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German Pages 612 Year 1982
Ulrich Otto Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849
Pahl-Rugenstein Hochschulschriften 100
NUNC COCNOSCO EX PARTE
THOMAS J. BATA LIBRARY TRENT UNIVERSITY
hl-Rugenstem Hochschulschriften es
100
,
Serie: Kulturgeschichte
..
Ulrich Otto Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849
Köln 1982 Pahl-Rugenstein Verlag
?'T5'3y
■ &8T
1^2-
© 1982 by Pahl-Rugenstein Verlag, Gottesweg 54, D-5000 Köln 51. Alle Rechte Vorbehalten. Herstellung: difo-druck, Bamberg. CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Otto, Ulrich: Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 [achtzehn¬ hundertachtundvierzig neunundvierzig] / Ulrich Otto. - Köln : Pahl-Rugenstein, 1982. (Pahl-Rugenstein-Hochschulschriften Gesellschafts¬ und Naturwissenschaften ; 100 : Ser.: Kulturgeschichte) ISBN 3-7609-5100-7 NE: GT
5
-
-
Vorbemerkung
In der vorliegenden Arbeit soll erstmalig der Versuch unternommen werden, die - auf den ersten Blick grundsätzlich verschiedenen - Medien histo¬ risch-politisches und
der
Lied
Revolution
und
von
historisch-politische
1848/1849
zueinander
Karikafar des Vormärz
in
Beziehung
zu
setzen
und im Anschluß daran vor ihrem geschichtlichen Hintergrund darzustellen. Der Hauptbestandteil der abgedruckten Lieder stammt aus den Liederbuchund Flugblattbeständen des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg i.Br., dessen
Mitarbeiterinnen
und
Mitarbeitern
hier mein
herzlichster Dank
für die freundliche Aufnahme und Unterstützung während meiner Sarrmelarbeiten
ausgesprochen werden
soll.
Neben
Professor Dr.
Rolf W.
Brednich
und Professor Dr. Lutz Röhrich, die sich als Referenten der Dissertation zur Verfügung stellten und denen mein Dank für ihr inhaltliches Interesse am
Zustandekommen
der Arbeit
gilt,
seien hier
stellvertretend Ursula
Schlatterer und Barbara James namentlich genannt, Liedmaterialien sowohl
verdanke.
der Quellen mit
als
Barbara auch
hinaus
oftmals
Liedern
versehen und mir
der
wichtigen
James,
eine
behandelten
denen ich zahlreiche vorzügliche
Hintergrundinformationen
damit
bisweilen
Kennerin
Epoche hat mich darüber zu
einzelnen
zeitraubende Nachforschungen
erspart. Was an
die die
vorgestellten Mitarbeiter
Märkischen der
besonders Dr.
Museums
Staatsbibliothek die
der in
Bildmaterialien Graphischen Berlin
anbelangt,
Sammlung
(DDR)
sowie
Preußischer Kulturbesitz
freundliche
und
sachkundige
so
geht
ALBERTINA
der
mein
Dank
in Wien,
des
Handschriftenabteilung
in Berlin
(West),
Unterstützung
wobei
durch
Frau
Eva Bliembach in letzterem Institut nicht unerwähnt bleiben darf.
Zahlreiche Bildmaterialien zur Revolution in Baden verdanke ich daneben Professor
Dr.
Rolf
W.
Brednich,
der
mir
liebenswürdigerweise
seine
Bildersammlung zur Verfügung stellte und mir darüber hinaus in zahlreichen Liedvorträgen Pfarr-Otto
die Möglichkeit bot,
unterstützte
mich
ihren vielfältigen Arbeiten -
meine Finanzen aufzubessem.
im Durchhalten,
indem
sie
mich
Imogen -
neben
in Stresszeiten von zahlreichen leidigen
Schreibarbeiten befreite und mich während depressiver Phasen ermunterte und aufrichtete. die
ebenfalls
Nicht zuletzt geht mein Dank daneben an meine Eltern,
inrner verständnisvolle
Gesprächspartner waren und meine
Arbeit finanziell und ideell unterstützten.
Regensburg, März 1981
Ulrich Otto
Digitized by the Internet Archive in 2019 with funding from Kahle/Austin Foundation
https://archive.org/details/diehistorischpolOOOOotto
- 7 -
Vorbemerkung
5
Inhaltsverzeichnis
7
AllgemeineEinführung
9
Die Rezeption der historisch-politischen Lieder und Karikaturen in der Gegenwart
9
Gegenwärtiger Forschungsstand
43
Allgemeine Betrachtungen zur historisch-politischen Dichtung und Karikatur
51
Die äußere Form der historisch-poli¬ tischen Lieder und Karikaturen
65
Die Form der historisch-politischen Lieder. Zur Rolle und Bedeutung der verwendeten Melodien: Das Kontrafakturverfahren
65
Die Form der historisch-politischen Karikaturen
73
Die Inhalte der historisch-polititischen Lieder und Karikaturen und die Art der Darstellung
83
Der Vormärz und die Revolution von 1849 im Spiegel ausgewählter Lieder Karikaturen
1848/ und 123
Der Vormärz im Spiegel seiner historisch-politischen Lieder und Kari¬ katuren
123
Die Julirevolution und ihre Wirkungen auf Deutschland
179
Am Vorabend der Revolution - Die 40er Jahre im Spiegel der histo¬ risch-politischen Lieder und Karikaturen
195
Die Ereignisse des Jahres 1844 im Lied und in der Karikatur
209
Eine bayerische Episode - Ludwig I. und Lola Montez
249
Die Revolution von 1848-1849 im Spiegel der historisch-politischen Lieder und Karikaturen
271
Der Ausbruch der Revolution in den beiden größten deutschen Staaten Österreich und Preußen
279
Die Ereignisse in Baden im Jahre 1848
323
Die Frankfurter Nationalversammlung im Lied und in der Karikatur
351
Das Versagen des deutschen Bürgertums. Der deutsche Michel im hi¬ storisch-politischen Lied und in der Karikatur
391
Der Sieg der Reaktion in Wien und Berlin
439
Die Kämpfe um die Reichsverfassung im Jahre 1849
495
Der Quellenwert historisch-politi¬ scher Lieder und Karikaturen und ih¬ re Verwendbarkeit im Unterricht
527
Bibliographie und Diskographie
533
Bibliographie
535
Diskographie
562
Register Personen- und Autorenregister
565 567
Verzeichnis der Lieder und Gedichte
57g
1. in ihrer Reihenfolge 2. nach den Liedanfängen
537
Verzeichnis der Abbildungen
593
Archivverzeichnis
603
5gl
9
-
Allgemeine
-
Einführung
Die Rezeption der historisch-politischen Lieder und Karikaturen in der Gegenwart
Die
vorliegende
Arbeit
will
sich
mit
zwei
möglichen
Quellenbereichen
aus der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 auseinanderset¬ zen, - nämlich dem historisch-politischen Lied und der historisch-politi¬ schen dem
Karikatur
der
Zeit
oppositionellen
Zahlreiche
zwischen
demokratischen
1815
und
Liedgut
1850,
und
der
in
jeweils
mit
ebenderselben Karikatur.
Lieder und ungezählte Karikaturen aus dieser Epoche befinden
sich in verschiedenen Archiven, - erstere u.a. chiv
hierbei
Freiburg
i.B.,
Staatsbibliothek
letztere
in
Preußischer
den
im Deutschen Volksliedar¬
Handschriftenabteilungen
Kulturbesitz
in
Berlin
etwa
(West),
der
Graphischen Sanmlung ALBERTINA in Wien,
dem Märkischen Museum in Berlin
(DDR),
dieser Arbeit
Orte,
von
denen
der
hauptsächlich bezogen hat, a.M.,
im
Museum
der
Verfasser
seine
Materialien
aber auch im Historischen Museum in Frankfurt
deutschen
der Staatsbibliothek München,
Freiheitsbewegungen
in
Rastatt
und
in
- um hier weitere mögliche Fundorte anzuge¬
ben, - und harren der Entdeckung durch die Forschung. Es
geht
in
und gerade blicken
dieser
Arbeit
dabei
ten Medien das
darum
aufzuzeigen,
daß
man
auch
in Deutschland auf eine lange demokratische Tradition zurück¬
kann,
die
im
Bewußtsein
weitgehend verschüttet ist.
-
u.a.
ins
Lied
nur
zu
vieler
unserer
Zeitgenossen
Es geht uns ferner darum, die hier untersuch¬
Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit zurückzurufen,
und
die
auseinandersetzten,
Karikatur,
die
sich
kritisch
mit
den
Zeitläufen
sind sie doch den meisten von uns relativ unbekannt,
nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sie in der Vergangenheit vielleicht zumeist zwar von der Wissenschaft theoretisch durchaus anerkannt, nichts¬ destoweniger sind.
Die
als
Untersuchungsgegenstand
Untersuchungen
Volkslieder eines
aber
Eduard
eines
demokratischen Fuchs,
Wolfgang
Charakters
eines
Steinitz
aus
unermüdlichen
vernachlässigt
sechs
Sammlers,
Jahrhundertwende
mehrere
grundlegende
Sammelwerke
veröffentlichte,
hierbei
gerade
über
auch
das
Uber
worden
"Deutschen 1 Jahrhunderten" oder der über
die
bereits die
um
die
Karikatur
Revolutionsjahr
1848
2
in der Karikatur stellen Ausnahmen von dieser Regel dar.
Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, 2 Bde, Berlin 1954/62. (Hiervon existiert auch eine gekürzte Ausgabe in einem Band, hrsg. von Hermann Strobach.) Eduard Fuchs: 1848 in der Karikatur, München 1897. Die weiteren Titel von Eduard Fuchs siehe in der Bibliographie unserer Arbeit. Um 1900 erschienen daneben die Sammlungen von Franz Ccnrir^: Das deutsche Militär in der Karikatur, Stuttgart 1907, sowie Gustave Kahn: Europas Fürsten im Sittenspiegel der Karikatur, Berlin 1908.
10
-
Nach
Kieslich
dar:
"Einem
stellte
Maximum
sich
an
die
Forschungslage
Sammlungen,
einer
Fülle
lange
Zeit
wie
folgt
von Veröffentlichungen
meist zufälliger Funde vornehmlich in den Zeitschriften der Historischen Vereine der einzelnen deutschen Länder, steht ein Minimum an Darstellungen und
Untersuchungen
gegenüber".^
Doch -sind
gerade
zu
dem von Kieslich
behandelten Zeitraum mehrere grundlegende und übergreifende Darstellungen erschienen.^ Was nun das historisch-politische Lied der ersten Hälfte des 19. Jahrhun¬ derts
als
den
neben vielen Steinitz von
vorwiegend
durchaus
Herwegh Stelle chung
ersten
Liedern
und
zu
untersuchenden
seine
anerkannten August
Bereich
betrifft,
zahlloser unbekannter Verfasser Aufmerksamkeit
widmete,
Literaten
Ferdinand
wie
Heinrich Hoffmann
von
so
sollen
jener Zeit,
auch
die
denen
Dichtungen
Freiligrath,
Fallersleben
-
um
an
Georg dieser
stellvertretend wenigstens einige Namen zu nennen - zur Untersu¬ herangezogen werden,
soweit
sie
sich
kritisch mit
den
Problemen,
Mißständen und Ereignissen des behandelten Zeitraumes auseinandersetzten, wobei
etwaige
ästhetische Qualitätsunterschiede unberücksichtigt bleiben
sollen.
Viel
an
vorgestellten
den
oft ähnliche dung
des
wichtiger
erscheint
es
das
literarischen
Intentionen zugrundelagen.
Vormärz
und
der
Verbindende
Produkten
Gemeinsame denen
Sigrid Weigel sieht eine Verbin¬
Revolutionsjahre
der Lyrik insofern gegeben,
und
herauszustellen,
von
1848/1849
hinsichtlich
als sich die Lieder und Gedichte der beiden
unruhigen Jahre "nicht wesentlich von der vormärzlichen Lyrik" unterschei3 den. "Einheits- und Freiheitslieder und die Tyrannenkritik in den Ge¬ dichten
behalten
Abstraktheit
der
deren
überwiegend
propagandistischen
ist allerdings durch die auf
Einzelereignisse,
bestimmtes
aktuelle
wodurch
Handlungsziel
sich
pathetischen und
Tonfall
und
agitatorischen
Absicht.
Situation der teilweise
agitatorische orientieren
Lyrik kann
die Neu
direkte Bezug
konkreter
und
auch
auf
ein
propagandistische
Gedichte mit der restaurativen Entwicklung einen konkreten Angriffspunkt 1 Günther Kieslich: Das 'Historische Volkslied1 2 als publizistische Erscheinung. Untersuchung zur Wesensbesturrnung und Typologie der gereimten Publizistik zur Zeit des Regensburger Reichstages und des Krieges der Schmalkaldener gegen Heinrich den Jüngeren vcn Braun¬ schweig 1540-1542. Münster 1958 (=Studien zur Publizistik), S. 7.
2 Rolf W.
Brednich:
Baden 1974,
dsgl.
Die
Liedpublizistik
Jan M.
Rahmelcw:
im
Flugblatt
des
15.-17.
Jahrhunderts,
Baden-
Die publizistische Natur und der historiographische
Wert deutscher Volkslieder um 1530, (Phil. Diss.) Hamburg 1966. Auch zur Lyrik des Vormärz sind in letzter Zeit einige wichtige Untersuchungen erschienen, etwa Erika Meyer:
Die Herausbildung der Arbeiterklasse
Lyrik,
dsgl.
Köln 1979,
Walter Wehner:
im Spiegel der zeitgenössischen
Weberaufstände und Weberelend in der deutschen
Lyrik des 19. Jahrhunderts, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.
3 Sigrid Weigel: Flugschriftenliteratur 1848 in Berlin. einer volkstümlichen Gattung, Stuttgart 1979, S. 202.
Geschichte
und
Öffentlichkeit
11
erhalten".^ Es
war mir möglich,
im Deutschen
Volksliedarchiv,
sten Sammelstelle nicht nur für das deutsche Liedgut,
der wohl
2
bedeutend-
aus alten Liederbü¬
chern und Flugblättern eine Vielzahl derartiger Lieder zusanmenzutragen, die
obige
Beobachtung
stützen.
als zweiten Bereich anbelangt, desgleichen hierbei
eine
v.a.
Karikaturen die
Vielzahl
-
etwa
die
historisch-politische
Karikatur
so konnten aus den oben erwähnten Archiven
von
Einblattdrucke. vor,
Was
Materialien
Außerdem
aus
den
zusammengetragen
lag
damals
mir
eine
werden,
Vielzahl
erschienenen
anderer
Zeitschriften
-,
in der Literatur bereits zusammengetragen und veröffentlicht worden
sind.
Hierbei
sei
nochmals
der bereits
erwähnte
Eduard
Fuchs
genannt,
3
daneben
sein
Zeitgenosse
Hans
Blum,
nicht
zuletzt
aber
auch
die vor
wenigen Jahren erschienene "Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution 1848/49",
oder der Band
"Karikaturen. Von den Fliegenden Blättern 5 bis zum Simplicissimus 1844-1914". Dabei sind die meisten der damaligen Karikaturisten,
soweit
den
von
ihnen
vergessen. kennen
erstellten
Selbst
aus
sie
sich überhaupt Flugblättern
ausgesprochene
mit
ihrem Namenszeichen
verewigten,
heute
Karikaturenliebhaber
auf
weitgehend
und
-Sammler
dieser Zeit oft allenfalls Namen wie Honore Daumier,
Kaspar
Braun, Andreas Achenbach, kaum noch Theodor Hosemann.® Die
hier
behandelte
Karikatur wirklich
in
Deutschland
-
war
der
eine
weniger
gebildeten
und
Schreibens
und auf sie ten.
Wie
der
hohen
Zensur während
Vielzahl
von
die
obwohl
an Bedeutung gewannen,
Einstellung 1848/49
Epoche
Zeit,
der
die
Medien
Lied und
schon vorher existierend - erstmalig
brachte doch die der
derartiger
Produkte
ohne
erzwungene zeitweilige
revolutionären
Zeitgenossen,
unkundig waren,
in
d.h.
ans den
weiteres
Ereignisse der Jahre Tageslicht,
Leuten,
die
die des
auch Lesens
verstanden werden konnten
deshalb auch einen beträchtlichen Einfluß auszuüben vermoch¬
Horst
Denkler
"Wertschätzung
anführt,
ist
sich
der politischen
die
Lyrik
Forschung
hinsichtlich
durch
Zeitgenossen
die
Sigrid Weigel: Flugschriftenliteratur 1848 in Berlin, S. 202. So befindet sich im DVA auch eine sehr gute Sarmlurg nichtdeutschen Liedgutes, obwohl der Hauptschwerpunkt natürlich auf den Liedern aus Deutschland und anderen deutschsprachi¬ gen
Ländern
liegt.
Ein
Katalog des DVA aus dem Jahre 1977 weist 334 223 Lieder und
Aufzeichnungen auf. Hans Blun: Die deutsche Revolution von 1848-1849, Leipzig 1898. Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution 1848/49, Berlin 1973,2‘durchgesehene Auflage 1975. Ludwig
Hollweg:
Karikaturen.
Von den Fliegenden Blättern bis zum Simplicissimus
1844-
1914, München 1973.
6
Leider lag uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Arbeit von Sylvia Wolf: Politische Karika¬ turen
in
Deutschland
Frühjahr 1982)
1848/49,
Mäander
Kunstverlag
(Erscheinungsdatom
wahrscheinlich
nicht vor, in dem sie dem Vernehmen nach verschiedene Künstler erstmalig
identifiziert hat.
- 12 -
und
die
gegen
Ende
der
dreißiger
den allgemeinen Geschmackswandel, Lyrikverachtung jungdeutschen
der
kulturtragenden
Programmen
des
'politisch,
oder
doch
sind
diese
Jahre
der die
bestärkte)
national
zumindest
oder
so
Biedermeierkreise Vorliebe
sozial
neutralisierte
Quellen
zahlreich
durchschlagenden
Gründe
für
(aus Übersättigung entstandene)
für
engagierten'
(...)
durchaus
geflossen;
wie
die
ja
die
Prosa
(von
zugunsten
Gedichts einig".1
ablöste
Nie
zuvor
auch
spätere Epochen 2 können mit dem Ausstoß an derartigen Produkten kaum konkurrieren. Obwohl sich die Medien politisches Lied und Karikatur - wie nicht zuletzt aus
der
Fülle
des
Materials
ersichtlich wird
-
um
die
Mitte
des
19.
Jahrhunderts größter Beliebtheit erfreut haben müssen, sind sie heutzutage doch weitgehend aus unserem Bewußtsein entschwunden. Zeitgenossen halten es, Johann
Wolf gang
von
politisch Lied!
was das Lied anbelangt,
Goethe
aus
Faust
Ein leidig Lied!(...)".
schon zu einem Allgemeinplatz geworden. Jahre
nach
seiner
Freiheitskämpfer siert:
"(,..)und
Geschöpfe den
der
Entstehung
von
und Volkshelden nur
wer,
"Ein
garstig
Dieses Wort
wie
keinem
Göthe,
in
Satz
aufstellen(...)". 3
Herrscher
Lied!
Pfui
ein
ist bei uns beinahe
Es wurde aber schon rund fünfzig Geringeren
als
Friedrich Hecker aufs
Erde
schamlosen
I:
Die meisten unserer
mit dem Ausspruch eines
ein
und
dem
Fürstendiener
Beherrschte Und
badischen
schärfste kriti¬ war
und
eintheilte,
Hofflnarm
von
die
konnte
Fallersleben
setzte Goethes Urteil die Verse entgegen: "Ein politisch Lied,
ein garstig
Doch anders dachte das Vaterland:
Lied! So dachten die Dichter mit Goethen
Das
will
Für
den
Und glaubten,
Und
Nur
sie hätten genug ge¬
tan, Wenn sie könnten girren und flöten
Weiß
Von Nachtigallen,
Der
von Lieb'
und
Mut wer
der
Dichterinnung
verbrauchten und
nicht
gegen werde
Wein, Von blauen Bergesfernen,
von
Leiertand
bied're die
die nun
Gesinnung.
Kunst
Kunst
in zu
endlich
unserer Zeit richten,
beizeiten
geschei^ lieber das Dichten!"
Und lasse
Von Rosenduft und Lilienschein, Von Sonne Mond und Sternen.
Horst Denkler: der
Zwischen Julirevolution(1830)und Marzrevolution(1848/49). -In: Geschichte
politischen
Lyrik in Deutschland
(Hrsg.v.)Walter Hinderer,
Stuttgart 1978,
S.
180.
Einen ersten Höhepunkt des Genres "Politische Lyrik" markieren Georg Herweges "Gedichte eines Lebendigen"(1841), die einschlügen, "wie nur jemals Verse haben einschlagen kennen", zit.
nach Wilhelm Bios:
Hoffmann
ven
Münster i.W. an:
"Bis
zwei,
1912,
Ende
der 2.
Die Deutsche Revolution,
Fallersleben S.
1842
als
Stuttgart 1893,
S.
35. Theodor Neef:
vaterländischer und politischer Dichter,
(Phil.
DissTT,
59 führt zur Verbreitung der Hoffmannschen Lieder einige Zahlen
erlebte der 1.
Teil drei Auflagen.
Teil
(der
'Unpolitischen Lieder'
Im ganzen sind bis
- der Verfasser)
zu jenem Datum von beiden Teilen
über 20 000 Exerrplare gedruckt worden(...) 1844 erschien eine Übersetzung der 'Unpoliti¬ schen
Lieder'
Übertragung
ins
Schwedische,
veröffentlicht".
Hoffmanns
von
Fallersleben
1981, S. spricht.
24f.,
Friedrich
Hecker:
der
vom
und
Siehe
in
demselben
hierzu
vaterländische
"marktbestimmenden
auch und
Jahr
die
wurden Proben einer englischen
Ausführungen
von
gesellschaftskritische
Wert"
der
Roland Lyrik,
Schiink: Stuttgart
politischen Dichtung jener Tage
3 Vorwort
zu
'Neue
Lieder
für
das
Teutsche Volk',
Rheinfelden
1848,
13
-
Doch bis unserer
in unsere Tage Zeitgenossen
-
ist die Auffassung Goethes tief im Bewußtsein
verankert.
Mit
ebendiesem
Makel
behaftet,
ein
"garstig Lied" zu sein, stieß daher eine überaus bedeutsame dichterisch¬ musikalische fast 19.
Erscheinungsform
unüberwindliche Jahrhundert
des
Schranken.
ebenso
wie
19.
Jahrhunderts
Hatte
die
diese
immer
Quelle
ob
der
wieder
auf
Zensur
im
historisch-politischen Karikaturen die
meiste Zeit über nur im Verborgenen fließen können, so trug das Bewußtsein nur zu vieler Sammler, die eine freiwillige Zensur ausübten und derartige literarische sie
seien
und
darüber
und
zeichnerische
unter
Produkte
künstlerischen
hinaus
oftmals
unter
dem Vorwurf
Gesichtspunkten
völlig
stereotyp,
nicht das
ablehnten,
wertvoll
seinige
genug
dazu
bei,
viele mögliche Quellen zu verstellen und sie nahezu völlig in Vergessen¬ heit geraten zu lassen, zumindest was die Kenntnis der breiteren Öffent¬ lichkeit anbelangt. Achim
von Arnim war
der Meinung,
daß
"die
Volkslieder(... )versöhnend
alle Gegensätzler unserer Tage" versöhnen und "den großen Riß der Welt" heilen, "aus dem die Hölle uns angähnt".'*' In unseren Tagen noch bezeichnet B.
Binkowski
die Rolle des Volksliedes "mehr auf die Gegenwart bezogen
(...), wenn sein Text einen Inhalt zum Ausdruck bringt, der viele Menschen zu allen Zeiten anzusprechen vermag. Gemeint sind z.B. seelische Stimmun¬ gen wie Liebe,
Frohsinn,
Formen der Geselligkeit". Die
meisten
Lieder
Trauer und Tod,
das Verhältnis der Natur oder
2
und
Karikaturen
verschwanden
also
in
Schubladen,
in Archiven und Museen und waren bald nur mehr einigen wenigen Liebhabern und Sammlern bekannt, wenn es auch ab und an einige Ausnahmen gegeben 3 haben mag. Hierbei spielte wohl nicht zuletzt auch der Vorwurf eine Rolle,
daß
behandelten
diese
Medien
Ereignisse
-
-
abgesehen von
weitgehend
ihrer
engen
"parteigebunden",
Bindung an die also einseitigen
Fortsetzung der Fn. 3 von S. 12: (Hrsg.v.) Karl Heinrich Schnauffer, S. 6. 4 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gerstenberg, Berlin 1890-93, hier Bd. Prutz und legte dar, unter
Gesammelte Werke,
8 Bde,
(Hrsg.v.) Heinrich
1 S. 45. Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Robert
daß Poesie und Politik sich nicht nur nicht ausschließen, sondern
bestimmten Voraussetzungen
Prutz: Die politische Poesie,
sogar
notwendig
zusanmengehören.
Siehe hierzu Robert
ihre Berechtigung und Zukunft. -In Derselbe: Kleine Schrif-
ten. Zur Politik und Literatur, 2 Bde, Merseburg 1847, hier Bd. 2 S. 91-135. "*■ Des Knaben Wunderhom. Alte deutsche Lieder gesamnelt von L. Achim von Arnim und Clemens Brentano. Dritter Teil dtv Gesamtausgabe, München 1963, S. 249. 2 B.
Binkowski:
Musik und
Bildung 5,
des historischen Volksliedes:
1973;
zitiert von Hans Niehaus:
In der Tradition
Lieder aus der Zeit des Vormärz, der Deutschen Revolution
1848/49 und, als Beispiel aus der Gegenwart, Lieder der badisch-elsässischen Bürgerinitia¬ tiven.
