ein Ausdruck fast allgemeiner und auch allgemein angesehener Anschau¬ ungen,

Vorurteile

und

populärer

Ausdrucksformen

zumindest

bestimmter

Gruppen im Volk zu erachten, und wir können sie deshalb auf jeden Fall zumindest

als

als offizielle, zum

Kommentar

zum

jeweiligen politischen

Geschehen

-

nicht

sondern von unten her wirksame und wirkende Erläuterung

Zeitgeschehen und "Meinungsmache"

im obigen einschränkenden Sinne,-

werten. Hierbei

darf man die Tatsache nicht aus den Augen verlieren,

daß Lied

und Karikatur in mancher Beziehung zwei grundlegend verschiedene Quellen sind und das Lied, in der Lage

ist,

zumal wenn es wirklich gesungen wird, weitaus eher

Emotionen zu wecken bzw.

zu stärken.

Dabei bedienen

sich die "Liedermacher" oftmals ganz bewußt traditioneller Volksliedele¬ mente, d.h. sie greifen auf Melodien bekannter und verbreiteter Volkswei¬ sen

zurück,

sonst

die

vorwiegend

sich in

mit

der

Themen

und

literarisch

Formen vermischen lassen,

gehobenen

Schicht

eines

die

Volkes

zuhause sind. Mag ein Lied eventuell auf dem Papier armselig erscheinen, so

kann

wenn

es

es

doch

in

nicht

geringem Ausmaße gewisse Effekte erzielen,

allgemein verbreitet

angenommen

ist

ist,

und gesungen wird,

d.h.

von

einem

das sich die

breiteren

Publikum

Lieder auch innerlich

zu eigen macht. Schließlich ist ein Lied nicht bloß als Text und Melodie aufzufassen, leicht

die gerade heute - bei unseren technischen Mitteln - sehr

festgehalten,

untersucht und kritisiert werden können.

Vielmehr

stellt es das Resultat einer ganz bestimmten Geisteshaltung und Einstel¬ lung dar und hängt zudem sehr von der Verbindung ab,

die der jeweilige

Sänger zu seinem Publikum herzustellen in der Lage ist. Nicht weniger 1

s.u. S. 65ff.

- 16

fällt und

dabei

also

ins

Gewicht,

begeisterungsentfachenden

eine

aufnahmebereite

des

Liedes

welchem

zu

ein

schaffen

in

die

sind,

ob

die

ablenkend

von

die

Wirkung

ihre

sind,

und

und

ob

über einen

ist

wird,

mit

es

und

auch

den

-

um

Inhalten

wesentlich,

inwieweit

mitwirken.

Musik des

die

hängt

handwerklichen

Tradierung

zuletzt

sich

vor

sonstige

für die Rezeption günstige Stimmung

unmittelbar-

ab,

damit

Karikatur

nicht die

Ebenso

Grundstiimung

ihm wirkt einer

eine

davon

die

-

gesungen

die

Lage

und

handelt,

vermag.

Lied

auch

Musik

künstlerischen ist

der

Wirkung

sich um einen überzeugend wirkenden

Sänger

identifizieren

Hintergrund

hängt

es

Zuhörerschaft

Unstände mannigfachster Art, zu

ob

und

Text

Textes

erstrebte

zuletzt gewählt

verstärkt

Wirkung

zweifellos

nicht

Fähigkeiten

Nicht adäquat

ihres

und

nicht

zerstört.

zuletzt

Auch

von

Urhebers

ab,

längeren Zeitraum hinweg weitaus

den doch

schwerer

zu bewerkstelligen. Die

Tatsache,

sich zu

am

daß

direktesten

wenden

versteht,

zu tradieren ist, gen

dieser

ein

politisches

Art

zu

die

konnte

es

längeren blieben Obwohl

oder

das

zurückgeht, Themen

von

Symbolen

Lieder sind

und

für

einen

war

oder

eines

die

im

Bewußtsein gesungen

so

konkrete

dabei

die

als

Gefühl

des

Menschen

Beziehung

leichter

häufig

sein

kann. sie,

historische

Teiles

vieler

Lieder,

Was

der

Leute

jedoch

nicht

nur

auf

die

denen

einem z.B.

die

betreffenden

Persönlichkeiten

für

der

Katalog System

jeweiligen

namentlich zu

wurden.1

Begebenheiten

komplexen

Helder sie

einen

bestehen

wiederkehrender

die

und

über

weitergegeben

ziemlich

wenn

Lied

Bevölkerung

Öffentlichkeit

aktiv

immer

sogar

Gattung

wenn

Einschnitt

beschäftigte,

auf durchaus wahre

ein mit

nämlich,

zugrundeliegen,

breiteren

damit

doch

Manchmal

entscheidenderen

stehen

oftmals doch einen abstrakten und konformen Charakter an, das

welches

eine politische Persönlichkeit

Thema

einer und

der

nehmen

ist,

mancher

größeren

der Lieder dabei

verbunden

und

Phantasie

daß

ihr

das

vermochten.

darstellte,

geschehen,

sich

in

größeren

Verehrung

Motiven,

anbelangt,

und

weiterzuleben

Gedankengut ergibt

zudem

an

Medium

dazu beigetragenm daß manche Erscheinun¬

Persönlichkeiten

von

von

es

eines Volkes

Zeitraum und

daß

zweifellos

und

imstande

dasjenige

und

Ereignis

bisweilen

Ereignisse

überhaupt

unmittelbarsten

länger

Liebe

sichern

Lied

und

hat

in der Geschichte sich

das

genannt

scheinen,

- ein Phänomen,

unseren

Sprachraum

2 zutrifft.

vgl.

Die

Genauigkeit

der

zeitlichen

hierzu die Untersuchungen von John Meier:

Eingrenzung,

-

ein

Kunstlieder im Volksmunde,

Datum,

Halle 1906,

dsgl. Ders.: Lieder auf Friedrich Hecker, Volksliedstudien, Straßburg 1917, ebenso Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, der zahlreiche Beispiele anführt.

2

Hierzu gibt es - was das Lied anbelangt - z.B.

in Irland oder den USA eine Vielzahl

von Beispielen, betrachtet man nur die historischen Räuberballaden der jeweiligen Länder, etwa über Jesse James in den USA - oder den Schinderhannes in Deutschland -, um obige

17

ein Ort und andere Einzelheiten, können die

soweit sie überhaupt genannt werden,-

Tatsache nicht verbergen,

Darstellung

eines

Individuums

denn

daß es sich dabei weniger um die um

einen

konventionellen Charakter

handelt. Obwohl

Lied und Karikatur - wenigstens was die Themenauswahl anbelangt-

bisweilen Übereinstimmungen zeigen und sich insofern also ähneln können, gibt

es

zwischen

Karikaturen

beiden

Medien

doch

auch

grundlegende

Unterschiede.

können zwar theoretisch auf Flugblättern über Generationen

weitergegeben

werden,

doch

können

sie

eben

Reproduktionsbestand" übemonmen werden,

nicht

in

einen

"aktiven

wie dies etwa bei den histo¬

risch-politischen Liedern oftmals der Fall war und gerade heute wieder im Rahmen

einer

neuen

Volksliedbewegung

geschieht.

Während zahlreiche

Lieder auch heute noch - oder vielleicht gerade heute wieder - im Reper¬ toire

zahlreicher

"Volkssänger"

hier bisweilen aktualisiert, auf jeden Fall im

Gegensatz

und

d.h.

Volksliedgruppen

aber aktiv weitergegeben werden,

dazu

ein

relativ

auftauchen

und

einer derzeitigen Situation angepaßt, fristet die Karikatur

unbeachtetes Dasein,

ist weitgehend an

das Medium Flugblatt oder Buch gebunden, wo sie sich abgedruckt findet und in

kann nicht von letzterem losgelöst weitergegeben werden, 1 einem

"aktiven

Zeichners. und

Karikaturenbestand"

im

Repertoire

eines

- etwa heutigen

Gleichwohl finden entsprechende Ausstellungen mit Karikaturen

Graphiken vergangener

Insgesamt

Epochen auch heute noch durchaus Beachtung.

läßt sich jedoch sagen,

daß die Karikatur für einen Großteil

unserer Zeitgenossen noch schwerer zugänglich zu sein scheint als das 2 Lied, was eben bereits zur Sprache gekommen ist. Auch der oftmals gute Besuch von entsprechenden Ausstellungen kann darüber nicht hinwegtäu¬ schen. Fortsetzung der Fn. 2 vcn S. 16. Anschauung hier nur kurz verdeutlichen. Natürlich wurden verschiedentlich vcn einzelnen Zeichnern bestinmte Motive aus Karikaturen früherer

Epochen

übemonmen.

377 der vorliegenden Arbeit), dem Jahre findet

Siehe

hierzu

z.B.

die

Abb.

"Reichs-Wappenspinne"

(S.

die ein Motiv einer Karikatur von Thomas Rowlandson aus

1808, betitelt "The Corsican Spider in his Web" aufgreift. Letztere Zeichnung

sich

abgedruckt

Kunst und Karikatur,

bei

München,

Otto 1.

Baur: Aufl.

Bestiarium 1974,

S.

Humanem.

87 und S.

Mensch-Tier-Vergleich

in

136. Kurz nach dem Zweiten

Weltkrieg wurden - nach Karl Riha/Helmut Hartwig: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, Berlin 1974, S. 223ff. - in der Ostzonen-Presse des Jahres 1949, aber auch in der Marz¬ ausgabe

des

Jahres

1948 der westdeutschen Satire-Zeitschrift "Simpl",

verschiedentlich

Revolutionskarikaturen aus den Jahren 1848 und 1849 aktualisiert, dies jedoch Ausnahmen, die obige Regel bestätigen. Jedoch hat das Medium Diapositiv der Karikatur bzw. ihrer Betrachtung neue Möglichkeiten eröffnet.

So ist es

entsprechenden mehrfach BILDER

an

aus

in letzter Zeit immer mehr Brauch geworden, etwa Liederabende mit

Karikaturen

derartigen der

zu

illustrieren.

Veranstaltungen

deutschen

Revolution

Der

Verfasser

mitgewirkt,

von

1848/49

z.B.

dieser

an

einem

(veranstaltet

Arbeit Abend

vom

hat

selbst

"LIEDER UND

Carl-Schurz-Haus

und von Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg i.Br. am 28.3.1979) und "GESCHICHTE (18151979) in

in

Kiel

LIEDERN"

(Öffentliche Abendveranstaltung beim 22.

am 19.6.1979,

Deutschen Volkskundekongreß

die ebenfalls vom Deutschen Volksliedarchiv ausgerichtet wurde.

18

-

-

Eine eingehendere Beschäftigung mit dem Genre des historisch-politischen Liedes

und

der Karikatur wird uns

die

Erkenntnis

vermitteln,

daß

der

Boden für die Rezeption der beiden Medien durch das Gros der Bevölkerung heute

nicht

vielen

mehr

Liedern

werden,

heute

größte

Teil

und nur

einen

an

ihnen

mit

daß

schwer

Quellen

in

die

soweit

sie

erkennbar der

ursprüngliche

unkommentiert

ist,

breiteren

Intention

und

daß

dargeboten

nicht

Bevölkerung

bei

fast

nur

der

gänzlich

sondern darüber hinaus oftmals nicht einmal das geringste

kleinen

Gründen

ist,

Karikaturen,

mehr

dieser

unbekannt ist, Interesse

bereitet

zu

Zirkel ihnen

bestehen scheint. ausnehmen,

der

beschäftigt

auch den Kreis von Leuten,

und

Allenfalls kann man vielleicht

sich sie

aus

am

vorwiegend

Leben

ästhetischen

erhalten

will,

oder

der an solchen Liedern und Karikaturen etwa

die Kontinuität des Kampfes der Bevölkerung gegen die herrschende Klasse aufzeigen will, - wo die Beschäftigung damit also vorwiegend ideologischen Zielen dient. abzulehnen, Tradition heute

Dabei

da

sind letztere Bemühungen nicht einmal von vornherein

Deutschland

zurückblicken

kaum mehr

ja

wirklich

kann,

bewußt

ist,

die -

ist

auf

dennoch sie

eine

lange

vielen

doch

demokratische

unserer

gerade

auch

Landsleute

durch

unsere

jüngste Vergangenheit zurückgedrängt worden und in Vergessenheit geraten. Auch

im heutigen

beträchtlichen

Deutschland vermögen

Schwierigkeiten

Geltung

diese zu

Gattungen

gewinnen.

daher

Nicht

nur

unter

zuletzt

die

Möglichkeit einer ideologischen Nutzung mag bisweilen dafür mitverantwort¬ lich bis

sein, heute

anführen

daß

eine

intensivere

auf sich warten läßt. -

gerade

nach

1945

Auseinandersetzung Dabei hätte

gute

mit

diesen

Medien

es - wie Hartwig und Riha

Möglichkeiten

gegeben,

historisch¬

politisches Liedgut und Karikatur im Bewußtsein der Nachkriegsgeneration zu verankern. und

zuschande

"Nach 1945 setzt die Wiedergewinnung des verlorengegangenen gerichteten

Bewußtseins auf verhältnismäßig breiter Basis

ein. Dies zeigt eine Flut von Publikationen, und zwar nicht nur beschränkt auf -

wissenschaftliche

von

zum

der Karikaturensammlung

Revolutionskalender

fahren

fort:

so

es

daß

Arbeiten

"Die

-

in

oder

zum

Schulbuch,

großer

Adenauer-Ära hat

in der BRD erst

bloße

Zeitungsartikel,

von der Gedichtanthologie

öffentlicher das

alles

sondern

Streuung".

weitgehend

Und

sie

zugeschüttet,

1973 anläßlich der 125-Jahr-Feiem zu einer

Wiederentdeckung größeren Stils und damit zu einer vergleichbaren publizi2 stischen Tätigkeit gekommen ist", wenn auch Gedichte, Lieder, Theaterstükke,

Flugblätter,

Karikaturen,

kurz

"das

sinnliche

Moment

Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 195.

2

Ebenda, S. 195.

im

Ereignis

19

-

der

bürgerlichen

blierten die

Revolution"

Parteien

im

Kontext

wiederentdeckt es

besonders

am

Herzen

oder

nicht

gar

von

bürgerlicher

1

wurde. dem

der

Hierbei

hatte,

von

offizieller

Bürokratie,

Öffentlichkeit soll

verstorbenen

gelegen

-

aber

"sondern

gegen

nicht

auch

diese

das

Gustav

von

den

eta¬

von

Gruppen,

opponierten",

unerwähnt

Bundespräsidenten

endlich

Seite,

bleiben,

Heinemann

daß sehr

bürgerlich-revolutionäre

Erbe anzutreten und nicht zuletzt auch die Tradition der 1848er Revolution wieder

ins

Bewußtsein

Heinemann das Ganz zu

war

Museum anders einer

auch,

als

in

der

2.

der

der

Schuljugend

dessen

BRD

kam

es

Hälfte

der

des

in

dagegen

Beschäftigung

zurückzurufen. 2

Schirmherrschaft

Freiheitsbewegung

in der Nachfolge

in

bei

unter

deutschen

anhaltenden

"durchaus kraten

es

der

gerade

mit

Rastatt

in

der

den

Gustav

beispielsweise

gegründet

DDR

von

wurde.

Anfang

an

Revolutionsereignissen,

intensiven Rezeption durch die Sozialdemo¬

19.,

zu

Beginn

des

20.

Jahrhunderts,

durch

3 die

SPD

selbst

und in

die

KPD

in

Anspruch,

Revolution

der Weimarer

in

der

zu vertreten

und

DDR

Republik".

das

andere

Man nahm hier für sich

Deutschland,

das

infolgedessen den besseren Teil

Erbe

der

Deutschlands

zu repräsentieren. Die

Inanspruchnahme

wohl

auch

mit bei

den

dafür

uns

auf

warten

gab,

und das Lied daß

sich

Produkt zwei

in

des

Mitteleuropa

deutsche

Unter von

läßt,

Staaten

bereits Kalten

mit

zwei

derartigen

unterstützen

zu

den

wollen,

kurz

muß

gerade

den

nach

v.a.

dem

zwischen

bis

heute

letzten

Jahren

aus

das das

derartiger

Gedicht Tatsache,

Zweiten

Weltkrieg

den

und

voneinander

etwa

der

USA

der

geschiedenen,

als

UdSSR scharf

herausbildeten.

heutige

politische

jeweilige

Verdacht

war

Ausnutzung

Karikatur in

DDR

historisch-politische

geraten,

ein

die

intensivere

und

resultiert

völlig

Verdacht und

es

das

durch

Gesellschaftsordnungen

Voraussetzungen in

eine

Lied

Krieges

rivalisierenden

vornherein

daß

obwohl

wenigstens was 4 betrifft. Dies

einsetzenden

miteinander

Tradition

historisch-politisches

sich

dafür

demokratischen

mitverantwortlich,

Medien

Ansätze

der

andere

bringt

Lied

System

sofort

das

1 Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 92 Gustav Heinemann: Die Freiheitsbewegung in der deutschen Geschichte (1974). -In: Präsidia¬ le

Reden

Frankfurt

a.M.

Julirevolution(1830)und

1975,

S.

1974 "Deutsche Revolution 1848/49" ständnis

deutscher

gebracht

vgl.

hierzu auch Horst Denkler:

S.

201.

Aus

dem

Programm

Zwischen

WETTBEWERB

GUSTAV-HEINEMANN-PREIS FÜR DIE SCHUUUdND zum Ver¬

Freiheitsbewegungen:

freiheitlichen rechtsstaatlichen, Grundrechte

133-141;

Märzrevolution(1848/49), "Wir

haben heute das großartige Angebot einer

sozialen Demokratie

in unserem Grundgesetz. Für diese

ist in unserer Geschichte gekämpft worden. Diese Vorgänge sollten ans Licht

und

weit

stärker

als

bisher

im

Bewußtsein

unseres

Volkes

verankert

werden

(...)". 3 Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 195.

4 S.u.

S.

10

Fn.

Rahier 'Rosenberg: Reisner:

2;

siehe

Friedrich Sengle:

Biedermeierzeit,

Literaturverhältnisse im deutschen Vormärz,

Literatur unter der Zensur,

2 Bde Stuttgart 1971/72, Berlin 1975;

Hanns-Peter

Stuttgart 1975. Walter Hinderet(Hrsg.): Geschichte

der politischen Lyrik in Deutschland, Stuttgart 1978.

-

ganze

Medium in Mißkredit.

20

-

So sieht

sich in der BRD nicht nur Franz

Joseph Degenhardt,

- und seine DKP-Mitgliedschaft muß dies noch erhär¬

ten,

ausgesetzt,

-

dem

Tadel

agitatorisches

Sprachrohr

der

Ideologie

der DDR zu sein, während im anderen deutschen Staat wiederum Wolf Biermann , der sich selbst als Kommunist und die DDR als seinen Staat und seine eigentliche Heimat versteht,

der Unterstützung von konterrevolutionären

Kreisen der BRD verdächtigt wurde, wenn er heimatliche Zustände kritisch zu hinterfragen wagte,

-

eine

Folgerung,

die er übrigens entschieden

bestreitet. Gerade die letzten Jahre haben überdeutlich vor Augen geführt, welche Folgen derartige Vorwürfe konnten,

-

denkt

Rückkehr von die

man

nur

Biermann

Entziehung

in

für die Betroffenen nach sich ziehen

an

die

Ausweisung

die

DDR

nach einer Tournee

der DDR-Staatsbürgerschaft,

bzw.

wobei

Nichterlaubnis

es

zur

in die BRD und sich

bei

ihm

ja

nicht einmal um ein Einzelschicksal handelt. Degenhardt muß mit derartig krassen

Maßnahmen

Auftritte

oder

in

auch

der

BRD wohl

nicht

rechnen,

doch

werden

seine

jene anderer sich politisch verstehender Künstler

wie Dieter Süverkrüp und Hannes Wader,

- letzterer ist inzwischen viel¬

leicht zu dem Idol vieler Freunde der neuen deutschen Volksliedbewegung geworden,

-

von

den

bundesdeutschen

gemieden und "totgeschwiegen",

obwohl

Massenmedien

geradezu

auffällig

ihre Konzerte und Tourneen nicht

gerade wenig Publikumsbesuch aufzuweisen haben. Auch hier ist es offen¬ sichtlich besser, auf eine "ausgewogene Programmgestaltung" hinzuarbeiten, kritische

Stimmen

einfach

zu

negieren,

als

sich

inhaltlich

mit

den

Künstlern auseinanderzusetzen. Daß dies aber nicht eine Praxis ist, die sich nur auf die bundesdeutschen Massenmedien beschränkt, wie

die

SPD

kommunistischer verzichtete, und

aer

1960er die

weil

durch

Jahre

Texten linker Protestsänger und angeblicher

Quellen auf die geplante Herausgabe

deutschen

Verfolgung

zeigt die Tatsache, daß eine renommierte Partei

aufgrund von

neben

Liedern

der

Sozialdemokratie, Bismarcks

Eingang

Notstandsgesetze,

das

internationalen

der

sollten,

Schah-Regime

Arbeiterbewegung

Revolution von

Sozialistengesetze

finden

eines Liederbuches

die in

auch

sich

1848

Lieder

und

der

späten

beispielsweise

Persien und

die

der

gegen

Springer-

Presse wandten. ^ Das Parteiorgan der CSU dagegen druckte einen Artikel ab,

dessen Verfasserin sich entschieden gegen das baden-württembergische

Volkslied-Duo

"Zupfgeigenhansel"

mit

apostrophierte,

1

Klampfe"

wandte

seine

und

es

Liedauswahl

als als

"Klassenkämpfer "einseitig",

vg]. hierzu: Der SPIEGEL Nr. 28, 31. Jahrgang, 4. Juli 1977, S. 44—46.

wie

21

auch

das

ausgewählte

Liedmaterial

als

"tendenziös"

diskreditierte.