(Unveröffentlichte
Staatsexamensarbeit
für
das
Lehramt
an Gymnasien),
Freiburg
1977, S. 2. 3 Wolf gang Steinitz - siehe Anmerkung 1 auf S. vor,
die
über
längere
1 - führt hierzu eine Fülle von Liedern
Zeit in der Arbeiterbewegung bekannt waren und dort auch eine
nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben.
14 -
Tendenzen
verhaftet
zuzurechnen stünden.
seien
So
und
und
hielt
damit
zudem
etwa
nicht
meist
Johannes
dem
im
"hehren"
Dienste
Volkelt
Bereich
der
gefährlicher
"Tendenz(...)in
Kunst
Ideologien
allen
Fällen"
für eine "künstlerische Sünde".1 Nun kleiden Lieder und Karikaturen, Ereignissen längere
inspiriert
Zeit
worden
hinweg
die von politischen bzw.
sind
tradiert
-
wenn
wurde
auch
nur
ihrem
ein
Wesen
historischen
Bruchteil
in ihnen enthaltenen Fragen und Probleme in ein dichterisch- bzw. risch-werbendes propagandistisches Gewand, stes Ziel und eigentliches Hauptanliegen, und
politische
Situation
Zeitgenossen
zu
einzuwirken.
Dabei
um
einen
sers
rufen,
bloßen
oder
zu
Gefühls-
Zeichners,
es
sich
daß
die
beiden
geachteten
und
oftmals und
auf
ja
der
Karikaturen
zwar
sind,
darob
publizistischem,
in
aber
auch in
gleichem
zum
oft
ergeben
und,
Öffentlichkeit
durch
einen
das
Bewußtsein
unmittelbar
den
vernachlässigten
auf
seltensten
dabei
eingehen,
möglichst
von
der
letztere
Fällen
vornherein
Bereich
Masse
wurde.
aus
um
nur
eine
deren
Literatur
zu
von
die
Funktion,
bzw.
weniger
vorwiegend
ursprünglich
Themen
der
sollen
Lieder
sie
doch
den Geschmack einer möglichst
Sensationslust
überschaubaren
einer
Stoffes
gehören,
Gewisse
ihrer
d.h.
der
vorwiegend
Charakter
feilgeboten sich
Maße
dem
doch
von vornherein auf den Volksgeschmack, breiten
in
Insgesamt ist zu berücksichtigen,
einen
andererseits
journalistischem
Straße
und
und Meinungsausdruck des ursprünglichen Verfas¬
sondern
Medien
zuzurechnen
zeichne-
einerseits die gesellschaftliche
wohl
bewußte und gezielte Art von Propaganda.
Kunst
die
- ist es doch ihr vordringlich¬
reflektieren
andererseits
handelt
über
entsprechend
und
einfach
stillen
helfen
gehaltenen
Text
oder eine eindeutige und einfache Zeichnung, welche auf einen öffentlichen Vortrag,
auf
Rezeption
durch
die
gewisse Grundemotionen wecken, Bei
die
Öffentlichkeit
hin
zu
Bewußtsein daher haben
auch
gewissen
Zeiten
und
Haltung
den
dürften,
die
Verlauf obwohl
einen einer
der
nicht
daß v.a.
unerheblichen
breiten
Geschichte
sich das
sind,
latent vielen Menschen zugrundeliegen.
genauerer Betrachtung wird man zugestehen müssen,
Lieder
konzipiert
Einfluß
Öffentlichkeit
wenigstens
genaue Ausmaß eines
politische auf
das
ausgeübt
und
mittelbar
beeinflußt
derartigen Einflusses
zumeist nur sehr schwer abschätzen läßt. Soviel
läßt
Wirkung
und
sich jedoch konstatieren: Ursache
in
einem;
indem
politischen Lieder sind hierbei starke
ihnen zugrundeliegenden Meinungen ihrerseits sehr stark beeinflus¬ verfestigen
können.
Sie
sind
umso
dahingehend
einer
sie
und
sie
Gefühle
Öffentlichkeit
die
wirken
gemeinsame
breiten
sen
ausdrücken,
Die sie
zurück,
wirkungsreicher,
als
daß
sie
1 Johannes Volkelt: System der Ästhetik, München 1905, Bd.l S. Walter Hinderer(Hrsg.): Geschichte der politischen Lyrik, S. 9.
517;
zitiert auch bei
-
einer
einheitlichen
Anschauung
Ausdruck verleihen,
15
über
gewisse
Begebenheiten
einer
Zeit
diese umreißen und durchaus in der Lage sein können
einer breiteren Masse ein gewisses Zusanmengehörigkeitsgefühl zu vermit¬ teln
und
sie
in
sie
der
fester
Lage
zusammenzuschweißen.
sind,
direkte
Mehr aber noch dadurch,
Aktionen
auszulösen,
als
vermögen sie auf
das Bewußtsein von Menschen einzuwirken und diese in gewissen vorgefaßten Meinungen
zu
feststellen der
in
bestärken, muß,
daß
innerster
wobei
sie
Seele
man
Einfluß
bereits
jedoch nur
Moment,
denjenigen
Parteigänger
der Karikatur nicht um ein Medium handelt, derart auszulösen vermag,
gerechterweise
auf
ist.
einschränkend
nehmen
Obwohl
können,
es sich bei
das etwa kollektive Gefühle
- fehlt hier doch weitgehend das korrmunikative
welches das Lied auszeichnet und ihm seine Besonderheit verleiht-
so wirkt auch sie, wenn schon nicht meinungsbildend, so doch meinungsver¬ festigend im obigen Sinne. Politische Lieder und Karikaturen sind demnach als ein Ausdruck fast allgemeiner und auch allgemein angesehener Anschau¬ ungen,
Vorurteile
und
populärer
Ausdrucksformen
zumindest
bestimmter
Gruppen im Volk zu erachten, und wir können sie deshalb auf jeden Fall zumindest
als
als offizielle, zum
Kommentar
zum
jeweiligen politischen
Geschehen
-
nicht
sondern von unten her wirksame und wirkende Erläuterung
Zeitgeschehen und "Meinungsmache"
im obigen einschränkenden Sinne,-
werten. Hierbei
darf man die Tatsache nicht aus den Augen verlieren,
daß Lied
und Karikatur in mancher Beziehung zwei grundlegend verschiedene Quellen sind und das Lied, in der Lage
ist,
zumal wenn es wirklich gesungen wird, weitaus eher
Emotionen zu wecken bzw.
zu stärken.
Dabei bedienen
sich die "Liedermacher" oftmals ganz bewußt traditioneller Volksliedele¬ mente, d.h. sie greifen auf Melodien bekannter und verbreiteter Volkswei¬ sen
zurück,
sonst
die
vorwiegend
sich in
mit
der
Themen
und
literarisch
Formen vermischen lassen,
gehobenen
Schicht
eines
die
Volkes
zuhause sind. Mag ein Lied eventuell auf dem Papier armselig erscheinen, so
kann
wenn
es
es
doch
in
nicht
geringem Ausmaße gewisse Effekte erzielen,
allgemein verbreitet
angenommen
ist
ist,
und gesungen wird,
d.h.
von
einem
das sich die
breiteren
Publikum
Lieder auch innerlich
zu eigen macht. Schließlich ist ein Lied nicht bloß als Text und Melodie aufzufassen, leicht
die gerade heute - bei unseren technischen Mitteln - sehr
festgehalten,
untersucht und kritisiert werden können.
Vielmehr
stellt es das Resultat einer ganz bestimmten Geisteshaltung und Einstel¬ lung dar und hängt zudem sehr von der Verbindung ab,
die der jeweilige
Sänger zu seinem Publikum herzustellen in der Lage ist. Nicht weniger 1
s.u. S. 65ff.
- 16
fällt und
dabei
also
ins
Gewicht,
begeisterungsentfachenden
eine
aufnahmebereite
des
Liedes
welchem
zu
ein
schaffen
in
die
sind,
ob
die
ablenkend
von
die
Wirkung
ihre
sind,
und
und
ob
über einen
ist
wird,
mit
es
und
auch
den
-
um
Inhalten
wesentlich,
inwieweit
mitwirken.
Musik des
die
hängt
handwerklichen
Tradierung
zuletzt
sich
vor
sonstige
für die Rezeption günstige Stimmung
unmittelbar-
ab,
damit
Karikatur
nicht die
Ebenso
Grundstiimung
ihm wirkt einer
eine
davon
die
-
gesungen
die
Lage
und
handelt,
vermag.
Lied
auch
Musik
künstlerischen ist
der
Wirkung
sich um einen überzeugend wirkenden
Sänger
identifizieren
Hintergrund
hängt
es
Zuhörerschaft
Unstände mannigfachster Art, zu
ob
und
Text
Textes
erstrebte
zuletzt gewählt
verstärkt
Wirkung
zweifellos
nicht
Fähigkeiten
Nicht adäquat
ihres
und
nicht
zerstört.
zuletzt
Auch
von
Urhebers
ab,
längeren Zeitraum hinweg weitaus
den doch
schwerer
zu bewerkstelligen. Die
Tatsache,
sich zu
am
daß
direktesten
wenden
versteht,
zu tradieren ist, gen
dieser
ein
politisches
Art
zu
die
konnte
es
längeren blieben Obwohl
oder
das
zurückgeht, Themen
von
Symbolen
Lieder sind
und
für
einen
war
oder
eines
die
im
Bewußtsein gesungen
so
konkrete
dabei
die
als
Gefühl
des
Menschen
Beziehung
leichter
häufig
sein
kann. sie,
historische
Teiles
vieler
Lieder,
Was
der
Leute
jedoch
nicht
nur
auf
die
denen
einem z.B.
die
betreffenden
Persönlichkeiten
für
der
Katalog System
jeweiligen
namentlich zu
wurden.1
Begebenheiten
komplexen
Helder sie
einen
bestehen
wiederkehrender
die
und
über
weitergegeben
ziemlich
wenn
Lied
Bevölkerung
Öffentlichkeit
aktiv
immer
sogar
Gattung
wenn
Einschnitt
beschäftigte,
auf durchaus wahre
ein mit
nämlich,
zugrundeliegen,
breiteren
damit
doch
Manchmal
entscheidenderen
stehen
oftmals doch einen abstrakten und konformen Charakter an, das
welches
eine politische Persönlichkeit
Thema
einer und
der
nehmen
ist,
mancher
größeren
der Lieder dabei
verbunden
und
Phantasie
daß
ihr
das
vermochten.
darstellte,
geschehen,
sich
in
größeren
Verehrung
Motiven,
anbelangt,
und
weiterzuleben
Gedankengut ergibt
zudem
an
Medium
dazu beigetragenm daß manche Erscheinun¬
Persönlichkeiten
von
von
es
eines Volkes
Zeitraum und
daß
zweifellos
und
imstande
dasjenige
und
Ereignis
bisweilen
Ereignisse
überhaupt
unmittelbarsten
länger
Liebe
sichern
Lied
und
hat
in der Geschichte sich
das
genannt
scheinen,
- ein Phänomen,
unseren
Sprachraum
2 zutrifft.
vgl.
Die
Genauigkeit
der
zeitlichen
hierzu die Untersuchungen von John Meier:
Eingrenzung,
-
ein
Kunstlieder im Volksmunde,
Datum,
Halle 1906,
dsgl. Ders.: Lieder auf Friedrich Hecker, Volksliedstudien, Straßburg 1917, ebenso Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, der zahlreiche Beispiele anführt.
2
Hierzu gibt es - was das Lied anbelangt - z.B.
in Irland oder den USA eine Vielzahl
von Beispielen, betrachtet man nur die historischen Räuberballaden der jeweiligen Länder, etwa über Jesse James in den USA - oder den Schinderhannes in Deutschland -, um obige
17
ein Ort und andere Einzelheiten, können die
soweit sie überhaupt genannt werden,-
Tatsache nicht verbergen,
Darstellung
eines
Individuums
denn
daß es sich dabei weniger um die um
einen
konventionellen Charakter
handelt. Obwohl
Lied und Karikatur - wenigstens was die Themenauswahl anbelangt-
bisweilen Übereinstimmungen zeigen und sich insofern also ähneln können, gibt
es
zwischen
Karikaturen
beiden
Medien
doch
auch
grundlegende
Unterschiede.
können zwar theoretisch auf Flugblättern über Generationen
weitergegeben
werden,
doch
können
sie
eben
Reproduktionsbestand" übemonmen werden,
nicht
in
einen
"aktiven
wie dies etwa bei den histo¬
risch-politischen Liedern oftmals der Fall war und gerade heute wieder im Rahmen
einer
neuen
Volksliedbewegung
geschieht.
Während zahlreiche
Lieder auch heute noch - oder vielleicht gerade heute wieder - im Reper¬ toire
zahlreicher
"Volkssänger"
hier bisweilen aktualisiert, auf jeden Fall im
Gegensatz
und
d.h.
Volksliedgruppen
aber aktiv weitergegeben werden,
dazu
ein
relativ
auftauchen
und
einer derzeitigen Situation angepaßt, fristet die Karikatur
unbeachtetes Dasein,
ist weitgehend an
das Medium Flugblatt oder Buch gebunden, wo sie sich abgedruckt findet und in
kann nicht von letzterem losgelöst weitergegeben werden, 1 einem
"aktiven
Zeichners. und
Karikaturenbestand"
im
Repertoire
eines
- etwa heutigen
Gleichwohl finden entsprechende Ausstellungen mit Karikaturen
Graphiken vergangener
Insgesamt
Epochen auch heute noch durchaus Beachtung.
läßt sich jedoch sagen,
daß die Karikatur für einen Großteil
unserer Zeitgenossen noch schwerer zugänglich zu sein scheint als das 2 Lied, was eben bereits zur Sprache gekommen ist. Auch der oftmals gute Besuch von entsprechenden Ausstellungen kann darüber nicht hinwegtäu¬ schen. Fortsetzung der Fn. 2 vcn S. 16. Anschauung hier nur kurz verdeutlichen. Natürlich wurden verschiedentlich vcn einzelnen Zeichnern bestinmte Motive aus Karikaturen früherer
Epochen
übemonmen.
377 der vorliegenden Arbeit), dem Jahre findet
Siehe
hierzu
z.B.
die
Abb.
"Reichs-Wappenspinne"
(S.
die ein Motiv einer Karikatur von Thomas Rowlandson aus
1808, betitelt "The Corsican Spider in his Web" aufgreift. Letztere Zeichnung
sich
abgedruckt
Kunst und Karikatur,
bei
München,
Otto 1.
Baur: Aufl.
Bestiarium 1974,
S.
Humanem.
87 und S.
Mensch-Tier-Vergleich
in
136. Kurz nach dem Zweiten
Weltkrieg wurden - nach Karl Riha/Helmut Hartwig: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, Berlin 1974, S. 223ff. - in der Ostzonen-Presse des Jahres 1949, aber auch in der Marz¬ ausgabe
des
Jahres
1948 der westdeutschen Satire-Zeitschrift "Simpl",
verschiedentlich
Revolutionskarikaturen aus den Jahren 1848 und 1849 aktualisiert, dies jedoch Ausnahmen, die obige Regel bestätigen. Jedoch hat das Medium Diapositiv der Karikatur bzw. ihrer Betrachtung neue Möglichkeiten eröffnet.
So ist es
entsprechenden mehrfach BILDER
an
aus
in letzter Zeit immer mehr Brauch geworden, etwa Liederabende mit
Karikaturen
derartigen der
zu
illustrieren.
Veranstaltungen
deutschen
Revolution
Der
Verfasser
mitgewirkt,
von
1848/49
z.B.
dieser
an
einem
(veranstaltet
Arbeit Abend
vom
hat
selbst
"LIEDER UND
Carl-Schurz-Haus
und von Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg i.Br. am 28.3.1979) und "GESCHICHTE (18151979) in
in
Kiel
LIEDERN"
(Öffentliche Abendveranstaltung beim 22.
am 19.6.1979,
Deutschen Volkskundekongreß
die ebenfalls vom Deutschen Volksliedarchiv ausgerichtet wurde.
18
-
-
Eine eingehendere Beschäftigung mit dem Genre des historisch-politischen Liedes
und
der Karikatur wird uns
die
Erkenntnis
vermitteln,
daß
der
Boden für die Rezeption der beiden Medien durch das Gros der Bevölkerung heute
nicht
vielen
mehr
Liedern
werden,
heute
größte
Teil
und nur
einen
an
ihnen
mit
daß
schwer
Quellen
in
die
soweit
sie
erkennbar der
ursprüngliche
unkommentiert
ist,
breiteren
Intention
und
daß
dargeboten
nicht
Bevölkerung
bei
fast
nur
der
gänzlich
sondern darüber hinaus oftmals nicht einmal das geringste
kleinen
Gründen
ist,
Karikaturen,
mehr
dieser
unbekannt ist, Interesse
bereitet
zu
Zirkel ihnen
bestehen scheint. ausnehmen,
der
beschäftigt
auch den Kreis von Leuten,
und
Allenfalls kann man vielleicht
sich sie
aus
am
vorwiegend
Leben
ästhetischen
erhalten
will,
oder
der an solchen Liedern und Karikaturen etwa
die Kontinuität des Kampfes der Bevölkerung gegen die herrschende Klasse aufzeigen will, - wo die Beschäftigung damit also vorwiegend ideologischen Zielen dient. abzulehnen, Tradition heute
Dabei
da
sind letztere Bemühungen nicht einmal von vornherein
Deutschland
zurückblicken
kaum mehr
ja
wirklich
kann,
bewußt
ist,
die -
ist
auf
dennoch sie
eine
lange
vielen
doch
demokratische
unserer
gerade
auch
Landsleute
durch
unsere
jüngste Vergangenheit zurückgedrängt worden und in Vergessenheit geraten. Auch
im heutigen
beträchtlichen
Deutschland vermögen
Schwierigkeiten
Geltung
diese zu
Gattungen
gewinnen.
daher
Nicht
nur
unter
zuletzt
die
Möglichkeit einer ideologischen Nutzung mag bisweilen dafür mitverantwort¬ lich bis
sein, heute
anführen
daß
eine
intensivere
auf sich warten läßt. -
gerade
nach
1945
Auseinandersetzung Dabei hätte
gute
mit
diesen
Medien
es - wie Hartwig und Riha
Möglichkeiten
gegeben,
historisch¬
politisches Liedgut und Karikatur im Bewußtsein der Nachkriegsgeneration zu verankern. und
zuschande
"Nach 1945 setzt die Wiedergewinnung des verlorengegangenen gerichteten
Bewußtseins auf verhältnismäßig breiter Basis
ein. Dies zeigt eine Flut von Publikationen, und zwar nicht nur beschränkt auf -
wissenschaftliche
von
zum
der Karikaturensammlung
Revolutionskalender
fahren
fort:
so
es
daß
Arbeiten
"Die
-
in
oder
zum
Schulbuch,
großer
Adenauer-Ära hat
in der BRD erst
bloße
Zeitungsartikel,
von der Gedichtanthologie
öffentlicher das
alles
sondern
Streuung".
weitgehend
Und
sie
zugeschüttet,
1973 anläßlich der 125-Jahr-Feiem zu einer
Wiederentdeckung größeren Stils und damit zu einer vergleichbaren publizi2 stischen Tätigkeit gekommen ist", wenn auch Gedichte, Lieder, Theaterstükke,
Flugblätter,
Karikaturen,
kurz
"das
sinnliche
Moment
Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 195.
2
Ebenda, S. 195.
im
Ereignis
19
-
der
bürgerlichen
blierten die
Revolution"
Parteien
im
Kontext
wiederentdeckt es
besonders
am
Herzen
oder
nicht
gar
von
bürgerlicher
1
wurde. dem
der
Hierbei
hatte,
von
offizieller
Bürokratie,
Öffentlichkeit soll
verstorbenen
gelegen
-
aber
"sondern
gegen
nicht
auch
diese
das
Gustav
von
den
eta¬
von
Gruppen,
opponierten",
unerwähnt
Bundespräsidenten
endlich
Seite,
bleiben,
Heinemann
daß sehr
bürgerlich-revolutionäre
Erbe anzutreten und nicht zuletzt auch die Tradition der 1848er Revolution wieder
ins
Bewußtsein
Heinemann das Ganz zu
war
Museum anders einer
auch,
als
in
der
2.
der
der
Schuljugend
dessen
BRD
kam
es
Hälfte
der
des
in
dagegen
Beschäftigung
zurückzurufen. 2
Schirmherrschaft
Freiheitsbewegung
in der Nachfolge
in
bei
unter
deutschen
anhaltenden
"durchaus kraten
es
der
gerade
mit
Rastatt
in
der
den
Gustav
beispielsweise
gegründet
DDR
von
wurde.
Anfang
an
Revolutionsereignissen,
intensiven Rezeption durch die Sozialdemo¬
19.,
zu
Beginn
des
20.
Jahrhunderts,
durch
3 die
SPD
selbst
und in
die
KPD
in
Anspruch,
Revolution
der Weimarer
in
der
zu vertreten
und
DDR
Republik".
das
andere
Man nahm hier für sich
Deutschland,
das
infolgedessen den besseren Teil
Erbe
der
Deutschlands
zu repräsentieren. Die
Inanspruchnahme
wohl
auch
mit bei
den
dafür
uns
auf
warten
gab,
und das Lied daß
sich
Produkt zwei
in
des
Mitteleuropa
deutsche
Unter von
läßt,
Staaten
bereits Kalten
mit
zwei
derartigen
unterstützen
zu
den
wollen,
kurz
muß
gerade
den
nach
v.a.
dem
zwischen
bis
heute
letzten
Jahren
aus
das das
derartiger
Gedicht Tatsache,
Zweiten
Weltkrieg
den
und
voneinander
etwa
der
USA
der
geschiedenen,
als
UdSSR scharf
herausbildeten.
heutige
politische
jeweilige
Verdacht
war
Ausnutzung
Karikatur in
DDR
historisch-politische
geraten,
ein
die
intensivere
und
resultiert
völlig
Verdacht und
es
das
durch
Gesellschaftsordnungen
Voraussetzungen in
eine
Lied
Krieges
rivalisierenden
vornherein
daß
obwohl
wenigstens was 4 betrifft. Dies
einsetzenden
miteinander
Tradition
historisch-politisches
sich
dafür
demokratischen
mitverantwortlich,
Medien
Ansätze
der
andere
bringt
Lied
System
sofort
das
1 Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 92 Gustav Heinemann: Die Freiheitsbewegung in der deutschen Geschichte (1974). -In: Präsidia¬ le
Reden
Frankfurt
a.M.
Julirevolution(1830)und
1975,
S.
1974 "Deutsche Revolution 1848/49" ständnis
deutscher
gebracht
vgl.
hierzu auch Horst Denkler:
S.
201.
Aus
dem
Programm
Zwischen
WETTBEWERB
GUSTAV-HEINEMANN-PREIS FÜR DIE SCHUUUdND zum Ver¬
Freiheitsbewegungen:
freiheitlichen rechtsstaatlichen, Grundrechte
133-141;
Märzrevolution(1848/49), "Wir
haben heute das großartige Angebot einer
sozialen Demokratie
in unserem Grundgesetz. Für diese
ist in unserer Geschichte gekämpft worden. Diese Vorgänge sollten ans Licht
und
weit
stärker
als
bisher
im
Bewußtsein
unseres
Volkes
verankert
werden
(...)". 3 Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 195.
4 S.u.
S.
10
Fn.
Rahier 'Rosenberg: Reisner:
2;
siehe
Friedrich Sengle:
Biedermeierzeit,
Literaturverhältnisse im deutschen Vormärz,
Literatur unter der Zensur,
2 Bde Stuttgart 1971/72, Berlin 1975;
Hanns-Peter
Stuttgart 1975. Walter Hinderet(Hrsg.): Geschichte
der politischen Lyrik in Deutschland, Stuttgart 1978.
-
ganze
Medium in Mißkredit.
20
-
So sieht
sich in der BRD nicht nur Franz
Joseph Degenhardt,
- und seine DKP-Mitgliedschaft muß dies noch erhär¬
ten,
ausgesetzt,
-
dem
Tadel
agitatorisches
Sprachrohr
der
Ideologie
der DDR zu sein, während im anderen deutschen Staat wiederum Wolf Biermann , der sich selbst als Kommunist und die DDR als seinen Staat und seine eigentliche Heimat versteht,
der Unterstützung von konterrevolutionären
Kreisen der BRD verdächtigt wurde, wenn er heimatliche Zustände kritisch zu hinterfragen wagte,
-
eine
Folgerung,
die er übrigens entschieden
bestreitet. Gerade die letzten Jahre haben überdeutlich vor Augen geführt, welche Folgen derartige Vorwürfe konnten,
-
denkt
Rückkehr von die
man
nur
Biermann
Entziehung
in
für die Betroffenen nach sich ziehen
an
die
Ausweisung
die
DDR
nach einer Tournee
der DDR-Staatsbürgerschaft,
bzw.
wobei
Nichterlaubnis
es
zur
in die BRD und sich
bei
ihm
ja
nicht einmal um ein Einzelschicksal handelt. Degenhardt muß mit derartig krassen
Maßnahmen
Auftritte
oder
in
auch
der
BRD wohl
nicht
rechnen,
doch
werden
seine
jene anderer sich politisch verstehender Künstler
wie Dieter Süverkrüp und Hannes Wader,
- letzterer ist inzwischen viel¬
leicht zu dem Idol vieler Freunde der neuen deutschen Volksliedbewegung geworden,
-
von
den
bundesdeutschen
gemieden und "totgeschwiegen",
obwohl
Massenmedien
geradezu
auffällig
ihre Konzerte und Tourneen nicht
gerade wenig Publikumsbesuch aufzuweisen haben. Auch hier ist es offen¬ sichtlich besser, auf eine "ausgewogene Programmgestaltung" hinzuarbeiten, kritische
Stimmen
einfach
zu
negieren,
als
sich
inhaltlich
mit
den
Künstlern auseinanderzusetzen. Daß dies aber nicht eine Praxis ist, die sich nur auf die bundesdeutschen Massenmedien beschränkt, wie
die
SPD
kommunistischer verzichtete, und
aer
1960er die
weil
durch
Jahre
Texten linker Protestsänger und angeblicher
Quellen auf die geplante Herausgabe
deutschen
Verfolgung
zeigt die Tatsache, daß eine renommierte Partei
aufgrund von
neben
Liedern
der
Sozialdemokratie, Bismarcks
Eingang
Notstandsgesetze,
das
internationalen
der
sollten,
Schah-Regime
Arbeiterbewegung
Revolution von
Sozialistengesetze
finden
eines Liederbuches
die in
auch
sich
1848
Lieder
und
der
späten
beispielsweise
Persien und
die
der
gegen
Springer-
Presse wandten. ^ Das Parteiorgan der CSU dagegen druckte einen Artikel ab,
dessen Verfasserin sich entschieden gegen das baden-württembergische
Volkslied-Duo
"Zupfgeigenhansel"
mit
apostrophierte,
1
Klampfe"
wandte
seine
und
es
Liedauswahl
als als
"Klassenkämpfer "einseitig",
vg]. hierzu: Der SPIEGEL Nr. 28, 31. Jahrgang, 4. Juli 1977, S. 44—46.
wie
21
auch
das
ausgewählte
Liedmaterial
als
"tendenziös"
diskreditierte.
1
Hierbei ließ die Autorin leider unberücksichtigt, daß es auf dem bundes¬ deutschen die
Plattenmarkt
ebenfalls
als
gewiß
mindestens
"einseitig"
ebensoviel
Produktionen
zu bezeichnen wären,
gibt,
jedoch nach einer
anderen Richtung,
d.h. mit der Auswahl der auf ihnen enthaltenen Lieder
ein
und
idyllisches
damit
Vergangenheit zeichnen. des
Lieder
ebenso
"falsches"
Bild
unserer
Es soll hier nicht einer Einseitigkeit zugunsten
historisch-politischen
derartige
zumindest
eben
Liedes
auch
der deutschen Liedtradition.
ein ?
das
Wort
geredet
werden,
doch
sind
nicht gering zu veranschlagender Teil
.Zudem sind sie, die das Bild des "Volkslie¬
des" in letzter Zeit ein wenig relativieren halfen, indem sie die ganze Bandbreite dessen, kann
was unter dem Begriff "Volkslied" subsumiert werden
verdeutlichen,
vermehrtem
in
Ausmaß
der
BRD
auf Platten
erst zu
Mitte dieses Jahrzehnts
finden,
3
wenigen älteren Ausnahmen absieht.
seit
wenn man
von
einigen
in
ganz
Nur zu leicht wurde die "Volkslieddo¬
mäne" zuvor meist dem romantischen, romantisierenden und oftmals süßlich¬ kitschigen Liedgut unangefochten überlassen. Wie Barbara James anführt, blieb das Medium des historisch-politischen Liedes in der aktiven Phase 4 der Studentenbewegung weitgehend unberücksichtigt. Eine besonders pikante Note ist es dabei, daß sich ausgerechnet Vertreter jener Partei, dessen Organ sich derart gegen "Einseitigkeit" und "Tendenz" 1
vgl. van in
hierzu
Maria
15.10.1977. ähnlicher
marxistische häßliche
Helene
Ein
Weise und
Lärmers:
Leserbrief Liber
das
"Klassenkanpf mit der
BADISCHEN
Liederbuch
kcrmunistische
'Parodien'
in
der
Machwerke,
Klampfe".
ZEITUNG van
-In:
Der
17.4.1979
"Zipfgeigenhansels":
BAYERNKURIER äußerte
sich
"(...)ausgesprochen
eingefügte Propaganda-Drucke,
(,..)und dazu
alter Vaterlandslieder - praktisch also ein Buch, das unsere sittli¬
chen und moralischen Werte bewußt besudelt(...)und wieder einmal beweist, wie
'unterwan¬
dert' wir im freien Teil Deutschlands
'von drüben' schon sind. Auch dem bereits erwähnten
Liederabend
"GESCHICHTE(1815-1979)in
-
Siehe
S.
17
Fn.
2
-
LIEDERN"
wurde
in einem
Karmentar der CDU-nahen KIELER NACHRICHTEN Nr. 142 vom 21.6.1979 "starke Linkslastigkeit" und
"Manipulation"
vorgeworfen,
der
Moderator
dieses
Abends
in
einem
Leserbrief
am
darauffolgenden Tag mit der Vokabel "Jugendverderber" belegt, weil eben auch Volkslieder "vcn unten" zu Gehör gebracht worden waren.
2
Wie diese Liedtradition bereits im 19. z.Z.
eine
Arbeit
vcn
Jahrhundert unterdrückt wurde, darüber entsteht
Barbara James mit dem Titel
zur Fabrikation einer Idylle:
"Zensur und Strafjustiz als Mittel
Das Volkslied im 19.
Jahrhundert",
auf die man gespannt
sein darf.
3 Hierzu sind die Platten eines Peter Rohland zu rechnen, der bereits in den 60er Jahren u.a.
Lieder aus dem Vormärz und der 48er Revolution vorstellte, dsgl. die Produktionen
vcn Hein & Oss Kröher.
(Siehe hierzu die ausführliche Diskographie am Schluß der vorlie-
den Arbeit.) 4 Barbara für
James:
Kannmacher: -In:
Versuch einer Beschreibung der deutschen Folk-Szene
Volksliedforschung, Ebenda,
Mischpulten
Das 23. der
22.
deutsche Jg.
Jg.
Berlin 1977.
Volkslied
Berlin 1978,
Volkskultur.
in S.
der
-In:
Jahrbuch
Folksong- und Liedermacherszene seit 1970.
33^13;
Anmerkungen
'76.
Zur deutschen Folk-Szene siehe auch Tcm
und
dsgl.
Eckart Frahm/Wolfgang Alber: An den
Thesen
zur Folk-Szene
'77.
-In:
Ebenda,
23. Jg. Berlin 1978, S. 43-69; dsgl. die Arbeit zur Entwicklung der Folk-Szene in Deutsch¬ land vcn Herbert Neumann: Von der Liedermacherszene zu einer neuen Volksliedverbreitung? (Unveröffentlichte Staatsexamensarbeit für das Lehramt an Haupt und Realschulen), furt a.M. 1978.
Frank¬
-
22
-
ausspricht, neben Abgeordneten der verwandten CDU auf der anderen Seite ausgerechnet dessen
immer wieder für das Absingen eines Liedes
Tendenz
dahin
geht,
"Deutschland,
stark machen,
Deutschland Uber
setzen und seine Grenzen "von der Maas bis an die Memel wollen. 1 Hierbei
darf
gerechterweise
deutsche
Nationalhymne
Fallersleben,
daß es
— dessen dritte Strophe heute
-
August
Heinrich
Hoffmann
von
um nichts weniger ging als etwa imperialistische Parolen
zu predigen, 2 mit
darstellt,
zu
fixieren zu
nicht unerwähnt bleiben,
dem Verfasser des "Liedes der Deutschen", die
alles"
doch verbindet unsere
derartigen
Bestrebungen.
jüngste Vergangenheit
Interessant
ist
in
dieses Lied
diesem
Zusammenhang
auch die Tatsache, daß Hoffmann hier von einer Partei "in Dienst genorrmen" werden
soll,
vielleicht würde,
die
- würde
fordern
ein
würde,
Schicksal,
das
er heute
leben und sich kritisch äußern -
daß
Radikalenerlaß
der
auf
Hoffmann zu seiner Zeit
ihn
angewendet
ja nur zu bekannt
war. Viele seiner Lieder, die sich sehr kritisch etwa mit den Verhältnis¬ sen
in
einige
Deutschland von
und
dem
ihnen werden
deutschen
Bürgertum
auseinandersetzten
auch in dieser Arbeit Platz
-
finden - würden
ihn heute zum Erleiden eines derartigen Schicksals geradezu prädestinie¬ ren
oder
doch
abstempeln,
zumindest
zum
Sympathisanten
einer
"radikalen"
- zumindest in den Augen gerade derjenigen,
so sehr für unsere Hymne stark machen.
Partei
die sich heute
3
Auch ein weiterer Vorfall, der sich vor nicht allzulanger Zeit im Bundes¬ verteidigungsministerium
in
Bonn
ereignete
erscheint
auf
den
ersten
Blick wohl eher belustigend. Der dortige Bibliotheksdirektor - übrigens zu dieser Zeit Mitglied und Mandatsträger der CDU - wurde von seinem Vorgesetzten als
gerügt,
achtzehnmal
die
da
er
innerhalb
"Internationale"
von
drei
Jahren
gepfiffen habe.
nicht
Als er daraufhin
Dabei wird Bezug genommen auf die kostenlose Verteilung einer Platte des bzw.
Schlagersängers
den
damaligen
Heino
mit
der
deutschen
baden-württembergischen
Nationalhyime
Ministerpräsidenten
im
Dr.
weniger
"Volkslied"-
Frühsorrmer Hans
1978
Filbinger
durch
an
den
Schulen seines "Musterländle". Mit dieser Auffassung befinden wir uns
im Gegensatz zu Roland Schiink,
der in seiner
ansonsten bemerkenswerten Arbeit "Hoffmanns von Fallersleben vaterländische und gesell¬ schaftskritische Lyrik", geht.
Leider
hat
er
S.
ein
45ff.
von imperialistischen Bestrebungen des Dichters aus¬
"Parallel"-
und
"Schlüssellied"
Hoffmanns,
welches ein Jahr
nach der Nationalhymne entstand und den Titel "L'Allemagne par tout" trägt unberücksich¬ tigt
gelassen,
in
welchem
Chauvinismus entsagt. -
Deutschland,
ich abgesetzt,
Hoffmann
seine
Vaterlandsliebe
Siehe hierzu Uli Otto:
Deutschland
über
alles??...
interpretiert
und
jedwedem
August Heinrich Hoffmann vcn Fallersleben oder:
Ich
bin
Professor gewesen:
Nun bin
Regensburg 1979 (bisher unveröffentlichtes Manuskript eines kommentierten
Liederbuches, S. 62. In
diesem
Zusammenhang
sei
nur kurz darauf verwiesen,
'welchen rigiden Maßnahmen sich
in der BRD ein Professor Peter Brückner ausgesetzt sah, als er es wagte, den sog. "Mescalero-Aufruf” zu veröffentlichen, um die Öffentlichkeit mit dem genauen Wortlaut vertraut zu
machen.
Im
Gegensatz
seiner eigenen Feder.
zu
Hoffmanns
Gedichten
entstammte
der
Text
ja nicht einmal
-
das
Lied
"Die Gedanken sind frei"
man beim Personalamt eine Provokation und
Störung
23
-
an deren Stelle
setzte,
beantragte
Strafversetzung des renitenten Beamten wegen
des Arbeitsfriedens. 1 2 3 Doch erinnern derartige
Beispiele nur zu sehr an Geisteshaltung und Praktiken in der Vormärzzeit, als daß der komische Eindruck Bestand haben könnte. Gerade einer
auch
die
Volksliedpflege
derartigen
Entwicklung
der Vergangenheit
beigetragen;
ebenso
hat
nur zu oft zu
hat
das
politische
Lied sich hier noch nie besonderer Wertschätzung erfreut. Gerechterweise muß man jedoch für unsere nur die
schwunden sind, das
jüngste Vergangenheit zugestehen,
daß nicht
"bösen" politischen Lieder weitgehend aus dem Bewußtsein ent¬ sondern daß diese Entwicklung nur zu lange gleichermaßen
"unpolitische
Volkslied"
traf,
während des Dritten Reiches Tatsache,
wie
welches
durch
die
in Mißkredit geraten war.
Lutz Röhrich feststellt,
daß das
Volksliedpflege Hinzu kommt die
"Volkslied"
lange
Zeit
hauptsächlich nur noch in der Schule gesungen wurde und dadurch vorwiegend zu einem reinen "Schullied" geworden ist.
2
Erschwerend für eine ungestörte Tradierung alter Lieder kommt weiterhin die geographische Mittellage Deutschlands hinzu, die ihm einen Durchgangs¬ charakter zuweist, auf
der
einen
- zweifellos eine Bereicherung des kulturellen Lebens
Seite,
doch auf der anderen Seite
Überlieferung von Althergebrachtem. gänglichen erhalten,
Regionen
erschwerend für die
So können sich in abgelegenen unzu¬
Brauchtumsgüter
viel
länger
und
unverfälschter
als dies angesichts der Lage großer Teile Deutschlands möglich
ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur ganz kurz auf ein europäisches Randgebiet verweisen,
in dem das Lied auch heute noch als Kampfmittel
bestimmte Funktionen innehat. liedersingenden aber,
Iren
um
Obwohl es sich bei dem trinkfesten, volks¬
eine
- nicht zuletzt wohl
Klischeevorstellung
handelt,
aus Gründen der Touristik,
an
der
man
- festhält,
ist
auf der "Grünen Insel" nicht nur ein überaus großer Schatz unpolitischer Volkslieder
lebendig
geblieben,
sondern
auch das historisch-politische
Lied im Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten noch fester als irgendwo anders verankert und lebendig.
3
Freilich sind wir uns der Problematik
^ vgl. hierzu Felix Perelsztein: Mißtäoe im Ministerium. -In: "STERN" Nr. 35 vcm 19.8.1976, S. 121ff.; dsgl. Derselbe, -In: "STERN" Nr. 17 vcm 14.4.1976, S. 228; vgl. auch Eberhard Otto: Es tönen die Lieder... -In: "DER NEUE TAG" (Weiden i.d.Opf.) vcm 9.9.1976. 2 Lutz Rchrich: Vorwert im Handbuch des Volksliedes, München 1973, Bd. 1 S. 13. 3 Dabei erfreuen sich nicht nur Lieder neueren Datums, wie etwa "The Men Behind the Wire" und "The Town I Loved So Well" größter Beliebtheit, - in diesem Jahr 1981 ist es ein Lied, welches das Schicksal des durch Hungerstreik gestorbenen inhaftierten IRA-Mannes Bob by Sands zum Thema hat, - sondern nicht weniger auch ältere Weisen in der Art von "Easter Rebellion Sang"(1916) oder auch "The Croppy Boy"(un 1760), - um nur einige Beispiele zu nennen, - sind noch allenthalben zu hören. Es ist erstaunlich, in welchem Maße derarti¬ ge Lieder dort noch gesungen werden, ohne daß sich dies auf das Absingen lediglich
24
einer
Gegenüberstellung
da sich zwei scher
Irlands
-
und
Deutschlands
sehr
wohl
bewußt,
Länder mit derartig verschiedener politischer und histori¬
Entwicklung
eben nur
sehr
schwer miteinander vergleichen lassen.
Wenn man etwa die Entwicklung in Deutschland betrachtet, hat man ebenfalls die
industrielle
strialisierung
und wirtschaftliche und
Lage
gesellschaftlicher
in Betracht zu ziehen.
Umformungsprozess
zwangsläufig tiefgreifende Veränderungen bewirken, Art
von
Kultur
zu
anderen
das
sich
und
das
iet
etwa,
betrifft,
kulturellen im
noch
-
um
seinen
größerem Maße
dies
zu
einem
Ausformungen
Wesentlichen in
in
kommen
mußte,
agrarischen
etwa
intakte
verdeutlichen,
da es,
Industrieland
die
Indu¬
mußten
hier
- was jegliche
notwendigerweise
als
in
Charakter
Großfamilien Entwicklung
einem
Land,
bewahrt
hat,
aufweist.
der
So
Beat-Musik
in den frühen 60er Jahren wohl nur in den Industriezentren Nordenglands möglich denen USA
gewesen,
die
wie auch der Blues geformt
Negersklaven
ausgesetzt
waren.
auf
den
Zudem
ist von den Verhältnissen,
Baumwollfeldern
begünstigte
die
in
sich
den Trend zum - schnell aufgenommenen,
weitgehend
geändert;
in
breiten
der
die
zum
Fernsehen und Schall¬
auch sehr schnell wieder vergessenen - Tagesschlager. haben
Südstaaten
Technisierung,
Ausbau unserer heutigen Massenmedien wie Rundfunk, platte geführt hat,
den
aber zumeist
Die Hörgewohnheiten
Schichten
hat
sich
eine
bloße Konsumentenhaltung - oftmals verbunden mit mangelnder musikalischer Eigeninitiative
-
herausgebildet.
Musik dient vielen von uns nur mehr
als
schnellebiger Gebrauchsgegenstand,
nur zu oft eingesetzt als Mittel
zur
Untermalung
etwa
zu können.
und
Berieselung,
um
Sie ist zu einem bloßen,
Produkt geworden,
eine
Ware
besser
verkaufen
jederzeit per Knopfdruck abrufbaren,
dessen Vermarktung man an den einschlägigen Hitparaden
ablesen kann. Auch
die
Karikatur
hat
-
obschon
keine
größere Zeitschrift völlig auf
dieses Medium wird verzichten können - weitgehend an Bedeutung eingebüßt, stellt man etwa Vergleiche zu den vergangenen Hoch-Zeiten des politischen gezeichneten Spottbildes an.
Das Photo als Anreizmittel bzw.
die Photo¬
montage als demaskierendes Mittel der Kritik haben ihr den Rang abgelau¬ fen, wenn sie auch nicht völlig ersetzt werden kann.
Fortsetzung 4er Fn. 3 von S. 23. der
ersten
sehen
rein
Strophe formal
beschrankt. nach
ihren
Viele
Gruppen
irischen
der
deutschen
Folk-Bewegung
haben
Musikerkollegen und Vorbildern orientiert,
sich als
sie - genau wie diese - Platten produzieren, die nicht nur historisch-politisches Liedgut enthalten, sondern auf denen sich daneben auch Liebeslieder, erotische Lieder, Trinklieder und vieles mehr findet, was sich gemeinhin unter dem Oberbegriff "Volkslieder" subsumieren läßt. Demgegenüber und
Platte
darf
man
manchmal
jedoch
als
auch
nicht
Mitauslöser
für
unbeachtet musische
lassen,
daß
Beschäftigung
Rundfunk, dienen
Fernsehen
können.
Hier
sei nur an die "Beatle-Mania" der 60er Jahre erinnert, die viele Jugendliche zum aktiven Musizieren hinfuhrte.
25
-
Die Ansicht,
daß das politische Lied und die Karikatur einerseits als
künstlerisch
minderwertig
anzusehen
seien,
hat
und
bis
in
negativ, die
andererseits
jüngste
als
Vergangenheit
gefährlich
dazu
geführt,
daß ihr Quellenwert völlig außer acht gelassen wurde und es bis heute nur wenige Arbeiten gibt,
die sich kritisch mit dem Quellenwert dieser
Medien auseinanderzusetzen versuchten. wurde,
Was bisher völlig vernachlässigt
ist ein Vergleich zwischen den beiden Medien Lied und Karikatur,
um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bearbeitung gleicher Themen¬ kreise herauszuarbeiten, und eine Untersuchung dessen, was diese Medien wirklich zu leisten imstande sind und wo ihre Grenzen zu liegen scheinen.1 Eine es,
solche was
Auseinandersetzung
das
Medium
des
der deutschen Folk-Szene den Massenmedien ist. daß
Barbara nicht
aber
um
historisch-politischen
so
wichtiger,
Liedes
als
anbelangt,
in
in den letzten Jahren - zunächst abseits von
zu einem geradezu erstaunlichen Aufschwung gekommen
James hat wohl nicht ganz unrecht mit
zuletzt
begünstigte:
erscheint
das
derzeitige
"Einerseits
politische
ermöglicht
das
Klima
ihrer Auffassung, diese
traditionelle
neue
Blüte
politische
Lied
die Kritik am Radikalenerlass und an den Maulkorbparagraphen, andererseits gedeihen die blauen Romantikerblumen besonders gut, denn die1' neue lichkeit1
Inner-
will sich wenigstens in echten alten Volksliedern ansdrücken".
2
Nahezu keine der Gruppen dieser neuen Volksliedbewegung, die zum größten Teil von der anglo-amerikanischen bzw.
iro-schottischen Folkszene beein¬
flußt
ihr
worden
sind,
verzichtet
-
was
Repertoire
anbelangt
-
auf
oppositionelles bzw. "alternatives" Liedgut der vergangenen Jahrhunderte, "alternativ"
insofern,
als
es
sich
von
dem
üblichen
Liedrepertoire
herkömnlicher Volksmusikanten absetzen soll, und man ist geradezu versucht , von einer inflationären Entwicklung zu sprechen, gerade auch hinsichtlich des Liedgutes aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Dieser Trend zum "alten Volkslied",
- ob es sich dabei nur um eine neue Modewelle
oder um ein anhaltendes
Interesse handelt,
wird die Folgezeit
oder auch zur Karikatur vergangener Epochen, in
zeigen-,
der sich - wenn auch nur
ganz bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen wie etwa Studenten
und Oberschülem -
in den letzten Jahren inmer deutlicher abzuzeichnen
begann, hat wohl nicht zuletzt dazu geführt,
daß sich schließlich sogar
die Massenmedien an diese Medien zu erinnern begannen, daß sogar eigene Plattenfirmen entstanden wie z.B.
Dabei
kam
diese
Arbeit
nur
"Stockfisch" in Gottingen,
spekulativen
Charakter
haben.
Genauere
die haupt-
Aufschlüsse
über
den Wert der vorgestellten Quellen etwa für den Unterricht könnte nur ihr praktischer Einsatz in der Schule erbringen.
2 Barbara James: Versuch einer Beschreibung der deutschen Folk-Szene '76, S. 114.
-
26
-
sächlich neue deutsche "Volksmusik" produziert. Nahezu jede große Platten¬ firma
sah
sich
"Electrola" die
gezwungen
"Songbird",
Veranlassung
"Polydor" jedoch
eigene
Folk-Abteilungen
einzurichten,
etwa
"Metronome" die Folk-Reihe "nature", oder fühlte
junge
Volkslied-Gruppen unter Vertrag zu nehmen,
wie
die Hamburger Gruppe "Liederjan", wobei bei den Plattenfirmen
handfeste
sind heute
finanzielle
bisweilen
sogar
Interessen
Sendereihen
im im
Vordergrund
1
stehen.
Fernsehprogramm
zu
Es
finden,
in denen Lied und Karikatur - wenn auch zumeist lediglich der Untermalung dienend - ihren Platz haben. eine nur
Interpretation selten
statt,
Zeitmeinungen Ereignisse könnten.
Sendungen
Jahre
fanden,
verzichten
Gattung
"Sing
beleuchtet
Zusammenhänge
mit
auch
den
und
hier
Fischer-Chören",
wurden
und
oder beschränken
sich
auf
ganz
bloße
Umfang
Unterhaltungssendungen. unter
den
existiert,
Tisch
und
ein
fallen
werden
"Im Krug
zum
die während der
ein
letzterer Sendung der Fall war,
als
historische
verdeutlicht
"An hellen Tagen",
ausgestrahlt
Lied völlig
geringem
finden
breites
dagegen von vornherein ganz bewußt
Liedgut
sich vorwiegend
nicht
wie
erstmalig
wie dies etwa bei
Hinterfragen
hervorragend
gerückt,
und die Sendereihe
letzten
eine
-stiirmungen
Bewußtsein
grünen Kranze"
politisches
ein kritisches
obschon gerade durch die Medien Lied und Karikatur
und
ins
und
Ein genaueres Eingehen auf diese Quellen,
Publikum
auf historisch-
wenige
Beispiele,
und sie verstehen Daß
dabei natürlich
muß,
bisweilen
die
ebenso
in
romantisierendes
und verkitschtes Bild des deutschen Volksliedes fröhliche Wiederauferste¬ hung erlebt,
- fallen daneben doch auch etwaige Beispiele zum erotischen
Lied weitgehend weg,
- entspricht ganz der Tradition der Volksliedforo
schung des 19.
Jahrhunderts.
° Hier führt Rolf Wilhelm Brednich - wenn
So berichtete Anselm Noffke, Mitglied der Hamburger Gruppe "Liederjan" in einem Gespräch am 22. Juni 1979 nach einem Konzert im Auditorium Maximum in Freiburg i.Br. dem Verfasser, daß
der
von der Plattenfirma gestellte Betreuer der Gruppe nicht einmal genau wisse,
was für Musik "Liederjan" eigentlich mache. Wie Herbert Neumann: Von der Liedermacherszene zu
einer
neuen
Volksliedverbreitung,
S.
71 ausführt,
liegt ein weiterer Grund dafür,
warum fast jede Plattenfirma einen Interpreten der "neuen Volksmusik" in ihrem Programm habe in der Tatsache,
daß es bei den Aufnahmen keiner großen Produktionskosten bedürfe
und sich das Geschäft also in jedem Fall lohne.
2
Vgl.
hierzu etwa die Sendereihe des ZDF "Dokumente deutschen Daseins" mit der Hamburger
Gruppe "Ougenweide" bzw.
seit neuerer Zeit mit dem Stuttgarter Quo "Zupfgeigenhansel",
in der neben Spielszenen zur jeweiligen behandelten Epoche auch Lieder und Karikaturen die
Zeit
und
die
geschichtlichen
Ereignisse
illustrieren;
vgl.
auch
die
Sendereihe
"Songs und Geschichten", die vor einiger Zeit im Nachmittagpprogramm des NDR ausgestrahlt wurde,
und in der der amerikanische Folk-Sänger Don Paulin zu bestimmten Themen Lieder
vorstellte, so "Lieder des Dreißigjährigen Krieges", Songp", April
"Scngs 1978
im
der
Indianer"
dritten
und
Programm
"Jiddische
der
"Räuberlieder", "Shanties", "Cowboy-
Lieder".
Hein & Oss Kröher stellen seit
Süddeutschen Sender in ihrer Sendereihe
"Geh aus
mein Herz und suche Freud"' Volkslieder vor und erklären deren jeweiligen Hintergrund. Dies sind einige positive Beispiele und Ansätze aus unserer bundesdeutschen Medienland¬ schaft.
3 Siehe S. 7.
hierzu
auch
Rolf W.