1

Hierbei ließ die Autorin leider unberücksichtigt, daß es auf dem bundes¬ deutschen die

Plattenmarkt

ebenfalls

als

gewiß

mindestens

"einseitig"

ebensoviel

Produktionen

zu bezeichnen wären,

gibt,

jedoch nach einer

anderen Richtung,

d.h. mit der Auswahl der auf ihnen enthaltenen Lieder

ein

und

idyllisches

damit

Vergangenheit zeichnen. des

Lieder

ebenso

"falsches"

Bild

unserer

Es soll hier nicht einer Einseitigkeit zugunsten

historisch-politischen

derartige

zumindest

eben

Liedes

auch

der deutschen Liedtradition.

ein ?

das

Wort

geredet

werden,

doch

sind

nicht gering zu veranschlagender Teil

.Zudem sind sie, die das Bild des "Volkslie¬

des" in letzter Zeit ein wenig relativieren halfen, indem sie die ganze Bandbreite dessen, kann

was unter dem Begriff "Volkslied" subsumiert werden

verdeutlichen,

vermehrtem

in

Ausmaß

der

BRD

auf Platten

erst zu

Mitte dieses Jahrzehnts

finden,

3

wenigen älteren Ausnahmen absieht.

seit

wenn man

von

einigen

in

ganz

Nur zu leicht wurde die "Volkslieddo¬

mäne" zuvor meist dem romantischen, romantisierenden und oftmals süßlich¬ kitschigen Liedgut unangefochten überlassen. Wie Barbara James anführt, blieb das Medium des historisch-politischen Liedes in der aktiven Phase 4 der Studentenbewegung weitgehend unberücksichtigt. Eine besonders pikante Note ist es dabei, daß sich ausgerechnet Vertreter jener Partei, dessen Organ sich derart gegen "Einseitigkeit" und "Tendenz" 1

vgl. van in

hierzu

Maria

15.10.1977. ähnlicher

marxistische häßliche

Helene

Ein

Weise und

Lärmers:

Leserbrief Liber

das

"Klassenkanpf mit der

BADISCHEN

Liederbuch

kcrmunistische

'Parodien'

in

der

Machwerke,

Klampfe".

ZEITUNG van

-In:

Der

17.4.1979

"Zipfgeigenhansels":

BAYERNKURIER äußerte

sich

"(...)ausgesprochen

eingefügte Propaganda-Drucke,

(,..)und dazu

alter Vaterlandslieder - praktisch also ein Buch, das unsere sittli¬

chen und moralischen Werte bewußt besudelt(...)und wieder einmal beweist, wie

'unterwan¬

dert' wir im freien Teil Deutschlands

'von drüben' schon sind. Auch dem bereits erwähnten

Liederabend

"GESCHICHTE(1815-1979)in

-

Siehe

S.

17

Fn.

2

-

LIEDERN"

wurde

in einem

Karmentar der CDU-nahen KIELER NACHRICHTEN Nr. 142 vom 21.6.1979 "starke Linkslastigkeit" und

"Manipulation"

vorgeworfen,

der

Moderator

dieses

Abends

in

einem

Leserbrief

am

darauffolgenden Tag mit der Vokabel "Jugendverderber" belegt, weil eben auch Volkslieder "vcn unten" zu Gehör gebracht worden waren.

2

Wie diese Liedtradition bereits im 19. z.Z.

eine

Arbeit

vcn

Jahrhundert unterdrückt wurde, darüber entsteht

Barbara James mit dem Titel

zur Fabrikation einer Idylle:

"Zensur und Strafjustiz als Mittel

Das Volkslied im 19.

Jahrhundert",

auf die man gespannt

sein darf.

3 Hierzu sind die Platten eines Peter Rohland zu rechnen, der bereits in den 60er Jahren u.a.

Lieder aus dem Vormärz und der 48er Revolution vorstellte, dsgl. die Produktionen

vcn Hein & Oss Kröher.

(Siehe hierzu die ausführliche Diskographie am Schluß der vorlie-

den Arbeit.) 4 Barbara für

James:

Kannmacher: -In:

Versuch einer Beschreibung der deutschen Folk-Szene

Volksliedforschung, Ebenda,

Mischpulten

Das 23. der

22.

deutsche Jg.

Jg.

Berlin 1977.

Volkslied

Berlin 1978,

Volkskultur.

in S.

der

-In:

Jahrbuch

Folksong- und Liedermacherszene seit 1970.

33^13;

Anmerkungen

'76.

Zur deutschen Folk-Szene siehe auch Tcm

und

dsgl.

Eckart Frahm/Wolfgang Alber: An den

Thesen

zur Folk-Szene

'77.

-In:

Ebenda,

23. Jg. Berlin 1978, S. 43-69; dsgl. die Arbeit zur Entwicklung der Folk-Szene in Deutsch¬ land vcn Herbert Neumann: Von der Liedermacherszene zu einer neuen Volksliedverbreitung? (Unveröffentlichte Staatsexamensarbeit für das Lehramt an Haupt und Realschulen), furt a.M. 1978.

Frank¬

-

22

-

ausspricht, neben Abgeordneten der verwandten CDU auf der anderen Seite ausgerechnet dessen

immer wieder für das Absingen eines Liedes

Tendenz

dahin

geht,

"Deutschland,

stark machen,

Deutschland Uber

setzen und seine Grenzen "von der Maas bis an die Memel wollen. 1 Hierbei

darf

gerechterweise

deutsche

Nationalhymne

Fallersleben,

daß es

— dessen dritte Strophe heute

-

August

Heinrich

Hoffmann

von

um nichts weniger ging als etwa imperialistische Parolen

zu predigen, 2 mit

darstellt,

zu

fixieren zu

nicht unerwähnt bleiben,

dem Verfasser des "Liedes der Deutschen", die

alles"

doch verbindet unsere

derartigen

Bestrebungen.

jüngste Vergangenheit

Interessant

ist

in

dieses Lied

diesem

Zusammenhang

auch die Tatsache, daß Hoffmann hier von einer Partei "in Dienst genorrmen" werden

soll,

vielleicht würde,

die

- würde

fordern

ein

würde,

Schicksal,

das

er heute

leben und sich kritisch äußern -

daß

Radikalenerlaß

der

auf

Hoffmann zu seiner Zeit

ihn

angewendet

ja nur zu bekannt

war. Viele seiner Lieder, die sich sehr kritisch etwa mit den Verhältnis¬ sen

in

einige

Deutschland von

und

dem

ihnen werden

deutschen

Bürgertum

auseinandersetzten

auch in dieser Arbeit Platz

-

finden - würden

ihn heute zum Erleiden eines derartigen Schicksals geradezu prädestinie¬ ren

oder

doch

abstempeln,

zumindest

zum

Sympathisanten

einer

"radikalen"

- zumindest in den Augen gerade derjenigen,

so sehr für unsere Hymne stark machen.

Partei

die sich heute

3

Auch ein weiterer Vorfall, der sich vor nicht allzulanger Zeit im Bundes¬ verteidigungsministerium

in

Bonn

ereignete

erscheint

auf

den

ersten

Blick wohl eher belustigend. Der dortige Bibliotheksdirektor - übrigens zu dieser Zeit Mitglied und Mandatsträger der CDU - wurde von seinem Vorgesetzten als

gerügt,

achtzehnmal

die

da

er

innerhalb

"Internationale"

von

drei

Jahren

gepfiffen habe.

nicht

Als er daraufhin

Dabei wird Bezug genommen auf die kostenlose Verteilung einer Platte des bzw.

Schlagersängers

den

damaligen

Heino

mit

der

deutschen

baden-württembergischen

Nationalhyime

Ministerpräsidenten

im

Dr.

weniger

"Volkslied"-

Frühsorrmer Hans

1978

Filbinger

durch

an

den

Schulen seines "Musterländle". Mit dieser Auffassung befinden wir uns

im Gegensatz zu Roland Schiink,

der in seiner

ansonsten bemerkenswerten Arbeit "Hoffmanns von Fallersleben vaterländische und gesell¬ schaftskritische Lyrik", geht.

Leider

hat

er

S.

ein

45ff.

von imperialistischen Bestrebungen des Dichters aus¬

"Parallel"-

und

"Schlüssellied"

Hoffmanns,

welches ein Jahr

nach der Nationalhymne entstand und den Titel "L'Allemagne par tout" trägt unberücksich¬ tigt

gelassen,

in

welchem

Chauvinismus entsagt. -

Deutschland,

ich abgesetzt,

Hoffmann

seine

Vaterlandsliebe

Siehe hierzu Uli Otto:

Deutschland

über

alles??...

interpretiert

und

jedwedem

August Heinrich Hoffmann vcn Fallersleben oder:

Ich

bin

Professor gewesen:

Nun bin

Regensburg 1979 (bisher unveröffentlichtes Manuskript eines kommentierten

Liederbuches, S. 62. In

diesem

Zusammenhang

sei

nur kurz darauf verwiesen,

'welchen rigiden Maßnahmen sich

in der BRD ein Professor Peter Brückner ausgesetzt sah, als er es wagte, den sog. "Mescalero-Aufruf” zu veröffentlichen, um die Öffentlichkeit mit dem genauen Wortlaut vertraut zu

machen.

Im

Gegensatz

seiner eigenen Feder.

zu

Hoffmanns

Gedichten

entstammte

der

Text

ja nicht einmal

-

das

Lied

"Die Gedanken sind frei"

man beim Personalamt eine Provokation und

Störung

23

-

an deren Stelle

setzte,

beantragte

Strafversetzung des renitenten Beamten wegen

des Arbeitsfriedens. 1 2 3 Doch erinnern derartige

Beispiele nur zu sehr an Geisteshaltung und Praktiken in der Vormärzzeit, als daß der komische Eindruck Bestand haben könnte. Gerade einer

auch

die

Volksliedpflege

derartigen

Entwicklung

der Vergangenheit

beigetragen;

ebenso

hat

nur zu oft zu

hat

das

politische

Lied sich hier noch nie besonderer Wertschätzung erfreut. Gerechterweise muß man jedoch für unsere nur die

schwunden sind, das

jüngste Vergangenheit zugestehen,

daß nicht

"bösen" politischen Lieder weitgehend aus dem Bewußtsein ent¬ sondern daß diese Entwicklung nur zu lange gleichermaßen

"unpolitische

Volkslied"

traf,

während des Dritten Reiches Tatsache,

wie

welches

durch

die

in Mißkredit geraten war.

Lutz Röhrich feststellt,

daß das

Volksliedpflege Hinzu kommt die

"Volkslied"

lange

Zeit

hauptsächlich nur noch in der Schule gesungen wurde und dadurch vorwiegend zu einem reinen "Schullied" geworden ist.

2

Erschwerend für eine ungestörte Tradierung alter Lieder kommt weiterhin die geographische Mittellage Deutschlands hinzu, die ihm einen Durchgangs¬ charakter zuweist, auf

der

einen

- zweifellos eine Bereicherung des kulturellen Lebens

Seite,

doch auf der anderen Seite

Überlieferung von Althergebrachtem. gänglichen erhalten,

Regionen

erschwerend für die

So können sich in abgelegenen unzu¬

Brauchtumsgüter

viel

länger

und

unverfälschter

als dies angesichts der Lage großer Teile Deutschlands möglich

ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur ganz kurz auf ein europäisches Randgebiet verweisen,

in dem das Lied auch heute noch als Kampfmittel

bestimmte Funktionen innehat. liedersingenden aber,

Iren

um

Obwohl es sich bei dem trinkfesten, volks¬

eine

- nicht zuletzt wohl

Klischeevorstellung

handelt,

aus Gründen der Touristik,

an

der

man

- festhält,

ist

auf der "Grünen Insel" nicht nur ein überaus großer Schatz unpolitischer Volkslieder

lebendig

geblieben,

sondern

auch das historisch-politische

Lied im Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten noch fester als irgendwo anders verankert und lebendig.

3

Freilich sind wir uns der Problematik

^ vgl. hierzu Felix Perelsztein: Mißtäoe im Ministerium. -In: "STERN" Nr. 35 vcm 19.8.1976, S. 121ff.; dsgl. Derselbe, -In: "STERN" Nr. 17 vcm 14.4.1976, S. 228; vgl. auch Eberhard Otto: Es tönen die Lieder... -In: "DER NEUE TAG" (Weiden i.d.Opf.) vcm 9.9.1976. 2 Lutz Rchrich: Vorwert im Handbuch des Volksliedes, München 1973, Bd. 1 S. 13. 3 Dabei erfreuen sich nicht nur Lieder neueren Datums, wie etwa "The Men Behind the Wire" und "The Town I Loved So Well" größter Beliebtheit, - in diesem Jahr 1981 ist es ein Lied, welches das Schicksal des durch Hungerstreik gestorbenen inhaftierten IRA-Mannes Bob by Sands zum Thema hat, - sondern nicht weniger auch ältere Weisen in der Art von "Easter Rebellion Sang"(1916) oder auch "The Croppy Boy"(un 1760), - um nur einige Beispiele zu nennen, - sind noch allenthalben zu hören. Es ist erstaunlich, in welchem Maße derarti¬ ge Lieder dort noch gesungen werden, ohne daß sich dies auf das Absingen lediglich

24

einer

Gegenüberstellung

da sich zwei scher

Irlands

-

und

Deutschlands

sehr

wohl

bewußt,

Länder mit derartig verschiedener politischer und histori¬

Entwicklung

eben nur

sehr

schwer miteinander vergleichen lassen.

Wenn man etwa die Entwicklung in Deutschland betrachtet, hat man ebenfalls die

industrielle

strialisierung

und wirtschaftliche und

Lage

gesellschaftlicher

in Betracht zu ziehen.

Umformungsprozess

zwangsläufig tiefgreifende Veränderungen bewirken, Art

von

Kultur

zu

anderen

das

sich

und

das

iet

etwa,

betrifft,

kulturellen im

noch

-

um

seinen

größerem Maße

dies

zu

einem

Ausformungen

Wesentlichen in

in

kommen

mußte,

agrarischen

etwa

intakte

verdeutlichen,

da es,

Industrieland

die

Indu¬

mußten

hier

- was jegliche

notwendigerweise

als

in

Charakter

Großfamilien Entwicklung

einem

Land,

bewahrt

hat,

aufweist.

der

So

Beat-Musik

in den frühen 60er Jahren wohl nur in den Industriezentren Nordenglands möglich denen USA

gewesen,

die

wie auch der Blues geformt

Negersklaven

ausgesetzt

waren.

auf

den

Zudem

ist von den Verhältnissen,

Baumwollfeldern

begünstigte

die

in

sich

den Trend zum - schnell aufgenommenen,

weitgehend

geändert;

in

breiten

der

die

zum

Fernsehen und Schall¬

auch sehr schnell wieder vergessenen - Tagesschlager. haben

Südstaaten

Technisierung,

Ausbau unserer heutigen Massenmedien wie Rundfunk, platte geführt hat,

den

aber zumeist

Die Hörgewohnheiten

Schichten

hat

sich

eine

bloße Konsumentenhaltung - oftmals verbunden mit mangelnder musikalischer Eigeninitiative

-

herausgebildet.

Musik dient vielen von uns nur mehr

als

schnellebiger Gebrauchsgegenstand,

nur zu oft eingesetzt als Mittel

zur

Untermalung

etwa

zu können.

und

Berieselung,

um

Sie ist zu einem bloßen,

Produkt geworden,

eine

Ware

besser

verkaufen

jederzeit per Knopfdruck abrufbaren,

dessen Vermarktung man an den einschlägigen Hitparaden

ablesen kann. Auch

die

Karikatur

hat

-

obschon

keine

größere Zeitschrift völlig auf

dieses Medium wird verzichten können - weitgehend an Bedeutung eingebüßt, stellt man etwa Vergleiche zu den vergangenen Hoch-Zeiten des politischen gezeichneten Spottbildes an.

Das Photo als Anreizmittel bzw.

die Photo¬

montage als demaskierendes Mittel der Kritik haben ihr den Rang abgelau¬ fen, wenn sie auch nicht völlig ersetzt werden kann.

Fortsetzung 4er Fn. 3 von S. 23. der

ersten

sehen

rein

Strophe formal

beschrankt. nach

ihren

Viele

Gruppen

irischen

der

deutschen

Folk-Bewegung

haben

Musikerkollegen und Vorbildern orientiert,

sich als

sie - genau wie diese - Platten produzieren, die nicht nur historisch-politisches Liedgut enthalten, sondern auf denen sich daneben auch Liebeslieder, erotische Lieder, Trinklieder und vieles mehr findet, was sich gemeinhin unter dem Oberbegriff "Volkslieder" subsumieren läßt. Demgegenüber und

Platte

darf

man

manchmal

jedoch

als

auch

nicht

Mitauslöser

für

unbeachtet musische

lassen,

daß

Beschäftigung

Rundfunk, dienen

Fernsehen

können.

Hier

sei nur an die "Beatle-Mania" der 60er Jahre erinnert, die viele Jugendliche zum aktiven Musizieren hinfuhrte.

25

-

Die Ansicht,

daß das politische Lied und die Karikatur einerseits als

künstlerisch

minderwertig

anzusehen

seien,

hat

und

bis

in

negativ, die

andererseits

jüngste

als

Vergangenheit

gefährlich

dazu

geführt,

daß ihr Quellenwert völlig außer acht gelassen wurde und es bis heute nur wenige Arbeiten gibt,

die sich kritisch mit dem Quellenwert dieser

Medien auseinanderzusetzen versuchten. wurde,

Was bisher völlig vernachlässigt

ist ein Vergleich zwischen den beiden Medien Lied und Karikatur,

um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bearbeitung gleicher Themen¬ kreise herauszuarbeiten, und eine Untersuchung dessen, was diese Medien wirklich zu leisten imstande sind und wo ihre Grenzen zu liegen scheinen.1 Eine es,

solche was

Auseinandersetzung

das

Medium

des

der deutschen Folk-Szene den Massenmedien ist. daß

Barbara nicht

aber

um

historisch-politischen

so

wichtiger,

Liedes

als

anbelangt,

in

in den letzten Jahren - zunächst abseits von

zu einem geradezu erstaunlichen Aufschwung gekommen

James hat wohl nicht ganz unrecht mit

zuletzt

begünstigte:

erscheint

das

derzeitige

"Einerseits

politische

ermöglicht

das

Klima

ihrer Auffassung, diese

traditionelle

neue

Blüte

politische

Lied

die Kritik am Radikalenerlass und an den Maulkorbparagraphen, andererseits gedeihen die blauen Romantikerblumen besonders gut, denn die1' neue lichkeit1

Inner-

will sich wenigstens in echten alten Volksliedern ansdrücken".

2

Nahezu keine der Gruppen dieser neuen Volksliedbewegung, die zum größten Teil von der anglo-amerikanischen bzw.

iro-schottischen Folkszene beein¬

flußt

ihr

worden

sind,

verzichtet

-

was

Repertoire

anbelangt

-

auf

oppositionelles bzw. "alternatives" Liedgut der vergangenen Jahrhunderte, "alternativ"

insofern,

als

es

sich

von

dem

üblichen

Liedrepertoire

herkömnlicher Volksmusikanten absetzen soll, und man ist geradezu versucht , von einer inflationären Entwicklung zu sprechen, gerade auch hinsichtlich des Liedgutes aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Dieser Trend zum "alten Volkslied",

- ob es sich dabei nur um eine neue Modewelle

oder um ein anhaltendes

Interesse handelt,

wird die Folgezeit

oder auch zur Karikatur vergangener Epochen, in

zeigen-,

der sich - wenn auch nur

ganz bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen wie etwa Studenten

und Oberschülem -

in den letzten Jahren inmer deutlicher abzuzeichnen

begann, hat wohl nicht zuletzt dazu geführt,

daß sich schließlich sogar

die Massenmedien an diese Medien zu erinnern begannen, daß sogar eigene Plattenfirmen entstanden wie z.B.

Dabei

kam

diese

Arbeit

nur

"Stockfisch" in Gottingen,

spekulativen

Charakter

haben.

Genauere

die haupt-

Aufschlüsse

über

den Wert der vorgestellten Quellen etwa für den Unterricht könnte nur ihr praktischer Einsatz in der Schule erbringen.

2 Barbara James: Versuch einer Beschreibung der deutschen Folk-Szene '76, S. 114.

-

26

-

sächlich neue deutsche "Volksmusik" produziert. Nahezu jede große Platten¬ firma

sah

sich

"Electrola" die

gezwungen

"Songbird",

Veranlassung

"Polydor" jedoch

eigene

Folk-Abteilungen

einzurichten,

etwa

"Metronome" die Folk-Reihe "nature", oder fühlte

junge

Volkslied-Gruppen unter Vertrag zu nehmen,

wie

die Hamburger Gruppe "Liederjan", wobei bei den Plattenfirmen

handfeste

sind heute

finanzielle

bisweilen

sogar

Interessen

Sendereihen

im im

Vordergrund

1

stehen.

Fernsehprogramm

zu

Es

finden,

in denen Lied und Karikatur - wenn auch zumeist lediglich der Untermalung dienend - ihren Platz haben. eine nur

Interpretation selten

statt,

Zeitmeinungen Ereignisse könnten.

Sendungen

Jahre

fanden,

verzichten

Gattung

"Sing

beleuchtet

Zusammenhänge

mit

auch

den

und

hier

Fischer-Chören",

wurden

und

oder beschränken

sich

auf

ganz

bloße

Umfang

Unterhaltungssendungen. unter

den

existiert,

Tisch

und

ein

fallen

werden

"Im Krug

zum

die während der

ein

letzterer Sendung der Fall war,

als

historische

verdeutlicht

"An hellen Tagen",

ausgestrahlt

Lied völlig

geringem

finden

breites

dagegen von vornherein ganz bewußt

Liedgut

sich vorwiegend

nicht

wie

erstmalig

wie dies etwa bei

Hinterfragen

hervorragend

gerückt,

und die Sendereihe

letzten

eine

-stiirmungen

Bewußtsein

grünen Kranze"

politisches

ein kritisches

obschon gerade durch die Medien Lied und Karikatur

und

ins

und

Ein genaueres Eingehen auf diese Quellen,

Publikum

auf historisch-

wenige

Beispiele,

und sie verstehen Daß

dabei natürlich

muß,

bisweilen

die

ebenso

in

romantisierendes

und verkitschtes Bild des deutschen Volksliedes fröhliche Wiederauferste¬ hung erlebt,

- fallen daneben doch auch etwaige Beispiele zum erotischen

Lied weitgehend weg,

- entspricht ganz der Tradition der Volksliedforo

schung des 19.