Brednich:
Erotische
Lieder
aus
500
Jahren,
Fischer 1979,
27
-
-
auch in etwas anderem Zusammenhang - in einer Rezension neuer verbreiteter Liederbücher völlig Jahren
um
zu
Recht
an:
"Da bemüht
daß
das
sogenannte
den Nachweis,
erdenkliche
Aussage
offen
ist,
da
greift
sich die Forschung seit 'Volkslied'
die
für jede nur
moderne
Musikerziehung
heute endlich die von der Forschung vermittelten vielfältigen Anregungen auf und verwendet Liedüberlieferungen in ihrer ganzen Spannweite, unter unter
Einschluß
des
wirkungsvollen
politischen,
des
sozialkritischen
und sonstwie engagierten Liedes, unter Hinweis auf neuentstehende Liedtra¬ ditionen unserer Tage oder auf die Intemationalität heutiger Singgewohn¬ heiten
(...)
Volkslied wird
Abgedroschene,
auf
das
(...)
reduziert auf das seit Jahrzehnten
Unverbindliche
Bauer im Märzen sein Rößlein an,
und
Problemlose.
Da
spannt
der
da hat der Miller Lust zum Wandern,
da sieht der unsterbliche Knabe noch immer das Röslein stehen, da reitet der Jäger aus Kurpfalz, tanzt der Bi-Ba-Butzemann, fließen die Brünnlein, und wenn sagen:
der Mond
Ade
zur
auf gegangen
guten
Nacht!
ist,
Die
so
kann man
Auswahl
eigentlich nur noch
ist eigentlich nicht
anders
als schlimm zu bezeichnen. Das Volkslied ist hier wieder einmal identisch 1
mit der 'guten alten Zeit', es ist mit dem 19. Jahrhundert zu Ende(...)". Auch in den Schulunterricht, hier vor allem den Deutsch- und Geschichtsun¬ terricht,
aber auch in Musik- und Kunsterziehung haben die historisch¬
politischen
Lieder
und Karikaturen
anscheinend
kaum
Eingang gefunden.
Eine - wenn auch nur kurze und oberflächliche Durchsicht einiger gängiger für
den
Geschichtsunterricht
Geschichtsbücher
für
alle
an
bundesdeutschen
Altersklassen
zeigt,
Schulen daß
zugelassener
jeweils
nur
sehr
wenige,
jeweils auch zumeist die gleichen Bilder und Karikaturen darin
Eingang
gefunden
haben,
ausgespart blieben,
und
historisch-politische
- eine Beobachtung,
die wohl
Lieder
dabei völlig
auch für die meisten
der für den Musikunterricht zugelassenen Liederbücher zutreffen dürfte, wenngleich
gerade
in
der
den Markt •gekommen sind,
die aas der Zeit um 1848 Dabei
gäbe
Rolf W.
es
gerade
Brednich:
allerletzten
mehrere
stammen und sich mit
im Rahmen
Rezension
Zeit
Liederbücher
auf
in denen sich auch zahlreiche Lieder befinden,
des
eines
ihr auseinander setzen.
koordinierten
"Großen Liederbuches".-In:
Unterrichts
2
etwa
Jahrbuch für Volksliedfor¬
schung, 21. Jg. Berlin 1976, S. 187f. So druckt die Gruppe "Zupfgeigenhansel" in ihrem 1978 erschienenen Liederbuch "Es wollt ein
Bauer
früh
aufstehn"-222
Volkslieder,
aus dem behandelten Zeitraum ab, (Hrsg.):
d.i.
Dortmund
ein Zehntel
Verlag
"plane"
des Repertoires.
allein
22
Lieder
Hein & Oss Kröher
Das sind unsere Lieder, Büchergilde Gutenberg 1977 stellen wenigstens dreizehn
Lieder dieser Epoche vor; vgl. auch das1 Volksliederbuch"(hrsg.v.)Andreas Kettel, Reinbek 1977, beiden
welches
aber lediglich eine Zusammenstellung von Liedern gibt,
erstgenannten
brauchsliederbücher;
Büchern
enthalten
sind.
die auch in den
Alle drei Bücher verstehen sich als Ge¬
die einzelnen Lieder sind jeweils mit kurzen Kommentaren versehen.
28
-
-
in den Fächern Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, Musik- und Kunsterziehung, in dem die Medien historisch-politisches Lied und Karikatur vom Stand¬ punkt des jeweiligen Fachlehrers aus herangezogen, untersucht, kritisch hinterfragt können,
und
letztendlich
ungeahnte
in
den Unterricht
Möglichkeiten,
das
oftmals
mit
einbezogen
beklagte
werden
mangelnde
Ge—
Schichtsbewußtsein abbauen und das häufig sehr lückenhafte Faktenwissen gerade auch der jüngeren Generation vermindern zu helfen, um zu verhin¬ dern, daß das Wort vom "geschichtslosen deutschen Volk" wirklich Berechti¬ gung gewinnt. Gerade in den letzten Jahren war ja aufgrund von Untersuchun¬ gen
verschiedentlich
festzustellen,
welche
erschreckende
Unkenntnis
viele unser Zeitgenossen sogar über unsere jüngste Vergangenheit aufwei¬ sen,'*' - wieviel mehr noch über eine schon zeitlich weitaus ferner liegende Epoche
wie
den Vormärz
dieser Arbeit
und
die Revolutionsjahre
ist es uns v.a.
auch darum zu tun,
1848/1849.
Im Rahmen
den Quellencharakter
der historisch-politischen Lieder und Karikaturen dieser Zeit und gleich¬ zeitig die "Fragwürdigkeit" dieser Quelle aufzuzeigen, d.h. die Notwendig¬ keit,
sie
vor Gebrauch und Nutzung
kritisch
zu
untersuchen und
zur
Diskussion zu stellen, des weiteren abzuwägen, was sie zu leisten imstande sind und wo ihre Grenzen liegen. George S. Jackson weist wohl mit Recht darauf hin, daß man aus einem Lied zumeist keine exakten geschichtlichen Daten
gewinnen
kann,
wem
er
schreibt:
"For
example,
one
could
not
find in a song the statistics on infand mortality for the year 1872; yet such uninspiring records are
important.(...)the
facts,
must be sought elsewhere; the songs conform to 'human fancy'". körnen jene dazu
in general, 2
lyrischen oder auch die zeichnerischen Produkte
dienen,
vormalige
Geschehnisse
Betrachter überschaubar werden zu
zu
sehr wohl
erhellen und für den heutigen
lassen.
lediglich einen bloßen Kommentar dar,
Gleichwohl
Sie stellen hierbei ja nicht
sondern vermitteln damit zugleich
gültige Stimmungsbilder der damaligen Zeit, - Stimmungsbilder und Ansich¬ ten, Meinungen, Wünsche und Hoffnungen einer bestimmten Epoche. Dennoch verzichten die meisten bundesdeutschen Geschichtsbücher weitgehend auf
derartige
Quellen
und begeben
sich
damit
einer Möglichkeit,
den
behandelten Zeitraum zu illustrieren. Wo dennoch einige wenige Karikaturen Eingang deutlich,
gefunden sondern
haben, es
wird nichts
finden
sich
von
immer
der Vielfalt wieder
die
dieser
Quellen
gleichen
Bilder.
Vgl. hierzu nur die Untersuchung vcn Dieter Brossmann(Hrsg.): Was ich über Hitler gehört habe, Reinbek 1977, in welcher er Schüleräußerungen zum Thema Adolf Hitler zusaiTmengetragen hat.
2
G. S. Jackson: 1971), S. 16.
Early Songp of Uncle Sam,
Boston 1933 (republished Am Arbor, Michigan
-
Relativ
häufig
findet
sich
29
-
lediglich
Ludwig
Richters
"Bürgerstunde"
abgedruckt, dsgl. der "Denkerklub", - uni hier nur zwei immer wiederkehren¬ de
Bilder
zu benennen.
Wartburgfest", und Berlin,
das
Daneben sind noch mehrmals das
"Hambacher
Fest",
Barrikadenszenen
Paris,
Wien
die Aufbahrung der Märzgefallenen und die deutsche National-
versanmlung in der Paulskirche thematisiert, in
"Autodafe beim
aus
Schlesien
und
die
Erschießung
wesentliche
Robert
Ereignisse
seltener die Hungerunruhen
Blums.
der
Auf den ersten Blick
scheinen
also
Zeit
im
Bild wiedergegeben
zu sein.
Doch findet sich hier nichts von der Vielzahl etwa der Fuchs-
schen Materialsanmlung, - keine Karikatur, die auf die heftigen Auseinan¬ dersetzungen
innerhalb
der Paulskirche
hinweist,
obwohl
eine Vielzahl
der damaligen Spottbilder sich mit derartigen "Parlamentskämpfen" beschäf¬ tigten,
kaum
eine,
die
sich mit der unrühmlichen Rolle
eines Fürsten
Metternich, eines Friedrich Wilhelm IV. von Preußen oder des "Kartätschen¬ prinzen" auch
während
der
Märztage
1848
auseinandersetzen,
obwohl
gerade
hierüber eine Vielzahl von karikierenden Darstellungen existiert.
Die Vielfalt der von Eduard Fuchs, vernachlässigten,
ja vergessenen
dem von der Wissenschaft weitgehend
"Sammler und Historiker" 1 und anderen
bereitgestellten Materialien bleibt völlig ungenutzt, ebenso das umfangrei¬ che
Liedmaterial
herangezogenen
eines Wolfgang Steinitz, bundesdeutschen
auf welches
Geschichtsbüchern
in den von mir
völlig
verzichtet
wird. Was das historisch-politische Liedgut in den Liederbüchern anbelangt , so gibt ein älterer Beitrag von Hermann Gericke interessante Aufschlüsse.
2
Gericke zog dabei zu seiner Untersuchung 13 Musikschulwerke bzw. Lieder¬ bücher
der
BRD
mit
insgesamt
27 Bänden heran,
zum Vergleich aus der
NS-Zeit 3 Werke mit 4 Bänden und das DGB-Liederbuch, wobei er überall das
"Deutschlandlied"
finden
sich
jeweils
unberücksichtigt nur
"historisch-politisches" ihnen
ganz
ließ.
Aus
selten Lieder,
dem
19.
Jahrhundert
die man unter dem Titel
Lied subsumieren könnte;
das bekannteste unter
ist wohl das um 1800 entstandene Volkslied "Die Gedanken sind 3 Daneben werden aus der Zeit der Befreiungskriege die Lieder
frei".
"Freiheit, (1815)
die ich meine" von Max von Schenkendorf (1813) und K. Groos
und
"Ich
hab
mich
ergeben"
von H.F.
Maßmann
(1820)
genannt,4
Einzige Ausnahme ist bisher die Würdigung der Person Eduard Fuchs' durch Walter Benjamin: Eduard
Fuchs,
der
Saimder
und
Historiker.
seiner technischen Reproduzierbarkeit,
-In:
Derselbe:
Frankfurt a.M.
8.
Das Kunstwerk im Zeitalter
Aufo.
1975,
S. 95-157. Dieser
Aufsatz Benjamins erschien zum ersten Mal in der Zeitschrift für Sozialforschung (6,1937) im
Todesjahr
von Eduard Fuchs,
der als Jude und Sozialdemokrat ins
französische Exil
ausgewichen war. Hans Peter Gericke: Das politische Lied in den heutigen Schulliederbüchem. -In: Das Politische im Lied. Politische Momente in Liedpflege und Musikerziehung. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, von
Hartmut
Flechsig:
Revoluticn
und
Heft 76) Bonn 1967, S. 46-50.
Romantik
in
Deutschland.
1980 erschien
Politische
und
andere
Lieder aus der Zeit von 1813 bis 1848 (Lehrerband, Schülerheft u. Kassette), Regensburg
- 30
alles
in allem auch keine besonders gute Ausbeute, vor allem wenn man
bedenkt,
daß
sich - vielleicht mit Ausnahme des erstgenannten - kein
Lied mit den innenpolitischen Verhältnissen im vormärzlichen Deutschland auseinandersetzt.
Helmut
Segler
die Situation insgesamt wie von
Neudichtungen
des
19.
und
folgt: und
Lars
Ulrich Abraham
kennzeichnen
"Besonders die wahllose Hereinnahme
20.
Jahrhunderts
und
von
Kunstliedern
in die Schulmusikbücher, die textliche Beschränkung auf harmlose, unpoli¬ tische
und
fiktiven
kleinbürgerliche
Volksliedbegriffes
Inhalte wie
er
sind
ein
bereits
getreues
vor
1800
Abbild
geprägt
jenes
wurde".* 1 2
Demgegenüber wurde in der DDR in den vergangenen Jahren eine "Illustrierte 2 Geschichte der deutschen Revolution 1848/1849" veröffentlicht, ein Buch wie
mit
zahlreichen
zeitgenössischen
Abbildungen
und
Karikaturen,
ja auch bereits das Standardwerk für das demokratische Volkslied,
das zweibändige Werk von Wolfgang Steinitz in Berlin (DDR) verhältnismäßig 3 kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen war. Die "Illustrierte Geschichte" aus
zeigt
eine
Vielzahl
von
Karikaturen
und
Graphiken
z.B.
dem Kupferstichkabinett und der Deutschen Staatsbibliothek Berlin,
dem dortigen Märkischen Museum und dem Museum für Deutsche Geschichte. Wahrend
die
Illustrationen
zwar
auch
hier
ihren Quellenwert hin hinterfragt werden, genauen doch
Inhaltsangaben
einen
"mitgeliefert"
anschaulichen
Vormärz
und
organen
der
und
nicht
weiter
kritisch
auf
und wenn oftmals auch keine
werden,
ausführlichen
so
bietet
Einblick
in
das die
Material Zeit
des
revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/1849. Wie 4 Riha mit Recht ausführt, kommt es in den Publikationen und Publikations¬
bildhaften,
die
DDR kurz
der betreffenden
überhaupt gesagt
weitaus
häufiger
anschaulicheren
zu
einer
Entfaltung
historischen Ereignisse.
ausführlichen,
und
Darstellung
Historisches Bewußtsein wird
Fortsetzung der Fn. 2 von S. 29. Leider
dürfte
der
relativ
hohe
Preis
des
Unterrichtswerkes
viele
Schüler
vor
einem
Kauf abschrecken.
3 4
Hans Peter Gericke: Das politische Lied in den heutigen Schulliederbüchern, S. 49. Ebenda, S. 50. als
es
Letzteres Lied wurde
in den letzten Jahren wieder "politisch"
genutzt,
1977 - anläßlich eines Reichsparteitages der Necnazis um den inzwischen wegen
krimineller
Delikte
inhaftierten
Rechtsradikalen
Röder
Kelheim (in der Nähe von Regensburg) intoniert wurde.
Die
-
vor
der
Befreiungshalle bei
bayerische
Polizei
ging
an diesem Tag bezeichnanderweise nicht gegen die Neonazis, sondern gegen die Gegendemonstranten vor. Fn. S. 30 1 Helmut Segler/ Lars Ulrich Abraham: Musik als Schulfach, Braunschweig 1966, S. 32.
Die
Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 2 S.u. S. 9 Fn. 1. Illustrierte
Geschichte
der
deutschen
Revolution
1848/49.
(Hrsg.v.)Walter
Schmidt,
Gerhard Becker, Helmut Bleiber, Rolf Dlubek, Siegfried Schmidt, Rolf Weber, 2. durchgesehe¬ ne Auflage Berlin 1975, 1. Aufl. 1973.
4
Karl Riha/Helmut Hartwig: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit.
31
-
auf
breiter
Basis
gefördert,
die
Märzereignisse
beispielsweise werden
ganz konkret dargestellt: "Indem Wert darauf gelegt wird, daß die Kämpfe anschaulich
werden,
Studenten(...)als
rücken
die
Handwerker,
Klassengegner
nah
-
im
Arbeiter, Gegensatz
Kleinbürger zur
Distanz,
und in
der die Repräsentanten der Paulskirche für den normalen Bürger bleiben, und sie,
d.h.
die heutigen Leser und Betrachter erfahren unmittelbar,
daß nicht die Soldaten oder der König ihre Interessen vertreten haben". Jedoch schränkt Riha dies insofern ein, als es die DDR-Praxis des politi¬ schen
Lebens
Partei"
mußte
betrifft, "in
indem
der
er
anführt:
Folgezeit
"Der wachsende Anspruch der
notwendig mit
der irrmer wieder auch
im Zusammenhang mit dem Rekurs auf 1848 erhobenen Behauptung kollidieren, daß der
in
der
sich
ausbildenden
bürgerlichen Revolutionen,
sozialistischen
Gesellschaft
die
Errungenschaften p die Freiheitsrechte etc., voll gewahrt sei".
also
im
das
Erbe
Kampf um
Schon während der Stoffsammlung und der ersten Durchsicht der Materialien für die vorliegende Arbeit stießen wir verschiedentlich auf nicht vorher¬ sehbare
Schwierigkeiten,
erscheinen Lieder,
lassen.
dsgl.
die eine klare Eingrenzung der Materie geboten
Tatsächlich
Graphiken
und
sind
es
schier unzählige
Karikaturen,
die
Uber
und die Zeitereignisse Auskunft zu geben vermögen,
die
Gedichte damalige
und Zeit
und es erwies sich
schon sehr bald als unmöglich, auch nur ansatzweise auf sie alle einzuge¬ hen.
Eine
Vollständigkeit,
d.h.
eine
lückenlose
Materialdarbietung
und Aufarbeitung der literarischen und zeichnerischen Erzeugnisse auch nur
annähernd
zu erreichen,
ist unmöglich und soll
im folgenden auch
nicht angestrebt werden. Vielmehr wird die Arbeit sich daher im wesentli¬ chen auf einige herausragende Geschehnisse beschränken müssen und auch nur im
mit
ausgewählten
Vergleich
zur
Beispielen
tatsächlichen
aufwarten
können,
Materialfülle.
d.h.
Was
mit
das
wenigen
Vorgefundene
Liedmaterial anbelangt, so liegen uns beispielsweise zahllose Kanpfaufrufe vor, - sie sollen hier der Einfachheit halber unter dem Titel "Barrikaden¬ lieder"
zusammengefaßt
Französischen
werden,
Revolution
nach
-
die
v.a.
Freiheit,
die
alten
Gleichheit
Wiederaufleben ließen und zu propagieren suchten,
Forderungen
und
der
Brüderlichkeit
daneben aber oftmals
auch die Forderung nach der nationalen Einheit Deutschlands nachdrücklich stellten.
Sie
Charakter auf,
weisen
aber
insgesamt
zumeist
einen
recht
allgemeinen
allgemein schon deswegen, weil sie in den meisten Fällen
kaum auf konkrete Persönlichkeiten,
Örtlichkeiten und Ereignisse hinwei-
sen und auch den Liedern selbst nur zu oft keinerlei konkrete Aussagen etwa über 1
ihre Entstehungszeit,
den Anlaß usw.
zu entnehmen sind.
Karl Riha/Helmut Hartwig: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 39.
^ Ebenda, S. 212.
Es
1
32
-
-
sollen allenfalls einige ganz wenige Beispiele Abdruck finden. Daneben stehen jene Lieder, die sich kritisch mit konkreten und greifbaren Mißständen der Zeit
auseinanderzusetzen suchen,
mit
der
politischen
die
aber
auch
Unterdrückung
heftige
Kritik üben
und
der
am
- etwa mit der Zensur,
sozialen
Ungleichheit,
Bürgertum dieser Zeit,
welches
oft im Bild des "Deutschen Michel" konkretisiert wird und dessen Haltung hier
für
das
Scheitern der bürgerlichen Revolution mit verantwortlich
gemacht wird. bestimmten
Sodann gibt es zahlreiche Lieder,
die
sich konkret mit
politischen Ereignissen der Zeit auseinandersetzen und sich
mit bekannten historischen Persönlichkeiten und deren Schicksal beschäf¬ tigen. Hier sind jene Lieder zu nennen, die sich beispielsweise befassen mit dem Frankfurter Wachensturm im Jahre 1833 und der Flucht der inhaf¬ tierten Aufständischen im Jahre Wilhelm IV. Rockes
zu
von Preußen
1837,
dem Attentat auf König Friedrich
im Jahre 1844, mit der Verehrung des Heiligen
Trier und den Weberunruhen in Schlesien im gleichen Jahre,
mit den Märzereignissen von 1848 in Wien und Berlin, die zu zeitweiliger Desorientierung Metternichs
und
und
scheinbarem
Friedrich
Rückzug der alten Mächte
Wilhelms
IV.
unrühmlicher
dieser Märzunruhen sowie der "Auslandsmission"
führten,
Rolle
mit
anläßlich
des "Kartätschenprinzen"
und späteren ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. nach England und seiner Rückkehr schon wenige Monate später. Weiterhin finden sich das Frankfurter Parlament und seine "Inaktivität" und ebenso die Septemberunruhen anlä߬ lich
des Waffenstillstandes
von
Malmö
zwischen
den
deutschen
Staaten
und Dänemark nach dem Streit um Schleswig-Holstein thematisiert, Besonders zahlreich
aber
sind
v.a.
die
Lieder,
die
sich
auf
Friedrich
Hecker
und Robert Blum und deren Schicksal beziehen. Der Spätsommer bzw. Herbst des Jahres 1848 bereits führte - nicht zuletzt ob des offensichtlichen Unvermögens und mangelnden Willens großer Teile des Bürgertums, die Revolution weiterzuführen - zum allmählichen Wiederer¬ starken der alten Mächte, was ebenfalls seinen Niederschlag in zahlreichen Liedern finden mußte. So sind etwa auch die Niederschlagung der Revolution in Wien sowie die oktroyierte Verfassung in Preußen, dsgl. die erbitterten Kämpfe in Baden und der Pfalz im darauffolgenden Jahr als letztes verzwei¬ feltes
Aufbäumen
breiter
Kreise
der
dortigen
Bevölkerung
in
Lieder
und Gedichte eingegangen. Ausgeklammert
werden
Gesänge,
sich
1815
und
die
1850
sollen
in
dieser
Arbeit von vornherein all
auf außenpolitische Ereignisse
beziehen.
So
mußte
u.a.
auf
die
jener Jahre
jene
zwischen
"Griechenlieder"
und
-
die
zahlreichen
Hinter
"Polenlieder"
Deutschlands
desgleichen
auch
33
verzichtet
Oppositionellen
auf
die
-
Lyrik
sehr
werden,
beliebt
Beispiele
findet
Liedersaimlung
um
sich
die
bei Ditfurth,
Mitte
eine
Zeitlang
und verbreitet waren,
im Zusammenhang mit den kriegerischen
Auseinandersetzungen um Schleswig-Holstein, eher
die
des
19.
- eine Vielzahl diesbezügli1
aber auch in nahezu jeder
Jahrhunderts,
-
Lieder anläßlich des ungarischen Aufstandes oder jene,
ebenso
auf
die
die im Anschluß
an den Sieg der Gegenrevolution in den Kreisen der deutschen Auswanderer 2 entstanden und gesungen wurden. Bei den Karikaturen sollen vorwiegend jene zur Untersuchung herangezogen werden,
die
sich auf bereits durch Lieder behandelte Themen beziehen.
Auch hier geht es einerseits um Kritik an Mißständen wie an der politi¬ schen Unterdrückung und Zensur, andererseits um eine Darstellung konkreter politischer
Ereignisse
und
Personen bzw.
Personengruppen,
- auch hier
spielen wir wieder auf den "Deutschen Michel" an, der zahlreiche Karikatu¬ ren
inaugurierte.
Übergangen werden
sollen
dabei
aber
alle
sonstigen
"Ereignisbilder", dsgl. jene Flugblätter, auf denen sich Barrikadenszenen und
ähnliches
abspielen,
es sei
denn,
die vorgestellten Liedbeispiele
weisen eine inhaltliche oder thematische Parallele auf. nannten Abbildungen handelt die
Realität
es
sich
Bei den ebenge¬
zumeist um Bilder,
"naturalistisch" widerzuspiegeln,
die vorgeben,
und deren Tendenz nicht
so offenkundig auf der Hand liegt. Zwar spiegelt ja schon die Themenauswahl jeweils
eine
dieser Art
ganz
bestimmte
Tendenz
wider,
insofern "bloße Abbildungen",
"verfälscht"
und
"verfremdet"
doch
sind
Darstellungen
als hier zumeist nicht bewußt
wird wie
bei der Karikatur.
Sie können
natürlich interessante Details über die einzelnen Schauplätze der Ereig¬ nisse vermitteln, Zeit
etwa wie bestimmte Straßenzüge und Viertel zu dieser
ausgesehen
wieder
ähnliche
haben
mögen,
Szenen,
d.h.
doch
insgesamt
Barrikaden,
wiederholen
sich
immer
Pulverdampf,
wehende
Fahnen,
Volkslieder
Zeit
1756
bis
bis heute leider auf sich warten,
wie
Kaufhandlungen und Blutvergießen.
Franz
Wilhelm
Freiherr
von
Ditfurth:
Historische
der
von
1871, 2 Bde, Berlin 1872. Arth
hier
läßt
eine
grundlegende
Untersuchung
Rolf W. Brednich:"...Und Lassen Deutschland Deutschland sein..." Bemerkungen zu Auswandererliedem. 1976,
S.
-In:
20-25,
Auswanderung
Bremen-USA
(Führer
des
Schiffahrtsmuseums),
Bremerhaven
hier in einer Fußnote auf S. 20 richtig feststellt. Ebenfalls zur 200-
Jahr-Feier der USA erschien ein Beitrag von Otto Holzapfel: Lieder deutscher Auswanderer. -In: Bremisches Jahrbuch, Bd. 54(1976), S. 13-20, der sich mit dieser Liedgattung beschäf¬ tigt; vgl. auch den Beitrag von Frank Tronmler: Vom Vormärz zum Bürgerkrieg-Die Achtund¬ vierziger und ihre Lyrik.
-In:
Sigrid Bauschinger/Horst Denkler/Wilfried Malsch(Hrsg.):
Amerika in der deutschen Literatur. Neue Welt-Nordamerika-USA, Stuttgart o.J., sich u.a. mit dem Amerika-Bild nicht ausgewanderter Oppositioneller beschäftigt.
der Aus
älterer Zeit liegt lediglich das Werk von Hermann von Freeden/Georg Srnolka: AuswandererBilder
und
Skizzen
aus
der
Geschichte
der
deutschen
Auswanderer,
Leipzig
1937
vor,
worin sich Snolka auf S. 34ff. mit der deutschen Massenauswanderung des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt.
-
34
-
Es kommt im folgenden nicht darauf an,
neue
Fakten in Verbindung mit
der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/1849 erschließen und vorstellen Vielmehr der
oder
war
gar
uns
ein
der
Zwang
Geschichtsliteratur
vorgestellten einen
Lieder
Schwerpunkt
neues
"Geschichtsbild"
auferlegt,
ausführlich
und
auf
bereits
behandelten
Karikaturen
eine
die
entwerfen
und
bekannten und
Ereignisse
gleichsam
Untersuchung
zu wollen.
zu
in
durch
die
akzentuieren
und
Darstellung
der
Medien
Lied und Karikatur dieser Zeit zu legen. Hierbei sollen v.a. die Darstel¬ lungsmittel und Kompositionstechniken bei Lied und Karikatur dargestellt werden, die Gemeinsamkeiten wie auch die Verschiedenheiten der behandelten Medien bei
der Darstellung
der gleichen Themen,
- etwa wie ein ganz
bestimmtes politisches Ereignis aufgegriffen und in Lied und Karikatur verarbeitet und dargestellt wird, lichkeiten, hier
z.B.
stellvertretend
die
Abgeordneten
- wie verschiedene historische Persön¬
Friedrich Wilhelm IV., Hecker und Blum, um diese drei zu nennen,
der
oder auch Bevölkerungsgruppen,
Frankfurter
Nationalversammlung
oder
- etwa
v.a.
auch
das Bürgertum, - abgebildet werden. Zunächst soll dabei von einer allgemei¬ nen Betrachtung zur politischen Lyrik und Karikatur übergeleitet werden, um anschließend ihr Wesen und ihre Aufgabe darzustellen. wegen
der
Stoff-Fülle
Notwendigkeit
ergibt
weiterer
sich
sachlicher
auf dieser Basis Abgrenzung,
Nicht zuletzt
folgerichtig eine
zumindest
was
das
Lied
anbelangt: Aus der Vielzahl der sich anbietenden Materie sollen vorwiegend die
singbaren und wirklich
gesungenen
Lieder
herangezogen werden,
da
diese den Rezipienten ungleich direkter und nachhaltiger als unvertonte Dichtung
ansprachen
und
demzufolge
eine
weitaus
breitere
Wirkung
zu
erzielen vermochten. ^ Jedoch fallen unter die vorgestellten Beispiele nicht
allein
zahlreiche
"elitäre
Kunstlieder",
die
nur
innerhalb
der
Grenzen ihres Bereiches Resonanzfähigkeit besitzen. Viele dieser Gesänge nahmen mit der Zeit volksliedhaften Charakter an,
d.h.
sie wurden über
einen längeren Zeitraum vermittelt und nicht nur in einer eng begrenzten Region
gesungen,
demokratischen
sind
also
Charakters"
mit
der
geworden,
Zeit -
echte
wie
sie
"deutsche Wolfgang
seinem bereits mehrfach angeführten Werk genannt hat.
Bei
Volkslieder Steinitz
in
den meisten
der in dieser Arbeit vorgestellten Lieder handelt es sich jedoch nicht um "Volkslieder im engeren Sinne", d.h. um Volkslieder, die einer Defini¬ tion,
wie
Council"
1
sie
1954
erarbeitet
während wurde,
des
damaligen
genügen:
"International
"Folk rnusic
is
Folk Music
the product of a
Trotzdem wollen wir auch zahlreiche Gedicht-Beispiele abdrucken, die in den Zusanmenhang unser Arbeit passen, die zu denselben Themen Stellung beziehen wie die vertonten Texte.
35
-
musical
tradition
transmission. which from
links the
voraus,
irrpulse
the
evolved
shape
daß
und
Lied
sein muß,
dabei
2.
(i)
Variation,
Continuity,
which springs
or the group;
determines
1.
the process of oral
tradition are (ii)
Sauermann
betreffende
through
the
individual
which
survives".
das
gesungen
of the
community,
music
im Volksgesang belegt Volk
been
the present with the past;
by
the
has
factors that
Creative
selection which
that
The
-
etwa
the
form,
setzt
für
durch mindestens
and
(iii)
or forms,
in
ein Volkslied drei
Fassungen
ein bis zwei Generationen lang im
weitgehend mündlich
tradiert
werden
muß;
3.
muß zu der zeitlichen auch die räumliche Verbreitung des Liedes hinzukom¬ men und 4.,
als Zeichen dafür,
daß das Volkslied im Volk auch wirklich
auf- und angenommen wurde, muß es im Laufe der mündlichen Überlieferung 2'
urpgestaltet werden. Viele
der
im
folgenden
aufgeführten
Lieder wurden dagegen nicht ohne
zeitliche Sprünge weitergegeben; daneben kam es oftmals zu keiner Varian¬ tenbildung.
Oft
in
ganz
konkreten historischen
und auf diese bezugnehmend, sobald
die
gerieten sie
Situationen entstanden
schon bald in Vergessenheit,
Situation sich geändert hatte und damit das Bedürfnis für
die betreffenden Lieder geschwunden war. Daneben darf man die Tatsache nicht
außer
acht
oppositioneller
lassen,
daß
Lieder wenn
die
Zensur
auch nicht
die
inner
Verbreitung zu
derartiger
verhindern,
so
doch
erheblich zu erschweren wußte und daß - wie bereits erwähnt - verschie¬ dentlich Forscher und Sammler eine Art Vorzensur vollzogen, der zahlreiche 3 derartige Produkte zum Opfer fielen. In der Folgezeit der revolutionären Ereignisse,
als diese nur noch als
"Schuljungenstreiche" galten, denen 4 "die Bestrafung auf dem Füße" folgte, war in breiten Kreisen der Bevölke¬
rung,
im Bürgertum,
v.a.
folgerichtig auch das Interesse an derartigen
Zeitprodukten weitgehend verschwunden, - dies umso mehr, als die Bismarcksche
Reichsgründung
einen
sehnlichen Wunsch breiter Bevölkerungsmassen
- schon seit der Zeit vor 1848/1849 - endlich erfüllt hatte. Der Freiheits¬ gedanke und damit auch die Erinnerung an die Lieder, die diesen Gedanken propagiert und '-ihm
1 Maud
Karpeles:
An
immer
neue
Introductian
To
Nahrung
English
gegeben
Folk
Seng,
hatten,
Lcndcn-New
trat hier für
York-Torcnto
1973,
S. 3. 2 Dietmar Sauermann: Historische Volkslieder des 18. und 19. Jahrhunderts, S. 15. 3 Demgegenüber weist
Rolf W.
Brednich in seiner "Liedpublizistik im Flu^ilatt des
15.-
17. Jahrhunderts, S. 135 wohl mit Recht darauf hin, daß mehr Lieder als oftmals angenermen unter dem Volk Verbreitung gefunden haben kamen, da ein Großteil von ihnen durch Flug¬ schriften und Flugblätter verbreitet worden sei(S. 134), welche "als die anfangß beweglich sten Formal der Druckveröffentlichungen dazu dienten, auf dem raschesten Wege eine möglichst hohe Zahl von Empfängern anzusprechen". Derartige Lieder keimen demnach "durch¬ aus unter dem Volk verbreitet gewesen sein, ohne daß ein Übergang in die orale Tradition nachzuweisen
ist"(S.
zutreffen durfte.
135),
eine
Tatsache,
die
wohl
auch
für
Lieder
spaterer
Zeiten
-
36
-
lange Zeit zurück. So ließ bereits wenige Jalire nach den Revolutionsereig¬ nissen Karl Barthels verlauten - wiederum in Anlehnung an das bereits erwähnte
Goethe'sehe
Zitat:
wahre gelten lassen, wo Vorurtheile das
Herz
"(...)wie kann man(...)die Poesie
und
Systeme,
erbittern
und
Anschauung zerstören!
Leidenschaften und Parteien
die
schöne
Unbefangenheit
der
kanpfen,
(...)wie kann(...)die Poesie als die wahre gelten
außerdem beflissen ist, machen!
Nein
wird
die
sondern noch
zerstörende Leidenschaften zu erregen und Partei
auch
uns
Refrain eine Wahrheit: Auch
die
künstlerischen
die sich nicht mit der reinen poetischen Wirkung begnügt,
zu
als die
die ausschließlich nur mit dem Staate zu tun hat,
ist
in
gewisser
Beziehung
Pfui ein politisch Lied!
Geschichte
selbst
schon
ihr
der
Goethe'sehe
ein garstig Lied!(...)
Gericht
ausüben über
die
heutige politische Poesie, und Dichter, wie die, die wir(...)hier betrach¬ ten wollen,
ein Herwegh,
Fallersleben
u.a.,
soweit
lang vergessen sein, Obwohl
ein Dingelstedt, sie
politisch
ein Prutz, sind,
ein Hofften von
werden Uber
kurz
oder
soviel Geschrei man jetzt auch von ihnen macht".1
auch die Karikatur in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ein
beliebtes Medium blieb,
hierbei
aber
die
ungefährlichen unpolitischen
Karikaturen, die niemandem richtig wehtaten, ein Medium, das hauptsächlich in Zeitschriften wie den "Fliegenden Blättern", später im "Sirrplicissimus" seinen festen Platz hatte, an.
sprach sie doch jeweils nur eine Minderheit
Die historisch-politischen Karikaturen des Vormärz und der Revolu¬
tionstage
aber waren meist zu sehr auf ganz konkrete
Situationen und
Personen hin konzipiert gewesen, - eine Eigenschaft, die ja letztendlich ursprünglich ebenfalls,
sehr
-
zu
nachdem
ihrer Wirkung die
sehr
jetzt
- ihr rasches Vergessen begünstigte.
ist auch zu berücksichtigen, nur
die
aber
Zeiten und die politischen Bedingungen sich
scheinbar geändert hatten,
uns
beigetragen hatte,
Hierbei
daß etwa zeitgenössische Karikaturen auch
selten nachhaltig
im
Bewußtsein haften bleibt,
daß
es
auch für uns heute z.B. sehr schwierig, ja unmöglich sein kann, Karikatu¬ ren
der
1950er
oder
'60er
Jahre
richtig
einzuordnen
und
zu
deuten- >
oder alle abgebildeten Personen eindeutig zu identifizieren. Einen wesentlichen beantworten, so
große
d.h.
Teil
dieser Arbeit
wird der Versuch darstellen zu
warum die einzelnen Lieder und Karikaturen zu ihrer Zeit
Verbreitung
fanden
und
worauf
ihre
große
Wirkung
beruhte,
welchen publizistischen Forderungen die von uns behandelten Medien
genügen mußten, um von einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt aufgenom-
Alexander Broecker: Die Wirkung der deutschen Revolution auf die Dichtung der Zeit, mit besonderer Berücksichtigung der politischen Lyrik (Diss.), Cöln 1912, S. 1.
1
Karl Barthels: Deutsche Nationalliteratur der Neuzeit, schweig 1862, S. 432f.
1.
Aufl.
1850,
6.
Aufl.
Braun¬
-
men und begriffen zu werden. soll
der
zweite
Hauptteil
37
-
Nach Abfassung dieses theoretischen Teils
der Arbeit
die
Lieder
und Karikaturen
in
ihren jeweiligen historischen Kontext zu stellen versuchen. Ihr histori¬ scher Hintergrund soll
erdeilt,
das Lied und die Karikatur wenigstens
in Ansätzen einzeln interpretiert werden, nachdem sich der erste Hauptteil allgemein und verhältnismäßig "abstrakt" mit den Medien an sich auseinan¬ dergesetzt
hat.
Der letzte Teil
der Arbeit wird sich dann wenigstens
ansatzweise mit der Frage nach dem Quellenwert der historisch-politischen Lieder und Karikaturen zu befassen haben,
- mit den Fragen, was diese
Quellen zu leisten imstande sind und wo ihre Grenzen liegen. geht es dem Verfasser v.a.
darum,
Insgesamt
mit dieser Arbeit eine umfangreiche
Quellensammlung zu der behandelten Epoche vorzulegen,
wobei die Lieder
jeweils mit ihren Texten und Melodien und - ebenso wie die Karikaturenvor ihrem historischen Hintergrund vorgestellt werden sollen. Viele der Lieder des Vormärz und der Revolutionszeit, - und dabei beson¬ ders diejenigen eines Ferdinand Freiligrath und Georg Herwegh, - erfuhren mehrfache
Vertonung,
fanden
Eingang und liegen teilweise Bereits
kurz
vor
revolutionären die
Liederbücher
und anderen. Zeit
von
und
Liederbüchern
sogar als Chorkompositionen gedruckt vor. des
erschien
Schöpfungen
der
bekannter Autoren enthielten. mehrere
Gedichtsammlungen
den Ereignissen
Geschehens
zahlreiche
in
Jahres
eine
1848
Vielzahl
verschiedensten,
sowie von
heute
während
1
des
Liederbüchern, oft
kaum mehr
So erschienen etwa in den 1840er Jahren 2 3 von Fallersleben, Georg Herwegh
Hoffmann
Daneben stellte der Dichter Hermann Rollett, der zu dieser
ebenfalls
publizistisch
tätig
war,
mit
seinem
"Republikanischen
Liederbuch" im Jahre 1848 eine Anthologie bekannter und bis dahin unbe4 kannter oppositioneller Lieder seit Klopstock zusammen. Für die Wiener Revolutionspoesie des Jahres 1848 liegt im "Wiener Parnaß" des Freiherm von Helfert 1 2 3 4 5 ein reichhaltiges Sammelwerk vor,
1
Vgl.
für die Berliner Lyrik
Inge Larmel: Lieder der Revolution von 1848. -In: Das Lied im Kanpf geboren. Publika-
ticnsreihe
der
Abteilung
Arbeiterlied
der
Deutschen
Akademie der Künste.
VEB Friedr.
Hofmeister, Heft 1 Leipzig 1957, S. 13. 2 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder, 2 Bde Hamburg 1840/1841. Derselbe: Deutsche Gassenlieder, Zürich und Winterthur 1843. Derselbe: Maitrank. Neue Lieder, Paris 1844. Derselbe: Deutsches Volksgesar^uch, Leipzig 1848. Derselbe: Deutsches Liederbuch, Leipzig 1848. Derselbe: Drei deutsche Scrmerlieder, Mannheim 1849. Derselbe: Zwölf Zeitlieder, Braunschweig 1849. 3 Georg Herwegh: Gedichte eines Lebendigen, Robert-Eduard
Prutz:
Gedichte.
Neue
2 Bde Zürich und Winterthur, 6. AufL. 1843/44.
Samnlung,
Zürich
und
Winterthur,
2.
Aufl.
1843.
4 Hermann Rollett: Republikanisches Liederbuch, Leipzig 1848, 2. Aufl. 1919. Gottfried Freiherr von Helfert: Lieder und Gedichte, Kassel 1851.
Der Wiener Parnaß, Wien 1882; Derselbe: Republikanische
38
-
finden
sich
einige
Adolf
Wolff
"Die
deutsche
Beispiele
gesarrmelt.
Informationen
in der
1 2 * Hans
Revolution von aus
ganz
-
"Berliner Revolutionschronik"
Blums
1848"
bereits
liefert
Deutschland
eine
erwähntes
neben
einer
größere
Anzahl
von
Jubiläumswerk
Vielzahl
von
vollständiger
Texte von Aktenstücken der revolutionären Bewegung und gibt auch einige dichterische alles
Fassungen
im Wortlaut
und
zahlreiche
in allem eine brauchbare Quellensarrmlung.
Buchholz
in
Aufschwung,
der den
"Deutschen in
Rundschau"
von
p
Karikaturen wieder,
Ein Aufsatz von Arend
1898
charakterisiert
den
jenen Tagen "neben der volkstümlichen Beredsamkeit
in Wort und Schrift,
insbesondere der Journalistik und des Plakatwesens
auch die politische Lyrik"
3
erfahren hat.
"Aus vielen hundert Quellen
hat sie gerieselt: Revolutions- und Barrikadenlieder, Elegien und Jubelge¬ sänge,
Oden und Liederkränze
fanden
zahlreiche
Lieder
in der Regel kleine, jedoch bis Anfang verzichteten.
. 4 Nach der gescheiterten Revolution
v.a.
Eingang
in
die
Arbeiterliederbücher
des
20.
Jahrhunderts
auf
den Abdruck von Melodien
Dadurch wurden sie im Bewußtsein bestimmter Bevölkerungs¬
schichten längere Zeit am Leben erhalten und weitergegeben. Sarrmlungen
-
in Kaliko gebundene Oktavbändchen -, wobei diese
in
Liederbüchern
erschienen diese
Neben den
Lieder und Gedichte
auch
in den aufkorrmenden Zeitungen und Zeitschriften, wo auch die Karikatur ihren festen Platz fand. Vor allem der regierungsfeindliche Liberalismus jener Tage war es,
der der politischen Lyrik und Karikatur in seiner
Presse eine erste Heimstätte bot.
Zahlreich sind auch die Zeitgenossen,
die den Drang in sich verspüren, in öffentlichen Reden, in Vereinsverlaut¬ barungen und
in Zeitungsartikeln ihre eigene Meinung kund zu tun und
sich gegebenenfalls selbst mit gegnerischen Anschauungen auseinanderzuset¬ zen.
Auch
steht -
nunmehr
etwa
dürfen.
dem,
der die
Zeitung
Liebeslieder Insgesamt
in Reimen von politischen
oder
löste
offen,
die
Dingen
zu reden weiß,
früher nur unpolitische Lieder,
systemkonforme
Gedichte,
die Revolution von 1848
-
hatte
abdrucken
einen publizistischen
Dammbruch aus. Es ist kennzeichnend gerade für die vierziger Jahre des vorigen Jahrhun¬ derts, Lyrik
daß der Schwerpunkt der politischen Literatur auf der politischen liegt;
in
keiner
anderen Gattung gibt es zu dieser Zeit etwas
Adolf Wolff: Berliner Revoluticnschronik, Berlin o.J. 2 S.u. S. 11 Fn. 3. Arend
Buchholtz:
Die Berliner Literatur von 1848.
-In:
Zeitschrift für Bücherfreunde,
Jg. 1898/99, S. 83-88 und 133-137.
4
Hans
Benzmann:
Die
soziale
Ballade
in
Deutschland.
der sozialen Ballade, Greifswald 1912, S. 78.
Typen,
Stilarten
und
Geschichte
39
Gleichwertiges. Lyrik
ohne
Dies
hängt
zum
auf
die
Rückgriff
verbreitet
werden
kann,
-
-
einen mit
der
herrschenden
mündlich
oder
Tatsache
zusammen,
daß
Vemittlungsinstitutionen
auch
mittels
Flugblättern,
wie damals vielfach geschehen. Das Flugblatt aber war es auch, welches der politischen Karikatur war
es
d.h.
ohnehin
das
Triebkraft
Heimstatt
vielleicht
gleichermaßen
innerer
eine
Für
einflußreichste
Nachrichtenträger und
bot.
äußerer
und
lange
Jahrhunderte
publizistische
Mittel,
Propagandainstrument.
Aufmachung
fliegt
das
"Aus
Blatt,
zwingt
es gelesen, besprochen und von Hand zu Hand weiter gereicht zu werden".’'“ In
gewissen
Zeiten
einzige Gewähr,
bzw.
Situationen
bietet das Flugblatt oftmals die
einer größeren Öffentlichkeit eine Mitteilung zu machen,
sozusagen mit ihr "ins Gespräch" zu können, ohne daß sich der Verfasser im Augenblick Beim
der
Flugblatt
direkten
handelt
Gefahr
es
sich
einer Entdeckung
dabei
um
eine
ausgesetzt
ein-
oder
sieht.
zweiseitige
Drucksache in rechteckiger Form, wobei man zwischen verschiedenen Arten unterscheiden
kann.
Es
Form Nachrichten und
gibt informative Flugblätter,
Informationen vermitteln,
die
in kürzester
suggestive Flugblätter,
die - unter Umgehung der rationalen Persönlichkeitsanteile - die Zielper¬ sonen v.a. tern,
emotional ansprechen wollen,
die
Fall
ist,
politische -
und
historisch-politischen zum
Handeln
Lyrik
bzw.
instruktive
Zu
Karikaturen
Flugblätter,
Liedgutes,
enthalten.
- was in etwa bei den Flugblät¬
der
-
die
-
enthalten, auch
sie
zumeist
oftmals
der
Träger
Aufforderungen und Anweisungen
natürlichen
Zugkraft
des
Flugblattes
tritt die für die illegale Publizistik wichtige und reizvolle Möglichkeit hinzu,
die Herstellung und den Vertrieb der Flugblätter und -Schriften
verborgen eine
und
unauffällig vor sich gehen zu lassen,
Entdeckung
jeder
empfindliche
Richtung
gewahrt,
meisten
Flugblätter
oftmals
nicht
denn verfaßt Unrecht, Verfasser,
Strafen.
die
liegt
Wie
bei
anderen
ohne
wer
Georg
Anonymität
Autorenschaft
erschienen
feststellbar, hat.
Die
in
kann
verschwiegen
Namensnennung,
sie
Piltz
standen doch auf
Umlauf
schreibt,
nach Die
bis
gebracht,
und
"die Vermutung nahe,
und
dabei werden.
dies
heute
ist
geschweige
wohl nicht zu
daß die Angaben über
Verlag und Druckort nicht der Wahrheit entsprechen".
2
Zudem
wurde es "zur Regel, nicht die Verhältnisse im eigenen Ländchen, sondern die oder
Zustände
im
'Ausland'
schaumburg-lippischen
zu kritisieren. Beamten
Die
drückten
sächsischen,
gern
ein
Auge
hessischen zu,
wenn
sich die Satire gegen die verfluchten Preußen oder gegen die 'spanische 3 Fliege' Lola Montez richtete". Und Piltz führt Beispiele dazu an: Emil Dovifat: Handbuch der Publizistik, Berlin 1969, Bd. II S. 270.
2
3
Georg Piltz: Geschichte der europäischen Karikatur, Berlin 1976, S. 166. Ebenda, S. 166.
40
-
"Der Zeichner W. Starck lebte zum Beispiel in Leipzig, aber seine Karika¬ turen beschäftigen sich ausschließlich mit Begebenheiten und Skandalaffä¬ ren,
die
sich
in
Berlin und München ereignet hatten.
Geisler war nicht der
in
Bayern,
'Schleswig-Holsteiner'
Hause.
der
L.
'Badenser'
Blank,
nicht
Sie alle überlisteten die Reaktion,
zunutze machten,
E. in
Der
'Bayer'
Roux nicht
G.
in Baden,
Schleswig-Holstein
zu
indem sie sich die Tatsache
daß jeder einzelne der 38 Duodezdespoten seinen Staat
für den Mittelpunkt der Welt hielt". 1 In einer Zeit rigoroser Zensur, in der eine zentrale Untersuchungskommission in Mainz über die politische Zuverlässigkeit wachte und alles unnachgiebig verfolgte, was den ideologi¬ schen Richtlinien nicht entsprach, mußte dem Flugblatt also eine besondere Bedeutung
zukommen,
und
es
mußte
oftmals
eine
ungeheuere
Verbreitung
finden. Wiederum erweist sich hier auch die Tatsache, daß Lyrik in Zeiten opposi¬ tioneller
und
revolutionärer
Bewegungen
die
geradezu
prädestinierte
nicht nur literarische Darstellungsform ist, derer sich neben den Dichtem auch weitgehend andere Schichten wie etwa die der Handwerker und aufkom¬ menden Arbeiterschaft bedienten, zu
kommentieren
oder
gar
zu
um die politische Lage aus ihrer Sicht revolutionärem Handeln
trifft ebenso für die Karikatur zu.
aufzurufen.
Dies
Dabei spielt auch der kommerzielle
Gesichtspunkt bei den Flugblattdruckereien, die die Liedtexte und Karika¬ turenbögen
in
Massenauflagen
auf
den
Markt
warfen,
eine
Rolle.
"In
buntem Wechsel jagten sich Lieder, Maueranschläge, Flugblätter, Broschü¬ ren,
Zeitungen,
sie
alle
sie alle künden die Wünsche und Forderungen des Tages,
wurden
mit
Atem verschlungen". Lied
anbelangt,
denen
zusammen
2
gierigen
volkstümliche sie
Händen
aufgegriffen,
Zuweilen benutzten
neue
Zugnummern
oder
wenig
mit
die Verleger, auf
ihren
bekannte
angehaltenem
was das Medium
Flugblättern,
Texte
mit
veröffentlichten.
Nachdem die Käufer die Liedtexte, die sie interessierten, gelernt hatten, wurden
die
Flugblätter
oftmals
nicht
vernichtet,
sondern
gesammelt,
um weiterhin bei Bedarf als Gedächtnisstütze dienen zu können, - hiermit konnte man sich die Aufzeichnung der betreffenden Lieder in ein hand¬ schriftliches Liederbuch ersparen, senten
weitergegeben,
die
sie
ihre Liedsamnlungen aufnahmen.
- oder sie wurden an andere Interes¬ ihrerseits
und
tragen
heftige
oder
Wie Dovifat schreibt,
oft deutliche Spuren solchen Weges: zerlesen
lernten
ebenfalls
in
zeigen Flugblätter
"sie sind zerfaltet, voller Flecken,
Randbemerkungen".
Karikaturen,
die
sich
als "Zugnunmem" erwiesen, wurden einfach von anderen Zeichnern übernommen Georg Piltz: Karl
Geschichte der europäischen Karikatur,
Schottenloher:
Flugblatt
und Antiquitätensammler,
3
Emil Dovifat:
Bd.