Jahrhunderts.

° Hier führt Rolf Wilhelm Brednich - wenn

So berichtete Anselm Noffke, Mitglied der Hamburger Gruppe "Liederjan" in einem Gespräch am 22. Juni 1979 nach einem Konzert im Auditorium Maximum in Freiburg i.Br. dem Verfasser, daß

der

von der Plattenfirma gestellte Betreuer der Gruppe nicht einmal genau wisse,

was für Musik "Liederjan" eigentlich mache. Wie Herbert Neumann: Von der Liedermacherszene zu

einer

neuen

Volksliedverbreitung,

S.

71 ausführt,

liegt ein weiterer Grund dafür,

warum fast jede Plattenfirma einen Interpreten der "neuen Volksmusik" in ihrem Programm habe in der Tatsache,

daß es bei den Aufnahmen keiner großen Produktionskosten bedürfe

und sich das Geschäft also in jedem Fall lohne.

2

Vgl.

hierzu etwa die Sendereihe des ZDF "Dokumente deutschen Daseins" mit der Hamburger

Gruppe "Ougenweide" bzw.

seit neuerer Zeit mit dem Stuttgarter Quo "Zupfgeigenhansel",

in der neben Spielszenen zur jeweiligen behandelten Epoche auch Lieder und Karikaturen die

Zeit

und

die

geschichtlichen

Ereignisse

illustrieren;

vgl.

auch

die

Sendereihe

"Songs und Geschichten", die vor einiger Zeit im Nachmittagpprogramm des NDR ausgestrahlt wurde,

und in der der amerikanische Folk-Sänger Don Paulin zu bestimmten Themen Lieder

vorstellte, so "Lieder des Dreißigjährigen Krieges", Songp", April

"Scngs 1978

im

der

Indianer"

dritten

und

Programm

"Jiddische

der

"Räuberlieder", "Shanties", "Cowboy-

Lieder".

Hein & Oss Kröher stellen seit

Süddeutschen Sender in ihrer Sendereihe

"Geh aus

mein Herz und suche Freud"' Volkslieder vor und erklären deren jeweiligen Hintergrund. Dies sind einige positive Beispiele und Ansätze aus unserer bundesdeutschen Medienland¬ schaft.

3 Siehe S. 7.

hierzu

auch

Rolf W.

Brednich:

Erotische

Lieder

aus

500

Jahren,

Fischer 1979,

27

-

-

auch in etwas anderem Zusammenhang - in einer Rezension neuer verbreiteter Liederbücher völlig Jahren

um

zu

Recht

an:

"Da bemüht

daß

das

sogenannte

den Nachweis,

erdenkliche

Aussage

offen

ist,

da

greift

sich die Forschung seit 'Volkslied'

die

für jede nur

moderne

Musikerziehung

heute endlich die von der Forschung vermittelten vielfältigen Anregungen auf und verwendet Liedüberlieferungen in ihrer ganzen Spannweite, unter unter

Einschluß

des

wirkungsvollen

politischen,

des

sozialkritischen

und sonstwie engagierten Liedes, unter Hinweis auf neuentstehende Liedtra¬ ditionen unserer Tage oder auf die Intemationalität heutiger Singgewohn¬ heiten

(...)

Volkslied wird

Abgedroschene,

auf

das

(...)

reduziert auf das seit Jahrzehnten

Unverbindliche

Bauer im Märzen sein Rößlein an,

und

Problemlose.

Da

spannt

der

da hat der Miller Lust zum Wandern,

da sieht der unsterbliche Knabe noch immer das Röslein stehen, da reitet der Jäger aus Kurpfalz, tanzt der Bi-Ba-Butzemann, fließen die Brünnlein, und wenn sagen:

der Mond

Ade

zur

auf gegangen

guten

Nacht!

ist,

Die

so

kann man

Auswahl

eigentlich nur noch

ist eigentlich nicht

anders

als schlimm zu bezeichnen. Das Volkslied ist hier wieder einmal identisch 1

mit der 'guten alten Zeit', es ist mit dem 19. Jahrhundert zu Ende(...)". Auch in den Schulunterricht, hier vor allem den Deutsch- und Geschichtsun¬ terricht,

aber auch in Musik- und Kunsterziehung haben die historisch¬

politischen

Lieder

und Karikaturen

anscheinend

kaum

Eingang gefunden.

Eine - wenn auch nur kurze und oberflächliche Durchsicht einiger gängiger für

den

Geschichtsunterricht

Geschichtsbücher

für

alle

an

bundesdeutschen

Altersklassen

zeigt,

Schulen daß

zugelassener

jeweils

nur

sehr

wenige,

jeweils auch zumeist die gleichen Bilder und Karikaturen darin

Eingang

gefunden

haben,

ausgespart blieben,

und

historisch-politische

- eine Beobachtung,

die wohl

Lieder

dabei völlig

auch für die meisten

der für den Musikunterricht zugelassenen Liederbücher zutreffen dürfte, wenngleich

gerade

in

der

den Markt •gekommen sind,

die aas der Zeit um 1848 Dabei

gäbe

Rolf W.

es

gerade

Brednich:

allerletzten

mehrere

stammen und sich mit

im Rahmen

Rezension

Zeit

Liederbücher

auf

in denen sich auch zahlreiche Lieder befinden,

des

eines

ihr auseinander setzen.

koordinierten

"Großen Liederbuches".-In:

Unterrichts

2

etwa

Jahrbuch für Volksliedfor¬

schung, 21. Jg. Berlin 1976, S. 187f. So druckt die Gruppe "Zupfgeigenhansel" in ihrem 1978 erschienenen Liederbuch "Es wollt ein

Bauer

früh

aufstehn"-222

Volkslieder,

aus dem behandelten Zeitraum ab, (Hrsg.):

d.i.

Dortmund

ein Zehntel

Verlag

"plane"

des Repertoires.

allein

22

Lieder

Hein & Oss Kröher

Das sind unsere Lieder, Büchergilde Gutenberg 1977 stellen wenigstens dreizehn

Lieder dieser Epoche vor; vgl. auch das1 Volksliederbuch"(hrsg.v.)Andreas Kettel, Reinbek 1977, beiden

welches

aber lediglich eine Zusammenstellung von Liedern gibt,

erstgenannten

brauchsliederbücher;

Büchern

enthalten

sind.

die auch in den

Alle drei Bücher verstehen sich als Ge¬

die einzelnen Lieder sind jeweils mit kurzen Kommentaren versehen.

28

-

-

in den Fächern Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, Musik- und Kunsterziehung, in dem die Medien historisch-politisches Lied und Karikatur vom Stand¬ punkt des jeweiligen Fachlehrers aus herangezogen, untersucht, kritisch hinterfragt können,

und

letztendlich

ungeahnte

in

den Unterricht

Möglichkeiten,

das

oftmals

mit

einbezogen

beklagte

werden

mangelnde

Ge—

Schichtsbewußtsein abbauen und das häufig sehr lückenhafte Faktenwissen gerade auch der jüngeren Generation vermindern zu helfen, um zu verhin¬ dern, daß das Wort vom "geschichtslosen deutschen Volk" wirklich Berechti¬ gung gewinnt. Gerade in den letzten Jahren war ja aufgrund von Untersuchun¬ gen

verschiedentlich

festzustellen,

welche

erschreckende

Unkenntnis

viele unser Zeitgenossen sogar über unsere jüngste Vergangenheit aufwei¬ sen,'*' - wieviel mehr noch über eine schon zeitlich weitaus ferner liegende Epoche

wie

den Vormärz

dieser Arbeit

und

die Revolutionsjahre

ist es uns v.a.

auch darum zu tun,

1848/1849.

Im Rahmen

den Quellencharakter

der historisch-politischen Lieder und Karikaturen dieser Zeit und gleich¬ zeitig die "Fragwürdigkeit" dieser Quelle aufzuzeigen, d.h. die Notwendig¬ keit,

sie

vor Gebrauch und Nutzung

kritisch

zu

untersuchen und

zur

Diskussion zu stellen, des weiteren abzuwägen, was sie zu leisten imstande sind und wo ihre Grenzen liegen. George S. Jackson weist wohl mit Recht darauf hin, daß man aus einem Lied zumeist keine exakten geschichtlichen Daten

gewinnen

kann,

wem

er

schreibt:

"For

example,

one

could

not

find in a song the statistics on infand mortality for the year 1872; yet such uninspiring records are

important.(...)the

facts,

must be sought elsewhere; the songs conform to 'human fancy'". körnen jene dazu

in general, 2

lyrischen oder auch die zeichnerischen Produkte

dienen,

vormalige

Geschehnisse

Betrachter überschaubar werden zu

zu

sehr wohl

erhellen und für den heutigen

lassen.

lediglich einen bloßen Kommentar dar,

Gleichwohl

Sie stellen hierbei ja nicht

sondern vermitteln damit zugleich

gültige Stimmungsbilder der damaligen Zeit, - Stimmungsbilder und Ansich¬ ten, Meinungen, Wünsche und Hoffnungen einer bestimmten Epoche. Dennoch verzichten die meisten bundesdeutschen Geschichtsbücher weitgehend auf

derartige

Quellen

und begeben

sich

damit

einer Möglichkeit,

den

behandelten Zeitraum zu illustrieren. Wo dennoch einige wenige Karikaturen Eingang deutlich,

gefunden sondern

haben, es

wird nichts

finden

sich

von

immer

der Vielfalt wieder

die

dieser

Quellen

gleichen

Bilder.

Vgl. hierzu nur die Untersuchung vcn Dieter Brossmann(Hrsg.): Was ich über Hitler gehört habe, Reinbek 1977, in welcher er Schüleräußerungen zum Thema Adolf Hitler zusaiTmengetragen hat.

2

G. S. Jackson: 1971), S. 16.

Early Songp of Uncle Sam,

Boston 1933 (republished Am Arbor, Michigan

-

Relativ

häufig

findet

sich

29

-

lediglich

Ludwig

Richters

"Bürgerstunde"

abgedruckt, dsgl. der "Denkerklub", - uni hier nur zwei immer wiederkehren¬ de

Bilder

zu benennen.

Wartburgfest", und Berlin,

das

Daneben sind noch mehrmals das

"Hambacher

Fest",

Barrikadenszenen

Paris,

Wien

die Aufbahrung der Märzgefallenen und die deutsche National-

versanmlung in der Paulskirche thematisiert, in

"Autodafe beim

aus

Schlesien

und

die

Erschießung

wesentliche

Robert

Ereignisse

seltener die Hungerunruhen

Blums.

der

Auf den ersten Blick

scheinen

also

Zeit

im

Bild wiedergegeben

zu sein.

Doch findet sich hier nichts von der Vielzahl etwa der Fuchs-

schen Materialsanmlung, - keine Karikatur, die auf die heftigen Auseinan¬ dersetzungen

innerhalb

der Paulskirche

hinweist,

obwohl

eine Vielzahl

der damaligen Spottbilder sich mit derartigen "Parlamentskämpfen" beschäf¬ tigten,

kaum

eine,

die

sich mit der unrühmlichen Rolle

eines Fürsten

Metternich, eines Friedrich Wilhelm IV. von Preußen oder des "Kartätschen¬ prinzen" auch

während

der

Märztage

1848

auseinandersetzen,

obwohl

gerade

hierüber eine Vielzahl von karikierenden Darstellungen existiert.

Die Vielfalt der von Eduard Fuchs, vernachlässigten,

ja vergessenen

dem von der Wissenschaft weitgehend

"Sammler und Historiker" 1 und anderen

bereitgestellten Materialien bleibt völlig ungenutzt, ebenso das umfangrei¬ che

Liedmaterial

herangezogenen

eines Wolfgang Steinitz, bundesdeutschen

auf welches

Geschichtsbüchern

in den von mir

völlig

verzichtet

wird. Was das historisch-politische Liedgut in den Liederbüchern anbelangt , so gibt ein älterer Beitrag von Hermann Gericke interessante Aufschlüsse.

2

Gericke zog dabei zu seiner Untersuchung 13 Musikschulwerke bzw. Lieder¬ bücher

der

BRD

mit

insgesamt

27 Bänden heran,

zum Vergleich aus der

NS-Zeit 3 Werke mit 4 Bänden und das DGB-Liederbuch, wobei er überall das

"Deutschlandlied"

finden

sich

jeweils

unberücksichtigt nur

"historisch-politisches" ihnen

ganz

ließ.

Aus

selten Lieder,

dem

19.

Jahrhundert

die man unter dem Titel

Lied subsumieren könnte;

das bekannteste unter

ist wohl das um 1800 entstandene Volkslied "Die Gedanken sind 3 Daneben werden aus der Zeit der Befreiungskriege die Lieder

frei".

"Freiheit, (1815)

die ich meine" von Max von Schenkendorf (1813) und K. Groos

und

"Ich

hab

mich

ergeben"

von H.F.

Maßmann

(1820)

genannt,4

Einzige Ausnahme ist bisher die Würdigung der Person Eduard Fuchs' durch Walter Benjamin: Eduard

Fuchs,

der

Saimder

und

Historiker.

seiner technischen Reproduzierbarkeit,

-In:

Derselbe:

Frankfurt a.M.

8.

Das Kunstwerk im Zeitalter

Aufo.

1975,

S. 95-157. Dieser

Aufsatz Benjamins erschien zum ersten Mal in der Zeitschrift für Sozialforschung (6,1937) im

Todesjahr

von Eduard Fuchs,

der als Jude und Sozialdemokrat ins

französische Exil

ausgewichen war. Hans Peter Gericke: Das politische Lied in den heutigen Schulliederbüchem. -In: Das Politische im Lied. Politische Momente in Liedpflege und Musikerziehung. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, von

Hartmut

Flechsig:

Revoluticn

und

Heft 76) Bonn 1967, S. 46-50.

Romantik

in

Deutschland.

1980 erschien

Politische

und

andere

Lieder aus der Zeit von 1813 bis 1848 (Lehrerband, Schülerheft u. Kassette), Regensburg

- 30

alles

in allem auch keine besonders gute Ausbeute, vor allem wenn man

bedenkt,

daß

sich - vielleicht mit Ausnahme des erstgenannten - kein

Lied mit den innenpolitischen Verhältnissen im vormärzlichen Deutschland auseinandersetzt.

Helmut

Segler

die Situation insgesamt wie von

Neudichtungen

des

19.

und

folgt: und

Lars

Ulrich Abraham

kennzeichnen

"Besonders die wahllose Hereinnahme

20.

Jahrhunderts

und

von

Kunstliedern

in die Schulmusikbücher, die textliche Beschränkung auf harmlose, unpoli¬ tische

und

fiktiven

kleinbürgerliche

Volksliedbegriffes

Inhalte wie

er

sind

ein

bereits

getreues

vor

1800

Abbild

geprägt

jenes

wurde".* 1 2

Demgegenüber wurde in der DDR in den vergangenen Jahren eine "Illustrierte 2 Geschichte der deutschen Revolution 1848/1849" veröffentlicht, ein Buch wie

mit

zahlreichen

zeitgenössischen

Abbildungen

und

Karikaturen,

ja auch bereits das Standardwerk für das demokratische Volkslied,

das zweibändige Werk von Wolfgang Steinitz in Berlin (DDR) verhältnismäßig 3 kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen war. Die "Illustrierte Geschichte" aus

zeigt

eine

Vielzahl

von

Karikaturen

und

Graphiken

z.B.

dem Kupferstichkabinett und der Deutschen Staatsbibliothek Berlin,

dem dortigen Märkischen Museum und dem Museum für Deutsche Geschichte. Wahrend

die

Illustrationen

zwar

auch

hier

ihren Quellenwert hin hinterfragt werden, genauen doch

Inhaltsangaben

einen

"mitgeliefert"

anschaulichen

Vormärz

und

organen

der

und

nicht

weiter

kritisch

auf

und wenn oftmals auch keine

werden,

ausführlichen

so

bietet

Einblick

in

das die

Material Zeit

des

revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/1849. Wie 4 Riha mit Recht ausführt, kommt es in den Publikationen und Publikations¬

bildhaften,

die

DDR kurz

der betreffenden

überhaupt gesagt

weitaus

häufiger

anschaulicheren

zu

einer

Entfaltung

historischen Ereignisse.

ausführlichen,

und

Darstellung

Historisches Bewußtsein wird

Fortsetzung der Fn. 2 von S. 29. Leider

dürfte

der

relativ

hohe

Preis

des

Unterrichtswerkes

viele

Schüler

vor

einem

Kauf abschrecken.

3 4

Hans Peter Gericke: Das politische Lied in den heutigen Schulliederbüchern, S. 49. Ebenda, S. 50. als

es

Letzteres Lied wurde

in den letzten Jahren wieder "politisch"

genutzt,

1977 - anläßlich eines Reichsparteitages der Necnazis um den inzwischen wegen

krimineller

Delikte

inhaftierten

Rechtsradikalen

Röder

Kelheim (in der Nähe von Regensburg) intoniert wurde.

Die

-

vor

der

Befreiungshalle bei

bayerische

Polizei

ging

an diesem Tag bezeichnanderweise nicht gegen die Neonazis, sondern gegen die Gegendemonstranten vor. Fn. S. 30 1 Helmut Segler/ Lars Ulrich Abraham: Musik als Schulfach, Braunschweig 1966, S. 32.

Die

Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 2 S.u. S. 9 Fn. 1. Illustrierte

Geschichte

der

deutschen

Revolution

1848/49.

(Hrsg.v.)Walter

Schmidt,

Gerhard Becker, Helmut Bleiber, Rolf Dlubek, Siegfried Schmidt, Rolf Weber, 2. durchgesehe¬ ne Auflage Berlin 1975, 1. Aufl. 1973.

4

Karl Riha/Helmut Hartwig: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit.

31

-

auf

breiter

Basis

gefördert,

die

Märzereignisse

beispielsweise werden

ganz konkret dargestellt: "Indem Wert darauf gelegt wird, daß die Kämpfe anschaulich

werden,

Studenten(...)als

rücken

die

Handwerker,

Klassengegner

nah

-

im

Arbeiter, Gegensatz

Kleinbürger zur

Distanz,

und in

der die Repräsentanten der Paulskirche für den normalen Bürger bleiben, und sie,

d.h.

die heutigen Leser und Betrachter erfahren unmittelbar,

daß nicht die Soldaten oder der König ihre Interessen vertreten haben". Jedoch schränkt Riha dies insofern ein, als es die DDR-Praxis des politi¬ schen

Lebens

Partei"

mußte

betrifft, "in

indem

der

er

anführt:

Folgezeit

"Der wachsende Anspruch der

notwendig mit

der irrmer wieder auch

im Zusammenhang mit dem Rekurs auf 1848 erhobenen Behauptung kollidieren, daß der

in

der

sich

ausbildenden

bürgerlichen Revolutionen,

sozialistischen

Gesellschaft

die

Errungenschaften p die Freiheitsrechte etc., voll gewahrt sei".

also

im

das

Erbe

Kampf um

Schon während der Stoffsammlung und der ersten Durchsicht der Materialien für die vorliegende Arbeit stießen wir verschiedentlich auf nicht vorher¬ sehbare

Schwierigkeiten,

erscheinen Lieder,

lassen.

dsgl.

die eine klare Eingrenzung der Materie geboten

Tatsächlich

Graphiken

und

sind

es

schier unzählige

Karikaturen,

die

Uber

und die Zeitereignisse Auskunft zu geben vermögen,

die

Gedichte damalige

und Zeit

und es erwies sich

schon sehr bald als unmöglich, auch nur ansatzweise auf sie alle einzuge¬ hen.

Eine

Vollständigkeit,

d.h.

eine

lückenlose

Materialdarbietung

und Aufarbeitung der literarischen und zeichnerischen Erzeugnisse auch nur

annähernd

zu erreichen,

ist unmöglich und soll

im folgenden auch

nicht angestrebt werden. Vielmehr wird die Arbeit sich daher im wesentli¬ chen auf einige herausragende Geschehnisse beschränken müssen und auch nur im

mit

ausgewählten

Vergleich

zur

Beispielen

tatsächlichen

aufwarten

können,

Materialfülle.

d.h.

Was

mit

das

wenigen

Vorgefundene

Liedmaterial anbelangt, so liegen uns beispielsweise zahllose Kanpfaufrufe vor, - sie sollen hier der Einfachheit halber unter dem Titel "Barrikaden¬ lieder"

zusammengefaßt

Französischen

werden,

Revolution

nach

-

die

v.a.

Freiheit,

die

alten

Gleichheit

Wiederaufleben ließen und zu propagieren suchten,

Forderungen

und

der

Brüderlichkeit

daneben aber oftmals

auch die Forderung nach der nationalen Einheit Deutschlands nachdrücklich stellten.

Sie

Charakter auf,

weisen

aber

insgesamt

zumeist

einen

recht

allgemeinen

allgemein schon deswegen, weil sie in den meisten Fällen

kaum auf konkrete Persönlichkeiten,

Örtlichkeiten und Ereignisse hinwei-

sen und auch den Liedern selbst nur zu oft keinerlei konkrete Aussagen etwa über 1

ihre Entstehungszeit,

den Anlaß usw.

zu entnehmen sind.

Karl Riha/Helmut Hartwig: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 39.

^ Ebenda, S. 212.