21)
und
Zeitung
Berlin 1922,
Handbuch der Publizistik,
Bd.
S.
166.
(Bibliothek S.
II S.
377. 270.
für
Kunst-
-
41
und "nachempfunden". Die
Herausgeber
zeitgenössischer Anthologien
sich oftmals zu ihrem eigenen Schutz
und Zeitschriften bezogen
auf Flugblätter und behaupteten,
man drucke gewissermaßen jeweils nur das nach,
was seit längerer Zeit
im Umlauf und daher sowieso schon allenthalben bekannt sei. Oft wurden, wie
Walter
oder
in
Roer
schreibt,
Zeitschriften
die vielen nur handschriftlich verbreiteten
verstreuten
Lieder
wieder
gesarrmelt,
zumeist
in Bändchen von Uber zwanzig Bogen, um sie auf diese Weise in möglichst großer
Schar vor der Zensur zu sichern,
"der sie einzeln nur zu oft
aus dem Weg gehen mußten".1 Auch die Karikaturen fanden oftmals Liebhaber, wurden
gesammelt
neben
dem
und von Hand
Flugblatt
Presseorgane,
ebenfalls
die
zahlreichen
sich
Hier
sind es
herausbildenden
die der Karikatur eine weitere Heimstatt und Verbreitungs¬
möglichkeiten boten, relativ
zu Hand weitergereicht.
kurzes
wenn
Leben
auch
nur zu vielen von ihnen auch nur ein
beschieden war
p
oder
die
Herausgeber nach
Zusamnehbruch der Revolution mit der neuen Zeit, ein Arrangement
trafen und ihre
Ideale
dem
d.h. mit den Behörden
aufgaben und schon bald verga¬
ßen. ^ Dennoch liefen die Zeitschriften den Flugblättern schon insofern niemals den Rang ab,
als sie
"in der Regel
die Ereignisse davonliefen.
so langsam reagierten,
"daß ihnen
Stets vergingen mehrere Tage, bis die Zeich¬
nung von einem Formenschneider in Holz geschnitten und auf diese Weise umatändlich für den Druck vorbereitet war. Wer aktuell bleiben wollte, mußte
sich der Flugblatt-Lithographie bedienen,
die
in wenigen Stunden 4
hergestellt, vervielfältigt und vertrieben werden konnte'.'.
Walter Roer:
Soziale Bewegung und politische Lyrik im Vormärz 1840/48,
(Diss.) Münster
1933, S. 201. Georg den
Piltz:
Geschichte
Hamburger
der
europäischen
"Mephistopheles",
den
Karikatur,
Frankfurter
S.
164 führt hier beispielsweise
"Satyr",
die
"Ekeligen
Blätter"
aus
Mainz und den "Politischen Bildermann" aus Karlsruhe an, dsgl. Ludwig Pfaus "Eulenspiegel", der trotz des Herausgebers wiederholter zäher Versuche das Blatt zu halten bzw. wieder ins Leben zu rufen scheiterte. Ebenda, von
S.
165.
Martin
Unlauterkeit Bewunderer
Piltz führt als Beispiel hierzu den in München erscheinenden "Punsch"
Schleich seiner
noch
für
an,
"der
Motive ein
seine
Gesinnung
verborgen liberales
blieb",
Blatt
Bismarck sehen durch dick und dünn folgte".
4
Ebenda, S. 166.
so
rasch
dsgl.
hielten,
den als
wechselte,
daß niemandem die
"Kladderadatsch”, er
dem
"den
seine
Eisen-und-Blut>-Kanzler
.
.
-
43
-
Gegenwärtiger Forschungsstand
Rund einhundertunddreißig Jahre
sind seit der Revolution von 1848/1849
vergangen, und in dieser Zeit ist eine Vielzahl von Veröffentlichungen, - Einzeldarstellungen oder auch Überblicke - erschienen.'*' Sah die Wissenschaft auch in den Unruhen um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts Fuße
"einen
folgte",
2
Schuljungenstreich,
Jahrhunderts mit Veit Valentins Hauptwerk dabei die
äußerst
sich
noch diesem
von
Zeitpunkt
der Tatsache, einer so
allen
Seiten
ihrem
Wert
Veit
sie
auch
die
Valentin
in
einnehmen Lyriker
S
seinem
gerecht
der
damaligen
zu werden und
verloren
seien,
Wert klar
haben
einem
ein,
4
dürfte.
außer
jener
8
dem
Ereignisse,
die auch heute Während
Lieder
bis
auf
- so z.B.
und
Werk
eigenen
acht
gelassen
schriftstellerischen
erkannt
monumentalen
In
Zeit 7
auf
eine ausgewogene und objektive,
sich
auch
Teil
nur
geht
auf
die
zu
Grund
einen
sowie
auf
jene
wurden, Produkte gestützt,
geringen
Raum
er auf die politischen
auf Ferdinand Freiligrath und Georg
weiterhin auf die Werke eines Heinrich Heine,
und Hebbel Karl Beck
Bestrafung
historisch-politischen
den
Quelle
können.
der
Herwegh,
die
daß sie "nicht künstlerisch genug" und "lediglich Produkt
geschichtliche
wenn
3
Darstellung
Tendenzschriftstellerei"
hat
als
faktenreiche
bemüht,
nichts
dem
so gibt es doch spätestens seit den 30er Jahren dieses
von Anastasius
Grün,
6
Grillparzer
Nikolaus Lenau und,-
und schließlich auf August Heinrich Hofftnann von Fallersleben.
9
Ebenso hat man in neueren Werken das historisch-politische Lied inzwischen als
Quelle
auch
in
wenigstens
historisch
soweit
erkannt
orientierten
und
Werken
anerkannt, -
daß
zumindest
diese
Lyrik
auszugsweise
-
abgedruckt wird. So finden sich beispielsweise
in dem von Ursula Schulz herausgegebenen
Taschenbuch "Die deutsche Arbeiterbewegung 1848-1919 in Augenzeugenberich¬ ten" '*'0
neben anderen Quellentexten auch Texte von Liedern und Gedichten
■*■ Vgl. hierzu die ausführlichen Bibliographien bei Veit Valentin: Geschichte der Deutschen Revolution 1848/1849, 2 Bde, Berlin 1930/1931, Neuauflage 1970; dsgl. bei Rudolf Stadelmann: Soziale und politische Geschichte der Revolution von 1848, München 1948.
2
Alexander
Broecker:
Die
Wirkung
der
deutschen
Revolution
auf
die Dichtung der Zeit,
mit besonderer Berücksichtigung der politischen Lyrik, S. 1. 3 Vgl. Fn. 1 auf S. 43. 4 Jost Hermand: Das junge Deutschland. Texte und Dokumente, Stuttgart 1966. 5
Veit Valentin: Geschichte der Deutschen Revolution 1848/1849, Bd. IS. 262ff.
6 Ebenda, S. 284ff. 7
Ebenda, S. 257ff.
Q
Ebenda, S. 260f.
9 Ebenda, S. 265.
44
-
abgedruckt,
etwa das
"Weberlied",
Blutgericht", 1 Heinrich Heines
-
- bekannt auch unter dem Titel "Das
"Im düsteren Auge keine Träne",2 3 4 5 6 7 8 dsg 3
sein
"Ein neues Lied,
Herwegh
4
und
auf wenige
ein besseres Lied"
Ferdinand
Beispiele
Freiligrath,
aus
diesem
5
oder auch Lyrik von Georg
wobei
Bereich
sich
dieses
beschränkt
Buch
jedoch
und diese nur in
Auszügen vorstellt. rr
Wenn Klaus Kuhnke
nicht ganz zu Unrecht feststellt, daß sich in zeitge¬
nössischen Anthologien nur selten ein Lied finde, welches man der Tradi7 tion der demokratischen Volkslieder zurechnen könne, obwohl auch hiervon eine
nicht
unbeträchtliche
unterzieht,
Anzahl
vorliege,
und
dies
seiner
Kritik
so hatte er dennoch das Aufzeigen derartiger Quellen etwa
bei Veit Valentin würdigen können und müssen, bei dem neben den erwähnten Autoren
verschiedentlich
auch
Lieder
unbekannter
Verfasser
Erwähnung
O
finden. Recht hat Kuhnke mit seiner Auffassung insofern, als jene Lieder lange Zeit weder Gegenstand einer gründlichen wissenschaftlichen Forschung waren,
noch in neueren Ausgaben Vorlagen. Walter Grab und Uwe Friesei,
welche
lyrische
Zeugnisse
für
Bewußtsein" zusammengestellt haben, Die
Poesie
sollte
sich
"ein demokratisches, volksverbundenes 9 geben dafür eine plausible Erklärung:
demnach
"über
das
Alltägliche
erheben,
dem Druck des Daseins freimachen und das Leben verklären".'*'21 anderer
Stelle
führen
sie
aus:
"Femzuhalten war
alles
von
Und an
Widerwärtige
und Häßliche, das mit der getreuen Schilderungen der sozialen und sittli¬ chen
Verkommenheit
unserer
Zeit
zusanmenhängt.(...)Es
den Deutschen dies alles femgehalten worden, getreuen auf
Schilderer
diese
oder
der
jene
Wirklichkeit
unfreiwillige
ihr
Art.
ist
denn
so gründlich,
Leben
dabei
daß manche
lassen
Gelehrt wird eine
auch
mußten
apolitische
aber keineswegs unpolitische Romantik mit all ihren Nacht- und Mondphasen, Fortsetzung S. 43 Fn. 10.
2 Ursula Schulz(Hrsg.):
Die
Deutsche
Arbeiterbewegung 1848-1919
in Augenzeugenberichten,
München 1976.
1 Ebenda, S. 32f. 2 Ebenda, S. 34f. 3 Ebenda, S. 36f.
4 Ebenda, S. 37 und S. 78f. 5 Ebenda, S. 63, 82 und 84f. 6 Klaus Kuhnke: Die alten bösen Lieder. Lieder von 1848, Ahrensburg/Paris 1969. 7
8
Ebenda, Vorwort. Veit Valentin:
Geschichte
der
Deutschen
Revolution
1848/1849,
Bd.
II
S.
179 und S.
342. Horst Denkler: Zwischen Julirevolution(1830)und Marzrevolution(1848/49), S. 182f.
10
Walter S. 12.
Grab/Uwe
Friesei:
Noch
ist
Deutschland
nicht
verlorst
München-Hatnr-g
1970.
45
-
die Peter RUhmkorf als als
'latente Krisenzeiten der Gesellschaft'
erkennt,
'RückzUge der von ihrer Zeit enttäuschten Dichter in eine Unzeit':
Historie, Nacht und Traum".1 So begnügen sich auch die meisten Liederbücher bis in die jüngste Vergan¬ genheit das
damit,
ahistorische
historisch-politische
und
Lied
apolitische nahezu
Lieder wiederzugeben und
völlig
außer
acht
zu
lassen,
- sieht man vielleicht einmal von den sozialdemokratischen Liederbüchern des 19. Jahrhunderts ab.
2
Bereits 1836 urteilte F.L. dahin
käme,
Volkslieder einzig
alle zu
v.
Soltau zu diesem Thema:
auffindbare(...)historische
vereinigen(...),
werden:
ein
so
poetischer
und
"Wenn es jemals kulturhistorische
müßte(...)der historische Überblick
Geschichtsspiegel,
der auch in dem was
er nicht berührt, unterrichtend sein würde, eine historische vox populi, die
ferner
Geschichtsschreiber
nicht
Desgleichen betrachtet auch Ph.
unberücksichtigt
lassen
Körner sein Buch als Beitrag zu einer
gedachten "vollständigen Bibliothek deutscher Volkslieder", "dem
Geschichtsschreiber
genaueren Gar
und
eine
das
reiche
ausgeprägteren
3
dürfte".
Bild
Gestaltungen
Doppelbedeutung weisen Karl
vergangener vorgeführt
damit einmal
Ereignisse werden
in
könne".
4
Steiff und Günter Mehring ihren
geschichtlichen Liedern und Sprüchen für den Historiker zu, dem geschicht¬ liche Dichtung "die Schilderung von Ereignissen durch einen Augenzeugen 5 mindestens einen Zeitgenossen" biete. Sie könne den
oder Teilnehmer, "Gang
der
aufklären.
Dinge
oder
wertvolle
die
Quelle
untersuchen sein". 6 er
der
seinem
ganzen Verlauf
oder
auch
in
Einzelheiten
Und sie gibt gleichzeitig Kenntnis von dem Urteil,
Zeitgenossen eine
in
ist,
Personen
gehabt haben.
das die
Ob sie damit
wird in jedem einzelnen Fall besonders zu
Liliencron geht darüber noch insofern hinaus,
betreffenden
Geschehen zubilligt:
handelnden
Dichtung
einen
mitgestaltenden
Einfluß
auf
als das
"Zu der bestimmenden Eigentümlichkeit aber der(...)
Dichtungen gehört es eben, daß sie nicht, auf einen schon abgeschlossenen Verlauf
zurückblendend,
geschichtliche
Begebenheiten
in
objektiver
Walter Grab/Uwe Friesei: Noch ist Deutschland nicht verloren, S. 12. Natürlich hatten zahlreiche Liederbücher, so etwa die Korrmersbücher des 19. Jahrhunderts, zahlreiche "außenpolitische" Lieder zum Inhalt, d.h. Lieder, die sich direkt oder indirektmit
Deutschlands
Verhältnis
zum
Ausland
auseinandersetzten.
Demgegenüber
aber
waren
hier keine Lieder enthalten, die sich mit innenpolitischen Themen beschäftigten. F.L.
v.Soltau:
Ein Hundert Deutsche Historische Volkslieder. Gesammelt und in urkundli¬
chen Texten chronologisch geordnet, Leipzig 1836 S. LXV. Ph.
Körner:
Historische
Volkslieder
aus
dem
sechzehnten
und
siebzehnten
Jahrhundert
nach den in der k. Hof-und Staatsbibliothek zu München vorhandenen fliegenden Blättern, Stuttgart 1840, Vorwort. Karl
Steiff/Günter
1912.
6
Ebenda, Vorwort.
Mehring:
Geschichtliche
Lieder
und
Sprüche Württembergs,
Stuttgart
-
Auffassung
darstellen,
sondern
46
daß
-
sie
aus
den
Begebenheiten
selbst
als eine unmittelbare Folge hervorwachsen und daß ihre nächste Absicht dahin gerichtet ist, sie
die
Gemuther
auf den weiteren Gang der Dinge einzuwirken, indem
stimmen
und die Geister im Volk für eine bestimmte
Auffassung der Sachlage gewinnen.
Darum sind sie
ihrem innersten Kem
nach nicht historischer, sondern vielmehr politischer oder politisirender Natur". ”*■ Diese Auffassung teilte u.a. daß
die
literarisch-musikalischen
der Volksmeinung"
auch Rudolf Wolkan,
Produkte
"die
der anfuhrt,
Ereignisse
zurückgeben und entweder zeigen,
im Spiegel
"wie das Volk sich
die Geschehnisse, durch die es in Mitleidenschaft gezogen wurde, zurecht¬ legte,
oder wie eine größere politische Partei durch Verbreitung solcher
Lieder ihre politischen Ansichten dem Volk mundgerecht zu machen wußte,
p
um es für sich zu gewinnen".
Trotz derartiger Postulate und Erkenntnisse hinsichtlich des historisch¬ politischen Liedes, Zeit
zu
keiner
Funktion, als an
die
Quelle,
seines Wesens und seiner Möglichkeiten kam es lange
breiter
angelegten
Aussagekraft
und
ja man versäumte
Sammlungen wie
denjenigen
Untersuchung
den es
im
eines
über
eigentlichen Wert 20.
Jahrhundert
Hoffmann von
das
Wesen,
dieses
die
Mediums
zunächst
sogar,
Fallersleben,
Ludwig
Erk, - gemeint ist seine drei zehnteilige Heftreihe, die er in den Jahren 1838-1845 herausgab, Ditfurth
anzuknüpfen.
- Ludolf Parisius und Franz Wilhelm Freiherr von Letzterer
druckte
verschiedentlich
auch Lieder
des Vormärz und der '48er Revolution ab.4 Zeitgenössische Liedsammlungen begnügten sich im wesentlichen damit, die Texte der Lieder unkommentiert weiterzugeben, dabei
doch auch bis in unsere Zeit ließ man es im allgemeinen
bewenden,
derartige
Lieder,
-
wenn
sie
schon einmal
dem Leser
oder Hörer dargeboten wurden, - zusammenhanglos nebeneinander zu stellen, oftmals
Rochus
ohne
Freiherr
sie
van
auch nur mit
Liliencre:
Die
dem
geringsten Kommentar zu versehen.
historischen Volkslieder
der
Deutschen
his 16. Jahrhundert gesammelt und erläutert, 4 Bde und Ergänzungsband, hier Bd. II Vorwort S. I.
vom
13.-
Leipzig 1865ff’•
Rudolf Wolkan: Deutsche Lieder auf den Winter-könig, Prag 1898, Einleitung S. III. August
Heinrich
Hoffmann von Fallersleben/E.
Richter:
Schlesische Volkslieder,
Leipzig
1842; Ludolf Parisius: Handschriftliche Sammlung um 1850 in Sachsen-Anhalt, Uhiv’.-Bibliothek Halle Yi5a.(Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Volkskunde Bd. 10 )-Franz !fllhelm Freiherr von Ditfurth:
Die historischen Volkslieder des siebenjährige Wiege
1763, bis zum Brande vom Moskau, 1812, Berlin 1872. Derselbe: Die historische Volkslieder ve
der
Verbannung
Napoleons.. .1815,
bis
zur
Gründung
de
Nordbundes,
Berlin
1872-
Derselbe: Historische Volks- und volksthünliche Lieder des Kriege ve 1870-1871, Berlin
£r8n? Wilhe^ Freiherr ve Ditfürth: Die historische Volkslieder ve der Vertanx* Napoleons... 1815, bis zur Gründung des Nordbundes, S. 63f., 93f., 213f 215
-
47
-
In dieser Weise verfährt etwa auch der an anderer Stelle zitierte Klaus Kubnke,1 2 3 Sammlung
2
Kaiser, grund
der es - trotz seiner kritischen Aussagen im Vorwort zu seiner bei
einer
reinen 3
Anthologie
während Inge Lanmel
der
einzelnen
von
bewenden
läßt,
ebenso
Bruno
wenigstens in kurzen Fußnoten den Hinter¬
ihr
vorgestellten
Lieder
stichwortartig
zu
umreißen sucht und Annemarie Stern,4 5 die weitgehend auf Lammeis Anmerkun¬ gen und die Arbeit von Wolfgang Steinitz zurückgreift,
ebenso verfährt.
Bei aller Kritik aber, die man hier ansetzen kann, bieten diese Herausgeber und Autoren doch eine Fülle an Material auf, auf welches bei der Bearbei¬ tung des in dieser Untersuchung gestellten Themas zurückgegriffen werden kann. Gleichermaßen verfahren auch mehrere in den letzten Jahren erschie¬ nene Liederbücher, tisches
Liedgut
Fülle des
die sich dabei allerdings nicht auf historisch-poli¬
beschränken,
"Volksliedes"
sondern
den Anspruch
thematisch abzudecken,
erheben,
& Oss Kröher und das der Gruppe "Zupfgeigenhansel", in
der
Steinitzschen
von Andreas Zweiten
Kettel.
Weltkrieg
5
Tradition Die
verstehen,
und
wenigen Arbeiten,
entstanden
und
weisen keinerlei Melodien auf
ganze
die sich ebenfalls
das
die
oppositionelles
0
die
das Liederbuch von Hein
"Volksliederbuch"
in der Zeit vor dem Liedgut
abdruckten,
und geben nur zu oft keinen Kommentar
zu den abgedruckten Texten. Eine
grundlegende
Änderung,
d.h.
eine
Beseitigung
ließ erst wieder das bereits mehrfach angeführte
all
dieser Mängel,
zweibändige Werk von
Wolfgang Steinitz erkennen, welches gleichwohl jahrelang in der breiteren Öffentlichkeit
kaum
Beachtung fand und erst
in den letzten Jahren zu
einem Bestseller - und man kann fast sagen der "Bibel" Folkszene
-
mit
den
der
Lieder
geworden
ist.
verschiedenen
7
Hierbei
vorhandenen
befaßt
sich
Varianten
des werktätigen Volkes,
die
der
den
der deutschen
der Autor nicht nur Texte
und
sozialen und
Melodien
politischen
1 S.u. S. 44 Fn. 6/7. 2 Bruno
Kalser(Hrsg.):
Die Achtundvierziger.
Ein Lesebuch für unsere Zeit,
Weimar 1960.
3 Inge Lammel(Hrsg.): Lieder der Revolution von 1848. S.u. S. 37 Fn. 1. 4 Annemarie
Stern:
Lieder gegen den Tritt.
Politische Lieder aus
5 Jahrhunderten - von
den Bauernkriegen bis heute, Oberhausen 1974.
5 S.u. S. 27 Fn. 2. ^ Christian
Petzet:
Die
Blütezeit
der
deutschar
politischen
Beitrag zur deutschen Literatur- und Naticnalgeschichte,
Lyrik
von
München 1903.
1840-1850.
Ein
Hierbei handelt
es sich gleichwohl um die wohl bedeutendste Zusammenstellung der oppositionellen lyrik der von uns behandelten Epoche vor dem Ersten Weltkrieg. Elfriede
Underberg(Hrsg.):
Die
Dichtung
der
ersten
deutschen
Revolution
1848-1850,
Leipzig 1930. Auf den Abdruck vor Melodien verzichtete auch das ansonsten sehr instruktive Buch von Ulrich Haß,
Jochen Hiltmann,
Deutschland. 1978,
welches
darstellt,
Walter Kreip und Alexander vor Plato{Hrsg.):
Ein anderes
Texte und Bilder des Widerstands vor den Bauernkriegen bis heute, eine
dsgl.
Vielzahl
Berlin
von Liedern und bildlichen Quellen vor ihrem Hintergrund
das ältere Buch vcn Fritz Kolberg:
Lieder und Taten. Deutsche Volksge-
-
48
-
Interessen der durch Feudalismus und Militarismus unterdrückten Werktäti¬ gen
einen
eigenen elende
klaren Ausdruck
Interessen Lage
bis
sehr
zur
geben",
wobei
verschieden
sein
flammenden Anklage
"der
Grad
und
von
der der
Bewußtheit Klage
über
der die
der Unterdrücker und zum Fanal
1
des
Aufstandes
reichen
kann",
sondern
besonders
sorgfältig
auch mit
der dazu gehörenden Historie, und belegt diese mit umfangreichen Dokumentenmaterial -
bei
und
Aufzeichnungen
von
Zeitgenossen.
aller notwendigen "Einseitigkeit"
grundlegende
Arbeit
sehen,
an
der
Man
kann
hierin wohl
dieses Werkes - mit Recht eine
kein Wissenschaftler,
der
der Thematik des historisch-politischen Liedes beschäftigt, kann.
Ausgehend von einer Analyse der bisherigen bürgerlichen Volkslied¬
forschung eine
sich mit
vorübergehen
weist
Steinitz
Trägerschicht
bisher
bei
den
des
nach,
daß
deutschen
Volksliedsanmlem
Beachtung gefunden hatte,
in
den
vergangenen
Volksliedes und
Jahrhunderten
hervorgetreten
Forschem
nicht
die
nämlich die soziale Unterschicht,
war,
die
gebührende
das einfache
Volk, die Arbeiterschaft. Auch
die
Literaturwissenschaft
hat
mit
der
hauptsächlichen
wesentlichen
und
sich in den letzten Jahren mehrfach Literaturgattung
der
Zeit
zwischen 1815 und 1850 beschäftigt, wobei ich an dieser Stelle lediglich die Arbeiten von Jost Hermand und die erst unlängst erschienene "Geschichte der politischen Lyrik in Deutschland”
erwähnen möchte.
sich
Hintergrund
ausgiebig
mit
dem
historischen
2
Während Hermand
beschäftigt,
vor
dem
diese Dichtung zu sehen ist, untersucht Denkler verschiedene Anthologien 3 der Zeit, arbeitet einzelne Themenfelder heraus, um schließlich die Unterschiede wobei
jedoch
zwischen auch
den
hier
einzelnen
die
Melodien
Lyrikern außer
herauszukristallisieren,
acht
gelassen
bzw.
4
nicht
abgedruckt werden. War Veit Valentin schon einer der ersten fortschrittlichen bürgerlichen Historiker,
der
mögliche
Quelle
getragen
hatte,
die
historisch-politischen
erkannt
und
so würdigte
ihnen er
in
Gedichte
seinem
gleichermaßen
und
Hauptwerk
Lieder
auch
als
Rechnung
den möglichen Quellenwert
Fortsetzung der Fn. 6 von S. 47. schichte im deutschen Volkslied, Prag/Berlin/Leipzig o.J. 7 S.u. S. 9 Fn. 1. Zur Wirkung in den letzten Jahren siehe Rolf W. Brednich: Die Rezeption von Wolfgpng Steinitz, Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters in der Bundesrepublik Deutschland. -In: DtJbfVkKg 1980(im Druck). 1 Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, Bd. I S. XXII. 2 Jost Hermand: Das Junge Deutschland. Texte und Dokumente, Stuttgart 1966; Derselbe: Der deutsche Vormärz. Texte und Dokumente, Stuttgart 1967. Walter Hinderer(Hrsg.): Geschichte der politischen Qyrik in Deutschland, Stuttgart 1978, hier S. 179-209. S. auch u. S. 19 Fn. 4. 3 Horst Denkler: Zwischen Julirevolution(1830)und I®rzrevoluticn(1848), S. 190ff.
4
Ebenda, S. 196ff.
49
der
Karikatur
auch
der
wiederum
auf
diesem
war das
von
nur
Gebiet
ihm
behandelten
verhältnismäßig bei
weitem
Epoche,
kurz
nicht
-
der
später
erschienen,
erste
seine
"1848
und
"Jubiläum"
der
Untersuchungen
Doch
einzige.
der
Karikaturen
Uber
—
wenn
war
Schon
er
1887
Lola
wenige Montez3 4 5
und
ihrem historischen Hinter¬
Gerade die Jahrhundertwende bzw.
Revolution
Einzeluntersuchungen verbreitet
der
bekannt
von
1848
brachten
Karikaturen
war
und
der
ist
Betrachtungen und 4 Tage" hervor. Sehr
"tollen
auch
das fünfzigjährige
mehrere
bis
in
die
heutigen
Tage
das
erschienene Buch "Die deutsche Revolution von 1848/49" von Hans 5 worin ebenfalls eine Vielzahl derartiger zeichnerischer "Zeitkommen-
tare"
abgebildet
eingeht.
Zudem
ist,
das
wurzelt
im
die
Text
allerdings
Blumsche
kaum
tung,
weswegen
beiden
der
Autor
unruhigen
Revolutionäre
insgesamt
Jahre
Kritik
übt
ablehnt
und
dabei
auf
diese
Geschichtsbetrachtung
geistigen Tradition der wilhelminischen Ära bzw.
der
diese
an.1
worin er eine Vielzahl von bis dahin vergessenen und weitgehend
grund dargestellt hat.
1898
führte
in der Karikatur",2 dsgl.
unbekannten Karikaturen veröffentlicht und vor
Blum,
und
ebenfalls
- bereits an anderer Stelle kurz angeführte - Werk des Kulturhisto¬
rikers Eduard Fuchs über das Jahr Jahre
-
die
und
in
der
deren Geschichtsbetrach¬
revolutionären
verurteilt,
lediglich
Quellen
ganz
an
seinen
Bestrebungen
den
meisten
Vater,
Robert
der Blum
davon ausnirrmt. Obwohl licht und
also gerade und
besprochen
Herausgeber
selbst
zur
untersuchen,
zu
erörtern. Eduard
geschweige dennoch um
des
zu
Fuchs denn
ab, auf
43 Fn.
ist
auch ihren
Verwendung
1.
stellen
seinen
Tatsächlich
einmal
S.
unterlassen
Karikaturenmaterials,
d.h.
'historische
1 S.u.
wurden, reichen
Diskussion
zu
von
in jener Zeit eine Vielzahl von Karikaturen veröffent¬
Gemälde,
Dsgl.
und
es
auf
Quellenwert die in
seine
und
Karikatur,
der
"so
hin
Veit Valentin:
als
meisten Samnler Medium
es
Karikatur
"Fragwürdigkeit"
hin
Leistungsfähigkeit
man
einmal
Quelle
befragt
handelte
topographische
die
das
seine
sieht
Folgezeit
Quellenwert fand,
dennoch
nicht
worden. sich
Darstellungen
Wo
doch und
vom Werk genutzt, das
Bild
vorwiegend historische
Frankfurt a.M. und die Revolution von 1848/49,
Stuttgart/Berlin 1908, S. 264ff. und S. 399. 2 S.u. S. 9 FYi. 2. 3 Eduard Fuchs: Ein vormärzliches Tanzidyll. dsgl.
wenige
Jahre
vorher
Derselbe:
Lola
Lola Montez Montez
in
in der Karikatur, der
Karikatur.
-In:
Berlin 19C4, Zeitschrift
für Bücherfreunde, Berlin 1897/98, S. 108. 4 Hans Brendicke: Jahn-Karikaturen aus der Zeit des Frankfurter Parlaments. -In: Zeitschrift für Bücherfreunde, Berlin 1897/98, S. 374f., dsgl. Eduard Fuchs: Noch einige Jahn-Karikaturen. -In: Ebenda, Berlin 1898/99, S. 582ff. 5 S.u. S. 11 Fh. 3.
6
S.u. S. 9 Fh. 2, dsgl. Eduard Fuchs:
Die Karikatur der europäischen Völker vorn Altertum
bis zur Neuzeit, und Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahr 1848 bis zur Gegenwart, Berlin 1901/03.
50
-
-
Skulpturen'". 1 2 3 4 * 6 Zwar hatte bereits 1917 Albert Werminghoff der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Ikonographie eine "Sonderdisziplin zur Geschichte" werden möge, ^ und Wilhelm Bauer stellte die Forderung auf: die
eigentliche
geschichtliche
Landeskunde,
Trachtenkunde, als
Quelle
auch
Kunstgeschichte,
geschichtliche
Völkerkunde,
"Nicht bloß
Geographie,
Urgeschichte,
die
geschichtliche
auch die politische und Geistesgeschichte kann das Bild
nicht
weiterhin
wurde
die
entbehren".
Doch wurden derartige mögliche Quellen
vernachlässigt,
verzichtet,
weil
man
auf
sie
ihre
Behandlung
dem Arbeitsgebiet
bzw.
Erörterung
der Kunstgeschichte
zurechnete, welche ihrerseits ebenfalls eine nähere Würdigung der bildli¬ chen
Geschichtsquellen
unterließ
und
ihre
eigentliche
Aufgabe
darin
sah, "Bildwerke nur unter ästhetischen und kunsttechnischen Gesichtspunkten zu
betrachten
eigenartige
und(... )keinerlei
Ausführungen
Uber
das 4
Quelle geschichtlicher Erkenntnis" machte.
Bild
als
eine
Eine kritische
Untersuchung und Analyse der Karikatur fand also auch hier nicht statt. Zu einer völligen Vernachlässigung bis hin zum Vergessen dieser möglichen Quelle aber kam es schließlich in der Zeit des "Tausendjährigen Reiches", als die Meinung vorherrschte, nur
daß die Revolution von 1848/1849 ohnehin
"von Geheimbünden unter jüdischer Leitung"
inszeniert worden sei.
5
Die Sarrmlungen von Eduard Fuchs, wie bereits erwähnt jüdischer Herkunft und
Sozialist,
Vergessenheit 0 anheim, - ein Vergessen, das sich bis in unsere Tage hin auswirkt. Allein seine
fielen
"Geschichte
der Frau",
in
der
dieser
Zeit
nahezu
erotischen Kunst"
sowie
völliger
seine 7
die in letzter Zeit neuaufgelegt wurden,
"Sozialgeschichte sind heute wieder
einer etwas breiteren Öffentlichkeit bekannt. Einer der wenigen Karikatu¬ renbände zum Zeitraum von 1848/49, die nach dem Zweiten Weltkrieg erschieO
nen,
läßt es im wesentlichen bei einer bloßen Sammlung bewenden,
ohne
mitzuteilen, um wen es sich bei einzelnen karikierten Personen handelt, Angaben,
die aufgrund der Vorarbeiten um die Jahrhundertwende durchaus
möglich
gewesen wären.
in
BRD
der
Emst
auf
Bemheim:
Doch
lassen
sich warten,
Lehrbuch
der
was
sogar den
derartige Veröffentlichungen
behandelten
Zeitraum betrifft.
historischen Methoden und der Geschichtsphilosophie,
3/4
1903, zit. hier bei Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle.-In:Historische Bildkunde 2(Hrsg.v.)Walter Goetz, Hamburg 1935, S. 7.
2 Albert Wermingfooff: Zur Ikonographie des deutschen Mittelalters. -In: Deutsche Geschichts¬ blätter 18, S. 57, zit. bei Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle, S. 8. 3 Wilhelm Bauer: Einführung in das Studium der Geschichte, 2. Aufl. 1928, S. 302. 4 Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle, S. 11 tD
Helmut Hartwig/Karl Riha: Politische Ästhetik und Öffentlichkeit, S. 192. 6 S.u. S. 29 Fn. 1. Eduard Fuchs: Geschichte der erotischen Kunst, 3 Bde Berlin 1977, 1. Aufl. 1908; Derselbe: Sozialgeschichte
der
Frau,
München
1973(=Die
Frau
in
der
Karikatur,
München
1928).
8 Alfred Gessler/Karl-Heinz Grahl: Seine Feinde zu beißen...Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848-1849, Berlin 1962.
-
51
-
Allgemeine Betrachtungen zur historisch-politischen Dichtung und Karikatur
Bevor im folgenden auf die Lieder und Karikaturen, die sich mit einzelnen Themen und Problemen der Vorrnärzzeit und der Revolution von 1848/1849 kritisch
auseinandersetzten,
näher
eingegangen werden
soll,
erscheint
es zunächst geboten, die Medien historisch-politisches Lied und historisch¬ politische Karikatur "theoretisch" zu behandeln und ihr Wesen zum Gegen¬ stand einer eingehenderen Erörterung zu machen. Dabei sollen die Begriffe "historisch-politisches eine
genauere
Lied"
Bestimmung
und
erfahren,
"historisch-politische wobei
jedoch nicht
Karikatur"
unbedingt
eine
neue und eigene Definition geschaffen zu werden braucht. Was das Lied betrifft, so soll an den Sauermannschen Begriff des "historischen Volkslie1
des" angekniipft werden. auf Lieder, werden",
Jedoch bezieht sich Sauermann dabei ausschließlich
"die zwar aus politischen Anlässen entstanden und verbreitet
und "auch dann von Mund zu Mund weitergegeben" werden,
die tagespolitischen Ereignisse, 2
Aktualität mehr besitzen".
auf die sie anspielen, keine politische
Bei vielen der in dieser Arbeit vorgestellten
Lieder aber handelt es sich eben nicht um "echte Volkslieder", sie
doch
oftmals
"wenn
kaum über
einen
längeren
Zeitraum
- sind
gesungen worden,
dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nicht "ankamen", weil beispiels¬ weise
Text
Gefallen
und
fanden
dazugehörige und
Melodie
sich
daher abgelehnt wurden.
nicht
entsprachen,
keinen
Sauermann würde derartige
Lieder wohl eher seinem "politischen Lied" zuordnen,
da sie "zum Zwecke
eines politischen oder agitatorischen Nahzieles verfaßt und aus aktuellem 3 Anlaß gesungen und nach kurzer Zeit wieder vergessen wurden". Daß wir hier
gleichwohl
den
Sauermannschen Terminus
"historisch-politisch"
adaptieren und die von uns vorgestellten Lieder unter den Begriff "histo¬ risch-politisches
Lied"
subsumieren,
dsgl.
diesen
Begriff
auch
auf
die Karikatur anwenden, rührt daher, daß er uns gleichzeitig zwei Dimensio¬ nen erschließt, welche die vorgestellten Lieder und Karikaturen ebenfalls aufzuweisen in der Lage sind. Die politische Dimension entspringt daraus, daß
sie
wurden,
aus
aktuellem
politischen
dazu Stellung nehmen,
Anlaß
entstanden
oder
verbreitet
die politischen oder sozialen Verhältnisse
interpretieren und dabei nicht - oder doch wohl nur in den seltensten Fällen v.a.
im Hinblick auf die etwaige Nachwelt verfaßt wurden,
sondern
auf die gegenwärtigen Zeitgenossen einwirken sollen, eine Funktion,
Vgl. hierzu Dietmar Sauermann: Das Historisch-Politische Lied. -In: Handbuch des Volkslie¬ des, Bd. 1 München 1973, S. 295. 3 Ebarda, S. 296.
.
3 Ebenda, S. 294
52
-
derer
sich
u. a.
auch
Erich
der politischen Relevanz bemerkte:
Straßner
bewußt
war,
der
—
hinsichtlich
"historischer Volkslieder" für das Mittelalter
"Alle benannten Lieder sind als Agitationsliteratur aus einer
offenen,
nicht
abgeschlossenen
KampfSituation
entstanden.
Ihre Aufgabe
war es, tendenziös und häufig polemisch in eine bestehende Auseinanderset¬ zung einzugreifen. Dabei ist der jeweilige Standpunkt, die Parteizugehörig¬ keit deutlich erkennbar. Die Funktion der Lieder ist also keine historisierende,
sondern
ergibt sich aus der Tatsache, eben
auch
Quellen
von
die
der Nachwelt
erschlossen
Aufschlüsse
und Karl
und
über
ihre
an
anderer
bereits
1
eindeutig politisch".
4
Klier
historische
herangezogen werden
genutzt
Epoche
zu
Stelle
erkennen,
Die
werden
können
geben imstande
erhoben wurde.
- wenn
2
können, und
für historische 5
Laien", werden;
aber
sind,
sie
als
wesentliche
eine Forderung, 3
Jan M.
Rahmelow
auch mit gewissen Einschränkungen,oder lehnen ihn doch
Für Rahmelow sind "Volkslieder(...)
Tatbestände wie für bestürmte Meinungen unter
wobei "die Tatbestände in ganz bestimmter Richtung verschoben"
"als Tendenzen sind dabei zu erkennen: Verbindung, Poetisierung,
Historisierung
und
Typisierung.
Volkslied immer nur jene, (dem
daß
u.U.
Auch
den historiographischen Wert etwa von Liedern an, wenigstens nicht von vornherein ab. Quellen
Dimension
daß die gleichen Lieder und Karikaturen
Füblikator)
und
Von
den
Meinungen
spiegeln
sich
im
die dem Urheber der publizistischen Aussage
ihren
Verbreitern (den Publikanten) gemeinsam 0 Klier dagegen äußert sich dahingehend,
und somit an Gruppen gebunden sind". daß
"wenn
wir
deutlich werde,
rückblickend "daß
das
das
vorgelegte
historische
Material
überprüfen",
es
Volkslied keine Geschichtsquelle
im strengen Sinn ist. Es ist keine Meinungsäußerung des ganzen Volkes, sondern
bestimmter
Kreise.
Als
Urteil
von
Zeitgenossen
spiegelt
und
beleuchtet es historische Tatsachen und mag als Ergänzung und Belegung einer
quellenmäßigen
Erich
Strafrier:
Darstellung
Politische
Relevanz
nützliche
Dienste
tun
"historischer Volkslieder".
und
am
Platze
Die Auseinandersetzung
zwischen der Reichsstadt Nürnberg und den Markgrafen von Braunschweig-Ansbach und Brandenbupg-Kulmbach im Spiegel vcn Liedern und Sprüchen. -In: Formen mittelalterlicher Literatur. Siegfried
Beyschlag
zu
seinem
65.
Geburtstag,
Göppingen
1970(=Göppinger
Arbeiten zur
Germanistik, 25), S. 229-246. 2 S.u. S. 45f. 3 Jan M. Rahmelow:
Die
publizistische
Natur
und
der
historiographische
Wert
deutscher
Volkslieder um 1530(Phil. Diss.)Hamburg 1966.
4 Karl
M.
Klier:
Historische
Volkslieder
und
Zeitgedichte
aus
Niederösterreich.
-In:
Bericht über den 8. österreichischen Historikertag in St. Pölten.. .vom 15. bis 18.9.1964 (Wien)1965, S. 153-164. 5 Jan
M.
Rahmelcw:
Die
publizistische
Volkslieder um 1530, S. 12.
6
Ebenda, S. 12.
Natur
und
der
historiographische
Wert
deutscher
53
-
-
sein". Die politische Tendenz, - und sie ist es, die uns im folgenden interessie¬ ren soll,
- hat
sich im Laufe der Geschichte
schon der verschiedensten
Disziplinen und Gattungen der Kunst bemächtigt, um aus ihren spezifischen Wirkungsmöglichkeiten
und
insbesondere
auch
aus
ihrer
zeitweiligen
Popularität den größtmöglichen Nutzen ftir sich zu ziehen. Hierbei nehmen auch - oder vielleicht gerade deshalb - die Lyrik, und
die
Karikatur
einen
festen
Platz ein.
d.h.
hier das Lied,
Man kann geradezu von einer
bevorzugten Stellung sprechen, da beide Medien größere Kreise anzusprechen in
der
Lage
sind.
Die
allerpersönlichsten
und
Lyrik
etwa
drangt
intimsten Aussage",
zwar
p
"ihrem Wesen nach
doch
läßt
sie
sich
zur
unter
bestimmten Voraussetzungen ohne weiteres - wegen ihres oft "stark agitato¬ rischen
Charakters",
den
sie
anzunehmen
in
der
Lage
ist
-
sehr
gut
3 auch
für
politische
Zielsetzungen
einspannen.
Kischka
verweist
in
diesem Zusamnenhang auf eine Ansprache Otto von Bismarcks vom 18.8.1893 in
Bad Kissingen vor
Kanzler
die
dem
Möglichkeit
dortigen
Gesangsverein,
einräumte,
daß
in der der ehemalige
Gedichte
und
Lieder
machen oder sie doch wenigstens beeinflussen könnten. ^ jedoch
die
Nikolaus leicht
Tatsache
Becker,
haben
nicht
auf
mußte,
außer
welches
acht
lassen,
Bismarck
derartige
daß
anspielt,
Wirkungen
zu
Geschichte
Uodet-lsind. vnoj£ gyöpev Sein (Se\n
fcfe-riT--r-4- ,
j ,
Vo-- ten - Land nnujß gyo ßev
j ; ,1 Sem!
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T-. UJr«, ist des DeutschUa.tev~lo.hd7 .bfivf
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t r und. ,rl Was neKnd
Sein
Fortsetzung der Fn. 1 von S. 140: im Widerspruch zu den Grundgesetzen Großbritanniens stehe. 2 August
Heinrich
Hoffmann,
nach seinem Geburtsort gewöhnlich Hoffmann vcn Fallersleben
genannt, wurde am 2.4.1798 in Fallersleben (Hannover) geboren. Er besuchte die Universität Göttingen,
später Bonn und studierte Iheologie,
später Philosophie und Kunstgeschichte,
bis er sich endlich - auf den Vorschlag der Gebrüder Grimm hin - der deutschen Philologie zuwandte.
1830
wurde
er
außerordentlicher,
Philologie an der Universität Breslau.
1835
ordentlicher Professor der deutschen
1840 legte er Eindrücke einer Reise in seinen
"Unpolitischen Liedern" nieder und wurde daraufhin seines Amtes entsetzt. Nach längerem aufgezwungenen Wanderleben ließ er sich 1860 in Corvey nieder,
wo er eine Anstellung
als Bibliothekar gefunden hatte. Hier starb er am 20.1.1874. Neben seiner Tätigkeit als Dichter rrachte sich Hoffmann v.a. als Germanist einen Namen und verfaßte eine große Anzahl bedeutender Werke über ältere deutsche Literatur. 3 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesanmelte Werke, Bd. IV S. 258. Bei der Melodie handelt es sich um die Weise vcn "Denkst du daran, mein tapfrer Lagienka"? aus dem Sing¬ spiel "Der alte Feldherr" von Karl von Holtei,
1825, ein Stück,
das zeitweise ebenfalls
verboten war. Wir entnahmen die Melodie Wolf gang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokrati¬ schen Charakters, Bd. II S. 62. 1 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd. VS. entnahmen wir den Allgemeinen Kommersbuch, S. lf.
15f. Die Melodie
-
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142
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f T * kommen mag
kommen w«3 1.)
Was ist des Deutschen Ehr'
und
4.)
Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum?
Wol
Die sich nicht untergraben läßt, o nein,
o nein,
Im
o nein!
Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum? Wol
freies Wort und freien Sang?
Und nirgends Lehr- und Glaubens¬ 0 nein,
o nein,
o nein,
zwang? o nein!
Sein ist die Hoffnung nur allein.
3.
)
Was ist des Deutschen Ehr'
und
Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum? Wol endlich öffentlich Gericht? Wol gleiches Recht, 0 nein,
o nein,
Geld,
des
Deutschen
Ehr1
und
freien Handel und Verkehr deutschen
0 nein,
Sein ist die Hoffnung nur allein.
2.) Was ist des Deutschen Ehr' und
ist
Ruhr? Was nennet er sein Eigenthum?
Verfassung zeitgemäß und fest, 0 nein,
Was
-fiteaMJfthd UWein Os^rija«?
Sein 5.)
Was
Land und Ubers Meer,
o nein,
ist ist
o nein,
o nein!
die Hoffnung nur allein. des
Deutschen
Ehr'
und
Ruhm? Was nennet er sein Eigenthum? Wol deutscher Länder Einigkeit? Daheim und draußen Sicherheit? 0 nein,
o nein,
o nein,
o nein!
Sein ist die Hoffnung nur allein.
6.) Erhalt uns Gott, dies letzte Gut, Den Daß Und
frischen nie
frohen Hoffnungsmuth!
das
freudig
deutsche
strebt
und
Herz
er¬
schlafft , wirkt und
Maß,
Gewicht? o nein, o nein!
Sein ist die Hoffnung nur allein.
Daß kommen mag,
scha fft, daß kommen mag
Für
bald ein Ostertag.
Deutschland
143
-
"Langsam wenn ten
sie
katur heit
meine
sie
fallen”!
auf
könn¬
- Kari¬
die Zerrissen¬
Deutschlands,
nationale den
Herren,
zerreißt,
dessen
Einheit
von
eifersüchtig
ihre
über
eigenstaatlichen
Rechte wachenden Fürsten verhindert wurden. "Die
Stadtverordneten¬
versammlungen. Gegenwart". auf
m)
Karikatur
nicht
gewährten
politischen
Rechte
deutschen
Untertanen,
die C.nttc*-*»«* *» Ä*»< *
die
- Zukunft
-
sich
auch
in
der
diesem
Punkt um ihre Hoffnungen betrogen sahen.
!Hr
Wiv
SiWwkW »Uyc,
Geopg Herweg, der am 31. Mai 1817 als Sohn eines Gastwirtes in Stuttgart geborene Dichter , tat sich bereits als Gymnasiast und dann als Student der Theologie in Tübingen verschie¬ dentlich durch poetische Versuche hervor und fand die wohlwollende Beachtung des Königs vcn Württemberg. Als Student mit seinem Repetenten zerfallen, wandte er sich 1836 zurück nach Stuttgart,
wo er anfing, an verschiedene Zeitschriften Beiträge zu liefern. Als er
schließlich seiner Militärpflicht Genüge leisten mußte, kam es zu einem Konflikt zwischen ihm und seinen Vorgesetzten.
Der drohenden Bestrafung entzog er sich durch die Flucht
in die Schweiz, wo er sich als Mitarbeiter an verschiedenen politisch-literarischen ZeifcSchriften beteiligte. (S.
auch u.
kennte
er
S.
nach
Deutschland;
1841
12 Fn.
erzielten seine
"Gedichte eines Lebendigen" großes Aufsehen.
2) Da ihm bald darauf von König Wilhelm Amnestie gewährt wurde,
Deutschland
zurückkehren.
Eine triumphale Reise
führte
ihn durch ganz
in Berlin wurde er im November 1842 von Friedrich Wilhelm IV. persönlich
in Privataudienz empfangen. (S.u. S. 163 ) Kurz darauf erfolgte seine Ausweisung aus Preu¬ ßen:
Obwohl die Behörden etwa in Königsberg, wo er Johann Jacoby besuchte, ein strenges
Verbot erlassen hatten, den oppositionellen Dichter zu feiern oder ihm öffentlich Sympathie zu bekunden, wurden ihm zahlreiche Ovationen dargebracht. Ihm zu Ehren wurde ein Gastmahl veranstaltet, bei dem zahlreiche Reden gehalten wurden und Musikanten in königlicher Uni¬ form revolutionäre Lieder spielten. Da der 25jährige Dichter zudem brieflich an den preu¬ ßischen Körnig appellierte, gewähren, wurde
seinem Volk endlich die geforderten Rechte und Freiheiten zu
und der Brief - ohne Wissen und Willen des Absenders - veröffentlicht wurde,
ihn der weitere Aufenthalt in Preußen untersagt. Er kehrte in die Schweiz zurück,
wo er Kontakt mit den dortigen Handwerkervereinen aufnahm. über,
wo er Bekanntschaft mit Karl Marx,
Heinrich Heine,
1843 siedelte er nach Paris Arnold Rüge u.a. schloß. Das
Jahr 1848 sah ihn als Präsident des Republikanischen Komitees der Deutschen in Paris. Gegen den ausdrücklichen Rat von Karl Marx marschierte er mit der Deutschen Demokratischen Legion im April in Baden ein, um Friedrich Heckers Freischaren zu Hilfe zu kommen.(S.u. S. 326ff. )Nach der Niederlage floh er erneut in die Schweiz und wurde hier zum Mittelpunkt der deutschen und italienischen Emigranten. Die letzten Lebensjahre verbrachte Georg Her¬ weg^ wieder in Deutschland, wo er am 7. April 1875 in Baden-Baden starb. Georg Herwegh: Gedichte eines Lebendigen,
Zürich/Winterthur 1841, S. 45f. Daneben findet
sich ein weiteres Gutenberg-Gedicht, Ebenda, S. 43ff. Mit Melodie findet sich der "Frühlingsmorgenruf1 u.a.
abgedruckt bei Inge Larmel:
Lieder der Revolution von 1848, S. 18,
157
-
j.iJ-rl
1.)
Die Sonne,
der wir lang geharrt,
J I
f' rt Ist eiw^etÄ^as \uWig sd^t [Wenn
HitarweLjqlvttuoll SeWn u Kollier langem . Wo
2.)
Die Ketten brach der Lenz entzwei
Ist endlich aufgegangen;
Mit seinen Rosendüften,
Wir schauen ihre Himmelfahrt
Und unsre Seelen rauschen frei
Voll Sehnen und Verlangen.
Wie Adler in den Lüften.
Wo ist ein Herz,
Die
das ruhig
Toten
drückt
der
Tod
schlägt, Wenn solch ein Tag die Schwingen
Horcht,
unser
Meister
regt? Ihr Völker,
Ihr Völker,
Ihr Völker,
lebt
und
spricht:
wachet auf! 3.)
heut' nicht,
wachet auf!
wachet auf und seht
Den Himmel selbst in Flammen! Ihr Völker wachet auf und steht Ein einig Heer zusammen! Voran,
voran,
im Sturm voran!
Der Gutenberg trägt uns die Fahn'! Ihr Völker wachet auf!