Es

1

32

-

-

sollen allenfalls einige ganz wenige Beispiele Abdruck finden. Daneben stehen jene Lieder, die sich kritisch mit konkreten und greifbaren Mißständen der Zeit

auseinanderzusetzen suchen,

mit

der

politischen

die

aber

auch

Unterdrückung

heftige

Kritik üben

und

der

am

- etwa mit der Zensur,

sozialen

Ungleichheit,

Bürgertum dieser Zeit,

welches

oft im Bild des "Deutschen Michel" konkretisiert wird und dessen Haltung hier

für

das

Scheitern der bürgerlichen Revolution mit verantwortlich

gemacht wird. bestimmten

Sodann gibt es zahlreiche Lieder,

die

sich konkret mit

politischen Ereignissen der Zeit auseinandersetzen und sich

mit bekannten historischen Persönlichkeiten und deren Schicksal beschäf¬ tigen. Hier sind jene Lieder zu nennen, die sich beispielsweise befassen mit dem Frankfurter Wachensturm im Jahre 1833 und der Flucht der inhaf¬ tierten Aufständischen im Jahre Wilhelm IV. Rockes

zu

von Preußen

1837,

dem Attentat auf König Friedrich

im Jahre 1844, mit der Verehrung des Heiligen

Trier und den Weberunruhen in Schlesien im gleichen Jahre,

mit den Märzereignissen von 1848 in Wien und Berlin, die zu zeitweiliger Desorientierung Metternichs

und

und

scheinbarem

Friedrich

Rückzug der alten Mächte

Wilhelms

IV.

unrühmlicher

dieser Märzunruhen sowie der "Auslandsmission"

führten,

Rolle

mit

anläßlich

des "Kartätschenprinzen"

und späteren ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. nach England und seiner Rückkehr schon wenige Monate später. Weiterhin finden sich das Frankfurter Parlament und seine "Inaktivität" und ebenso die Septemberunruhen anlä߬ lich

des Waffenstillstandes

von

Malmö

zwischen

den

deutschen

Staaten

und Dänemark nach dem Streit um Schleswig-Holstein thematisiert, Besonders zahlreich

aber

sind

v.a.

die

Lieder,

die

sich

auf

Friedrich

Hecker

und Robert Blum und deren Schicksal beziehen. Der Spätsommer bzw. Herbst des Jahres 1848 bereits führte - nicht zuletzt ob des offensichtlichen Unvermögens und mangelnden Willens großer Teile des Bürgertums, die Revolution weiterzuführen - zum allmählichen Wiederer¬ starken der alten Mächte, was ebenfalls seinen Niederschlag in zahlreichen Liedern finden mußte. So sind etwa auch die Niederschlagung der Revolution in Wien sowie die oktroyierte Verfassung in Preußen, dsgl. die erbitterten Kämpfe in Baden und der Pfalz im darauffolgenden Jahr als letztes verzwei¬ feltes

Aufbäumen

breiter

Kreise

der

dortigen

Bevölkerung

in

Lieder

und Gedichte eingegangen. Ausgeklammert

werden

Gesänge,

sich

1815

und

die

1850

sollen

in

dieser

Arbeit von vornherein all

auf außenpolitische Ereignisse

beziehen.

So

mußte

u.a.

auf

die

jener Jahre

jene

zwischen

"Griechenlieder"

und

-

die

zahlreichen

Hinter

"Polenlieder"

Deutschlands

desgleichen

auch

33

verzichtet

Oppositionellen

auf

die

-

Lyrik

sehr

werden,

beliebt

Beispiele

findet

Liedersaimlung

um

sich

die

bei Ditfurth,

Mitte

eine

Zeitlang

und verbreitet waren,

im Zusammenhang mit den kriegerischen

Auseinandersetzungen um Schleswig-Holstein, eher

die

des

19.

- eine Vielzahl diesbezügli1

aber auch in nahezu jeder

Jahrhunderts,

-

Lieder anläßlich des ungarischen Aufstandes oder jene,

ebenso

auf

die

die im Anschluß

an den Sieg der Gegenrevolution in den Kreisen der deutschen Auswanderer 2 entstanden und gesungen wurden. Bei den Karikaturen sollen vorwiegend jene zur Untersuchung herangezogen werden,

die

sich auf bereits durch Lieder behandelte Themen beziehen.

Auch hier geht es einerseits um Kritik an Mißständen wie an der politi¬ schen Unterdrückung und Zensur, andererseits um eine Darstellung konkreter politischer

Ereignisse

und

Personen bzw.

Personengruppen,

- auch hier

spielen wir wieder auf den "Deutschen Michel" an, der zahlreiche Karikatu¬ ren

inaugurierte.

Übergangen werden

sollen

dabei

aber

alle

sonstigen

"Ereignisbilder", dsgl. jene Flugblätter, auf denen sich Barrikadenszenen und

ähnliches

abspielen,

es sei

denn,

die vorgestellten Liedbeispiele

weisen eine inhaltliche oder thematische Parallele auf. nannten Abbildungen handelt die

Realität

es

sich

Bei den ebenge¬

zumeist um Bilder,

"naturalistisch" widerzuspiegeln,

die vorgeben,

und deren Tendenz nicht

so offenkundig auf der Hand liegt. Zwar spiegelt ja schon die Themenauswahl jeweils

eine

dieser Art

ganz

bestimmte

Tendenz

wider,

insofern "bloße Abbildungen",

"verfälscht"

und

"verfremdet"

doch

sind

Darstellungen

als hier zumeist nicht bewußt

wird wie

bei der Karikatur.

Sie können

natürlich interessante Details über die einzelnen Schauplätze der Ereig¬ nisse vermitteln, Zeit

etwa wie bestimmte Straßenzüge und Viertel zu dieser

ausgesehen

wieder

ähnliche

haben

mögen,

Szenen,

d.h.

doch

insgesamt

Barrikaden,

wiederholen

sich

immer

Pulverdampf,

wehende

Fahnen,

Volkslieder

Zeit

1756

bis

bis heute leider auf sich warten,

wie

Kaufhandlungen und Blutvergießen.

Franz

Wilhelm

Freiherr

von

Ditfurth:

Historische

der

von

1871, 2 Bde, Berlin 1872. Arth

hier

läßt

eine

grundlegende

Untersuchung

Rolf W. Brednich:"...Und Lassen Deutschland Deutschland sein..." Bemerkungen zu Auswandererliedem. 1976,

S.

-In:

20-25,

Auswanderung

Bremen-USA

(Führer

des

Schiffahrtsmuseums),

Bremerhaven

hier in einer Fußnote auf S. 20 richtig feststellt. Ebenfalls zur 200-

Jahr-Feier der USA erschien ein Beitrag von Otto Holzapfel: Lieder deutscher Auswanderer. -In: Bremisches Jahrbuch, Bd. 54(1976), S. 13-20, der sich mit dieser Liedgattung beschäf¬ tigt; vgl. auch den Beitrag von Frank Tronmler: Vom Vormärz zum Bürgerkrieg-Die Achtund¬ vierziger und ihre Lyrik.

-In:

Sigrid Bauschinger/Horst Denkler/Wilfried Malsch(Hrsg.):

Amerika in der deutschen Literatur. Neue Welt-Nordamerika-USA, Stuttgart o.J., sich u.a. mit dem Amerika-Bild nicht ausgewanderter Oppositioneller beschäftigt.

der Aus

älterer Zeit liegt lediglich das Werk von Hermann von Freeden/Georg Srnolka: AuswandererBilder

und

Skizzen

aus

der

Geschichte

der

deutschen

Auswanderer,

Leipzig

1937

vor,

worin sich Snolka auf S. 34ff. mit der deutschen Massenauswanderung des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt.

-

34

-

Es kommt im folgenden nicht darauf an,

neue

Fakten in Verbindung mit

der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 erschließen und vorstellen Vielmehr der

oder

war

gar

uns

ein

der

Zwang

Geschichtsliteratur

vorgestellten einen

Lieder

Schwerpunkt

neues

"Geschichtsbild"

auferlegt,

ausführlich

und

auf

bereits

behandelten

Karikaturen

eine

die

entwerfen

und

bekannten und

Ereignisse

gleichsam

Untersuchung

zu wollen.

zu

in

durch

die

akzentuieren

und

Darstellung

der

Medien

Lied und Karikatur dieser Zeit zu legen. Hierbei sollen v.a. die Darstel¬ lungsmittel und Kompositionstechniken bei Lied und Karikatur dargestellt werden, die Gemeinsamkeiten wie auch die Verschiedenheiten der behandelten Medien bei

der Darstellung

der gleichen Themen,

- etwa wie ein ganz

bestimmtes politisches Ereignis aufgegriffen und in Lied und Karikatur verarbeitet und dargestellt wird, lichkeiten, hier

z.B.

stellvertretend

die

Abgeordneten

- wie verschiedene historische Persön¬

Friedrich Wilhelm IV., Hecker und Blum, um diese drei zu nennen,

der

oder auch Bevölkerungsgruppen,

Frankfurter

Nationalversammlung

oder

- etwa

v.a.

auch

das Bürgertum, - abgebildet werden. Zunächst soll dabei von einer allgemei¬ nen Betrachtung zur politischen Lyrik und Karikatur übergeleitet werden, um anschließend ihr Wesen und ihre Aufgabe darzustellen. wegen

der

Stoff-Fülle

Notwendigkeit

ergibt

weiterer

sich

sachlicher

auf dieser Basis Abgrenzung,

Nicht zuletzt

folgerichtig eine

zumindest

was

das

Lied

anbelangt: Aus der Vielzahl der sich anbietenden Materie sollen vorwiegend die

singbaren und wirklich

gesungenen

Lieder

herangezogen werden,

da

diese den Rezipienten ungleich direkter und nachhaltiger als unvertonte Dichtung

ansprachen

und

demzufolge

eine

weitaus

breitere

Wirkung

zu

erzielen vermochten. ^ Jedoch fallen unter die vorgestellten Beispiele nicht

allein

zahlreiche

"elitäre

Kunstlieder",

die

nur

innerhalb

der

Grenzen ihres Bereiches Resonanzfähigkeit besitzen. Viele dieser Gesänge nahmen mit der Zeit volksliedhaften Charakter an,

d.h.

sie wurden über

einen längeren Zeitraum vermittelt und nicht nur in einer eng begrenzten Region

gesungen,

demokratischen

sind

also

Charakters"

mit

der

geworden,

Zeit -

echte

wie

sie

"deutsche Wolfgang

seinem bereits mehrfach angeführten Werk genannt hat.

Bei

Volkslieder Steinitz

in

den meisten

der in dieser Arbeit vorgestellten Lieder handelt es sich jedoch nicht um "Volkslieder im engeren Sinne", d.h. um Volkslieder, die einer Defini¬ tion,

wie

Council"

1

sie

1954

erarbeitet

während wurde,

des

damaligen

genügen:

"International

"Folk rnusic

is

Folk Music

the product of a

Trotzdem wollen wir auch zahlreiche Gedicht-Beispiele abdrucken, die in den Zusanmenhang unser Arbeit passen, die zu denselben Themen Stellung beziehen wie die vertonten Texte.

35

-

musical

tradition

transmission. which from

links the

voraus,

irrpulse

the

evolved

shape

daß

und

Lied

sein muß,

dabei

2.

(i)

Variation,

Continuity,

which springs

or the group;

determines

1.

the process of oral

tradition are (ii)

Sauermann

betreffende

through

the

individual

which

survives".

das

gesungen

of the

community,

music

im Volksgesang belegt Volk

been

the present with the past;

by

the

has

factors that

Creative

selection which

that

The

-

etwa

the

form,

setzt

für

durch mindestens

and

(iii)

or forms,

in

ein Volkslied drei

Fassungen

ein bis zwei Generationen lang im

weitgehend mündlich

tradiert

werden

muß;

3.

muß zu der zeitlichen auch die räumliche Verbreitung des Liedes hinzukom¬ men und 4.,

als Zeichen dafür,

daß das Volkslied im Volk auch wirklich

auf- und angenommen wurde, muß es im Laufe der mündlichen Überlieferung 2'

urpgestaltet werden. Viele

der

im

folgenden

aufgeführten

Lieder wurden dagegen nicht ohne

zeitliche Sprünge weitergegeben; daneben kam es oftmals zu keiner Varian¬ tenbildung.

Oft

in

ganz

konkreten historischen

und auf diese bezugnehmend, sobald

die

gerieten sie

Situationen entstanden

schon bald in Vergessenheit,

Situation sich geändert hatte und damit das Bedürfnis für

die betreffenden Lieder geschwunden war. Daneben darf man die Tatsache nicht

außer

acht

oppositioneller

lassen,

daß

Lieder wenn

die

Zensur

auch nicht

die

inner

Verbreitung zu

derartiger

verhindern,

so

doch

erheblich zu erschweren wußte und daß - wie bereits erwähnt - verschie¬ dentlich Forscher und Sammler eine Art Vorzensur vollzogen, der zahlreiche 3 derartige Produkte zum Opfer fielen. In der Folgezeit der revolutionären Ereignisse,

als diese nur noch als

"Schuljungenstreiche" galten, denen 4 "die Bestrafung auf dem Füße" folgte, war in breiten Kreisen der Bevölke¬

rung,

im Bürgertum,

v.a.

folgerichtig auch das Interesse an derartigen

Zeitprodukten weitgehend verschwunden, - dies umso mehr, als die Bismarcksche

Reichsgründung

einen

sehnlichen Wunsch breiter Bevölkerungsmassen

- schon seit der Zeit vor 1848/1849 - endlich erfüllt hatte. Der Freiheits¬ gedanke und damit auch die Erinnerung an die Lieder, die diesen Gedanken propagiert und '-ihm

1 Maud

Karpeles:

An

immer

neue

Introductian

To

Nahrung

English

gegeben

Folk

Seng,

hatten,

Lcndcn-New

trat hier für

York-Torcnto

1973,

S. 3. 2 Dietmar Sauermann: Historische Volkslieder des 18. und 19. Jahrhunderts, S. 15. 3 Demgegenüber weist

Rolf W.

Brednich in seiner "Liedpublizistik im Flu^ilatt des

15.-

17. Jahrhunderts, S. 135 wohl mit Recht darauf hin, daß mehr Lieder als oftmals angenermen unter dem Volk Verbreitung gefunden haben kamen, da ein Großteil von ihnen durch Flug¬ schriften und Flugblätter verbreitet worden sei(S. 134), welche "als die anfangß beweglich sten Formal der Druckveröffentlichungen dazu dienten, auf dem raschesten Wege eine möglichst hohe Zahl von Empfängern anzusprechen". Derartige Lieder keimen demnach "durch¬ aus unter dem Volk verbreitet gewesen sein, ohne daß ein Übergang in die orale Tradition nachzuweisen

ist"(S.

zutreffen durfte.

135),

eine

Tatsache,

die

wohl

auch

für

Lieder

spaterer

Zeiten

-

36

-

lange Zeit zurück. So ließ bereits wenige Jalire nach den Revolutionsereig¬ nissen Karl Barthels verlauten - wiederum in Anlehnung an das bereits erwähnte

Goethe'sehe

Zitat:

wahre gelten lassen, wo Vorurtheile das

Herz

"(...)wie kann man(...)die Poesie

und

Systeme,

erbittern

und

Anschauung zerstören!

Leidenschaften und Parteien

die

schöne

Unbefangenheit

der

kanpfen,

(...)wie kann(...)die Poesie als die wahre gelten

außerdem beflissen ist, machen!

Nein

wird

die

sondern noch

zerstörende Leidenschaften zu erregen und Partei

auch

uns

Refrain eine Wahrheit: Auch

die

künstlerischen

die sich nicht mit der reinen poetischen Wirkung begnügt,

zu

als die

die ausschließlich nur mit dem Staate zu tun hat,

ist

in

gewisser

Beziehung

Pfui ein politisch Lied!

Geschichte

selbst

schon

ihr

der

Goethe'sehe

ein garstig Lied!(...)

Gericht

ausüben über

die

heutige politische Poesie, und Dichter, wie die, die wir(...)hier betrach¬ ten wollen,

ein Herwegh,

Fallersleben

u.a.,

soweit

lang vergessen sein, Obwohl

ein Dingelstedt, sie

politisch

ein Prutz, sind,

ein Hofften von

werden Uber

kurz

oder

soviel Geschrei man jetzt auch von ihnen macht".1

auch die Karikatur in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ein

beliebtes Medium blieb,

hierbei

aber

die

ungefährlichen unpolitischen

Karikaturen, die niemandem richtig wehtaten, ein Medium, das hauptsächlich in Zeitschriften wie den "Fliegenden Blättern", später im "Sirrplicissimus" seinen festen Platz hatte, an.

sprach sie doch jeweils nur eine Minderheit

Die historisch-politischen Karikaturen des Vormärz und der Revolu¬

tionstage

aber waren meist zu sehr auf ganz konkrete

Situationen und

Personen hin konzipiert gewesen, - eine Eigenschaft, die ja letztendlich ursprünglich ebenfalls,

sehr

-

zu

nachdem

ihrer Wirkung die

sehr

jetzt

- ihr rasches Vergessen begünstigte.

ist auch zu berücksichtigen, nur

die

aber

Zeiten und die politischen Bedingungen sich

scheinbar geändert hatten,

uns

beigetragen hatte,

Hierbei

daß etwa zeitgenössische Karikaturen auch

selten nachhaltig

im

Bewußtsein haften bleibt,

daß

es

auch für uns heute z.B. sehr schwierig, ja unmöglich sein kann, Karikatu¬ ren

der

1950er

oder

'60er

Jahre

richtig

einzuordnen

und

zu

deuten- >

oder alle abgebildeten Personen eindeutig zu identifizieren. Einen wesentlichen beantworten, so

große

d.h.

Teil

dieser Arbeit

wird der Versuch darstellen zu

warum die einzelnen Lieder und Karikaturen zu ihrer Zeit

Verbreitung

fanden

und

worauf

ihre

große

Wirkung

beruhte,

welchen publizistischen Forderungen die von uns behandelten Medien

genügen mußten, um von einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt aufgenom-

Alexander Broecker: Die Wirkung der deutschen Revolution auf die Dichtung der Zeit, mit besonderer Berücksichtigung der politischen Lyrik (Diss.), Cöln 1912, S. 1.

1

Karl Barthels: Deutsche Nationalliteratur der Neuzeit, schweig 1862, S. 432f.

1.

Aufl.

1850,

6.

Aufl.

Braun¬

-

men und begriffen zu werden. soll

der

zweite

Hauptteil

37

-

Nach Abfassung dieses theoretischen Teils

der Arbeit

die

Lieder

und Karikaturen

in

ihren jeweiligen historischen Kontext zu stellen versuchen. Ihr histori¬ scher Hintergrund soll

erdeilt,

das Lied und die Karikatur wenigstens

in Ansätzen einzeln interpretiert werden, nachdem sich der erste Hauptteil allgemein und verhältnismäßig "abstrakt" mit den Medien an sich auseinan¬ dergesetzt

hat.

Der letzte Teil

der Arbeit wird sich dann wenigstens

ansatzweise mit der Frage nach dem Quellenwert der historisch-politischen Lieder und Karikaturen zu befassen haben,

- mit den Fragen, was diese

Quellen zu leisten imstande sind und wo ihre Grenzen liegen. geht es dem Verfasser v.a.

darum,

Insgesamt

mit dieser Arbeit eine umfangreiche

Quellensammlung zu der behandelten Epoche vorzulegen,

wobei die Lieder

jeweils mit ihren Texten und Melodien und - ebenso wie die Karikaturenvor ihrem historischen Hintergrund vorgestellt werden sollen. Viele der Lieder des Vormärz und der Revolutionszeit, - und dabei beson¬ ders diejenigen eines Ferdinand Freiligrath und Georg Herwegh, - erfuhren mehrfache

Vertonung,

fanden

Eingang und liegen teilweise Bereits

kurz

vor

revolutionären die

Liederbücher

und anderen. Zeit

von

und

Liederbüchern

sogar als Chorkompositionen gedruckt vor. des

erschien

Schöpfungen

der

bekannter Autoren enthielten. mehrere

Gedichtsammlungen

den Ereignissen

Geschehens

zahlreiche

in

Jahres

eine

1848

Vielzahl

verschiedensten,

sowie von

heute

während

1

des

Liederbüchern, oft

kaum mehr

So erschienen etwa in den 1840er Jahren 2 3 von Fallersleben, Georg Herwegh

Hoffmann

Daneben stellte der Dichter Hermann Rollett, der zu dieser

ebenfalls

publizistisch

tätig

war,

mit

seinem

"Republikanischen

Liederbuch" im Jahre 1848 eine Anthologie bekannter und bis dahin unbe4 kannter oppositioneller Lieder seit Klopstock zusammen. Für die Wiener Revolutionspoesie des Jahres 1848 liegt im "Wiener Parnaß" des Freiherm von Helfert 1 2 3 4 5 ein reichhaltiges Sammelwerk vor,

1

Vgl.

für die Berliner Lyrik

Inge Larmel: Lieder der Revolution von 1848. -In: Das Lied im Kanpf geboren. Publika-

ticnsreihe

der

Abteilung

Arbeiterlied

der

Deutschen

Akademie der Künste.

VEB Friedr.

Hofmeister, Heft 1 Leipzig 1957, S. 13. 2 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder, 2 Bde Hamburg 1840/1841. Derselbe: Deutsche Gassenlieder, Zürich und Winterthur 1843. Derselbe: Maitrank. Neue Lieder, Paris 1844. Derselbe: Deutsches Volksgesar^uch, Leipzig 1848. Derselbe: Deutsches Liederbuch, Leipzig 1848. Derselbe: Drei deutsche Scrmerlieder, Mannheim 1849. Derselbe: Zwölf Zeitlieder, Braunschweig 1849. 3 Georg Herwegh: Gedichte eines Lebendigen, Robert-Eduard

Prutz:

Gedichte.

Neue

2 Bde Zürich und Winterthur, 6. AufL. 1843/44.

Samnlung,

Zürich

und

Winterthur,

2.

Aufl.

1843.

4 Hermann Rollett: Republikanisches Liederbuch, Leipzig 1848, 2. Aufl. 1919. Gottfried Freiherr von Helfert: Lieder und Gedichte, Kassel 1851.

Der Wiener Parnaß, Wien 1882; Derselbe: Republikanische

38

-

finden

sich

einige

Adolf

Wolff

"Die

deutsche

Beispiele

gesarrmelt.