Von den zahlreichen Anti-Zensurliedem der Zeit sollen im Folgenden einige weitere Lieder Hofftnanns von Fallersleben beispielhaft herangezogen werden, die die Stimmung wohl vieler Zeitgenossen angesichts der enttäuschten Hoff¬ nungen wiedergeben. Officielles Weihnachtsgeschenk 1841
$ r r r Ök# Trewi euch aUe(freut «udn
al-Le , lo-bet Gott vniV^Ju.—bei — S * p pi r~ * Cr r H fü r Pi r; $ oler wdn i^vwvier
Wuv\—
Lp r ^ p?ir J- rl ö r? F p 1 p' ©1 e
VvulxiL 1.)
w;iL,ot(«p al-le Wett sich
und
Freut euch alle,
gut. Adh , wie freut euch al¬ le ,
Lobet Gott mit Jubelschalle, Der noch immer Wunder thut.
-pYeiA-e- Achfwie ist
ist
mild,
wwd,
es
gut.
Das Censuredikt das neue Will, Ach,
daß
alle
Welt
sich
freue
-
wie ist es mild und gut.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd.
IV S. 249. Das Gedicht
wurde am 17. Januar 1842 verfaßt. Bei der Melodie handelt es sich um die Weise von "Weine nicht, es ist vergebens".
-
2.)
158
Wie ein Stern aus finstrer Wolke
Wollt
3.)
ihr
ferner
euch
beschwe¬ ren?
Könnet ihr noch mehr begehren?
Kam es her aus unserm Volk Und erschien als heil'ger Christ.
Querulanten,
Freut euch,
und
Ja,
Weise!
Alles wünschen,
ist.
Alles - wenn's der Censor will.
Kinder,
Klug1
Seht,
wie gut und mild es
Seht,
wie gut und mild es ist.
schweiget still!
wir dürfen Alles sagen, hoffen,
klagen,
Hier kommt schon die Enttäuschung zum Ausdruck, die Hoffmann neben vielen anderen Liberalen empfand,
als der 1840 vielfach freudig begrüßte Fried¬
rich Wilhelm IV. die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllte. Für ihn selbst hatte der Leidensweg ja eben erst begonnen. 1842 und 18431
.. J s p r Wie
j
p p p f r \ ?}1
Sich oTi?. Weitem o(o!
ist die Freude verschwunden,
Das Singen ist vorbei,
Vorm Jahre Glut und Feuer,
Der Garten
Wie aber ist es heuer
Es hat zu sehr verdrossen
So kalt so feucht und naß!
Die Herrn von der Polizei.
2. ) Vorm Jahre nichts als Hoffnung
5. )
ist verschlossen:
Wo sind die am lautesten sprachen
Auf eine schönre Zeit.
Für Freiheit und Vaterland?
Da gingen die Geister spazieren
Jetzt
reden
die
Schlechten
Die Guten müssen verstummen,
Im Garten der Preßfreiheit. 3. )
Sonst werden sie verbannt.
Wie fühlten so frei sich alle. Wie waren sie freudenvoll!
und
Dummen,
Und konnten sich erlustieren
6. )
Wie sich die Zeiten doch ändern!
Sie sangen von ihren Träumen,
Ach Gott,
Sie sangen auf allen Bäumen,
Vorm Jahre Glut und Feuer,
wie kommt denn das?
Daß es weit im Land erscholl.
Wie aber ist es heuer So kalt und feucht und naß!
Weiterhin wurde alles Geschriebene, das auch für den kleinen Mann einiger¬ maßen erschwinglich war peinlich genau zensiert und jegliche Kritik wem auch nicht völlig unterbunden, so doch erschwert. Die Hand des Journalisten wurde von oben gelenkt, wie uns dies eine zeitgenössische anonyme Karikatur zeigt:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd. VS. 96. Der Text entstand am 17. Juni 1843. Hoffmann unterlegte dem Gedicht die von Friedrich Silcher im Jahr 1825 verfaßte Melodie zum Text von "Ich hatt1 einen Kameraden", den Ludwig Uhland 1809 verfaßte. Wir entnahmen die Melodie dem "Allgemeinen Deutschen Konmersbuch", S. 442.
159
-
-
>» "Genrebild—Redaktion": am
Schreibpult
wird
von
in
zwei
Der
seiner
Journalist, Redaktion
danebenstehenden
scharf überwacht. um
Vertreter
seiner
Hand,
aus
die
lenkt, chen
soll
keinen
den
Wolken
tätig
sie
Kopf
sein
laufen,
seine
hinweisen, auch
eines
mußte,
daß
verboten
mutigen
handelt.
Eine
Schriftzüge
wohl zum einen auf die behördli¬
symbolisiert im
daß es sich hier besonders
Profession
Zensurerlasse
bereits
Polizisten
Die Zipfelmütze auf seinem
Kopf soll wohl ausdrücken, wahrscheinlich
der
steht,
seine
würden
die jeden
wollte
zum
er
er in
die
Publizierenden nicht
literarischen
bzw.
anderen
Vorzensur,
Gefahr
Produkte
Haft
genommen
oder zur Emigration gezwungen würde.
Ein ähnliches Motiv,
d.h.
ebenfalls ei¬
ne sehr "enge Bindung" an die obrig¬ keitlichen Beschlüsse weist
"Die kgl.
bayrische Preßfreiheit" auf,^die in den "Leuchtkugeln"
Wie Presseorgane aussahen, sur "durchlaufen" hatten, Malers
bekanntesten
Hermann
fgl.
batjnfdje *pregfreil)eit
die die Zen¬ mag uns viel¬
leicht die folgende Karikatur des
Die
erschien.
Dyck
ein zweigeteiltes Spottbild,
entstammt
Antizensurgedichte
von
-
veranschaulichen,
Hoffmann
von
das der Feder
dsgl.
Fallersleben,
eines das
schluß daran abgedruckt ist.
Soitgreg fceutfctHr 3ettfcfcrle 3«tfd)rifUn fu*m imgrfömältrt i$rt 3ieiff6eroiaigung ju moirfen unb begeben fl* jur betrejfenben ©el)öebe.
©I< 3«>tfd)rifren buiicn reifen; — müjTen lebud) il,rr enlüanbenen ©lögen Mif*tift«mäiig bebeden.
II. ü. ö. ©Drf: ftcmtatur nuf Me beirtftfot Sireijtjerfjältmiie ODt bet abfifiaffimji bei Jetiiur ftfliecienbe Blätter 1847
der
im An¬
160
-
-
Wie ist doch die Zeitung interessant 1.)
Wie
Wie ist doch die Zeitung inte¬ ressant
Für unser liebes Vaterland!
Für unser liebes Vaterland! Was haben wir heute nicht alles vernommen! Die Fürstin ist gestern niedergekommen, Und morgen wird der Herzog kom¬ men , Hier ist der König heimgekommen, Dort ist der Kaiser durchgekommenWie interessant,
wie
ist doch die Zeitung interes¬ sant
Was
ist
uns nicht Alles berichtet worden!
Ein
Portepeefähnrich
Ein
Oberhofprediger
Die
Lakaien
Die
höchsten
Und Wie
zeitig
erhielt einen Orden,
erhielten
silberne Borten,
Herrschaften gehen nach Norden
interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!
ist Leutnant geworden,
ist es Frühling geworden-
interessant,
Gott segne das
wie
interessant!
liebe Vaterland!
Eine "gute Presse" ist also diejenige, die sich willig und brav von der Zensur leiten läßt: "Die sur
gute
Presse":
wird
licht
hier
Die Zen¬
versinnbild¬
durch
eine
Schere,
die in der einen Hand einen Zensurstift hält, re
in
Ruten
Seile, in
Spazierstock
und
ein
Bündel
an welche die Presse form
Buben
-
Hinter ist
als
der anderen mehre¬
von
unmündigen
angekettet dieser
ein
ist.
Prozession
Schafbock
-
wohl
als Sinnbild der Reaktion- zu sehen, bf-.iH int-»
«Mir ittnrv 2»kv tif OH ff t'rfrtf,
wurf, des
sind,
zu
wacht.
rtlli Oil' ;te««iSV
sehen
ist.
Die
die
Presse
ebenfalls Der
schreitet
der eine Fahne mit sich führt,
Rückschrittes
der
nerseits
SJeut uni an öftiicr yauo Muibtin ftletdi am
Zensur
ein
sei¬ über¬ voran
blinder Maul¬
auf welcher ein Krebs als Symbolfigur Fledermäuse,
die
am
Himmel
zu
sehen
verkörpern die dunklen Mächte der Reaktion.
"Zeitungspresse
um
1848":
Die
vormärzliche
kontrollierte
ne
stellvertretend
sitzt
-
Karikatur
gewährt
einen
"Einblick"
und überwachte Zeitungspresse. für
den
preußischen
in
die
Auf der Stuhlleh¬
Kultusminister
Eichhorn-
Fh. 1 und 2 von S. 159. Abgedruckt bei Eduard Fuchs: Ein vormärzliches Tanzidyll. Lola Montez in der Karikatur, S. 12. Hermann Eyck,
Maler,
Zeichner und Radierer,
4.10.1812 in Würzburg geboren.
ein sehr enger Freund Spitzwegß, wurde am
Als Sohn eines Stadtbaumeisters enpfing er schon in der
Jugend entscheidende künstlerische Anregungen. Nachdem er zeitweise in der Oberpfalz und im Altmühltal gelebt hatte, zuneist
durch
ihre
Vorliebe
kam er 1835 nach München. für
Kleinstadtmotive
Inhaltlich erinnern seine Bilder
und genrehaft-humoristische Staffage
an Spitzweg. Seit dem Erscheinen der "Fliegenden Blätter", 1846, war er Mitarbeiter dersel¬ ben,
hauptsächlich in den ersten beiden Jahrgängen.
1854 wurde er Lehrer an der Private
schule des Münchener Kunstgewerbevereins, die sich unter seiner Leitung zur Kunstgewerbe¬ schule in München entwickelte, die Eyck bis zu seinem Tode am 25.3.1874 als Direktor lei¬ tete.
Unsere Abbildung wurde entnommen aus Eduard Fuchs: Die Karikatur der europäischen
Völker. Von 1848 bis zur Gegenwart, S. 5.
1
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Gesammelte Werke, Bd. IV S. 114.
161
-
-
ein Eichhörnchen und gibt dem
Zeitungsschreiber
Instruktionen, von
weiteren
der
alten
Eber
die
Mächte
und
-
einem
Das
kerung"
"Produkt"
an
nach
tergegeben.
die
von
"Bevöl¬
draußen wei¬
Oben ist eine
Druckerpresse die
-
werden.
fertige dann
einem
Hund
vervollständigt wird
noch
"Nachrichten"
zw^i
zu
sehen,
Krebsen
be¬
dient wird.
Setzen sich die vomnärzlichen
Lieder
zumeist
recht allgemein mit dem Problem der Zensur auseinander, so greift die Kari katur - ihrem Wesen entsprechend - häufig ganz konkrete Geschehnisse auf und kommentiert sie. Die folgenden Abbildungen etwa spielen auf verschie¬ dene mehr oder weniger spektakuläre Ereignisse an, auf behördliche Maßnah¬ men,
die die Gemüter der Zeitgenossen erregten - waren sie nun freudiger
Art oder riefen sie Bestürzung hervor. Die zeitweilige Lockerung der Zen¬ sur wurde ebenso registriert wie die erneute Anziehung der Zensurschraube, - letzteres eine Maßnahme, die nicht zuletzt auf den gekränkten Stolz des preußischen Königs zurückgeführt werden kann. "Aufhebung Die
die
der
Zensur
den
preußischen
dem
zeitweilige
mit
schräg
reicht
dem
preußischen
"Pressfreiheit" schriften von
zu
sehen
die die
seit den
dem
ersten
Herrschenden
Die
sind
mittlere
und
wird
-
- und
gemeint
-
die
Rolle,
ist
der
hier
März
des
1848
1
abgebildet
ist,
mit zwei Schreibfe¬ flankiert das
von
zwei
Sinnbild
der
Schere
-
tragen.
auf der eine Perga¬ Bediensteter über¬ der
Kommode wohl
die
Aufschrift
tragen
die
die
Auf¬
Öffentlichkeit
- beides Forderun¬ laut
werden.
des Königs flattern Karikaturen aus dem Geisteszwinger, links
Ses¬ trägt
auf
Jahrhunderts
präsentiert
drei
Ein
"Deutschlands Einheit",
Jahrzehnt im
die
liegt.
Schubladen
"Bilder¬
der
Tintenfaß
weitere
auf
Neben bzw.
ihm
steht eine Kommode,
eine
ist.
"Oeffentlichkeit"
IV.
sitzt
sehen:
ein
"Constitution"
König
Gerichtsverhandlungen
gen, und
Aufschrift
IV.
durch Thema.
hinter
zu
Zensur der
zum
der Aufschrift
Sesseln, Friedrich Wilhelms
König
in der Hand.
sel dern
mit
Aufhebung
Karikaturen
Wilhelm
freiheit"
Rechten
für
Thron und hat eine Pergament¬
rolle
Zur
Bilderzensur":
entstanden um 1842,
hat
Friedrich
mentrolle
der
Karikatur,
geworden Über
dem
sind Haupt
der im Hintergrund
wo sie bisher eingesperrt waren und vernichtet wurden.
Die Abbildung wurde entronnen aus Eduard Fuchs: Vcn 1848 bis zur Gegenwart, S. 3.
Die Karikatur der europäischen Völker.
-
Text: "Als der König winkt mit dem Finger Auf thut sich der Geisteszwin¬ ger
ft'*
'
'
162
-
Und der Satyr aus halb nur geöffnetem Haus speit Caricaturen in Unzahl aus'.'
anonyme immer daneben tritt" "Wie Lithographie. Eduard Fuchs hat diese Karika¬ tur folgendermaßen charakterisiert: "Von allen satirischen Angriffen gegen Friedrich Wilhelm IV. ist dies ohne Zweifel der kühn¬ ste, der furchtbarste Hieb, den er (Fried¬ rich Wilhelm - der Verfasser) ob seines stets mißglückten Bemühens, Friedrich II. zu glei¬ chen, erdulden mußte. In dessen Fußstapfen will er treten, aber regelmäßig tritt er daneben. Der Witz ist einfach, aber ebenso schlagend, ein I^enkstein in der Geschichte der Karikatur". "Wie einer immer daneben tritt" wurde zur direkten Ursache der Wieder¬ einführung der Bilderzensur. "Hier hörte die Romantik auf, Friedrich Wilhelm IV. fand, daß c^irch Verbote am einfachsten der Gegner
in der Diskussion zu schlagen war". Die Zeichnung zeigt Friedrich II., der gedankenvoll die Hände am Rücken verschränkt vor dem Schloß auf und ab geht. Im Vordergrund sieht man Fried¬ rich Wilhelm IV., der sich - in der linken Hand seine obligatorische Sekt¬ flasche, in der rechten ein Sektglas - tollpatschig abmüht, in Friedrichs II. Fußstapfen zu treten, dabei jedoch immer daneben tritt. *w U -»1 TW i* »Kut* iUMi
i ml «Irrllrrr »ja Jfb E»
Die Karikatur "Aus dem Lustspiel Des Königs Befehl" behandelt die Aufhebung der zeitweiligen Zensur¬ freiheit für Karikaturen durch den preußischen Kö¬ nig. Friedrich Wilhelm IV. gebietet dem preußi¬ schen Adler, die Karikatu¬ ren, die sich seiner ange¬ nommen haben, mit seinem Schatten zuzudecken. Text: "Und der Herr sprach: Es werde Nacht!!!"
Hatte
die
Karikatur
"Wie
einer immer daneben tritt" zur erneuten Verschärfung der Bilderzensur gefü hrt,
so war es der Brief
Georg Herweghs, welcher dem preußischen König die willkommene Gelegenheit zur Aufhebung der günstigen Zensurvorschriften für sonstige Publikationen bot.
Kurz nachdem Herwegh - während seiner triumphalen Rundreise durch
Deutschland - von Friedrich Wilhelm IV. empfangen worden war, verbot die preußische Regierung auf des Königs Veranlassung eine von ihm angekündigte neue Zeitschrift, den "Deutschen Boten aus der Schweiz", noch ehe das erste ^ Eduard Fuchs: Die Karikatur der europäischen Völker vom Altertum bis 1848, Berlin 1903, S. 399. 2 Ebenda, S. 399. Franz Dingelstedt schreibt in seinen "Liedern eines kosmopolitischen Nachtwächters", Ham¬ burg 1841, 6. Station von Nachtwächters Weltgang: "Ein König sei Original und stehe auf sich selber:/Er wolle nicht in jedem Ding - hier schweigt es - altenfritzig sein"!
163
Heft erschienen war.
-
1
Eine anonyme Lithographie mit dem Titel"Des Dichters Audienz:' karikiert Georg Herweghs Haltung seine opposLPr» l\aMnr, tionelle Gesinnung, die während der Zusammenkunft mit dem preußischen Kö¬ nig versagt habe. Die linke Abbildung zeigt den Dichter, der vor einer Büste Friedrich Wilhelms IV. seine opposi¬ tionelle Einstellung nicht verhehle: "Und wie ich selbst mit Gott gegrollt. Wie sollt' ich nicht einem König grol¬ len"? Das rechte Bild zeigt ihn dage¬ gen in ehrerbietiger, ja man möchte fast sagen devoter Haltung vor dem König, der den Ausspruch tätigt: "Ich achte eine gesinnungsvolle Opposition". -Zwischen dem König und dem Dichter ist des ersteren Leibarzt, der Gehei¬ me Medizinalrat Dr. Schönlein zu sehen, der, als er die Bekanntschaft mit Georg Herwegh gemacht hatte, die Zusammen¬ kunft vermittelte und als einziger Zeuge bei der Audienz zugegen war. Theophil Zolling hat auf Grund der ihm gewährten Einsicht in die Akten^ des Königlich Preußischen Staatsarchivs in Berlin die Audienz geschildert. Es geht daraus hervor, daß Friedrich Wilhelm Herwegh mit Freundlichkeit und großem Wohlwollen entgegentrat, "ihm freundliche und ehrende Worte Uber seine Gedichte sagte, dabei auch erklärte, er achte und liebe eine gesinnungsvolle Opposition, daß er ihm aber auch nicht verhehlte, wie sein innigster Wunsch darauf gerichtet sei, den Dichter gemäßigte Bahnen einschlagen zu sehen: für diesen Fall würden ihm größere Erfolge beschieden sein(... ) Auf dieses königliche Motto, das für Friedrich Wilhelm höchst bezeichnend genannt werden muß, mit einem entsprechenden Schlagwort sofort zu replizieren, fehlte es Herwegh offenbar an Geistesgegenwart. Zu einem Marquis Posa, wie ihn der Spötter Heine(...)hinstellt, war Herwegh so we¬ nig geeignet wie zu einem Jacoby, der dem König bald genug die radi¬ kale Unverblümtheit zu kosten gab.(...) Thatsächlich ist die Audienz im Berliner Schlosse ohne jeden unfreundlichen Zwischenfall verlaufen, Herwegh bewahrte dabei eine ^phüchterne, befangene Hal¬ tung" . Die Audienz ist auch Thema der nebenstehenden Berliner Karikatur "Der Tetzel des 19. Jahrhunderts ertheilt Ablass für politische IfrUr^ri (Sks IS “JahrhimderuVerbrechen" der Friedrich Wilhelm IV. mit dem Ablaßprediger Johannes Tetzel verglichen wird, der seinerzeit Martin Luther veranlaßte, seine 95 Thesen gegen die unwür¬ dige Art der Ablaßverkündigung zu verfassen.
1 S.u. S. 156 Fn. 1. 2 Theophil Zolling in der Wochenschrift "Die Gegenwart" Jg. 1898, Nr. 39-41. 3 Christian Petzet: Die Blütezeit der deutschen politischen fyrik, S. 148f.
-
164
-
Ähnlich reagierte die Karikatur etwa beim Verbot der "Rheinischen Zeitung , auch als der Vertrieb der "Leipziger Allgemeinen Zeitung" - eines wegen seiner freimütigen Kritik auch in Preußen vielgelesenen Blattes - in Preu¬ ßen verboten und auch die Beförderung mittels der Post durch das preußi¬ sche Staatsgebiet untersagt wurde: "Der gefesselte Prometheus"zeigt den als Prometheus an eine Drucker¬ presse geschmiedeten Karl Marx, der vom preußischen Adler angegriffen und gepeinigt wird, den der links oben im Bild auf einem Thron sitzende Minister Eichhorn, das "Eichhörnchen" gegen ihn ausgesandt hat. Unten sind die im Einzugsbereich der "Rheini¬ schen Zeitung" liegenden Rheinstädte - Köln, Düsseldorf, Aachen, Krefeld, Elberfeld, Koblenz und Trier - zu sehen, die in Jungfrauengesjtalt das Verbot der Zeitung beklagen. "Der Leipziger Allgemeinen Leiden und Tod", anonyme Lithographie, o.O. u. J. Die Karikatur zeigt ein ähnliches Motiv wie das Bild "Der gefesselte Prometheus": Der "Leipziger Allgemei¬ nen", die vor dem Brockhausschen Stammnaus in Gestalt einer barbrüstig en Frau an einen Felsen angekettet ist, wird vom preußischen Adler die Brust zerfleischt, während des letztewährend des letzteren Partei¬ gänger, d.h. hier v.a. Klerus und Polizei die Szene umringen. Der Felsen, an den die "Leip¬ ziger Allgemeine" angeschmiedet ist, besteht aus Paketen von Zeitungsexemplaren. Text unterhalb der Zeichnung: Mit Aristokraten und Pfaffen und Bureaukratie War ich jung noch an Jahren, in schönster Herzensharmonie. Doch wie mit den Jahren wächst des Buhlens Trieb, Hatt1 ich Männer von der Lin¬ ken wie der Rechten lieb,
Die Gründung der "Rheinischen Zeitung" - am 1. Januar 1842 in Köln - war zunächst von der preußischen Regierung begünstigt worden, erhoffte man sich in ihr doch zunächst ein Gegengewicht gegen die "Kölnische Zeitung", die häufig zu betont kirchliche Ansprüche geltend machte. Nachdem man die "Rheinische" einige Zeit hatte gewähren lassen, sah man sich letztlich dem doch zu einem Verbot genötigt, als der junge Karl Marx an die Spitze der Redaktion getreten war und einen immer schärferen Oppositionskurs vertrat, auch dies ein Beispiel der zwiespältigen und widersprüchlichen Politik Friedrich Wilhelms IV. Nach dem Verbot beabsichtigten die Freunde der "Rheinischen Zeitung" zunächst in Straßburg oder Brüssel eine Agitaticnszentrale zu errichteten, verzichteten jedoch darauf, da die breitere Öffentlichkeit die obrigkeitlichen Maßnahmen ohne größeren Protest geschweige dann aktiven Widerstand hinnahm, und der Kampf dagegen aussichtslos erscheinen mußte. Wie Wilhelm Bauer: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte, S. 309 anführt, empfan¬ den nur ganz wenige "mit Arnold Rüge, was es bedeute, 'dieser schneidende Rückfall vom Reden ins Schweigen, vom Hoffen in die Hoffnungplosi^ceit, von einem menschenähnlichen in einen sklavischen Zustand"1.
-
Buhlte gings:
da
rechts
und buhlte
165
-
links./ Doch nicht eben lang mit dem Buhlen
Warf sich an den Hals mir ein Hann der Intelligenz. Der machte weder rechts noch links Scharwenz, Der zündete mit dem Feuer, das er vom Himmel stahl Eine höllische Feuersbrunst mir an allzumal. Die Aristokraten, die Bureaukraten, die Pfaffen machten Chor, Der Schwarze selbst gegen mein Haus sich verschwor.
Die
schmiedeten mich an und auf ihr Geheiss Macht, wie weiland dem Feuerdiebe Prometheus, Ein grausamer Adler mir die Hölle heiss. Der hat mich wüthend gepackt Und fast schon das untreue Herz zerhackt. So büss ich Dulderin Prometheuische Pein 0 möchte der Kampf bald geendet sein.
Die Reaktion der "Allgemeinen Zeitung" auf das Verbot kennzeichnet die folgende Zeichnung: "Der 'Allgemeinen' Hebung: Der Brockhaussche Verlag kriecht vor dem Grenzpfahl zu Kreuze. "Am Boden links liegt ein Blatt mit der Aufschrift 'Devoteste Bitt¬ schreiben'. Der sofort ent¬ lassene Redakteur Dr. Julius trägt ^in Schloß vor dem Mund". Zu Linken - auf sächsischer Seite - steht eine fassungslose und be¬ drückte Menschenmenge. Die "Allgemeine" wird am Grenz¬ pfahl aufgehängt und auf diese Weise "gehoben". Auf preußischer Seite sieht man wieder das bekannte Eichhörnchen, welches auf der Schulter des preußischen, des "prometheusschen"Adlers sitzt. Text:"So ihr euch bekehret, wird euch geholfen werden". Auch die nebenstehende ano¬ nyme Karikatur auf die Pres¬ sezensur, verlegt von Julius Springer in Berlin, o.J. weist alle "Utensilien" der Zensur auf, die der Presse ihr Flügel beschnei¬ det: Rasiermesser, Schere, Knüppel, Vorhängeschloß und Handschellen bzw. Fu߬ fesseln.
Von Hoffmann von Fallersleben stanrnt auch das nächste Lied unserer Sarrrn lung, in welchem er sich gegen jegliche Bevormundung der Presse durch die Obrigkeit wendet:
Wilhelm Bauer: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte, Abb.
-
166
-
Gute Presse und guter Druck Brave deutsche Männer! lernt begreifen, daß Ihr es selbst seid, durch die Ihr in Euren Ketten erhalten werdet; daß Ihr, um frei zu sein, nicht einmal unseres Verstandes nur Eures eigenen energischen Willens bedürftet. Graf v. Wittgenstein im Hauptquartier zu Berlin 4/16 März 1813 an die Einwoh¬ ner des Kurfürstenthums Hannover.
kJAc £ §| f pp
[»• p|f r j y
, iV\y Kodot es Jßwn ewALck u»U.e.KcJel
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