Informationen

in der

1 2 * Hans

Revolution von aus

ganz

-

"Berliner Revolutionschronik"

Blums

1848"

bereits

liefert

Deutschland

eine

erwähntes

neben

einer

größere

Anzahl

von

Jubiläumswerk

Vielzahl

von

vollständiger

Texte von Aktenstücken der revolutionären Bewegung und gibt auch einige dichterische alles

Fassungen

im Wortlaut

und

zahlreiche

in allem eine brauchbare Quellensarrmlung.

Buchholz

in

Aufschwung,

der den

"Deutschen in

Rundschau"

von

p

Karikaturen wieder,

Ein Aufsatz von Arend

1898

charakterisiert

den

jenen Tagen "neben der volkstümlichen Beredsamkeit

in Wort und Schrift,

insbesondere der Journalistik und des Plakatwesens

auch die politische Lyrik"

3

erfahren hat.

"Aus vielen hundert Quellen

hat sie gerieselt: Revolutions- und Barrikadenlieder, Elegien und Jubelge¬ sänge,

Oden und Liederkränze

fanden

zahlreiche

Lieder

in der Regel kleine, jedoch bis Anfang verzichteten.

. 4 Nach der gescheiterten Revolution

v.a.

Eingang

in

die

Arbeiterliederbücher

des

20.

Jahrhunderts

auf

den Abdruck von Melodien

Dadurch wurden sie im Bewußtsein bestimmter Bevölkerungs¬

schichten längere Zeit am Leben erhalten und weitergegeben. Sarrmlungen

-

in Kaliko gebundene Oktavbändchen -, wobei diese

in

Liederbüchern

erschienen diese

Neben den

Lieder und Gedichte

auch

in den aufkorrmenden Zeitungen und Zeitschriften, wo auch die Karikatur ihren festen Platz fand. Vor allem der regierungsfeindliche Liberalismus jener Tage war es,

der der politischen Lyrik und Karikatur in seiner

Presse eine erste Heimstätte bot.

Zahlreich sind auch die Zeitgenossen,

die den Drang in sich verspüren, in öffentlichen Reden, in Vereinsverlaut¬ barungen und

in Zeitungsartikeln ihre eigene Meinung kund zu tun und

sich gegebenenfalls selbst mit gegnerischen Anschauungen auseinanderzuset¬ zen.

Auch

steht -

nunmehr

etwa

dürfen.

dem,

der die

Zeitung

Liebeslieder Insgesamt

in Reimen von politischen

oder

löste

offen,

die

Dingen

zu reden weiß,

früher nur unpolitische Lieder,

systemkonforme

Gedichte,

die Revolution von 1848

-

hatte

abdrucken

einen publizistischen

Dammbruch aus. Es ist kennzeichnend gerade für die vierziger Jahre des vorigen Jahrhun¬ derts, Lyrik

daß der Schwerpunkt der politischen Literatur auf der politischen liegt;

in

keiner

anderen Gattung gibt es zu dieser Zeit etwas

Adolf Wolff: Berliner Revoluticnschronik, Berlin o.J. 2 S.u. S. 11 Fn. 3. Arend

Buchholtz:

Die Berliner Literatur von 1848.

-In:

Zeitschrift für Bücherfreunde,

Jg. 1898/99, S. 83-88 und 133-137.

4

Hans

Benzmann:

Die

soziale

Ballade

in

Deutschland.

der sozialen Ballade, Greifswald 1912, S. 78.

Typen,

Stilarten

und

Geschichte

39

Gleichwertiges. Lyrik

ohne

Dies

hängt

zum

auf

die

Rückgriff

verbreitet

werden

kann,

-

-

einen mit

der

herrschenden

mündlich

oder

Tatsache

zusammen,

daß

Vemittlungsinstitutionen

auch

mittels

Flugblättern,

wie damals vielfach geschehen. Das Flugblatt aber war es auch, welches der politischen Karikatur war

es

d.h.

ohnehin

das

Triebkraft

Heimstatt

vielleicht

gleichermaßen

innerer

eine

Für

einflußreichste

Nachrichtenträger und

bot.

äußerer

und

lange

Jahrhunderte

publizistische

Mittel,

Propagandainstrument.

Aufmachung

fliegt

das

"Aus

Blatt,

zwingt

es gelesen, besprochen und von Hand zu Hand weiter gereicht zu werden".’'“ In

gewissen

Zeiten

einzige Gewähr,

bzw.

Situationen

bietet das Flugblatt oftmals die

einer größeren Öffentlichkeit eine Mitteilung zu machen,

sozusagen mit ihr "ins Gespräch" zu können, ohne daß sich der Verfasser im Augenblick Beim

der

Flugblatt

direkten

handelt

Gefahr

es

sich

einer Entdeckung

dabei

um

eine

ausgesetzt

ein-

oder

sieht.

zweiseitige

Drucksache in rechteckiger Form, wobei man zwischen verschiedenen Arten unterscheiden

kann.

Es

Form Nachrichten und

gibt informative Flugblätter,

Informationen vermitteln,

die

in kürzester

suggestive Flugblätter,

die - unter Umgehung der rationalen Persönlichkeitsanteile - die Zielper¬ sonen v.a. tern,

emotional ansprechen wollen,

die

Fall

ist,

politische -

und

historisch-politischen zum

Handeln

Lyrik

bzw.

instruktive

Zu

Karikaturen

Flugblätter,

Liedgutes,

enthalten.

- was in etwa bei den Flugblät¬

der

-

die

-

enthalten, auch

sie

zumeist

oftmals

der

Träger

Aufforderungen und Anweisungen

natürlichen

Zugkraft

des

Flugblattes

tritt die für die illegale Publizistik wichtige und reizvolle Möglichkeit hinzu,

die Herstellung und den Vertrieb der Flugblätter und -Schriften

verborgen eine

und

unauffällig vor sich gehen zu lassen,

Entdeckung

jeder

empfindliche

Richtung

gewahrt,

meisten

Flugblätter

oftmals

nicht

denn verfaßt Unrecht, Verfasser,

Strafen.

die

liegt

Wie

bei

anderen

ohne

wer

Georg

Anonymität

Autorenschaft

erschienen

feststellbar, hat.

Die

in

kann

verschwiegen

Namensnennung,

sie

Piltz

standen doch auf

Umlauf

schreibt,

nach Die

bis

gebracht,

und

"die Vermutung nahe,

und

dabei werden.

dies

heute

ist

geschweige

wohl nicht zu

daß die Angaben über

Verlag und Druckort nicht der Wahrheit entsprechen".

2

Zudem

wurde es "zur Regel, nicht die Verhältnisse im eigenen Ländchen, sondern die oder

Zustände

im

'Ausland'

schaumburg-lippischen

zu kritisieren. Beamten

Die

drückten

sächsischen,

gern

ein

Auge

hessischen zu,

wenn

sich die Satire gegen die verfluchten Preußen oder gegen die 'spanische 3 Fliege' Lola Montez richtete". Und Piltz führt Beispiele dazu an: Emil Dovifat: Handbuch der Publizistik, Berlin 1969, Bd. II S. 270.

2

3

Georg Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur, Berlin 1976, S. 166. Ebenda, S. 166.

40

-

"Der Zeichner W. Starck lebte zum Beispiel in Leipzig, aber seine Karika¬ turen beschäftigen sich ausschließlich mit Begebenheiten und Skandalaffä¬ ren,

die

sich

in

Berlin und München ereignet hatten.

Geisler war nicht der

in

Bayern,

'Schleswig-Holsteiner'

Hause.

der

L.

'Badenser'

Blank,

nicht

Sie alle überlisteten die Reaktion,

zunutze machten,

E. in

Der

'Bayer'

Roux nicht

G.

in Baden,

Schleswig-Holstein

zu

indem sie sich die Tatsache

daß jeder einzelne der 38 Duodezdespoten seinen Staat

für den Mittelpunkt der Welt hielt". 1 In einer Zeit rigoroser Zensur, in der eine zentrale Untersuchungskommission in Mainz über die politische Zuverlässigkeit wachte und alles unnachgiebig verfolgte, was den ideologi¬ schen Richtlinien nicht entsprach, mußte dem Flugblatt also eine besondere Bedeutung

zukommen,

und

es

mußte

oftmals

eine

ungeheuere

Verbreitung

finden. Wiederum erweist sich hier auch die Tatsache, daß Lyrik in Zeiten opposi¬ tioneller

und

revolutionärer

Bewegungen

die

geradezu

prädestinierte

nicht nur literarische Darstellungsform ist, derer sich neben den Dichtem auch weitgehend andere Schichten wie etwa die der Handwerker und aufkom¬ menden Arbeiterschaft bedienten, zu

kommentieren

oder

gar

zu

um die politische Lage aus ihrer Sicht revolutionärem Handeln

trifft ebenso für die Karikatur zu.

aufzurufen.

Dies

Dabei spielt auch der kommerzielle

Gesichtspunkt bei den Flugblattdruckereien, die die Liedtexte und Karika¬ turenbögen

in

Massenauflagen

auf

den

Markt

warfen,

eine

Rolle.

"In

buntem Wechsel jagten sich Lieder, Maueranschläge, Flugblätter, Broschü¬ ren,

Zeitungen,

sie

alle

sie alle künden die Wünsche und Forderungen des Tages,

wurden

mit

Atem verschlungen". Lied

anbelangt,

denen

zusammen

2

gierigen

volkstümliche sie

Händen

aufgegriffen,

Zuweilen benutzten

neue

Zugnummern

oder

wenig

mit

die Verleger, auf

ihren

bekannte

angehaltenem

was das Medium

Flugblättern,

Texte

mit

veröffentlichten.

Nachdem die Käufer die Liedtexte, die sie interessierten, gelernt hatten, wurden

die

Flugblätter

oftmals

nicht

vernichtet,

sondern

gesammelt,

um weiterhin bei Bedarf als Gedächtnisstütze dienen zu können, - hiermit konnte man sich die Aufzeichnung der betreffenden Lieder in ein hand¬ schriftliches Liederbuch ersparen, senten

weitergegeben,

die

sie

ihre Liedsamnlungen aufnahmen.

- oder sie wurden an andere Interes¬ ihrerseits

und

tragen

heftige

oder

Wie Dovifat schreibt,

oft deutliche Spuren solchen Weges: zerlesen

lernten

ebenfalls

in

zeigen Flugblätter

"sie sind zerfaltet, voller Flecken,

Randbemerkungen".

Karikaturen,

die

sich

als "Zugnunmem" erwiesen, wurden einfach von anderen Zeichnern übernommen Georg Piltz: Karl

Geschichte der europäischen Karikatur,

Schottenloher:

Flugblatt

und Antiquitätensammler,

3

Emil Dovifat:

Bd.

21)

und

Zeitung

Berlin 1922,

Handbuch der Publizistik,

Bd.

S.

166.

(Bibliothek S.

II S.

377. 270.

für

Kunst-

-

41

und "nachempfunden". Die

Herausgeber

zeitgenössischer Anthologien

sich oftmals zu ihrem eigenen Schutz

und Zeitschriften bezogen

auf Flugblätter und behaupteten,

man drucke gewissermaßen jeweils nur das nach,

was seit längerer Zeit

im Umlauf und daher sowieso schon allenthalben bekannt sei. Oft wurden, wie

Walter

oder

in

Roer

schreibt,

Zeitschriften

die vielen nur handschriftlich verbreiteten

verstreuten

Lieder

wieder

gesarrmelt,

zumeist

in Bändchen von Uber zwanzig Bogen, um sie auf diese Weise in möglichst großer

Schar vor der Zensur zu sichern,

"der sie einzeln nur zu oft

aus dem Weg gehen mußten".1 Auch die Karikaturen fanden oftmals Liebhaber, wurden

gesammelt

neben

dem

und von Hand

Flugblatt

Presseorgane,

ebenfalls

die

zahlreichen

sich

Hier

sind es

herausbildenden

die der Karikatur eine weitere Heimstatt und Verbreitungs¬

möglichkeiten boten, relativ

zu Hand weitergereicht.

kurzes

wenn

Leben

auch

nur zu vielen von ihnen auch nur ein

beschieden war

p

oder

die

Herausgeber nach

Zusamnehbruch der Revolution mit der neuen Zeit, ein Arrangement

trafen und ihre

Ideale

dem

d.h. mit den Behörden

aufgaben und schon bald verga¬

ßen. ^ Dennoch liefen die Zeitschriften den Flugblättern schon insofern niemals den Rang ab,

als sie

"in der Regel

die Ereignisse davonliefen.

so langsam reagierten,

"daß ihnen

Stets vergingen mehrere Tage, bis die Zeich¬

nung von einem Formenschneider in Holz geschnitten und auf diese Weise umatändlich für den Druck vorbereitet war. Wer aktuell bleiben wollte, mußte

sich der Flugblatt-Lithographie bedienen,

die

in wenigen Stunden 4

hergestellt, vervielfältigt und vertrieben werden konnte'.'.

Walter Roer:

Soziale Bewegung und politische Lyrik im Vormärz 1840/48,

(Diss.) Münster

1933, S. 201. Georg den

Piltz:

Geschichte

Hamburger

der

europäischen

"Mephistopheles",

den

Karikatur,

Frankfurter

S.

164 führt hier beispielsweise

"Satyr",

die

"Ekeligen

Blätter"

aus

Mainz und den "Politischen Bildermann" aus Karlsruhe an, dsgl. Ludwig Pfaus "Eulenspiegel", der trotz des Herausgebers wiederholter zäher Versuche das Blatt zu halten bzw. wieder ins Leben zu rufen scheiterte. Ebenda, von

S.

165.

Martin

Unlauterkeit Bewunderer

Piltz führt als Beispiel hierzu den in München erscheinenden "Punsch"

Schleich seiner

noch

für

an,

"der

Motive ein

seine

Gesinnung

verborgen liberales

blieb",

Blatt

Bismarck sehen durch dick und dünn folgte".

4

Ebenda, S. 166.

so

rasch

dsgl.

hielten,

den als

wechselte,

daß niemandem die

"Kladderadatsch”, er

dem

"den

seine

Eisen-und-Blut>-Kanzler

.

.

-

43

-

Gegenwärtiger Forschungsstand

Rund einhundertunddreißig Jahre

sind seit der Revolution von 1848/1849

vergangen, und in dieser Zeit ist eine Vielzahl von Veröffentlichungen, - Einzeldarstellungen oder auch Überblicke - erschienen.'*' Sah die Wissenschaft auch in den Unruhen um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts Fuße

"einen

folgte",

2

Schuljungenstreich,

Jahrhunderts mit Veit Valentins Hauptwerk dabei die

äußerst

sich

noch diesem

von

Zeitpunkt

der Tatsache, einer so

allen

Seiten

ihrem

Wert

Veit

sie

auch

die

Valentin

in

einnehmen Lyriker

S

seinem

gerecht

der

damaligen

zu werden und

verloren

seien,

Wert klar

haben

einem

ein,

4

dürfte.

außer

jener

8

dem

Ereignisse,

die auch heute Während

Lieder

bis

auf

- so z.B.

und

Werk

eigenen

acht

gelassen

schriftstellerischen

erkannt

monumentalen

In

Zeit 7

auf

eine ausgewogene und objektive,

sich

auch

Teil

nur

geht

auf

die

zu

Grund

einen

sowie

auf

jene

wurden, Produkte gestützt,

geringen

Raum

er auf die politischen

auf Ferdinand Freiligrath und Georg

weiterhin auf die Werke eines Heinrich Heine,

und Hebbel Karl Beck

Bestrafung

historisch-politischen

den

Quelle

können.

der

Herwegh,

die

daß sie "nicht künstlerisch genug" und "lediglich Produkt

geschichtliche

wenn

3

Darstellung

Tendenzschriftstellerei"

hat

als

faktenreiche

bemüht,

nichts

dem

so gibt es doch spätestens seit den 30er Jahren dieses

von Anastasius

Grün,

6

Grillparzer

Nikolaus Lenau und,-

und schließlich auf August Heinrich Hofftnann von Fallersleben.

9

Ebenso hat man in neueren Werken das historisch-politische Lied inzwischen als

Quelle

auch

in

wenigstens

historisch

soweit

erkannt

orientierten

und

Werken

anerkannt, -

daß

zumindest

diese

Lyrik

auszugsweise

-

abgedruckt wird. So finden sich beispielsweise

in dem von Ursula Schulz herausgegebenen

Taschenbuch "Die deutsche Arbeiterbewegung 1848-1919 in Augenzeugenberich¬ ten" '*'0

neben anderen Quellentexten auch Texte von Liedern und Gedichten

■*■ Vgl. hierzu die ausführlichen Bibliographien bei Veit Valentin: Geschichte der Deutschen Revolution 1848/1849, 2 Bde, Berlin 1930/1931, Neuauflage 1970; dsgl. bei Rudolf Stadelmann: Soziale und politische Geschichte der Revolution von 1848, München 1948.

2

Alexander

Broecker:

Die

Wirkung

der

deutschen

Revolution

auf

die Dichtung der Zeit,

mit besonderer Berücksichtigung der politischen Lyrik, S. 1. 3 Vgl. Fn. 1 auf S. 43. 4 Jost Hermand: Das junge Deutschland. Texte und Dokumente, Stuttgart 1966. 5

Veit Valentin: Geschichte der Deutschen Revolution 1848/1849, Bd. IS. 262ff.

6 Ebenda, S. 284ff. 7

Ebenda, S. 257ff.

Q

Ebenda, S. 260f.

9 Ebenda, S. 265.

44

-

abgedruckt,

etwa das

"Weberlied",

Blutgericht", 1 Heinrich Heines

-

- bekannt auch unter dem Titel "Das

"Im düsteren Auge keine Träne",2 3 4 5 6 7 8 dsg 3

sein

"Ein neues Lied,

Herwegh

4

und

auf wenige

ein besseres Lied"

Ferdinand

Beispiele

Freiligrath,

aus

diesem

5

oder auch Lyrik von Georg

wobei

Bereich

sich

dieses

beschränkt

Buch

jedoch

und diese nur in

Auszügen vorstellt. rr

Wenn Klaus Kuhnke

nicht ganz zu Unrecht feststellt, daß sich in zeitge¬

nössischen Anthologien nur selten ein Lied finde, welches man der Tradi7 tion der demokratischen Volkslieder zurechnen könne, obwohl auch hiervon eine

nicht

unbeträchtliche

unterzieht,

Anzahl

vorliege,

und

dies

seiner

Kritik

so hatte er dennoch das Aufzeigen derartiger Quellen etwa

bei Veit Valentin würdigen können und müssen, bei dem neben den erwähnten Autoren

verschiedentlich

auch

Lieder

unbekannter

Verfasser

Erwähnung

O

finden. Recht hat Kuhnke mit seiner Auffassung insofern, als jene Lieder lange Zeit weder Gegenstand einer gründlichen wissenschaftlichen Forschung waren,

noch in neueren Ausgaben Vorlagen. Walter Grab und Uwe Friesei,

welche

lyrische

Zeugnisse

für

Bewußtsein" zusammengestellt haben, Die

Poesie

sollte

sich

"ein demokratisches, volksverbundenes 9 geben dafür eine plausible Erklärung:

demnach

"über

das

Alltägliche

erheben,

dem Druck des Daseins freimachen und das Leben verklären".'*'21 anderer

Stelle

führen

sie

aus:

"Femzuhalten war

alles

von

Und an

Widerwärtige

und Häßliche, das mit der getreuen Schilderungen der sozialen und sittli¬ chen

Verkommenheit

unserer

Zeit

zusanmenhängt.(...)Es

den Deutschen dies alles femgehalten worden, getreuen auf

Schilderer

diese

oder

der

jene

Wirklichkeit

unfreiwillige

ihr

Art.

ist

denn

so gründlich,

Leben

dabei

daß manche

lassen

Gelehrt wird eine

auch

mußten

apolitische

aber keineswegs unpolitische Romantik mit all ihren Nacht- und Mondphasen, Fortsetzung S. 43 Fn. 10.

2 Ursula Schulz(Hrsg.):

Die

Deutsche

Arbeiterbewegung 1848-1919

in Augenzeugenberichten,

München 1976.

1 Ebenda, S. 32f. 2 Ebenda, S. 34f. 3 Ebenda, S. 36f.

4 Ebenda, S. 37 und S. 78f. 5 Ebenda, S. 63, 82 und 84f. 6 Klaus Kuhnke: Die alten bösen Lieder. Lieder von 1848, Ahrensburg/Paris 1969. 7

8

Ebenda, Vorwort. Veit Valentin:

Geschichte

der

Deutschen

Revolution

1848/1849,

Bd.

II

S.

179 und S.

342. Horst Denkler: Zwischen Julirevolution(1830)und Marzrevolution(1848/49), S. 182f.

10

Walter S. 12.

Grab/Uwe

Friesei:

Noch

ist

Deutschland

nicht

verlorst

München-Hatnr-g

1970.

45

-

die Peter RUhmkorf als als

'latente Krisenzeiten der Gesellschaft'

erkennt,

'RückzUge der von ihrer Zeit enttäuschten Dichter in eine Unzeit':

Historie, Nacht und Traum".1 So begnügen sich auch die meisten Liederbücher bis in die jüngste Vergan¬ genheit das

damit,

ahistorische

historisch-politische

und

Lied

apolitische nahezu

Lieder wiederzugeben und

völlig

außer

acht

zu

lassen,

- sieht man vielleicht einmal von den sozialdemokratischen Liederbüchern des 19. Jahrhunderts ab.

2

Bereits 1836 urteilte F.L. dahin

käme,

Volkslieder einzig

alle zu

v.

Soltau zu diesem Thema:

auffindbare(...)historische

vereinigen(...),

werden:

ein

so

poetischer

und

"Wenn es jemals kulturhistorische

müßte(...)der historische Überblick

Geschichtsspiegel,

der auch in dem was

er nicht berührt, unterrichtend sein würde, eine historische vox populi, die

ferner

Geschichtsschreiber

nicht

Desgleichen betrachtet auch Ph.

unberücksichtigt

lassen

Körner sein Buch als Beitrag zu einer

gedachten "vollständigen Bibliothek deutscher Volkslieder", "dem

Geschichtsschreiber

genaueren Gar

und

eine

das

reiche

ausgeprägteren

3

dürfte".

Bild

Gestaltungen

Doppelbedeutung weisen Karl

vergangener vorgeführt

damit einmal

Ereignisse werden

in

könne".

4

Steiff und Günter Mehring ihren

geschichtlichen Liedern und Sprüchen für den Historiker zu, dem geschicht¬ liche Dichtung "die Schilderung von Ereignissen durch einen Augenzeugen 5 mindestens einen Zeitgenossen" biete. Sie könne den

oder Teilnehmer, "Gang

der

aufklären.

Dinge

oder

wertvolle

die

Quelle

untersuchen sein". 6 er

der

seinem

ganzen Verlauf

oder

auch

in

Einzelheiten

Und sie gibt gleichzeitig Kenntnis von dem Urteil,

Zeitgenossen eine

in

ist,

Personen

gehabt haben.

das die

Ob sie damit

wird in jedem einzelnen Fall besonders zu

Liliencron geht darüber noch insofern hinaus,

betreffenden

Geschehen zubilligt:

handelnden

Dichtung

einen

mitgestaltenden

Einfluß

auf

als das

"Zu der bestimmenden Eigentümlichkeit aber der(...)

Dichtungen gehört es eben, daß sie nicht, auf einen schon abgeschlossenen Verlauf

zurückblendend,

geschichtliche

Begebenheiten

in

objektiver

Walter Grab/Uwe Friesei: Noch ist Deutschland nicht verloren, S. 12. Natürlich hatten zahlreiche Liederbücher, so etwa die Korrmersbücher des 19. Jahrhunderts, zahlreiche "außenpolitische" Lieder zum Inhalt, d.h. Lieder, die sich direkt oder indirektmit

Deutschlands

Verhältnis

zum

Ausland

auseinandersetzten.

Demgegenüber

aber

waren

hier keine Lieder enthalten, die sich mit innenpolitischen Themen beschäftigten. F.L.

v.Soltau:

Ein Hundert Deutsche Historische Volkslieder. Gesammelt und in urkundli¬

chen Texten chronologisch geordnet, Leipzig 1836 S. LXV. Ph.

Körner:

Historische

Volkslieder

aus

dem

sechzehnten

und

siebzehnten

Jahrhundert

nach den in der k. Hof-und Staatsbibliothek zu München vorhandenen fliegenden Blättern, Stuttgart 1840, Vorwort. Karl

Steiff/Günter

1912.

6

Ebenda, Vorwort.

Mehring:

Geschichtliche

Lieder

und

Sprüche Württembergs,

Stuttgart

-

Auffassung

darstellen,

sondern

46

daß

-

sie

aus

den

Begebenheiten

selbst

als eine unmittelbare Folge hervorwachsen und daß ihre nächste Absicht dahin gerichtet ist, sie

die

Gemuther

auf den weiteren Gang der Dinge einzuwirken, indem

stimmen

und die Geister im Volk für eine bestimmte

Auffassung der Sachlage gewinnen.

Darum sind sie

ihrem innersten Kem

nach nicht historischer, sondern vielmehr politischer oder politisirender Natur". ”*■ Diese Auffassung teilte u.a. daß

die

literarisch-musikalischen

der Volksmeinung"

auch Rudolf Wolkan,

Produkte

"die

der anfuhrt,

Ereignisse

zurückgeben und entweder zeigen,

im Spiegel

"wie das Volk sich

die Geschehnisse, durch die es in Mitleidenschaft gezogen wurde, zurecht¬ legte,

oder wie eine größere politische Partei durch Verbreitung solcher

Lieder ihre politischen Ansichten dem Volk mundgerecht zu machen wußte,

p

um es für sich zu gewinnen".

Trotz derartiger Postulate und Erkenntnisse hinsichtlich des historisch¬ politischen Liedes, Zeit

zu

keiner

Funktion, als an

die

Quelle,

seines Wesens und seiner Möglichkeiten kam es lange

breiter

angelegten

Aussagekraft

und

ja man versäumte

Sammlungen wie

denjenigen

Untersuchung

den es

im

eines

über

eigentlichen Wert 20.

Jahrhundert

Hoffmann von

das

Wesen,

dieses

die

Mediums

zunächst

sogar,

Fallersleben,

Ludwig

Erk, - gemeint ist seine drei zehnteilige Heftreihe, die er in den Jahren 1838-1845 herausgab, Ditfurth

anzuknüpfen.

- Ludolf Parisius und Franz Wilhelm Freiherr von Letzterer

druckte

verschiedentlich

auch Lieder

des Vormärz und der '48er Revolution ab.4 Zeitgenössische Liedsammlungen begnügten sich im wesentlichen damit, die Texte der Lieder unkommentiert weiterzugeben, dabei

doch auch bis in unsere Zeit ließ man es im allgemeinen

bewenden,

derartige

Lieder,

-

wenn

sie

schon einmal

dem Leser

oder Hörer dargeboten wurden, - zusammenhanglos nebeneinander zu stellen, oftmals

Rochus

ohne

Freiherr

sie

van

auch nur mit

Liliencre:

Die

dem

geringsten Kommentar zu versehen.

historischen Volkslieder

der

Deutschen

his 16. Jahrhundert gesammelt und erläutert, 4 Bde und Ergänzungsband, hier Bd. II Vorwort S. I.

vom

13.-

Leipzig 1865ff’•

Rudolf Wolkan: Deutsche Lieder auf den Winter-könig, Prag 1898, Einleitung S. III. August

Heinrich

Hoffmann von Fallersleben/E.

Richter:

Schlesische Volkslieder,

Leipzig

1842; Ludolf Parisius: Handschriftliche Sammlung um 1850 in Sachsen-Anhalt, Uhiv’.-Bibliothek Halle Yi5a.(Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Volkskunde Bd. 10 )-Franz !fllhelm Freiherr von Ditfurth:

Die historischen Volkslieder des siebenjährige Wiege

1763, bis zum Brande vom Moskau, 1812, Berlin 1872. Derselbe: Die historische Volkslieder ve

der

Verbannung

Napoleons.. .1815,

bis

zur

Gründung

de

Nordbundes,

Berlin

1872-

Derselbe: Historische Volks- und volksthünliche Lieder des Kriege ve 1870-1871, Berlin

£r8n? Wilhe^ Freiherr ve Ditfürth: Die historische Volkslieder ve der Vertanx* Napoleons... 1815, bis zur Gründung des Nordbundes, S. 63f., 93f., 213f 215

-

47

-

In dieser Weise verfährt etwa auch der an anderer Stelle zitierte Klaus Kubnke,1 2 3 Sammlung

2

Kaiser, grund

der es - trotz seiner kritischen Aussagen im Vorwort zu seiner bei

einer

reinen 3

Anthologie

während Inge Lanmel

der

einzelnen

von

bewenden

läßt,

ebenso

Bruno

wenigstens in kurzen Fußnoten den Hinter¬

ihr

vorgestellten

Lieder

stichwortartig

zu

umreißen sucht und Annemarie Stern,4 5 die weitgehend auf Lammeis Anmerkun¬ gen und die Arbeit von Wolfgang Steinitz zurückgreift,

ebenso verfährt.

Bei aller Kritik aber, die man hier ansetzen kann, bieten diese Herausgeber und Autoren doch eine Fülle an Material auf, auf welches bei der Bearbei¬ tung des in dieser Untersuchung gestellten Themas zurückgegriffen werden kann. Gleichermaßen verfahren auch mehrere in den letzten Jahren erschie¬ nene Liederbücher, tisches

Liedgut

Fülle des

die sich dabei allerdings nicht auf historisch-poli¬

beschränken,

"Volksliedes"

sondern

den Anspruch

thematisch abzudecken,

erheben,

& Oss Kröher und das der Gruppe "Zupfgeigenhansel", in

der

Steinitzschen

von Andreas Zweiten

Kettel.

Weltkrieg

5

Tradition Die

verstehen,

und

wenigen Arbeiten,

entstanden

und

weisen keinerlei Melodien auf

ganze

die sich ebenfalls

das

die

oppositionelles

0

die

das Liederbuch von Hein

"Volksliederbuch"

in der Zeit vor dem Liedgut

abdruckten,

und geben nur zu oft keinen Kommentar

zu den abgedruckten Texten. Eine

grundlegende

Änderung,

d.h.

eine

Beseitigung

ließ erst wieder das bereits mehrfach angeführte

all

dieser Mängel,

zweibändige Werk von

Wolfgang Steinitz erkennen, welches gleichwohl jahrelang in der breiteren Öffentlichkeit

kaum

Beachtung fand und erst

in den letzten Jahren zu

einem Bestseller - und man kann fast sagen der "Bibel" Folkszene

-

mit

den

der

Lieder

geworden

ist.

verschiedenen

7

Hierbei

vorhandenen

befaßt

sich

Varianten

des werktätigen Volkes,

die

der

den

der deutschen

der Autor nicht nur Texte

und

sozialen und

Melodien

politischen

1 S.u. S. 44 Fn. 6/7. 2 Bruno

Kalser(Hrsg.):

Die Achtundvierziger.

Ein Lesebuch für unsere Zeit,

Weimar 1960.

3 Inge Lammel(Hrsg.): Lieder der Revolution von 1848. S.u. S. 37 Fn. 1. 4 Annemarie

Stern:

Lieder gegen den Tritt.

Politische Lieder aus

5 Jahrhunderten - von

den Bauernkriegen bis heute, Oberhausen 1974.

5 S.u. S. 27 Fn. 2. ^ Christian

Petzet:

Die

Blütezeit

der

deutschar

politischen

Beitrag zur deutschen Literatur- und Naticnalgeschichte,

Lyrik

von

München 1903.

1840-1850.

Ein

Hierbei handelt

es sich gleichwohl um die wohl bedeutendste Zusammenstellung der oppositionellen lyrik der von uns behandelten Epoche vor dem Ersten Weltkrieg. Elfriede

Underberg(Hrsg.):

Die

Dichtung

der

ersten

deutschen

Revolution

1848-1850,

Leipzig 1930. Auf den Abdruck vor Melodien verzichtete auch das ansonsten sehr instruktive Buch von Ulrich Haß,

Jochen Hiltmann,

Deutschland. 1978,

welches

darstellt,

Walter Kreip und Alexander vor Plato{Hrsg.):

Ein anderes

Texte und Bilder des Widerstands vor den Bauernkriegen bis heute, eine

dsgl.

Vielzahl

Berlin

von Liedern und bildlichen Quellen vor ihrem Hintergrund

das ältere Buch vcn Fritz Kolberg:

Lieder und Taten. Deutsche Volksge-

-

48

-

Interessen der durch Feudalismus und Militarismus unterdrückten Werktäti¬ gen

einen

eigenen elende

klaren Ausdruck

Interessen Lage

bis

sehr

zur

geben",

wobei

verschieden

sein

flammenden Anklage

"der

Grad

und

von

der der

Bewußtheit Klage

über

der die

der Unterdrücker und zum Fanal

1

des

Aufstandes

reichen

kann",

sondern

besonders

sorgfältig

auch mit

der dazu gehörenden Historie, und belegt diese mit umfangreichen Dokumentenmaterial -

bei

und

Aufzeichnungen

von

Zeitgenossen.

aller notwendigen "Einseitigkeit"

grundlegende

Arbeit

sehen,

an

der

Man

kann

hierin wohl

dieses Werkes - mit Recht eine

kein Wissenschaftler,

der

der Thematik des historisch-politischen Liedes beschäftigt, kann.

Ausgehend von einer Analyse der bisherigen bürgerlichen Volkslied¬

forschung eine

sich mit

vorübergehen

weist

Steinitz

Trägerschicht

bisher

bei

den

des

nach,

daß

deutschen

Volksliedsanmlem

Beachtung gefunden hatte,

in

den

vergangenen

Volksliedes und

Jahrhunderten

hervorgetreten

Forschem

nicht

die

nämlich die soziale Unterschicht,

war,

die

gebührende

das einfache

Volk, die Arbeiterschaft. Auch

die

Literaturwissenschaft

hat

mit

der

hauptsächlichen

wesentlichen

und

sich in den letzten Jahren mehrfach Literaturgattung

der

Zeit

zwischen 1815 und 1850 beschäftigt, wobei ich an dieser Stelle lediglich die Arbeiten von Jost Hermand und die erst unlängst erschienene "Geschichte der politischen Lyrik in Deutschland”

erwähnen möchte.

sich

Hintergrund

ausgiebig

mit

dem

historischen

2

Während Hermand

beschäftigt,

vor

dem

diese Dichtung zu sehen ist, untersucht Denkler verschiedene Anthologien 3 der Zeit, arbeitet einzelne Themenfelder heraus, um schließlich die Unterschiede wobei

jedoch

zwischen auch

den

hier

einzelnen

die

Melodien

Lyrikern außer

herauszukristallisieren,

acht

gelassen

bzw.

4

nicht

abgedruckt werden. War Veit Valentin schon einer der ersten fortschrittlichen bürgerlichen Historiker,

der

mögliche

Quelle

getragen

hatte,

die

historisch-politischen

erkannt

und

so würdigte

ihnen er

in

Gedichte

seinem

gleichermaßen

und

Hauptwerk

Lieder

auch

als

Rechnung

den möglichen Quellenwert

Fortsetzung der Fn. 6 von S. 47. schichte im deutschen Volkslied, Prag/Berlin/Leipzig o.J. 7 S.u. S. 9 Fn. 1. Zur Wirkung in den letzten Jahren siehe Rolf W. Brednich: Die Rezeption von Wolfgpng Steinitz, Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters in der Bundesrepublik Deutschland. -In: DtJbfVkKg 1980(im Druck). 1 Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, Bd. I S. XXII. 2 Jost Hermand: Das Junge Deutschland. Texte und Dokumente, Stuttgart 1966; Derselbe: Der deutsche Vormärz. Texte und Dokumente, Stuttgart 1967. Walter Hinderer(Hrsg.): Geschichte der politischen Qyrik in Deutschland, Stuttgart 1978, hier S. 179-209. S. auch u. S. 19 Fn. 4. 3 Horst Denkler: Zwischen Julirevolution(1830)und I®rzrevoluticn(1848), S. 190ff.

4

Ebenda, S. 196ff.

49

der

Karikatur

auch

der

wiederum

auf

diesem

war das

von

nur

Gebiet

ihm

behandelten

verhältnismäßig bei

weitem

Epoche,

kurz

nicht

-

der

später

erschienen,

erste

seine

"1848

und

"Jubiläum"

der

Untersuchungen

Doch

einzige.

der

Karikaturen

Uber



wenn

war

Schon

er

1887

Lola

wenige Montez3 4 5

und

ihrem historischen Hinter¬

Gerade die Jahrhundertwende bzw.

Revolution

Einzeluntersuchungen verbreitet

der

bekannt

von

1848

brachten

Karikaturen

war

und

der

ist

Betrachtungen und 4 Tage" hervor. Sehr

"tollen

auch

das fünfzigjährige

mehrere

bis

in

die

heutigen

Tage

das

erschienene Buch "Die deutsche Revolution von 1848/49" von Hans 5 worin ebenfalls eine Vielzahl derartiger zeichnerischer "Zeitkommen-

tare"

abgebildet

eingeht.

Zudem

ist,

das

wurzelt

im

die

Text

allerdings

Blumsche

kaum

tung,

weswegen

beiden

der

Autor

unruhigen

Revolutionäre

insgesamt

Jahre

Kritik

übt

ablehnt

und

dabei

auf

diese

Geschichtsbetrachtung

geistigen Tradition der wilhelminischen Ära bzw.

der

diese

an.1

worin er eine Vielzahl von bis dahin vergessenen und weitgehend

grund dargestellt hat.

1898

führte

in der Karikatur",2 dsgl.

unbekannten Karikaturen veröffentlicht und vor

Blum,

und

ebenfalls

- bereits an anderer Stelle kurz angeführte - Werk des Kulturhisto¬

rikers Eduard Fuchs über das Jahr Jahre

-

die

und

in

der

deren Geschichtsbetrach¬

revolutionären

verurteilt,

lediglich

Quellen

ganz

an

seinen

Bestrebungen

den

meisten

Vater,

Robert

der Blum

davon ausnirrmt. Obwohl licht und

also gerade und

besprochen

Herausgeber

selbst

zur

untersuchen,

zu

erörtern. Eduard

geschweige dennoch um

des

zu

Fuchs denn

ab, auf

43 Fn.

ist

auch ihren

Verwendung

1.

stellen

seinen

Tatsächlich

einmal

S.

unterlassen

Karikaturenmaterials,

d.h.

'historische

1 S.u.

wurden, reichen

Diskussion

zu

von

in jener Zeit eine Vielzahl von Karikaturen veröffent¬

Gemälde,

Dsgl.

und

es

auf

Quellenwert die in

seine

und

Karikatur,

der

"so

hin

Veit Valentin:

als

meisten Samnler Medium

es

Karikatur

"Fragwürdigkeit"

hin

Leistungsfähigkeit

man

einmal

Quelle

befragt

handelte

topographische

die

das

seine

sieht

Folgezeit

Quellenwert fand,

dennoch

nicht

worden. sich

Darstellungen

Wo

doch und

vom Werk genutzt, das

Bild

vorwiegend historische

Frankfurt a.M. und die Revolution von 1848/49,

Stuttgart/Berlin 1908, S. 264ff. und S. 399. 2 S.u. S. 9 FYi. 2. 3 Eduard Fuchs: Ein vormärzliches Tanzidyll. dsgl.

wenige

Jahre

vorher

Derselbe:

Lola

Lola Montez Montez

in

in der Karikatur, der

Karikatur.

-In:

Berlin 19C4, Zeitschrift

für Bücherfreunde, Berlin 1897/98, S. 108. 4 Hans Brendicke: Jahn-Karikaturen aus der Zeit des Frankfurter Parlaments. -In: Zeitschrift für Bücherfreunde, Berlin 1897/98, S. 374f., dsgl. Eduard Fuchs: Noch einige Jahn-Karikaturen. -In: Ebenda, Berlin 1898/99, S. 582ff. 5 S.u. S. 11 Fh. 3.

6

S.u. S. 9 Fh. 2, dsgl. Eduard Fuchs:

Die Karikatur der europäischen Völker vorn Altertum

bis zur Neuzeit, und Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahr 1848 bis zur Gegenwart, Berlin 1901/03.

50

-

-

Skulpturen'". 1 2 3 4 * 6 Zwar hatte bereits 1917 Albert Werminghoff der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Ikonographie eine "Sonderdisziplin zur Geschichte" werden möge, ^ und Wilhelm Bauer stellte die Forderung auf: die

eigentliche

geschichtliche

Landeskunde,

Trachtenkunde, als

Quelle

auch

Kunstgeschichte,

geschichtliche

Völkerkunde,

"Nicht bloß

Geographie,

Urgeschichte,

die

geschichtliche

auch die politische und Geistesgeschichte kann das Bild

nicht

weiterhin

wurde

die

entbehren".

Doch wurden derartige mögliche Quellen

vernachlässigt,

verzichtet,

weil

man

auf

sie

ihre

Behandlung

dem Arbeitsgebiet

bzw.

Erörterung

der Kunstgeschichte

zurechnete, welche ihrerseits ebenfalls eine nähere Würdigung der bildli¬ chen

Geschichtsquellen

unterließ

und

ihre

eigentliche

Aufgabe

darin

sah, "Bildwerke nur unter ästhetischen und kunsttechnischen Gesichtspunkten zu

betrachten

eigenartige

und(... )keinerlei

Ausführungen

Uber

das 4

Quelle geschichtlicher Erkenntnis" machte.

Bild

als

eine

Eine kritische

Untersuchung und Analyse der Karikatur fand also auch hier nicht statt. Zu einer völligen Vernachlässigung bis hin zum Vergessen dieser möglichen Quelle aber kam es schließlich in der Zeit des "Tausendjährigen Reiches", als die Meinung vorherrschte, nur

daß die Revolution von 1848/1849 ohnehin

"von Geheimbünden unter jüdischer Leitung"

inszeniert worden sei.

5

Die Sarrmlungen von Eduard Fuchs, wie bereits erwähnt jüdischer Herkunft und

Sozialist,

Vergessenheit 0 anheim, - ein Vergessen, das sich bis in unsere Tage hin auswirkt. Allein seine

fielen

"Geschichte

der Frau",

in

der

dieser

Zeit

nahezu

erotischen Kunst"

sowie

völliger

seine 7

die in letzter Zeit neuaufgelegt wurden,

"Sozialgeschichte sind heute wieder

einer etwas breiteren Öffentlichkeit bekannt. Einer der wenigen Karikatu¬ renbände zum Zeitraum von 1848/49, die nach dem Zweiten Weltkrieg erschieO

nen,

läßt es im wesentlichen bei einer bloßen Sammlung bewenden,

ohne

mitzuteilen, um wen es sich bei einzelnen karikierten Personen handelt, Angaben,

die aufgrund der Vorarbeiten um die Jahrhundertwende durchaus

möglich

gewesen wären.

in

BRD

der

Emst

auf

Bemheim:

Doch

lassen

sich warten,

Lehrbuch

der

was

sogar den

derartige Veröffentlichungen

behandelten

Zeitraum betrifft.

historischen Methoden und der Geschichtsphilosophie,

3/4

1903, zit. hier bei Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle.-In:Historische Bildkunde 2(Hrsg.v.)Walter Goetz, Hamburg 1935, S. 7.

2 Albert Wermingfooff: Zur Ikonographie des deutschen Mittelalters. -In: Deutsche Geschichts¬ blätter 18, S. 57, zit. bei Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle, S. 8. 3 Wilhelm Bauer: Einführung in das Studium der Geschichte, 2. Aufl. 1928, S. 302. 4 Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle, S. 11 tD

Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 192. 6 S.u. S. 29 Fn. 1. Eduard Fuchs: Geschichte der erotischen Kunst, 3 Bde Berlin 1977, 1. Aufl. 1908; Derselbe: Sozialgeschichte

der

Frau,

München

1973(=Die

Frau

in

der

Karikatur,

München

1928).

8 Alfred Gessler/Karl-Heinz Grahl: Seine Feinde zu beißen...Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848-1849, Berlin 1962.

-

51

-

Allgemeine Betrachtungen zur historisch-politischen Dichtung und Karikatur

Bevor im folgenden auf die Lieder und Karikaturen, die sich mit einzelnen Themen und Problemen der Vorrnärzzeit und der Revolution von 1848/1849 kritisch

auseinandersetzten,

näher

eingegangen werden

soll,

erscheint

es zunächst geboten, die Medien historisch-politisches Lied und historisch¬ politische Karikatur "theoretisch" zu behandeln und ihr Wesen zum Gegen¬ stand einer eingehenderen Erörterung zu machen. Dabei sollen die Begriffe "historisch-politisches eine

genauere

Lied"

Bestimmung

und

erfahren,

"historisch-politische wobei

jedoch nicht

Karikatur"

unbedingt

eine

neue und eigene Definition geschaffen zu werden braucht. Was das Lied betrifft, so soll an den Sauermannschen Begriff des "historischen Volkslie1

des" angekniipft werden. auf Lieder, werden",

Jedoch bezieht sich Sauermann dabei ausschließlich

"die zwar aus politischen Anlässen entstanden und verbreitet

und "auch dann von Mund zu Mund weitergegeben" werden,

die tagespolitischen Ereignisse, 2

Aktualität mehr besitzen".

auf die sie anspielen, keine politische

Bei vielen der in dieser Arbeit vorgestellten

Lieder aber handelt es sich eben nicht um "echte Volkslieder", sie

doch

oftmals

"wenn

kaum über

einen

längeren

Zeitraum

- sind

gesungen worden,

dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nicht "ankamen", weil beispiels¬ weise

Text

Gefallen

und

fanden

dazugehörige und

Melodie

sich

daher abgelehnt wurden.

nicht

entsprachen,

keinen

Sauermann würde derartige

Lieder wohl eher seinem "politischen Lied" zuordnen,

da sie "zum Zwecke

eines politischen oder agitatorischen Nahzieles verfaßt und aus aktuellem 3 Anlaß gesungen und nach kurzer Zeit wieder vergessen wurden". Daß wir hier

gleichwohl

den

Sauermannschen Terminus

"historisch-politisch"

adaptieren und die von uns vorgestellten Lieder unter den Begriff "histo¬ risch-politisches

Lied"

subsumieren,

dsgl.

diesen

Begriff

auch

auf

die Karikatur anwenden, rührt daher, daß er uns gleichzeitig zwei Dimensio¬ nen erschließt, welche die vorgestellten Lieder und Karikaturen ebenfalls aufzuweisen in der Lage sind. Die politische Dimension entspringt daraus, daß

sie

wurden,

aus

aktuellem

politischen

dazu Stellung nehmen,

Anlaß

entstanden

oder

verbreitet

die politischen oder sozialen Verhältnisse

interpretieren und dabei nicht - oder doch wohl nur in den seltensten Fällen v.a.

im Hinblick auf die etwaige Nachwelt verfaßt wurden,

sondern

auf die gegenwärtigen Zeitgenossen einwirken sollen, eine Funktion,

Vgl. hierzu Dietmar Sauermann: Das Historisch-Politische Lied. -In: Handbuch des Volkslie¬ des, Bd. 1 München 1973, S. 295. 3 Ebarda, S. 296.

.

3 Ebenda, S. 294

52

-

derer

sich

u. a.

auch

Erich

der politischen Relevanz bemerkte:

Straßner

bewußt

war,

der



hinsichtlich

"historischer Volkslieder" für das Mittelalter

"Alle benannten Lieder sind als Agitationsliteratur aus einer

offenen,

nicht

abgeschlossenen

KampfSituation

entstanden.

Ihre Aufgabe

war es, tendenziös und häufig polemisch in eine bestehende Auseinanderset¬ zung einzugreifen. Dabei ist der jeweilige Standpunkt, die Parteizugehörig¬ keit deutlich erkennbar. Die Funktion der Lieder ist also keine historisierende,

sondern

ergibt sich aus der Tatsache, eben

auch

Quellen

von

die

der Nachwelt

erschlossen

Aufschlüsse

und Karl

und

über

ihre

an

anderer

bereits

1

eindeutig politisch".

4

Klier

historische

herangezogen werden

genutzt

Epoche

zu

Stelle

erkennen,

Die

werden

können

geben imstande

erhoben wurde.

- wenn

2

können, und

für historische 5

Laien", werden;

aber

sind,

sie

als

wesentliche

eine Forderung, 3

Jan M.

Rahmelow

auch mit gewissen Einschränkungen,oder lehnen ihn doch

Für Rahmelow sind "Volkslieder(...)

Tatbestände wie für bestürmte Meinungen unter

wobei "die Tatbestände in ganz bestimmter Richtung verschoben"

"als Tendenzen sind dabei zu erkennen: Verbindung, Poetisierung,

Historisierung

und

Typisierung.

Volkslied immer nur jene, (dem

daß

u.U.

Auch

den historiographischen Wert etwa von Liedern an, wenigstens nicht von vornherein ab. Quellen

Dimension

daß die gleichen Lieder und Karikaturen

Füblikator)

und

Von

den

Meinungen

spiegeln

sich

im

die dem Urheber der publizistischen Aussage

ihren

Verbreitern (den Publikanten) gemeinsam 0 Klier dagegen äußert sich dahingehend,

und somit an Gruppen gebunden sind". daß

"wenn

wir

deutlich werde,

rückblickend "daß

das

das

vorgelegte

historische

Material

überprüfen",

es

Volkslied keine Geschichtsquelle

im strengen Sinn ist. Es ist keine Meinungsäußerung des ganzen Volkes, sondern

bestimmter

Kreise.

Als

Urteil

von

Zeitgenossen

spiegelt

und

beleuchtet es historische Tatsachen und mag als Ergänzung und Belegung einer

quellenmäßigen

Erich

Strafrier:

Darstellung

Politische

Relevanz

nützliche

Dienste

tun

"historischer Volkslieder".

und

am

Platze

Die Auseinandersetzung

zwischen der Reichsstadt Nürnberg und den Markgrafen von Braunschweig-Ansbach und Brandenbupg-Kulmbach im Spiegel vcn Liedern und Sprüchen. -In: Formen mittelalterlicher Literatur. Siegfried

Beyschlag

zu

seinem

65.

Geburtstag,

Göppingen

1970(=Göppinger

Arbeiten zur

Germanistik, 25), S. 229-246. 2 S.u. S. 45f. 3 Jan M. Rahmelow:

Die

publizistische

Natur

und

der

historiographische

Wert

deutscher

Volkslieder um 1530(Phil. Diss.)Hamburg 1966.

4 Karl

M.

Klier:

Historische

Volkslieder

und

Zeitgedichte

aus

Niederösterreich.

-In:

Bericht über den 8. österreichischen Historikertag in St. Pölten.. .vom 15. bis 18.9.1964 (Wien)1965, S. 153-164. 5 Jan

M.

Rahmelcw:

Die

publizistische

Volkslieder um 1530, S. 12.

6

Ebenda, S. 12.

Natur

und

der

historiographische

Wert

deutscher

53

-

-

sein". Die politische Tendenz, - und sie ist es, die uns im folgenden interessie¬ ren soll,

- hat

sich im Laufe der Geschichte

schon der verschiedensten

Disziplinen und Gattungen der Kunst bemächtigt, um aus ihren spezifischen Wirkungsmöglichkeiten

und

insbesondere

auch

aus

ihrer

zeitweiligen

Popularität den größtmöglichen Nutzen ftir sich zu ziehen. Hierbei nehmen auch - oder vielleicht gerade deshalb - die Lyrik, und

die

Karikatur

einen

festen

Platz ein.

d.h.

hier das Lied,

Man kann geradezu von einer

bevorzugten Stellung sprechen, da beide Medien größere Kreise anzusprechen in

der

Lage

sind.

Die

allerpersönlichsten

und

Lyrik

etwa

drangt

intimsten Aussage",

zwar

p

"ihrem Wesen nach

doch

läßt

sie

sich

zur

unter

bestimmten Voraussetzungen ohne weiteres - wegen ihres oft "stark agitato¬ rischen

Charakters",

den

sie

anzunehmen

in

der

Lage

ist

-

sehr

gut

3 auch

für

politische

Zielsetzungen

einspannen.

Kischka

verweist

in

diesem Zusamnenhang auf eine Ansprache Otto von Bismarcks vom 18.8.1893 in

Bad Kissingen vor

Kanzler

die

dem

Möglichkeit

dortigen

Gesangsverein,

einräumte,

daß

in der der ehemalige

Gedichte

und

Lieder

machen oder sie doch wenigstens beeinflussen könnten. ^ jedoch

die

Nikolaus leicht

Tatsache

Becker,

haben

nicht

auf

mußte,

außer

welches

acht

lassen,

Bismarck

derartige

daß

anspielt,

Wirkungen

zu

Geschichte

Uodet-lsind. vnoj£ gyöpev Sein (Se\n

fcfe-riT--r-4- ,

j ,

Vo-- ten - Land nnujß gyo ßev

j ; ,1 Sem!

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dO. Das ganie tWsdiland. soll es Seih! 0 Gc?tt uom Himmel j Siek oUrein

t r und. ,rl Was neKnd

Sein

Fortsetzung der Fn. 1 von S. 140: im Widerspruch zu den Grundgesetzen Großbritanniens stehe. 2 August

Heinrich

Hoffmann,

nach seinem Geburtsort gewöhnlich Hoffmann vcn Fallersleben

genannt, wurde am 2.4.1798 in Fallersleben (Hannover) geboren. Er besuchte die Universität Göttingen,

später Bonn und studierte Iheologie,

später Philosophie und Kunstgeschichte,

bis er sich endlich - auf den Vorschlag der Gebrüder Grimm hin - der deutschen Philologie zuwandte.

1830

wurde

er

außerordentlicher,

Philologie an der Universität Breslau.

1835

ordentlicher Professor der deutschen

1840 legte er Eindrücke einer Reise in seinen

"Unpolitischen Liedern" nieder und wurde daraufhin seines Amtes entsetzt. Nach längerem aufgezwungenen Wanderleben ließ er sich 1860 in Corvey nieder,

wo er eine Anstellung

als Bibliothekar gefunden hatte. Hier starb er am 20.1.1874. Neben seiner Tätigkeit als Dichter rrachte sich Hoffmann v.a. als Germanist einen Namen und verfaßte eine große Anzahl bedeutender Werke über ältere deutsche Literatur. 3 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesanmelte Werke, Bd. IV S. 258. Bei der Melodie handelt es sich um die Weise vcn "Denkst du daran, mein tapfrer Lagienka"? aus dem Sing¬ spiel "Der alte Feldherr" von Karl von Holtei,

1825, ein Stück,

das zeitweise ebenfalls

verboten war. Wir entnahmen die Melodie Wolf gang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokrati¬ schen Charakters, Bd. II S. 62. 1 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd. VS. entnahmen wir den Allgemeinen Kommersbuch, S. lf.

15f. Die Melodie

-

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142

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hie das ctautsd)«. Wert eYsd\lfl|t|und -pcetActig strett u.wtunrUt Und ScW(ft ( d.oß

f T * kommen mag

kommen w«3 1.)

Was ist des Deutschen Ehr'

und

4.)

Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum?

Wol

Die sich nicht untergraben läßt, o nein,

o nein,

Im

o nein!

Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum? Wol

freies Wort und freien Sang?

Und nirgends Lehr- und Glaubens¬ 0 nein,

o nein,

o nein,

zwang? o nein!

Sein ist die Hoffnung nur allein.

3.

)

Was ist des Deutschen Ehr'

und

Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum? Wol endlich öffentlich Gericht? Wol gleiches Recht, 0 nein,

o nein,

Geld,

des

Deutschen

Ehr1

und

freien Handel und Verkehr deutschen

0 nein,

Sein ist die Hoffnung nur allein.

2.) Was ist des Deutschen Ehr' und

ist

Ruhr? Was nennet er sein Eigenthum?

Verfassung zeitgemäß und fest, 0 nein,

Was

-fiteaMJfthd UWein Os^rija«?

Sein 5.)

Was

Land und Ubers Meer,

o nein,

ist ist

o nein,

o nein!

die Hoffnung nur allein. des

Deutschen

Ehr'

und

Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum? Wol deutscher Länder Einigkeit? Daheim und draußen Sicherheit? 0 nein,

o nein,

o nein,

o nein!

Sein ist die Hoffnung nur allein.

6.) Erhalt uns Gott, dies letzte Gut, Den Daß Und

frischen nie

frohen Hoffnungsmuth!

das

freudig

deutsche

strebt

und

Herz

er¬

schlafft , wirkt und

Maß,

Gewicht? o nein, o nein!

Sein ist die Hoffnung nur allein.

Daß kommen mag,

scha fft, daß kommen mag

Für

bald ein Ostertag.

Deutschland

143

-

"Langsam wenn ten

sie

katur heit

meine

sie

fallen”!

auf

könn¬

- Kari¬

die Zerrissen¬

Deutschlands,

nationale den

Herren,

zerreißt,

dessen

Einheit

von

eifersüchtig

ihre

über

eigenstaatlichen

Rechte wachenden Fürsten verhindert wurden. "Die

Stadtverordneten¬

versammlungen. Gegenwart". auf

m)

Karikatur

nicht

gewährten

politischen

Rechte

deutschen

Untertanen,

die C.nttc*-*»«* *» Ä*»< *

die

- Zukunft

-

sich

auch

in

der

diesem

Punkt um ihre Hoffnungen betrogen sahen.

!Hr

Wiv

SiWwkW »Uyc,

Geopg Herweg, der am 31. Mai 1817 als Sohn eines Gastwirtes in Stuttgart geborene Dichter , tat sich bereits als Gymnasiast und dann als Student der Theologie in Tübingen verschie¬ dentlich durch poetische Versuche hervor und fand die wohlwollende Beachtung des Königs vcn Württemberg. Als Student mit seinem Repetenten zerfallen, wandte er sich 1836 zurück nach Stuttgart,

wo er anfing, an verschiedene Zeitschriften Beiträge zu liefern. Als er

schließlich seiner Militärpflicht Genüge leisten mußte, kam es zu einem Konflikt zwischen ihm und seinen Vorgesetzten.

Der drohenden Bestrafung entzog er sich durch die Flucht

in die Schweiz, wo er sich als Mitarbeiter an verschiedenen politisch-literarischen ZeifcSchriften beteiligte. (S.

auch u.

kennte

er

S.

nach

Deutschland;

1841

12 Fn.

erzielten seine

"Gedichte eines Lebendigen" großes Aufsehen.

2) Da ihm bald darauf von König Wilhelm Amnestie gewährt wurde,

Deutschland

zurückkehren.

Eine triumphale Reise

führte

ihn durch ganz

in Berlin wurde er im November 1842 von Friedrich Wilhelm IV. persönlich

in Privataudienz empfangen. (S.u. S. 163 ) Kurz darauf erfolgte seine Ausweisung aus Preu¬ ßen:

Obwohl die Behörden etwa in Königsberg, wo er Johann Jacoby besuchte, ein strenges

Verbot erlassen hatten, den oppositionellen Dichter zu feiern oder ihm öffentlich Sympathie zu bekunden, wurden ihm zahlreiche Ovationen dargebracht. Ihm zu Ehren wurde ein Gastmahl veranstaltet, bei dem zahlreiche Reden gehalten wurden und Musikanten in königlicher Uni¬ form revolutionäre Lieder spielten. Da der 25jährige Dichter zudem brieflich an den preu¬ ßischen Körnig appellierte, gewähren, wurde

seinem Volk endlich die geforderten Rechte und Freiheiten zu

und der Brief - ohne Wissen und Willen des Absenders - veröffentlicht wurde,

ihn der weitere Aufenthalt in Preußen untersagt. Er kehrte in die Schweiz zurück,

wo er Kontakt mit den dortigen Handwerkervereinen aufnahm. über,

wo er Bekanntschaft mit Karl Marx,

Heinrich Heine,

1843 siedelte er nach Paris Arnold Rüge u.a. schloß. Das

Jahr 1848 sah ihn als Präsident des Republikanischen Komitees der Deutschen in Paris. Gegen den ausdrücklichen Rat von Karl Marx marschierte er mit der Deutschen Demokratischen Legion im April in Baden ein, um Friedrich Heckers Freischaren zu Hilfe zu kommen.(S.u. S. 326ff. )Nach der Niederlage floh er erneut in die Schweiz und wurde hier zum Mittelpunkt der deutschen und italienischen Emigranten. Die letzten Lebensjahre verbrachte Georg Her¬ weg^ wieder in Deutschland, wo er am 7. April 1875 in Baden-Baden starb. Georg Herwegh: Gedichte eines Lebendigen,

Zürich/Winterthur 1841, S. 45f. Daneben findet

sich ein weiteres Gutenberg-Gedicht, Ebenda, S. 43ff. Mit Melodie findet sich der "Frühlingsmorgenruf1 u.a.

abgedruckt bei Inge Larmel:

Lieder der Revolution von 1848, S. 18,

157

-

j.iJ-rl

1.)

Die Sonne,

der wir lang geharrt,

J I

f' rt Ist eiw^etÄ^as \uWig sd^t [Wenn

HitarweLjqlvttuoll SeWn u Kollier langem . Wo

2.)

Die Ketten brach der Lenz entzwei

Ist endlich aufgegangen;

Mit seinen Rosendüften,

Wir schauen ihre Himmelfahrt

Und unsre Seelen rauschen frei

Voll Sehnen und Verlangen.

Wie Adler in den Lüften.

Wo ist ein Herz,

Die

das ruhig

Toten

drückt

der

Tod

schlägt, Wenn solch ein Tag die Schwingen

Horcht,

unser

Meister

regt? Ihr Völker,

Ihr Völker,

Ihr Völker,

lebt

und

spricht:

wachet auf! 3.)

heut' nicht,

wachet auf!

wachet auf und seht

Den Himmel selbst in Flammen! Ihr Völker wachet auf und steht Ein einig Heer zusammen! Voran,

voran,

im Sturm voran!

Der Gutenberg trägt uns die Fahn'! Ihr Völker wachet auf!

Von den zahlreichen Anti-Zensurliedem der Zeit sollen im Folgenden einige weitere Lieder Hofftnanns von Fallersleben beispielhaft herangezogen werden, die die Stimmung wohl vieler Zeitgenossen angesichts der enttäuschten Hoff¬ nungen wiedergeben. Officielles Weihnachtsgeschenk 1841

$ r r r Ök# Trewi euch aUe(freut «udn

al-Le , lo-bet Gott vniV^Ju.—bei — S * p pi r~ * Cr r H fü r Pi r; $ oler wdn i^vwvier

Wuv\—

Lp r ^ p?ir J- rl ö r? F p 1 p' ©1 e

VvulxiL 1.)

w;iL,ot(«p al-le Wett sich

und

Freut euch alle,

gut. Adh , wie freut euch al¬ le ,

Lobet Gott mit Jubelschalle, Der noch immer Wunder thut.

-pYeiA-e- Achfwie ist

ist

mild,

wwd,

es

gut.

Das Censuredikt das neue Will, Ach,

daß

alle

Welt

sich

freue

-

wie ist es mild und gut.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd.

IV S. 249. Das Gedicht

wurde am 17. Januar 1842 verfaßt. Bei der Melodie handelt es sich um die Weise von "Weine nicht, es ist vergebens".

-

2.)

158

Wie ein Stern aus finstrer Wolke

Wollt

3.)

ihr

ferner

euch

beschwe¬ ren?

Könnet ihr noch mehr begehren?

Kam es her aus unserm Volk Und erschien als heil'ger Christ.

Querulanten,

Freut euch,

und

Ja,

Weise!

Alles wünschen,

ist.

Alles - wenn's der Censor will.

Kinder,

Klug1

Seht,

wie gut und mild es

Seht,

wie gut und mild es ist.

schweiget still!

wir dürfen Alles sagen, hoffen,

klagen,

Hier kommt schon die Enttäuschung zum Ausdruck, die Hoffmann neben vielen anderen Liberalen empfand,

als der 1840 vielfach freudig begrüßte Fried¬

rich Wilhelm IV. die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllte. Für ihn selbst hatte der Leidensweg ja eben erst begonnen. 1842 und 18431

.. J s p r Wie

j

p p p f r \ ?}1

Sich oTi?. Weitem o(o!

ist die Freude verschwunden,

Das Singen ist vorbei,

Vorm Jahre Glut und Feuer,

Der Garten

Wie aber ist es heuer

Es hat zu sehr verdrossen

So kalt so feucht und naß!

Die Herrn von der Polizei.

2. ) Vorm Jahre nichts als Hoffnung

5. )

ist verschlossen:

Wo sind die am lautesten sprachen

Auf eine schönre Zeit.

Für Freiheit und Vaterland?

Da gingen die Geister spazieren

Jetzt

reden

die

Schlechten

Die Guten müssen verstummen,

Im Garten der Preßfreiheit. 3. )

Sonst werden sie verbannt.

Wie fühlten so frei sich alle. Wie waren sie freudenvoll!

und

Dummen,

Und konnten sich erlustieren

6. )

Wie sich die Zeiten doch ändern!

Sie sangen von ihren Träumen,

Ach Gott,

Sie sangen auf allen Bäumen,

Vorm Jahre Glut und Feuer,

wie kommt denn das?

Daß es weit im Land erscholl.

Wie aber ist es heuer So kalt und feucht und naß!

Weiterhin wurde alles Geschriebene, das auch für den kleinen Mann einiger¬ maßen erschwinglich war peinlich genau zensiert und jegliche Kritik wem auch nicht völlig unterbunden, so doch erschwert. Die Hand des Journalisten wurde von oben gelenkt, wie uns dies eine zeitgenössische anonyme Karikatur zeigt:

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd. VS. 96. Der Text entstand am 17. Juni 1843. Hoffmann unterlegte dem Gedicht die von Friedrich Silcher im Jahr 1825 verfaßte Melodie zum Text von "Ich hatt1 einen Kameraden", den Ludwig Uhland 1809 verfaßte. Wir entnahmen die Melodie dem "Allgemeinen Deutschen Konmersbuch", S. 442.

159

-

-

>» "Genrebild—Redaktion": am

Schreibpult

wird

von

in

zwei

Der

seiner

Journalist, Redaktion

danebenstehenden

scharf überwacht. um

Vertreter

seiner

Hand,

aus

die

lenkt, chen

soll

keinen

den

Wolken

tätig

sie

Kopf

sein

laufen,

seine

hinweisen, auch

eines

mußte,

daß

verboten

mutigen

handelt.

Eine

Schriftzüge

wohl zum einen auf die behördli¬

symbolisiert im

daß es sich hier besonders

Profession

Zensurerlasse

bereits

Polizisten

Die Zipfelmütze auf seinem

Kopf soll wohl ausdrücken, wahrscheinlich

der

steht,

seine

würden

die jeden

wollte

zum

er

er in

die

Publizierenden nicht

literarischen

bzw.

anderen

Vorzensur,

Gefahr

Produkte

Haft

genommen

oder zur Emigration gezwungen würde.

Ein ähnliches Motiv,

d.h.

ebenfalls ei¬

ne sehr "enge Bindung" an die obrig¬ keitlichen Beschlüsse weist

"Die kgl.

bayrische Preßfreiheit" auf,^die in den "Leuchtkugeln"

Wie Presseorgane aussahen, sur "durchlaufen" hatten, Malers

bekanntesten

Hermann

fgl.

batjnfdje *pregfreil)eit

die die Zen¬ mag uns viel¬

leicht die folgende Karikatur des

Die

erschien.

Dyck

ein zweigeteiltes Spottbild,

entstammt

Antizensurgedichte

von

-

veranschaulichen,

Hoffmann

von

das der Feder

dsgl.

Fallersleben,

eines das

schluß daran abgedruckt ist.

Soitgreg fceutfctHr 3ettfcfcrle 3«tfd)rifUn fu*m imgrfömältrt i$rt 3ieiff6eroiaigung ju moirfen unb begeben fl* jur betrejfenben ©el)öebe.

©I< 3«>tfd)rifren buiicn reifen; — müjTen lebud) il,rr enlüanbenen ©lögen Mif*tift«mäiig bebeden.

II. ü. ö. ©Drf: ftcmtatur nuf Me beirtftfot Sireijtjerfjältmiie ODt bet abfifiaffimji bei Jetiiur ftfliecienbe Blätter 1847

der

im An¬

160

-

-

Wie ist doch die Zeitung interessant 1.)

Wie

Wie ist doch die Zeitung inte¬ ressant

Für unser liebes Vaterland!

Für unser liebes Vaterland! Was haben wir heute nicht alles vernommen! Die Fürstin ist gestern niedergekommen, Und morgen wird der Herzog kom¬ men , Hier ist der König heimgekommen, Dort ist der Kaiser durchgekommenWie interessant,

wie

ist doch die Zeitung interes¬ sant

Was

ist

uns nicht Alles berichtet worden!

Ein

Portepeefähnrich

Ein

Oberhofprediger

Die

Lakaien

Die

höchsten

Und Wie

zeitig

erhielt einen Orden,

erhielten

silberne Borten,

Herrschaften gehen nach Norden

interessant!

Gott segne das liebe Vaterland!

ist Leutnant geworden,

ist es Frühling geworden-

interessant,

Gott segne das

wie

interessant!

liebe Vaterland!

Eine "gute Presse" ist also diejenige, die sich willig und brav von der Zensur leiten läßt: "Die sur

gute

Presse":

wird

licht

hier

Die Zen¬

versinnbild¬

durch

eine

Schere,

die in der einen Hand einen Zensurstift hält, re

in

Ruten

Seile, in

Spazierstock

und

ein

Bündel

an welche die Presse form

Buben

-

Hinter ist

als

der anderen mehre¬

von

unmündigen

angekettet dieser

ein

ist.

Prozession

Schafbock

-

wohl

als Sinnbild der Reaktion- zu sehen, bf-.iH int-»

«Mir ittnrv 2»kv tif OH ff t'rfrtf,

wurf, des

sind,

zu

wacht.

rtlli Oil' ;te««iSV

sehen

ist.

Die

die

Presse

ebenfalls Der

schreitet

der eine Fahne mit sich führt,

Rückschrittes

der

nerseits

SJeut uni an öftiicr yauo Muibtin ftletdi am

Zensur

ein

sei¬ über¬ voran

blinder Maul¬

auf welcher ein Krebs als Symbolfigur Fledermäuse,

die

am

Himmel

zu

sehen

verkörpern die dunklen Mächte der Reaktion.

"Zeitungspresse

um

1848":

Die

vormärzliche

kontrollierte

ne

stellvertretend

sitzt

-

Karikatur

gewährt

einen

"Einblick"

und überwachte Zeitungspresse. für

den

preußischen

in

die

Auf der Stuhlleh¬

Kultusminister

Eichhorn-

Fh. 1 und 2 von S. 159. Abgedruckt bei Eduard Fuchs: Ein vormärzliches Tanzidyll. Lola Montez in der Karikatur, S. 12. Hermann Eyck,

Maler,

Zeichner und Radierer,

4.10.1812 in Würzburg geboren.

ein sehr enger Freund Spitzwegß, wurde am

Als Sohn eines Stadtbaumeisters enpfing er schon in der

Jugend entscheidende künstlerische Anregungen. Nachdem er zeitweise in der Oberpfalz und im Altmühltal gelebt hatte, zuneist

durch

ihre

Vorliebe

kam er 1835 nach München. für

Kleinstadtmotive

Inhaltlich erinnern seine Bilder

und genrehaft-humoristische Staffage

an Spitzweg. Seit dem Erscheinen der "Fliegenden Blätter", 1846, war er Mitarbeiter dersel¬ ben,

hauptsächlich in den ersten beiden Jahrgängen.

1854 wurde er Lehrer an der Private

schule des Münchener Kunstgewerbevereins, die sich unter seiner Leitung zur Kunstgewerbe¬ schule in München entwickelte, die Eyck bis zu seinem Tode am 25.3.1874 als Direktor lei¬ tete.

Unsere Abbildung wurde entnommen aus Eduard Fuchs: Die Karikatur der europäischen

Völker. Von 1848 bis zur Gegenwart, S. 5.

1

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd. IV S. 114.

161

-

-

ein Eichhörnchen und gibt dem

Zeitungsschreiber

Instruktionen, von

weiteren

der

alten

Eber

die

Mächte

und

-

einem

Das

kerung"

"Produkt"

an

nach

tergegeben.

die

von

"Bevöl¬

draußen wei¬

Oben ist eine

Druckerpresse die

-

werden.

fertige dann

einem

Hund

vervollständigt wird

noch

"Nachrichten"

zw^i

zu

sehen,

Krebsen

be¬

dient wird.

Setzen sich die vomnärzlichen

Lieder

zumeist

recht allgemein mit dem Problem der Zensur auseinander, so greift die Kari katur - ihrem Wesen entsprechend - häufig ganz konkrete Geschehnisse auf und kommentiert sie. Die folgenden Abbildungen etwa spielen auf verschie¬ dene mehr oder weniger spektakuläre Ereignisse an, auf behördliche Maßnah¬ men,

die die Gemüter der Zeitgenossen erregten - waren sie nun freudiger

Art oder riefen sie Bestürzung hervor. Die zeitweilige Lockerung der Zen¬ sur wurde ebenso registriert wie die erneute Anziehung der Zensurschraube, - letzteres eine Maßnahme, die nicht zuletzt auf den gekränkten Stolz des preußischen Königs zurückgeführt werden kann. "Aufhebung Die

die

der

Zensur

den

preußischen

dem

zeitweilige

mit

schräg

reicht

dem

preußischen

"Pressfreiheit" schriften von

zu

sehen

die die

seit den

dem

ersten

Herrschenden

Die

sind

mittlere

und

wird

-

- und

gemeint

-

die

Rolle,

ist

der

hier

März

des

1848

1

abgebildet

ist,

mit zwei Schreibfe¬ flankiert das

von

zwei

Sinnbild

der

Schere

-

tragen.

auf der eine Perga¬ Bediensteter über¬ der

Kommode wohl

die

Aufschrift

tragen

die

die

Auf¬

Öffentlichkeit

- beides Forderun¬ laut

werden.

des Königs flattern Karikaturen aus dem Geisteszwinger, links

Ses¬ trägt

auf

Jahrhunderts

präsentiert

drei

Ein

"Deutschlands Einheit",

Jahrzehnt im

die

liegt.

Schubladen

"Bilder¬

der

Tintenfaß

weitere

auf

Neben bzw.

ihm

steht eine Kommode,

eine

ist.

"Oeffentlichkeit"

IV.

sitzt

sehen:

ein

"Constitution"

König

Gerichtsverhandlungen

gen, und

Aufschrift

IV.

durch Thema.

hinter

zu

Zensur der

zum

der Aufschrift

Sesseln, Friedrich Wilhelms

König

in der Hand.

sel dern

mit

Aufhebung

Karikaturen

Wilhelm

freiheit"

Rechten

für

Thron und hat eine Pergament¬

rolle

Zur

Bilderzensur":

entstanden um 1842,

hat

Friedrich

mentrolle

der

Karikatur,

geworden Über

dem

sind Haupt

der im Hintergrund

wo sie bisher eingesperrt waren und vernichtet wurden.

Die Abbildung wurde entronnen aus Eduard Fuchs: Vcn 1848 bis zur Gegenwart, S. 3.

Die Karikatur der europäischen Völker.

-

Text: "Als der König winkt mit dem Finger Auf thut sich der Geisteszwin¬ ger

ft'*

'

'

162

-

Und der Satyr aus halb nur geöffnetem Haus speit Caricaturen in Unzahl aus'.'

anonyme immer daneben tritt" "Wie Lithographie. Eduard Fuchs hat diese Karika¬ tur folgendermaßen charakterisiert: "Von allen satirischen Angriffen gegen Friedrich Wilhelm IV. ist dies ohne Zweifel der kühn¬ ste, der furchtbarste Hieb, den er (Fried¬ rich Wilhelm - der Verfasser) ob seines stets mißglückten Bemühens, Friedrich II. zu glei¬ chen, erdulden mußte. In dessen Fußstapfen will er treten, aber regelmäßig tritt er daneben. Der Witz ist einfach, aber ebenso schlagend, ein I^enkstein in der Geschichte der Karikatur". "Wie einer immer daneben tritt" wurde zur direkten Ursache der Wieder¬ einführung der Bilderzensur. "Hier hörte die Romantik auf, Friedrich Wilhelm IV. fand, daß c^irch Verbote am einfachsten der Gegner

in der Diskussion zu schlagen war". Die Zeichnung zeigt Friedrich II., der gedankenvoll die Hände am Rücken verschränkt vor dem Schloß auf und ab geht. Im Vordergrund sieht man Fried¬ rich Wilhelm IV., der sich - in der linken Hand seine obligatorische Sekt¬ flasche, in der rechten ein Sektglas - tollpatschig abmüht, in Friedrichs II. Fußstapfen zu treten, dabei jedoch immer daneben tritt. *w U -»1 TW i* »Kut* iUMi

i ml «Irrllrrr »ja Jfb E»

Die Karikatur "Aus dem Lustspiel Des Königs Befehl" behandelt die Aufhebung der zeitweiligen Zensur¬ freiheit für Karikaturen durch den preußischen Kö¬ nig. Friedrich Wilhelm IV. gebietet dem preußi¬ schen Adler, die Karikatu¬ ren, die sich seiner ange¬ nommen haben, mit seinem Schatten zuzudecken. Text: "Und der Herr sprach: Es werde Nacht!!!"

Hatte

die

Karikatur

"Wie

einer immer daneben tritt" zur erneuten Verschärfung der Bilderzensur gefü hrt,

so war es der Brief

Georg Herweghs, welcher dem preußischen König die willkommene Gelegenheit zur Aufhebung der günstigen Zensurvorschriften für sonstige Publikationen bot.

Kurz nachdem Herwegh - während seiner triumphalen Rundreise durch

Deutschland - von Friedrich Wilhelm IV. empfangen worden war, verbot die preußische Regierung auf des Königs Veranlassung eine von ihm angekündigte neue Zeitschrift, den "Deutschen Boten aus der Schweiz", noch ehe das erste ^ Eduard Fuchs: Die Karikatur der europäischen Völker vom Altertum bis 1848, Berlin 1903, S. 399. 2 Ebenda, S. 399. Franz Dingelstedt schreibt in seinen "Liedern eines kosmopolitischen Nachtwächters", Ham¬ burg 1841, 6. Station von Nachtwächters Weltgang: "Ein König sei Original und stehe auf sich selber:/Er wolle nicht in jedem Ding - hier schweigt es - altenfritzig sein"!

163

Heft erschienen war.

-

1

Eine anonyme Lithographie mit dem Titel"Des Dichters Audienz:' karikiert Georg Herweghs Haltung seine opposLPr» l\aMnr, tionelle Gesinnung, die während der Zusammenkunft mit dem preußischen Kö¬ nig versagt habe. Die linke Abbildung zeigt den Dichter, der vor einer Büste Friedrich Wilhelms IV. seine opposi¬ tionelle Einstellung nicht verhehle: "Und wie ich selbst mit Gott gegrollt. Wie sollt' ich nicht einem König grol¬ len"? Das rechte Bild zeigt ihn dage¬ gen in ehrerbietiger, ja man möchte fast sagen devoter Haltung vor dem König, der den Ausspruch tätigt: "Ich achte eine gesinnungsvolle Opposition". -Zwischen dem König und dem Dichter ist des ersteren Leibarzt, der Gehei¬ me Medizinalrat Dr. Schönlein zu sehen, der, als er die Bekanntschaft mit Georg Herwegh gemacht hatte, die Zusammen¬ kunft vermittelte und als einziger Zeuge bei der Audienz zugegen war. Theophil Zolling hat auf Grund der ihm gewährten Einsicht in die Akten^ des Königlich Preußischen Staatsarchivs in Berlin die Audienz geschildert. Es geht daraus hervor, daß Friedrich Wilhelm Herwegh mit Freundlichkeit und großem Wohlwollen entgegentrat, "ihm freundliche und ehrende Worte Uber seine Gedichte sagte, dabei auch erklärte, er achte und liebe eine gesinnungsvolle Opposition, daß er ihm aber auch nicht verhehlte, wie sein innigster Wunsch darauf gerichtet sei, den Dichter gemäßigte Bahnen einschlagen zu sehen: für diesen Fall würden ihm größere Erfolge beschieden sein(... ) Auf dieses königliche Motto, das für Friedrich Wilhelm höchst bezeichnend genannt werden muß, mit einem entsprechenden Schlagwort sofort zu replizieren, fehlte es Herwegh offenbar an Geistesgegenwart. Zu einem Marquis Posa, wie ihn der Spötter Heine(...)hinstellt, war Herwegh so we¬ nig geeignet wie zu einem Jacoby, der dem König bald genug die radi¬ kale Unverblümtheit zu kosten gab.(...) Thatsächlich ist die Audienz im Berliner Schlosse ohne jeden unfreundlichen Zwischenfall verlaufen, Herwegh bewahrte dabei eine ^phüchterne, befangene Hal¬ tung" . Die Audienz ist auch Thema der nebenstehenden Berliner Karikatur "Der Tetzel des 19. Jahrhunderts ertheilt Ablass für politische IfrUr^ri (Sks IS “JahrhimderuVerbrechen" der Friedrich Wilhelm IV. mit dem Ablaßprediger Johannes Tetzel verglichen wird, der seinerzeit Martin Luther veranlaßte, seine 95 Thesen gegen die unwür¬ dige Art der Ablaßverkündigung zu verfassen.

1 S.u. S. 156 Fn. 1. 2 Theophil Zolling in der Wochenschrift "Die Gegenwart" Jg. 1898, Nr. 39-41. 3 Christian Petzet: Die Blütezeit der deutschen politischen fyrik, S. 148f.

-

164

-

Ähnlich reagierte die Karikatur etwa beim Verbot der "Rheinischen Zeitung , auch als der Vertrieb der "Leipziger Allgemeinen Zeitung" - eines wegen seiner freimütigen Kritik auch in Preußen vielgelesenen Blattes - in Preu¬ ßen verboten und auch die Beförderung mittels der Post durch das preußi¬ sche Staatsgebiet untersagt wurde: "Der gefesselte Prometheus"zeigt den als Prometheus an eine Drucker¬ presse geschmiedeten Karl Marx, der vom preußischen Adler angegriffen und gepeinigt wird, den der links oben im Bild auf einem Thron sitzende Minister Eichhorn, das "Eichhörnchen" gegen ihn ausgesandt hat. Unten sind die im Einzugsbereich der "Rheini¬ schen Zeitung" liegenden Rheinstädte - Köln, Düsseldorf, Aachen, Krefeld, Elberfeld, Koblenz und Trier - zu sehen, die in Jungfrauengesjtalt das Verbot der Zeitung beklagen. "Der Leipziger Allgemeinen Leiden und Tod", anonyme Lithographie, o.O. u. J. Die Karikatur zeigt ein ähnliches Motiv wie das Bild "Der gefesselte Prometheus": Der "Leipziger Allgemei¬ nen", die vor dem Brockhausschen Stammnaus in Gestalt einer barbrüstig en Frau an einen Felsen angekettet ist, wird vom preußischen Adler die Brust zerfleischt, während des letztewährend des letzteren Partei¬ gänger, d.h. hier v.a. Klerus und Polizei die Szene umringen. Der Felsen, an den die "Leip¬ ziger Allgemeine" angeschmiedet ist, besteht aus Paketen von Zeitungsexemplaren. Text unterhalb der Zeichnung: Mit Aristokraten und Pfaffen und Bureaukratie War ich jung noch an Jahren, in schönster Herzensharmonie. Doch wie mit den Jahren wächst des Buhlens Trieb, Hatt1 ich Männer von der Lin¬ ken wie der Rechten lieb,

Die Gründung der "Rheinischen Zeitung" - am 1. Januar 1842 in Köln - war zunächst von der preußischen Regierung begünstigt worden, erhoffte man sich in ihr doch zunächst ein Gegengewicht gegen die "Kölnische Zeitung", die häufig zu betont kirchliche Ansprüche geltend machte. Nachdem man die "Rheinische" einige Zeit hatte gewähren lassen, sah man sich letztlich dem doch zu einem Verbot genötigt, als der junge Karl Marx an die Spitze der Redaktion getreten war und einen immer schärferen Oppositionskurs vertrat, auch dies ein Beispiel der zwiespältigen und widersprüchlichen Politik Friedrich Wilhelms IV. Nach dem Verbot beabsichtigten die Freunde der "Rheinischen Zeitung" zunächst in Straßburg oder Brüssel eine Agitaticnszentrale zu errichteten, verzichteten jedoch darauf, da die breitere Öffentlichkeit die obrigkeitlichen Maßnahmen ohne größeren Protest geschweige dann aktiven Widerstand hinnahm, und der Kampf dagegen aussichtslos erscheinen mußte. Wie Wilhelm Bauer: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte, S. 309 anführt, empfan¬ den nur ganz wenige "mit Arnold Rüge, was es bedeute, 'dieser schneidende Rückfall vom Reden ins Schweigen, vom Hoffen in die Hoffnungplosi^ceit, von einem menschenähnlichen in einen sklavischen Zustand"1.

-

Buhlte gings:

da

rechts

und buhlte

165

-

links./ Doch nicht eben lang mit dem Buhlen

Warf sich an den Hals mir ein Hann der Intelligenz. Der machte weder rechts noch links Scharwenz, Der zündete mit dem Feuer, das er vom Himmel stahl Eine höllische Feuersbrunst mir an allzumal. Die Aristokraten, die Bureaukraten, die Pfaffen machten Chor, Der Schwarze selbst gegen mein Haus sich verschwor.

Die

schmiedeten mich an und auf ihr Geheiss Macht, wie weiland dem Feuerdiebe Prometheus, Ein grausamer Adler mir die Hölle heiss. Der hat mich wüthend gepackt Und fast schon das untreue Herz zerhackt. So büss ich Dulderin Prometheuische Pein 0 möchte der Kampf bald geendet sein.

Die Reaktion der "Allgemeinen Zeitung" auf das Verbot kennzeichnet die folgende Zeichnung: "Der 'Allgemeinen' Hebung: Der Brockhaussche Verlag kriecht vor dem Grenzpfahl zu Kreuze. "Am Boden links liegt ein Blatt mit der Aufschrift 'Devoteste Bitt¬ schreiben'. Der sofort ent¬ lassene Redakteur Dr. Julius trägt ^in Schloß vor dem Mund". Zu Linken - auf sächsischer Seite - steht eine fassungslose und be¬ drückte Menschenmenge. Die "Allgemeine" wird am Grenz¬ pfahl aufgehängt und auf diese Weise "gehoben". Auf preußischer Seite sieht man wieder das bekannte Eichhörnchen, welches auf der Schulter des preußischen, des "prometheusschen"Adlers sitzt. Text:"So ihr euch bekehret, wird euch geholfen werden". Auch die nebenstehende ano¬ nyme Karikatur auf die Pres¬ sezensur, verlegt von Julius Springer in Berlin, o.J. weist alle "Utensilien" der Zensur auf, die der Presse ihr Flügel beschnei¬ det: Rasiermesser, Schere, Knüppel, Vorhängeschloß und Handschellen bzw. Fu߬ fesseln.

Von Hoffmann von Fallersleben stanrnt auch das nächste Lied unserer Sarrrn lung, in welchem er sich gegen jegliche Bevormundung der Presse durch die Obrigkeit wendet:

Wilhelm Bauer: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte, Abb.

-

166

-

Gute Presse und guter Druck Brave deutsche Männer! lernt begreifen, daß Ihr es selbst seid, durch die Ihr in Euren Ketten erhalten werdet; daß Ihr, um frei zu sein, nicht einmal unseres Verstandes nur Eures eigenen energischen Willens bedürftet. Graf v. Wittgenstein im Hauptquartier zu Berlin 4/16 März 1813 an die Einwoh¬ ner des Kurfürstenthums Hannover.

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